Being eines vollffandign @chracebändes der Nafur und Beſtimmung der Thiere und der Pflichten des Menſchen gegen die Ihiere von Smith, Doctor der Gottesgelahrtheit, ktoͤniglich daͤniſchem Profeſſor der Weltweisheit, Kirchenprobſt, Mitglied der koͤnigl. norwegiſchen Geſellſchaft der Wiſſenſchaf— sen, Schloß-Prediger zn Friedensburg und Hauptprediger in Asmin— deroͤd und Groͤnholt in Seeland. Ge ordaeneo. — N cn, N Aus dem Daͤniſchen mit vielen Zufägen und Derichtigungen des Verfaſſers. Kopenhagen, 1793 Behy Chriſt. Gottlob Proft, Sohn und Compagnie. j> ‘ Seiner Ercellenz dem Herrn Geheimenrarh und Nitter Sobann von Buͤlow, Hofmarſchall bey feiner Eöniglichen Hoheit dem Kronprimen von Daͤnnemark. RE EB: 7 — enn ich hiemit Ewr. Excellenz diefe Blaͤt ter übergebe, fo gefshieht dies nicht allein, weil Ihr heller Verſtand, Ihr edles Herz, Ih— re uneigennuͤtzige Vaterlandsliebe, Ihre warme Liebe fuͤr die Wiſſenſchaften, und Ihre vertrau— liche Bekanntſchaft mit denſelben, es eines freyen, ſelbſtſtaͤndigen Mannes wuͤrdig macht, Ihnen eine Arbeit zuzueignen, die er ſich befugt haͤlt, dem Publikum vorzulegen; ſondern auch, und zwar hauptſaͤchlich deswegen, weil es Ewr. Er: cellenz vorzuͤglich zuzuſchreiben iſt, daß diefe Ar— beit, und infonderheit der theoretifche Theil der: felben, ihr Dafeyn erhielt, und das wurde, was fie ift. | — Zwar Zwar will ich damit nicht ſo verſtanden ſeyn, als ob die bürgerliche Lage Ewr. Excellenz den Einfluß anf mich gehabt hätte, daß ich mit £uft eine Arbeit unternahm, die Ich fonft Feinen Trieb gehabt Haben würde auszuführen; Betrach⸗ tungen diefer Art — Sie wiſſen 88 — waren unter allen am wenigften im Stande mich in mei- nen Handlungen zu beftimmen, Aber der Bey— fall des edlen aufgeklärten Mitbuͤrgers war mir immer theuer: Die Wünfche des Freundes, des tugendhaften, einfichtövollen und treuen Freun— des, find mir ſtets ein heiliges Geſetz; und wie Fönnten fie es anders ſeyn, wenn fie, wie bey Ewr. Ereellenz, feinen andern Zweck haben, als das Befte der Wiffenfchaften, und die wahre Ehre unſers Vaterlandes und unfers Königs haufes ? Doch die Theilnehmung Ewr. Ereellenz an dieſer Arbeit hat ſich nicht auf bloße Wuͤnſche — einge⸗ eingeſchraͤnkt; Sie haben durch Ihre Ichrreichen Unterredungen,, durch Shre freundfchaftlichen Erinnrungen, durch Ihre ununterbrochne Auf- merffamkeit auf alles, was mit dem Gegenftande dieſes Werks in Verbindung ſteht, fo viel dazu bengetragen, daß es das werden Eonnte, was es ſeyn follte, daß ich vor dem Publikum gar nicht zu entfehuldigen feyn wurde, wenn ich nicht alles gethan hatte, was in meinen Kraͤften ſtand, um die Erwartungen. de3 aufgeflärten Leſers, und mit ihnen die eben fo wuͤrkſamen und freundfchaftli- hen, als patriotifchen Wuͤnſche Ewr. Excellenz zu befriedigen. Und hiemit übergebe ic denn. nun Ewr. Excellenz dies Buch, ald eine Sache, die mit dem vollfommenften Eigenthumsrechte,. ihnen zugehört. Es fey, fo lange es gelefen wird, und da iſt, ein Beweiß von der uneingefehränften — und Freundſchaft, die ich fuͤr Ewr. *4 Excel⸗ Excellenz ald Bürger und Menſch fühle Ewr. _ Excellenz felbft aber diene e3 zum Unterpfande von der feften Heberzeugung, die ich habe, daß meine Arbeit den Benfall meiner guten und auf geklaͤrten Mitbürger in eben dem Maaße gemwin- nen werde, als ich glücklich genug geweſen ſeyn mag, den Forderungen und Erwartungen Ewr. Excellenz ein Genüge zu thun. 2, Smith. : Bora Borrede — — — — DE ich zu Anfang des Jahrs 1789, Gedanken über die Natur und Beſtimmung der Thiere, und über die Pflichten der Menfchen gegen die Thiere, berausgab, hofte ich zwar, daß meine Arbeit nicht mit Mißfallen von meinen Landsleuten würde auf genommen werden; aber ich war weit davon entfernt, mir mit der Vermuthung zu fchmeicheln, daß das Buch einen folchen Abfag finden würde, der es mir fchon nach Verlauf von weniger als einem Jahre zur Pflicht machen koͤnnte, diefe Materie von neuen vorzunehmen und zu bearbeiten. Eben fo wenig war es mein Vorfag, : dem Publifum eine, im eigentlichiten Verftande, neue Ausarbeitung über diefen Gegenftand zu liefern, als ich zu Anfange des nächftverwichnen Jahrs, mit dem Hrn, Hofbuchdrucker Schulg die Herausgabe einer neuen Auf: ‚ lage der obigen Gedanfen verabredete; ich verfprac) nur Zuſaͤtze und Verbefferungen, und dieſe follten, wie, ic) damals dachte, blos in einer oder andern genaueren Be⸗ ſtimmung der in dem Buche zum Grunde gelegten Be— AN griffe, x Borrede, griffe, hauptſaͤchlich aber in Hiftorifchen [Erläuterungen beftehen, weil ich erfahren hatte, daß diefe infonderheic meinen $efern angenehm wären, wie fie denn auch an fich die ficherften Führer für den Philofophen find, Mehr wagte ich nicht zu verfpreihen, da meine Amtsgefchäfte und meine Gefundheitsumftände mir nicht erlaubten zu hoffen, daß ich. mehr würde halten Fonnen, wenn ich es auch verfpräche.- / Man eilte unterdeffen nicht mit dem Drucke, und dba derfelbe, nachdem man ihn kaum angefangen, ver- fhiedner unvorbergefehner und unüberfteiglicher Hinder- niffe wegen, ins Stecken gerieth, ich alfo dadurch die nöthige Zeit gewann, die Materie nach einem andern Plan zu bearbeiten, fo bielt ich es für meine Pflicht, alles zu hun, was mir in diefem Stuͤcke moͤglich wäre. Was ich nun aber gethan zu haben glaube, und wie id) es zu thun gefücht babe, davon will ich bier meinen $efern Nechenfchaft ablegen. | Meine Hauptabficht bey der Herausgabe jener er- ften Schrift über diefe Materie war die: eine Art von ſyſtematiſchem Entwurf zur Beftimmung der $ehre von den Pflichten der Menfchen gegen die Ihiere zu liefen, da diefe Lehre von den Philofophen bisher theils war über- gangen, theils gar zu kurz und unbefriedigend behandelt worden. Aber da ich wuſte, mie unrichtig im Allgemeis nen die Begriffe der Menfchen über die Natur und Würde der Thiere wären, fo hielt ich es für nörhig, die Lehre \ von Vorrede. xı yon den Pflichten durch eine vorausgefchickte kurze eheores tiſche Abhandlung vorzubereiten. Indeſſen konnte ich, nach meiner damaligen Abfiche, nur das allgemeinfte von demjenigen berühren, was über die Intelligenz der Thiere zu fagen war; ich mufte in einigen Stuͤcken, die Dinge - als bewiefen vorausfegen, ftatt hinlängliche Beweife von ihrer Nichtigfeit zu führen; und war überhaupt genüthigt, aus Mangel der norhmendigen Schriften ‚ vieles zu übers gehen, mas ich fonft nicht übergangen haben würde, Hiezu kommt noch, daß die moralifchen Betrachtungen mein Nachdenfen und meine Yufmerffamfeit fo fehr auf fid) zogen, daß ich den theorerifchen Theil als eine Neben⸗ ſache anſah; daher denn auchdie Abhandlung uͤber die Na— tur der Thiere nicht mehr als einen Bogen einnahm. Dies aber war an und fuͤr ſich zu wenig um Etwas, und zu viel um Nichts zu ſeyn. Der aufmunternde und belohnende Beyfall, wo⸗ mit ſowohl meine Landsleute als Fremde jene Arbeit beehr⸗ ten, foberte mich nun nicht allein auf mehr zu hun, als ich bisher, meinem Plan und meiner Abficht gemäß, ge- than hatte; fondern verfchiedne freundfhaftlihe Erinn— rungen, die man mir mittheilte, diefe und jene Einwen— dung, welche, mie ich durch Umgang und Unterredung erfuhr, gegen das Werf gemacht worden, legten mir auch die Pflicht auf, die Materie ganz von neuen vorzu— nehmen, um, ro möglich, der $ehre von der intelleftu> ellen Natur ver Thiere fo viel Klarheit und Beſtimmtheit FD zu xII Vorrede. zu geben, daß man ſich wenigſtens nicht laͤnger im Stande glauben ſollte, die Lehre von den Pflichten durch jeden witzigen Einfall und jede Schein-Einwendung zu beſtrei⸗ ten und umzuftoßen, welche man etwa dagegen ausdenfen und vorbringen koͤnnte. Um diefe Abfiche zu erreichen fehlug ich den Weg ein, ei ıe fortgefegte Vergleichung des Thiers mit dem Menſchen anzuftellen, und die Lehre von der intelleftuel- len Natur der Ihiere eben fo zu behandeln, wie wir bis⸗ her, zumal in fpätern Zeiten, die menfchlihe Seele in unfern Unterfuchungen über ihre Fähigkeiten und Würf- ‚ famfeit behandele haben. Da aber alle Behaupfungen, welche die Erfahrung uns über die Intelligenz der Thiere an die Hand giebt, fih auf Analogie, und auf Schlüfle die aus ihr hergenommen find, gründen; fo mufte ic) notwendig darthun, daß wir zu diefen analogifchen Schluͤſſen völlig berecheige find, infonderheit da es noch) gar viele giebt, die es nicht einfehen Fonnen oder wollen, daß die Analogie die Grundlage ift, worauf wir alle unfre Vermuthungen und Schlüfe von dem Dafeyn und den Eigenfchaften derjenigen Dinge bauen, welche außer unferm eignen Individ vorhanden find. Um diefen analogifchen Schlüffen den erforderlichen Grad von Wahrſcheinlichkeit und Gewisheit zu geben, mufte ich ferner überall die weſentliche Aehnlichkeit zeigen, die zwifchen der Organi« fation des Thieres und des Menfchen ftate findet, in fo fern nemlich diefe Drganifation mit den Seelenfräften un? Vorrede. xiit und ihrer Wuͤrkſamkeit in Zuſammenhang ſteht. Da es aber nicht meine Abſicht war, nur allein oder hauptſaͤch— lich für Öelehrte zu fehreiben, melchen dieſe meine Arbeic fehr enebebrlich iſt, da ich alfo bey der größern Anzahl von meinen $efern nicht annehmen konnte, daß fie mit pſycholo— giſchen und anthropologifchen Schriften befannt genug waͤ⸗ ven, um bey ihnen eine vollkommne Kenneniß der Theorie von der menfchlichen Seele, ihren Faͤhigkeiten und Werks zeugen vorausfegen, fo war ic) genoͤthigt vieles anzufiih- ven, was'zunächft und unmittelbar die Menfchen - Pfych- ologie angeht, wenn id) anders in Dem, was ich von den Thieren zu fagen hatte, allgemein verftanden ſeyn wollte. Zu mehrerer Deutlichfeit in diefem Stüde, und als Beweiſe für die im Buche enthaltnen Behauptungen, findet man unter jedem Hauptflück verfchiedne Erfahruns rungen von den Thieren angeführt, und diefe habe ich denn groͤſtentheils aus befannten und ſachkundigen Schriftſtellern entlehnt. Ueberall habe ich meine Quellen angegeben, Damit man jedesmal feibft zu urtheilen im Stande feyn mögte, ob ich Grund hatte, die angeführte Begebenheit für glaubwürdig zu halten. Auf diefe Weiſe glaubte ich dem Buche eine unterhaltende Abwechs⸗ lung für den $efer zu geben; wie ich denn auch dafür hals te, daß das felbfthandelnde Thier am beften zeigt, welche Faͤhigkeiten, und welchen Grad von Entwicklung diefer Fähigkeiten es befig. Darum habe ih, an verfchied« nen Stellen, mo es nörhig war die Anwendung der Säge : * | auf xıv Vorrede— auf die Begebenheiten zu zeigen, dieſe Anwendung blos in ein paor Faͤllen angegeben, und ſie in den uͤbrigen dem eignen Nachdenken des Leſers überlaflen. Uebrigens habe ich nichts uͤbergehen wollen, was der ſachkundige Leſer, meiner Vermuthung nach, in dem theor etiſchen Theil des Buchs, ſuchen und fodern würde: Ich habe über jede Frage, die der Stoff darbot, meine Meinung frey und ohne Vorbehalt geſagt. Sn jener erften Schrift wollte id) theils nicht alles fagen, was ic) wohl über dies und jenes dachte, fheils hatte ich mich in einigen Stuͤcken noch nicht -vollig für eine befondre Meinung befiimmt, So fonnte ich z. DB. die Trage über die allgemeinen Begriffe der Thiere und über ihre Sprache, auf Feine für mich felbft befriedigende Art bes antworten; ich fagte alfo das, was die meiften Philoſo— phen über dieſe Dinge fagen; und ich that dies damals um fo lieber, weil ich beforgen mufte meine Leſer von mir zu entfernen, wenn ic) auf einmal gar zu viele ihrer Sieblingsmeinungen angriffe, zumal, da ich in vielen anz dern Dingen, wo e8 mir, der Sache felbjt wegen, mich: tig mar, fie ju gewinnen, die trockne Wahrheit vortra⸗ gen mufte , wie fie mir nach meiner Weberzeugung erfihien, obgleich ich übrigens fehr wohl einfah, daß fie mit den einmal allgemein angenommnen Grundfägen in Wider fpruch ftand. Nun aber, da die Hauptgedanfen im Ganzen bey meinen Leſern Beyfall, und eine gute Auf- ‚nahme gefunden haben; da ich, durch Briefe die aus verſchied⸗ Vorrede. xv verſchiednen Orten in beyden Koͤnigreichen an mich einge: laufen ſind, uͤberzeugt worden bin, daß eine genauere und vollſtaͤndigere Unterſuchung meinen Landsleuten nicht unwillkommen ſeyn wuͤrde, habe ich alles gethan, was in meinen Kräften ſtand, um meine Pflichten und ihre Wünfche zu erfüllen. Was die eigentliche philofophifche Entwicklung diefer Materie anbetrift, fo babe ich dabey nur fehr felten der Schrififteller gedacht, welche bisher über diefen Gegenftand gefchrieben haben, und zwar deswegen, weil ich mic) ihrer Gedanken nie anders bedient habe, als gerade an den Stellen, wo fie genannt find. Polemiſiren wollte ich nicht; auch würde ich dadurch meine Leſer nur fehr we— nig erbaut haben, weil ich alsdann oft die ungereimteſten Einfälle hätte anführen und widerlegen müffen, welche bey jedem, der nur die geringfte Kenntniß der Natur bes ſitzt, von felbft wegfallen. Ueberdem war es nicht meine Sache oder Abficht, meinen Leſern zu erzählen, was an= dre in diefer Materie gedacht und gefagt hätten; fondern vielmehr, ihnen das vorzulegen, was ich felbft, durch eignes Nachdenken und Unterſuchung, wahr gefunden hatte, Diejenigen unter meinen $efern ‚denen daran ges legen ift, die Gefchichte der Sehrfüge zu Eennen, werden dieſelbe fon in Bayles Dictionaire, Hennings Gefchichte vor den Seelen der Menfchen und Thiere, Walchs philofophifches Lexicon, heraus— gegeben von Hennings, Ribows Ausgabe des Ro⸗ rarius, xvi Vorrede. rarius, Guer hiftoire critique de l'Ame des Bétes u. a. m. zu ſuchen wiſſen. Nur einen Verfaſſer muß ich bier noch nennen, und zwar weil er über diefe Materie in unfrer Mutterfprache gefchrieben hat, und weil “ fein Andenken, als Philoſoph, in Ehren gehalten zu wer— den verdient: den felbfidenfenden Mag. Eilſchow, deffen gar zu früher Tod ein wahrer Verluſt für die phi— loſophiſchen Wiffenfhaften, und für unfer Vaterland war. Seine phiiofophifchen, Hiftorifchen und oͤbonomi⸗ fihen Schriften, die er 1746 berausgab, und feine philofophifchen Briefe, die 1748 herausfamen, zei= _ gen nicht allein was er war, ſondern auch wie viel er geleifter haben würde, wenn er länger gelebt hätte, In jener erſten Schrift nannte ich Eilſchow nicht, weil ich ihn damals nicht gelefen hatte, obſchon ich fehr gut mufte, daß er in dieſer Sache geſchrieben hätte: aber ich wollte ihn mit Fleis nicht lefen, weil ich fürchtete, daß ich das durch verfücht werden mögte, mehr feine Gedanfen zu wiederholen, als das Nefultat meiner eignen Unterfuchuns - gen vorzulegen. Itzt Dingegen, nachdem ich ihn gele= fen habe, bin ich überzeugt, daß Eilſchow in diefer Materie Feine große Nachlefe übrig gelaffen haben würde, wenn eine längere $ebensdauer ihm Zeit gelaffen hätte, feine Unterfuchungen darüber fortzufegen und befanne zu machen, * Was den praktiſchen Theil des Buchs anbetrift, ſo habe ich, in dieſen beyden letzten Jahren, noch nichts gefun⸗ - Vorrede. xvti gefunden, was meine Unterſuchungen unnuͤtz ober uͤber⸗ fluͤßig machen koͤnnte: fo wie mir auch vor biefer Zeit fein Schriftftelfer bekannt geworden ift, der es verfücht ‚hätte, die Lehre von ben Pflichten gegen die Thiere ſyſte— matifch zu ordnen. Ein, foviel ich aus der Schreibare ſchließen kann, junger Schriftſteller, der ſich Wilhelm Dietler nennt, hat 1787 in Maynz eine artige Eleine Schrift von ungefähr fünf Bogen, unter dem Titel, Gerechtigkeit gegen Thiere, drucken laffen; er hat dabey zur Abfiche, die Gränzen zwiſchen den Gerechtfa- men ber Thiere und Menfchen zu beftimmen, und allge meine und fefte Grundfäße anzugeben, nach welchen vie Menfchen ihr Verhalten gegen die Thiere einrichten koͤnn— ten und ſollten. Diefe Schrift zeige, daß Dietler ein Mann ift, Ber Gefühl fir die gute Sache hat, und daß fein Verftand und feine Einfihten ihm Beruf geben in diefem Sache zu arbeiten. Als ich zuerft ſchrieb, Forinte ich ihn nicht nennen, da alle Mühe die ic) mir gab, um fein Buch) zu erhalten, vergebens war, und ich wuſte fogar nicht einmal, daß ein ſolches Buch da wäre, bis meine eigne Arbeit ſchon gedruckt war, und ich im Be— geiff war, die Worerinnrung zu fehreiben. er aber freut es mich, daß ich ihn mit wahrer Hochachtung für feinen Verſtand und fein Herz bier nennen kann; und wenn er nun, durch Jahre und Uebung, gelernt haben ‚ Wird, den deflamatorifchen Ton zu vermeiden, welcher gar zu fehr in feiner Schrift herrſcht; wenn er fich mehr er | darauf xvuma BAER E darauf befleißigt, eine edle, fimple und ſchoͤne, als eine bil- derreiche und oft unnatürliche Sprache zu reden, und wenn er mit fortgefegtem Denfen eine größere Summe von Er fahrungen über die Welt, das Thier und den Menfchen verbinde; fo wird er der Mann werden, welcher zu feie ner eignen Ehre und zum Beften der Menfchheit, fein Werk fortfegen, und als ein Vertheidiger der Rechte bes leidenden und gemißhandelten Thieres auftreten kann; und, in der That, feine Arbeit mache ihm fchon ige wahre Ehre. Sin Altenburg erfihien 1789: Das thieris fche Elend, ein Berfuch zur Lindrung deſſelben, von Ehriftian Gotthelf Schmeifer, des Predigt: Amts Candidat. 8. ©. 151. Es mar nicht die Adficht diefes edlen jungen Mannes, einen ſyſtematiſchen Entwurf zu der Lehre von den Pflichten gegen die Thiere zu liefern; er Fannte, da er fehrieb, Dietlers Arbeit nicht, und wünfihte, wie er felbft fagt, blos Nachden⸗ fen zu erregen, und zur Aufmerffamfeit auf die leidende Thierfchöpfung , und zur Barmherzigfeit gegen diefelbe zu ermuntern. Dieſe Abfiche hat er, meines Erachtens nad), fehr gläclich erreicht. Er zeigt viele Bekannt: ſchaft mit den Schriftftelleen des Alterthums, und hat bey dem, mas er aus ihnen fehr paffend anführt, vorzuͤg⸗ lich auf die fludirende Jugend Ruͤckſicht genommen; welche in den Schulen diefe Schriften ließe. Das Bud) macht feinem Berfaffer um fo mehr Ehre, weil das, was er in der Vorrede über feine äußre Sage fagt, es. ſehr begreif⸗ Vorrede xıXx begreiflich macht, daß er weder die Yufmunterungen noch die Bequemlichfeiten gehabt haben kann, welche den Zoͤg⸗ Lingen der Mufen fonft fo unentbehrlich zu feyn pflegen. ‚Der gute Wille des Verfaffers und die Würde des Ger genftandes, würde ihn unter diefen Umftänden immer enefchuldige haben, wenn er auch) nur eine mittelmäßige Arbeit geliefert hätte; ist aber, da er uns ein in feiner Are fehr gutes Buch gegeben hat, das allenthalben, wo. man es ließt, gewiß Mugen fliften wird, verdient er um fo mehr Ruhm und Aufmunterung. Endlich muß ich noch eine Schrift anführen, welche 1788 in Zittau und Leipzig unter dem Titel herausfam: Fabeln und Gefchichten zum Unterricht für Kinder in Abficht auf ihre Behandlung der Thiere, von Mss Sa— rach Teimmer Diefe Schrift enthält verfshiedne gute moralifche Betrachtungen; auch einige allgemeine Bemer: Fungen über die Pflichten des Menfchen gegen die Thiere; diefe aber, welche Doch nach dem Titel die Hauptfache ſeyn follten, find in dem Buche vielmehr nur als Neben: fache behandelt, und ließen fich ohne Mühe auf wenige Eeiten abdruden, da doch das Buch fünfzehn Bogen ſtark if. Was ich, außer diefen Schriften, bey andern über diefe Materie gefunden habe, waren im eigentliche ften Verftande nur einzelne Gedanken, die von den Ver— faffern gelegentlich angebracht worden, ohne daß es fie es fih zur Hauptfache gemacht hätten, die $ehre von den Pflichten gegen die Thiere abzuhandeln. So findet er B man xx Vorrede— man bey Bonnet in ſeiner Palingeneſie, und bey Salz⸗ mann in ſeinem Carl von Carlsberg verſchiedne ſehr wahre und ſchoͤne hieher gehörige Betrachtungen, aber nur im Vorbeygehen angeftelle, ohne daß fie fid) mie der ausführlichen Behandlung Diefes Gegenftandes befaßt hätten, In Hennings Ausgabe von Walchs Lexi⸗ con, findet man unter dem Artikel Beſtie, einige Schriften angeführt, die zu dieſer Materie hingehoͤren; aber ich habe noch Feine von ihnen geſehen. Auch-Fenne ic, Primat und Jenyns nur blos dem Namen nad), wiewohl ic gewuͤnſcht hätte, infonderbeit die Abhand« Yung des letztern über Grauſamkeit gegen geringere Geſchoͤpfe näher Fennen zu lernen. Man bemerfie an meiner vorigen Schrift, daß einis ge von den in dem praftifchen Theile angegebnen Regeln, nicht alle Beſtimmtheit hörten, die man wohl wünfchen moͤgte; und darin hatte der Recenſent Recht. Man wird finden, daß ic) bey naherm Nachdenken mich vers anlaßt gefunden habe, vieles zu andern, vieles hinzu zu fegen, und vieles anders als vorhin zu beſtimmen. Se verhält es ſich unter andern mit der Auflofung der Frage, über die Befugniß des Menſchen anatomifche Verſuche an lebendigen Thieren onzuftellen. ch habe hier auf die beftimmtefte Weife geläugner, daß der Menfch diefe DBefugniß babe, und glaube, daß meine Gründe für diefe Dorrede xxi dieſe Verneinung von einigem Gewichte ſind. Ueberhaupt habe ich geſucht, dem Buche ſo viel Brauchbarkeit und Vollſtaͤndigkeit zu geben, als ich zu thun im Stande war, und darf wenigſtens zu hoffen wagen, daß ich ana dre Dadurch veranlaffen werde, etwas vollfommneres und befferes in einer Materie ans Licht zu ftellen, deren Bez arbeitung bisher gar zu fehr verfäume worden if, Daß ich diefe Arbeit als ein neues Buch untes - einem neuen Titel herausgebe, wird der fachfundige Leſer ohne allen Zweifel billigen, wenn er findet, daß nicht ‚allein das ganze erfie Kapitel, an Plan und Inhalt eine ganz neue Arbeit ift, fondern daß auch Die andern Kapitel, das von der zufünftigen Beſtimmung der Thiers ausgenommen, fo fehr umgearbeitet und veroͤndert N worden, daß fie nicht mehr das find, was fie vorhin waren. Und hier lege ic) denn nun meine Feder nieder," mid " dem heißen Wunfche, daß diefe Arbeit doch in etwas beytragen möge, den Schöpfer zu verherrlichen, und Achtung für feine lebendigen und fühlenden Gefshörfe hier auf Erden zu bewürfen; dadurch würde fie denn auch dem feufzenden Thiere Sinderung in feinen Drangſalen mg ‚verfhafs xxıı Vorrede. verſchaffen, zugleich aber zur Veredlung unſrer Gattung beytragen, und die Menſchen zu ſanftern Gefühlen, ges gen einander flimmen. Kopenhagen, d. zzten April, 1791, Der Berfoffer Eriier Erfier Theil Bon der Natur und Beffimmung der Thiere. RAR 1 FR. # E⸗ giebt wohl fehmwerlich jemanden, wenn er ana | ders den Namen eines denfenden Menfchen fühe ren, gefehweige dann, wenn er den Chriſten bengezähle feyn will, der fich einen Augenblick darauf bedenfen wird, zu geftehen, daß es Pflichten giebt, die wir Gott, unfern Nebenmenſchen und uns felbft ſchuldig find. ragen wir dabingegen, in welchem beftimmten Verhälte niffe wir zu den andern lebenden Gefchöpfen hier auf dem Erdball ftehen, fragen wir, welche Pflichten unfre Verbindung mit diefen unfern Mitgefchopfen uns aufs legt, und was in der gegenwärtigen Lage und Zufams menhang der Dinge, beydes unſre und ihre, fomohl eigenthümliche als gegenfeitige Nechte find, fo werden wir vielleicht nur gar zu oft finden, daß man an diefe Fragen entweder gar nicht gedacht hat, oder daß die Begriffe, die die Menfchen ſich davon gemacht haben, fo falſch und verwirrt find, daß fie den menfchlichen Verſtand entehren. Was ift gewöhnlicher, als daß der Menfch, aufgeblafen über die Herrfchaft, die Gott ihm über die andern hier auf dem Erdball lebenden Gefchöpfe verlieh, alles nur um feinetwillen gefchaffen wähnt, allen übrigen lebendigen Gefchöpfen feine andere Fodrung an ung fein andres Necht auf unfer Wohlmwollen einräumt, Fein andres Geſetz, Das fie gegen unfre Mishandlungen ſicherte, anerkennt, als dasjenige, was unſer Eigen» A 2 nutz, 4 URTEIL TER: nutz, unfre Begierden und Seidenfchaften, unfre Vor— urtheile, unfre Einfälle und Launen in jedem Falle vors fchreiben. Was ift gewöhnlicher, als daß der Menfch dieſe Thiere, die Die Natur ihm unterordnete, ala Wer fen betrachte, deren Luft oder Unluft dem hoͤchſten We— fen eben fo vollig gleichgültig ift, als ihre Freude oder ihe Schmerz dem fühllofen Menfihen. Mas ift ges mohnlicher,, als daß wir nicht Daran denfen, nicht daran denfen mwollen, daß eben der Gott, der die Menfchen zum Gluͤcke ſchuf, auc) das Thier hervor brachte, Damit es feines Dafeyns froh wiirde, und daß ſowohl das ges mishandelte Thier, als der leidende Menfch, feinen Vater und Verforger im Himmel hat, der gewis feinen Tyrannen feiner lebenden und fühlenden Weſen, die Rechte irgend eines feiner Gefchöpfe ungeahndet wird Fränfen laſſen. Erziehung, Vorurtheile, Benfpiele, Gemwohne heiten haben unfre Begriffe von den Pflichten, die der Menfch den andern lebenden Gefchöpfen Gottes hier auf dem Erdball fehuldig iſt, fo gänzlich enrftelle, daß es wohl eine mwürdige und nüßliche DBefchäftigung feyn möchte, wenn man einige Augenblicke dazu anmendete, eine Lehre zu überdenken und zu beftimmen, welche in der That mit der Tugend und Glückfeligfeit des Men- ſchen in genauerer Verbindung fteht, als man auf den erften Anblick glauben ſollte. Alle unfre Handlungen fte= ben in der engften Verbindung mit einander; find wir nun gleichgültig gegen einige unfrer Pflichten, fo breis tet ſich dieſe Gleichguͤltigkeit leicht über mehrere aus; jed= wede Mebertretung unſrer Schulvigfeiten bringe Un— srönung in. die Seele, und konnen wir ohne Bedenken, CHR ohne ohne Gefühl des Unrechts Das wir begehen, ein ein- ziges Gebot übertreien, fo werden veränderte Umftände uns leicht zur Uebertretung Aller Hinreiffen. Der Manſch, der dem Thiere feind iſt, follte der wohl von Herzen feinen Brüdern gut feyn? Der Menſch, der. fühllos das Thier mishandelt, follte der wohl, wo er ungeahndet handeln darf, von feinen Leidenſchaften hin— gerifien, des Menfchen fehonen? Und nun der Gott, der den jungen Naben. ihre Speife bereitete, der über ‘das Leben der Sperlinge wacht, follte der wohl unbe: Fümmere feyn über Die Mishandlungen, die feinen Thie- zen hier auf der Erde zugefügt werden? Kenntniß iſt die Mutter jeder Tugend, und es iſt unmoͤglich Pflichten zu beobachten, die wir nicht kennen; verſuͤndigen wir uns nun aber oft gegen die Thiere, weil wir über das Weſen und den Werth derſelben nicht gehoͤ⸗ gig nachgedacht haben; und kann die Ausübung der Pflichten, die wir diefen Thieren ſchuldig find, aud) ſo— gar dazu beytragen, uns im Gehorfam gegen Gott und in der Liebe gegen unfern Nächften zu beftärfen; ja, fönnen wir nicht einmal gute Menfchen, gefchmeige denn den— kende Chriften feyn, wenn wir den TIhieren Gottes das ihnen gebührende Recht verfagen, wie wichtig ift es dann nicht, daß wir mic ernftem Fleiß und Nachdenken uns beftreben, folgende Frage aufjuldfen: Welches Wer fen, und welche Würde Haben wohl diefe Ger fchöpfe Gottes? Und welche find die Verbind⸗ lichkeiten, die unfer Verhaͤltniß gegen fie, unfer Umgang mit ihnen, und der Gebrauch, den wir von ihnen machen, uns auflegt? | 43 Mit & —— Mit der Aufloͤſung dieſer Fragen, werde id in dieſer Unterſuchung mich beſtreben, die Aufmerkſamkeit des Leſers zu unterhalten. Wahrheit, wenn ſie auch hie und da noch fo ſehr von den bis itzt gangbaren und all- gemein angenommnen Meinungen abweichen follte, werde ich fo vortragen, wie ich fie gefunden zu haben glaube; mit ofner Nedlichfeit werde ich die Nefultate von dem vorlegen, mas ich über diefe Tragen gedacht habe; und e3 war mir in einer Reihe von Jahren Luft, über diefe Gegenftände nachzudenken. — Bruder, wer du aud) bift, der es der Mühe werth hält mit mir zu denken, prüfe ehe du urtheiljt, urtheile ehe du verwirfſt, fuche die Wahrheit, und fie wird den redlich forfchenden Geift nicht fliehen. - Erſtes Erfies Kapitel. Don der Vorſtellungskraft der Thiere, und dem Urſprunge ihrer Vorſtellungen. | —— Day diefer Betrachtung fraͤgt es fich zuaft: Was find wohl diefe Thiere, die mir dem Men ſchen zugleich Hier auf der Erde leben? Was iff ihre Natur und Befchaffenheit; find fie aus KRör- per und Geift zufammengefegte Wefen, oder find fie vielleicht blos kuͤnſtliche Mafchinen, melche in ihren verſchiednen Würkungen der abfoluren Nothwendigkeit der. Bemwegungsgefeße unter worfen find? Safe uns diefe Fragen etwas ge— nauer erwägen. te Wir glauben nicht allein, jeder für fi), daß wir felbft denfende, fühlende, vernünftige und frey han— delnde Weſen find, und jeder von uns ift genöthigt Dies von feiner eignen Perfon zu glauben, da Erfahrung und mannigfaltige wiederholte Gefühle ihm die Ueberzeugung davon aufdringen; fondern wir glauben auch, daß es auffer unferm eignen Weſen, noch andre und mehrere denfende, fühlende und freye Wefen giebt: wir glauben nicht allein, daß wir felbft Menfchen find, fondern wir glauben auch, daß es andre Wefen auffer uns giebt; amd warum glauben wir denn-dies? Sa, mir find wohl genöthigt es zu glauben, wenn wir nicht allen Sinn 44 | und “ und Verſtand verläugnen wollen. Was wir mit unfern Augen fehen, mit unfern Ohren hören, Durch unfre Sinne erfahren, davon müffen wir doch. wohl überzeugt werden, zumahl wenn diefelben Erfahrungen ung unauf⸗ hoͤrlich und immer auf dieſelbe Weiſe treffen. Wir glauben alſo, daß es auffer uns Menfchen, denkende freye Menfchen giebt, die mit uns leben, weil wir dies auf mancherley Weiſe fehen und hören und er— fahren. Aber was fehen, hören und erfahren wir denn eigentlich? Sollte der Satz: Peter, Paul, Hanne ift ein Menfch wie ich, fo ganz ge- zadezu eine bloße Erfahrungsmahrheit feyn, die wir allein unfern Sinnen zu verdanfen hatten? Freylich pflegen wir dies allgemein zu glauben; wie aber, wenn wit bey einigem Nachdenken genoͤthigt wären zu geſtehen, daß unfer Auge allein uns eben fo wenig Davon überzeu- ‚ gen kann, daß Peter, Paul oder 3 ein Menſch if, als dag bloße Auge im Stande ift, Wein und Wafler von einander zu unterfcheiden, "wenn ur Fluͤßigkeiten einerley Farbe haben? | | Wir halten uns, mittelft unfter Erfahrung, für überzeugt, daß es aufler unſrer eignen Perfon Menfchen giebt; wir fehn Körper von verfelben Bauart: und Bes ſchaffenheit wie den unfrigen, wir fehn dieſe Körper mit denfelben Sinneswerfzeugen verſehen, Die wir befigen, wir fehn diefelben Berändrungen von Zuwachs und Ab⸗ nahme, Gefundheit und Krankheit, die wir an unſerm eignen Körper erfahren haben, auch in diefen Körpern vorgehen; wir fehn diefe Forperlichen Weſen auf eben die Weife handeln als wir, hören fie ihre Empfindungen durch Zeichen und Töne ausdruͤcken wie wir, ihre Ge— danken mans 9 danken ung mittheilen, wie wir ihnen bie unfrigen mit- theilen; und was ift nun wohl natürlicher, als daß wir den Schluß ziehen: die Menfchengefchopfe, die wir um uns her feben, find redende, fühlende, vernünftige, freye Weſen fo wie wir, da wir erfahren, daß fie auf eben die Weife leben, fühlen und handeln, wie wir ſelbſt thun. Wir glauben insbefondre, daß andre Men« fchen eine vernünftige Seele haben, fo wie wir, weil wir fehen und erfahren, daß fie eben folche Handlungen vornehmen wie wir felbft vornehmen, Handlungen von welchen wir, wenn mir felbft fie unternehmen, fühlen, Daß fie fih auf Verftand, Nachdenken, Ueberlegung und willführlihe Befchluffe gründen, und die wir alfo ‚genöthigt find aus eben den Urfachen herzuleiten, wenn wir fie bey.andern wahrnehmen. Wir halten uns für überzeugte, daß es auffer unſrer eignen Perfon Menfchen giebt, weil wir wiſſen amd fühlen, daß wir felbft Menfchen find ; wir glauben, Daß andre Menfchen Körper und Seele haben, weil wir wiflen und glauben, wir haben felbft Körper and Geele. | r Aber bier muß man mohl bemerken, daß diefe Meberzeugung , die jeder einzelne befonders, von dent Dafeyn andrer und mehrerer Menfchen hat, eine Folge unſrer Urtheils- und Schlieſſungskraft, nicht aber eine bloße, unmittelbare finnliche Erfahrungswahr— beit if. Die Sinne an und für fi) lehren uns nichts weiter, als daß die einzelnen Dinge, die auffer uns eri- fliren und auf uns würfen, da find. Diefe Dinge erre— gen verſchiedne Bilder, Gefühle und Vorftellungen in anſrer Seele, jenach dem die Eindrüde, die fie auf unfre Sinne machen, und die Veränderungen, die fie in unfern MEN Sin: 10 Sinneswerkzeugen veranlaſſen, verſchieden ſind. Die Bockspfeife, die Trompete, Die Poſaune und die Violine ver- ändern unfre Gehörorgane jedes auf eine andre Weiſe, nach dem verfchiennen Ton diefer Inſtrumente. Der Anblick des. Hundes, der Rage, ber Kuh und des Pferdes erregt verſchie—⸗ dene Bilder in unfter Seele, je nach) den verſchiednen Eindrücken, welche die Lichtſtralen, die von diefen verfchies denen Gefchöpfen in unfer Auge zurück geworfen werden; auf uns machen. Aber diefe finnlichen Eindrücke geben uns weder mehr noch weniger als die einfachen Vorſtel⸗ lungen von dem Laute jedes einzelnen Inſtruments, von der Geftalt jedes einzelnen Thieres, und zwar derge— ftalt, daß wir nie im Stande feyn würden, uns zu einem Begriff von der Vebereinftimmung oder Nicht übereinftimmung, welche zwifchen den Dingen, die diefe Eindrüde auf uns machen, ftatt findet, zu erheben, wenn in unfrer Seele feine andre Fähigkeit läge, als bloß die, daß wir den Eindrucd von äußern finnlichen Dingen em- pfangen, und uns die einzelnen Wirkungen verfelben auf uns vorftellen fonnten. Wir würden dann unge: fahr in eben der DVerfaflung feyn, als der Spiegel, welcher mitcelft der Lichtftralen das Bild der verfchiednen Gegenftände aufnimmt und darftellt, die vor ihm hin- geftelle werden, aber nicht das Vermögen hat, die Dinge von einander zu unterfcheiden, die fih in ihm abbilden. Wir freylih hätten DVorftelung _ von diefen einzelnen Dingen, die auf uns würften, und darin alfo einen Vorzug vor dem Spiegel ‚der ohne allen Sinn und Gefühl iſt; “aber dies wäre denn auch unfer wefentlichfter Vorzug. Itzt dahingegen empfinden wir nicht allein —9— jeder BO äußere Gegenftand auf uns wuͤrkt, fondern wir find find ung auch bewuft, daß diefe verſchiednen Empfin- Dungen, die in unſrer Seele erregt werden, ‚in ver _ ſchiednen Dingen und Gegenftänden ihren Grund haben, welche von auffen auf unfern Körper und die Sinne deſſelben würfen; wir haben das Vermoͤgen uns dieſer verfchiednen Empfindungen, die wir zu verfchiednen Zei⸗ ten hatten, zu erinnern; wir vergleichen fie mit einander; durch Vergleihung nehmen wir wahr, worin fie mie einander übereinftimmen oder nicht — und nun fehliefe fen wir, daß diejenigen äuflern Dinge, welche durch ‚ähnliche, wiederholte Würfungen auf uns, ähnliche Em— ‚pfindungen in uns hervor bringen, einander ahnlich feyn, und gewiſſe Eigenfchaften mit einander gemein haben muͤſſen, weil wir uns genöthige finden, ähnliche Urfas ‚hen anzunehmen, um ähnliche Würkungen zu erflären, Geſetzt es fuͤhrte uns jemand zu einem Orte hin, wo wir ehemals ein Haus ſtehn ſahen, itzt aber einen Hau⸗ fen von Kohlen und Aſche vorfinden; was denken wir nun wohl von diefer Veränderung? Allerdings, daß das Haus abgebrannt ift; aber warum vdenfen wir dies — wir ſchlieſſen aus vorhergehenden Erfahrungen von ber Würkung des Feuers auf diefelbe Urſache. Wer niemals Feuer gefehen, und niemals die Kraft deffelben erfahren hat, mird die Urfache diefer Verwandlung ſchon unerrathen laſſen. Ein Weſen, das nicht das Vermögen haͤtte ſich an vorhergehende Erſahrungen zu erinnern und fie zu vergleichen ‚und alfo unvermoͤgend waͤre aus vorher⸗ gehenden Fällen auf den gegenwärtigen Schlüffe zu zie- ‚ben, würde nie im Stande feyn, fid) eine vernünftige BVorftellung davon zu machen, wie es mit der erwaͤhn— sen Verwandlung zugegangen fey; ein folches Weſen hätte taufend und aber taufend ähnliche Erfahrungen haben a2 — aben koͤnnen, und jeder vorfommende Fall wuͤrde ihm . dennoch gleich neu, gleich unbegreiflid) feyn. Nur mit Huͤlfe des Gedächeniffes , der Urrheils- und Schlieffungs- fraft, gelangen wir dahin, daß wir uns von den Bes ſchaffenheiten der Dinge, welche von auffen auf uns wuͤr⸗ fen, einigen Begriff machen fonnen; und wenn wir dann glauben, daß fie'von einerley oder von verſchiedner Natur , übereinftiimmend oder unuͤbereinſtimmend mit einander find; fo gründet alle die Heberzeugung , die wir davon haben und haben fonnen, fih auf Schlüffe, die wir aus den verfchieonen Erfahrungen ziehen, welche wir haben oder gehabt haben. | Und dies gilt denn nun von jeder Kenntniß une Heberzeugung, die wir von der Eriftenz und den Bo— ſchaffenheiten derjenigen Dinge haben, welche auffer un- frer eignen Perfon da find, Alle Ueberjeugung diefer Are gründet fi) auf Schhüffe, welche die Erfahrung uns an die Hand giebt. Nun aber glauben wir insbejondre von uns felbjt, daß wir fühlende, denkende, vernünf - tige Weſen find, die aus einem finnlichen Körper und einer unfinnlichen Seele beftehen; wir glauben dies., weil, wir unſre Gefühle, Urtheile und Schlüffe , unſre Handlungen und Reden, nicht aus der Zufammenfeßung oder Bewegung der Materie erflären Fonnen. Da wir nun fehen, hören und erfahren, daß es Dinge und Ge— ſchoͤpfe auffer uns giebt, deren Körper diefelbe Geftalk, diefelbe Einrichtung hat, als der unſre; in deren Hand» lungen wir diefelbe abwechſelnde Verfchiedenheit entdef- ken, welcher wir uns in unfern eignen Handlungen beruft find; da fie eben die Zeichen von Nachchdenken, Ge- daͤchtniß , Urrbeils = und Schliegungskraft äußern, welche —— 13 welche wir in unſern eignen Perſonen als Aeuſſerung die- fer Kräfte anſehen, von denen wir uns bewuft find, daß wir fie ſelbſt befigen; fo fchlieffen wir: dieſe Gefchöpfe, welche eine fo genaue Uebereinſtimmung mit unfrer eig- nen Perfon haben, müfjen auch mit uns von einerley Natur fern, müffen Menfchen feyn, wie wir. - Und folchergeftalt gründet Die Ueberzeugung, die wir. von, dem Dafeyn unfrer Iebenmenfchen haben, wenn wir ihrem Urfprunge nachforfchen , ſich einzig und allein auf Schluße, die aus der genauen Aehnlichkeit gezogen ſind, weiche wir durch Erfahrung zwiſchen dieſen unſern Mit— geſchoͤpfen und unſern eignen Perſonen entdeckt haben. Je groͤßer wir die Aehnlichkeit und Uebereinſtim— mung zwiſchen Dingen, die auſſer uns ſind, und unſrer eignen Perſon, finden, je mehr Grund haben wir zu glauben, daß dieſe Dinge dieſelben Eigenfchaften, die— felbe Natur haben als wir; fo wie auf der andern Seite Erfahrung uns zu glauben berechtigt, daß jedwedes Ding auffer uns, feiner Natur nach um fo viel mehr von unfrer Natur verfchieden ift, als die Aeußerungen von Eigenſchaften und Kräften, die wir durch Erfahrung Daran entdecken, von den Eigenfchaften und Kräften und derjenigen Aeußerung derfelben verfchieden find, die wir in unfter eignen Perfon kennen. Und foichergeftalle fuͤh— ren wir jebwedes Ding in unfern Urtheilen über daffelbe, auf uns Selbft zuruͤck; unfer eignes Ich ift der Maas— ftab, nach welchem wir die Gränzen zwiſchen der Natur eines jeden aufferhalb unſrer eignen Perſon exiſtirenden Dinges, und unſrer eignen Natur abſetzen. Und ob— ſchon wir hierauf nicht merken, und unter unſern Urthei⸗ len und Schluͤßen, uns dieſer Verfahrungsart nicht deut⸗ 14 —— deutlich bewuſt ſind, ſo wird doch niemand, der den Gang der menſchlichen Seele beobachtet hat, leugnen koͤnnen, daß wir auf dieſe Weiſe verfahren. Sr Pr Wenn wir ung nun aber befugt halten, wenn wie uns wohl dabey befinden, in allen Dingen, Zufällen und Erfahrungen, die uns in dieſem Leben begegnen, die Wahrheic auf diefe Weife zu fuchen, fo wäre es ja doch fonderbar , und zwar eine bis zum offenbarften MWiderfpruch getriebne Sonderbarfeit, wenn wir, ohne allen erdenklichen Grund, einen einzigen Fall annähmen, in welchem wir auf dieſem Wege die Wahrheit nicht ſuchen wollten, und nicht finden koͤnnten. Die Ver: nunft und unfre ganze Erfahrung wiirde dem Menfchen zueufen: Du weift von der Natur und Beſchaffenheit der äußern Dinge, und ihrem Verhaͤltniß zu die Nichts, und Fannft nichts wiſſen, als was die Ueberein— ſtimmung oder Nichrübereinftimmung, die du zwifchen diefen Dingen unter fih, und mit deiner eignen Perfon entdeckt, dich lehren; und wir follten unferm Eigenfinn, - unfern Vorurtheilen Gewalt genug über uns einräumen, uns in einem einzigen Falle zu einem enfgegengefegten Schluße zu zwingen; indeffen har fich der Menfch in den Begriffen, die er fih von der Natur der Thiere machte, gerade in diefem letztern Falle befunden, und ift noch ißt gar oft darinn. Dieſe Thiere follen durchaus etivas ganz anders ſeyn, als alle Erfahrung tiber fie und unfre‘eigne Perfon, fie zu feyn zeigetz und damit fie auf Feine Weiſe für das gehalten werden mögen, mas fie wuͤrklich find, wendet und dreht man fich auf fo mans cherley Art, daß jeder am Ende daraus fehließen muß: diefe * | RER — dieſe Thiere machen eine Klaſſe von Dingen aus, von welcher man ſich keinen vernuͤnftigen Begriff machen will, da man aus allen den Erfahrungen, die man uͤber ſie hat, nichts als Schluͤße zu erzwingen ſucht, welche ſchnurſtracks allem demjenigen widerſtreiten, was die Vernunft aus allen andern Erfahrungen von den Dingen in der Welt herauszubringen pflegt. Diefe Erfahrungen ſagen uns nun, daß alle Kennt— niß, die wir von der Natur und Eigenfchaften der Dinge befißen, einzig und allein auf Schlüßen beruht, die wir aus demjenigen ziehen, was wir von ihren Eigenfchaf: ten, gegenfeitigen Verhälmiffen, und Aehnlichkeit mit uns erfahren — aber diefe Erfahrungen find denn aud) die ficherften und einzigen Wegweifer, welchen wir fol gen müffen, wenn wir uns von der Natur und dem We— fen der Thiere einen vernünftigen Begriff machen wollen. Und ist wird es wohl fehmerlidy jemanden fonderbar vor— fommen, wenn er hört, daß wir alles, was wir von den Ihieren wiſſen und wiflen fonnen, einzig und allein durch Schluͤſſe wiffen, die aus der Aehnlichkeit, welche die Er- fahrung uns zwifchen ihren und unfern Handlungen äeigt, bergenommen find. Auch wird nicht leicht jemand laͤugnen, daß wir völlig berechtigt find, folgendermaaßen zu . ſchließen: einerley Wuͤrkungen müffen einerley Urfache ba= ben, und jede Handlung, jede Würfung , die ſich bey dem Menfchen nicht aus der mechanifchen Einrichtung des Koͤr⸗ pers erklären läßt, Fann aud) bey dem Thiere nicht aus dieſer Einriheung erkläre werden. Muͤſſen wir, um den Grund vieler menfchlichen Bewegungen und Hands lungen zu erflären, annehmen, daß dieſe unfre Korper nur die Hülle eines edlern Wefens find, in mwela shem der Urfprung unſrer willtührlichen Bewegungen zu * ſuchen 16 — ſuchen iſt, eines Geiſtes, in welchem unſre Vorſtellungen und Neigungen, wodurch unſre Handlungen erzeugt und beſtimmt werden, ihren Sitz haben, ſo muß auch das Thier, wenn es willkuͤhrliche Bewegung, Vorſtellung und Begierde, Neigung und Abſcheu hat, einen Geiſt haben, aus welchem dieſe, unſrer Einſicht nach), geis ftige Wuͤrkungen entfpringen,, und in welchem ihr Wohnſitz iſt. §. 3. Nun finden wir aber bey den Thieren, ſo viele wir deren kennen, willkuͤhrliche Bewegungen, das heißt: ſie bewegen ſich ſo und nicht anders, ſie verlaſſen jenen und bleiben an dieſem Ort, nehmen dieſe oder jene Veraͤnderung in der Stellung ihres Koͤrpers vor, und ſie thun dies alles ohne darin durch mechaniſche Geſetze eingeſchraͤnkt zu ſeyn; dieſe ihre verſchiednen Deweguns gen koͤnnen nicht als Folgen einer unvermeidlichen Noth- wendigfeit angefehen werden. Laßt uns die Hausthiere betrachten, die wir am beten kennen, weil wir fie be= ſtaͤndig um uns haben; ein jeder frage feine eigne Er— fahrung, ob die Kage und der Hund immer fommen, wenn man fie ruft; ob diefe Ihiere nicht oft ruhen wol— len, wenn wir verlangen, daß fie ſich bewegen follen ; und umgekehrt, in voller Bewegung find, wenn wir fie zur Ruhe zu ſtimmen fuchen. Können wir uns nicht oft, und zwar mit völliger Gewißheit überzeugen, daß ihre Be⸗ wegungen nicht gutwillig geſchehen, daß ihr Gehorfam durch Zwang und Furcht erzeugt wird. Haben wir nun im Allgemeinen binlängliche Gründe. für die beftimmee Veberzeugung, daß dieſe Ihiere fich bey weitem nicht fo bewegen, wie ein Uhrwerk oder eine andre Mafchine, die ihren Gang nicht verändern Fann , ſondern auf die Weiſe — ee 17 Weiſe wuͤrken muß, melche ihre Einrichtung einmal ihrer Wuͤrtſamkeit vorgefchrieben bat, was ift denn natürlie cher, als die Folgerung: dieſe Thiere haben in fich eine von dem Mafchinenmwefen des Körpers ver= ſchiedne Kraft, deren Anwendung, nach Bes ſchaffenheit der Umſtaͤnde, verſchieden iſt. Anmerkung. 1) Ueberzeugende Beyſpiele von dem Willkuͤhrlichen in der Bewegung der Thiere, wird jeder, der ſie mit einiger Aufmerkſamkeit und Nachdenken betrachtet hat, leicht zu finden wiſſen. Sch will hier einige meiner eignen Erfahrungen anfuͤh— ren. Als ich Rektor in Drontheim war, hatte ic) einen Pudel ver Udeis hies, und deſſen Namen ich vieler meiner $reunde und Schüler wegen hieher feßte, welche Augenzeugen von dem waren, mas ich über Diefes Indi— vid fagen werde. Die Schule werd den Winter über. in meinem Wohnhauſe gehalten, und da ich felbft den Hund groß gezogen hafte, fo waren die Schüler, welche täglich im Haufe famen, ihm nichts weniger als fremd. Mit den ältern lebte er auch immer in gutem Verſtaͤnd⸗ nis; aber da die Fleinern, zu ihrem Zeitvertreib, ihn eine Zeitlang genedt hatten, und doch, wenn er zu bels len und hinter ihnen her zu laufen anfıeng, bange waren und davon liefen, fo erfann er eine ganz Drollige Art von Rache. Aber hier muß ich erſt einige Anmerkungen uͤber die Natur und Erziehung dieſes Hundes voraus ſchicken. Er war von gutartiger Natur, ſo daß er nicht biß oder Schaden that; da er indeſſen ziemlich groß war, beflte und ſich, wenn er Gelegenheit fand, die Freyheit nahm in den Kleidern zu zerren, fo war es ganz natürlich, Daß B wer 18 wer ihn nicht kannte, und keinen Grund hatte ſich auf ſeine Gutartigkeit zu verlaſſen, ſich vor ihm ſcheute. In Hinſicht feiner Erziehung, war ich, wie ic) es im⸗ mer mit meinen Hausthieren zu thun pflege, gänzlich den Grunfägen gefolgt, deren Ausübung unfre Mode: erzieher in der Erziehung der Menfchenfinder fo fehr empfehlen. Er genoß feiner volligen Freyheit; von fol- chen Unarten die durchaus unerträglich find ‚ward er durch Worte und Drohungen entwoͤhnt; vielleicht mochte ex in feiner Jugend zumeilen einen einzelnen Schlag befom- men haben, aber dies ift doc) nur ein Vielleicht. Ich will, fo viel möglich), in meinen Hausthieren die Natur fehen, und dies ift die Urſache, warum ic) ihnen eine fotche Erziehung gebe Die Menfchennatur brauchen wir nicht auf diefem Wege Fennen zu lernen, und wen es etwa einfallen moͤchte, einen folchen Verfuch mit Kin: dern zu machen, der wird eben feine Urfache haben, fich über die Maturgeftalten zu freuen, die er gebilder hat. Udeis nun, mar ein fo bejtimmter Naturhund, als er im gefellfehaftlichen Leben nur irgend feyn Fonnte, und unfern Modefindern darin vollig ahnlich, daß er gäanz- lic) feinen eignen Neigungen folgte; doch hatte er vor den meiften von ihnen den wefentlichen Vorzug, daß wenn fie weder Vater noch Mutter lieben, fondern ihnen eben fo unartig begegnen als allen andern, er im Ges gentheil meine Srau und mic) von Herzen lieb hatte, und nirgends froher war, als in unfrer Gefellfehaft. Gegen andre Menfchen und Thiere war er freundlich oder una freundlich, je nad) dem die Umftande und feine Saunen es mit ſich brachten; und diefe Saunen äußerte er abwech— felnd auf mancherley Weife, Dies muften unter andern die Fleinen Schulfnaben erfahren. Des Des Morgens, gegen die Zeit da Die Lehrſtunden anfiengen, fichte er, in einem gewiffen Zeitraum, immer Gelegenheit aus dem Haufe zu fommen, und ſtatt auf der Gaffe herum zu laufen, wie er wohl fonft that, fegte er ſich ganz ehrbar in der Pforte hin. Wenn nun die fleinern Schuler famen, fo lief er nicht auf fie los, bellte fie auch nicht an, fondern blieb unbeweglich auf feiner Stelle ſitzen. Die Schüler, welche bange vor ihm waren, durften nicht ins Haus geben, und muften das ber fo lange auffen bleiben, bis einer von den ältern fam, der nicht in Fehde mic dem Hunde lebte, und ihn dazu vermochte, den kleinern Plaß zu machen, Dies dauerte eine Zeitlang fo fort, ehe ich etwas davon erfuhr; ich fah darauf dieſe Scene felbft, und der Hund ward natürlicherweife fo viel moͤglich daran verhindert, fih) um die Zeit da die Schüler famen, auf feinem Po— fien einzufinden. Aber nun moͤgte ich dech wiffen, aus welchen mechanifchen Gefegen, ſich dies Verhalten des Hundes wohl natürlich erklären ließe? Mir, und gewis vielen andern, iſt das Willführliche in feinem Betragen unverkennbar So wie Udeis an Jahren und Wachsthum zue nahm, murde feine Lebereinftimmung mit unfern Modes Eindern immer deutlicher und deutlicher : fein eigner Wille war fein einziges Geſetz in allen den Fällen, wo die na= türliche Siebe, die er zu feinem Heren trug, ihm nich im Wege ftand, Mur hatte er hier wiederum die gute Eigenfchaft, daß das Gefuͤhl von Schaam, welches der Hundegattung fo befonders eigen ift, oft fein Be— fragen änderte, wenn Drohungen und harte Worte nichts Über ihn vermogten. Einigemal zogen feine * Ba Streiche 20 ——— Streiche ihm auch Schlaͤge zu; aber dies war bey ihm von eben der Wuͤrkung, als es bey der erwachſenen und unartigen Jugend iſt, er ward dadurch um nichts beſſer, ja Udeis wurde durch Zuͤchtigungen ſogar ſchlimmer, ſtatt beſſer zu werden. Er wuſte recht gut, daß er das, wofür er Schläge gekriegt hatte, nicht thun durfte; aber er that es gleichwohl, und hatte eine noch heftigere Nei— gung es zu thun, als vorhin. So gab es ein paar Menfchen, um derentwillen er einmal gezuchtiget worden war, diefe aber fuchte er beftändig, wenn fie zu mir. famen, mit einem fo jornigen Gebelle, und auf eine fo boshafte Art, daß ich wohl auf ihn Acht haben, und ihn aus dem Wege fchaffen mufte, aus Sucht, er möchte ihnen Scheden hun. Diefe Halsftarrigfeit auf ferte er insbefondre gegen einige welſche Hüner, die ich hatte, nachdem ich von Drontheim nach der Stade Weile in Norderjütland gefommen war, An— fangs als er diefe Ihiere ſah, lief er ihnen zwar nad), aber that ihnen doc) nichts zu Leide; aber da eins Diefer Hüner im Sommer eine junge Brut hatte, die feinen Spas nicht wohl aushalten fonnte, und er, nachdem er vergebens gewarnt worden, einige Schläge befam, um ihnen Ruhe zu ſchaffen, wurde er diefen Huͤnern fo feind, daß er, da er daran verhindert wide, auf dem ordentlichen Wege nach dem Orte hin zu fommen, wo fie waren, fich einen Ummeg über einige Hecken durch eine Wiefe ſuchte, und die Henne fo mishandelte, daß fie ſtarb. Udeis war zu alt, als daß ſeine Neigungen ſich durch Strafen haͤtten veraͤn— dern laſſen. Vaͤter, Muͤtter, Erzieher! ſeht das Thier und denkt an euch ſelbſt und eure Kin— der ! - Dies erfuhr ih) an dem Hunde, aber lei— der, der, ich habe diefelbe Erfahrung an verberbfen jun: gen $euten erlebt. Die Norwegiſchen Thiere — ein feiirfgeres Blut, größere Munterkeit, geößern Much und. flärfere Seidenfchaften als diejenigen, welche auf unfern dänifchen Ebnen gebohren werden; es ift daher, wenn fie in Ei- gendünfel aufwachſen, um fo fehwerer, und faft un- moͤglich, fie durch Zwang zu-vegieren, wenn man fie nicht mrannifiren will. Auch dies habe ich mit Udeis erfahren. Er hatte anfangs, da ich nad) Weile kam, für gut gefunden, fid) durch eine der Fenfterfcheiben einen eg nach dem Hofe zu fuchen, die er, wenn er allein in der Stube war, und zu jemanden von uns hinaus wollte, in Stücen flug, und dann durchkroch. Ich halt und drohte ihm einigemal, und lies die Scheibe wieder einfegen, aber am Ende, da er mir diefen Spas mehreremal an einem Tage machte, wollte ich verfüchen, ob nicht vielleicht Schläge helfen Fonnten, Dies empfand Udeis ſehr uͤbel, er knurrte und bellte mich an, und als er da— mit nichts ausrichtete, wurde er ſo erbittert, daß er ſich in einem Winkel der Stube aufrecht hinſetzte, mit ſo boshaften Gebaͤrden, einer ſolchen Wildheit in den Au— gen, und einen fo verzweiflungsvollen, nicht eben kla— gender, fondern bitterbofen, heulenden Bellen, daß ich fuͤrchtete, ex mochte toll werden, und ihn daher in Ruhe laſſen mufte, Als fein Zorn fich gelege hatte, fchämte er fi, und wir wurden wieder gute Freunde; aber die Senfterfcheiben blieben darum nicht verſchont; und diefer Liebung entfagte er nicht eher, bis ich ein Netz von Stahldrath hatte machen laffen, das nach der Seite der Stube zu, mit einigen Stecheln verfehen war. Auch Dies verfüchte er wegzureiſſen, aber da er fih an B 3 den 22 en den Stacheln ſtach, und diefe Vorrichtung eine Zeitlang ſitzen blieb, fo wurde er endlich feines Unternehmens müde, und lies meine Fenſterf ſcheiben in Ruhe. Hier ſehen wir denn abermals eine Kette von Hoendlungen, und, feviel ich davon begreifen * ſehr willkuhr⸗ lichen Handlungen. 2) Auf Korſica giebt es ein Thier, das Muf—⸗ foli genannt wird; es ſieht einem Hirſ (je ähnlih, hat aber Horner wie ein Witder , und eine außerordentlich harte Haut. Es ift überaus wild,’ und lebt auf den hochften Bergen, wo man es, wegen feiner Schnellig— feit, kaum erreichen fann. Es fpringe viele Fuß weit von einer Klippe auf die andre; und wenn es bis auf den Gipfel einer Klippe gejagt wird, von wo es feine andre erreichen fann, fo flürge es fich über Hals und Kopf von derfelben herunter, und füllt mit einer fo mun- derswirdigen Behendigfeit auf feinen Hörnern, daß es feinen Schaden nimmt. Jacob Boswells hiftorifche geographifche Beſchreibung von Eorfica, aus dem Engliſchen. Leipzig, 1769. 8. ©. 42. 43. Aber wie unverfennber ift nicht die Wilfführ in den Bewegungen diefes Ihieres? oder ſollte es fich ver- nünftigerweife aus den Gefegen der Mechanik erklären laſſen, wie das Thier in feiner fehnelfften Flucht im Stande ift, die Kraft abzumeflen, welche zu jedwedem Sprunge, nad) den verfchiednen Entfernungen erfordert wird, und diefe Kraft unfehlbar anzuwenden? wie es, wenn es nicht im Stande ift, fih durch) Springen zu retten, fich hinab ſtuͤrtzt, und während des Falls feinen Korper fo dirigirt, daß es feinen Schaden nimmt? Aus einer Maſchine, deren fümmelihe Bewegungen, ver möge — |. 23 möge ihrer Einrichtung vorher beftimme find, und noth« wendig feyn müflen, und zwar fo, daß fie außer den auf ihrer Einrichtung ſich gründenden Bewegungen, durchaus feine andre vorzuehmen im Stande ift, am allerwenig- ften aber ihren Gang nad) unvorhergefehenen und unvor- bereiteten Zufällen abandern kann — aus einer Ma« ſchine laͤßt fich Diefe abwechfelnde Flucht, und die An— wendung fo verfchiedner und entgegengeſetzter Mittel zur Rettung, unmöglich erklären. Ser Don diefer Willfünrlichfeie in den Bewegungen und Handlungen der Thiere, werden wir uns noch ferner überzeugen, wenn wir erwägen, wie fie durch Uebung und Zwang, fi) an Handlungen gewöhnen fünnen, die ihnen ganz und gar zuwider, ja fogar unnatirlich find, und wie fie diefe Handlungen auf den Befehl des Men« ſchen ausführen; andrerfeits haben wir ebenfalls Gele genheit zu bemerfen, wie fie oft, felbft dann wenn fie am beften geübt find, fich muthwillig zeigen, und erſt durch wiederholten Zwang und Züchjtigung dahin gebracht werden, das zu thun, was der Menfd) wil; ein jedet wird ſich hier leicht an den Tanz des Bären, an das Gaufelfpiel des Affen, und an die Künfte des Hundes erinnern. Die Wuͤrkſamkeit folher Wefen aber, welche auf eine fo willführliche Weife ihre Bewegungen einrich- ten fonnen; in deren Betragen fo viele Abwechslung, fo viel widerſprechende Verſchiedenheit herrfcht, laͤſt ſich unmoͤglich, wenn wir anders nach den allgemein ange— nommenen Grundſaͤtzen der aufgeklaͤrten Vernunft ſchlieſ⸗ fen wollen, aus den Geſetzen erklaͤren, denen das Uhr— werk in ſeiner Bewegung, oder das Waſſer in ſeinem Falle gehorcht. | Es 4 — Es iſt bekannt genug, daß die wilden Thiere, wenn fie den Menfchen fennen, ihn faft immer fürchten, und daß ihre Furcht merflih zunimmt, wenn fie die Wuͤrkungen des Schießpulvers erfahren haben; aber der Ritter, Doctor und Profeffor Thunberg, erzählt von den Pavianen am Kap, daß fie auf den Selfen, wo man fie mit Hagelbüchfen nur felten erreichen konnte, nicht allein unerfchrocken waren, fondern fogat größere und Fleinere Steine von denfelben auf die Nele fenden hinabrollten und warfen, fo daß man immer Schießgewehr bey der Hand haben mufte, um fie wenig- ftens fo weit weg zu ſcheuchen, daß man nicht Gefahr Tiefe, von ihren Steinen befchädige zu werden. In der Kap— ſtadt, ſagt er ferner, bat man hie und da Pavianen, die an einer Stange fefigebunden find; ihre Geſchicklich- keit im Klettern, Springen und andern Wendungen, äft foft unglaublih. Ob ſchon ein folcher Pavian anges bunden war, fo war es doch unmöglich ihn in der Ent fernung von einigen Faden, mit einem geworfnen Steine zu treffen, Entweder fieng er den Stein wie einen Ball, oder er wich ihm auf die alferbehendefte und hurtigite Weiſe aus.”) Welcher denfende Menfch wird aber wohl glauben fünnen, daß eine blos Eorperliche Mafchine äm Stande wäre, diefe und unzählige andre willführliche Dewegungen eben der Art vorzunehmen, die wir bey den Thieren finden $. 53 Reſa uti Europa, Afrika, Aſia. Forraͤttad Aaren 1770 — 1779 af Carl Peter Thunberg, Upfala 1788. 8. ı Deel, ©, 316, 317» — — 25 — Die Thiere haben alſo willkuͤhrliche Bewegungen, dieſe aber ſetzen eine willkuͤhrlich bewegende Kraft voraus. Und da wir nun als ausgemacht, und in der Lehre von der Natur und dem Weſen des Menſchen er⸗ wieſen annehmen koͤnnen, Daß die Kraft, vermoͤge wel— cher der Menſch ſich willkuͤhrlich bewegt, ihren Sitz nicht in etwas koͤrperlichem haben, oder aus Korperlic)- keit erflärt werden kann, fo muß diefe Kraft ſowohl ben dem Thiere als bey dem Menfchen , ihren Sig in einer von dem Körper verichtednen Sub: ſtanz haben. Unter den verfchiednen Erfahrungen und Schlief- fungsarten, deren man ſich bedient hat, um den Begriff von der Unkorperlichkeie der menfchlichen Seele zu beftä- tigen, fcheinen mir folgende infonderheit von fehr übers zeugender Klarheit zu feyn. a) Jedwede Mafchin- Einrichtung, fie mag noch To fünftlich, und zu noch fo vielen Abwechslungen in ih- ren Bewegungen zubereitet feyn, kann doch, allem dem zufolge, was wir durch Werftand und Erfahrung von Mafchinen willen, fi) nur Bewegungen von einer bes flimmten Art vornehmen. Jede veränderte Anwendung, der in der Mafchins Einrichtung angebrachten Kräfte, erfordert immer eine gewiſſe Veränderung in dem gegenfeitigen Verhältnis ‚ Diefer Kräfte, eine gewiſſe Veränderung in den Theilen ‚der Mafchine, wozu eine aͤußre Kraft, alfo eine von den in der Mafchine befindlichen Kräften, ganze lich verſchiedne Kraft, nochwendig if, Nie aber 5 läßt 26 —— laͤßt ſich der Fall denken, daß eine Maſchine, blos ver- möge ihrer Dauart und Einrichtung, in demfelben un— — 5 Augenblick, auf eine zwiefache und entgegen⸗ geſetzte Art wuͤrken koͤnnte. Wenn der Zeiger an der Uhr ſich vorwaͤrts bewegt, ſo iſt dies eine nothwendige Folge von der Einrichtung der Uhr, von der Einrichtung der verſchiednen Raͤder in einander, verbunden mit der Schwere der Gewichte. Aber daß ver Zeiger in demfel- ben Augenblick, da er nad) den Gefegen der Mechanik vorwärts zu geben genoͤthigt if, ſich ruͤckwaͤrts bewegen follte, das ift unmöglih; da feine Mafchine, unter allen möglichen Bewegungen fic) mehrere vornehmen kann, als nur die einzige, zu welcher fie in dem Augenblick der Bewegung vermöge ihrer Einrichtung geſtimmt iſt. Freylich, der Zeiger laͤßt fid) auch rückwärts drehen; aber dann muß dies, wie jedermann weiß, Durd) eine aufferhalb der Mafchine befindliche Kraft bewerfftelli- get werden. Nun lehrt uns alle Erfahrung und das vollfom- menfte Sel bſtoewu ſtſeyn, daß wir Menſchen ohne alle aͤußre mitwuͤrkende Kraft, unſre Handlungen auf die ab- twechfelndfte und einander entgegengefegtefte Weiſe verän- dern koͤnnen; wir find ung, indem wir handeln, und nach dem wir gehandelt haben, beruft, daß mir diefe Handlung hätten unterlaflen, daß mir fie anders hätten ausführen Eonnen, daß wir fogar Kraft hatten, gerade das Gegentheil von dem gu thun, was wir thaten. Unſer eignes Gefühl und das vollfommenfte Selbftbewuftfeyn lehrt uns alfo, daß wir nicht bloße Forperliche Mafchinen find, fondern daß in unſerm Wefen eine Kraft ſeyn muß, ganzlich ver- fihieden von dem, was wir von förperlichen Kräften fennen und wiffen, und woraus unſre unge: — 27 ungezwungqnen und wi lltkuhelkchen Suohlaan ſich erklaͤren laſſen. b) Es iſt, allem unſern Gefühl und Bewuſt ſeyn nach, eine natuͤrliche und weſentliche Eigenſchaft der menſchlichen Seele, zu handeln und zu wuͤrken, ohne daß ſie waͤhrend ihres Handelns und Wuͤrkens ihren Ort verläßt, ohne daß fie eine äuftre Bewegung hat, oder fih, ſoviel ihr Wefen angeht, einer Aufßern Bewegung beruft if. Wenn mir die Handlungen materieller und förperlicher Wefen betrachten, und menn wir uns einigen Begriff von einer Handling eines materiellen Wefens machen wollen, fo fonnen wir uns eine ſolche Handlung nicht anders vorftellen, als daß die Theile, aus mwels chen dies koͤrperliche Wefen befteht, den Plag verändern, den fie, ehe die Handlung vor fih gieng, einnahmen. Diefe Theile aber verändern theils das Verhältnis, worin fie vorher unter fich ftanden, theils das locale Ver— baltmis, das, unter ihrem vorigen Zuftande, zwiſchen ihnen und den äußern Dingen ftatt fand. Kurz, wir fonnen ung nicht vorftellen,, daß ein Förperliches We— fen handelt, ohne daß wir, aller unfrer Erfahrung von der Natur der Dinge nach, zugleich genöthige fin® uns vorzuftellen, daß es fich bewegt. Run ift jedweder Gedanke eine würffiche Handlung der Seele; zwar eine innre Handlung, aber doch eine Handlung, und wir fonnen uns feine an- dre Verftellung davon machen. Aber wenn wir ung einen Gedanken vorftellen follen, wenn wir davon reden, fo verbinden wir niemals den Begriff von Bewegung mit dem Begriff von Gedanken, auch haben wir feine Veranlaſſung, feinen vernünftigen Grund dazu, dieſe beyden 28 — beyden Begriffe mit einander zu verbinden. Vielmehr vereinigt ſich unſre ganze Erfahrung, unfer ganzes Ge— fuͤhl und Selbſtbewuſtſeyn dahin, uns zu uͤberzeugen, daß die Seele, je mehr ſie ihre Denkkraſt uͤbt und an— ſtrengt, — wenn es mir erlaubt iſt, einen uneigentli- chen Ausdruck zu gebrauchen — immer mehr unbeweglic) wird, oder richtiger gefage, fi) einander mehr und mehr der Theilnehmung an den Juftand des Körpers und den Veraͤnderungen in demfelben entzieht. Kann man es aber als eine Wahrheit annehmen, daß Das, was Materie ift, nicht handeln kann, ohne ſich zu bewegen; ift es ebenfalls eine Wahrheit, daß der Menfc) fühle und ſich bewuſt ift, denken ſey daſſelbe, als handeln ohne ſich zu bewegen, ſo folgt ja, da der Menſch in unzaͤhligen Faͤllen handelt, da er denkt, ohne ſich zu bewegen, daß etwas in ihm ſeyn muß, das nicht Materie iſt, etwas, das unter ſeinen Handlungen den Platz nicht veraͤndert, den es einnimmt, etwas, das nicht den natuͤrlichen Urſachen von Zerſtoͤrung und Untergang unterworfen iſt, welche auf die Materie, die aus Theilen auſſen vor Theilen beſteht, wuͤrken — es muß etwas von einer ganz andern Natur in dem We— ſen der Menſchen ſeyn, als wir durch Erfahrung, Ge— fuͤhl und Nachdenken an der Materie kennen — und dies Etwas in unſerm Weſen, das da denkt, will, beſchließt, kurz ohne alle aͤußre Bewegung handelt, Dies Etwas, das wir im Gegenſotz der Materie immateriel nennen, ift nun unfre Seele. c) Das Bewuſtſeyn was wir von ber gröften Einfachheit in unfern Gefühlen, mitten unter igrer grö- fen Verfchiedenheit und Mannigfaltigkeit haben, ſcheint ee unwiderſprechlich darzuthun, daß es nicht mehrere ver⸗ Km nenn verſchiedne Theile unfers Weſens find, welche denken, wollen, urtheilen und ſchließen. Wenn gleich verſchiedne Gegenftände zu einer und eben derfelben Zeit auf uns würfen; wuͤrken fie gleich zu verfchiednen Zeiten auf ung, ſo ift doch jeder von uns einzeln ſich bewuſt, daß es ein und eben daflelbe Ich iſt, welches dieſe verſchiednen Eindrüde vernimme, Hieraus aber folgt, daß dasjea nige Subject, das ſich diefe verfchiednen Eindrücke vora ſtellt, und von fi weis, daß es fich fie alle, fo mana nigfaltig und verfchieden fie auch find, vorfielle, daß dies empfindende Subject ein einfaches Ding fen muß, welches nicht aus. Theilen auffen vor Theilen beſteht; weil wir fonft von uns felbft wiſſen muͤſten, daß in unferm Velen eben fo viele empfindende Partikeln wären, als die äußern Gegenftände, die zu eben der Zeit auf uns würfen,, verfchiedne Puncte unfers Nervenſyſtems berühren. Jeder Diefer Gegenftände bewuͤrkt verſchiedne Meränderungen in unferm Korper; dieſe verſchiednen Veränderungen erzeugen verfchiedne Vorfiellungen. Das, was in unferm Weſen fid) bewuſt ift, daß es dieſe Vor— fellungen hat, iſt nach unferm Gefühl nur ein und eben daſſelbe untheilbare Ich; und diefes würde nicht Statt finden fonnen, wenn unfre Seele aus meh« rern Theilen beftünde, deren jeder für fih das Vermoͤ— gen hätte, fich den Eindruck vorzuftellen, den die Dinge auf unfre Körper machen, | Diefe Schließungsart hat der Verfaſſer des von L. W. Dohm. Lemgo, 1773. 8. unter Bonnets Namen herausgegebnen , piuchotouiichen Verſuchs, mit vielem Gluͤcke und Klarheit ausgeführt, So ſagt ©, 78 um 79: „Wenn wir unfig Augen auf eine Ei „Land 30 „‚Sandfchafe werfen, fo fehr wir auf einmal und ohne Ver⸗ „idirrung eine große Menge von Gegenftanden, und wir "feön diefelben nicht allein als ein Ganzes, eine Male „rey, fendern auch als von einander abgefondert und „verfehieden. In jedweder Perfpeetive entdecken wir „verſchiedne Gefichtspuncte, in jedwedem Gefichtspuner „verſchiedne Gegenftände, in jedwedem Gegenftand ver „ſchiedne Theile, Wenn dasjenige in uns, weiches diefe „Anmerkungen macht, etwas ausgedehntes wäre, fo „müften wir nothwendig uns zugleich eben fo viele be- „ruͤhrte Duncte denken, als Gegenftände in der Jand- „ſchaft find. Man ftelle fi das Bild vor, das auf „der Netzhaut abgebildet wird. Jedweder Punct diefes „Bildes ift ein Begriff, aber diefe Begriffe eriftiren jee „der für fi), ohne Vermifchung mir einander, fie find „nur verſchiedne Theile einer und derfelben Ausdehnung. »Öcher fomme es denn, daß wir auf einmal, zu einer „Zeit und mit einem Blicke alle die Gegenftände fenen, welche jene Begriffe vorftellen ?_ Sie vereinigen fich, „wird man fagen, in einem einzigen Punct, aber wenn „dem fo iſt, warum fehen wir denn die Öegenftände — „ne Vermiſchung, — einzeln ?“ „Doch dies iſt noch nicht genug, wie kann man „ſich das Bewuſtſeyn dieſer Begriffe denken, mo ſitzk „das Ich, welches Achtung giebt und vernimmt? viel- „leicht in einem andern Punct der denfenden Fläche. „Aber wie kann Diefer Punct mit den übrigen, welche „die Begriffe bilden, verbunden, und doch von ihnen „‚verfihieden feyn? Nicht genug, fage ihr wie kann „dieſer Punkt zu gleicher Zeit mit jedem individuellen „Begriff, und mit der Summe von ihnen aller zufame „menge⸗ ea mens 31 „mengenommen, uͤbereinſtimmen, ohne ſich auf eine „oder die andre Weiſe mit ihnen zu vermiſchen. Noch „eine Schwierigkeit. Wenn die denkende Flaͤche von „einer einzelnen Idee beruͤhrt wird, wird ſie denn ganz, „oder nur zum Theil davon berüßee ? Wenn erfteres, „wie fonnen denn die neuen Ideen neben der erſten Platz finden? ? Dielleiche zieht die denkende Fläche ſich zuRe-A= „men, oder dehnt ſich aus? Wer kann wohl eine von „‚diefen beyden Borausfegungen annehmen? Wer kann „begreifen, daß eine Idee ſich auf die Hälfte oder den „vierten Theil ihres Raums zufammenzieht? oder daß „eine denkende Subſtanz fich ausdehne und zufammen- „ziehe? Beruͤhrt im Gegentbeil ein Begriff dies dene „ende Wefen nur in einem Theil feiner Ausdehnung, * folgt daraus, daß dies Weſen zu gleicher Zeit denkt „und nicht denke,“ Die übrigen Betrachtungen und Gründe, welche, meiner Einfiht nad), in dem Beweiſe von der Imma— terialität der Seele, von einigem Gemischte waren, habe ich in den erjten Gründen der Seelenlchre, (Sid: lelaͤrens Förfte Grunde) die id) 1778. 8. in Hrn. Agene Gpldendals Verlage herausgab, ©. 94. u. f angeführt. Auſſer den daſelbſt angezugnen Schriften verdient noh Bayle in feinem Dietioneir unter dem Ars sitel, Leuſippus, nachgefeben zu werden. §. 6. Die willkuͤhrliche Bewegung, welche demnach dem Menſchen und dem Thiere gemein iſt, beweißt alfo, daß ſowohl das Thier als der Menſch, aus Ben verſchiednen Haupttheilen tale etzte 32 ſetzte Weſen find; daß aber dife Theile, auch bey dem Tiere, Körper und Geiſt find, davon werden wir uns noch mehr überzeugen, wenn wir ferner bemerken. Die Thiere haben Vorſtellungskraft, wie der Menfch, da fie Sinnenwerkzeuge haben, wie der Menſch fie hat, So wie es auffer allen Zweifel ift, daß wir nicht mit Kenntniſſen gebohren werden, und daß wir alle Kenntniſſe, die wir beſitzen, den Sinnen zu verdanken haben, ſo iſt es auch auf der andern Seite gewiß, daß alle unſre Sinne uns ohne Abſicht verliehen, uns gaͤnz⸗ lich unnuͤtz ſeyn wuͤrden, wenn wir nicht eine Seele hät« ten, die mit dieſem Körper vereinigt ift, alfo in diefer Seele das Vermögen, uns bie Dinge vorzuftellen, welche auffer uns find, und auf diefe unfre Sinne wir= Een, Wir fehen, fagen wir, mit unfern Yugen, wie Hören mit unſern Ohren, mir ſchmecken mit unjver Zunge, wir riechen mit unfrer Nafe, wir fühlen mit unfern Ner— ven, Die von eben der Natur, als das Hirnmarf, und eine Fortfegung dieſes Hirnmarks find, welches nad) feinem Ausflug aus dem Haupte durch den Ruͤckgrad ſich über den ganzen menfchlichen Korper verbreitet. Aber follte der Ausdruck denn auch wohl fo ganz richtig feyn, wenn wir fagen : das Auge fieht, das Ohr hört u. ff. ? Kei— neswegs. Man nehme die Seele weg, und ſperre dann dem todten Körper Die Augen auf, wird wohl jemand behaupten, daß diefer Körper fieht? man pfeife und finge vor den efnen Ohren’ des Todten — es ift fein Zweifel daran, Daß nicht Die bewegte Luft auf Dies Ohr würfen follte — ‚aber e8 hört dennoch nicht: und fo mit allen unfern uͤbri— gen Simen; ſie ſtellen ſich nicht die Veraͤnderungen vor, | * 4 Dor, welche durch die Einwuͤrkung der dußern Dinge in ihnen veranfaft werden. Die Sehnerven in der Jieß« haut des Auges haben Feine Borftellung von den Veraͤn⸗ drungen, welche bie Lichtſtrahlen darin verurfachenz die Gehörnerven haben Feine Vorſtellung von der beweg⸗ ten Luft; aber die Seele ftelle ſich die außern Dinge vor, in dem die Nerven des Auges, des Ohrs und der übria gen Sinnwerfzeuge veränder werden, und zwar darum, weil diefe Verändrungen, welche die außern Dinge in den Nerven bervorbringen, vermitcelft diefer Nerven ar ben Ort bin verpflange werden, wo Die Seele ihren Sitz hat. Der Körper, feine Sinnwerkzeuge, die Nerven infonderheit, ſind alfo das Mittel, wodurch wir zu einer Vorſtellung von den Außern Ken gelangen; vermöge der Nerven erhalten wir insbefondre eine Vorftellung vor unferm eignen Köcper, und den in demſelben vorgehen« den Veränörungens Aber weder der Körper im allges meinen, nod) Die Nerven insbefondre, haben Vorftellun« gen, oder das Vermögen, ſich Vorftellungen zu bilden, Iſt es denn nun eine unleugbare Erſfahrungswahr⸗ heit, daß weder der ganze Körper, noch irgend ein ein« zelner Theil deſſelben, Worftellungen, oder Worftels lungskraft bat; daß unfre Sinne nur Vorftellungen in unfrer Seele veranlaffen , ohne daß diefe Organe ſelbſt einige Vorftellung von den Dingen haben, die auf fie wuͤrken. Iſt es Wahrheit, daß der Menſch, ohne Geele, oder mit andern Worten, ohne Vorftellungsa fraft, mit feiner ganzen fihonen Organifation, Michts weiter feyn würde, als eine Maſchine, die eine beftän« dige Bewegung haͤtte; aber daß mir itzt durch biefen C Koͤrper, Korper, in Verbindung mit diefer Vorftelungskraft, das find, mas wir ung zu feyn wiffen; fo folgt ja dar— aus, daß wir, da wo wir bey andern Gefchöpfen ähnlichen Körperbau, Sinnwerkzeuge, Merven entvef: fen, jeden vernünftigen Grund haben, zu glauben, daß fie zu ähnlichen Abfichten da find; wir haben Grund zu glauben, daß diefe Sinne dieſen Ge: fehöpfen zu eben dem Zwecke verliehen find, als der Menfch fie beſitzt; und da nun dieſe Sinne bey dem Menfchen jo zu jagen, die Werkzeuge der Seele find, da fie bey dem Menfchen Vorſtellungskraft vorausfegen , und der Vorftellungsfraft zum Gebrauche dienen, fo folgt daraus, daß fie, wo wie bey andern Gefihöpfen fie antreffen, uns berechtigen zu ſchließen: dieſe Geſchoͤpfe muͤſſen Vorſtellungs⸗ kraft, muͤſſen eine Seele haben; da ſonſt dieſe Sinne unbrauchbar und unnoͤthig ſeyn wuͤrden. Anmerkung. Zu beßrer Erläuterung desje— nigen, was wir bier angeführt haben, und wovon wir in. der Folge Gelegenheit haben werden, weitern Ge- brauch zu machen, will ic) ißt einige allgemeine Anmer- fungen über die Einrichtung des menfchlichen Körpers herfeßen, in ſo ferne diefer oder jener feiner Theile mit unfrer Vorftellungskraft und den Würfungen derfelben zufammenhängt, oder mit ihr in Verbindung zu ftehen, fheinen mag, a) Da das menschliche Gehirn überaus zart, und doch zum eben unumgänglich nothwendig ift, fo hat die Natur es in einer Rinde eingefchloffen, die fich in. ver erften. Kindheit ausdehnen laͤßt, aber nachher, wenn fie einmal hart RR ift, jedem außern Druck kraͤftig en Eee 35 Fräftig Widerftand leiſtet. Dieſe Knochenrinde har in- wendig eine ſtarke Haut, Die diche damit verwachfen, härter da, wo der Knochen dider, und am ftärfften an den Stellen ift, wo fic) die Zufammenfügung des Hirn- ſchaͤdels befinden Die nächfie Befleivung des Gehirns und des Ruͤckenmarks, wird die duͤnne Hirnhaut ge nannte, Bey dem Gehirne felbjt hat man vorzüglich den fo genannten granen Theil und den markigten Theil deſſelben zu unterſcheiden. jener dient dieſem gleichſam zur Bekleidung; das Mark dahingegen, was in dieſer Bekleidung eingeſchloſſen iſt, iſt weiß, und als eine Fortſetzung der grauen Subſtanz anzuſehen. Es beſteht aus den allerfeinſten Adern, und dieſe werden endlich bis zur größten Kleinheit vereinfacht. Die kleinern Buͤndel die: fes Marks, nennt man Nerven; und den großen, wel- cher eine Verlängrung eben diefes Marks ift, nenne man den Ruͤckenmark. Albrecht von Hallers erfter Umriß der Gefchäfte des Förperlichen Lebens. Berlin, 8. 1770. 10. Abſchn. b) Die Nerven find die Veranlaſſung unſrer Empfindungen, denn jediwede Stelle an unferm Körper, wo keine Nerve iſt, ift völlig unem: pfindlich; fo kann man das Haar und die Nägel ab- fhneiden, ohne daß wir etwas dabey empfinden, weil Feine Nerve in diefe Theile hin läuft; auch die harten Knochen überall im Körper, Die Zähne z. B. veranlaf- fen unmittelbar Fein Gefühl, da fie ohne Nerven find, ob fchon fie, vermöge ihres Zufammenhangs mit, uber ihrem Drucde auf angränzende Theile, Die miftelbare Veranlaffung von Empfindungen werden Fonnen, Aber diefe Empfindungen werden alsdenn nicht durch den un- Ga mittel⸗ 36 mittelbaren Eindruck auf den Zahn oder das Haar erregt, und ein jeder wird duch) eigne Erfahrung hiervon hin= fänglich überzeugt ſeyn. c) Die Erfahrung lehrt ung ferner, daß diejenis gen Stellen in unferm Körper, mo der Zujams menhang und die fortgefehte Verbindung der Hrerven mit dem Gehirn unterbrochen iſt, Feine Vorſtellung veranlaſſen koͤnnen. Man verſuche es nur, einen Faden einigemal um das äußerfie Glied des Fingers zu binden, und die Singerfpige wird dann, wie man es nennt, faub werden; man kann fie, je nad) dem die Bindung feft ift, mit Nadeln ſtechen u. ff ohne etwas davon zu empfinden; aber wenn der Faden geloͤßt wird, und die Verbindung der in die Fingerfpige binlaufenden Ierven, mit dem Gehirn wieder in ihren natürlichen Zuftand geräch, fo kehrt auch das Gefuͤhl wieder zuruͤck. Aus dieſer Urſache legt man, wenn ein Bein, ein Arm u. ſ. f. abgeloͤßt werden ſoll, fo ſtarke Bandagen an; man will durch dieſe Unterbindungen den Zuſammenhang, der unterhalb derſelben liegenden Nerven— Aeſte mit dem Gehirn aufheben, damit der Patient un— ter der Operation nicht leiden ſoll. Dies gelingt denn auch mit den Nerven, die auf der aͤußern Haut und in den fleiſchigten Theilen laufen, nur das ſeine Nervenge— webe, welches unmittelbar den harten Knochen umgiebt, (Perioſtium) behält, aller Bandagen ungeachtet feine ununterbrochne Verbindung mit dem Gehirn, und went dies alfo durchſchnitten wird, fühle der Menfch Schmer- zen, aber in Berhältniß der ganzen Operation, nur au— genblickliche. Schmerzen, welche aufhören, fobald der barte- Knochen vollig vom Fleiſch und Nerven abge⸗ loͤßt iſt. ne [6 11: 37 4h) Unfre Borftellungen von den äußern Din: gen haben ihren Sig nicht an den Stellen in uns fern Körper, worauf die außern Dinge wirken. Auch diefen Schluß giebe uns die Erfahrung anf die Hand. Wenn die Vorftellung an der Stelle wäre‘, mo Der Eindrud der äußern Dinge geſchieht, fo koͤnnte feine Bindung uns hindern, die, wenn gleich unterhalb derfelben, vorgehenden Verändrungen zu fühlen; alle Erfahrung aber betätigt es, Daß das Glied , deſſen Verbindung mit dem Gehirn durch Binden unterbrochen äft, nichts fühle Die Erfahrung beftätigt alfo, daR die Vorftellung nicht an dem Orte entſteht und ihren Sig hat, wo der Eindruck geſchieht. | Härten unſre Borftellungen ihren Sig an jedweder Stelle im Körper, wo fie veranlaße werden, fo müften Diefe Vorftellungen ſich gänzlich verlieren und aufhoren, ‚wenn der Iheil des Körpers, durch den fie veranlaßt wurden, in dem fie ihren Sig hatten, abgefegt würde. Die Vorftellungen, die wir durch den abgefegten Fuß erhielten, die Schmerzen die wir empfanden, folange wir den Fuß hatten, muͤſten gänzlich verfchwinden, wir anüften uns weder ihrer, noch des Fußes mehr erinnern Tonnen, wenn die vermittelft des Beines und des Fußes veranlafiten Vorftellungen, im Fuße und im Beine ihren Sitz hätten, Aber hier lehrt die Erfahrung gerade das Gegentheil. Der Menfch erinnere fih nicht allein diefes oder jenes Gliedes das er gehabt und eingebuͤßt hat, fon= dern er ift fich auch der Schmerzen und Unannehmlichkei— ten bewuſt, die ein folhes Glied ihm verwfachte, fo lange es mit dem Körper verbunden war. Verſchiedne glaubwürdige Erfahrungen beftätigen fogar, daß Men- 33 ſchen, 33 ſchen, welche ein oder andres Glied verloren hatten, noch geraume Zeit, nach dem die Wunde fhon geheilt war, über Schmerzen in dem abgefeßten Theil des Körpers geklagt haben. So erzählt Profeffor Krüger in feis ner Experimental Seelenlehre ©. 90. von einem achtzigjaͤhrigen Manne, der über Schmerzen in feiner großen Zähe Elagte, nachdem der Fuß abgenemmen war; eben dies erfuhr Profeſſor Kruͤger mit einem ſeiner Bekannten, der, wenn die Witterung ſich änderte, über Schmerzen in dem Fuße klagte, den er eingebuͤßt hatte. So wie aber dieſe Erfahrungen beweiſen, daß die Vor— ſtellungen nicht ihren Sitz an jedweder Stelle im Koͤrper haben, wo der Eindruck geſchieht, ſo beweiſen ſie auch, daß das Gehirn eigentlich der Ort iſt, wo die Vorſtel— lungen gebildet werden. Derjenige Theil der Nerven, welcher in dem abgefeßten Fuße fi befand, war naftır- licherweife mit dem Fuße felbft verloren gegangen „ aber ihre Verlängerung in den Theilen des Körpers oberhalb des abgefegten Theils, bis ins Gehirn hinauf, blieb un« verletzlich übrig; und wern nun dieſe Nerven im Gehirn, entweder vermöge der innerliehen Bewegung des Körpers und der angränzenden Rerven, oder vermöge andrer, von außen auf den Korper, und insbefondre auf die zu⸗ ruͤckgebliebnen Nerventheile des abgeſetzten Fußes mwür« kenden Dinge, auf eben die Art veraͤndert und bewuͤrkt wurden, als unter ihrer vorigen Verbindung mit dem Fuße, ſo muſte dieſelbe Urſache, dieſelbe Wuͤrkung her— vor bringen: dieſelbe Modifikation in der Nerve, die⸗ ſelben Vorſtellungen erregen. Aber dieſe Vorſtellungen waren alſo nicht in dem Fuße erzeugt oder gebildet wor— den; denn wenn dies der Fall waͤre, fo hätten fie zu— gleich mit ihm verloren gehen muͤſſen. Mehrere ähn- liche che Beyſpiele hat. Profeffor. Krüger in dem bengefügten Anhange ©. 37, 38, 39, 121—22— 23 an- geführt. Siehe D. Zohann Gottlob Krügers Verſuch einer Erperimental Seelenlehre, Halle und Helmſtaͤdt, 1756. 8. e) Im Gehirne iſt, aller Erfahrung: nach, eigentlich der Ort, wo die Vorſtellungen erzeugt werden, und die Vorſtellungskraft ihren Sitz hat. Dies iſt theils eine Folge: aus. dem. oben ange— führten, theils wird es noch. durch. andre wichtige Erfah- rungen beftärige. Wir find zweifels ohne berechtigt. den. Schluß zu ziehen: der Ort im menſchlichen Körper , def: - fen unmittelbare Verlegung und Zerftörung ſtets mit einer verhältnismäßigen, unmittelbar. darauf folgenden. Verwirrung in unfern Vorftellungen verbunden. ift; der Ort, durch deffen. unmittelbare Verlegung die Worftel- lungskraft unmittelbarer, inniger und plößlicher. ange- griffen wird, als durd) alle Verlegungen, welche irgend einem andern Theil. des menfchlichen. Körpers. zugefügt werden moͤchten: diefer Dre muß dem Würfungspuncte der Vorftellungsfraft am nächften fyn. Man befchä- dige welchen andern äußern Theil des menfchlichen Kör- pers. man will, man baue Arme und Beine ab, man richte nach Gefallen jedwede andre Zerftorung im Korper an, wenn man nur nicht unmittelbar den Kreislauf des Bluts hemmt, oder conpulfioifche Bewegungen und Zuckungen erregt, die fo gewaltſam find, daß fie ſich augenblicklich auf das Gehirn verpflanzen; die Vorftel- lungskraft kann zwar durch folche Förperlichen Schmerzen von der ruhigen und millführlichen Anwendung auf andre Dinge abgezogen werden, aber ihre Würffamfeie hört dar: um —* auf, und der behält, unter obigen Vor—⸗ 4 ausſetz⸗ ’ 49 unsre mann ausfegungen, das Bewuſtſeyn von ſich felbft und feinem Zuftandee Man verfuche dahingegen das Gehien fo zu befhädigen, daß die marfigte Subſtanz dadurch in Unorönung geräth, und auf eine Art verändert wird, die ihrem natürlidyen Zuflande nicht entfpricht; und vie Vorſtellungskraft wird in ihrer Wuͤrkſamkeit geſtoͤrt wer⸗ den, ſogar das Selbſtbewuſtſeyn wird aufhoͤren, und zwar fruͤher oder ſpaͤter, je nach der Beſchaffenheit einer ſolchen Verletzung. Kruͤger erwaͤhnt in ſeiner Experim. Seelenlehre S. 93. nach Boerhave eines Menſchen, der feine Hirnſchaale hatte, und immer in Fuͤhlloſigkeit and Schlaf verfiel, wenn man die Haut drückte, weiche Das Gehirn umgab; aber dies wiederfuhr ihm natürlicher weile nicht, wenn man eine andre Stelle feines Körpers druͤckte; und da Boerhavens Name für die Richtigkeit ver Begebenheit bürge, fo ift diefer Zufall ein deutlicher Beweis von der unmittelbaren Verbindung, die zwifchen der Vorſtellungskraft und dem Gehirne ſtatt findet Zwar hat man Beyſpiele, daß ganze Stuͤcke aus dem Gehirn der Menſchen und Thiere herausgenommen wor⸗ Den find, ohne daß der Tod darauf erfolgte, da ein ſol— der Menſch geheilt wurde, und den völligen Gebraud) feines — wieder erhielt (Kruͤgers Experim. Seeleniehre, Anhang ©. 33.) und in dieſen Fällen ließe fich denn vermuchen, daß die marfigte Subſtanz Des Gehirns eigentlich Feine gewaltfame Verlegung erlit— ten habe; aber man het auch andre Fälle, wo, bey der Befchädigung des Gehiens, 3. B. durch eine Ohrfeige, augenblicklicher Tod die Folge war (Kruͤgers Anh. 5.39). Auch erzähle Krüger ( Seelenichre S. 124.) von einem jungen Menfchen, deſſen Hirnfchale bey einem Spiele zerfehmettert worden war, wodurch er unter der Kur — — 41 Kur ein Stuͤck des Gehirns einbuͤßte, und ſeine ganze übrige Lebenszeit ſprachlos blieb. Im Anhang S. 61. wird ein Fall angeführt, mo ein Menſch von einem Schlage in's Geficht, zmwifchen Den Augbraunen, ſtarb. Mehrere ähnliche, Säle, in welchen der Tod auf eine Verlegung des Gehirns folgte, fichen ©. 83,84, 85, 11316. Hierüber fehe man ferner: Ernſt Anton Nicolai Pathalogie. Halle im Magdeburgifchen, 1775. 8. 4 Band. ©. 177-185. Das Reſultat von allem obigen iſt denn aber wohl folgendes: alle Er: fahrungen, Die wir über den Menfchen Haben, ſtimmen dahin überein, uns das Gehien als die Werkſtatt der Vorftellungskraft und ‚den Wohnfis Der Seele anzumweifen. _ j f) Dan kann nicht annehmen, daß Das ganze Gehirn der unmittelbare Sig und Wuͤr⸗ kungspunkt der Vorſtellungskraft ey; denn als- denn müfte jedwede Verlegung, wo und wie fie auch ge= fhehen mögte, wenn nicht den Tod, fo doch eine beſtaͤn— dige Unordnung in der Wuͤrkſamkeit der Seele nach fi ‚ ziehen, und dies iſt, wie wir oben gezeigte haben, nicht immer der Sal. Unmoͤglich ift es aber, mit leiniger wahrſcheinlichen Gewißheit den Punce anzugeben, mo die Vorftellungen gebildet werden, und aus welchem die Seele unmittelbar würft, Indeſſen ift es im höchfien Grabe wehrfheinlih, daß Die Nerven, von deren Verz fehiedenheit außerhalb des Gehirns wir vollfommen über- zeugt find, auch im Hirnmark diefe Verfchiedenheit bes ‚halten, obgleich man bis ist noch durd) fein Vergröße— rungsglas im Stande gewefen ift, fie zu verfolgen und ihre Verfchiedenheit zu entdecken. : Denn wenn fie nicht forrführen ihre Verſchiedenheit zu behalten, fondern ſich | € 5 in 42 — in einer Maſſe mie einander vermiſchten, fo wäre es vollig unerklärbar, wie fie, je nach ver verfchiednen Einwuͤrkung auf die, in den aͤußern Teilen des Körpers laufenden Nervenfpigen, verſchiedne Empfindungen ver: anlaffen fonnten, welche beftimme den — aͤuſ⸗ ſern Dingen entſprechen. Da nun Erfahrung lehrt, daß die Nerven, ſo tie fie dem Gehirne ſich nähern, immer feiner und fei- er werden, bis in ihm zuletzt ihre Verfchiedenheit auch dem am beften bemafneten Auge gänzlich entſchwindet, ſo fann man mit vieler Wahrſcheinlichkeit ſchließen, daß Diefe Nerven, da, wo fie nun endlich geſammelt werden, von der gröften Feinheit feyn müflen. Diefe außeror- dentliche feine Sammlung der ſaͤmmtlichen Nerv - Enden im Gehirn, ftellt man ſich als die unmittelbaren Werk— zeuge der Seele vor; und’ diefe hat man denn die feinere Drganifation genannt, im Gegenfag der andern über- ‚al im Körper, und außerhalb dieſes Sammlungspunk: tes verbreiteten Nerventheile, welche unter dem Namen der groben Organifation einbefaßt werden. - Ueber dieſe Benennung der unmittelbaren Werkzeuge der Seele, welche mir paffender zu feyn feheint, als verfchiedne an— dre, deren ſich die Philofophen fonft bedient haben, ſehe man: Erfahrungen und Unterfuchungen über ven Menfchen, von Earl Franz Irwing, Berlin 1778.8. 1.3. 9 23. Als ein Benfpiel von dem, was man über die Feinheit der Nervenfäden weis, ver- dient es bemerkt zu werden, daß man mit Hilfe der Ver- größerungsgläfer,, eine ſolche Nerve in der Meghaut des menfchlichen Auges, zwey und dreyßig tauſend vier hun— dere Mal feiner gefunden bat, als ein Menfchenhaar; und | 4 * 4 imd in der Netzhaut der Augen von Fleinern Thieren, fand man eine folhe Nerve eine Million, einhundert und fechs und dreyßig faufend, vierhundert Mal Eleiner, als eben dies Haar. Nicolai Pathologie. 4 B. © 51: g) Außer den Nerven, melde, mie das Hirnmark woraus fie beſtehen, nicht elaftiich, fondeen eine Art von breyigter Materie find, hat man Grund eine feine, unfinnliche, ihrer Nature nach, elefrriichartige Materie, in dem menichlis chen Körper anzunehmen, welche aus dem Blute in Die Hirngefäße abgefondert wird, und vermds ge welcher die Eindrücke von den außen Dingen zu dem Wuͤrkungspunkt der Seele hin vers pflanzt werden. Wenn man eine Glasröhre reibt, indem man bie Hand an derfelben fehnell auf und nieder bewegt, fü kann fie leichte Sachen, 3. DB. Haare, Blattgold u, dgl. an fich ziehen; wenn eine Glaskugel vermittelft einer Rürbel ſchnell herumgedreht wird, fo zeige ſich diefe anziehende Kraft noch färfer, fo, daß fie vermöge einer Metallrohre, welche ihre Armofphäre berührt, an fich ziehen, von fi) flogen und ihre Kraft fortpflanzen kann; und wenn num diefe Röhre, von der um das Glas fihmebenden, beleb« wen Materie hinlänglich angefülle ift, und man fie dann mit dem Finger berührt, fe giebt fie Funken von ſich. Eben diefe anziehende und forrftoßende Kraft, haben alle fehwefel- und harzartigen Körper, wie z. B. Lack, Bern ftein u. fe w., fie ziehen an und ftoßen von fich, fo mie man auch aus ihnen Funken ziehen kann. Bey den thie— riſchen Körpern und bey dem menfchlichen infonderheit, entdecken wir ebenfalls die Eigenfchaft, daß er nicht allein "Ne für 45 [mm eo nu ‚für die elektriſche Materie empfaͤnglich ift, wenn fie hin— ein geleitet wird, fondern daß man auch in gewiſſen Fäl- Yen, und bey gemwiffen Menfchen, durch die bloße Rei: bung , Funken aus dem Körper heraus locen Fann. Daß die menfchlihen Korper die eleferifche Materie, die in fie hinein geleitet wird, aufnehmen können, ift befannt genug; daß fie aber nicht allein zugeführte, fondern auch eigenthümliche Elektricitaͤt haben, läßt ſich aus verfchiednen zuverläßigen Erfahrungen darthun. Als ein Beweis, forohl von der erftern als von Der legten Behauptung, verdient Das angeführt zu werden, was Brydone in feiner Reiſe durch Sicilien und Malta, I Th. ©. 178. von den Herren Sauſſure und Salabert aus Genf erzählt. Als diefe über eine der höchften Al— pen reifeten, befanden fie ſich zwiſchen Donnergewoͤlken, amd bemerften, wie ihre Körper in einem fo hohen Grade eleftrifch waren, daß ihre Finger von felbft Feuer ſpaͤh— zen, und fie eben das Gefühl hatten, als wenn fie durch Kunft eleftrifire waren. In dem folgenden ©. 183. findet man einen fehr merfwürdigen Beweis, daß die anenfchlichen Körper eigne Eleftricität haben, und vers möge ihrer Natur ein Elektrum enthalten, das bey einigen anerflicher ift als bey andern. Brydone erzähle dafelbft »on einer Dame, aus deren Haare Sunfen fuhren, wenn fie es kaͤmmte. Der Verfaffer bat daher ein andres jun« ses Frauenzimmer, fich auf einen Wachskuchen zu ftel- Ion, und fo das Haar ihrer Schwefter zu fammen, welche auf einem Stuble fas; fie wurde gleich fo eleferifch, das fie Sunfen gegen alles auswarf, was ihr nahe Fam. Das Haar infonderheit war elektriſch. Brydone legte eine Metallfette darauf, und fammelte in wenigen Minuten, unmittelbar aus den Haaren, Feuer genug, um gemei« nen — 45 nen Branntwein Samit anzuzünden; fo wie er auch, mie Hülfe einer kleinen glaͤſernen Flaſche, der Geſellſchaft fuͤhlbare Stoͤße gab. Dieſe Verſuche geſchahen an einem Tage, da es ſtark fror; Der Kopf war fehr reich an Haa⸗ ren, und das Frauenzimmer hatte feit vielen Monaten weder Puder noch Pommade gebraucht. P. Brydo⸗ nes Reiſen durch Sicilien und Malte, in Brie—⸗ fen u. ſ. w. Leipzig, 1777. 8. Zu dieſen Erfahrungen kann id) noch ein paar mierfe würdige Begebenheiten hinzufügen, von deren Wahrheit ich die vollfommenfte Weberzeugung habe Der fel. Stiftsamtmann Koren, ein Mann eben fo bekannt durch Verftand, Einfichten und Redlichkeit, als durch die Winde, Die er befleidete; ein Mann, deffen Anden« Een, als Freund, Buͤrger und Menſch, mir immer theuer feyn wird, erzählte mir, während feines Aufenthalts in Weile, daß er, als er Stifshauptmann in Drontheim war, eines Abends, da er fich im Dunkeln auskleidete, zufälligerweife bemerfte, daß aus feinem Oberhemde Funken berausfuhren. Er traute feinen eignen Augen nicht, fuhr daher mit der Hand an demfelben herab, und fah abermals diefelbe Erfcheinung. Indeſſen glaubte er, daß feine Einbildung oder Augen ihn täufchten, und nahm fi vor, eben den Verfuch ein andermal zu wiederholen.) "Dies that er denn auch), und zwar mit demfelben Erfolges er vief feinen Bedienten, ohne ihm efwas zu fagen, wel— cher über diefe Funken heftig erfchraf; nachher zeigte er andern von feinen Sreunden eben dies Phänomen, das er, nach Beſchaffenheit ver Luft, beftändig an feinem Köra per bemerkte, fo lange er in Drontheim war; allein et— mas über ein halbes Jahr nach feiner Zurückkunft in Dänne: 45 — — Daͤnnemark, hörte dieſe Elektricitaͤt des Koͤrpers auf und er ſpuͤrte auf dieſe Art nichts weiter davon. Ein andrer meiner Freunde in Drontheim war gleichfalls ſo elektriſch, daß ich ſehr oft in der Daͤmmerung, aus ſeinen Beinen, durch Streichen mit der Hand, ganz Deutliche Funken hervorlocken Fonnte. Dieſe und meh— rere andre Erfahrungen vereinigen ſich, zu beftätigen: daß der menfchlidye Körper eine elektriſche Materie in fich ent: hält, deren Menge und äußerlich merfbare Wuͤrkſam— Leit, nad) den Umftanden verfchieden ift. | Um obiges noch mehr außer Zweifel zu fegen, will ich hier einige Bemerkungen aus Paul Rolli's Bericht, von dem Tode der Grafin Bandi in Cefena, herſetzen, welcher, mit mehreren Nachrichten von eben der Art, im Hamburgiſchen Magazin. ı B. 3St. ©, 257 u $. eingerüct ift. Die Gräfin Cornelia Bandi, heißt «3, eine Dame von 52 Jahren, war eines Tages eben fo gefund und wohl, als fie fonft zu feyn pflegte, aber in der Macht, bey der Abendmahlzeit, bemerkte man daß fie ungewöhnlich ſchlaͤfrig war. Sie ftand daher auf amd gieng zu Bette, wo fie, nach einer drepftündigen ‚vertraulichen Unterredung mit ihrem Kammermätchen, ‚endlich einfihlief. Da die Gräfin des andern Morgens ‚nicht zur gewöhnlichen Zeit erwachte, fo gieng das Maͤd⸗ hen hinein, und fand ihre Herrfchaft in folgenden trau— rigen Zuftande. Zwo Ellen vom Bette lag ein Afchen- haufen, zugleich mit beyden Beinen, unbeſchaͤdigt vom ‚Buße Dis zum Knie, mit den Strümpfen an, jmwifchen ihnen lag das Haupt der Gräfin; das Gehirn, die Hälfte ‚der Hirnſchale des Hinterfopfs, und das ganze Kinn war ‚zu Aſche verbrannt, amd unter diefer Aſche fand man ei drey * eunmuman 47 drey Finger, welche ſchwarz angelaufen waren; alles übrige war Aſche. Unfer Thomas Bartholin erzähle (Acta me- dica et philofophica Hafniefia. 1673. 28. ©. 211.) folgende ähnliche Begebenheie ine arme Frau > in Paris hatte drey Jahre hindurch fehr oft Weinfpirieus getrunken. Dadurch) erhielt ihr Körper eine fo brennbare Defchaffenheit, daß fie, als fie einft des Nachts auf ih- rem Steohlager fchlief , gänzlich zu Kohlen und Afche verdrannte, die Hirnſchale und die Außerften Fingerene den ausgenommen, Weiterhin in der vorbenannten Ab: . handlung, ©. 278, heißt es: dadurch, daß wir unfre flachen Hände in einander, oder auf einem andern Theil des Körpers reiben, kann man Feuer hervorlocken, wel: ches ignis lambens genannt wird. Wir lernen aus dem Eufebius Nierenberg, daß alle Glieder des Vaters vom Theodorich diefe Eie genfchaft hatten; auch der Körper Carl Gonzagas, Her- 30958 von Mantua, befas diefe Eigenfchaft. Nach Doc— tor Zohann Fabris, und andrer befannten Philofo- phen Zeugniffe, fuhren belle Zunfen aus dem Kopfe einer Frau, wenn fie ihe Haar kaͤmmte. GEaliger erzähle eben dies von einer andern Frau. Kardan redet gleich- falls von einem Karmelitermönche, deffen Kopf dreyzehn Jahre lang Funken von ſich gab, fo oft er feine Moͤnchs— kappe über die Schultern warf. Ezechiel von Caſtro, Doctor der Medicin, ein berühmter Jude, der ſich her— nachmals taufen lies, bat ein Eleines Buch unter dem Titel: ignes lambentes, gefchrieben; die Veranlaſ— fung dazu war eine Graͤfin Caflandra Berri, von Verona, deren Haut überall ein fehr helles Licht von fich gab, wenn Ni fie 48 fie ihre Arme mic einem Tuche von Kammertuch rieb. Eu⸗ ſebius erzaͤhlt eben daſſelbe vom Maximus Aquilanus. Licetti kannte ſelbſt einen Buchhändler, Anton Cianfio in Piſa, deſſen Korper, wenn er ein reines Hemd an— legte, überall ein fehr helles Sicht von fih warf, und Kardan erzählt von einem feiner Freunde, daß helle Feuerfunfen aus feinem Korper fuhren, fo oft er ein reis nes Hemd anzog. Mehrere Beyfpiele wird der $efer am angezeigten Orte finden; allein ſowohl diefe ältern als die oben an— geführten neuern Beyſpiele, ſcheinen unwiderfprech- lich zu beweifen, daß in dem menfchlichen Körper eine elektrifche Materie enthalten iſt, deren fichtbare Aeuße—⸗ rungen, je nach ben Umftänden, und der Befchaffenheie der einzelnen Körper, mehr oder weniger auffallend find. Steht nunmehr nod) zu unterfuchen, h) el chen Zufammenhang dies Eleftrum mit dem Nervenſyſtem haben mag, und wie wir ung einen Begrif davon machen können, auf welche Art diefe Materie in dem menfchlichen Koͤr⸗ per geſammelt und abgefondert wird. Die Erfahrung lehrt, Daß die verſchiednen Fluͤßig⸗ keiten im menfchlichen Körper, fo wie fie fih von dem Blute abfondern, verfchieden werden, je nach Dem bie Gefäße und Röhren im Korper, in welchen dieſe Abfone drung gefchieht, von verſchiedner Einrichtung find; fo 3. B. der Urin, die Galle, Die Iympba u. am. Die einftimmigen Erfahrungen der groͤſten und berühmteften Beobachter beftätigen es, daß das Hirnmark und Die Pers ven folche Köhren feyn müflen, worin eine Art von Ab- fonderung geſchleht; und wenn der Pater Delia Torre‘ durch feine mikroſtopiſche Unterſuchungen gefunden haben will, will, daß die Nerven Feine Röhren, fondern Dichte Faͤ— den find, und daß das Gehirn ebenfalls nicht aus Roͤh⸗ ten, fondern aus einer Menge ganz Fleiner Kügelchen beſteht (J. 5. Biörnſtaͤhls Briefe. Leipzig und Roſtock, 1780. 8. — S. 346.) ſo wird die Hypotheſe die— ſes, obgleich beruͤhmten Verfaſſers, doch ſchwerlich die uͤbereinſtimmigen Erfahrungen und Schluͤße ſo vieler Face Hin und genauen Beobachter — Fonnen. ; Nun wiffen wir aber, daß nach dem Gehirn acht: mal fo viel Blut Bingetrieben wird, als nach irgend einem andern Theile des menfchlichen Körpers , und diefe Menge von Blue ift weder zur Beförderung der Circula— tion, noch zur Nahrung des Gehirns vonnothen. Kine Abſicht muß indeffen doch dabey ſtatt finden, warum eine folhe Menge von Blut an diefem Orte gefammele wird; . und nichts kann nun wahrfcheinlicher feyn, als mit dem großen Haller und andern zu fehließen, daß in den Hirn- gefäßen eine Abſondrung vor ſich gehet, und daß Diefe Hirngefäße gerade dazu beftimme find, die brennbaren Theile abzufondern, welche fi in dem Blute befinden, Hieraus bilder fich nun jener eleftrifche Nervenfaft, von dem man muthmaaßt, daß er das Mittel fey, wodurch die in den Nerven von äußern Dingen veranlaßten Vers änderungen, in die Seele verpflanzt werden. Man muthmaaßt dies, fage ich, denn fomohl das Dafeyn des gedachten Nervenfafts (Mervenflüßigfeit), als der Nugen deffelben zur Verpflanzung der Eindrüce, ift bis hiezu nichts weiter als eine wahrfcheinliche Vermuthung, welche - fich theils aufdas gründet, mas mir von dem im menſch⸗ lichen Körper enthaltnen Eleftro wiſſen, theils auf das, was uns von der Natur der Hirngefaͤße ala muthmaaß= lichen so — — lichen Abſonderungswerkzeugen, und von den Beſtand— theilen des Blutes befannt it, theils auf die augenblid- liche Schnelligkeit, mit welcher die aͤußern Eindrücke, von den Außerften Theilen des Körpers, zur Seele hin verpflanzt werden; eine Schnelligkeit die ſich aus einem eleftrifchen oder elefterartigen Medio am leichteften und wahrfcheinlichften erklären läßt. Leber diefen Gegenftand leſe man das weitere im philofophifchen Arzt. zwey⸗ tes Ar Berlin und £eipgig, 1775. 8 ©. 20, N. ‘ — 59 Wir haben im Vorhergehenden bewieſen, daß die Thiere eben ſowohl Vorſtellungskraft haben muͤſſen, als der Menſch, wenn ſie Sinne haben wie er. Daß aber die Thiere ſolche Sinnenwerkzeuge haben, und daß die Bauart und Einrichtung dieſer Sinnenwerkzeuge in Thie— ren und Menſchen eine gewiſſe allgemeine Aehnlichkeit haben, welche ſich, nach der Verſchiedenheit der Thier— gattungen, mehr oder weniger der Gleichheit mit der Ein— richtuug des menſchlichen Koͤrpers nähert, Davon werden, wir uns ferner überzeugen, wenn wir bemerken: Wie jedwedes Thiergefihöpf, Das wir fennen, Empfindungen hat, das heißt, ſich die Berändrungen vorftelle, welche in feinem Korper vorge: hen, und in felbigem entweder durch das veränderte Ver- hältniß der Theile unter fih, und ihrer Wuͤrkung auf einander, oder durch die drucfartige Ehemärfung der Auf fern Dinge auf diefen Körper veranlaße werden; denn jedwedes Thiergefchöpf, von deſſen Körperbau wir im Stande geweſen find ung, einigermaaßen: deutliche Kenntniß zu verfehaffen, hat Nerven, und 51 und dies wird durch das Zeugniß der groͤſten Naturfor⸗ forfcher beſtaͤigt. So haben Würmer und Inſekten ihre Nerven, wie Bonnet, Smwammerdam, Lö: wenhoek, Malzighi, und Lyonnet bezeugen. Das Ruͤckenmark der Inſekten, oder der Haupt—⸗ ſtamm der Nerven, fagt Bonner: *) ift ein weißlich- ter Faden, der vom Kopfe bis zum Hintertheil, ven Bauch herunter liegt, und hin und wieder Knoten hat. Die von Weite zu Weite befindlichen Knoten, hat man für befondre Gehirne gehalten, die dazu dieneten, unter die nachftanliegenden Theile die nervigten Faden zu ver« breiten, durch deren Spiel Empfindung und Bewegung erregt wird. Der erfte diefer Knoten macht hier das ei— gentlic) fogenannte Gehirn aus. Das Nücfenmarf der Kaupe, fährt er weiter nach Lyonnet fort, unterfchei- det ſich durch fehr auffallende Kennzeichen von dem beym Menfchen und den größern IThieren, Bey dieſen liege es am Rüden in einer fnochigten Röhre. In der Raupe, die feine Knochen har, liegt es längft dem Bauche ganz blos. Es hat, von Weite zu Weite, einige Arten von Knoten, aus welchen unterfchiedliche Nervenftamme her: vorfommen. Man zahle dreyßig folder Knoten. Der erſte und beträchtlichfte macht das eigentliche Gehirn aus. In demfelben unterfheidet man zween oben bauchigte Theile, wie zween Lappen, aus welchen acht paar Were ven, nebft zween einzelnen, entftehen. Diefes Gehirn D 2 ift *) Betrachtungen über die Natur, vom Herren Carl Bonnet , nach der neueften fehr vermehrten Aufs lage. — Herausgegeben von J. H. Titius. Bierte Auflage. Leipzig, 1783.89. 1B. S. 102 u. f. 52 EEE EEE ET, iſt fo Elein daß es nur den funfzigften Theil des Kopfes betraͤgt. Die zwölf andern Knoten koͤnnten als fo viel untergeordnete Gehirne angefehen werden, Der erfte diefer Knoten giebt vier Nervenpaare, die eilf übrigen jeglicher zrocy Paare. Noch kommen zehn andre Paare aus den Knoten und aus dem marfigten Faden hervor. Alle diefe Nerven, die zur Empfindung und zur Be: wegung dienen, theilen ſich und zertheifen ſich in faft unendlich viele Zweige und Aeſte, die nad) allen Sei- ten hinlaufen. Der Zergliedrer iſt noch weiter gedrun— gen; er glaube in den Gehirnen und in dem Ruͤcken— marf zwo befondre Subftanzen, eine rindigte und eine marfigte, angetroffen zu haben, Diefe legte ſchien viel zarter und viel Durchfichtiger als die erſte. Kann man cs nun aber als eine unläugbare Wahr- heit annehmen, das jedes thierifche Gefhöpf feine Ner- ven, fein Hirnmark hat; und lehre die Erfahrung uns, fowohl bey dem Menfchen, als bey den andern ‚großer und vollfommnern Thierarten, von welchen wir Gelegen- heit gehabt haben, uns volfftändigere und genauere Kennt⸗ niß zu erwerben, daß diefe Nerven Vorftellungen , ange nehme und unangehme WBorftellungen erregen, je nah | der verichiednen DBefehaffenheit der Eindrücke, Die auf felbigen gemacht werden, fo müffen roir entweder alle Er⸗ fahrung verlaͤugnen, allen erfannten Wahrheiten geradezu widerfprechen, oder wir werden genoͤthigt ſeyn ‚zu gefte- hen: daß die Thiere, und namentlid) die Naupe und das Inſekt Empfindung haben, das heißt, Vorſtellungen von den Berändrungen, welche in ihren Körpern vorgehen, und von außen dar⸗ inn erregt werden, Unmer- 55 © Anmerfung Zu näherer Erläuterung diefes Gegenftandes, will ih Bonnets ſchoͤne Betrachtungen über die Empfindung der Thiere hieherfegen. „Bo irgend „ein Vermögen, fagt er, dem. Thiere allein, und nicht ‚der Pflanze zuzufommen. fcheint, fo ift es gewiß das „Vermögen, ein, Thier zu. feyn, das heißt, eine. empfin- „dungsfähige Seele zu haben, Diefe Seele macht mie - - der organiſchen Subſtanz, mit welcher fie auf eine, Gott „allein: bekannte, Weife verbunden iſt, ein vermifchtes Weſen aus; ein: Wefen, das an der Matur der Körper und. der Geifter zugleich Antheil h hat. Als Theil der Materie iſt dieſes Weſen eine bewwundernsmwürdige Ma: „Kine, auf welche die forperlichen Dinge durchaus me— „Hanifch würfen. Als eine .geiftige Subftanz wird es "von. der Gegenwart der Forperlichen Dinge auf eine ganz „andre Art gerührt, als. eigentlich. die materiellen Weſen "in einander wirken. Aus dem Cindrude der außerli- „hen Gegenftände auf dieſe Mafchine erſokget in ihr eine: gewiſe Bewegung; aus dieſer entſteht in der Seele ‘eine „sgerviffe Empfindung, als.die Folge der Gegenwürfung „der geiftigen: auf die. forperlihe Subftanz: eine. Gegen: „rivfung „die von auffen die Empfindung offenbarer, „und welche davon der Ausdruck und das Zeichen if.“ ————— „Die verſchiednen Empfindungen in einem Thiere „eonnen insgeſammt auf zwo Hauptempfindungen, auf „das Vergnuͤgen und auf den Schmerz gebracht werden. „Durch das Vergnügen wird das Thier angetrieben, das „Noͤthige zu feiner und der Art Erhaltung zu fuchen; durch „den Schmerz aber, alles zu vermeiden, was dieſem „Endzwecke fchädlich feyn kann. Die Art, das Veranii- „gen und ben Schmerz auszubrücken, ift bey allen Thie= D 3 „ren 54 AD „ren nicht einerley: es fey nun, daß der Grad, oder bie „Größe des Vergnügens und des Schmerzes, in den „verfchiednen Arten derfelben abwechſelt, oder daß die „Organe, . mittelft deren die Seele ihre Empfindungen „äußert, bey allen Thieren nicht einerley find. Es giebt „Arten, dey denen fi) die Empfindung durch mehrere, „mannigfaltigere und bedeutendere Zeichen an den Tag legt; „und diefes find die vollfommenern, und dem Menfthen „die nächften Arten. Wie viel bedeutendes haben z. E. „das Detragen, die Bewegungen und Stellungen des „Affen, des Pferdes, der Rage, des Eichhornes an fich ! „Eben fo viel bedeutendes außern auch die Vogel. Sich) „davon zu überzeugen, darf man nur das Huͤnervieh auf „einem Hofe anſehen; aber die Raubvögel aͤußern davon „roch vielmehr als das zahme Geflügel. Die Fifche „druͤcken ſich nicht fo klar und begreiflich aus ; fie -find „gleihfam ein ſtummes Volk, deſſen Sprache an Zeichen „nicht fonderlic) reich iſt. Inzwiſchen wird dieſe ihre „unftuchtbarfeit des Ausdrucks, durch die Außerfte Jeb- „haftigfeit der Bewegungen, zum Theil erfegt. Die „eriechenden Thiere, die Schaalthiere und die Inſekten „ſtehen noch weiter von uns ab als die Fiſche, und geben „uns ihre Empfindungen noch undeutlicher zu erfennen. „Bir verftehen fie aber bis auf einen gewiſſen Punft, „oder wir machen uns wenigftens das Vergnügen, fie „ſehr verftändlich zu finden. Endlich geben uns auch „diejenigen Ihiere, Die es am wenigften find, z. E. „Meerneſſeln und Polnpen, gemiffe unläugbare Kennzei: „hen der Empfindung, menn wir fie anders mit Auf: „merkſamkeit betrachten. Die Gefchwindigfeit, womit „te ſich beym leichteften Anrühren zufammenziehen, die „Art, mie fie ihre Arme ausſtrecken und einziehen, um „pie —— 55 „die Beute zu bafchen und nah dem Munde zu führen, „verſtatten nicht fie aus der Zahl der kick En „beraus zu nehmen.“ Im Gegentheil treffen wir bey der Pflanze Fein „einziges Zeichen der Empfindung an. Alles ſcheint ung „an ihnen fehlechterdings mechanifh. Ihr LAben duͤnkt „uns nicht ſowohl ein Leben, als vielmehr eine bloße „Dauer zu ſeyn. Wir ziehen eine Pflanze auf, wir zer— „flören fie, ohne im geringften etwas Aehnliches, wie ben „oem Thiere, anzutreffen, wenn wir daffelbe aufziehen; „oder umbringen. Wir fehn die Pflanze entftehen, wach- „fen, blühen und Saamen tragen, eben fo wie wir den „Zeiger einer Uhr unmerklich alle Punfte des Zifferblar „tes durchlaufen fehen. Die Pflanze feheine uns nicht „nur Außerlich in der Folge ihrer Handlungen, ſondern Jauch innerlich in ihrer Struktur, unbeſeelet zu ſeyn. Die Iſchaͤrfſte und geuͤbteſte Zergliedrungskunſt entdeckt uns zan ihnen fein Organon, welches denen ahnlich wäre, „worinnen Die Empfindung beym Thiere ihren Sitz hat.“ * „Dieſe verſchiednen Betrachtungen koͤnnten ung „veranlaſſen, die Empfindungen, oder das Werfzeug „der Empfindungen, als den eigentlichen Charafterzug „anzufehen ‚ der das Thier von der Pflanze unterfcheidet:. Fir urtheilen von dem Dafeyn der Empfindung eines „organifchen MWefens , entweder aus der Aehmichkelt „ſeiner ſinnlichen Werkzeuge mit den unſrigen, oder aus „der Aehnlichkeit der Bewegungen, Die es in gewiſſen Um „ſtaͤnden macht, und die wir, in dergleichen Umſtaͤnde „verfegt, ebenfalls machen würden. Die erfte Are zu „urtheilen ift ziemlich gewiß; denn es ift fehr glaublich, „daß ein organifches Wefen, mit Augen, Ohren und D 4 „Naſe 6 Naſe verfehen, auch die Empfindungen habe, welche „dieſe Sinne erregen. Die zweyte iſt aber nicht fo gewiß, „weil wir öfters den andern NBefen Empfidungen bey- „meffen ‚, die im Grunde nur uns eigen find.“ Bons nets Betrachtungen über Die Natur, 2,8. ©. 64. wf. . Mit aller der Hochachtung , die man nothwendig für den Naturforſcher Bonnet fühlen muß, bin ich doch geneigt zu glau⸗ Ger, daß man, was den allgemeinen Begriff von Luſt und Un« Yuft, betrift, ziemlich ficher aus den Bewegungen des Infekte, | auf die Empfindungen deffelben fihlieffen Fann. Wenn wir den Käfer auf einer Stecknadel fpießen, fo gebärdet er fich ganz ans ders, als da er in Freyheit war, und anders als wenn wir ihn an unſrer Hand eingefchloffen halten, ohne ihn zu befihädigen. Dies gewaltfame Sterben, nad) Verändrung feines Zuftandeg, dieſer befondere Laut, den der gefpießte Käfer von ſich giebt, der fo ganz von feiner Bervegung in einem freyern und weniger unnatürlichen Zuftande verfchieden ift, muß uns wohl auf den Gedanken bringen, daß feine Empfindungen im höchften Grade unangenehm find, wenigftens haben wir hier eben fo hinlänglis hen Grund dazu, als wenn wir von Menfchen, die fich unter Aechzen und Kammern hin und her winden und wälzen, fchliefs fen, daß fie bittre Schmerzen leiden. Dder follte vielleicht .jes mand es wahrfcheinlich finden, daß ein Soldat, der Spiesru⸗ then läuft, und die Stimme des Schmerzes erflickt, Feine Schmerzen fühlte, weil er nicht aus vollem Halſe Ach und Weh fhreyt. Freylich, das leidende Thier kann nicht fehreyen, Fann nicht durch menſchliche Worte und Töne feinen Henker ans Hagen; aber es Elagt wie es kann, es Elagt durd) feine Dewes gung, was es mit der Stimme zu Elagen nicht vermag; von diefer Art ift die Klage des Fiſches; und es ift Pflicht des Men: Chen, auf die Sprache der Natur zu merken. Es ift ntır der Mangel der Freyheit, fagt man, woräber das Inſekt auf der Nabel migvergnügt if, aber mit eben dem Grunde Fünnte man fagen: fagen: der Mifferhäter, welcher ſchreyt und Achzet, wenn er von dem Rade zerfihmettert, wenn er mit glühenden Zangen gefniffen wird, leidet keine Schmerzen, fühlt bey diefem Knei⸗ pen, diefen Stößen nichts; er fihreyt bloß darum, ‚weil er an dem Blocke gebunden iſt; weil er mit den glühenden Zangen feftgehalten wird, er jammert einzig und allein deshalb, weit er nicht frey iſt. Wenn ich übrigens in dem Vorhergehenden mir es haupt? fächlich habe angelegen feyn laffen, zu beweifen, dag Würs mer und Inſekten Empfindungen haben, da fie Nerven haben, fo Babe ic) diefen Beweis aus Feiner andern Urſache vorgezo— gen, als weil die innerliche Befchaffenheit diefer Thierarten dere groͤßern Anzahl von meinen Lefern vermuthlich am wenigſten befannt ift, und sch erfahren Habe, daß auch andre, die es wohl beffer wiſſen Eönnten, fi entweder nicht darum befüms merten, oder fich ftellten als wiüften fie es nicht, und ſolche Schlüße zogen, welche mit den angeführten Erfahrungen in of fenbarem Streit und Widerfpruch fiehen. Pan wird nunmehr leicht von feldft einfehen, dag wenn die unvollfommenften Thiere Nerven und Empfindungen haben, es auch den vollfommneren daran nicht fehlen Eönne, und daß fie bey legteren von um fo größern Umfange und Verfihiedenheit feyn müffen , als ihre Drganifition verfchieden if. So haben die Schaalthiere, Schnecken u. a. m. ein Gehirn und Ruͤckenmark, das dem der Inſekten gleicht; ihre Nerven verbreiten fich überall im Körper. Sie haben ebenfalls ihre Empfindungen, fie fühlen Luft ober Unluſt bey den Verändrungen, welche in ihrem Körper vorge: ben. Bonnets Betr. über d. Natur, 1. B. ©. 113. Daß aber dies Empfindungs » Vermögen, das wir folcher: geftalt bey den unvolllommenften Thieren finden, bey den voll, kommneren Thierarten von groͤßerm Umfange ift, und fih in deutlichern Würfungen zeiget, braucht hier um fo weniger bez wiefen zu werden, da ein jeder durch eigne Erfahrung fih das von überzeugen kann, und es überdem auch noch aus den Er: fahrungen erhellen wird, die wir von den übrigen Sinnen der Thiere anführen werden. D 5 8 67% Es ift hoͤchſt wahrſcheinlich, daß jedwedes thieri- ſche Geſchoͤpf Geſchmack hat, das heißt, Vorſtel— lung von den aus den Nahrungsmitteln aufgeloͤßten fal- zigten Iheilen, welche auf gemwiffe dazu beftimmte Ner— ven würfen. Die Nerven des Geſchmacks laufen bey dem Menfchen in dem obern Theil und dem Seitenrande der Zunge, und wenn die Salze, aus den Körpern durch den Speichel aufgelöße und entwickelt, auf dieſe Merven wirken, fo wird dadurch die Empfindung erregt, die wir beym Menfchen Geſchmack nennen, Daß die vollkommneren Thierarten Gefehmad haben, davon fonnen wir uns durch tägliche Erfahrung überzeugen; da fie unter den verſchiednen Dingen aus dem Thier- und Pflanzenreiche wählen, die man ihnen zur Speiſe vor« fest. Es ift überdem bekannt genug, daß diejenigen Thiere, welche ihre Nahrung aus dem Pflanzenreiche ziehen, gewiſſe Gemwächfe wählen, und andre verwerfen. So hat der Alte Linnaͤus durch eine Menge von ange ftellten Berfuchen gefunden, daß das größere Hornvieh 270 verfehiedne Pflanzenarten it; 218 andre dahine gegen verabfcheut. Die Ziegen eflen 449 Pflanzenarten, laſſen aber 126 andre unberührt ftehen. Die Schaafe finden an 387 Pflanzen Geſchmack, und enthalten fi) 141 andrer Pflanzen; die Pferde nähren ſich von 262 Pflanzenarten, und laffen 212 andre ftehen ; das Schwein begnügt fih an 72 Gewaͤchſen, dahingegen giebt es deren 171 die es nicht frißt. *) Und fo bat man * *) Carl Linneus in Pane Sveco. dub finem Amenit. Aca- ‚demicaram. Volumen 2. p. 262etc. Holst. 1751. 8. — 59 man andre ähnliche Erfahrungen von andern Thierarten. Der Löwe, der Tiger und der Adler rühren fein Aas an; der Kraͤhe, dem Naben und dem Fuchfe dahingegen dient es zur Nahrung. Der Hund trinkt feinen Branntmwein, und die Kage ißt feinen Senf. Auch ift es befannt ges nug, daf die Inſekten gewiffe Blätter und Blumen ver— zehren, andre aber unberührt laſſen. Was die unvollkommneren Thiere im Allgemei- nen betrift, fo haben wir um. fo ftärfern Grund zu vera muthen, daß fie alle einen gemwiffen Grad von Gefhmad haben, weil diefer Sinn dazu dient, die nüglichen Spei— fen von den fhädlichen zu unterfheiden, weil er die Eß— luft befördert, und das Ihier dazu beftimme mit dem Effen aufzuhalten, wenn es zur Sättigung genug bes kommen hat, und die Nahrung aufhört ihm wohl zu fchmeden. Anmerkung Zum Gefchmace, fage Net: marus, iſt niche immer ein Mund und eine Zunge noth» wendig. Ben den Polypen fcheint er in der ganzen in nern Hoͤlung ihres Körpers zu liegen, bey vielen Inſek— ten in ihremSaugrüffel, bey dem Ameifenlöwen in ſei⸗ nen hohlen Sangfcheeren. Allgemeine Betrachtung über die Triebe der Thiere u. f. w. von 9. ©. Reimarus. Dritte Ausgabe Hamb. 1773. 8. ©. 300. Zu den Thierarten, welche nur einen fehr geringen Grad von Geſchmack zu haben fheinen, gehö« ven infonderheit die Fornfreffenden Vögel. Ihre faft knorz⸗ lichte Zunge hat nicht das Anfehen ſonderlich empfindbar zu ſeyn; auch verfchlingen fie ihre Nahrung ohne fie zu fäuen, und ſchmecken alfo nichts. Aber bey den Raub- voͤgeln, deren Zunge weich und biegfam iſt, iſt der Ge⸗ ſchmack 60 ſchmack fonder Zweifel weniger ftumpf. Bonnets Betrachtungen über d. Natur, 1. Band. ©. 131. Unter den vierfüßigen Thieren haben Diejenigen, welche fid) von Gras und Pflanzen nähren, einen ſchaͤr— fern Gefhmad als die übrigen. Der Papagey hat eine ganz fleifchigte und dicke Zunge, welche der menfchlichen ähnlicher ift, als die Zungen der andern Voͤgel gemeiniglich zu feyn pflegen. Bey den meiften Fifchen äft dies Glied nichts weiter, als ein unformlicher Fleiſch⸗ Humpen der noch darzu oft Fnorzlicht iſt; vielleicht dient es dem Fifhe nicht allein zum Schmeden, fondern auch zum Herunterfchlingen ber Nahrung. Neuer Schau: plag der Natnr, nach den richtigften Beobadh: tungen und Verſuchen, in alphabetifcher Ord⸗ nung, duch eine Gefellichaft von Gelehrten. $eipzig, 1774 — 1795. Gros 8. 1oter Band. Seite 303 — 4. $. 9. Die Thiere haben gemeiniglich Gehör. Der Schall wird, wie befannt, durch die wellenformige Be: wegung der $uft hervorgebracht, und wenn die auf ſolche Art bewegte Luft, auf das Ohr des Menfhen, und auf die in den innern Theilen deſſelben liegenden Nerven wirft, und die Seele alsdann von den durch die bewegte Luft in den Gehörnerven bewuͤrkten Veraͤndrungen Vorftellung erhält, fo fagt man: der Menſch Hört. Bey den vier- fügigen Thieren, welche warmes Blut haben, frägt es fid) gar nicht, ob fie auch hören; da fie nicht allein Ob- ven haben, wie der Menſch, fondern dieſe Ohren auch ben »ügnen von berfelben Bauart find, wie bey Dem Men« ſchen be sense... 61 ſchen. Unzählige Erfahrungen überzeugen uns ohnehin ‚auf die vollfommenfte Weiſe davon, daß fie wuͤrklich hören, und daß der Schall bey ihnen Vorſtellun-⸗ gen erzeugt, die nach den verfchiedenen Umftänden und nad) der Art des Thieres verfchieden find, So biege der Haafe und das Kaninchen feine Ohren zurück, um den, Schall von feinem Berfolger aufzufangen, und ric)« tet darnach feine Flucht ein; der Some und die Kage da— hingegen fpißen ihre Obren vorwärts, um den Raub zu behorchen, den fie verfolgen wollen. Der Wiefel, wel cher längft der Erde jagt, neigt feine Ohren nach dem Horizonte zu; der Fuchs, der den Vögeln u. dgl. aufs lauert, fpißt fie aufwärts. Die Bewegungen, die das Pferd mit feinen Ohren macht, je nach) dem es murhig it, oder furchtſam wird, fein verfchiednes Betragen, je nach den Eindrüden des Schalls, welcher feine Ohren trift, zeugen genugſam von den verſchiedenen Empfin⸗ dungen in ſeiner Seele, durch welche ſein Betragen be— ſtimmt wird. Man laſſe ein geuͤbtes Reitpferd die Trom— pete hoͤren, die Entfernung mag noch ſo groß ſeyn und man wird erfahren, daß es ſich feiner vorigen Bewegun— gen auf dem Eprerzierplaße erinnert, und Luft bezeigt, fie zu wiederholen. Ob gleich. das äußere Ohr, oder der Ohrlappen bey dem Menfchen unbeweglich ift, fo hat man doch Grund zu glauben, daß er von Natur bey ihm eben fo beweglich ſey, als bey den Thieren, und daß nur die Art, wie wir die Köpfe unfrer Kinder eina wickeln, Schuld daran iſt, daß die Muffeln diefes Gliea des ihre zufammenziehende und ausdehnende Kraft verliea ten; ob fihon diefe Muſkeln bey dem Menfchen feiner und weniger kenntlich find als bey den u a 62 Alle Thiere, von welchen man weiß, daß fie Oh⸗ ren haben, haben auch eine Art von Gehörgang, fogar die Amphibien, Wallfifche und andre dergleichen Thiere; doch ift diefer Gehörgang am längften bey den vierfüßigen Thieren, welche lebendige Junge gebähren; und bey ih— nen fondert ſich in felbigem auch diejenige Materie ab, die wir beym Menſchen Obrenfchmalg nennen. Die Trommelhaut, welche das aͤußre und innre Ohr von einander ſcheidet, findet man ebenfalls bey allen vierfüßi« gen Ihieren, welche lebendige Junge gebähren, bey den Vögeln, Amphibien und den größern Arten von Fis fohen; bey. den Fleinern Fiſchen mit warmen Blute, hat man fie dahingegen noch nicht wahrgenommen. In Hinficht der übrigen innern Theile des Ohres, feiner Kanäle, Knochenbau u. f. w. find die Thiere, nach der Verfchiedenheit der Arten, dem Menfchen mehr oder weniger ähnlih. Wir wollen nur noch bemerken, daß die fogenannte Euftachifche Trompete, eine Röhre, welche von dem innern Ohre aus, mit der hinterften Mundhöhle, morin fie hinabläuft, Gemeinfchaft hat, und mittelft deren, Menfchen von ſchwerem Gehoͤr oft beſ⸗ fer hören fonnen, wenn fie den Mund öfnen, fid) immer bey den warmen Ihieren findet, alfo bey den gewohnlis hen vierfüßigen Thieren, bey den Bogeln und den großern Artenvon Fiſchen. Bey den kaltbluͤtigen Thieren, nehmlich den Amphibien und den Fleinern Fifchen, ift dieſe Roͤhre, die von ihrer frompetartigen Öeftalt den Namen hat, zum öftern der eigentliche Haupfgang des Schalles. *) —Anmerkung. 1) Daß auch einige von den Inſekten Gehör haben müffen, wenn fie gleich nicht alle i | diefer N Never Schaupfaß der Natur, 6 Band, ©. 224. u. f. ——r 63 diefen Sinn befigen, fließt man daher, weil einige von ihnen, wie 3. B. die Hausgrile, die Biene u... m. einen Laut von fic) geben, und einander gleichfam rufen fonnen. Auch) läßt ein Theil diefer Thiere ſich, vermöge eines gerwiffen $auts, von dem Menfchen locken oder ſchrecken. Indeſſen hat man bis iegt noch nicht entdecken fonnen, wo die Gehorwerfzeuge der Inſekten fißen, oder wie fie befehaffen find ; doch haft Bonner noch in der Folge viel von phyſiologiſchen Unterſuchungen. Man hat, fage er, an den Inſekten eben fo verfteckte Organe entdeckt; wer hätte z. B. muthmaaßen follen, daß die Geſchlechts⸗ theile der Spinne in den Fuͤhlſpitzen zu ſuchen waͤren. Vonnets Betrachtungen über d. Nat. 1. B. S 99. Meimarus über die Triebe der Thiere, Seite 308 — 9. 2) Die friechenden Thiere, worunter man mit Titius wohl am richtigſten, Ottern, Schlangen und andre Thiere diefes Gefchlechts zu verftehen hat, deren Arten fehr zahlreich find, die fich von einem Orte zum andern durch eine wellenfürmige Bewegung hinbringen, und deren Körper mit Schuppen nach Art der Fifche be— deckt iſt; dieſe TIhiere haben ihre Gehörwerfzeuge fo in dem Innern des Kopfes verſteckt, daß man zur Zerglies jerung feine Zuflucht neßmen muß, wenn man es entdefs Een will. Die Stucktur diefer Gehörorgane wechfelt bey den mancherley Arten mehr oder weniger ab; aber im Ganzen ift das Gehoͤrwerkzeug bey den Friechenden Thies ven weniger zufammengefegt, als im Menfchen und in den vierfüßigen Thieren. Indeſſen gleichen alle Friechen« den Thiere einander darin, daß die Hölung des Ohres mit Nervenſaͤden befleidee ift, welche nichts anders als Ausdehnungen, der Gehörnerven find, deren Stamm sum 64 zum Gehirne geht. Bonnets Betrachtungen über die Natur, 1.8. ©. 118. 3) Man hat, ſagt Bonnet, bis auf un⸗ ſre Zeiten geglaubt, daß die Fiſche taub waͤren; und doch wuſte man, daß die Karpfen ſich ziem— lich daran gewoͤhnen laſſen, auf die Stimme eines Menſchen, oder auf den Schall einer Glocke herbey zu kommen, und ihr Futter zu nehmen. Auch war es durch richtige Verſuche bekannt, daß das Waſſer den Schall allerdings durchlaſſe. Aber man ward nur aͤußerlich an den Fiſchen nichts gewahr, das bey ihnen das Gehoͤrwerk⸗ zeug anzeigte und man fiel nicht darauf, es in dem In— nern des Kopfes, und der knorzlichten und fleiſchigten Bedeckung zu ſuchen. Und eben dies hat der beruͤhmte Camper ſehr geſchickt unternommen. In der That, die Fiſche haben fein aͤußerliches Ohr, auch nicht die unmit« telbar daranliegenden Theile, den Gehörgang und die Trommelhaut. Aber fie haben halbfreißformige Gänge, und eine Art von elaftifhen Sad, mit einem oder zwey Knoͤchelgen darinnen , bisweilen gezähnt, beweglich, än einer mehr oder weniger gallertartigen Feuchtigkeit faft freyſchwimmend, welche ihre Erſchuͤtterung den Gehör nerven mittheilen,, deren Xefte Das Innre des Sades bekleiden. Bonnets Betr. Ub.jd. Nat. 1.2. ©. 3 Hierüber fehe man ferner, Reimarus über Triebe d. Thiere. S. 310 — 11. mo man dies i Gegenftand durch die Bemerkungen verfchiedner Naturforſcher in belleres Sicht geſetzt finden wird. $.+. 10, Die Thiere haben gemeiniglich Geruch; und es giebt Thierarten, Die einen im weit höherm Grade ——— 65 Grade feinen und fcharfen Geruch Haben, als der Menfch. Die Rerven, durch welche die Empfindung, die man Geruc) nenne, in dem Menfchen erregt wird, lie- gen, wie bekannt, in der Nafe. Dieſe iſt inwendig mic einer zarten, loͤcherigten, ſchwammigten Haut übers zogen; in diefer Haut läuft eine Menge von Nerven, und wenn nun die Ausduͤnſtungen der Körper auf diefe Nerven wuͤrken, und die durch ihre Einwuͤrkung hervor— gebrachte Verändrung in die Seele verpflanzt wird, fo entſteht dargus in uns die Empfindung, die wir Ges ruch nennen. | In Hinficht der außerlichen Geſtalt diefes Sinnen« werfzeuges, ſcheint es als ob die erhabne vorftehende Nafe, dem Menfchen ausfchließlich vor allen andern Thies ren eigen wäre, da die meiften von ihnen nur bloß Na— fenlöcher haben, die durch eine Scheidewand von einans ber abgefondert find. Selbſt bey den Affen, welche une ter allen Thieren die einzigen find, deren Nafe mit ber der Menfchen einerley Stellung bat, ift felbige doch fo platt und furz, daß man diefen Theil ihres Körpers ſchwerlich dem menfchlichen ähnlich finden fan, Bey den übrigen vierfüßigen Thieren findet man ebenfalls nur die Spuren von einer ordentlichen Nafe, da fie nemlich nach) oben aus zwey flachen Nafenlüchern, und nach vorne gleichfalls aus zwey flachen, Fnorzlichten Ruͤſtern beſteht. Der fcharfe Geruch, den man bey einigen Raubthieren entdeckt, ſcheint in den verfchiedenen Wendungen und Krümmungen der ſchwammigten Knorpeln feinen Grund zu haben, morin die riechbaren Theile laͤnger verweilen koͤnnen. Dieſe Enorplichten Außentheile vermißt man fogar bey den Vögeln, deren Nafenlöcher nur aus zwo * E Oefnun⸗ Oefnungen oder Gängen beftehen, die nach hinten zu den hernartigen Schnabel durchbobren, und ihnen zum Othemſchoͤpfen und zum Riechen dienen. Bey den mei- ften Fifchen findet man voran vor den Augen doppelte Nasloͤcher, nemlich zwey an jeder Seite, die durch ein Eleines Häuschen von einander abgefondert, und vielleicht die eigentlichen Geruchsorgane diefer Thierart find. *) Anmerkung. ı) Viele Infekten, ſagt Bon— net, haben einen äußerft feinen Geruch, aber man weis nicht, wo derfelbe eigentlich feinen Siß hat. Sollte er wohl in den beyden Hörnern ſeyn, die man Fuͤhlhoͤrner nennt, deren Gebrauch man noch nicht genugfam Eennt, und. deren Geftalten fo mannigfaltig find. Herr Titius hat in der Anmerkung zu diefer Stelle, nach andern Na— £urforfchern, die Vermuthung angeführt, daß vielleicht die fo genannten Nefpirationslöcher, die man an beyden Seiten des Körpers der Inſekten antrift, vornehmlid) aber die Luftgefaͤße, Die Bonnet die Luftgefaͤße des Kopfes nennt, der Sitz des Geruchs feyn fonnten, Dieſe Mei- nung kommt dem Hrn. T. um fo wahrfcheinlicher vor, weil das Geruchsmwerfzeug nicht anders als durch die Ge— meinfchaft der Luft beſtehn kann, und folglich. meiftens in den heilen gefucht werden muß, die zum Einath- men derjelben gefchickt find. Außerdem fünnte auch der Geruch bey den Inſeken durchs bloße Gefühl erhalten werden; da die volatilifchen Ausdünftungen , welche den Geruch erregen, oft fo fcharf find, daß fie fogar bey größern Ihieren, andre Organe, als die eigenclichen Geruchsnerven angreifen, und durch dieſe Empfindungen erre⸗ *) Neuer Schauplatz der Natur, 6. B. S. 861. —n 6 erregen. Daher empfinden ſolch Thiere die riechenden Theile des Körpers auch denrt, wenn fie.gleich feine, oder verdorbne Mafen haben. Bonnets Betr. üb, d. Tat, 1.8. ©,99-100. Was den legtern Theil diefer Bemerfung anbe- trift, fo muß ich nur noch hinzufügen, daß, obgleid) es wahr ift, daß die Ausdünftungen andre Theile des Kör- pers als die Geruchsnerven angreifen fünnen, und daß diefe ihre Einwuͤrkung auf unfern Körper fehr fühlbar feyn kann: wie ich denn faft niemals in ein Krankenzimmer trete, wo wenig Naum und Mangel an freyer Luft iſt, ohne daß mein Magen fogleid) angegriffen wird, und gewohne lich ein Erbrechen darauf erfolge; fo bleibe es doch wohl auch Hinwiederum wahr, Daß diefe und andre aͤhn— liche Empfindungen, welche durch Ausdünftungen im Körper erregt werden Fonnen, fich nicht zum Gerüche binrechnen laffen: und daß man einem Ihiere, Das bee weißlich Fein eigentliches Geruchsorgan bat, auch nicht die Empfindung zufchreiben Fann, die wir Geruch nen- nen. Auf der andern. Seite dahingegen haben wir Grund zu fchließen: die Handlungen und Bewegungen, welche unfrer Erfahrung nach, bey den vollfommeren Thierarten zunächft und unmittelbar aus der Einwürfung der Ausdünftungen auf dazu beftimmte Geruchsorgane herruͤhren, und erklärt werden müflen, ſetzen ähnliche Drgane voraus , wenn wir fie bey den unvollfommneren Ihieren bemerfen. | 2) Die Erfahrung lehret, daß vielerlen Arten von Fiſchen fich durch einen riechenden Köder ins Garn locken laſſen, und vor Schiffen fliehen , welche mit Schwefel be- baden oder beftrichen find, Die —— wiſſen ihre & 2 Nah⸗ 68 Nahrung aufzuſpuͤren, wenn fie gleich weit entfernt und vor ihnen verborgen iſt. So 5 DB. die Yasfliegen, Ameifen, Bienen und Bremſen; menigftens wiſſen fie eben fo gut als die vierfüßigen Ihiere, Die Nahrung bie fich für ſie ſchickt, von derjenigen zu unterſcheiden, die ihnen nicht dienlich iſt. So bemerft man bey ben Rau⸗ pen, daß fie von zwanzig Arten Blättern, die man ih— nen vorlegt, feine andre anrühren werden, als Diejeni- gen, welche die Natur ihnen zur Nahrung beftimme hat. Hier ſcheint Geruch und Geſchmack mit einander combi⸗ nirt, fo wie diefe Sinne ſich bey dem Menfchen vereini- gen, um ihn in der Wahl feiner Nahrung zu entfheir den. Daß die Schmetterlinge einander riechen könnten, ſchloß der Naturforſcher Roeſel daher, weil ein männ- licher Schmetterling bejtändig um eine verſchloßne Schach⸗ „tel herumflog, in welcher einige Weibchen eingeſperrt ‚waren, und fich mit ihnen paarte, fobald die Schachtel .geöfnet wurde. Sogar Wafferinfekten kann mar durd) Lockſpeiſe an fich ziehen, Die Wafferkrebfe fuchen das Aas, das man im Garne hingelegt hat. Die Pınpurfchnede, Schraubenſchnecke und andre folche Thiere werden durch die Lockſpeiſe von einem ftinkenden Fifche gefangen. Reima— rus 1b. d. Triebe d. Thiere. ©. 302-307. 3) Es wird vielleicht meinen Leſern angenehm, und nicht überflüßig feyn, wenn ich bier von der Seinheit des Geruchs der vollfommneren Thiere , einige wenige merkwürdige Erfahrungen anführe. Und hierin. ftehe denn num der Hund obenan, von deffen ſcharfem Ge- ruche man die -außerordentlichften Beweiſe har. Der Hofrath und Profeffor Hennings führe aus Boyles Ab- handlung von den Eigenfchaften der Ausdünftungen , fol- "gende Begebenheiten an. Ein Edelmann hatte durch — einen — — 69 einen feiner Bedienten einen Stoͤberhund abrichten laſſen; and wollte einmal den Verſuch machen, ob der Hund dieſen Menfchen auffpüren fonntee Der Bediente mufte: vier Meilen weit nad) einem gewiffen Orte hinreiſen, und, non da drey Meilen weiter nad) einer Stadt gehen, wo Jahrmarkt war. Einige Zeit nach feiner Abreife ließ. der Edelmann den Hund laufen, und ſchickte ihm einige” Bediente nah, De ihm allenthalben folgen. follten, wo er hingienge, Unterweges begegnete er vielen Menfchen, die zuMarfte giengen; aber er. lies fid) von feiner Spur nicht ableiten, erreichte endlic) die Stadt, und lief durch. die Gaffen, bis er an ein Haus fam, wo der Bediente, der ihn abgerichtet hatte, im oberſten Stode faß, ohne daß die andern feute, die dem Hunde nachgeſchickt wa⸗ ren, efwas davon wuften Von Ahndungen und Viſionen. Zweyter Theil, herausgegeben von J. C. Hennings, Hofrath ——— in Jena, Leipzig, 11735. 8. ©. 24. Es ift übrigens bey den Hunden merfwürdig, daß die Schleimhaut in der Nafe, (Membrana pituito- ria) welche die ganze inwendige Nafe, alfo alle Ober- flächen der zur ihr gehörigen Knochen und Knorpeln bee kleidet, ferner alle Hölungen bedeckt, die mit ihr in Verbindung ftehen, und aus einem feinen Nervengewebe beſteht, das eine Ausbreitung der Geruchsnerven, und als das eigentliche Werkzeug des Geruchs anzufehen ift, (Neuer Schauplas d. Natur, 6.8: ©. 61.) daß diefe Schleimhaut, wenn man alle ihre alten entwickelt und fie ausfpannt, fo groß ift, Daß. men den ganzen Korper des Hundes damit bedecken Fann, da fie. im a ‚bey. dem Menfchen, werm fie gleichfalls: € 3 ausge- t 3, 70 ausgeſpannt iſt, nicht weiter reicht ‚ als den Kopf zu be— decken. Sparrmanns Neife, ©. 419- 20. Und hieraus läßt fid) denn der außerordentliche Geruch des Hundes erklaͤren. 4) Der Wolf hat einen fe fcharfen Geruch, daß er ein Aas Meilen weit wirtert. Auch lebendige Thiere ſpuͤrt er durch feinen Geruch in einer weiten Entfernung, und Eann lange ihre Spur verfolgen. Aus diefer Ur: fache geht er immer gegen den Wind an, um von weiten die Auspünftungen todter und lebendiger Ihiere auſzu— fpüren. Neuer Schauplag d. Natur, 10.8. ©. 8. 5) Die Nennthiere haben, wie der fel. Biſchof P. Egede felbft in Grönland erfuhr, einen fo feinen Ges ruch, daß fie noch nad) Verlauf von zwoͤlf Stunden mer- fen, wenn ein Menfc den Schnee auf den Felfen betre- ten hat, und fi dadurd) abfchreden laſſen weiter zu geben. Sparrmann erzaͤhlt von dem afrifanifchen weyhoͤrnigten Rhinoceros daß es fehr feinen Geruch) und Gehor hat. Bey dem mindeften Geräufch wird es aufmerffam, und fobald es dergleichen bemerkt, fpigt es die Ohren, ſteht ftille und horcht. Vor allen Dingen muß man fidy hüten, daß man ihm niche mit dem Winde entgegen fommt, da es fonft gleid) den fremden Gegen— ftand bemerkt, und ihm nachſpuͤt. Sparrmanns Heife, ©. 423. Es ift übrigens befannt genug, daß Naben und Krähen, fo wie auch die Habichte, in einer weiten Entfernung, Aefer wittern, und fogar den Körpern neulich verfiorbner Thiere nachgehen. 6) Ws ein Beweiß von dem befonders ftarfen und feinen Geruch der Hunde, verdient noch folgende Bege—⸗ benheit, die in des —— Beniowskis Reiſen ange⸗ fuͤhrt zı führe ift, bemerfe zu werden. Graf Beniowski fichte Japan, und befand fich den ı 4ten Junü in 32° 36. Brei- te. Den ıs5ten Junii, heißt es, hatten wir fehönes Wetter, und fahen viele Vogel, von welchen wir einige für Sandvögel hielten, und dies belebte die Hofnung un- ſrer Gefellfchaft non neuen, Beym Untergang der Sonne wurde vom Maftforbe Land gerufen ; aber da die Sonne fhon unter dem Horizont war, fo konnte man weiter feine Entdeckung machen. Der Graf fegelte darauf 243 große Seemeilen nah Welt Suͤd⸗ Welten, fand aber fein Land, und hielt fih für überzeugt, daß man fich auf dem Maftforbe durch die Wolfen hätte täufchen laffen. Morgens um 5 Uhr fahen fie vom Maftforbe nichts als. die Wolfen. Um dieſe Zeit, fage er, bellte mein Hund Neftor unaufhörlich auf dem Vordertheil des Schiffes, und ſchnob die Luft durch die Na- fenlöcher in fih. Herr Meder, (der Schiffsarze) wel- cher diefen Zufall bemerkte, eilte zu mir, und verficherte mich, er zweifle nun nicht mehr daran, daß fand in der Nähe feyn müfle, denn er wifle, daß die Hunde es ge: . wohnlich zu riechen pflegten. Um acht Uhr ward Land gerufen, es waren aber Wolfen. Um neun Uhr ent= deckte ein Amerifaner, der mit am Bord war, das Sand; aber niemand von den übrigen Fonnte es fehen Um halb zehn erblickte der Graf vom Maftforbe das Sand, und gegen eilf Uhr lag es klar und deutlich vor aller Augen. Des Grafen Moriß Augufi v Beniows⸗ fi. Reiſen durch Siberien und Kamtfchatka, über Japan und China nach Europa, mit Anmerkun- gen von J. R. Forſter. Berlin, 1790. 8. ©. 233: 34. € 4 | In 72 u In obiger Erzählung iſt es merfrourdig, baß ber. Pin vier ganze Stunden eher, als jemand vom Mafte forbe, Sand gewahr werden Fonnte, alfo wahrfcheinlid) in einer Entfernung von 6 bis 8 Seemeilen, durd) den Ge⸗ ruch die Eriftenz deffelben entdeckte; wenigſtens ver» nahm er die von Daher verbreiteten Ausdünftungen, Das Geſicht des Amerifaners war wiederum ſchaͤrfer, als das der Europäer, Die fi) am Bord befanden, aber bier. findet Doch Feine Vergleichung zwifchen feinem Gefichte und dem Geruche des Hundes ftatt, der ſchon vier Stune den vorher das Sand witterte, So wie verfchiedne Thierarten einen weit feinern Geruch haben als der Menſch, fo bat man aud) Bey— fpiele von einzelnen Menſchen, Die einen überaus ſcharfen Gerud) harten, Man erzähle von ven Yiegern auf ven Antilliſchen Inſeln, daß fie nicht allein, wie die Hunde, durd) den Öerud) den Fußſtapfen eines Menfchen nachſpuͤren koͤnnen, fondern daß fie fogar im Stande find zu entdedfen, ob es ein Schwarzer oder ein Franzoſe war, der des Weges gieng. Es iſt glaubli, daß die Wils den feinere und genauere finnliche Empfindungen haben, als andre Menfchen, da fie aus Mangel an Verjtandesfuls - tur, vor Kindesbeinen an ſich blos damit befchäftigen, die Sinne zu üben. Der Blinde kann es durch Uebung dahin bringen, daß er blos durchs Gefühl die Farben unierfcheiden fann, warum follten denn nicht auch Man—⸗ gel und Noch junge Kinder zu diefer Fertigkeit bringen formen, daß fie durch den Geruch ihre Nahrung, die Perfonen, die ihnen ſolche geben u. f. w. auffpüren koͤnn⸗ ten. Es foll fogar in Indien Kaufleute geben, welche ohne Probierftein im Stande find, die Feinheit des Cole a des — — 73 des und des Silbers blos durch den Geruch zu beftim- men. Deconomifihe Encyelopädie von Dr. Yo: hann Georg Eräünig. Berlin, 8. 17. Th. S. 447. Artikel Geruch. Die angefuͤhrten Beyſpiele findet man auch in Traitè Sens par M. le Cat, Amſter— dam, 1744. 8% Zur fernern Erläuterung und Bekraͤftigung des Obigen, will ich noch folgende Begebenheit anführen, die der Ritter Digby als eine Sache erzählt, welche, ba er fihrieb, unter feinen Zeitgenoflen allgemein bekannt war. Bey einem feindlichen Einfall in dem Stifte Jüte ich, geſchah es, daß die Einwohner eines darin befinds lichen Dorfes, in gröfter Eile nad) den nächften Wäldern hinfluͤchteten, wobey fie von ihrer Habe fo viel mitnahe men als fie foribringen fonnten. Hier hielten fie fich fo lange verborgen, bis fie erfuhren, daß der Trupp Solda= ten, vor dem fie ſich fürchteten, die Gegend, nachdem er das Dorf in Afche gelegt, verlaffen hätte. Sie kehrten daher jeder nach feiner Heymath zurück, nur ein Knabe, Namens Johannes, welcher in dem erften Schreden’ tiefer in den Wald hinein gefommen war als die übrigen, und in feiner Angſt jedweden Buſch für einen Soldaten an⸗ fah, blieb im Walde zuruͤck. Er hörte zwar, daß feine eltern und andre ihn viefen, aber er glaubte, es waͤren die Soldaten, und durfte nicht zum Vorſchein kommen. Johannes blieb alſo im Walde, und zwar viele Jahre lang, und naͤhrte ſich von Wurzeln, Holzaͤpfeln und Ei— cheln. Er erzaͤhlte, daß er, nachdem er ſich dort einige Zeit aufgehalten, den Geſchmack eines jeden Gewaͤchſes nach dem Geruche beurtheilen konnte, und daß er von weiten zu riechen im Stande war, wo Wurzeln E 5 und 74 — — und Früchte wuchſen, welche zur Nahrung dienlich wa⸗ ren. Uebrigens fuhr er beftändig fort fic vor Menfchen zu fürchten und zu flieben; ſo ſtark war Die Furcht vor jenen Soldaten bey ibm eingewurzelt. In diefem Zuftande blieb nun Johannes, bis einft ein fehr harter Winter einfiel, und viele von den wilden Thieren des Waldes aus Mangel an Nahrung umkamen. See trieb ipn die Noth, feinen Zufluchtsort zu verlaffen , und er fchlich fich gegen Abend nach) den Dertern hin, wo die zahmen Kreaturen gefüttert wurden. Hier hielt er fich haupt⸗ fählid) bey den Schweinen auf, und fammelte fo viel, das er zur Noth das $eben damit friften Eonnte. Aber fo liſtig er fich auch zu verbergen füchte, ward er doch) entdeckt, weil er immer an denfelben Ort Bingieng. Cie nige die ihn gewahr wurden, hielten ihn für ein ſeltſames wildes Thier, da er beynaße nackend und dabey faft über- all mie Haaren bewachfen war. Man lauerfe nun auf ihn, um ihn zu hafchen, aber da er feine Verfolger rie— chen fonnte, fo entwifchte er ihnen ftets, bis er endlich einmal, da der Wind nicht zu feinem Vortheile war, in einer Schlinge gefangen wurde, die man ihm gelegt hatte. Er hatte nunmehr beynahe vergeflen zu fprechen, aber er äußerte durch fein Heulen und feine Gebärden die beftigfte Burcht, als er in den $euten, die ihn gefangen hatten, noch jene fürchterlichen Soldaten zu fehen glaubte. In der Folge, da er als Menſch, in Geſellſchaft mie Menfchen, ein ruhigeres und gemächlicheres Leben führte, verlor er feinen Geruch fo gänzlich, daß er in tiefem Stücke vor andern Menfchen im Allgemeinen, fei- nen Vorzug zu haben ſchien. Als er zuerft unter Leuten zu leben anfieng, fand fich unter ihnen ein Frauenzimmer, "DR das das gegen dies Halbthier ein außerordentlihes Mitleid bezeigte; fie nahm es auf fich für ihn zu forgen, und ihre Sorgfalt lies ipn an nichts Mangel leiden. Johannes ward dadurch fo fehr von ihr eingenommen, daß er, fo oft er etwas bedurfte, und fie nicht gleich finden Fonnte, weil fie entiweder im Felde arbeitete, oder nad) einem der nächften Dörfer gereißt war, nach ihr fuchte, und fie durch den Geruch) ausfpürte, als ob er ein Stoͤber⸗ hund wäre, Digby führe übrigens bey diefer Gelegenheit an, daß er felbft einen Mann gefanne hat, welcher ſehr mäßig febte, und fehr wenig Nahrung zu fih nahm, und die— fer konnte durch den Geruch diejenigen Körper und ihre Eigenfchaften von einander unterfcheiden, deren Verſchie— denheit nur eigentlich durch den Gefchmack hätte beurtheile werden koͤnnen. Demonſtratio Immortalitatis animae rationalis, five Traäiatus duo philofo- phici. Auctore Kenelmo Equite Digbaeo. Franeofurti. 8. MDCLXIV. p, 315- 17. 8. 11, Die Thiere haben gemeiniglich Geficht, und es giebt Thierarten, die ein weit ſchaͤrferes Ges ficht Haben als der Menfch. Die Lichtſtralen, welche auf die außer ung befind- lichen Körper, und die einzelnen Punkte diefer Körper - fallen, werden von ihnen zuruͤckgeworfen, und fallen in unfer Auge, wo fie, nachdem fie in ihrem Gange dur) die fefteren und flüßigen Theile des Auges auf verfchiedne Weiſe gebrochen worden, mittelft diefer Brechung ſich wieder auf der Netzhaut fammeln, und auf felbiger gleich 9 ſam 76 fam ein Bild von dem äußern Gegenftande mahlen. Die Berändrung, welche diefe Lichtftralen dadurch in der. Netzhaut hervor bringen, die eine Xusbreitung der Ge- fichtsnerven ijt, verpflanzt fid) nunmehr in die Seele — und der Menſch hebt. Vergleichen wir ven Körperbau der Thiere mit den des Menfchen, fo finden wir mie der unffreitigften Ge⸗ wißheit, daß die allermeiften von ihnen Sehmerfzeuge ha- ben, welche bey einigen Thieren fic) faft einer vollfomms nen Gleichheit mit dem menfchlichen Auge nähern, bey andern mehr oder weniger davon abweichen. Bey allen- Thierarten aber, in deren Körper wir diefes Sinnenwerk— zeug entdeckt haben , finden wir doch Die allgemeine Gleichheit mie dem Menfhen, daß fie ihre Handlungen und Betragen auf verfchiedne Weiſe einrichten, je nad) dem die Gegenftände, von welchen Die Lichtſtralen in ihr Auge fallen ; verfchieden find. Dieſe Abwechslung in ihrem Berragen beweißt, daß die Vorftellungen, wo— Durch fie beſtimmt werden, auch verſchieden feyn müffen. Diefe verfchiednen Vorftellungen aber, werden durch die verſchiedne Einwuͤrkung der Lichtſtralen auf ihr Auge hervorgebracht. Die Thiere haben alfo im Allge— meinen Geficht, mie der Menſch, da fie Augen haben, mis er fie hat. Anmerkung. Um dem Leſer dasjenige, mas ich in Abfiche auf dieſen Sinn über die Ihiere werde, an— führen müffen, um fo einleuchtender zu machen, will ic) Bier eine kurze Befchreibung von der Bildung und. Ein- richtung des menfchlichen Auges berfegen, nachdem ic) zuvor bemerft habe, daß, da das Auge eins der wichtig« ſten Sinnwerfzeuge des Menfchen , und das empfind- | lichſte 2 kichfte von allen ift, die Natur dafür geſorgt hat, def es nicht leicht durch) Drücung oder Reibung beſchaͤdigt wer- den kann. Die Augen liegen daher in einem Knochen« gewoͤlbe verwahrt, und find mir fertartigen Theilen umgeben. | 1) Das Auge befteht ſowohl aus feften als fluͤßi⸗ ‚gen Theilen. Zu den feften rechnet man gewiſſe Häute, ſo⸗ wohl diejenigen, welche das ganze Auge umgeben, als bie, welche einzelne Theile deffelben einfchließen., Faſt das „ganze Auge ift von der harten Haut umgeben, deren Gewebe fo dicht wie Pergament, und bare if. Dieſe Eigenſchaft war zur Sicherheit der ſchwaͤchern und flüßi= gen Xheile nothwendig , welche fie einfihließe. Sie bee -fteht aus einer Menge fchichtenmweife aufeinander liegender Häute, die doch fo genau zufammenhangen, daß man fie nicht erennen kann, ohne fie zu zerreiffen. In ihr find die zur Bewegung des Auges nöthigen Muffeln bes feftige. Sie ift mit einer weiffen Haut bedeckt, welche von einigen für eine Ausbreitung der Muffelfehnen ges ‚halten wird. Die harte Haut hat zwo Defnungen, eine nach hinten, an der Seite, die der Naſe am nächften iſt, durch welche der Öefichtsnerve feinen Eingang nimmt 5 und ein zweytes zirfelformiges Loch, worin die angrän« zende durchſichtige Hornhaut paßt, das ein wenig außen vor der erft genannten fteht, und gleichlam einer kleinen Abfchnite einer Eleinern Kugel bildet, die auf den Abſchnitt einer größeren Kugel gefege ift, oder wie ein Uhrwerk in das Gehäufe paßt. Die harte Haus ift itte ‘ wendig mit einer andern bekleidet, welche die Aderhaut genannt wird; diefe hänge durch ein lücherichtes Gewebe einigermaßen mit der harten Haut zufammen bis auf einige Linien von der Hornhaut, wo fie durch ein dichtes ‚ms rex 1 res Gewebe genauer mit biefer harten Haut verbunden wird. Sie felbft befteht aus einem feinen Gewebe von lauter kleinen Adern , das auf der äußern Seite roth, auf der innern von einer rothſchwarzen Farbe iſt. Nach ihrer feftern Verbindung mit der harten Haut hört fie auf und graͤnzt an eine andre, oder wird, wie einige wollen, in dieſer andern fortgeſetzt, die ihrer wegen ben Na— men JIris erhalten hat. Man nennt fie auch zumeilen die Traubenhaut. Won diefer rührt die Farbe her, ‘welche die Hornhaut, unter der fie liegt, zu haben fcheint. Sie hat in der Mitte eine zivfelformige Defnung ‚> Die man gemeiniglich den MAugapfel nennt, und gemiffe Kibern, von denen einige fie zufammenziehen, und alfo Das Loch erweitern , andre fie ausdehnen und den Aug— apfel fleiner machen. Die Aderhaut wird von innen Durch die dritte, von den das Auge einfchließenden Häuten, bedeckt, und diefe heiße die Netzhaut. Sie befteht aug einer marfigten, weichen und halbdurchfichtigen Mas terie, von einem feinen und dünnen Gewebe, und ift, wie man mit Grunde annimmt, eine Fortfegung des Ges fihtsnerven. Zu den Häuten, welche diefen oder jenen Theil des Auges einfchlieffen, gehören die Chryſtall— haut und die Glashaut. Die erflere umgiebt die Chryſtalllinſe, welche von einigen zu den flüßigen Theilen gezahlt wird; fie ift ein Durchfichtiger Korper, an beyden "Seiten fonver, nad) hinten aber etwas mehr als nach vorne. Sie befteht aus mehreren Erummflächigten Hau« ten, die fich von einander frennen laflen, wenn man die $infe in der Sonne vder im Schatten getrocknet hat. Sie enthält zwar eine Fluͤßigkeit, aber nicht in fo großem Maaße, daß fie felbft zu den Flüßigkeiten gezählt zu werden verdiente ; ihre Dicke ift gewöhnlich gegen ı3 . Linien. Sinien. Sie dient im Auge dazu, die Objecte deutlich zu machen, und die Fichtftralen zu brechen. Mit groß ferm Rechte zähle man zu den flüßigen Theilen die wäße: rigte Beuchtigfeit, welche den Raum zwifchen der Horn: baut und der farbigten Haut einnimmt, der ungefähr 2_8i- nie tief ift. Sie geht durch den Augapfel, und füllt den fehmalen, nur ungefähr + Linie tiefen Raum, zwi— fhen der Iris und Chryſtallhaut an. Die glasartige Feuchtigkeit ſieht der wäfferigten ähnlich, nur ift fie etwas dichter, fie. wird von der Glashaut umgeben, nimme den größten Theil des Auges ein, und der ganze Raum hinter der Chryſtallhaut ift von ihr angefüll. Ming: loms Anat. 8. Balel, 1754. 5.8. ]J. G. Zinn Defcriptio anatomica Oculi humani. 4. Görting. 1755. mit KRupfern. Janin Anatom. Phyſiol. und Phyfikal. Abhandl. u. Beob. uͤb. das Auge. Berlin, 8. 1776. 2) Nach diefer Vorerinnerung koͤnnen wir nun zue Betrachtung diefer und jener Merkwuͤrdigkeit in der Einrichtung der Augen der Thiere übergehen. Unter den äußerlichen Theilen der Inſekten, ſagt Bons net, find die Augen diejenigen, welche am meiften unfre Bewundrung erregen; felbft Gemücher, die eben nicht aufgelegt find, die Natur zu bewundern, bleiben beym Anblicke der wundervollen Einrichtung in der Strucktur diefer Werkzeuge nicht unempfindlich. Die Fabel gab ih. rem Argus nur hundert Augen ; die Natur hat diefen kleinen *Arguſſen würklich etliche taufend mitgetheilt. An jeglie cher Seite des Kopfes von einem Schmetterlinge, einer Fliege, und andrer dergleichen Inſekten, befindet ſich ein — ‚Körper, wie ein Stuͤck einer Kugel abges 30 —— abgerundet, das unterm maͤßigen Vergroͤßerungsglaſe gleichſam koͤrnigt oder chagrinirt ausſieht. Und dieſer koͤrnigte Kugelabſchnitt iſt nun weder mehr noch weniger als eine wahre Hornhaut, die aus einer Menge kleiner in einander gefuͤgter Hornhaͤute, entſtanden iſt, welche in Die vier⸗ oder ſechseckigten Maſchen eines Netzes einpaſ— fen, das aus eben der Materie, wie die Hornhaut, be— fteht, und auc) wie fie, durchfi ichtig iſt. Ich habe geſagt, daß jegliche der großen Horn⸗ baute aus einer Menge Eleiner Hornhäute, oder, wenn man lieber will, fehr Fleiner kinfen beftehe. Aber jede dieſer Eleinen Hornhäute ift ein wuͤrkliches Auge, welches feine Sehnerven, und alle wefentliche Theile hat, die zu der Art des Sehens beym Inſekte nöchig find. Die bes ften Beobachter haben fich bemüht, die Anzahl diefer Fleinen Augen zu finden, und fie haben am Kopfe eines Kaͤfers 6,8625 am Kopfe einer Fliege 16,000, und am Kopfe eines Schmetterlings 34,650 gezählt, Wenn man eine von den großen Hornhauten abnimmt, und. in den Brennpunft des Mifroffops bringt, darauf das Are firument gegen eine Eiche, oder einen Soldaten richtet, fo wird man einen Eichenwald im Kleinen, und eine Ars mee von Pygmaͤen erblicken. Beym Smwammerdam fann man, in feiner Bi: bel der Natur, den bewundernswürdigen Bau der Aue gen an den Inſekten nachfehen, und diefer Beobachter bemerft, daß er in den Augen der Inſekten niemals die dreyerley Feuchtigfeiten, wie in den Augen der größern % Thiere und des Menfchen , gefunden habe, (Man wird fih aus dem vorhergehenden erinnern, daß die Einfe gigentlich ein fefter Körper ift, ob ſchon fie zugleich gi B rt 81 Art von Feuchtigkeit enthält; alſo finder ſich die waͤßerigte, glasartige Fluͤßigkeit, ſo wie auch die Linſe, nicht in den Augen ver Inſekten). Hieraus ſchließt nun Swan: merdam, daß das Sehen der Inſekten, nach ganz an— dern Gefegen, als unfern gemeinen optifchen, gefcheben müffe. Daß fie fehen, wiffen wir, da wir wiſſen, daß fie die wefentlichften Theile haben, die zum Auge geho- ren, und zum Sehen nothwendig find; vielleicht iſt es unfern Nachfommen vorbehalten, vollftändig zu erklären, auf was Art fie fehen. Bonnets Betr. üb. die Tat. 1. B. ©. 96-98. Ueber die Augen der Inſekten, von welchen einige, noch außer den chagrinirten Halbfugeln, drey andre Aus gen haben, die von den andern abgefondert, vorne am Kopfe, zwiſchen ven obigen Halbfugeln figen , findet ‚man weitere Nachrichten im Reimarus v. d. Trieben d. Thiere. ©. 312., wo zugleich verfchiedne Citata aus den berühmteften Naturforfchern angeführe find. Man vermuthet, Daß dieſe zwenerley Arten von Augen, die man bey den liegen, Bienen, DBremfen u. a. findet, verfchiebne Beftimmungen haben, und zwar fo, daß "das Inſekt mit der einen Art die Dinge ſieht, die in - der Nähe find, und mit der andern die, die in der Ferne liegen. / Der runde: und fleifchigte Kopf der Schaalthiere hat ein Gehirn, das aus zweyen Fleinen Kügelchen be= ftebt , Die ſich, nach dem Gefallen des Thieres, fehr leicht vor und rückwärts bewegen laſſen. Die Fuͤhlhoͤr— ner, zwey oder'viere, ftehen an beyden Seiten bes Kopfs, und find Arten von Canälen, die mancherlen Bemwegun: gen annehmen fonnen, Oben auf dieſen Hoͤrnern, wie DT P%) am 82 am obern Ende eines Sehrohres, fißen die Augen, bey vielen Arten von Schneden. Bey andern aber figen fie unten, ober in der Mitte derſelben. Sie find ſchwarz und glänzend, und haben faſt das Anfehen einer fehr fleinen Zwiebel. Man entdecket an ihnen blos bie Trau— benhaut, fie haben aber übrigens die fo genannten drey Feuchtigkeiten, (die waͤßerigte, glasartige und Die Linſe) die man im menfhlichen Auge antrif. DBonnet$ Betr, überd. Natur, 1. B. ©. 113. Die Schaal thiere nähern fich alfo in der Structur des Auges , dem Menfchen weit mehr als die Inſekten. 3) Die Augen der Eriechenden Thiere fommen, was ihre mefentlichen Beſtandtheile anberift, den Augen ber größeren Thiere ziemlich nahe. Die mehreften Arten der eigentlichen Fifche gleichen in dem Baue ihrer Augen, nach Hallers Zeugniffe, dem Menfchen und den vierte füßigen Thieren; bey andern Arten nähern fie fic) da— hingegen mehr den Augen der Vögel. Die Linſe ift bey den Fifchen verhältnismäßig größer ‚als bey andern Thie⸗ ren, Die Hornhaut ift fehr Ducchfichtig, und gewohn: lich niche fo fehr'erhaben wie beym Menfchen und den vierfüßigen Thieren. Die mäflerigte und glasartige Feuchtigkeit find zaͤher, und die eigentlichen Fiſche haben, feine Augenlieder. Bonnets Betrachtungen über d. Natur, 1. B. ©, 121.22, 4) Das Geficht der Wögel ift bey diefer Thier- art der feinfte Sinn, und fehen viel fcharfer und weiter, als die vierfüßigen; Thier, Selbft die Eulen, die am Tage die Dinge nur fehr wenig unterfcheiden koͤnnen, haben in der Dämmerung das fhärfite Geficht. Auch hat die Natur auf die Yugen der Vögel mehr Fleiß ver- a wand, wandf, als auf die Augen andrer Thiere. Ihr Auge bat zwo Haͤute mehr als das menſchliche. Zuerſt die äußerfte Augenhaut, welche von außen über die Hornhaut geht, und gleichfam ein zweytes durchfichtiges Augenlied vorſtellt. Die Bewegung diefer Haut hängt von dem Willen des Vogels ab, und fie dient ſowohl dazu die Hornhaut zu reinigen, als das Auge zu fehügen. Sie ift ein fehe dünnes, weißlichtes Gewebe, das zuweilen ganz über das Auge hingezogen wird, und es bedeckt, aber Doch demungeachtet die Lichtſtralen durchfallen laͤßt. Man nennt fie fonft auch die nickende. Haut. Dem nachft haben die Vögel im innerften Grund des Auges noch) eine Haut, welche aus den Xeften des ausgebreite- ten Sehnerven zu Fommen fcheint. Das Auge der Voͤ— gel ſtellt nicht allein Die Gegenftände und Bilder mic vieler Schärfe vor; fondern fie Überfehen auch) viele Dinge auf einmal, und zwar mit hinlänglicher Deutlichfeit und, Genauigkeit, . Die Raubvogel fehen aus einer Hohe, wo wir ihnen kaum folgen fünnen, jeden Fleinen Gegen= ftand, der ihnen zur Beute dienen Fann, als z. 2. Selomäufe, Eleine Vögel, Kroten, Schlangen, Fröfche u. dgl. Die Augen der Vögel find nicht nur verhält- nismäßig weit größer, als die der Menfchen und der vierfüßigen Thiere, fondern auch nad) allen Seiten hin fehr beweglich, und laffen ſich in der Geſchwindigkeit auf vielerley Art verändern und richten, fo daß fie in jeder Entfernung und in jedem Grade von Lichte, eine Deutliche Vorftellung von den Gegenftänden geben. Here Buffon bemerft mie Rechte, daß dies vollfommne und deutliche Geſicht, den Vögeln, ihrer fchnellen Bewegung wegen, durchaus nothwendig war, da es der einzige Sinn ift, der uns in jedem Augenblif in Stand ſetzt, 52 über 84 über Raum und Entfernung zu urtheilen. Neuer Schauplag der Natur, 9. B. © 306-7. 5) Es wäre nun noch die Strucktur der Augen bey den vierfüßigen Thigren zu betrachten übrig; da fie aber mit den menfchlichen fo große Uebereinſtimmung ha⸗ ben, wovon jeder fich felbjt überzeugen Fann, wenn er nur ‚ein Ochfenauge unterfucht, fo würde es überflißig feyn, über diefen Gegenftand weiter etwas anzuführen. In— fonderheit, da eine oder andre unweſentliche Verſchiedenheit, hier nicht in Betracht fommen kann, und da das beteits an: geführte mehr ais zur Önüge beweißt, daß die Thiere Augen haben, wie der Menſch, alfo Vorftellungen von den Dingen, deren Dafeyn und Befchaffenheiten ver- woͤge des Gefichts empfunden wird. So wie verfihiedne Thiere feinere und fchärfere Sinnen Haben als der Menfh, andre einen oder mehrere von diefen Sinnen in geringerer Vollkommenheit beſitzen, als wir, und einzelnen Thierarten vielleicht dieſer oder jener Sinn gaͤnzlich fehlt, ſo kann es auch wohl moͤglich ſeyn, daß einige Thiere ſinnliche Empfindungen haben, die ihnen beſonders eigen ſind, wovon wir ung keinen Begrif machen koͤnnen, und Sinnwerk— zeuge, die unter einem von den fünf Sinnen des Menfchen Hingeführt werden Finnen. Wir fehen offenbar, fügt Reima⸗ rus, daß viele Thierarten Werkzeuge haben, die der Menſch nicht hat, und die ihnen nicht zur Bewegung dienen, » oder doch fo von ihnen bewegt werden, daß fie dadurch Eigenfchaften an Eörperlichen Dingen entdecken zu wollen feheinen. Auch merken wir aus dem Betragen der Thiere, daß fie von vielen Eigenfihaften und Veränderungen der Dinge, Empfindung has, ben müffen, die wir mit feinem Sinne oder finnlichen Werks zeuge ſpuͤren Eönnen, injonderheit was die bevorftehenden Vers änderungen in der Witterung betrift, in welchem Falle, einige’ Thiere gleishfam Iebendige Barometer, Thermometer und Hy⸗ gramm — — 85 grometer find. Reimarus von d. Trieben d. Thier. Seite 304⸗ 9. Dies letztere Phaͤnomen laͤßt ſich indeſſen wohl, zum Theil aus dem Gefühl erklären... Doch ‚hiervon in der Folge mehr. EIER 4. 12; Wir haben im Vorhergehenden bemerkt, daß ber „menschliche, Körper eine eleltriſche Materie enchält, ver⸗ moge deren, wie wir vermuthen, die äußern Eindruͤcke auf den Körper in die Seele verpflanzt werden; und mar „bat eben den Grund, auch in den Körpern der Thiere, das Daſeyn einer foldyen eleftrifchen Materie anzunehmen. Kann man nicht gleich die Gegenwart derfelben in allen ‚Khierifchen Körpern vollfommen bemweislich machen, ſo ‚weis man doch aus unwiderfprechlichen Erfahrungen, daß viele von ihnen eine Arc Elektrum enthalten. Jedermani wird aus eigner Erfahrung überzeugt feyn, daß bie Kagen im Dunfeln Funken werfen, wenn man fie längft Dem $ Ruͤcken aufwärts ftreichele; und, die Menge der Tun» Xen die dadurch len werden, wechfele nach den Umſtaͤnden ab. So beſitze ic) eine Katze, die id) von Drontheim mitgebracht habe. Dort war ſie in ſo hohem Grade elektriſch, daß ich , wenn ic) fie an einer Stelle im Zimmer hinbrachte, wo es nicht voͤllig heller Tag war, blos dadurch daß ich ſie an den Seiten, mit den Haaren, ſtreichelte, eine Menge von Funken hervorlok ken konnte. Aber dieſe merkwuͤrdige Elektricität hat. ſich ‚bey ihr verloren, feit fie nac) Dännemarf Fam, und fie zeichnet ſich hierin ißt nicht vor andern hiefigen Kagen ‚aus. Aus den Pferden fol man ebenfalls Funken her⸗ ‚vorlocen fonnen, wenn man fie vom Kepfe an längjt dem Halſe ſtreicht. Einige Inſekten leuchten beſtaͤndig 3 in 86 in freyer Luft; viele Fiſche leuchten, wenn man fie nur eine kurze Zeit in der freyen Luft liegen laͤßt. Ueberhaupt hat man bey allen Thieren, mit welchen man Verſuche angeftellt hat, mehr oder wenigere brennbare Theile ge— funden; und alfo haben die Thiere auch in diefem Stüd ähres Körperbaues eine wefentliche Hebnlichkeit mit dem Menfchen. *) j Wir haben oben angenommen, daß eine folde elekterartige Materie beym Menfchen das Mittel wäre, wodurch die Eindrücke der aͤußern Objekte in die Seele verpflanzt würden, und folchergeftale in Verbindung mit Den Nerven, Empfindungen erregten, und wir haben, der Uebereinftiimmung und Gleichheit wegen, welche zwi⸗ {chen den Sinnwerfzeugen der Menſchen und Thiere ſtatt findet, vorzüglich aber wegen der Uebereinſtimmung ihrer Mervenftrucktur mit der unfrigen, die größte Urfache zu ſchließen, daß die thieriſchen Körper ebenfalls einen Ner- venfaft enthalten, der feiner Natur nach elefterartig if, und in den Nerven zu feiner Beſtimmung abgefondere wird. Daß aber gerade die Nerven diejenigen Werf- zeuge feyen, worin eine elefterartige Materie zubereitet wird, biefes wird, man möchte falt fagen, unwider— ſprechlich, durch die Structur des Krampffifches erwie- fen, da die elektriſchen Organe deflelben eben aus Nerven beftehen. Und fo wie diefer Fifch fich Durch feine Elef- tricität von allen andern Thieren auszeichnet, fo giebt es auch fein Thier, Das in irgend einem Theile feines Koͤr⸗ pers *) Schreiben an ben Ritter Martin Folfes von Cronn⸗ well Mortimer von der natuͤrlichen Wärme ver Thiere. Hamb. Magazin. 3. ©, 291. u. f. 87 pers fo viele umd anfehnliche Nerven hätte, als die elef- feifchen Werkzeuge des Krampffifches in fich enthalten. Wie alfo die Erfahrungen, die man von der Eleftricität des Krampffifches infonderheit hat, die Wahrfcheinlich feit unfrer Wermuthung von der Eriftenz einer elefterar« figen Materie in dem Menfchen beftätigen, fo führt uns die Hehnlichfeie des IThieres mit dem Menfchen, wies derum auf die Vermuthung, daß die in den thierifchen Körpern befindliche elefterartige Materie, bey ihnen eine ähnliche Beftimmung babe, und ein Huülfsmittel für Die Vorftellungen des Thieres fen. . + Anmerfung. 1) Die Erfahrungen, die man über den Krampffifh und den Surinamifchen Aal har, find als Beweiſe für das in thierifchen Körpern. enchalme Elektrum überaus merfwürdig. ine Menge mit dem eleftrifchen Aal angeftellte Verfuche hat gezeigt, daß. alle Diejenigen Dinge, melche das eleftrifche Fluidum forts pflanzen, es auch mit dem Fluido thun, das diefe Fifche von fich geben: daß die Würfung gänzlich von dem Wil« len des Aals abhängt, fo, daß er es in feiner Gewalt hat, einen fehmächern oder ftärfern oder gar feinen Stoß zu geben: daß der gegebne Schlag, oder die mit- getheilte ſchmerzhafte Erſchuͤtterung, nicht von der Bewe⸗ gung in den Muffeln des Aals abhängig ift, indem er den Stoß in einer gewißen Richtung und Enrfernung er« eheile, fo wie auch nur gewiſſe Subftanzen ihn aufnehmen, andre dahingegen, die dem Fifche an Härte und Elaftieir tät gleich fommen, ihm wiberftehen. Aus diefem allen _ jufammengenommen ſchließt man nun, daf der Stoß ‚den man bey Berührung diefes Fifches empfängt, die Wür- fung einer gewiſſen flüßigen Materie feyn muß, die der 4 Aal 83 Aal aus feinem Körper heraus fahren läßt; und fein Stoß alfo der wahre elektriſche Stoß iſt. Der berühmte Walſch, der ſich durch feine Verfuche mit diefen Fiſchen verdient gemacht bat, ſetzt überdies ihre Elektricitaͤt aufe fer allen Zweifel. Er lies neun Menſchen, deren jeder für fidy die eine Hand in ein Gefäß mit Wafler ftecken mufte, mit den Süßen’ auf einen Meſſingdrath treten; hierauf berührte er diefen Fiſch, der in einem andern Ge⸗ füße fhwamm , mit dem andern Ende des Meffings draths; und nun empfieng jeder von diefen neun Mene ſchen augenblicklich einen fo heftigen elektriſchen Stoß und Erſchuͤtterung, wie man ihn von der fo genannten Leidner Flaſche zu befommen pflege. Neuer Schauplaß. der Natur 4 Be: ©. 337 °39. 2) Der Rrampffifch hat zwey elektriſche —— die vom Kopfe bis zum Ende der Bruſt gehen. Das eine liegt an der Seite des Ruͤckens, das andre an der Seite des Bauchs, und beyde find, wie der übrige Koͤr⸗ per, mit der Haut bedeckt. Dieſe fonderbaren, dem: Krampffifch allein eignen Werkzeuge, feinen aus einer Menge edigter , groftentheils fünf- und. fechsedigter Säulen zuſammengeſetzt, aus einer dünnen faſt durch— fichtigen Haut gebildet , und mit einer Art von Netze zu=, ſammengehalten zu feyn, welches die Säulen untereinanz der vereinigt, Alles diefes ftellt von außen ein Öanzes vor, welches das Anfehen einer Wachstafelim Bienenftode hat. Aber e3 find eigenclich weder die Säulen, noch ‚ihre Haute, noch ihre Abrheilungen, noch eine große Anzahl von Gefäßen die DVeräftelungen der Blutgefäße find, welche die wefenslichften Theile des elektriſchen Werfzeuges. ausmachen, Es find eine die Nerven, die * im diefem 6% deſem Werkzeuge verbreiten. =, Wenn man die ſinnlichen Werkzeuge ausnimme, fo findet ſich in keinem, auch der vollkommenſten Thiere, ein Theil, der, nach Verhaͤlt— niß feiner Größe, fo viele und ſo betraͤchtliche Nerven haͤtte, als die elektriſchen Werkzeuge des Krampffiſches. Und daraus zieht man denn den Schluß, daß dieſe ſo zahlreiche und ſo betraͤchtliche Nerven vornemlich dazu dienen, die elektriſche Materie aufzunehmen und nad) Gefalen des Thieres auszulaffen. Denn alle Verſuche zeigen, daß ber Krampffifch feine elektriſche Machine nach Belieben koͤnne wirken laſſen. Ber den Verfuchen, die man mit dem — (Torpedo) anſtellte, kamen keine Funken zum Vor⸗ ſchein, und alſo fehlte noch etwas zum vollkommnen Be⸗ weiſe, daß die Schlaͤge, die der Fiſch verurſachte, wuͤrk⸗ lich elektriſche Schläge wären. Herr Walſch brachte auch dieſen Beweiß bey, und ließ den ſogenannten Surina⸗ miſchen Aal (Gymnotus electricus) der in noch hoͤherm Grade elektriſch iſt als der Krampffiſch v2 aus Amerika nach England kommen. Er machte an dem- felben die nemlichen Erfahrungen wie am Krampfhifche, und hatte das Vergnügen der erfte zu ſeyn, der die ſo gewuͤnſchten Funken ſah, wodurch denn der Beweiß fü das in diefen Thiergefchöpfen enthaltne Eleftrum , feine Vollſtaͤndigkeit erhielt. Nunmehr hat man alfo. nicht laͤnger daran zu zweifeln , daß die feine Fluͤßigkeit, welche die Nerven den elektriſchen Werkzeugen des Krampfhifches und des Surinamfchen Yals miccheilen, der eleftrifchen Materie ganz aͤhnlich wo nicht gar fie ſelbſt ſey. Und hiedurch wird denn auch die Vermuthung beguͤnſtigt, daß die Nerpenfeuchtigkeiten oder. die Lebensgeiſter, wo— a von 90 — — von wir oben redeten, mit der elektriſchen Materie eine große Aehnlichkeit haben. Bonnets Betracht. uͤber d. Natur, 1. B. ©. 201-2. Hieruͤber kann man weiter nachfehen : Dr. Martinis Nachricht von elektrifchen Fiſchen in der Wochenfchrife: Mannigfal- tigkeiten. Berlin, 8.1769. ıfler Jahrgang. ©. * 65. und ©. 793 - 802. | ; 3) In Profeffor Voigts Fortſetzung vom Lich: tenbergſchen Magazin findet man eine merkwuͤrdige Beobachtung von einigen, wie er fie nennt, phosphori- firenden Flußkrebſen, die ebenfals dazu dient, das zu beftätigen „ was wir im Vorhergehenden tiber die Elef- fricität der Thiere angeführt haben. Die Herren Thulis und Bernard, Mitglieder der Akademie in Marfeille, foßen einft im Juniimonat, gegen Mitternacht, am Ufer eines Baches, der aus dem nad) Trans laufenden Fluße entſprang, und entdeckten auf dem Grunde deſſelben einige kleine bewegliche Gegenftände, die einen fehr merflichen Schein von fi gaben. Sie glaubten Anfangs, daß es von den gewöhnlichen leuchtenden Wirmern wäre, aber als fie einige dieſer glänzenden Gefchöpfe aufhoben, fo erfannten fie diefelben für diejenige Art von Krebfen, welche beym Geoffroi in feiner Hift. des Infedtes, Tom. Il. ©. 667., unter der Benennung von cancer macroürus rufefcens thorace articulato vorfommt, Sie fifchten hierauf eine Menge von diefen Krebfen auf, welche überall leuchteten; aber nicht weit Davon war eine Menge andrer, bie dieſe Eigenfchaft nicht hatten. Man fagt, daß diefe phosphorifirenden Inſekten um die Zeit, wenn ſie ſich begatten, weit ſtaͤrker leuch⸗ ten als ſonſt, und daß der Glanz, den man zuweilen auf \ 91 auf der See bemerkt, von einer Menge kleiner Eyer, oder Produkte lebendiger Geſchoͤpfe herrühre. So werden auch viele Fifche, Landthiere und vegetabilifche Körper leuchtend, wenn ihre Auflöfung vermöge einer: befondern Beſchaffenheit der Luft, ungewöhnlich befchleunigt wird. Da indeſſen diefe leuchtenden Krebfe fo munter. und auf geweckt waren, als dergleichen Inſekten nur immer feyn koͤnnen, fo vermutheten die Beobachter , daß der Glanz, den fie von fich gaben, weit entfernt eine Schwäche zu verrathen, vielmehr eine Munterfeit zu erfennen gab, die zur Befriedigung des Naturtriebes nothwendig war, Der bey diefen Thieren um fo ſtaͤrker ſeyn muſte, da die Natur ihnen doppelte Werkzeuge zu ihrer Fortpflanzung. verliee ben hatte. Magazin fürdasNeuefte aus der Phy⸗ fif und Naturgefchichte, zuerft Herausgegeben von dem Legationsrath Lichtenberg, fortgefest von Profefior Voigt zu Gotha. Gotha, 1786. 8. 4. B. 1. St. ©. 41:42; Moch verdiene über dieſe Materie nachgefehn zu werden J. F. Hartmannd Et: was von der Eleftricität einer Papagoien: Feder im Neuen Hamburg. Magazin. Hamburg und Leipzig, 8. 1768. 20. St. ©. 129- 137. Und von einem neuen elektriſchen Fiſche, Voigts Magazin fuͤr das Neueſte aus der Phyſik, 4. B. 4. St. Seite 48. Se Wenn mir die über die Sinnwerfjeuge, der Thiere angeführten Bemerkungen fammeln , fo vereinigt fi) alles, um uns zu überzeugen, daß die Thiere fähig fenn muͤſſen, VBorftellungen zu erhalten, ba wir bey ihnen die Werkzeuge antreffen, welche wir bey dem Menſchen als die 92 die wefentlichften und einzigen Hülfsmittel anfehen, wo⸗ durch Vorftellungen erworben werden konnen. Die Grund« Beſtandtheile in den menfchlichen Sinnwerkzeugen, wo⸗ durch. wir von den äußern Dingen Vorftellungen erhalten, - und wodurch insbeſondre unſre willführlichen ‚ Bewegun⸗ gen veranlaßt werden, ſind ja die Nerven; Nerven aber finden wie in der thieriſchen Schoͤpfung uͤberall, vom In⸗ ſekte an bis zum Elephanten; und nun ſchließen wir daher nach ſehr vernuͤnftigen Gruͤnden, daß dieſelben Mittel in demſelben Zuſammenhange angewandt, die— ſelbe Abſicht haben muͤſſen. Jedes thieriſche Ge— ſchoͤpf aber. hat in feinem Körperbau eine gewiſſe allge⸗ meine Aehnlichkeit mie dem Menſchen, und gleicht ihm, welches wohl zu bemerken ift, ungeachtet aller Verſchie— denheiten in der Korm des Körpers, doc) darin, daß es die Organe und Werfzeuge hat, die wir beym Menfchen als wefentliche und unentbehrliche Mittel anfehen, um Vorftellungen zu erhalten und zu bilden, Die Werfzeugeg, die wir für die eigentlichen Werkzeuge unfers denfenden Geiftes anerkennen. Die Thiere muͤſſen alſo Borftels fungen haben, tie der Menſch, oder.aber man muß annehmen, der Schöpfer. habe bey der Einrichtung der thierifchen Körper, Mittel angewandt. und angeoröner, wodurch keine denkbare, Dei Abſicht erreicht werde. 9. 14 "Die Thiere haben alfo Vorftellungsfraft, weil fie Sinne haben; und die Erfahrung lehrt, daß dieſe Vor- ſtellungskraft würflich benugt, entwickelt, angewandt wird; denn Erfahrung lehrt, daß die — Kennt: niffe- haben. erh 95. Schwerlich werde id) hier nöthig haben, das Zeug: niß ber Schrift in einer Sache anzuführen, von der jeder durch eigne unmittelbare Erfahrung überzeugt feyn muß und wird; oder brauchen wir vielleicht erft die propheti- ſchen Bücher zu lefen, um Die Wahrheit zu lernen;, daß: der Ochfe feinen Herren kennt, und der Efel die Krippe feines Herrn? Wer fah je unfre Hausthiere, und erfuhr nicht , daß fie ihren Herrn kennen, und fic) anders gegen $eute betragen die im Haufe befanne find , als gegen - Fremde? Wie viel Eigenfinn fehn wir nicht oft das Pferd gegen den ungewohnten Keuter äußern, und gegen den Fremden, der es nicht geroohnlich zu lenken pfiegt; mit welcher Wurh fälle nicht der Hund den Fremden an, und wie freundlich empfängt er nicht den Hausgenoffen und Defannten? Was follen wir wohl von dem halsitarrigen Widerwillen denken, den der Hund zumeilen gegen ein zelne Menfchen zeige? hat es damit nicht faft eben die DBemwandniß , als wenn gerwiffe Menfchen in ihren Ge— fichrszügen und in ihrem Betragen etwas haben, das andre von ihnen zuruͤckſcheucht. Dies habe ich felbft an Udeis bemerkt, Es war in Juͤtland ein Menſch, der oft mie mir Gefchäfte hatte, und gewöhnlich mehrere Mal jede Wehe in mein Haus ans aber der Hund konnte diefen Mens ſchen niemals ausftehen; er zeigte ſich immer ſehr erbit— sert gegen ihn; und faft mögte ich in Verſuchung gera- then, den Hund diesmal für flüger zu halten als ich es felbft war; wenigftens habe ich in der Folge erfahren, Daß er eben nicht Unrecht hatte, wenn er anders aus Ge« fuͤhl für feinen Heren fo böfe that, Sowohl in Juͤtland als in 3 lebte Udeis mit allen Banerm ohne Aus- nahme, nahme, Freundfehaftlich und in gutem Werftändniffe; es war ein fehr feltner Fall, daß er einen Bauern anbellte; indefien bemerfte ic) doch, daß er gegen ein paar Bauern Antipathie hatte, und dies war etwas fo ungewöhnliches, daß es meiner Aufmerffamfeit nicht entgehen konnte. Wie fehen wir nicht felbft das einfältige Federvieh fich um den verfammeln, der fie gewoͤhnlich zu füttern pflege, Aber zeige dies nicht alles Kenntniffe, und Kenntniſſe in verſchiednen Graden? ‚Und nun die Kunſtfertigkeiten, welche die Thiere ſich unter Anführung des Menfchen , zu erwerben fähig find, von denen fie, nad) dem Zeichen und dem Befehl; den er ihnen giebt, Diefe oder eine andre äußern fonnen; fegen fie nicht Vorftellungen von den verfchiednen Handlun⸗ gen voraus, und von den Zeichen, nach welchen das Thier fi) zu diefer oder jener beftimme. Selbſt unter wilden Thieren finden wir vielfältige Kennzeichen von diefer Vor⸗ ftellungsfraft, nach welcher fie würfen. So wird der Bar, unter mehreren Feinden, immer, ohne je zu irren, feinen Angrif auf denjenigen richten, der ihn reizte oder verwundete; und der Affe wird ſich wohl dafür hüten, daß er nicht wieder in der Schlinge gefangen wird, aus der er fich einmal gerettet hat, Wie mißtrauifch ift nicht der Fuchs gegen die Sockfpeife, bie ihn in die Salle führen ſoll? Oft rettet ein einzelner Fuchs nicht allein ſich, fons dern auch andre von feiner Gattung, indem er die Streu, womit das Eifen bedeckt ift, wegräumt, und fich entfernt, ohne feine Begierde, dasjenige zu genieflen, wodurch er möchte gefangen werden, zu befriedigen. Zerſtoͤrt die Wohnung und die Verfchanzungen des Biebers, und er wird nicht oͤfter da bauen, wo er erfahren hat, daß er nicht en 95 nicht in Ruhe ſeyn kann. Laͤuft nun aber nicht dies alles in dem einen Erfahrungsſatze Befanen Die * haben Kenntniſſe. — So wie die Menſchen alle ———— welche fie von den äußern Dingen haben, durch die Sinne erwer— ben , fo lehrt auch Erfahrung , daß die Thiere vie Kenntniß ‚ die fie von den außern Dingen haben, mit Hülfe ihrer Sinne, und vermittelt der Ein: würfung der aͤußern Dinge auf diefe Sin, erlangen. Der blinde Menfch hat feinen Begrif von Fichte ſtralen und Farben eben fo wenig der taube Menfch fich eine Vorftellung von den Tönen und ihrer Berfchiedenheit mas chen kann; fo aber geht es auch mit den Thieren: fie werden, wie der Menfch, obne alle Kenneniß von: der Welt gebohren, von welcher fie ein Theil ſind, und duch den Gebraud) ihrer Sinne lernen fie in dem groͤßern oder Heinern Würfungsfreis, morin fie fi) bewegen: ,' erſt nach und nad) die Dinge fennen. Man wird bievon viele überredende Beweiſe finden , ; wenn: man auf die Thiere in ihrer Jugend aufmerkfam ift. Die Kage und der Hund erhalten erft durch Erfahrung, Vorstellung vor dem Unterſchiede zwifchen Wärme und Kälte; fie lernen durch Geſchmack und Gefühl die warmen Nahrungsmife tel von den Falten unterfcheiden. Es geht ihnen im Ana fange gerade, wie den unerfahrnen Fleinen Kindern, die zwar wohl einmal den Finger ins Licht ſtecken Fonnen, weil fie mit den Wirkungen des Feuers unbekannt find, aber hernach Hüter das gebrannte Kind ſich vor Feuer. Und fo * die Thiere in ihrer erſten Jugend: Geruch und Auge 96 —— Auge reizt den Hund und die Rage, die Speiſe zu ges nießen, die ihnen vorgeſetzt wird, aber durch Geſchmack und Gefuͤhl haben fie vorhin die unangenehmen Empfin— Dungen Eennen lernen, welche gar zu warmes Effen oder Getränk ihnen verurſacht; und die Katze infonderheit, Die nicht gut Warmes verträgt, nähert ſich nun mit, Behut⸗ famfeit ver Nahrung, braucht den Fuß ſtatt der Zunge; um den Grad der Wärme zu unterfichen, und mirft zus weilen das Trinkgefäß übern Haufen, damit das Öetränf um w ei abgefühle werde, Zu Vorſicheigkeit aber iſt das Thier durch vorhergehende ſinnliche Erfahrungen von den verſchiednen Wuͤrkungen der warmen und kalten Nahrung auf ſeinen Koͤrper, angefuͤhrt worden. Und ſo verhaͤlt es ſich auch mit ſeinen uͤbrigen Kenntniſſen; ſie gruͤnden ſich insge— ſammt auf ſinnliche Erfahrungen. Daß das Thier von Zeit und Raum auf eben die Weiſe Begriffe habe wie wir, kann man nicht annehmen; daß aber daß Pferd und der Hund z. B. eine kuͤrzere und laͤngere Entfernung von einander zu unterſcheiden wiſſen, daß der Hund ſich die Stunde des Tages zu merken weis, wann er ſeinen Herrn erwarten kann, daran kann niemand zweifeln, der auf dieſe Thiere aufmerkſam geweſen if. So wird wer der Pferd noch Hund mit gutem Willen verſuchen uͤber Gräben und Hecken zu ſetzen, wenn fie nicht zum Bor: aus erfahren haben, wie weit ihre Kräfte reichen konnen, oder die Entfernung fo gering ift, daß fie ‚augenblicklich fühlen, der Sprung fey thunlid. Was aber thunlid) oder unthunlich iſt, das wiſſen fie aus vorhergehenden Verfuchen, in welchen fie immer von Fleinern Sprüngen zu groͤßern fortſchreiten. Jeder, Der es gefehen hat, Kt wie — — 97 wie man die Huſarenpferde nad) und nach daran gewohnt über Gräben zu fegen, und fie anfangs nur über unbe— deutende Löcher fpringen läßt, was fie demungeachtet ſehr ungerne thun, wird auch) Darin einen Beweiß Davon fin- den, daß bey den Vorſtellungen der Thiere finnliche Er— fahrungen zum Grunde liegen, 6. 10% Mie der Menfch die Vorftellungen, die er durch ein Sinnenwerkzeug erhält, mit den Erfahrungen berichtigen muß, die er durch Die übrigen Sinne fich zu erwerben im Stande ift, fo verhält es fich auch mir den Thieren ebenfalls, fie berichtigen den einen Sinn durch den andern. Durchs Gefiche allein Fann der Menſch Feine Kennt⸗ niß, geſchweige denn voͤllige Gewißheit von den Beſchaf— fenheiten fluͤßiger Dinge erlangen. Geſchmack und Ge ruch muͤſſen hier dem Geſicht zu Huͤlfe fommen, um die Wahrheit ausfindig zu machen. Das Gefühl muß fih mic dem Geſicht vereinigen, wenn ein beftimmter Begriff von der Figur, Schwere, Härte, Zuſammenhaltung u. f. m. der Körper entftehen fol. Auf eben die Weife muß auc) das Thier mehrere Sinne anwenden, um rich- tige Vorftellungen von den Dingen zu erhalten, und alfo Burch fortgefegte Erfahrungen feine Kenntniffe zu ver— mehren und zu erweitern, Mehr als einmal habe ich mic Vergnügen gefehen, mie eine junge Kaße, die fehr ge— fraßig war, ſich dur) die Ausdünftungen der Speifen eänfchen ließ. Indem fie bloß ihrer Nafe folgte, ohne die Augen zu gebrauchen, furhte fie, überall im Zimmer herum, lief oft dicht vor denfelben vorbey, ja ſogar eini- gemal rund um das Faß, worin fie lagen, ohne fie zu | & — finden. 98 finden. Die Urſache war feine andre, als daf die Kate den ausgedünfteten Partifeln des Eſſens nachlief, die ſich überall im Zimmer verbreitet hatten; wo fie fich hin- wandte, begegneten ihr diefe Partifeln, und ihre Ge- fräßigfeie erlaubte ihr nicht, ihre Augen zu gebrauchen. Endlich wurde fie es müde, dem Geruche nachzulaufen, und fah fich vor. Die Vorfichtigfeit der Pferve, wenn fie durch Moräfte oder Gewaͤſſer geben follen, ift befannt genug; fie fühlen fi vor, da, wo fie nicht ſchwimmen fönnen, ob der Boden weich oder hart ift. In gefähts liche Moräfte wagen die Pferde fi) mit dem größten Widerwillen, und thun alles mögliche, um es zu ver— meiden; man vermuther, daß im legtern Falle der Ges ruch ihnen die Gefahr anzeige. Im erftern bedienen fie ſich des Gefühls, um das Geficht zu berichtigen. Anmerkung. 1) Zum fernern Beweife, daß die Thiere durd) finnliche Erfahrungen Flüger und vorſich⸗ tiger werden, und daß fie Feine Voftellungen von Dingen und Ereigniffen haben, die fie nicht ſchon ehedem mit den Sinnen vernommen haben, verdienen folgende Er— fahrungen bemerkt zu werden, Ein ruſſiſches Schiff, das 1741 unter der Anführung des Kommandeur Be: ring, ausgefandt war, um die nordöftliche Durchfabre nach Afien zu ſuchen, ſah fih durch Krankheiten‘ unter dem Schifsvolfe und andre widrige Zufälle, gend« thige, gegen das Ende des Jahrs auf Die Küfte von Kamtſchatka einzulaufen. Sie brachten verfchieone Todte ans Sand, und eine Art von Fuͤchſen, die fich dort aufhalten, fand fich nun in großer Dienge bey den Leichen ein, ohne die geringfte Furcht vor den Ruſſen blicken zu laſſen; fie liefen fogar nicht einmal weg, wenn jemand N zu 99 zu ihnen kam, fo daß man Mühe hatte, fie von den fod« ten Körpern entfernt zu halten. Ein Beweiß, daß diefe Thiere vorher keine Menfchen gefehen hatten. Muͤllers Ruſſiſche Sammlungen. Petersburg, 1758 3. B. © 233. Ebendaſelbſt, S. 244, wird erzaͤhlt, daß dieſe Keifene den auf der Durings-Inſel gleichfalls dergleichen Süchfe und Seeottern antrafen, welche nicht die geringfte Zurche vor dem Menſchen zeigten; dech, heißt es Seite 248, lernten die Orten zulegt, nachdem man eine große Menge von ihnen getoͤdtet hatte, fich vor ihren Feinden fürchten. ©. 358. wird von einem Seethiere, Momati oder Seekuh genannt, erzählt, daß es fehr fehwer zu fangen war, weil es niemals an Land fam, fondern ich immer an den Küften aufbielt. Die Jungen blieben zu« weilen auf dem Trocknen liegen, wenn zur Ebbezeit das Waſſer fie verließ, und dann fonnte man fie toͤdten. Die Alten, ſagt der Verfaffer , welche vorfichtiger waren, und zur rechten Zeit mit der Ebbe fortgiengen, konnte man nicht anders als mit Harpunen fangen, von denen fie fich doch oft loßriſſen. 2) Zordrager erzählt von den Waltrofen, daß auch fie gelernt haben, fi) vor dem Menfihen, ihrem Feinde, in Acht zu nehmen, Was die Wallroffe anbe- trift, fagt er Seite 243., welche man ehemals auf, dem Sande in großen Haufen verfammelt fand, wo man fie toͤdtete, fo fängt man fie zwar noch, aber nicht auf vem Sande, fondern auf Eisfihollen und im Waffer, und auch) bier trift man fienur hie und da einzeln, nicht aber in Hau⸗ fenan, An einigen, und zwar meiftens ungewöhnlichen Orrten, findet man fie zuweilen nech auf dem Sande, aber dies ift immer auf weit entfernten Untiefen und Sanbbäne. © 2 fen, 100 en Een, wo feleen Schiffe hinfommen. Doc find diejeni= gen, welche man fo antrift, durch die langwierige und jährliche Jagd, fo vorfichtig geworden, daß man felten etwas gegen fie ausrichtet, da Die unterften gewoͤhnlich nahe am Waſſer, und die andern nicht weit davon ent= ferne liegen, jo, daß fie in der Geſchwindigkeit die See erreichen fonnen. Der Fang ift daher, fagt der Vera faffer, ist nicht fo gut, als vorbin, da fie nicht fo liſtig, und ganz unfchuldig waren. In den erſten Zeiten des Fanges, ehe fie die Verfolgungen der Menfchen kennen Vernten, lagen fie ganz ruhig, wenn fie Leute und Boͤte landen fahen, und waren ohne alle Furcht. ©. 246. Mir den Wallfiſchen verhält es fi) eben fo, fie find durch unaufhoͤrliche DVerfolgungen furchtſam und vorfichtiger geworden. Als die Holländer zuerft anfiengen diefen Bang auf Spisbergen zu treiben, ſchwammen die Walls fifche auf das Schiff zu und um felbiges herum, und konnten ohne Mühe gefangen und getödtet werden. Aber fie lernten ihren Feind kennen und ihn fliehen. ©. 297- Daher geſchah es denn, daß die Wallfiſche ſich immer weiter und weiter von den Stellen zuruͤck zogen, wo ehe— dem der beſte Fang war, bis man ſie zuletzt mit großer Gefahr, mitten im Meere, zwiſchen dem Eiſe ſuchen muſte. C. G. Zordragers alte und neue Groͤn— laͤndiſche Fiſcherey und Wallfiſchfang, u. ſ. w. Leipzig, 1723. 4 3) In Cooks dritter und letzter Reiſe, findet man einige ähnliche Erfahrungen, So z. B. von den Gera binden, auf Kerguelens Eyland, welches unter 48°2 6° -füdlichee Breite, zwiſchen dem DVorgebürge der guten Hofnung und Neuholland, liege, Diefe Thiere waren, wie Cook erzähle, fo wenig fehlichtern, daß er fo vicle von ihnen toͤdten Fonnte, als er nur immer wollte. Ihr Etillefigen, war ein deutlicher Beweiß, daß fie felten, oder vielleicht niemals, von Menfchen beunruhiget wor⸗ den waren. Des Eapitain Jacob Cooeks dritte Entderfungsreife in die Süpdfee und nad) dem Nordpol — aus dem Englifchen überfeßt von G. Forſter. Berlin, 8. 1789. 1.9. ©. 86, Don den Seebären wird Seite 90. , eben daſſelbe erzähle, So wird auch von einer Art Vögel, die ſich in großer Menge auf dem Strande aufhielten, berichtet, daß fie ſich fo wenig vor Menfchen fürchteten, daß man fie mit Stoͤcken todfchlagen Fonnte. 4) Vaillant erzähle in feiner Heifebefchreibung, g daß ſeine Aeltern auf einer Plantage in Paramaribo, der Hauptniederlaſſung in dem hollaͤndiſchen Theil von Guia— na, in Sübdamerifa, wohnten. Eines Tages ſchoß er, auf einer von feinen Excurſionen einen weiblichen Affen von berjenigen Art, Die in Surinam Babur genannt wird, deren Junges fo feſt an dem Ruͤcken feiner Mut: ter hieng, daß Daillant bey feiner Zuhaufefunfe einen Neger zu Hülfe nehmen mußte, um es davon loszureißen. Aber in demfelber Augenblicke fuhr der junge Affe ſo fehnell wie ein Wogel, auf einen Peruͤkenſtock zu, wo die Perüfe von Vaillants Vater hieng, und bier Flame merte ev fich fo feit en, daß man ihm drey Wochen lang an dieſem Orte fein Futter reichen mußte, bis er endlich von ſelbſt die Perüfe verließ. Le Vaillant Reife in das Innre von Afrika, vom Borgebürge der guten Homung aus. In den Jahren 1780 Dis 35. Aus dem Franzöfifchen. Frankfurt am Mayr, 2790. in der Einleitung, ©. 4» due | & 3 g. 17: 192 — — Gr Erfahrung lehrt, daß die finnlichen Worftellungen bey den Thieren auf eben die Weife hervorgebracht wers den, und eben denfelben Regeln folgen, wie ben dent Menſchen. Wir wollen der Deurlichkeit wegen die Re— geln anführen, Die wir in dieſer Kette mit Geroißheit zu entdecken im Stande find, A) Wenn in den Sinnwerkzeugen ver Tiere, oder, in einer, von den im Körper überalf verbreiteten Nerven , eine Werandrung vorgeht, und diefelde fih in das Gehirn verpflanzt, fo folgt darauf allezeit eine Borfitlung von Dies fer Berändrung. Die Erfahrungen von Menfchen und Thieren, fiimmen in diefem Fall vollig mit einander überein, Man mishandle in menfchlichen oder ehierifchen Körpern ein Glied, in welhem Nerven laufen, die durch den Eindruck, der auf fie gemacht wird, verändert werden fonnen, und fomohl das Thier als der Menfch, empfins det augenblicklich die Würfung diefer Handlung, a, berührt man einen Koͤrpertheil fo leife, daß die in ſelbi— gem bewürfte Veraͤndrung, den Nerven nicht ſtark ges nug bewegt, um die Bewegung weiter fortzupflanzen, fo erfolge freylich Feine Vorftellung, und zwar darum, weil die Berändrung den Nerven im Gehirn nicht mit: getheile wird; aber in jedem andern Falle folge die Vor— ftellung unmittelbar auf den im Korper gemachten Ein- drud. Die Bewegungen der Thiere, ihre veränderten Mienen, ihr Echreyen und Wehklagen bey den Mis- handlungen des Menfchen, find eben fo ftarfe Beweis— gründe, gründe, daß diefe Regel auch fuͤr ſie gilt, als die Klage— toͤne des Menſchen in aͤhnlichen Faͤllen beweiſen, daß fie bey ihm ſtatt finder. B) Wenn die Sinnwerfzeuge der Thiere, oder, allgemein zu veden, ihre Nerven, in ihrem natürlichen Zuftande und völlig in Ordnung find, und die Außern Gegenftäinde fich dann in der Nahe befinden, daß fie auf ihre Sinne würfen koͤnnen, und würklich wuͤrken, fo fteht «8 nicht in der Gewalt des Thiered, die Borftellung von den gegenwartigen und auf den Körper deſſelben würkenden Dingen zu finden. Man zeige hungrigen Hunden oder Kagen, zeit oder Mil), und man wird finden, daß Die Borftellung von dem mwürflichen Genuffe diefer Dinge, bey dem Thiere nicht weniger lebhaft ift, als beym Menfchen in aunlie hen Fällen. Man fchieße in der Nähe eines Pferdes, das niche daran gewöhnt ift vorm Schuße zu ftehen, ein Gewehr ab, und obfchon es für feine Bewegungen, und Seitenfprünge geftraft wird, wird es doch nicht ver— hindern fonnen, daß der wiederholte Schuß diefelbe Er- ſchuͤtterung in feinen Ohren, diefelbe Vorftellung in feis ner Seele, und diefelben Verändrungen in feinem Be— tragen veranlaffe. Freylich, wenn man das Pferd weis fer von dem Orte wegführt, wo geſchoßen wird, fo wird der Eindruck, den der Schuß auf fein Ohr macht, um jo ſchwaͤcher, und alfo die Vorftellung von demfelben weniger flarf und lebhaft feyn, als fie vorher war. Führe man es vollends fo weit weg, daß es den Schuß gar niche mehr hört, fo hören auch die Veraͤndrungen in feinem Betragen auf, weil die Bewegungen in feinem, | G 4 Ohre, 104 — — Ohre, und die durch ſelbige in ſeiner Seele veranlaßten Vorſtellungen, von denen jene Seitenſpruͤnge die Folge waren, nicht laͤnger ſtatt finden. Allein ſo lange das Thier ſich in dem Zirkel befindet, in welchem es ſeyn muß, wenn es von den wuͤrkenden Objekten klare Vor— ſtellungen erhalten ſoll, ſo lange muß es ſich auch die Dinge deutlich vorſtellen, die auſ ihm wuͤrken; und iſt das Thier gerade an dem Orte des Sinnenkreiſes, der yon allen der bequemſte iſt, um von den Dingen die färfften und unmictelbarften Eindruͤcke zu erhalten, fo wird es auch genoͤthigt fern, die ftärfften und lebhafte— fien Vorftellungen von den würfenden Gegenftänden zu haben, fo lange es fich in diefem Pnukte aufhält. | C) Die ftarfern ſinnlichen Empfindungen ſchwaͤchen bey den Thieren die gleichzeitigen ſchwaͤcheren. Wie der volle Glanz der Sonne uns hindert das ſchwaͤchere Licht der Planeten zu bemerken, fo geht es auch mit den ſchwaͤchern Empfindungen; fie werden nicht bemerft, wenn ftärfere Eindrücke auf unfre Sinne, ge» waltfamere Einpfindungen erregen, die fodann Die ganze Aufmerffamfeit der Seele auf fi) ziehen. Ein Menfch, Der auf die Folter gefpannt wäre, würde es nicht merfen, mern man ihn mit einer Feder kitzelte; indeffen verurſachte Diefe Feder doch gewiß eine Verändrung in den Nerven, welche der Menfch unter andern Umftänden mit vollig deutlichem Bewuſtſeyn bemerkt haben würde; itzt aber bleibt fie unbemerkt, weil gewaltfamere finnliche Empfin⸗ Dungen, fich ganzlic; der Aufmerffamfeit der Seele be= maͤchtigt haben. Ein Menfc), der unter heftigen Ner⸗ venfrämpfen leider, wird fich Durch die angenehmfte Mu- Kt — 105 ſik nicht erfreut ſinden, wie ſehr er auch ſonſt davon ein⸗ genommen ſeyn mag. Aber gerade ſo verhaͤlt es ſich auch mit dem Thiere, die ſtaͤrkern ſinnlichen Empfindun⸗ gen deſſelben unterdrücken die ſchwaͤchen. Das Pferd, weiches fcheu wird, und dem Gegenftande feines Schrefe kens ausweichen will, fühle unläugbar einen ziemlich hoben Grad von finnlicher Furcht; aber wenn es nun Durch Sporn und Deitfche gezwungen wird, auf dem beftimmeen Wege fortzugeben (ob fihon dies nicht der rechte Weg ift, es von feiner Schüchternheit zu heilen) und dies wuͤrklich thut, fo überwiegen die auf diefe Art erregten finnlichen Empfindungen jene Furcht, welche zwar durch das Gehör, Geficht oder Gefühl veranlaße wurde, aber doc) gröjtentheils eine Wuͤrkung der Eine bildungskraft war, Anmerfung. Furcht vor dem Tode, und alfe Furcht vor dem Menſchen, infonderheit aber Furcht vor dem mit Feuergewehr bewafneten Menſchen, ift eine eben fo watürliche als ftarfe Empfindung bey den Thieren; daß aber Hunger und Durft noch jtärfere, und zwar fo heftige Empfindungen erregen, daß jene ihnen gaͤnzlich < weichen muß beweiſet folgende von Sparrmann ange= führte Begebenheit. In einer fehr trocknen Gegend, bey der Duammedarfa: Duelle in Afrifa, waren die Vögel genoͤthigt, diefe Quelle zu befichen, um in Der heißefien Tageszeit ihren Durſt zu löfchen; und ob ſchon, ſagt er, einige von ihnen es nicht vermeiden konn⸗ ten, durch mein Feuergewehr verwunder und verjage zu werden, und den Schügen nur gar zu gut fahen, fo fehrten fie doch nach) und nad) wieder zum Rande des Waſſers zuruͤck, um in gröfter Eile ihren Schnabel bin- 3; ein * 106 — ein zu tauchen, und ihren brennenden Durſt zu loͤſchen; wobey ſie durch ihr unruhiges Zwitſchern, nicht allein ihre gefaͤhrliche Lage zu klagen, ſondern mir auch meine Grauſamkeit zu verweiſen ſchienen. Dieſes an ſich ruͤh— rende Schauſpiel hätte billig um fo weniger feine Würs fung auf mic) verfehlen follen, da die Hiße und das ſchlechte Waffer mich mit einem beynahe unaufhörlichen Fieberdurft peinigten. Sparrmanns Reiſe, Seite 405.6. D) Die Borftellungen , die das Thier durch unmittelbar gegenwaͤrtige Eindruͤcke auf ſeine Sinnwerkzeuge erhaͤlt, unterdruͤcken gemei— niglich alle andre Vorſtellungen, die nicht gleich, fall8 durch einen unmittelbar gegenwärtigen und wiürfenden Gegenſtand veranlaßt werden. Die vereinigte Neichsarmee und die franzofifchen Truppen, deren Andenken die Schlacht bey Roßbach verewigt bat, hegten große Begriffe von ihrer eignen Macht, und der Geringfügigfeit des preuffifchen Heers; fie glaubten fic) des Sieges fo gewiß, daß fie es faft für eine Schande hielten, darum zu fampfen; aber alle diefe Vorftellungen , fo lebhaft fie auch waren, verfchwanden, als die preuffifchen Batterien zu fpielen anfiengen, und Seidlitz mit feiner Kavallerie wie ein Blitz über fie here fuhr. Die Vorftellung von Ehre und Macht, wich den mächtigen Gefühlen, die das preuffifche Feuer und die preuffifchen Säbel, vermöge der Sinne, in ihren Feinden erregten. Der Delinquent mag ſich noch fo feft vorgefegt haben, die Wahrheit zu verheelen , um der endli— chen Strafe zu entgehen, die das Geftändniß feines Verbre« chens ihm zuziehen fonnte; fein Borfa weicht gemeiniz glich — 107 glich der angebrachten Tortur, und den ſinnlichen Schmer⸗ zen, welche Diefelbe erregt. So aber geht es aud) mit dem Thiere. Ks mag für den Augenblick noch fo große Sit bezeigen, eine gewiſſe Handlung vorzunehmen; fey es, daß es efien, fpielen, oder fich auf eine willkuͤhrliche Arc bewegen will; durc äußerlich angebrachte Zwangs—⸗ mittel, durch Schläge u. dgl. werden in feiner Seele Ems pfindungen erregt werden, welche die andern Norftellun« gen gänzlich verdrängen; und von denen es augenfcheine lich ift, daß fie diefelben unterdrücken, indem das Thier auf eine. ganz andre Art handelt, als es gehandelt haben würde, wenn es feinen erſten Vorftellungen, und der Neigung, Die fich darauf gründete, gefolgt wäre. Und bier erinnere man fi) ntır daran, wie der Hund und das Dferd gezwungen werben, ihre herrfchendfien Gewohnheis ten und Neigungen abzulegen, wie man fie ſowohl als den Bären nöthige, das zu hun, wozu fie weder Luft noch Trieb haben; und dies gerade, weil die unmittelba« ven finnlichen Eindrücke, alle andre Gefühle und Begiers den übermältigen, die fie fonft etwa haben mögten. Anmerfung. Hieben ift indeffen wohl zu mer fen, daß, ob fehon nach dem gewöhnlichen Gange der . Seele, fowohl des Menfchen als des Thieres, die ges genwärtigen ſinnlichen Gefühle, alle andre Vorftellungen überwältigen, fo Bat doch diefe Regel bey beyden ihre Ausnahmen, Es ift bekannt genug , mie fehr gewiffe Amerikaniſche Völferfchaften fi gegen die graufamften Dualen abgehärtet haben, und daß fie eine Ehre darin fegen , dieſe Qualen zu erleiden, ohne das geringfte - Zeihen von Schmerz blicken zu laflen. Gerade die tapferften Krieger werden, wenn fie ihren Feinden in die Hände Hände fallen, zu ben fürchterlichften Marten beftimmez; - und fie ertragen felbige mit einer Standhaftigfeit, die die Kräfte der menfchlichen Natur zu überfteigen ſcheint. Sie reizen fogar, unter dem Gefühl der graufamiten Mishandlungen, ihre Henker, fie noch mehr zu peinie gen, als diefe zu thun im Stande find; fie erzählen ih— nen auf welche Arc fie felbft ihre Gefangen gemartert ha= ben, und untereichten fie alfo in den Martern, die fie feldft nicht zu erfinden vermogten. So habe ich irgendwo von einem gefangnen Krie« ger gelefen, dem einer von feinen Seinden die Nägel ab— riß und fie in feine Pfeife ftopfte, um fie unterm Taback zu rauchen. Der gebundne Gefangne verlangte zu ſchmecken, was für Würfung diefe Nägel thäten, und nun ftecfte fein Henker ihm den glühenden Pfeifenkopf in den Mund: er zermalmte ihn zwifchen den Zähnen, fpie Dem, der ihm die Pfeife gegeben hatte, die Stuͤcke ins Geficht und fagte: er felbft habe oft die Drägel des Volks geraucht, deſſen Gefangner er itzt wäre, und ihre Naͤgel hätten einen beſſern Geſchmack als diefe. Hier fiegte das Gefühl von Narionalehre über das heftigfte Gefühl von gegenmwärtigem finnlichen Schmerz. Aehnliche Beyfpiele bat man aber auch von Thieren. Man hat Dferde gefehen, die auf Feine Weiſe dahin zu bringen maren, dafz fie ſich reiten ließen; und mir iſt unter endern ein folcher Fall von einem Pational- Reuterpferde befannt, das einem Prediger in Juͤtland gehörte, und in feiner Arc wohl den Amerifanifchen Wilden an die Seite gefegt zır werden verdient. Das Pferd war ſchoͤn und guet, und das Regiment wollte es ungerne verlieren; man verfüchte daher alles mögliche, um es zu bändigen, 9 — Ä 109 ja; man mißhandelte es ſogar mit Grauſamkeit; aber der Eigenſinn des Pferdes war unuͤberwindlich. Es hielt zwo Mufterungen aus, in welchen es alles mögliche litt, worauf man denn genöfhigt war, es zu Eaffiren. Aber auch hier waren alfo Die gewaltfamften finnlichen Eine Drücke nicht vermögend, die Vorſtellungen zu unterdrüfs fen, welche in der Seele des Pferdes die herrſchen⸗ den waren, a So wie die Thiere ihre Kenntniffe von Aufern Dingen vermöge ihrer Sinne erhalten, fo dienen dieſe Sinne den Thieren auch zu fichern Fuührern, um von der Natur der außern Dinge, ihren Wuaͤrkungen, und Berhaltniffen gegen fie, die ihnen nörhigen Kenntniffe zu erhalten. Ihre Sinne täuschen fie nicht; Diefe Kegel gilt in völlig gleichen Berftande und unter einerley Bedingungen, fo wohl von den Sinnen der Menfchen als der Thiere Wenn wir Menfchen durch das Geficht eine vollig deutliche Vorftellung von den außer uns befindlichen Koͤr⸗ pern erhalten follen, wenn der Geruch uns die Ausdünftungen derſelben foll empfinden laffen, wenn das Gehör uns Begriffe von Worten und Tönen geben foll; fo ift dazu nicht ges nug , daß wir Augen, Naſe und Ohren haben, nicht genug, daß Licht und Luft und Ausdünftungen und Körper, aufs fer uns und um uns, fich in der Naͤhe befinden, daß fie euf unfre Sinne würfen Finnen; fondern unfre Sinn— mwerfzeuge müffen dabey auch in dem vollkommnen und unverdorbren Zuftande feyn, der fie fähig macht, mit geichtigfeic die Einwärfung der Dinge anzunehmen. Dem Gelbſuͤchtigen ſcheint alles, mas er fieht, eine gelbe Farbe 110 Farbe zu haben; ter feine Naſe durch häufigen Gebrauch son ftarkriechenden Dingen verdorben, oder feine Geruchg: nerven Dadurch verſtimmt bat, daß er fich beftändig unter ſtark irvitirenden Austünftungen aufhielt; wer in der Struktur des Ohresdiefen oder jenen Fehler hat, ber iſt natuͤrlicherweiſe nicht im Stande, die feinern Ausduͤn- ftungen, oder die ſchwaͤchern Tone zu vernehmen, Die jeder andre mit vollfommnern und unverdorbnen Sinnen vernehmen wurde, Die Luft ift das Medium, durch welches, und ver- möge defjen die Lichtftralen und Ausduͤnſtungen und bet Schall in die Sinne verpflanze werden und auf felbige mwürfen, woraus denn in unfrer Seele Vorftellungen ı entſtehen. Wenn nun aber die Luft, die ſich zwifchen uns und den Körpern befindef, Die Luft, welche die Licht⸗ ftralen und Ausvünftungen, die auf uns wuͤrken follen, durchlaufen müffen, mit Nebel oder einer Menge andrer Ausdünftungen erfülle ft, fo folgt daraus ganz natuͤr—⸗ lich , daß wir gehindert werden die Dinge zu fehen, Die wir in einer bellern Luft gefehen haben würden, Die Aus— dünftungen zu riechen, die wir in einer veinern Luft hät ten riechen fünnen. Wenn die Luft um ung her Dur) einen fliegenden Sturm, oder durch die Kanonade einer zahlreichen Xrtillerie in Aufruhr gefegt ift, fo werden wir ſchwerlich die Schläge einer Repetieruhr in der Entfere nung von unferm Ohre zu hören im Stande feyn, in der wir fie fonft hatten hören fünnen. Auch begegnet es dem Menfchen oft, daß feine Gedanfen und Aufmerfe famfeit fo feft auf einen gewiſſen Begenftand gebefter find, daß er nicht fieht, was um ihn her vorgeht, nicht hört, mas gefprochen wird. Die dLichtſtralen und ber Schaf wuͤrken An 111 — —— — — I wuͤrken nichts deſtoweniger fonder Zweifel auf feine Sin⸗ ne; und die Schuld liege nicht an diefen Organen, wenn die Seele von den Einwürfungen der Gegenftände auf fie nichts vernimmt; die Schuld liegt an der Seele felbft, deren Aufmerffamfeit gänzlich auf andre Dinge und Bee trachtungen hingewandt ift. Auch das lehrt uns die Erz fahrung, daß das Auge allein, ung eben fo wenig einen vollfommnen deutlich beftimmten Begriff von der großern oder geringern Durchdringlichkeit der Gegenftände zu geben vermag, als das Gefühl allein uns in Stand fegen kann, über Höhe und Länge richtig zu urtheilen. Wir würden eben fo oft irren, wenn wir die Härte der Körper blos nach dem Anfchein beurtheilen wollten, als wenn wir den Gefchmac der Dinge nad) ihrer Farbe beure eheilten. Hier muß daher ein Sinn ven andern leiten und berichtigen, fo wie ein Sinn zum Behuf des andern da ift, und ale zufammengenommen, in der einzigen Abſicht verliehen find, uns richtige Vorftellungen von "den äußern Dingen zu verfehaffen, in dem fie fid) verei⸗ rigen, um gegenfeitig durch ihre ſaͤmmtlichen Erfahrun— gen über denfelben Gegenftand, einander zu unterftügen und zu leiten. Abet auf diefelbe Weife und in demfelben Zufam- menhange gilt eben die Wahrheit von den Thieren, die von dem Menſchen giles ihre Sinne täufchen fie nicht. Laßt die Kage nur fo nahe feyn, daß entweder ‚ Ihre Ausbünftungen, oder die von ihr zuruͤckgeworfnen lichtſtralen, von der Naſe oder dem Auge der Kage, aufgefangen werden fonnen ; laßt diefe Sinnmerfzeuge der Rage in ihrem natürlichen und unverborbnen Zuftande ſeyn; laßt Feine ftärfere Ausbünftungen von andern Koͤr⸗ pern 513 | pern, den Sinnenfreiß angefülle haben, wodurch jene zu ſchwach werden, um ſich von diefen auszeichnen zu koͤnnen; laßt endlich die Aufmerkſamkeit des Thiers nice auf einen andern Fang hingewandt, oder durch eine ans Dre ftärfere finnliche Empfindung gefeffele ſeyn; und die Kage wird uns durch ihre Bewegungen und Betragen ſchon davon überzeugen, daß ihre Sinne fie nicht taͤu— ſchen. Daß übrigens die Thiere einen Sinn durd) der andern berichtigen, ift fchon im Vorhergehenden bewie⸗ fen worden, fo wie es überhaupt ausgemacht ift, deß verfchiedene Thierarten in vielen Faͤllen, genauere und ſchaͤrfere VBorftellungen von finnlihen Dingen haben als der Menſch, meil ihre Sinne‘ fchärfer find, als die feinigen. Ä Anmerfung. 1) Ob gleich die fharfen Sin: ne der Thiere ihnen insbefondre in Auffuchung ihrer Nabe rung zu einem fehr fichern Fuͤhrer dienen, und fie untere fcheiden lehren, was ihnen fhädlich und was ihnen zus eräglich iſt; fo ift esdemungecchter gewiß, daß fie, eben fo wohl als der Menfch, auch in dieſem Stuͤcke irren, und zumeilen das effen, was ihnen toͤdtlich iſt. Kalm erzähle von der mweiflen Nießwurz (veratrum album), die in Suͤmpfen und an feichten Orten über das ganze nördliche Amerika fehr gemein, und eine giftige Pflanze ift, daß das Vieh fie zwar gewöhnlich unberührt läßt; doch ger fchieht es zumeilen im Anfange des Frühlings, wenn bie Weide gemeiniglich fehr mager ift, daß es ſich von den fhönen grünen und breiten Blättern derfelben, Die am zeitigften hervorfchießen , verführen laͤßt, und davon frißt. Aber fie müffen eine ſolche Mahlzeit gemeiniglich mit dem Leben bezahlen. Sowohl Schaafe als Gänfe | find 213 find davon umgefommen. Man kocht die Wurzeln die- fer Pflanze in Nöaffer ab, worin man, menn es völlig kalt geworden ift, den Mays, der gefüet werden fol, hineinſchuͤttet, damit er die Nacht über ſich erweichen Fann. — denn die Maysdiebe, Kraͤhen oder andre dem Mays ſchaͤdliche Vögel, die ausgeſaͤeten Körner aufhak⸗ fen und aufpflücken wollen, fo werden fie von einem oder zweyen Körnen fo wüfte im Kopf, daß fie umtaumeln, wodurch die andern in Furcht gerathen , und fidy nicht mehr dahin wagen, Ein Beweiß, daß diefe Thiere fic) die Erfahrungen andrer von ihrer Are zu Nutzen mad)en. Wenn dahingegen diejenigen, welche von den Körnern gegeflen haben, fich wieder erholen, fo eilen fie gieich von dem Mayslande weg, und befommen weiter feine uͤſternheit, neue Beſuche Dafelbft abzulegen. Bey einer folchen Zubereitung des Mays muß man fehr forgfäitig feyn, daß feine Tiere etwas von den eingemweichten Kür- nern genießen; Denn wenn Huͤner oder Enten ein oder zwey Körner verfchlucken, werden fie fehr krank; haben fie aber Gelegenheit, mehr zu effen, fo fchlafen fie ofters fo ein, daß fie nicht wieder erwachen fonnen. Wenn Die Wurzel roh ausgeworfen wird , fo bleibe fie von den Thieren unberührt liegen; wenn man fie aber gefocht aus= wirft, werden die Thiere durch ihren füßen Geſchmack verleitet, fie zu efien. Man hat Hunde gefehen die, wen fie auch nur etwas weniges davon genoffen haben, dadurch franf geworden find. Sie haben ſich aber doch wiederum erholt, nachdem fie fih durchs Erbrechen des Schaͤdli— chen entledige haben. Denn wenn die Thiere fi) nicht auf eine folche Art davon befreyen fünnen, feßen fie öfters das Leben zu. — Reiſe, 3. Th. ©. 60:61. H ) In 114 sg 2) In Penfplvanien ift ein Baum, den die bor« eigen Schweden den Söffelbaum genannt haben, weil die Wilden in diefen Gegenden ihre Löffel und Kellen daraus zu verfertigen pflegten (Kalmia latifolia Lin.) Die Blätter deſſelben find für einige Thierarten ein Gift, an- dern aber dienen fie zum Futter. Indeſſen irren ſich doc) zuweilen die Thiere, die dieſe Blaͤtter nicht vertra- gen Eonnen, und efjen von felbigen. Vielfaͤltige Erfah— rungen haben gelehrt, daß die Schaafe, wenn fie von diefem Laube effen, entweder gleich fterben, oder doch fehr frank werden, und mit vieler Mühe erſt zu retten find. Die noch zarten Schaafe duͤrfen nicht viel Davon eflen, da fie ſchon das eben einbüßen, Die ältern aber fonnen wohl etwas mehr vertragen. Doch wird dies Futter ihnen gleichfalls tödtlich , wenn fie das Maas über- fehreiten. Sch weis felbft, ſagt Kalm, daß im Som- mer des Jahres 1748 einige Kälber von den Blättern ‚gegeflen hatten, und darnach ganz frank wurden: fo, daß fie auffchwollen, ihnen der Schaum vor dem Munde jtand, und fie nahe waren, umzufallen. Man brachte fie aber doc) durch Schießpulver und andre Heilungsmit- tel, die man ihnen eingab, wieder zuvechte. Die Schaafe find der Gefahr, durch diefes Laub verführe zu werden, insbefondre im Winter ausgefegt, wenn man fie Heraus läßt indes noch alles mit Schnee bedeckt if. Sie find alsdann auf alles, was grün ift, ſehr begierig, und fonnen fich Daher nicht enthalten, von diefen ihnen giftigen Blättern zu effen. Es haben auch Pferde, Rinder und Kühe, die über fie gerathen find, ſich fehr übel darnach befunden. Sie waren: zwar nicht davon geftorben, doch glaubte man allgemein, daß auch dieſe größern Thiere, wenn fie von dem Laube ein wenig zu viel — 115 viel eſſen ſollten, gewiß davon umkommen wuͤrden. Denn man hatte bemerkt, daß es ihnen ſchon übel genug befom- men war, wenn fie nur etwas geringes davon genoffen hatten. Hingegen find die Blätter des Loͤffelbaums ein Futter für die Hirfche im Winter, wenn der Schnee den Boden bedeckt, und fie fonft nichts zu ihrem Unterhalte vorfinden. Wenn fie daher um diefe Zeit gefchoßen wer— den, fo find ihre Gedaͤrme mit folchem Laube angefüllt. Man hat dies Eingemweide den Hunden vorgeworfen, und fie find davon ganz wild, und gleichfam trunken, zumei- len auch fo krank geworden, daß es allen Anfchein hatte, als ob fie das Leben darüber verlieren würden. Die Leute hingegen, welche das Fleiſch folder Hirfche aßen, denen dergleichen Laub angetroffen worden, fpürten Feine Ungelegenheit davon. Diefe Blätter dienen auch den ganzen Winter über gemiffen Vögeln zur Speife, welche die Schwedifchen Amerikaner für Haſelhuͤner (Hierper) erfläre haben. Kalms Reife, 2. Th. ©. 478-890. Sparrmann erzählt in feiner Reife, daß die Hottentots ten es für unfchädlich halten, reines Schlangengift zu trinken, und daß fie es fogar für ein Gegengift wider den Schlangenbiß anfehen. Sie bedienen fich auf ihrer Jagd oft vergifteter Pfeile, um Löwen und andre Thiere zu tödten, und eſſen hernach das Sleifh ohne den geringften Nachtheil davon zu verfpüren. Sparem. Reife. ©. 168.189. 191. Auch Parerfon beftätigt dies in feiner Neifebefchreibung ©. 56. und an mehrern Orten. Die Sache ift, wie Profeſſor Forſter in einer Note ©. 169. bemerkt, daß das Schlangengift nur dann fehädlich feyn fol, wenn es unmittelbar ing Blut kommt, und dies thut es nicht in dem Falle, wenn man das Fleifch verzehrt, das mit vergif teten Pfeilen gefchoßen ift. Diefe Bemerkung war aud) ben Alter nicht undefannt, man findet fie beym Lucanus L. IX. v. Se ch 610. 5 2 Ne 116 ů Ne dubita miles tutos haurire Jiquores: Noxia ferpengum eft admifto fanguine peltis, Morfu virus habet , et fatum dente minantur; Pocula morte caront. — — — Die Soldaten, in Lybien von Hunger und Durſt geplagt, fanden eine Quelle, deren Waſſer ſie nicht zu trinken wagten, weil ſie Schlangen in und um ſelbige ſahen. Und nun muntert der Anführer fie durch die Verſichrung dazu auf, daß das Schlan— gengift nur dann gefährlich und koͤdtlich ſey, wenn es durch ihr ven Biß ins Blut komme; daß man aber nicht davon fterbe wenn man es trinke, Und der Dichter fest hinzu, daß die Soldaten auf das Wort ihres Anführers tranken. Indeſſen muß man nicht glauben, daß die Hottentotten auch andre Gifte ohne Schaden trinken Fönnten. Paterſon veder von eingr Art Euphorbium, einer Pflanze, die man fuͤr die giftigſte in Afrika haͤlt, und ſie dort dazu gebraucht, die Quellen zu vergiften, um auf dieſe Art die Thiere zu fangen, welche daraus trinken. Die Eingebohrnen fehneiden von den Zweigen diefer Pflanze fo viele ab, als fie zu ihrer Abſicht hinlänglich glauben; fie leiten hierauf das Waffer in ein zu dem Ende, einige Ellen von dem Ausflug der Duelle, gegrabnes Loch, und hierin legen fie dann diefe giftigen Zweige. Die Quelle felbft decken fie forgfältig zu, fo dag das Wild, welches Wafler fucht, Feine Wahl hat. Die Einwohner erzählten Hrn, Daterfon, daß jedes Thier, welches von diefem Waſſer tränfe, unfehlbar das Leben einbuͤſſen müfte. Er feldft fah einen Zebra (eine Art von Eſeln) welcher eine hale be Viertelmeite vom Waffer geftürzt war; aber feiten legt dag Thier taufend Schritt, von der Quelle an, zurück, ehe ee ftirbt, Wilhelm Paterfons Reiſe in dag Sand der Hottentotten und der Kaffern, während der Jahre 1777: 78= 79. Aus dem Englifchen überfest, von J. R. Dorſtera Ber⸗ lin, 1790, 8. ©. 60 und 169, 3) Noch einen Erfahrungs - Beweiß für die Weir, daß die —*— in der Wahl ihrer Nahrung irren — — 117 irten koͤnnen, will ich hier herſetzen. Vor ein paar Jah— ren geſchah es im Friedrichsberger Schloßgarten, daß zwey Pferde, die daſelbſt eggten, ploͤtzlich niederſtuͤrzten. Es war im Aprill, und gegeñ Abend; der Kutſcher hatte den Zaum an der Egge feftgebunden , um die Pferde ruhen zu laflen, indes er auf einen Augenblick zur Seite gieng. Sie zogen die Egge mit fih nad) einigen Taxbaͤumen bin, die in der Mähe ffanden, und aßen von den Blättern diefer Bäume; der Kurfcher kam zurück und fieng roieder an zu eggen; aber es währte Faum fünfzehn Minuten, fo fielen fie um und ftarben. Im Neuen Schaunlag der Natur, 8. B. ©. 823. wird angemerfr, daf Pferde, Kuͤhe und Ziegen fterben, wenn fie von dem Laube diefes Baumes effen. So trug es fic) in Holland zu, daß einige Kühe, welche im Frühlinge wegen der Menge von Schnee, womit die Triften bedeckt waren, nicht hinlänglihe Nahrung fanden, das Laub von einer Taxus-Hecke, die einen Garten einfchloß der in der Naͤhe lag, aßen, und die größere Anzahl verfelben ftarb. An eben dem Orte wird gefagt, daß Pferde davon geftorben find, wenn fie von diefen Blättern, welche zufälliger: weiſe bey .Befchneidung der Hecken unter das Heu ge: kommen, und mit ihm zugleich geborgen waren, genof- fen haben. Man weiß nicht eigentlich mir Gewißheit, auf welche Art diefe Blätter wuͤrken, indeflen vermuther man, daß fie fo ſtarke und konvulſiviſche Bewegungen im Nervenſyſtem verurfachen, daß ber Tod darauf erfolgt; Die oben erwähnten Pferde im Friedrichsberger Garten, fchwollen, nachdem fie todt waren, über den ganzen Korper auf. Noch verdient es bemerft zu werden, daß: die zahmen Kreafuren in Afrifa fehe gerne bie Blätter eines überaus giftigen Zwiebelgewächfes (Amaryllis La H 3 difti- 118 — — diſtica) eſſen, ſolange dieſe Blaͤtter noch jung ſind, ob ſchon fie ſich dadurch ven ploͤtzlichſten Tod zuziehen. Da—⸗— her ſuchen die Landleute aufs ſorgfaͤltigſte zu vermeiden, daß das zahme Vieh nicht in Gegenden komme, wo fie ver— muthen Finnen, daß diefe Pflanze waͤchſt. Paterfong rReiſe. S. 168. Zweytes Kapitel. Von der Fortſetzung und Entwickelung der Vorſtellungen der Thiere. $. 19. us den bisher angeführten Beobachtungen wird es fonder Zweifel fo einigermaaßen ermwiefen feyn, daß die Thiere mit dem Menfchen darin vollig übereinftimmen, daß fie finnliche Vorftellungen haben, und diefe Vorftel« lungen auf eben die Weife und nach eben den Regeln erhalten, wie der Menſch, das heißt, durch Einwuͤrkung der äußern Gegenftände auf ihren Korper und auf ihre Sinne Wir gehen ißt weiter fort um zu unterfuchen, in wiefern die Thiere dieſe ihre finnlichen Vor— ftellungen fortfegen, entwiceln, verbinden und veredein Eönnen. Hier aber muß wieder die Erfah- rung, verbunden mit dem, was wir. in ihrem Betragen und Handlungen Uebereinftimmendes mit dem menfchlis hen entdecken formen, uns zum Wegweiſer dienen. $ 2 o, ——— 119 $. 2% Erfahrung lehrt, daß die Thiere nicht allein diejenige ſinnliche Vorſtellung von den Dingen haben, melde durch die unmittelbare Einwürfung diefer Dinge auf fie, erregt wird, fondern daß es in der Gewalt des Thieres ſteht, unter mehrern gleichzeitigen Vorftellungen, eine insbefondre fortzufegen, und fi) Dadurch genauere Kennt: niß von dem Gegenftande zu verfchaffen , durch welchen diefe Vorftellung erregt wurde Dies heiße denn mit andern Worten: Das Thier ift fahig, auf ein Ding mehr, als auf ein andres, Aufmerkſamkeit zu zeigen. Wir dürfen nur die Hausthiere betrachten, die wir täglich zu beobachten Gelegenheit haben, um uns von diefer Wahrheit zu überzeugen. Die Kage und der Hund find, befonders in ihrer Jugend, fehr neugierig. Sobald ihnen Dinge vor die Augen fommen, die fie nicht vorher ſchon gefehen haben, und Furcht oder andre Ur— fachen fie nicht daran hindern, ihrer vorwigigen Neu— gierde zu folgen, fo nähern fie fich felbigen, und betrach— ten fie von allen Seiten; ich habe fogar felbft mehr als einmal bemerft, daß eine junge Kage, die ich noch ha— be, neue und ungewöhnliche Gegenftände, die fie gewahr wurde, nicht allein befah und betrachtete, fondern fie warf auch mit ihren Pfoten jedes Ding um, das fie um— werfen Fonnte, und man ißr umzumerfen erlaubte, damit fie e8 defto genauer betrachten fonnte Ich babe mehr als einen Hund gefehen, der, wenn er einen ungewoͤhn— lichen Laͤrm auf der Straße hörte, ans Fenfter wollte, um zu fehen, mas es drauffen gäbe; und wenn man ih— nen hierin nicht willfabrte, fo pfiffen und bellten fie. Be— ’ 24 meifen weifen aber nicht diefe Erfahrungen, daß die Thiere eine einzelne Vorſtellung vor andern, die ſich zugleic) in ihrer Seele befinden , fortfegen fonnen; daß fie Aufmerk— ſamkeit haben und zeigen. ie follten ſich wohl die Kunftfertigfeiten erklären laffen, woran wir die Thiere gewöhnen, wenn fie nit im Stande wären, die Bor: ftellungen von den Zeichen die wir machen, und von den Bewegungen, die wir auf diefe Zeichen von ihnen for— dern, befonders auszuzeichnen und auf die Weife näher befannt mit dem Betragen würden, das wir von ihnen ' fordern, und der Art, wie wir unfre Forderungen zu er⸗ kennen geben. Dinge, die neu und unbekannt ſind, machen ge— meiniglich ſtaͤrkern Eindruck auf den Menſchen, erregen ſtaͤrkere ſinnliche Empfindungen, als bekannte und gewoͤhnliche Gegenſtaͤnde; ſo aber verhaͤlt es ſich auch mit dem Thiere. Dies iſt die Urſache, warum das ſchuͤchterne Pferd die Ohren ſpitzt, zur Seite ſpringt, und oft nicht dahin gebracht werden kann, auf dem Wege weiter vorwaͤrts, oder vor der Stelle vorbey zu gehen, wo ein unbekannter Gegenſtand ihm Furcht einjagte. Aber aus eben dieſer Urſache kann man auch das Pferd von dieſer Widerſpenſtigkeit dadurch heilen, daß man es nahe zu den Dingen hinfuͤhrt, bie es in Schrecken feß- fen, oder diefe Dinge ihm fo nahe bringt, Daß es fie be: fehen und beriechen farn. Sie find ihm nun nicht län- ger neu und unbefannt; und Fonnen alfo in Zufunft die Aufmerkfamfeit des Thieres in feinem ſonderlichen Grade mehr auf ſich ziehen. Dieſe Erfahrungen beweiſen denn nun auch nicht allein, daß die Thiere eine einzelne Vorſtellung unter mehre⸗ ben nn. od 121 mehreren andern Vorftellungen, dergeftalt fortfegen fon- nen und würflich fortfegen, daß in jedwedem Zeitpunkte immer die Vorftellung von einem gewiflen Gegenftande in ihrer Seele die herrfchende ift; fondern auch, daß fie im Stande find, fi) eine vollftändigere Kenntniß von den Dingen zu erwerben, als der erſte Anblick ihnen giebt. Sie find fähig ihre Vorftellungskraft auf die ein« zelnen Theile des Gegenftandes hinzulenfen, vdiefe Theile von einander abzufondern, und Worftellungen von den Befchaffenheiten berfelben, und der Verſchiedenheit die—⸗ fer Befchaffenheiten zu erwerben. Sie erwerben fic) alfo nicht blos eine dunfle und vermwirrte, fondern Flare, und, wenn gleic) finnliche , doch in einem gewiffen Grade deutliche Borftellung von den äußern Gegenftänden, Das Pferd und der Hund erhalten durchs Geficht, eben- ſowohl als der Menfh, WBorftellung von dem Haufe, worin fie fid) aufhalten; und diefe Vorftellung ift nicht bloß dunfel und verwirrt, fondern begreift würklich die ver- fhiednen Theile des Haufes in ſich, infofern diefe Theile mit den Bedürfniffen des Ihieres in Verbindung ftehen. So wird eg dem Pferde niemals einfallen ‚durch die Fen— fer zu gehen, oder durch eine Pforte oder Thür, Die nicht zu dem Haufe gehört, wo es hinein foll, wenn auch die Eingänge dicht neben einander lägen. Eben fo wenig wird der Hund, mern er neugierig ift zu ſehen, was auf der Strafe vorgeht, dieſe Ausfiche unterhalb der Senfter, an der Mauer oder auf dem Fußboden ſu— chen. Das Thier hat alfo nicht allein Norftellung von Licht und Eingang, fondern auch Vorftellung von dem Drte wo diefer Eingang zu fuchen ift, und wo das Licht hinein fälle; es hat alfo nicht blos verwirrte Vorftellung von dem ganzen Haufe, fondern auch Flare Vorftellung | 95 von » 122 von den einzelnen Theilen des Haufes und ihrem Gebrauche. Der Herr Doktor und Profejjor Abildgaard hier in Koppenhagen , befigt einen großen Hund, der, wenn er ausgeweſen ift, und bey feiner Nückkehr die Pforte zugemacht finder, fih auf den Hinterbeinen aufrichtet, das Glocenfeil mit dem Maule anpackt, und darauf läu- tee, um eingelaffen zu werden. Hier fehn wir Denn nicht allein Vorftellung von Haus und Pforte, fondern von diefem individuellen Theil des Haufes, dieſem Glocdens feile und feiner Anwendung. Hier ift alfo ein gemiffer Grad von Deutlichfeit in der Kenntniß; denn hier ift Bor ftellung von den Theilen des Gegenftandes und ihrer Ver- ſchiedenheit; und diefe Deurlichfeit in der Kenntniß der Thiere, fonnte man die anfchauende nennen; fie ift von der ſymboliſchen Deurlichkeit in den Kenntnißen der Menfchen in fo ferne verfchieden, als der Menfch fich die Theile der Dinge unter Bildern, Zeichen und Zonen vorftelle, welche allgemeine Begriffe enthalten und bezeichnen. 00T, Und nun ftehn wir denn mohl ungefähr an der Gränzfcheide der menfchlichen und thierifchen Kenntniß, ſoweit felbige fi) mit einem Grad von mahrfcheinlicher Gewißheit beſtimmen läßt. Der Menſch hat nicht allein finnlich deutliche Vorftellungen, feine fymbolifche Kennt: niß umfaßt auch allgemeine Begriffe ; und diefe hat der Menfch hauptſaͤchlich der Sprache zu danken. Sch fage, der Menfch verdankt feine allgemeinen Begriffe Hauptfächlich der Sprache; denn wenn man behaup- ten wollte, daß die Menfchen ohne Sprache gar ‚Feine allgemeine Begriffe haben würden, fo müfte man auch) behaup- —— 123 behaupten wollen, daß taubſtumme Menſchen, die es naͤmlich von Mutterleibe an waren, keiner allgemeinen Begriffe faͤhig waͤren; und es wuͤrde ſehr ſchwer, man moͤgte wohl ſagen, unmoͤglich ſeyn, dieſe Behauptung zu beweiſen. Allerdings aber formt der Taubſtumme ſeine allgemeine Begriffe auf eine andre Weiſe und mit Huͤlfe von andern Vehickeln, als derjenige, der reden und hoͤren kann, und dem die Sprache zu Gebote ſteht. Vielleicht enthaͤlt ſelbſt der allgemeinfte Begriff des Taub⸗ ſtummen doch immer eine gewiſſe Individualitaͤt von einem finnlichen Gegenftande, woran fein Gedanke fich heftet, und worin er fich die Nehnlichfeiten der Jndividuen vereinige denkt, ftatt daß wir uns dieſe Aehnlichfeiten mit Huͤlfe von Worten und Tönen vorftellen,ohne daß wir noͤthig haben, uns ein einziges Individ zu denken, in welchem die abgefonderten Eigenfchaften, die wir uns unter Wore ten und Tönen vorftellen, wuͤrklich vorhanden feyn folle een. Wenn nun gefragt wird: ob den Thieren irgend eine Art von abftrafter ſymboliſcher Kenntniß zu= gefchrieben werden Eönne, und in welchem Grade man ihnen folche zufchreiden kann, fo läuft die Be— antwortung diefer Frage Darauf hinaus, folgende andre Frage aufzulöfen: Kann man annehmen daß die Thiere Sprache haben, und in wie fern haben fie Sprache? 0.522 Ziehen wir hier, wie in andern Fällen, die Erfahe rung zu Nathe, fo wird fie ung lehren, daß die Thiere ihre eigne Sprache haben, worin fie ihre Gedanfen und Gefühle ausdrücken, und wodurch fie andern von ihrer Art verftändlich werden. Man wird fih um fo weniger befugt finden dies zu läugnen, wenn man nur erwägt, 124 erwägt, daß die Thiere fehr gut eine Sprache haben fonnen, ohne daß diefe Sprache darum in allen ihren Theilen und Stücken, nothmwendig diefelbe Befchaffenheit haben muß, als die menfhlihe. Denken wir einmal darüber nad), was wohl die Gegenftände der Worte und Tone find, die wir unfre Kinder in ihrer eften Kindheit aus- fprechen lehren, und was für Gedanfen und Vorftellun- gen, fie dann wohl mic diefen Tönen verbinden mögen. Wir zeigen ihnen einen Stuhl, einen Tifeh, eine Banf, das Tageslicht und andre finnliche Dinge, und fagen ih- nen den Namen diefer Dinge vor. Die Kinder hören diefe Tone, erinnern fi) ihrer, und lernen fie nad) und nach ausfprechen. Aber was denken fie wohl bey dieſem faufe, wenn fie ihn zum erftenmal hören, und lange, nachdem fie felbft gelernte haben ihn hervorzubringen ? Ganz gewiß den individuellen Stuhl, Tifch u. ſ. w. den fie vor fic) fehen, und bey deffen Anblick fie gewohnt wa- ren, dieſe oder jene bejtimmte Sammlung von Tönen zu hören. Daß es mehrere Stühle, Tifche u. -f. w. in der Welt giebt, falle ihnen eben fo wenig ein, als es ihnen einfallen Fann, daß die Welt großer ift wie die Stube ihrer Amme. Diefe Worte, welche einer aus— gebildeten Denffraft allgemeine Begriffe bezeichnen, bezeichnen ihnen, und in ihrer Vorftellung , weder mehr noch weniger als die Sndividua, die einzelnen Dinge, die fie um ſich her fehen und fühlen, und aller Wahr- fiheinlichfeit nach, können fie ihnen aud) nichts weiter be- zeichnen. Ungefähr nun auf eben die Weife muß es ſich auch wohl im Allgemeinen und größtentheils mit der Sprache der Thiere, und mic den Vorftellungen verhals - ten, die fie mit diefen oder jenen Tonen verbinden. 6. 23. — 125 9. 83 Man iſt ſich allgemein daruͤber einig geworden, anzunehmen, daß der artikulirte Laut dem Menſchen ausfchlieglich vor den Thieren eigen fey; nur in den Ton— fammlungen, die der Menfch heraus bringt, ſoll jeder einzelne Ton eine bedeutende Verfchiedenheit haben. Als lerdings ift es ausgemacht, daß der Menfch in der Struf- tur feiner Sprachorgane, eine Vollkommenheit beſitzt, welche alles übertrift, was wir bis ist von den Sprach— werfzeugen der Thiere miffen oder muthmaaßen; und diefe den menfchlichen Sprachorganen befonders eigne Einrich- richtung, macht, daß wir auf fo mannigfaltige Weiſe unſre Töne abwechfeln Fonnen. Mag es denn immerhin feyn, daß die Thiere, der Natur ihrer Organen zufolge, “ihre Vorftellungen und Gefühle nicht mit der Verfchie- denheit in den Tönen auszudrücken im Stande find, als der Menſch; — und fie bedürfen in ihrem eingefchränfteren Wuͤrkungskreiſe, Diefer Mannigfaltigfeit von Tönen nicht, da der Umfang und Inbegrif ihrer Vorftellungen niche von der Mannigfaltigfeie ift, und feyn kann, als beym Menfihen; — fo Fonnen fie doch je nad) ihren verfchiednen Gefühlen und abmwechfelnden Bedarf, ver= ſchiedne Tone von fich geben, und diefe Verſchiedenheit muß unausbleiblic) von jedem bemerft worden feyn, der die Thiere der geringften Aufmerffamfeit würdigte. So find die Tone des Hundes anders, wenn er freundlich thut, als wenn er bofe ift. Die Tone der Henne anders, wenn fie ihre Brut zu fich ruft, als wenn fie um Futter ſchreyt. Und wiederum anders, wenn fie ihre Junger vor Gefahren warnet. Die Taube girre anders, wenn fie fih paaren will, als wenn fie aufgebracht und eifera 126 — — eiferſuͤchtig iſt, und wiederum anders, wenn fie ihre Jun— gen im Neſte liebfofet. . Bey jeder Thierart wird man dieſe Verſchiedenheit in den Zonen, deren fte ſich bedient, wahrnehmen; und koͤnnen wir uns gleich Feinen Begriff davon machen, wie jeder einzelne Ton das feinige dazu beyträgt, Die vollige Vorftellung von dem, was das Ihier ausdrücken will, zu bezeichnen, fo find wir doc) eben fo wenig durch gültige Gründe berechtigt, zu läug: nen, daß diefe Tone eine bedeutende Verſchiedenheit ha- ben, als derjenige, der weder Noten noch Mufif ver« fieht, zu läugnen berechtigt wäre, daß Sinn in den Tonfolgen ift, die der Spielende ausdrückt. GA Aber wir fonnen, wie oben bemerft worden, uns. nicht denken, daß dieſe Töne in der Vorſtellung des Thieres etwas bezeichnen follten, das fich über den Begriff von Individen und individuellen Begebenheiten erhoͤbe. Wir dürfen nur die wilden Nationen betrachten, Die fich nur fehr wenig von dem urfprünglichen Naturzu— ftande entfernt haben, und wir werden fehen, wie arm ihre Sprache ift, und wie fie faft einzig nnd allein finn- liche Dinge ausdrückt, die dieſe Menfchen um fich ber fehen und vernehmen. Den fehr rohen Völkern ift die Sprache faft aus lauter YAusrufungswortern und Sub— ftantiven zuſammengeſetzt, die mit einander verbunden werden, ohne daß man die übrigen Theile der Rede an- trift, melche fonft in affen ausgebildeten Sprachen vor— Emmen. Die Wörter, welche die Sprache viefer Voͤl— Eevfchaften ausmachen, bezeichnen insgefammt finnliche Dinge und Gegenftände; und wenn run endlich ein fol- des Volf, Durch die Fortſchritte der Kultur, zu abftraf- ten m 127 ten und franfeendentalifchen Betrachtungen bingeführe wird, und ſich alfo genörbige fieht, Worte zu fuchen, um diefe Ideen zu bezeichnen; fo Fann die primitive und urfprüngliche Bedeutung diefer Worte dem Denfer zum Leitfaden dienen, dem Gange der menfchlichen "Seele nachjufpüren, und zu erfahren, wie fie von finnlichen Gegenftänden zur Betrachtung der unfinnlichen allmählig fortgefchritten if. ine Nation Fann in öfonomifcher Hinſicht auf einer ziemlich hohen Stufe der Kultur ſtehen, und es fonnen ihr doc) viele allgemeine Ausdruͤcke, alfo viele allgemeine Begriffe fehlen, welche nicht unmittel= bar aus der Betrachtung finnlicher Dinge hergenommen werden fonnen. So fann man die Peruaner, wie fie bey der Ankunft der Spanier waren, in Nückficht auf ihre Induſtrie und Staatsverwaltung, immer zu den Eultis - virten Nationen zählen, und doch hatten fie in ihrer Sprache fein Wort, das die dee von Zeit, Raum, Fortdauer, Weſen, Tugend, Gerechtigkeit, Freiheit u. f. m. bezeichnere. Wermuthlich hafte es da- mit folgende Bewandniß: Diefe Menfchen waren im Abſtrahiren nicht fo weit gefommen, daß fie fich die all- gemeineren Begriffe, welche wir mit den angeführten DBenennungen verbinden, dachten; und natürlicherweife hatten fie ſich alfo auch nicht darum befümmert, Benen⸗ nungen für Dinge zu ſuchen, die ihren gewiffermaaßen unbefannt waren. Diefe Begriffe waren ihnen, fage ih, gewiſſermaaßen unbefanne, da fie fich felbige nicht mit Deutlichfeit gedacht: hatten. Denn daß fie, jeder nach dem Maaße feiner Einfichten, ein mehr oder weniger klares Gefühl von den Wahrheiten hatten, die durch diefe Worte bezeichnet werden, daran findet Fein Zweifel ftatt. $. 25. §. 25 Der Menſch, wenn er auch nur auf einer niedrigen Stufe der Kultur ſteht, hat alſo gewiſſe allgemeine Be— griffe, und es fehlen ihm andre. Damit wir dieſe Be— griffe um ſo leichter von einander unterſcheiden moͤgen, wollen wir ferner bemerken, daß die ſymboliſche Kennt⸗ niß, welche nemlich diejenigen Vorſtellungen in ſich be— greift, die der Menſch, vermittelſt der Bilder, Zeichen und Töne von den Gegenſtaͤnden hat, entweder unmit— telbar von finnlichen Objekten abftrabire ift, und dann bezeichnet das Wort, unter welchen wir uns einen folchen Begriff vorftellen, zunächft und unmittelbar den finnli- chen Gegenftand, von dem wir diefen Begriff abgefon- dert haben; der aber demohngeachtet eine gewiſſe Allge— meinheit hat, in fofern er eine mehrere Zahl von Gegen— Ständen eben der Art in ſich begreift. Oder aber ‚die ym= bolifhe Kenntniß ift nur unmittelbar von finnlichen Öegenftänden abſtrahirt, und zwar nicht von den Gegen— Ständen felbft, fondern von ihren unmittelbaren Symbo— den, das heißt, von den Worten und Ausdrücken der Sprache, deren Bedeutung man verfteht und weiter dar— über nachdenkt, ohne ſich dabey eigentlich die finnlichen Gegenftände felbft zu denfen. Dies oorausgeſetzt, Fon- nen wir denn wohl behaupten : daß jedweder Menfch, auch im vohften Naturzuſtande, unmittelbare ſymbo— liſche Kenntniß von den Dingen hat, welche durch Die Worte in feiner Sprache bezeichnet werden, und alfo eine gewiſſe Allgemeinheit in feinen Begriffen, infofern Diefe Worte und Töne mehrere Gegenftände eben der Art ein- befaffen, und infofern der Menfch, je nad) dem Grade feiner Aufklaͤrung, fich bey diefen Tönen, ein beftimmtes Indi⸗ — — 129 Individ, oder die Aehnlichkeit mehrerer Individen denkt. Ohngefaͤhr auf eben die Weiſe kann man aber auch den Thieren eine Art von allgemeinen Begriffen zufchrei« ben, infofeen fie nemlich durch ihre Tone ſich nicht allein dies oder jenes beſtimmte Individ, fondern auch zugleich mehrere Individen von eben der Art und Befchaffenheit vorjiellen fonnen. Go fonnte vielleicht die Henne, bey Den warnenden Tönen Die fie äußert, wenn fie den Habicht wahrnimmt, ſich nicht allein Diefen gegenwärtigen Raub⸗ vogel denken, fondern dabey auch eine Arc von allgemeis ner Vorftellung von andern und mehreren ihrer fliegenden Feinde haben. Die Allgemeinheit diefer Begriffe wird nun größer oder geringer feyn, je nachdem die Tone wodurd) fie veranlagt werden, und mit welchen fie ver- bunden find, Vorſtellungen erregen, welche die Aehn- lichkeiten einer großern oder geringern Zahl von finnlichen Gegenftänden in fid) faffen. Aber blos auf finnliche Ge- genftande ift die Vorſtellungskraft der Thiere eingeſchraͤnkt: ihre Töne fonnen, infofern fie außerliche Empfindungen ausdrücen, nichts anders als finnlicye Dinge, und die— jenigen Eigenſchaften diefer Dinge bezeichnen, die fie Durch) die Sinne zu empfinden fähig find. Wenn gleich in den Vorſtellungen der Thiere eine gewiſſe Allgemein» heit ſtatt findet, ſo iſt es darum nicht gefagt, Daß dieſe Vorfiellungen diejenige Beftimtheit haben, mo» Durch) Art und Gattung deutlich ven einander unterfchies den wird; es iſt vielmehr wahrfcheinlich, Daß die allge— meinen Begriffe ver Thiere ihrem Inhalt nach, eben fo unbeftimmt, als eingefchränft in ihrem Umfange find. Nur den vollfommenften und Elügften Ihierarten, 3. B. dem Pferde, dem Hunde, dem Elephanten, koͤnnte man vielleicht einen größern Umfang und genauere Be— \ ſtimt⸗ 130 ——— ſtimtheit von Begriffen beymeſſen; aber ſelbſt die Sprache dieſer Thierarten kann darum doch nichts anders, als un: mittelbares finnliches Symbol feyn. 0. 00, Über, wird man vielleicht einwenden, wenn die Thiere eine Sprache und Töne hätten, womit fie einzelne Vorſtellungen verbanden, fo müßten ſich ihre Faͤhigkei— ton weiter entwicdeln, und wir müßten fie zu einem merk: lichern Grade von Vollkommenheit fteigen fehen, als fie, unſrer Erfahrung nach, ige erreichen. Hier fragt es fi) aber: wodurd) wird die Sprache und der Verſtand ausgebildet? gefchieht es nicht vorzüglich durdy den ge- jellfihaftiichen Umgang, weicher die Bedürfnifle ver- mehrt, die Vorftellungskraft anftrenge, und ſolcherge— ftalt durch neue Bedürfniffe und neue Verbindungen die Sprache mit neuen Ausdruͤcken bereichert. Wir kennen - die Thiere nie genug, und Fonnen fie vieleicht in der . gegenwärtigen Verbindung der Dinge, nicht hinlänglic) genug fernen lernen, um mit einigem Örade von Gewiß— heit zu erfahren, ob fie Die neuen Gegenflände, mit denen fie bekanat werden, Die neuen Bedürfniffe, die der Um— gang mit dem Menfchen ihnen giebt, durch neue be: ftimmte Töne bezeichnen. Dem fey indeflen wie ihm wolle, fo wird doc) jeder, der die Thiere aufmerffam beobachtet, es durch) viele überzeugende Erfahrungen beftätigt finden, daß ihre Intelligenz würflich über den gewöhnlichen Grad ‚von Vollkommenheit ausgebildet werden kann, den wir ſonſt gemeiniglich bey Ddiefer oder jener Thierart wahr- nehmen. Man gebe ſich nur von ihrer Jugend an viel mit der Kage, dem Hunde und dem Pferde ab, und man wird ſehr viele Verändrungen in ihrem Betragen bemer: 1 131 bemerfen, die von einer mehr als gewoͤhnlich ausgebilbe- ten Sntelligenz zeugen, Die Thiere gewinnen durch Um— gang mit Menſchen gar fehr an Entwicklung ihres Bere ftandes, und zwar fo fehr, daß fie Neigungen und Ges wohnheiten ablegen koͤnnen, die ihnen fonft natürlich find. So hatte id) einmal einen jungen Hafen, der mir gebracht wurde als er noch ganz Flein war, und den ich in meinem Haufe aufzog; er murde fo zahm, und war fo ganz ohne - alle Beforgniß, daß er in der Stube neben Udeis und einer großen Katze herumfpagierte, ohne fie zu fürchten; wie denn auc) dieſe Thiere dem Hafen nichts zu Leide tha- ten. Indeſſen find doch der Hund und die Kage natür- liche Feinde des Hafen, und wenn diefer Hafe fich nicht vor ihnen fürchtete, fo ift dies wohl ein Beweiß, daß er durch feinen Aufenthalt unter Menſchen an intelleftueller Vollkommenheit gewonnen habe, Ich hatte vor mehre- ren Jahren eine Taube, die nicht allein fo zahm wurde, daß fie alle Furcht vor Mienfchen verlor, fondern aud) mich und meine Familie von Fremden, die efwan im Haufe Famen, zu unterfcheiden wufte, und dies dadurch zu erfennen gab, daß fie, wenn ein Sremder fie ftreicheln, oder ihr mit der Hand nahe kommen mollte, mit ihrem Schnabel nad) ihm hackte und ihn bi. Sie fam zu mir wenn ich fie rief. _Des Nachts fas fie in einem Gange, der zu meinem Zimmer führte, und wenn ic) nun etwa des Abends im Dunfeln zu Haufe fam, und fie durch meine Stimme, oder dadurch, daß ich die Thuͤr aufmachte, geweckt wurde, fo fieng fie gemeiniglich an zu girren, gerade als ob fie mir einen guten Abend bieten wollte, und fiog zu mir hin. Hier erkennt man denn aber auch ohne Zweifel Spuren einer mehr als ge- woͤhnlichen Entwicklung der Intelligenz des Thieres. —J ar 132 6.1727, Man hat die Thiere noch nicht genug beobathtet, um beſtimmt darüber urtheilen zu koͤnnen, was diejeni» gen Gattungen von Thieren, die unter fic) in geſellſchaft⸗ licher Verbindung leben, dadurch von Zeit zu Zeit an Entwicklung ihrer Tähigfeiten gewinnen mögen. Die Dekonomie des Bibers ift bewundernswürdig, fo lange er nur mit feiner Gattung in Gefellfchaft ift und arbei- tet. Aber merfwürdig ift es auch, Daß man eben dieſen fünftlihen Biber, in Deuffchland und andern füdlichern $öndern, wo man iha einzeln und einfam antrift, falt nicht wieder erkennen kann; aud) finder man ihn in nörd⸗ lichen Gegenden nicht, wenn er genöthigt war einſam zu leben, entweder, weil die Jäger feine Wohnung und Dämme gänzlich zerftort haften, oder weil er, andrer Ur— fachen wegen, fid) von dem Umgange mit feines Öleichere abfondern mußte. Diefer einfame Biber baut nun feine fünftliche Hütten mehr, fondern er wohnt in langen Hoͤh⸗ len, Die er fich) unter der Erde, und oft weit vom Waſ⸗ fer entfernt, ausgraͤbt. Hier finden wir denn verſchiedne entgegengefegte Erfahrungen von einem und ebendemfel- ben Thiere; wer aber wagt es wohl zu entſcheiden, welche Vollkommenheit der Biber anfangs feinem Gebäude gab, und wie er feine Bauart von Zeit zu Zeit verändert und verbeflert haben mag; denn wenn man fagt, es fey im= nier fo gewefen, und es fey Inſtinkt bey dem Thiere, daß es fo und nicht anders bauet und handelt, fo heißt dies mit andern Worten fagen, man wifle nicht, was man davon denfen oder fagen ſolle. Man bildet fich ſelbſt und andern ein, daß man etwas zur Erklärung der Par der Thiere gefagt habe, wenn man yon Jnſtinkt, / | Trieb * Trieb u. f 10. redet, und gerade dann bat man gemei- niglich gar nichts geſagt. SERIE Die Entwicklung der Seelenfähigfeiten bey den Thieren ift allerdings in vielen Stuͤcken fehr eingeſchraͤnkt, und das vollfommenfte Thier ſteht in diefer Hinficht weit unter den Menfchen; aber wenn das Thier niche fo hoch iteigen kann als der Menſch, fo folgt daraus noch nicht, daß eine Gattung von Thieren nicht weiter fortichreiten koͤnne als die andre, ein Individ nicht weiter, als ein andres von eben der Gattung. Jedermann weis, wie ſehr in Ruͤckſicht der Entwicklung der Geelenfröfte, der Menſch vom Menfchen verfchieden iftz wenn einige mit der größten Leichtigkeit Alles lernen, wenn ihr ganzes Weſen fich durch Thaͤtigkeit und Lebhaftigkeit auszeichnet, fo giebt es dahingegen andre, die fchläfrig und träge find, wenig oder nichts begreifen fonnen, und vom Menfchen nicht viel mehr als die aͤußre Öeftalt zu haben fcheinen. Und doch) find die Seelen diefer Menfchen insgefammt von einerley Natur; der Grund von der Verfchiedenheit, die wir in der Entwicklung und Wuͤrkſamkeit diefer einander vollig ähnlichen Seelenfräfte wahrnehmen, laͤßt fi) daher in nichts andeen fücheit, als in der verfehiednen Weiſe, mie Diefe Körper, infonderheit das Gehirn, und alfo die Werkzeuge der Seele, organifirt find. Und mas heißt es denn nun, daß Das Thier an Intelligenz den Menfchen nicht erreichen Fan, werm ein Menſch in Entwiclung und Anwendung der Seelenfräfte, fo tief unter dem an= dern ſteht? Sowohl das eine als das andre läßt fich fehr gut aus der Verfchiedenheit der Organifation erklären ; und wie nun ein Menfch eine gluͤcklichere Organiſation haben | 83 fann 154 kann als ein andrer, fo ift es auch keinesweges ungereimt, anzunehmen, daß ein Thier vielleicht glücklicher organi» fire ſeyn kann, als ein andres von eben der Gattung ; und alfo ein Individ einen merflichern Grad von Intelli— genz befigen und außen fonne als das andre. Die Er: fahrung ſcheint dieſer Vermuthung zu enefprechen. Es ift z. B. unwiderfprechlich gewiß, daß die Pudelhunde im Allgemeinen weit flüger und gelehriger find, als jede andre Gattung von Hunden; felbft unter erftern aber findet man einen merklichen Unterfchied in der Intelligenz der Individen; und ein jeder, der das Betragen der Thiere beobachtet hat, wird fich leicht mehrerer Beyſpiele erinnern, welche die obige Vermuthung näher erläutern und beftätigen. | Anmerfung. 1) Unter verfhiednen andern Beweiſen, die es betätigen, daß die Thiere ihre Erfah— rungen und Gefühle einander mittheilen fonnen, will ich hier eine fehr merkwürdige Erzählung aufzeichnen, welche Kalm nach) dem berühmten Franklin anführe. In ven Häufern der Stade Philadelphia findet man eine Menge von kleinen ſchwarzen oder dunfelvochen Ameifen, welche, tote die Ameifen in andern Ländern, auf Sußigfeiten ſehr begierig find. Franklin war, wie Kalm fagt, fehr geneigt zu glauben, daß diefe Thiere einander ihre Ge— danken oder ihr Verlangen, auf eine oder andre Art ent decfen fonnten; und er berief fi) deswegen auf einige Erfahrungen. Wenn eine Ameife etwas Zucker in einem Schranke finder, fo läuft fie fogleih) unter die Erde, oder nach ihrer Hohle hin. Kaum hat fie ſich dafelbft ein wenig verweilt ‚fo Friecht eine ganze Schaar daraus her= per, welche vereinigt, gerade nach. dem Schranfe hinzieht, 100 ie 135 wo der Zucker auzutreffen ift, und fogleich anfängt den- felben ftückweife werzufchleppen. Wenn eine von diefen Ameifen auf ihrem Wege eine todte Fliege finder, die fie nicht allein forebringen kann, fo eilt fie gleich nach ihrer Wohnung zurück, Und nach einigen Augenblicken fiehe man mebrere zugleich hervorfriechen,, die ihren fauf nach der todten Fliege nehmen, und fie gemeinfchaftlid) weg- führen. Mur einige Zeit vorher, ehe Kalm mie ihm ſprach, hatte Franklin ein Kleines irdenes Gefäß mit Syrup in einem Schranfe ftehen gehabt. Kine Menge von Ameifen war bineingefchlichen, und verzehrte dieſen Syrup ganz gemächlid. Da er es aber wahrnahm, fhlietelte er fie heraus, und band den Topf mit einem duͤnnen Faden an einen Nagel, den er in Die Decke des Zimmers fehlug, fo, daß das Gefäß an dem Stricke herunter hieng. Nun hatte es fi) von ohngefähr zuge- fragen, daß eine einzige Ameife darin zurücfgeblieben war, Dieſe aß fich ſatt; da fie aber weg molite, be— fand fie fich in Feiner geringen Verlegenheit. Sie lief lange unter dem Boden des Gefäßes, und faft überall herum: allein vergeblih. Endlich fand fie doch, nach vielen Verfüchen, den rechten Weg, an ten Stride hinauf bis an die Dede, Nachdem ſie dieſe erreiche hatte , lief fie längft derfelben bin, und fo weiter die Wand herunter auf den Boden. Kaum war eine halbe Stunde verfloffen, fo brad) ein großer Schwarm hervor, 308 nad) der Dede hinauf, und gerade auf die Schnur zu. An felbiger Erochen fie weiter in das Gefchirr, und fiengen wieder an zu effen. Dies feßten fie fo lange fort, als no) etwas vom Syrup da war. Indeſſen lief der eine Haufe am Strike hinauf, und der andre hinunter, 4 ‘ und 2 136 und dies mwährte den ganzen Tag. Kalms Reiſe, 2. Th. Seite 443 = 44. 2) Ms ein fehr auffallender Beweiß, daß die Thiere, und felbjt Diejenigen unter ihnen, von denen man es am wenigfien vermuthen follte, vermogend find, artikulirte Tone hervorzubringen, verdient eine Begeben— heit bemerkt zu werden, welche der Philoſoph Leibnitz in den Schriften der Parifiichen Akademie der Wiffen- ſchaſten, für das Jahr 1751 anführe. Leibnitz erzähle nemlid), daß er in der Gegend vor Zeiz einen Hund an= getroffen habe, ven ein Bauernknabe abgerichtet hatte, und der einige und dreißig Worte fehr deutlich) nachfpres chen fonnte, wenn man fie ihm vorſagte. Uber der Hund ehat dies nicht gutwillig, und man ſah ihm fehe deutlih Zwang und Unluft bey diefem Auftritte an, Neuer Schauplaß der Natur, 4. B. ©. 148. 3) Daß die menfhlihe Sprache gerade durch Umgang mit Menſchen erlernt, ausgebildet und erhalten wird; Daß die geſellſchaftliche Verbindung infonderheif, worin der Menfch mehr als alle andre Ihiere lebe, vie Mutter der menfchlichen Sprache, und feiner durd) felbige beförderten großern Entwiclung ift, davon giebt ung ber Schottlander Alexander Selfirk einen fehr auffal- Ienden Beweiß. Diefer Menſch war Steuermann auf einen englifhen Schiffe, und wurde von Kapitaine Dradling, einiger Zwiftigfeiten wegen, die er mit ihm hatte, auf der Inſel Juan Fernandez , ans fand gefest, wo er, ohne allen Umgang mit Menfchen, vier Jahre und eif Monate zugebracht hatte, als Kapitain Rogers den ıten Februar 1709 dafelbft landete. Wie Selkirk | auf * 237 auf diefer unbewohnten Inſel ausgefege wurde, gab man ihm feine Kleider, feine Hängematte, feine Flinte, einige Pfund Pulver, Kugeln, Toback, ein Beil, einen Kef- fel, eine Bibel, eirige Andachtsbücher, ſo wie auch feine Inſtrumente und Seemannsbücher mit. In den erften acht Monaten foftete es ihm große Mühe, feine Schwermuth zu überwinden, Er baute fich zwo Hütten von Baumzmweigen, in einiger Entfernung von einander. In der einen fchlief er, fang geiftliche Lieder und betete, und nie war er vorher fo andächtig gemwefen. Als fein Pulver verbraucht war, fieng er die Ziegen dadurch , dafs er ihnen nachlief und fie einholte. Durch die beftändige Uebung hatte er ſich eine ſolche Fertigkeit erworben, daß er mit unglaublicher Geſchwindigkeit durch Wälder und über Klippen laufen konnte. Dies erfuhren die Engländer, wenn fie mit ihm auf die Jagd giengen. Sie hatten im Schiffe einen Bullenbeiffer und einige gute Spuͤrhunde, aber Selfirk lies fie alle insgefamme Hinter ſich; meden -, Menfchen noch Hunde fonnten ihm folgen. Pachdern er über feine Schwermurh Herr gemor- den war, vertrieb er ſich oft die Zeit damit, feinen Na— men und die Zeif, da er auf die Inſel Fam, in den Bäu- men einzufchneiden. Huch richtete ex wilde Kagen und junge Ziegen ab, welche mit ihm tanzen muften, An— fangs machten die Rasen und die Hagen ihm viel Ver— druß; aber er machte die exftern zahm , indem er ihnen Ziegenfleifch gab; dadurch gewöhnte er fie an fih, und fie lagerten ſich haufenweiſe um feine Hütte, Die Spras che hatte er in dem Grade verloren, daß er Die Worte nur zur Hälfte ausfprach , und mon Mühe ** ihn zu verſtehen. S5 Selkirk 138 Selkirk hatte alfo in feiner Einſamkeit groftentheils feine Mutterfprache zu reden vergeffen, und doch kann es wohl niche fehlen, daß er während feines Aufenchals auf der Inſel, nicht oft mit lauter Stimme geredet haben follte — er betete,, er fang geiftliche Lieder, fagt die Erzählung von ihm, in beyden Fällen aber bediente er ſich wahrfcheinlicheriveife feiner Bücher, und wenn man auc) behaupten wollte, daß er fehweigend betete, fo fonnte er doch nicht fingen , ohne Tone von fich zu geben. Er richtete Katzen und Ziegen ab, mit welchen er tanzte; aber auch bey diefer Gelegenheit bediente Selkirk fih hoͤchſtwahrſcheinlich feiner Gabe zu reden, da der Menfch ſich fo gerne andern mittheilen will, und diefe Thiere, die ihn fo liebgemwonnen, die einzigen Wer fen waren, welche er in feiner age, auf gewiffe Weiſe, an feinen Empfindungen konnte Theil nehmen laffen. Selkirk Hatte alfo in feiner Einſamkeit Veranlaffung von mehr als einer Are, zu reden. Aber gefege nun, dieſer Menfch hätte entweder gar Feine Bücher gehabt, oder fich ihrer nicht bedient, oder die Abrichtung jener Thiere und der Umgang mit ihnen, hätten ihm Feine aufmunternde Veranlaflung ge geben, Worte und Töne hervorzubringen; oder er wäre einige Jahre länger in diefer Wuͤſte geblisben, follte er denn nicht , aller Wahrfcheinlichkeie nach, völlig unfähig geworden ſeyn, irgend eine menfchliche Sprache zu reden; hätte er nicht von neuen feine Mutterfprache lernen müf- fen, und wuͤrde er niche vielleicht, feines Alters wegen, größere Schwierigkeit gefunden haben, fie zum zweyten Male zu lernen, als in feiner Kindheit, da die Organe biegfamer waren. Hieraus aber folge nun die fehr na- un tuͤrliche — 139 tuͤrliche Wahrheit: daß, ſo wie die Sprache des Men— ſchen ein Hauptmittel iſt, ſeine Entwicklung und Ver— vollkemmnung zu befoͤrdern, fo iſt auch der geſellſchaft— liche Umgang mit Menſchen, ein unentbehrliches Huͤlfs— mittel, um die menſchliche Sprache auszubilden. All gemeine Gefchichte der Reiſen zu Waſſer undizu Lande. XU. Band. Leipzig, 1734. 4. ©. 68:71. Auch Paum hat die obige Begebenheit in feinen philoſophiſchen Unterſuchungen über die Amerikas ner. 8. Berlin, 1769. 1. DB. ©. 239. angeführt, und einige Betrachtungen darüber angeftelle. Indeſſen hat diefer Verfaſſer die hiftoriiche Genanigfeit in feiner Erzählung nicht gehörig beobachte. Er fagt unter an- dern: Selkirk habe alle moralifche Begriffe verlo: ven gehabt; davon aber ſteht im Texte nicht ein Wort, Sm Gegentheil zeigte Selfirf ſich überaus menſchlich, gefellig, und wohlwollend gegen die Schiffsmannfchaft ; feine Seele und fein moralifches Gefühl hatten alfo bey weiten nicht fo fehr gelitten, als feine Sprache. Vielleicht wäre es nicht zu viel gewagt, wenn man annähme, daß die Stimme der Thiere, wenige fiens einiger Ihierarten, fich durch gefellfchaftlichen Um— gang, infonderheit durch den Umgang mit Menſchen, auf verfchieone Weife modificirt, und eine ver— mehrte Verfchiedenheit von Tönen annimmt, Der Scharfal, eine Art von Fuchs, der in Kleinafien zu Haufe gehört, und in feinem Betragen große Aehnlich- lichfeit mit dem Hunde hat, ſcheint, fowohl wie der Hund, diefe Vermuthung zu beftätigen. Der Schackal Häße fich Teiche zähmen, wenn man ihn jung fängt, und wird fehr einfchmeichelnd , wenn man ihn gehörig fuͤttert. Er ift gerne in Geſellſchaft des Menfchen, und wedelt mit 140 — — mit dem Schwanze, um ſein Vergnuͤgen zu bezeigen; er waͤlzt ſich mit einem frohen Knurren auf dem Ruͤcken herum wie der Hund; er kennt ſeinen Herrn ſehr gut; horcht, wenn man ſeinen Namen ruft, ſpringt auf den Tiſch wenn man ihn lockt; rollt ſich wie eine Kugel zu— ſammen, wenn er ſchlaͤft; ſchluͤrft ſein Getraͤnk in ſich; und lebt in gutem Verſtaͤndniß mit dem Hunde. Seine Kuͤhnheit iſt ſo groß, daß er nicht allein, wie der Wolf und der Fuchs, bewohnte Orte beſucht, ſondern daß er ſich, ſowohl bey Tage als bey Nacht, den Reiſenden naͤhert, wenn ſie unter ihren Zelten ſchlafen, und ihnen lange nachfolgt. | Das Geſchrey des Schackals gleicht nicht dem Bellen des Hundes, aber man Fann fiher annehmen, daß das Bellen des Hundes nur eine Folge von feiner Häuslichfeie ift, da er aus Meigung zu feinem Herrn, um ihn zu warnen u. fr m. beit. Daher belle ver Schackal nie, meil er feine Beranlaffung zu diefer Modification der Stimme hat; daher bellen die Fleinen Hunde, welche beftändig um den Menfchen find, weit mehr als die großen, welche ſich nicht fo oft in feiner Ge— fellichaft befinden, und daher auc) ſeltner bellen. End— lich verfichern die Neifenden , daß die Hunde im heißen Erdgürtel, und in den noͤrdlichſten Himmelsgegenden ſtill find und gar nicht bellen, da diefe Hunde nur wenig Um— gang mit dem Menfchen haben; dahingegen heulen fie, wenn Hunger oder Liebe fie in Bewegung fegt. Ueber— dem bellen die Viehunde am wenigften, und diefe haben die meifte Aebnlichfeie mit dem Schadal. Wie groß der Einfluß fey, den der häusliche Umgang auf die Stim- me des Thieres hat, davon kann der zahme Schadal, den Pallas — 148 Pallas in London ſah, zum Beweife dienen; denn der Laut, den dies Thier von fich gab, hatte, nad) ſei— nem Zeugniffe, fehr viel Aehnlichkeit mit dem Bellen eines Hundes. Müllers Magazin für Natur: und Thiergeſchichte, 8. 1. St. ©. 29- 34, 9. 29. Wir haben bisher von der Intelligenz der Thiers gehandelt, infofern ihre Seele das Vermögen hat Vor—⸗ Stellungen zu erzeugen, deren urfprüngliche Veranlaſſung die Einwürfung von äußern Dingen auf ihre Sinnwerfe jeuge war, Wir haben diefe Vorſtellungen blos info- fern betrachtet, als fie für einmal da find; und hier gehe es denn mit dem Thiere, wie mit dem Menſchen; die eine Borktellung folgt auf die andre, die eine verdrängt die andre; Die vorhergehenden Vorſtellungen verſchwin— den, um den folgenden Plag zu machen; aber fie ver- ſchwinden nicht auf immer, und zwar eben fo wenig aus der Seele des TIhieres, als des Menfchen. Im Gegen— theil lehrt Erfahrung uns in diefem Stücde , von dem Thiere ebendaffelbe, was fie uns vom Menfchen lehrt. Ä Das Thiere befißt das Vermögen, fich die. Borftellungen zuruͤckzurufen, die es einmal hatte, das Vermögen, ſich von neuen die Dinge und Gegenftände vorzuftellen, Die es einmal vernom⸗ men hat, wenn fie gleich nicht gegenwärtig find, und unmittelbar auf Dafjelbe wuͤrken; das heißt, die Thiere haben Einbildungskraft. Es iſt bekannt, daß man zuweilen Rebhuͤner, die man gefangen hat, in Gegenden hinfuͤhrt, wo dieſe Vo— ai nicht zu finden ift, fie eine Zeitlang im Haufe füt- tert 142 tere, und ihnen darauf, wenn die Jahrszeit es erlaubt, ihre Freyheit giebt. Sie bleiden nunmehr in diefer neuen Gegend und vermehren fich defelbft. Aber man weis auch aus Erfahrung, daß die alten Rebhüner, vie ein- mal gefangen worden, fi) nur mit der größten Schwie- rigfeie von neuen fangen laflen. Sie laffen ſich zwar nach dem aufgefteliten Garne hintreiben, lagern ſich auch) wohl mit ihren Jungen um das Garn herum; aber die ungen gehen nicht darin hinein, wenn nicht die Alten vorangehn; und wern man nun glaube fie hineintreiben zu koͤnnen, fo fliegen die Alten gemeiniglic) davon, und die ungen folgen ihnen nad). Der Anblick des Garns, das man aufgeftelle hat, um fie zu fangen, erregt bier une laͤugbar die Vorftellung von jenem Garne, in welchem fie ehemals gefangen wurden; und fo kehrt Die vormals gehabte, aber verſchwundne Vorftellung in ihre Geele zuruͤck. Der Buchs, der fid) einmal aus dem Eifen ge— vettet hat, worin er gefangen war, huͤtet fi) aufs forg- fältigfte, Daß er nicht zum zweytenmal darin gefangen werde; die Vorftellung der vergangnen Gefahr aber ift es, die ihn die gegenwärtige vermeiden lehrt. ben dies ift der Fall mir dem Affen. Der Hund und das Pferd, wenn man fie mit Stocf oder Peitfche gezüc- tige hat, fürchten fich nachher vor dem Anblick und dent Schall diefer Werkzeuge, und richten ihr Betragen nach dem Willen des Menfchen ein; wie liefle fich dies aber erklären, wenn nicht die vorhin gehabten Worftellungen von Stock und Peirfche, und die ehemaligen Einbrüde, weiche felbige auf ihren Körper machten, in ihre Seele zurückfehrten und ihr Betragen beſtimmten. Als das Rebhuhn zum erſtenmale das Garn ſah, fuͤrchtete es ſich nicht und ward gefangen. Der Hund und das Pferd, \ . wenn 143 wenn fie nie Schläge gekriegt haben, werden bey dem Anblid von Stoc oder Peitſche niche erſchrecken; nun aber erregt der Anblick dieſer Dinge in der Seele des Tieres die Vorftellung von ehemals gehabten Empfin- dungen. Jene Vorftellungen, welche, einen längern oder Fürzern Zeitraum hindurch, verſchwunden und gleic)- fam abwefend waren, Fehren itzt wieder zuruͤck. Diefe Wahrheit wird überdem noch durch die Bemerkungen be- ftärige, die wir im Vorbergehenden, infonderheit über diejenige Faͤhigkeit bey den Thieren angeführt haben, ver- möge deren fie einen Sinn durch den andern berichtigen, und durch Erfahrung Flüger werden. Und was foll man von den Träumen unfrer Hausthiere fagen? Wer, wenn er mie der geringften Aufmerkſamkeit den Hund betrachtet bat, füllte niche bemerkt haben, wie ee im Schlafe . -bellen und allerley Bewegungen vornehmen kann, Die man fonft bey dem mwachenden Hunde zu ſehen gewohnt if. Wie aber, allgemein zu reden, unſre Träume Wie- derholungen vorhergehender Vorftellungen find, fo kann man wohl auch als ausgemacht annehmen, daß die Träu- me der Thiere Wiederholungen von den Vorftellungen find, die fie wachend hatten. *) $. 30. *) Daß unfre Träume auch oft in der zufälligen Einwürz \ fung der äußern Gegenftände auf unfern Körper ihrem, Grund haben , davon bin ich durch verfchiedne perſoͤn⸗ liche Erfahrungen Überzeugt worden. Mir träumte ein? mal, meine Hand wäre abgehauen; ich fühlte Schmer⸗ zen dabey, und diefe nahmen fo fehr zu, daß Ich daruͤ⸗ ber aufwachte. In den erſten Augenblicken konnte ich mich noch nicht recht faſſen; aber ich fand bald die wahre Urſache, ſowohl des Traums als der Schmerzen, da meine Hand, 144 nt ST" Das Thier hat Vorftellungen, und vermag die— Borftellungen ‚die es vorher gehabt hat, zu erneuern und zuruͤckzurufen; aber feine Seele befchäftige ſich nicht einzig und ellein mit individuellen Vorftellungen, und den bes fondern Eigenfchaften individueller Gegenftände, Das Thier befigt auch die Fähigkeit, diefe verfchiednen Dinge und Borftellungen mit einander zu vergleichen, das Ueber— einftimmende oder Nichtuͤbereinſtimmende derjenigen Din⸗ ge, die es fich vorftelle, zu bemerfen; und mie Hülfe ſolcher Vergleichungen ſich neue Vorftellungen zu bilden, wonad) es fein Betragen einrichtet. Dies heißt mit an⸗ dern Worten: Die Thiere Haben die Fähigkeit zu artheilen und zu fchließen. Und die Uebereinftim- mung welche wir, auch in diefem Stüde, zwiſchen der Handlungsweife des Ihiers und des Menfchen wahrneh- ‚men, beftätige abermabls diefe Wahrheit. Henn wir ein Kind, das noch nicht reden Fan, oder einen Wilden, von deften Sprache wir nichts ver- ftehen, gegen diefe oder jene Speife oder Getränf, Die man ihnen darbieter, Abſcheu bezeigen fehen, und wenn fie bloß bey dem Anblick derfelben diefen Abſcheu außern, glauben wir denn nicht, daß fie diefe Speife und Dies Getraͤnk mit dem vergleichen ‚was fie geroohnlich genießen, oder mit etwas, Das fie vorher gefoftet haben, und das eben fo ausſah. Wir giauben, fie verabfcheuen das, was man ihnen itzt darbietet, darum, weil fie fließen, es müffe, vermöge der Aehnlichkeit mit dem, was fie vorher Hand, gerade in dem Selente uͤber die Bettſtelle hin aus bieng, Sue um 145 vorher genoßen haben, ihnen eben fo unangehme Em- pfindungen verurfachen, als dasjenige that, Dem es ähn- lich fee; oder auch darum, weil es ihrer gewöhnlichen Nahrung nicht gleicht, und ſie aus dieſer Ungleichheit auf eine verſchiedne und efelhafte Würfung fchließen. Daß aber das Kind und der Wilde in diefem Falle ver: gleiche, urtheile und fhließe, glauben wir darum, weil fie fich eben fo betragen, als wir felbft unter ähnlichen Umftänden uns betragen würden, und wir uns bewuft find, daß wir feldft in folchen Fällen, unfre Handlun- ‚gen nach vorhergegangnen Bergleichungen, Urtheilen und Schluͤßen beſtimmen. Wir find uns bewuft, daß unfre Handlungen fi) nur aus der Wuͤrkſamkeit diefer unfrer Sänigteiten erklären laffen; wir fühlen, daß feine andre Ertlärung derfelben denkbar und richtig ft, und wir fließen daher aus ſehr vernünftigen Gruͤnden, daß auch die Handlungen des Kindes und des Wilden, auf eben die Weife erklärt werden müfjen, da fie von eben der Na— tur und DBefchaffenheit find, als unfte eignen. _ Könnte Das Kind reden, und fünnten wir die Sprade des Wil- ben verftehn, fo würden fie uns felbft das Raͤthſel auflo- fen, und uns auf diefe Weife nur noch mehr davon überzeus gen, daß wir in unfern Vermuthungen Recht hatten. Aber niemand von uns wird darauf fallen, dieſen Be— weiß zu fodern, da fomohl perfonliche Erfahrungen, als Erfahrungen an unzähligen andern Menfchen, deren Sprache wir verftehn, uns vollig berechtigen, von einer ley Würfung auf einerley Urſache zu fehließen. Wir verftehen von der Sprache der Thiere wenig oder nichts; nur auf ihre Handlungen allein gründet ſich ‚ der größte Theil der Kenntniffe, die wir von ihren See— K lenkraͤf⸗ 146 e — lenkraͤften haben. Laͤßt ſich nun aber eine Menge von dieſen Handlungen auf keine vernuͤnftige oder wahrſcheinliche Wei⸗ fe erklaͤren, wenn man nicht annimmt, daß die Thiere uerheilen und fchließen, fo gebieter Vernunft und Er- fahrung uns, ihnen das Vermögen zu uriheilen und zu fihließen, beyzulegen. Die leßtere fielle uns Handlungen in Menge dar, welche ohne obiges Vermögen vollig unerflärbar feyn würden. Wir wollen nur einige von den auffallendften anführen. Anmerfung.a 1) Inden Laͤndern, mo man für die Vermehrung des Vogelwilüprets Sorge trägt, giebt man fic) alle mögliche Mühe, die Elftern auszu— rotten, weil fie die Eyer andrer Vögel zerfioren, und alfo ihre Fortpflanzung hindern. Man merft ſich daher genau die Mefter diefer Naubvögel, und ſucht, zu ber Zeit, menn fie ihre Eyer ausbrüten, die Mutter famme den ungen zu vertilgen. Einige von diefen Elftern find fo unruhig, daß fie das Neſt verlaſſen, ehe man demſelben nahe kommt. Man baut daher an dem Fuße des Baums, in welchen das Meft ſich befindet, eine Art von Hütte, worin ein einzelner Menſch fich verbergen kann; aber man warter vergebens darauf, daß die Elſter wiederfommen foll, wenn fie einmal erfahren hat, daß aus diefer Hütte, wo fie einen Menfchen hineingeben fah, ein Schuß gefchehen Fan, Zwar hält die mutter: liche Zärtlichkeit das Auge des Vogels an das Neſt gefeffelt, aber die Furcht fcheucht ihn davon zuruͤck, bis er mit Einbruch der Nacht fich vor dem Jaͤger ficher glaubt. Um diefen unruhigen Vogel zu hintergehn, iſt man darauf gefallen, zween Menfchen nach der Hütte hinzuſchicken, wovon einer fich darin verbarg und der "taukre "+ andre vorbey gieng. Aber die Elſter bemerkte diefen Kunftgrif und blieb nad) wie vor, weg. Wenn aber endlich fünf bis ſechs Menſchen fi) auf einmal dahin be» geben, fo wird fie irre, und da es ihr feheine, als ob fie alle vorbey giengen, fo begiebt fie fid) ruhig wieder in ihr Heft. Diefe Erfahrung gilt von den Elſtern allgemein. Mannigfaltigfeiten, eine gemeinnügige Wochen: fehrift. Exfter Jahrgang. Berlin, 1770, 2% Seite 149: 50, Wie ſoll man aber dies Betragen des Vogels erflä- ven, wenn man nicht bey ihm Erinnerung vorheriger Gefahr‘ vorausfegt, verglichen mit dem gegenwärtigen und einem oder mehreren vorhergegangnen Fällen, und dem daraus gezognen Schluß, daß der Tod die Folge davon feyn würde, wenn er auf dem Neſte bliebe, fo lange der Menſch fih unten am Baume aufhaͤlt. Auf diefe Art muß man nothwendig die verfchiednen Vor⸗ ftellungen, wodurch das Betragen der Elſter beflimme wird, auflofen und auseinanderfegen; ob ſchon daraus noch nicht folgt, daß fie fic) Dies alles mie ver Deuklich- feier und auf eben die Weife denkt, wie wir ung diefe Fälle denfen und uns darüber erklären. Don dem Ueberlegten in den Handlungen der Thiere, will ich nah Sparrmann einige merfwürdige Erfah rungen anführen, | 2) Man finder in Afrika einen Vogel, der der Bienenkukuk (Cuculus indicator) genannt wird, weil er den Keifenden die Wohnungen und Vorrathsör— ter der Dienen anzeigt. Diefer Vogel ift etmas größer, als ein gewöhnlicher Sperling. Eigentlich, fagt Sparr- mann, ift es wohl nur der Eigennuß, der ihn antreibt, es K2 den 148 ——— den Bienenſchwarm zu verrathen. Denn Honig und die Eyer der Bienen find feine liebſte Speiſe, und er weis, daß, wern die Neſter ver Bienen geplündert wer- den, immer etwas verfchüttet wird, das in fein Loos fälle, oder daß man zur Belohnung feiner Dienfte, etroas fuͤr ihn zurück laßt, ° Dem fey indeflen wie ihm wolle, fo fegt doc) die Art, wie er feine Verraͤtherey ausführt, fehr viel Meberlegung voraus, und ift in der That be wundernswerth. Der Morgen und der Abend ſcheinen insbefondre feine Eßzeiten zu feyn ; menigftens zeigt er dann den großten Eifer, um die Aufmerkſamkeit der Hot— tentotten und Stinfthiere durch fein ſchnarrendes Cheer— Cheer⸗ Cheer, zu erregen. Nun naͤhert man ſich dem Vogel, der, unter immerwährendem Rufen , „feinen Flug in derjenigen Richtung fortfeßt , in welcher der nächfte Bienenſchwarm anzutreffen iſt. Indem man ihm folge, muß man ſich wohl hüten, daß man ihn niche durch Laͤrmen, oder durch ein gar zu zahlreiches Gefolge erſchreckt, fondern man antwortet ihm lies ber mit einem leifen Flöten, zum Zeichen, daß man auf feiner Spur iſt. Ich habe bemerkt, daß der Vogel, folange das Bienen = Dleft noch weit weg war, lange Fluͤge chat, und dann wieder inne hielt, um auf den Jaͤ— ger zu warten, und ihn durch fein Rufen von neuem auf zuſodern; ſo wie er aber dem Neſte naͤher kam, ſlog er in kuͤrzern Abſaͤtzen, und wiederholte ſein Geſchrey hefti— ger und oͤfter. Wenn er endlich das Neſt erreicht hat, es mag nun in der Spalte eines Berges, oder in einem holen Baume, oder in einem unterirrdiſchen Gange ſeyn, ſo ſchwebt er einige Augenblicke uͤber ſelbiges, ſetzt ſich hierauf in einen Buſch oder Baum, der in der Naͤhe iſt, ſo, daß man ihn nicht ſehen kann, haͤlt ſich ganz ſtille, und —— 149 und ſieht zu, was vorgeht und was für Beute wohl für ihn zu machen feyn moͤgte; und man Fann fid) immer ficher darauf verlaffen, daß ein Bienen-Neſt in der Nähe ift, wenn er gänzlich fehweige An einem Orte, wo wir uns einige Tage aufyielten, wurden meine Hottentotten von einem Bienenkukuk, welcher fehr f&hüchtern war, ver- fchiedene Mal nach eben derfelben Gegend hingelodt, ehe fie den Vogel gewahr wurden, und unter. feiner Anfuͤh— rung das Neſt aufſuchten. Wenn mann nun nach der An— weifung diefes Vogels, ein Heft gefunden und ausge- pluͤndert hat, fo pflege man ihm einige von den ſchlechtern Waben, worin die jungen Bienen fißen, zu überlaffer; und vielleicht. hat er gerade diefe Waben amt liebften, wie denn auch) die Hostenfotten fie Feinesweges für Die ſchlech— toften halten. Man fagte dem Verfaffer, wenn man eigentlich darauf ausgienge, Honig zu fammeln, fo müffe man beym erften Nange nicht zu freygebig gegen den Vo— gel feyn, fondern ihm nicht mehr überlaflen, als eben binlänglich wäre, um feinen Appetit zu reizen, wodurch er genoͤthigt würde, noch einen Bienenſchwarm aufzufir- ‘hen, wenn anders einer in der Nähe zu finden wäre. In der Gegend ver Kapſtadt, fage der Verfaffer, war diefer Vogel gänzlich unbefannt, und er fand ihn erft tie— fer im Sande; wo er es, wie er ©, 482 bemerft, die— ſem Vogel oft zu verdanken hatte, daß es ihm in wüften und ımbewohnten Gegenden, nicht an Honig feblte. Sparrmanns Reiſe, ©. 487. ° Don diefem Bie— nenkukuk, deſſen Eriftenz und Geſchicklichkeit Sparr— mann, als er zuerſt davon reden hoͤrte, fuͤr eine Fabel hielt, ſindet man eine aͤhnliche Nachricht in des Pater Lobas Reiſe nach Abyſſinien, herausgegeben von le Grand⸗ 17283 66 er er, wie Sparrmann 8 3 bemerkt, 150 bemerft, ſchwerlich diefe Honigjagd felbft gefehen bat. Die Beftätigung bievon findet man. aud) in ROHBALNES Reiſe, 1. 25. 66 Man bat feine gegründete Urfache, vie Glaub wuͤrdigkeit der obigen Erzaͤhlung zu bezweifeln; aber nun frage man ſich denn ſelbſt, ob man, wenn man ſich in eben dem Fall befaͤnde, als der Bienenkukuk, ſchlauer zu Werke gehen koͤnnte, um feine Abſicht zu erreichen. Seine Abſicht ift, Honig zu befommenz die Erfahrung bat ihn gelehrt, daß, wenn Menfchen oder Stink— £hiere den Vorrath der Bienen plündern, immer auch für ihn etwas übrig bleibt; er ruft daher den Menfchen, zeige ihm den Weg, führt ihn zum Raube hin: und ſowohl der Menfd) als der Honigkukuk, erhalten auf diefe Weiſe die Befriedigung ihrer Wuͤnſche. Hat er nicht Honig genug bekommen, fo macht er einen neuen Verfuch. Ent- weder müflen wir aber, um dies zu erflären, annehmen, daß Erinnerung ans DVergangne, DVergleichung des ge- genmwärtigen Falls mit dem vorigen, und Schluß auf einen ähnlichen Erfolg in der Seele des Thieres ſtatt finde, oder aber, mir müffen den Enefchluß gefaßt haben, daß wir vorfeglich die Wahrheit von ung ftoßen, daß wir bey . diefen Handlungen gar nichts denfen wollen, Indeſſen find diefe Handlungen dadurch noch um fo merfwürdiger, weil wir das Thier in feinem natürlichen Zuftande erblicken, ohne daß Umgang mie Menfchen und Zwang von Men- ſchen den geringften Einfluß auf ſein Betragen hätte äußern koͤnnen. 3) In Afrika giebt es eine Arc von Stinfthier, wel— des Sparrmann Viverra Ratel nennt, und das mit dem Wiefel-oder Dachs einige Aehnlichkeit har. Dies | ee Thier Thier ift ein natürlicher Seind der Bienen, und foll ihnen infonderheit bey dem Auf» und Untergange der Sonne nachgeben. Man erzählt, daß dies Thier befonders beym Untergange der Sonne gefchäftig iſt; es fißt alsdann, und hält eins von feinen Vorderbeinen vor den Augen, fo, daß die Sonnenftralen diejenige Richtung befommen, welche zur Abfiche des Thieres erforderlich if. Wenn es nun zu beyden Seiten gegen die Sonne fieht, und’ einen Dienenfchwarm wahrnimmt, fo weis es, daß fie igt ge- rade nad) Haufe fliegen, und nimmt daher denfelben Weg, um fie aufzufuhen. Sparrmanns Reife, S. 482. Hier mögte man wiederum fragen: Woher weis Dies Thier, Daß die Bienen beym Untergange der Sonne zu Haufe fliegen, wenn es nicht durd) Erfahrung Davon unterrichtet ift, und ſich Diefer Erfahrung zu erin- nern weis? Was bewegt es dazu, fie auf ihrem Sluge zu verfolgen, wenn es nicht aus vorhergegangnen Erfah- rungen, verglichen mit gegenwärtigen Fällen, auf einen ähnlichen Erfolg ſchließt? 4) Mehrere Reiſende, worunter auch Sparrmann, veben von einer Are wilder Hunde, welche man in Afrifa findet, und die von Sparrmann unter die fihäd- lichften Raubthiere gerechnet werden. Sie begnügen ſich nicht daran ihren Hunger zu ftillen, fondern toͤdten alles, was fie habhaft werden koͤnnen. Es find ſtets mehrere diefer Hunde zufammen, und fie flreifen Tag und Nacht nad) Raub umher. Man behaupter, daß fie ſich fogar erdreiſten, die größeren, fowohl wilden als zahmen Thiere anzugreifen; und daß einige von ihnen es einmal wagten, einen reitenden Jaͤger zu verfolgen ‚der erft fie gejagt, aber einen. Fehlſchuß gethan hatte. Man hat bemerkt, daß 84 s fie — 1 152 —— ſie ihre Jagd mit großer Einigkeit und Liſt anftellen, und ſich wechfelsweife die größte Mühe geben, das Wild eins zuholen oder ihm entgegen zu fommen, bis fie es endlich alle fangen. 5) Der Tigerwolf, die geflecfte Hyaͤne, iſt ein in diefen Gegenden gewohnlicyeres und eben fo ſchaͤd⸗ liches Thier; es verräch fid) immer felbit durch feine uns angenehme Stimme; doch hat es zugleich die befondre Eigenfhaft, daß es die Stimme anörer Thiere nachah— men fann, wodurch es ihm zuweilen gelingt, Kälber, Fuͤllen, Laͤmmer und andre dergleichen Thiere, zu ſich zu locken. Landleute in diefen Gegenden haben verfichert , Die Lit des Tigerwolfs gehe fo weit, daß er bloß zum Echein fich bald wehrt, bald flieht, um nur alle Hunde zu ver leiten, den Hof zu verlaffen und ihn einige Buͤchſenſchuͤße weit von demfelben zu verfolgen, Da indeffen die andern Zigerwolfe aus ihrem Hinterhalt heroorfommen, und ohne Hinder, fowehl für ſich felbft, als für den Tlüch- £enden pluͤndern. Sparrmanns Reiſe. Seite 152° 155. 6) Der Schlangeneffer ( Sefretairwogel ) icheint von der Natur dazu beftimmt, die Schlangen aus . zurotten, die in Afrifa fo zahlreich find, Er ift größer als unfre Kraniche, feine Beine find ungefähr drittehalb Fuß lang, ver Körper aber ift verhaͤltnißmaͤßig Elei- ner als bey dem Kraͤnich. Die Art, wie er fich ver Schlangen bemaͤchtigt, ift fonderbar. Er nähert fi) ihnen mit Behutfamfeit, und zwar fo, daß er die Spitze feines einen Flügels vor ſich hält, um ihrem giftigen Biſſe zu entgehen. Zuweilen wartet er die Gelegenheit ab, um fie mit den Süßen 4 treten, und vor ſich hin zu ſtoſ⸗ fen, —————— 153 ſen, oder auch, er nimmt ſie mit ſeinen Schwungfedern auf, und ſchleudert ſie hoch hinauf in die Luft. Wenn fie nun auf dieſe Weiſe endlich matt, und gleichſam fuͤhl— los werden, fo toͤdtet und ift er fie ganz gemaͤchlich und ohne Gefahr. Herr Sparrmann war zwar nicht Aus genzeuge von dieſem Betragen des Schlangenfreflers, aber er erklärt, daß er an der Wuͤrklichkeit defjelben nicht ziveifle, da viele, fowohl Hottentotten als Ehriften, ihm es verfichert haben; wie man denn auch in der Menagerie in Holland bemerkt hat, daß diefer Vogel eben diefe Uebun⸗ gen mit einem Strohhalm vornahm. Herr Foriter er- zahlt ebenfalls, er habe, indem er dies fehreibe, zween ſolche Voͤgel, und fie hätten die Gewohnheit, daß fie alles, was ihnen vorgefeßt würde, erſt mic den Füßen traten und zerquerfihten, bevor fie es zu eflen wagten. Sparimanns Reife, S. 149-150. 1) Kalm erfuhr auffeiner Reife in Amerifa fol- gende Begebenheit, die er für glaubwürdig erklärt, Ein paar Schwalben führten in einem Stalle ihr Neft auf, worin das Weibgen nachher ihre Eyer legte, und ſich ‚auf felbige ſetzte. Kinige Tage darauf ſah das Gefinde, daß das Weibgen zwar die Eyer noch unter fich hatte, das Männgen aber bisweilen neben dem Neſte herum, ab und zuflog, ſich auf einen Nagel zur Seite niederlies, und befländig einen Laut von fih gab, der Unruhe ver— rieth. Mach einer genaueren Unterfuchung , fanden fie das Weibgen auf den Eyern todt liegen, und warfen es darauf weg. Nun flog das Männgen zum Nefte, und feßte jich eine Weile auf die Ener. Da es aber dafelbft ein paar Stunden gelegen hatte, flog es weg, und fam gen —— mit einem Weibgen nach Hauſe, wel⸗ 85 ches 154 ches nicht allein über den Eyern lag, umd fie ausbrütete, fondern auch die Jungen bis fie groß wurden, und ſich felbft verforgen konnten, ernährt. Kalms Reiſe, 3, OS. TIo DER 8) In Nordamerifa giebt e8 eine Menge von der Are Schlangen, welche Kalm und Catesby die ſchwarze Schlange (Anguis niger) nennen; fie ift die gefchwin- defte unter allen, die man dafelbft antrift; denn fie fährt mit folcher Heftigfeit bin, daß ein Hund fie kaum einho- len kann. Es ift daher ein Gluͤck, daß ihr Biß nicht giftig oder gefährlich if. Sie verurfache fonft feinen Schaden, ausgenommen im Fruͤhling, wenn fie in ihrer Brunft ift. Komme man ihr dann im Wege, fo wird fie fo erboßt, daß fie dem Menfchen aus allen Kräften nach— fegt; und hat fie alsdenn einen Surchtfamen vor ſich, fo geräth er in große Noch. Ich habe, fage Kalm, ver- ſchiedne gekannt, welche bey einer folchen Gelegenheit ihr fo ſtark zu entlaufen gefucht haben, ‚daß fie glaubten, ih- nen würde der Othen vergehen, indem die Schlange, fo gefchwind wie ein Pfeil, hinter ihnen herjagte. Kann man fich aber nur fo gut faflen, daß man, wenn ent- weder Die Schlange zuerft im Nennen ift, oder indem man aus dem Wege läuft, mit einem Stoc oder fonfti- gen Dinge, ſich zur Gegenwehr fest, fo Fehrt fie gerne um, und ergreift felbft die Sucht. Bisweilen aber ift fie doch fo fühn, daß fie demohngeachtet ganz auf einen zu: rennt, und nicht eher ftehen bleibe, bis man ihr einen guten Streich verfegt hat, Wenn fie Dahingegen denje— nigen einholt, der von ihr weglaͤuft, und nicht Much bat, ſich zur Gegenwehr zu feßen, fo fihlinge fie fih um feine Süße, fo, daß der Sliehende nicht mehr laufen kann, — 155 kann, ſondern umfallen muß. Alsdann beißt fie ihn einigemal, wo ſie ihn faſſen kann, und faͤhrt hernach wieder von dannen. Verſchiedne glaubwuͤrdige Leute vers ſicherten Herrn Kalm, daß man auch außer der Brunſt⸗ zeit, dieſe Schlange reizen Fonne, fic) zu verfolgen, wenn man etwas auf fie werfe, und dann meglaufe; aber’ Kalm ſelbſt Fonnte fie nicht dazu bewegen, ob ſchon er mehr als einmal den Verſuch machte. Kalms Reiſe, 3, TH SI 7 9) Der Spottvogel (Mocingbird) iſt einer der ſchoͤnſten Singvögel in Nordamerifa. Man hat ihm diefen Namen deswegen gegeben, weil er die Ge— ſchicklichkeit befigt, die Stimme der meiften andern Voͤ— gel nachzuahmen; aber auch in Abficht feines. übrigen Betragens ift diefer Vogel merkwuͤrdig. Man erzähle von ihm, daß er fein Neſt in Gebüfchen und Bäumen mache, dabey aber fo eigenfinnig fey, daß, wenn je- mand dahin fomme und feine Eyer betrachtet, er diefel- ben oft ganz verläßt, und fich nie wieder einſindet. Die ungen wollen bey ihrer Auferziehung überaus gemartet ſeyn. Wenn man fie von der Mutter wegnimmt und in einen Käfıg ſetzt, fo fürtere fie felbige zwar drey bis vier Tage über; wenn fie aber merkt, daß man fie nicht wie- der losgeben werde, fo flieht fie davon. Zuweilen ge ſchieht es alsddann, daß die Jungen gleic) darauf fterben: vermuthlich, weil fie fich nicht daran gewöhnen Fonnen, das zu effen, was manihnen giebt. Doc) glauben viele, daß die Mutter ihnen das legtemal eine Art von Gift zugeführt habe, um dadurch ihrer Gefangenfchaft bald ein - Ende zu machen. Kalms Reiſe, 2. Th. ©. 361. 10) Ei⸗ #56 Te 10) Eine Art von wilder Rage, welche in Nordamerika ſehr gemein ift, und von Catesby, Puto- rius Americanus {triatus genannt wird, iſt befonders wegen bes Vertheidigungsmittels merkwürdig , deſſen fie fi) gegen ihre Feinde und Verfolger bedient, Wenn fie entweder von Hunden oder Leuten gejagt wird, ſo braucht fie zwar, um ihnen zu entfommen, gemeiniglic) äuerft ihre Füße und Klauen. Sie läuft fo fehr fie kann, oder klettert auf einen Baum hinauf. - Machdem fie aber von ihren Verfolgern fo eingefchränft ift, daß fie feinen Ausweg ihnen zu entfliehen, mehr vor ſich fieht, fo wen- det fie noch ein Mittel an, welches ihr übrig ift, und fprigt ihnen ihren Urin entgegen. Dies fol fie, wie einige wollen, dadurch thun, daß fie ihren Schweif ba- mit anfeuchter, und denfelden zuruͤckſchlaͤgt; und Here Kalm finder dies wahrſcheinlich, da glaubmwürdige Leute ihm erzähle haben, daß fie mic diefer Feuchtigkeit in einer Entfernung von neun Ellen, von der Katze befprüßt wor- ven find. Diefer Urin hat einen fo unerträglichen Ge— ruch, daß fein fhlimmerer gedacht werden kann; und äft man nahe bey der Kage, wenn fie ihn von fid) wirft, fo Fann man kaum Othen fhöpfen, und es ift einem zu Muthe, als ob man erfticken ſollte. Kommt etwas von diefer Feuchtigkeic in die Augen, -fo ift man nicht ohne Gefahr, das Gefichk zu verlieren. Viele Hunde, welche die Katze aufs eifrigfte verfolgten, laufen eben fo. eilig daven, fobald diefer Guß fie trift. ind fie aber rechte Sänger, fo hören fie nicht eher auf, der Flüchtigen nach— zufegen, bis fie ihr das Leben genommen haben, und reiben fih die Schnautze unter dem Jagen zumeilen ein wenig an die Erde. Diefe Kagen laffen fi) zähmen, fo, daß fie wie andre Hausthiere, unter den Menfchen leben, Ä und 157 und dann aeben fie dieſe Feuchtigkeit nicht von ſich, es fey denn, daß fie fehr geängflige over geſchlagen wuͤrden. Kalms Reife, 2. Th. ©. 412: 17. Merkwürdig ift es, daß die Natur mehreren Thierarten folhe Ftüßigfeiten zu ihrer Vertheidigung gab, Paterſon erwähnt einer Schlange, welche von den Eine gebornen die fpeyende genannt wird, weil man fagt, daß fie ihr Gift einige Eilen weit yon fih werfen oder fprüßen kann, und es follen Leute, die davon getroffen wurden, blind geworz denfeyn. Die Schlange ſelbſt hat Paterſon nicht gefehen, aber Sorfter macht bey diefer Gelegenheit folgende Anmerkung s „Ungeachtet es nicht fehr wahrſcheinlich iſt, daß eine Schlange „ihren Speichel einige Ellen weit follte werfen Finnen, und daß „reute, die davon getroffen worden, das Geficht verloren has „den follten, (es mögte denn feyn, daß fie ihn gerade nach der „augen würfe, und immer richtig zu treffen im Stande wäre) „10 Habe ich doch in der Gegend der Kapftadt eine andre Erfahz „rung gehabt, wobey ich würflich ein Auge zu verlieren fürchs tete. Sch gieng 1772 mit meinen Freunden, den Kapitaing "Soof und Fourneaup , weftlich von der Stadt fpazieren, und „hatte das nöthige Geräthe, um Inſekten zu fangen, bey mir. „sch fah einen großen Catabus (Erdfäfer, Torbiſt) und hob „ihn auf, um ihn auf eine große Nadel zu feßen. Er lag ſchon „auf dem Küffen, ald er aufeinmal mir einen Tropfen eines „überaus beiffenden Safts in die Augen fprüßte. Dies brannte „und fehmerzte fo heftig, daß ich wuͤrklich glaubte, ich wärde „blind werden, da der Schmerz überdem fo fehr zu nahm, dag „ich Faft finnlos wurde. Indeſſen verlor er fich wieder, und „ich warf meinen Feind in die Schachtel. Sch fand noch ein „Ihier von eben diefer Gattung, und es warf feine Bombe mit „eben der Präcifion mir ins Auge, » Nachher fieng ich mehr „dergleichen Thiere, aber ich hielt immer meinen Hut vor dem „rien, wenn ich fie fpießen wollte, um ihrem beiffenden „Safte zu entgehen. Sch erfuhr übrigens von den Einwoh— „nern, daß dies Thier fich immer anf dieſe Art gegen feine Feinde = 158 „Feinde wehrt, wie es denn auch wahrfcheinficherweife fich dies „fes Kunſtſtuͤcks mit Nutzen gegen die Vögel bedient. Pater — „ſons Reiſe, ©. 163-63. 11) Die grauen Eichhoͤrner in Amerika bauen gewoͤhnlich ihr Neſt in holen Baͤumen, wohin ſie Moos, Stroh und andre weiche Dinge ſchleppen. Ihre haupt- ſaͤchlichſte Nahrung befteht aus allerley Arten von Nuͤſſen und Eicheln, infonderheit aber find fie auf den Mays be- gierig. Von diefen Dingen fammeln fie einen guten Vorrath zur Winterzebrung, graben ſich Loͤcher, und verwahren einen Theil hier, den andern dort. Doch) fras gen fie auch) eine Menge davon in ihre Nefter. Wenn der Winter da ift, und Schnee und Kälte einfallen, liegen fie oft mehrere Tage über ganz ftil in ihrer Wohnung, und zehren indeffen von dem Vorrath, den fie hier zufams mengebracht haben. Sobald aber das Wetter etwas gelinder wird, fommen fie aus ihren Neftern herab, und graben einen von den verfcharreten Haufen aus... Davon effen fie einen Theil gleich) auf der Stelle, und fragen das Uebrige in ihe Neſt. Herr Kalm bemerkte oft in den folgenden Wintern, die er in Nordamerika zubrachte, daß die Eichhörner, wenn die Witterung: gelinde geweſen war, und hernach eine ſtrenge Kälte darauf folgte, einen Tag vorher, häufiger als gewöhnlich im Walde herum— liefen: theils um fich recht fatt zu ejfen, theils um ihre Mefter bey der bevorftehenden ſtrengen Kälte mit einen neuen Vorrath zu verforgen. Man Eonnte daher, wenn fie -in diefer Jahrszeit, in einer ungewöhnlich großen Zahl, die Wälder überall durchſtreiften, ziemlich ficher vorher wiſſen, daß eine ftarfe Kälte einfallen würde. Die Nuͤſſe, die man in ihren Neftern finder, find gemeini- glich 159 glich die ausgefüchteften, und nicht nur vollig reif, fone dern auch von feinem Wurm durchftochen. Won eben der Befchaffenheit find auch die Eicheln und Muffe, welche die Waldmäufe im Herbfie zufammenfchleppn., Man Fann diefe Thiere leicht zahm machen, fo lange fie noch jung find; und wenn man ihnen denn mehr zu effengiebt, als fie auf einmal verzehren Fonnen, fo fragen fie es in ihr Hausgen, und verwahren es bis fie hungrig werden, da fie es denn wieder hervorſuchen. Ob ſchon fie niche fehr ſcheu find, fo ift es doch nicht leicht fie zu fehießen, denn fobald fie jemanden fehen, klettern fie auf einen Daum, und wählen biezu gemeiniglich den größten, den fie in der Naͤhe finden koͤnnen. Hier fuchen fie fih zu verbergen, Damit der, der fie fihießen will, fie nicht im Gefichte habe. Wenn etwa zween Xefte eine Krümmung gegen einander machen, fo legt das Thier ſich mitten in diefe, und klemmt fich fo ftarf an, daß es kaum zu fehen iſt. Man mag den ‘Baum fehütteln, oder mit Stöden und Steinen nach der Stelle werfen, fo liege das Eich- horn Doc) gemeiniglich ftille und rege fich nicht. Saufen drey Hefte zufammen , fo flüchtet es zwifchen fie, und ſchmiegt ſich fo forgfältig daran, als es nur möglich ift. Und denn iſt es genug gefichert. Bisweilen entflieht es auf einen Baum, auf dem noch alte Nefter von Eichhör- nern oder großen Vögeln anzutreffen find. Dann fchlüpfe es in felbige hinein, und fann auf feine Art wieder her- aus gebracht werden, man mag dahin werfen, fehießen, oder fonft anfangen was man will. Kalms Reiſe, 2.% © 451: 55, 12) Durch Paterfon haben wir eine neue und merkwürdige Gattung von Vögeln Fennen lernen, welche in 160 —— in ihrer Art zu bauen und in ihrem Kunſtfleiße, es den Bienen faſt gleich zu thun ſcheinen. Dieſe Voͤgel bauen ihre Neſter in einen Baum (Mimoſa) der nicht allein durch feine ungewoͤhnliche Größe, ſondern auch der man⸗ nigfaltigen Abſichten wegen, wozu die Natur ihn be— ſtimmt zu haben ſcheint, die Bewundrung der Keifen« den erregt. Dieſer Baum traͤgt viel Gummi, welches den Einwohnern des Landes eine angenehme Speiſe iſt. Seine Blaͤtter und die Enden der Zweige, ſcheinen die wichtigſte Nahrung des Kameloparden zu ſeyn. Die ausgebreiteten Zweige und der glatte Stamm deſſelben, dienen den obenerwaͤhnten Voͤgeln zum Schutz, und ſie verſammeln ſich ſchaarenweiſe in dieſem Baume, um den Schlangen und andern Ungeziefer zu entgehen, welche ſonſt ihre Eyer vernichten wuͤrden. Die Art, wie dieſe Voͤgel ihre Neſter bauen, iſt hoͤchſt merkwuͤrdig. In einem Neſte, das Paterſon abgezeichnet hat, waren nicht weniger als achthundert bis tauſend Voͤgel unter einem und ebendemſelben Dache. Dieſes Ausdrucks aber bedient man ſich hier mit Recht, da das ganze Neſt wie ein mit Stroh gedecktes Haus ausſieht, und der Rand deſſelben, einen uͤber den Eingang zu den Neſtern ruhenden Winfel bilder, welcher fo ſcharf iſt, daß es allem Ungeziefer unmöglich gemacht wird, fich ihnen zu nähern. Diefe Vögel befchäftigen fi) den ganzen Tag dar mit, eine Örasart zu holen, welche den weſendlichſten Beſtandtheil ihres Baues ausmacht, und womit fie ihn ausbeflern und zu Stande bringen, Obgleich Vater: fon nicht mit eignen Mugen geſehen hat, daß diefe Nö- gel ihre Nefter erweitern, je nachden ihre Anzahl jähr- lich — — 16: lich zunimmt, fo glaubt er doch, daß fie dies wuͤrklich tun, da er viele Baͤume ſah, welche ſich unter dieſer Soft beugen, und andre, deren Zweige gänzlich von foichen Neſtern bedeckt waren. Wenn der Baum, mel cher diefe ſchwebenden Diefter trägt, - der vermehrten gaft nachgeben muß, fo folgt es von ſelbſt, daß die Vogel ſich nicht laͤnger dahin begeben koͤnnen ‚und nochwendis in einem andern Baume bauen muͤſſen. Parerfon nahm eins von den verlafinen Neſtern aus, um den innern Bau deflelben zu unterfüchen, und fand ihn eben fo kuͤnſtlich, als die Außenſeite. Ein ſol⸗ ches Reſt hat viele Zugänge, Deren jeder eine regelmaͤßi⸗ ge Gafje bildet, worin ſich an beyden Seiten Nefter befin- den, die ungefähr zwey Zoll von einander entferne liegen. Dos Gras, deſſen diefe Vogel ſich zu ihrem Baue bedienen, wird Buſchmannsgras genannt; und Vaters jon glaubt, daß der Saame deffelden ihre hauptſaͤchlichſte Nahrung ausmacht, ob DIEhen er bey Unterſuchung rer Neſter, Die Slügel und Beine von verfchiednen In— feften fand. Das Neſt, welches er zerlegte, war, wie es fihien, feit einigen Jahren nicht bewohnt worden, Ei— nige Theile deſſelben waren yollftändiger als andre, und dies kann alfo beynahe für einen —— gelten, daß dieſe Thiere zu verſchiedenen Zeiten ihre Wohnung ver- groͤßert haben, je nachdem fie es bey dem Anwachs der Familien oder der Geſellſchaft nöchig fanden. Waters fons Reife, ©. 135: 36. - Hier fehen wir alfe, Ile den Vögeln eine Thierart, deren geſellſchaftliches Leben, dem der Bienen unter den Inſekten, und des Bibers unter den Saͤugthieren entipricht. N 13) Die 162 — — 13) Die Gemſe (Capra Rupicapra) iſt eine von den wichtigſten Merkwuͤrdigkeiten der Alpen, und ihre Geſchichte liefert uns weſentliche Beytraͤge zur Lehre vonder Intelligenz der Thiere. Sie haͤlt ſich im Sommer in den höchften Felſengegenden auf, und zwar an den unzugaͤng— lichften Stellen, infonderheit fucht fie ftets in der Naͤhe von Schnee und Ölerfchern zu feyn. Sobald ver Tag anbricht, grafen fie, und nahren ſich von den wohlfchmel: £endften Alpenkraͤutern; und auf diefe Weife Bat der Schöpfer dafür geforgt, daß diefe unzugängliche Berg: grafung, die dem Menfchengefchlechte fonft unnuͤtz feyn würde, einer zahlreichen Thierfamilie zur Nahrung die— nen mögte , welche binwiederum dem Menſchen zum Mugen gereicht. Da aber bey weitem nicht alle Weiden, wo die Gemfen ihre Nahrung ſuchen, unzugänglid) find, fo ziehen fie fih, fobald die Sonne etwas hoher fteigt, in entlegne, wilde, rauhe, aber immer ſchaͤttige Berge ehäler zurück, inſonderheit ſuchen fie fich an folchen Stel- len zu lagern, wo Schnee liegt. Es ift ihre großte Freude, fih im Schnee und auf den Gletſchern herumzumwälzen , da fie von fehr hitziger Natur find. Sobald der Abend anbricht, begeben fie fich wieder nad) ihren Örafungen hin, und die Nacht über halten fte ſich unter hohlen Felſen oder eingeftirgten F:lfenftücken auf, denn Höhlen oder Mefter haben fie nicht. So bringen fie den Soramer und Herbſt zu; wenn aber die Natur auf den hoͤchſten Gipfeln der Berge erſtirbt, ziehen fie fic) immer näher nach den Wäldern bin, bis endlic) der Win— ter fie nötige, dort ihren Aufenthalte zu fuhen. Dann wählen fie die dickſten und wärmften Wälder zu ihrer Winterwohnung, und vorzüglid) die Stellen, wo fie vor Schneelavinen und Felfenftürzen am ficherften find. Am liebften Ver 16 3 liebften lagern fie ſich unter einer Are von Fichtenbäumen, deren niedrige, und ausgebreitete Zweige ihnen wider Schnee und Kälte zum Schuß dienen. Hucd) wählen fie gern Die Sennenfeite des Waldes zu ihrem Aufenthalt, - theils weil es da warmer iſt, theils such , weil an Diefen Stellen das Gras zeitiger her vorfeimt. Der Frühling · ift ihnen die befchiwerlichfte und unangenehmfte Jahrszeit; fie verlafien dann gewoͤhnlich die Wälder um das junge Gras zu genießen. Um aber dies zu erhalten, müffen fie fich in bewohnte Gegenden wagen, mie fie denn auch nicht. felten den Häufeen ganz nahe kommen, fo wild und menfchenfchen fie fonft find. Gehen ſie eine folche neue Grafung an einem Orte, der gegen die Sonne liegt, fo fälle der Weg dahin gewöhnlich durch den Schnee, wel— cher um diefe Jahrszeit beydes weich und tief ift. Nichts ift beſchwerlicher für Diefe Ihiere, als Durch den Schnee zu feßen, da ihr Körper nicht darnach gebaut ift, daß der Schnee ihn tragen Fonnte, und fie daher immer ein- finfen, Einer von den glaubwuͤrdigſten Jaͤgern erzählte dem Berfafler folgende Begebenheit, welche er mit eignen Augen gefehen hatte. Als er einmal im Fruͤhjahre fie- ben Gemfen antraf, ergriffen felbige die Flucht, fobald fie ihn gewahr wurden, muften aber über eine Stelle hin, wo der Schnee fehr hoc) lag und dabey weich mar. Da fie nun fahen, daß es mit ihrer Flucht nur langſam gieng, weil fie immer einfanfen, ſprang die lehte auf den Ruͤcken derjenigen, welche ihr zunächft voran gieng, und fo weis ter über den Rücken aller übrigen, worauf fie fi) an die Spitze ſtellte; die naͤchſtletzte folgte diefer auf eben die Weiſe, welches auch die übrigen thaten, und fo Ichergeftalt in einem Augenblick über den Schnee weg ſetzten. 1 ‘a | Es - Es ift befennt, daß diefe Thiere in Geſellſchaft mit einander leben; man bat fogar ihrer ſechzig auf ein- mal beyfanımen gefeben. Sie grafen mit einonder, zie⸗ hen zuſammen von einem Orte zum andern, und fliehen, wenn ſie einen Feind gewahr werden, alle zugleich. Daß ſie, indes ſie graſen, zur gemeinſchaftlichen Sicherheit eine Wache ausſtellen, iſt falſch; wahr aber iſt es, daß die Gemſen ein muſterhaftes Beyſpiel von Aufmerkſam— "sie geben. Die eine verlaͤſt ſich nicht auf Die andre, fondern jede ift wachfam, und richtet jeden Augenblick den Kopf in die Höhe, um die Gegend auszufpähen, oder ſchnaubt die Luft in ſich, um dadurd) die etwanige Gefahr ‚u entdecken, und bie Erſte von ihnen, weiche Das ge= ringſte verdächtige wahrnimmt, warnet Die uͤbrigen nit einem durchdringenden Pfeifen, und in einem Mu entfernt ficd) die ganze Heerde. Wenn fie ſich gelas gert haben, halten fie immer den Kopf in die Hohe, und man fann von feinem Thiere mit groͤßerm Rechte fagen, daß es mit ofnen Augen ſchlafe. ben fo betragen fie ſich, wenn fie trinken, oder an etwas lecken, ba fie ſich jeben a ugenblick umſehen. - Der Gemsbock bekuͤmmert ſich nicht um feine June gen, fendern überläß: es gaͤnzlich der Matter für felbige zu forgen. Bis die Jungen gelernt heben über Felſen und Abgruͤnde zu fpringen, ſucht diefe ihnen die enzlegenften und icherften Grafimgen auf, und ſtrengt befländig alle ihre Sinne > um ſchon von weiten ihren Feind ausjus fpähen, und bey Zeiten ihre ungen retten zu lönnen Man bat oft mic Bewunderung gefehen, wie fie mit nu terlicher Stimme ihnen ruft, wenn fie über eine Klippe geſetzt hat, und der Junge zwey oder Dreymal vergeblich). den — — — —— eMut⸗ den Sprung wagte, und wieder zuruͤckfiel. Die ter kehrt alsdann zuruͤck, und wiederholt den Sprung e lange vor ihm, bis er ihn nac machen fann. In ſolchen Faͤllen geben ſie einen Laut von ſich, der ungefaͤhr dem Maͤckern einer Ziege ähnlich iſt; denn fie pfeifen nur dan, wenn fie etivas verdächriges wahrnehmen und die ar Schaft warnen wollen. Die Natur hat dieſe Thiere mit unendlich. fei— nen Sinnen begabt. Sie ſehen und hoͤren ſehr weit; das bewundernswuͤrdigſte aber iſt ihr Geruch, welcher ſo fein ſeyn ſoll, daß ſie ihren Feind, inſonderheit das Schießpulver, in der Entfernung von einer Viertel: meile riechen fünnen. Dabey find fie außerordenzlich be— bende, und wer es nicht gefehen hat, Fann ſich feiner Begriff von der Schnelligkeit machen, mit der fie laufen, cder von den verwegnen und ſchrecklichen Sprüngen, vie fie von einer Klippe auf die andre machen. Man murh- maaßt, daß diefe Thiere fünf und zwanzig bis dreyßig Jahre leben. Triſt es fih, daß fie, wie oft gefchiehr, von den Jaͤgern an einem Orte überrajcht werden, wo ihnen fein andrer Ausweg bleibt, als der, durch welchen er zu ihnen Fam, fo iſt der Jäger verloren, wenn er nicht ausweichen, oder fid) an den Felſen anklammern kann. Denn fie flürgen alsdenn auf diefen Kusgang zu, um zu entfliehen, und der Jaͤger wird ein Opfer ihrer blinden Furcht und Verzweiflung, indem fie wuͤrklich ſuchen, ihn in den Abgrund hinabzuſtoßen. Ma— gazin für die Naturkunde Helvetiens, herausgege— ben von D. A. Hoͤpfner. Zuͤrch, 8. 1788. 2. B. Seite 112. u. f. 14) Bon dem Steinbock (Capra bex Lin.) welcher jic) an Größe und Bebenbigfeit von ber Gemfe —9 unter⸗ [2 166 m— unterfcheidet, nur die beeiften Gipfel der hoͤchſten Berge bewohnt, und in den legten Jahrhunderten fo felten ge- worden ift, daß man vermuchen muß, die ganze Race werde bald ausfterben, kann man Girtanners Deobach- tungen in Boigts Magazin für Das Neuefte aus der Phyſik, 4. B. 2. St. © 27. u. f. nachſehen. In Hoͤpfners Magazin fuͤr d. Naturkunde Helve— tiens, 4. B. ©. 334- 390. findet man eine Samm- dung von Nachrichten über den Steinbock, die gleichtalls verdienen nac)gelefen zu werden. 15) So ungefic der Baͤr auch ausfiehe, fo ift. er doch behende; er kann einen Daum. hinanflettern ir eine Rage. > ſtillem Wetter nehmen die jungen Baͤren gerne dieſe Uebung vor, wenn ſie aber wieder hin— abſteigen ſollen, halten ſie ich ſehr ſorgfaͤltig an den Zweigen feſt, und aͤußern große Furcht zu fallen. Man haͤlt dafuͤr, daß der hau A Deswegen auf die Bäume | klettre, weil er Die Gewohnheit hat, Die Gegend, wo er plündern will, zuvor er und dies thut er auch dann, wenn er etwa nur einen Hügel findet, der ihm zu dieſem Zweck behuͤlflich ſeyn kann. Wenn Lin: nee ſagt, daß der Baͤr ſeine Jungen auf einen Baum hinaufjagt, ehe er fi) in den Kampf begiebt (ante pug- nam pullos afcendere arbores cogit) fo ſcheint die folgende Begebenheit, welche in der Schweiß allgemein bekannt feyn fol, zu beweiſen, daß er nicht Unrecht habe. Sm Sabre 1787 ſchoß ein Jäger eine Bärin, worauf er auf einer Fichte, Die in der Nähe fand, einiges Ge- raͤuſch hörte; er erblickte bey näherer Unterfuchung,, zween junge Bären auf den Baum, Die er denn ebenfalls herun= terſchoß. Wenn der Där auf Raub ausgeht, fo befteige er — — 167 er entweder einen Baum, oder ſonſtigen hohen Ort; und. da fein Geſicht eben nicht das vorzüglichfte ift, fo ge braucht er ſich feines vortreflichen Geruchs und Gehoͤrs deſto beffer. Entdeckt er nun irgendwo eine Gelegenheit zum Nauben, fo fängt er mit Einbruch der Nacht feinen Zug an, und durchſtreift alle Gegenden, wo ſich Heer— ben aufyalten. Auf folhen Alpen, wo man das Vieh die Nacht über in Nutten einfperrt, und wo Feine Ziegen find, unterſucht er die Befchaffenheit des Landes, wählt fic) einen Ort zum Hinterhalt, von wo er die Heerde nicht vis den Mugen läßt, fobald fie aufs Gras kommt, und hält damit an, bis er entweder Gelegenheit finder eins davon wegzuſchnappen, oder bis der Hirt fie verlaffen hat, da er fie anfällt und folange herumjagt, bis er ent- weder ein Stud davon fängt, oder norhigt, fich in einen Abgrund hinab zu fiirzen. Die Art, wie der Bär bey feinem Angriff verfährt, ift ebenfalls ein Deweiß feiner Vorfichtigfeit, Selten greift er das Hornvieh von verne an, es fey denn, daß es fehr kraftlos ausfühe. Gewoͤhnlich fpringt er ihm auf den Ruͤcken, und fchlägt feine Tagen in daſſelbe, fo, daß es in kurzer Zeit matt wird und umfaͤllt. Scheint das Thier ihm zu ftarf, fo ermüdee er es erft Durch Herumjagen, oder treibt es an einen gefährlichen Ort hin, wo es bin- abftürge, und dadurch verwundet wird oder ſtirbt, und dann fpringe er darauf los, und reift eg in Stüden. Hat er Ruhe zum Eſſen, ſo ißt er ſich erſt fart, und ver- graͤbt das, was er übrig läßt, in die Erte, bis auf ein andermal. Wird er hingegen in feiner Mahlzeit geftort, fo ißt er foviel er fann, und nimme fo viel mit fih, als er fortzubringen vermag. Wenn der Bär fehr hungrig 2:4 iſt, 168 | usausmn zur iſt, greift er auch Pferde an; da diefe aber, wenn fie anders nur einigermaaßen bey Kräften find, ſich muthig zoehren, fo wagt er ſich nicht fo leicht an fie, als an andre Thiere. Dem Menfchen traut er am wenigen, fürchtet ihn am meiften, und feßt fi) gegen ihn nicht zur Wehre, werm er nicht verwundet iſt, oder unge bee. Magazin für die Naturkunde Helverieng, LBS TZARR Noch verdient das bemerkt zu werben, was Kalm nach Bertram von dem Baͤren in Norbamerifa berich⸗ cet. Wenn der Dar ein Stuͤck Hornvich gefangen bat, ſoll er es dadurch umbringen, daß er ibm ein Loch in Die Haut beißt, und Hierauf aus allen Kräften fo lange bins einblaͤßt *— bis das Thier davon entſetzlich aufſchwillt und finde. Kalms Rei ſe, 2. X. ©. 265. Wahr⸗ ſcheinlicher iſt es indeſen, daß der Tod des Thieres in dieſem Fall daher ruͤhrt, weil das Blut befeit ven dur Dies Blaſen in eine heftige und ploßlihe Entzündung ge⸗ raͤth. Man fann ja in ſehr kurzer Zeit ein Pferd ums beingen, wenn man ihm eine Ader oͤfnet, und mit Hülfe seines Nohres hineinblaͤßt; und auf eben die Art lieffe es ſich alfo ertlaͤren, wie das Thier davon ſterben koͤnne, wenn der Baͤr in das Loch blaͤß das er ihm in die Haut gebiſſen hat. — Vey allen dieſen Begebenheiten, womit wir uns nun eine Zeitlang unterhalten haben, muß man merken, daß fie nicht allein aus befannten glaubwürbigen Verfaſ⸗ fern bergenommen find , fondern auch die Handlungsweife der Thiere in ihrem Wildheitszuſtande zeigen, auf wel— sn weber häuslicher Umgang mit Menfehen, noch Zwang — — 169 Zwang von Menſchen, einigen Einfluß hatte. Laßt uns auf einen Augenblick in die Sage diefes oder jenes von den genannten Thieren verfeßen; laßt uns anneh- men, wir follten Diefe oder jene Handlung ausführen, die wir fie haben ausführen fehn; wuͤrde uns dies wohl möglich fern, ohne Vorftelung von vorhergegangnen Sällen, ohne Vergleichung des Gegeniwärtigen mit dem ‚ Vergangnen, und ohne den daraus abgejognen Schluß, welcher die Richtſchnur unſers Betragens wäre? Wenn rote wide Menſchen, wenn wir Kinder fo handeln fehn, wie diefe Thiere handeln, glauben wir denn nie, daß fie eine Abfiche haben , die fie zu erreichen fichen, daß fie ihre Erfahrung bey ver Wahl der Mictel zu Rathe ziehen, die wie fie gebrauchen fehen ; glauben wir nicht, Daß fie urtheilen und fihließen, ungeachtet fie ſich uns nicht verſtaͤndlich machen koͤn— nen ? wir glauben dies, weil wir von uns felbft auf fie ſchließen; und wir fehen bey den Thieren Handlungen von eben ver Natur, wie wir unfre eignen zu feyn roiffen, wie wir die ähnlichen Handlungen von Kindern und wil« ben Völkern zu feyn glauben; wir fühlen, daß folche Handlungen ſich auf Feine vernünftige Weiſe erklären lafr fer, wenn wir nicht annehmen, daß diefe Kinder und diefe Wilden urtheilen und en wie wir; — und dennech follten wir den Thieren Das Bermögen, zu ur⸗ theilen und zu fehließen, abläugnen? Dod) was hat man nicht alles geläugner? Konnte man eine Zeitlang in vollem Ernſte läugnen, oder ſich doch fo ſtellen, als läug- nefe man, daß die ſchwarzen und Fupferfarbnen Bewoh— ner Afrifas und Amerifas, Menfchen wären, weil fie wolligtes Haar und nicht dieſelbe Farbe hatten, wie die Erropaͤer, warum ſollte man denn nicht auch den Thie— 95 ren 179 ven alle Urtheils> und Schließungskraft abfprechen Fon- nen, weil fie nicht denfelben Körperbau haben, wie ver. Menſch? Eins ift eben fo vernünftig als das andre, Und doc) har man bis hiezu von den Fähigkeiten und An— lagen der Seele des TIhieres gewöhnlich nicht anders ge= urtheilt. Aber Erfahrung und Analogie widerfpricht Diefer Meynung; beyde nötigen uns zu glauben, vaß die Thiere das Vermoͤgen befißen, zu urtheilen und zu fehließen; weil wir fonft für fo manche. Hand» Jungen derfelben , feinen vernünftigen oder auf irgend eine Weife annehmlichen Grund anzugeben im Stande find. Anmerfung. Es mögen bier noch einige mer- fenswerche Erfahrungen über die Thiere Platz finden, da fie die enge Verbindung dartbun, welche jwifchen den Vorſtellungen derfelben ftart findet, und man von der Richtigkeit diefer Erfahrungen jede wahrfcheinliche Ge- wißheit hat. ı) Einer von meinen Freunden, der in dem öftlichen Theile von Norwegen gebobren war, und feine Jugendjahre dafelbft bey feinen Aeltern zubrachte, lieh zum öftern ein Pferd, von einem in der dortigen Ge— gend wohnenden Bauern, und ritt dies Pferd feines gu— ten Ganges wegen, fehr gern. Nachdem er verfchieöne Jahre aus feinem Vaterlande eneferne gewefen war, be- ſuchte er einmal feine Familie wieder. Bey diefer Gele: genheit fprach er auch den obengenannten Bauern, und fragte nach feinem Pferde. Der Bauer fagte ihm, das. Pferd wäre tod, und meinte, indem er es fagte, Da nun mein Freund fich nach der Urfache feiner Vetruͤbniß über den Tod des Pferdes erfundigte, gab der Bauer die folgende davon am Er war nemlich auf diefem Pferde 178 Pferde eines Tages zur Stade gerieten, und dort fo guf bewirthet worden, daß ihm der Kopf für den übrigen Theil des Körpers zu ſchwer war, Daher er denn auf dem Ruͤckwege nicht fonderlich feſt im Sattel ſas. Das Pferd richtete feinen Gang ſoviel möglich nad) den Umftänden des Neiters ein; Da es aber zu einer leimig- ten Anhöhe fam, welche, weil es geregnet hatte, glatt und ſchluͤfrig war, konnte es keine ſo ſichre Schritte mehr thun, und der Mann ſiel ſeitwaͤrts herab, wobey er mit dem einen Fuße im Steigbuͤgel bangen bl — Das Pferd ſtand gleich ſtille, und machte verſchiedne Wen— dungen mit dem Koͤrper, um ſeinem Herrn loszuhelfen; aber vergebens. Endlich, nachdem es eine Weile den Mann betrachtet hatte, welcher mit dem Kopf auf der Erde lag, und ſich ſelbſt nicht Helfen konnte, buͤckte es ſich, und faßte den Schlag ſeines Huts, den es auch wuͤrklich mit dem Munde aufhob, da er denn dem Manne vom Kopfe glitt, und dieſer nach wie Say liegen blieb. Zulegt packte das Pferd mit feinen Zähnen den Rock des Mannes in der Gegend des Halfes an, und hob ihn fo- weit in die Höhe, daß er den Fuß aus dem Steigbiegef ziehen Fonnte, und wieder auf die Deine fam. Aus Erkenntlichkeit für diefen Dienft, hatte der Bauer das Pferd folange leben laffen als es Fonnte, pflegte es in feinem Alter aufs befte, und da es zulegt gewoͤhnliches Dferdefurter nicht mehr Fauen Fonnte, gab er ihm eine Art von Grüge oder Suppe, die aus Mehl und Waf- fer zubereitet wurde, 2) Hr. Konfeffionarius Baſtholm hat mir eine ähnliche Begebenheit erzaple, welche fi), wie er mit beftimmeter Gewisheit weis, in Juͤtland zugefragen hat, 172 —i hat, wo ein Pferd ebenfalls ſuchte, dem Reiter, der von ihm herabgefallen wer, wieder aufzubelfen. 3) Der Herr Buchhaͤndler Aary hatte vor einigen Fahren einen Hund, der ihm einmal zwey Meie len weit, von Kopenhagen bis Ballerup, nachgefolgt war, Einige Zeit nachher fuhr Hr. Aary eben. dahin und hatte ben Hund mit fh im Magen. Der Hund, welcher auf der Jandjiraße einen Mann zu Pferde in vol- lem Sallopp gewahr wurde, fprang aus dem Wagen und verfolgte den Reiter, wie er dies immer bey feldyen Gelegenheiten zu thun pflegte. Hr. Aary ſetzte feine Heife fort, und verlor den Hund aus dem Gefichte, Dies geſchah des Rachmittags, und der Hund kam nicht eher als am Nachmittage Des folgenden Tages, zwiſchen drey und vier- Uhr, nah Ballerup. Us Hr, Aary hernach wieder zu Haufe fam, erfuhr er, Daß der Hund an eben dem Tage, da er ausführ, um fünf Uhr Nachmittags, in feinem Haufe gewefen wäre und nad) ihm geſucht hätte, welches denn Gelegenheit gab, daß man Hrn. Aary fragte, wo er ſich an dieſem Tage auf: gehalten haͤtte. Der Hund war nemlid), wie es ſich zeigte, den erften Tag von einem Orte zum andern ges gengen, mo fein Herr zu fommen pflegte, und darauf des Abends zu Haufe gefommen. Den Tag darauf feßte ex fein Suchen fort, und endigte es an dem Drte, wo fein Here zu Mittage zu eflen pflegte. Als er ihn da nicht fand, nahm er den Weg nad) Ballerup. 4) Da Hr. Holt, isiger erfter Prediger, an ber Trinicatisfirche zu Kopenhagen, fih) in dem Kirch— ſpiele Stoud in Norwegen, aufbielt, begab es ſich, wie ev mit erzähle hat, daß eines Sonntags, um die Zeit, da * 173 da man den Prediger von feiner Kirchſpielreiſe zuriick er— wartete, ein Hund, welcher ihn zu begleiten pfiegte, im Vorwege gelaufen kam, woraus man ſchloß, daß er felbft nicht fern mehr feyn muͤſſe. Indeſſen war der Hund ſehr unruhig, und lief von der Frau des Predigers zur Thuͤr bin und wieder, ohne daß jemand rien Fonnte, was ihm fehlen mögte. Sie ſchickte ihrem Manne Boten entgegen, aber er war auf dem Wege nirgends zu fehen. Endlich, da die Unruhe und bag feltfame Betragen des Hundes fortdauerten, fieng fie an zu beforgen, daß ihm etwa ein Ungluͤck begegnet feyn mögte. Sie befahl daher ein paar Seuten auszugehn um nach ihm zu ſuchen, und ließ zugleich den Sund mitgehn; Diefer lief voran, und führte nun dieſe Leute, welche ihm nachfelgten, zu einem Graben hin, worin der Mann mit Kariole und Pferd, hinabgeſtuͤrtzt lag, und fich ſelbſt nicht wieder aufhelfen Konnte, 5) Delacr dir beruft ſich auf den Prinzen Lud⸗ wig von Rohan, und mehr als zweyhundert Perfo- nen, als Augenzeugen von folgender Begebenheit, weiche fih im Septembermonat 1776 zu Mutzig im Elſaß zutrug. Bey einer dafelbft angeftellten Jagd, fprang ein vortreflicher Hünerhund in einen Kanal, der mit Steinen eingefaßt war, und verfolgte eine Gans. Die Hefiigkeit des Hundes Fonnte ride ermangeln, die Auf merkſamkeit der Jaͤger auf fic) zu ziehen; doch fchien Dies ihnen anfänglich nur eine gemöhnliche Begebenheit zu feyn, aber bald verwandelte fie fi) in einen fehr bewunderns— würdigen Zweykampf. Die Gans floh aus allen Kräfe ten, ihr Feind holte fie aber bald wieder ein. In die— fer Valegenheit ſetzte die Gans ſich zur nd gab ihm 174 — ihm verſchiedne Hiebe mit dem Schnabel, und beſpruͤtzte den Hund, indem ſie mit den Fluͤgeln ins Waſſer ſchlug, dermaaßen, daß fie ihn auf einige Augenblicke blind machte. Dann benußte fie den Aufſchub, den fie das durch erhielt, und fieng von neuem an zu fliehen, Der Hund verfolgte fie von neuem, Faum aber war er ihr nahe gekommen, fo gebrauchte fie wieder ihre Flügel im Waſſer um ihn abzuhalten. Diefer Streit dauerte eine gute Stunde, dann verließ der Hund auf einmal die Spur feines Feindes, ward einen Sendhügel im Waſſer gewahr, und begab ſich dahin, Jeder von den Zufchauern glaubte, daß das Gefecht nun geendigt wäre, legte der Gans die Ehre des Sieges bey und bewunderte den Hund, daß ex fo lange aushalten fonnen, Wie groß war aber ihr Erftaunen, als fie den Hund auf dem Hügel fich erhe- ben, mit einem lebhaften und abgemeßnen Sag feinen Feind auf den Ruͤcken fpringen, ihn beym Hals anfaffen und erwürgen ſahen. Des Herrn Delacroix Taſchen⸗ buch für Naturliebhaber, oder Anefooten von den Handlungen und Sitten der Thiere. St. Pe tersburg, bey CHaan.77182.. ©, 180.17. 6) Der Herr von Segonſac, Generalprocu- rator der Münze in Davis, hatte einen Kutſcher, der dem Trunk fehr ergeben war, und einen Hund, der ge- wohnlich mit auf dem Bode ſaß. Diefer Hund merfte es immer, wenn der Kurfcher fich befrunfen hatte, Dann bellte er während des Fahrens unaufhoͤrlich, um gleich- ſam die Fußgänger vor der Gefahr zu warnen, womit die Unfaͤhigkeit des Kutſchers ihnen drohte, Dies that der Hund regelmäßig allemal, wenn ver Kutſcher einen Rauſch hatte, und niemals, wenn er nüchtern und bey Sinnen | war, - war, Mehr als einmal gefchah es, daß Madame Se: gonſac eine Ausfahrt aufgab, und nach ihrem Zimmer zurückkehrte, wenn das Bellen des Hundes ihr anzeiate, daß der Kutſcher zu viel getrunfen hatt. Hifloire Critigue de hame des Betes, contenant les ſen- zimens des philofophes anciens et ceux des mo- dernes fur cette Matiere. par IM. Guer, Avocat a Amfterdam. MDCCXLIX. Tom. 2. p. 58. 7) Vor ungefähre zwanzig ehren wurde ein Kaufmann, welcher in ‘Begleitung feines Hundes in der Schweiß reißte, nahe bey Genf von zween Näubern angefallen, wovon einer feinem Pferde in ven Zügel griff, indeß der andre fein Gewerbe vortrug. Der Hund tete ‚tete feinen Heren ohne langes Bedenken aus diefer Ver— legenheit. Anfangs hatte er fich begnügt, dieſe Schur— fen murrend zu beobachten; aber da er die Piſtole auf der Gurgel feines Seren fab, that er einen heftigen Sprung auf denjenigen, der fie hielt, und lähmte ihm die Fauſt. Darauf kehrte er fich würhend gegen den an: ‚dern Räuber, warf ihn zu Boden, faßte ihn bey ber Kehle, und brachte ihn um, Merkwuͤrdig ift es bey diefer Begebenheit, daß der Hund feinem Heren fi von demjenigen Räuber befreyte, welcher ihm der gefährlichfte war. Delacroix Taſchenbuch, ©. 103. 8) Ich glaube, ſagt Montagne, daß jeder fi) über die Künfte wundern muß, welche die Gaufler ihre Hunde lehren. Sie tanzen nach dem Ton den fie hören, ohne in einem einzigen Takt zu irren u. ſ. w., allein ic) bemerfe mit wahrer Verwundrung, das fehr gewoͤhn— liche Bezeigen der Hunde , deren ficd) die Blinden fo- wohl auf dem Sande als in den Städten bedienen, Ich habe 176 habe Acht darauf gegeben, wie fie bey gewiſſen Pforten, wo ihren Herren gewoͤhnlich Allmoſen gereicht werden, ſtille ſichen wie fie den Waͤgen ausweichen, auch dann, wenn fie felbft Plag genug haben vorbey zu kommen. Ich habe gefehen, daß ein Hund einen breiten und eben Fußſteig längft einem Stadigraben „ liegen lies, und einen ſchlechtern erwählte, bloß, um feinen Herrn von dem Graben zu entfernen. Auf was Art hatte man- bie- fem Hunde begreiflih machen fünnen, daß es feine Pflicht wäre, bloß für die Sicherheit feines Heren zu ſorgen, und feine eigne Bequemlichkeit bintanzufegen ? Und woher hatte er die Kenntniß, daß der Weg zwar breit genug für ihn ſeyn koͤnnte, aber es darum ned) nicht für feinen Herrn wäre? Kann man dies alles be- greifen, ohne dem Hunde Beurtheilunskraft beyzulegen? | Delacroig Taſchenbuch, ©. 104. 9) Folgende Begebenheit, welche fih 1782 auf dem Jahrmarkte von St, Germain zugetragen, und wie Delacroix verfichert, in ganz Paris allgemein befanne iſt, verdient auch bier angeführt zu a Ein gewiß fer Pächter volt⸗ in Begleitung ſeines Hundes, das Baurdall des Jahrmarktes ſehen; man Ei ihm aber, fein Gefährce Tonnte nicht mit hinein — Dem zu⸗ folge bat er die Schildwache ihn i in Bewahrung zu neh⸗ men, und verſicherte, Das 8 Chier wuͤrde nicht weglaufen. Hierauf ward unfer Pächter hineingelaffen. Nachdem er nun feine Neugierde auf dem Jahrmarkte befriedigt hatte, kehrte er zu ſeinem Hunde zuruͤck, ward aber gleich darauf gewahr , daß er feine Uhr eingebuͤßt habe. Er klagte ſein Noth der Schildt wache, und ſagte, wenn der Dieb auf dem Jahrmarkte waͤre, ſo zweifle er nicht daran, daß — 177 daß fein Hund ihn erfennen würde. Die Schilöwache erlaubte ihm, den Verſuch zu machen. Er rief feinen Hund, gab ihm zu verfichen, daß er feine Uhr verloren babe, und befahl ihm, fie zu füchen, Nachdem das Thier feinen Herrn berochen hatte, lief es aufden Marktplatz hin; es waͤhrte nicht lange, fo fam es mit Bezeugungen von Freude und Unruhe wieder zurück, machte ein leichtes Gebelle, zog feinen Heren beym Rod, lief einige Schricce vorwärts, und kehrte dann gleich wieder um, als wenn es ihm gleichem fagen wollte, daß er ihm folgen mögte, Man folgte ihm würflich, und fah den Hund vor einem gewiſſen fehr wohlgekleideten Herrn ftille ſtehn, der feine Augen in allen Buben berunigehen lies. Man rief den Hund, aber vergebens; weder Stöße noch Drohungen waren vermöogend ihn von feinem Standorte zu freiben; er widerfegte fich dem Vorbeygehn bios dieſer einzigen Derfon, die feine ganze Aufmerkſamkeit auf fich zu ziehen ſchien. Die Schilowache erfuhr diefe fo außerodentlichen Umſtaͤnde, und berichtete fie einem Polizeybedienten· Man nahm nun diefen Heren in Verhaft, und brachte ihn vor einen Kommiſſair. Der Hund und fein Herr begleitesen ihn dahin, und blieben an der Thuͤre ſtehen. Inzwiſchen Durchfuchte man feine Tafchen, und fand acht Uhren und zwolf Dofen darin. Dieſe Sachen wurden bey Seite gefeßt. Der Pächter wurde hereingerufen; er gab von feiner Uhr eine genaue Befchreibung; und bat den Kom: miſſair, feinen Hund noch einmal handeln zu laffen, Auf feine Bitte wurden nun die Uhren in eine nahgelegne Kam⸗ mer getragen. Darauf befahl er feinem Hunde, die feis nige herzuholen; und der Hund brachte würflich diejenige zuruͤck, die er vorhin bezeichnet harte. Delacroix Taſchenbuch, ©, 162: 165, M 10) Bor, 175 — 10) Vor ein paar Jahren fand man in den Engli— fchen Zeitungen eine Anzeige eingerüct, wodurch zugleich die folgende Degebenheit befannt wurd, Kin paar Freunde, wovon der eine feinen Hund mit hatte , waren zufammen ausgeritten, Der Herr des Hundes wertete mif dem andern, daß fein Hund einen Englifchen Schil— ling auffuchen und wiederbringen würde, den er, ohne Daß der Hund es fühe, irgendivo hinlegen wollte. Das Geldſtuͤck wurde der Abrede gemäß, weggelegt, und fierit- ten weiter, Mac) Verlauf von einiger Zeit gab der Herr feir nem Hunde ein Zeichen, er folle das Verlohrne auffuchen, Der Hund lief feiner Wege, und fie fegten ihren Weg fort. Sie kamen zu Haufe, und zur großen Bermundrung des Ei- genthümers blieb fein Hund aus. Den Tag darauf fam er angelaufen, und brachte feinem Herrn ein paar Beinklei⸗ der, in deren Tafchen eine Uhr und Geld waren, und unter diefem Gelde fand man auch den obigen Schilling. Der Mann lies hierauf in den Zeitungen befannt machen, daß der Hund diefe Beinkleider gebracht habe, und be tief den Eigenthümer, ſich zu legitimiren, und fie abzue holen. Dies gefchab, und es ergab fich bey diefer Ges legenheit, daß ein Pächter an dem Orte vorbey gefom: men war, wo das Geldftüc lag, welches er gewahr wurde und zu fich fteckte, ehe ver Hund dahin fam. Die⸗ fer verfolgte, da er das Geld nicht an der St:lfe fand, wo fein Geruch ihn es ſuchen hieß, die Spur des Paͤch— ters, erreichte.ihn, fehmeichelte ihm, und begleitete ihn in fein Nachtquartier, Hier fuhr er fort fi) an ihn zu halten, und der Pächter erlaubte ihm, die Nacht in fei- nem Zimmer zuzubringen , wodurch er denn Gelegenheit fand, die Beinkleider zu ln , und mit ihnen bavon au laufen, _ Ä | r1) Die 179 11) Die Art, wie die Wölfe ſich mie einander bereinbaren, um Beute zu machen, und die Liſt, welche fie dabey zeigen, iſt befonders merfwürdig, und mird durch folgende, von mehreren Philofophen erwähnte Bez gebenheit, ins Sicht geſetzt. in Menfch, der übers Feld gieng, ward einen Wolf gemahr, der einer Heerde Schaafe aufzulauern ſchien. Er gab dem Hirten Nach— richt davon und rieth ihm, ihn durch feine Hunde verfol- gen zu laffen. ‘Der Hirt antwortete, er würde dies wohl bleiben laffen, da er aus Erfahrung wifle, daß ein an- drer Wolf in der Nähe wäre, der nur auf den Augenblick Tauerte, wo er feine Hunde forefchicken würde, um ihm ein Schaaf wegzuholen. Der Rathgeber wollte gerne wiſſen, ob fich dies würflich fo verhielte, und machte fich anheifchig, das Schaaf zu bezahlen, das der ermartete Wolf etwa holen moͤgte. Es gieng fo, wie der Hirte es voraus gefehn hatte Die Hunde verfolgten. den Wolf, der fih gezeigt hatte, und mittlerrveile kam ein andrer aus feinem Hinterhalt hervor, und fihnappte ein Schaaf weg, ohne von den Hunden daran gehindert zu werben. Diefe Tharfache erzähle der Jefuit Bougeant, im Amufement Philofophique fur le langage des Betes. Paris, MDECXXXIX. 8. p. 90. 12) In der im Höpfnerfchen Magazin einge: ruͤckten Befchreibung des Steinbods, auf den Savoy: ifchen Alpen, findet man folgende Bemerkungen über einen jungen Steinbocd , welchen der Verfafler bey dem Gouverneur von Aigle, im Pays de Vaud, ſah. Ich ſah, fagt der Werfaffer, mit Verwundrung, , in einem der innerften Schloßhöfe von Aigle, diefen Steinboc in zween Sägen eine Mauer hinanklettern, und zwar in M 2 geras gerader Sinie, ohne daß er fic) an etwas anders feſthal⸗ ten konnte, als an den Fleinen Linebenheiten der Mauer; die durch Abfallen des Kalfs entftanden waren; und von da ſchwung er ſich in einem dritten Saße auf eine andre. Mauer, welche fenfrecht auf. der erftern ftand. Zuerſt ſtellte er fich gerade vor das Ziel, das er treffen wollte, parallel niit der Mauer, und unferfuchte diefelbe genau. Hierauf fieng er an, mit kurzen Schritten in dem Schloß⸗ Hofe herumzulaufen, mo er eingefperre war; von Zeit zu Zeit fehrte er nach feinem Ziele zurück, nahm wieder feine vorige Stellung, warf fic) einigemal auf feinen Beinen vor und rückwärts, als ob er ihre Gefchmeidigfeic unters fuchen wollte, und nachdem er dies Spiel ziemlich lange getrieben hatte, beftimmte er fich endlich, fprang hinauf, kletterte längst der gedachten Mauer, und war da, wo er hin wollte. Man fay ihn, fich an der feharfen Kante von dem öberften Theil einer Thurmfahne fefthalten ; und fein gewöhnlicher Aufenthalt war unter dem Dache des höchften Schloßehurms. Magazin’ für die Natur: kunde Helvetiens, 4. B. ©. 345. Jeder Leſer wird zweifelsohne felbft fühlen, daß dies Detragen des Ihiers ſich nicht erklären läßt, wenn man nicht annimmt, daß es fi) auf Vergleichung vor mehreren Fällen , und auf daraus abgezogne Schlüße grün= det. Auch das Willführtiche in der Handlungsweiſe des Thiers iſt unverfennbar; und, wenn glei, wie der Borfafler S. 358 verfichere, der Steinbock fich nicht ohne Schaden auf feinen Hörnern in den Abgrund fürzen kann, (wodurch Boswells Nachricht von dem Corſi— caniſchen Muffoli, ebenfalls zweifelhaft wird, da dieſer vielleicht mit dem Steinbock ein Thier iſt) ſo giebt doch das m 181 das Angefuͤhrte mehr als hinlaͤnglichen Beweiß, von dem Willkuͤhrlichen in den Handlungen deſſelben. 13) Das Murmelthier haͤlt ſich nur in den höch- ſten und unzugänglichiten Gebürgen auf, und wähle vor- züglih die Eleinen engen Thaͤler zu feinem Wohnort, welche zwifchen den fteilen Bergen und den nadelformigen Selfenfpigen liegen. Es wähle am liebſten die ſuͤdliche und weftliche Seite des Bergs, die der Sonne am mei- ften ausgefege ift, und vermeidet mit der größten Sorg— fale alle feuchte Derter. Wenn der Frühling heran— naht, verläßt es fein Winterlager, wo es den Winter über in Betaͤubung gelegen hat, und begiebt fich nach mildern Gegenden bin, um feine Nahrung zu ſuchen; im Sommer aber fucht es wieder die Höhe der Berge, um einfam zu feyn, und einen Steinhaufen oder eine Höhle in der Mähe zu haben, wo es fich gegen alfe un⸗ vermuthete Gefahren, in Sicherheit fegen Fann. Wenn das Murmelehier zahm iſt, ſo iſſet es alles, was man ihm giebt, doch, hat es großen Abfchen vor Fleiſch. Wenn es trinke, hebt es bey jedem Schlud den Kopf in die Höhe, ungefähr fo, wie die Hühner, und fiehe fi) dabey ‚aus Furchtſamkeit, nach allen Seiten um. In der Morgendämmerung geben die alten Mur- melthiere aus ihren Löchern hervor, und fangen mic Auf gang der Sonne an zu grafen. Später am Tage laffen fie ihre ungen ausgehen. Diefe fpringen fodann allent- halben herum, jagen einander, fegen fi) auf die Hin— £erbeine, und bleiben in diefer Stellung, gegen bie Sonne gefehre, eine Zeitlang fißen, mit einer Mine, die einiges Vergnügen zu erfennen giebt. Ehe fie anfan- gen das Gras, ſowohl zu ihrer Eagle als zum NBin- M 3 tervor⸗ 182 αα tervorrath, abzubeiſſen, ſetzen ſie ſich insgeſammt auf ihren Hinterbeinen in einen Kreis und drehen den Kopf nach allen Seiten. Der erſte, der etwas verdaͤchtiges bemerkt, oder zu bemerken glaubt, unterrichtet die ganze Geſellſchaft davon, durch ein ſehr helles Pfeifen. Die uͤbrigen beantworten dies in eben dem Ton, der Reihe nach, und darauf nehmen alle augenblicklich die Flucht, ohne dieſen Laut zu wiederholen. Der Jaͤger kann da- her wiſſen, mie viele von diefen Thieren fih an einem Orte beyfammen finden, wenn er nur Acht giebt, wie viel Mal nach einander gepfiffen wird. Die große Schuͤchternheit dieſes Thieres macht es fehr fehwer, ſich ihm zu nähern ohne bemerfe zu werden. Inſeonderheit, da fie ftets auf einer Klippe oder hohem Steine, eine Schildwache auszuftellen pflegen. Ihr Geſicht ift fo ſcharf, daß fie fehon in weiter Ferne einen Menfchen oder Hund erkennen, der fich ihnen näher. Das Murmel- thier thut feinem andern Thiere Schaden; verfolge man es, fo nimmt es die Flucht, oder ſucht fih wohl gar einen andern Wohnort auf, wenn es fich fonft Feine Ruhe verfchaffen Fann; bringt man es aber aufs äußerfte, und benimme ihm alle Yuswege zur Flucht, fo wehrt es ſich durch Kragen und Beiffen gegen Hunde und Menfchen, fo gut es Fann. Die Murmelthiere leben in Gefellfehaft, und man findet immer eine größte oder geringre Anzahl von ihnen beyfammen, welche eine Art von Familie ausmachen. In der Nähe ihrer Wohnung finder man verfchiedne, bald größere, bald kleinere focher, und viele unter Steis nen oder Eleinen Hügeln ausgegrabne Höhlen, Indeſſen hat jede einzelne Familie, nicht mehr als eine einzige Winter- wohnung; unge 183 / wohnung ; alle übrige Söcher find nichts weiter als Schlupf: löcher, wohin fie ihre Zuflucht nehmen, wenn fie verfolge werden, oder das Wetter ſchlimm if. In diefen Som— mermwohnungen, wie fie von den Jaͤgern genannt wer= den, findet man niemals Heu, und man hat überdem noch andre Kennzeichen, woran man fie von den Winterwoh⸗ nungen unferfcheide. Man findet nemlich, daß bey diefen Sommerwohnungen immer viele lofe, ausgefragte Erde liege, welche ſich mit jedem Jahre vermehrt, fo nie fie, bey dem Anwachs der Familie mehrere Kam- mern anlegen. In einigen von diefen Kammern findet man eine große Menge von Unreinlichfeiten, da hingegen andre, fo wie auch das Winterlager, vollig leer find. Dies ift denn ein Beweiß von der Nichtigkeit der Be— hauptung verfchiedner Altern Schriftftellee, daß das Murmelthier die Reinlichkeit fehr liebe, und jene Löcher zu diefem Gebrauche beſtimmt find. Das Murmelthier höle die Erde mit einer bewun⸗ dernswuͤrdigen Fertigkeit und Gefchindigkeit aus. Es mirft die abgelößte Erde nur zum Theil heraus, und braucht ven Ueberreſt dazu, mit Hülfe feiner breiten Pfo- ten, die Waͤnde des Hauptganges zu füttern, welche dadurch einen ſolchen Grad von Feſtigkeit und Dichte erhalten, daß fie nicht leicht einftürzen fonnen. Die Thuͤre zu diefem Hauptgange, ift fo enge, kaum fechs bis fieben Zoll im Durchfchnitt, daß es faft unbegreiflich ift, wie das Thier durch felbige fommen fann. Wenn das Murmelthier unter dem Graben auf einen Stein oder eine Klippe ſtoͤßt, und alfo nicht in gerader Linie weiter fortarbeiten kann, fo weicht es dieſem Hinderniß aus, und treibt den Gang in einer andern Richtung; M 4 daher 134 —— daher bilden dieſe Gange zuweilen ein Zickzack; gewwohn: lich aber halten fie die gerade Linie. Voi — Magazin für Das Neufte aus der Phyſik, 4. B. 2. St. Seite 1% u f. §. 32. Aus dem bisher angeführten, erhellt zweifelsohne mic hinlänglicher Deutlichkeit, daß die Thiere ſich des Dergangnen erinnern, es mit gegenwärtigen Fallen ver- gleihen, und fich durch Diefe Vergleichung neue Vorſtel— dungen bilden, von dem, was fie zu thun und zu laſſen Haben; das heiße mit andern Worten: fie urteilen und Schließen. Es fraͤgt fih nun noch, ob wir vernünf tigen Grund haben, ihnen Urtheils- und Schlief ſungskraft in eben dem Grade, und von eben dem Umfange beyzulegen, als der Menſch fie hat. Zur Beantwortung diefer Trage find wir einigermaaßen Durch dasjenige vorbereitet, was im Vorhergehenden über die allgemeinen Begriffe der Thiere bemerft worden iſt, und in wie fern man ihnen folche zufchreiben Fann. Der Menfch glaubt von fi, daß er ſowohl aus feinen allgemeinen Begriffen, als aus individuellen Fällen fchließe, welche er auf zweyerley Weiſe mit einander . vergleicht: entweder unmittelbar, indem er geradezu, und ohne Zwifchenbegriff, aus den befannten Begriffen, die er bereits hat, einen neuen Begriff berleitet, oder er nimmt einen dritten Begriff zu Hülfe, vergleicht ihn mit zween vorher befannten, und ſchaft fich nun vermittelſt Der Gleichheit oder Ungleichheit dieſes dritten Begriffs, mit den zween andern, einen neuen Begriff. Die auf iR letztere Are erworbnen neuen Begriffe, nennt man \ unmit⸗ 185 unmittelbare Schlüße. Hiebey aber muß man mer- fen, daß, wenn wir mir Hülfe des dritten Begriffs, diefe fo genannten mittelbaren Schlüße machen, fo geſchieht dies nur-in folchen Fällen, mo wir die Wahr— heit, die wir fuchen, nicht mit Seichtigfeie finden Fonnen, wo alfo die Seele mit derjenigen Langſamkeit würfen muß, welche dazu erfordert wird, wenn fie vollig klares Selbſtbewuſtſeyn von ſich und von der Art, wie fie wuͤr— fet, haben fol. Anders verhält es fih, wenn wir über Dinge und Wahrheiten nachdenfen, die uns fehr wohl befannt find; dann überhüpfen wir oft die Zwiſchenglie— der in der Gedanfenreihe, und gehen Zwiſchenwahrhei— fen vorbey, aus welchen der Schluß eigentlich folgt, und worauf die Wahrheit deffelben beruht; indeffen feheint e3 doch nur, ald ob wir Dies thaten. Im Grunde ſchweben doc) diefe Zwifchenfäge vor unfrer Seele, wir haben ein mehr oder weniger dunfles Gefühl von ihnen, und überfehen alfo mit der Schnelligkeit, welche der Seele fo eigen ift, wenn fie über befannte Dinge nach- denft, Die Folge und den Zufammenhang der Wahrbeiz ten, ohne uns deutlich bewuſt zu feyn, daß diefe Zwi— ſchenwahrheiten mit in Betracht kamen, indem wir diefe oder jene Folgerung berausbrachten. Daher rührt eg denn nun auch, daß wir uns in unfern Unterfüchungen fo oft übereilen,, weil wir aus Mangel an gehörigen Nachdenken, auf Säge fallen, die wir ohne "Bedenken als richtige Folgen von andern uns befannten Wahrhei— ten annehmen, ohne diefe Wahrheiten deutlich genug durchdacht zu haben, um gewiß davon zu fern, daß der Eos, den wir daraus folgern, auch würflich in ihnen enthalten ift, und natürlich aus ihnen hergeleitet werden kann. Die Seele gebraucht alfo Zwifchenbegriffe, felbft Ä M 5 | in 186 — — in ihrem raſcheſten Fluge, obſchon ſie ſich nicht immer deutlich bewuſt iſt, daß ſie ſie gebraucht. Eben ſo aber geht es auch mic den ſogenannten unmittelbaren Schluͤſ—⸗ fen, die wir zu machen glauben; in der That, und der Natur der Seele zufolge, giebt es dergleichen gar nicht, da wir immer einen dritten Begriff zu Hülfe nehmen, um die Aehnlichfeit oder Unähnlichfeit der beyden gegeb- nen Begriffe ausfindig zu machen; diefen Begriff aber glauben wir oft nicht zu haben, wir glauben, mir ge brauchen ihn nicht, weil die Seele in befannten Fällen mit einer folchen Schnelligkeit wuͤrkt, daß wir uns nicht deutlich bewuſt find, auf was Are fie würfe. Und nun fchließen wir denn, aus vernünftigen Gründen, von dem, was mir von ihrer Berfahrungsart in ihrem ruhigern Zu⸗ ftande wiſſen, aufdas, was fie unter veränderten Ums ftänden fich vornimmt, Dieſe aber nötige uns anzuneh- men, daß alle unfre Schlüße an und für fih, mittel bare Schlüße find, wenn gleich ein großer Theil ber jelben auf den erften Anblick unmittelbar zu feyn ſcheint. Wenden mir diefe Bemerkungen auf die Kraft zu urtheilen und zu fihließen an, melche wir bey den Thieren entdeckt haben, fo folgt, daß, wenn die Thiere fchließen, ihre Schlüße alle insgefamme, an und für ſich, mittelbare Schlüße feyn müffen, welche mit Huͤlfe eines dritten Begriffs gebilder werden, obſchon daraus noch nicht folge, daß die Thiere in allen Fällen ohne Ausnahme, oder doch in den meiſten Fällen fich bemuft find, auf was Art ihre Seele würft, um diefe Schlüße zu bilden. Wielleiche find fogar die Fälle felten, wo man annehmen fann, das Thier fey ſich bemuft, daß es einen dritten Begriff gebrauche, um seine neue Kegel | ‘ für ————— 187 fuͤr ſein Betragen ausfindig zu machen; vielleicht iſt es dies nur in ſolchen Faͤllen, wo es darauf ankommt, auf eine andre Weiſe zu handeln, als die ihm gewoͤhnliche, wozu es durch allgemeine und oft wiederholte Erfahrungen geſtimmt war. In allen andern Faͤllen wuͤrkt die Seele mit der ihr eigenthuͤmlichen Schnelligkeit, vermoͤge deren, die weniger klaren oder dunkeln Vorſtellungen, welche doch wuͤrklich zu Beſtimmung der Handlung beytragen, nicht bemerkt werden, wiewohl die Seele deshalb um nichts weniger durch ſie beſtimmt wird. Wenn der Hund durch den Geruch die Ankunft ſeines Herrn entdeckt, und durch ſeine Bewegungen zu erkennen giebt, daß er ihn erwartet; ſo vergleicht er zweifelsohne dieſe Ausduͤnſtun— gen mit denen, die er vorhin vernommen hat, und ſchließt daraus, daß es ſein Herr iſt, der ſich naͤhert; aber die einzelnen Vorſtellungen von den Auzdünftungen feines Heren, von der Aehnlichfeic feiner gegenwärtigen Em- pfindungen mit vorhergehenden von eben der Art, von der Identitaͤt der Perfon, von der fie ausgehen, dieſe Vor- ftellungen denkt er vermuchlich nicht deutlich jede für fich, noch fondert er fie fo von einander ab, daß er Flares Selbftbewuftfeyn von ihrer Verfchiedenheit hat. Die Gewohnheit macht, daß die Seele gleichfam auf einmal die ganze Kette von Vorftellungen überfieht, und ihren Schluß macht, ohne auf eine einzelne Worftellung befon- ders zu merken; darum aber find fie doch in der Seele, und fragen jede für fi dazu bey, den Schluß zu bilden. Und fo geht es dem Menfchen in unzähligen Fällen. Wir hören einen Laut, und augenbliclic) fuͤh⸗ fen und fagen wir, da ift diefe oder jene Perfon. Beym erften Anblick fcheine es, als ob wir diefen Schluß un— mittelbar aus dem Laute zoͤgen; und doch gefchieht es durch inter 188 nn incermediaire Vorftellungen von den Tönen, die wir vor— Hin bey diefer Perfon bemerften, uno die uns aus den gegenwärtigen ähnlichen Tönen, auf die Nähe verfelben Derfon fchließen laſſen. Aus dem obigen feheine nun zu folgen, daß, da bie Thiere das Vermögen zu urfheilen und zu ſchließen bejigen, ihre Schlüße auch alle ohne Ausnahme im eigent- lichſten Nerftande mittelbare Schluͤße feyn müffen; nur mic dem Unterfhiede, daß die Thiere in den meiften Fällen ſchließen und handeln, ohne fich mit einiger Deut- lichkeit bewuſt zu ſeyn, daß fie einen dritten Begriff ge breiichen, um ausfindig zu machen, was fie thun oder laſſen folen. Die Schlüße der Thiere feheinen daher in ven meiften Fallen unmittelbare Schlüße zu feyn, ob Schon fie im Grunde mittelbar find. 0.33: Und hier ftehn wir denn auf dem Punkte, wo bie Gränzfcheide zwifchen der Schließungsfraft der Thiere und der menfchlichen Seele beſtimmt werden muß. Wir haben im Dorhergehenden bemerkt, daß die Thiere, aller MWahrfcheinlichfeit nach, eine Are von allgemeinen Begrif fen haben, folchen nemlich, welche unmittelbar von finnlichen Gegenftänden abſtrahirt find ; wir haben angenommen, daß Diefe Begriffe zwar etwas, aber doch nicht viel mehr in fich befaffen, als die Vorftellung von Individen und indivi: duellen Faͤllen; und in fo fern der Menfch und das Thier einander darin ähnlich find, daß fie verfchiedne ſolche all- gemeine Begriffe mit einander gemein haben, gleicht aud) das Thier dem Menfchen darin, daß es aus der- gleichen allgemeinen, aus den finnlichen Gegenftänden ums unmie 189 ammittelbar abftrahirten Begriffen, Folgerungen zie hen kann. Wie aber dahingegen das —————— des Menſchen ſehr viel weiter geht, da er nicht bey den unmittelbar von ſinnlichen Gegenſtaͤnden abgeſonderten, allgemeinen Begriffen ſtehen bleibt, ſondern dieſe Begriffe mit einander vergleicht, und daraus neue allgemeine Be— griffe erfindet; aus allgemeiner Wahrheit, allgemeine Wahrheit erſpaͤht, und ſich vollends von ſinnlichen Din- gen und Gegenftänden zur Vorftellung von unfinnlichen Dingen erhebt; fo reiht au die Schließungsfraft des Menfihen unendlich weiter als der Thiere, deren Würfungskreis bauptfächlich auf finnliche Dinge, und auf diejenigen DBorftellungen - eingefchränft wurde, welche mit ihnen im nächften und unmittelbarften Verhaͤltniſſe fteben. Sch fage, die Vorftelungen, Urtheile und Schlüße der Thiere find auf folche Dinge eingeſchraͤnkt, welche zunächft und unmittelbar mit ihren ſinnlichen Be— duͤrfniſſen im Verhältnis ftehen, aber darum behaupte ich nicht, daß fie als Weſen aus Körper und Geiſt zuſam⸗ mengefegt, feine eigenthümliche Nothdurft haben follten. Wir werden in der Folge fehen, daß fie in ihren Vorftels lungen und durch ihre Vorftellungen, ſich freuen und leis den koͤnnen, wenn gleic) Fein unmittelbar gegenmwärtiges finnliches Gut oder Hebel auf ihren Körper wuͤrkt. Aber felbft diefe Säle ftehen doc) in enger und unmittelbarer Berbindung mit ihrem Wohl oder Weh als finnliche Weſen, mit der Erhaltung ihres Lebens, und mit ihrem Gluͤcke hier auf Erden ;und alles, was wir an ihnen wahr« nehmen und erfahren, läuft doch am Ende mittelbar oder unmittelbar auf ihre Beduͤrfniſſe als ſinnliche Weſen hin⸗ aus, 190 — — aus. Zwar koͤnnen fie dadurch mehr oder weniger zu einer kuͤnftigen hoͤhern Entwicklung vorbereitet werden, ober es ward ihnen nicht gewährt, dieſe Entwicklung dieffeies der Gränzen der Zeit zu erreichen. Sie ftehn ämmer, was Allgemeinheit der Begriffe, Deutlichkeit und Umfang der Kenntniffe betrift, tief unter dem Men- ſchen, wiewohl fie auf der andern Seite weit größere Intelligenz haben, als man ihnen bisher gewöhnlich zus getraut bat. $. 34 Die Thiere bilden fih neue Vorftellungen, worin fie durch Vergleichung des Vergangnen mit dem Gegen: wärtigen ihr Betragen beftimmen; fie richten ihr Betra— gen nad) Schlüßen ein, welche auf eine folche Verglei- chung beruhen; aber fie fchließen zugleich, und auf die— felbe Weife, von dem VBergangnen und Gegenwärtigen _ aufs Zukünftige; fie haben in vielen Fallen Vorſtel⸗ ungen, nicht allein von dem was war, und ift, fon- dern auch von dem, was nach der nattirlichen Verbindung ver Dinge geſchehen wird und muß; amd mannigfaltige Erfahrungen beftätigen dieſes. | Wir. wollen hier nicht wiederholen, mas mir im Vorhergehenden zum Beweife diefer Wahrheit angeführt haben. Nur müffen wir noch bemerfen, daß die Thiere in ihren Vorftellungen von einem bevorftehenden Gut oder Uebel, wohl nicht immer fich den Fall beſtimmt den- fen, der fich ereignen foll, fo wie er allen feinen Um— ftänden nad) feyn wird, und wahrfcheinlich feyn muß. Gar oft haben fie vermuthlich nur eine dunkle und ver wirrte Borftelfung, von dem bevorftehenden Gut oder Hebel, welche —— 19% welche durch die Aehnlichkeit gegenmärtiger Umftände mit ehemaligen in ihnen erregt wird. Und fo muß man fic) wohl die meiften Fälle erklären, wo die Thiere, vermöge ihrer feinen Sinnenwerfzeuge , . bevorftehende WVeräne derungen in der Natur vorempfinden. Hieraus laſſen fich denn auch verfchiedne von den Begebenheiten erklären, welche bey dem Erdbeben in Kalabrien 1783, mit den Thieren vorfielen. Ein Kaufmann in Meffına beſas zwo Kagen, die er felbit aufgezogen hatte; noch ehe der erfie Stoß des Erdbebens gefchah, waren diefe Thiere ſchon in folches Schrecken gefeßt, daß fie verfuchten , ſich unter dem Fußboden durch zu graben, um aus der Stube zu fommen, Der Kaufmann lies fie in ein andres Zim- ‚mer gehn, und bier fiengen fie diefelbe Arbeit an; end- lich als fie aus dem Haufe kamen, Tiefen fie fporenftreichs zur Stadt hinaus; der Kaufmann folgte ihnen, und ſah, dag fie, fobald fie auf freyem Felde waren, von neuem in die Erde zu Fragen anfiengen. Kurz darauf kam ein ftarfer Stoß, und der Mann fah nun, daß viele Häu: fer in der Stadt, worunter auch fein eignes war, einftürzten. KHennings von Ahndungen und Viſionen, 2. Th, ©eite 431. Es wuͤrde ungereime feyn anzunehmen, daß die Kasen von dem bevorftehenden Erdbeben und den Würs fungen deffelben auf das Haus und die Stadt, eine Be ftimmte Vorftellung hatten. Ihr feineres Gefühl war Urfache, Daß fie. die Verändrungen in Luft und Erde bemerften, ehe der Menfch fie merfen fonnte: die anhe— bende Bewegung feßte fie durch ihre Ungewoͤhnlichkeit in Schreden, und bewog fie, ihr Heil durch die Flucht zu fuchen, Wahrſcheinlich erwarteten fie da eine Defnung zu 192 zu finden, wo fie die Bewegung am ſtaͤrkſten empfanden, und fuchten daher fi) Durd) den Boden hinaus zu graben, welcher unmittelbar die meiften Punfte ihres Körpers be= ruͤhrte, alfo ihnen das ftarffte Gefühl von der Bewegung miccheilen mufte. Das Anbaltende diefes Gefuͤhls mag ſie vielleicht beſtimmt haben, aus dem Hauſe in die freye Zuft zu fliehen‘, wo die Bewegung von oben weniger em⸗ pfunden werden konnte, als in dem eingefchloßnen Kaum eines Zimmers. Zufälligerweife fuͤhrte nun die Gaffe, worin das Haus lag, gerade zum Stadtthore; auf ihrem Wege längft derfelben, fühlten fie wahrſcheinlich niche allein die Bewegung in der Erde, fondern dies Gefühl ward vielleicht noch durch Die Bewegung der zwifchen den Gebäuden eingeſchloßnen Luft verſtaͤrkt. Sie hatten alfo keine Urfache mit ihrem Laufe einzuhalten; big der Ein- Druck ‚den die Bewegung ber Luft und Erde auffie machte, in frenem Felde fehwächer wurde, Hier ſtehen fie till und fragen in die Erde, deren Bewegung fie nun haupt» fächlich fühlen. Inzwifchen hatten doch diefe Thiere Vor: ſtellung von einer bevorſtehenden Unannehmlichkeit, und dieſe Vorftellung gründete fih auf ihre gegenmärtigen Empfindungen, und die Nichtuͤbereinſtimmung derfelben mit dem gewöhnlichen Zuftande ihres eignen Körpers, und der außer ihnen befindlichen Dinge; obgleich man darum nicht annehmen kann, daß fie gerade von dem be« fondern Sale, der ſich wuͤrklich ereignete, morfiellung hatten. Solche Vorftellungen von bevorfiehenden Verän: drungen, haben die Thiere in fehr vielen andern Fällen; bald mehr bald weniger beftimme, je nachdem ihre vor⸗ herigen Erfahrungen, verbunden mit den gegenmärtigen Gefühlen, mehr oder weniger auf die Vorſtellung von einem u nun 1953 einem beſtimmten Gegenftande oder Veraͤndrung hin— deuten. So iftes bekannt genug, daß verfihiedne Ihier- ‚arten die bevorftehenden Berändrungen des Wetters vor- aus empfinden, und ıdiefe ihre Empfindung durch ein veraͤndertes Dezeigen zu erkennen geben Die Eule durch ihr Gefchrey, andre Vögel durch andre Bemwegun- gen und Tone. Und dies läße fi nun aus ihren feinen Sinnen erflären, wodurch fie im Stande find, die Ver- ändrungen in der Luft, undden Unterfchied in dem Drucke derfelben wahrzunehmen, ehe der Menſch fie wahrneh- men kann. Hingegen giebt es auch gar viele andre Fälle, wo die Vorftellungen der Thiere von dem DBevorftehenden zufammengefeßter, und die Veranlaffung zu ihren Schlüfe fen, nicht fo unmittelbar gegenwärtige Ereignifle find; Fälle, wo alle ihre Seelenfräfte deutlich wirken, und wo nicht regelmäßige Naturbegebenheiten, fondern will- kuͤhrliche Handlungen des Menfchen, der Gegenftand ihrer Vorftellungen und Schlüße find, So, menn der Hund fich vergangen hat und Strafe befürchtet, und dann oft taufenderley Künfte und Schmeicheleyen erfindet, um feinen Deren zu befänftigen, wenn er erft dem Zorne der erften Augenblicke entgangen ift; oft gleichfam ver- zweifelt, und fich in fein erwartetes Schickfal ergiebt, ohne Hofnung ; es vermeiden zu koͤnnen. Um bievon ein Beyſpiel anzuführen, will ich hier eine Begebenheit erzaͤh⸗ Ion, für deren Wahrheit glaubwuͤrdige Zeugen mir Bürgen find. Ein Freund von mir, hatte in feiner Jugend, da er noch in dem Haufe feiner eltern war, einen großen Jagdhund, welcher Alters halber beißig wurde, und da- her beſchwerlich war. Man hatte erſt im Einne, ihn zu erfchießen, befihloß aber hernach, ihn einem Manne N zu 194 ; zu geben, ‚der zwölf Meilen von dem Orte wohnte, und den Hund lieb hatte. - Der Hund ward demnach aufeinem Bauernwagen feftgebunden, und nad) feinem neuen Wohnort hingefahren. Als der Bauer, welcher ihn forefchaffen ſollte, Dafelbit angefommen war, band er den Hund mit einem Thau in dem Hofe eines Haufes feft, wo er eingefehre war, und lies ihn bier ftehen, indes er feldft zu feinem neuen Eigenthümer gieng, um die An- kunft deflelben anzuzeigen. Mittlerweile biß der Hund das Thau in Stücen, und begab fich auf eben dem Wege wieder zurück, den er gefommen war. Die Stadt, wo fein voriger Herr wohnte, lag in einem mit Bergen um- gebnen Thale. Nun traf es fih, daß ein Freund von dem ehemaligen Herrn des Hundes ausgeritten war, und dem Hunde in den Gebürgen oberhalb der Stadt begeg- nete. Diefer Mann mwufte nichts von dem, was ge: fehehen war; munderte fich indeflen, als er den Hund hier erblickte, und ihn mit trauriger Gebarde herumgehen ſah. Noch mehr aber wunderte er fi, da der Hund eine Anhöhe hinan lief, von der er die Stadt, welche dicht am Buße derfelben lag, überfehn Fonnte, ſich auf den Hinterbeinen feßte, und mit dem Fläglichften Heulen und Winfeln auf die Stadt hinab fah, Der Mann rite feines Weges, und erfuhr hernach, was wir oben erzaͤhlt haben ‚ tie auch, daß der Hund in aller Stille ſich wie— der in das Haus feines vorigen Herrn gefchlichen habe, wo er denn eine Stunde nachher erfchoßen wurde, Dies Betragen des Hundes beweißt doch untoider- fprechlich,, daß er wuſte, er dürfe nicht nach Haufe kom— men, daß er betruͤbt darüber war, und bey feiner Zu- ruͤckkunft nichts Gufes erwartete. Zwar Fonnte er fich | wohl orsrmerameme 195 wohl nicht vorftellen, daß man ihn umbringen würde, aber die Vorftellung, daß er von feinem alten Herrn ge— trennt werden follte, und dafür büßen würde, wenn er wieder zu ihm zurücfehrte, war doch zuverläßig fehr Elar und lebhaft in der Seele des Hundes. Anmerfung. Ueberaus merkwürdig ift es, daß die Thiere in Kalabrien vor dem Ausbruch des ver- wuͤſtenden Erdbebens von 1783, das lebhaftefte Gefühl von dem bevorftehenden Unglüc hatten, ob ſchon fie ſich doch wohl nicht beftimme und deutlich, die Art und Be— ſchaffenheit deſſelben vorftellen Fonnten. Doctor Bar: tels fagt hierüber folgendes; Die Empfindungen, welche die Thiere vor dem Erdbeben äußerten, werden unläug- bar immer merfwürdig bleiben. Nur der Menſch war vor diefen warnenden Gefühlen frey, weder auf feinen Körper, noch auf die Munterfeit feiner Seele, hatte das Bevorftehende den geringften Einfluß. Seine Em- pfindungsnerven wurden von demjenigen gar nicht ge- ruͤhrt, was den Thieren die quälenöfte Unruhe verur- ſachte. Ein Beweiß, wie weit fehärfer das Perceptions- vermögen, vermittelft der äußern Sinne, bey den Thie- ren ift. Aber auch bey ihnen bemerfte man in diefer Hin— fihe die groͤßte Verſchiedenheit. Indeſſen find diefe Aeußerungen zu fonderbar, als daß ich nicht hier dasjenige anführen follte, was ich mit Gewißheit davon weiß. Die Fiſche im Meere fehienen kurz vorher, und fo lange dieſe ganze traurige Periode waͤhrte, gleichfam trunken zu feyn, waren fehr unruhig im Waſſer, und eilten häufiger als fonft, in die Netze der Fiſcher. Die Vögel durchkreuzten ſchreyend die Luft, als ob fie durch Furcht herumgerrieben würden, und auch fie fihienen et- Hu 2 was 196 mas von der Flugen Vorſicht verloren zu haben, went fie ‚fi fonft vor den Schlingen der Menfchen huͤteten. Eben die Unruhe bemerkte man an ven Hünern, Gänfen, Tauben u.a, m. Unter den vierfüßigen Thieren fchienen dor Hund und der Efel Diejenigen zu feyn, bey welchen diefe Empfindungen ſich am früheften und beftigften ein- fteflten. Sie liefen mit wilden, ſtarren Blicken furcht— fan umher, und erfüllten Die Luft mic einem ſchrecklichen Geheul und Schreyen. Pferde, Ochſen, Maulefel und andre folche Thiere, zitterten am ganzen Körper, ſtampf ten mit Wiehern und Gebrülle die Erde, fpigten die Ob» ven, und ihre Blicke waren ſtarr und verdächtig. In dem furchtbaren Augenblicke des Erdbebens, fperrten fie die Beine von einander gegen die Erde, um nicht zu fal- len, und doc) flürzten fie oft nieder. Einige verfüchten kurz vorher zu entfliehn, aber vergebens. Das Erbbe- ben erreichte fie, und fie blieben verwirrt und unbeweglich ſtehen. Die Schweine fchienen von diefen vorläufigen Empfindungen am wenigſten zu äußern ; aber bey den Kasen zeigten fie fich fehr heftig, wiewohl fpärer als bey dem Hunde und Efel. Sie kruͤmmten ſich, ihr Haar fträubte fi) wie Borften, ihre Augen thränten und waren blutig, und fie ſtimmten ein fihredliches Sammergefchrey an. Briefe über Kalabrien und Sizilien, von Sohann Heinrich Barteld, Zweyte Auflage, Göttingen, 1791. 8. Erfter Theil. S. 304-5. Diefe Nach- richten findet man auch beftätige, in dem Schreiben des Ritters Hamilton an die Eönigliche Societaͤt der Wiſſenſchaften in London. Aus dem Tranzöfie fhen. Strasburg. 4. 1784. ©, 12. Le Gentil erzähle in feiner Reife um die Welt, verſchiedne Ahnliche NE ‚ welche 1716 bey einen en 197 einem Erdbeben in Piſco vorfielen, wo er fich damals aufhielt. Piſco ift eine Fleine Stadt in Suͤdamerika, und liege ungefähr funfzig franzoͤſiſche Meilen von Lima. Eine halbe Stunde, heißt es, ehe die Erde zu beben an- fieng , äußerten alle Thiere eine große Angſt. Die Pferde wieherten , viffen ſich von ihren Halftern los, und liefen cus den Ställen. Die Hunde heulten, bie Vögel waren wie beräube und flogen gerade in die Haufe, Maͤuſe und Nasen liefen aus ihren Söchern hervor. Die Schif— fe, welche vor Anfer lagen, wurden fo beftig hin und her geworfen, daß man glaubte fie würden zertruͤmmert werden. Allgemeine Hiftorie der Reiſen zu Waſſer und zu Lande, XII. B. ©. 589. Eben ſolche Würfungen auf die Ihiere brachte ein Erdbeben hervor, das ſich 1703 auf Martinique und Guadeloupe ereignete, und deflen der Pater Labat gedenkt. Er war im Walde, da das Kröbeben aus- brach, und in der Nähe von ihm befanden ſich fechszehn Ochſen, welche in Spannſtricken giengen, um zu grafen. Diefe TIhiere , fagt der Verfaffer, empfanden den Stoß des Eröbebens eher als ich. Sie zerriffen die Stricke womit fie gebunden waren, verfammelten fich bruͤllend, und lieffen eine außerordentliche große Furcht blicken, welche noch eine Zeitlang fortdauerte, nachdem das Erd— beben ſchon aufgehört hatte. ben dies hatte man auch an der Küfte bemerkt, Aus Martinique verficherte man dem Verfaffer, daß die außerordenlichen Bewegun— gen, welche man bey diefer Gelegenheit an allen Thieren wahrgenommen, geoßere Angft bey den Menfchen erregt haben, als das Erdbeben ſelbſt. Labats Neifen nach Weſtindien, 6. B. ©. 428. N3 39 * ERTL TERN TER 158 — nur $. 35. Der Menſch fühle nicht allein fein Dafenn als ein Iebendes, denkendes und thätiges Wefen, verfchieven von allen andern Dingen, welche außer ihm da find; fondern er ift ſich auch bewuſt, daß er unter allen Veraͤndrun⸗ gen von Vorftellungen und Zuftand, daſſelbe lebende, denkende und thätige Wefen iſt, das er vorher war; dies heißt mit wenig Worten: der Menfch hat Selbit- bewuſtſeyn. Vernunft und Erfahrung gebieten uns, yon den Thieren eben daffelbe anzunehmen: ein jedes Thier weis und fühlt daß es da iſt, daß es von jedem andern außer ihm, und mit ıhm Dafey- enden Dinge verſchieden iſt; es weis und fuͤhlt — daß es in jedem folgenden Augenblick ſei— ner Exiſtenz hier auf Erden, daſſelbe Weſen il iſt das es vorher war. Woher wiſſen wir Menſchen — Daſeyn, und daß wir von den Dingen, die außer uns exiſtiren, ver fehieden ſind? ift es nicht daher, weil wir fuͤhlen, Baß die Einwuͤrkung dieſer Dinge unfern Zuftand verändert; weil wir Luft und Unluft fühlen, je nachdem die Wuͤrtung derfelben auf uns, und die dadurch hervorgebrachte Ver— ändrung unfers Zuftandes verfchieden if. Wir wiſſen, daß mir in den folgenden Augenblicken diefelben find, die wir vorher waren, weil wir uns erinnern und fühlen, daß ir, eben diefelben denfenden und fühlenden Subjefte, welche vorher Freude oder Schmerz empfanden, ist uns freuen oder leiden. So aber verhält es ſich auch mit jedweden andern Weſen, das Leben und Empfindung hat; es ſtellt ſich die Verändrungen, welche in feinem Zuſtande vorgehn, mit Luft oder Unluſt vor; und dieſe Vorſtel⸗ 199 Borftelung, diefe Empfindung macht, daß dies We- fen, lebhafter oder dunkler, deutlicher oder undeutlicher, je nad) der Verfchiedenheit feiner Faſſungskraft und feines Zuftandes, fein Dafeyn fühle, und weis, daß es da iſt. Auf diefe Weife haben auch die Thiere Gefühl von ihrem Dafeyn, und find ſich bewuft, daß fie da find, und verfchieden find von jedem andern dafeyenden Dinge, indem fie $uft oder Unluſt, Treude oder Schmerz, bey den Werändrungen fühlen, welche in ihrem Zuftande vor- gehn, und hauptfächlich bey denjenigen, welche durch die Einwürfung der aͤußern Gegenftände auf ihren Körper hervorgebracht werden. Einige diefer Derändrungen fiicht das Thier zu vermeiden, andre wuͤnſcht und ſucht es zu erhalten und zu verlängern, Die Würffamfeit des Thiers vereinigt fich alfo- mit den Dingen und Urfechen, die außer ihm find, und auf ihm würfen, oder fie widere ftrebt ihnen. Das Gefühl diefer Mitwuͤrkung oder Ge- genwürfung aber macht, daß das Thier nothwendig füh- len muß, daß es eriftire, und von jedwedem andern Dinge, das auf ihm wirft, oder dem es entgegen würft, verfchieden ift. Wir haben im Vorhergehenden bewiefen, daß das Ihier fich des Vergangnen erinnert und es mit dem Ge⸗ genmwartigen vergleicht; dies heißt aber mit andern Wor— ten: es erinnert fic) der angenehmen oder unangenehmen Empfindungen, die es einmal gehabt hat; und da es fein Betragen, dieſer Erinnerung gemäß, verfchieden einrichtet, fo muß es auch fühlen, daß es ebendaffelbe empfindende und wuͤrkende Wefen ift, das es damals war; denn .fonft würde jedweder Fall ihm neu und unge- woͤhnlich ſeyn. Wie oft auch eine Erfahrung wiederholt RW 4 wäre, J 2009 waͤre, würde das Thier doch immer fo handeln müffen, als es das erfte Mal handelte, da es diefe Erfahrung hatte, wenn es fi) der Folgen von vorhergehenden aͤhn— chen Fällen nicht zu erinnern wuͤſte, und fühlte, daß der gegenwärtige Tall eben ſowohl, als die vorigen, fein eignes Wefen betreffe. Nun aber wiffer wir, daß die Thiere durch Erfahrung Flüger werden; daß fie vorhe- rige Erfahrungen ihrem nachherigen Betragen zur Richt— ſchnur dienen laffen. Das Ihier handele alfo nad) fort- gefegten , Vorftellungen, von welchen es Die fpätern auf Die frühern zurückführe, Das Ihier fühle die fortgefegte Dauer feines Dafeyns, und ift fich derfelben bewuft, da es fich der Fortfegung feiner Vorftellungen bewuft ift; ‚aber. dann muß es fi) auch zugleich bewuft fern, daß es in jedem folgenden Augenblicke daſſelbe Wefen fey, wel- ches es in den vorhergehenden war, da es ih Ueberein— ſtimmung mit feinen vorigen Vorftellungen, und ihnen gemäß handel. Das Thier hat alfo Selbſtbewuſt— ſeyn, oder das, was man Gefühl von feiner per fünlishen Identitaͤt nenne; es weis von fi) felbft, daß es da ift, und weis zugleich während der Fortſetzung feines Dafeyns von fi), daß es ferner ift, was es vor- her war, daflelbe fühlende und wuͤrkende Wefen, von je dem andern Dinge verfchieden, weiches zugleid) mic ihm da ift, und von ihm erfanne und empfunden wird. 03,0, Das Thier erfenne fich felbft unter der Fortſetzung feines Dafeyns für daffelbe Weſen, Das es vorher war; aber es kennt auch die Dinge außer ihm wieder, welche vorher auf ihm gewürft haben, wenn fie fih von neuem feinen Sinnen darbieren. Das Erinnerungspermögen * des 201 des Thiers iſt nicht bloß auf das Gefühl feines eignen Dafeyns, auf das unmittelbare Gefühl feines eignen Ichs eingeſchraͤnkt; es kann auch die Vorftellung von Per: fonen, Dingen und Ereigniffen zurücrufen, die außer feinem eignen Weſen vorhanden find, und ihm angenehme oder unangenehme Empfindungen verurfacht haben; es fann diefe Dinge für diefelben wieder erkennen, deren Wuͤrkungen es ehemals erfuhr, Das TIhier Hat alfe, im alleveigentlichften Verſtande, Gedachtnif. Und dies wird durch unzählige Erfahrungen beftätige, Die fich, befonders an unfern zahmen Hausthieren, jedem Leicht Darbieten werden, Anmerfung. Ungeachtet aus den im Vorhers gehenden angeführten Beyſpielen, das Gedaͤchtniß des Thieres bereits hinlaͤnglich erwieſen iſt, will ich doch hier noch einige merkwuͤrdige Begebenheiten hinzufuͤgen, welche dieſen Gegenſtand in helleres Licht ſetzen. 1) Carver erzaͤhlt in feiner Reiſe eine merkwuͤr— dige Geſchichte von einer Klapperſchlange, welche zahm geworden war, und ihren Herrn kannte. Carver erfuhr diefelbe von einem franzöfifchen Kaufmanne, Namens Pinnifance, der ein Augenzeuge davon war, Ein Indianer, welcher zu der VBolferfchaft der Nänomonier gehörte, fieng eine Klapperfchlange und fand Mittel, fie zu zähmen; er ehrte fie als feinen Gott, nannte fie im- mer feinen großen Vater, und trug fie in eine Schachtel überall mit fic) herum. Dies hatte der Indianer meh— vere Sommer nach einander gethan, als Pinnifance ihn einſt zufälligerweife an einem Drte traf, wo er fie bey ſich hatte, . gerade da er auf die Winterjagd gehen wolle. Der Kaufmann wunderte fich nicht wenig, als er eines Tages den Indianer die Schachtel, worin fein | RN 5 | Sort so — — Gott befindlich war, niederſetzen, den Deckel abnehmen, und ihm die Freyheit geben ſah; er befahl ihm zugleich, ſich naͤchſten May bey ſeiner Ankunft an dieſem Orte, wieder einzufinden. Es war damals in den erſten Tagen des Oktobers, und Pinniſance, der ſich über die Einfalt des Indianers gar ſehr wunderte, ſagte ihm, er würde wahrs feinlich lange auf diefen Maymonat warten müffen. Der Indianer hatte fo viel Zutrauen zu feiner Schlange, daß er fih erbot um acht Maas Rum zu wetten, die Schlange würde zur beſtimmten Zeit ſich wieder einfin: den, und in ihre Schachtel kriechen. Die Werte ward angenommen, und man beflimmte die zweyte Woche Des nächftfommenden Maymonats zur Entſcheidung der Sache. Das Jahr darauf kamen fie beyde zur beftimm- ten Zeit zufantmen. Der Indianer ſetzte feine Schach» tel von fi), und vief feinen großen Vater. Die Schlange hörte ihm nicht, und da die Zeit verfloßen war, geftand er, daß er verloren habe; aber er machte fic) anbeifchig, die Werte doppelt zu bezahlen, wenn fein großer Vater nicht binnen ziween Tagen Fame, Dies Erbieten wurde angenommen; und den zweyten Tag um Ein Uhr, Fam die Schlange unvermuthet zurück, und froch von felbft in die Schachtel, die für fie in Bereitſchaft ftand. Pin: nifance verficheree, diefe Begebenheit fey wahr, und Carver fest hinzu, daßer, nad) dem, was man ihm oft von der Gelehrigfeit diefes Thiers geſagt habe, Feinen Grund finde, an der Glaubwürdigfeit diefer Erzählung zu zweifeln. Johann Earvers Reiſen durch die inneren Gegenden von Nordamerika, in den Jahren 1766=68. Hamburg. 8. 1780. Sei⸗— fe 25: 27% Der Der Hauptinhalt diefer Erzählung befteht darin, daß die gedachte Klapperfihlange zahm war, ihren Heren kannte, und zu ihm zurückkehrte, nachdem fie ihrer Gefangenfchaft einmal entlaffen war. Daß uͤbrigens der Indianer mit ihr fprach, und ihr befahl, zur gefeten Zeit wiedergufonmen, war entwe— der ein Saufelfpiel oder Einfalt von ihm. Wahrſcheinlich wuſte er aus Erfahrung, daß das Thier um die Jahrszeit, da er die Gegend verlies, ſich nicht daraus entfernen wuͤrde, wie er ſich denn auch im Fruͤhjahr zeitig genug wieder einfand, um ſie noch ungefaͤhr an eben dem Orte anzutreffen. Das Thier kannte ſeine Stimme, und ſie diente ihm zum Wegweiſer, den Mann und ihre Schachtel zu finden. Daß ſie den erſten Tag ausblieb, ruͤhrte, wie die Erzaͤhlung ſagt, vermuthlich daher, weil ſie den Indianer nicht rufen hoͤrte. Uebrigens iſt es nicht ungereimt, daß ein ſolches Thier in einer Schachtel Raum has ben Eonnte, da die Länge der Klapperfihlange von zwey bis vier Ellen, und ihre Dicke von drey und fünf Fingern, bis zur Dicke eines Arms it. Aus der Erzählung erhellt alfo, daß diefe Schlange Feine von den größten gewefen feyn muß, jo wie fie vermuthlich auch nicht von der giftigften Art war. Ueberhaupt wird von dev Klapperichlange bemerkt, daß fie ein ſehr ſchlaͤfri⸗ ges und langfames Thier ift, und nicht leicht jemanden beißt, wenn fie nicht beunruhigt oder gereizt wird. 2) Ein Mann aus Chamouny ſollte zween junge Steinboͤcke, die er erzogen hatte, nach Chantilli, in die Menagerie des Prinzen von Conde, führen. Diefe Thiere folgten ihm freywillig ‚ohne gebunden zu feyn. In der Nähe von Beſancon wurden ſie ſchuͤchtern, da ih— nen eine Heerde Kühe begegnete, und in einem Augen— blicke nahmen fie die Flucht nach den fteilften Felſen in der dortigen Gegend hinauf. Ihr Führer glaubte nun, daß fie für ihn verloren wären. Indeſſen folgte er ihnen nach, und lockte fie zu fih, und in wenigen Minuten kamen fie zuruͤck und begleiteten ihn wie vorher, Möpf: ers 204 ners Magazin für die Naturkunde Helvetiens, 4.8. ©. 346. Diefe Ihiere Fannten alfo ihren Er- zieher, wuften ihn von andern Gegenftänden zu unter ſcheiden, Fannten ihn wieder, nachdem fie ihn verlaffen batten, und erkannten ihn für Denfelben, dem fie vor her folgten, 3) Folgende DBegebenheit mit einem Mauiefel, welche Delacroir anfuͤhrt, verdient auch als Beweiß von dem Gedächtniß der Thiere bemierfe zu werden. Bor einiger Zeit, fagt er, kam der Fuhrmann eines geroiffen Mauermeifters zu Compiegne, Durch das unvermuthete Einſchießen eines Steinbruhs ums Lebens. Dieſer Fuhrmann hafte einen fo fanften und ruhigen Maulefel unter feiner Aufſicht, daß alle Leute feines Handwerks, von nichts als den guten Eigenfchaften veffelben fprachen. Allein, diefe Lenkſamkeit des Maulefels nahm mit dem Tode des Fuhrmanns, wovon er felbft Zeuge geweſen war, ein Ende, Won der Stunde an, durfte man ihm nicht nahe fommen, ohne Gefahr zu laufen, von ihm gebiffen oder gefchlagen zu werden. Schmeichelte man ihm, fo blieb er unempfindlic) dabey ; drohete man ihm, fo achtete er nicht darauf; ſchlug man ihn, fo ward er nur noch mehr erbittert. Seine traurigen und düftern Augen, flößten Mißerauen und Furcht ein. Da dies Ihier dem Mauermeilter, der Cardon bies, täglich Verdruß machte, fo wurde er endlich feiner überdrüßig und verkaufte es. Einige Zeit nachher erfuhr er, daß es den Käufer lahm geſchlagen, und man fich genöthige gefeben hatte, es zu todten. Delacroix Taſchenbuch. ©. 34142. Schwerlich wird jemand bier daran zweifeln, daß das Thier fic) feines erſten Fuͤhrers erin- nerte, 205 nerte, und die Berrübni über den Verluſt deffelben an der Verändrung feines Betragens Urfache war, Das Thier wuſte feine — Fuͤhrer von jenem erſten zu unterſcheiden. 4) Es war, wie Plutarch berichtet, ehedem ein Barbier in Nom, welcher eine Elſter hatte, die fo gut fang und redete, daß man in dem. ganzen Quartier, wo der Mann wohnte, ſich faft von nichts andern unterhielt, als won ihr. Sie ahmte die Stimme der Menfchen, das Geſchrey der Thiere, den Klang der Inſtrumente, Furz alles nah, was fie hörte, und zwar aus eigner Bewegung, ohne durd) jemanden darzu aufgemuntere zu werden, Nun trug es fich einmal zu, daß eine reiche und angefehene Derfon der Stadt zur Erde beſtattet wurde. Der Seichenzug, vor weichem Trompeten und Zinfen bergiengen, fam über den Platz, wo der Barbier wohnte, und hielt dafelbft lange ftille, indes die Muſi— Fanten aus allen Kräften bliefen. Won dem Augenblick an verſtummte die Elfter, und man hoͤrte fe einige Tage lang weder reden, pfeifen, noch fünft irgend einen Ge— brauch von ihrer natürlichen Stimme mahen. Man hegte mancherley Vermuthungen über die Urſache diefes plöglichen Stillſchweigens derfelben. Endlich brauchte fie ihre Stimme wieder, nicht um das, was fie vorhin zu fagen pflegte, zu wiederholen, fondern um den Schalt jener blafenden Inſtrumente, mit denfelben Abwechslun— gen, Daufen, Wiederholungen und Abfällen, als fie am Tage der Beerdigung bemerfe hatte, nachzuahmen. Delacroix Taſchenbuch. ©. 112: 113. 5) Die Jndufteie der Diebe in England, fehränfe — nicht blos auf das ein, was ſie ſelbſt ſtehlen und andre 662% andre Menfchen zu ftehlen bereden, fondern fie geht gar fo weit, daß fie Hunde zu diefem Handwerk erziehen und abrichten; und als ein Beyfpiel, wie weit die Schlauig- feit und das Gedächtniß der Hunde, es in diefem Stuͤck bringen kann, mag bier folgende Begebenheit Pla fire den, welche an dem Orte in Norwegen, wo fie ſich zu— trug, noch in frifchem Andenken feyn wird. Gin Eng- laͤndiſcher Schiffer befuchte einen Kaufmann in Norwe— gen und hatte einen febr hübfchen Hund bey ſich, den er in England gefauft hatte, vermuthlich von jemand, der ihn ſtahl und wieder verfaufte, ohne feine guten Eigen fhaften zu fennen; da der Kaufmann an dem Hunde Gefallen fand, fo machte der Schiffer ihm ein Gefchenf damit. Der Hund wurde indeffen im Haufe befannt, und gewohnte ſich an feinen neuen Herrn. Eines Tages, da legterer in feinem Kontoir ſas, Fam der Hund aus der Stadt zurück, legte ihm feine Vorderbeine auf den Schoos und hatte etwas im Munde, "Der Mann nahm es ihm ab, um zu fehn, mas der Hund wohl bringen mögte, und fand, daß es eine Rolle mit Zwolffiüber- ſtuͤcken war. Da er nun unmöglich begreifen fonnte, wie der Hund zu diefem Gelde gefommen war, fo legte er es zur Seite, und fehrieb auf Die Kolle, an weichen Tage er fie erhalten hätte, In der Folge brachte der Hund noc) verfchiedene Mal, aufeben die Weife, Geld, welches fein Herr mit derfelben Borfichtigfeit aufbob und endlich derauf fiel, daß er es bey einem feiner Freunde genommen haben müfle, der ebenfalls Kaufmann war, in deffen Haufe er oft Fam, und wohin ihn der Hund ge- woͤhnlich zu begleiten pflegte. Indeſſen fchwieg er, bis nach Verlauf von eini⸗ ger Zeit, da gerade der Kaufmann, den er für den Eis genthuͤ⸗ une 207 genthuͤmer des Geldes Diele, ihm bey einem Beſuche erzählte, daß er feit einigen Wochen beftohlen würde, ohne daß er begreifen koͤnne, wie es Damit zugehe, da fein Geldkaſten unbefchädige wäre, niemand. als er felbft, ihm nahe kaͤme, und niemand zugegen gewefen fen, wenn er ihn geöfnet hätte Der Hund, melcher ſehr oft im Kontoir bey ihm wäre, fey der einzige, den er des— halb in Verdacht haben Fonne, und dies fehiene ihm doch ungereimt, zumal, da er nie bemerft habe, daß er Mine mache, als ob er etwas wegnehmen wolle, "Der Herr des Hundes bat hierauf feinen Freund, den Hund genau zu beobachten, wenn er wieder zu ihm Fame; und dies that er denn auf). In dem Zimmer, wo der Geld- Faften ftand, hatte er fein Schreibpule fo ſtehen, daß er, wenn er vor felbigem fas, Dem Kaften den Ruͤcken zufehrte, welcher leßtere, fo wie ein Tiſch, wor— auf er fein Geld zu zählen pflegte, in .einer andern Ede der Stube befindlih war, Nun gefchab es, da der Hund eines Tages, wie gemohnlid) , zu ihm ins Kontoir fam, und fih, wie er immer that, unter dem fen legte, daß der Mann feinen Kaften ofnete, einige Rollen Geld auf den Tiſch legte, und fich darauf wieder an fein Schreibpule feßte, doch fo, daß er fehen Fonnte, was der Hund vornehmen würde, Der Hund lag noch eine Weile ruhig unter dem Ofen, ſchlich ſich darauf nac) dem Tifche hin, nahm eine Rolle weg, und legte fich dann wieder auf feinen vorigen Pla, Der Mann ftellee ſich, als hätte er nichts gemerkt, verwahrte fein Geld wieder, und verfchloß den Kaften. Kurz darauf fam der Hund unterm Dfen hervor, und gab durch feine Gebärden zu erkennen, Daß er hinaus gelaffen zu werden wuͤnſchte; welches Denn guch geſchah, und nun brachte er, 208 er, wie gewöhnlih, das Geld feinem Herrn. Die Dieberey war aljo entdeckt, und der Kaſſenmangel ſtimmte aufs genauefte mit der Gelöfumme: überein, welche der Herr des Hundes empfangen hatte, Drittes Kapitel. Won den. Seaehrungskräften der Thiere. 9. 37. OMndem wir nun folchergeftalt erwiefen, daß die Thiere Vorſtellungskraft hätten, und dabey zeigten, wie Diefe Kraft fich in verfchiednen Graden und auf verfihiedne Weiſe äußerte, haben wir zugleich dargethan, daß die Thiere Begehren und verabfcheuen; Meigung zu dies ſem, Abſcheu gegen andre Dinge zeigen, das heißt: Die Thiere Haben Willen. Erfahrung lehrt, daß der Menfch durch feine Vor⸗ ftellungen beſtimmt wird, auf Diefe oder jene Weife zu handeln; wir begehren einige Dinge, weil wir uns Dies felben als gut, das heiße: mit unfrer Natur überein- flimmend , vorſtellen; wir verabfcheuen andre, und fuchen fie zu vermeiden, weil wir uns fie uns als ſtrei— tig mie unfrer Natur, und mit der Freude und dem Glück vorftellen, das wir ſuchen. Da mir nun aber von uns En wiffen und fühlen, daß wir Dinge begehren uber verab⸗ 209 verafcheuen, je nachdem wir fie uns als zuträglich oder {hädlich für uns vorftellen, fo fehließen wir auch aus vernünftigen Gründen, daß andre Menfchen ebenfalls Neigung und Abfchen fühlen, da wir fehen, daß fie ver- fhiedene und .entgegengefegte Handlungen vornehmen, welche jich nicht erfläven leffen, wenn wir nicht anneh- men, daß auc) fie das Vermögen zu begehren und zu verabfcheuen, befigen, worin der Grund diefer Verſchie— denheit ihrer Handlungen und ihres Derragens gefucht werden muß. Aber aus eben demfelben Grunde find wir aud) ge= nöthige zu glauben, daß die Thiere das Vermögens haben, zu begehren und zu verabiiheuen; daß fie Luſt oder Unluft bey Dingen und Handlungen fühlen, je nach den verfchiednen Wuͤrkungen, welche fie von dem verfchiednen VBerhältnifle diefer Dinge und Handlungen gegen fih, und ihrer verfchiednen Einwuͤrkung auf ſich erfahren haben; und tägliche Erfahrungen bejtätigen Dies. er hat nicht bemerft, daß die TIhiere, wenn fie Luft und Neigung zeigen, gemwiffe Arten von Nahrungsmit— teln zu genießen, gegen andre Abneigung, und zum oͤſtern unüberwindlichen Widerwillen äußern. Man be= trachte infonderheit die Abwechslungen in den Gebärden und Blicken des Hundes und Der Kaße, und man wird ſich leicht überzeugen, daß die Thiere Luft und Unluſt, Neigung oder Abfcheu fühlen, je nachdem die Dinge, welche auf ihnen wuͤrken, und die Umftande, worin fie ſich befinden, mit ihren natürlichen Neigungen oder Zur ftande, übereinftimmen oder nicht, Anmerfung Zum DBeweife, daß die Thiere mit ausgezeichneter "Begierde gewiffe Empfindungen, vor- 9 zugs⸗ 210 hy zugsweife fuchen,, kann folgende Bemerkung dienen, welche Munro enführt. Die Einwohner in Oftindien, ſagt der Verfaſſer, fangen junge Schlangen, nehmen ihnen den Stachel ab, und haben fie zahm in ihren Hätt: fern um fih. Dieſe Schlangen zeigen viel Gefühl für Muſik. Sobald fie eine Violine oder andres Juſtru— ment hören, befonders die Sackpfeiſe, heben fie den Kopf in die Höhe und bewegen fid) nach) der Mufif. Ihre Bewegungen nehmen zu, fo, wie man in einem gefchwin- deren Takt fpiele, bis fie zuleßt in die heftigfte Entzuͤk— fung gerafben, da denn ihre Augen funfeln, und die fchonften Farben fi) an ihrem Körper zeigen. Die wil: ven Schlangen haben eben dies Gefühl. In der Naͤhe der Wohnung des DVerfaffers zu Madras, verfammel: ten fi) ungewöhnlich viele Schlangen, weil die Haut: boiften des Schottländifchen Regiments, bey welchem er fand, dafelbft einquartiere waren, und oft, befonders aufder Sadpfeife, mufleirten. Der Verfaſſer gedenft dieſer Eigenfchaft dee Schlangen, als einer in Indien allgemein bekannten Sache, wovon er felbft unzählige Mal Yugenzeuge gewefen iſt. A narrative of the military operations om the Coromandel Coaft, in ihe years 1784 et ſeq. London, 1789. 4. Und bier fiehe man denn nicht allein die Prädileftion des Thieres für eine gewiffe Are finnlicher Empfindung, fon- ‚dern man fieht fogar, daß es den Laut des einen Inſtru— ments dem Laute von andern vorzieht, Dieſe Nachricht wird auch in den Auszügen aus dem Tagebuch eines neueren Meifenden nach Aſien, aus dem Franzoͤſi— ſchen. Leipzig. 8. 1784. ©. 8., beftätigt. Hier wird insbefondre einer Schlangenart gedacht, welche der Ver: faffer die Hutſchlange nennt, und die mehr als alle an- dern —— — 211 andern auf die Toͤne einer Art von Hirtenfloͤte aufmerk— ſam iſt. Und nicht allein die abgerichteten, ſondern auch die wilden Schlangen, zeigen dies Gefuͤhl fir Muſik. | Damit der $efer um fo deutlicher die Wahrheit der vorhergehenden Bemerfungen einfehen möge, will ich bier von der Art, wie die Schlangen mic ihrem Gifte fhaden, eine Erklärung beyfügen. Die giftigen Schlan— gen haben außer ihren feften Zähnen noch andre, welche beweglich find, und in dem Oberfiefer, zunächft an dem vorfpringenden Theile der Lefzen ſitzen. Diefe Zähne find größer als die übrigen, krumm und hohl und fünnen von dem Thiere aus und einwärts bewege werden, Une terhalb dieſer Giftzaͤhne befinden fich Kleine Blafen, welche eine flüßige Materie enthalten, und diefe ift Das eigentliche Schlangengift. Pater Cabat erzähle, daß er einer getodteten Schlange einen ſolchen Giftzahn ause ' brechen ließ, und ihn von der Wurzel an, bis auf zwey Drittheile feiner Länge hohl fand, wo er an der Seite eine Defnung hatte, Wenn nun die Schlange beiffen will, fo biegt fie ven Kopf feitwärts, und beiße von der Seite. Durd) die heftige Bewegung die fie macht, its dem fie beißt, wird die Giftblafe von dem Giftzahn zer- drückt, und das darin enthaltne Gift ergieße ſich durch Die Defnung des Zahns in die durch den Biß verurfüchte Wunde Um alſo fich gegen das Schlangengift zu fihern, brauche man nur die obengenannten Giftzähne auszubrechen, und damit müffen jene Gaufler Beſcheid wiſſen. Neuer Schauplag der Natur, 7 B. ©. 666:67. Des Pater Labats Reiſen nach MWeftindien, oder den im Amerifamfihen Meer | D.3 liegen- 212 Tiegenden Inſeln. Nach der neueſten Pariſer Ausgaͤbe überfegt. Nürnberg. 8. 1782. 2. B. Seite 190. 2) In Cheſter hatte man zween vortrefliche Haͤhne, die fich oft mit "Beyfall auf dem Kampfplag gezeigt hat ton; aber man hatte noch nicht verfucht, fie gegen einan⸗ der im Kampf aufzuftellen. Endlich machte man auch diefen Verfuh, um zu erfahren, welcher von ih— nen der tapferſte wäre, Aber beyde Hähne fahen ganz friedfertig einander an, und bezeigten, ganz wider die Erwartung der Zufchauer, nicht die mindefte Luſt fich zu fhlagen. Man warf ihnen Korn vor, um fie zu ver- uneinigen, aber fie verzehrten es in guter Eintracht, und giengen fehr friedlich neben einander. Nun lies man eine Henne in den Kreis, um auf diefe Weife Zwietracht unter ihnen zu erregen, aber fie liebfoferen die Henne wechfelsweis, und blieben Freunde. Hierauf trennte der Direfteur diefes Schaufpiels fie von einander, und faͤrbte ihre Jedern, damit fie fi) nicht kennen mögten. Aber auc) dies Mittel wurde vergebens angewandt. Ends lich fegte man noch zween andre Hähne auf den Wahle plag, Dun befamen fie Luſt ſich zu fehlagen, und jeder von ihnen griff feinen neuen Gegner mit Heftigfeit an. As man glaubte, Daß fie hinlänglich erbittert wären, nahm man die fremden Hähne weg, und die beyden erften blieben wieder allein. Aber fie fchlugen fid) nun eben fo wenig als vorhin. Mannigfaltigkeiten. Drit: ter Jahrgang. ©. 790:91. Dieſe Begebenheit - enthält, meiner Meynung nad), einen unwiderfprechlichen Beweiß von der Willkührlichfeit, womit das Thier handelt, und daß es, unabhängig von Gewohnheit, und dem fo- genannten Naturtriebe, im Stande ift, fich feinen Vor— — ſtellun⸗ 213 ſtellungen gemäß, zu einer Handlungsmweife zu beftim- men, welche ganzlicy von derjenigen verfchieden ift, die man zu vermuthen Urfache hätte. Diefe Hähne hatten zwar im Allgemeinen $uft mit andern von ihrer Gattung zu fämpfen, aber unter fich wollten fie nicht gegen einan- der flreiten. Ihr Betragen zeigt den beitimmteften Grad, von Wollen und Nichtwollen. 3) Die Schlangen kriechen oft auf die Baͤume hinauf, um die Fleinern Vögel in ihren Neſtern zu ver- zehren, oder um frecfen zu liegen. Sobald die Voͤgel eine Schlange auf dem Baume gewahr werden, fliegen fie mit heftigem Geſchrey um felbigen herum, und fehen fie jemand vorübergehen , fo verfammeln fie fih um ihn, ohne fcheu zu werden, nähern fid) ihm, und feheinen ihn um Hülfe wider ihren Feind zu bitten. Selten weigert man fih, ihnen hierin zu willfah- ven und die Schlange zu toͤdten. Und nun ift es ein wahres Vergnügen zu fehen, wie diefe Fleinen Thiere fich freuen, wenn man die Schlange zu Boden geftredt hat. Sie flattern um fie herum, ſchreyen und hadfen fie mie ihrem Schnabel, Zu gleicher Zeit nähern fie fich demje— nigen, welcher fie von ihrem Feinde befreyte, gerade, als ob fie ifm Dank fagen wollten. Sch babe, ſagt Labat, mir oft dies Vergnügen gemacht. P. Labat Reiſen nach Weſtindien, 2.8. ©. 500. 6.38, Neigung und Abfcheu wird bey dem Menfchen ent weder durch unmittelbare Einwuͤrkung der äußern Gegen- fände auf feine Sinnwerfzeuge, oder durch zurückge- rufne Vorſtellungen von vorherigen Fallen und Erfahrun- 4 gen 214 gen hervorgebracht, welche fodann Vorftellungen erregen, die je nach den Umftänden, den Grund unfrer Neigung oder Abfcheus in fich enthalten. Wir begehren diejenigen Veraͤndrungen unfers Zuftands, welche mit unſrer Ratur übereinftimmen , und mit der Wuͤrkſamkeit, wozu wir , ver möge der natürlichen Einrichtung unfers Körpers und der Kräfte und Anlagen unfrer Seele, bejtimme find. Die Borftellungen, die wir von folhen gegenwärtigen oder vergangnen oder bevorftehenden Veraͤndrungen des Zus ſtands unfers Körpers oder unfrer Seele haben, find ung, angenehm; fo wie hingegen jede Werändrung unfers Zuftands, welche der naturlichen Einrichtung unfers Kür: vers, der natürlichen Wuͤrſamkeit unfrer Seelenkräfte wi— berfpricht, welche die Harmonie ftort, die unter unfern Torperlichen und geiftigen Kräften, in ihrer Aeußerung und Anwendung ſtatt finden muß, unangenehme Bor- ftellungen in uns erregt. Kinige diefer Vorftelungen haben ihren Grund in den unmittelbaren Einwuͤrkungen der äußern Gegenftände auf unfre Körper; und dann nennen wir fie ſinnliche Empfindungen im eigentlich ften Berftande ; und diefe find entweder angenehm ober unangenehm, je nachdem Neigung oder Abfcheu damit verbunden ift. Auch in dieſem Stücke ift das Thier dem Menfchen ähnlich; fein ganzes Betragen lehrt uns, wenn wir nur aufmerfjam darauf feyn wollen, Daß es fich beftrebt, ge— voiffe finnliche Empfindungen zu erhalten und zu verlän- gern, und dahingegen andre zu vermeiden fucht. In— fonderheie lehrt die Erfahrung, daß die Thiere fine liche Freude, und finnlichen Schmerz empfinden, je nachdem ihre Körper auf verſchiedne Weife des rührt und verändert werden. Wir — 21$ Wir haben im Vorhergehenden bemerfe, daß alle Thiere ohne Ausnahme Nerven haben, und daß diefe Nerven, fowehl bey den Ihieren als beym Menfchen, die Urfache von Empfindungen find. Jeder finunliche Eindruck , welcher das menſchliche Nervenſyſtem gewaltfan erfchüttert, oder den Zuftand der Nerven auf eine Art verändert, welche ihrer natuͤrlichen Ordnung und Beſchaf⸗ fenheit widerfpricht, iſt fchmerzlich für den Menfchen, Aber eben fo find auch alle gewaltfame und naturwidrige Veränderungen , welche in den Körpern der Tiere und den darin laufenden Dierven, hervorgebracht werden, mit ſchmerzlichen Empfindungen für das Thier verbunden. Die fehmerzlichen Empfindungen, denen der menfehliche Körper ausgefege if, find um fo heftiger, je unmittel- barer die Hiervon felbft angegriffen werden, und je feiner die Organifation in den Theilen und Nerven ift, wodurch diefe ſchmerzlichen Enipfindungen erregt werden. Go find die Schmerzen, welche eine Verlegung des Auges und des Ohrs nad) fich zieht, unerträglich heftig. Hier: aus aber folge, Daß die Thiere, je nach der Verſchie— denheit und Feinheit ihrer Ginnwerfjeuge, und dem Verhaͤltniß, in welchen die äußern Gegenftände auf ihre Korper wuͤrken, einem gröoßern oder geringern Grade von finnlichem Schmerz ausgefegt find. Aber es folge daraus noch ferner, daß die Fleinern Thiere, welche, vermoge ihres feinern Koͤrperbaus, um fo feinere Organe haben, auch in Verhältniß ihrer Lebenskraft und Dauer, um fo beftigere Schmerzen fühlen. Das Inſekt fann einen eben jo hoben Grad von finnlichem Schmerz empfin= den, als der Elephant und der Menſch, und vielleicht leidee es, in beftimmten Nugenbliden, bey der Miß— handlung feines Körpers, in einem undenkbar hohern O 4 Grade 216 Grade als jene. Wer nur die Natur einiger Aufmerk: famfeit würdigt, wird fich hievon leicht aufs vollfom- menfte überzeugen fünnen. Die finnlichen Freuden der IThiere, find eben fo unverfennbar, als ihre finnlihen Schmerzen; und zu diefen Freuden haben fie, je nach der Derfchieden- heit ihres Korperbaus, gleihen Zutritt mit dem Men— ſchen. Die Speife, welche unfern Gaumen fißelt, in— dem fie ung fätrige, der Trunf, der ung fühlt und ftärft, indem er ung erquickt, Die reine freye Luft, Die mir ein- athmen, und deren abmwechfelnde Bewegungen uns auf fo mancherley Weiſe erfreuen, die fehattenreihen Wäl- der und blühenden Gefilde, enthalten ja taufendfache Ver- ankiffungen zu finnlihen Freuden für den Menſchen; aber auch das Ihier fegte die Natur im Beſitz eben diefer Freuden, da cs ihm Sinne oder Fähigfeiten gab, ihre mannigfaltigen Schäße zu fühlen und zu genießen, Frey⸗ lich, ein Thier hat einen groͤßern, ein andres einen klei— nern Wuͤrkungskreis; das eine Thier kann alfo ein groß- res Maas von ſinnlicher Freude genießen, als das andre, je nachdem die Natur es mit Organen dazu ausgerüftet hat. Die finnlichen Freuden des Fiſches haben vielleicht nicht den Umfang, als Die bes Pferdes und des Hundes; die Schnecke und Raupe koͤnnen die mannigfaltigen Guter der Natur nicht in dem Ueberfluße genießen, als vie ed— lern und vollkommneren Thiere, Alle aber genieken doch der guten Gaben der Natur mehr oder weniger, jedes Individ, jede Gattung auf feine Weiſe. Jedes lebende Weſen, das fahig ift, den Mangel des Guten zu fuͤh— len, und durd) Dies Gefühl leider, muß auch) im Stande feyn, fich in dem Beſitze jener Güter zu erfreuen, Die eg nicht entbehren kann, ohne zu leiden. $. 39. — u nn f 2:7 9. 39% Die Thiere fühlen gegenwärtige Unannenmlichkei- ten und gegenmärtiges Gute, je nach den verfihiednen Eindrücken, welche die vorhandnen Gegenftände auf ih- ven Körper machen, und nach den verfchiednen Verän- drungen, melche in dieſem Korper, vermöge feiner Ma- fchineinrichtung vorgehn. So leider das Thier, wenn es Hunger und Durft fühlt; es freut fih, wenn es ge— traͤnkt und gefüttige wird. Aber die angenehmen oder unangenehmen Empfindungen des Thiers, find nicht blos auf die Freude und den Schmerz eingefchränft, welche durch unmittelbar gegenwärtige Verandrungen in feinem Körper veranlaße werden. Dieſe Freuden und dieſe Schmerzen fonnen, vermöge der Einbifdungsfraft defe felben, erhöht und vermehrt werden ; es erinnert fich vorheriger Falle ımd Erfahrungen, es bilder fih Schluͤſſe von dem Devorftehenden , und feine angenehmen und unangenehmen Vorftellungen erhalten dadurch eine größre Deutlichkeit und einen ausgedehnteren Umfang, Wir bemerfen daher nicht allein jene ftille Neigung und Abnei- gung, jene unvermifchte fünnliche Freude und Schmerz bey den Thieren, fondern Erfahrung lehrt uns auch: Daß die Ihiere Frende und Schmerz em— pfinden, woran ihre 3 Vorſtellun gskraft und Ein— bildung, groͤßern und thaͤtigern Antheil haben, als ihre Sinne. Das Thier, welches durch Mißhandlung ſeines Körpers leidet, kann, außer dem unmittelbar gegen— waͤrtigen Schmerz, auch hoc) Angſt und Furcht für ein groͤßres U⸗ bel empfinden. So der Haaſe, wenn er meh— rere rere Stunden lang von Jaͤgern und Hunden gehegt wird. Was für Schmerzen und Beängfiigungen der Hirfch bey der unnatuͤrlichen Parforcejagd fühlen mag, ift vielleicht mehr, als wir uns deutlich vorzuftellen vermögen; und wohl unferm Vaterlande, daß fulche, die menfchlihe Vernunft entehrende Schaufpiele, unter uns nicht mehr gefunden werden. *) Huch ſieht man an dem Hornvieh, wie fehr es ſich aͤngſtigt, wenn es ins Schlachthaus ge= trieben wird, und dieſe Seelenangft gar oft durch fein heulendes Bruͤllen zu erfennen giebt. Und was muß der Hund nicht gefühlte haben, welcher die Jungen leckte, die man ihm aus dem Leibe gefchnitten hatte, und erft dann anfieng zu minfeln und zu heulen, als man ihm diefe wegnahm. Welche Zufammenfegung von Empfin- dungen muſte nicht in der Seele diefes leidenden Thieres berrfchen. Das Thier, welches feine Gattung bluten und fterben fieht, muß auf feine Weiſe etwas dem ähnli- ches fühlen, was der Mifferhäter fuͤhlt, wenn er feinen Mitſchuldigen leblos zu feinen Süßen liegen fieht. Wie mit den unangenehmen, fo verhält es fich auch mit den angenehmen Empfindungen des Thieres; fie koͤn⸗ nen ebenfalls zufammengefeßt feyn, und alsdann manchen theils die Vorftellung von der gegenwärtigen oder bevor- ſtehenden forperlichen Veränderung, theils die Vorſtel— kung von der Fortfegung und den Folgen diefer Werän- drung, die Grundbeftandrheile in diefer Zufammenfeßung von Empfindungen aus. Er Aft *) Eine gute Abhandlung über die Parforcejagd , findet man in Schlögers Staatsanzeigen. X. B. ©.17. 7 en ue 219 Dfe haben die angenehmen oder unangenehmen Em- pfindungen des Thiers nicht in einer gegenwärtigen Vers ändrung feines Körpers ihren unmittelbaren Urfprung. Das Thier erfreut fich oft, wie man deutlich an feinem Bezeigen wahrnimmt, in der Erwartung eines bevor- ftehenden Gutes; es betrübt ſich und leider durch den Mangel desjenigen Guten, das es vorhin genof. Co, wenn der Hund, um die Zeit, da fein Herr zu kom— men pflege, in frober Bewegung ift, oder mißmürbig und traurig wird, wenn er über die gewöhnliche Zeit aus= bleibe. So äußert der Jagdhund deutlich feine Freude, wenn er das Waldhorn hoͤrt, oder nur feinen Herrn das Gewehr nehmen fieht, um Damit auszugehn. Ueber— — gehört wohl, allgemein zu reden, die Freude der Thiere über ihre Jungen, ihre Sorgfale für fie, ihre Betruͤbniß bey der Gefahr oder dem Tode derſelben, die Freude und Betruͤbniß des einen Gatten uͤber den andern, in dieſe Klaſſe von Empfindungen. In dieſen und un— zähligen andern Fällen, wuͤrkt die Vorſtellungskraft, ohne daß eine ſinnlich angenehme oder unangenehme Em— pfindung die Urfache ihrer Thaͤtlakeit iſt; und erregt da— durch Freude oder Schmerz, welche von den im eigent— lichſten Verſtande ſinnlichen Freuden und Schmerzen verſchieden ſind. Anmerkung. Boſcowich fand auf feiner Reiſe von Konftantinopel nach Pohlen, bey einem Dorfe in Bulgarien ein Storchneft, welches durd) folgende Be— gebenheit merkwürdig war. Das Storchweibgen hatte ihren ungen im Mefte, welche fehon ziemlich groß wa— ven, eine Schlange gebracht. Die Störche haben ge- wohnlich nur zween Junge Der Verfaffer fah auf fei- ner 220 ner Reife eine Menge von Storchneftern, aber es waren nie mehr als zween unge darin. In dieſem Mefte in— deffen füllen drey gewefen fen. Nachdem zween derfel- ben die Schlange, jedes an feinem Ende gefaßt hatten, tourden fie von ihr erwürge, Kinige von den Einmwoh- nern fagten, es wären nur zween unge im Neſte gewe- fen, wovon der eine geftorben wäre. Das Merkwuͤr— dige bey diefer Begebenheit war, daß die alten Störd)e, aus Kummer und Berrübniß, ganzer vier und zwanzig Stunden lang, unbeweglidy im Neſte blieben, ohne ſich um den übrig gebliebnen jungen zu befümmern, dem fie nicht die geringſte Mahrung holten. Bofrowich fah felbft einen von den Alten auf dem Neſte, der ganz be- erübt und taub gegen das Gefchren des annoch lebenden ungen zu feyn ſchien, welcher aus Hunger unaufherlich den Schnabel gegen ihn aufſperrte. Endlich verlies der Alte doc das Neſt und brachte ihm Nahrung. Des Abbts Boſcowichs Neife von Konftantinopel durch Romanien, Bulgarien und die Moldau, nach Lemberg in Pohlen. Leipzig. 8. 1779. ©. 65. 6.40, Wir haben bisher Die Begehrunsfräfte der Thiere in den gewoͤhalichſten Aeußerungen ihrer Thaͤtigkeit be— trachtet. Die Vorſtellungen, vodurch in den angefuͤhr— ten Fällen ihre Neigung oder Abneigung, Freude oder Kummer, bejtimmt werden, haben natuͤrlicherweiſe einen geriffen Grad von Lebhaftigkeit und Staͤrke, welcher, je nach den Umſtaͤnden, größer oder geringer if. Sie haben in diefem Zuftande allerdings einen gewiſſen Trieb zu handeln, und äußern ihre Empfindungen auf mancher- ” Weiſe in ihren Handlungen; aber diefer Trieb zum Handeln —— 221 Handeln zeigt ſich doch in ihrem gewoͤhnlichen Leben nicht ſo ſtark und unwiderſtehlich, als wir ihn in einzelnen beſondern Faͤllen wahrnehmen. Die Vorſtellungen der Thiere erreichen oft einen ſo hohen Grad von Lebhaftigkeit und Staͤrke, und erzeugen ſo heftige und gewaltſame Be— gierden, daß Veraͤndrungen mit ihnen vorgehn, und Handlungen von ihnen unternommen werden, welche gaͤnzlich von den Erfahrungen abweichen, die wir im ge— meinen Leben von ihnen haben, und in ſolchen Faͤllen Hat und aͤußert das Thier eben fo Heftige und ges waltſame Leidenſchaften als der Menfch. Wie oft fege nicht der Sortpflanzungstrieb das Thier in Wurh, eine Wuth, die in Gewaltthaͤtigkeiten ausbricht, und das fogar bey den Thierarten, welche fonft ihr Heil in der Fluche zu fuchen pflegen. So wird ein vernünftis ger Mann, wenn er unbewafnet ift, es fehwerlid) wa= gen, den Hirfeh in der Brunftzeit aufzureigen. Mit wels cher Erbiterung vertheidigen nicht unfre wehrloſen Haus- vögel ihre Brut? man hat fogar Beyſpiele, wo der Biß einer erboßten Ente, die Wafferfcheu und den Tod zur Folge harte, Was wagt nicht der Hund aus Siebe für feinen Herrn? zu welcher hoben Leidenfchaft fteigt nicht oft feine Freude und Betruͤbniß, ja es fehle fogar nicht an Benfpielen, mo der getreue Hund an dem Grabe fei- nes Heren fich zu Tode grämte, oder freywillig Hungers ftarb. Und dies ift doch wohl Leidenſchaft in ihrer fürche terlichiten Höhe. Der verwundete Eber, der anges ſchoßne Bär, mit welcher Wuth ſtuͤrzen fie nicht auf ihren Feind los? Und was find wohl diefe Leidenfchaften anders, als ftarfe und lebhafte Vorftellungen, welde, von der Sinnlichkeit unterſtuͤtzt, den je ya im Trieb zu handeln hervorbrachten. Anmer: 222 rn AUnmerfung 1) Es ift befannt genug, daft plögliche und heftige Freude, eben ſowohl als heftige un« erwartete Betrübniß den Menfchen tödten kann, Man weis, daf das Herz nichts anders, als eine vollftandige Mufkel ift, und Fontana hat erwiefen, daß die Muſ— keln ihre Reizbarfeit verlieren, wenn fie ftarf zufammens gepreßt oder ausgedehnt werden. Kieraus aber läßt es ſich erklären, wie der Menfch von heftiger Freude oder plöslichem Schrecken und Berrübniß fterben Fann. Durd) eine folche heftige Gemuͤthsbewegung wird der Kreißlauf des Dluts unnatürlich beſchleunigt; es ſtroͤmt auf. eins wmal eine gar zu große Menge von Blut zum Her- zen, und dadurch werden die Höhlungen defleiben tiber ihre natürlichen Graͤnzen ausgedehnt und geſpannt. Durch dieſe gewaltfame Spannung verliert das Herz feine zufammenziebende Kraft, vermöge deren es Das überflüßige Blut, womit. es angefülle ift, wie— ber forrfchaffen follte; vergebens ſtrengt fich die Muf- kelkraft an, diefe fo nothwendige Ausleerung zu bewuͤrken; Die zufammenziehende Kraft des Herzens verfchwinder, und alle Bewegung hört auf. Der Menſch ſtirbt. Felix Fontanas Beobachtungen und Verfuche über die Natur der thierifchen Körper. Aus dem Staliänie fhen, von D. E. B. G. Hebenftreit. Leipzig. 8.1185, © 55-56 2) Eben fo verhält es fih auch mit den Thieren; auch ihnen Fann Freude oder Schrecken plöglic) den Tod zuziehen. Etatsrath Hoͤſt erzähle, daß er einmal einen lebendigen Efel den Lowen in Meknes zur Speiſe vorwerfen ſah; aber fobald der Efel in die Höhle kam und die Loͤwen erblickte, ſtuͤrzte er auf der Stelle tod zur Erden; 22 22 Erden; und obſchon einer von den Loͤwen ihn augenblick— lich anpackte, und ſein Blut ausſog, ruͤhrte er doch kein Glied oder gab ſonſtige Zeichen von Leben. Anderret— ninger om Marokos 09 Fes, ſamlede der i Lan— dene af Georg Hoͤſt. Kioͤbenhavn. 4. 1779. S. 271. Es iſt uͤberdem bekannt genug, daß ver— ſchiedne Singvoͤgel, die Kanarienvoͤgel inſonderheit, ſehr ſchreckhaft find, und daß mancher von dieſen Vögeln vor Schrecken geſtorben iſt. 3) Ein Offtier beſaß einen großen Engliſchen Hund, den er bey feiner Frau im Vaterlande zurück lies, ‚als er nach Amerika reißte, um dem dortigen Seldzuge beyzuwohnen. So lange er weg war, ſpuͤrte man eine gewiſſe Chwermuch an diefem Ihiere, warum man fi) indeffen nicht weiter befümmerte, da es nur ein Hund war. Als der Officier von feinem Zuge wieder zurück fam, lag der Hund juft vor der Thuͤr desjenigen Zim- mers in feinem Haufe, wohin er fi) begab, Schnell blickte der Hund auf, erkennt feinen Herrn, fpringe ihm ‚mit einem lauten Gefchrey um den Hals, leckt ihm das Geficht, und fällt in demfelben Augenblicke code zu feinen Füßen nieder. Gallerie von Menfchenhandlungen. Eine Wochenfchrift, Herausgegeben von K. Ham: merdörfer, Profefjor in Jena. Leipzig. 8. 1788. ©eite 363 = 364. 4) Bon dem Zorn und der Nachgier der Thiere ‚bat man gleichfalls die überzeugendften Erfahrungen. Falſch, eücifch und boshaft, fage Sparrmann, kann man in gewiſſer Hinficht den Afrifanifchen Buͤffel (bos cafer) nennen; denn er verbirge ſich hinter die Bäume, und lauert bis man ihm ganz nahe Fon da er auf eine mal 224 ne sts mal hervorfpringe, und zuweilen emen Angriff wagt. Graufam kann man ihn nennen, da man bemerft haben will, daß er ſich nicht daran begnügt, das Thier oder den Menfchen, die er uberfällt, übern Haufen zu wer— fen und umzubringen; fondern ſich noch länger verweilt, am fie mit feinen Klauen zu zertreten, mit den Knien zu zermalmen, mit ben Hörnern und dem Maule zu zerreife fen, und die Haut mit feiner Zunge in Stücen zu leden. Und dies Alles thut der Büffel nicht auf einmal; fondern er Hält zuweilen Damit inne, entfernt fi) ein Stuͤck Weges, und fängt Darauf feine Arbeit wieder an, Der Unterftatt- halter auf dem Kap, hatte, während Herr Sparrmann ſich daſelbſt aufhiele, den Verfuch gemacht, einen Büffel zu zaͤhmen; aber diefer war jo wid, ftarf und unregier- lich, daß man ihn weder durch Joch noch Sattel baͤndigen fonnte, aud) half es nichts, daß man ihn mit andern abgerichteten zahmen Ochfen zufammenfpannte. ©. 383. Weiter unten, ©. 437., erzählt Herr Sparrmann, daß er einen Büffel, welchen er und feine Begleiter ges ſchoßen hatten, mit dem Tode Fampfen fah, und niemals, fagt er, habe ich ein Rärferes Bild von Angft und Wuth gefehen, als die Minen Diefes Buͤffels dar— ftelleen. Andreas Sparrmanns Reiſe nach dem Porgebürge der guten Hofgung uf m Ber lin, 1734. 8 5) Kapitain Rogers erzaͤhlt in feiner Neife nach Sftindien, daß er auf einer der Gallopagos Inſeln, unter 2° 2 nördlicher Breite, von einem Seehund an= gefallen wurde, welcher fo groß war, wie ein Baͤr, und ihn umgebracht haben würde, wenn er nicht zu feinem Gluͤcke mie einer halben Picke bewaffner geweſen wäre. Ich ® eemunmare 225 Ich war, ſagt er, am Ufer, da das Thier mit ofnem Rachen aus dem Waſſer hervor ſprang, und mich zu dreyenmalen ſo wild und heftig angriff, als der grimmig— ſte Hund, der ſich von feiner Kette losgeriſſen, nur im: mer hätte thun fönnen. Ich fließ ihm meine Pickelin die Bruft, und verwundete ihn fehr ftarf, fo daß er mie einem fürchteriichen Gefchrey ſich zuruͤckzog. Kurz dar= auf wandte er ſich wieder gegen mich, biöcte mic) an, und wieß mir die Zähne Allgemeine Hiftorie der Reifen zu Waller und zu Lande. XILB. ©. 75. 6) Profeffor Thunberg erzählt, daß er auf fei- ner Reife nad) dem Innern des Kafferlandes 1 772., mit feiner Geſellſcheft das Unglück hatte, in einem Wal: de auf einen großen und alten wilden Büffelftier zu ftof- fen. Kaum erblidte der Stier ven Gärtner Augi, welcher einer von der Gefeilfcheft war und voran ritt, als er mit ſchrecklichem Gebrüll auf ihn einftürzte., Aus gi wandte fein Dferd und verbarg ſich hinter einen dicken Daum, mo der Büffel ihn nicht fogleich wieder gewahr werden fonnte. Diefer eilte darauf auf einen Sergeans ten zu, der auch diefe Reiſe mitmacjte, und gab feinem Pferde einen folchen Stoß mit den Hörnern inden Bauch, daß es gleich umfiel, die Beine in die Hohe kehrte, und alle Gedärme ihm aus dem Leibe hiengen. Mittlerwei— le waren der Gärtner und der Sergeant auf einen Baum geflettert. Der Sergeant hatte zwey Pferde, wovon . das eine erwähntermaaßen fehon toͤdtlich verwundet mar, und das andre ftand nun dem Büffel gerade im Wege. Als diefer es erblickte, ward er noch grimmiger wie vorz ber, und fiel es mit ſolcher Wurh an, daß er nicht allein feine Hörner durch die Bruft des Pferdes ſtieß, fo daß \ P fie. 226 * ſie unter dem Sattel wieder hervorgiengen, ſondern es auch mit ſolcher Gewalt zu Boden warf, doß es in dem» felben Augenblick ftarb, und ale Knochen in feinem Koͤr— per zerfehmettert waren. Thunbergs Reſa. ı. Th. ©. 208:20 9. 7) Ein Beyfpiel von der Begierde der Thiere, fich an denjenigen zu rächen, die ihnen ihre Jungen gerdubt haben, findet man in folgender Begebenheit, Einige Hottentotten, welde Hrn. Sparrimann begleiteten, erzählten ihm, daß ihre Bekannten einmal bey einer Ele- phantenjagd einen jungen Elephanten fiengen, den fie nad) ihren Hütten mitnabmen, wo ſie ihn fchlachteten und verzehren. Die Mutter hatte dem ungen nad): gefpürt, und fam nun mitten in der Nacht, da es ſtock— finfter war, zu diefen Hütten hin, wo fie alles zerftörte, was fie vorfand, und überall das oberft zu unterft Fehr: te. Sparrmanns Reife, ©. 304. 3) Ein andres Beyſpiel von der Rachgier vesEle phanten, führe Ribow aus einem alten Gefchichtfehrei= ber Michael Glycas an. Ein Elephant ward in den Circus zu Romgeführt, (einem großen Platz, wo Wett: rennen und verfchiedne andre öffentliche Suftbarfeiten ges halten wurden). Hier ergrimmte er plöglich, und tüd- tete einen Aufſeher über die Ihiere, der ſich in der Naͤhe befand. Man wußte von diefer Gemwaltcharigfeit Feine andre Urfache anzugeben, als daß eben diefer Aufſeher, vor nicht weniger als zehn Jahren, gerade an demfelben Orte, diefen Elephanten mit einem Eifen gefchlagen hat: te. Hieronymi Rorarii, quod Animalia Brura, faepe Ratione utantur meliushomine, Libri.duo, guos recenfuit Georg, Heinr. Ribovius, Helm- ftadii, 8. 1728. P. 177. 9) Die 227 9) Die Steinböce, welche fonft fromme Thiere find, ſchlagen ſich in, der Brunſtzeit oft fehr hartnädig mit einander, wenn es fic) eriffe, Daß fie Nebenbuhler find. Sind fie alsdann vor ungleicher Stärte, fo muß der Schiwächere fliehn, und wird von dem Sieger ziem— lich hitzig verfolgt; find fie fich hingegen an Kräften gleich, fo endigt der Kampf fich gewohnlich nur mitdem Tode des einen. Hoͤpfners Magazin für d. Natur— Funde Helvetiend. 2. B. ©. 121. 10) Als ein "Beweis, mie weit die Nachgier der Dferde gehen fann, verdient folgende von Delacroix nad) dem Abbe Prevoſt angeführte Begebenheit gemerkt zu werben. In dem Flecken Grumblin, ohnweit Du- blin, hatte ein gewiffer Herr einen ausgezeichnet fcho- nen Hengſt, der aber dabey fo unbäandig war, daß er ihn mußte fehneiden laffen, um ihn zu zaͤhmen. Man hatte ihm die Augen nicht gut genug verbunden, und er fah alfo den Dperateur. Es verfloffen einige Tage, oh— ne daß er ihn wieder zu Gefichte befam; da er ihn aber vor Ende der Woche, wo er ned) die Schmerzen des Schnitts fühlte, in den Stall fommen ſah, zerriß er wuͤthend feine Halfter, und gieng mit folcher Heftigkeit auf feinen Feind los, daß er ihn in wenigen Augenbli- den, halb zertreten und halb zerriflen , todt zu Boden ſtreckte. Delacroir Taſchenbuch. ©. 99. 11) Man hat Berfpiele von Menfchen, die fich über den Verluſt ihrer Freunde zu Tode grämten; aber auch bey den Thieren finder man Beyſpiele von einer eben fo leidenfchaftlichen Anhaͤnglichkeit und DBetrübniß. Im Jahr 1744. zerbrach ein Kurfcher aus Dijon, Namens Ia FRamitee bey Nogent, mitten auf dem Felde ein P 2 Bein Dein, Es liefen einige Bauern ihm zu helfen herbey, amd fanden unterweges von ungefähr ein ganz junges Windſpiel. Sie nahmen es auf, trugen es mit dem Kranken weg, und ließen es ihm, Damit er während der Kur einen Zeitvertreib haben mögte. Hier blieb nun der Hund zwey Jahre lang, und gewann natürlie chermweife ven Mann lieb. Da aber diefer zum Krüppel geworden war, und feine vorige Handthierung nicht weis ter fortfegen Fonnte, hielt er darum an, in einem Hoſpi⸗ al aufgenommen zu werden. Dies geſchah, und der Hund blieb bey feiner Frau. Anfänglich fehien dies arz me Thier über die Abmefenheit feines Herin fehr unru> hig zu feyn, lief auf das geringfte Geraͤuſch nach der Stubenthuͤr, und legte ſich traurig und niedergefchlegen unters Bette, wenn es fah, daß es in feiner Hofnung betrogen war. Dies dauerte acht Tage fo fort; als aber fein Herr auch dann noch nicht zurück kam, blieb es beftandig unter dem Bette liegen, wollte nicht freffen, und ftarb vor Gram. Guer Hifloire Critique. Lonw2. P. 215, Inm Jahr 1724. aß ein Domherr des Stifts von Salanches in Faucigny, einer Provinz des Herzog- thums Savoyen, bey einem feiner Freunde zu Abend, und gieng beim ohne irgend einen andern Gefellfchafter ben fich zu haben, als feinen Hund. Durch einen Fehl» tritt fiel Diefer Mann in einen Fleinen Graben, ber die Kirche umgab, und da er unglüdlicherweife mit dem Kopf gegen die Ede der Mauer des Gebäudes ſchlug, blieb er auf der Stelle todt. Des andern Morgens, nachdem man fich aller Orten vergebens nad) dem Dom: herrn erfundige harte, und es niemanden einfiel, daß man 229 man ihn im Graben ſuchen müßte, fegte fich feine Haus- hälterin zufälligerweife eben am Rande diefes Grabens, wo fie über feinen Verluft weinte und wehklagte. Der Hund, der den Korper feines Herrn nicht verlaffen hatte, Horte ihre Stimme, und gab durch fein Geheul zu erfennen, daß felbiger in der Nähe wire. Man zug den todten Korper heraus, und brachte ihn nad) Haufe, ohne daß der Hund ihn nur einen Xugenblick verlaffen Härte. Er legte ich unter den Sarg, begleitete ihn nad) der Kirche, ‚wollte in die Gruft bineinfpringen, und farb drey Tage nachher vor Schmerz, ohne daß er das: geringfte Nah— rungsmirtel hatte zu fich nehmen wollen. Guer Hifto- ire Critique. Tom. 3. P. 108: 9, | Der Herr Hofſchreiber Hanfen hat mir eine aͤhn⸗ liche Begebenheit erzählt, wovon er felbft Nugenzeuge war, Da er 1759 in der großen Konigsftraße bier in Kopen- hagen wohnte, fah er eines Tages den Leichenzug eines Soldaten vor feiner Wohnung vorübergehen und bemerfte zufälligerweife, daß ein Eleiner ſchwarzer Hund unter der Dahre gieng. Dies gefchah im Anfange der Woche. Den Sonntag darauf, da er fpaßieren gieng, und fein Weg ihn vor dem Soldatenfirchhofe vorbey führte, fah ‚er, daß eine Menge Menfchen ſich dafelbft verfammele hatten, Er trat näher hinzu, um zu fehen. mas bie Urſache davon feyn mögte, und fand nun den ebigen Hund fterbend auf dem Grabe feines Herrn. Man traue im Allgemeinen den Katzen nicht viel Intelligenz zu, und ihre Treue und Anhänglichfeie an den Menfchen wird noch geringer geſchaͤtzt. In beyden Stuͤcken thut man ihnen fonder Zweifel Unrecht; und daß fie ihren Heren fehr lieb gewinnen koͤnuen, bemeifen die 3 aus 230 -ausRoux Journal de Medecine, Decembre 1771, von Blumenbach angeführten — nach wel⸗ chen die Katzen oft dem Hunde an Treue nichts nachge— ben, ihren Herrn auch nach ſeinem Tode nicht verlaſſen, und lange Zeit hindurch taͤglich ſein Grab beſuchen. Dr. Joh. Fr. Blumenbachs Handbuch der Naturge— ſchichte. Göttingen. 8. 1782.:©.106. Noch merkwuͤrdiger ift die folgende Begebenheit, welhe Dr. Schulz, (Mifcellanea curiofa 'phylico - medica Ann. 167576. Obfervat. 162) von feinem Schwie- gervater, dem Hector Zimmermann in Thorn, „erzählt. Eine Rage war mit einem von feinen Kindern 'zu- gleich erzogen worden, und lebte mit demfelben in fehr gutem Verſtaͤndniß. Das Kind wurde franf, und vie Kase wich weder Tag noch Nacht von feinem Bette. Es ftarb und fie verlies auch die Leiche nicht, bis zu dem Augenblick, da man fie zur Erde beftattete. Nun ver- kroch Das Thier fich hoͤchſtbetruͤbt in einen Winkel, wo es ſtarb. Zum Andenken diefer 2 — lies man ſowohl das Kind als die Katze abmahlen, und dies Ge— maͤhlde blieb lange ein Erbſtuͤck in der Familie. Mo⸗ naisſchrift fuͤr llerley Leſer. Herausgegeben von Johann Auguſt Ephraim Gotze. Erſter Jahr: gang. Nürnberg. 8. 1787 © 513. Noch einen Beweiß von der Leidenfchaftlichen An⸗ haͤnglichkeit des Hundes an den Menſchen, will ic) nach dem Plutarch hier anführen. Dieſer Schriftſteller er— zaͤhlt in ſeiner Biographie des Themiſtokles, daß, als die Athenienſer in dem Kriege mit KRerxes, auf Anra— then des Themiſtokles, ihre Stadt verlieſſen, und zu Schiffe: giengen, die zahmen Hausthiere ein ſonderbares Schau⸗ — — 231 Schauſpiel darſtellen; ſie heulten und bellten, und liefen an dem Strande, wo die Schiffe lagen, hin und her. Unter andern war ein Hund da, der dem Xantippus, dem Vater des Perikles gehörte, und feinen Heren durch⸗ aus nicht verlaffen wollte, fondern ins Meer fprang , und bis Salamis hinter dem Schiffe ber. ſchvamm, wo, er gleich aus Entkraͤftung ſtarb. Man fah noch zu Plutarchs Zeitenein Denfmal am Strande dafelbft, das Kynof ſema (Denkmal des Hundes) genanne wurde, und wie. man fagte, über dem Grabe diefes Hundes errich— tek.wat.... 12) Die Eleine Art. von Ga , die unfer dem Namen des Sperlings von Guinea befannt iſt, lies fert ein merkwuͤrdiges Beyſpiel der zärtlichen Sorgfalt, ‚welche die Männgen für ihre Weibgen fragen, fo wie das, was Hr. Bonnet von ein paar Vögeln diefer Art erzählt, die er befas, zugleich einen ſtarken Beweiß von dem hoben Grade der Betruͤbniß enthaͤlt, deren das Thier faͤhig iſt. Diefe beyden Voͤgel, ſagt Hr. Bonnet, waren in einem viereckigten, fuͤr ſie ſchicklichen Kaͤfig; das Troͤ⸗ gelgen ſtand auf dem Boden deſſelben. Das Maͤnngen ſas faſt immer dem Weibgen zur Seite, auf derſelben Stange; ſie hielten ſich dicht an einander, und blickten ſich oft mit ‚einer Art von Zärtlichkeit an... Ente fernten fie fi) von einander, ſo geſchah es nur auf einige Augenblicke ,: fie fegten fih bald wieder zufammen und dicht an einander. Sie aßen mit einander, und flogen bald wieder auf die oberfte Stange zuruͤck. Don Zeit zu Zeit ſchienen fie fich mit leifer Stimme zu unterhalten; ‚fie lieffen auch bisweilen allerley veränderte, höhere. und niedrige Töne von ſich hren⸗ bisweilen ſchienen ſie gar 4 mit N J— * 232 — — mit einander zu zanken, welches aber bald voruͤber gieng, und ſich jederzeit mit neuen Liebkoſungen endigte. Dieſe gluͤcklichen Gatten brachten ſolchergeſtalt vier Jahre hin; aber nach Verlauf dieſer Zeit fiengen die Beine des Weib— gens an zu ſchwillen, und ſie wurde ſo ſchwach, daß ſie nicht mehr zum Troge herunter kommen konnte; aber dos dienſtfertige Maͤnngen trug ihr Nahrung zu, und fuͤt⸗ terte ſie vier Monate lang mit dem Schnabel. Die Schwachheiten des Weibgens nahmen mit jedem Tage zu und verurſachten, daß fie nicht weiter auf die Stange fliegen konnte, fondern ſich unten auf dem Boden nieder- fegen mufte, und nur bisweilen vergebens verfuchte auf Die Stange zu kommen. Das Männgen ftand ihr aus allen Kräften bey. Bald ergriff es mit dem Schnabel den obern Theil ihres Flügels, um fie auf die Stange zu ziehen, bald faßte es fie felbft mit dem Schnabel, und Half ihe mit wiederholter Anftvengung. Seine Bewe— gungen, Gebärden, Stätigfeit, befländige Bemühung, furz, alles zeigte bey dem Vogel das dringende Verlan- gen an, der Schwachheit feiner Gattin zu Hülfe zu kom— men. Der Anblic® aber wurde erſt recht rührend, als Das Weibchen auf dem Punkte war zu fterben. Das ungluͤckliche Männgen lief unaufhörlich um feine fterbende Gattin herum, es verdoppelte feinen Eifer und feine zärt- liche Sorgfalt, es verfuchte, ihr den Schnabel zu ofnen und Nahrung hinein zu bringen. Seine Aengftlichfeie nahm mit jeden Yugenblicke zu; es lief mit der größten Unruhe hin und her, es gab zumeilen ein flagendes Ge— ſchrey von ſich, und heftete fodann feine Blicke auf das Weibgen mit einem tiefen Stillſchweigen. Es war uns möglich, ſagt Hr. Bonnet, tiefe Ausdruͤcke des Schmer- zeus, ich mögte faft fagen der Verzweiflung, zu verfen- nen N — — 2 33 nen, und das unempfindlichſte Herz hätte dabey ge— ruͤhrt werden muͤſſen. Endlich ſtarb das Weibgen; das Maͤnngen verfiel in anhaltende Betruͤbniß und lebte nur noch einige Monate. Bonnets Betrachtungen uͤber die Natur, 2. B. ©, 207 9. $. 41%, Die Betrachtungen, welche wir bisher über die Thiere und über die verfchiednen Aeußerungen ihrer See— lenkraͤfte anftellien, haben uns eine deutliche und große Aehnlichfeie des Ihiers mit dem Menfchen wahrnehmen laffen, und wir find dadurch gewiſſermaaßen vorbereitet worden, einer Einwendung zu begegnen, welche feltft gründliche und tiefvenfende Philofophen aufgeworfen ha= ben, und womit fie darzuthun fuchten, daß Die Intelli⸗ genz der Thiere, nicht allein ihren Graben, fondern auch ihrer Natur und Wefen nach, ganz etwas anders fen, als das, was beym Menfchen Intelligenz heiße. Es iſt Trieb, fage man, mern das Thier fo und nicht atte ders handelt; aus Trieb baut die Biene ihre Zellen, der Dieber feine Bollwerfe, die Vogel ihre Neſter; aus Trieb iſt der Tiger unbezähmbar, der Hund treu, der Bär muthig und der Fuchs verfchlagen. Aber hier mögteman wohl fragen: was ift Trieb? Hat dies Wort in diefer Nerbindung einen beflimmten Sinn, gewährt es einen völlig deutlichen Begriff, oder ift es blos ein leerer Schall, durch den Sprachgebrauc) autoriſirt, hinter welchen man fich verbirge, wenn man über diefen Gegenftand nichts befriedigendes fagen will, ‚oder fagen Fan, Indeſſen ift man ſich doch darüber ‚einig geworben, zu geftehen, daß der Menſch fowehl P 5 | wie 234 ame. mom wie das Thier, Triebe hatz nur darin foll das Thier ſich von dem Menfchen unterfcheiden, daß bey evfterem faft alles norhwendige Folge Diefer Triebe ift, und wenn man fid) genotige fieht, zu geſtehen, daß der Menſch, ſelbſt denn; wenn er feinen Trieben folge, viele Willführlich- keit hat und äußert, fo foll dahingegen bey dem Thiere in den Handlungen , die es zur Befriedigung feiner Triebe unternimmt, gar feine Willkuͤhrlichkeit ſtatt finden. Wir wollen diefe Behauptungen etwas näher beleuchten. Der Menfch äußert, feiner Natur zufolge, ein Beftreben auf eine gewiſſe Weife zu handeln, feine Kraft. auf eine gewiffe Art, von Gegenſtaͤnden lieber als auf an- dre anzuwenden, und zwar ohne durch vorhergehende Ue— berlegung zu diefem Betragen vermoge zu feyn. Und dieſe natürliche Neigung, Die wir folchergeftale zu geroiffen Dingen und Handlungen äußern, nennt man Trieb. Unſre Begierden gruͤnden fih auf unfre Norftellungen, und find von ihnen abhängig; die Neigung oder Abnei- ‚gung , welche wir für oder gegen Dinge fühlen, die auf fer uns find, hat ihren Grund in vorhergehenden Erfah- rungen von der Natur diefer Dinge, ihrer Wuͤrkung auf uns, und ihrem DVerhältniffe zu uns. Wir begehren, allgemein zu veden, nichts, als was unfrer Erfahrung nach) angenehm ift; wir verabfcheuen nichts, als was Die Erfahrung uns als Unluſt ervegend bat Fennen lehren; und außern wir gleich zuweilen Neigung oder Abneigung ‚gegen Dinge und Handlungen, von deren Wirkungen wir feine Erfahrung haben, fo hun wir dies doch nur deswegen, weil diefe Falle mit andern, uns aus Erfah: rung befannten, Aebnlichkeit haben. Kurz, Die Erfah— ‚rung ift allgemein der Grund, aller unſrer Begierden, ‚aller unfrer Handlungen, | Die 235 Die Triebe dahingegen find, ohne alle vorherge- hende gußre Erfahrung , inder Seele vorhanden; fie reiffen uns zudem Öegenftande und zur Handlung fort „ohne daß wir vorher erfahren hätten, ob Luft oder Unluſt da— mit verbunden fey; fie fordern Befriedigung, ehe wir einen deutlichen Begriff haben oder haben fonnen, von dem, was fie fodern, oder von der Art, wie wir diefe Fodrungen befriedigen folen. Es ift etwas Mafchin- mäßiges in den Trieben; aber es fraͤgt fich nun: wie weit geht Die Nothwendigkeit, ‚welche diefe Triebe ung auflegen ? worauf gruͤndet fie ſich? iſt ihr urfprünglicher Grund in der Seele, oder im Korper, oder in beyden Theilen zugleich zu fuchen ? $.)3 42, Und hier muͤſſen wir nun zuerft bemerken, daß die Seele, ebenfowohl wie der Körper , ihren eignen Mechanismus hat, obfchen er von andrer Art iſt als je: ner, da fie ihrer Natur nach, anders befchaffen. iſt als der Körper: ° Zur Mechanik der Seele gehört.es, daß fie, vermöge ihres Wefens, wuͤrkſam ift und feyn muß; und diefe Wuͤrkſamkeit ift eben fo nothwendig und unzer— trennlich mic ihrer Natur verbunden, als Schwere und Ausdehnung mit der Natur der Körper, Die Seele würfe, bemüht fi zu würfen, oder mie andern Wor— tens hat Trieb zu würfen, vermöge ihrer, Natur; fie hat nicht allein Kraft und Vermoͤgen, ſich Vorftellun: gen zu bilden, diefen VBorftellungen gemäß , zu begehren, zu verabſcheun, und Würfungen außerhalb: ihrem eignen Weſen hervorzubringen; fordern es ift ihr auch natürlich, wuͤrkliche Gedanken und Begierden zu haben, mürfliche Handlungen hervorzubringenz fie hat, vermoͤge ihrer er Natur, 236 Natur, nicht allein Anlage zur Wuͤrkſamkeit, fondern fie muß nothwendig wuͤrkſam ſeyn. Der Trieb zur Wuͤrkſamkeit ift alfo ein Grundtrieb der menſchli⸗ chen Seele, Die Wuͤrkſamkeit iſt eine natürliche und noth— wendige Eigenfchaft der menfchlichen Seele ; . aber die Art, wie diefe Wuͤrkkraft ſich aͤußert, ift darum niche gleichfalls notwendig. Die Erfahrung lehrt zur Gnüge, daß wir auf mancherley und verfchiedne Arten, unfre Seelenkraͤfte anwenden koͤnnen; wir fonnen uns mit wich— tigen und ernſthaften Dingen befchäftigen, wir Fonnen auch Thorheiten und geringfügige Dinge vornehmen. Würfen müffen wir durchaus, und in fo ferne find wir durch den Trieb gebunden, aber die Art, wie wir würfen wollen, ift in unzähligen Faͤllen gänzlid) unab- hangig von Trieb und Nothwendigkeit. Obſchon indeffen die Wuͤrkſamkeit der menfchlichen Seele in den allermei- ften Fällen in ihrer Anwendung willkuͤhrlich iſt, fo giebe es doch auch hinwiederum folche Fälle, wo die Würffraft gewiffermaaßen eingefchränft und beftimme ift, wo wir genörhige find, gewiſſe Vorftellungen zu haben, und unſre VBorftellungsfraft auf gewiſſe Gegenjtände anzu= wenden, ohne daß es in unfrer Mache ftehe, diefe abge- drungne Wuͤrkſamkeit zu vermeiden, Der Körper, der einen Theil unfers Wefens ausmacht, und aufs genauefte mit dem denfenden Theil unſers Ichs vereinigt ift, ſetzt der Wuͤrkſamkeit unfers Geiftes auf mancherley Weife Gränzen, und macht, daß gewiſſe Vorftellungen, Bes eierden, Handlungen, alfo eine gewiſſe beſtimmte Würfe famfeit, uns natuͤrlich und nothwendig if. 6. 43 $. 43: In allen folhen Fällen ift es derfelbe Thaͤtigkeits— trieb der Seele, der fih äußert, aber da wir feine Anz wendung in verfihiednem Zufammenhenge und aus ver- ſchiednen Gefichespunften fehen, da wir erfahren, daß diefe Wuͤrkkraft der Seele in gewiſſen Fällen durch den Korper und die Mafchin- Einrichtung deſſelben einge: fchränft und beftimme wird, fo hat man in diefen Fällen ihre Wuͤrkſamkeit ihn auf Rechnung des Körpers gefchrieben, und verſchiedne ſogenannte koͤrperliche oder thierifche. Triebe angegeben, die im Grunde nichts ans ders find, als das Beſtreben der Seele, gemifle Vor— ftellungen hervorzurufen, und gewiſſe Handlungen vorzus nehmen, wozu fie durch die Organifation gezwungen und veranlagt wird. So hat der Menfch den Trieb, Nahrung zu fuchen und feine Gattung fortzupflanzen, und viefe Triebe find beydes dem Thiere und dem Menſchen gemein. Aber wenn wir uns mit andern Worten über diefe Triebe erklären, fo verhält es fi) damit folgendergeftalt: ver thierifche Körper ift fo gebildet und eingerichtet, daß er der Seele gewiffe, fehr ftarfe und lebhafte Vorſtellungen aufdringe, welche je nach dem verfchiednen Zuflande bes Körpers, ftärfer oder ſchwaͤcher, Elarer oder dunkler find. Da diefe Vorftellungen, indem fie den Willen beftim- men, und ehe fie in außre Handlung übergehn, immer, je nad) ihrer größern oder geringern Deutlichfeit und Stärfe, mit einem gemwiffen Grad von Unannehmlichkeit, in den Empfindungen verbunden find, wie fie auf der andern Seite angenehme Empfindungen erregen, indent wir fie durch Außre Handlung realifiren und befriedigen, fo hat die Natur dafür geforgt, dag ihre Abfichten un— fehlbar fehlbar erreicht werden müffen, nicht allein Dadurch, daß fie die erwähnten Vorftellungen und Begierden, die die Einrichtung unfers Körpers uns aufdringt, unfrer Will führ entzog; fondern auch durch) die Luſt oder Unluſt, Die fie mit der Befriedigung oder Nichtbefriedigung der Be— dürfniffe der finnlichen Natur verbunden hat, und der wir, vermöge der innigften Verbindung zwifchen Seele und Korper, nicht auszumeichen im Stande find. Die Natur und Einrichtung unfers Körpers be- ſtimmt alfo unfre Seele, ihre Wuͤrkſamkeit auf gewiſſe Weiſe und auf gewiſſe Odjefte zu äußern; wir haben, vermöge des Mafchinmäßigen in unferm Wefen, gewiſſe Vorſtellungen, die uns zu gewiſſen Handlungen beftim- men; wir haben gewiffe Triebe, und die Unvermeidfich- feit gewiſſer Vorſtellungen, und der mit denſelben natür: lich und nothwendig verbundnen Begierden, iſt im eigent- lichſten Verſtande dasjenige, was an unfern Trieben ge- mungen und nothwendig genannt werden kann; es hängt nicht von uns ab, ob wir diefe Vorftellungen und Begierden haben wollen, oder nicht. Und hiemit haben wir denn im Allgemeinen gezeigt, was in den thierifchen Trieben, Die der Menſch mit den Thieren gemein hat, als Unwillkuͤhrlich angeſehen werden kann und muß. $. 44 Der Naturtrieb, fo wie wir ihn eben erklärt ha⸗ ben, ift unwillkuͤhrlich in ſeiner Entſtehung; aber die Erfahrung lehrt, daß in der Ausuͤbung und Befries digunged del elben, viele Willkuͤhrlichkeit ſtatt fin⸗ der; und wenn gleich dieſe Willkuͤhrlichkeit, je nad) den Umgtänden, und dem verſchiednen Zuftande des Körpers und RE 239 und der Seele, größer oder geringer ift, fo hängt es doch, allgemein zu reden, von dem Menfchen ab, in welchem Grade und auf welche Weife er den Trieb befrie= digen will, oder nicht. Wie gewaltfam auch Hunger und Durft find, wie mächtig auch die Vorftellungen würfen mögen, welche die $eere des Magens und der Trockenheit der Kehle, dem Menfchen aufbringen, fo hat man doch Benfpiele von Menſchen, die fich freymil- lig zu Tode hungerten. Die Vorftellung des Beduͤrfniſ⸗ fes, den Trieb, es zu befriedigen, haben fie zwar nicht aus ihrer Seele verbannen koͤnnen; aber der Außern Handlungen, wodurch fie ihre brennende Begierde nach Erquickung hätten befriedigen füllen, vermogten fie fi) zu enthalteny fie konnten den Trieb nicht ausrotten, aber fie Eonnten feinem Ausbruche wehren. Won den Thieren haben wir eben folche Beyſpiele. Der Hund, der fi) über feinen Herrn zu Tode grämt, und nichts genießen will, fühle zweifelsohne den Naturtrieb, der ihn auffo- dert, Nahrung zu fuchen; aber er folge diefem Triebe niche; Die Anwendung des Triebes ift, obgleich in verfihiednem Grade, willkuͤhrlich, bey dieſem Thiere ſowohl, wie bey dem Menfchen. Diefe Willführlichfeit, in der Befriedigung der Triebe, zeige fich auf mancherley Weiſe. Wir effen niche immer, wenn uns hungert, trinken nicht immer, wenn wir durftig find, wir wählen unter den verſchiednen Nahrungsmitteln, wählen oft folche, die uns edelhaft find, ja, mir genießen oft das, was unfrer Natur zus wider zu fen fcheint und wuͤrklich iſt. Eben vie Wille kuͤhrlichkeit finden mir auch in den Aeußerungen des Fort⸗ pflanzungstviebes; wir fonnen uns enthalten, Diefen Trieb zu 240 men zu befriedigen; wir wählen Zeit und Gegenftand will führlih. In Hinficht der Zeit ift das Thier mehr an diefen Trieb gebunden, als der Menfch; und doc wird man ihm ſchwerlich alle Wilfführlichfeie in dieſem Stuͤck abfprechen fonnen, wenn man erwägt, daß es Thierare ten giebt, die fi) niemals paaren, fo lange fie von dem Menfchen gefangen gehalten werden, wenn eg ihnen gleich nicht an Veranlaſſung und Gelegenheit fehlt, die Vor— ftellungen und Begierden zu befriedigen, welche ihre Drganifation in diefer Hinficht norhwendig bey ihnen erregen muß. Bu Ai, Die Betrachtungen, die wir bisher über die Triebe Angeftellt haben, ließen uns eine große Aehnlichfeit des Thiers mie dem Menfchen wahrnehmen, Bir haben gefehen, daß die Vorftellungsfraft, vermöge der Natur und Einrichtung ber thierifchen Körper, nothwendig auf gewifle Gegenftände und gewiffe Mittel hingewandt wird ; aber wir fahen zugleich), daß ſowohl das Thier als der Menfch, viele Willtührlichkeie hat und äußert, felbft in den Sällen, wo der Trieb am unmwiderftehlichften fcheint. Und nun ftehen wir denn abermals an einem der Graͤnz⸗ punkte , nach welchen die Scheidelinie, zwifchen Menfch und Thier gezogen werden muß. Die Borftellungskraft wird bey dem Thiere in mehreren Fallen durch die Organifation ein— gefchranft und beftimmt, als beym Menfchen. Die Erfahrung beftätige die Nichtigkeie diefer Be— hauptung. Jedes Thier, felbft das Flügfte, von Denen die wir kennen, wird durch feinen Körperbau an der Er- werbung 241 werbung mancher Kenntniffe gehindert, von manchen Fünftlichen Erfahrungen ausgefchloßen, die der Menfch ſich zu verfchaffen im Stande ift, und wodurch die In— teiligenz der menfchlichen Seele fich entwickelt und ver- größere, ie die Einrichtung des menſchlichen Körpers vorzugsweiſe darauf abzuzwecken ſcheint, die Entwicke— lung der intellektuellen Kraͤfte unſrer Gattung zu erleich— fern und zu befordern, und uns Kenntniſſe zu verſchaffen, die fich eben fo fehr durch die Allgerneinheit ihres Um— fangs, als durch die Beſtimmtheit ihres Inhalts aus- zeichnen; fo ſcheinen hingegen der Körperbau und die Empfindungswerfzeuge der Thiere, die Intelligenz ders felben großtentheils auf eine gemwiffe Art von Gegen— ftänden einzufchränfen, ohne daß fie für die Dinge im Allgemeinen, welche mitihnen und um ihnen her eriftiren, einer befondern Aufmerffamfeit fähig wären. Die Vor— ftellungen ver meiften Ihierarten, ſoviel wir aus Erfah— rung von ihnen wiffen, zwecken nur darauf ab, ihre finn« lichen Bedürfniffe zu befriedigen, und ihr finnliches eben zu erhalten. Wenigſtens fcheint Dies bey allen fogenann= ten unvollfommnern Thierarten, der Fall zu feyn. Sie find zufolge ihrer Organifation, auf einen engen Würz kungskreis eingefchränft, und es ift nicht wahrfcheinlic), daß ihre Vorftellungen ſich viel weiter erfirecfen follten, als ihre Würkfamfeit, Die Kenntniß und Wuͤrkſamkeit der Fiſche und aller eigenslichen Wafferthiere, wird durch das Element begraͤnzt, das die Natur zu ihrem Aufenthalt befüimmte; nur fehr wenig fünnen fie von den Dingen willen, Die außerhalb des Meeres und der Gewaͤſſer find, worin fie ſich aufhalten, einige Gattungen derfelben fterben fogar Q in 242 — — in eben dem Augenblick, da ſie uͤber die Oberflaͤche des Waſſers gehoben werden; wie z. B. die Heeringe. Und hier iſt ja die Einſchraͤnkung, welche die Organiſation der Intelligenz des Thieres auflegt, unverkennbar. Indeſ⸗ ſen findet allerdings ein großer Unterſchied in der Intel— ligenz und Entwicklung der verſchiednen Seegefchöpfe ſtatt, und wir finden in dieſem Thierreiche ungefaͤhr eben das Verhaͤltniß zwiſchen den Stärfern und Schwaͤchern, zwi⸗ ſchen den eigentlichen groͤßern See-Raubthieren, und den unſchuldigen und friedlichen Bewohnern dieſes Elements, sie bey ven Sandthieren. Der Karpe, der doc) nicht vom Raube lebt, infonderheit der alte Karpe, weis mit vieler Schlauigfeit, befonders in großen Teichen, dem Netze zu entgehen, das man ihm ſtellt. Er fchieße zum Boden des Teichs hinab, wo erden Kopf inden Schlamm ſteckt, fo, daß das Netz über feinen Hintertheil hinglei— tet, und man ihn nicht fangen Fan. Der Hanfifeh ift ein eben fo raubgieriger als ſtarker und unerfättlicher Feind der Bewohner des Meers. Uber bey allem dem Fann man nicht annehmen, daß diefe Thierarten an In— telligenz dem Fuchſe, dem Wolfe oder dem Tiger zu vergleichen wären, da die Natur ihrer Wuͤrkſamkeit einen 'engern Kreis vorſchrieb. Go verfchlinge der Sayfiich, wenn er hungrig ift, alles was ihm vorfomme, und läuft in der Hige des Verfolgens, oft aufs fand. Die Würmer, die fih gewöhnlich unter der Oberfläche der Erde aufhalten; die Inſekten, deren kurzes und thätiges Leben, der Sorge für ihre Nahrung und der augenblick- lichen Fortpflanzung ihrer Gattung gewidmet ift, haben aller Wahrfcheinlichfeie nach, auch. nur eine In— telligenz von fehr eingefchränftem Umfange, zumal, da es fo unzählige Dinge in der Natur giebt, die für ihre Beduͤrf⸗ — 243 Beduͤrfniſſe unnuͤtz find; da der größte Theil der fie umge- benden Natur nichts hat, mas ihre Aufmerffamfeit auf fich ziehen koͤnnte. Eben diefelbe Einfchranfung aber finden wir auch bey den vollfommneren Thieren. Zmar haben fie gröfe fere Intelligenz und deutlichere Anlage zur Entwicklung derfelben, aber diefe Entwicklung bat dennoch ihre be— flimmten Gränzen. Schon die Art, wie die Körper diefer Thiere allgemein gebaut find, ſcheint anzuzeigen, daß fie viele Vorfiellungen und viele Verbindungen von Borftellungen endehren müffen, die der Menſch hat und haben kann, da es ihnen an den Werkzeugen fehlt, durc) welche diefe Borftellungen erft brauchbar für fie werden koͤnnten. Was würde es dem Pferde nußen, wenn es auch die mathematifchen Einfichten eines Archimedes hätte; mit feinem Hufe wäre es doc) nicht im Stande, eine Mafchine zufammenzufegen, wodurch diefe Einfich- ten ihm oder der Welt nüglich würden. So aber verhält es ſich auch in andern Fällen mit den Thieren; ihre Or- ganifation macht es ihnen unmoglih, Menfchen = Intel ligenz zu gebrauchen, wenn fie ihnen auch) verliehen wäre, und da in der Natur nirgends eine Kraft ohne Nutzen verliehen ward, fo würde es ungereime feyn, den Thie— ren einen Grad von Intelligenz zuzufchreiben, welcher, zufolge ihres Körperbaus ihnen ſelbſt unbrauchbar feyn muͤſte, und für die Welt unnuͤtz wäre. Die Affen find unter allen befannten Thierarten diejenigen, denen die Natur am meiften Gefchicklichkeit verlieh, die Handlun⸗ gen, melche der Menfch vermöge feiner Organifation, vornehmen kann, nachjuahmen und auszuführen; mit ib» ren Händen fonnen fie vieles ausrichten, was jedes andre Ta Thier 244 anne —— Thier nicht, auszurichten vermag; — och die Erfahrung, daß die Unternehmungen des Affen ſich grüße tencheils Darauf einfchränten,, menfchlihe Handlungen nachzuahmen, ohne daß dies Thier ſelbſt durch dieſe Handlungen zu neuen Erfindungen geführt würde Es ift befannt genug, daß die Affen, wenn fie ein Feuer finden, welches Die Neifenden verlaffen heben, ſich dem— felben nähern, und ſich über ihren Fund freuen; aber wenn es nun durch Regen oder andre Zufälle ausgeloͤſcht iſt, ſo wiſſen ſie kein Mittel ausfindig zu machen, um es von neuen anzuzünden. Der Affe ſteht alfo in dieſem Stuͤck weit unter dem Menſchen, der doc) wenigftes fuchen winde, das Feuer im Brand auch haften, wenn es einmal da wäre; gefeßt auch), er wüßte kein Mittel es wieder anzuzuͤnden, nachdem er verloſchen waͤre. Hieraus aber ſcheint zu folgen, daß die Thiere, vermoͤge ihrer Intel: ligenz, Feine Anlage haben, fich die fünftlichern Be— duͤrfniſſe zu verfchaffen, die die Natur ihnen entbehrlich machte, und die fie ohnehin, wenn ihnen die Kraft dazu verliehen wire, nicht würden befriedigen koͤnnen, ohne gar zu große Unordnung auf der Erde anzurichten. Der Menſch richtet, ungeachtet feiner hosen Anlagen und größern Entwicklung, oft, und nur gar zu oft, Unordnung genug an; aber laßt uns einmal annehmen, daß die Af— fen in dem Zuftande ihrer Wildheit die Entdeckung mach» ten, wie fie nach Gefallen Feuer anzünden konnten, fie wirden dann bald durch ihre Unvorfichtigfeit , ganze Wälder in Brand ſtecken, und ganze Ländereyen in Wuͤ⸗ ſten verwandeln. Dies fonnen fie ist nicht thun, und die Natur befchränfte auf mehr als eine Weiſe ihre intel⸗ lektuelle Vollkommenheit, durch die Art, wie ſie ihre Korper organiſirte. So iſt es z. B. merkwuͤrdig, Daß die 245, die Affen ziemlich bald die menfhliche Sprache verſtehen lernen, daß fie, eben ſowohl wie der Menſch, alle Werkzeuge haben, die zum Sprechen erfordert werden, und dennoch nicht einmal im Stande find, fo viel ſpre— chen zu lernen, als der Papagey oder der Staar. Die— ſes alles aber vereinigt ſich, um den oben angeführten Sag zu beftätigen, Daß die ntelligenz bey dem Thiere, mehr durch die Organifation eingefchranft ift, als beym Menfchen. ' | % 46. Andrerfeits aber ift es auch eine unläugbare Erfah: rungswahrheit: daß die Thiere in ihrer Organiſa— sion ein größeres Hilfsmittel und einen. ficherern Wegweiſer haben, als der Menfch. Ich will hier nicht von den Vorzuͤgen reden, welche die Thiere im Allgemeinen wegen der Feinheit ihrer Sinn: werfzeuge, und der daraus folgenden Stärfe und Ger nauigkeit ihrer finnlichen Empfindungen, vor dem Men- ihen voraus haben; ein Vorzug, der die Thiere in hoͤ— herm Grade gegen Irrthum in der Wahl ihrer Nahrung: ſchuͤtzt, und wodurd fie mit größerer Sicherheit, als der Menſch, die Nahrungsmittel entdecken, die ihnen zufräglich find, Darum lefen wir auch, daß Neifende, wenn ſie an fremden und unbewohnten Orten hinfamen, wo fie unbekannte Früchte und Pflanzen vorfanden, ges nau darauf Acht gaben, welche von Diefen die There zu ihrer Nahrung brauchten, und ihre eigne Wahl nad) Diefer Beobachfung einrichteten. So erzählt Baillent, daß ein Affe, den er Kees nannte, und der ihn auf fei- ner Reife begleitete, ihm oft eßbare Wurzeln verfchafte; N 3 oft 246 — oft warf Vaillant ihm auch die Wurzeln vor, die man unterweges fand, und die ihm und den Hottentotten un- befannt waren, und wenn Kees ſie denn nicht freffen wollte, fo war man überzeugt, daß dieſe Wurzeln entwe— der einen unangenehmen Geſchmack haben, oder fchädlich feyn muften. *) Hievon haben wir indeflen in dem Bor- hergehenden umftändlich geredet, und ich will alfo den Leſer dahin verwiefen haben; wie ich denn auch glaube, daß es feinem aufmerkſamen Leſer zweifelhaft feyn wird, daß eine große Menge von Thieren, was die Feinheit der Einrichtung ihrer Sinnwerfzeuge betrift, unverfenn- bare Vorzüge vor dem Menfchen haben. Die Organi- fation dient ihnen alfo in diefem Stücke zu arößerer Hülfe und zu einem beffern Fuͤhrer, als dem Menfchen, ob- gleich diefe Befchaffenheit der Organifation nicht fo abfo- lut beftimmend ift, daß fie in allen Fällen die NBahl des Thieres unfehlbar macyen follte. $. 47. Die Sinne der Thiere find, allgemein zu reden, in allem, was die Wahl der ihnen nüglichen oder ſchaͤd⸗ lichen finnlichen Gegenftände betrift, fichrere Führer, als eben diefe Sinne es dem Menfchen find. Aber der ganze Bedarf des TIhieres, ift eben fo wenig als des Menfchen, blos dadurch allein befriedigt, mweil es weis, daß diefe Nahrung ihm zutraͤglich, jene fehädlich ift. Sie haben damit noch nicht dieſe Speife in ihrer Gewalt, weil fie wiffen, daß fie da ift; fie ift damit noch nicht zube- reitet und angewandt, mie fie es feyn muß, wenn fie ih- nen Mugen fchaffen und ihrem Bedarf abhelfen fol. Je— des *) Vaillants Reife, 1. Th. ©. on — —— 247 des Thier, fagt Neimarus, *) fordert fein gewiffes Ele: ment, feine gewiffe Gegend, feinen gewiſſen Aufenthalt, feine eigne Weiſe, wie fein Neft, feine Wohnung ‚oder fein Gebäude eingerichtet feyn muß; feine befondre Be— wegungsart, feine befondre Weiſe, wie feine Nahrung gewonnen, zubereitet und aufbewahrt wird, wie es die verſchiednen Verwandlungen durchgeht, fich paart und feine Jungen aufzieht. Wir brauchen nur einen flüchti- gen Dlick auf die Thiere zu werfen, um uns von Diefen Wahrheiten zu überzeugen. ’ Einige Thiere, 3. B. die Seeſchildkroͤte und das ‚Krokodil, merden auf dem trocknen Sande gebohren, und doch ift das Waſſer dasjenige Element, werin fie leben follen, und auffen vor welchen fie nicht leben fonnen; fie fuchen dies Element, fobald fie aus dem Ey hervorgefrochen find, aber wer lehrte fie es ſuchen? Verſchiedne Gattungen von Thieren verändern Him— melsgegend und Aufenthalte, fo wie die Jahrszeiten ſich verändern ; fo liege das Murmelchier und Die Schwalbe den Winter über im Schlaf, fo verlaßt der Storh im Spätjahre unfre Gegenden und kehrt im Srühlinge wieder zuruͤck; aber woher hat wohl das Ihier Diefe Anmeifung ? Wie find die Voͤgel im Stande, fo mannigfaltige Arten von Meftern zu bauen, wer lehrt die Biene ihre Cellen einrichten, und den Biber feine Dämme aufführen? Wie geht es zu, daß das Inſekt fich zu feiner Verwandlung vorbereitet, daß jede Gattung derfelben dies auf die befte Arc thut, und fo, — ſie waͤhrend ihrer Unthaͤtigkeit, gegen Ge— Q4 fahr 9 Allgem. Betr, uber d. Triebe d. Thiere. ©. 88. 248 Sonnen fahr und Verlegung geſichert ift ? Woher lernte der Ameifenlöwe feinen Trichter fo Fünftlich aushöhlen, daß feine Beute in demfelben zu ihm hinabrollt? Allerdings ift die Natur in diefen, wie in unzähligen Fällen glei- cher Art, die $ehrerin und Fuͤhrerin des Thiers; aber wie giebt fie denn dem Thiere diefen Unterricht ? dies werden wir Fürzlich näher zu erklären fuchen. Sen. 48. Wir haben im Vorhergehenden bemerkt, daß wir, vermöge der Einrichtung unfrer Körper, genofige find, unfre Borftellungskraft auf gemwifle Gegenftände zu richten; unſre Organifation dringt uns gewiffe Vorftellungen un- vermeidlich auf; bey dem Menfchen geſchieht dies nur in einigen wenigen Faͤllen, bey den Thieren hingegen, in- fonderheit bey den unvollkommnern Thieren, geſchieht es öfter, Der Menſch, dem die Natur einen höhern Grad von Intelligenz verlieh, wurde von ihr blos genötigt, für die Erhaltung feines Körpers und fir die Vermehrung jeiner Gattung zu forgen; die Art aber, wie dies am zweckmaͤßigſten gefcheben fonne und müffe, wurde der willkuͤhrlichen Anwendung feiner höhern Fähigkeiten über- loffen. Dem Thier hingegen, legte die Natur nicht allein den Zwang auf, feine Nahrung zu ſuchen und fich fortzu- pflanzen fondern fie forgte zugleich, nach der Berfchie- denheit der Gattungen, dafür, daß das Thier eine fichere Anweifung zu der Wahl derjenigen Mittel erhielt, wo— durch ihre Abfichten erreicht werden Fonnten. Dies heißt mit andern Worten : viele Gattungen von Thieren haben außer den allgemeinen Trieben, welche dem Thier und dem Menfchen gemein find, einen befondern Nas turtrieb, gewiſſe Handlungen vorzunehmen, gewiſſe Mittel * — rum 249 Mittel zu Erhaltung und Fortpflanzung ihrer felbft und ib: rer Öattung zu wählen und anzumenden. Diefe Triebe fom- men den Thieren in den Faͤllen zu Hilfe, wo ihre einge: ſchraͤnkte Intelligenz zu den Abfichten der Natur nicht hinreichte. Vermoͤge diefer Triebe, richtet das Thier mit einer geringern Intelligenz, eben das aus, was der Menſch mit feinem höhern Örade von Fähigkeiten und Entwicklung ausrichtet. Diefe den Thieren eigenthuͤm⸗ liche Triebe, hat Reimarus Kunſttriebe genannt, wie: wohl er diefen Kunſttrieben mehr zufchreibt, als wir, nach dem bisher angeführten, dahin rechnen koͤnnen. — Die Thiere, inſonderheit gewiſſe Gattungen derſel— ben, haben Kunſttriebe; aber mas iſt denn nun Kunſt⸗ trieb ? läßt er ſich auf eine genugthuende Weiſe erflären, und wenn dies, wie kann denn das Dafeyn dieſer Triebe mit demjenigen beftehen, was wir vorhin über die intel» figenz der Ihiere bemerft haben? Zwar ift es wohl uns möglich, beſtimmt und deutlich anzugeben, wie in die fem Stuͤck Urfache und Wuͤrkung mit einander zuſammen bangen, und wird es vielleicht immer bleiben, fo lange wir in dieſer Verbindung der Dinge leben; dehingegen wäre es wohl nicht fo ganz unmöglich, uns eine vernünf tige und mahrfcheinliche Vorfteilung von den Urſachen zu machen, welche jene wundervollen Wuͤrkungen hevvor: bringen. Und bier müffen wir abermals unfre vorige Bemerkung wiederholen, daß ſowohl das Thier als der Menfc), vermöge der Einrichtung feines Körpers, gewiſſe Vorſtellungen nothwendig hat und haben muß, welche den Willen beftimmen und Handlungen erzeugen, bey wel— chen zwar in der Art ihrer Ausführung, einige Willkuͤhr— 5 lichkeit 250 — — lichkeit ſtatt findet, die aber doch, in Ruͤckſicht auf ihren Ur: fprung, als nothwendig angefehn werden fünnen. Wenn wir nun in vielfältigen Erfahrungen bemerken, daß Die Thiere weit mehrere folder Handlungen vornehmen , Deren Grund mir in einer Art von Nothwendigkeit fuchen müflen, fo folgt, Daß wir daher genoͤthigt find anzunehmen, Die BVorftellungskrafe der Thiere werde, je nach der Ver: fchiedenheit der Gattungen, in mehreren Fallen durch die Organiſation beftimme und gefeffele, als des Menfchen, Und hieraus folgt nun wiederum, daß die Thiere, ver: möge der Einrichtung ihres Körpers, gewiſſe Vorſtellun— gen von den Mitteln haben muͤſſen, welche zur Erhaltung ihres Lebens und zur Fortpflanzung ihrer Gattung die nen, fo wie von der Art, wie diefe Mittel am zweck— mäßigften erworben und angewandt werben Fonnen. Da nun die Korper der Ihiere, von ihrer Geburt an, Die Werkzeuge und das Nervengebaude enthalten, wodurch foiche Vorftellungen, ohne vorhergehende aͤußre Verſuche und Erfahrungen, nothwendig in ihren Seelen erzeugt werden müffen; da der Korper beftändig auf Die Geele wuͤrkt, vermöge der Verbindung, welche bey Ihieren und Menfchen,, zmwifchen diefen beyden Weſentheilen, ſtatt finder; fo erhält das Thier, man moͤgte fait fagen, von Anbeginn feiner Eriftenz an, wenigſtens doch ſchon in den erften Augenblicken, da es fich feines Dafeyns beruft iſt, diefe Worftellungen; wird, vermöge der fortgefegten Würffamfeie des Nervenſyſtems, - daran gewöhnt, und führe fie in der Folge mit Leichtigkeit aus, da Die Werfzeuge, wodurch fie ausgeführt werden follen, im Körper vorhanden find. Die Borftellungs - Ner- ven würfen auf die Seele; hieraus enefteht Vorftellung und lebhafte Luſt zu handeln; die Seele wuͤrkt, vermöge dieſer 251 diefer Luft, auf die Bewegungs: Nerven, mit eben der Sicherheit und Präcifion, als bey uns, wenn wir Hand oder Fuß bewegen wollen, und nun geht die Bor= ftellung in aͤußre Handlung über, welche dazu dient, _ den Fordrungen und Abfichten der Natur Genüge zu leijten. Anmerkung. Wir haben ſchon einmal ange merft, daß ſowohl bey dem Thiere als bey dem Mien- fen, die finnlichen Empfindungen durch die Nerven veranlaßt werden; zum beſſern Verſtaͤndniß des oben ger fagten, müffen wir noch bemerken, daß die Nerven, auch die in unfern Körpern vorgehenden Bewegungen, ver: anlaffen , in fo fern felbige von dem Willen und der Wuͤrkſamkeit der Seele abhängig und nicht mechanifd) find, oder durch Einwirkung der aͤußern Gegenftände auf unfre Sinne hervorgebracht werden. Hier fragt es fi) nun, ob wir annehmen Ffonnen, daß die Seele jene yoillführlichen Bewegungen des Körpers, vermöge eben- derfelben Nerven, veranlaßt, wodurch fie von den.äußern Dingen, die auf den Korper würfen, DVorftellungen er— hält, Die Nerven, fage Linzer, endigen fid) mit ih— von außerften Spigen, entweder fo, daß fie in andre, zu gewiffen Bewegungen beftimmte Maſchinen des thieri- ſchen Körpers einpaffen, oder fie breiten ſich bloß in der Haut, oder in andern Theilen aus, z. B. im Auge, Ohre u. fe w. ohne daß fie in folche Mafchinen hineindrin- gen, die zu gemwillen Bewegungen beftimme find, wenig- ftens, ohne daß fie zu einer folchen Bewegung mitwuͤrken. Die erftern nennt man, in diefer Rücficht, Bewegungs: ‚ Nerven, die legtern, Borftellungs » Nerven. Uebri— gens find beyde einander an Stoff und Bauart gleich), nud 252 ——V und der Unterſchied beſteht bloß in dem eben genannten Lokalverhaͤltniſſe. Der große Haller tritt dieſer Mei- nung bey; und es waͤre folglich, was ihre Natur anbe— trift, Fein weſentlicher Unterſchied zwiſchen den Vorſtel— lungs-und Bewegungs-Nerven. ine andre Frage aber ift es, ob man nicht annehmen kann und vielleicht anneh⸗ men muß, daß einige von Diefen Nerven, vermöge ihres Zufammenhengs mit den Muffeln, hauptfächlich Dazu be= flimmt find, Bewegungen zu veranlaffen, fo wie andre Vorſtellungen von den äußern Dingen zu erregen, Die auf den Körper würfen; und ob nicht verfelbe individuelle Nerve, in derfelben Nervenfaſer, eine zwiefache mefent- liche Beftimmung bat, fo, daß er beydes, ſowohl Bor: ftellung els Bewegung , veranlaffen kann. Daß jeder Nerve, wenn er übrigens unverlegt und im feinem natürlichen Zuftande ift, WBorftellungen veranlaffen Fann, ift wohl feinem Zweifel unterworfen. So ift es durch Erfahrungen eriwiefen, daß diejenigen Nerven, welche mit ven Muffeln in Verbindung ftehen, durch die in legtern ven außen hervorgebrachten Veraͤn— derungen, ieritire werden, und die Seele dadurch von dieſen Veraͤndrungen, die in ihrem Körper vorgehen, Vorſtellung erhält; da diefe Vorftellungen aber zufälliger- weiſe, Durch die zufälligen Bewegungen der Muffeln, veranlaße werden, fo koͤnnte man vielleicht annehmen, der die in den Muffeln laufenden und zur Bewegung beſtimmten Nerven, nur vermöge einer Mebenbeftim- mung, Dorftellingen veranlaffen, da ihre Hauptbeftim- mung auf Bewegung abzweckt. Daß die Verändrung des Nerven, und der Gang der Nervenfeuchtigfeit, nad) diefer VWorausfegung, wie man behauptet hat, in dem- felben felben uneheilbaren Augenblicke, auf eine doppelte und entgegengeſetzte Art, müfte gefhehen fonnen, ift wohl feine richtige Folgerung. Es wuͤrde vielmehr in jedem gegebnen Falle darauf anfommen, ob die äußre Kraft, welche auf Muffel und Nerve zur Werandrung aufwaͤrts wuͤrkte, oder die Kraft der Seele, womit fie auf Die Nervenſpitze zur Verändrung niederwärts wirft, die ftärffte wäre; ferner, ob die ganze zum Muffel gehörige Nervenfammlung,. oder nur einzelne Nerven derfelben, durch Die aͤußre Einwürfung außer Stand gefeßt würden, nad) dem Willen der Seele, in dem Muffel Bewegung zu veranlaffen, in folchen Fällen nemlih, wo willkuͤhr— liche Bewegung ſtatt finde. Eine ganz andre Frage ift es, ob die Seele in den Fällen, wo fie von den Auf: fern Dingen, durch die Einwuͤrkung derfelben auf die Sinne, Vorftellungen erhalten bat, eine folche ruͤckwuͤr— fende Kraft befigt, daß fie durch ihre eigne Würkfamfeic diefelben Veraͤndrungen in den aͤußerſten Iheilen der Ner⸗ ven hervorbringen Fann, welche die äußern Gegenflände hervorbrachten. Die Erfahrung verneint diefe Frage; denn wir müften alsdann bloß durch unfre Einbildungs- fraft uns in jedweden Zuftand zurück verfeßen koͤnnen, worin wir ung einmal befunden hätten, und zwar derges ftalt, daß wir alles eben fo, wie bey der würflichen Ein⸗ wuͤrkung der Gegenftände, felbft fühlten Wir dürften dann nur einmal in unferm $eben eine angenehme Muſik gehört haben, um fie in unferm Kopfe, fo oft es ung gefiele, wieder zu hören; einen Soldaten, der einmal Spiesruthen gelaufen hätte, würde man in der Folge, bloß indem man feine Einbildungsfraft erhitzte, fo oft man wollfe, auf eben die Weife ftrafen und quälen fon= nen. , Niemand wird aber wohl daran zweifeln, daß es ein 254 ein wahres Unglück für den Menfchen feyn wuͤrde, wenn feine Natur fo eingerichtet wäre. Erſte Gründe einer Phyfiologie der eigentlichen thierifihen Natur thierifcher Körper, entworfen von D. Johann Auguft Unger. Leipzig. 8. 1771. 1. Th. 1. K. F. 14. ©. 20. Kap. 2. {. 126-27. ©, 119-120. Albrecht von Hallers Anfangsgrinde der Phyſi— ologie des menschlichen Körpers, aus dem lateini— fehen üderfegt, von 3. ©. von Haller, Ber lin. 8. 1768 4. B. X. Bud. VI Abſchn. $. 22. ©. 613 u. f. Nicolai Pathologie. 4.2. $. 53. ©. 98. Irwing Erfahr. und Unterſuch. über die Menſchen. 1.2. $. 29. ©. 122 uf. N. 90008 Die Thiere nehmen alfo gewiſſe natürliche und noth- wendige Kunfthandlungen vor, welche zu ihrer und ihrer Are Erhaltung, Fortpflanzung und Veredlung dienen, und diefe Handlungen haben ihren Grund in vorher- gehenden Vorftellungen, welche das Thier, vermöge fei- ner Organifation, nothwendig hat und haben muß. Da- hingegen aber ift es auch eine durd) Erfahrung unwider— fprechlich beftätigte Wahrheit, daß , obfchon die Vorſtellun— gen und Handlungen derThiere in den erwähnten Fällen, von ihrer Drganifation beftimme werden, fie demungeach— tet in diefen ihren Handlungen eine gewiſſe Will: Ehrlichkeit Haben und zeigen, und ihr Betragen auf verfihiedne Weife einrichten, je nachdem Die Umſtaͤnde verſchieden find. Und alfo behauptet das Thier auch in dieſem Stuͤcke feine Aehnlichkeit mit dem Menfchen, Menn — 255 Wenn gleich die Neſter der Voͤgel von einerley Gattung, allenthalben ohngefaͤhr dieſelbe Einrichtung und Bauart haben, ſo haͤngt es doch immer von der Willkuͤhr des Vogels ab, ob er auf dieſem oder jenem Baume bauen will, und erwaͤhlt unter mehrern Baͤu— men und Oertern denjenigen, der der ſicherſte iſt, und wo er das Futter fuͤr ſeine Jungen in der Naͤhe findet: er waͤhlt nach Gefallen Moos oder Stroh, Haare oder Federn um ihr Lager daraus zu bereiten. Es giebt, ſagt Reimarıs ,”) feine feſte Regel, wonach die Bienen und Weſpen ihr Neſt ankleiſtern oder an den Sei- ten befeſtigen, damit es nicht durch ſeine eigne Schwere herabfalle; ſie richten ſich hierin nach der Beſchaffenheit des Hauſes oder der Stelle wo ſie ihr Gebaͤude auffuͤhren. Die Spinnen gehen zwar bey der Einrichtung ihres Ge— webes, in der Hauptſache auf einerley Art zu Werke, aber die Dicke des aͤußerſten Fadens, an welchem das ganze Netz haͤngt, beſtimmen ſie nach der Entfernung. Je weiter der Ort entfernt iſt, wo das aͤußerſte Ende des Fadens befeſtigt werden ſoll, je dicker ſpinnen ſie ihn. Es iſt den Bienen und Weſpen natürlih, alle Todte aus ihren Neſtern fortzuſchaffen; wenn aber der Koͤrper zu ſchwer iſt, ſe pflegen letztere die Arbeitsweſpen dahin zu vermoͤgen, daß ſie ihn in Stuͤcken beißen, worauf ſie ihn denn ſtuͤckweiſe hinausſchleppen. Die Bienen da— hingegen mauern ihren getoͤdteten Feind ein, wozu ſie ſich Gummi bedienen, womit ſie ſonſt die Riſſe im Stocke zu— ſtopfen. Bey dieſem Verfahren kann der todte Körper ihnen nicht durch ſeinen Geruch beſchwerlich fallen. Die Bienen find in ihrer Bauart zwar fehr ſorgfaͤltig, indeſ fen Allgem. Betr, über d. Triebe d. Thiere. ©. 173.179. 256 — — ſen koͤnnen ſie es doch nicht immer vermeiden, daß ihre Scheiben etwas ſchief laufen, oder einander hie und da einige Linien naher kommen, als die genaue parallele Ent— fernung es erlaubt; fo wie auch zuweilen die Blätter im Stode und ihre Zufammenfügungen von dem richtigen Maaße etwas abweichen. Dies rührt daher, weil meh- rere von ihnen zugleih an demfelben Stücfe arbeiten, und ein Fehler von einem halben Grad oder einer halben Sinie, erft in der Folge merklich wird, Wenn aber die Bienen bemerken, daß fie gefehlt haben, fo verbefjern fie ihren Fehler gleich ; fie nehinen weg, wo zu viel, thun hinzu, wo zu wenig ift, und vollenden auf dieſe Weiſe ihren Bau. Wenn fie nun gleich diefe Arbeit aus Natur- trieb unternehmen, fo ift doch hier die Willtührlichkeie in den verfchiednen Aeußerungen des Triebes unverfenn- bar, bey dem Thiere ſowohl als bey dem Menfchen, Ueber haupt find nach Bonnets Zeugnife, ) die Veraͤndrungen beynahe unzählbar, die ein aufmerkfamer Beobachter, in der Arbeit der Bienen, zu bemerken Gelegenheit hatz und fein Zeugniß iſt um fo wichtiger, da er diefe Thierart ganzer vierzig Sahre lang beobach— tet hat. Er hielt nad) und nad) viele. Schwärme, in eben demfelben Glasforbe und verfichert, daß niemals zween Schwaͤrme genau auf einerley Art gearbeitet ha, ben, fowohl was das Anlegen der Tafeln und ihre Rich: tungen unter einander, als .ihre Geſtalt und Verhaͤltniſſe betrift, Gleiche Abweichung fand er in der Form und Größeder Zellen. Einige halten eine ellyptiſche Defnung, in andern warfie faft zirfelrund, niemals aber ſechseckigt. Auch *) Betracht, über die Natın 2. Ch, ©, 475. ——— 25% Auch im Boden der Zellen waren merkliche Unregelmaͤßig⸗ feiten; anftatt daß derfelbe gemeiniglich aus drey Fleinen, gleichen und ähnlichen Kautenftücken beftehf, war er aus vier, fünf oder fechs Stücken von unregelmäßiger, meift vierefigter Figur zuſammengeſetzt. Die Größten dee ‚gemeinen Zellen hatten noch mehr von Verändrungen, als ihre Defnungen und ihr Boden. Gemeiniglich find diefe Zellen fünf Linien tief, aber er fand ihre Tiefe von achtzehn bis zwanzig Linien. Diefe und mehrere Beob= achtungen beweifen zur Önüge, mie fehr diejenigen irren, weiche in dem Gedanken fiehen, daß Die Arbeit der Bienen jederzeit regelmäßig und einformig fey, fo mie fie zugleich ein Beweiß von der Willkuͤhrlichkeit find, wo— mit das Thier felbft in den Faͤllen handelt, wo der ur— fprüngliche Grund feiner Handlungen und Vorftellungen in der Organifation liegt, SR Die Handlungen der Thiere gründen fich auf ihre Vorftellungen, und einige von diefen Worftellungen haben ihren urfprünglichen Grund in der Organifation des Thiers; aber, mögte man hier fragen, welchen Antheil hat denn die Organifation, und welchen Antheil die eigentliche Vorſtellungskraft an den Kunftarbeiten ‚die wir die Thiere vornehmen fehen ? Kann man annehmen, daß diefe Kunftwerfe eine befondre Entwiclung und Umfang von Intelligenz vorausfegen, welche mit den Kunftftücen, die wir die Thiere hervorbeingen ſehen, in einem natuͤrli— chen und gleichmäßigen Verhältniffe fteht, oder wie laͤßt ſich die Hervorbringung dieſer Werke auf irgend eine Weiſe aus der Vorſtellungskraft der Thiere begreiflich machen, wenn man fie nicht einzig und allein, ober Doch groͤßten⸗ | F R theils | 258 theils für mafchinmäßige Würfungen der Organifation will gelten lafjen? Wir wollen verfuchen, ob die Erfah— rung uns zur Aufloͤſung diefer ragen verhelfen Kann. Wir haben im Vorhergehenden bemerkt, daß die Thiere, vermöge ihrer Organifation , gewifle Vorftellun- gen haben, welche ohne elle vorhergehende aͤußre Erfah- rung in der Seele entftehen; die Erfahrung lehrt ung, daß die Anzahl folder aus der Organifation entfpringen- den Vorftellungen, bey einigen Thierarten größer, bey andern Fleiner it; fo wie wir zugleich bemerft haben, daß es fehlechterdings nicht von dem Willen und der Wahl des Ihieres abhängt, ob eg diefe Vorftellungen haben will, oder nicht. Nun lehrt die Erfahrung fer— ner, daß einige Thierarten gar Feine Handlung vorneh- men, welche einen Kunſttrieb vorauszuſetzen fcheint; andre dahingegen folche Handlungen ausführen, melde, wenn man fie von dem Menfchen ausgeführt fühe, die gründlichfte Weberlegung und das fhärffte Nachdenken vorausfegen müften; Handlungen, welche der Menfch, befonders im Kleinen, weder nachzuahmen noch auszus führen im Stande iſt. Aber wer find wohl die Thiere, bey welchen wir diefe Runftfertigfeiten wahrnehmen? ift es etwa der Fluge Elephant, der muthige und füylaue Bar, der liftige Fuchs, der treue Hund, das edle Pferd? Mein; wir finden zwar in den Handlungen die— fer Thiere, viele abwechfelnde Verfchiedenheit, aber wir fehen fie nichts unternehmen, was im eigentlichften Ver— ftande, Kunftarbeit genannt werden fonnte, Weniger Intelligenz, und eben fo wenig Anlage zu Kunftwerfen, finden wir bey einer Menge andrer, von den ſogenann— een volltommneren Thierarten. Die Kuh, das Schaaf NET, und — — 259 uͤnd das Schwein, haben voͤllig dieſelbe Anzahl von Sinnwerkzeugen, als der Hund und das Pferd; ver— gleicht man aber die verſchiedne Handlungsweiſe dieſer Thiere, ſo muß man nothwendig auf eine große Verſchie— denheit von Faͤhigkeiten und Entwicklung unter ihnen ſchließen. Dahingegen ſehen wir mit Bewundrung die, Aſrikaniſche Ameiſe ihre Thuͤrmer bauen, die Spinne ihr kuͤnſtliches Gewebe verfertigen, die Biene ihre Zelle einrichten, und die Schabe, welche nackend das Ey ver— laͤßt, ſich gleich Bedeckung und Nahrung verſchaffen. Hier iſt beydes mehr und weniger, als wir bey den voll— fommenften und flügften Thieren antreffen; die größere Kunft ſcheint einen großern Grad von Kenntniß vorauszu- fegen ; aber follte denn die Intelligenz der Biene größer fenn, als des Elephanten? der Spinne größer als des Hundes? Diefe Behauptung fcheint auf den erften An— blick ungereimt, und doc) ift fie vielleicht nicht ganz unwahr. 0750 Wenn mir die Natur beobachten, fo wird ſowohl das, mas wir fo eben angeführt haben, als unzählige andre Erfahrungen, uns von der NBahrheit des neren Satzes überzeugen: Se vollkommner ein Thier iſt je mehr es in der Einrichtung und Anzahl ſeiner Sinnen: werkzeuge ſich dem Menſchen naͤhert, je weniger Kunſttrieb hat ein ſolches Thier; dies heißt mit andern Worten: je groͤßer die Anzahl von Gegenſtaͤnden iſt, worauf das Thier ſeine Vorſtellungskraft anwenden kann, je groͤßern Wuͤrkungskreis hat es; je groͤßern Rz Wuͤr Wuͤrkungskreis es hat, je weniger natürlichen Kunſttrieb und Kunfifertigfeit entdecken wir bey demfelben. Der Menſch, beffen Sinne der ganzen Natur offen fiehen, deffen Verftand und Erfindungstraft ihn gleich- fam mit neuen Sinnen bereichern; der Menſch, deſſen Wohnort und Thaͤtigkeit nicht auf eine gewiſſe Himmels- gegend eingefchränft ift, deſſen Kenntniſſen felbft die Derfchiedenheit der Elemente Feine Öränzen ſetzen koͤnnen; ver Menfch, der wie der Fiſch auf den Boden des Mee— res untertaucht, und, wie der Vogel, fi) einen Xbeg durch Die Luft gebahnt hatz der mit dem Tiger und Loͤwen in Afrika’s brennenden Sandwüften gedeiht, und mit dem Bären unter den Eisbergen der Pole wohnt: dieſer Menfch, obgleich auch er Thier ift, hat dennoch unter allen Thiergefchopfen hier auf dem Erdballden ausgedehn= teften Wuͤrkungskreis. Aber nadend koͤmmt er auf die Welt, wie die Milbe, und findet in feiner Organifation nicht Die Anmweifung zu Nahrung und Kleidern, womit jene gebohren wird. Das Schiekfal des Menfchen hange in feiner erften Kindheit lange von der Dflege und Vorſorge andrer ab; durch Erfahrungen werden erft feine Seelen: fräfte entwickelt, dur) Erfahrungen und wiederholte Ver— fuche lernt er erft fi) die Bedirfniffe des Lebens ermwer- ben, bis in der Folge die mehr entwickelte Vernunft auch zu den Bequemlichfeiten und feinern Dergnügungen des Lebens Nach zu fehaffen weis. Aber der Menfch muß, fo zu fagen, alles aus der ihn umgebenden Na— fur hernehmen; in feiner eignen Natur findet er Feine urfprüngliche Anmeifung, wodurch er das werden koͤnnte, mas wir uns zu ſeyn wiſſen. Jedes a en a) 261 Jedes Die, ſelbſt die vollfommenften Thierar— ten, die wir kennen, haben einen weit engern Würfungs- freis als der Menſch, da fid) ihe Aufenthalt auf gewiſſe Gegenden einfchränft, außer welchen man fie entweder gar niche findet, oder wo fie doch nicht gedeihen koͤnnen, werigftens ihr natürliches Alter nicht erreichen, Unter allen Thieren find die Affen unſtreitig Diejenigen, melde ſich dem Menfchen am meiften nähern, nicht allein in Ruͤckſicht auf ihren Körperbau, fondern aud) weil fie die einzigen Ihiere find, die fi) zu ihrer Vertheidigung an— drer Waffen bedienen, als derjenigen, vie Die Natur ihnen,gab. Go weiß man, daß emige diefer Thiere Zweige von den Bäumen abbrechen, und fi) Damit ge- gen Ihiere und Menſchen wehren. Aber der natürliche Aufenthalt diefer Thiere iſt auf die wärmeren Himmels- gegenden der alten Welt eingeſchraͤnkt. Sie fünnen ge: woͤhnlich alles nachmachen was fie fehen, und zeigen viele Fähigkeit, diefe oder jene Handlung zu erlernen, woran man fie gewöhnen will; fie befigen Geſchicklichkeit genug, fi) die Beduͤrfniſſe und en die fie vor fich fehen, fogar wider den Willen des Menſchen zu verschaffen; aber Faͤhigkeit, felbft etwas heraus zubrin- gen und zu erfinden, was Natur oder Kunſt — nicht gab, findet man nicht bey ihnen. Die Natur ſcheint dieſe und andre Thierarten mehr Dazu beſtimmt zu haben, Die guten Dinge zu genießen, Die fie Ihnen von feibft Darbietet, als zu verlangen, daß fie aus eignen Kräften ährer Wuͤrkſamkeit zu Huͤlfe fämen. Nur von einer ein— zigen Affenart (Troglodytes, Ehimpanfe, Pongo, Zacko, Barris) welche fi in Angola, Congo u. a. O. aufhält, erzähle man, daß fie haufenweife in den dickſten Wäldern leben, und eine Art von Lauben in den 83 Baͤu⸗ 263 Gum au Bäumen anlegen, um ſich gegen Wind und Wetter zu ſchuͤtzen; aber fo gerne auch diefer Affe bey dem Feuer verweilt, das etwa die Wilden angezündet und verlaflen haben, weis er doch felbft Fein Mittel ausfindig zu ma— en, um es im Brand zu halten; ein Beweiß, daß dies Ihier darauf eingefchränft wurde, die Gaben der Natur in ihrem urfprünglichen Zuftande zu genießen, und feine Bedürfniffe unmittelbar aus ihrer eignen Hand zu empfangen. Uber obfchon dies Thier in Hinficht feines Aufenthalts und feiner Fähigkeiten, einen engern Wür- fungsfreis hat, als der Menſch, fo nähert es ſich dem Meufchen doch darin, daß fein Körperbau es ihm leicht mache, eine Menge menfchlihe Handlungen nachzuah— men, und daß es vollig diefelbe Anzahl von Sinnen hat, wie der Menſch, wodurch es in feinem Zirfel von der Natur alle Erfahrungen haben kann, welche ſich durch die bloßen Sinne erwerben laſſen. Aber auch darin gleiche der Affe dem Menſchen, daß er durch Natur und Drganifation zu Feiner befondern Art von Kunftfleiß ge- ſtimmt wird; nur die allgemeinen Naturtriebe hat dies Ihier, und finder übrigens in feinen Sinnen hinläng- liche Anmweifung , die Fordrungen der Natur zu befriedigen. Die wärmften Himmelsgegenden, infonderheit Die Eandwüften des innern Afrika, find der natürliche Auf enthalt des Eöwen, fo wie in Afien die eigentliche Hey math des Tigers ift; der Leoparde und der Panther gehören zu den natürlichen Bewohnern Afrifas; der ſo— genannte Amerifanifche Tiger, Onza, lebt nur inner- halb der Gränzen Südamerifas; der Luchs hingegen, Ait ſich in den großen, Dichten Wäldern des noͤrdlichen Theils unfers Erdballs auf. Auch diefe Thiere find Bei | | vermo- 263 vermoͤge ihrer Sinne im Stande, jeden Eindruck der Na: fur aufzunehmen, welche fie in den Gegenden, die fie be- wehnen umgiebt, und auf fie wuͤrkt. Sie haben die allgemeinen Naturtriebe mie dem Menſchen gemein, und es fehlt ihnen aller Kunſttrieb, fo wie dem Menfchen. Eben fo verhält es fi mit dem Elephanten, deflen na— rürliches Vaterland das mittlere Afrifa und das fünliche Alten iſt; auch bey diefem Thiere finder man Feine Spur von Kunfterieb; Dagegen befißt es einen hohen Grad von Intelligenz und ift fehr vieler Entwicklung fähig, fo, daß der Elephant in diefer Ruͤckſicht unter allen Thie— ven fih) dem Menfchen am meiften zu nähern ſcheint. Die Malayen bedienen fich daher des Werts Drang, welches das Stammwort von Drang Dutang if, beydes um einen Elephanten und einen Menfchen zu be- zeichnen. Und fo finden wir die Natur in der Organifas tion der vollfommneren Ihiere, überall ſich felbft aͤhnlich; fie haben an ihren Sinnen alle Anweifung, deren fie be- dürfen, um ihren Lebensunterhalt zu füchen; fie haben hinlängliche Mittel zu ihrer Rettung und Vertheidigung ; aber die Are, wie fie in jedem Falle diefe Anweifungen der Drganifation gebrauchen und anwenden follen, ift ihnen ſelbſt überlaffen, und ihr Betragen ift willführlich, je nachdem die Umſtaͤnde ihre Vorftellungsfraft veranlaf- fen, ſich auf verſchiedne Weiſe und in verfchiednen Hande lungen zu äußern, Aber Kunfttriebe, in dem bier ange— nommenen Sinne des Worts, haben dieſe Thiere nicht; und dies kann man, mit einigen wenigen Ausnahmen, wor— unter z. B. der Bieber, das Murmelthier, die Muſkusratze (Caſtor Moſchatus Linn.) gehoͤren, allgemein von allen Saugthieren, beſonders von den Raubthieren unter ihnen, ſagen. Ihre Intelligenz iſt, je nach der 4 Ver⸗ — 264 — Verſchiedenheit der Gattungen, groͤßer oder geringer; aber Kunſttriebe hat ihnen die Natur gewöhnlich nicht verliehen, 53. Gleichwie aber die Erfahrung zu beftätigen fcheint, daß ein Thier um fo weniger Naturtriebe oder Kunfttrieb hat, Ge größer fein Wuͤrkungskreis iſt, fo lehrt eben diefe Erfahrung uns auch den folgenden Sag: Se unvollfommmer ein Thier ift, je weniger es an Zahl und Einrichtung feiner Sinnwerfzenge dem Menfchen gleicht, je mehr Kunfttriebe ent: decken wir bey demfelben. Das heiße: je Eleiner der Wuͤrkungskreis des Ihiers ift, je weniger Gegenftände es giebt, mit welchen feine Vorftellungsfraft fic) befchäf- tigen kann; defto mehr Kunfttriebe, defto größere natuͤr⸗ liche Kunſtfertigkeit beſitzt es. Die Vogel, Amphibien, Fiſche und Inſekten bieten uns unzählige Erfahrungsbeweife für die Wahr- heit diefes Sages dar. Go wie beyjeder diefer Thier- klaſſen, verhaͤltnißmaͤßig mit der ſtufenweiſe abnehmen- den Vollkommenheit der Organifation, der Wuͤrkungs— freis fich verengert, zeigt fich bey ihnen ein ftärferer Na— turtrieb, gewiſſe KRunftarbeiten und gewiſſe Handlungen vorzunehmen, welche auf den Unterhalt und die Erhal— tung der Gattungen und Individuen abzwecken, Die Vögel weichen ſchon mehr von dem Menfchen ab, als die Saugthiere, weil fie gemeiniglich überaus wenig, oder faft gar feinen Gefhmac haben; dahinge— gen haben einige von ihnen fehr feinen Geruch, und faft alle ein befonders ſcharfes Geficht und Gehör. Das eigent- 265 eigentlich fo genannte aͤußre Gefuhl haben fie auch nicht fo unmittelbar als der Menfch und viele Saugthiere, weil die Federn, womit ihr Korper bedeckt ift, mehr oder we: niger die unmittelbare Einwuͤrkung der äußern Gegen: fände auf die in der Haut verbreiteten Nerven hindern. Was man bey diefer Thierklaffe zu den Wuͤrkungen des Kunfteriebes hinführen Fonnte, wäre hauptfächlich die Art, wie fie ihre Neſter bauen und die Form, melde fie ihnen geben. Viele Vögel, unter andern die Kibige, bauen ihre Mefter geradezu an der Erde, aus Neifig ‚oder Stwoh; und Diefe zeigen auch einen merklichen Grad von Intelligenz in den Verfuchen die fie machen, um ihre Eyer und Jungen vor dem Menfchen zu fichern, Man erinnre fih nur, wie der Kibig ſchreyt und herum- fliegt, wenn man feinem Neſte nahe kommt; wie er faft im Begriffe ift, dem Menfchen auf den Kopf zu fliegen; wie er fi) an Stellen niederläßt, wo das Neſt nicht ift, und ſich allmäahlig immer weiter davon entfernt, um feis nen Feind irre zu mahen. Die Enten gehören auch) nicht zu den Vögeln, welche Fünftliche Neſter bauen, und von ihrer Intelligenz macht man fich eben fo wenig große Begriffe ; indeffen ift es doch merkwuͤrdig, daß Die Ente, wenn fie im Haufe auf Eyern liege, unbefümmert vom Neſte weggeht, um ihre Nahrung zu ſuchen; wenn fie aber, wie es auf dem Lande oft der Fall ift, im Garten oder auf dem Felde brüret, fo bedeckt fie, ehe fie das Neſt verläßt, ihre Eyer forgfältig mit Gras oder Blaͤt⸗ tern, weil fonft die Eiftern fie gemahr werden, und fie in Abwefenheit der Ente verzehren würden, Dies habe ich felbft erfahren. 2 Andre Vögel geben ihren Neſtern eine mehr oder weniger Fünftliche Geftal. So bauf die Schmwan;- R 5 meife 266 meife (Parus Caudatus) ein ſehr Fünftliches Neſt, welches die Geſtalt eines Beutels hat; und obfchon fie nur ein kleiner Bogel ift, und unter allen Eleinen Voͤgeln die meiften Ener lege, (fie foll ihrer zwanzig auf einmal haben) fo macht doc) die Bauart des Neftes, und die weichen, warmen Sachen woraus es befteht, daß fie alle dieſe Eyer ausbruͤten kann. Don außen befleidee diefer Vogel das Neft mit Moos von eben dem Baume worin es gebaut ift, und hiedurch wird es denn um fo mehr verdeckt und unkenntlich. Man weis, daß diefe Vogel- art fehr neugierig ift, und fich leicht zaͤhmen und abrich— ten laͤßt. Sie ſcheint alfo einen merflichern Grad von Intelligenz zu befigen, als man nach oben angeführten Sage bey ihr vermuthen ſollte. Uber es ift hiebey zu bemerfen, daß diefer Vogel eine Art von Raubvogel ift, der andern Fleinen Singvogeln u. f. w. nachſtellt; und Die Naubthiere befigen und außern in allen Thierflaffen, einen höhern Grad von ntelligen;, als man bey ven an- dern Thierarten derfelben Klaffe antrift. Die Goldvrof- fel (Oriolus, merula aurea) baue ihr Neſt von Strob und Hanf, in der Geſtalt eines Topfes, und hängt es fehr Fünftlich zwifchen zween Zweigen, obfchen fie ſich doch durch ihr lautes Gefchrey verräch. Ein andrer Vo— gel eben diefer Art, den man nur in den wärmften Him— melsftrichen antrift, und der Jupujaba ( Oriolus Per- ficus) genannt wird, baut ein länglichtes Neft, in Form eines Beutels, mit einer engen Defnung, und hängt es an dem Außerften Ende eines Zweiges, wo er denn vor Affen und Schlangen ficher if. Bey diefen beyden Vo— gelarten ſpuͤrt man deutlichen Kunfterieb; aber: man fin- det bey ihnen Feine Spur eines merflichen Grades von Jetelligenz. ART Ueber: 267 Ueberhaupt machen die Vogel, in Hinfiht ihres Außerlichen Körperbaus, wie Blumenbach bemerkt, *) die ifolirtefte Klaffe von Thieren aus, welche mit feiner der andern Ordnungen, worin man die Thiere eintheilt, zufammen trift. Alle Vögel ftimmen darin überein, daß fie zween Füße, zween Tlügel, einen hornatigen Schna- bel, und einen mit Federn bedecften Körper haben; da— ber aber ift es auch überaus ſchwer, zu beftimmen, was für ein Glied dieſe TIhiere in der großen zufammenhän- genden Kette ausmachen mögen, welche man fonft über- all in der Natur zu finden ſcheint. In Hinficht ihres innern Rörperbaues haben fie viele Aehnlichkeit mit den Saugthieren; und der Hauptunierfchied zwifchen beyden, befteht eigentlich in mancherley Luftgefüßen, welche über- all in dem Körper der Voͤgel liegen, und ihnen zum flie= gen durchaus unentbehrlich ſind. Der Kopf iſt bey den meiſten Voͤgeln, in Verhaͤltniß des uͤbrigen Koͤrpers, nur klein; dahingegen haben ſie gemeiniglich ein, in Betracht der Größe ihres übrigen Körpers, großes Gehirn. Bey den Sperlingen 5.8. iftdas Gehirn fo groß, Daß es den gan- zen Kopf anfülle, und das Gewicht des Kopfes macht bey« nahe ein Sünftheil von der Schwere des ganzen Körpers aus. Die Kanarienvogel haben unter allen Ihieren das größte Gehirn, da man gefunden haf, daß es den vier- zehnten Theil von der Schwere des ganzen Körpers aus: machte. **) Die Vögel nähern fich alfo, was die Größe des Gehirns beerift, dem Menfchen mehr als die vier- füßigen *) Blumenbachs u, der Naturgeſchichte. "Seite 147. “*) Hallers Anfongegeinbe der ar 4 ®- Seite 14:15. . 868 — fuͤßigen Thiere, und einige derſelben haben ſogar ein größ— res Gehirn als der Menſch. Nun iſt es zwar nicht aus— gemacht und erwiefen, wiewohl es lange Die herrfchende Meinung war, daß Die Intelligenz des Thieres größer oder geringer fen, je nachdem das Gehirn groß oder Flein iſt; und felbft die Vögel feheinen das Gegentheil darzu— thun, da das Gehirn des Adlers nur den hundert und funf- zigften Theil vom ganzen Körper ausmacht, obgleic) niemand daran zweifeln wird, daß die Intelligenz des Adlers größer fey , als des Kanarienvogels und des Sperlings: indeflen macht doch diefe Einrichtung der Hrganifation, und der Mangel an binlänglichen Beobad)- fungen über die Individen diefer Ihierflaffe es überaus fhwer, wo nicht unmoͤglich, mit einiger Wahrfchein- lichkeit das Verhäleniß zu beftimmen, in welchem Die In— telligenz der Vögel im Allgemeinen, zur Intelligenz der andern Thiere ſteht. Diele Vogel haben ein ftarfes Gedaͤchtniß; die Singvoͤgel beweifen es unmiderfprecd)- lich; und daß fie in der Art, wie fie für ihre ungen for- gen, viele Klugheit und Ueberlegung zeigen, und Ge— fahren zu vermeiden wiffen, davon giebt die Begebenheit mit der Elſter, die wir ©. 146 anführten, den Beweiß. wenn man die Kunft ausnimmt, welche verfchieone Wo- get bey dem Bau ihrer Mefter zeigen, fo wird man ſchwer— lich einen andern Kunſttrieb bey diefer Ihierflaffe ange: ben fünnen; und da Diejenigen, welche ihre Neſter mit der wenigften Kunft bauen, gemeiniglich. die größte In— telligenz zeigen, fo wird man ohne Zweifel finden, daß die Erfahrungen, die wir von den Vögeln im Allgemei- nen haben, den oben angeführten Saß beftätigen: je enger. der Wuͤrkungskreis des Thieres ift, je mehr Kunſt- £rieb nehmen wir an demfelben wahr, - Die Würffam- feit "269 feit des Vogels, weldyer fein Neft mit vieler Kunft baut, ſchraͤnkt fich größsentheils und hauptfächlich auf die Fort— pflanzung feiner Arc ein, da im Gegentheil fein Lebens— unterhale ihm weder viel Suchen noc) große Mühe koſtet. Der Raubvogel baut mie weniger Kunftz aber er muß mehr Zeit und Würffamfeit anwenden, um fich und feinen Jun— gen die nörhige Nahrung zu verfchaffen. Der Würfungs- freis des Adlers ift unläugbar größer, als der des Pers fifchen Oriolus; aber die Intelligenz des legtern if aud) eingefhränfter, als des Adlers, fo mie diefer einen weit geringern Grad von Kunſttrieb hat, als jener. Nur wenige Amphibien merfen lebendige Jungen; die meiften legen Eyer; aber fie fonnen, eben fo wenig wie andre Thiere mit kaltem Blute, dieſe Eyer felbft ausbruͤten. Siemüffen dies der Sonnenwaͤrme überlaffen, und laffen daher ihre Eyer entweder im Waſſer von fich, wie die Fröfche, oder graben fie in den Sand, mie das Kro- kodill und die Schilöfrote, oder vergraben fie in Miſt— haufen, wie die Schlange Die meiften Amphibien haben ein feharfes Gefiche und Gehör, das Gefühl aber, fo wie die übrigen Sinne, feheinen ftumpfer zu feyn. Diefe Thiere find alſo eingefchränfter als die Saugthiere, da fie im Allgemeinen weder lebendige junge gebähren, noch für Die Erziehung und Pflege diefer Jungen Sorge fragen. Auch haben fie einen engern Wurfungsfreis, als die Vogel, welche ihre Eyer ausbrüfen, und ihre Brut aufziehen müffen. Die Vollkommenheit ihrer Sinnenwerfzeuge ift auch geringer, als der Saugthiere, und in Hinficht des Geruchs ftehen fie den Vögeln weit nad). Statt daß die Saugthiere bey ihrer Geburt, und die Vögel, wenn fie aus dem En hervorkommen, einen vollſtaͤn⸗ 488 T ; vollftändigen Korper mit ollen feinen Theifen im Keinen haben, der fid) nachher durch Wachſen nur entwickelt, müffen die Frofche und Eivechfen fid) gewiflermaaßen erſt verwandeln, bevor fie ihre vechte Geftalt erhalten, und den volligen Gebrauch ihrer Glieder erlangen. So haben fie, wenn fie aus dem Ey kommen, Feine Füße; dieſe wachſen erft hernach, das hinterſte Paar zuerft und dar— auf das Worderpaar. | Wie die Amphibien in dem Therreiche überhaupt ein Zwifchending find, fo find fie dies: insbefondre in HKücfiht auf ihre Triebe. Wir finden bey diefen Thie— ven weder einen hohen Grad von Intelligenz, noch einen merfenswertben Kunfterieb. Daß fie die fchiclichften Stellen wählen, um ihre Eyer zu legen: Daß das Kro— kodill infonderheit, fie fo legt, daß fie nicht von dem Fluße uͤberſchwemmt werden, wäre wohl das wichtigfte Phänomen bey diefer Klaffe von Thieren, wovon man den Grund in der Einrichtung der Organifation zu ſuchen noͤthig haͤtte, und es alfo aus einem beſtimmten Natur— triebe erklären müfte. Uebrigens beſtaͤtigt die Erfahrung, daß die Raubthiere, auch in diefer Ihierflaffe, einen merflichern Grad von Intelligenz äußern, als die andern dahin gehörigen Thiere. Den Fifchen find von der Natur noch engere Schranken angewiefen, als den Amphibien; fie koͤnnen nicht außerhalb des Waffers leben, das zu ihrem Wehn- ort und Aufenthalt beftimme wurde. Sie gebähren, wenige, unter andern den Yaal, ausgenommen, weder lebendige unge, noch) tragen fie für ihre Nachfommen- ſchaft Sorge, auch paaren fie ſich überhaupt nicht wie die Saugtbiere, Vögel und Amphibien. Die meiften Fiſch⸗ —— — 271 Fiſchweibgen werfen ihre Eyer von ſich, und das Männs gen kommt nachher und befruchtet diefe Eyer mit der ſo⸗ genanten Milch. Wir vermiffen bier alfo die Anhäng- lichfeie eines Individs an dem andern, die der Begat— fungstrieb hervorbringt, und die durch Die mürterliche $iebe, mwenigitens auf eine gewiffe Zeit, bey den Gaug- ehieren und Vögeln unterhalten wird. Die Sinne der Fifche feheinen ebenfalls nicht ſehr ſcharf zu ſeyn; und ihre Sinnwerkzeuge haben dabey eine beſondre Einrich— tung, die dem Elemente entſpricht, das ſie bewohnen. Um die Intelligenz der Fiſche hat man ſich bisher, ſo viel mir bekannt iſt, gar zu wenig bekuͤmmert, und es fehlt zu ſehr an philoſophiſchen Beobachtungen über dieſe Thier— klaſſe, als daß man ſich für eine beſtimme Meinung in diefer Hinfiche entſcheiden koͤnnte. Soviel ift gewiß, daß die Raubfifche fic) darin vor den übrigen auszeichnen ; übrigens nimmt man, die allgemeinften Naturtriebe aus: genommen, die man bey allen Thieren aritrift, Feinen - befondern Naturtrieb an den Fiſchen wahr, und noch weniger bemerft man an ihnen einen eigentlichen Kunjt- trieb. Auch kann man wohl im Ganzen annehmen, daß die Fifche niche in gefelffchaftlicher Verbindung mit einan- der leben, und daß es ihnen daher nothwendig an dem Grad von Entwicklung und Intelligenz fehlen muß, den das Individ nur durch den gefellfchaftlihen Umgang, und dur) die Mitwürfung vereinigter Kräfte zu einem gemiffen gemeinfchaftlichen Zwecke erhält und erhal ten kann. Betrachten wir die Inſekten überhaupt, ohne bey einer einzelnen Art oder Klaffe diefer Thiere ftehen zu blei= ben, fo kann man mit Recht fagen, daß fie, mas ihren Aufenthalt betrift, die unbegrängteften Gefchöpfe in der ganzen 272 euer mm ganzen Natur find, Man finder fie faft in alten Ele: menten; faum wird man eine Handbreit Erde unterfuchen fonnen, ohne Spuren von Inſekten darin anzutreffen; faft auf allen Thieren ohne Ausnahme, auf allen Pflan- zen findet man fie; und fie machen, wie Blumenbach fagt, *) für fich allein gleichfam eine unfichtbare Welt aus, rg in der ganzen übrigen organifirten Schöpfung eingefchaltee ift. Obſchon man aber die Inſekten folcher- geftalt in der ganzen Natur überall verbreitet finder, fo find doch die einzelnen Arten derfelben, in Hinſicht ihres Aufenthalts, auf das genaueſte, und in fo hohem Grade eingefchränfe, daß fie nur an den ihnen beftimmeen Orten entjienen und leben fonnen. Einige Inſekten haben ihren beftimmten Aufenthalt auf gewiſſen Ihieren und Pflan-⸗ zen, und zwar wiedrum auf gewiffen Ihetlen und Stellen diefer Thiere. Einige halten fih nur eine gewifle Zeit, gewohnlich fo lange, bis ihre Berwandlung vor fich ges gangen ift, an diefen Stellen auf, und müffen fodann andern lag machen. So pflanzt das Eorhenille- In: ſekt (Cocus cacti Linn.) fi) auf dem fogenannten Indianiſchen Feigenbaum in Südamerifa for. Die Galläpfel rühren von einem Inſekte ( Cynips Quercus folii) her, welches feine Eyer auf den Blättern der Eiche lege. Einige, j B. Ichneumon luteus, legen ihre Eyer auf andern lebendigen Inſekten, welche davon Franf werden und fterben. Die meiften Bremfenarten (Oeftri) legen ihre Eyer in der Haut lebendiger Thiere, z. B. der Pferde, Schaafe und Ziegen, und verurfachen dadurchGe— ſchwulſt und Krankheiten, Die Todtenuhr, die Papier: laus, haͤlt fich in Büchern, Kräuterfammlungen, Papier: faperen, *) Handbuch der Naturgeſchichte. S. 309r kipeten, auch zumeilen im Holze auf, und giebt einen aut von fich, dem die Unmiffenheit ehemals eine ſchlimme Vorbedeutung zufchrieb, Der Sandfloh (Pulex pe- netrans ) in Amerifa, legt feine Eyer unter den Nägeln an den Zähen des Menfchen, und verurfacht dadurch hefz fige Entzündungen, woraus zumeilen der Falte Brand entfteht. Die meiften Thiere haben ihre befonvern Säufe, von denen fieverfolge werden, Auch bey den Fiſchen ift dies der Fall. So hat man ein Inſekt, das unter dem Namen der Wallfifchlaus befanne ift, weil man eg auf diefem Seethiere finder. Einige wenige Inſekten gebähren lebendige Jun— gen; die meiften legen Eyer; fie paaren ſich mit einan= der; aber gar viele von ihnen find. in diefem Stücke fo ſehr eingefchränft, daß fie dies nur ein einziges Mal thun, und darauffterben, fo wie man ihr Leben verlängern kann, wenn man fiedavon abhält. Dies ift mit dem fo genanne ten Ephemeron der Sal, welches einige Jahre als Sarve im Waffer lebe, endlich verwandelt wird, und ſtirbt, fobald es fid) gepaart hat. Auch in diefer Ruͤckſicht fin- den wir alfo die Inſekten fehr eingefchränft. Zwar giebe e3 einige, z. B. die Ameifen und eine gemiffe Are Spins nen (Aranea faccata) welche für ihre Eyer und Pup= yen Sorge tragen; aber dies ift auch alles, was fie für ihre Abfommlinge thun, und gewöhnlich gebt ihre Sorg« fale nicht einmal fo weit. Wir haben im Worhergehenden bemerft, daß einige Amphibien nicht mir der vollftändigen Körpergeftelt zur Welt fommen, die fie in der Felge haben; aber die Ins feften find in dieſem Stuͤcke einer noch weit größern Ein: fehränfung unterworfen, Es giebt nur überaus wenige S Inſekt 274 ———— Inſekten, die fuͤr ihre ganze Lebenszeit die Koͤrpergeſtalt behalten, mit welcher fie zuerſt ans Licht traten; die mei- fien erleiten in beſtimmten Epochen ihres Lebens vers ſchiedne Verwandlungen, und erfcheinen nach diefen Ver— wandlungen in- ganz andern Geftalten, da die Veraͤn— drung fic) fogar auf ihren ganzen innern Korperbau ers ſtreckt. Gemeiniglich gehen mit den Inſekten drey Haupt» verandrungen vor, *) m ihrem erften Zuftande, da man fie Larven nennt, zeigen fie ſich in der Geftalt von Würmern; im zweyten ſieht man ſchon das Inſekt, deſſen ſaͤmmtliche Glieder in einer oder mehreren Haͤuten ge— wickelt, auf der Bruſt liegen, und nicht die geringfte Be— wegung haben. In dieſem Zuftande nennt man das Inſekt Nymphe oder Puppe Die Earve bewegt fi), bat Augen, Zähne, Süße, fo wie die Gattung es mit fich führer, wächft frarf und gebraucht viel Nahrung 5 die Puppe aber lebt gewöhnlich in einem Zuftande voli- ger Unthaͤtigkeit. Sie liege in einer Art von Schlafe, und die äußern Gegenflände rühren fie entweder gar nicht oder nur ſehr ſchwach. Sie fann weder Augen, noch Mund, noc die. übrigen Gliedmaßen gebrauchen; fie ‚bat gewöhnlich weder Beduͤrfniſſe noch Sorgen, und if der Kraft fich von dem Orte weg zu bewegen, wo fie von ungefähr hingekommen ift, beraubt. Indeſſen giebt es hierin doc) Ausnahmen, und einige Inſekten, unter ans dern die Muͤcke, behalten in ihrem Zuftande der Puppe die Kraft, fi) zu bewegen. Diefer Zuftand der Unwuͤrk— famfeit dauert den größten Theil des Jahres und der fer benszeit des Thieres, bis es endlich die dritte Periode feines Dafeyns erreicht. In ihr erlangt es alle organifche | Vollkom— Bonnets Betracht. uͤber die Natur, 2. Th. ©. 28. u. f. * nn 275 Vollfommenheit, welche ihm in der Reihe der Thiere zus fommen follte; iſt fähig feine Gattung fortzupflangen, und endige mit diefen Gefchäfte fein Leben, Wer verfennt wohl in diefem allen den großen Abe fand, der zwifchen dem Würfungskreiße des Inſekts und der vollfommneren Thierarten ſtatt findet, In feie ner eriten Periode fteht das Inſekt mit dem Wurm in einer Klaffe, wiewohl etwas hoher als dieſer. Sei en- Zuftand als Nymphe bringt es in Unwuͤrkſamkeit zu, und der Zeitraum, den diefe beyden Zuftände einnehmen, macht den größten und weſentlichſten Theil feiner Lebens— jeit aus. Endlich erhält es feine volllommne Organiſa— tion, und mit ihr die ganze Wuͤrkſamkeit, wozu es von der Natur beftimme wurde; aber dieſe Wuͤrkſamkeit Fann nun nicht nad) Monaten und Jahren, fondern nur nach Tagen und Stunden berechnet werden. Zwar giebt es auch einige Inſektenarten, die eines ausgezeichnet langen Sebens genießen. Die Dienen z. B. werden, nad) Blumenbachs Angabe, ungefähr ſieben Jahre alt; aber eine fo lange Lebensdauer ift im Allgemeinen niche das Loos der Inſekten. Ihre größte Vollkommenheit und ihr Tod, gränzen meiftentheils nahe an einander, Ziehen wir num ferner in Erwägung, daß unter sen Inſekten fehr wenige in gefellfchaftlicher Verbindung mit einander leben; daß die meiften einfam, einzeln, und ohne alle fremde Hülfe ihre Beftimmung erfüllen; Daß viele, die doch in Geſellſchaft mit andern erzogen find, ſich aufs baldigfte zerſtreuen; mie z. B. die Spinnen, Die fogar einander auffreflen, wenn fie Gelegenheit dazu baben, und ihr Leben in Einfamfeie zubringen; fo erhellt es wohl deutlich, daß die Inſekten einen überaus engen S 2 und und kleinen Wirfungsfreis haben; aber auf der andern Seite find fie mit den bewundernsmwürdigften Runfttries ben begabt, vermöge deren fie Handlungen unterneh— men und ausführen, welche nicht allein mehr als menfch= liche Einfiche und Ueberlegung vorausfegen, fondern alles weit hinter fich zurück faffen, mas wir von andern Thiers arten wiſſen. Man erinnre fi) bier nur daran, wie die Bienen ihre Zellen, die Wefpen ( vefpae) ihre Nefter, die afrifanifchen Ameifen ihre Thürmer bauen; wie einige Inſekten ſich einfpinnen, um ihre bevorjtchende Ver— wandlung abzuwarten, andre ihre Eyer in eben diefer Abſicht einmauern. Ueberhaupt wird jeder, der mir der Natur nicht gänzlich unbefanne ift, fi) auf taufend und aber taufend Erfahrungen zu bejinnen wiſſen, die es bes ftätigen, daß die Kunfttriebe der Isnfeften in eben dem Grade merkwürdig find, als ihr Würfungsfreis einge: ſchraͤnkt iſt. Die Kunſttriebe der Thiere ſtehen alſo in einem beſtimmten Verhaͤltniſſe zu ihrem Wuͤrkungskreis; je groͤßer der Wuͤrkungskreis, je weniger Kunſttrieb; je kleiner der Wuͤrkungskreis, je größern Kunſttrieb entdek— ken wir bey den Thieren; und dieſe Erfahrungswahrheiten hat ſchon vor ki Herder erörtert. *) Nun frage es fi) aber noch: Worin wohl der Unterſchied zwiſchen den Kenntniſſen beſtehe, welche die ver— ſchiednen Thierarten, je nach der Verſchiedenheit ihrer Organiſation beſitzen? Wodurch unterfcheie det fih die Kenntniß der Biene von der des Tigers ? Die *) Abhandlung über den Urfprung der Sprache, von Herder. Berlin, & 1772. ©, 32734 1 — 277 Die Erfahrung lehrte, daß, mit je mehr Dingen wir Menfchen uns befchäftigen, unter jemehr Gegenftän- den wir unfre Aufmerkſamkeit theilen, je großer wird Die Anzahl unfrer Begriffe, aber je weniger Vollſtaͤndig⸗ feit und Deutlichfeit herrſcht auc) ir den einzelnen Begrifk fen, die wir von jedem individuellen Gegenftande haben. Derjenige hingegen, der fih auf ſehr wenige Dinge ein- ſchraͤnkt, und feine ganze Zeit und Aufmerkſamkeit darauf verwendet, fich mit ihnen befanne zu machen, lernt felbige von Grund aus kennen; und tft dabey von einer Hand» arbeit die Rede, fo bringt es der Menſch, durch die be- ftändige Hebung, zu einer fo ausgezeichneten Fertigfeit in derfelben, daß niemand, der nicht auf eben Die Weife feine Würffamfeie und Aufmerkfamfeit eingefchränft hat, im Stande ift, es ihm gleich zu thun. Man erinnre ſich nur der geoßen Zabrif- Einrichtungen, der Englän- difchen infonderheit, wo alles mit unbefehreiblicher $eich- tigkeit und Gefchwindigfeie getrieben wird, Die denn wie— derum auf die Preife der Waaren den beträchtlichften Ein» Fluß hat. Aber bier hat jeder Arbeiter fein eignes Ge— fhäft, das. nur einen überaus Fleinen Theil vom Ganzen ausmacht, womit er fich einzig und allein abgiebt, da- her er denn auch aufs vollfommenfte damit bekannt ift. Die KRunfteinficht eines folchen Arbeiter, ift, was ihren Umfang betrift, von fehr geringer Bedeutung; aber deſto vollftändiger und deutlicher ift fie ihrem Inhalte nad), und in Abficht auf den einzelnen kleinen Theil der Arbeit, welchen er betreibt. Ungefähr auf eben diefe Are num fönnen wir uns das Verhaͤltniß vorftellen, worin die Kenntni der Thiere, in Hinfiche ihres Umfangs und Inhatss zu ihrem Wuͤr⸗ ©.3 fungse 278 . £ungsfreife fteht. Je vollkommner das Thier ift, je mehr theilt jid) feine Aufmerkſamkeit unter den verfchied- nen Gegenfiänden, die aufihm würfen, je mehr Vor— ftellungen Fann es erhalten; aber da es gleihfam von einem Gegenftande zum andern, von einer Vorftellung zur andern forteilt, fo bat es nicht Gelegenheit, dieſe verfchiednen Gegenftände fo genau fennen zu lernen, als es fie bey größerer Einfchränfung und weniger Zerftreu- ung gekannt haben würde, Je kleiner dahingegen die Anzahl der Gegenftände ift, mit welchen das Thier ſich befchäftigen kann, je enger der Zirkel ift, worin feine DVorftellungskraft ſich bewegt, deſto befjer muß die Seele mit diefen Gegenſtaͤnden bekannt ſeyn, deſto Flarere und deuslichere Vorftellungen muß fie von jedem Dinge haben, Das innerhalb ihres Würfungsfreißes lieg. Man kann demnach mit vieler Wahrfcheinlichfeit annehmen, daß der Tiger mehr Vorftellungen, und in diefen Vorftel- lungen mehr Abwechfelung und Verſchiedenheit hat, als die Biene; aber die Kenntiß der Biene von den Gegen: ftänden, welche in ihrem Würfungsfreiße liegen, ift da= hingegen klarer und har größre Beftimmtheit und Genau— igkeit. Die Kenneniß der Biene ift, ihrem Inhalte nach, groͤßer als die des Tigers; und Die Kenntniß des Tigers von größerem Umfange , als die ver Biene, Aber der Menfch hat darin einen großen Vorzug vor den Thieren, daß er mit einer großen Mannigfaltig- keit von Begriffen und Vorftellungen, einen hohen Grad von Deutlichkeit in denfeloen verbindet; und er nähere "H - dem Thiere, ja er ſetzt fi) fogar unter viele Thiere herab, in eben dem Verhaͤltniß, wie feine Begriffe wenige find, oder nur einen geringen Grad. von Deutlichfeit und Bes ſtimmt⸗ * 279 ſtimmtheit haben. Die Natur gab dem Menſchen einen groͤßern Wuͤrkungskreis, als dem, Thiere; aber zuwei— len ſcheint dies Thier ſich uͤber die Schranken hinaus zu erheben, die die Natur ihm vorſchrieb, wie der Menſch auf der andern Seite gar oft durch Traͤheit und Sinnlich⸗ keit ſich ſelbſt beſchraͤnkt, und ſeine Kraͤſte und Anlagen erſtickt. Sowohl das Thier als der Menſch, ſind der Entwicklung faͤhig und koͤnnen in intellektueller Vollkom— menheit wahrend ihres Aufenthalts bier auf Erden fort-, ſchreiten; nur durch die Organifation werden die verſchied— nen Punkte beſtimmt, wie weit bey jedwedem thieriſchen Gechoͤpf diefe Fortſchritte reichen follen. Indeſſen will ic; Damit Feinesweges geſagt haben, der Kreis von Kennt: niffen ſey bey irgend einem Thiere fo abfolut eingefchränft, daß es während feiner gegenwärtigen Eriftenz jemals auf ven Punkt gelangen Fonnte, wo feine Kenntniß fowohl am inhalt als Umfang feines weitern Zuwachfes mehr fähig wäre, Dies würde demjenigen widerfprechen, was Vernunft und Erfahrung uns über die Natur geiftiger Wefen denken lehren. Man kann vielmehr mit vieler Wahrfcheinlichfeie annehmen, daß jedes. thierifche Ge— ſchoͤpf an intellefeuellee Entwicklung gewinnt, fo lange es da iftz aber diefe Entwicklung fteht mit dem Wuͤrkungs— freis des Thieres immer in einem beftimmten und genauen Berhältniffe. Zu Begriffen von dem, was außerhalb dieſem Wuͤrkungskreiße liegt, kann das Thier ſich nicht erheben, Immer iſt es nur ein gewiſſer Theil von dem großen Buche der Natur, welcher dem Thiere offen liegt; diefer Theil iſt großer oder kleiner, aber Doch ftets nur ein verhältnismäßig Fleiner Theil. Der Menſch binge- gen hat die ganze Natur vor ſich; er Fann in ihr würfen, er Fatın fich zur Kenneniß derfelben empor arbeiten; und ' S4 wenn — 280 wenn das Thier mit aller feiner Intelligenz wahrſcheinli— cherweiſe doch bey der Natur ftehen bleiben muß, fo er- hebt der Menfch ſich von der Natur und über die Natur zum Gedanfen des großen und allgütigen Urhebers derfelben. Anmerfung. Zur ferneren Betätigung deffen, was im Vorhergehenden über die ntelligenz der Thiere gefage worden iſt, will ich hier noch einige merfwürdige “ Erfahrungen anführen. | ı) Ein blaß gelbes Kanarienweibgen, das im Sommer 1782 in der Hecke ſas, brütete drey unge, zween gelbe und einen grauen aus, Drey Tage, nad): dem diefe Jungen hervorgefrochen waren, fieng die Mut— fer, wider Vermuthen, von neuen an Eyer zu legen, woher fie denn ftarb. Der Vater, ein ſchoͤner hochgelber Rarnarienvogel, befließ fich nun recht ernftlic) darauf, feine Jungen zu füttern, nur dem grauen wollte er nie etwas geben; fo fehr er auch) fchrie und den Schnabel aufthat, fo befam er doch nichts; der Vater biß und ſtieß ihn vielmehr, als ob er wollte, daß er verhungern follte. Die beyden gelben ungen wartete er aufs befte, und fie nahmen zufehends zu. Bey ihrem Zuwachs nahmen fie einen größern Raum im Nefte ein, und ihre Kräfte machten, daß fie beftändig auf den Bei— nen und munter waren; der arme verlaßne graue junge lag unter ihnen und ſchrie. Nun nahm man die beyden gelben Jungen einen ganzen Tag aus dem Mefte weg, um zu fehen, ob der Vater vielleicht dann mit dem grauen Mitleid haben würde; aber er blieb fühllos gegen alle feine Klagen, und flog nicht einmal zum Neſte bin. Hierauf fegte man die beyden gelben jungen wieder ins Neſt, — 281 Neſt, um ihren verlaßnen Bruder zu erwaͤrmen, und war nicht im Stande zu begreiſen, wie es moͤglich waͤre, daß er am Leben bleiben koͤnne. Endlich loͤßte ſich auch dies Raͤthſel auf. Man wurde gewahr, daß die beyden gelben Jungen mehr Barmherzigteit zeigten als der Va— ter; ſie nahmen ſich des grauen an, und fuͤtterten ihn einigemal des Tages aus ihrem eignen Halſe. Nach und nach wurden ſie immer geſchickter darin, ihn jedesmal zu fuͤttern, wenn ſie ſelbſt von dem Alten Rahrung bekom— men hatten; und auf dieſe Art wurde alſo der graue Junge beym Leben erhalten, bis er ſelbſt eſſen lernte. Bey dieſer Begebenheit treten verſchiedne Fragen ein: Warum mogte der Vater den grauen Jungen nicht lei- den? war die Farbe defielben ihm etwa zuwider, ober hatte er das Weibgen in Verdacht der Untreue, weil der Jange ihm nicht ähnlich fah ; und haßte er alfo den ungen als einen Baftard? War es Mitleid, was die gelben ungen zu ihrem Betragen gegen ben grauen bewog ? oder war es Misvergnügen über die Unruhe, melche fein Gefchrey ihnen machte? woher muften fie, Daß Dies Die rechte Art wäre, ihn zu ſaͤttigen? Schloßen fie es viel- leicht daraus, weil der graue unge fehwieg, wenn der Alte, indem er fie fürterte, etwas verlor, und dies zufällt- gerweiſe ihm in den Hals fiel? und hätte es ihnen überall einfallen fonnen, ihn zu füttern, wenn fie nicht gewiſſer— maaßen von ihren eignen Empfindungen auf die feinigen ge- ſchloßen hätten? von der Würfung, welche die Nahrung auf fie felbft hatte, zu der Würfung, melche fie auf ihn haben müfte? Beyträge zur Gefchichte der Voͤ— gel von Dr. Kühn in Eifenach ; in Eichten- bergs Magazin fiir das Neuefte aus der Phyſik und Naturkunde, 1. B. 3. St. ©. 63-64. S5 Dr. » 00 — 2) Dr. Kühn erzähle auch an eben dem Orte eine merfwürdige Begebenheit von einer Henne, welche auf das genauefte die Eyer Fannte, worüber fie brütete, dergeſtalt, daß fie die faulen und unfauglichen aus dem Wege fchafte, und nur die guten zuruͤckbehielt. Wenn fie, ſagt er, die halbe Zeit gelegen bat, fo fängt fie an die verdächtigen Eyer auszumuftern und aufjueßen, Damit fie Die guten defto beifer bedecken tonne. Aus allen Eyern ohne Ausnahme, welchen fie acht Tage vor Ablauf ihrer Brützeit noch unter ſich behielt, find immer vollftändige und muntre Küchlein hervorgefommen. In den Eyern hingegen, die fie theils in Stücken hackte, theils von fich flies, theils in Dr. Kuͤhns Gegenwart verzehrte, war niemals die geringfte Spur von dem belebten Keime zu finden, welchen man in befruchteren Eyern antrift. Hr. Kühn verfihert, daß die Henne in ihrer Auswahl ver Eyer nie irrte, und daß fie niemals in der Zeit, da fie ihre Jungen ausbrütete, andre Eyer aß, als gerade die obenerwähnten. Lichtenberg. Magazin, 1. B. 3.©t. ©. 65:66. Hier mögfe man wohl fragen, ob nicht das Detragen der Henne, einen Hohen Grad von Aufmerkſamkeit auf vorhergehende Erfahrungen vor- ausfegt, wodurch fie ſich unter der Menge von ihrer Gat— fung auszeichnet? ob fie das erjtemal, da fie auf Eyern lag, eben fo handelte oder nicht? Webrigens ift es mir nicht unbefannt, daß etliche Hüner, theils einige Eyer aus dem Neſte werfen, theils andre eßen; ich habe felbft dergleichen gehabt, aber ich dachte bisher nicht weiter darüber nach, weil ich nur gelegentlich über diefe Huͤner als ſchlechte Bruͤthuͤner Flagen hörte, da fie doch mwahrfchein- lich gerade Die beften waren, und man nur ihren Werth verkannte. Vielleicht bat diefer oder jener von meinen Leſern — emo 283 Leſern Luſt und Gelegenheit, hierüber mehrere Erfahrun- gen zu fammeln, und dann wären vorzüglich Die jungen Hüner zu beobachfen, wenn fie zum erfienmal auf Eyern liegen, um zu feben, wie fie alsdann, und wie fie in der Solgezeit fi) verhalten. 3) Es ift befanne genug, daß die Kagen gewoͤhn— lich allem Vogelwilde, was fie habhaft werden fünnen, nachjtellen und es füdten; indeſſen lehrt die Erfahrung doch), daß fie gleichſam ihre Natur verläugnen koͤnnen, und in großer Verträglichfeit mit Vögeln leben, die fie zu fehen gewohnt find, und mit denen fie beftändig um— gehn. Sch hatte felbft einmal eine junge Lerche, welche, vie es ihr gefiel, frey in der Stube herumflog. Zu eben ver Zeit hatte ic) auch) eine junge Kage, welche oft neben der Lerche auf dem Fußboden gieng und nie derfelben fpielte, ohne daß die Lerche ſich vor ihr fürchtete, oder fie ver Serche den geringften Schaden zufuͤgte. Eines Tages gefhah es indeffen, daß die Rage mit ihrer Pforte nad) dem Vogel ſchlug, und ihn, vermuthlich mit einer ihrer Klauen, auf den Kopf traf; da denn die Lerche gleich umfiel und ſtarb; Faum aber fah die Kage dies, als fie ſich gleichſam ſchaͤmte und langfam davon ſchlich. In Eich: tendergs Magazin wird von einem Herrn von Maſſyh in Orleans erzäble, welcher den Verſuch machte, ver- ſchiedne Vogel zu zaͤhmen, um zu fehen, ob fie ſich fort: pflanzen würden. Er hatte ein paar Amfeln, Männgen und Weibgen aufgezogen, und lies fie in feinen Hofe frey berumfliegen; fo auch ein paar rothe Rebhuͤner. In eben dem Hofe befanden fich ebenfalls einige Turteltau- ben und ein Haafe, -der vollig zahm war, Anfangs hielt man den Haafen in einem Käftg, von wo er beftän- J dig 384 — — dig dieſe Voͤgel vor Augen hatte; in der Folge wurde er ſo dreiſt, daß er in allen Zimmern herumlief, es mogten Leute darin ſeyn oder nicht, und ſich oft in der Küche ne— ben dem Heerde fchlafen legte. Das luftigfte war, daß eine große ſchwarze Rage gleich: ſam den Hofmeifter über alle diefe Thiere machte, worunter auch noch zween Sperlinge genannt werden müffen. Traf es fich zufälligerweife, daß ein Hund in den Hof fam, fo wurde er gleich auf das heftigfte von der Kaße ange: griffen; und wenn fremde Sperlinge fih zu den zahmen hinwagten, fo wurden fie gleich diefem ernſten Auffeher zum Raube. Mur feiner eignen Gefellfeheft that er Fei= nen Schaden. Lichtenbergs Magazin, 3.2. 1. St. Seite 62 = 64. 4) Ein gewiffer Hr. Hecart in Valenciennes, hatte eine wilde Rage fo zahm gemacht, daß fie der Be— ſchuͤtzer eines Sperlings war, den Hr. Mecart erzogen, und dem er feine völlige Treyheit gegeben hatte. Einmal traf es fih), daß eine Kage aus der Nachbarfchaft diefen Sperling überfiel und mit ihm davon laufen wollte; aber in eben dem Augenblick wurde die wilde Kage es gewehr, grif die fremde Kage an, welche ven Sperling mufte fahren laflen, und brachte diefen blutig und halb- eode zu Hrn. Hecart. Die Kage ſchien würflich über den Sperling betrübt zu feyn, welcher doch durh Hrn. Hecarts Vorforge wieder geheilt wurde. Eichtenbergs Magazin, 3. B. 2. St. S. 169. 5) Ich habe vor mehreren Fahren ſelbſt eine Rage gehabt, welche vierzehn Jahr alt wurde, und natürlichen Todes farb. Diefe Kage lag in ihrer Jugend des Som: mers mers immer in einem Eleinen Garten, der zu dem Haufe gehörte worin ich wohnte, und war ein freuer NBächter der jungen Hüner,, die Dort gemeiniglic) groß gezogen wurden. Fremde Kagen jagte fie weg. In ihrem legten Lebens— jahre aber fiel es ihr felbft ein, Die jungen Hüner zu effen, was fie vorher nie gethan hatte, und fie verzehrte wuͤrk— lich einige, wiervohl, in Ruͤckſicht auf ihre vorigen treuen Dienfte, ungeahndet. Hier Fonnte man in Verfüchung gerathen zu fragen: Gieng es diefer Kage etwa, wie al ten Leuten, von welchen man ſagt, daß fie wieder kin— difh werden ? Ä 6) Herr Profeffor und Juſtitzrath Abildgaard hat mir folgende merkwürdige Nachricht von einem Hunde mitgetheilt, welcher ihn auf feinen Neifen begleitete, und noch lebt. Der Name des Hundes ift Giordano. Auf der Reife des Hrn. Profeffors von Bologna nad) Venedig, die er zur See den Po- Fluß hinauf machte, bemerkte er, daß diefer Hund des Nachts fehr unruhig war, beulte und winfelte, ohne daß Hr, Adildgaard begreifen fonnte, was ihm fehlte. Als es Tag wurde, fegte er fein Klagen fort, bis er plöglic) über “Bord fprang, und nach dem Ufer bin ſchwamm, wo er denn das that, was feine Reinlichkeit ihm nicht erlaubte auf der Decke zu thun; hierauf feßte er von neuen in den Fluß, und ſuchte das Schiff wieder zu erreichen. Da aber das Schiff gegen den Strom an arbeitete, und die— fer den Hund immer zuruͤckwarf, fo war es ihm unmöglich, das Schiff einzuholen, und Hr. Abildgaard fah wenig Hofnung, daß er ihn je wieder erhalten würde, Da nun Giordano lange vergeblich gefucht hatte, fi) gegen den Strom an zu arbeiten, kehrte er plöglich um, und fuchte 286 ſuchre nieder das fand. Hier ftand er einen Augenblick file und betrachtete das Schiff, und dann lief er aus allen Kräften längft dem Ufer hinauf, fo, daß fein Herr. ihn ganzlic) aus dem Geſichte verlor. Mittlerweile ruͤckte das Schiff auf eben vem Wege im Sirome fort, den der Hund auf dem Sande gelaufen war, Endlich ſah man ihn wieder am Ufer , und zwar eine ziemliche Strecke vor dem Schiffe, von wo er abermals ſich ins Waſſer ſtuͤrzte, und darauf mit dem Strome zum Schiffe hin ſchwamm, wo man ihn denn aufhob. 7) Bon Hrn. Cortin, Gevollmaͤchtigten im Konſulatkontoire des Oekonomie- und Kommerzkollegii, habe ich folgende Begebenheit erfahren, die ich mit fei- nen eignen Worten bier anführen will: „or einigen „Jahren befuchte ic) einmal den Solöfehmide Moͤrch in „Kopenhagen, bey dem ic) dann und wann einzufprachen pflegte. Auf feinem Tifche lag eine Violine, auf wel- „her ic) eine Arie zu fpielen anfieng; ein Fleiner, brau— „ner, glatthaarigter Hund aber, der fein Siebhaber von „Muſtik war, fprang gleich auf einen Stuhl, der mir „zur Seite ſtand, und fragte mic) mit feinem Fuße „auf den rechten Arm, um mich zu bewegen, daß id) „aufhören moͤgte. ch legte hierauf die Violine und „ven Bogen wieder auf den Tiſch; Faum aber harte id) „fie weggelegt, als der Hund vom Stuhle auf ben Tiſch „ſprang, den Bogen in den Mund nahm, und „ihn unter ein Bette trug, das in der Stube ſtand.“ 3) Folgende, durch eine ordentliche Rechtsver— handlung beftätigte Begebenheit, verdient um fo mehr bier angeführt zu werden, da andre übereinftimmende Erfaßringen ihr ein wnoch groͤßres Gewicht zu geben ſchei⸗ on. Auen 287 nen. Sie mag hier von Wort zu Wort ſo ſtehen, wie fie nach einer Abſchrift aus dem Protokolle, in den Aller: ‚neueften Dannigfaltigkeiten eingerüct ift. Actum Halberftadt den ı ıten Februarii 1782 erfchien der auf dem Spiegelberg wohnhafte Jäger Hein- rich Bode, und erzählte folgende merkwürdige Be— gebenheit ; | Er wäre gegen Michaelis des nächft verwichnen Jahres, von den Spiegelbergen zur Stadt gegangen, und wie er des Nachmittags nieder zu Haufe gekommen wäre, hätten feine $eute ihm erzähle, daß fie ſchon Vormittags feine beyden Hunde vermißt hätten, einen Tarbund nem— fi, und einen andern Hund, deſſen Vater ein großer Pudel, und deſſen Mutter ein Hünerhund war. Indeſ— fen wäre der kleine Pudel Sonntags Abends zu Haufe gekommen, hatte fih den folgenden Tag fehr unruhig bezeige, beftändig an einem Orte geheult, von we man den Weg nach der Stade hin überfehen Fonnte, und nichts eſſen wollen. Dienftag Vormittag haͤtte man auf den Fleinen Pudel nicht Acht gegeben. Da aber ein gewiffer Fuhr— mann nach den Spiegelbergen gefommen wäre, welcher den großen Pudel, den Vater des Fleinen Pudelhunds bey ſich Hatte, fo wäre diefer letztere zu dem großen hin- gelaufen; er hätte ihm gefchmeichelt, und wäre endlich zu den ‘Bergen bingelaufen, wohin Der große Pudel ihm nachfolgte. Beyde hätten fich nach einer Gegend binbegeben, wo Kaninchen waren, und der Knecht des erroähnten Bode, welcher dafelbft pflügte, haͤtte geſe— hen, daß der große und der Fleine Pudel, mechfelsweife in eine Kaninchenhoͤhle hineingelaufen wären, und darin gefragt 2988 EEE. gefragt hätten, und zwar fo, daß, wenn einer von ben Hunden drinnen war, der andre auffenvor ſtand. Dies erzählte der Knecht, als er des Abends zu Haufe kam, und er war der Meinung, daß vielleicht die Hunde ein Kaninchen aus dem Loche haben wollten. Der große und Eleine Pudel waren Dienftag Nachmittag dahin gekommen; Mittwoch Morgens um 4 Uhr bütte der Komparent einen großen Hundelärm gehört, weshub feine Frau aufftehen und die Dienftmagd in den Hof ſchicken muſte, fo wie fie auch den Knecht aufweckte. Beyde, ſowohl der Knecht als das Mädgen, fahen, daß alle drey Hunde, die beyden Dudel nemlic und der Tar- hund, da waren; der legtere aber war ganz ausgehun- gert und ohnmächtig. Seine Leute hätten dem Tarbunde Brod und Waffer , vorgefegt, und er trank beynahe einen halben Eymer Waſſer, und aß den größten Theil von einem halben Brodte. Da nun Der große Pudelhund fah, daß Bodes Seute um den Taxhund waren, und ihn erquickt hatten, lief er weg und zur Stadt. Es wäre außer allem Zweifel, daß der Taxhund am Sonntage in einem Kaninchennefte ftecken geblieben fen, daß der fleine Pudel darum gewuft, unruhig darü- ber gemefen, ihm nicht allein heraus helfen fünnen, daher den großen Pudel mir zu Hülfe genommen, und daß diefe beyden den Taxhund gerettet hätten. Der Komparent wäre hernach zum Kaninchen- nefte hingegangen, und hätte gefunden, daß der Ein— gang, welcher vorher ganz enge war, von den bey« den Kunden ſehr erweitert worden ſey. Der nee 289 Der Komparent verficherte, nachdem ihm obi- ges vorgelefen worden, daß es in allen Stuͤcken mit der Wahrheit übereinftimme, in fidem H. B. Opermann. Inſtit. der Freyherrl. Spiegelſchen Gerichte zum Spiegel— berge. Actum et ſignatum ut ſupra. —58 H. B. Opermann. 9) Der Herausgeber hat dieſer Begebenheit eine andre hinzugefügt, die faſt noch merkwuͤrdiger iſt, und die ibm von einem Berliner Gelehrten, deffen Name nicht genannt wird, mirgetheile worden. Der Verfaſſer erzähle, daß fein Vater einen großen, ſchwarzen Pudel befag, der an Treue, Klugheit und Lehrwilligkeit wenige feines Gleichen hatte; infonderheit war er unermüdet bereitwil« lig ins Waffer zu geben, und die Dinge zurüczubrins gen, welche man bineingeworfen hatte. Ungefaͤhr in den Sahren 1726-1729 reißte der Vater des Derfaffers nad) Gattersleben, um mit mehreren Königlichen Raͤ— then einer Kommiſſion beyzumohnen; und der Hund war wider feinen Willen mit dahin gelaufen. Wie die Kom: miffarien des Mittags zu Tifche faßen, Fam der Hund in den Speifefaal, fuchte feinen Herrn, und gab feine Gegenwart durch ein unmanierliches Bellen zu erkennen. Der Herr befahl feinem Bedienten, den Hund aus der Stube zu ſchaffen; aber diefer machte Miene den Diener beifjen zu wollen, kehrte zu feinem Herrn zuruͤck, bellte ohne Aufhören, zog ihn am Node, als ob er ihn vom Stuhl herunter reißen wollte u.f.w. Man bor ihm ein Stuͤck Fleiſch, aber der Pudel wollte es nicht anneh- men, und fuhr fort feinen Herrn auf eine ganz ungewöhn- T liche liche Art zu beunruhigen, bis diefer endlich merfte, daß der Hund naß war. Dun fiel es ihm ein, die Unruhe des Hundes mögte vielleicht eine ganz befondre Urſache haben, und er ſtand daher auf und gieng mic ihm. So— bald er dies gethan hatte, wurde der Hund ruhig, lief vergnüge vor feinem Herrn hin und her, und führte ihn, in Begleitung der ganzen Gefellfchaft, zu der Brücke außen vor dem Schloßthore; bier frürgte er fich mit der größten Eile ins Waſſer, und ſchwamm auf eine derin befindliche Sandbanf zu. Mittlerweile fah die Gefellfchaft ein fiebenjähriges Mädgen in der Nähe des Waflers , welches weinend er- zählte, daß ihr dreyjaͤhriger Bruder von der Brüde bin- untergefallen wäre; und der große, ſchwarze Hund, der auf der Brüce lag und fchlief, fey Darauf hinterherge- fprungen, habe ihren Bruder todtgebiſſen, und ihn auf die Sandbanf hingeſchleppt. Man warf die Nugen da— Bin, und fah das Kind würflich dort liegen; der Pudel leckte es, ſah feinen Herrn an und erwartete den Befehl defielben. Da es indeffen bedenklich war, ven Hund mit dem Kinde ans $and ſchwimmen zu laffen, wozu er, wie es fihien, große Luſt hatte, fo rief fein Herr ihm: kuſch! zu. Der Pudel legte fich fogleich neben dem Kinde bin, und fuhr fort es zu lecken, bis man es in einem Boote abholte, Man unterfuchte nun das Kind, und fand daß die Klage der Schwefter völlig ungegrün- det war; indem der Hund den Knaben bey den Kleidern feftgehalten, und ihn fo auf die Sandbenf hingefchleppt hatte, Das Kind nahm von dem Fall feinen Schaden, fondern behielt Gefundheit und Leben. Allerneueſte Manigfaltigkeiten. Zweyter Jahrgang. Seite :370 237% 10) Vor I(ασ 291 — 10) Vor einigen Jahren trug ſich in Helſingoͤer eine Begebenheit zu, welche mit der obigen auf dem Spiegelberge viele Aehnlichkeit hat, und deren Richtig— keit der Herr Etatsrath und Amtmann Hanſen in Juͤtland, fo wie mehrere annoch lebende Perſonen, bezeu— gen koͤnnen. Ein gewiſſer Mann daſelbſt, hatte zween Jagdhunde, von welchen der eine eines Tages mit großer Unruhe zu ihm auf dem Zollhauſe hingelaufen kam, und durch fein Betragen ſowohl feinen Herrn als andre bewog, mit ihm zu gehen. Mun führte der Hund feine Beglei— fer nach) dem Walle zu einem Orte hin, wo fie den andern Hund in einem Fuchseiſen feftfigen fahn, Das man da= felbjt gelegt hatte. 11) Der Bengaliihe Sperling (Fringilla Amandava Linn.) fol in fo hohem Grade Geſellſchaft lieben, daß er binnen furzer Zeit ftirbe, wenn man ihr allein an einen Ort hin verfegt, wo er feine Gefellichaft von feiner Gattung bat. Diefe Vögel werden ebenfalls traurig, wenn fie eine Zeitlang Die Geſellſchaft folcher Menfchen entbehren müffen, mit welchen fie einmal be— kannt find. Zumeilen erhebt ſich ein heftiger Streit un= ter den Männgen, wenn man mehr Männgen als Weibgen in einem Käfig bat, und diefe Uneinigfeit fteige fo hoch, Daß man fie eine Zeitlang von einander abfon= dern muß. Sie lieben die Reinlichkeit, und baden fich gewöhnlich jeden Tag; daher man denn auch täglich ein= mal eine Taffe mie Waſſer in ihren Käfig fest, worüber fie fih fehr freuen. Allerneueſte Mannigfaltigkei— ien. Zweyter Jahrgang. E. 443. 12) Der Naturforfcher, Baron von Gleichen, bat uns folgende Bemerkungen über einen Hund mitge— T3 theilt, 292 heile, den er befas. Ein Sleiner Pudel, fagf er, war einige Sabre lang mein Schlaffamerad, und ich harte feine Freuntfihaft in dem Grade gewonnen, daß ich einige Bogen damit anfüllen fonnte, wenn ic) die außerordent— lichen ‘Proben, die er mir davon gab, befchreiben wollte. Faft jeden Morgen kroch er aus feinem Lager, unter dem Teppic) zu meinen Süßen, hervor, und fchlich fich - mit leifen Schritten über denfelben hin, um mir gleich fam guten Tag zu jagen. Merfte er, daß ic) noch fihlief, oder die Augen zugemacht harte, fo Froch er mit eben der Behutſamkeit, um mich nicht zu weden, mieder zu den Fügen hinunter. Da er mich immer überall im Ge— fichte beroch, fo fiel es mir einmal ein, den Othem zus ruͤckzuhalten. Gleich fteng der Hund an, mic) auf dem Halfe und auf der Bruſt zu fragen, und nötigre mich bald mic) zu bewegen, um ihm zu zeigen, daß ich lebte, Diefen Beweiß feiner Siebe gegen mich, wiederholte er unter eben den Umftänden flets. Baron Gleichen Fam eines Morgens nach Nürn- berg, und fuhr darauf mit feinem Pudel, der nie vorher an diefem Orte gewefen war, durch verfthiedne enge Gaffen nad) der Malerafademie, welche weit von dem Gaſthofe entfernt lag. Nachdem er fi zwo Stunden dafelbft aufgehalten, und im Begriff war in feinen Was gen zu fleigen, um wieder nad) dem Bafthofe zu fahren, vermißte er den Hund, und gieng in die Afademie zurück, um ihn zu ſuchen. Aber alles, fein Rufen und Suchen -war vergeblich. Er mufte alfo ohne ihn zurückkehren. Wie fehr erftaunte ich nicht, fage der Verfaffer, als ich den Hund vor der Thür meines Zimmers fand, und bier von ihm bewillfomme wurde, Wermurhlich wurde ihm . die £ Sure 293 die Zeit zu lang, und er gieng einen Weg zuruͤck, der er nie vorher gegangen war, oder gefehn hatte, und den mancher Bedienter, der ihn zum erftenmal gehen fellte, ſchwerlich ohne Wegweifer gefunden haben würde. Neue Mannigfaltigkeiten. 3. Jahrg. ©. 21: 22. 13) Folgende Beobachtungen von Hrn. Profef: for Herrmann über einen zahmen Seehund, welcyer in Deutfchland berumgeführe wurde, und von ihm ein Mönchsfeehund (Phoca monachus) genannt wird, zeigen viele Willfüprlichfeit im Betragen des Thieres, und laffen fich nicht mit einiger Wahrfcheinlichkeie aus irgend einem Naturtriebe erklären. Die Stimme diefes Thiers war furz, wie bey einem heifern Hunde, und flang ungefähr wie Ida, Wa; dann und wann war fie heulend, dabey aber doch nicht fehr ftarf. Niemand anders als fein Auffeher Fonnte ihm einen Laut ablocken; und diefer behauptete, das Thier fonne fprechen, und wiederhole die Norte: Papa und Mama, welche er ihm vorfagte; auch gab er zumeilen die Antwort des Seehun- des für ein Ja oder Mein aus, wenn er fragte, ob ihm hungre, oder ob der Fifch ihm geſchmeckt habe. Dies ſtimmt einigermaaßen mit dem überein, was Plinius erzählt, daß nemlich die Seehunde antworten, wenn man fie beym Namen ruft(incondito fremitu Phocae nomine vocatae refpondent. H. N. Libr. IX. C. XIII.) Uebrigens war diefer Seehund feinem Aufſe— ber fehr zugethan, er fuchte ihn, und gieng ihm nad), wenn er fich nur von weiten in einem Winfel fehen lies. Vielleicht trug der rothe Rock deffelben etwas dazu benz indeflen war dies Thier doch auch fehr folgſam gegen an- dre Aufwärter, welche grau gekleidet waren, und es dann z%3 und 294 — und wann kommandirten. Ueberhaupt war es ſehr zahm; es lies ſich von jedermann beruͤhren und ſtreicheln, und Hr. Herrmann konnte ganz bequem feine meiſten Aus- meflungen von den verfchiednen Theilen des Thiers, mit einem Faden oder einem Pergaments- Streifen machen. Nur einigemal, wenn erden Kopf deffelben maaß, wurde es muͤrriſch, und fuhr mit einer Arc von Grunzen in die Höhe. Bey andern Gelegenheiten litt es ganz geduldig, daß Hr. Herrmann ihm von hinten zu einen Strie— mel fteifes Papier zwifchen die Augen legte, wobey es die Augen zumachte; oder daß er einen Faden von einem Theil des Kopfs zum andern ausfpannte, Indeſſen mufte auch der Aufwaͤrter durch feine Stimme zur Beruhigung des Ihiers das feinige bertvagen. Am allerwenigften konnte es vertragen, Daß man e3 unter dem Bauch oder am Hintertheil der Süße berührte, wo es. nichts von dem fehen fonnte, was vorgieng, und dann nahm es ge= woͤhnlich eine andre Stellung, oder machte doc) wenig— ftens eine Bewegung. Auf den Befehl des Auf: fehers waͤlzte es fih, fowohl auf dem Trocknen, als im Waſſer herum, fogar chat es dies mehrere mal nad) einan= der; auch veichte es ihm zumeilen, wenn es auf dem Ruͤcken lag, eine oder die andre von feinen Vorderpfoten, nahm mit dem Munde eine Spiesgerte aus feiner Hand, lies fih Haare ausziehen, öfnete den Mund, und lies ihm feine Hand hinein legen, in welchem alle er aber doch fo vorfichtig war, daß er die Hand nur unter der Sberlippe legte. Auch trug er viele Narben von Wun- den, die er im Anfange in der Hand befommen hatte. Hunde Fonnte dies Thier gar nicht leiden, fondern fchrie und eobte, wenn man ihm einen vorhielt; einmal ver- fuchte es, einen Hund durch Klappern mit den Zähnen zu — 298 zu verjagen, Eben dies Klappern bemerkte Hr. Herr- mann ein andresmal auch , und der Aufwärter fagte ihm, es fey ein Zeichen, daß das Ihier hungrig märe. Beſchaͤftigungen der Berlinifchen Gefellfchaft nas turforfchender Freunde. Berlin. 8. 1779. 4 B. ©. 435-488. Uebrigens beſtaͤtigt diefer Verfaſſer auch das, was andre ven der Neugier des Seehundes gefagt haben. 14) In der Deflauifchen Zeitung für Kinder und Kinderfreunde, wird folgende merfwürdige Begeben- heit erzählt, welche fich eben fo wenig aus einem dem Tpiere eingepflanzten Triebe erflären läßt, als man es bey Elliot Inſtinkt nennen kann, daß er ſich glühender Kugeln bediente, um die ſchwimmenden Batterien det Spanier zu zerfioren. Im Fruͤhlinge 1782. bautelt zwo Schwalben auf dem in der Gegend von Amiens in Frankreich, ihr Neft über einer Stallehür. Dies Neft war wie gewohnlid) eingerichtet, und fie flogen darin. ab und zu Nun begab es fih, daß ein Sperling, zu einer Zeit, da beyde Schwalben abwefend waren, in ihr Heft hineinflog, und fich fo wohl darin befand, daß er es nicht wieder verlaffen wollte, als die Schwalben zu- ruͤckkamen. Sie verfuchten ihn daraus zu verjagen, aber es wollte ihnen nicht gelingen. Gie flogen darauf weg, und fehrten nach Verlauf von einiger Zeit in Ge— fellfchaft einer großen Menge von Schwalben zurüc, welche insgefamme von neuen auf das Neſt losgiengen, und den Sperling zu vertreiben ſuchten. Da aber diefer mit feinem großen Kopfe den ganzen Eingang des Neftes ausfuͤllte, alſo nur einer jedesmal ihn angreifen Eonnte ‚und da er fiarf genug war, diefen Kampf zu beſtehen, ſo muften die Schwalben ihn bleiben laflen, wo er. war, — und 296 ums und zogen mieder von bannen. Dun aber Fam der ganze Schwarm zum zweyten Male zurück, und jeder hatte feinen Schnabel mic feuchter Erde angefüllt, womit fie in der größten Geſchwindigkeit den Eingang des Neftes vermauerten, fo, daß der Sperling darin hätte verhun- gern müffen, wenn nicht der Beobachter ihn aus feiner Gefangenfchaft errettet hatte. Die beyden Schwalben bauten ſich hierauf ein ander Neſt. Deffauifhe Zei: tung fir die Jugend und ihre Freunde, 4. 1782. ©. 150- 151. Man vergleiche biemit eine ähnliche Erzählung in Bougeants Amufement Philofophi- . que, P. 91. 15) Man hiele auf dem Forte St. Louis, einer Inſel im Senegal- Fluße in Afrika, einen fehr ſchoͤnen Loͤwen an der Kette, welchen man bey Gelegenheit nach Stanfreich ſchicken wollte. Er befam einen gefährlichen Zufall in dem einen Kinnbaden, fo, daß er nicht eſſen fonnfe , und man glaubte , er würde fterben müffen. Man nahm ihn daher aus der Kette, und fchleppte ihn beynahe halbtodt auf das Feld hinaus, Zufaͤlligerweiſe fah ein gewiffer Hr. Eompagnon, der auf der Jagd gerwefen war, den Löwen in diefem Zuftande liegen. Seine Augen waren gefihloßen, der Schhund offen, und die Ameifen frochen in-demfelben aus und ein. Doc äußerte er noch einige Zeichen von Leben. Hr. Eom: pagnon erbarmte ſich über ihn, wufch ihm die Zunge und den Schlund mit Waffer, und goß ihm etwas Milch in den Hals, Der Loͤwe kam dadurch wieder zu fich felbft, und da man ihn nachher forgfältiger wartete, wurde er vollfommen geheilt. Bon viefer Zeit an faßte er eine folche Zuneigung für feinen Wohlthäter, daß er von — — von niemand anders als ihm, Eſſen nehmen wollte, und ſich von ihm, wie der zahmſte Hund, an einem Stricke führen lies, ohne den geringſten Schaden zu thun. Des lacroix Taſchenbuch. S. 338. Deſſauiſche Zei- tung, 17832. ©. 166, Obige Erzählung enthält denn einen Beweiß aus neuern Zeiten von der Danfbarfeit des Loͤwen, fo wie fie zugleich beweiße, daß die Wildheit dieſes Thieres nicht fo mechanifch, „der unabaͤnderlich durch die Organifarion beftimmt ift, Daß die Intelli⸗ genz deſſelben nicht über feinen Trieb ein merkli— ches Uebergewicht haben follte. Unzählige andre Erfahrungen diefer Art, bemeifen es mit unmider- fprechlicher Gewißheit, daß Fein Thier fo wild ift, Daß es. nicht gezähme werden fonnte. Man hat fat allge= mein geglaubt, daß der Tiger ſich gar nicht zähmen ließe, und doch kann felbft dies graufame Thier fehr lenkbar werden. Blumenbach erzaͤhlt, daß er felbit einen großen, ledendigen Tiger gefehen habe, melcher fo zahm war, daß alle feine Aufmwärter ohne Bedenken, ihm den Mund aufmachen, und nach Gefallen mit ihm fpaßen Eonnten. ( Handbuch der Naturgeſchichte. ©. 105.) Aus der von Gladwin in Calcuta 1788 herausge- gebnen Gefhichre von Hindoftan, fiehe man, daß der Schach Zehangir zu Anfange des ı ten Seculums, fünfzehn zahme Tiger hatte, welche frey umher giengen, ohne jemand zu befchädigen. So erzählt auch Athe— naus in feinem fünften Buche, von einer Feyerlichkeit, welche Ptolomäus Philadelphus in Alerandrien bey - feiner TIhronbefteigung anftellte; und wobey fih in dem Zuge unter andern IThieren , auch vierzehn Leoparden, T5 ſechs⸗ 298 fehszehn Panther, und ein Nhinoceros aus Xerhiopien- befanden. Dieſe Ihiere müffen alfo gezähmt geweſen fern. Kalm redet in feiner Steifebefchreibung von zab- men Bibern und Ditern, welche man in Nordamerika hatte, und felbft der gefährliche Krokodill Fann bezähmt werden, wenn er jung gefangen wird. Herodot redet im zweyten "Buche von zahmen Krofvdillen, die von den Einwohnern des Thebaifchen Diftrickts und am See Moe- ris aufgezogen und fehr verehrt wurden. Im dritten Buche redet Herodot auch von den Begräbnißorten die— fer Krofodille. Strabo erzähle, daß er felbft einen fol- chen zahmen Krofodill in Arfinve.gefehen habe, und Blu⸗ menbach führe an, daß der Orfordfche SProfeflor, J. Greaves ebenfalls einen zahmen Krofodill in Kairo ſah. Diefer fchlief unter dem Bette feines Herrn, Fam zu ihm, wenn er hungrig war u. ſww. Wir haben im Vorhergehenden angemerkt, daß die Klapperfchlange fi) fehr gut zaͤhmen läßt; eben fo verhält es ſich auch mit der ungeheuren Hößenfchlange (Boa conftrictor) welche zuweilen zwifchen zwanzig und dreißig Ellen lang ift. Selbſt die fogenannte Brillenfchlange ( Coluber Naja) die giftigfte Schlange im Orient, kann ohne Ge— fahr gezaͤhmt und abgerichtet werden. Sogar die men= fehenfeindliche, fehichterne Spinne, welche ihre eigne Gattung haft und zerftort, kann zahm werden, und fich an den Umgang mie Menfchen gewöhnen. Und folcher- geftalt lehrer die Erfahrung , daß fein Thier von Natur fo wild und graufam ift, deffen Intelligenz nicht anders geftimme werden, und über die herrfchendften Neigun— gen die Oberhand gewinnen koͤnnte, welche es in feinem Wildbeirszuftande hat und Außer, t 16) Un 299 16) Unter mehreren Erfahrungen, die es bewei- fen, daß die Spinne ſich zahmen laßt, und fi) an eine Art von Umgang mit dem Menfchen gewöhnen Fan, verdient folgende Begebenheit angemerkt zu werden. Vor einigen Jahren, verfertigte ein Quchmacher in Paris, Namens Weibler, ein paar Strümpfe aus der Seide worin die Spinnen ihre Eyer einhüllen. Zu dem Ende hielt er in einem eigenelich dazu beftimmten Zimmer über 800 Kreuzfpinnen (Aranea Diadema), und hatte vers ſchiedne Schnuren von Segelgarn Freuzweis unter dem Boden diefes Zimmers gezogen, woran die Spinnen ihr Gewebe befeftigen konnten. Er hatte fie fo zahm gemacht, daß eine nach der andern fich auf den Teller mit todten Fliegen herabließen, den er ihnen täglich brachte. Jede von ihnen nahm eine Sliege, und zog ſich darauf mit ih- ver Beute zurück. Kam er in die Stube, ohne einen Zeller mitzubringen, fo ließen fie fi) doch herunter, und fahen auf feine Hände, Neue Mannigfaltigkeitem Dierter Jahrgang, ©. 281. 37) Ein angefehener Mann in Halle hatte einen zahmen, friedlichen Naben in feinem Haufe, welcher täglich wohl einige hunderte Menfchen vor ſich voruberge- ben ſah, ohne daß er ihnen das geringfte zu Seide that. Einmal aber wurde diefer Nabe von einem Bürger ge reizt und gefehlagen, und bi ihn dafür fo nachdrücklich in den Fuß, daß er erft nach) Verlauf von drey Mona— ten wieder geheilt wurde, Der Nabe fiel nach dem Tode feines Herrn in andre Hände, und nad) vielen jahren kam eben diefer Bürger gerade in das Haus, wo der Nabe war, ohne daß erfterer etwas davon wuſte. Er wunderte ſich daher, als er ven Naben auf ſich zulaufen und 300 — und nach ihm haden ſah; er wich ihm indeflen dadurch aus, daß er ſich in feinen Mantel Hülle Der Herr des Haufes wunderte fich eben fo fehr über dieſe Auffuͤh— rung des Naben, da er fonft niemand anzugreifen pflegte; aber der Fremde verficherte, es müffe etwas in feiner ratur fern, das den Raben miffiele, da er ſchon ein- mal vorher, bey jenem verftorbnen Herrn, von einem Haben gefährlic) wäre vermwunder worden. Als der ge genwaͤrtige Befißer des Naben, den Namen des Man— nes erfuhr, hörte feine Verwunderung auf, und er fagte dem Dürger, daß dies gerade eben derfelbe Nabe waͤre. Neueſte Dannigfaltigkeiten. Vierter Jahrgang. Berlin. 8. 1781. ©. 46. Man ſieht leicht, daß das Gedachtniß des Naben in diefem Bezeigen eben fo unverfennbar ift, als feine Rachgier. 18) Die folgende Begebenheit, welche in Dr. Müllers Magazin eingerücke ift, enthält einen fehr ftarfen Beweiß von dem Gedaͤchtniß der Hunde und ihrer Anhaͤnglichkeit an ihren Herrn. Ein Sorft- bedienter in Schwaben Faufte von einem herumziehenden Italiaͤner einen Huͤhnerhund, der ungefähr anderthalb Jahr alt war. Der neue Herr diefes Hundes bemerkte an ihm eine fo ungewöhnliche Traurigkeit und Sehnſucht nach feinem vorigen Herrn, daß er für fein geben fürd) tete, infonderheit, da der Hund durchaus nichts eſſen wollte. Er gab fich darauf alle mögliche Mühe, ihn fo lange beym Leben zu erhalten, bis fie mit einander näher befannt würden, und dies gelang ihm auch; der Hund fing an zu eſſen, lies fich abrichten, und wurde fein brauchbarfter Hund. Das ——— 301 Das Jahr darauf (hier muß ich mich der eignen Worte des Verfaſſers bedienen) bemerkte ich, daß der Hund, um die Zeit, da ich ihn gekauft hatte, einige Wochen hindurch täglich auf einen Hügel hinauf lief, melcyer nicht weit von meinem Haufe lag, und von dem man die Landſtraße überfehen fonnte. Hier faß er nun, und fah nad) ver Gegend hin, woher der Staliäner, fein voriger Herr, (welcher jedes zweyte oder dritte Jahr mit Miäufefallen und Hecheln dieſe Gegend zu befichen pflegte) ehemals gekommen wer. Gr legte ven Kopf auf die Erde, als ob er nach etwas horchte, fprang in die Höhe, bellte, und auf diefe Arc brachte er den gan— zen Tag zu, diejenige Zeit ausgenommen, da ich ihn mit auf die Jagd nahm, Wenn ich ihn vief, war er zwar bereitwillig zu fommen, doch ſchien es, als ob er ven Hügel ungern verließe. So bald wir von der Jagd zus rück gefommen waren, lief er wieder nach dem Hügel hin, Dies gefchah nicht allein das erfte Jahr, fenvern aud) in den beyden folgenden, ohne daß der Eindruc, den der Italiaͤner, der vorige Herr des Hundes, auf ihn gemacht hatte, im mindeften geſchwaͤcht zu feyn fihien. Vorigen Herbft, das vierte Jahr, feitdem ich den Hund befommen hatte, fieng er, mie gewohnlich, von neuen an den Hügel zu beſuchen. Eines Tages nahm ich ihn mit in den Wald, und da wir feine Spur harten, fo befchäftigte er fih damit, Maulwürfe auszu— graben und zu verfolgen. “Ben diefer Arbeit lief er oft ziemlich weit weg, ohne daß ich mich ſonderlich darum befümmert härte, meilich wufte, daß er meine Spur einige Meilen weit finden konnte. Da er mir indefien einmal gar zu lange weg blieb, fieng ich an ihn zu rufen, und 30% Ener Son ee ren und jedesmal wenn ich rief, antwortere er mir mit einem fehrecflichen Geheul und Winſeln. Ich gieng darauf zu ihm bin, da er aber ziemlich weit weg war, fo währte es beynahe eine halbe Vierrelftunde, ehe ich ihn zu Ge— fihte befam. Hier jab ich denn nun das fonder> barfte Schaufpiel, ein fo rührendes Schaufpiel, Daß es mir Thränen aus den Augen preßte, Kin alter Mann ftand bis unter die Arme in einer Sache, Er war ſchon ganz ermattet, und hatte feine Kräfte mehr, um ſich zu helfen. In der einen Hand hielt er die Schnur feines Nanzels, welcher an dem Ufer ver Sache lag. Mein Hund hatte das andre Ende diefer Schnur gefaßt, und firengte alle feine Kräfte an, um dem Manne aufzus helfen. So oft der Hund muͤde war, und aufhalten mufte, hub er an zu heulen und zu winſeln. Ich wurde bey diefem Anblick fo gerührt, daß ich eine Zeitlang ver— gas, dem Manne zu Hälfe zu fommen. Sobald id) aber fo nahe Fam, daß der Hund mich gewahr wurde, ſtieß er ein heftiges Gefchrey aus, lief zu mir, fprang an mie hinauf, faßte mich beym Rockſchoße, und z0g mich nach den Ort hin. Es foftere mir nur wenig Mühe, den Manne aufzuhelfen, und nun fehien mein Hund vor Freuden außer fi , fprang an den Mann binauf, und machte ihm viele Siebfofungen, welche dies fer eben fo, lebhaft erwiederte. Sch hörte gleich an der Kusfprache Des Mannes, daß er ein Italiaͤner wäre, und da meine Wohnung nicht weit entferne war, fo kamen wir bald zu Haufe, wo ich ihn bat, mir fein Schickſaal zu erzählen, und ob er etwa den Hund fenne. Er fey, fagte er, ein Sraliäner, und feines Handels wegen in diefe Gegend gefommen. or: ber hätte fein Sohn dies Gefchäfte beforge, aber dieſer I fen 303 ſey nun geftorben, und er muͤſſe die ganze Familie ernaͤh— ren, Die vorige Nacht, da er durd) das Gebüfch Härte gehen wollen, wäre er in obiges Loch gefallen, und nicht im Stande gemefen, fich wieder herauszubelfen. Non dem Hunde wuͤſte er nichts. Als ich ihm aber fagte, daß ich ihn von feinem Sobne gekauft hätte, befann er fi) und fagte mir, es konnte fehr gerne feyn, daß es vielleicht der Hund wäre, den er einmal feinem Sohne gegeben hätte. Er hätte ihn aus einem Bache genommen, worin er kurz nach feiner Geburt, und als er noch blind war, ausgemworfen worden. Aus Mirleiden hätte er ihn erwärmt und gepflegt, bis er fehn konnte. Darauf härte er ihn feinem Sohne gegeben, und ihn feitdem nicht wie= der gefehen. Magazin fiir allgemeine Narın - und Thiergefchichte, herausgegeben von C. F. A. Muͤl⸗ fer, D., Göttingen und Leipzig. 8. 1788. 1. B. L. St. ©, 52= 5% Ber diefer Begebenheit Eönnte es fich fragen, ob der Hund eigentlich den Alten wieder Fannte, und ſich darauf zu befinnen wufte, daß er fein erfter Wohlthaͤter war, der ihn vom Tode errettet und folange gepflegt hatte, bis er fehen Fonnte; oder ob er den Alten aus der Aehn— lichfeie mit feinem verftorbnen Sohne wieder erkannte, welcher anderthalb Jahrelang fein Herr gemwefen war, und deſſen Bild er in ihm zu fehen glaubte. Ich wäre geneigt, das legtere anzunehmen, weil es fonft nicht leicht zu be= greifen ift, wie der Hund, der fo ganz jung von dem Alten weg Fam, im Stande war, ihn nach Verlauf einer fo langen Zeit wieder zu Fennen. Wie dem auch feyn mag, fo erhellt es doc) deutlich aus diefer Begebenheit, daß die Guͤte, mit welcher diefe Mienfchen fi) des Hun— des 304 —— des in ſeiner erſten Jugend annahmen, einen ſehr ſtarken Eindruck auf ihn gemacht haben muß, da Entfernung und Zeit denfelben nicht zu fhwächen vermogten; wie denn auch wahrfcheinlich der Geruc) des Hundes das vor- züglichfte Hülfsmittel war, wodurch die Erinnrung an feinen alten Wohlthaͤter ſich bey ihm erneuerte, 19) Die farakteriftifche Befchreibung ‚ welche Vail⸗ lant von dem Affen Kees giebt, ver ihn auf feiner Reife in Afrika begleitete, enthält fo viel Merkwuͤrdiges, daß es dem Leſer gewis nicht unangenehm feyn wird ‚fie hier ange führe zu finden. Diefer Affe gab an Naſchhaftigkeit und Neugierde feinen Brüdern nichts nach), und felbft, wenn er nicht hungrig war, muſte er doc) alles ſchmecken und befehen, was ihm vorfam; aber er hatte auc) viele iberaus gute Eigenfchaften, welche ihn fir Vaillant auf feiner Reife fehr wichtig machten. _ Er war der befte Wächter, und bey dem geringften Anfchein von Gefahr, ſowohl bey Tage als bey Naht, war Kees gleich auf merffam. Sein Gefchrey und feine furchtfame Gebärden, fagt Baillant, behahrichtigten ung immer zuerft davon, wenn etwa ein Feind ſich näherte; (die wilden Thiere wa— ren Heren Vaillants furchebarfte Feinde) und das fo- gar, ehe meine Hunde den Geruc) davon hatten. Diefe fchienen ſich gewiſſermaaßen auf die Wachſamkeit des Af- fen zu verlaffen, und waren feine Stimme fo gewohnt, daß fie in guter Ruhe im Sager fchliefen, ftatt daß fie vormals um das Zelt und die Wagen herummanderten. » Hatte der Affe die Hunde einmal geweckt, fo waren fie aufmerkfam auf das geringjte Zeichen, das er ihnen gab. Die mindefte Bewegung, die ev mit dem Kopfe machte, ein Wine mic den Augen, war binlängih, um alle . Hunde — 305 Hunde in Bewegung zu ſetzen, und ſie eilten ſodann nach dem Orte hin, den er ihnen angezeigt hatte. Wenn Vaillant auf die Jagd gieng, war der Affe immer vor— auf; unterweges vertrieb er ſich die Zeit damit auf die Baͤume zu klettern, um nach Gummi zu ſuchen, das ein rechter Leckerbiſſen fuͤr ihn war. Zuweilen entdeckte er auch Honig in hohlen Baͤumen oder in den Spalten der Felſen; wenn es ihm aber damit nicht gluͤcken wollte, und Kees hungrig war, fo füchte er allerley Wurzeln auf, welche er gewöhnlich mit feinem Herrn theilen mufte, Hatte Rees eine folche Wurzel gefunden, und Baillant war nicht fo nahe, daß er feinen Antheil davon nehmen Eonnte, fo fäute er fie fo geſchwind wie möglich in Stuͤk— Een, wobey er die Augen fleif auf feinen Herrn heftete, um gleichfam zu berechnen, wie viel Zeit er wohl hätte, um feine Beute ungetheilt zu verzehren, Gemeiniglich rechnete Kees richtig, und Vaillant Fam zu ſpaͤt. Zus wetlen wurde er indeffen doc) bey feiner Arbeit uͤberrum— pelt, und Vaillant erreichte ihn früher, als er es erwar— tet hatte, dann aber ſuchte er, in der größten Geſchwin— digkeit, die noch übrigen Stüfe der Wurzeln zu verbergen. Um die Wurzeln aus der Erde zu ziehen, nahm er gewoͤhlich den größten Theil der Blätter in den Mund, ftüßte fic) hierauf mic feinen Händen gegen die Erde, und zog den Kopf zurück; dadurch erreichte er in Den meiften Fällen feinen Zwei, Wenn aber dies Miceel nicht glücken wollte, nahm er die Blätter abermals in den Mund, und zwar fo nahe an der Erde wie moͤglich, hierauf machte er allerley Purzelbaͤume, da denn die Wurz zel von der Dadurch hervorgebrachten Erſchuͤtterung, ge— u meini« 306 — meiniglich ſo los wurde, daß ſie leicht herausgezogen werden konnte. Wenn Kees auf der Reiſe muͤde wurde, ſo ſetzte er ſich einem von den Hunden auf den Ruͤcken, welcher ihn ganz geduldig einige Stunden lang trug. Nur ein einziger von ihnen, der groͤßer und ſtaͤrker war als die andern, wollte ſich nie bequemen ihn zu tragen. Sobald Kees ſich auf ſeinen Ruͤcken ſetzte, ſtand er ſtille, und lies die ganze Karavane vorbey reiſen, ohne ſich im min— deſten von der Stelle zu bewegen. Der Affe blieb ruhig auf dem Platze ſolange bis er den Trupp aus dem Ge— ſichte verlor; dann aber noͤthigte ihn die Furcht, ſich ſei— ner eignen Fuͤße zu bedienen, und ſowohl der Hund als der Affe ſuchten Vaillant wieder einzuholen. Damit es indeſſen dem Affen unterweges nicht wieder einfallen moͤgte zu reiten, lies der Hund ihn immer einige Schritte vor— auslaufen. Vaillants Reiſe, 1. Th. ©. 102-105. 20) Man hat lange geglaubt, daß die Strauße ſich nicht um ihre Eyer bekuͤmmerten, ſondern es der Sonnenwaͤrme uͤberließen, ſie auszubruͤten, wie man ſie auch in ſo hohem Grade furchtſam glaubte, daß ſie nichts wagten, um ihre Abkoͤmmlinge zu beſchuͤtzen. Durch neuere Erfahrungen iſt man in beyderley Hinſicht eines beſſern belehrt worden. Thunberg berichtet, daß er auf feiner Reiſe vom Kap nach dem Lande der Kaffern, überall Strauße angetroffen habe Man fagte ihm, daß ein Männgen gewoͤhnlich drey bis vier Weibgen hätte, welche zufammen 20 bis 30 Eyer legten, worauf fie wechſelsweiſe in einem Neſte lägen, das fie durch Treten in den Sand, gebildet hätten. Ihunberg Mefa, 2. Deel, Upſala. 8. 1789. ©, 11. Eben dieſer | Verfaſ⸗ 307 Verfaffer erzählt, daß er eines Morgens an einem Orte vorbey ritt, wo eine Straufibenne auf ihrem Nefte lag; fie fprang aus dem Neſte hervor, um ihn zu verfolgen, vermurhlich, wie Herr Thunberg fage, um zu verhin- dern, daß ich ihre Eyer oder ihre Jungen nicht gemahr werden mögte. So oft er fein Pferd ummandte, ent— floh zwar der Strauß, und lies fih ıo bis ı2 Schritte weit wegjagen; aber fobald der Verfaffer feinen Weg forrfegte,, Fehrte er um und folgte ihm nad). Thunbergs Reſa, 2. Deel. ©. 159. Die eben erwähnte gefellfchaftliche Bereinigung der Strauße in Ausbrütung ihrer Eyer, wird auch von Vaillant beftätige und näher erörtert. Er entdeckte eines Tages auf feinen Jagdſtreifereyen ein Straußenneft, woraus er den Strauß verfcheucht hatte; und in diefem Hefte, welches das größte war, Das er je fah, fand er acht und dreyßig Eyer in einem Haufen neben einander, und noch überdem dreyzehn andre, außen vor dem Neſte, deren jedes für fich in einer Eleinen Grube lag. Als er die Eyer näher betrachtete, fand er, daß neun derfelben merklich Eleiner waren wie die übrigen. Da Hr. Vail— lant nun nicht begreifen Fonnte, wie es einer einzigen Henne möglich wäre, fo viele Eyer auszubrüten, fo faßte er den Entfchluß, ſich den Tag über in der Nähe des Neſtes aufzuhalten, und fand Gelegenheit, fich in ‚einem Bufche zu verbergen, der ungefähr einen Buͤch— fenfchuß weit, von demfelben entferne war. Binnen Furzer Zeit fand die Henne fich wieder ein, und legte fid) auf das Neſt; und an eben dem Tage Famen nod) drey andre Straußhuͤner dahin, die fich einander ablöften. Eine von diefen Hünern hatte ungefähr eine N U 2 au 308 auf dem Mefte gefeffen, als eine andre Henne ſich neben ihr ſetzte; hieraus fehließe Hr. Vaillant, daß zuweilen, wie zum Beyſpiel, wenn die Nächte kalt und naß find, äiveen oder mehrere Strauße zugleich brüten. Gegen Untergang der Sonne fam auch das Männgen, und naͤ— herte ſich dem Neſte, um feinen Plag darin einzunehmen. Hr. Vaillant erfchoß ihn, und dadurch wurden die Weibgen fo erſchreckt, daß fie die Flucht nahmen. Den folgenden Tag, da Vaillant nachfehen lies, ob die Strauße wieder zum Neſt zurückgekehrt wären, war außer einigen zerbrochnen Eyerfchaalen, feine Spur mehr davon zu ſehen; wahrfcheinlich überhob, wie er vermus eher, ein Jackal oder eine Hyäne die Strauße aller weis tern Mühe mit Ausbrütung ihrer Eyer. Vaillants Reiſe, 2. Th. ©. 304= 306. Bey einer andern Gelegenheit fand Vaillant gleichfalls ein Heft, worin eilf Ener waren, und zwey bis drey Fuß vom Neſte fand er vier andre, noch ganz frifhe Eyer. Bey Diefer, fo wie mehreren Gelegenheiten erfuhr Vaillant, daß die Strauße, außer den Eyern, uber welche fie brüten, im— mer eine gewiſſe Anzahl andre, einzeln um das Neſt herum in den Sand legen; dieſe Eyer halten fich eine Zeitlang frifh; und werden von der Mutter zur erjten Nehrung für ihre Jungen gebraucht. Vaillants Reife, 2.%. ©. 209: 210, Diefe Bereinigung von meh- reren Straußen, um ihre Eyer auszubrüten und ihre ungen aufzuziehen, ift, wie Baillant mit Recht be- merke, fehr fonderbar; zumal, wenn der Strauß nie gewohnlich in einer folchen gefellfchaftlichen Vereinigung lebt. Sollte etwa Furcht vor den Naubehieren diefe Verbindung veranlaßt haben? und dies koͤnnte wohl der Fall feyn, wenn es wahr ift, daß die Strauße in fried- lichern d ee 309. lichern Gegenden, fich nicht auf diefe Weiſe zu Ausbruͤ— tung ihrer Eyer vereinigen. 21) Thunberg traf auf feiner Reife in Afrika, än einer fehr trocknen Gegend, einige Erdragen an, des zen Eſſen und Trinken aus gewiſſen faftvollen Blättern beftand, da um die Kahrszeit durchaus fein Waſſer da— felbft zu haben war. Er, und mehrere von feiner Ge— fellfchaft, verfuchsen diefe Ratzen zu ſchießen, wenn fie den Kopf aus ihren Loͤchern hervorfteckten , fie waren aber fo ſchlau und fo außerordentlich hurtig , daß fie ſich in ihre Wohnung zurüczogen, fobald fie das Feuer vom Züundpulver gewahr wurden. Hr. Thunberg machte den Verſuch zu verfchiednen Malen mit feiner beften Buͤchſe; aber immer vergeblich, bis er auf den Einfall Fam, die Zundpfanne mit einem lofen Stücfe Papier zu bedecken, wodurch fie daran gehindert wurden, den Blitz vom Pulver zu fehen. Thunbergs Reſa, 2. Deel. Seite 200, Wir haben ſchon vorher von der Behendigfeit des Bavians geredet; aber Die Art, wie er den Hund behan- Delft, wenn er von ihm angegriffen wird, ift befonders merkwuͤrdig. Einige Hunde zufammen fonnen zwar wohl einen Bavian fangen, aber einem oder zween glückt es nicht allezeit; denn wenn der Bavian, der unglaub- lich gefchmeidig ift, den Hund bey den Hinterbeinen er- tappf, fo ſchleudert er ihn in die Kunde herum, bis er fchwindlihe im Kopfe und gleichfam trunken wird. Thunbergs Nefa, 2. Deel. ©. 130. 22) Folgende Bemerkungen über das Eichhorn rühren von Daines Barrington, einem fharffinnigen Beobachter und USERN her, u; Ich 310 Ich habe mir, fagt Hr. Barrington, feit mehrern Jahren ein Vergnügen daraus gemacht, Eichhörner zu erziehen, und habe bey ihnen eben die Verfchiedenheit von Fähigkeiten und Gemürhsbefchaffenheit gefunden, die Herr Cowper bey feinen Haafen bemerkt hat. Ich habe unter ihnen ernſthafte und luſtige, ſchuͤchterne und dreifte, fromme und bösartige, folgfame und widerfpen- ftige angetroffen. Inſonderheit habe ich, ungeachtet ich eine große Menge von diefen Thieren hatte, bey ih- nen allen eine Eigenfchaft bemerft, die ganz fonderbar, und wenn ich nicht irre, noch von feinem Naturforfcher bemerfe worden ift. Alle Eichhöner haben nehmlich ein fehr mufifali- fehes Ohr. Zwar habe ich nicht bemerft, daß fie bey irgend einer Vocal = oder Inſtrumentalmuſik die geringfte Aufmerffamfeit äußerten, aber fie tanzen in ihrem eignen Käfig nach einem gewiſſen Taft, den fie völlig regelmäßig beobachten, indem fie mit den Füßen auf den Boden ftampfen. Sie fallen nie aus einer Bewegung in Die andre, eher als nach einem gewiſſen Zwifchenraum von Ruhe. Ich habe fie ganze zehn Minuten in einer Allegro- Bewegung kanzen fehen, wobey fie zugleich fehr genau den Takt fehlugen. Mac) einer Eleinen Pauſe giengen fie in eine andre Bewegung über, und nad) einer längern Haufe in die dritte, welche noch lebhafter war. So tanz: ten und huͤpften fie mehrere Minuten lang, bielten dabey aber genau denfelben Takt, und veränderten ihn nie eher als nach einer Paufe von einigen Augenblicken. Ich hatte einmal zwey Eichhörner, Männgen und Meibgen, in einem großen Käfig, und fie tanzten oft einen ganz befondern Tanz, den ich zu beſchreiben verfu- chen 311 chen will. Das Maͤnngen huͤpfte in Seitenſpruͤngen, dergeſtalt, daß es einen Zirkelabſchnitt in der Luft beſchrieb; das Weibgen, das gerade vor ihm war, huͤpfte in einem etwas engern Zirkel, und zwar ſo, daß ſie beyde in dem— ſelben Augenblick ihre Springe machten, und ihre Fuͤße ſo regelmaͤßig fielen, daß man nur einen Tritt zu hoͤren glaubte. Hoͤchſtwahrſcheinlich iſt es, daß dieſer Tanz eine Art von Beluſtigung fuͤr ſie war; denn ſie tanzten nur, wenn ſie eingeſperrt waren; ſonſt habe ich niemals geſehen, daß ſie es thaten. Die Eichhoͤrner ſind ſehr reinlich; daher verrichten ſie zwar ihre Nothdurft im Kaͤfig, aber nie in ihrem La— ger. Wenn man ſie herauslaͤßt, ſcheinen ſie mit dieſer Verrichtung zu eilen, damit ſie ihre Wohnung ſo rein wie moͤglich halten moͤgen. Ich habe bemerkt, daß ſie ſich dabey gerne auf etwas ſetzen, das eine glatte Ober— fläche hat, wie z. B. Akain-Holz, der Band von Buͤ— bern u. d. m. Was das Eichhorn einmal in feinen Pfoten hat, läßt es nicht fahren, felbft niche um folche Dinge zu er- halten, die es am liebften frißt; immer verwahrt es erft Das, was es ſchon hat, und greift darauf nach dem, was man ihm darbietet. Es ift in der That bemundernss werth, mit welchem Scharffinn es feine Nahrungsmittel auswähle. Man hat mic) verfichert, und ich glaube es gerne, daß man unter dem Wintervorrath des Eichhorns, nie eine einzige verdorbne Nuß finden wird, wie ich denn auch nicht ein einziges Mal gefehen habe, daß fie eine Nuß annahmen, die nicht voll und frifch war. Es fiheint, daß fie die fehlechten Nüße am Gewichte erfennen, und gemeiniglich nichts weiter zu ehun brauchen, als fie mit U 4 den 312 — den Vorderpfoten zu faffen und daran zu riechen. Ich weis nicht, ob es ſchon bemerkt worden ift, daß ihre Zähne eine dunkle vrangengelbe Farbe haben. Indem ich dies fehreibe, habe ich ein fehr luſtiges und lebhaftes Eichhörngen vor mir. Als ich es zuerft erhielt, war es nur ein Jahr alt. Ich hatte aut felben Zeit ein andres, das vor Alter und Fertigkeit fräge und unbehülflich geworden war. Dieſer Verſchiedenheit von Jahren und taunen ungeachtet, vertrugen fich dieſe bey- den Eichhörner recht gut, fihliefen auch zufammen in einem Käfig; doch Fonnte das junge nicht unterlaffen, mit der Schwachheit des Alten feinen Spas zu treiben, Ich lies fie alle Toge heraus; um auf der Erde zu ſpie— len, und dann blieb der Käfig auf einem Tifche ftehen; aber ich fegte einen Stuhl neben venfelben, und diefen gebrauchte das alte Eichhorn denn wie eine feiter, um . erftlich auf den Tifch und von da in fein Lager zu kom— men. Dies war fchon feine geringe Arbeit; denn das junge Eichhorn machte ſich eine $uft daraus, Diefe Reife durch allerley Poffen zu erfchweren. Raum berührte jenes den Stuhl mit feinen Pfoten, fo packte das junge es an und zog es wieder auf den Fußboden hinab; oder es’ lies das alte erft aufden Stuhl fommen, und zog es dann wieder zurück, Alles dies that das junge aus Muthwil⸗ len, und das gute alte Thier wurde niemals boͤſe daruͤ— ber. Doch murrte es zuweilen ganz leiſe, wenn dies Spiel zu lange dauerte. Eines Tages, da dieſe Necke— rey vermuthlich zu weit getrieben worden, fand ich es uͤberjagt und todt im Kaͤfig. Das Eichhorn welches ich itzt habe, biß mich einmal, ohne daß ich es im mindeſten gereize hätte. Ich that bey 313 bey diefer Gelegenheit nichts meiter, als daß ich hinter ihm herlief, es fihalt und ihm mit dem Schnupftuc) drohte. Hernach lies ich es alle Tage aus feinem Käfig heraus, aber einige Monate nad) einander bezeigte ic) ihm nicht die geringfte tiebfofung. Das Eichhorn war feinerfeits eben fo kaltſinnig, es ſuchte mich nicht auf, floh aber auch) nicht vor mir. Endlich vief ich es einmal; es fchien als ob das Thier blos darauf gewartet hatte, daß ich den erften Schritt thun follte, denn nun hüpfte es mie voller Freuden auf die Schultern. Unſre Ausfohnung war herzlich und dauerhaft; und es hat mich feitdem nie wieder gebiffen. Ich habe-oft mie Verwundrung bemerft, tie viele Vortheile das Eichhorn von feinem großen Schweife hat. Die Seichtigfeit und der Umfang deffelben, halt den Kor: per des Ihieres beynahe im Gleichgewicht mit der Luft. Darum hüpfe und fpringt es auch fo leicht, und fällt oft von einer beträchklichen Höhe, ohne ſich zu befchädigen, Ich wünfchte zu wiſſen, ob die Bemerfung richtig ift, welche Pennant, Linnee und andere wiederholen, daß nemlich das Eichhorn zuweilen auf einem Stuͤck Baum- rinde über einen Fluß ſchwimmen foll, da denn die Rinde ähm zum Boote, fo wie der Schweif zum Segel dient. Der Much des Eihhorns ift bewundernswürdig. Ich habe mehr als einmal gefehen, wie ein Eichhorn beym erften Anblick einer Rage oder eines Hundes zitferte; nad) wenigen Minuten aber faßte es wieder Much, und wagte fih fogar fo nahe an feinen furchebaren Feind, daß es ihm unter die Naſe riechen fonnte, Es näherte ſich in diefem Falle feinem Gegner in kurzen Sprüngen, und ftampfte dabey ftarf in den Fußboden, Sein ganzer An: Vs ftand 314 nn. fand hatte etwas prahlendes, als ob es feinem Feinde Schrecken einjagen wollte. Ich habe bey diefen Thieren einen nicht geringen Grad von Vertraulichfeit und Koferterie unter ihren Lie— beshändeln bemerft; aber fie find, folange fie eingefchiof- fen waren, nicht fruchebar geweſen. Olla Porriva. Berlin. 8.1789 3.©. S 93 uf 23) Unter den Geſchoͤpfen, welche der Abbe Hr, Dicquemaire in feiner Seemenagerie hielt, befanven fit) auch verfchiedne blärtrigte Auftern von vorzüglicher Guͤte. Einmal, als er fie genau betrachtere, bemerfte er eine unter ihnen, welche eine beträchtliche Menge Waflers von fich ſpruͤtzte. Es ſtand damals nur wenig Waſſer über felbige, und Hr. Dicquemaire glaubte, daß das ausgefprügte Wafler, wenn es an einer großern Menge Waſſers einigen Widerftand gefunden hätte, nicht mit fo vieler Leichtigkeit würde fortgelaufen feyn, und daß die Aufter fich Diefes Widerftandes wegen würde haben ruͤckwaͤrts bewegen müffen. Hr. Diequemaire füchte daher einige Auftern von mittlerer Große und leichter Schaale aus, und legte fie auf einer ebnen horizontalen Fläche in einer hinlänglichen Menge von wmohlgereinigten Schneewaſſer. Einige Stunden lang waren fie vollig unthätig, und darüber wurde es Nacht. Den Tag darauf fand Hr, Dicque- mat:e eine von diefen Auſtern an einer ganz andern Stelle, und in einer ganz andern Richtung, als er fie hineinge⸗ lege hatte, da dec) niemand dieſe Veraͤndrung mit ihr hatte vornehmen fonnen, Nunmehr zweifelte er nicht laͤn⸗ ger daran, daß die Aufter fich durch eigne Kraft von einem Orte zum andern bewege babe, und daß dies durch Aus- fprüßung ° — ae 315 fprüsung des Waflers auf die oben befchriebne Art gefche- ben, und feßte daher feine Beobachtungen fort; aber die Auftern nahmen immer ihre Bewegungen in feiner Abwe— fenheit vor, gleichfam, als ob fie ihre Geheimniffe vor ihm zu verbergen wüften. Einmal, da er an der Küfte der Nieder - Normandie reißte, fand er eine Aufterbanf, wo er eine Aufter ihren Ort fehr fchleunig verändern fah. Bey feiner Zubaufekunft machte er nun neue Anftalten, wodurch er die Are zu entdecken fuchte, wie es mit der Bewegung der Yufter zugeht. Bey diefer Unterfuchung bediente er fich vorzüglich der großen Auftern, welche in der Gegend von Havre gefangen werden, Die Aufter fprügt das Waffer durch diejenigen Stel= len der Schaale aus, welche am meiften offen und gerade . das Entgegengefegte von dem Gewinde (Wirbel) find. Sie wirftdas Waffer bald an diefer, bald an jener Seite, bald an den Stellen aus, welche dem Gewinde am näch- ften liegen; zumeilen auch von allen Seiten zugleich. Zu dem Ende macht fie viele Wendungen innerhalb ihrer Schaalen; doch haben die beweglichen Theile ihres Kor pers an und für fich nicht Kraft genug, den Waſſerſtrahl zu dirigiven; in den meiften Fällen muß fie die Schaa- fen zufammenfneipen, um das Wafler herauszuzwingen. Auf diefe Art, indem fie mit einiger Stärfe und Gefchwindigkeie mehrere Mal nach) einander das Waſſer von fich ſpruͤtzt, iſt fie im Stande ihre Feinde zuruͤckzu⸗ halten, die es darauf angelegt haben , ſich zwiſchen ihre Schaalen zu ſchleichen, ſobald fie dieſelben oͤnet. In— deſſen iſt dies Mittel nicht immer hinreichend, denn die Auſter hat Feinde, welche ihrer Staͤrke und Behendig— keit wegen ſo furchtbar ſind, daß ihnen gar viele Ayſtern zum Opfer werden. Nicht 316 — Miche genug, daß die Aufter auf diefe Art aus allen Kräften fich dahin beftrebt, ihre Feinde zuruͤckzu— greiben; ſie thut noch mehr: fie ziehe ſich, entiweder der Laͤnge nach, oder nad) einer von den Seiten zuruͤck. Aber die Um aͤnde find ihr nicht immer fo günftig, daß fie die Bewegungen machen kann, welche zu einem folchen Ruͤck— zuge vonnöthen find. Dfe fisen die Auftern zwifchen Klippen, Steinen, oder zwifchen andern Auftern, zus weilen aud) im Sand und Schlamm. Indeſſen weis man doch nicht, ob diefe Thiere, welche weit mehr Gefühl und Ihätigkeit haben, als man bisher geglaubt hat, nicht im Stande find, felbft unter den mißlichften Umftänden jene verhinderten Bewegungen durch andre Bewegungen zu erfegen, die man noch nicht Gelegenheit gehabt hat mit Deurlichfeit zu beobachten. Sie fonnen ſich vielleicht nach Gefallen an einem gemif- fen Orte feftfegen und wieder davon losmachen. Herr Dicquemaire hat bemerkt, daß fie ihre Schaalen auf mancherley feltfame und bewundernsmwürdige Arten aus: beffern, wenn folche von ihren Feinden, unter weldyen man auch ihre eigne Gattung zählen kann, beſchaͤdigt worden find. Es laͤßt fich leicht begreifen, daß folche Verſuche, wegen der großen Zartheit diefes Thieres, der Feinheit feiner Organe, der Durchfichtigfeit der Materie, woraus die Blärter deffelben gebildee find, der Dichrig- feie der Schaalen, der Werändrungen der See und der Jahrszeit u. ſ. w., fehr mißlich fern muͤſſen. Aber man follte fich doch Dadurch überzeugen laſſen, daß die Auſter fi) freywillig von einem Orte zum andern beme- gen fann, und daß fie in ihrer Sebensweife eine Art von Dreiftigfeie zeige, Die Aufter ift, nach der Behauptung des 317 bes Hrit. Dicquemaire, fein Halbehier, oder Thier— pflanze; fondern fie fühle ihr Dafeynz fie weis, daß eiwas anders außer ihr da iftz fie nimmt die aͤußern Dinge auf und ftoße fie von ſich; fie ändere ihre Demegungen, auf diefe oder jene Art, nach den Umſtaͤnden ab; fie wählt ziemlich combinirte Mittel zu ihrer Vertheidigung, und vielleicht Fonnte man fie dahin bringen, daß fie ihre ganze Lebensweiſe änderte. Denn Auftern, welche man an Orten findet, wo das Meer fie niemals verläßt, of nen, wenn man fie wegnimmet, unbedachtfam ihre Schaa— len, verlieren ihr Wafler und fterben in wenig Tagen. Diejenigen hingegen, Die aus der Tiefe fommen, und an Stellen hinverfegt werden, welche das Meer zumeilen verläßt, wo die Sonne ihre Stralen hinwirft, und ber Froſt innen befchwerlich wird, oder wo Menfchenhände fie beunrubigen, gemohnen ſich bald daran, ihre Schaa— len dicht gefchloßen zu halten, und koͤnnen noch ziemlich lange leben, nachdem man fie aus dem Waſſer genommen bat. Beobachtungen über die Auftern von Hr. Abt Dicguemaire aus Rozier Journal de phyfique, (April, 1786.) eingerüce in Voigts Magazin für das Neueſte aus der Phyſik und Naturkunde, 20166 ©73::7% G 55» Aus dem bisher angeführten wird es ohne Zweifel bewiefen feyn, daß die Wuͤrkſamkeit der Thiere durch Feine abfolute Nothwendigkeit eingefchranft ift, und daß fie von ihrer Würfungstraft einen will: Führlichen Gebrauch machen, felbft in den Fällen, mo die Natur fie dazu beftimmte, auf eine gewiſſe Arc zu würfen. Und die Erfahrung zeigt uns überall, daß ihre Hand: 318 Handlungen im Allgemeinen in Vorftellungen und Be— gierden , welche durch diefe Vorftellungen beſtimmt werden, ihren Grund haben, obfchon lestere ſelbſt, in Hinficht ihres Urfprungs und ihrer Entwicklung , je nac) der Ver: fchiedenheit der Arten, mehr oder weniger von der Orga- nifation abhängig find, Vielleicht aber wird man fra- gen: warum foll denn diefen Thieren gerade das Wer: mögen zu urtheilen und zu ſchließen bengelege wer- den? ihe Berragen läßt ſich ja fehr gut daraus erklären, daß fie in Erwartung von ähnlichen Fallen han- dein, und hiemit iſt ja das Raͤthſel aufgelöße. Aber hier frägt es fid) wiederum: verbinder man einen beftimmten Gedanfen mit diefer Erwartung von ähnlichen Fallen (Exfpedtatio cafuum fimilium ) welche man dem Thiere zuſchreibt? oder fucht man ſich blos hinter diefen Ausdruck zu verbergen, weil man feine wahre Meinung entweder nicht fagen Fann, oder nicht fagen will? Nun gue, man will, diefe Nedensart fol eine beftimmte Bedeutung haben; und was bedeutet fie denn? Das Thier handelt in Erwartung von ähnlichen Fällen; alfo erinnert es fich ja vorhergegangner Falle, findet den gegenwärtigen Sall mit vorherigen Erfahrun— gen übereinftimmend, hat Vorftellung von dem, was vermoͤge dieſer Hebereinftimmung bevorfteht? Das Thier urtheilt alfo, da es Dinge und Fälle mit einander ver gleicht; es fchließt, da es fich von dem, was gefchehen wird, DVorftellungen erwirbt. Und wenn man daher ſagt, das Thier handelt in Erwartung von ähnlichen Fällen, fo gefteht man eben dadurch, daß es das Ver: mögen befige zu urfheilen und zu ſchließen. Man drückt nur einerley Begriffe auf verfchiedne Are aus. Freylich, ‚wenn ; ARTE — — 319 wenn man beweiſen koͤnnte, daß die Thiere Fein Selbſt— bewuftfeyn, fein Gedaͤchtniß hätten: wern man bewei- fen fonnte, was man doc) behauptet hat, daß das Thier fi) einbilde, feine reprodueirten Vorftellungen wären rürflihe Senfationen, und daß es Empfindungen nicht von Empfindungs-Ideen unterfcheiden fonne: wenn man beweifen fonnte, daß die Thiere gar Feine Deutlich- feie in ihren Kenntniffen, Feine Allgemeinheit in ihren Begriffen, und feine andre Vorſtellungen hätten, als die im eigentlichften Verftande fo genannten finnlichen Empfindungen; dann würde man auch bewiefen haben, daß die Intelligenz des Ihiers, nicht allein ihren Gra— den, fondern auch ihrer Natur und ihren wefentlichen Be— fchaffenheiten nad), etwas ganz anders fey, als die In— telligenz; des Menfchen unferm Bewuſtſeyn nad ift. Aber Dies hat bisher noch niemand bewiefen, und fehwerlih wird es je bemwiefen werden. Vielmehr fprechen alle Erfahrungen, alle Analogie für die entge- gengefegte Meynung; und dieſe ift es denn auch, die wir im Vorhergehenden aus einander zu feßen und zu be= ſtaͤtigen gefucht haben. Anmerfung. Man hat, wie wir fehon oben im Dorbeygehen bemerften, eine Zeitlang geglaubt, Daß die Intelligenz der Thiere von der Größe ihres Gehirns abhienge, und alfo Diejenigen Thiere, welche verhältniss mäßig das größte Gehirn hätten, die Flügften wären. Wahrſcheinlich baute man diefe Hypotheſe aufeinen, ſchon vom Ariftoteles angenommenen, und in gewiſſer Hinz fie richtigen Erfahrungsfaß, daß nemlich der Menſch unter allen Thieren das größte Gehirn habe. Unter den vierfüßigen Thieren giebt es, nach Hallers Zeugnife, nice 320 nem is mn richt ein einziges, Das in diefem Stücde vor dem Mens fehen den Vorzug hätte; die meiften von ihnen haben ein Hleineres Gehirn als der Menfch; und Haller hat bey angejiellter Unterfuchung gefunden, daß der Menſch ein größtes Gehirn bat, als der Ochfe und das Pferd, Da— Hingegen ift diefe Behauptung unrichtig, wenn man den Menfchen mit den Fleinern Voͤgeln vergleicht, weiche ent= weder ein in Verhältnis ihres Korpers eben fo großes, oder fogar noch größres Gebien haben, als der Menſch. Schon dies aber beweißt, daß man nicht aus der Größe des Gehirns auf die größere oder geringere Intelligenz des Ihieres fehließen Fann. Diefer Schluß kann um fo weniger richtig feyn, da Kinder, in Verhältnis der Große ihres Korpers, ein weit großes Gebien haben, als Erwachfene; fo wie bey jungen Thieren das Gehirn großer ift als bey vollig aus: gewachfnen von eben der Gattung. Und man Fann doch nicht behaupten wollen, Daß das Kind Flüger und ver: ftändiger fen, als der Mann, Haller führe an, daß ‚bey einem Knaben von fechs Jahren das Gehirn den ein und zwanzigften Theil vom Gewichte des ganzen Körpers ausmachte, da es im Gegentheil bey erwachfnen Leuten gewohnlich nur den fünf und zwanzigften Theil auszus machen pflege. Bey einer andern Unterfuchung, die man mit einem neugebohenen Kinde anftellte, fand man, daß das Gehirn 153 Unzen, der Körper aber 5 Pfund‘ 6 Unzen wog, und alfo war der ganze Körper kaum fünfe mal fehwerer als das Gehirn. Unter den vierfüßigen Tieren find diejenigen, die das größte Gehirn haben, feinesweges die Flügften; vielmehr ſcheint die Erfahrung zu lehren, daß die Größe des Gehirns mic der Größe ih⸗ res 321 ves Körpers in umgefehrtem Verhaͤltniße fteht; fo hat die Maus z. B. das größte, und der Elephant und Ochfe das Eleinfte Gehirn. Der Löwe, der Bär, der Wolf, der Fuchs, der Hund haben nur Fleine Gehirne, und doch übertreffen fie unläugbar die Maus fehr weit an In— telligenz. Hallers Anfangsgrunde der Phyſiolo— de, B Da man alſo auf dieſe Art das Verhaͤltnis zwiſchen dem Gehirn und der Intelligenz der Thiere nicht beſtim— men konnte, ſo verſuchte man eine andre Erklaͤrungsart, und nahm an, daß die Verſchiedenheit der intellektuellen Faͤhigkeiten bey den Thieren aus der ſpecifiſchen Schwe— re des Gehirns erklaͤrt werden muͤſte, dergeſtalt nemlich, daß ein gleich großer Kubus von dem Gehirn eines klu— gen und eines duͤmmern Thieres, im erſtern Fall mehr wiegen ſollte, als im letztern. Dieſe Hypotheſe ſcheint auf den erſten Anblick durch die Beobachtungen, welche Profeſſor Mechel uͤber die Gehirne von Wahnſinnigen gemacht hat, beſtaͤtigt zu werden. (Profeſſor Me— chels anatomiſch⸗phyſiologiſche Unterſuchungen der Urſachen der Narrheit, welche aus dem zwan— zigſten Bande der Schriften der Berliner Akademie der Wiſſenſchaften, im neuen Hamburgiſchen Magazin. Leipzig. 8. 1771. 49. St. ©.3-44% eingeruͤckt ſind). Hr. Mechel lies Wuͤrfel von ver- ſchiedner Groͤße von Meſſing verfertigen. Er maaß hierauf mit der groͤßten Genauigkeit kubiſche Stuͤcke von dem grauen Theil des Gehirns, ſowohl bey klugen als tollen Menſchen, und verglich ſodann das Gewicht dieſer Stuͤcke mit einander. Nach den Beobachtungen des Hr. Mechels betraͤgt das ganze Gewicht des — ey “ 322 — ben einem erwachſnen und gefunden Menfchen 4 Pfund 4 Unzez Quentin. Wenn nun, nad) Abzug des Gewichts der Blutgefaͤße, drey Pfund davon ubrig bleiben, fo be trägt der Unterfchied zwifchen dem Gehirn eines tollen und Flugen Menſchen fieben Duentin. ©, 20, Die Ur— ſache diefer Leichtigkeit, ift, nad) der Behauptung des Hin. Mechels, in dem Mangel der gehörigen Menge von Feuchtigkeiten in den Hirngefaßen, infonderheit den feinern zu ſuchen, wodurch denn diefe austrodnen, und ungeſchickt werden, ihrer Beftimmung ein Genuͤge zu thun. Eben diefelben Erfahrungen hat auch Nicolai in feiner Pathologie, 5. B. 9 344:353. ©. 332363, angefuͤhrt. Allein, es läßt fi) auf dieſe Verſuche doch ſchwer—⸗ lich ein fichrer Schluß bauen, da die Erfahrungen, welche Hr. Mechelüber die fpecifiten Schweren von den Gehirn hen einiger Thiere anführt, mit dieſer Theorie nicht am beften zu harmoniren ſcheinen. Ein Kubus von ſechs Li⸗ nien ( Darifer Zoll) von dem Hirnmark eines Ochſen, wog ein Quentin und vier Gran. Von eben dem Gewicht war ein ähnlicher Kubus von dem Gehirn eines Schaaf Dahingegen wog ein folcher Kubus, von dem Hirnmarf einer dreyßigjaͤhrigen Srauensperfon, von gefunden Ver⸗ ſtande und gefiindem Körper, ein Quentin vier und ein hab Gran. Nun fragt es ſich aber, ob der Unterſchied ven einem halben Gran, ben ihr Gehirn ſpecifſſch ſchwe— rer war, als das Gehirn des Ochfen und des Schaafes, für wichtig genug zu halten ift, um Daraus ihren Vorzug - an Intelligenz vor dieſen Thieren zu erklären. Hiezu kommt noch, daß das Gehirn vollblütiger und fetter Men- fhen fonder Zweifel ſchwerer ift, als foldyer, melde ma- ger — 323 ger ſind, und dieſe groͤßere Menge von Blut nicht haben; darum aber kann man nicht annehmen, daß die fetteſten und vollbluͤtigſten Leute die kluͤgſten waͤren. Eine dritte Hypotheſe hat D. Muller nach Soͤm⸗ mering in feinem Magazin für allgemeine Natur: und Thiergefihichte, 1.8. 2. St. ©, 176. ange- führe. Ihr zufolge foll die Klugheit der Thiere fich nach) dem Gehirn, dem Ruͤckenmark und den Nerven richten, dergeftalt nemlich, daß die Größe des Gehirns und Ruͤk— Fenmarfs, verbunden mit der Dicke ver Nerven, in ums gefehrtem Verhaͤltniße zur Intelligenz des Thieres fteht. Je großres Gehirn und je feinere Nerven alfo ein Thier hätte, je klüger follte es auch feyn. Da diefe Bermuthung fich zum Theil auf die zuerft angeführte von der Größe des Gehirns gründet, fo wird fie vielleicht, wenn man zugleich die andere von der fpeci= fifen Schwere des Gehirns mit ihr verbindet, und fol- chergeftalt alle drey Hypotheſen in eine einzige zufammen- ſchmelzt, der Wahrheit ziemlich nahe fommen, Es ift wohl nicht zu laͤugnen, daß die fpecifife Schwere des Gehirns in gar vielen Fällen mit der Geſundheit deffelben, und der vollfommnen Ordnung in feinen verfchiednen Thei⸗ len großen Zufammenhang hat, und auf dem guten oder ſchlechten Zuftand deffelben beruht, da ein Gehirn, wele ches trocken, hart und unnatuͤrlich leicht iſt, wahrſcheinlich zur Abfonderung und Bewegung des Mervenfafts unge ſchickt, und überall untauglich wird, feiner Beftimmung für Körper und Seele ein Gnuͤge zu thun. Je großer das Gehirn ift, je mehr Nervenbuͤndel kann es in ſich faſ⸗ fen; und je feiner diefe Nerven find, je größer wird in einem gleich großen Raum ihre Menge fen, je mehr E 2 ver⸗ verſchiedne Worftellungen ſcheinen fie erregen zu formen. . Rielleiche fonnte man alfo annehmen, daß das Verhält- niß der Intelligenz zwifchen Art und Art, zwifchen Kiaffe und Klaſſe einen gewiffen Zufammenhang mit der Größe des Gehirns und der Feinheit der Nerven hätte, und folglich Diejenigen Thiere die meifte Anlage zur Klugheit harten, bey welchen das größte Gehirn mit den feinjten Nerven verbunden ware; daß da= hingegen aber das Verhälmiß zwifchen der Intelligenz der Individen von einerley Art, zum Theil von der fperis fiten Sthwere ihres Gehirns abhange, und alſo ein Individ derfelden Art Eiger fey und feyn Fünne, als ein andres, je nach dem vollfommmern oder unvollkommnern Zuftande, Schwere, Befchaffen: heit und Einrichriehtung feines Gehirns. §. 56. Und ſo haben wir es denn verſucht, die Begriffe zu entwickeln, welche Vernunft und Erfahrung uns uͤber die intellektuellen Kräfte und Anlagen der Thiere darbies ten, Wir haben gefehn, daß diefe Thiere eben die finn= lihen Werkzeuge befigen, wodurch Vorſtellungen veran- laßt werden, als der Menfch, obgleich diefe ABerfzeuge je nach der Verſchiedenheit der Arten in ihrer Form ver» fhieden find. Wir haben gefehen, daß diefe Thiere würflihe Vorftellingen haben, nicht allein vom Gegen- wärtigen, fondern auch vom DVergangnen; daß fie ge= genwaͤrtige Falle mit vorherigen Erfahrungen vergleichen, und fic) daraus Schlüße und Negeln ziehen, wornach fie ihr Betragen einrichten. Wir haben gefehn, daß fie leiden und fich freuen, daß fie nicht allein finnliche Freude und Schmerz fühlen, fondern auch derjenigen Are von Freude = 323 Freude und Berrübniß, und der heftigern Empfindungen fähig find, welche die Einbildungsfraft bey vem Men— fchen hervorbringt. Wir haben gefehn, daß dieſe Thiere ſich willführlic bewegen, und willführlich handeln, feibft in den Fällen, wo ihre Handlungsweife im Ganzen durch die Organifatton beftimmt ift. Diefes alles vorausgefegt, mögte man nun wohl fragen: ob alle diefe Würkungen ſich aus ver Ma— ſchin-Einrichtung des Körpers erklaͤren laſſen. Und wenn man behauptet, daß dies möglich ſey, ſo muͤßen fie auch bey dem Menſchen auf eben die Art er— klaͤrt werden fonnen ; welches niemand zugeben wird und fan. - Der Menſch hat Vorftellungen, er ruft diefe Vor— ftellungen zurüc, er ift fi) bewuft, daß er diefe Vor— ftellungen hat und ehedem harte. Der Menſch verab- fcheue dies und begehrt jenes, je nachtem die Vorfiellun- gen welche er davon hat, verfchieden find. Der Menſch bewegt ſich willführlich und handelt willkuͤhrlich — und dies alles find Würfungen, die fich weder aus der Ma— terie noch Form des Körpers erklären loffen. — Die Kraft, welche diefe Wuͤrkungen hervorbringen foll, muß von allen uns befannten einfachen oder zufammengefegten Kräften verfchieden feyn. Sie muß bey der größten Ver- fhiedenheit und Mannigfaltigkeit in ihren Wuͤrkungen, Doch ihrer Natur und ihrem MWefen nad), die allereinfach- fie Kraft, und gänzlich von allem dem verfchieven feyn, was wir forperliche Kräfte zu feyn willen. Was aber Diefe Kraft nun eigentlich ift, wie ihr Wefen und wie die Subftanz befchaffen ift, worin diefe Kraft wohnet, das wiſſen wir nicht zuerflären. Mur foviel wiffen wir, daß %i3 wir 320 — mir denfen und wollen, daß wir Gedaͤchtniß und Be— touftfeyn haben, und daß wir willführlich handeln. Wir müffen alfo in unferm Wefen eine Kraft haben, wodurch Vorſtellungen und DBegierden erzeugt werden, wodurch wir ung felbft beruft find, und willführliche Handlungen vornehmen; und den Theil unfers Weſens, , welcher diefe Kraft enthält, nennen wir unfre Seele. Nun haben aber die Thiere Borftellungen, Einbildungskraft, Selbſtbewuſtſeyn, und Fähigkeie willkuͤhrlich zu handeln fo wie der Menſch. Die Thiere müffen alfe eben ſowohl eine Seele haben wie der Menfch, und wir koͤnnen dies nicht beftreiten, wenn wie nicht in den Wi— derfpruch fallen wollen, die Würfung zuzugeben, und die einzige uns begreifliche Urfache, woraus dieſe Wür« ‚fung erkläre werden kann, zuläugnen. Und fo haben wir denn uns bemüht, die Trage von der Natur dee Thiere einigermaaßen aufzulöfen. Zwey⸗ 327 Zweytes Hauptflüd. Don der Würde der Thiere, und der Ab⸗ fiht ihres Dafeyns bier auf Erden. SE We ſchreiten itzt weiter zu der Unterſuchung: was wohl die Wuͤrde dieſer Thiere iſt, und warum ſie hier auf die Erde geſetzt ſind. Und hier ſtoße ich denn gleich auf den ſtolzen Gedanken, daß der Menſch der Mittelpunkt der ganzen Schoͤpfung, und alles blos ſeinetwegen da ſeyn ſollte. Ja, Menſch! für dich ſchuͤttet die Sonne ihre wohlthaͤtigen Stralen umher, dir glaͤnzt des Mondes reizendes Licht, dir ſchimmern die Sterne an der ausge— dehnten Veſte; dieſe und jede andre Schoͤpfung Gottes, die du kennſt, kann dir Luft und Nutzen gewaͤhren; aber ein Thor bift du, wenn du mähnft, daß dies alles. nur deinetwegen da fen, oder daß es jede Abfiche feines Da- feyns erfüllt Habe, wenn es zu deinem. Mugen. und zu deiner Beluftigung bengetragen hat. Gerade fo verhält es ſich aber auch mit den andern lebenden Gefchopfen Gottes, die mit uns hier auf die Erde gefegt find. Sie find, fie fonnen auf mancherley Weife zum Nugen des. Menfchen. feyn und würfen; weit entfernt aber, daß irgend ein leben= diges Gefchöpf blos des Menfchen wegen da feyn follte, 4 finden 3.8 finden wir vielmehr bey Betrachtung der Natur der Dinge, und der Vollfommenbeiten des Schöpfers, Gründe genug, den folgenden Satz anzunehmen : Jedes lebendige Weſen, jedes Thier ift zu— naͤchſt und unmittelbar feiner felbjt wegen da, und um Durch fein Dafeyn GIAHSIE zu genießen, Man bat fich in mancherley weitlaͤuftige Unterfu- chungen über die Abfichten eingelaffen, in welchen das hoͤchſte Wefen die Welt hervorbrachte, und da die Men- ſchen faft immer ihre Begriffe von Gott von ihrem eig— nen Wefen abftrabirt, und der Gottheit verfchieone von den Schwachheiten bengeleat haben, Die bey ihnen felbft herrſchend waren, fo war es fehr natürlich, daß fie ſich Gott unter dem Bilde eines irrdifchen Fuͤrſten vorftellten, den äußrer Schimmer ergoͤzt, der des geliehenen Glanz zes bedarf, und zu deffen Verherrlichung alles ſich ver- einigen muß, als ob diefe der einzige und legte Zweck von dem Dafeyn der Staaten und Völfer wäre. Zwar begriff und geftand man, daß die Gottheit diefe Ehre, dieſe Verherrlichung aus fich felbft und durch fich ſelbſt babe; - aber dennoch behauptete man nicht etwa blos, daß er durd) feine Gefchopfe verherrlicht ſeyn wolle, fon= dern daß dieſe Verherrlihung die Hauptabſicht fey, in welcher er die Welt und ihre Bewohner hervorgebracht babe. Sa, Gore wird in feiner Schöpfung und durch) feine Schöpfung geehrt, die Himmel erzählen feinen Ruhm, und die Vefte des Himmels verfündige feinen Preiß. Aber der Unendliche bedarf dieſer Ehre nicht; und wenn er von ſeinen vernuͤnftigen Geſchoͤpfen fordert, daß ſie ihn ehren, ihm gehorchen und ihn anbeten ſollen, ſo — 329 ſo fordert er dies nur, weil ihre eigne Gluͤckſeligkeit auf der Kenntniß beruht, die ſie von ſeinem Weſen und Willen haben, und auf dem Gehorſam, den ſie gegen ſeine Befehle zeigen. Der Menſch bedarf es, daß ſeine Nebenmenſchen ihn ehren, denn unſre Freude und unſer Gluͤck Hänge großentheils von dem Betragen unfrer Ne⸗ benmenſchen gegen uns, und von ihren Urtheilen uͤber uns, ab. Der Menſch bedarf es, daß Menſchen ihn ehren, denn er iſt ſich ſelbſt nicht genug; der Unendliche aber bedarf eben fo wenig des Seraphs, als des Wur—⸗ mes; er ift groß und gut in jedem feiner Werfe; und da diefe Werke Würfungen feiner eignen unendlichen Kraft und Willens find, fo ift er groß und unendlich in fich ſelbſt, und groß würde er feyn, wenn er auch nie ein finnfiches Wefen "hervorgebracht hätte, das feine Große erfennte und fühlte, Groß und herrlich ift der Höchfte in allen feinen Werfen. Seine vernünftigen Gefchöpfe fühlen und er- fennen feine Größe, und ihre Gluͤckſeligkeit wächft und befejtige fich durch diefe Erfenneniß; aber eben fo wenig als er den Menfchen hervorbrachte, blos um von ihm erkannt zu werden, eben fo wenig bat er auch den unzäh- ligen Ihiergefchopfen , welche tiefer ftehen als der Menfch, einzig und allein des Menfchen wegen , eben und Dafeyn verliehen, oder blos damit fie dem Menſchen nuͤtzlich und dienftbar feyn mögten. Mein, Gott ift die Liebe, und Diefer unendlichen Vollkommenheit zufolge, wird er von ſeiner Seligkeit einem jeden Weſen mittheilen, je nachdem es ſeinen Faͤhigkeiten und ſeinem Zuſtande nach, dafiie empfaͤnglich iſt. Daher die unendliche Verſchieden— heit von Weſen und Faͤhigkeiten, damit die moͤglichſt größte 5 Anzahl 332 — Anzal Gluͤckſeligkeit genoßen, und die größte Vollkom— menbeit im Ganzen erreiche werden koͤnnte. Schon das Dafeyn und die. Empfindung befielben, ift ein fo hohes Gluͤck, daß wir Fein Geſchoͤpf Gottes in einem fo elenden Zuftande annehmen koͤnnen, wo die Freude über das Da- feyn nicht die Unbequemlichfeiten uͤberwoͤge, die übrigens mit feinem Dafeyn verbunden feyn mögen. Ein, in jeder Abſicht, aller möglichen Empfindung von Glück beraub: tes Gefchöpf, erlaubt die Liebe des Unendlichen ung nicht als möglid) zu gedenken. Jedem lebendigen Wefen, dem Gore das Dafeyn fchenfte, verlieh er alfo mit demfelben Freuden- Empfänglichfeit; verlieh ihm mit dem Dafeyn nicht allein Zugang zur Freude, fondern feßte es aud) zu- gleicher Zeit in würflichen Befis derfelben. Da alfo die unendliche Liebe wollte, daß alles, mas Leben hätte, Glück empfinden follte, fo wollte fie auch, daß jedes Ie- bendige Weſen da feyn follte, um glüclich zu feyn, alſo zunachft und unmittelbar um fein felbjt willen. % 58. Jedes lebendige Werfen ift zunächft und unmittel- bar um fein felbft willen da; aber die Natur ift Feines- weges darum eine verwoirrte und unordentliche Sammlung von einzelnen Dingen und Theilen, die unter einander geworfen find, ohne unter fih Zufammenhang zu haben. Ueberall, wo wir unfre Blicke binwerfen, finden wir Ordnung und Weisheit und Abfichten in der Einrichtung der Natur. Wie jedes lebendige Wefen für ſich beftehr, und zunächft und hauptfächlich um fein felbft willen da ift, fo fteht es zugleich in einem gewiſſen beftimmten Verhaͤlt⸗ niffe zu der ganzen großen Natur, von der es ein Theil ift; 338 iſt; es ſteht in einem beftimmen Verhaͤltniſſe zu den übri- gen lebenden und fühlenden Weſen, die mie ihm und um ihn her find und leben; es muß durch feine Wuͤrkſamkeit feinen beftimmten Antheil zu der allgemeinen Vollkommen⸗ heit beytragen ‚welche das Refultat aller in der Natur vor— handnen Kräfte und ihrer Würfungen if. Die Betrach-⸗ tung der Natur lehrt und überzeugt uns, daß der allweife Urheber derfelben fich der nemlichen einzelnen Mittel bez dient, mehrere wichtige Abfichten auszuführen. So mie er feine überflüßige und unnüge Kraft in die Natur legte, fo fchränfte er auch Feine Kraft blos darauf ein, auf fich felbft und für fich felbjt zu würfen. Alles in der Natur ift Harmonie; Harmonie aber läßt fich nicht in Verbindung mit ifolirten Kräften denken. Und diefe Bemerkungen gelten nun aud) von den Thieren. Gore will, daß jedes Individ für ſich fo viel Gluͤck⸗ feligfeie genießen foll, als es in jeglihem Zeitpunfte, feinen Fähigkeiten und feinem Zuftande nach, erreichen kann; aber er hat auch diefe \ndividen in Verbindung mit andern gefeßt, zu deren Glücke fie durch ihr Daſeyn ebenfalls mitwürfen follen; und in dieſer Ruͤckſicht kann man denn fagen, daß die eine Thierart der andern wegen, das eine Ihier des andern wegen da fey, und daß jede Thierart auf ihre Weife und ihren Fähigkeiten und Kräfs ten nach, dazu beyträge, die Bollfommenheit des Ganz zen zu bewuͤrken. Diefe Betrachtungen, verbunden mit dem, mas mir im Vorhergehenden angeführt haben, machen es nothmwendig , die Würde der Thiere aus einem. doppelten Gefichtspunfte anzufehen. Die abfolute Würde der Thiere beſteht darin, vaß fie lebendige, empfindende, intellektuelle We⸗ fen 332 fen find, deren jedes für fich beſtimmt iſt, glück: lich zu ſeyn, weil fie Sähigfeiten und Anlagen haben, Glückfeligfeit zu genießen, und durd) ihr Dafeyn in Be— fig von Freude und Glück gefegt wurden. Diefe Freude - und dies Glück find nun freylich größer oder geringer, je nachdem der Würfungsfreis des Thiers von großerm oder geringerm Umfange ift, aber jedes lebendige Wefen erhielt mit dem Leben auc) zugleich die Freuden, die nothwendig damit verbunden find, aus der Hand des Schoöpfers; jedes lebendige Wefen hat feinen Grab von ntelligenz, und feine Würde als intelleftuelles Nbefen unter den an: dern Intelligenzen. Die relative Wuͤrde der Thiere ift die, daß fie als mitwuͤrkende, und fogar auf mancheriey Weiſe willführfich mitwuͤrkende Subſtanzen zu dem großen Ziel der Vollkommenheit angeſehen werden koͤnnen, welches der Unendliche fuͤr alle feine Geſchoͤpfe beſtimmte; und hievon wird eine aufs merſame Betrachtung der Natur uns die vollkommenſte Yeberzeugung gewähren. $. 59. Ich will hier nicht davon_reden, daß fo manche Thierarten in vieler Hinficht auffallend und unmittelbar zum Beſten des Menfchen beytragen, ohne daß wir ge= rechte Urfache hätten, zu flagen, daß ihr Dafeyn ung zur Saft fill, Diefe Thiere helfen nicht allein unfern natürlichen Bedürfniffen ab, fie liefern auch ihren Bey— trag zu unfern DBequemlichfeiten und DBeluftigungen. - Wir wiffen die Zähne des Elephanten und Flußpferdes zum Schmucke anzumenden, wie prangen mit dem Ge- webe 335 webe des Seidenmwurms, wir Fleiden uns in der Wolle des Schaafs, und in dem Felle des Wolfs und des Bären, die Milch der Kub diene uns auf mancherley Weife zur Nahrung, und wir benugen die Kräfte des Pferdes, um unſre Arbeiten zu erleichtern. Aus dem Thierreich ziehen wir infonderheit einen wichtigen Theil der Dinge, die ung zur Nahrung und zum $ebensunterhale dienen, und auf diefe Weife tragen die Thiere durch ihr Dafeyn vorzüglich zum Wohl und zur Erhaltung des Menfchen bey. Aber es ift dem ftolzen Menfchen nicht genug , daß er fo vielfältigen Nugen von den Thiergefchöpfen hat, die mit ihm hier auf der Erde leben; er mögte fich fogern überreden ‚daß er das einzige wichtige Weſen in der gan= zen fichtbaren Schöpfung fey, und daß die Erde, und alles was die Erde trägt, einzig und allein feinetwegen Da wäre. Kin Gedanfe, ven die Eitelfeit erzeugte, und den nur Mangel an Kenntniß der Natur, und in— . fonderheit des weitläufigen Thierreichs, nähren und unter- ftügen Fan. Wir fennen den Bandwurm, den Spulwurm, den un ‚ den Blafenwurm, und fo viele andre Wuͤrmer in menfchlichen und thieri⸗ ſchen Körpern; aber es läßt fich Fein erfinnlicher Tuben denken, den diefe Thiergefchöpfe dem Menſchen leifien follten. Unannehmlichfeiten und Schmerzen verurfachen fie ihm gar oft; aber eben fo wenig als es Die Hauptbe— ſtimmung diefer Thiere feyn kann, den Menſchen zu pla= gen, eben fo wenig kann man auch annehmen, daß fie äuerft und vorzüglich zum Beften des Menſchen geſchaf— fen find. Was für Nusen kann 5. DB. der Menſch da= von haben, daß der Blafenwurm ( Hydatis multi- 2 ſich in dem Gehirn der Schaͤafe aufhaͤlt? Daß der ı 334 der Bandwurm (Taenia) fich iniden Hechten und Bref: fen erzeugt? Daß der Haarwurm (Echinorhynchos Trichuris) in dem Blinddarme lebe? und ver Spuk wurm (Lumbricus Inteftinalis ) fich in vem Darmfa- nale überall in Menge aufhaͤlt? Welchen Nusen ſchaft der im Vorhergehenden erwähnte Amerifanifihe Sand: floy? Was must die Wallfifchlaus (Phalangium Balaenarum) dem Menfihen, und wie kann man, ohne widerfinnig zu urtheilen, annehmen, daß Diefe Thiere vorzüglich zum Nutzen des Menfchen, und um feinetre= gen gefchaffen find? Und nun die ganze Klaffe, und die verfchiednen Gattungen, der fo genannten Infuſions— thiere, Die man in neuern Zeiten entdeckt und befchrie: ben hat! Sollten auch fie wohl hauptfächlich des Men: fchen- wegen da ſeyn? Sa, die Betrachtung diefer Befchöpfe kann ung die Weisheit und Große ihres Schöpfers bewundern leh⸗ ren; aber eben ven Nutzen fonnen auch die Engel, und andre von Gott mie höherer Intelligenz beſchenkte Weſen aus der Betrachtung des Menfchen ziehen. Und mir werden doch nicht annehmen wollen, daß es die Haupt: abjicht unfers Dafeyns fey, andern Gefchöpfen Gottes, denen eine höhere ntelligenz verliehen ward, als ung, Veranlaſſung zu Betrachtungen zu geben. Die Men: ſchen, mwelche in Guiana in Südamerifa wohnen, find gewiß eben fo geneigt als andre, zu glauben, daß der Erdſtrich, den fie bewohnen, hauptfächlid) ihretwegen geſchafſen ſey, und daß auf diefem Erdſtrich alles zu ihrem Vergnügen und Nutzen dienen müfte; aber die ungeheure Menge Schlangen, ven welchen diefe Gegend wimmelt, und die ihre Bewohner täglicher Sebensgefahr ausſetzt, ausfetzt, überzeugt fie deutlich des Gegenrheils, Bancdk- roft erzänle in feiner Naturgeſchichte von Guiana, daß er unter den Schlangen, die er in ungefähr drey Mona— ten einfammelte, zwifchen funfzig und fechszig verſchiedne Gattungen zählte, und ſetzt hinzu, daß eine genaue Be— ſchreibung der Sihlangen in diefer Gegend, ein ganzes Buch ausmachen würde. *) Allein, felbft diefer Um— fand, daß eine fo außerordentliche Menge Schlangen hier an einem Orte beyfammen find, feheint darzuthun, daß der Menfch weder zum abjoluten uneingefchräniten Ailein= herrn der Erde beftimme, noch alles, was die Erde trägt, vorzüglid) feinetwegen da if, Vernunft und Erfahrung lehren uns im Gegentheil, daß wie der Menfch, vermoge feiner höhern Intelligenz, das erſte Gefchopf auf Erden ift, fo ift diefe Erde dem Thiere und dem Menfchen zum gemeinfchaftlihen Wohnort angerviefen, ein Wohnort, worauf beyde gleiches Recht haben, da der Schöpfer bey- den ihr Dafeyn auf der Erde verlieh. Sowohl das Thier als der Menfch würfen mit einander und gegen einander, je nachdem die Umftände es mit fich bringen; allein, durch diefe gegenfeitige Mitwuͤrkung und Gegenwuͤrkung, tragen fie vereint zu der Vollkommenheit des Ganzen bey, weiche die Endabficht des Dafeyns der lebendigen und leblofen Schöpfung ift. Hieraus aber folgt, daß der Menfch Fein gegruͤn⸗ detes Recht hat, über die Einrichtung der Dinge zu kla— gen, wenn gleich die Wurfungen, die aus dem Dafeyn dieſes oder jenes Thiergefchöpfs, und feinem Verhaͤltniße zu *) Allerneueſte Mannigfaltigkeiten. Berlin, 8. 1737. 1, Jahrg. S. 432. u f. 336 zu ung entfpringen, ihm je zumeilen Unluft und Mißver- gnügen verurfachen; denn die Vorfehung gab uns nie- mals ein ausfchließliches Recht, die einzigen lebendigen Gefchöpfe auf der Erde zu feyn. Das Thier, was ung vielleicht am meiften ſchadet, freue fi) doch feines Da— feyns, und der Anwendung feiner Fähigkeiten, eben fo wohl als wir uns unfrer Fähigkeiten und Wuͤrkſamkeit freuen; und fowohl das Thier als der Menfch verdanken ihr Dafeyn, Wefen und Fähigkeiten dem einzigen großen und guten Heren der Natur, Wollte man dem Men: ſchen ein gegründetes Recht einräumen, fich über die Thiere zu befehweren, welche ihrer Natur und Wuͤrkſam— feit zufolge uns Unluft verurfachen und fchädlich find, fo fonnten die Thiere mit weit großerm Nechte über den Men— fchen flagen, der, feine eigne Gattung ausgenommen, der allgemeine Feind von allem ift, was in der Natur lebe und webr. Jedes einzelne Thiergefchöpf ift zunächft und unmit⸗ telbar um fein felbft willen da; aber es ftehe zu gleicher Zeit mit den andern Gefchöpfen im Zufammenhang, welche mit ihm und um ihn her da find und leben; und ob- ſchon es ſich oft zutraͤgt, daß das verfchiedne Intereſſe diefer Gefchopfe fie mit einander in Streit verwickelt, und ein Thier die Glückfeligfeit des andern beeinträchtigt und ftört; fo bleibe es Doch immer eine ausgemachte Wahr— beit, daß jegliches Thier auf feine Weiſe Dazu beyträgt, dasjenige zu befordern, was für das Ganze gue ift. $. 60, Rein Thiergefchöpf ift fo gering, fo anfchei: nend fchadlich und veraͤchtlich, Daß «8 Bi eine feine Weife zu einer gewiſſen beftimmten Abficht wuͤrkte, und dadurch, für das Ganze, Das Gute beförderte, Ganz gewiß find wir in vielen Stuͤcken unwiffend, welchen Nutzen diefes oder jenes Geſchoͤpf Gottes dur) fein Dafeyn ſchaft; in folchen Fällen aber fchließen wir mit der vernünftigften Gemwißheit, von dem, was wir wiffen, auf das, was wir nicht wiſſen oder verftehen. Entdecken wir in allem, mas wir von der Haushaltung der Thiere wiffen und begreifen, die Weisheit des Schöpfers, fo muß auc) der Unendliche feine weifen Abfichten mit den unzähligen andern Kreaturen gehabt haben, die er her- vorbrachte; obgleich wir zu Furzfichtig find, den wahren Mugen zu entdecken ‚den fie dur) ihe Dafeyn wuͤrken. Ein jedes Thier hat feinen Nutzen für die Welt, und felbft bey den Thierarten, die wir mit aller Gewalt verfolgen und ausrotten, oder deren Dafeyn wir mit Gleichguͤltigkeit anfehen, entdek⸗ fen wir diefen allgemeinen Mugen. Wir verfolgen die Sper= linge, weil fie uns einen Theil der Seldfrüchte rauben ; viel⸗ leicht aber würden wir das Ganze einbüßen, wenn dieſe Sper⸗ linge niche ihre Nahrung darin fanden, die Schwärme des Ungeziefers zu zerftören, bie fonft die Hofnung des Landmanns gänzlich vernichten würden. Wie groß die Vermüftung ift, welche die Sper= linge unter den Inſekten und Würmern anrichten, kann man deutlich aus der Berechnung fehen, die Hr. Brad⸗ len, Profefior der Botanif an der Univerfitat zu Cams bridge, in feiner Xbhandlung über den Ackerbau einges rücke bat, und worin er die Anzahl von Larven angiebt, ‚welche ein paar Sperlinge gebraucht, um feine ungen zu fuͤttern. Cie beläuft fih in einer Woche auf drey taufend dreyhundert und fechzig. Die Nichtigfeie diefer D)) Berech⸗ Berechnung zeigt er auf folgende Are: man hat bemerkt, daß ein Sperling, der Junge hat, jede Stunde zwanzig Mal zum Neſte fliege, um ihnen Butter zu bringen. Dies thut ſowohl der Vater als die Mutter. Die Jun— gen erhalten alfo jede Stunde vierzig Schnabel voll Fut⸗ ter. Nimmt man nun an, daß beyve Sperlinge zwolf Stunden täglich dazu anwenden ihre Jungen zu füttern, fo erhalten diefe jeden Tag vierhundert und achtzig Dortio- nen; und dies macht denn für Die ganze Woche 3360 farven, wenn man annimmt, daß der Sperling jedes Mal nur eine Sarve bringe, fie haben aber oft mehrere $arven zugleich im Schnabel. So fehr träge diefe Vo— gelart zur Vertilgung der Inſekten bey; und es ift wohl zu bemerfen, daß dies die einzige Nabrung ift, die fie ihren Jungen geben. DBefonders wird eine Art junger, glatter, grünlicher Larven fehr von ihnen gefucht, und ſcheint ein rechter Leckerbiſſen für fie zu feyn; wie man dies in den erften Tagen des Frühlings felbft fehen kann, wenn man auf die Sperlinge Acht geben will. *) Es giebt eine Sarvenart, die man Blattwickler nenne, weil fie vie Blätter der Bäume zufammenrollt, um fi) darin zu verbergen. Diefe Larve richtet große Verwuͤſtungen auf ven Bäumen an, wo fie fi) einnifter. Aber die Sperlinge machen von April bis Junii unaufhorlich auf dieſe Sarven Jagd, und zerftüren eine ungeheure Menge derfelden. Und doch haßt man den Sperling, und treibt fogar diefen unüberlegten Haß fo weit, daß man zu— mweilen Prämien auf die Ausrottung dieſer Vogelart ausgefeßt hat. Wie *) Neue Mannigfaltigkeiten. 4. Jahrg. S. 266, Wie fehen wir nicht in der Dfligeze die Kraͤhe, die Elfter und ven Stacr die offnen Fucchen durchſuchen, und dadurd) ein Heer. von Wuͤrmern vernichten , welche fonft, in dem folgenden Sommer, nad) vorhergegang- ner Verwandlung, zum Verderben der Feldfruͤchte herz umfliegen würden. Befoͤrdert die Fliege nicht die ge— ſchwindere Auflöfung der in der offnen Luft bingelegten Aefer, durch die Gaͤhrung der Theile, die fie verurfacht ? Und hilfe fie nicht dadurch die Luſt von den langfam ver- giftenden Ausdünftungen befreyen, wovon fie fonft würde angefteckt werden? Wie nüglich ift nicht das Inſekt, der Aasgraber (Silpka vefpillo) genannt, an den Orten, wo es fic) aufhält. Es lege feine Eyer in den Aefern verfchiedner Fleiner Thiere, Es fann die fodten Körper von weiten riechen, fobald fie anfangen in Faͤulniß über zu gehen, und nun vereinigen fich mehrere von dieſen Inſekten, um fie einzufcharren. Sie begraben Mäufe, Froͤſche, Kroͤten, Maulwürfe, Schlangen u. f. w. und fechfe von ihnen follen im Stande feyn, binnen vier Stunden einen todten Maulwurf zu verfcharren. Ueberhaupt gilt von allen Inſekten allgemein die Bemerfung, daß die Anzahl ihrer Feinde, von wel- chen fie beftändig verfolgt werden, mit ihrer außerordent— lich ſtarken Vermehrung in Verhälmiß fteht. So— gar unter fich- reiben fie einander auf; gewiſſe Gar: tungen derfelben effen fich) in den Körper andrer Inſekten hinein; fie leben von ihnen, und verurfachen dadurch den Tod folcher Inſekten. Der Kakerlack (Blatta Americana) ift ein in Weftindien befanntes und über- aus ſchaͤdliches Inſekt, das dadurch noch um fo nachthei⸗— liger wird , weil man ſelbſt bey der größten Vorſich⸗ N) 2 tigkeit tigfeie fi nicht vor ihm huͤten kann. Es ift eben fo fruchtbar, als ſchaͤdlich; aber es hat auch Feinde in Menge, Die Sforpionen, die Taufendfüße, die großen Spinnen, die Hiner u. a, zerftören unzaͤh— lige derfelben; und wenn die Neger ihren unglücklichen Zuftand recht mie Nachdruck fehildern wollen, fo fagen fie: ich bin ein armer Kakerlack. *) Die Maulivurfs » Maße (Mus Myofphala ) ein Mittelding zwiſchen der Maus und dem Maulwurf, deren eigentlicher Wohnort unter der Erde ift, wird ges woͤhnlich von den Neifenden in Siberien für eine große Plage gehalten. Selbſt Profeffor Carmann, der dies Thier befchrieben hat, gefteht, daß er, ehe er die Nuͤtz⸗ lichfeie deflelben Fennen lernte, oft darauf erbittert gewe⸗ fen ſey. Die Maulwurfsrage wirft eben ſolche Erdhüs gel auf, als der Maulwurf, und zwar in fo großer Menge, daß die ganze Oberfläche der Erde im weſtlichen Sibe— vien unfergraben und mit folchen Erdhaufen bedeckt iſt. Sie fallen infonderheit den zu Pferde reiſenden befchwer- lich, weil das Pferd unfehlbar flürgen muß, wenn es mit feinen Süßen in eins von den Loͤchern tritt, die Die Maulwurfsrage gemacht hat. Uber die Unbequemlic)- feiten, Die dies Thier in diefer Hinfiche verurfacht, find gegen den großen Nußen, den es Durch fein Dafeyn und feine Wuͤrkſamkeit ſchaft, faft von gar Feiner Bedeutung. Es giebt ganze Felder im füdlichen Siberien, wo man beynabe Feine einzige Moosart antrift, und die das hingegen mit Eleinem Gebüfche bedeckt find, deſſen dicke Wur⸗ #) le Mannigfaltigteiten. Erſter Jahrg. Seite 304: 348 Wurzeln ſich wie Zweige im der Erde ausbreiten, und fie dichte und torfähnli machen; fo wie der Stengel und Die Zweige deflelben die ganze Oberfläche einnehmen. Diejenigen Sommergewächfe,, die jedes Jahr einer wei— den und lockern Erdart bedürfen, wenn fie aus dem Saa— men hervor feimen follen, würden auf feine Weiſe in einen unbebauten und flachen Lande gedeihen und wachſen koͤnnen, wenn nicht der Herr der Natur die Maulmurfsrage dazu beftimme hätte, die Felder Siberiens auf eben die Art zu pflügen, als der gemeine Maulwurf es in Pohlen, und die Ziefelmaus (Mus Citellus) im füdlichen Rußland thut. Ferner finden fid) im Sommer fehr viele Fleine Vögel auf den fiberifchen Feldern ein, aber da es dafelbft um eben die Zeit eine unglaublic große Menge Raub⸗ vogel von verfchiednen Gattungen giebt, fo würden jene nie in Sicherheic ihre Jungen ausbrüten fonnen, wenn die Maulmurfsrage und andre Thiere diefer Art, ihnen niche unter der Erde fichre Zufluchtsörter verfchaften, wo fie ihre Eyer legen, und den Berfolgungen der Raubvo« gel entgehen Fönnten. Profeſſor Laxmann gründer diefe Demerfungen auf eigne Erfahrung; denn er fah, wie er fagt, in Siberien nirgends ein Sommergewaͤchs, als nur auf den Erdhaufen, die die Maulmurfsrage aufgewor⸗ fen hatte; oder auch an ſolchen Stellen, wo Menfchen« fleiß oder Naturwuͤrkungen die Oberfläche der Erde ent« bloße und verändert hatten. Auch fand er nie ein Vogels neft auf dem flachen Felde, fondern immer in den erwaͤhn⸗ ten Höhlen der Waulmurfsragen. *) Dies aber vors ausgefegt, wird wohl niemand die Nuͤtzlichkeit diefer „3 Thiere *) Neuefte Mannigfaltigfeiten. 2. Jahrgang. Seite 807 : 812, 342 ng Thiere in Zmeifel ziehen, obgleich ein oder andrer Reiſender fich befuge halten mag, mit ihnen unzu«- frieden zu feyn. Wir find dem Fuchs gram, wegen des Schadens den er unfern zahmen Hausthieren zufügt, haben wir aber nicht, fogar in unferm Vaterlande, diefes Thier ganze Heere von Feldmäufen ausrotten fehen, die fonft zum Verderben des Landes und der Saaten, gelebt und fi) vermehrt haben würden. Schlangen und andre frie- ende Thiere find uns zumider; follten fie aber nicht zu unferm Nugen würfen, durch den Erdgift, den fie an fi) ziehen; und was miffen wir, auf wie mancherley Art fie durch ihr Dafeyn nüglic werden koͤnnen? Jede Thierart, jedes Individ nuͤtzt, fo lange es lebe, indem es zu den Abfichten des Hochften auf feine beftimmte Weife wuͤrkt, und in feinem Tode nuͤtzt es zur Unterhaltung an: drer Arten und Individen. Anmerfung. 1) Ueber die Pharass : Nase (Viverra ‚Ichneumon) und Genett-K’age ( Viverra Genetta) made Dr. Sparrmann ©. 44. folgende Bemerkungen. Man befchuldige diefe Thiere, daß fie in den Haushaltungen den Hünern und Eyern Schaden thun; dahingegen aber find fie zur Vertilgung der großen Rasen von großem Mugen. In der allgemeinen Defo- nomie der Natur find diefe Thiere noch müglicher, als 'man am Kap von ihnen glaube Der Nil und ganz Aegypten würde z. E. von Krofodillen wimmeln, wenn die Pharaos - Rage nicht einen großen Theil ihrer Eyer zerftörte. In Oftindien ruͤhmt man dies Thier, weil 88 die gar zu große Anzahl Der dort ſich aufbaltenden Kröten und giftigen Schlangen vermindert, und eben diefen 343 dieſen Dienft leiftet die Genette in Afrifa. Auch tragen fie fonder Zweifel nicht wenig dazu bey, die Maulwürfe in gehörigen Schranfen zu halten. In Oftindien pfle= gen die Einwohner das Ichneumon zahm zu machen, fo, daß es ihnen wie ein Hund nachfolge; und dadurch eben hat man erfahren, daß die Schlangenwurzel (Ophiorhiza) ein £refliches Heilmittel wider den Schlangenbiß ifi. Am Kap würde man wahrfcheinlic eben fo nuͤtzliche Entdeckun— gen machen, wenn man dort zahme Pharaos- Nagen hätte und Acht gäbe, mas für Mittel fie zu ihrer Heie lung fuchten, wenn fie von Schlangen gebißen worden 2) Das Krofodilf hat übrigens einen noch gefähr- lichern Feind an einer Art Schildkröte, welche die Ara« ber Thirfah nennen, und die fich im Nil aufhält. So— bald die jungen Krofodille aus dem Ey gefrochen find und im Nil herumſchwimmen, fälle diefe Schildkröte über fie ber, und friße fie; fie fängt deren täglich etliche, und die wenigften entgehen ihren Berfolgungen. Man findet diefe Schildfröte nur in den obern Gegenden des Pils, wo die Krofodille in der Nähe find; und die Einwohner in der Gegend von Theben fahen einmal, daß von funfe zig Krodillen, die in einem einzigen Neſte ausgebrütet waren, nur fieben den Nachjtellungen der gedachten Schildkröte entgiengen. Voigts Magazin für das Neueſte aus der Phyſik, 4. B. 2. St. Seite 67:68. Uebrigens werden auch viele Krokodilleyer von der Murter felbft zerftort, da die Füße diefes Thiers fehr furz find, und der Bauch deflelben daher längft der Erde binfchleppt. Dies ift, wie Dobrizhofer bemerfe, für eine Beranftaltung der Vorfehung anzufeben, ohne welche fihon vor langer Zeit fein Plas in Amerifa für Fiſche 4 umd 344 — und andre Thiere gewefen feyn wuͤrde. Geſchichte der Abiponen, einer berittenen und Eriegerifchen Na— tion in Paraguay, von Herrn Abt Dobrizhofer. Aus dem Lateinischen uberfegt von A. Kreil. Wien, 1783. 8 1. Th. © 397. 3) Auf den Amerifanifchen Inſeln giebt es eine Are Schlangen, welche Pater Labat, Waldottern nennt; dieſe verfolgen nicht allein die Rasen, fondern fie find auch ausgemachte Feinde aller andern Echlangen, und leben mit ihnen in unaufhörlihem Kriege; fie find von den andern Echlangen leicht zu unterfcheiden, da die Waldotter, wie der Mal, einen langen und dabey runden Kopf hat; die Köpfe der andern Schlangen da— hingegen platt und beynahe dreyeckigt find. Diefe Schlans gen find nicht giftig; und werden des Nutzens wegen, den fie ftiften, von den Einwohnern nicht verfolge ober getodtet. Die Waldottern werden aufgebracht, wenn man Steine nad) ihnen wirft, und fie daran hindert, ihren Raub zu erhafchen. Sie gehen alsdann auf denjenigen los, der ihnen Unruhe verurfachte, und beißen wie die Hunde, wenn fie Gelegenheit dazu haben. Eine biefer Waldottern, die der Verfaffer felbft fah, fchien über zehn Ellen lang, und fo dick zu feyn als das ‘Bein eines Mannes um die Wade ift. Sie bewegen fich fo fchnell, daß fie ohne Schwierigkeit einen Menfchen einholen fon« nen, ber aus allen Kräften läuft. Wenn bie Waldotter und die Schlange mit einan⸗ ber kaͤmpfen, fo fuchen fie vorzuͤglich den Kopf ihres Gegners zu faffen, und wenn es einem von beyden ge lingt, den Kopf feines Feindes zu verſchlucken, fo erfticke er er ihn augenblicklich, und fauge darauf den ganzen Kür: per in ſich. Oft verfegt Die Schlange der Waldotter einen Hieb mir ihren Giftzäbnen, und dann reibe diefe ſich au⸗ genblicklich an einer Pflanze, welche Mango (Malnomee) genannt wird; durch das Berühren diefer Pflanze wird. fie geheilt, und erfcheine gleich darauf wieder auf dent . Kampfplag. Diefe Pflanze wird auch) in den Arzeneyen gegen den Schlangengift gebraucht, und ift, wie der Verfaſſer glaubt, das wichtigfte Ingredienz derfelben. P. Labats Reifen nach Weftindien, 2.8, Seite 496.99. 4) Von dem Tigerwolf, der geflecften Hyane (canis hyaena) fagt Sparrmann: Esift unläugbar, und allgemein befannt, daß diefe Hyänen ſich, wenn die Nächte dunkel find, faft immer bey den Schlachtftellen im Kap einfinden, um die Knochen und Häute zu freffen und fortzufchleppen, die dort in Menge hingeworfen wer⸗ den. And da diefe Raubehiere weder von Menfchen noch Hunden in ihrer Arbeit geftore werden, fo hört man auch ſelten, daß fie dabey Schaden thun. Die Natur bat in der Gefräßigfeit dieſer Thiere einen merfwürdigen Beweiß von der Weisheit ihrer Einrichtungen gegeben. Die Ge: gend um das Kap würde zum Abfcheu mit Knochen und Aeſern angefüllt feyn, da fo viele und zahlreihe Schaa— ten von großen und Fleinen wilden Thieren daſelbſt ihre Nahrung fuchen, wenn nicht der Tigerwolf gleichfam der Polizepbediente der Natur wäre, und ihren Schauplag reinigte; denn Sowen, Tiger und andre Thiere, freflen feine Kncchen, und rühren felten ein Yas an. Dahin— gegen dienen fie der Natur auf andre Art; infonderheit tragen fie, mit dem Menfchen, dazu bey, das Gleich» gewicht zwiſchen dem Thier und Pflanzenweiche zu erhal- 5 een; 346 — —— ten; fo, daß der Thiere nicht mehr werden, als Nahrung finden fonnen. Daher findet man, ungeachtet der großen Menge wilder Thiere, felten viele Knochen von ihnen; und nie fiehe man Gerippe von Loͤwen, Tigern, wilden Kagen und wilden Hunden, Damit fie nicht die Felver, zu deren Reinigung die Natur fie beftimme hat, mit ih: ren Aeſern verunreinigen follen, gehen diefe Thiere, wenn fie fich ſchwach und kraftlos fühlen, nicht mehr aus ihren Höhlen hervor, fondern erwarten dafelbft unter Zucfuns gen und. Hunger den Tod. Hiebey muß ic) noch bemer- fen, daß, fo unglaublich viel der Tigerwolf freſſen Fann, fo aufßerordentlichen Hunger ift er auch auszuhalten im Stande. Nimmt man hiezu noch, daß er ziemlid) feige ift, und fid) nicht gern an lebendige Thiere wagt, fo ſieht man, daß feine Gefräßigfeit Hauptfächlich dazu dient, dasjenige zu verzehren, was wegen Alter, Schwachheit oder Berftümmelung im Thierreich zu nichts mehr nutzt, fo wie deffen Auswurf, Aefer und Knochen, und allen= falls den Ueberſchuß in vemfelben; daß man aber übri- gens Feine bedeutende Verwuͤſtung von diefem gefräßigen Ihiere zu befürchten Habe. Sparrmanns Heifen. Seite 157. uf. 5) Der Abbe Proyart redet von einem Inſekt in Afrika, daß die Größe eines Käfers hat, und in die— fen heißen Himmelsgegenden von dem größten Nutzen ift. Dies Inſekt reinige das fand, und ift unermüdlich be- ſchaͤftigt, alle Unreinlichfeiten zu ſammeln, welche Die Luft verderben koͤnnten. Es bildet aus denfelben kleine Kügel- chen, und verwahrt fie in Loͤchern, die es felbft ziemlich tief in die Erde graͤbt. Dies Inſekt vermehrt fic) fo ftarf, daß es im Stande it, ſowohl Städte als Dörfer rein zu halten. 347 halten. Gefchichte von Loango und Kafongo, und andern Königreichen in Afrika, aus den Nach— richten der Vorſteher der franzoͤſiſchen Miflion, verfertigt von Abbe Proyart. Leipzig, ‚177. 8. Seite 34: 6) Die weiße Ameiſe in Afrifa (Termes) verurſacht den Einwohnern großen Schaden und Berſchwerde; aber man hat erfahren, daß dieſe Ameiſen, wenn ſie mit einem Theil ihrer Wohnung in Waſſer gekocht werden, ein ſchweißtreibendes, krampfſtillendes Getraͤnk geben, das Herr Lafoſſe, dem wir eine Beſchreibung dieſer Thierart verdanken, in krampfichten Zufaͤllen, inſonder— heit bey dem fo genannten Todeskrampfe (Tetanus), der in Diefen Gegenden fehr gewöhnlich ift, mit gufem Erfolg angewandt hat, Lichtenbergs Magazin, 5. 3, 1. St. S. 79. Wenn alfo die Ameiſe befchmerlich faͤllt, fo ift fie doc) auc) von wichtigem Nutzen. | 7) Man Elage darüber, daß die Raubthiere zu- weilen Menfchen toͤdten und freffen; aber ißt der Menfch nicht faft alle Thiergefchöpfe? Herodot erzähle (Lib. 2.) daß , obgleich einige Aegypter das Krofodill als eine Gottheit verehrten, es doch andre gab, die es toͤdteten und aßen. Der Berichte fpäterer Reiſenden nicht zu ge— denfen, die es bejtätigen, daß nicht allein das Krofodill in Indien feet gemacht und. gegefien wird, fondern daß man dafelbft feine Eyer fogar für einen Leckerbiſſen hält. Man finder hierüber verfchiedne Nachrichten gefammelt in: Mannigfaltigkeiten, 2. Jahrg. ©. 58182. Mag auch der Lowe in Afrifa zumeilen den Menfchen an« greifen; Schaw und Bruce berichten uns, daß zwi- ſchen Algier und Tunis ein Stamm Araber: wohnt, die ſich 348 — — ſich Velled Sidi Boogannim (Soͤhne des Vaters der Hirten) nennen; dieſe machen Jagd auf die Lowen, und £odeen fie, um fie zu eflen; wie denn Bruce felbft, bey diefen Arabern von dem Fleifche Dreyer verfchiednen Löwen gegeffen hat. Reiſen zur Entdeckung der Quellen des Nils in den Jahren 1768 : 1773, von Ja— mes Bruce von Kinnaird u. ſ. w., überfegt von Volkmann. Seipjig. 8.1799 1. B. S. 24. Der Biß des Chameleons iſt giftig und in hohem Grade gefaͤhrlich; aber die Mohriſchen Weiber, welche gern fett werden wollen, kochen und eſſen dies Thier; wie die Mohren uͤberhaupt das Fleiſch deſſelben trocknen, und es in fieberhaften Zufäl- len eßen. Neueſte Mannigfaltigkeiten, 3. Jahrg. ©.634. Die Zigeuner im Temeswariſchen Ban nat brauchen gefochtes Schlangenfleifs) als ein Mittel wider den Ausfchlag ; fo bedienten auch die alten Aegyp— ter fich des Schlangenfleifches, als des fiherften Mittels gegen die Elephantiafis, mwelche, nach dem Zeugniß der Aerzte damaliger Zeit, vie furchebarfte von allen Kranfheiten der Haut war. Und da diefe Krankheit ge rade in Aegypten fehr gemein ift, und dies fand eine un- glaublihe Menge Schlangen hat, fo ift es einleuchtend genug, daß die Menfihen nicht Usfache Haben, über das Dafeyn diefer IThierart in jenen Gegenden zu flagen. So gefährlid die Klapperſchlange auch ift, fo wird fie doch von den Schweinen verfolge und gefreffen, wie Kalm und andre verfihern. Pater Labat made in feiner Weftindifchen Neife die allgemeine Bemerkung, daß die Schweine fi im geringften nicht vor ven Schlans gen fürchten, fondern fie fogar verfolgen, und ohne den mindeften Schaden eßen. Werden fie jezumeilen von einer giftigen Schlange gebiffen, fo geht das Sleifc um die — 349 die Wunde herum, gleich in Fäulnig über, und fege zu- legt eine Rinde die von felbft abfäll, Des Pater La: bats Reifen nach Weftindien. Nürnberg. 8.1783. 3.8. ©. 30, Neueſte Dannigfeltigkeiten 4 Jahrg. 58-9. Dellon erzähle in feiner Keifer beſchreibung, daß es in Malabar eine Are Schlangen giebt, die von den Holländen Maufefänger ‚genannt werden, meil diefe Schlangen, wie die Kagen und) Nase, Mäufe freffen, fich auch wie jene unter Dach) auf: halten, Sie thun dem Menfchen nicht das mindefte zu Leide, fie friechen fogar oft über ven Körper und das Ge— ficht fehlafender Leute Hin, ohne fie im geringften zu be— ſchaͤdigen. Sie durchkriechen alle Zimmer, gleichfam als ob fie fich mit dem Haufe befannt machen wollten, und legen fich oft in das befte Bert. Man ladet felten ein Schiff mit Holz, ohne zugleich einige von diefen Schlans gen mitzunehmen, Damit fie das Ungeziefer wegfangen mögen, das ſich gewöhnlich unter dem Holze verborgen haͤlt. Allgemeine Hiftorie der Reiſen, XU. B. ©. 468. Und fo fonnte man eine Menge von Erfah: rungen anführen, welche darthun, daß wenn gleich dies oder jenes Thier den Menfchen befchmerlich fällt, fie ſich dafür auf mancherley Weife bey eben dieſen Thieren ſchadlos zu halten wiſſen. 3) Bey diefer Gelegenheit würde es nicht unwich⸗ tig ſeyn, die Frage zu erörtern: ob nicht die meiſten Thiere, welche dem Menfchen nachftellen, durch das vorhergegangene Betragen vefjeiben gegen fie felbft, oder gegen andre ihrer Gattung, zu Die: fen Angriffen gereizt werden. Dobrizhofer führe einige merkwuͤrdige Erfahrungen von dem Krokodill all, an, welche zum nähern Nachdenken uͤber dieſen Gegen: ftand Gelegenheit geben. Es it, ſagt er, viel von der Graufamfeit des Krofodills gegen den Menfchen: gefchrie: ben worden; ich will zwar niemand widerfprechen , wurde aber den Krofodillen in Paraguay Unrecht ehun, wenn id) mich über fie befchwerte., In den zwey und zwanzig Sahren, die ich in diefem Lande zugebracht habe, ift mir fein Beyſpiel befannt, daß jemand von diefen Thie- ren getodfet oder verwundet worden wäre, Die meiften Abiponen, Männer und Weiber, Mädgen und Kna— ben, pflegen fich täglich in Bächen, Flüßen, Seen und Zeichen zu baden, wo ſich Krokodille aufhalten ; aber viefe fhwimmen um fie herum, ohne Ihnen jemals den gering- fien Schaden zu thun, und niemand fürchtet ſich vor dies fen Thieren. Oft erſchrecken die Krofodille über den $ärm, den die fehwimmenden Indianer machen , und alsdann nehmen fie die Flucht, infonderheit die ſchwar— zen; denn die röthlichen Krofodille werden von den Abiponen für dreifter und gefährlicher gehalten. ch, für meine Perfon, babe durch lange Erfahrung: beyde Arten als völlig unſchaͤdliche Thiere, fowohl zu Lande als zu Waffer, Fennen lernen. Oft, wenn id) in einer Ochſenhaut oder in einem flachen Kahn über Sie Fluͤße feßte, fah ich fie ihre Kopfe zu wiederholten Malen aus dem Waffer emporheben, und mit funfelnden Augen und aufgefperrtem Rachen dicht um mich herum ſchwimmen; aber dabey war nie die mindefte Gefahr. Der Verfaffer erzähle ferner, daß er oft in der Abenddaͤmmerung, wenn er mit andern ausgieng, um frifche Luft zu fchopfen, Krofodillen von verfchiednem Alter und: Gefchleche be- gegnete, die fich der Gefellfchaft bis auf fechs oder fieben Schritte näheren, und obfchon weder er. noch feine De: . gleiter — 351 gleiter bewafnet waren, wurden ſie doch nicht von dieſen Thieren beunruhigt. Aber gerade in dieſem Umſtande glaubt der Verfaſſer den Grund ihrer Sicherheit ſuchen zu muͤſſen. Es wundert mich nicht, ſagt er, daß die Krokodille in Quito, Neu-Granada und einigen Provinzen Aſiens und Afrikas, mit ſo vieler Grau— ſamkeit die Menſchen anfallen, da die Einwohner dieſer Laͤnder ihr Fleiſch eſſen, ihnen taͤglich auflauern, fie jagen, fangen und toͤdten. Die Paraguayer dahin— gegen, welche entweder Ochfenfleifch oder Wild, oder beydes zugleich in Weberfluß haben, effen das Fleiſch diefer Thiere nicht und laffen fie in Ruhe, daher fie denn auch vor ihren Nachftellungen geſichert ſind. Die Kro— fodille fcheinen gleiches mit. gleichem zu vergelten, und Mord durch Mord zu rächen. Geſchichte der Abi: ponen, 1. Th. ©. 399: 400, — 07, Aber, mögte hier jemand fragen, hat der Schöpfer gewollt, daß Diefe Thiere Gluͤckſeligkeit genießen follten, warum denn die gewaltfame Todesart, wozu fie faft alle beſtimmt fcheinen? Wäre esinicht eine glücklichere Ein- richtung, wenn das eine Thier nicht, fo wie itzt, zur. Speiſe des andern beftimme wäre? Und hier Haben wir ‚abermals Urfache, die Weisheit und Güre des Schöpfers zu bewundern, weil gerade Die gegenwärtige Ein- richtung “der Natur, mit unendlich geringerer Unannehmlichkeit für das Thier verbunden ift, als der entgegengeſetzte Zuſtand mit 1 gefuͤhrt haben wuͤrde. Das Daſeyn an Ach ift ſchon, wie wir vorher bemerkt Ash ein hohes Glück für ein lebendiges We— fen; 52 ne fen; die gegentwärtige Einrichtung der Dinge aber, macht es möglich, daß unzählige Thierarten da feyn und leben fonnen, welche auf der Erde feine Rahrung gefunden hätten, wenn fie aus dem Pflanzenreiche allein gefpeißt werden follten. Itzt dahingen beftehe die eine Arc durch die andre, das eine Individ tritt an die Stelle des andern hervor, und zahlloſe Wefen genießen ist die Freuden des $ebens, die unter veränderten Umftänden nie empfunden haben würden, was Dafeyn iſt. Selbſt diefe Einrich- tung der Natur aber, wodurch die gröftmöglichfte Anzahl Tebendiger Weſen bier auf Erden da ift, beweißt fie niche auch, was wir vorher erinnerten, daß fchon das Dafeyn ein Glück fey, und ein jedes dafeyendes lebendiges We— fen zunächft und unmittelbar um fein felbft willen da ift, damit es durch fein Dafeyn glücklic) fen ? Nehmen wir einmal an, die Einrichtung der Na— fur wäre gerade Das Gegentheil von dem was fie ist iſt; der Tod des einen Thieres trüge nicht dazu bey, das Le⸗ ben andrer Individen zu erhalten: wie viel, wie unend- lich viel weniger Thiergeſchoͤpfe würden wir dann nicht auf der Erde zählen? Die Vermehrung der Blattlaͤuſe iſt außerordentlich ftarf; wie aber, wenn Diefe Thiere, von ihren gegenwärtigen Feinden unverfolge, alle den drieten Sommer erlebten? Würde nicht felbft der Menfch alsdann an den erften Bepärfniffen des Lebens Mangel leiden? Die Schädlichkeie der Kakerlaken ift in ven Gegenden, wo fie einheimifc) find, eben fo groß als ihre Menge; wie aber, wenn die Zahl ihrer Feinde nicht mit ihrer Vermehrung in einem weislich abgewognen Verhaͤlt⸗ niffe ftände? Sie würden dann bald alle Nahrung ihrer Mitgefchöpfe * und zuletzt BR vor Mangel umkommen. Betrach 353 Betrachten wir etwas genauer den Zuftand der Thiere unter der gegenwärtigen, verglichen mit ih— rem möglichen Zuftande unter einer veranderten Ein— richtung der Natur, fo werden wir finden, daß der Schöpfer auf die volfommenfte Weife für ihre Gluͤckſe— ligkeit geſorgt hat. Laßt uns einen Augenblick anneh- men, daß das eine Thier nicht die Speiſe des andern waͤre; daß weder Menſch noch Thier Magen haͤtten, in weichen Fleiſch aufgelößt, und zur Nahrung für ihre Koͤr⸗ per zubereitet werden koͤnnte; mas würden Dann Die Fols gen diefer Einrichtung feyn? Jedes Thier müfte dann, wenige feltne Fälle ausgenommen, den natürlichen Tod erleben; leben, bis fein Korper durch zunehmende Un— ordnung und Schwäche zerfiört wurde, bis in einem ho— ben Alter leben, und endlich) aus Entkräftung und durch Krankheit fierben. Sollte dies Leben aber wohl für Das Thier ein Glück feyn? Ein hohes Alter, ein langes Le— ben, ift wenigftens für den Menfchen nicht fehr erfreulich. Beſtaͤndige Schwachheiten find faft immer die Gefährten des Alters; unfähig ſich die Beduͤrfniſſe des Lebens felbft zu erwerben, bedarf der Greiß der Dflege und Huͤlfe anderer, und nur durch diefe Hülfe, die dem Menfchen felten entfieht, werden ihm die Schwachheiten des Alters erträglich. Das Thier dahingegen lebe nicht in gefell« fohaftlicher Verbindung, wie der Menſch. Die gemeins fhaftlicye Worforge der menogamifchen Thiere für ihre Nachkommenſchaft ausgenommen, iftdie Huͤlfe, die fie eine ander leiften fonnen, fehr geringe. Die Verbindung zwifthen den Alten und ihren Nachkoͤmmlingen hört auf, wenn dieſe die Hülfe jener nicht mehr nöchig haben ; und die Ihierarten, die fich ohne Unterſchied paaren, leben aud) ohne alle gefelle fchaftlihe Verbindung , oder gemeinfchaftliche IN, 3 Zwar 354 nn Zwar finden wir auch unter den Thieren hie und da Spuren von Gefellfchaftlichfeie, wenn ich es fo nens nen Darf, und von Verbindung vieler zu einerley End— zwede. Go, wenn die Steinbode einander vor der Ankunft des Jägers warnen; wenn die Affen Schildwa⸗ chen ausſtellen, um deſto ſichrer ſtehlen zu koͤnnen; der ſo beſonders merkwuͤrdigen Haushaltung des Biebers nicht zu erwähnen. So ſchreibt Egede (Groͤnlands Perlus firation), daß die Wallroße bis in den Tod einander bey— ſtehen; und hiemit ſtimmen auch die Nachrichten überein, die wir aus Cooks dritter Reife von Kamtſchatka ha ben. Unſer apoftolifcher Greiß, mein Freund, Herr Bifchof Egede, hat mir erzähle, daß die Rennthiere in Grönland , wenn fie in Haufen beyfammen find, im- mer die offenften Ebnen zur Ruheſtadt auswählen, und fi dafeldft in einem Zirkel lagern, von dem ihre Köpfe die Peripherie ausmachen, Dadurch find fie von allen Seiten gegen Gefahr geſichert; wie denn überhaupt der ſcharfe Geruch diefes Thiers es treulich vor allen Nach— fteliungen des Menfchen warnt. Wenn die Wallroße von Menfchen angegriffen werden, ftellen fie fich in eine Lange Reihe, und haben die Jungen hinter fich; fie weh— ven fich mit der größten Erbitterung ; erft dann, wenn fie fih) von der Uebermacht überwältigt fehen, brechen fie ihre Reihe, und ſuchen, jedes für fih, ihr Heil in der Flucht. Die kamtſchadaliſchen Jäger erdreiften ſich nicht, die Sungen. des weißen Bären zn ſchießen, wenn bie Mutter in der Nähe ift, weil fie alles wagt um ſich zu rächen und fie zu vertheidigen; fo wie ſich jene auc) zu der Mutter haften, wenn fie verwundet ift, und eine tiefe Betruͤbniß bey ihrem Tode äußern. Die Seeloͤwen fegen, nach Anſons Berichte, Wachen aus, nenn fie 8% ſchla⸗ —— 355 - fehlafen, und ein Bootsmann, der eirten jungen Seelö- wen erfchlagen hatte, wurde, weil er nicht vorfichtig ge= nug war, indem er ihm die Haut abzog, von dem Weib: gen tödtlich verwundet. *) Won den Ziegen auf der In— fel Juan Fernandez berichter eben diefer Verfaffer, Daß fie ſich in verſchiedne Haufen gerheilt haben, wovon jeder aus zwanzig bis dreißig Stück beſteht; fie halten ſich, aus Furcht vor den Hunden, ihren Feinden, in den un= zugaͤnglichſten Gebürgen auf, und ftellen fich in eine ge— wifje Ordnung, auf einer gut gewählten Stelle, um die Hunde zurück zu treiben, die fie angreifen wollen. *) Dies alles aber ift noch nicht die Sorgfalt des In— divids für das Individ, die fo durchaus nothwendig if, um die Schmerzen des Kranfenlagers zu lindern, und den Bedürfniffen des Fraftlofen Alters abzuhelfen. Wir wifien, daß verfchiedne wilde Volferfchaften die Schwa— chen und Alten ihres Stammes mit fühllofer Gleichguͤl— tigfeit behandeln, und fie entweder hülflos fich felbft über« lafien, oder fie erfchlagen, um der Mühe überhoben zu feyn, für ihren Unterhalt zu forgen. ° Und hierin find das Thier und der Menfd) in jenem Wilvheitszuftande einander gleich, daß beyde die Schwachen und Alten ih: ver Gattung, fich felbft uͤberlaſſen. Wenn nun aber nicht die eine Thierart die Speife der andern wäre, tie quaalvoll würde dann nicht das Seben jedem Thiere wer— den, dem es an Kraft fehlte, fic) feine Nahrung zu er— werben. Langſam tödtender Hunger würde an den Kräften feines Lebens nagen, bis diefe zuletzt unter anhal⸗ tenden, biftern Schmerzensgefühlen allmählig hinſchwaͤn⸗ 32 den; *) Anfons Reife um die Welt. Göttingen, 9. 1763. Erite 171:°72. i ) Anſons Reife, Seite 168. 356 | nn den; und die Summe fhmerzlicher Empfindungen, die das Thier, unter Schwachheit, Entfräftung und Mangel feufzend fühlen müfte, würden die $eiden des Augenblif- kes weit übertreffen, die das ſchwaͤchere Thier ausftehen muß, wenn es ein Raub der Klauen oder Zähne des Stärfern wird, Anmerfung Es ift eine in diefer Ruͤckſicht ſehr merkwürdige Erfahrung, daß die Vögel und ver— ſchiedne Säugthiere, die ſchwachen, Erüpplichten und alten ihrer Gattung toͤdten. Sp findet man unter Katzen und Hunden feine Misgeftalten, weil die Mutter die ungen frißt, fobald fie bemerft, daß fie ein Eörperliches Gebrechen haben. Goͤtze (Monatsſchrift fiir aller ley £efer. 1. Jah rg. ©. 504.), erzähle von einer Katze, welche unter ihren Jungen zween Kruͤppel hatte; dem einen fehlte ein Vorder: und dem andern ein Hinterfuß. So⸗ bald die Mutter dies gewahr wurde, fraß fie fie beyde, Auch die Biene wird, wenn fie ihren Stachel verloren bat, von den andern Bienen getüdter. 6. 62. Das Thier iſt alfo bey der gegenwärtigen Einrich. fung der Natur die der Schöpfer mie ihm gemacht hat, glücklicher, als es, fo weit unfre Vorftellung reicht, in einem veränderten und entgegengeſetzten Zuſtande ſeyn wuͤrde. Das Lamm waͤre nicht glücklicher, wenn es ruhig neben dem Wolfe weiden, oder die Taube, wenn fie ihr Neſt neben dem Habicht bauen koͤnnte. Wir finden zwar zumeilen in Dichterwerfen dergleichen Schilderungen; aber bey ihnen ift dies Bilderfprache, idealifche Darftellung einer befondern und ungewöhnlichen Gluͤckſeligkeit; ſo z. B. Efaia 11,0. 6-9. Mie aber muͤſſen wir uns einbilden, Daß ein n fee Zuftand in ber gegen« —— 357 gegenwärtigen Neihe und Verbindung der Dinge auf diefer unfrer Erde ſtatt gefunden habe. Jedes Thier hat unabänderlic) die Natur, die Gott ihm bey der Schöpfung gab; die Einrichtung deffelben macht es zum Gluͤcke fähig, und felbft dem ſchwaͤchern Thiere, zum Naube für das Stärfere beſtimmt, fehle es nicht an Mitteln zu feiner Rettung und Erhaltung. Wenn das eine Thier Much und Stärke zum Angriff hat, fo bat das andre Verfchlagenheit und Schneligfeit, wodurch es oft die Stärfe und den Much des Angreifenden unnuß macht. Sogar die Farbe ift oft ein Nettungsmittel für das Thier; fo ift 3. DB. das Waldhuhn in Norwegen (Rype) in Winter weiß mie der Schnee, wodurch es oft den Ver— folgungen der Kaubvogel entgeht. Wenn eine Thiergattung fi) von Raube naͤhrt, fo findet eine andre durd) Arbeitfamkeit ihren Unterhalt, Eben der Here der Natur, der den europäifchen Hirſch und das Nennthier mit fo prächtigen Geweihen ausrüftete,. verfagte den Hirfchen in dem afrifanifchen Coango und Kakongo diefen Hauptſchmuck; *) weil fie fonft durch ihe Geweihe aufgehalten, in den dichten Wäldern viefer- Gegenden nie den Verfolgungen der Naubthiere wuͤrden entgehen koͤnnen. So bat der Urheber der Natur, mit an⸗ betungswürdiger Weisheit dafür geſorgt, die Gluͤckſeligkeit - feiner tebendigen Gefchöpfe bier auf Erden feft zu gründen; und wie er alles zur Glückfeligkeit hervor brachte, fo giebt es auch Fein lebendiges Wefen, keins feiner Thiere, das. nicht fein Dafeyr hier auf Erden mie Glück verbunden fände, 7) Proyarts Geſchichte von. Loango und Kakongo. ©. 41. — 33 Dittes 358 Drittes Hauptſtuͤck. Don der zukünftigen Beſtimmung der Thiere. Mt 03. garen wir in dem Vorhergehenden zu entwickeln gefucht haben, was Vernunft und Erfahrung im Allgemeinen, uns von der Natur, Würde und Beſtim— mung der Thiere, während ihres Daſeyns hier auf Er- den, lehren fonnen, fragen wir num weiter : Iſt das ganze Dafeyn der Thiere auf die Augenblicke eingefchranft, die fie hier auf Erden leben, oder haben wir Gründe zu glauben, daß auch fie, nach ver Zerftörung diefer ihrer verwes— lichen Körper, in einen andern und vollkomm— nern Zuftand werden verfeßt werden? Der Be— antwortung dieſer Frage, wollen wir in den folgenden Blättern unfer Nachdenken und unfre Unterſuchung widmen. Wir haben im Vorhergehenden zu beweifen gefucht, daß die Thiere zufammengefegte, aus Körper und Seele beftehende Wefen find; wir haben bemerft, daß wir eigentlich niche wiffen oder erklären konnen, was die Seele ihrer Natur und ihrem Weſen nach feyn mag, weil wir fie nur aus ihren Würfungen und Heußerungen Eennen. | Da N 359 Da wir indeffen das Dafeyn der Seele nur da vermu— eben und annehmen konnen, wo wir Worftellungskraft, Bewuſtſeyn und Selbſtthaͤtigkeit finden; da wir fogar nicht einmal wiffen oder wiffen fonnen, daß wir felbft eine Seele haben, als nur in fo fern wir uns bewuft find, daß wir Vorftellungen, Begierden und Fähigkeit haben, willführliche Handlungen vorzunehmen, fo find wir voll kommen berechtigt zu ſchließen, daß Vorftellungsvermo: gen, Bewuftfeyn und Selbftrhätigkeie weſentliche Eigen: fhaften der Seele, ſowohl beym Menfchen, als beym Thiere find. Don diefem Theile unfers Wefens nun, welcher Vorftellungskraft, Bewuſtſeyn und Selbſtthaͤtig⸗ feit hat, oder unfrer Seele, fagen wir fie fen ein Geift, und bedienen uns diefes Ausdruds, nicht ſowohl um an— zueigen, was fie ihrer Natur und Wefen nad) eigentlich ift, fondern wir brauchen ihn vielmehr Berneinungsweife, um anzudeuten was fie niche ift und nicht feyn Fann — wir wollen damit fagen, daß der Theil unfers Wefens , den wir unfre Seele nennen, etwas ganz anders feyn muͤſſe, als was wir unter dem Namen von Materie Fennen und uns dabey denken; daß fie von einer Natur feyn muß, gänzlich verfchieden von der, die wir an Körpern kennen. Die Erfahrung lehrt uns, daß die Wuͤrkſamkeit der Seele und die Anwendung unfrer Seelenfräfte, in vieler Hinficht von dem Zuftande und der Befchaffenheie des Körpers, befonders des Nervenſyſtems, abhängig iſt; daß Verlegungen des Körpers, infonderheit gemalt fame Verlegungen des Gehirns, Unordnung und Zerſtoͤ⸗ rung der Vorftellungsfraft, Ohnmacht, Raſerey und ‚den Tod nach fich ziehen. Der Menfh, wenn er in Ohnmacht liege, iſt ohne Bewuſtſeyn, und wir koͤn⸗ Mi 34 nen — 360 — — nen uns keinen deutlichen Begriff davon machen, wie wir unſre Vorſtellungen werden fortſetzen und uns ſelbſt bewuſt ſeyn koͤnnen, wenn unſer Koͤrper und alle koͤrper— liche Organen unſrer Seele, das Nervenſyſtem infon- derheit, zerjtore find. Aus der Natur und dem Weſen der Seele an und für fich betrachtet, laͤßt ſich nichts be— friedigendes in dieſer Hinſicht ſchließen; denn theils fehle es uns bier an der nöthigen Kenntniß, theils lehrt ung alle Erfahrung, Daß die Wuͤrkſamkeit der Seele in vie len Stücen auf den Zuftand des Körpers beruht; und alle Schlüße, die die Analogie uns darbietet, werden uns cher dahin führen, die mit Selbſtbewuſtſeyn fort» dauernde Wuͤrkſamkeit der Seele nad) dem Tode zu läug- nen, als fie anzunehmen und zu befräftigen. Kann die Seele während ihrer Vereinigung mit einem gefunden Körper durd) die in demfelben, befonders im Nervenſy— tem, vorgehenden, größern oder Fleinern Unordnungen, in ihrer Wuͤrkſamkeit eingefchränft und geftort werden, ja fügar ihr Bewuſtſeyn verlieren, wie groß muß denn nicht, aller Wahrfcheinlichfeie nach, ihr Verluſt feyn, wenn der ganze Korper, mit allen feinen verfchied- nen Theilen, die Derandrung erlitten hat, die wir Tod nennen. $. 64. Sa, wird man vielleicht fagen, die Seele mag feyn was fie will, fo muß fie doch eine Subftanz feyn, das heißt, ein Ding das dergeſtalt durch fich felbft da ift, und durch fich felbft beftehr, daß es nicht als Eigenfchaft, Wuͤrkung oder Modiftkation irgend eines andern endlichen Wefens gedacht werben kann; fie kann nicht, wie die Körper, aus mehreren Subftanzen zuſammengeſetzt ſeyn, denn —— 361 denn wir koͤnnten alsdann nicht jenes unveraͤnderliche Be—⸗ wuſtſeyn haben, daß wir, jeder fuͤr ſich, unter allen Veraͤndrungen von Zeit und Zuſtande, eines und eben daſſelbe denkende, fuͤhlende und handelnde Subjekt ſind und bleiben. Dieſe Seele muß alſo eine gewiſſe, wenn gleich uns unbegreifliche, Einfachheit haben ‚da ihre Wür- fungen auf Feine andre wahrfcheinliche Art erklärt werden fonnen. ine einfache Subftanz aber kann nicht durch Aufloͤſung und Scheidung der Theile zerftort, fie kann durch Feine endliche Mache vernichtet werden; fie muß, unter jeder Verändrung von Zuftande, ihrer Natur nad), immer bleiben was fie war; fie kann alfo auch nicht durch die Aufloͤſung und Zerftorung des Körpers verwuͤſtet wer- den und vergehen. Die Seele muß demnac) fortfahren zu feyn, wenngleich der Korper durch den Tod zu Grunde gerichtet und aufgelöße wird. Altes diefes hat man zwar Feinen Grund zu laug- nen, aber es folgt daraus noch nicht, Daß Die Seele nach ihrer Trennung von dem Körper als ein fuͤh— lendes, denfendes, felbftwürfendes Weſen zu feyn fortfaͤhrt; um dies folgern zu fonnen, müfte man zuvor bewiefern haben, daß Gedanfe, Gefühl und Selbftehä- thätigkeit, nicht aber blos die Fahigfeit und Möglich: Feit zum Denfen, Fühlen und Selbftwürfen, fo abfolue nothwendige unzertrennliche Eigenfchaften der Seele waͤ— ven, daß ihre Subftanz in eben dem Augenblicke zu feyn aufhoͤrte, wo fie fich nicht länger ſelbſt bewuſt iſt, oder denke, oder wuͤrkt. Dies aber laͤßt fich nicht beweifen. Viel mehr höre, aller unferer Erfahrung nach, in tiefen Ohn— machten und im feften Schlafe, Gedanke, Gefühl und Bes wuſtſeyn gänzlich auf; und niemand wird deswegen glau- 35 ben 362° —— ben oder behaupten, daß das Dafeyn der Seele aufhoͤre; denn fo müfte manja annehmen, daß eine neue Schöpfung vorgienge, wenn der Menſch erwachte, oder wieder zu fich felbft kaͤme. Wie nun aber diefe und viele andre Erfahrungen, und aus Erfahrungen abgezogne Schlüße Ihren, daß die Seele da feyn kann ohne ſich bewuft zu feyn, ohne zu denfen und zu mürfen, fo lehren und be- fräftigen fie auch, daß man blos aus der Natur und dem Wofen der Seele, nicht mit Gründlichfeit oder MWahrfcheinlichkeit ihre mit Selbftbemuftfeyn fortgefegte Wuͤrkſamkeit nach dem Tode, zu erweiſen im Stande ift. Die Seele muß fortfahren zu feyn, wie jede andre Sub- ftanz im ganzen Weltall, weil nichts verloren wird, nichts vergeht; aber wie ihr Dafeyn fortdauern wird, ob blos als Subſtanz mit ihren wefentlichen Anlagen, oder als denfende und felbftroürfende Subſtanz, darüber fon- nen wir um fo weniger nach der bloßen Betrachtung des= jenigen urtheilen, was wir von ihren Würfungen wiffen, als wir ihre Wuͤrkſamkeit nur in Vereinigung mit unfrer gegenwärtigen Organifation fennen und erfahren, und ſich daraus allein Fein vortheilhafter Schluß von der fort- dauernden Wuͤrkſamkeit und Selbftberuftfeyn der Seele nach) Auflofung des Körpers ziehen läßt, Und hieraus ergiebe fich denn nun ebenfalls, daß wir auch bey den Thieren, 6108 aus dem was wir in ihrem gegenmärtigen Zuftand von intelleftuellen Kräften und Wuͤrkſamkeit an ihnen wahrnehmen, nicht auf ein mit Selbſtbewuſtſeyn fortgefeßtes Dafeyn ihrer Seelen ſchließen fonnen. —96 Indeſſen iſt es doch fuͤr uns Menſchen von der größten Wichtigkeit, uns die Frage beantworten zu Fön- | nen: nr 363 nen: wirft du fortfahren, und mie wirft du fortfahren zu feyn, wenn deine gegenwärtige Daſeynsweiſe veraͤn— dert wird? Wird der Tod dein ganzes Wefen verfchlin- gen, oder wird der edlere Theil von Dir, dein denfen- des, wollendes, felbfiwürfendes Ich, fortfahren zu feyn, fo daß du weift was du bift und was du wareft? Und bier müflen wir denn zur natürlichen Religion unfre Zus fluche nehmen, um eine berubigende Antwort auf diefe Fragen zu erhalten. Mur der Gedanke, daß ein Gott fey, ‚ein Gott, der die Mache bat, zu thun was er will, und den Willen, alle feine lebendigen Gefchöpfe zu be: gluͤcken; nur der Gedanfe von Gott als dem Gott der Siebe, vermag im Tode uns Hofnung zu geben, und uns jenfeits des Grabes Ausfichten zu erofnen. Und bier fragen wir denn nun: kann die aufgeklärte Vernunft an- nehmen, daß der Gott, der die Liebe ift, feinen leben- digen, fühlenden, vernünftigen Wefen den Vorſchmack einiger Augenblicke von Glückfeligfeit geben foilte, um fie wieder, und zwar auf ewig, des Glücks zu berau- ben, mit welchem fie durch ihr Dafeyn befannt wurden ? Und dies Glück würde ja gänzlich verloren feyn, wenn Gedanke, Gefühl, Würkfamfeit und Selbftbewuftfeyn, mit dem Tode vollig aufhören. Hier aber reden nun Dies felben Vernunftgründe für. die Fortdauer des Thiers, welche fir die Sortdauer des menfchlichen Dafeyns reden. Man merke wohl, ich fage: dieſelben Vernunft: gründe: denn die bloße Vernunft kann, in ihren Unterfuchungen über das fortgefeste Dafeyn und Wuͤrken der menfchlichen Seele nad) dem Tode, es nicht höher, als zu der wahrfcheinlichften Vermuthung bringen. Die beftimmeefte Gewißheit, die vollfommenfte Heberzeugung it von 364 —— von einem Fünftigen Leben, haben wir einzig und allein der heiligen Schrift zu verdanfen Was Gott uns in feldiger, mit der beftimmteften Deurlichfeit und Gewiß— heit von einem zufünftigen Zuftande gefagt hat, kann vie Vernunft, fich felbft überlaffen, nur muthmaaßen. Aber eben diefe Bermuthungen, diefe Schlüße, durch welche die Vernunft Hofnung für den Menſchen jenfeits des Grabes erblidt, zeigen uns auch für das Thier die Hof- nung, daß der Tod nicht auf ewig fein ganzes Wefen verfchlingen werde. Es läßt fich Fein vernuͤnftiger Grund angeben, warum die Geifter der Thiere nach dem Tode auf immer ihre Kräfte und Wuͤrkſamkeit verlieren follten ; hingegen bietet die Betrachtung ibrer Natur und der gott: lichen Vollkommenheiten, uns die annehmlichften Gruͤnde für Die Fortdauer ihres Daſeyns i in einem kuͤnftigen Zu— ſtande dar. — Warum ſollte die erhaltende Allmacht wohl die Geiſter, die hier auf Erden mit den Koͤrpern der Thiere vereinigt ſind, bey dem Tode des Thiers zu der Unwuͤrk— ſamkeit zuruͤckkehren laſſen, woraus fie durch ihren ſchaf— fenden Willen hervorgerufen wurden? etwa, weil dieſe Thiere einen engern Wuͤrkungskreis, einen geringern Grad von Würde und Wuͤrkſamkeit haben, als der Menſch? Denn ift ja. aber der Menſch wieder geringer als die Engel, geringer als Thronen und Fuͤrſtenthuͤmer, und Kräfte und Mächte unter den andern vernünftigen — Gottes. *) Soll der Geiſt des Thieres ver- nichtee *) Es wäre wohl eben Feine unphilofophifche Vermuthung, wenn man unter den Ausöräden: Thronen u. f. w. verſchie⸗ na 365 richtet werden, wegen. feines Abftandes vom Menfchen ; ‚welche Hofnung kann denn die Vernunft dem Menfchen geben, der fo weit unter Myriaden von andern höheren Gefchöpfen Gottes ſteht? Nein, Fein Thier ift geringe in den Augen Gottes; er ift ver Vater des Wurmes fo= wohl als des Menſchen, er brachte ſowohl den Menfchen als die Engel hervor; und jedes lebendige Weſen hat feinen Antheil an der Vaterliebe, womit feine Vorſicht über die Welt wacher, die er ſchuf. Gluͤckſeligkeit will er allen fhenfen, nur die Grade diefer Glücfeligfeit beftimmte feine Güte, für die verfchiednen Zeitpunfte, nad) der Verſchiedenheit der Fähigkeiten und des Zuftandes der Weſen, denen er fie ertheilte. $: 67 Her follte vielleicht der Menfch an feinem Fünftigen Gluͤcke etwas verlieren, wenn dieſe Thiere im Verhaͤltnis ih⸗ rer Sahigfeiten und Entwicklung , eines beffern Zuftandes theilhaft würden? Ein thoͤrigter Gedanke; und doc) feheint er nicht undeuclich aus der Mißgunft hervor zu blicken, mic welcher der Menfch gewöhnlich jeden Schimmer von Hofnung einer Fünftigen Deredlung der Thiere betrachtet, Die etwa dann und wann ihm gezeigt wird. Der Menſch iſt, ich weis faft nicht wie, auf den Gedanfen gerathen, daß ein fortgefegtes Daſeyn, ein Seben nach diefem Leben, nur ihm allein gehöre, und alle andre Gefchöpfe Gottes hier verfchiedne Ordnungen von hoͤhern Gefchöpfen Gottes verftände, die von der Wefenklaffe unterfchieden wären, wozu die Engel gehören. Weiche Gradation an Intelli⸗ genz von der Milde zum Menfihen, und warum nicht mehrere Gradationen aufwärts: hier auf Erden von diefem Gluͤcke ausgefchloßen feyn foll- ten, damit er allein es in vollem Maaße genifien Eonnte, Wie aber, wenn das forfgefegte Dafeyn der Ihiere in einem andern Leben, uns Menſchen neue Ausfichten zu um fo höherer Freude und Gluͤck eröfnete? Und dies ift gerade bey der Vermuthung der Sal, daß diefe Thiere, in einem veredelten Zuftande, zu feyn fortfahren werden. $. 68. Wie wenig ift das, was wir Menfchen bier in der Zeitlichkeit von der Erde und ihren Geſchoͤpfen wiſſen. Kaum haben wir uns mit der Oberfläche der Erde befannt gemacht, und wie viel fehle uns nicht noch zur vollfiän- digen Kenntniß derfelben? Sind wir wohl, felbft in un- fern tiefften Gruben, weiter als durd) die Außerfte Erd- rinde gedrungen ; und was wiſſen wir von den vielen andern Eröfchichten,, die uns von dem Mittelpunft der Erde abfendern? Was wiſſen wir von der Art, mie vie Metalle erzeugt werden? Was von dem erften Urftoff, woraus fie eigentlich beftehen? Und ift unfre Einfiche größer in der lebendigen Natur; find wir wohl viel genauer mit ihren unzähligen Theilen, ihrer Abficht und Verbindung bekannt? Wie zahllofe Gefchopfe enthält nicht die Luft, die Erde und das Meer , die wir nicht einmal durcd) Jiamen von einander zu unterfcheiden wiſſen; deren Dafeyn fogar ung vollig unbekannt iſt? Wie wenig iftfelbit das, was wir von den Thierarten wiffen, die wir am längften ge⸗ kannt und beobachtet haben, gegen fo vieles in ihrer Dia- eur und Haushaltung, was uns ned) immer verborgen feyn mag. Und was foll man von den Entdeckungen fpäterer Zeiten, von einer ganzen, dem unbewafneten Auge unjichtbaren Thierwelt fügen? Hat man wohl vor einem nn 367 einem Jahrhunderte daran denfen fünnen, daß es leben- dige Gefchöpfe gebe, die fieben und zwanzig Millionen mal Eleiner, als die Milbe wären; und welchen Begriff fonnen wir uns noch ige von diefen Wefen machen? Wer aber fann, wer darf behaupten, daß wir nunmehr bis zum aͤußerſten Punkt der Wuͤrkſamkeit der Natur im Kleinen gekommen find? wer vermag die Gränzen des Kreifes zu beftimmen, in welchem die Allmacht, im une endlich Kleinen, lebendigen Weſen fi) zu bewegen und zu würfen gebot? Haben aber wir, die edelften Bewohner. diefer Erde, fo wenig Kenntniß von allen den herrlichen Wun— dern der Allmacht, momit fie prangt; haben wir Grund zu vermuthen, daß die Macht und Güte und Weisheit des Höchften, in dieſer Kette und Verbindung irdifcher Dinge, von feinen höhern Weſen erkannt und bewundert wird ; deren höhere und mehr entwickelte Fähigkeiten, deren vollfommnere Organifation ihnen geftatten, Das zu erfahren und einzufehen, was wir nicht einmal vermus ehen koͤnnen; ſteht der Menfch, in Hinficht feiner Kennte niß der Erde, die er bewohnt, vielleicht in demfelben Berhältniß zu jenen höhern und vollfommnern Weſen Gottes, worin die andern Flügften Thiere der Erde zu dent Menfchen ftehen; wie viel wird denn nicht in jenem voll fommnern Zuftande für uns zu lernen und zu erfahren feyn? Und wie werden nicht dann vielleicht felbft dieſe Ihiere, die wir bier fo gering fihägen, und ihre Hause ‚haltung , wichtige Gegenftände für unfern forfchenden Geift werden, wenn wir in der genauern Kennmiß, die wir dafelbft von ihrer Natur und Wuͤrkſamkeit erhalten Fonnen, immer mehr und mehr die wundervolle Weisheit des se FIDEL “ des Schöpfers werden bewundern lernen; wenn wir durch das, was wir da fehen und begreifen, Das bewundern ler— nen, wofür wir bier weder Sinn noch Verftand hatten. Wie wird dann nicht die immer fortfchrettende Entwicklung der Fähigkeiten, und die mit ihr verbundne immer ftei= gende Gluͤckſeligkeit diefer Weſen,t die wir vorhin in einem eingeſchraͤnkteren Zuſtande geſehen haben, unſre Seele mit angenehmen Empfindungen erfuͤllen, und uns zur Bewundrung und Anbetung der unendlichen Liebe ent— flammen, die unſrer Natur den Trieb einpflanzte, an der Freude und Vollkommenheit jedes daſeyenden Dinges, jedes lebendigen Weſens, Theil zu nehmen. Na, wenn es Wahrheit ift, daß edle und gute Seelen ſich immer der Freude und des Glückes andrer freuen, fogar dann, wenn fie diefe wuͤnſchenswerthen Güter felbft entbehren muͤſſen; daß nur ein ſchwacher und niedriger Geift des Neides fähig iſt; o hr edlen und guten Seelen unfrer Gattung, wie erfreulih muß euch denn nicht die Hofnung feyn, daß fo unzählige lebende Weſen fortfahren werden zu ſeyn, in einem beffern Zuſtande fortdauern, durch Entwicklung ihrer Fähigkeiten glücklich feyn, und von einem Grade der Ölückfeligfeit zum andern forefchreiten werden; und ihr ſollet Zeugen diefes Gluͤckes feyn! Wie wird nicht eure eigne Freude und Glückfelige keit fich erweitern und befeftigen, durch den Antheil den, ihr dort an der Veredlung und Freude diefer zabllofen Weſen nehmen fonnetz eben derjenigen die ihre hier auf Erden unter Vergaͤnglichkeit ſeufzen ſahet. DerMenfch würde, in Hinfiche feines fünftigen Zuftandes, nichts dadurch. gewinnen, wenn die Wefen dev Thiere im Tode aufhoͤrten zu ſeyn; im Gegentheil ſollte ſelbſt die Eigenliebe 5 uns uns den Wunſch abnöthigen, daß das Dafenn dieſer Weſen nad) dem Tode fortdauern moͤgte; da ihr Gluͤck in diefem Falle mic fo lehrreichen und erfreulichen Folgen für uns felbft verbunden if, %.2. 69 Und num laßt ums wieder fragen: haben wir einie gen Grund zu wuͤnſchen, daß Gore die Geifter diefer Thiere vernichten ‚mögte? haben wir Grund es zu ber— murhen ? Die vorurtheilfreye Vernunft verneint diefe Fragen, Aber Bier tritt denn wiederum die Stage ein: Heben wir Gründe, anzunehmen, daß der Hoͤchſte diefe Weſen werde erhalten, und fie nach diefem Leben in einen befjern Zuſtand verſetzen wollen; und da liegt denn die Antwort in der großen Wahrheit, die uns Vernunft und Erfahrung, Natur und Offenbarung fo deutlich und Eraftig zurufen: Gott ift Die Eiche, Er, der unendlich Siebreiche, rief dieſe Wefen hervor, damit fie durch ide Dafeyn gluͤcklich feyn ſollten; und follte dann nicht in feinen unendlichen Vollkommen— beiten, derfelbe Grund fir die Dauer diefer Thiere und bie Fortfegung ihres Wefens liegen, als für den Anfang ihres Dafeyns, Genießen nicht diefe Thiere in jedem folgenden Augenblick eben das Glüf, das fie in dem vorhergehenden enipfanden , oder follten vielleicht die Güter des folgenden Augenblicks weniger wichtig feyn, als die des vorhergehenden ? Oder ift vielleicht das Da— feyn in feiner Fortfegung weniger wuͤnſchenswerth, und verliert die Glückfeligkeie durch ihre Dauer ihre Natur? Sa, wurden die Thiere niche gefchaffen um glücklich Ua j zu 37° eg zu werden, ſollten fie wohl gar bey tem fortges fegten Dafeyn ihre Freuden verlieren, fo wäre dies Da: feyn fein wünfchenswürdiges Gut, es hätte gar feinen Werth. Dies aber Fonnen wir nicht mit dem gering: ften Funfen von Wahrfcheinlichfeit annefmen , wen mir ung die Sortfegung des Weſens der Tiere und ihrer Wuͤrkſamkeit in einem veränderten Zuſtande denken. Sollen fie fortfahren zu feyn, fo müffen fie durch ihre Fortdauer gluͤcklich werden, ihr Zuftand muß der Zuftand einer immer fteigenden Glückfeligfeie feyn. Die Ent: wicklung der Fähigfeiten diefer Geiſter, die Lier, von der Organiſation befchränkt, blos angefangen, oder nur in einem geringern Grad, in Verhälniß zu ihrem Wuͤr— fungsfreife, befördert wurde, wird wahrſcheinlich in einem fünftigen Zuftande mehr und mehr vervollfommnet wer- den, Allein jeder höhere Grad der Entwicklung eines Geiftes und feiner Fähigkeiten, ift ja zugleic) Anleitung zu einer erhöheren Ghickfeligfeit. Wir würden wohl nicht fehr irren, wenn wir die Vermuthung annähmen, daß jedes geiftige Weſen in feiner Natur Anlage zu immer wachiender Vollkommenheit hat. Hat nun Gort aber diefen Thieren Geifter gegeben, hat er es ihnen eben dadurch zugleich möglich gemacht, von einem Grade der Voll- kommenheit zum andern zu fteigen, fo hat er auch in der Natur und dem Wefen diefer Geifter, der Entwicklung ihrer Faͤhigkeiten feine innerliche Gränzen gefegt; alſo auch die Gluͤckſeligkeit nicht begraͤnzt, zu welcher fie fleigen fonnen. Denn ein Geift, deſſen Entwicklung und Gluͤck bios zu einem gemiffen beftimmten Grade fteigen fünnte, wiirde in feinem hoͤchſten, ohne möglichen Zuwachs , beftimmten . Gluͤcke, Gluͤcke, fein höchftes Elend finden; da die Einformig⸗ keit Efel und Verdruß erzeugt, und fortgeſetzte Würfe famfeit, mit der daraus entfpringenden höhern Vervoll— kommnung, gerade das wahre Leben und die Glückfelige feit eines Geiftes ift. Und nun fragen wir wiederum: kann es mit der Guͤte des Unendlichen beſtehen, Wefen mit der Anlage ein immer wachſendes Glück zu geniefien, hervorgebracht zu haben, und fie dann zu vernichten, wenn Diefer Genuß kaum angefangen war? oder bieter Die Vernunft uns niche vielmehr den Schluß dar: der Gott, der alles zur Gluͤck— ſeligkeit hervorgebracht hat, Der in allem Die größte Boll fommenheit will, wird auch Diefen feinen Ihieren alles Gluͤck ſchenken, deffen fie zu genießen fähig find, er wird ihnen gewähren, nad) diefem eben in einem andern und beflern Zuftande fortzudauern. §. 79. Diefe Betrachtung wird uns noch um fo einleuch⸗ tender und uͤberzeugender merden, wenn mir erwägen, wie der Zuftand fo vieler Thiere bier auf Erden, ein wahrer Zuftand Der-Drangfale iſt; mie fehmer ihre Leiden find, durch die Verbindung, in welcher fie mir dem Menfchen ftehen; wie Das Leben vieler Individe faft eine beftändige Plage iſt; und follte denn Die unendliche Siebe nicht, in einem beffern Zuftande, Diefen Thieren Das Gluͤck fehen« fen wollen, wozu fie fie erſchuf, und deſſen fie, durch Die Unart des Menfchen, bienieden beraube wurden ? Laßt uns bloß das Pferd berrachten, diefes edle, dem Mens fchen fo nügliche Thier; mie hart ift nicht gewöhnlich fein Schichſal, und kann man nicht oft mit Recht ſagen, Aa2 daß 372 — * daß der Augenblick, in welchem es umfällt, ver glück lichfte feines ganzen Daſeyns ift? Giebt es nicht Ihier- arten, die unſre Vorurtheile, Gewohnheiten, Saunen und Seidenfchaften gleichfam zum Opfer der menfchlichen Unart beftimmt haben ? und follten denn diefe Weſen blos da feyn um zu leiden, oder. vor andern zum Leiden erkohren, und alfo, obgleich in einem gewiſſen Grade durchs Da— feyn glücklich, dach zu einem Eleinern Gluͤcke beſtimmt ſeyn, als ihre Geiftesfräfte und Entwicklung fie zu ge: nießen fähig machten. Hein, unfer Gote iſt Vaten er iſt kein Tyrann. Er iſt kein partheyiſcher Vater) der das eine Kind: liebt, und das andre baffet und vernach⸗ läßiget; er iſt eben fo gerecht, als er weife und gnaͤdig ift. Nicht allein Die gegenwärtigen, fondern auch) die künftigen Augenblicke ſtehen in feiner Gewalt, — Giebt nun aber felbft die bloße Nernunft dem Menſchen Hof: nung, Dort das Gluͤck zu genießen, das et hier entbehrte; o, fo freue dich denn auch, gute Seele, die du mit Ruͤhrung die Leiden deiner Mitgefchöpfe hienieden faheft, des Gedankens, daß diefe Leiden fich enden werden; und daß er, der Mater und Here der Natur, der alles was lebet, mit Segen ſaͤttigt, auch einen beflern Zuftand hat, den er geben kann, den feine Siebe feinen leidenden Gefchöpfen gewiß geben wird, wenn die Abficht ihres Dafeyns hier auf Erden erfuͤllt iſt. —Jv.. Und ſollte wohl dieſe Wahrheit — denn für Wahr: heit koͤnnen mir wohl zur Verherrlichung unfers Gottes annehmen, daß das Daſeyn der Thiere nicht blos auf dies gegenwaͤrtige Leben eingeſchraͤnkt iſt; — ohne Bey⸗ ſtimmung der heiligen Schrift ſeyn? Sollte die aufmerk fame fame Betrachtung" der Natur uns nicht in diefer froben Vermuthung beftärfen? Sehr verſchieden find die. Er- flärungen, die man ſich über die Worte Dauli, Rom. 8, v. 18-24, gemacht hatz man wuͤrde fich aber bey Uns terfuchung des Sinnes diefer Stelle nicht fo. gequält. ha— ben, wenn man ſich nicht. mic dem DVorurtheil an diefe Erklärung gemacht hätte, daß fie eher von allem andern zu verftchen fey, als von den. lebendigen und empfinben- ven Wefen, Die Gott mit uns hier auf die Erde fegte, Man mag den Ausdruck, der in der Grundſprache vorkommt, entweder durch die Kreatur oder Die ganze Iebendige Schöpfung uͤberſetzen, und unter Schoͤ⸗ pfung alles verſtehen, was außer den Anbetern Jeſu bier auf Erden, lebe, ſo werden duch die außer dem Men- fihen hier auf dem Erdball befindlichen, Tebendigen We— fen, unter diefer feufgenden Schöpfung mit einbegriffen ; ihnen. wird alfo auch die Hofnung gegeben, daß fie zu einer beftunmten Zeit von der. Knechtichaft befreyt wer- Den füllen, unter. welcher fie ſeufzen. Unter diefen bey— den Erklärungen fcheint mir jede andre harf und unna= tuͤrlich; aber felbft von diefen beyden, wird, meiner Meynung nac) ‚diejenige am. wenigften Schwierigkeit ha— ben, und dem Zufammenhang und Tert am beften ent= sprechen, worin man annimmt, daß es die eigentlich fo genannten unvernuͤnftigen Gefchöpfe, oder die Thiere find , denen der Xpofiel hier Seufzen und Erwartung mie dem Menfchen zufchreibte. Eine umfchreibende Erfläs rung dieſer Stelle würde, glaube ich, fo ausfallen: Die Leiden der gegenwärtigen Zeis, find auf Feine Meife mit dem überfehwenglichen Glück zu verglei- hen, das in jener andern Welt unfer warte. Nach Ya 3 diefer M 374 —— dieſer Zeit wird alles in einen beſſern, und uͤber alle Unbequemlichkeiten der Zeit erhoͤheten Zuſtand geſetzt werben. Selbſt den unvernünftigen Thieren ſteht dieſe gluͤckliche Veraͤndrung bevor, und ſie ſcheinen ſchon itzt ſehnſuchtsvoll den Zeitpunkt zu erwarten, da ſie in ein beſſeres Leben verſetzt werden ſollen; ein Leben, in welchem die Glaͤubigen erſt das volle Gluͤck genießen werden, Gottes Kinder zu ſeyn. Denn die Thiere find nicht durch eigne Wahl, fondern durch den Willen und die Einrichtung des Schoͤpfers, in ihren gegenwärtigen fummervollen Zus ftand geſetzt. Doch nicht, daß fie beftändig darin bleiben follten, denn es bleibe ihnen die Hofnung, daß fie, von der Knechtſchaft befreyt, unter welcher fie in dieſem verganglichen geben feufzen, in einen wahren Sreyheitszuftand verfege werden follen , der für fie, ihren Fähigkeiten und ihrer Entwicklung nach, ‚eine Art von Aehnlichkeit mit dem hohen Gluͤcke haben wird, welches in jenem $eben den wahren Kindern Gottes zu Theil werden foll. Denn das weiß ein jeder, daß alle lebendige Gefchöpfe ſich bisher in Drangfal und Schmerz be: finden, und nach Befreyung von felbigen feufzen. Selbft wir, denen vor fo vielen andern die höhere Erleuchtung des Chriſtenthums ward, feufzen in der Stille, und fehnen uns von unfern Körpern befreyt zu werden, wodurch wir denn erft vollfommen des ho« ben Gluͤckes eheilhaftig werden fonnen, Gottes Kins der zu feyn. Welche fröhliche Hofnung aber, zeigt ung nicht ſelbſt unfre göttliche Offenbarung bier, von dem Fühftie gen — 375 gen gluͤcklichern Zuſtande des Thieres? Und warum foll- ten wir denn unſerm Verſtande Gewalt anthun, um eine Wahrheit der Schrift wegzuerklaͤren, die der Weisheit und Liebe Gottes ſo wuͤrdig, ſo uͤbereinſtimmend mit der vorurtheilfreyen Vernunſt, ſo erfreuend fuͤr das wohlwollende Herz iſt? —9 Ja, ſollte nicht vielleicht die aufmerkſame Betrach⸗ tung der Natur, uns Gelegenheit geben, vie Wahrſchein— leichfeit diefer Murhmaaßung der Vernunft, daß das Dafeyn der Thiere nicht mie der Veränderung ihres ges genwärtigen Zuftandes aufhore, noch mehr zu beftäti: gen. Derfelbe Apoſtel, der in dem vorhergehenden uns von den frohen Ausfichten des Thieres unterrichtet hat, - giebt uns 1 Korinth. 15. Anleitung, aus dem Forte gange zur DBeredlung , auf anftheinendem Untergange gegründet, den wir in der leblofen Natur erblicken, auf die Erneuerung des menſchlichen Körpers zu fehließen. Die Aehre, die den Fleiß und die Hofnung des Sand- manns front, ift nicht mehr das Saamenforn, das in die Erde gelegt wurde; die erfien Beftandtheile Liefer Aehre lagen gleichwohl in diefem Saamenforn; in ihm lag der Urftoff der Aehre, diefes fchoneren Körpers, eitte gehulle, und aus ihm entwicelte fie fih; aber nur durch Faͤulniß ward fie entwickelt, und ist ftehr fie da, die Zierde des Ackers, und die $uft des Menfchen. Und fo enthält auch der gegenwärtige Körper des Menfchen den Urftoff, aus welchem dort der verherrlichte Körper, auf den Befehl der Allmacht, entwickelt werden foll. Wie einleuchtend ift aber nicht diefe Lehre für die for- fhende Vernunft? | Aa 4 Es 378 Es iff, nach allem was mir analogifch richtig von dem Menfchen fehließen Fonnen ‚im. hoͤchſten Grade wahrfchein: lich, daß fein endlicher Geift da feyn, und in thäciger Ver: bindung mit andern endlichen Weſen ftehen kann, ohne mit irgend einem materiellen Vehikel vereinigt zu feyn, vermöge deſſen eine folche Verbindung ins Werk geric)- tet wid, Man kann nicht annehmen, daß es Durch» aus reine endliche Geiſter giebt, (Spiritus abfelu- te puri) weil ſolche endliche Geifter entweder gänzlich ifolive in der Schöpfung feyn müften, ohne auf andre endliche Weſen würfen, und ohne von andern einige Ein= würkung, einige Miftheilung von Gedanken annehmen zu Fonnen, alfo ohne alles wahre Glück wären; oder aber, fie müften durch ihren bloßen Willen auf andre würfen, und auf eben die Weife Einwirkung von andern annehmen koͤnnen; aber diefe Würfensart kann man kei— nem endlichen Wefen zufchreiben. Man hat daher Grund zu ſchließen, daß auch der Menfch, da fein Das feyn nach dem Tode fortdauern foll, dies fortgefeßte Da— feyn in Verbindung mit einem Korper haben muß. Und aljo ſteht denn Die Vernunft in der genaueften Ueberein— ſtimmung mit der heiligen Schrift, wenn diefe ung die zufünftige Erneuerung und Auferftehung unfrer Kör- per Lehre. Auf eben die Weife aber fchliegen wir mie allen vernünftigen Grunde auf die Erneuerung der fhierifchen Körper, Haben die Thiere Seelen, und die haben fie; werden diefe Seelen nad) dem Tode fortdauern und Gtückfeligfeit genießen, und dies fonnen wir mit der wahrfcheinlichiten Gewißheit vermuthen; fo muß auch ihr gegenwaͤrtiger Korper gewiffermaaßen den Grundjtoff BER „woraus einft ber Fünftige entwickelt werden fol; fol; und einige Erfahrungen feheinen diefe Schlüße zu betätigen. Das nfeft, das aus dem Geidenwurm, der da ftarb, auflebee, ift nicht diefer Wurm; aber es entſtand doch aus dem verwandelten Körper dieſes Wurms. Der Käfer war Wurm, das Ephemeron war Wurm; in dem Körper des Wurmes war der Grund der foigen- den Verwandlung enthalten; der Würfungstreis des In— ſekts ift aber anders und größer, als der des Wurms; die Verwandlung von Wurm zu Inſekt ift Veredlung; und ift fie denn nicht auch zugleich Fortfeßung des vor- bergehenden Zuftandes dieſes Weſens; Fortfegung in Bereinigung mit dem Körper; ein veredelter Körper aus dem unvollfommneren entwicele ? 6.754 Hier ſteht unfre Erfahrung fill; weiter haben! wir bis hiezu der Natur in ihrer Wuͤrkſamkeit zur Veredlung der Thiere nicht folgen koͤnnen; und vielleicht wird der Menfch, in diefem Leben, niemals fie in ihrem weitern Fortgange überrafhen. Dieſe Erfahrung fen indeflen fo gering wie fie wolle, fte vereinigt fid) Doch mit den bereits angeführten Gründen, jene Wahrheit zu beftätis gen: Das Dajeyn des Ihieres höre nicht mit feinem Tode auf; ein verbeflerter Zuftand in einem veredelten Körper wartet feiner. Der durch eine jede Verwandlung erweiterte Würs fungsfreis, öfnet Gelegenheit zu größerer Entwicklung der Fähigkeiten; und wer vermag, ſich vorzuftellen, durch wie viele Veränderungen von Zuftande, der Menfch, nach dem gnädigen Willen des: Schöpfers, Ewigfeiten hindurch, in immer wachſender Vollkommenheit fort- | | Yas ſchrei⸗ 378 fehreieen fol. Keine Würfung in der Natur wird durch Sprünge hervorgebracht; der vorhergehende Zuftand ent- hält immer den Grund zu dem folgenden, und veranlaßt diefen ; auch durch fuccefjive erweiterte Wuͤrkſamkeit müffen demnach die Geifter der Thiere entwickelt werden. Wie meit ihre Entwicklung in der gegenwärtigen Verbindung der Dinge gehe und gehen foll; ob das In— feft von feinem Tode wiederum zu neuer und erweiterter Wuͤrkſamkeit auflebt; ob der Geift des Elephanten und des Tigers durch die perivdifchen Verwandlungen der Or: ganifation, zu dem Grade der Vollkommenheit entwickelt find, den fie befigen; vor diefem allen werden mir viel- leicht dort, zur Verherrlichung unfers Schöpfers, genauer unterrichtet werden. So vieles von unferm eignen We— fen ift bier in Sinfterniß für uns gehuͤllt; was Wunder denn, das wir unter Muthmaaßungen und MöglichFeiten umher ſchwanken, wenn wir Dinge erforfchen wollen, die außer uns find? Daß Gott die Siebe ift, Das wiſſen wir, und wir haben allen Grund zu glauben, daß er je- dem feiner lebendigen Weſen einen beffern Zuftand fchen- fen werde, als der ift, worin fie hienieden leben; auch. find wir zu der Vermuthung berechtigt, daß diefe feine Thiere beftimme feyen, von einem Grade der Vollfom- menheit und Ölückfeligkeit zum andern zu fleigen. Und nun, ftehe ftille Vernunft! ſchweige und bete den Unendlihen an, deflen wundervolle Weisheit aus allen feinen Werfen fo herrlich hervorſtralt! $ 74 Da die Schriftausleger, mie wir oben ertwähnten, in ihren Erkärungen über Nom. 8. von einander abgehen, fo ſo find meine wiſſenſchaftlichen Leſer berechtigt, von mir zu fodern, daß ich die Gründe angeben foll, die mich für die 9.71. pag. 373 u. 374, angenommene Erflärung be= ſtimmt haben; und diefe Forderung will ich denn num zu befriedigen ſuchen: Die Haupfredensart, auf deren Beſtimmung es hier vorzüglich anfomt, tft arıris, naca vrısıc; und diefe Redensarten kommen denn fonft in der heiligen Schrift und in den apoeryphiſchen Büchern des alten Te— ſtaments vor, wo fie beweislich entweder die fo genann- ten unvernünftigen Thiere, oder alle lebendigen Geſchoͤpfe Gottes überhaupt bedeuten, und auf diefe Weiſe werden mir finden, daß unterweilen,, xrı7ig, unterweilen wrione- ro verfommen. Kridis wird gebraucht, und bedeutet die ganze Schöpfung; oder die erfchaffenen Dinge über! haupt. So Syrah) 16. v. 17. rs yagy Wuxn nov ey auereyTry Rrice; und auf diefe Weife muß wohl auch das Wort nad) dem Zufammenhange verftanden werden. Buch der Weish. 16. v. 24. yag arisis co TW memsayrı unggerovoa. Qudith 9. © 12. Qacıdev maons wriseus vov. Daß die Redensart die lebendis gen Geſchoͤpfe Gottes überhaupt, bedeuter, kann aus Judith 16.0. 14. erfehen werden: au douAsusaro mac« N uTioıs cou, ori eımac, nor eryevnlycav; und Tobia 8. v. 5. euAurynoatwsav ve cı ovgavern, nal macaı üb “rosa cv. Don den unverninffigen Kreaturen, feheint die Redensart infonderheit Tobiä 8. v. 15. ges brauche zu werden: xaı euAoyasracav oe ö ayıcı vo, KATRIN OÖ ATIGEIE GOV, Ka mavres 0 Ary'yeAoi cov, war erNerror cov; und diefes ift fo viel wahrfcheinlicher, a eine ähnliche klaſſifieirte Proſopopaͤie in der Apocalypſe 013. 380 ——— 5, v. 13. vorfömmt: za may wrıoun,"c esı ev Tw OVEaVOz RAU EM TNS YnS, ah — TNS ns, ob Em TIS Dausong nal TR EV AUTOS NEoUOa Aeryovras- Im Syrach 43. v. 26. komt infonderbeit ein entfcheis dender Beweis für diefe angegebene Bedeutung des wricıs vor. Der Verfaffer fprihe vom Meere, und fage nur: es feyen da #riais nyrav; und hier ift alfo zrıcıs als ein generifcher Ausdruck für IThiere gebraucht. Allein. auf diefe Weiſe ift es eben, daß Paulus das Wort zrisıs Roͤm. 8. gebraucht und folchergeftalt hat er es auch Roͤm. 1. v. 25. gebraucht, Hier muß ich aber bemerken, daß Nöm. 1. v. 25. blos mit Veränderung des Ausdrucks, diefelben Gedan- fen enthält, die oben v. 23. angeführt find. Nur daß der Apoftel v. 23. in das befondre geht, um vie Wahre beit anfchaulich zu machen; er rechnet die allgemeinften Gegenftände der thierifchen Natur her, worauf die Hei— den ihre Abgötterey gerichtet haften: Menſchen, vier— füßige, fliegende und friechende Thiere ; allein diefen In— begriff der ehierifihen Schöpfung faffet er hernach v. 25, in diefen einzigen Ausdruck xrirıs zuſammen; alſo ift wenigftens fo viel gewiß, daß der Apoftel fih an diefer Stelle des »rıcıs bedient, die thierifche Natur damit zu bezeichnen, und wir haben nach) dem Zufammenhange feinen Grund.dem Worte gine ausgedehntere Bedeutung zu geben. Aus den Prädifaten die der Apoftel Röm. 8. der xrigig beylegt, erhellet es genug, daß er die leben— dige oder thierifche Natur in Gedanken gehabt; und da er ausdrücklich xriess v. 19, 20 und 21 von mare A #TIic15 9. 22. unterſcheidet; fo ift es höchft wahrfcheinlich, ı daß 381 daß er an der erſten Stelle das Wort in einer engern De: deutung genommen, und dadurch den Theil der thieri— ſchen Natur verfianden, der in den Apoeryphen adoryos genennet wird; wovon er denn bernach zu dem Gedanfen von allen lebendigen Gefchöpfen vacı 7 zrizıs der Erde hinauf ſteigt; und diefe Meynung bekoͤmt in meinen Ges danken, fo viel mehr Stärfe, weit der Apoſtel folcherges ſtalt durch Vergleichung mit Roͤm. 1, Durch ſich ſelbſt erklaͤrt wird; und ſein Ausdruck mit den aͤlteren juͤdiſchen Schriften uͤbereinſtimmend iſt, die am naͤchſten der Zeit waren, in der er ſchrieb; und deren Ausdruͤcke ſich die Verfaſſer des neuen Teſtaments bedienten, wovon wir ſo viele Anzeigen h haben. Sowie zrrwv beym Sy⸗ rach am angef: tee, das »riois fpecificirt;. fo genera= liſiet Paulus es, durch das hinzugefuͤgte vace nachdem er es verheri in einer wbeſondern Bedeutung — hat. — eme mir —— merkwuͤrdig vor, daß xrioig außer den angegebenen dreyen Bedeutungen ‚in den Schriften des neuen Teftaments, in feiner andern Be— deutung vorfömt, wo es nemlich abfolut und ehne einige andere hinzugefügte Beftimmung gebraucht wird. Es möchte denn Roͤm. 1. v. 20 feyn, wo Paufus die Re— densart ara xTicews xornev in felbiger Bedeutung braucht als es Marc. 10, v. 6. und 13.0, 19, ar AXIS nTIsEws. Matth. 13, v. 35, ano naraßerge roonov heiftz und dadurch denn die Würfung der ſchaf⸗ fenden Allmache bezeichnet wird, durch welche der ganze Inbegrif endlicher Dinge, wenigftens unferer fublunaria fcher Welt , entſtand. Diefes ift aber die einzigfte Stelfe wo »rıais in diefer Bedeutung gebraucht wird;, die es doch doch durch Verbindung mit xerpov annimt. Daß das Wort aricss geradezu die Menfchen bedeuten ſollte, da— von wird man kaum einen Beweiß anführen fünnen. Mare. 16. 0.15, kann man als feinen feften Beweis anführen, da man wichtige Fritifche Gründe gegen die Aechtheit Diefer Stelle, und überhaupt gegen das ganze Stuͤck von v. 9. bis ans Ende des Kapitels hat. Hier⸗ ber kann Michaelis über die Auferfiehungs-Gefchichte Jeſu, und Die praͤchtige Ausgabe unfers gelehrten und verdienten Herrn Birchs der quatuor Evangelia nachges ſehen werden. Eolloff. 1. v. 23, mo es heift, daß das Evangelium ev FarTeı Fn arice Tn Umo Tov ovpavoy ges predigt ift, kann xrisss gern, ohne einige harte Hyper⸗ bofe, von allen febendigen- Geſchoͤpfen verſtanden werden; eben ſo koͤnnte man auch Marc. 16. v. 15, wenn es aͤcht waͤre, verſtehn, und da die Menſchen die einzigſten Geſchoͤpfe hier auf Erden ſind, die Lehren und Unterricht annehmen koͤnnen, ſchraͤnken die hinzugefuͤgten Praͤdikate das xrsoss richtig genug auf den Menſchen ein, ohne daß das Worf deswegen und unmittelbar die Bedeutung bat, Webrigens Fann dieſe Redensart bier auch) auf dieſelbe Weiſe gebraucht werden, wie Paulus Roͤm. 1. v. 8. fich ausdruͤckt: Tisis vmwv xarayyerdersı © cin 7@ yoruo Hebr. 9. ©. 8. fümt es mir wahrfcheinlich vor, daß die Worte, Four E54 ov Faurns Fns wricems nicht auf das nächflvorbergehende axyvns gezogen, fondern als ein Gegenfaß des vorhergehenden werAovrwv aryadam angefehen werden müffen; und denn bedeutet die Nedens> art: die Dinge in ihrer gegenwärtigen Verbindung ‚und wie es fonft ausgedruckt wird a ex Tourou nornov. Die Bedeutung der Redensart koͤmt alfo mis dem vorhin an- gegebs gegebnen Begriff des arıcıg überein. Avdaamıın wrıces ı Perr. 2. v, 13. ſteht geradezu, ſtatt avdewrw, und wird wie das vorher bemerkte vrıcis zurwv gebraucht, Anders verhält es fid) an den Stellen, mo xrisıs durch die Verbindung worin es ſteht, und durch die hinzugee fügten Worte die ſich darauf beziehen, eine befondre Bedeutung annimmt. So, wenn es heißt zamn wrıcısz bier aber fteht das Wort nicht abfolute oder ifolire in der Periode, wie am gegenwärtigen Orte, Auch das finde ich in diefem Zuſammenhange werth anzumerfen, daß man bey den heiligen Schriftftellern feinen eigentlichen generifchen Ausdruck finde, Die unvers nuͤnftigen Thiere überhaupt zu bezeichnen. Cux, Brei u. a. m, find fpeeififche Ausdrücke, die. gewiffe Klaffen der thierifchen Schöpfung bemerfen, Zwar fomt das Wort sage vor, und bezeichnet Die vernünftigen Thiere überhaupt, Syrah 17. v. 4, as ednun vov Doßcv AUTAV ET TATNS TAEKOS, Ka KATRKUGLEVELN Ongiwy KAb merewav, Kap 13. ©, 16. Mara vage nara "yevog suvayeroı Allein diefen Ausdruck Fonnte Paulus niche gebrauchen die Thiere damit zu bezeichnen , obne feine $e= fer irre zu führen, da er fogar in dem nemlichen Kapitel v. 12, oue& auf eine ganz andere Art braucht, fo wie überhaupt bey den Schriftfteflern des n, T., das sage feine befondere Bedeutung bar, Was die verfihiedenen Meinungen von diefen orten Pauli anlangt, fo werde ich nur bemerfen, daß verſchie— dene der beſten älteren Dolmerfeher fie von der ganzen Natur, und befonders von den Thieren verfianden haben. Ehryfo> 384 Ehryfofiomus in Epi/?. ad Roman. Homil. XIV. Edit. Montfaucon. Pariſ. 1731. ©. 582.83. erflärt die Worte von der ganzen Natur, und glaube fir diefe Meinung Unterftüsung in andern bibtifchen Redensarten zu fin- den, wo leblofen Dingen Empfindung, Freude, u ſ. w. bengelege werden: Tlgorwmoisı zocmov umayıa Tou- rov UmEO na Ci MEOPNTa Mosurıv MOTUMOUS RBOToUV- Tag, wegowv eıgayovres, ar Bouvous &hNounvovg &c, ‘Or aurn NAT TI ESI Urn, oux cu uovoc, &X- Au mas ö vov esı nurmbeesepoV, Ma 6 0v jerexet Ac- Yıraov > oude aodnsews , “al TOUTO To Roıvovnoe ayabdov. Hiergegen koͤnnte man wohl mit Grunde erin- nern, daß was fich in der poetifchen und prophetifchen Diftion fehickt, fich nicht ebesfalls in der profaifchen und dogmatifchen ſchicke. In dem dogmatifchen Vortrage des Paufus würden alfo dergleichen ſtarke figuͤrliche Aus— drücke fich nicht ſchicken, und koͤnnen nach feiner Art zu reden, ſchwerlich an diefer Stelle gefuche oder vermuthet werden. Theophylact in h. 1. Edit. Lond, 1736. ©. 81. ift von eben der Meinung als Chryfoftomus da rovrov Aoryov ouvavarynageı Tov angoaTyy megiDgovnsas Tb MOEOVTE, BTaves KEYwv, un Yan TIS KTIGEÄS KEIOWv, unde — —— vos Magdvow, aA maraoy de mager „.6T8 mn Tyv mevovoav dokuy non exeis. & yagynrıcıs sevaleı, TORw uaMov wDerhsis autos rovro. Theodoret Edit. Hallenf. 8. 1769.74. Tom, II. ©. 87. verfteht unter zrisis das ganze univerfum, und begreift folglich die Engel mie darımter: Oux ogere, Onow, oveavov, ya YaNaTTav, ARE , Nov, vEeNyyNV, TACOV FAV SoWpAEVAV KTICIW, Kl mgoS Fov- TS MOEATR, yryehous, aeXayyehous, duvansıg, gEaU- 385 e£ourine, KUBIOTYTAS, TAUTR FYV UMETEONY MEOTLEVEL rerswow. Uaf die Thiere fheint er befonders zu zielen v. 20, Öidauczsı ds Ws TaCa N RrIioichn cewwuevn Övyrav sruxe Dvow. emEIönmEg Twy ONuy d Momrıs TEOEHEH sov Adan muy mogaßaow, mas Fyv emevexhnrowevnu auru rou Davarov YnDov cu ya nv eixes, ovde Öixasov, T® usv Öl aurov Yeryevgueva METaNaxeıv During, aurov be, cu xXagw. TaUura smemomro; Oynrov eivas, xcu maßırev. Fovrov de ye die TuS avasarenc TV slavasızvy Auußavovros, RaHEıya WeaurWs HETEAAY- xavsı ans aldagrias. zvraura, heißt es bis v. 22. was TV uogarev ummeguehaße nriew, mac yog eımev y vricıs. Decumenius Edit. Parif, 1630, &, 309. verfteht, wie es feheint, den Ausdruck xricıs faſt auf die nemliche Art: za aurn, Oucu; A vrisıs °Do- deu meocdor« Tyv Mevovoav yuav dogav. Aa Te aDdagros, Quasi, mARSEITK, da Tas Tov avdeumwu — Pönernyeryovev ,ewei no yueis ‚ee aPbaoruw Ddagros yeyovanev, BovAeras ovv 7 aricıs, Duos, Toug avbgumovs vnv aDdapsınv amonaßewv (esaı de Touro Ev TI AVASaGTEı,) IR KL AUTH TAV OIKEIKY aDdreniav amehafr. Tov yag avbewmev Öl cv yeryove Dhnery zyv aDdapsıny amohaufavovros, x BUTA TNV ormeıav apdagsıav suvamormberas. — Moccwmemei de £5% To man , bva re ray aryaday rav vmoßoAm dnAwer, zu iva dein, cas muss maAAov cDeihousv amov- dalev ıns roausns doens ns aDbagsıns smiruxem NREE N RTICH. EmEs Mm vomle Tyv arbuyov za ı avasoInTev aTIciv TO ToaUTe mecrdorav 1 aic$aus- an — sıvadeı, n wrioıs BovAwpsvn vnv Ddogav | 9.m00e- Wr 386 —— amchesdas Aoımov. = de m arıoıs, Mohn Mar Ausg Fovro arew oDerhoner. Diefe Verfaffer und andere, die wie fie gedacht, haben alfo wenigitens den Sprachgebrauch für ſich ge- habt, ob fie gleich nicht in ihren Erklärungen die Bedeu— tung des xricis gewählt haben, die nad) dem Zuſam— menhange, unter den mehreren Bemerkungen des Worts als die richtigften erachtet werden koͤnnte. Indeſſen ſcheint es doch, als wenn fie in ihren Erklärungen die Thiere zugleih in Gedanken ge= habt, da man fonft feinen vernünftigen Sinn in der «Ddaerıa, finden kann, wornach Theodoret, und nach ihm Decumenius, die zrıcıs ſich fehnen läßt, und die fie, der Menfchen wegen, fir verlohren annehmen. Mit einem Drigened dahingegen der auf eine ganz wunderliche Art an dieſer Stelle allegorifirt, und andern die haben wollen, daß xrıoss itzt die Wiedergebobrnen, ige Ehriften überhaupt, ißt Heiden bedeuten foll, wird man fo viel weniger einig werden, da fie den Sprachgebraud) und den Zufammenhang wider fih haben. Ueberhaupt findet man fo viele gefunde Vernunft und durchgedachte Ppilofophie in Pauli Briefen, wenn wir ihn als Apo: ftel vergeffen, und ihn blos als Schrifefteller betrachten, daß man gern diefe Philofophie über die Thiere von ihm vermuchen kann, und dieſes um fo vielmehr, weil der= gleihen Begriffe in der morgenländifcyen Philoſophie nicht fo fremd waren; obgleich fie nicht Das Reine und das Einleuchtende hatten, welches Paulus ihnen gege- ben hat, Gewiß ift Pauli Philofophie von den Thieren tief und fein, weis feiner find aber die philofophifchen Ideen, Denen. 4 387 Seen, die er uns ı Korinth. 15. von der Auferſtehung der Leiber gegeben hatz Ideen, die man durd) die fol— genden Jahrhunderte fo oft und fo allgemein mißverſton— den hat, weil man, feine finnliche Begriffe in die even fo wahren als abftraften Betrachtungen nes Apoſtels ein= führen wollte, und nicht genugfam auf die Bedeutung der Worte und den Zufammenhang der Rede achtete. Aber von dem Denker der diefe Begriffe hinſtellte und entwickelte, die allzeit leichter einzufeben,. als zuerft: zur erfinden und auszuführen find, konnen wir gewiß reine und gefunde Philofophie in Materien erwarten, die den ©innen und der Beurtheilungskraft viel näher liegen, als jene Betrachtungen von dem Verhälmiffe unſter zus ‚Fünftigen Körper zu dem gegenwärtigen, und ihrer Ent- wicklung aus dieſen. Noch dieſes verdient bey der kritiſchen Unterſuchung der gedachten Stelle Roͤm. 8. bemerkt zu werden, daß weder beym Wetſtein noch Griesbach einige Lesort bey den Ausdruͤcken riss, Fσα zriois aelunden wird, Mathaͤi hat v. 19. am ande eines Koder miorswg anſtatt wrırewg gelefen, merft aber zugleich an, daß dieſes wieder ausgeftrichen war, mie man denn über: haupt beym erſten Anblick fehen Fann, daß tiefes misews eine bloße Konjeftur feyn muß. Hear Birch hat mir die Freundfcheft erzeige, feine, zur Fortſetzung feines Werfs , beftimmten Sammlungen über diefe Stelle nachzufehen, darin wird aber aud) Feine befondere Lesart von der allgemeinen aefunden, Weil die Ausgaben der Septuaginta in der Abthei⸗ fung der Kapitel und Verſe verfchieden find, muß Ich ME ES Bb 2 auch auch bey den aus den Apocryphen angeführten Stellen erinnern, Daß ich diefe nach Reineccii zweyter Ausgabe der griechifchen Meberfegung des alten Teftaments, Leip—⸗ dig, 8, 1757. angeführt habe Daß ic) die daraus angeführten Citaten, nebft den andern in der "Grund: fprache hingeſetzt, iſt gefhehen, theils weil ich glaubte es müfte fo feyn, theils wegen derjenigen meiner Leſer, die nicht Die Schriften bey der Hand, und doch Luft ha— ben konnten die eigenen Worte der Schriftfteller zu ſehen. Zwey⸗ Zweyter Theil. Von den Pflichten des Menſchen gegen die Thiere. —* * N Ai nee 398 Erftes Kapitel, Hat der Menih Pflichten gegen die Thiere. $. 75. chwerlich ift je eine Wahrheit gedacht oder gefage worden, der man nicht auch auf mancherley Art widerfprochen und fie verdreht harte; fo ift es aud) der Wahrheit ergangen, daß wir Menfchen Pflichten haben, die wir den Thieren fehuldig find. Man hat: freylic) wohl eingefehen, daß der Menfch nicht auf jede Weiſe gleich gut gegen diefe Gefchopfe Gottes handelte; aber indem man geftand, es müfte eine gerwiffe Ordnung, und eine beftimmte Kegel für unfer Verhalten geben, fuchte man zugleich alle Verbindlichkeit, die wir gegen diefe Thiere haben mögten, zu einer bloß mittelbaren Wer: bindlichkeit zumachen. Man behauptete ‚daß wir eigent- lich Feine Pflichten gegen die Thiere hätten, fondern daß alle Kegeln, durch welche unfer Verhalten gegen fie be ſtimmt werden konnte, ſich zunächft und unmittelbar in: unfern Pflichten gegen Gott, den Naͤchſten und uns felbft ‘gründeten. Das Thier follte, in Ruͤckſicht feiner ſelbſt, behandelt werden fünnen, wie es uns gut duͤnkte; es bätte feine Rechte gegen uns ; wir feine unmittelbare Pflichten gegen daffelbe. Und dies haben denfende Men- 3b 4 fchen, — ſchen, dies haben Philoſophen in vollem Ernſt behaup- tet. Un und für ſich läuft es damit freylich zum Theil auf einen bloßen Wortftreit hinaus; denn fobald man eingefieht, daß wir Fein Recht haben die Thiere willführ- lich zu behandeln, ſo gefteht man eben dadurch, daß der Menfch Pflichten hat, die er in Hinſicht der Ihiere beobachten muß. Irndeſſen ift es doch nicht fo ganz gleichgültig, welchen Begriff wir uns von diefen Thieren und ihrem Werthe machen. Glauben wir, daß ihre Be— handlung in NRücficht auf fie felbft gleichgültig ift, daß ve Vollkommenheit und ihr Glück nicht durch unfer Ver: halten leidet, fo bauen mir eine gar fchlaffe und leichte Eittenlehre auf diefen Grund. Und mir erlauben ung viele Dinge, halten viele Handlungen für gleichgültig, Die ung in einem ganz andern Lichte erfcheinen würden, wenn wir die Thiere für Das anfahen, was fie würfe lich find. —96 Die Thiere haben keine Rechte gegen uns, wie wir keine Pflichten gegen ſie, ſagt man, weil derjenige, gegen den wir Pflichten haben, dieſelben ken— nen, und wiffen muß, was wir ihm ſchuldig find. Von einem folchen Recht aber, und foldher Verbindlichkeit, kann das Thier ſich feinen Begriff machen. Sollte die— fer Schluß gelten, fo hätten wir auch feine Pflichten ge- gen unfre neugebobrnen Kinder, feine Pflichten gegen diefe Kinder in ihrer Kindheit; die Mueter hätte Feine Pflichten gegen ihre ungebohrne Frucht; wir würden fo- dann feine Pflichten gegen wahnfinnige und rafende Men: fhen, feine Pflichten gegen diejenigen haben, die in heftigen Krankheiten phantafiren, fo lange fie in diefem Zuftan- 393 Zuftande find; denn alle diefe kennen ja weder ihr Hecht, noch unfre Verbindlichkeit gegen fie. Eine Behauptung, der wohl niemand beypflichten wird. Recht bleibe immer Recht, und Pflicht immer Nfliht, fie mögen gefannt werden oder nicht, und weil ein Wefen, zu einer Zeit, feines Rechtes unwiſſend ift, weil e3 dies Necht nicht erklären und auf feine Handha— bung beftehen, fondern blos die Kränfung beflelben in dem Gefühl des Unrechts oder der Mißhandlung, die es leidet, empfinden kann; daraus folge ja nicht, daß die- fes Wefen immer und ewig über fein Recht in Unwiffen- heit bleiben werde. Der Menſch, den ic) betrüge, wird ja ebenfowohl von mir betrogen; ic) Fränfe ja eben- ſowohl fein Recht, er mag es nun begreifen oder nicht; und Unrecht that ich immer, wenn gleich der Beleidigte nie zum Nachdenken oder zur Kenntniß davon Fam. Kann aber das Neche des Menfchen gefranfe wer— den, und behält der Menfch diefes fein Recht, wenn er es gleich nicht Fennen ſollte; kann Unmwiffenheit oder Man- gel an Fähigkeiten mein Recht zu kennen, niemals als moralifche Urfache gelten, warum es aufgehoben merden follte; fo widerfpricht es auch der Natur der Dinge, wenn wir fchließen: die Thiere haben Fein Recht gegen uns, weil fie dies Recht nicht kennen. Und wer kann mit beſtimmter Gewißheit behaupten, daß die Thiere gar Feine Kenntniß von ihrem Nechte ge- ‚gen den Menfchen haben? Iſt denn alle Kenntniß deut: liche und fymbolifche Kenntniß? Iſt nicht die dunkle, die klare, die verwirrte Vorftellung auch Kenntniß ? ift nicht die Empfindung Kenntniß? Gewiß aber empfindet das Thier, wenn wir es mißhandeln, daß mir dem Triebe Sb 5 zur 394 — zur Gluͤckſeligkeit entgegen arbeiten, den der Schoͤpfer jedem lebendigen Weſen einpflanzte; gewiß fühle eg, daß wir Unrecht thun, nur auf ſeine Weiſe aber fuͤhlt es. Das Thier fuͤhlt und ſtellt ſich, wie es kann, den Streit des menſchlichen Betragens gegen feine Wuͤnſche vor. Und fühle nicht der Menſch felbft Recht und Unrecht auf eben diefelbe Art, obgleich nicht in eben dem Grade, wenn er zum Maasftabe deſſelben, die Uebereinſtimmung oder Dsichtübereinftimmung nimmt, worin in gegebnem Falle, die Handlungen andrer mir feiner Selbftliebe, und dem Zuftande den er ſich wünfcht, fehen. Das Thier Hat alfo fein Necht gegen den Menfihen, ebenſowohl als diefer fein Hecht gegen feinen Ne— benmenfchen und das Thier hat. — Aber, wendet man wieder ein, ſoll das Thier Rechte gegen uns, und wir Pflichten gegen daſſelbe ha— ben, ſo muß es in der Schoͤpfung Gottes nicht Mittel ſeyn, um hoͤhere Abſichten zu erreichen, ‚fein Daſeyn muß ſelbſt Abſicht ſeyn; und dies letz⸗ tere will man denn nicht zugeben. Nie wuͤrde ich dieſes ſonderbaren Schlußes erwaͤhnt haben, wenn nicht ein beruͤhmter Gelehrter unſers Jahrhunderts, ihn in vollem Ernſte gebraucht haͤtte, um zu beweiſen, daß wir keine unmittelbare Pflichten gegen die Thiere haben. Wir wollen hier nicht davon reden, daß die Fols gerung feinen natürlichen oder mahrfcheinlichen Zuſam— menbang mit der angenommenen Vorausſetzung hat, gefeßt auch, es wäre Wahrheit, daß das Dafeyn der Thiere niche felbft Abfiche fy. Wir wollen nur an das erin⸗ errungen 295 erinnern, mas mir vorhin bemwiefen haben, daß das Dafeyn der Thiere gerade in dem eigentlichiten und unmittelbarften Berftande Hauptabſicht iſt, da jedes lebendige Weſen zunachit und unmittelbar um fein ſelbſt willen da ift, und um durch das Dafeyn glück lich zu feyn,. Allein, daraus folge denn auch, daß wir das Gluͤck des Thieres foren, feinen Zuftand verſchlim— mern, feine Vollkommenheit verringern koͤnnen; denn eine jede fchmerzliche Empfindung, die wir dem Thier verurfachen, thut ja feiner Freude und feinem Gluͤcke Abbruch, und wuͤrkt der unmittelbaren Abficht entgegen, um derentwillen es da ift. Daß Gott durch das Dafeyn der Thiere mehrere Abſichten erreicht; daß die eine Thierart, in gemiflem Sinne, der andern wegen, des Menfchen wegen da iſt; daß das Thier, in diefer Hinfiht, als Mittel zu hoͤhern Abſichten betrachtetet werden kann, ift, wie wir aud) vor— - bin bemerft haben, unbezweifelt gewiß; aber follte dies nicht auch mit dem Menfchen der Fall feyn ? Niemand wird vermuchlich läugnen, daß wir zunächft und unmittelbar da find, um durch unfer Dafeyn Glückfeligfeit zu ge— nießen; gehen aber nicht diefe unfre Körper, durch den Tod in die andre Natur über? werden wir nicht die Speis fe der Würmer, die unfre irrdifchen Weberbleibfel verzeh— ren? Und werden wir nicht eben dadurch) Mittel zur Er- haltung diefer Thierarten? Der Menfch ift in feinem Tode für gewiſſe Thierarten eben das, mas andre Thier⸗ arten dem Menfchen während feines Sebens find. Die Sache, die aus einem Gefichtspunft betrachter, Abficht iſt, kann unter andern Umftänden, und in einer andern Verbindung, Mittel feyn. Was heißt es denn alfo, Daß 396 — daß das Dafeyn des Thiers von dem Schöpfer zu Errei- chung mehrerer Abfichten gebraucht wird ? Und was fell ich von dem Menfchen, unter der ganzen Haushaltung Gortes mit ihm hienieden fagen ? Wird er nicht eben dadurch Mittel zur Verherrlichung des Schopfers? Mittel für hoͤhere Wefen, die unendliche Vollkommenheit ihres Urhebers zu bewundern; alfo Mit- tel und Anlaß, die Glückfeligfeit diefer Wefen, durch ihre vermehrte und befeftigte Liebe zu ihrem Gott, zu vermehren und zu befeftigen? Aus diefem allen aber fol- gern wir mit Recht: daß fomohl das Thier als der Menſch, zunächft und unmittelbar da find, um durd) ihr Dafeyn glücklich zu feyn; und daß jeder, der vorfege lich, ohne Nothwendigkeit und höhere Abfichten, die Gtückfeligfeit des Menfchen oder des Thieres unterbricht, ſtoͤrt oder vernichtee, das Necht Glück zu genießen kraͤn— fer, das Gott mit dem Dafeyn ‚jedem lebendigen Ge. ſchoͤpfe gab. | $ 78. Durch Pflicht verftehen wir eine jede Handlung, wozu wir Durch Gefege verbunden find; der Wille Gor- tes aber in Anfehung unfers Berragens, ift uns in jedem Salle ein Gefeß; und diefen Willen Gottes lernen wir durch vernünftiges Machdenfen , über die Natur der Dinge, durch den natürlichen Gang und Zufammenhang der Urfachen und Wirkungen, und die natürlichen, ange- nehmen oder unangenehmen Folgen der Handlungen ken— nen. Will nun Gort, daß jedes feiner lebendigen We— fen Gtücfeligkeit genießen ſoll; will er, daß diefe feine Thiere, die er bier auf die Erde fegte, fo glüclic) feyn ſollen; als fie es ihren Fähigkeiten und ihrem Zuftande nach nad) werden koͤnnen; fo will er auch, daß wir Menfchen nicht muthwillig ihr Glück ſtoͤren; fo roill er auch, daß wir auf beſtimmte Art, der Natur und Verbindung der Dinge gemäß, mit ihnen umgehen ; fo will er, daß wir ihnen thun follen,. was Recht iſt; und den Grund zu diefem Rechte legte er in ihre Natur, in ihre Anlage Gluͤckſeligkeit zu genießen, in ihren Trieb zum Genuffe derfelben. Enthalten nun aber die Natur und Beftimmung der Thiere, nach dem Willen und der Einrichtung des Schöpfers, hinlänglichen Grund, warum wir. unfer Be— tragen und unfre Handlungen gegen fie nach einer gewiſ— fen Regel und auf eine beftimmte Weife einrichten follen ; fo ift ja eben die Natur und Beftimmung des Thieres auch) der Grund, woraus wir die Öefege Fennen lernen und herleiten fonnen , Die Gort in ihrer Behandlung uns vors gefchrieben hat; fo haben wir Pflichten gegen die Thiere. Das Thier hat fein Recht eben ſowohl als der Menſch; denn die Natur machte es dem Thiere zur Pflicht, Freude und Glück und Zufriedenheit mit feinem Zuftande zu fuchen, eben ſowohl als Dies, der Natur zu folge, die Pflicht des Menfchen ift. Es ift uns alfo eben fo nit „Pflicht, dem Thiere Recht wiederfahren zu laſſen, als es und Pflicht iſt, gegen ben Menſchen gerscht zu ſeyn. Zwey⸗ 398 Zweytes Kapitel. Bon den abfoluten und allgemeinen Pflich⸗ ten des Menfchen gegen die Thiere. 9. 79. Ne nachdem Die Thiere entweder in ihrem urfprüngli- lichen Naturzuſtande find , oder zu. feyn ange: fehen werden fünnen, oder je nachdem fie in Verbindung mit dem Menfchen und von ihm abhängig find, konnen wir auch die Pflichten des Menfchen gegen die Thfere in allgemeine, die wir Menfchen jedem lebendigen Ge: ſchoͤpfe Gottes in jedem Zuftande deſſelben ſchuldig find, und in bejondre Pflichten unterſcheiden, Die ihren Grund in dem verfchieonen Verhältniffe des Thiers zu dem Menfchen, unter feinen verſchiednen Verbindungen mit demfelben haben. Es giebt allgemeine Pflichten, die wir gegen die Thiere in jedem Zuftande derfelben zu beobachten has ben ;. und diefe werden wir vielleicht um fo deutlicher überfehen, wenn wir erwägen, was wir wohl diefen Thieren 1) in Abfiche ihres Lebens und der Dauer deſſelben, 2) in Abfiche ihrer Körper und Glied: maaßen, 3) in Abfiche ihrer Seele und den anges nehmen oder unangenehmen Empfindungen der. felben ſchuldig find, §. 80. $. 80 Wir Menfchen Haben Fein Recht, muth: willig und ohne beftimmte vernünftige Adficht, irgend ein lebendiges. Gefchöpf in feiner Entwick: fung zum Leben zu ſtoͤren. Das heißt: a) Wenn wir feinen wahrfcheinlichen Grund haben zu vermuthen, Daß das Leben Diefer Thiere uns gefährlich und ſchaͤdlich werden fönnte, Ä b) Wenn wirnicht dadurch „daß-mwir ihre Ent: wicklung zum Leben hindern, unmittelbar dafuͤr forgen, uns die nörhige Nahrung zu perfchaffen, und unfer eignes Leben und Geſundheit zu erhalten. Hat Gott dur) die Einrichtung der Natur diefen Weſen das Dafeyn, und mit ihm die Fähigkeit gegeben, Glück zu genießen ; fo hat er auch), mit dem Rechte das er ihnen zum Genuß des Gluͤcks gab; ihnen ein Hecht auf das Leben verliehen; und ift alfo nicht jede Handlung, wodurch wir fie muthwillig und ohne vernünf tige Abfiche hindern an dem Leben Theil zu nehmen, eine Kränfung ihres Rechts auf Glück und Leben? Man merfe aber wohl, daß ich fage: wir muͤſ— fen nicht muthwillig und ohne vernünftige Abficht die Entwicklung diefer Wefen zum geben floren. Wir Menfchen Haben Recht, und es ift uns Pfliche, uns felbit, unfre Korper in Gefundheit und Ordnung zu erhalten, und Schaden und Verderben von uns abzuwehren; wir haben alfo auch Recht, uns zu diefen Abfichten der Mit tel zu bedienen, ohne welche fie nicht erreiche ‚werden koͤnnten. 458 ET fonnten. Oft würde es gefchehen, daß gewiſſe Thierars ten unübermwindlich zahlreich und verderblich für uns wuͤr⸗ den, wenn wir nicht ihrem Dafeyn zuvorkaͤmen, und durch Zerſtoͤrung ihrer Brut ihre Anzahl. einfchränften. Und in diefen Fällen gebietet uns der Trieb der Selbſt— erhaltung, der Gefahr vorzubeugen. So handeln die Bewohner Afrikas nicht unrecht, wenn fie im Sande die Eyer des Krofodills auffuchen und verderben, und die Affen vereinigen ſich durch einen merkwürdigen Trieb mit dem Menfihen, um diefe gefährliche Brut zu zerftö- ron. Gefaͤhrlich und unangenehm wuͤrde es für den Menfchen ſeyn, wenn die Erde von Schlangen, Nat— tern und dergleichen giftigem Ungeziefer wimmelte, und wir folgen daher der Anweiſung der Natur, die uns für unfer eignes Wohl au forgen befahl, wenn wir ihre Eyer verderben. - Diefe Thierarten find überdem fo fruchtbar, daß wir nicht zu befürchten haben, fie würden durch un= fee Bemühungen ausgerotter werden. *) Go verhält es fi auch mit den Inſekten, deren Vermehrung ſo unbeſchreiblich groß iſt, und deren Daſeyn, ihrer Menge wegen, feine Unbequemlichkeiten für den Menſchen hat. Kein Bernünftiger Fann behaupten wollen, daß wir durch eine fehmweinifche und unreinliche Lebensart, unfre Körper aufopfern, und fie zu Wohnungen und Zeugungsoͤrtern Ar | für *) — giftige Tierarten „durch das Anstrocknen der Suͤmpfe und feuchten Oerter, durch Aushauen der Waͤl⸗ der, und uͤberhaupt durch den Anbau und die Kultur der Laͤnder, an einzelnen Orten faſt ganz ausgerottet werden, iſt eine natuͤrliche Folge des geſunderen Bodens und einer geſunderen Gegend, und lehrt uns alſo, daß dieſe Thiere an ſolchen Orten itzt nicht mehr noͤthig ſind. 461 für Gewürm und Ungeziefer machen follen; und wenn wir, durch Sorgfalt für die Gefundheit und Neinlichkeie unfrer Korper, das Dafeyn diefer Ihierarten hindern, fo gehorchen wir bloß der Stimme der Natur, die ung gebot, Sorge zu trage, daß eine gefunde Seele in einem gefunden Körper wohnen möge. Der Menfch ift alfo berechtigt, zu eignem Schuge und eigner Erhaltung der Vermehrung diefer, in gemifs fem Sinne, fhädlichen Ihierarten vorzubeugen, aber muthwillig und abfichtsvoll müffen feine Beftrebungen nicht feyn. Und Doch verderbe der Menfch nur gar zu oft das Geſchoͤpf Gottes, ohne alle vernünftige Abſicht, ja fogar ohne ſich nur eine nuͤtzliche Folge diefer Zerftörung gedacht zu haben. Wie adfcheulich ift niche die Bosheit, die wir unfrer Jugend fo oft erlauben, fie ofe lehren, fich eine Luft daraus zu machen, die Eyer und Mefter unfchädlicher, und bekanntlich nüßlicyer Vo— gelarten zu zerftoren; und dies ohne den geringiten Nutzen für ung? Es mögte noch hingehen, wenn wir diefe Eyer zu unfrer Nahrung gebrauchten, obſchon Dies meiftens unnoͤthige, eingebildete Leckerhaftigkeit ift, und der Nutzen, den das im Eye eingehüllte Thier durch fein Dafeyn ges wuͤrkt haben würde, oft unendlich den Kißel eines -Augens blicks überwiegt, den diefe Speife unferm Gaumen ver- fihaffen fann. Indeſſen häfte dann die Zerftörung doch einige Abfiht; wie oft aber ift es nicht bloße Unart, Schadenfreude, wahre Bosheit, die den Menfchen zu. ſolchen Unternehmungen antreibt ? Wir verderben bloß um zu verderben. . ft dies aber nicht Frevel genen den Gott, deflen Gefchöpf wir höhnen? ift es nicht Kraͤn— fung der Nechte des Weſens, dem der Höchfte Zurrire F Cr zum t 40% — — zum Seben gab, und das wir eigenmaͤchtig hindern, des Lebens und der Güter des Lebens zu genießen. %. 67. Wir Menſchen haben Fein Recht, muthwil— fig und ohne beſtimmte vernünftige Abſicht, ir: gend einem lebendigen Gefchöpfe das Leben su rauben. Das heiße: a) Mir haben Fein Hecht irgend ein Thier, 6108 zum Zeitvertreib zu tödten, oder weil die Fertigkeit, womit wir feinen Tod beför: dern, uns Vergnügen macht. b) Wir haben Fein Necht irgend ein Thier zu toͤdten, deſſen Dafeyn uns unfchadlich iſt. c) Wir haben Fein Precht irgend ein Thier zu tödten, deſſen Tod feine unmittelbar gegen wartige nuͤtzliche Folge, entweder fuͤr uns ſelbſt oder fuͤr die Geſellſchaft hat, in der wir leben. Wenn der Menſch ohne Einſchraͤnkung, der unna⸗ tuͤrlichen Jagdluſt ſich ergiebt, und ſich dadurch gewöhnt, gleichgültig und fuͤhllos gegen Mord und Blut zu ſeyn; wenn wir dann morden blos um zu morden, toͤdten weil es uns Luſt iſt, ohne Ruͤckſicht auf den Nutzen des Ge— toͤdteten; wenn wir, blos um unſre blutdurſtige Neigung zu befriedigen, Thierarten faͤllen, deren Fleiſch wir nicht eſſen, und deren Leben unſchaͤdlich fuͤr uns, nuͤtzlich aber in der allgemeinen Kette der Dinge iſt: kraͤnken wir denn nicht das Recht auf Leben und Gluͤck, das Gott dieſen Thieren gab? Ein Recht, das, unter den angeführten Vorauss 403 Borausfegungen,; auf feine Weife dem Rechte des Mena fhen auf Gluͤck und Sicherheit widerftreitet. Jede Handlung, die ein denfendes Wefen unter nimme, muß Abfiche, vernünftige Abficht haben, und wie fonnen wir uns denn einbilden, daß es Recht feyn follte, ohne allen vernünftigen Grund, das Leben ver Thiere zu zerftören und zu verkürzen? Iſt es eines ver nünftigen Wefens würdig, Boͤſes zu thun, blos um den leeren Raum einiger mäßigen Stunden anszufüllen; Boͤſes zu hun, blos um es zu fhun? Alles aber, wo— durch wir die Ghückfeligfeit irgend eines lebendigen Wes fens unterbrechen, ift ein Uebel, deffen Urheber wir find ; weil Hemmung der Würffamfeit, und der Entwicklung _ der Fähigkeiten immer ein Uebel für ein lebendiges We: fen iſt; und nichts als Nothwendigkeit, unfre eigne Er- haltung , Zuwachs an wahrer Gluͤckſeligkeit für uns felbft, wahrer Vortheil und Sicherheit unfrer Nebenmenſchen, fann das Uebel enrfchuldigen und rechtfertigen, das wir, durch Zerſtoͤrung des Lebens der Thiere hervorbringen. Die Fliege und der Wurm fühlen ebenfomohl die Freuden des Lebens, als der Elephant und der Menfch ; ſowohl jene als dieſe Fämpfen gegen den Tod und Zerftö: rung; nur ein Tyrann, nur ein mauriſcher Iſmail mordet 6 aus Luſt; *) aber die Natur bebt vor Ge 2 folchen *) Juſtizrath Höft in feinen Nachrichten von Marokko u. ſ. w. erzählt ©, 45746. von diefem außerordentlichen Tyrannen, daß es eitie feiner gewöhnlichen Vergnügun gen war, Dem Sklaven der den Steigbiegel hielt, Den Kopf abzubauen, indem er fich aufs Pferd fihwang. In einer Zeit von achtzehn Jahren foll er nicht weniger als | 49,900 464 folchen Ungeheuern zuruͤck. Und ſollten wir denn nicht, bey vernünftigem Nachdenken über die Natur und den Werth der Thiere, mic gleicher Verachtung und Abfchew einen jeden betrachten, der es fich zur $uft und zum Zeitvertreib macht, das Leben der Thiere zu zerſtö— ren, ohne dabey eine vernünftige Abfiche zu haben, ohne ein wirkliches Gut dadurch zu erreichen: ein Gut das größer ift ald das Leben dieſes Thie: red. ° Was ein folder Mördergeift dem Thiere thut, das würde er auch gegen den Menfchen verfuchen, wenn er bier eben fo ungeahnder jenen Luft und Meigung folgen dürfte. %...,923 Indem wir aber behaupten, daß Fein lebendiges Weſen, obne vernünftige Abficht und beſtimmten Rutzen, von dem Menfchen zerftöre werden darf, fo erhellt auch zugleih, daß: Der Menſch das Recht hat diefe Thiere zu tödten und auszurotten, in folchen Fallen, mo der Tod des Thieres zur Erhaltung und zum wuͤrklichen Wohl des Menfchen nothwendig iſt. Da die Natur den Menfchen fo gebildet hat, daß er fi) fowohl aus dem Thier, als Pflanzenreiche nähren fann, 40,006 Menfchen ermordet haben. Jeder von ung fühlt die gränzenlofe Bosheit diefes Unthiers; allein, follten nicht viele Menſchen fich ähnlicher Tyranney gegen bie Thiere ſchuldig gemacht haben, ohne daß weder fie felöft, noch die Menge ihrer Nebenmenfchen, etwas dabey ars dacht oder empfinden haben? j Bm use nnd 405 kann; da wir, vermöge der Einrichtung unfers Magens, Fleiſch verbauen konnen, fo ift dies ja ein Wink der Na— tur, daß die Thiere zu unfrer Speife beftimmt find. Wie ein Thier das andre verzehrt, ein Thier durch Liſt oder Stärfe das andre überrafcht, fo werden alle Ihierz arten, vermöge der höhern Fähigkeiten die wir beſitzen, ein Kaub des Menfchen. Wenn der $öwe und der Ti— ger auf gewiffe Erdſtriche eingefchränft find; wenn der Hayfifh feinen Raub in dem Element fuchen muß, worin die Natur ihn feßte, fo kann der Menſch feine Beute in jedem Theile der Welt, aus allen Elementen, in der ganzen Natur fuchen. Der Menfch tft durch die Einrichtung der Natur, hauptfächlich ein fleifchfreffendes Thier; er ift alfo berechtigt, Durch Das Toͤdten der Thiere feinen Unterhalt zu fuchen. Eins aber ift es, die Fordrungen der Natur zur Nothdurft durch thieriſche Speife befriedigen; ein An— dres, dieſelbe zum Vergeuden zur Schlemmerey und zur Ueppigkeit zu gebrauchen. Wenn jenes recht und erlaubt iſt, ſo ſtreitet dieſes wider die Natur, und kraͤnkt das Recht eines jeden Geſchoͤpfes, das ohne Nothwen— digkeit und vernuͤnftige Abſicht des Lebens beraubt wurde. Hierbey iſt es beſonders merkenswerth, daß der Menſch, durch bloße animaliſche Speiſe, bey weitem nicht aufs beſte fuͤr die Ordnung und Geſundheit ſeines Koͤrpers ſorgt; da auch das Pflanzenreich von der Natur zur Nah— rung des Menſchen beſtimmt iſt, und fo viele heilſams Folgen für den menfchlichen Körper hat. Auch) ift es befannt, daß hypochondriſche und gichtifche Perfonen, durch gaͤnzliche Enthaltung von aller animalifchen Speife, und durch den Gebrauch blos vegetabilifcher Sebensmittel, | Ce 3 niche 406 richt allein geheilt worden find, fondern gleichfam neue Munterfeit, und Jugend und. Stärfe wieder erhalten haben; und diefer Erfolg zeigte fich zuweilen ſchon nad) einigen Monaten, fpätftens aber nach zwwey Jahren einer folhen Diät. Anmerkung. Der Menfch kann, zufolge feines Koͤrperbaues, Fleifch eſſen, und ift alfo berechtigt, fich animalifcher Speifen zu bedienen ; dies leidet wohl feinen Zweifel. ine andre Trage aber ift es, ob Buffon und mehrere Naturfundige Recht ba- ben, wenn fie behaupten, daß Menſchen, welche ihre Nahrung einzig und allein aus dem Pflan⸗ zenreiche zögen , ſchwach und Fraftlos werden müften. Profefior Sparemann hat in feiner Reife: befchreibung verfchiedne Erfahrungen zur Aufiofung die fer Frage gefammelt, und diefe will ic) denn Hier anführen. | Die Braminen effen fein Fleifh; und wenn gleich diefe Menfchen, wie Herr Buffon will, mehr "eine Sefte, als ein Volk ausmachen, fo leben fie doc), und zeugen Kinder, und man kann nicht fagen, daß die «Kräfte der vorhergehenden Generation in der folgenden ebnehmen. ine große Anzahi armer feute in China, ſoll, wie man fagt, fi) blos von Reis nähren, und ſich vecht wohl daben befinden. Die Einwohner der ges ringſten Klaffe auf ven Tatau⸗Inſeln im Südmeer, felbft Leute von höheren Klaffen, baten ſich von den Eng- laͤndiſchen Neifenden , Fleifch als eine Seltenheit aus; und obgleich einige von ihnen nur felten Gelegenheit bat: ‚ten, Fifche zu befommen, und faft nichts als vegetabi- liſche Speifen geneffen, waren fie doch fo munter‘, raſch und een 407 und ftarf, daß fie fir eine Glaskoralle oder einen Nagel, Die Reifenden durch ziemlich ſtark fließende Bäche trugen, ohne auszugleiten, obſchon der Boden voller Flinten- fteine war, und das Waſſer ihnen bis auf die Mitte des — ging. Die — oſter Inſel( Eafter- Island) ift ein redender Beweiß, wie fehr die menfchliche Natur ſich daran gemwohnen kann, mit wenigem zufrieden zu fen. Ungeachtet wir, fagt Herr Sparrmann, queer durch die Inſel zogen, und einen großen Theil derfelben un- terfüchten, fanden wir duch nicht mehr als ein einziges elendes Boot, und nicht einmal fo viel Holz, daß die Ein» wohner fi) ein andres daraus hätten machen fünnen. Wir fahen nicht das mindefte Fifchergeräth auf der In— fel; auch fanden wir nicht einmal eine Spur, daß bie Einwohner ihre Nahrung aus dem Meere zügen. Sie hatten zwar Hühner; aber da felbige Elein und fehr zahm ‚waren, und man unter einer Volksmenge von fieben bis achthundere Perfonen, kaum funfjig von diefen Thieren ‚zählte, fo fann man mit großer Wahrſcheinlichkeit fchlief- fen, daß viele diefer Inſelbewohner ohne alle thierifche Nahrung leben müflen. Zwar gab es auch Nasen auf der Inſel; aber da fie eben nicht in Menge vorhanden waren, und die Bewohner der übrigen Inſeln diefe Thiere verabfcheuen, fo ift es nicht wahrfiheinlich, daß fie bier zur Nahrung ‘gebraucht werden: follten. Nun waren freylich dieſe Inſulaner, überhaupt genommen, ziemlich mager; aber die Natur ift auch mit vegetabilifcher Nah— rung unbefchreiblich EFarg gegen fie gemwefen, indem die ganze Flora.diefes Landes kaum zwanzig Gewächsarten aähl; und unter dieſen gehörten Piſang, Yams, \ Ge 4 füße 408 füge Pataͤten und Zuckerrohr zu den wenigen, die zum eſſen taugten. Demungeachtet waren doch dieſe Leute geſchmeidig, konnten laufen und klettern wie die Ziegen, und ſchienen geſund und wohl zu ſeyn. Uebrigens be— weiſen die Weibsleute dieſer Inſulaner, daß weder Fort— pflanzungstrieb noch Koͤrper bey ihnen durch dieſe vegeta⸗ biliſche Nahrung geſchwaͤcht ſind. Da Fleiſchſpeiſen auf ven Geſellſchafts-Inſeln für eine Seltenheit gehalten werden, fo giebt man den Hunden dafelbft weder Fleifch noch Fiſche; und obſchon man alfo mit Recht behaupten kann, daß dieſe im eigent- lichſten Verſtande fleifchfreffenden Thiere, dort faft Feine andre als vegetabilifche Nahrung erhalten, fo Fann man doch nicht fagen, daß fie ſchwach wären; die gebratenen Hunde, die man dafelbit ſah, waren vielmehr fett und fleifhige. Die europäifchen Hunde, die in weit hoͤherm Grade fleifchfreffende Thiere find, als der Menſch, wer— den oft mit Mehl und Waſſer gefüttert, und gedeihen recht gut dabey; und warum follte denn der Menfch nicht leben und gedeihen Fonnen, wenn er blos die verfchied- nen Arten von $ebensmitteln genießt, die das Pflanzen= reich darbietet. Die Sflaven und Buſchhottentotten am Kap, —— bey ſolchen Bauern dienen, die ſich blos mit der Schaaf: zucht befchäftigen , und in Gegenden wohnen, wo das Wild weggefchoßen ift, befommen von ihren Heren nichts als Brod und Milchfpeifen, wobey fie indeſſen gefund und in ziemlich gutem Stande find. Schaaffleiſch wird ih- nen nicht geboten, da die Schaafe den einzigen Neich- thum ihrer Herren ausmachen, und alfo nicht zum Unter- halt der Sklaven gefchlachtet werden, ‚all u Aus 409 Aus Thomas Gages Befchreibung feiner Reiſe nad) Neufpanien, fieht man, daß die Armen diefer Län: der blos vom Mays, und einer Art welfcher Bohnen (phafeolus) leben; diejenigen aber, welche der Stadt näher wohnten, fuchten nur des Sonntags fic) etwas Fleiſch zu verfehaffen. In Ulloas Reifebefhreibung liege man unter andern folgendes: „Die Armen haben „fein andres Nahrungsmittel als Papasmwurzeln dieſe Wurzel erfeßt ihnen den Mangel aller übrigen Speifen. „Die Kreolen ſchaͤtzen diefelben fogar höher als Vogel „und die beften Fifchforten.“ Wer weiß nicht, daß die Kafaobohnen, in den $ändern wo fie wachfen, ein Hauptnahrungsmittel der Einwohner ausmachen, und daß ausgezehrte Leute, durch den Genuß derſelben, bald wieder zu Fleiſch und Kraͤften gekommen ſind. Man hat ſogar Beyſpiele, daß eine ganze Schiffsbeſatzung zween Monate lang nichts anders als Chokolade genoſſen, “und ſich wohl dabey befunden hat. In Oberaͤgypten fins det man viele Haushaltungen, die einzig und allein von Datteln leben. Diefes alles aber zufammengenommen, bemeißt doch wohl unläugbar, daß die Menfchen leben und gedeihen und fich fortpflanzen Fonnen, ohne Fleiſch zu eſſen. Indeſſen wird man vielleicht mit Hrn. Buffon einmwenden : daß zwar in den füdlichen Sändern, mo die Srüchte reifer , die Gewächfe nahrhafter, die Wurs zeln faftiger, die Saamenkorner fefter find, der Menſch bey blos; vegetabilifcehen Speifen Gefundheit und Stärfe behalten fonne; daß dies aber nicht ebenfalls in den noͤrd⸗ lichern Laͤndern Statt finde, Und doch betätigt die Er- fahrung, daß die Menfchen auch hier leben und gedeihen fonnen, ohne Fleiſch zu eſſen. Tournefort erzaͤhlt, | Cc35 daß 410 — — daß Brod, Feigen, Weintrauben und rohe Gurken zum oͤftern die einzigen Lebensmittel, der Einwohner in der Levante ausmachen; und es folgt alſo hieraus, daß dieſe Menſchen, wenigſtens eine Zeitlang ohne Nachtheil, alle animaliſche Nahrung entbehren koͤnnen. Linnee zeigt. (Amoenitates Academicae. P. Il. p. 137) daß die Athleten in alten Zeiten, deren Hauptbeſchaͤf— tigung es war, zu ringen und zu fechten, wozu fie ge- wiß Eräftige Nahrungsmittel nöthig hatten, hauptſaͤch— lich mit Feigen unterhalten wurden , bis es allgemein ‚gebräuchlich ward, Fleiſch zu effen. An eben dem Orte findet man angeführt, daß arme Leute, die man zur Be— wachung der Feigengärten und Weinberge anftellte, bin- nen zween Monaten von diefen Feigen, wozu man ihnen ‚eine Fleine Portion Brod gab, Dick und fett wurden. Profeſſor Sparrmann bat viele Dalefarlier gefeben, ‚die lange Zeit hindurch die ſchwerſte Arbeit verrichteten, ‚und. ihre, beynahe einzige Nahrung war Mehlbrey und Bier. In Upland fand er arme Bauersleute, die ‚mehr als einmal, und das ziemlich lange, fein Brod ‚für ihre Kinder harten, und fie mie Mehl in Waſſer ge: kocht , und Pfannkuchen ernaͤhren muſten. Man wird vielleicht fügen, die Milch, welche folche Leute genießen, ‚gehöre zum Thietreich ; aber dies füllt bey nähern Nach— denfen weg, da Here Geoffroy bemerfe hat, daß die Beſtandtheile der Milch mit den Beftanorheilen der ‚Pflanzen faft eins find. Es ift befanne, daß in Irland ‚viele arme Leute nichts als Kartoffeln, und zuweilen ein wenig Milch eſſen. Ein Mann, der fid) lange in Ruß— land aufgehalten hatte, verficherte Hrn. Sparrmann, ‚daß der gemeine Mann anf dem Sande daſelbſt, blos von Sauerkohl, Grüge oder Brod, rohen Gurfen, Zwiebeln, 156 Salz, t x 411 Salz, Gras und Tradakna — einer Zubereitung aus trocknem Habermehl und Waſſer — lebte; und daß von dreyßig tauſend Bauern, die einem gewiſſen Herrn unweit Moffau gehörten, nur ſehr wenige, viermal des Jahres Fleiſch oder Fiſche zu effen befämen. Uebrigens führe Haller (Phyfiologie, 9. 3, 19. b.) ver- ſchiedne Benfpiele von Leuten an, die ohne animalifche Nahrungsmittel gelebt haben; und beweißt alfo, daß man auch in Europa derfelben entohnige feyn kann. Sparrmanns Reife, ©. 525: 531. Der Menfch ift alfo nicht durch umwiderftehlichen Naturzwang genöthige Fleiſch zu effen, obſchon er es effen kann; aber wie ungerecht handeln wir denn nicht, wenn wir diefe Fähigkeit zur Schlemmerey und Ueppig- feit mißbrauchen,, und alfo weit mehreren Thiergefchöpfen das Seben rauben, als die vernünftige Befriedigung un ſrer Beduͤrfniſſe fodert. 588 Der Menſch iſt, im geſellſchaftlichen Leben, berechtigt, das Thier in ven Fallen zu toͤdten, wo das Leben des Thieres dem Menfchen zur. Loft werden würde, ohne daß. diefer demfel: ben die nöthige Nahrung und Pflege geben, und es alfo weder fich feldft zur Euft, noch dem Menfchen zur Euft leben Eönnte, in Auch das ift Wahrheit, daß gewiffe Thierarten, die in häuslicher Verbindung mie dem Menfchen ftehen, eine unerträglihe Buͤrde im gefellfchafelichen geben wer; den würden, wenn alle Jungen diefer Thiere ungeſtoͤrt heran 412 — — heran wuͤchſen, und am Leben blieben. *) In dem natürlichen Zuftande, wo die Thiere wild unfer einander laufen, hat die Natur felbft dafuͤr geſorgt, Daß das nothige Gleichgewicht unter den Arten erhalten werde, indem ein Thier ein Raub des andern wird. in der häusliehen Verbindung mit dem Menfchen, der in Familien und Staaten lebt, ift das ſchwaͤchere Thier gemeiniglich wi- der die Gewalt des Stärferen beſchuͤtzt; die Sorgfalt der Natur für die Einfchränfung gewiffer Thierarten ift alfo unter diefen Umftänden, gewiffermaaßen dem Men- ſchen überlaffen; und man mögte wohl fagen, daß mir fogar dem Thiere eine Wohlthat erzeigen, wenn mir es durch einen frühen und fiynellen Tod von einem kummer— vollen Leben befreyen, das ärger als der Tod feyn würde. Daß wir in folchen Fällen diefen Wefen das $eben rau- ben, wenn fie faum angefangen haben es zu genießen, darüber fonnen wir ung allzeit durd) den Gedanken berus bigen, daß es Nothmwendigfeit war, die uns fo zu banz deln gebot; und die Sorge für die weitere Entwicklung diefer Wefen, wollen wir dem Herren der Natur anheim ftellen, der von Ewigkeit her ihr Loos in jedwedem Zeit- punfte ihres Dafeyns gefehen, und ihr Schickſaal in den allgemeinen Plan der Dinge verwebt hat. 6. 84. Wir Menfchen thun Unrecht, wenn wir will kuͤhrlich und vorfeglich den Körper oder die Glied» maßen eines Thiers beſchaͤdigen; es ſey dann a) daß Hoͤſt erzaͤhlt, daß die Mauren nie einen Hund, oder feine Jungen umbringen, daher denn auch bey ihnen eine — — 413 a) daß wir gezwungen waͤren dies zu thun, um uns gegen ihre Angriffe zu vertheidigen. b) Daß unſre Hausthiere auf keine andre Weiſe zu den Dienſten brauchbar werden koͤnnten, wozu wir ſie nothwendig beduͤrfen. Nichts in der Natur iſt uͤberfluͤßig, jedes Ding hat ſeinen beſtimmten Nutzen, jedweder Theil des Din— ges ſeine beſtimmte Abſicht und Verbindung mit dem Ganzen. So verhaͤlt es ſich inſonderheit mit dem thie— riſchen Koͤrper; es iſt kein Theil deſſelben, der nicht die Erhaltung des ganzen Koͤrpers, und ſeine Faͤhigkeit die Abſichten der Natur zu erfüllen, zu befoͤrdern beytraͤgt. Aber auch das ift Wahrheit, daß fein Theil diefes ſchoͤ— nen Ganzen zerftört werden oder leiden Fann, ohne daß die Würfungen davon ſich auf die ganze Mafchin - Ein= richtung ausbreiten, und ihre Vollkommenheit ftören. Hat nun der Höchfte gewollt, daß ein jedes Ding feine beftimmte Abficht erreichen follte, und er wollte es, weil er den Dingen überhaupt, den thierifchen Körpern aber infonderheit, die Einrichtung, die Theile, das gegenfei= tige Verhaͤltniß der Theile gab, das fie würflich haben; fo ſtreitet ja jede Zerfiorung, Die wir muthwillig in dem Korper eines Thieres anrichten, jeder Schade, den wir zwecklos den Gliedern irgend eines Thieres zufügen, of fenbar gegen den meifen Willen und die weiſe Einrich- tung des Schöpfers; fo verfündigen wir uns ja grüb« lid, wenn wir, ohne ein wuͤrkliches größtes Gut zu | errei⸗ eine unausſtehliche Menge dieſer Thiere iſt, die nicht allein ſelbſt durch Hunger und Elend leiden, ſondern auch den Menſchen gar ſehr beſchwerlich ſind. erreichen, die Vollkommenheit vermindern ; die Gore feinen Geſchoͤpfen gab. Wie aber der Menſch, der muthwillig die Voll— kommemheit eines lebendigen Gefchöpfs vermindert, ge- gen den Urheber der Natur fündige, fo Fränfen wir auch, in dem eigentlichften Verſtande, das Recht des Thieres, durch die zweckloſen Zerſtoͤrungen, die wir in feinem Koͤr— per und den Gliedmaaßen deflelben anrichten. Dann erft kann ein, mit organifchem Korper vereinigtes, lebens diges Wefen phyſiſch gluͤcklich gefhägt werden, wenn je der Theil der Organifation feine beftimmte Abficht erfüllt, Jede Abweichung von der feſtgeſetzten Ordnung der Natur, jede Zerftorung der Unordnung eines Organs, ift mit unangenehmen Empfindungen für das Ihier verknüpft. Ueberhaupt ift eine jede Einfhränfung oder Stockung der Wuͤrkſamkeit mit Unannehmlichfeit für ein geiftiges Wer fen verbunden; auf eine jede Zerftorung in dem thierifchen Körper oder feinen Gliedern aber, folgt ja Einfchränkung, Stockung der Wuͤrkſamkeit, wozu das Thier, vermittelft diefes Gliedes, beftimmt war, alfo auch Schmälerung der Freuden, die das Thier vermittelft diefes Gliedes ge— nießen follte. Und ift es denn alfo nicht die beftimmtefte Kraͤnkung des Rechts der Thiere, wenn wir muchwillig und ohne vernünftige Abfiht, die Freuden vermin- dern,” unterbrechen und zerfloren, wozu Gott fie durch die Einrichtung ihrer Korper beftimmte, Wenn wir die Körper der Thiere und ihre Glieder zerftören,, fo zerftören wir ihre Vollkommenheit und Gluͤck⸗ ſeligkeit, rauben ihnen Guͤter, die der Schoͤpfer durch die Einrichtung der Natur, ihnen zu genießen ein Recht gab, rauben ihnen was ihnen gehört, thun Unrecht. Und nun nun Menfch! wenn du den Fliegen, Mayfäfern und an- dern Inſekten, Beine und Flügel abreiffeft, wenn du die Kae und den Hund lähmeft, wenn du die Glieder des Thiers befchädigft, blos weil Einfälle oder Zeidenfchaft dich antreiben, was thuft du alsdann? Du beleidigft ” das Thier, indem du fein Reche kraͤnkeſt, du fündigeft gegen den Schöpfer und Herrn des Thieres, und ein Thor bift du, wenn du wähnft, du koͤnnteſt ungeftrafe fündigen, $. 85. — Koͤrperlicher Schmerz iſt immer eine Folge der Mißhandlungen, die wir den Koͤrpern und Gliedern der Thiere zufuͤgen. Aber indem wir erkennen, daß jede muthwillige und zweckloſe Beſchaͤdigung der Koͤrper der Thiere, unrechtmaͤßig und ſuͤndlich iſt, werden wir uns auch genoͤthigt finden, folgenden aus dieſer Wahrheit un— mittelbar herfließenden Schluß einzuraͤumen: Der Menſch thut Unrecht, wenn er ohne Nothwendigkeit und vernuͤnftige Abſicht dem Thiere koͤrperliche Schmerzen verurſacht. Das heißt: a) Wir thun Unrecht, wenn wir in irgend einem Falle dem Thiere koͤrperliche Schmer⸗ zen verurſachen, wo wir, Durch den Ge: brauch andrer Mittel, unfre Abſichten eben fo gut und eben fo leicht hatten erreichen fünnen. b) Wir thun Unrecht, wenn wir dem Thie— ve einen größern Grad von fürperlichem Schmerz verurfachen, mo ein geringerer $ Grad 416 Grad von Unannehmlichkeit für das Thier, hinreichend gemwefen ſeyn würde, unfre dere nünftigen Abfichten zu fördern. ce) Wir thun Unrecht im höchiten Grade, wenn der Schmerz, den wir dem Thiere verurfachen, in unſrer vorfaglichen Unwiſ— fenheit, in unfern Borurtheilen, Ueberei— lungen und £eivenfchaften feinen Grund hat. Hiervon werden wir noch mehr überzeugt werden, wenn wir ung erinnern, daß die Thiere eben diefelben Sinnwerfzeuge haben, und vermöge ihres Körpers auf eben die Weiſe empfinden, als der Menſch. Auch bey den Thieren find die Nerven der Anlaß zu Empfindune gen; jede Zerftorung, die wir in den Gliedern des Thie— res anrichten, greift auc) feine Ierven an, und verur- facht ihm größere oder Fleinere Scherzen, je nachdem feine Organe mehr oder weniger fein, und die Bewe— gungen, die wir hervorbringen, mehr oder weniger ge= waltfam find. Iſt mun aber jede zwecflofe und muth— willige Mißhandlung, die wir an dem Körper des Thie- res verüben, unrechtmäßig und fündlich, fo ift auch je— der förperlihe Schmerz, den wir auf diefe Weife dem Ihiere verurfachen, gewaltfame Kränfung feines Red) fes; da das eine nothwendig aus dem andern folgt. Und Doch ift nichts gewöhnlicher, als daß der Menſch gedanfenlos ſich erlaubt, das Thier auf jede Weiſe zu mißhandeln; Luft und Wohlgefallen daran fin= der, ihm $eiden und Schmerz zu verurfachen, gerade, als ob dag Thier ohne alle Empfindung , oder feine Em— pfindungen von einer ganz andern Art wären, als was wir an uns Empfindung zu ſeyn wiſſen. Aber 417 Aber welch” ein fehreckliches Negifter von Mißhand- lungen fönnten wir hier nicht aufzählen, wenn wir dent Menfchen durch die verfihiednen Stande und Alter folgen, und die ungeheure Summe von fürperlichen Schmerzen überdenfen wollten, unter welchen die Thiere ſeufzen; Schmerzen, die fo allgemein, ohne alles Bedenken, hervorgebracht und vermehrt werden. Wenn der fich windende Wurm von dem bartherzigen Sifcher zum Köder auf den Angel gefteckt wird; wenn die Fliege und der Mayfäfer von Nadeln — werden, und ihr aͤngſt⸗ liches Flattern ein angenehmes Schauſpiel fuͤr den fuͤhllo⸗ fen Menſchen iſt; wenn die waͤrmenden Federn dem leben- digen Federvieh aus der Bruſt gerupft werden; wenn wir das Thier, das wir verwundet haben, ſich durch langſame Schmerzen zu Tode martern laſſen; kurz, wenn gedankenloſe Thorheit, Launen und Leidenſchaften uns verleiten, die Koͤrper der Thiere zu mißhandeln; o, dann kraͤnken wir groͤblich das Recht des Thiers, das, von dem Herrn der Natur zur Gluͤckſeligkeit beſtimmt, nie bey den Mißhandlungen des Koͤrpers gluͤcklich ſeyn kann. Aber, wird man vielleicht antworten, es ſind ja doch nur Thiere, und wir ſind Menſchen, und was brau— chen wir uns denn nm ihre Freude oder ihren Schmerz zu befünmmern? iſt es nicht genug, daß wir uns bafür hüten, Menfchen zu mißhandeln, follen wir uns auch noch über unfer Betragen gegen das Thier Bedenklichkei— ten machen? Freylich giebt es manchen, der nur mit genauer Noth fi) dafuͤr hüten Fann, Menſchen zu miß— handeln; und vielen iſt es ſogar voͤllig gleichguͤltig, ob Menſchen oder Thiere die Opfer ihrer Mißhandlungen ſind. Aber, Bruder, ſollte denn wohl die Mißhanlung Did des * 418 des Thieres an ſich Recht feyn, weil es unrecht ift, ben Menfchen zu mißbandeln ? oder follte vielleicht der Herr der Natur, um ſich nach deiner böfen und gehäßigen Denfungsart zu bequemen , eine ganze Klaffe von leben- digen und fühlenden Wefen hervorgebracht haben, ie du frey und ungeftraft mißhandeln Eonnteft, damit du doch etwas haben mögteft, das deine Boßheit befchäftigre. Aber es iſt doch nur ein Thier, fagft du: und welchen Sinn bat dena wohl diefe deine Werrhendigung ? Schwerlich Fann fie etwas anders bedeuten, wenn fie überall eine Bedeutung haben foll, als daß dies Thier nicht Menſch iſt, niche Menfchengeftale und Menfchen- fäbigfeiten hat, wie du — und darum follteft du berech— tigt feyn, es zu martern und zu plagen? Aber was wür- deft du wohl felbft denfen und fühlen, wenn auf einmal eine Menge fremder Gefchöpfe aufdiefer unfrer Erben zum: Vorſchein Fame; Gefihopfe, die feine menfchliche Sprache veden ober verſtehen könnten; deren Geftalt gänzlich von der menfchlichen verfihieden, Die uns aber dahingegen an Macht und Einſichten weit überlegen wären? Dieſe Geſchoͤpfe verachteten und verhöhnten und mißbandelten uns auf Das graufamite: fie brachen uns blos zur Luſt Arme und Beine entziwey, und wären bey allem unferm Jammern und Wehklagen völlig gleichgültig. Was wirdeft Du, Menſch, bey einer ſolchen Behandlung denken und fühlen? Gewiß, dieſe Welen thäten dir Un⸗ recht, himmelfchreyendes Unrecht. Aber, was ehuft denn du dem Thiere, wenn du es eben fo, oder auf ähnliche Weiſe behandelt? Soll deine größere Klugheit und Stärke dir ein Recht geben das Thier zu mißbandeln, fo mußt du auch zugeben, daß jedes Wefen, welches | mächtis = 7 Te 419 mächtiger und kluͤger ift als du, das Recht bat, mit dir eben fo zu verfahren ! Und fiehe, Menfch, die Mifferhaten, die du ges gen das Thier verübft, und andern zu verüben erlaubft, fallen oft zurück auf did) felbft, wenn du ſchon längft fie vergeflen haft, wenn du dich nicht einmal zu befinnen weift, welchen Zufammenhang deine gegenwärtigen Un— annehmlichfeiten und Leiden, mit deinem vorhergehenden graufamen DBetragen gegen das Thier haben. Du lehrſt das Kind, und erlaubft ihm, Schmetterlinge, Mayfä- fer und andre kleine Thiere auf Nadeln zu ſtecken; du lehrſt es, feinen Unmillen an den Hausthieren auszulaffen, die es um fich hat; du haft deine Luft daran, zu fehen, mit welcher Erfindſamkeit dein Kind die Thiere martert; aber fiehe — gedankenloſer Water, gedankenlofe Mut ter! frühe oder ſpaͤt wird die vergeltende Gerechtigkeit diefe Martern des Ihiers auf dich ſelbſt zurück fallen laſ— fen. Vielleicht wird einft der junge Unmenfch, den du fo erzogen haft, die Dolche, womit feine zarten Hände fih an den Thieren übten, in deine eigne Bruft ftoßen! As ein roher, wilder, ruchloſer Menſch, wird vielleicht diefer dein Sohn, oder deine Tochter dir tödtenden Kum— mer, und täglicd) nagenden Bram verurfachen! Und zu fpät wirft du dann erfahren, daß die Seufzer und das Jammergeſchrey des leivenden Thieres fid) nicht im Win— de verlieren, fondern empor fteigen zum Gott der Liebe, und Rache fordern über den harten und unbarmberzigen Sünder ! SE: 86. Ungerecht, fündlich find die Mißhandlungen der Körper der Thiere, durch welche wir ohne Nothwendig- Dd 2 feit 420 —— keit und vernuͤnftige Abſicht, ihnen Schmerzen verurſa— chen; aber die Thiere ſind nicht bloße Koͤrper; auch ſind nicht alle Leiden, die wir ihnen verurſachen koͤnnen, blos koͤrperliche Leiden. Die Thiere find Weſen, aus Koͤr— per und Geift zufammengefegt, Wir Menſchen thun alfo Unrecht, ment mir ohne Nothmwendigkeit und vernünftige Ab— fiht, den Thieren Kummer und Angſt verurfa: chen. Wir thun alfo Unrecht, a) wenn wir, ohne Nothwendigkeit, den Thies ven die natüefichen Veranlaſſungen rauben, die ſie zur Freude haben. b) Wenn wir ſie, ohne Nothwendigkeit, in Lagen, und in Verbindung mit Gegenſtaͤn⸗ den verfegen, Die ihnen Unluft und Angie verurfachen. ec) Wenn wir, ohne Nothwendigkeit, dem Kummer oder die Angft vermehren und ver längern, die wir ihnen zufaͤlligerweiſe vers urſacht Haben mögen. Die gewaltfame Behandlung des Körpers erregt immer unangenehme Empfindungen in der Seele; Die Seele hat aber aud) ihre befündre Luft oder Unluſt, weiche, ohne unmittelbar durch die Verändrungen des Körpers hervorgebracht zu feyn, ihren Grund in der eigenrhümli= chen Wuͤrkſamkeit der Geelenfähigfeiten hat. So ift es mit dem Menfchen, und fo verhält es fich auch mit den Thieren; nur in den Öraden der Entwicklung und Wuͤrkſamkeit diefer Fähigkeiten, konnen wir mit Örunde einen Unterſchied zwifchen Menfch und Thier annehmen; fo — .;: 422 fo wie auch die Entwicklung und Wuͤrkſamkeit bey den verfchiednen Thierarten wiederum verſchieden iſt. Der Menfch kann, indem er fid) eine Neihe mehrerer Zwi— fchenurfachen und Wuͤrkungen denfe, durch die unange- nehmen Möglichfeiten, Die er vielleicht entdeckt, ſich Unluſt fchaffen. Das Thier bleibt, foviel wir ſchließen koͤnnen, in den meiften Fällen bey dem Gegermwärtigen, und den unmittelbaren Solgen des Gegenwaͤrtigen ftehen; aber die Erinnerung des Vergangnen trägt auch das ih— rige dazu bey, diefe Empfindungen zu verftärfen; und bierin kann das Thier, auf feine Weife, eben fo- viel Anlaß zum Kummer und Angſt finden, als der Menſch auf die ſeinige. Wer kennt nicht den unmiderftehlichen Trieb der Liebe zu feiner Brut, den der Urheber der Natur den Thieren einpflanzte? ein Trieb., der zu gewiffen Zeitert fogar den mächtigen Trieb der Selbfterhaltung, und die mit demfelben, bey den ſchwaͤchern und wilden Thierar— ten, verbimdne Furcht vor dem Menfchen, Bämpft, Geſetzt auch, diefer habe, wie zu vermuthen iff, feinen urfprünglichen Grund in der Einrichtung des Körpers, jo bringt er. dach immer bey dem Thiere frohe oder unan- genehme Empfindungen hervor, die zunächft und unmit— zelbar der Seele gehören, und von. den, im. eigentlich- ften Verftande , Eörperlichen Schmerzen. oder. Freuden verſchieden find. Aber wie allgemein überfehen wir Menfchen nicht diefe Duelle der Luft und Unluft der Thiere, und behan— deln fie wie Mafchinen, die, wenn wir nur nicht unmit- telbar ihre Korper angreifen, in ihrem beftimmten Gange nicht geſtoͤrt werden koͤnnen. Wie füpllos handeln wir Dd 3 nicht, 422 nicht, wenn wir ber Buy Mutter Eyer und Zungen rauben, und ihre Flagenden Töne, ihr wildes Jammer— gefchrey erregen nicht den Gedanken in unfrer Seele : es ift eine Mutter, die ihrer Abkommlinge wegen weh— klagt? Wer denkt daran, dem zum Tode beftimmten Thiere die ängftlichen Empfindungen zu erfparen, die die Natur ihm aufdringt, wenn es feine eigne Gattung bluten und fterben ſieht? Tragen wir wohl das geringfte Bedenken, die Thiere zu rennen, Die paarweife in ges nauerer Verbindung mit einander leben? Wie hängt niche Die ganze Seele des Hundes an feinem Herrn; wer kennt nicht feine Sehnſucht, feinen fprechenden Gram, wenn er ihn ungewöhnlich lange vermißt; und doc) den⸗ fen wir faſt nie daran, diefem freuen Thier die Unluft zu erfparen, die ein Wechſel von Herrn ihm nothwendig verurfachen muß; wie wir denn überhaupt nicht daran denfen, daß das Thier feinen Kummer, feine Freude, feine Hofnung, feine Anaft, feine $eidenfchaf: ten hat, die uns billig zum fehonenden Micleid in feiner Behandlung auffordern follten. Die Aengftigung der Seele fann jedes Gefühl von Forperlichem Schmerz weit übertreffen, wie das Benfpiel der Hündin beweißt, das mir vorhin angeführt haben. Das Gefühl ihres eignen forperlichen Schmerzes verlor ſich gänzlich in dem Gefühl des Verluftes ihrer Jungen. Die furchtfame Hirſchkuh folge Flagend dem Menfchen, der ihre ungen gefangen hat; und überwindet nicht hier. die Betrübnis den mächtigen Trieb der Selbfterhaltung,, der fonft, von Furcht beflügelt, dies Thier vom Menfchen wegſcheucht. Anmerfung. 1) Der fel. Biſchof Egede bat . mir erzähle, daß er ben einer Seehundsjagd zugegen war, wo es ſich zufrug, daß ein Geehund feinen Seinden glück: — 123 glücklich entgieng. Als er Eurz nachdem herauffchoß, um Luft zu fchöpfen, ſah er fein Junges forglos auf dem Wafler herum ſchwimmen, und in Gefahr gefangen zu werden. Da die te es nicht zu ſich loden fonnte , wagte fie ſich zuruͤck, und indem fie plöglic) heraufſchoß, fchlug fie mit beyden Vorderbeinen den Sunz gen auf den Kopf, fo, daß er unter das Waſſer fuhr, und dadurch genöthige wurde, diefen gefährlichen Dre zu verlaffen. 2) Ein merflihes Benfpiel der Wirkungen, die Kummer über den DVerluft der Freyheit, bey den Thieren bervorbringen Fann, findet man bey dem Abbe Proyart in feiner Gefchichte von Loan— go und Kakongo. In dieſen Gegenden von Afri— ka giebt es zweyerley Arten Hirſche, wovon die kleinere, die ſich gewoͤhnlich im hohen Graſe auf dem Felde aufhält, beſonders merkwuͤrdig iſt. Um fie zu fangen; verfammeln die Neger ſich, und formi— ven einen großen Kreiß, Den fie nachgerade enger zuſam⸗ menziehen, bis fie das Thier dergeftalt eingefchloffen ha— ben, daß es ihnen nicht mehr entlaufen fann. Sobald es auf diefe Arc umzingele ift, fagt der Verfaffer, denft es gar nichtmehr daran zu entfliehen, fondern läßt fi) ruhig greifen. Es überlebt nicht lange den Verluft feiner Freyheit; ſchlaͤgt man es nicht todt; fo ſtirbt es entwe⸗ der aus Sram, oder bringe fid) felbft um, indem eg ge= gen die Wände des Behältniffes vennt, worin es einges ſchloſſen it. Gefchichte von Loango und Kakongo. Eeite 41-42. _ 3) Dh redet in feiner Meifebefchreis bung von einer Ark Papageyen, die er Aras nennt, und die die größten von allen find, welche man ſowohl auf ki Dd 4 ben 424 | nn den amerifanifchen Inſeln, als auf dem feften Sande an. erift. Gewoͤhnlich ift dies Thier fo groß wie ein Faſan. Der Aras lernt ungewöhnlich gut fprechen, wenn man ihn von Jugend auf darin unterrichter, er hat eine ftarfe und deutlihe Stimme, ift zahm und läße fich gerne lieb» fofen. Einer von unfern Religiofen, fagt der Verfafler, hatte einen folhen Aras, der mit feinem Heren fehr vertraulich lebte, und fo eiferfichtig war, daß niemand fi) demfelben nähern durfte, ohne Gefahr zu laufen, von diefem Thiere gebiffen zu werden. Man war genöthigt, den Vogel einzufperren, wenn fein Herr Meffe lefen ſollte. Verſaͤumte man diefes, und er fand Gelegen- heit heraus zu kommen, fo begleitete er ihn, feßte ſich auf die Treppe die zum Altar führte, und lite nicht, daß der Chorjunge ihm nahe fan. Einmal kam vdiefer Pa- pagey los, als gerade fein Herr und einige andre Mifft- onaire barbiere werden follten. Er nahm nac) Gewohn- heit bey feinem Herrn Platz, und war ruhig bis diefer bingieng, ſich vafiven zu laffen. Nun firaubte er feine Federn. Man fehmeichelte ihm, gab ihm zu effen, und brachte es endlich fo weit, daß er dem Barbier erlaubte, feinen Herrn einzufeifen. Als er jenen aber das Scheermeffer nehmen, und fih ihm damit nähern fah, ſchrie er aus allen Kräften, fuhr dem Barbier in die Deine, und biß ihn mic folcher Erbitterung, daß das Blut ftarf darnad) floß. Hierauf flog er feinem Herrn auf das Knie, und von da auf die Schultern, wo er fchrie, die Federn fträubte, und mit aufgefperrtem Schnabel der ganzen Gefellfchaft zu drohen fhien. Es Foftete feinem Herrn viel Muͤhe * zu beruhigen, wor⸗ auf er ihn in ein andres Zimmer ſetzte, um ſich den Bart abnehmen zu laſſen. Hier eb ſchrie der Papa⸗ gay — —— 425 gey beſtaͤndig, biß in die Thuͤre, und that alles was in ſeiner Macht ſtand, um wieder heraus zu kommen. Pater Labat hatte einen großen Hund, den der Herr des gedachten Papageys oft liebkoſete. Dies erregte den Neid des Vogels ſo, daß er, ſobald er den Hund ge— wahr wurde, auf ihn zulief oder flog, ſich ihm auf den Ruͤcken ſetzte und ihn bieß. Es laͤßt ſich ſchwerlich ein Thier finden, ſagt der Verfaſſer, das an Treue gegen ſeinen Herrn, dieſen Aras uͤbertraͤfe. Pater Labats Reiſen nach Weſtindien, 3. B. S. 2542257. 4) Als ein großer Beweiß von der Anhaͤnglich— feit des Hundes an feinen Herrn, alfo auch von der Leb⸗ beftigkeit und Wärme der Empfindungen des Thiers, verdient der Hund des Roͤmers Titus Sabinus anges führe zu werden. Diefer Sabinus wurde von dem Tyrannen Tiberiug ungehört zum Tode verurteilt. Ein Hund, welcher nah Dio Kaſſius Berichte ihm felbft, nach der Erzählung des Plinius aber, einem fei- ner Sklaven gehörte, die ebenfalls hingerichtet wurden, begleitete feinen Herrn ins Gefaͤngniß, und wollte fich nicht von ihm mwegjagen laffen. Als der Körper deffel- ben, von den fo genannten Gemonifchen Stufen, auf dem Aventinifchen Berge, hinabgeftürze wurde, folgte der Hund ihm nach, und heulte jämmerlih. Eine große Menge Roͤmer war bey diefem Auftritt zugegen, und da einer von ihnen dem Hunde etwas Brod zumarf, trug er es nach dem Munde des Verftorbnen hin. Als man nachher den todten Körper in die Tiber warf, ſchwamm der Hund ihm zur Seite, und fuchte ihn über dem Waf | fer zu erhalten. Plinii Hiflor. Natur. Libr. s. Cap. 40. Dionis Caffü Hiftor. Rom. Libr, 58. glei) im Anfange des Buchs, | Dd 5 Menfch! 426 — — Menſch! wer du biſt, der eine Seele hat, welche denken und empfinden kann; ſieh in der Intelligenz des Thieres ein Bild deiner ſelbſt im Kleinen, der du mit edleren Anlagen das Gepraͤge der Gottheit traͤgſt, die dich ſchuf. Laß Erfahrung vom Thiere, verbunden mit deiner eignen Empfindung, dich lehren, was das Thier leiden kann, und bedenke ſtets, daß ein jedes Leiden die Gluͤckſeligkeit unterbricht, worauf das Thier eben fo ge: rechten Anſpruch erhielt als du; daß das Leiden eines je: den lebendigen Thieres ein Hebel ift, und du groblich ges gen den Willen und die Abfichten des liebreichen Schoͤ— pfers fündigft, wenn du vorfeglich das in der Welt vermehrft, AR am, Oft kann der Tod des Thieres vernünftige Abficht und Nothwendigkeit feyn, und wir befolgen denn Die Anweifung der Natur , wir bedienen uns unfers Rechts, wenn wir es toͤdten; aber Weir thun Unrecht, mir fündigen groͤblich, wenn wir ohne Nothwendigkeit feine Todesangſt und Schmerzen verlaͤngern. Es iſt uns Pflicht, ſeinen Tod ſo leicht, ſeine Quaal ſo kurz als moͤg— lich zu machen. - Und dies folge denn natürlich und unmittelbar aus unfern vorhergehenden Betrachtungen. Die Todesangft ift ja die gemaltfamfte Angft, die die Natur kennt; For- perlihe Schmerzen machen die bangen Erwartungen der Seele nur noch fürchterlicher, und welche Graufamfeit alfo, den Todeskampf des Thiers zu verlängern. Welche * das Uebel dem wir abhelfen koͤnnten, zu ver— mehren. 427 mehren. Sa, follten a. ‚ ‚felbft lebendige und fühlende Wefen, felbft fo genau mit der Furcht des To- tes befannt, fo ganz die Natur verläugnen fonnen, daß fie bey den fehmerzvollen Geberden und ängftlichen Kla- gen des fterbenden Thieres fühllos blieben? follten wir, die wir vollig überzeugt find, wie bitter der Tod ift, niche von unfrer eignen Natur ſtark und laut aufgefor- dere werden, fein Bitterkeit, durch Abkürzung der Duaalen , fir jedes lebendige Weſen zu vermindern, deflen Loos e8 ward, um unfertwillen zu ſterben, deffen Todesart in unfrer Macht fteht, und von unfrer Will führ abhänge? und doch morder der Menfch nicht allein aus Luft, fondern er findet fogar oft Gefallen daran, das zu peinigen was er morder. Menfch! Du meift felbft, was leiden und fterben iſt — und weift du es nicht, fo trete bin an das Sters bebette deines Bruders; gehe hinaus zu den blutigen Dpferftellen der Gerechtigkeit, und lerne dort Fennen und fühlen, wie bitter der Tod ift! Siehe, wie Furcht und banges Schrecken das Antliß des Suͤnders mit Bläße überziehen; wie die bebenden Lippen oft kaum im Stande find, halbgebrochne Worte zu ffammeln; wie die Schritte des Menfihen unficher und wanfend werden, jemehr der eodrende Augenblick herannaht; wie die Vorbereitungen zum Tode fihrecklicher find als der Tod felbft. Aber merfe wohl, daß es eigentlich die ehierifche Natur ift, die durch diefe Auftriete beunruhigt wird. Wenn der Menfh den Tod fürchter, fo fürchtet er ihn eigentlich nur, in fo fern er Thier ift, und von ftarfen finnlihen Empfin— dungen überwältige wird. Der geiftige Theil unſers Selbſt kann ja nicht ſterben; die Seele kann ja nicht ges toͤdtet 428 toͤdtet werden, und tie follte die Seele, blos um ihret- willen, Furcht vor dem Tode empfinden fonnen? Mein, der Tod iſt ung fürchterlich, die finnlichen Aengſtigungen find uns bitter, weil wir, außer unferm geiftigen We— fen, aud) diefe thierifche Natur haben. Und urtheile nun felbft, Menſchen! was die Thiere bey den Miß- handlungen des Körpers leiden müffen; wenn wir fie nicht allein mit dem Tode ängftigen, fondern aud) ihre Todesquaal durch mancherley graufame Empfindungen verlängern , wodurch wir ihre Leiden vermehren und Dauernder machen, Aber urtheilt zugleich, ob der Va— fer und Herr des Thieres und des Menfchen, er, der alles was lebt, zur Glückfeligfeie beftimmte, bey eurem fyrannifchen Betragen gegen feine Gefchopfe gleichgültig feyn werde! 6. 88. Ja, fagt man, die Thiere find ja da, um gegeffen zu werden und zu fterben; und Darum laßt man Denn ver- ſchiedne Arten von Fifchen lebendig fehinden, reißt die Schuppen von dem Körper des lebendigen Fiſches, bra- cet fie lebendig auf dem Roſte oder am Kohlfeuer, laßt fie in langfam Fochenden Waſſer fich zu Tode martern — und dies mache fie wohlfehmecfend, ift Feine Sünde, hat nichts zu bedeuten! Aber fieh, du harte und gedanfen- - Iofe Hausfrau und Dienftmagd, oder wer du bift, der fi einer folhen Miſſechat fehuldig macht; fo wäre es ja auch Feine Sünde, wenn dein König oder deine Obrig- feit, dich unfchuldig bey lebendigen Leibe in ſiedendem Dele kochen; dir die Nägel von Händen und Fuͤßen ab- reißen ließe, und die blutigen Wunden mit glühender Afche beſtreute? Du zieterft bey diefem ſchrecklichen Ge- \ danfen ! — — * 429 danken! Aber ſieh, wenn du Recht haſt, das Thier zu martern, weil es in deiner Gewalt iſt, ſo hat auch ein jeder, der maͤchtiger iſt als du, das Recht dich zu peini· gen und zu plagen. Anmerkung. Da fehr viele Thiere auf das erbaͤrm⸗ lichfte gemißhandelt werden, mern man fie toͤdten will, und Dies oft deswegen , weil diejenigen, die fie toͤdten follen, nicht wiflen, mie fie ihnen auf die leichtefte und gefchwindefte Are das Seben nehmen fünnen, fo ware es gar fehr zu wünfchen, Daß man eine deutliche und genaue Anmweifung hatte, wie jede Thierart auf die ges ſchwindeſte und am wenigften fihmerzhafte Weiſe zu fchlachten oder zu tödten ſey. So ift z. B. die Art, wie man bey uns, und vielleicht in ganz Europa, das Hornvieh ſchlachtet, fehr ſchmerzhaft, und die Schmers zen oft von fehr langer Dauer, In diefer Hinficht ver— dient das Verfahren der Suͤdamerikaniſchen Wilden Auf- merffamfeit, Die Wilden in Paraguay und Chili, wo auf den gragreichen Feldern eine große Menge Horn- vieh herum läuft, tödten den mwildften Ochfen in einem Augenblick, durch einen Mefferftich im Nacken, welcher das Ruͤckenmark durchfchneider, und alfo die Verbin— dung deffelben mit dem Gehirn u Götting. Hitorifches Magazin von E. Dieiners und €, ©. Gpittler...6. 3.°.2. Ste. ©. 289. Unter den Inſekten inſonderheit, findet man einige die ein fehr zaͤhes Leben haben, und alfo lange leiden müffen, nachdem fie von dem Sammler auf die Nadel geftecft worden find. Ob man fie blos fo zum Zeitvertreib fpießen und umbringen follte, ift eine Frage, die wir ſchen in dem WVerhergehenden beantwortet haben; bier ER A Ol 430 — will ich nur eine Art angeben, wie dieſe Inſekten am ge⸗ ſchwindeſten getoͤdtet werden koͤnnen, ohne daß ihre Schönheit dadurch leidet. Man nimmt einen Trichter, deſſen breitefte Defnung fehr ſchmal feyn mus, und ſetzt ibn über einen Topf mit kochendem Waſſer; hierauf hält man den Kopf des Inſekts über die fpiße Defnung des Trichters, da es denn augenblicklich von dem eoncentrirs ten Dunfte getödter wird. Das thieriishe Elend, ein Berfuch zur Lindrung deſſelben von Ehriftian Gotthelf Schmeifer. Altenburg, 17399. 8. & 66-67. Der Verfaffer verfichere, daß er unter allen möglichen, von ihm verfuchten Mitteln, Feins gefunden hat, das beffer als das obige dazu geſchickt wäre, die Inſekten mit Leichtigkeit zu tödfen. Aber eine Trage bleibe es immer, ob ein ſolcher Todſchlag, im obenges nannten Falle, überall rechtmäßig if. Zu mir redet die Weisheit und Güte des Schöpfers weit ftärfer in dem lebendigen, frey herumflatternden und glücklichen ſchoͤnen Inſekt, als in dem auf der Nadel fich Frümmenden, und in der Schachtel verwahrten leblofen Gefchopf. Vorurteile und Einbildung find größtentheils an, der martervollen Art Schuld, wie die Fiſche oft behan— delt werden, indem man fie ums Leben bringt. Sie ſchmecken fonft nicht gut, ſagt man; und man bedenkt nicht, daß die Güte und der Wohlſchmack des Fifches zuerft und hauptfächlic) darauf beruht, daß er nicht von felbit, fondern vor dem Meffer geftorben iſt. Wenn er nur gefchlachtee ift, fo hat es auf feinen Wohlſchmack ganz und gar Eeinen Einfluß, ob er in einem Augenblicke ftarb, oder eine halbe Stunde gemartere wurde. Aber wie aus genblicklich kann man nicht dem zählebigften Fiſch die Empfine ———— | 431. Empfindung rauben, wenn man, indem man ihn ftir, ſich nur blos die Mühe nehmen will den Ruͤckgrad, nahe beym Kopfe, zu durchſchneiden, wodurch das Hirnmarf zerftört wird, und das Bewuſtſeyn des’ Thiers aufhört. Ja, wendet die Einbildung dagegen ein, es giebt. doc) Fiſche, die nicht gereinigt werden fünnen, wenn man fie nicht lebendig mißhandelt; und darum laffen denn einige den Kaulbarſch ſich im kochendem Waffer zu Tode lau⸗ fen. Aber ich kann mit beftimmter Gewißheit verfichern, daß dies die ausgemachtefte Unwahrheit if. Gleich nachdem der Kaulbarſch gefchlachtee iſt, kann er. auf das vollfommenfte von allem Schleime gereinige werden, wenn man die Schuppen diagonaliter, von dem Schwanze nad) dem Kopf bin, abfchabt. Und fo würde auc) alle andre Grauſamkeit bey Umbringung der Thiere vermieden werden fünnen, wenn bie Menfchen es fich angelegen feyn ließen, die Natur Fennen zu lernen. Aber ſieh, Leſer und Leſerin, von diefem Augenblick an, wird es Dir die beftimmtefte Pflicht, dir diefe Kenntniß zu erwerben; es wird dir Pflicht, deine Dienftboten und, Untergebnen anzubhalten, darnach zu handeln, wenn du nicht, von nun an, deine bisher begangnen Unwiſſenheits- Sünden in vorfeglihe Bosheit gegen die Ihiere, und. in grobes Verbrechen gegen ihren und deinen gemeine. fhaftlichen großen und guten Herrn verwandeln wilfft. —.89 Ja, es iſt wahr, wir mißhandeln auch unſre eigne Art, wir richten ja oft unſre Nebenmenſchen unter den ſchrecklichſten Martern hin, und der Menſch, der gegen ſich ſelbſt ſo hart und boͤſe iſt, wie ſollte der ſanft und mitleidig gegen das Thier ſeyn? Es iſt aber auch wahr, daß 432 daß diefe Handlungsart dem Menſchen eben fo wenig Ehre als Nugen bringe. Der unfinnige Thor, der von feinen bösartigen Leidenſchaften und Luͤſten hingeriffen, das Seben verachtet und dem Tode froßt, wird doc), in dem Hugenblicte des Befchluffes und der Ausführung, nicht durch die längere oder fürzere Marter einiger Minus ten zurückgehalten, die die weltlichen Gefege mit feiner Miſſethat verbunden haben. Nicht zu gedenken, daß der Verbrecher ſich allzeit fehmeichelt, et werde der bes ſtimmten Strafe ſchon entfliehen Fonnen. Aber fiehe, fie erife ihn, und die Menfchheit wird durch feine Strafe empört; und der Abfcheu vor der Mifferhat, den die Strafe erregen follte, wird von Mitleid von dem gemar« terten Mifferpäter verfchlungen. Barbarey war es, bie die Menfchen lehrte Menfchen zu peinigen; und niemand als ein Barbar, das heiße: niemand als eine boshafte, eine dumme, eine gedanfenlofe Seele, kann vorfeglich die Schmerzen des ferbenden Ihieres verlängern, oder unterlaffen fie zu verfürzen und zu vermindern, fo fehr es in feiner Gewalt ſteht. ; Wie oft aber macht ſich nicht der Menfch diefer Unart fchuldig? und wie armfelig find nicht die Ausflüchte womit man fie hie und da zu bemänteln fuche? Eine ein= gebildete Seckerhaftigfeit, ein augenbliclicher Kigel des Gaumens , alte Gewohnheit, und was weis ichs, was menfchliche Thorheit fonft noch erfinden mag; und Dies foll ung denn rechtfertigen, wenn wir langfam das Thier marfern. Aber aus eben dieſem Grunde müften auc) Mörder und Straßenräuber zu entfchuldigen ſeyn; denn auch fie haben Gefallen an ihrer Miſſethat; Daher üben fie fie. Iſt ft es ein Hauptgrundfag in der Lehre von der Glückfeligkeit, daß wir uns felbft nie eine‘ Freude erlau— ben müflen, welche In ihren Folgen mit übermwiegender Unluft und Unannehmlichfeit für andre verbunden iſt; muͤſſen wir einen Vortheil aufopfern, fobald er weniger wichtig für uns felbft, weſentlich wichtig und nothwendig aber fuͤr die Ghückfeligkeit andrer iſt; und ift es eine Hauptpflicht, eine Grundregel aller unfrer Pflichten, da wir, fo viel wir immer fonnen, das Glück und dia Vollkommenheit des Ganzen befordern füllen; mit wel- en Schein von Entfhuldigung follten wir uns denn wohl erlauben konnen, das Thier ohne Nothwendigkeit zu martern, oder die Leiden des flerbenden Thieres zu er= hoͤhen und zu verlängern, wenn es bey uns fteht, fie zu vermindern oder abzufürzen ? %.. 08%, Je beffer wir mit der Natur befanne find, je ge— Hauer wir uns von dem Werth und der Abficht einer je— den Sache unferrichten laffen, defto behutfamer werden wir in unfter Behandlung der andern lebendigen Weſen werden, die Gott neben uns hier auf die Erde feßte, Sey daher aufmerkfam auf die Natur, o Menfcht lerne fo viel du Fannft, den Nutzen eines jeden Thieres fennen, und indem du dann jedes lebendige. Gefchöpf Gottes ſchaͤtzen lernft, wie es gefhäßt werden muß, wirft du dich hüten, dic) gegen fie zu verfündigen. Immer fey denn die Schlange, die Otter, die Raupe uns widerlich ; wir haben ja nicht nörhig diefe Thiere zu unſrer Gefellfchaft zu wählen; aber indem wir bedenfen, daß auch fie ihr Thun hienieden nach Dem weifen Willen des he a treiben, werden wir aush fühlen, daß es ung Er nicht 434 ie od nicht erlaubt ſey, dieſe Thiere zu martern und zu miß— handeln, weil der Herr der Natur ihnen nicht die Schoͤn⸗ heit des Pferdes, und den unmittelbaren Mugen deffel: ben ‚für den Menfchen gab. Laßt uns, wenn wir glau⸗ ben daß es nothwendig ift, die befchiwerliche Menge der Sperlinge vermindern. Aber laßt uns dabey nicht ver- geflen, daß es Doch) befler üft, einen Theil unſrer Ernte durch dieſe Thier zu verlieren, als das Ganze den Inſek— ten preis zugeben, Die diefe Vogelart verfolge und aus— rottet. Laßt uns den Fuchs verfolgen, Taf er nice durch feine uneingefchränkte Vermehrung uns zur satt werde, aber laßt ung nicht vergeffen, daß der Herr ter Erde auch dies Ihier zur Vertheidigung der Früchte tes Feldes feßte, und daß der wuͤrkliche Mutzen, den er dem Menfchen leiftet, den Schaden weit überwiegt, den er hie und da anrichten mag; laßt uns bevenfen, daß er nad) dem Willen unfers großen Heren, der Diener des Menfchen iſt; zwar nur ein geringer ‚aber Doch ein nüß- licher, Diener; und heiße es denn nicht Gutes mit Boͤſem pergelten, wenn wir voll Haſſes Diefe Thiere plagen; und Freude fuchen in ihren Leiden? So aber verhält es ſich mit. einer jeden. Thierart, Die wir kennen; der Herr der Natur ſchuf nichts ohne Abficht, und ſaͤttigt alles was lebet mit Segen; wie vermeſſen handeln wir dent nicht gegen den Hochften, wenn wir diefen Segen in Fluch verwandeln; wenn wir feine weifen Abfichten verfennen und verläugnen; wenn wir durch feine, Veranftaltungen in der Natur, wodurch er für jede Thierart forge, uns nicht zu vernünftigen Nachdenken wollen leiten lajfen, was wohl in dem Ver: kulley worin wir gegen Pie Thierarten ſtehen, unſre Pflicht 435 Pflicht feyn „möge Ja, iſt es nicht ein offenbarer Streit wider die Natur, wider die Hand die dieſer Natur ihre Einrichtung gab, wenn wir irgend eine für unſer Le— ben uno Gluͤck unſchaͤdliche Thierart auszuroiten fuchen, der der Schöpfer durch ihr Dafeyn nüßlich zu werden. ges bot; wenn wir irgend ein Thier mißbandeln, blos weil wir nur auf die Unannehmlichteie Aucfiche nehmen, vie uns jezuweilen aus der Art erwächft, wie es wirft und fid) ernährt? Die Maysdiebe wurden, durch die eigne Hand der Natur an Neu England gerächt , wo man fie ausgerottet hatte; denn nun verderbten die Örasraupen,, die ehemals durch Diefe Vogelart in ihren ſchaͤdlichen Wür- kungen eingefchränft worden waren, Die Heuerndte ganze lich." Vor ungefähr dreyßig Jahren ergieng an die Ein- wohner ver Inſel Placida der Befehl, daß fie alle Katzen abfchaffen follten, damit die Faſanen feiner Ne— apolitanifchen Majeftät, ſich ungefiort vermehren koͤnn— ten, Einige Jahre gieng dies gut; aber in der Folge nahe men Rasen und Mäufe ſo ſehr überhand, daß fie alles, fogar die Oxgelpfeifen, zernagten. Alle Lebensmittel der Einwohner wurden von ihnen verzehrt. Die Korper der Verſtorbnen, felbft die Kinder in der Wiege, waren nicht mehr fiher; und man fah fich Daher gencthigt, jenen Befehl zu widerrufen. ) Es wuͤrde nicht an Gelegen- heit fehlen, fich viele nuͤtzliche Erfehrungen viefer Are zu erwerben, wenn man nur mit Yufmerkfamfeie und Nachdenken den Gang der Natur betrachtete. Ee 2 Anmer— *) Gohens Monatoſchuft für allerley ke Ei dehtgeng S. 517: 18. | 436° | ram Anmerfung Kalm berichter, nach Frank: find Erzählung 1750, daß die Maysdiebe, vermit— telft der Belohnungen, die man auf ihre Bertilgung aus- geſetzt hätte, an verfchiednen Orten fehr felten geworden wären. Aber im Jahre 1749 zeigte fich eine außeror- dentliche Menge Würmer auf den Wieſen, welche das Gras verzehrten, und dadurch großen Schaden anrich— teten, Nun bereuen die Einwohner ihre Kachgier ge- gen die Maysdiebe; denn fie glaubten bemerkt zu haben, daß diefe Vögel, diejenige Zeit des Sommers, da der Mays noch nicht reif war, hauptfächlich von dieſen Wuͤr⸗ mern lebten, und fie folglich ausrotteten, oder wenigftens ihre gar zu große Vermehrung hinderten. st aber, da man die Maysdiebe vertilge hatte, nahmen dieſe Wür- mer ſo ungehindert uͤberhand, daß fie weit größern Schaden anrichteten, als jene. Im Sommer des Jahres 1749, ließen diefe Würmer fo wenig Heu in Meu - England übrig, daß die Einwohner niche allein genörhigt waren, fi) Heu aus Penfplvanien, fondern auch fogar aus Alt- England in Europa, zu verfchaffen. Kalms Reife, 3. Th. ©. 46: 47. 6... 9% Es mögte vielleicht aber jemand fragen: thun wir Menfchen alfo Unrecht, wenn mir mit aller Gewalt die großen und für unfte Sicherheit ge: fährlichen Naubthiere vertilgen; und wenn wir in gewiffen Gegenden fie alle ausrotten fünnten, wie es in England mie den Wölfen geſchehen ift, follten wir denn wohl etwas thun, das wider die Nazur firitte? Lind hier tritt nun Die Bemerkung ein, daß, je nachdem ein Sant, m 437 in Nerhäleniß feiner Größe und Kultur, mehr oder we: niger Menfchen Hat, auch die Nothwendigkeit der gref fern Raubthiere größer oder geringer wird, weil fie nur Dazu dienen, zwiſchen der Anzahl der lebendigen Thiere und der Fähigkeit des Landes fie zu ernähren, das Gleich- gewicht zu erhalten. Iſt die Kultur und Bevölferung des Landes geringe, fo. bleiben allezeit von den Bedürf- niffen der Menfchen eine Menge Thiere verfchiedner Gat- tungen übrig, die den ftärfern Raubthieren zum Unter: halt dienen fönnen, und für weldye die Verfolgungen derfelben eine Wohlthat find, weil fie dadurch einen um ſo leichtern Tod finden, und den Beſchwerden des ent- Fröfteten Alters entgehen. So wie die Menfchen dahin- gegegen fich im Lande ausbreiten und vermehren; fo wie die Wälder dur) Zunahme und Yusbreitung des Ader- baus, und durch ihren größern Verbrauch Dinner wer den und abnehmen, fo nimme auch Die Anzahl der. gröf: fern Naubthiere nach) und nad) ab, ihre Verfolgung und Vertilgung wird immer leichter, bis fie endlih, aus ‚Mangel an Zufluhe und fiherm Aufenthalt, gänzlich ‚ausgeroftet weden, wenn dies anders, nad) der Natur und Befchaffenheic des Landes, thunlich ift. Und num iſt das Dafeyn diefer Raubthiere auf einem folchen Erd- firiche niche mehr nöchig, weil der Menſch an ihre Stelle tritt; was die Raubthiere für die ſchwaͤchern Thierarten waren, wird nun der Menſch für die Thiere überhaupt. Ge 3 Drit: 438 Drittes Kapitel, Bon den bedingten und befondern Pflichten des Menfchen gegen die Thiere, A > $. 92, Jyister ne wir denn nun das Allgemeine in den Pflichten des Menfchen gegen die Thiere, und tas Recht betrachtet, was jedem Thier ohne Unterſchied in jeder feiner Jagen zufommt. Da wir aber mit vielen Thierarten in einem nähern und unmittelbareren Verhaͤlt⸗ niffe ftehen, weil wir fie in häusliche Verbindungen mit ung gebracht haben, und fie auf mancherley Art zu un- fern Abfichten willüßetich brauchen, fo entfpringen daraus befondre Gerechtfame für das Thier, be: fondre VBerbindlichfeiten für den Menfchen. Und "aus diefem Gefichtspunft können wir unfre Pflichten ge- ‚gen die Thiere, in Hinſicht ihrer Abrichtung und Be: zaͤhmung, ihrer Pflege und ihres Unterhalts, ihres Gebrauchs und ihrer Anwendung betrachten. End⸗ lich verdiene auch noch daS Verhalten, das wir ge gen die Eranfen und alten Hausthiere zu beobach- ten haben, in Betracht gezogen zu werden. $. 93. Sollen wir von den Thieren Mugen haben, und uns ihrer Fahigfeiten und Kräfte zu unfern vernünftigen Abſich⸗ — 432 Abfichten bedienen, ſo iſt es allerdings norhtwendig, ihre Wildheit zu bezwingen, und ihrer Vorſtellungskraft eine ſolche Stimmung zu geben, daß fie ihre Kräfternach une fern Zeichen und unferm Willen anwenden. Keineswe— ges aber müffen wir glauben, wir hätten das Recht, die Thiere zu jeder willführlichen Bewegung abzurichten, over folche Fertigkeiten von ihnen zu. fordern, die nur der unnatürlichfte Zwang und Gewohnheit hervorbringen fan. Wir ſind berechtigt, die, Thiere zu gli Wuͤrkſamkeit für uns abzurichten: Aber wir thun Unrecht, wenn wir ung unfrer Gewalt über fie bedienen, um fie an um nuͤtze Kuͤnſte und Ks Bewegungen zu ‚gewöhnen ‚ voelche a) ihnen unnatürlich find, und alſo nicht ‚ohne großen Zwang und £eiden erlernt wer: ‚den Fünnen, b) feinen würklichen Nugen für bie wenſch liche Geſellſchaft haben, c) oder deren Nutzen fo unbedeutend ift, F er gegen Die Leiden, die das Thier ausſte⸗ hen muß, um ſie zu lernen und ans unbe, * nicht in Betracht kommen kann. Wenn * Orang⸗ Outang aufrecht auf den Hin- Bände geht, und ſich auf feinem Stabe ftüßt; ſo iſt dieſe Stellung ihm natuͤrlich und freywillig; wenn man aber den Bären. zwingt, ſich eben fo zu fragen, denn heißt dies der, Natur Gewalt anthun, und ift Kränkung der Rechte des Thiers; denn jebwedes Thier hat das Recht, feiner Natur gemäß zu leben und zu wuͤrken. LEBTE we ’ Kann 440 Ä Kann nun die Gewalt, die der Menfch über das Thier bat, nicht die Natur verändern, fo fann fie auch nicht das Recht des Thiers, das fid) auf diefelbe gründet, verändern oder vernichten, G. 94. Aber , mögte vielleicht jemand antworten , ber Menfch ift ja fich felbft der Nächfte, und um Unterhalt und Brod zu gewinnen, muß er wohl Recht haben, die Thiere zu diefen und andern willführlichen Handlungen ab» zurichten. Hier frägt es fih nun: hat der Menfc) fei- nier Beſtimmung Genuͤge gethan, wenn er feine Zeit uns ter dergleichen Befchäftigungen hinbringt? Hat er der Melt genust, deren Bürger er ift? Haben folche Künfte etwa einen nüßlichen Einfluß auf die Entwiclung und Veredlung unfers unfterblichen Geiftes, einen vorbereis tenden Zuſammenhang mit einem zufünftigen glücklichern Zuftande? Haben fie etwa eine nügliche Folge für die Geſellſchaft, worin wir leben? oder finft nicht vielmehr der Menſch, deffen wefentliches Gefchäft des Lebens dar— in befteht, das Thier zu der Ausübung folcher unnatür lichen und unnuͤtzen Künfte abzurichten und anzuhalten, in eine Klaffe mit den Thiere herab, das er plagt? Er fündige ſowohl gegen fein eignes Gluͤck, als gegen die Gefellfchaft, von der er ein unnüßes Mitglied ift, in— dem er zugleich das Recht des Thieres durch feine unna- türlihe Behandlung Fränft, Demnach gefchieht dies fo oft, und zwar gegen Die edelſten und nüglichften der Thiere, die wir um uns haben? Wie find nicht das Pferd und der Hund ein Spiel unfrer Saunen und Cinfälle! wie viele unnüße Krummfpringe findet der Menfch nicht Ver⸗ gnügen darin ihnen abzunörhigen; zu welchem möglichen Nutzen al Nusen find wohl die Springer und Tänzer, die in den Ställen der Höfe gehalten werden, und was haben diefe Thiere nicht ausftehen müffen, che fie diefe zweckloſen Fertigkeiten erreichten? Ja, der Hund und das Pferd muͤſſen, in ihrer häus- lichen Verbindung mit uns , zu verſchiednen Fertigkei— ten gebildet werden, wovon fie in. ihrem natürlichen Zuftande nichts wuſten. Der Krieg, die Jagd und der häusliche Gebrauh, machen jedes feine befone dern Fertigkeiten und Geſchicklichkeiten bey diefen Thier— arten nothwendig, deren einige leichter, andre ſchwe— rer zu erwerben find, Aber felbft dann, wenn wir das mürflih Nothwendige, von dem felbfigemachten und blos eingebildet Nothwendigen in dieſen Fertigkeiten der Thiere trennen, wird noch immer plagende Muͤhe genug für das Thier übrig bleiben, bis es zu dieſen fünftlichent Sertigfeiten gebildet werden kann; und wie fehr erfchwe- ren wir nicht diefe Mühe durch unfre Thorheic und Härte? Wahrlich, man muß es weit darin gebracht haben, die Stimme der Natur zu erfliden, wenn man ohne Mitleid fehen Fann, wie das Pferd oft unter durchdrine genden Peitfchenhieben von feinem gedanfenlofen Führer gemartert und irre und verftockt gemacht wird, da doch) eine folhe Behandlung fogar aller vernünftigen Erfah- rung mwiderfpricht, die man von der Abrichtung diefes klugen Ihieres hat, *) Hört man die Jäger von der Ab⸗ Ee 5 richtung *) Hoͤſt berichtet, daß die Mauren ihre Pferde nie ſchla⸗ gen; fondern fie machen fie durch Liebfofungen fo zahm „und gelehrig, daß fie im ftärkften Laufe fie auf einmal anhalten, abfteigen und ohne fie anzubinden, weit weg ‚geben Eönnen, wobey fie fiher find, fie an. demſelben Orte anime 442 richtung der Hunde zur Jagd reden, ſo ſollte man glau- ben, daß die Henfersfuechte eines Nero wieder aufer- ſtanden wären, um Tiere zu martern, wie. fie ehe: mals Menſchen marterien. Sa, der: Hund muß geftraft werden, ſagt man, wenn er bie nöthige Folg— famteit lernen , und auf, den Wink des Jaͤgers ſeine Beftimmüng erfüllen ſoll; aber eins iſt Zuͤchtigung, ein andres ift Grauſamkeit. Immer ſey ses noͤthig, ‚den Hund zu züchtigen; ihn aber an den Ohren aufzuhängen, und den auffich felbit vı enden, durch feine eigne Schwere ausgedehnten Korper des Thieres zu zerpeitfchen, ift dag Martern afiatifcher Henker, entehrt die Menfchheit, und Franke auf das gewaltfamfte das Recht des Thieres, das Recht, das es auf Freyheit von unzwecfmäßigen Schmer= zen und. Mißhandlungen hatz das Necht, das. es hat, alle Freude und alles Glück zu genießen, was mit der Vollkommenheit des Ganzen wovon dies Thier ein Theil it, beſtehen Fann. So aber verhält es fich 7 mit jedem —— Thiergeſchoͤpfe, das wir an Kunſtfertigkeiten gewöhnen wollen, fie mögen nun nüglidy, oder blos befuftigend für uns ſeyn; wir müffen das Thier mit aller Schonung behandeln, welche , nach der Natur des Thieres und der vernuͤnftigen Abfiche die wir erreichen wollen, nur immer möglich) iſt; und nie müffen wir , blos zu unfrer Belu⸗ ftigung, das Thier zu Künften und Fertigkeiten zwingen, die es nicht ohne vorhergehende harte Behandlung erler- nen fan. Wir hun immer Uncecht, wenn wir unter der Abrichtung der Thiere, härtere Mittel gebrauchen, 100 rn * geivefen wären; und doppelt unge: recht Orte wieder zu finden. Die beſondre viebe der Araber fuͤr ihre Pferde, iſt bekannt genug. — 443 recht find wir, wenn die Fertigfeiten, die wir dem Thie- re angewoͤhnen wollen, ihm unnatuͤrlich und ſchwer ſind, und wir es dennoch mie uͤbertriebner Strenge behandeln, und ihm dadurch unnörhige Schmerzen zufuͤgen. §. 95. Wenn der Menſch das Thier ſeiner natuͤrlichen Freyheit beraubt, und es außer Stand ſetzt, ſelbſt fuͤr ſich zu ſorgen, ſo folgt ja natuͤrlich, daß der Unterhalt und die Pflege des Thieres dem Menſchen obliegt; weil wir, indem wir ihm die Gelegenheit benehmen, ſich ſelbſt zu ernaͤhren, uns die Pflicht auflegen, dieſe An— gelegenheiten des Thiers zu beſorgen. Schon, daß das Thier Leben und Kraͤfte in unſerm Dienſte anwen⸗ det, die es ſonſt in dem freyen Zuſtande der Natur nach eignem Wohlgefallen haͤtte anwenden koͤnnen, macht unſre Sorgfalt fuͤr die Geſundheit und den Unterhalt deſſelben zu einer Erkenntlichkeits-Pflicht, die wir ihm ‘gleichwohl fehuldig feyn wuͤrden, wenn aud) die Noth- wendigkeit uns nicht verbände, für feinen Unterhalt und feine Pflege zu forgen. Die unnatürliche Lebensart, die die Thiere, in ihrer häuslichen Verbindung mie uns, fo oft zu führen genöchige werden, erzeugt bey ihnen‘ viele Kranfheiten, movon fie in ihrem urfprüng- lichem Zuftande nichts wußten. Und iſt es denn niche Forderung der bloßen Gerechtigkeit und des gefunden Menfchenverftandes an uns, daß wir die Unannehm- fichfeiten abwenden, und nach Moͤglichkeit lindern muͤſ⸗ fen, denen diefe Thiere unferfivegen unterworfen find. Ä Diefes vorausgefeßt, ift es wohl nicht nöthig, folgende Wahrheit ausführlicher ; zu beweiſen: Es⸗ 444 Es ift Pflicht des Menfchen, für den Un: terhalt der Thiere zu forgen, die eraus dem freyent Zuitande der Natur in häusliche Verbindung mit ſich gebracht har. Indem. der Menſch dem Thiere die — benimmt, den Trieb der Selbſterhaltung zu befriedi- gen, der fo mächtig in jedem lebendigen Geſchoͤpfe wuͤrkt, macht er fih ja zum Vormund deſſelben; nimme die Pflicht, Die Gott bey der Einrichtung der Natur dent ‚ Ihiere auflegte, von diefem auf ſich; und trägt alfo auch alle Schuld für die Vernachläffigung dieſer Pflicht. Feder unangenehme Augenblick, den das Thier in Hin- fiht feines Unterhalts ausftehen muß, fallt dem Mens ſchen je in dem Grade zur Saft, als er mit Vorſatz oder aus Nachläffigfeie an diefen Unannehmlichkeiten des “me res Urſache ift, gg: 6. 96. | Es iſt befannt genug, daß das Thier in feinem urfprünglichen Zufiande, von feinen Sinnen, zum Theil auch von einem gewiffen Naturtriebe geleitet, feine Nah— rung wähle, und ſich gewöhnlich vor den Nahrungs- mitteln huͤtet, die feiner Geſundheit oder feinem eben gefaͤhrlich ſeyn Fönnten. In der häuslichen Verbin— dung des Thieres mit dem Menſchen, wo es genoͤthigt iſt, die Nahrung anzunehmen, die wir ihm geben, hat es keine ſo freye Wahl; und wie bey dem Menſchen der Hunger oft den natuͤrlichen Widerwillen uͤberwindet, ſo thut er es auch bey dem Thiere. Aber auch das iſt Wahrheit, daß eben ſo wenig eine jede Sache, die wir zu uns nehmen koͤnnen, mit der Natur des menſchlichen Körpers uͤbereinſtimmt, eben fo wenig Bas der Körper J der 445 der Thiere ohne Nachtheil der Gefundheit und des Le— bens, eine jede Sache zur Nahrung nehmen. Nicht zu gedenken, daß gewiffe Dinge, wegen der Aehnlich— feit, welche die Körper. der Thiere und Menfchen in ih— vem mechaniſchen Baue mir einander haben, gleich ver⸗ derblich für alle thierifche Körper find. Hieraus folge denn aber: Daß es die Pflicht des Menfchen if, dem Thiere die Nahrung zu geben, welche mit feiner Natur übereinjtimmt, und fich für feine Geſund⸗ heit ſchickt. Niemand denke, es ſey uͤberfluͤſſg, den Menſchen bier an dieſe Verbindlichkeit zu erinnern. Freylich fuͤt— tern wir nicht unfre Pferde mie Saͤgemehl, und unſer Hornvieh mit Schmiedefchladen; aber hat der Eigen— nuß nicht erfunden, Pferde mit Kalch zu füttern; und folchergeftalt, blos eines fchändlichen Gewinnes wegen, unter langfamen Schinerzen das Ihier zu martern, bis es, wenn $unge und Eingemweide verzehrt find, auf einz mal binftürze. Die wilden funfelnden Augen, die ftars fe blutrothe Farbe unter den Augenliedern, der ftinfens de Athen, die überaus kurzen und glänzenden Haare, warnen zwar den Kenner vor diefem Betruge; zwar muß der niederträchrige Roßtaͤuſcher zuweilen, Durch der plöslichen Tod des Thieres, felbft für feine Bosheit buͤ— Gen; aber was ift diefer Verluſt gegen die Mißhand⸗ fung, die er an dem Gefchöpfe Gottes veruͤbt? Were mag wohl jemand die Summe don fihmerzlichen Em— pfindungen zu berechnen, die das Thier durch diefe Bee handlung erlitten hat?“ Aber dermaleins werden fie in einer Hauptfumme mit allen andern boshaften Handlun— gen 448 gen des Menfchen berechnet werben, und zu ſpaͤt dann ſolche boͤsartige Menſchen ſich uͤberzeugt fühlen, daß. der unendliche Regierer und Herr der Welt nicht gleichgültig bey den. Bosheiten ift, die ſie gegen feine andern lebendigen niit ausgeübt haben. or Sowohl in. den Magen der Thiere als der Men ſchen werden unangenehme Empfindungen erregt, wenn der Koͤrper nicht die, noͤthige Nahrung bekommen hat, oder fie nicht zur rechten Zeit befömmt; ſo wie der Mans gel ver zur Erquickung des Körpers noͤthigen Fluͤſſig— feiten, vermitcelft der Daraus entftehenden Trockenheit in der Kehle und dem Munde, Unfuft verurfacht. Hun— ger und Durft gehören zu den fehmerzlichften ſinnlichen Empfindungen, die der Menfch ausftehen kann; und was diefe Empfindungen für den Menfchen find, find fie auch für das Thier. Wollen wir daher nicht das Hecht des Thieres kraͤnken, und ihm ohne Nothwendig— feit und vernünftige Abfihe Schmerzen auforingen, So iſt es unſre Pflicht, dem Thiere feinen nothduͤrftigen Unterhalt zur rechten Zeit zu gebem Sch will hier nicht einmal davon reden, daß fogar der Eigennuß uns in vielen Fällen auffordern follte, die» fe Pflicht zu erfüllen. Die Geſundheit der Thiere wird ja geſchwaͤcht, wenn wir in ihrer Pflege unordentlich find, und dadurgh zugfeich ihre Nuͤtzlichkeit für uns vers mindert. Oft tödfen mir fie fogar, wenn wir diefe Pflicht unterlaffen: fo befommt das Pferd, wenn es zu lange über die Futterzeit fuften muß, ln die Maulfper- re, — #47 re, Fann fein Butter zu fihinehmen, und faͤllt. Leidet das Thier aber nicht bier, und ſteht es nicht unnoͤthige Leiden aus, für welche wir unmöglicd, ohne Verantwor— tung ſeyn koͤnnen. Der große Oberherr der Natur hat altes fo geordnet, daß jedes Thiergefchöpf feine, Nah⸗ rung zur rechten Zeit findet; und kehren wir denn nice die Ordnung der Natur um, findigen, wir nicht gegen den Herrn derſelben, wenn wir ſeine Geſchoͤpfe der all- gemeinen — berauben, die er ohne che Keen lebendigen W Weſen ertheilte. §. 98. Es iſt die Pflicht des Menſchen, dem Thie— ve die Nahrung zu geben, welche, in Verhaͤlt— niß mit feiner Arbeit, und der Befchaffenheit feines Körpers, binlanglich ift, Die Geſundheit und Staͤrke deſſelben zu erhalten. Es iſt mit dem Thiere, mie mit dem ——— wie ſeine Leibesbeſchaffenheit und ſeine Arbeit iſt, muß auch fein Unterhalt ſeyn. Ein Thier iſt gefraͤßiger als ein andres von eben der Gattung; das eine hat, we— gen ſeiner ſtaͤrkern Arbeit, haͤufigere und ſtaͤrkendere Nahrungsmittel noͤthig, als das andere. Die Kohlen— träger in London bedürfen ftärfere Nahrung, als der ſtillſitzende Gelehrte. Aus eben dem runde bedarf auch das Pflugpferd und das Saumthier nahrreicheres Sutter, als der Paradeur. "Und doch behandeln wir gewoͤhnlich diefe Thiere nad) gerade entgegengefegten Res geln. Das allgemeine $oos des Katrengauls ift fchleppen und hungern, und in Verhaͤltniß mit ſeiner Arbeit wird er nichts weniger als gut gefuͤttert. Ja, koͤnnten durch⸗ 448. — durchdringende Peitſchenſchlaͤge es ſaͤttigen, ſo wuͤrde fein Thier beſſer gepflegt; *) itzt aber ſchleppt es, une ter tiefen Seufzern uͤber die ausgeartete Haͤrte des Men— ſchen, den letzten Reſt ſeines kummervollen Lebens hin. Es ſtuͤrzt, und ſegnet in dunkeln Gefuͤhlen den Herrn der Natur, der ſeinen leidenden Geſchoͤpfen den Tod zum Retter gab. Wir handeln ungerecht gegen das Thier, wenn wir es an Nahrung Mangel leiden laſſen, wenn wir verſaͤumen, ihm feine Nahrung zur rechten Zeit zu ges ben; aber mas thun wir denn, wenn wir mehr Thiere in unfern Dienften halten, als wir mif der erforderliz chen Nahrung hinlaͤnglich verſorgen koͤnnen; was thun wir, wenn wir in den Wintermonaten das Vieh auf offnem Felde ſich ſelbſt uͤberlaſſen, wo ſeine Lebenskraͤfte langſam durch Hunger verzehrt werden? Was thun wir, wenn wir den Vogel im Kaͤfig einſperren, ihn durch Hunger und Durſt umkommen laſſen, und uns damit beruhigen: wir vergaßen ihn? Aber ſiehe, Menſch! der Herr der Natur hat weder das Thier, noch deine Miſſethat vergeſſen; und wirſt du dereinſt Rechenſchaft Sa follen ei jedes fündfiche Wort, das du geredet beit, *) Man ficht leicht ein, daß hier von den gemeinen Lafts thieren in Kopenhagen und andern großen Städten die Rede ift. Die Deförderungspferde werden doch gewöhns lich etwas beffer gehalten, wiewohl aud dies feine Auss nahmen hat, Es verdient Übrigens bemerkt zu werden, daß Deitichenftiel und Schnur Aberhaupt defto unfinnis ger gebraucht wird, jemehr die Thiere entkraͤftet oder’ Öelaftet find. 449 haft, wie viel mehr wirft du dann nicht das Uebel ver- antworten müffen, das du durch würfliche Handlungen anrichtereft ? Jedes Leiden aber, das wir ohne Nothwendigkeit irgend einem lebendigen Weſen verurfachen, iſt ja ein Uebel, das nothwendig uns angerechnet werden muß, $. 99. Der Menfch hat, durd) feine höhern Fähigfeiten, ſich zur Herrſchaft über Die ganze Natur emporgefchwuns gen... Schon durch diefe Fähigkeiten, und durch das Berhältniß, worinn wir durch fie mie der übrigen les bendigen Schöpfung ſtehen, gab uns der Höchfte An= fpruch und Recht, uns diefer Herrſchaft auf eine ver— nuͤnftige Weife zu bedienen. Es ift uns erlaube, jede Sache in der Natur zu unferm Vortheil zu benutzen; daraus folgt aber nicht, daß wir uneingefchränfte Er— laubniß haben, uns das Thier auf eine jede Weife zu Fugen zu machen. Auch dann, wenn wir das Thier und feine Kräfte zum würflichen Nutzen für uns anwens den, gebührt es ung doch, auf die Natur und Beſtim— mung deffeiben Rükficht zu nehmen; wir müffen das Verhaͤltniß erwägen, worinn feine Freude und fein Gluͤck mit dem Vortheile oder dev Luft ſtehen, Die wir durch die Ark, wie wir es brauchen, zu erhalfen ſuchen. Der Hoͤchſte fprac) zwar zu dem Menſchen: Herrfche über die Thiere; aber fie zu tyrannifiren, gab er ung weder Er= laubriß noch Recht, eben fo wenig wie er dem einen Menfchen das Worreche gab, des andern Tyrann zu feyn, weil er den Laͤndern Obrigfeit und Beherrfcher feg« te. Wir dürfen das Thier gebrauchen, aber Sf Es 459% Es iſt die licht des Menfchen ; die Arbeit des Thieres nach dem Verhaͤltniſſe ver Kräfte def: felden zu beſtimmen, und diefe Regel loͤßt ſich denn in zwo andre auf: a) Es iſt die Pflicht des Menſchen, die Dauer der Arbeit des Thieres nach einem weis— lich abgewogenen Verhaͤltniſſe zu den Kraͤften deſſelben zu beſtimmen. Da wir Menſchen nicht alle gleiche Kräfte haben, förperliche Arbeiten vorzunehmen und auszuhalten, fo fann ein einzelner Menſch in Verhältniß mit feiner in= dividuellen Kraft, und je nachdem dieſe Kraft in größe: vem oder Fleinerem Grade angeftrenge wird, größere oder Eleinere Wirkungen bervorbringen, aber er fann dies nicht unter jeder Veränderung von Umftänden, mit gleicher Leichtigfeit und Bequemlichkeit, nicht mit glei: . her Annehmlichkeit oder Unannehmiichfeie für ſich felbft thun. Die äußerfte Anftrengung der Kraft des Men- fihen fann nur eine fehr Furze Zeit dauern, wenn nicht der Mechanismus feines Körpers dadurd) Echaden lei⸗ den und zerſtoͤrt werden ſoll. Die uͤber den ſimpeln und ungezwungenen Gebrauch der koͤrperlichen Kraͤſte, über: ſpannte Anwendung unſrer Kraft, bringt ebenfalls Ut— luft und verberbliche Folgen für unfern Körper hervor, wiewohl nad) längerer oder Fürzerer Zeit, je nachdem die unnatürlihe Anftrengung unfrer Kräfte größer oder ges ringer iſt. Immer aber ift eine folche überfpannte Wirf- famfeit des Körpers mit unangenehmen Folgen für den Menfchen verbunden, Diejenigen Thiere, deren wir uns in dem häusli- en Seben bedienen, um Aufre Arbeiten zu erleichtern, find — — 451 ſind im Weſentlichen, was die groͤbere Einrichtung der Maſchine des Koͤrpers anbetrifft, von derſelben Orga— niſation wie der Menſch. Die Nerven und Muſkeln und Sehnen ſind bey dem Thiere von eben der Natur, wie bey uns; ſie wuͤrken alſo und leiden, im Verhaͤltniß zu dem übrigen Bau des Körpers, nach eben ven Re— geln wie der mienfchliche Körper, Die Saft kann für das Kameel und den Elephanten und das Pferd eben fo ſchwer feyn, als für den Menſchen; alles in Verhaͤltniß zu der Kraft eines jeden Thieres, verglichen mit der Saft. Hieraus folge denn aber auch), daß das Thier, durch überfpannte Arbeit, auf feine Weife eben fo viel leiden kann, als der Menfc) in ähnlichen Fallen leider, Das überlaftete Arbeitsthier und der Megerfflave leiden beyde Abbruch an der Gluͤckſeligkeit, wozu die Natur fie durch) verhältnigmaßige Anwendung ihrer Kräfte be— flimmte. Der Menſch thut in beyden Fällen der Nas eur feiner Mebengefchöpfe Gewalt an, und folften wir wohl nur einen einzigen Augenblick daran zweifeln Fön- nen, daß es Sünde fey, der Natur Gewalt anzuthun? b) Es ift die Pflicht des Menfchen, die Ge: ſchwindigkeit, womit das Thier fein Werk ver: richten foll, nad) einem richtigen und beſtimmten Berhältnifte zwiſchen der Zeit, der Arbeit und den Kräften des Thieres zu beſtimmen. Selbft die Betrachtung der lebloſen Natur kann uns überzeugen, daß jedwede Kraft in ihrer Anwendung mie der Zeit geſchwaͤcht wird; felbt die fehnellefte Würfe famfeit nimmt nach und nad) durch den Widerftand ab, den fie immer zu überwinden hat; ein Widerftand, den fie nicht allein außer fih, fondern auch zugleich in ihrer fa eignen 4523 f eignen Natur antrifft. Dies ift der Fall mie ver de wegenden Kraft einer jeden todten Maſchine; aber aud) da, wo lebendige Kräfte und die mechanifchen Kräfte eigentlicher Maſchinen in Verbindung mit einander wür- en, verhält es fi) eben fo. Das Dferd kann ſowohl den leeren als den beladnen Wagen an denfelben Ort, auch wohl, nach Verhaͤltniß der Laſt zur Kraft des Thie- res, in derfelben Zeit hinbringen, nie aber mit derfel= ben Seichtigfeit, nie ohne befondre Anstrengung feiner Kräfte, Geſchieht es aber nun, daß vie Saft, Die fort gebracht, der Weg, der zurücigelegt werben foll, in ganz beftimme abgewognem Verhaͤltniſſe mit der Kraft des Thieres ſteht, und wir nicht die Zeit, in welcher die Arbeit geſchehen foll, nach der Arbeit und der aus: haltenden Kraft abmeffen, und das Werk in Fürzerer Zeit erzwingen wollen, welches bey, Der natürlichen An: wendung der Kraft längere Zeit erfordern wuͤrde; fo martern wir das Ihier mit der unnatuͤrlichen Gefchwins digkeit, die wir ihm aböringen Und follten wir wohl bey gefundem Verftande, es vor uns feibft entfchuldigen fünnen, daß wir muthwillig ein lebendiges Gefchöpf Gottes gemartert haben? Weder Abſicht noch eingebil- dete Nothwendigkeit kann uns entſchuldigen, wenn wir von dem Thiere Dinge fordern, Die offenbare Kraͤnkun⸗ gen feiner Natur find. Allein wie oft thun wir nicht diefe vernunftwidrie gen Forderungen an das Ihier, und führen dieſe unfte ungerechten Forderungen mit einer gränzenlofe Härte aus. Wie oſt fehen wir nicht an dem ſchleppenden Pferde jede Sehne faft zum zerfpringen angeſpannt, und einen Buͤttel von Fuhrknecht, der es noch cbendrein ans peitſchet, peitſchet, daß es mit feiner zu ſchweren Laſt forteilen ſoll? Welches Jagen ſehen wir nicht off auf Gaſſen und Landſtraßen, als floͤhe man vor dem Tode; und ſiehe da, es iſt ein gedankenloſer Thor, der das Thier quaͤlt, oh— ne oft ſelbſt zu wiſſen, warum? Sa, fönnte Gewalt Recht geben, fo rechtfertigten allerdings Gebiß und Eporen und Peirfche dies gewalt« fame Verfahren. Es ift nicht mie jedem Thiere wie mit dem Kameel, das nicht auffteht, wenn die aufge: legte Laſt unverhältnigmäßig gegen feine Kraft ift. Wir Fönnen durch Zwangsmittel vom Pferde das erhalten, was mir ung nie erlauben ſollten, nie ohne gewaltſame Kränfung feiner Natur und feines Glücks zu erhalten im Stande find; und follte dies nicht bey dem eben fo eigennüßigen als unnatürlichen Wertrennen der. Fall feyn? Menfch, wer du auch bift, dem Freyheit und free verhältnißmäßige Anwendung feiner Kraft wichtig äft, fühle es doch, wie unluftig die Knechtſchaft ift, uns ter welcher das Thier ſeufzt, und faß es nie dein Ge— wiffen befchweren, daß du durch gemaltfames Betragen gegen daffelbe, durch unzweckmaͤßigen Gebrauch), durch ſchaͤndlichen Mißbrauch feines Dafeyns und feiner Kräfe te, - vorfäglich fein hartes Schickſal verfhlimmerteft. $. 100, Wir wiſſen aus allgemeiner Erfahrung, daß Leben und Dewegung unzertrennlich mit einander verbunden find; aber auch das wiffen wir, daß die thierifchen Koͤr— per der Ruhe bedürfen, um den Mangel der durch die - Bewegung verlornen Kräfte zuerfeßen, undfich zu neuer Wuͤrkſamkeit anzuſchicken. Eine beftändige und unun« | Ff3 ter⸗ 454 terbrochene äufere Bewegung ift eben fo verderblich für den thierifchen Körper, als eine beftändige Unthätig- feit. Eine Pferd, das ohne Bewegung auf dem Stall gefüttert wird, verliert unausbleiblich feine Gefundheit; aber ein Pferd, das immer in den Zugfträngen geht, hat das nemlihe Schikfal, nur ift der Zuftand diefes legtern zehnfach elender. Der unmittelbare Schluß hieraus aber, wird denn folgender ſeyn: Es iſt die Pflicht des Menſchen, dem Thie— re, verhaͤltnißmaͤßig mit ſeiner Arbeit und ſeinen Kraͤften, Ruhe zu verſtatten. Wenn Moſes, auf goͤttlichen Befehl, den Iſrae— liten das Gebot giebt, den Sabbath zu feyern, und ih» nen beftehle, fid) an diefem Tage aller Arbeit zu enthals ten, fo wird zugleich ausdrücklich als ein Grund ange: führe, daß das Laftehier, der Ochſe und der Efel an die: fen Tage Ruhe haben mögten, und es wird beſtimmt verboten, diefe Thiere am Sabbath zur Arbeit zu ger brauchen. ”) Beweißt aber nicht felbft diefes Gebot, daß die mofaifche Gefesgebung fich auf die Natur der Dinge gründete? Die Menfchen waren damals, wie zu allen. Zeiten, unverftändig und eigennüßig: der Gefeß: geber wußte, daß fie, wie alle andre gute Gaben Gor- tes, auch die Kraft des Thieres mißbrauchten und miß- brauchen würden; daher das Gebot: Dein Vieh foll am Sabbathe feine Arbeit verrichten. Zwar har bie mofaifche Geſetzgebung, an und fiir fich betrachtet, kei⸗ ne Verbindlichkeit für die Verehrer Chriſti; da aber die Natur *) 2 Moſ. Kap, 20. v. 8:10. Kap. PETER TE . 455 Natur der Dinge unveränderlich ift, fo enthält auch je- des Gebot, das ſich auf Natur gründer, und in fo fern es unter jeder Veränderung von Umſtaͤnden mit der ge- funden Vernunft übereinftimmt, eine ewig geltende Verbindlichkeit für alles, was Menfch ift. Und von Diefer Arc ift das Naturgeſetz, dem ein Mofes, als Ge— feßgeber, doppelte Werbindlichfeit gab, wenn er, bey der Ruhe von Arbeit, die er dom Menfihen vorfchrieb, zu— gleich gebot, das Thier einen von den fieben Tagen ber Woche von feiner Arbeit ruben zu laffen. Wie wir Menfchen in fo vielen andern Sachen die Anmweifung der Natur verlaffen, und unfern eignen Weg wählen, unbefümmert, wohin er uns: führt; fo hun wir es auch hier in unferm Verfahren gegen die Ihiere. Wir beftimmen nur gar zu oft die Zeit, die wir ihnen zur Ruhe gönnen, nicht nad) ihrer Arbeit, Natur, und Beduͤrfniß, fondern nach unferm Eigennuß und unfern grillenhaften Einfallen. Hoͤchſtens beftimmen wir die. Ruhezeit des Thieres das ganze Jahr über nad) Stun- den; daß es die Ruhe eines ganzen Tages nöthig haben ſollte, fälle ung auch nicht einmal ein. Und wie follten wohl fo viele Menfchen, vie fogar ihren Brüdern nie- mals einen Ruhetag vergönnen, ſich überreden Fönnen, daß das Thier einer beftimmren Ruhezeit bedürfe. Und dennoch, Menfch, ift dies Thier eben fo wenig ein per— petuum Mobile, als du; und wenn auch ein perpetuum Mobile in der förperlichen Natur vorhanden wäre, fo würde daffelbe, gerade in feiner beftändigen Bewegung, feine unausbleibliche und defto geſchwindere Zerſtoͤrung finden. IE . ioꝛ. 456 — — $. 101. Wir koͤnnen die Natur unterdruͤcken, aber um— ſchaſſen koͤnnen wir. fie nie; wir koͤnnen eine Zeitlang ih⸗ ve Triebe dämpfen, aber fie auszurotten vermögen wir nicht. Ungeachtet alles des Zwanges, worinn wir das Thier halten, ungeachtet aller ver Gewalt, die uns etz wa die Gewohnheit über feine Neigungen giebt, kann es doch unmöglich) anders feyn, als daß jezuweilen eine Vorſtellung feiner natürlichen Freyheit, eine Luſt nach) eigner Neigung zu würfen, inihm auffteigt ; feine Hand⸗ lungsweiſe weicht fodann von dem beftimmten Gange ab, den wir ihm vorgefchrieben haben. Wir thun daher Unrecht, wenn mir das Thier folcher Handlungen wegen mit Harte be: ftrafen, wozu Naturtrieb und Naturbeduͤrfniß es antreiben. Wir thun im hoͤchſten Grade Unrecht, wenn wir an dieſen Abweichungen von der Ordnung, in welcher, unſrer Abſicht nach, das Thier wür- Een follte, ſelbſt Schuld find, und es dennoch Dafür beftrafen, wohl gar mit Harte beftrafen. So laſſen wir ja oft unfre Hausthiere hungern, und beftrafen fie, wenn fie dann auf jede Weife diefen maͤchtigen Naturtrieb zu befriedigen fuchen. So fen» nen wir oft gewiffe unüberwindliche Wildheitstriebe an den Thieren; wir geben ihnen Gelegenheit und Verſu— chung, fie zu aͤußern, und doch ftrafen wir fie, und ftrafen fie hart dafür. Wir necken den Hund und die Katze; wir reizen fie durch unfre Unvorfichtigfeie, ihre Zähne oder Klauen zu gebrauchen; und wenn fieesdann | thun, ehun, fo ſchlagen und mißhandefn wir fie. Aber liege die Schuld nicht gänzlich an ung felbft, wenn diefe Thie: re uns Unannehmlichfeiten verurfachen ? Und heißt dies nicht, im eigentlichen Verſtande, das Thier fir unfre eigne Verſehen trafen? Ueberhaupt begehen wir in un- ſrer Behandlung der Hausthiere faft allgemein den Feh— ler, daß wir, wenn fie fid) verfehen, oder etwas thun, mas niche mie unferm Willen übereinftimme, uns nie die Mühe geben, über die Veranlaffung zu dieſen ihren Handlungen nachzudenken. Wir vermechfeln oft Muͤ— digkeit mit Trägheit, Kraftlofigkeit mie Unluſt und Eis genfinn, Und viefe gedanfenlofe Unbilligfeit verleitet uns denn, Das Gefchöpf Gortes zu mißhandeln, und das Recht des Thieres zu kraͤnken. $. 102, Eo mie der Menfch auf mancherley Weife durch feine Kenntniß von der Natur und Haushaltung der Thiere zu müglichen Entdefungen geführt worden ift, ſo verdanfen wir infonderheit den anatomifchen Er: fahrungen, die wir über den Bau der thierifchen Koͤr— rer, und die verfchiedene Würffamfeit und Anwendung der Theile derfelben gemacht haben, viele wichtige Auf—⸗ ſchluͤſſe über den menfchlihen Körper. Eine Menge diefer Verſuche find an lebendigen Thieren gemacht worden, und dies hat man niche thun Fönnen, ohne diefen Thieren die bitterften Schmerzen zu verurfachen. Es fräge fih nun: Hat der Menfch das Necht, folche Verſuche an lebendigen Thie— ven vorzunehmen? Und worauf jollte denn wohl dies Pe jich gruͤnden? JE Das 458. ; —— — Das einzige, was man mit einigem Schein ven Menſchenverſtande anfuͤhren kann, um die anatomiſchen Verſuche, die an lebendigen Thieren gemacht werden und gemacht worden ſind, zu beſchoͤnigen, laͤuft auf die Beheruptung hinaus, daß dieſe Unterſuchungen dem Menſchen nuͤtzlich ſind, indem wir durch fie viele Kennt— niffe von der Struktur des menfchlichen Körpers, und der Wirkſamkeit, Natur und Beftimmung feiner Theile erhalten haben, vie wir ſonſt hatten entbehren müffen. Aber hier mögte man fregenz welchen An- fpruch, welches Hecht hat der Menſch, Kenntniffe zu fuchen und zu erwerben, die er nicht anders, als auf Koften feiner lebendigen und fühlenden Mirgefchöpfe ers halten kann? wicht erhalten kann, ohne diefen feinen Mirgefchöpfen die graufamften Leiden zuzufügen? a, diefe Kenntniß ift angenehm, antwortet man; es ift fhön, die Natur Eennen zu lernen, und diefe Verfuche find nothwendig, wenn Die Branenseiffpnfihnfe,® die et: wuͤnſchte Vollkommenheit erreichen ſoll. Nun ja, es iſt angenehm, die Natur kennen zu lernen; es iſt alſo erlaubt und recht, alles zu thun, was uns Freude oder Vergnuͤgen macht; es iſt erlaubt, ſich durch jedes denkbare Mittel Kenntniſſe zu erwerben, wenn dieſe Kenntniſſe uns Vergnuͤgen machen, es mag andern durch unſre Wißbegier zu nahe geſchehen, oder nicht. Wohlan, Menſch, der du, um deine Wißbe— gier zu befriedigen, lebendige Thiere zerſchneideſt und marterſt, ſcheint es dir nicht auch Recht zu ſeyn, wenn du deinen wohlhabenden Mitbuͤrger ermordeteſt, um ſein Vermögen zu rauben, und dich dadurch in Stand zu —* einzig und allein den Wiſſenſchaften zu leben, ohne — 459 ‚ohne daß du noͤthig haͤtteſt, Deine Zeit den Verrichtungen eines befchwerlichen Amtes zu widmen; dadurd) Fönnteft du dich manchen Nahrungsforgen entziehen, und: viele Gelegenheiten zu Kenneniffen erfaufen, von denen dech itzt dein eingefihränftes Vermögen ausfchließe? Du baft das Recht alles zu thun, was zur Erweiterung deiner Kenntniſſe dient; es kann alfo niemand daran zweifeln, daß du berechtigt fenft, deine Nebenmenſchen zu mor= den und zu plündern, weil du Dadurch die Mittel erlangft, der größte Naturforfcher in der Welt zu werden. Esift lehrreich und beluftigend, die Natur zu ftudiren, und darum marterft und zerfleifcheft du alfo lebendige Thiere. Aber fiehe, Menſch, du erreichft doch nicht ganz deine Abſicht, fo lange du niche deine eigne Natur völlig fens neft; und die mußt du dadurd) fennen lernen, daß du den Menfchen auf eben die Arc unterfuchft, wie du bis— ber das Thier unterfucht haft. Und haft du zu dem ei- nen Recht, weil es dir Vergnügen macht, und deine Kenntniß der Natur vermehrte, fo haft du aud) unfehibar Recht zu dem andern. Du zergliederft das lebendige Thier, weil es in deiner Gewalt iftz aber eben das kannſt bu mit gleichem Nechte jedem Menfchen thun, der un- vermögend ift, div Widerftand zu leiften; und ein jeder, ‚der ftärfer ift als du, wird das Recht haben, dich eben fo zu behandeln, $. 103, Aber die Arzneymiffenfchaft gewinne durch diefe Unterfuchungen! Hier mögte man wohl fragen: ift die— fer Gewinn wuͤrklich oder eingebitder? Können Verfuche an den Körpern gefunder und eben getödteter Thiere nicht vollkommen den Bedarf dieſer Wiffenfchaft befriedigen ? Und 460 mn Und find die Kenntriffe, die man eigentlich der Zerglie- derung lebendiger IThiere zu verdanfen hat, nicht viel mehr eine Nahrung der Neugier und der gelehrten Pra- lerey, als daß fie in den zweifelhaften: und ſchwierigen Faͤllen der Heilkunde von enrfihiedenem Nutzen feyn foll- ten? Ueberhaupt mögte man wohl fragen, ob der Kür- per eines von Angft und Schmerzen gefolterten Thieres, und die einzelnen Theile defjelben, die wir unterfuchen wollen, in ihrem natürlichen Zuftande find; ob wir an diefem Thiere mit völliger Genauigfeit das fehen koͤnnen, was wir fehen wollten, und ob wir auf diefem Wege je- mals völlig wahre und zuverläffige Kenntniffe von der Natur erlangen koͤnnen. Aber geſetzt auch die Arzneywiſſenſchaft haͤtte durch die an lebendigen Thieren angeſtellten anatomiſchen Ver: fuche würflich gewonnen; fo giebt dies noch Fein Recht zu ſolchen Verfuchen, oder die Menfchen müßten Necht ha- ben alles zu thun, mas irgend zu ihrem Vortheil gerei« chen fünnte, und ihre Dafeyn, ihr Wohl, müßte der einzige Hauptendzwed des Dafeyns der ganzen £hierifchen Schöpfung fon. Wenn auch die Arzneywiffenfchaft Durch) die bisher vorgenommenen anatomifchen Operatio- nen an lebendigen Thieren etwas gewonnen hat, fo bleibt doch noch immer die Frage zu beantworten: warum be= darf die Arzneymiffenfchaft diefes Gewinnes? denn wenn Beduͤrfniß im jedem Falle Recht geben foll, fo wird der Grund.diefes Bedürfniffes zugleich der Grund des Rechts, das man darauf bauf. Der Menfch bedarf in dem verfeinerten — es geſellſchaftlichen Lebens vieler Arzneymittel, weil er viele Krankheiten hat; und ſoll der Arzt mit einiger Wahr⸗ | — — 461 Wahrſcheinlichkeit hoffen fönnen, diefe Krankheiten zu heilen, fo muß er mit dem menfchlichen Körper und den verſchiednen Theilen deffelben wohl befanne feyn. Aber woher haben wir verfeinerten Menfchen denn diefe Menge von Krankheiten? find fie eine nothwendige Folge der ure fprüngfichen Einrichtung unfers Körpers? Dies läßt fich mit feinem Schein von Wahrfcheintichfeit annehmen. Unfte Vorfahren Fannten das Heer von Krankheiten nicht, die uns plagen; fie find den wilden Nationen unbefannt, welche bey einer natürlichen $ebensweife einen gefunden Körper haben, und ein hohes und muntres Alter errei= hen. Wir dahingegen haben beftändig Arzneyen noͤthig, und bey vielen unfrer verfeinerten Menfchen ift das Leben nichts anders als eineimmerwährende Krankheit. Wars um aber? Iſt denn die Natur ist ſchwaͤcher geworden, als fie ehemals war? Dies laßt ſich wohl nicht läugnen. Aber eben fo wenig kann es geläugnet werden, daß wir felbft die Natur verdorben und gefchwacht haben. Unſre üppige Lebensart und Kleidertracht, unfre Schwelgerey im Effen und Trinken, unſre übertriebnen $eibesübuns gen, unfte finnlichen Ausfchweifungen, kurz, unfre $as fter haben die Narur bey Aeltern und Kindern verderb£ und geſchwaͤcht. Dieſe Unordnung in der Natur erzeugt Krankheiten; vermehrte Kranfheiten vermehren das Be—⸗ duͤrfniß, bey der Heilkunſt Hülfe zu fuchen; und dadurch ſteigt denn auch das Bedürfniß der Heilfunft, die Nas tur kennen zu lernen. Beduͤrfniß giebt Recht; unfer vermehrtes Beduͤrfniß von Heilmitteln, giebt uns alfo Recht, lebendige Thiere zu martern, um unfre Kennt— niß der Natur zu erweitern! O, auf welchem edeln und feften Grunde beruht doch nicht das Recht, das der Menſch befigt, lebendige Thiere zu zergliedern! Der Menſch 462 — — Menfe bedarf mancherfey Arzneyen, weil er von man- cherley Kranfheiten geplagt wird; er wird von mancher: fey Krankheit geplagt, weil er Durch mancherley Laſter die Natur zerftöre: alfo har der Menſch das Recht, le— bendige Thiere zu zergliedern, weil er durch feine Lafter fi) ein Beduͤrfniß gefchaffen hat, das die Natur nicht Fannte, Der Menſch hat das Recht die Thiere zu mar: tern, weil er felbft laſterhaft ift! In der That eineneue Duelle von Gerechtfamen! und diefe Gerechtfame wer: den denn mit unfern fleigenden Unordnungen und Saftern, immer fleigen und weiter ausgedehnt werden Fünnen. Itzt glauben wir, daß wir das Recht haben, lebendige Thiere zu zergliedern, weil wir fühlen, daß mir bofe find; weiter hin werben vielleicht unfre noch fchlimmern Nachkommen fich volllommen berechtigt halten, lebendige Menfihen zu anatomiren. 6, 104 Die Wißbegier kann dem Menfchen niemals das Recht geben, irgend ein lebendiges und fühlendes Ge- ſchoͤpf zu martern. Wir fönnen die Natur fennen, und den großen Urheber derfelben bewundern lernen, ohne feine Wer- fezu mishandeln und zu zerftören; under fchuf feine an- dern Tebendigen Wefen nicht zu dem Ende, daß fie von uns gemishandele werden follten, Er will das Gluͤck ſei⸗ her Weſen; ex wird durch ihre Freude und Vollfommen» heit verherrlicht; aber verunehre und verfpottet wird er, - wenn die Menfchen feine lebendigen Weſen mishandeln, und fo frevelhaft find, ſich ſelbſt und andre überreden zu wollen, fie verherrlichten den Höchften, indem fie auf diefe Weife ihre Kenntniß der Natur zu erweitern fuchen. Unſre Safter Fönnen niemals gegründete Rechte geben, fie — — 463 fie koͤnnen uns alſo auch nicht berechtigen, lebendige Thie- vo zu zergliedern; denn fonft müßte jeder böfe und laſter— hafte Menfch das Recht haben, fich jedes Mittels zu bes dienen, welches die natürlichen Folgen feines ftrafbaren Berbaltens abwenden und aufheben koͤnnte, ohne Nüd- fiht auf das Wohl oder Weh feiner Nebenmenſchen. Auf diefe Betrachtungen geftügt, werden wir daher den folgenden Satz annehmen koͤnnen: Der Menfch Begeht die graufanıfte Unge— vechtigfeit. gegen das Thier, wenn er fich durch anatomiſche Verfuche an lebendigen Thieren, Kenntniffe von der Natur zu eriverben, oder die— fe Kenntniffe zu entwickeln fucht. Denn es ift dem Menfchen zwar erlaubt das Thier zu födten, ment fein Leben unferm würflichen Wohl mwiderftreiter, oder fein Tod zu unfrer Nahrung und Erhaltung dient; aber wir find feinesweges berechtigt, das Thier zu martern, we— der um eine unnatürliche und eitle Wißbegier zu befrie- digen, noch um Mittel ausfindig zu machen, die Wür- fungen unfter Unordnungen und Laſter zu heben. Als eine Folge diefes Satzes, und desjenigen, was wir im Vorhergehenden fonft noch angeführt haben, wollen wir, der Deutlichfeit halber, annod) bemerken: a) Der Menfch begeht Das unverzeihlichfte Unrecht, und nichts Fann ihn entfchuldigen, wenn er an lebendigen Thieren die Verfucheanftellt, wo—⸗ zu der Körper des fo eben geftorbenen Thieres hine länglich feyn koͤnnte. b) Der Menſch begeht das unverzeihlichfte Unrecht, und nichts kann ihn entfchuldigen,, wenn er 464 er durch anatomische Verfuche irgend einem Iebens digen Thiere Schmerzen verurfacht, und nicht wenisftens die, auf ausgebreitete Gelehrfamfeit und reifes Nachdenken fich gründende, Weberzeu: gung hat, daß men Dadurch neue, fchlechtervings nothroendige und nüßliche Erfahrungen zum Bes ſten der Arznepmiffenfchaft machen werde. Ein jeder wird feicht einfehen, daß hier nicht von den anatomifchen Verſuchen die Rede feyn Fann, die an lebendigen TIhieren bereits gemacht worden find. Die Vorurtheile, welche man fo allgemein über die Natur und Beftimmung der Thiere gehegt hat, Eönnen den Menfchen, die auf diefe und andre Arten die Thiere ge— mishandelt haben, immer gewiffermaaßen zur Entſchul⸗ Digung, wenn gleich nicht zur Nechtfereigung dienen. Nur in Zukunft wird Feine Entfhuldigung in folchen Fäl« len Statt finden, und zwar eben fo wenig, als jemand im Stande feyn wird zu beweifen, daß der Menſch Hecht hat, die Thiere auf diefe Art zu mishandeln. Auch muß ich noch bemerken, daß viele Naturforſcher, die es für Pflicht und Recht hielten, foldye anatomifche Unterfuchungen über lebendige Thiere anzuftellen, von fanftem und mitfühlendem Herzen waren, und nicht als lein eingefehen, fondern auch ausdruͤcklich erklärt haben, daß man dem Thiere alle unnöthige $eiden forgfältig er= fparen, und die leidenden Opfer nicht ohne Nothwendig⸗ feit vervielfältigen muͤſſe. Co redet der Philofoph und Naturforſcher Bonnet über diefen Gegenftand: „Die Thiere, fagt er, find bemunderungsmürbige „Bücher, in welchen das große Weſen die kennbarſten „Zuͤge feines hoͤchſten Verſtandes in der Kürze zuſam⸗ „men 465 „men gefaffee hat. Der Anaromifer foll diefe Bücher „aufthun, um fie zu fludiren, und Daraus defto beffer „feinen eignen Bau Fennen zu fernen. Beſitzt er aber „das zarte und überlegte Gefühl, das den moralifchen „Menſchen auszeichnet, fo wird er, indem er fie durch: „blättert, fich nie einbilden, daß es Schiefertafeln find, „worin er blaͤttert. Nie wird er die ungluͤckſeeligen Op— „fer ſeiner Belehrung vervielfaͤltigen: nie ihre Leiden „uͤber das vernuͤnftigſte Maas ſeiner Unterſuchungen ver— „laͤngern. Nie wird er einen einzigen Augenblick ver— „geſſen, daß alles, was mit Leben und Gefuͤhl begabt iſt, „Anſpruch auf fein Mitleiden hat.,, Anmerkung Der edle Bonner zeige ſich, wie man fiehe, fehr menfchlich in dieſen Betrachrungen, und wie fehr wäre es nicht zu wuͤnſchen, daß niemand härter gegen die Thiere gedacht und gehandelt hätte, als er; aber Lavater fräge, und gewiß mir völligem Rech— te, in einer Bemerkung: wer hat ung berechtigt, auch nur eine einzige Mücke zu martern, bloß um eine gelehr⸗ fe Neugier zu befriedigen? Feiner dachte und handelte Lyonnet, deffen Abneigung Thiere zu martern und zu toͤdten, wie er felbft erzähle, fo groß war, daß erfaum mehr als acht oder neun Inſekten zu den Unterfuchungen gebrauchte, die er in feiner anatomifchen Abhandlung von den $arven befihrieben hat, und auch diefe ertränfte er, ehe er fie anatomirte. Sch bin übrigens ben weiten nicht der erfte oder. der einzige, der behaupter hat, Daß der Menfih nicht berechtigt ift, lebendige Thiere zu zer gliedern. Profeſſor Winkler behauptet ebendaffelbe in feinen Inflitutionibus Philofophiae Univer/ae. Leipzig 8. 1742» 9. 426, P. 132-134, Endlich muß man Ög wahl. 466 ie wohl bemerfen, daß ich in diefer ganzen Unterſuchung, blos habe auseinander ſetzen wollen, was in Abſicht dies fer Berfahrensart mit ven Thieren Recht oder Unvecht if. Mie dem Konvenienz-Syſtem babe ich hier nichts zu ſchaffen; dieſem zufolge, bat man ja, ſowohl einzelne Menfchen, als ganze Voͤlker und ihre Fürften, die beiligften Geſetze überteten, die feyerlichften Ver—⸗ pflichtungen Fränfen fehen, weil es ihren eigennüsigen Abſichten zuträglich war; und will man Dies bey der Be⸗ fimmung von Recht und Linrecht zum Grunde legen, fo giebt es Feine Miſſethat, die fo groß wäre, daß man nicht follte darthun koͤnnen, der Miſſethaͤter habe das at gehabt ‚ fie zu begehen. §. 105. | Schwächung und Entkraͤftung find das $oos aller organiſchen Körper; fie enthalten fehon inder Zufammen: fegung der verfchiedenen Theile, und der Reibung diefer Theile an einander, dan Grund ihrer mic der Zeit erfol- genden Zerftörung. Eine beftändige Jugend ifteineben fo großer Widerfpruch in der ehierifchen, als ein beftäne diger Frühling. in der leblofen Natur. Die Kräfte des Thieres nehmen durch Gebrauch und Zeit ab; fein Kör- per wird ſchwaͤcher und Älter; es hat feine Schwachhei⸗ ten, fein Alter. wie der Menfh; und gerade in diefem Zuſtande bedarf das Thier das Mitleid und die Sorgfalt des Menfchen am meiften, Vernunft und Gefühl ges bieten baber. dem Menfchen: _ Pflege deine kranken Hausthiere aufs beſſe, aut wie. du, — Natur nach, nur immer weißt BRD TR: v “ * — — 467 weißt und kannſt; verfürzedie Leiden der rettungs⸗ loſen, ſchwachen und entkraͤfteten Alten. Zur Ehre der Denkungsart und Aufklaͤrung un⸗ ſers Zeitalters, iſt die Heilkunde der Thiere nunmehr ei⸗ ne Wiſſenſchaft geworden; moͤgte nur die Nuͤtzlichkeit dieſer Wiſſenſchaft eben ſo allgemein erkannt werden, als ihr Werth jedem denkenden Menſchen unverkennbar muß! Wie oft hat nicht der Eigennutz, von Dummheit geleitet, das Hornvieh und das Pferd gemartert, indem er fie zu heilen füchte; und die Arzney war zehnfach un: erträglicher, als die Krankheit ſelbſt. Schon in der Kinfiche ift es Pflicht, Die Krankheiten unfrer Dausthies re kennen zu lernen, damit wir ſie nicht durch übel anges brachte Deilmittel weroehens martern; und feibft die Natur hat uns ja angewieſen, fie durch einen ſchnellen Tod von langſamen Schmerzen zu befreyen, ſobald wir wiſſen, daß dieſe ſich doch nur mit dem Tode endigen, oder das Thier zu einer unnuͤtzen Laſt fuͤr uns und fuͤr 9 ſelbſt machen werden. Ja, haben wir Gelegenheit, das abgelebte Haus— thier zu pflegen und zu fuͤttern, das ung ehemals Nutzen und Luſt gewährte, obſchon es igt in feiner Kraftlofigfeit zu beydem niche im Stande iſt; glauben wir, daß fein seben ihm felbft angenehm feyn fann, und wollen wir ihm die Freuden des Lebens gönnen, fo lange es fie zu genieffen vermag; wer wird denn wohl diefe unfre wohl— wollenden Empfindungen gegen bas Thier radeln? Und wie oft kann nicht dieß Wohlwollen eine gewiffermaaßen ſchuldige Erkenntlichkeit gegen das Thier für die Dienfte feyn, die es uns in dem feiern Theil feines EN leiſtete? | ga An⸗ 458 —— Anmerkung. Archenholtz erzaͤhlt in ſeiner Schrift, Engelland und Italien. 2. Ausg. 3. Ih. p. 111. von dem befannten Menfchenfreunde Ho— ward, der fi) durch feine Unterfuchungen über den Zu— ftand der Gefängniffe und Hofpitäler ein unfterbliches Ehrendenfmal geftiftee hat, daß er aud) für Die Thiere eben fo edel fühlte. Die Pferde auf feinem Landgute, heiße es, werden, menn fie alt und ſchwaͤchlich find, von aller Arbeit befreye, und auf eine fchöne Wiefe verfeßt, wo fie ihre übrige Sebenszeit ruhig grafen koͤnnen. $. 106, Allein, oft ſteht es nicht in der Gewalt des Men- ſchen, diefen wohlwollenden Empfindungen Gehör zu.ge- ben, unfre aͤußre Verfaffung hindert uns, dem Thiere die Freude zu. gewaͤhren, die wir ihm wuͤnſchen; und dann ift verfürztes Leiden ein wuͤrkliches Gut für dafielde. Der Tod ift dann eine wahre Wohlthat für das entfräftete, leidende, huͤlfloſe Thier. Und doch ift der Menfch oft graufam genug, ihm diefe legte Wohl— that zu verfagen, Was iſt leichter, als dem Pferde ei⸗ nen Schuß hinter das Ohr durch Kopf und Gehirn zu geben, wodurch Bewußtſeyn und Empfindung augen= blicklich aufhört; und die Haut ift doch immer mehr werth, als diefer Schuß. Aber auch diefes macht dem fühllofen Eigenthümer deffelben noch) zu viele Mühe; er fehneidet ihm lieber Schweif und Mähne ab, das einzi- ge, was er an dem Thiere nod) von einigem Werth hält, und jage es dann hinaus ins offne Feld, wo es, unter der Strenge des Winters, jämmerlich zu tode gemartere wird, Sand: 469 Sandmann, guter Bruder! der du infonderheie fo oft unter der harten Behandlung eines böfen und gottle- fen Grundheren feufzeft, führft du ihn niche felbft an, dic) zu yrannifiren, wenn du fo tyrannifch das Thier bes handelft, das dein Diener iſt. Es ift ein unvernuͤnfti— ges Vieh, fagft du: vu bift ein Dauer, fagt er; und ähr thut beyde gröblich Unrecht. Aber beyde werder ihr auch. dem allgütigen Herrn der Natur ftrenge Rechenfchafe abzulegen haben: du wegen der Unthat, die du an dem Thiere begiengft, und er wegen der Ungerechtigkeit, die er gegen dich und gegen das Thier ausübte ! Viertes Kapitel, Nähere Betrachtung über den Zuſammen hang der angegebnen Pflichten mit der Sittlichkeit des Menſchen. $. 107. Her fuͤhlloſe Harte und überfpannte Empfind- famfeit zween im hoͤchſten Grade gefährliche Fein⸗ de der menfchlichen Tugend und Gluͤckſeligkeit find, ift eine Wahrheit, vie jeder, der nur mic einiger Aufmerk famfeit den Gang der. menfchlichen Seele beobachter hat, einzugeſtehen ſich genöthige finden wird, Es fraͤgt ſich nur: welches von dieſen Saftern in feinen Folgen das ver— SER für ben Menfchen und die menfihliche Geſell— Gg 3 ſchaft ſchaft it. Und wenn wir denn Trägheie von Haͤrte uns terſcheiden, fo werden wir durch Erfahrung belehre werz den, daß der Hartherzige, durch Die Anlage, Die ev zu Feftigfeit in Planen und Handlungen hat, doch einigen Nutzen ſchaffen kann; der Hartberzige hat doch gewoͤhn⸗ lic) eine gewiffe Fähigkeit zu Falten Nachdenfen, die es ihm möglich macht, beßre Einfihten zu erlangen und vernünftigere Mirtel, zu wählen; da im Gegentheil Die überfpannte Empfindfamfeit wenig oder gar feinen wuͤrk— lichen Nusen ſchafft, nur für den Angenblick, nie aber in Zufaommenbang wuͤrkt; nie nach überdachtem Plane handelt, nichts mit anhaltender Seftigkeit ausführt, und, unter gewiffen Umftänden, jede unnatuͤrliche Graufamfeit auszuüben fähig ift, Die nur der harcherzigfte Barbar je— mals erfinden fönnte, Das aber iſt beyden diefen La— fern eigen, daß fie den Menſchen tief unter die Würde erniedrigen, wozu die Natur ihn beftimmte, beyde ver- derben fie das Gute, das der Menfch durch eine zweck— mäffige Anwendung feiner Kräfte haͤtte ſchaffen koͤnnen. Die menſchliche Natur ift eine Zufammenfesung von Sinnlichkeit und Vernunft; wir haben ſowohl Ge— danken als Empfindungen; da wir aber nur dann vergewiſſert ſeyn koͤnnen, daß wir recht und gut handeln, wenn wir nach vollkommen deutlichen Vorſtellungen han— deln: fo muͤſſen, auf der andern Seite, unſre Vorſtel— fungen uns fo deutlich und anwendbar werden, daß fie in Empfindungen übergeben, die im vorfommenden Fal- le gleich zur Hand find, wenn wir anders mit Fertigkeit und Ernſt unfre Pflicheen erfüllen follen. Dieintuitive Kenntniß muß ſymboliſch werden, wenn wir von ihret ABahrbeit vergewiſſert u. ſollen, und wiederum muß die ri bie ſomboliſche Kenntniß anfchauend werden, wenn fie leicht anwendbar, und in Gedanken und van wuͤrkſam werden ſoll. $. 108, Der Menfih, der blos nach dem natürlichen Ge⸗ fühle von Recht und Unrecht handelt, ohne deutlich über die verfchiednen Gründe und Beſtimmungen ver Pflich- ten, und die verſchiednen Modifikationen diefer Pflichten nach der Verſchiedenheit der eintretenden Umftände, nach— gedache zu haben; diefer Menſch kann fehr viel guten Willen befisen, auch wohl vieles hun und gethan haben, was gut und recht ift, aber er wird doch norhivendig aus Mangel an Aufklärung und geübten Denken oft irren, Der Menſch, der in jedem Falle, wo gehandelt werden foll, mit langfamer Ueberlegung, kaltem Forfchen , mis— trauifcher Sorgſamkeit prüfen und unterfuchen will, die— fer Menfch wird nie dahin kommen, mit Fertigkeit für \ die Tugend zu handeln: er laßt, durch feine phlegmatie ſche Grübelen, viele fhöne Gelegenheiten zu guten und edlen Handlungen, ungenutzt vorüber gehen; er handele nie mit Lebhaftigkeit und Warme, und geräch in Verſu— Hung, bey jeder feiner Handlungen zuerft auf fid) ſelbſt zu fehen, alles auf fic) felbft Hinzuführen. Allerdings äft das kalte Nachdenken, die forfchende Prüfung nothe wendig fir den Menfchen, wenn er fich. fefte Grundſaͤtze bilden fol, wonach er mit Sicherheit handeln kann: dieſe Grundfäge müffen aber denn einmal fo gut durch: dacht feyn, müffen durch Nachdenfen fo viel Licht und Le— ben erhalten haben, fo unauslöfchlich tief in die Seele ge— prägt feyn, daß die einzelnen Vorftellungen, woraus fie beftehen, freywillig, mie Leichtigkeit und Schnellig- Gg 4 keit 472 —— isn keit in der Seele erregt werden, wenn Gelegenheit zum Handeln fich darbietet; und dann werden fie, durch ihre Klarheit und Menge, und die dadurch vermehrte Stär- fe, den Menfchen anfreiben, zu thun was recht und gut iſt. Die Seele fammelt nun die ganze Maffe von Em- pfindungen gleichfam in einen Punkt; und fie würfen nun mit vereinter Kraft, wie die Sonnenftrahlen im Brenn- punfte, ohne daß irgend eine individuelle Perception aus Der ganzen zufammengefegten Empfindung die Aufmerf: famfeit der Seele befonders auf ſich ziehe, oder auf fich zu ziehen bedarf, Eine jede dieſer Elaren oder dunfeln Vorftellungen, war einmal vorbin deutlicher Gedanfe; und damals wur= De ihr Werth abgewogen und enifchieden: ißt aber, in dem Augenblicke der Handlung, tritt das dunkle und Fla- re, aber, durch DBereinigung mehrerer Empfindungen, lebhafte und ſtarke Gefühl, an die Stelle der vorherge⸗ benden falten Gedanken. Und fo gebührt es uns immer, nicht blos für die Tugend zu denfen, fondern aud) für fie zu fühlen; damit aber Wahrheit in unfern Gefühlen ſey, muͤſſen fie in vorhergehenden deutlichen Gedanken gegrüns det und vorbereitet feyn. $. 109. Diefe Anmerkungen finden auch bey den Betrach— tungen ſtatt, die wir im Vorhergehenden über die Natur und Beftimmung der Thiere, und die Pflichten des Menfchen gegen diefe Gefchöpfe Gottes angeftelle haben, Wir follen das Thier nicht mit fühllofer Härte oder ger dankenloſer Gleichnültigfeit betrachten und behandeln; wir follen aber.auch nicht in unferm Detragen gegen daf jet 473 felbe, uns von wilden unvernünftigen Gefühlen hinreiffen faffen, die nur neue Quellen des Verderbens und ver Page für den Menfchen eröfnen würden, Thorheit und Unverftand wäre es, wenn wir bey jedem Schriet den wir thun, uns mie der Beſorgniß ängftigen wollten, daß wir lebendige Weſen zerftören mögten, die von uns uns gefehben und unentdefbar, fich vielleicht unter unfern Füßen befinden koͤnnten; aber Unverftand und Bosheit ware es ebenfalls, wenn wir vorſetzlich ein jedes lebendi— diges Wefen, das ung zu Gefichte kaͤme, befchädigen und verderben wollten. Um fo zu fühlen, mie es ver: nünftigen Wefen gebührt, müffen wir zuvor unfre Ges fühle durch vernünftiges Denken ausgebildee haben; und all unfer Denken bleibt ewig nur leeres Hirngeſpinſt und anpraftifche Grübeley, wenn unfre deutlichen Vorftellun: gen nicht in Gefühle zufammenfchmelzen, und uns fols chergeftale zu warmer Theilnehmung an Dingen und Handlungen fimmen. Sjmmer aber wird es die wich— tigften Folgen für den firclichen Werth des Menfchen has den, mie wir in Hinfiche der Thiere denken, fühlen und handeln; meil diefe unſre Handlungen immer einen bes trächtfichen Theil des ganzen: fittlichen Wefens ausma⸗ den, das unſre Natur auszeichnen und veredein fol, Und hier muß denn wiederum die Erfahrung unfer Weg: weifer ſeyn; fie lehrt uns aber: Daß der Menfih, der gedanfenlos, gleich— gültig, bösartig in feinem Berragen gegen das Thier ift, eben dadurch auch zu einer aynlichen Denfungsart und einem ahnlichen Betragen gegen den Menschen geftimmt wird. Gg 5 Quine⸗ 474 — — Quinctilian erzähle: ) daß die Athenienſer eis nen Knaben zum Tode verurtheilten, weil er einer Kräs be das Auge ausgefihlagen hatte; indem fie daraus fchlof- fen, er würde ein böfer und gefährlicher Menfch werden; und das Beyſpiel eines Domitians beftätigt Die Wahr— ſcheinlichkeit dieſes Schluffes. Im Anfange feiner Re— gierung ſchloß er fich zu einer beftimmten Zeit des Ta— gesein, um liegen zu fangen und zu fpieffen ; und Dies fer Fliegenhenker wurde in der Folge einer der grauſam— ſten Tyrannen der Erde. **) Was diefer gekroͤnte Mif- fethä« ö *) Lib, V. kr 9, $. 135. edit. Gesn. **) Ein neueres Beyfpiel hat man an Frankreichs ſchwa⸗ chem und blutgierigem Könige Karl dem gten, Diefer König, der, nad) einem eben fo verrätheriichen als grau— famen Plane, im Jahre 1572, vierzig bis fünfzig taus ſend Menfchen feiner eignen- Untertanen umbringen ließz der felbft aus den Schloßfenftern auf die flüchtenden Hu— genotten fchoß, der Wolluſt an dem Geftanf der Leiche des ermordeten Admirals Coligny fand, und die Muth der Mörder durch feine Aufimunterungen verdoppelte; diefer König war befanntlich der Jagd bis zur Ausfchweis fung ergeben. Er fand, unter andern, Vergnuͤgen darı in, feine Hände in dem Blute der erlegten Thiere zu wafchen, und de Thou vermuthet nicht ohne guten Grund, daß die feltne Grauſamkeit feiner Denkungsart, daraus befonders ihren .Urfprung habe. Und doch foll diefer König von Natur ein gutes und wohlwollendes Ges müth gehabt haben; durd den Umgang mit rohen und böfen Menfchen aber, und durch das beftändige Mor- den der Thiere, wurde er blutgierig und böfe gegen Menſchen. Thuan. Hiſtor. Libr. 57. ad Annum 1574. — 475: ſethaͤter im Großen war, kann jeder Menfch im Kleinern werden, wenn er es ſich zur Luſt mache, das Thier zu martern, oder fühllos ihm unnüge und unnöthige Leiden verurfacht: Wie vie englifche Gefeßgebung in fo vielen an- dern Dingen das Gepräge der Weisheit trägt, fo ift fie bes fonders darin merkwuͤrdig, daß fie auch für die unvernünfe tigen Thiere geforgt, und der Unart Schranfen gefegt hat, die es dem Menfchen etwa einfallen fonnte wider fie aus— zuüben. So redet Archenholz von diefer Sache: *) „Ein andres Geſetz, deflen noch Fein Neifender gedacht „bat iſt gegen diejenigen, die mit dem Vieh unbarm— „ergig umgehen, Da die Thiere fich leidend verhalten „muͤſſen, fo iſt eg der Menfchlichkeit einer fo aufgeflärten Nation fehr würdig, fie wider die Graufamfeiten der „Menſchen zu fhügen. Dergleihen Anklagen kommen „oft vor, und werden ohne Schonung angefehen. Die „Geldbuße ift von fünf bis zehn Englifcyen Schillings „und mehr, je nach dem Urtheile der Obrigkeit, die ſich "hierin nach den Umftänden und der Beſchaffenheit der „Sache richtet, Dies hat denn die gute Würfung,, daß „man mit den Thieren, wie mit vernünftigen Gefchöpfen „umgeht. Die Gelinöheit, die die Engländer gegen „ihre Pferde und Hunde zeigen, ift befanne genug ‚und hat ihren Urfptung aus dieſem Gefege.“ Diefe Gelindigkeit finden wir ja überall in der englifchen Gefeßgebung : von der Folter, von Kneipen mit glübenden Zangen, vom Rädern und dergleichen graufamen Todesftrafen, finden wir in ihrem Kriminal- rechte *) England und Italien, zweyte Ausgabe, 2. Th. ©. 154 476 rechte Feine Spur. Nur auf dad Verbrechen ber beleivigten Majeſtaͤt ift die Todesſtrafe hart; und doc) ift dafür geforgt, daß der Mifferhäter Sinne amd Bewuſtſeyn verloren haben Fann, ehe der härtefte Theil der Strafe an ihm vollzogen wird, Muß aber nicht eine folche Gefeßgebung eben fo fehr die Sitten mils dern und die Denfungsart einer Nation verbeffern, als fie bey entgegengefegsen Principen, gegen Menfch und Thier verhaͤrtet und verdebt werden muß. Auch das ift befannt, daß nach den Englifchen Geſetzen, die Schlächter nicht unter den zwölf Gefchmwor: nen gewählt werden koͤnnen, die darüber abfprechen fol- len, ob wer einer Miffeehat wegen belangt ift, ſchuldig fey oder nicht. Man hat geglaubt, daß der Menfc) durch den beftändigen Anblid von Blut und Tod,bey derglei= chen Auftritten gleichgültig werden müfte, und alfo mit we— niger Behutfamfeit für die Rettung des Angeklagten forgen dürfte, als andre, die nicht in einer zur Härte fo verfuchen- den Lage wären. Und follte nicht diefe Vermuthung der menfchlichen Natur vollfommen entfprechen? Wenn nun aber der Menfch dasjenige aus Luſt hut, was einige aus Nothwendigkeit thun müffen; wenn wir ung mit Vorſatz an leichgultigkeit gegen das abfichtlofe Leiden und Sterben des Ihires gewöhnen, ftatt daß andre ihren natürlichen Gefühlen entgegen arbeiten müffen, um die Unluſt zu überwinden , die ihnen ihre Handthierung ver⸗ urſacht; müffen denn niche unfer ſittliches Verderbnis, und die fchlimmen Folgen, die es für unfer Betragen ge: gen unfre Pebenmenfchen hat, in eben dem Maafie wad)- fen, als wir freywillig dergleichen unfpmparbetifche Em- pfindungen unterhalten haben und unterhalten. Der Herr, | der der feinen Hnnd und fein Pferd enrannifch behandelt, ift gewiß nie ein wahrhaft guter Hausvater gegen fein Ge— finde; derjenige, der fühllos das Thier Hunger und Noth leiden läßt, wird auch kalt und hart vor feinen hungrigen und leidenden Brüdern vorübergehen fünnen, ohne Luſt oder Trieb ihrem Elend abzuhelfen. Sa, der Menfch wird nicht auf einmal boshaft im höchften Grade, und es giebt oft verfchiedne Anlagen zu Laſtern in der Seele, die erft fpät und bey gegebner Gelegenbeit ſich außern; Anlagen, woran weder wir noch andre gedacht haben, bis fie ploͤtzlich entwickelt werden, Mir hören von unfrer erften Jugend an, daß wir die Menſchen lieben, und gerecht gegen fie feyn follen: mir wachſen mit diefen Begriffen heran : fie werden klar, fie werden redende Empfindungen bey uns; und alfo Fonnen Die enrgegengefegten unharmonifchen Empfindungen gegen das Thier nicht fogleich und merklich fic) zeigen, und in allen ihren Folgen ausbrechen. In dem ruhigen, ein= formigen Gange des gewöhnlichen Lebens, fo lange wir von feiner merflichen Seidenfchaft entflammet werden, merkt der Menfch felbft den nachiheiligen Einfluß nicht, den fein fehlechtes Betragen gegen das Thier auf feinen eignen Charakter haben Fann: laß uns aber aus diefem alltäglichen Zuftande der Ruhe herausgeriffen werden ; laß Zorn und Kachgier das feurige Blue entflammen ; und derjenige, der fonft gegen das Thier hart und boͤs— ardig verfuhr, wird nun mit eben der unverföhnlichen Erz bitterung gegen feinen ‘Bruder würen. Aber, wird viel« Yeiche jemand antworten, meine Vernunft fagt mir ja doch immer, es ift ein Menſch, mit dem ich zu thun habe, Sehr gut, Bruder, wenn du Vernunft brauch- teſt, 478 teft, fo würde fie div dies freylich fagen; merfe aber wohl: du gebrauchteft Feine Vernunft, wenn du das Thier miß- handelteſt: und eben fo wenig wirft du Vernunft gebrau- hen, wenn du in der Hige der Seidenfchaften deinen Ne- benmenfchen mißhandelſt. Ber 110, Vielleicht wird jemand hier einwenden, daß es Menfchen giebt, die in ihrem Verfahren gegen die Thiere fromm und gut, dahingegen aber hart und bofe in ihrem Betragen gegen ihre Nebenmenſchen find; und daraus den Schluß ziehen wollen, daß unfre Behandlung des Thieres feinen Zufammenhang mit der Sittlichfeis unfrer übrigen Handlungen habe. Die Erfahrung beftärige zum Theil die Nichtigkeit der obigen Behauptung, aber bey einigem Nachdenken wird man leicht einfehen, daß. die angegebne Folgerung fich nicht daraus heileiten läßt. - Es giebt Menfchen, die gegen dag Thier gut, und gegen den Menſchen böfe Ind; aber hier müffen wir erft etwas näher beleuchten, worin diefe Güte gegen das Thier beſteht, und in welchen Umfange ſie ſich aͤußert. Es giebt Menſchen, die launigt gut, ſo⸗ wohl gegen Thiere als gegen andre Menſchen ſind; die gegen dieſe oder jene Thierart oft ein ausgezeichnetes Wohlwollen zeigen, aber doch zuweilen das Thier miß— handeln, wenn es ihren Saunen nicht ausweichen Fan, und fich nach ihren Eigenheiten nicht bequemen will, oder zu bequemen weis. uf eben die Arr behandeln fie auch die Menfchen, melche üunglücklicherweife von ihnen abhängig find; und von ihnen kann man alfe nicht haben reden wollen, wenn man behaupte ; daß der Menſch boͤſe gegen * — 479 gegen Menſchen und gut gegen das Thier ſeyn kann. Es giebt andre Menſchen, die ſich ein ever andres Lieblings= thier zu ihrer Beluftigung ımd zum täglichen Umgange wählen; diefe einzelne Thiere lieben-fie denn nun freilichz aber fie lieben fie oft ausfchließlich, als ob es die einzigen Thiergeſchoͤpfe in der Natur wären; fie lieben fie mit einer foichen Seidenfchaft, daß ihr Herz für alle antre Thiere und Menſchen feine Gefühle mehr übrig hat, Daher ſieht man denn eben die Dame, die Herz Elopfen und Obnmacht befommt, wenn ihre Scheoshund fchreyt, oder ein vergötterter Papagey nicht freffen will, kalt und gleichgültig mit ihren Pferden davon jagen bis ‚fie fiürzen, oder mit dem zappelnden Wurme angeln. Nur für ihren tieblingsgegenftand haben folche Menfchen Gefühl und Aufmerkfamkeit, und was Wunder denn, daß alles übrige, es fey Ihier oder Menſch, mit der Behandlung vorlieb nehmen muß, die die herrfchenden $eidenfchaften eines folchen Menfchen in jedem Falle an die Hand geben. Won folhen Menfchen aber kann man daher ebenfalls nicht mit Wahrheit fagen, daß fie auf ‚gegen das Thier find, da es nur ein einzelnes Thierge— ſchoͤpf ift, woran ihr Herz hänge. Sie befinden fich in ‚einer Art von Wahnfinn, indem ihre Vorftellungsfraft fo ganz mit einem einzelnen Gegenſtande befchäftige iſt, daß fie auf andre Dinge nicht die gehörige Aufmerkſam— keit und Nachdenfen anwenden, und zuleßt nicht mehr anmenden ‚fonnen. Ein: Glück ift es für fie, daß fie von demfelben verfchieden find; aber auf dem Wege zum Wahnſinn befinden fie ſich gleichwohl; und unerwartete Zufälfe, der plößliche Tod des Thieres u. ſ. w. koͤnnen ſehr Teiche ihre Gefühle und Vorſtellungen fo gänzlich auf al er \ ihre 480 —— ihre eigne Perfon einfchränfen, daß fie ihre eigne ‚Pers fonlichkeit mit ihrem geliebten Gegenftande vermengen, ihr Selbftbewuftfeyn, und mic ihm den ein des, Derftandes verlieren, Noch giebt es andre Menfchen,, die fo uͤberſchweng⸗ lich empfindfam find, daß fie in eitel Gefühlen hinſchmel⸗ zen, wenn fie nur von leidenden Thieren oder Menfchen reden hören. Der Anblick eines leidenden Weſens iſt ihnen unausftehlich, und fie laffen lieber Menfchen und Thiere hülflos leiden und umfommen, als daß fie ihe empfindfames Herz marsern follten, wenn fie zur Lindrung oder Nettung ihrer Mitgefchöpfe thaͤtig mitwürften: Diefe Leute wären fomohl gegen Thiere als Menfchen gut, wenn Güte blos in leeren Worten und vermwirrten Ge— fühlen beftände. Sie find fähig, ſich im höchften Grade böfe gegen Menfchen zu zeigen, weil fie blos von finn- lichen Gefühlen geleitet werden, ohne Machdenfen oder Verſtand zu gebrauchen: und eben diefe Menſchen würden im Stande feyn, die graufamfte Härte gegen das Thier auszuüben, wenn efwa Zorn oder eine andre heftige Seidenfchaft ihre gewöhnlichen Gefühle unterdrücke, oder fie ihren angenommnen Karackter vergeſſen machte, und ihnen die Larve der Empfindſamkeit abriffe. Es ſteht demnach unfre vorige Behauptung noch unmiderlegt: daß derjenige, der nad) vernünftigen und wohl durch— dachten Grundfägen gut gegen das Thier ift, auch eine uͤberwiegende Luſt haben muß, dem Menfchen das zu thun, was Recht und guf iſt; und daß, wer gegen das Thier boͤs ift, nie von Herzen und ernftlich dem Men- ſchen gut feyn kann. Anmer— 481 Anmerkung. Ich habe im Vorhergehenden, mit Vorſatz, nicht von den Menſchen reden wollen, die ein ausgezeichnetes und herſchendes herzliches Wohlwollen ſowohl gegen Thiere als gegen Menſchen uͤberhaupt, fuͤhlen und aͤußern, aber ſich doch ein einzelnes Thier beſonders zum Umgange gewaͤhlt haben, und dies Thier vorzüglich an ihrem Wohlwollen Theil nehmen laſſen. Ich habe dieſen Fall nicht genannt, weil ich nicht begreife, warum ein ſolches Betragen ſtrafbar oder tadelnswerth ſeyn ſollte. Man merke wohl, ich ſetze voraus, daß der Menſch, der ſolchergeſtalt ein einzelnes Thiergeſchoͤpf vorzuͤglich liebt, demungeachtet jede Pflicht beobachtet, die Gerech« tigkeit und Wohlwollen gegen Thiere und Menfchen von ihm Heifchen. Und was follte mic) nun wohl hindern, ein TIhier, in feinem Umgange mit mir, fo froh und glücklich zu machen, als mir immer möglich wäre? Die Thiere finden in ihrem Umgange mie dem Menfchen gea woͤhnlich nur wenig Glück und viele Leiden; und warum foliten denn nicht auch hier auf Erden einzelne Thiere uns ter fo vielen feufzenden Gefchöpfen gludlic; feyn? Dies, freitet weder gegen die Güte und Weisheit des Schö« pfers, noch gegen die Würde des Menfchen, oder gegen die Beftimmung der Thiere. Zwar kann der Menſch, der eine befondre Zuneigung für ein einzelnes Ihier gefaßt hat, fich dadurch diefe und jene Unannehmlichfeit zuzies hen, die durch eintrerende Zufälle dann und wann fid) ereignetz aber dies bleibe immer des Menſchen eigne Sache, und andre find nicht berechtigt, ihn zu tadeln, fo-lange feine Guͤtigkeit für dies Individ, nicht in ihren Folgen für andre Mitgefchöpfe deſſelben, es fenen Thiere oder Menfchen, ſchaͤdlich wird. 9 In grad. an) ES 1% In jedem Falle, wo wir etwas hun, was bus vder unreche ift, find unfre Gedanken und Begierden von der Negelhäßigfeit und der Ordnung abgewichen, die öllein uns der Vollkommenheit und Gluͤckſeligkeit näher führen kͤnnen. Jede Ungerechtigkeit gegen das Thier aber, jedes Uebel, das wir ihm ohne Nothwendigkeit und vernünftige Abficht zufügen, bat ja in falfchen und irrigen Vorftellungen feinen Grund, und diefe Vorftel: lungen harmoniren alfo eben fo wenig mit unfrer eignen Vollkommenheit, als mit der Vollkommenheit des Thie— tes. Vollkommenheit und Wahrheit, Unvollfommen: heit und Irrthum find immer unzertrennlich mit einander verbunden. Wie eine Wahrheit ſich aus der andern entwickelt, fo kann auch ein Irrthum nur andre Irrthuͤ⸗ mer erzeugen und fortpflanzen; und werden nun die irri⸗ gen Vorſtellungen herrſchend in der Seele, ſo reißen ſie den Menſchen mit ſich fort, gleich jenen gefaͤhrlichen Meerſtrudeln, die in ihrem Wirbel alles verſchlingen. Aber wo bleibt alsdann die Vollkommenheit, welcher nachzuſtreben, Vernunft und Offenbarung uns beſtimm⸗ ten? Oder muß nicht vielmehr vernuͤnftiges Nachdenken uns das Geſtaͤndniß abdringen: indem wir ohne Noth—⸗ wendigkeit und vernünftige Abficht , die Vollkommenheit und das Glück des Thieres vermindern, vermindern wir unfre eigne Vollkommenheit und Gluͤckſeligkeit, weil diefe nur auf wahre Gedanken, und edle Gefühle und Handlungen ſich gruͤnden, und nur durch ie beſeſtigt werden kann. Eine 483 Eine jede Mißhandlung des Thieres ſtoͤßt den Menfchen von dem Grade der Vollkom— menheit hinab, worauf er ftand, und legt der Vollkommenheit, die er fonft erreicht haben wuͤr⸗ de, Hinderniffe in den Weg. Ä Wer hat die Orangen der menfchlichen Entartung abgeſteckt; und kann fie nicht von dem unbedeutendſten Anfange, zu der fürchterlichften Höhe fteigen? Gleich- viel aber ift es, auf welchem Wege wir ung zuerft den Saftern nähern. Wir find in diefer Hinſicht faft einer Kugel zu vergleichen, die auf dem überjten Gipfel eines gähen Abhangs liegt; von welcher Seite man ihr auch den Stoß giebt, fo wird doch immer ihre Bewegung dadurch befördert, und fie rolle mie immer zunehmender Geſchwindigkeit fort, je länger der Weg ift, ven fie in ihrem Laufe vor fich hat. Uber wenn die Bewegung eines folchen Körpers, feiner innern Schwere und des äußern Mivderftandes wegen, zuletzt gefchwächet werden und aufhören muß, fo kann dahingegen die übel ange« wandte Wirkfamfeit des Geiftes, bis ins unendliche fortgehen; wenigſtens vermag Fein Sterblicher zu IA nen, wo fie aufhören foll, Niemand kann fagen: fo boshaft will ich nur wer⸗ den, und weiter will ich nicht gehen: niemand kann alfo vernünftigerweife die Frage thun: was hat mein Berra- gen gegen das Thier, mit meinem Betragen gegen den Menfchen zu fehaffen ? Gieb auf Dich felbft Acht, o Menſch, denke über deine Gefühle und Handlungen nach, und, gewiß, du wirft durch unparthepifches Forſchen Hh 2 finden, finden, daß deine Bühllofigkeit gegen das Thier die wohl: wollenden Gefühle ſchwaͤchte, die du deinem Bruder ſchuldig biſt; du wirſt finden, daß die Bosheit, Die Du gegen das Thier ausuͤbteſt, eine fruchtbare Mutter von andern böfen Handlungen war. Du verſagteſt dem Thier feyn Recht, und du lernteſt dadurch mit ſo viel weniger Bedenklichkeit, dem Menſchen Unrecht thun. Vaͤter, Erzieher, und du zartfuͤhlendes Geſchlecht, das mic fo vieler und uneingeſchraͤnkter Gewalt, Sanfte heit über das menfchliche Leben und die menfchlichen Sit ten verbreiter; edle, tugendhafte Weiber und Müt: ter unter unfree Gattung: feht, die Jugend, die Natur und Vorfehung eurer Aufficht anvertraute, ift wie das Wachs, das jeden Eindruck von der Hand des Meifters annimmt! Euer glücliches $oos ward es, Weisheit und Tugend in die jungen und unerfahrnen Geelen zu pflanzen! O, lehrt fie denn frühzeitig kennen und fühlen, wie alles, was lebet, zur Ghückfeligfeit gefchaffen wur—⸗ de; und daß unfre eigne Vollfommenheit und unfer eige nes Gluͤck, immer in ungertrennlichem Zufammenhange mit dem Glücke eines jeden lebendigen Weſens ſteht, wor— auf wir, vermöge unfrer Lage im Leben, Einfluß haben fönnen, Lehret fie fruͤhzeitig auf die ſympathetiſche Stimme Der Natur merfen, die uns auffordert, uns je der Freude und Vollkommenheit unfrer Mitgeſchoͤpfe zu freuen; und verftärft diefe Stimme durch den lehreichen Unterricht der forfchenden Vernunft, der leitenden ee fahrung! Lehrt — 485 Lehrt die Jugend, dem Thiere das Wohl— wollen, die Achtung und das Recht wiederfah— ren zu laffen, dieihm als einem Iebendigen We⸗ fen und Gefchöpfe Gottes gebühren; und ihr werdet fie dadurch zugleich in der Achtung und dem Wohlwollen befeftigen, die fie, als Mens schen, den Menfchen ſchuldig find. Anmerfung Wenn man die weifen Britten ausnimme, fo giebt es unter den cultivirten Nationen Europas auch nicht eine einzige, die ſich ruͤhmen koͤnnte, daß fie in ihrer Gefeßgebung eine thätige Aufmerkſam— keit für die Thiere gezeigt hätte. Indeſſen verdient eine von Campe erzählte Begebenheit hier angeführt zu werden, Da fie dem Juſtizweſen in Abo wahre Ehre macht; »obgleich diefe Ehre wohl nur allein den wuͤrdigen Männern gebührt, welche damals die öffentlichen Ange- legenheiten der Sadt verwalteten, da man fie ſchwerlich den durch die Gefeßgebung eingeführten Grundſaͤtzen zus fhreiben kann. In Abo in Finnland wurde vor einigen Kahren ein Hund übergefahren, und der fterbende Hund kroch zu ber Thür eines $ederhändlers hin. Der funfzehnjährige Sohn diefes Mannes, ein sinbarmberziger Bengel, war fo graufam, daß er dies Veidende Thier erft mit Steinen warf, und ihm darauf ‚einen Topf mit Fochendem Waſſer tiber den Leib goß. Gluͤcklicherweiſe ſah einer der Rarhsheren, der ges ße gegen über wohnte, diefe unmenfehfiche Grauſom⸗ Hh 3 keit. 486 — keit. Er trug den Tag darauf die Sache im Rathe vor, und man beſchloß einſtimmig, dieſen Unmenſchen vorzu— fordern und ins Gefaͤngniß zu ſetzen. Dies geſchah, und nachdem der Rath die Beſchaf— fenheit des Verbrechens genau erwogen, wurde an einem Marfttage, im Beyſeyn einer Menge von Menfchen, folgende Strafe an vem Verbrecher vollzogen. Ein Profoß entfleidete den Obertheil des Körpers diefes Unmenfchen, band ihn darauf an einen Pfahl, und las ihm folgendes Urtheil vor: „Junger Menſch! Da du nicht allein einem dei⸗ „ner Mitgefchopfe, das dich in feiner Todesftunde um „Erbarmen anflehte, deine Hülfe verfage, fondern fogar „boshafter Weiſe die Leiden des fterbenden Thieres ver: „vielfältiget, und es unter verdoppelten Martern geröd- „tet haft, fo foll dein verdienter Name an deine Bruft „geheftet, und du mit funfzig Peirfchenfehlägen gezüch- „egt werden,“ Nun hieng der Profoß dem Knaben eine ſchwarze Dlechplatte um den Hals, worauf mit weiffen Buchfta- ben gefchrieben ftand: blutdurſtiger Unmenfch. Ein andrer Profoß erteilte ihm fodann fünf und zwanzig Schläge mit einer geflochenen Peitſche; worauf der erfte ihm wieder folgendes vorlas: „Fuͤhle hier, junger Menſch, nur etwas von „den Schmerzen, womit du eins deiner Mitgefchöpfe in „feiner Todesftunde marterteft; und willſt du dereinit | „in 487 „in: deiner Todesſtund von dem Herrn aller: Ge— „ſchoͤpfe Barmherzigkeit zu hoffen baben, fo werde ;menfchlicher!“ Hierauf gab ihm der zweyte Profoß die fünf. u zwanzig Schläge, die er noch zu gute. hatte; und. ſehr er.auch fhrie, und die Nathsherren um Schoning flehte, fo. blieben fie doc), unerbittlich. 5 Diefe Strafe haste die beilfamften Solgen. Die finnländifchen Knaben pflegten fonft im Sommer junge Sperlinge lebendig feft zu nageln, und mit Bögen oder Dlasröhren nach ihnen zu fehießen. Andre fpießten lebendige röfche, und fanden Vergnügen an den fehmerz- vollen Verzuckungen diefer Thiere; itzt aber hörten diefe und andre dergleichen Graufamfeiten auf. Campes Kinderbibliothek, 6. B. ©. 267. Moͤgten doch mehrere Obrigkeiten ſo denken und handeln, wie dieſe edlen Maͤnner in Abo! damit aber das Verfahren nicht willkuͤhrlich würde, muͤſte man zu- gleich wuͤnſchen, daß die Behandlung der Thiere ein Gegenſtand der geſetzgebenden Macht werden moͤgte; ein Wunſch, von dem man ſehr ungern glauben wuͤrde, daß er um ein Jahrhundert zu fruͤh kaͤme. In unſrer Geſetzgebung iſt doch ſchon gewiſſermaaßen ein Anfang dazu gemacht, indem das Gewicht beſtimmt iſt, was ein paar Pferde auf Fuhrmannsreiſen, und auf den Gaſ— ſen von Kopenhagen fortbringen ſoll; und obgleich man im letztern Falle vielleicht mehr die Abſicht gehabt hat, das —— zu ſchonen, als den Pferden Erleich⸗ | 554 terung 488 terung zu verſchaffen, ſo halte ich mich doch uͤberzeugt, daß unſer itziger, eben ſo wohldenkender als thaͤtiger Polizeymeiſter, Hr. Etatsrath Flindt, gewiß eben ſo ſehr auf das Beſte der Thiere, als auf die Erhaltung der Straßen geſehen hat, da er, vor ein paar Jahren, die Erinnerung an die in dieſer Ruͤckſicht ergangnen Be: fehle erneuert. Dank fey ihm dafiir im Namen der Menfchheit geſagt; und Dank fey ihm jedesmal, wenn er den Fuhrknecht, der beweißlich feinen Wagen übers laden hat, die — Strenge der Geſetze fuͤh⸗ len läßt: | Dritter Dritter Theil Hiſtoriſche Erläuterungen als Beytrag zur Sehre von der Natur der Thiere. bj+ Pi E ER Te 491 bſchon ich, wie ich hoffen darf, im Vorhergehenden eine hinlängliche Menge hiftorifcher Beweife, zur Erläuterung und Beftätigung der in diefer Schrift ent haltnen Grundfäge über die Natur und Fähigkeiten der Thiere, angeführt habe, fo wird man es dem ungeachtet doch wohl niche für überflüßig oder uuſchicklich halten, daß ich an diefem Orte einige wichtige Erfahrungen über die Haushaltung der Thiere und die verfchiednen Aeuße— rungen ihrer Intelligenz aufzeichne. Freylich hätte ein Theil diefer Bemerfungen ſchon im Vorhergehenden an- geführt werden Fonnen; aber dadurch würde ich den Zu— fammenhang der philofophifchen Betrachtungen gar zu fehr unterbrochen haben, wie id) denn anch hie und da wuͤrklich zweifelhaft gewefen bin, ob ic) alle zu Beſtaͤ⸗ tigung derfelben angeführte Begebenheiten, an dem Orte wo fie iße ftehen, aufzeichnen, oder lieber einen Theil derfelben für diefen Abſchnitt aufheben follte. SEE Der Bieber gehört gewiſſermaaßen zu den Thies ren, die ſowohl auf trocknem Sande als im Waffer leben koͤnnen. Man findet ihn nicht allein in verfchiednen Ge— genden Europas, fondern aud) in Amerifa; doc) trift man ihn in den nördlichen Gegenden häufiger an, als in den füdlichen. Diefe Thiere halten fich meiftens in mit- telmäßigen Wäldern, an den Ufern von Flüßen und Geen auf, mo fie füßes Waſſer haben, und ihre Nah— rung beſteht vorzüglich in jungem Laubholze und frifcher Daum: m——_ 1. Baumrinde; im Nothfall effen fie auch Schilf und Fifhes Fleiſch dahingegen niemals. In den Gegenden, die oft von Menſchen beſucht werden, findet man ſie nur ein— zeln und zerſtreut. In unbewohnten Erdſtrichen aber, und in Laͤndern, die nicht ſtark angebaut ſind, wohnen ſie gewoͤhnlich in großen Geſellſchaften beyſammen; man hat oft Kolonien von zwey-bis dreyhundert Biebern an- getroffen, die ihre Hoͤhlen neben einander gebaut, und ſie durch unterirdiſche Gaͤnge mit einander verbunden hatten. Die Art, wie der Bieber bey ſeinem Baue verfaͤhrt, iſt bewundernswuͤrdig. Zuerſt ſuchen fie, an dem Ufer des Waſſers, einen Ort aus, Der zu ihren Abfichten dienlich, und entweder in einem Walde , eder doch in der Nähe von Bäumen liege. Sie verfammeln fih gewöhnlich im Junii oder. Sulii, um ihren Bau mit vereinigten Kräften auszufüh- ren. Iſt das Waffer, an deſſen Ufern fie fich niederlaf-- fen wollen, fein ſtillſtehendes Waſſer, das immer einer- ley Hoͤhe behaͤlt, ſo beſteht ihre erſte Arbeit darin, daß ſie einen Damm uͤber den Strom ziehen, deſſen fie ſich als einer Schleufe bedienen, um den Lauf des MWaflers zu hemmen, und es fo viel möglich, in derfelben Höhe zu erhalten. Ein folcher Damm, den fie an einem Orte bauen, wo der Strom nicht gar zu tief iſt, hat oft eine $änge, von achtzig bis Bundere Fuß, und ift unten zehn bis zwolf Fuß die, Befindet fih) an dem Ufer des Gewaͤſſers, wo der Damm angelegt werden foll, ein großer Baum, fo benugen fie denfelben zu der Grunde lage ihres Baus, Um ven Baum zu fällen, bedienen fie fich ihrer zween breiten und ftarfen Schneidezähne, und mic diefen find — 493 - fürd fie im Stande, in kurzer Zeit einen Baum zu durch« fägen, der dicker ift als ein Dienfh.- Sie geben dabey zugleich fo vorfichrig zu Werke, daß nur felten jemand. von ihnen durch den Fall des Baumes befchädige wird: Wenn der Baum gefällt ift, nagen fie die Zweige deffel« ben ab, um ihn in horizontaler Richtung ins Waffer zu legen; und unfer dieſer Arbeit ftehen fie einander treulich bey. Hierauf fügen fie die Eleinere Bäume ab, die fie in Stüce zerſchneiden, um Pfähle daraus zu machen Diefe Pfähle fegen fie neben einander langft dem Baume, der queer über den Fluß liege, und durchflechten endlich die Dfähle mit Zweigen und andern Kleinen Holzſtuͤcken. “Die Söcher füllen fie mit Thon aus, den fie auf ihrem breiten Schmweife berbey führen, welcher ihnen ſtatt des Maurerlöffels dient, fo wie fie den Thon mit ihren Vor— derfüßen fneten, Die Bieber geben ihren Dämmen nicht allein die erforderliche Größe und Seftigfeit, fie geben ihnen auch die ſchicklichſte Geſtalt. Anden Seiten, wo der Damm der Gewalt des Waflers widerftehen fol, machen fie ihn fhräge, dergeftalt, daß ein Damm, der unten ungefähr zwölf Fuß die ift,. oben nicht mehr als zwey bis drey Fuß Dicke behält, _ Ueberdem geben fie dem Damm oben auch noch verfchiedne Defnungen, wo das Waffer durch» fließen Eann ; und dieſe Defnungen machen fie bald größer, bald kleiner, je nachdem der Fluß jteige oder fällt, Wenn der Bau des Dammes geendige iſt, fo vers fertigen fie aus denfelben Materialen, und nahe am Wafa fer, runde oder ovale Gebäude, welche zumeilen aus zwey und drey Stockwerken über einander beftehen, und gemeinigilch fünf bis zehn Fuß im Durchmeffer halten, Das Das unterſte Stockwerk iſt allezeie etwas niedriger als der Danım, und mit Waſſer angefüll Hier pflegen fie fich gewöhnlich aufzuhalten, fo lange der Fluß nicht fleige, da fie gerne den Schwanz und den Hintertheil des Körpers im Waller haben mögen. Das obere Stock— werk bewohnen fie nur dann, wenn fie durch das Stei— gen des Flußes dazu genöthige werden. In allen Stod- werfen laffen fie nad) der Wafferfeite Defnungen bleiben, damit fie zu den übern hinausfriechen fonnen, wenn die untern etwa vom Eife oder durch andre Zufälle verjtopft werden follten. Diefe Wohnungen, worin man oft acht, zehn und mehr Bieber beyfammen findet, werden tiber- aus reinlich gehalten, und forgfältig ausgebeflert, fobald fie im geringften fchadhaft geworden find. Im September, wenn ihr Huͤttenbau beynahe ganz vollendet ift, fangen fie an Baumrinde und zartes Holz zum Wintervorrath einzufammeln, und ergogen fid) mit ihren Weibchen. Den Winter bringen fie mit einan- der in ihren Hütten zu. Gegen das Frühjahr verlaffen die Männgen ihre Wohnungen, um die Früchte und Ane nehmlichfeiten der Jahrszeit zu genießen ; doch befuchen fie die Weibgen dann und warn, welche gegen das Ende des Winters J Junge werfen. Das Fruͤhjahr über blei- ben die Weibgen in ihrer Wohnung, um die Jungen groß zu ziehen, die indeſſen binnen wenigen Monaten im Stande ſind, ihre Mutter aufs freye Feld zu begleiten. Gegen den Herbſt verſammelt die ganze Kolonie ſich von neuem, und beſſert ihre Wohnungen aus, wenn ſie etwa durch Ueberſchwemmungen oder andre HR Schaden gelitten haben. *) §. 11 3. *) Neuer Schauplatz der Natur, 1. B. ©. 702705. | 495 ER Wir haben im Vorhergehenden der Nuͤtzlichkeit der Aasgraber gedacht, und die Are, wie diefe Inſekten die todten Körper vergraben, ift überaus merfwürdig. Ehe fie ihre Arbeit anfangen, betrachten fie den Körper von allen Seiten, und durchwühlen den Boden worauf er liegt, Finden fie nun, daß derfelbe für ihre Brut nicht tauglich ift, fo fhleppen fie den Körper an einen beque« mern Ort hin. Hierauf Eriechen fie unter den todten Koͤr— per, heben ihn mit ihrer Bruft und ihrem Kopfe, bald vorne, bald hinten in die Höhe, und feharren dabey mie ihren Bordetbeinen die Erde unter fih weg, fo, daß der todte Körper immer tiefer finfen muß, Dieſe Arbeit fegen fie ununterbrochen fort, bis man von dem Aaſe nichts mehr über der Erde fieht; und eine folhe Grube für einen Maulwurf oder eine Ratze, die zuweilen eine halbe Elle tief ift, koſtet fünf oder fechs von diefen Inſek— ten, wovon die größten doch kaum fo groß find wie ein Mapfafer ‚nicht mehr als zwey bis drey Stunden Arbeit, Um die Fertigkeit diefer Thiere auf die Probe zu ftellen, bieng man einen. Maulwurf an einen Stock, der in die Erde geftecft war, dergeftalt auf, daß der Körs per zwar auf der Erde zu liegen fchien, fie aber doch nicht berührte: die Aasgraͤber eilten ſogleich herbey, und fiene gen an die Erde aufzumühlen; als fie aber fahen, daß der Maulwurf demungeachtet nicht finfen wollte, thaten fie das einzige, was zu thun war, um ihre Abfıcht zu era reichen: fie gruben rings um den Stod herum, und fuh« ten damit fo lange fort, bis er fiel, und den Körper niche mehr hindern konte zu ſinken. Ameen Zween oder drey Tage nachdem fie ein folches Aas begraben haben, mit weichem fie zugleich fich felbft le— bendig begraben, kommen fie gemeiniglich wieder zum Borfihein, aber mit einem ganz veränderten Ausfehen, da fie größtentheils mit einer Are von gelben achtfuͤßigen Säufen fo ſtark befeßt find, daß man fie kaum Fennen kann. Nun paaren fie fih, und friechen darauf abere mals unter die Erde, wo das Weibgen ihre Ener in Das vergrabne Aas legt. Mach ungefähr vierzehn Tas gen Friechen aus diefen Eyern Fleine Würmer hervor, die fi) von dem verfaulten Fleifche des vergrabnen Thie⸗ res nähren, und gemeiniglid) binnen vier — ihre völlige Größe erhalten. *) $. 114. In einem Gartenhaufe, wo lange niemand Dinge _ kommen war, haften die Spinnen vor 'allen Winfeln zwifchen den Balken ihre Netze gefponnen, Endlich fam der Gartner einmal mit einem eifernen Blasrohr dahin, woraus er getrocknete Leimkugeln mit folcher Ges nauigfeit zu ſchießen geuͤbt war, daß er felten eine Flie— ge an der Wand verfehire. Da er eine ziemliche Anz zahl Kugeln bey fih hatte, fo werierh er auf den Ein- fall, die Spinnen todt zu fhießen, welche hinter ihren Geweben faßen und auf fauerten; und in Furzer Zeit toͤdtete er fie alle, Mac) einigen Tagen kam er wieder in Das Bittenhains , und fah fih nach Spinnen um. Anfänglich wurde er Feine einzige gewahr; aber bald nachher bemerkte er, daß hinter Den Geweben, wo Das *) Neuer Schauplag der Natur, 1, B. ©. 46. 497 das vorigemal eine braune Spinne ſaß, nunmehr ein kleines weißes Haus von Leimkalkblaͤttern gebaut war, die an verſchiednen Stellen von den Wänden und Balz ken abgelößt waren. Diefe Fleinen Schalengehäufe hats een beynahe eben dieſelbe Geftalt, als die Puppen ver $arven, oder die Einfleidung, in welcher der Schmet= terling fich verwandelt; nur waren fie runder und von verfchiedener Größe. Die edichten Kalfblätter waren fo kuͤnſtlich zufammengefegt, daß in dem Gehäufe Feine Epinne zu fehen war; und hinter jedem Gewebe war ein ſolches Gehäufe. Er ſchoß einige derfelben mit har— ten Thonfugeln in Stücken, und tödtere die Spinnen, die fi) darinn befanden; Die übrigen ließ er unbe« ſchaͤdigt. Einige Tage nachher beſuchte der Gaͤrtner das Haus abermals, und fand, daß hinter den Geweben, wo die Gehaͤuſe zerſtoͤrt und die Spinnen getoͤdtet wa— ven, andre Spinnen neue Zellen von Kalkblättern ge— baut, aber fie Fleiner und Dichter gemacht hatten; und in jedem Öehäufe wohnte wiederum eine Spinne. Die übrigen Spinnen, melche einige Tage zuvor verſchont worden waren, hatten ihre Ralfzellen felbft abgebrochen, und fahen ohne Bedeckung hinter ihrem Gewebe, Die Kaltblätter lagen auf dem Fußboden, und nur einige wenige hiengen noch in den Netzen. Nun wurden wies der alle Spinnen todt gefchoffen, ſowohl diejenigen, die fih in den Zellen verborgen hatten, als die, die ohne Zellen waren, und alfe Zeflen wurden zerſtoͤrt, aber bie Gewebe nicht weiter beſchaͤdigt, als nur in fo fern die Kugeln fie durchlöcherten, Nach Verlauf von acht Tas gen waren hinter allen Gemweben wieder neue Kalkzellen i Ji ges 498 gebauf, und in jeder Zelle war wiederum eine Spinne, Für diesmal ließ der Gartner fowohl die Spinnen als ihre Gehäufe in Ruhe. Einige Tage nachher fah er, daß die Epinnen, fo. wie das vorigemal, alle ihre Häus fer abgebrochen, die Kalfblätter auf den Fußboden hin— abgeworfen hatten, und unbededt hinter den Geweben faßen. Sie wurden abermals alle ode gefchoffen, und ihre. Gewebe rein weggefegt, fo daß von ihnen nichts mehr zu fehen war; und nun häfte man denn glauben follen, daß die Spinnen in dem Gartenhaufe völlig ver« tilge wären; aber dies war nicht der Fall. Nach einigen Tagen fand man abermals neue Ge- webe gefponnen, und hinter diefen abermals Zellen von Kalfblättern, worin die Spinnen ſich aufhielten; hin- ter einigen Geweben aber fah man weder Spinnen noch Zellen. Bey näherer Unterfuchung fand man, daß diejenigen Spinnen, welche feine Zellen gebaut hatten, Löcher in den Eden der Wände ausgehöle haften, wor— in fie fih verbargen; andre hatten ſich in die Riſſe der Balken und Stüßen verfrochen, und fauerten dort ih— rem Raube auf, Es wurde zu wiederholtenmalen auf diefe Spinnen Jagd gemacht, aber der Erfolg war im= mer derſelbe. Bey einigen im unit 1782. angeftellten ueuen Verſuchen ereignete fich folgende Merfwürdigfeit. Da man mit harten Thonfugeln auf die Niffe der Bal— fen fchoß, worin die Spinnen fich verborgen hielten, und die Stücke der zerfchlagnen Kugeln in diefe Riſſe eindrangen, und einige Spinnen tödfefen, wurden Die andern dadurch beunruhigt, und liefen fehleunig aus ih— G ven Höhlen hervor. Mac) einigen Tagen waren die Riſ fe Hinter und über den Geweben mit Kalkblaͤttern derges ſtalt ummmuenzuune | 499 ſtalt befege, daß man fie kaum fehen konnte. Nur eis ne fleine runde Oeffnung war übrig gelaffen, und hin- fer diefer Deffnung faß die Spinne. Die Jagd diefes Jahres war auch noch dadurch merkwuͤrdig, daß einige. Spinnen eilferrig ihre Zellen und Gewebe verließen, wenn nach andern gejchoffen wurde, *) Anmerkung Dieſe Begebenheit mit allen ihren Umftänden beweißt, daß die Spinnen aus Erfah: rung die Gefahr Fennen lernten, fid) vor derselben fürch- teren, ihr fo gut fie konnten vorzubeugen fuchten, und verfchiedne Mittel zu ihrer Rettung anwandten, Wie würden, fagt der Verfaſſer, nicht Die Menfchen die Spinnen verwünfchen, wenn fie uns auf diefe Weife be: handelten. ber die armen Spinnen, fie fehießen, fie södten feinen Menfchen, fe fluchen ihren Mördern nicht: woher mag man dod) wohl dieſe Gefchöpfe fo fehr haſſen und verabfcheuen ? DIE. 67 Die Termiten, oder fogenannten weißen Ameise fen, find vieleicht in Abfiche auf Klugheit, Macht und häusliche Einrichtung, die bewundernswürbigften Ges fhöpfe im ganzen Thierreiche; und zuverläflig die eins zigen bis igt befannten in ihrer Art. Inſonderheit uͤber⸗ treffen die von ihnen aufgeführten Gebäude alles, was Bienen, Wefpen, DBieber und andre Thiere aufzuwei— fen haben, menigftens eben fo fehr, als Die prächtigen — SAT OR Pale *) Allerneuefte Mannigfaltigfeiten; 1. Jahrg. ©. 322,25, 500 Pallaͤſte cultivirter Nationen, die armſeligen Hütten der. Wilden übertreffen. Selbſt die Menfihen mit ihren ſtolzen Thuͤrmen, und himmelanftrebenden Pyramiden, können es nie mie diefen Inſekten aufsehmen, wenn man bey beyden Die Größe des Baumeifters mic den von ihm aufgeführten Gebauden vergleiche. Die Arbeiter unter den Termiten, die zum Bauen gebraucht wer: den, find nicht einmal den vierten Theil eines Zolles groß, und führen doch Werke auf, vie fich zehn bie zwölf Fuß, und oft noch höher, über die Oberfläche deu Erde erheben. Hr. Smeathman giebt dem Menfchen eine Höhe von ſechs Fuß, und berechnet darauf, daß die Gebäude dieſer Ameifen, in Berhäftniß der Größe des Inſekts zu der Höhe des Menfchen, beynahe fünfz mal fo hoch find, als die höchften egyprifchen Pyramis den. In der innern Einrichkung und Eintheilung ihrer Gebäude ſcheinen diefe Inſekten alles zu übertreffen, was Menſchenhaͤnde hervorzubringen im Stande find, Die bemundernswürdigen Theile derfelben find folgende: die Föniglichen Zimmer, die Erziehungsfammern der jun« gen Nachfommenfchaft, Die Vorrathshaͤuſer, gemölbte Zimmer und Öallerien mit ihren verfchiedenen Ein - und Ausgängen ; "ganze Reiben Bögen von gothiſcher Form, nicht ausgehöhlt, fondern frey gewoͤlbt, und verſchiedne derſelben 2 bis 3 Fuß hoch; ihre verſchiednen Straßen und Wege, bequeme Treppen, und Bruͤcken von einem einzigen Bogen, vermoͤge deren dieſe Thiere im Stans de find, leicht und gefchwind zu allen Theilen des Ge- bändes zu kommen. Und diefe wundervollen Gebäude find das Werk eines Inſekts, das nicht völlig den vier- ten Theil eines Zolles lang ift, und deren fünf und | ; — zwan⸗ ———— 561 zwanzig erſt einen Gran, oder ſo viel als ein Dfeffer- korn wiegen, Eine gut eingerichtete Nepublif diefer Ameifen bes ſteht eigentlich aus drey Klaffen. Aus Arbeitern: ays Eoldaten, die feine Art von Arbeit verrichten, zwey« mal fo lang, und vierzehnmal fo groß find, als die er= Stern; und endlich aus geflügelten oder vollfommnen In— feften, die man füglich den Adel der Nepublif nennen fönnte: Diefe befaffen fich weder mit Krieg noch Arbeit; faum find fie im Stande, ſich felbft zu vertheydigen. Aus dieſer letztern Klaffe werden ihre Königinnen ges wähle, und die Natur hat es fo eingerichtet, daß fie, ſobald fie ihre Vollkommenheit erreicht haben, auswan- Dern, und dann entweder neue Staaten errichten, oder ſchon binnen den erften zween Tagen umfommen müffen. Die Adelichen find von den beyden andern Klaffen fo fehr verſchieden, Daß man bisher nicht vermuthet har, daß fie mie jenen ein Volk ausmachten. Man bemerkt fie auch wuͤrklich nicht eher, als kurz vor dem Eintritt der regnigten Jahrszeit, da gerade ihr letzte Verwandlung vor ſich geht. Ihr ganzer Koͤrper iſt doppelt ſo groß und hart, als der Körper eines Kriegers, und dreißigmal fo ftarf, als der Körper eines gemeinen Arbeiters. Sie find mit vier Flügeln verfehen, die fie verlieren, nachdem fie ei- nige Stunden damit herumgeflattere haben, worauf fie unzähligen Vögeln, Friechenden Thieren, und andern Inſekten zur Nahrung dienen müffen. Unter Millio— nen von diefen fliegenden Termiten, ift wahrſcheinlich faum ein einziges Paar fo glücklich, einen fichern Zu= fluchtsore zu finden, wo es das erfte Gefeg der Natur Si3 * 502 erfuͤllen, und einen neuen Staat ſtiften kenn. Auf die— ſer Reiſe faͤllt eine unzaͤhlige Menge in den naͤchſten Ge— waͤſſern, wo ſie von den Afrikanern aufgefiſcht und mit der größten Begierde gegeſſen werden. Hr. Smeath: man felöft fand fie, blos wie Kaffeebohnen geröfter, ohne alle weitere Zubereitung , fehr wohlſchmeckend, nahrhaft und gefund. Die wenigen glücklichen Paare, die dieſer jährlichen Niederlage entgehen, werden zufäl- fig von den Ardeits= Termiten aufgenommen, ‘die be: ftändig auf der Erde herumlaufen, zu Königen und Kö- niginnen neuer Staaten erwählt, und von diefen fleißi- gen Gefchöpfen gegen alle ihre zahlreichen Feinde be— ſchuͤtzt. Man fihließe fie in die föniglichen Kammern ein, die man aus Thon für fie zubereitet hat, und in eben. dem Augenblick nimme auch die Fortpflanzung ih- ‚ren Anfang. Ihre freymilligen Unterthanen find damit befchäftige, Erziehungsfammern anzulegen , welche, dem Anſchein nach, aus Holzwerk zufammengefegt und mit Harz verfitree find. In diefe Kammern bringen fie die Eyer der Königin, fobald fie zum Vorfchein kom⸗ men. Hr. Smeathman ſcheint fogar aus wahrfcheine lichen Gründen zu glauben geneigt, daß diefe bewun- dernsmwürdigen Thiere, ‘in der Mähe ihrer Kinderftuben, eine Art Garten von kleinen Schwämmen anlegen, die nur unterm Mifroffop zu erkennen find, und von wel chen Hr. König vermuthet, daß fie diefen jungen Ter⸗ miten zur Nahrung dienen. Das wunderfamfte in der Gefihichte diefer Inſekten, ift fonder Zweifel die, Be— fhreibung der Königin, wenn fie fhwanger ift, In diefem Zuftande geht mit ihrem Körper , befonders aber. mit dem Unterleibe, eine außerordentliche Veränderung por, Der lestere ſchwillt almäblig zu einer fo ungeheu- ern — 503 ern Dicke an, daß er einen 1500 bis 2000 mal groͤßern Umfang hat, als der ganze uͤbrige Koͤrper. Sie wird 1000 mal ſchwerer als ihr Gemahl, und 20 bis 30,000 mal fihwerer als ein Arbeits-Termit, Durch die im« merwährende wellenförmige Bewegung der Mutter (ma- trix) werden in einer Zeit von 24 Stunden 80,000 Eyer ausgeworfen, und jedes derfelben wird in eben dem Yugenblif, da es zum Dorfchein fomme, von den Arbeits - Termiten aufgehoben, und in das Erziehungss haus gebracht, welches in gerader Linie oft vier bis fünf Fuß von der Wohnung der Woͤchnerin entferntift. Hier werden die Jungen ausgebrütef, gewartet und gepfiegt, | bis fie im Stande find, fid) felbft fortzubelfen, und an der gemeinfchaftiichen Arbeit Theil zu nehmen. Eine folche Termiren -Republif richtet graufame Verwüflungen an. Rings um ihre kleine Stadt legen fie, fo weit fie veichen koͤnnen, Gaſſen, oder vielmehr bedeckte Wege an, um von allen Seiten Nahrungsmit— tel und Baumaterialien herbeyzufchaffen. Das Unbeil, das fie ftiften, hat indeffen auf der andern Seite wie: ver den Vortheil, daß die Gegend, Die fie bewohnen, in furzem von allen ausgeftorbnen Bäumen und fonfti- gen Dingen, welche der Erde nur zur Saft fallen wur: den, gereinigt wird. Ihre Arbeit geht fo hurtig von flatten, daß man oft an dem Orte, wo ein verlafines Dorf ftand, nach zwey oder drey Jahren Feine Spur von Häufern mehr antrifft, fondern den ganzen Pla dahingegen mit einem dicken Gebüfche bewachfen finder, Ihre innere Verfaffung und Polizey ift in Abſicht der. verſchiednen Verrichtungen, welche dem Bürger: 4 und 504 EEE und Soldatenftande zugerheile find‘, außerordentlich fon- derbar, Sobald man nur mit einem Beil eine fleine Oefnung in ihrem Gebäude macht, kommt gleic) ein Soldat heraus, um fpaziert um die Defnung herum, gleihfam um auszufpähen ; ob der Feind fich wieder ent— fernt hat, oder von welcher Seite die Gegenwehr und der Angriff am beften gefchehen Fan, Gleich nachher laffen fic) 2 oder 3 andre diefer Fleinen Krieger fehen, ähnen flürzt eine ganze Schaar durd) die Defnung nad), und dieſe Eleine Armee wird immer ftärfer und zahlrei— cher, fo lange man fortfähre, das Gebäude zu befchädi> gen. Alles ift alsdann in Unruhe und in der heftigſten Dewegung. Einige diefer ſtreitbaren Termiten fehlagen mit ihren Küffeln außen an das Gebäude, welches ein Geräufch macht, das man 4 bis 5 Fuß weit hören kann. Sobald man aufhört, fie zu beunrubigen, ziehen die Eoldaten fid) zurück, und werden von den Arbeits - Ter- miten abgelößt. Diefe eilen auf verfchiednen Wegen baufenweife nad) der Defnung bin, und bringen ſchon zubereiteren Thon mir. Keiner ift dem andern im We— ge oder hinvderlich, obfchon fie Millionenweife nach der gemachten Defnung hinlaufen, und auf diefe Art iftdas Gebäude fehr geſchwind wieder ausgebeffere. Bey je: dem Haufen von 600 bis 1000 Arbeitern fieht man ge: meiniglich einen Eoldaten, der gleichfam die Auffiche über fie zu führen feheint. Dieſer ſtuͤtzt ſich zuweilen an der befchädigren Mauer, und fchläge mit feinem Ruͤſſel daran, welches die fämmtlichen Arbeiter mit einem all: gemeinen Gezifche beantworten, und hierauf defto eifri- ger und fleißiger an Ausbefferung der Mauer arbeiten. Die hartnaͤckige Streitbarkeit der kleinen Krieger ift bes fonders merfwürdig. Sie fämpfen mit einem uner- ſchuͤt⸗ ———n 505 ſchuͤtterlichen Muthe, und machen ihrem Feinde jeden Zollbreie Erde ftreitig, fo daß fie oft die Neger zuruͤck— treiben, welche Eeine Schuhe fragen, und die Europder mie foicher Heftigkeit beiffen, Daß das Blut ihnen aus den Struͤmpfen läuft, Im übrigen find die Gebäude diefer Eleinen Inſek— ten von folher Stärfe und Feftigfeit, daß fehon, wenn fie exft die Halbe Höhe erreicht haben, die wilden Ochfen des Landes fich oben auf diefelben zu flellen pflegen, um Wache zu halten, indeß die übrige Heerde unter ihnen im hohen Graſe weiber. Hat aber ein folcher Termit- Hügel feine völlige Höhe von zo bis 12 Fuß, fo pflegen die Europäer hinaufzufteigen, um über das Gras Hin- fehen zu: fönnen, welches zuweilen 13 Fuß had) wächft. Hr. Smeathman ftand einmal in Gefellfchaft von vier andern auf dem höchften Gipfel einer Termit » Feftung, um von weiten zu entdecken, ob etwa Schiffe angefe- gelt fämen. *) - 6. 116, . Da der Elephant, mwegen feiner befondern Intel⸗ ligenz, im Thierreiche ſo uͤberaus merkwuͤrdig iſt, ſo will ich hier einige geſammelte Nachrichten von dieſem Thiere anführen. —ñ— Elephant iſt unter allen — Land⸗ ) Hr. Smeathmans Beffrivelfe over et meget be— ſynderligt Inſekt af Termit - ee ‚ in Schulges Phyſikalſche Aarbog. 1784. ©, 202-208. — Lich, tenb. Magazin 1783. =) Mannigfaltigfeiten, 3. Jahrg. ©. 529. uf 506 | — — Landthieren das groͤßte. Er hat einen ungeheuern Kopf; ſeine Ohren ſind lang, breit und dick; ſeine Augen groß, obſchon ſie von der ganzen ungeheuren Maſſe die— fes Thieres gleichſam nur einen Punkt ausmachen. Sei— ne Naſe iſt dick, und ſo lang, daß ſie die Erde be— ruͤhrt; man nennt ſie den Ruͤſſel des Thieres. Die— ſer Ruͤſſel iſt fleiſchigt, nervoͤs, hohl wie eine Roͤhre, biegſam, und von ſolcher Staͤrke, daß der Elephant mit demſelben Baͤume fällen und mit der Wurzel aus: reiffen kann. Vermoͤge diefes Rüffels ift er im Stan» de, ſich durch die dickſten Wälder einen Weg zu bah— nen. Er hebt mie ihm große Laſten von der Erde auf, and der Kanal, der fich in demfelben befindet, dient ihm zum Athemholen. Der NRüffel des Elephanten läuft nach vorne fpigig zu, und endige ſich in einem be- weglichen Knorpel, welcher zwo Defnungen hat, die das Thier nad) Gefallen öfnen und fehlieffen kann. Oh— ne dies Gefchenf der Natur, wuͤrde der Elephant Hunz gers fterben müffen, da fein Hals fo die und unbiegfam \ ift, daß er fich auf feine Weife buͤcken, und wie andre Ihiere graſen kann. Er muß daher fterben, fobald dies Werkzeug befchädige oder unbrauchbar wird,» Der Mund fist unter dem Ruͤſſel in dem unterften Theile des Körpers, fo daß er mit der Bruſt eins zu feyn ſcheint. Die Zunge ift fo Flein, daß fie mit den übri- gen Theilen des Körpers beynabe außer allem Verhält: niffe fteht. In feinen Kinnbaden hat er zween Zähne, um fein Surfer zu zermalmen, und zween andre zu ſei— ner Vertheidigung. Dieſe letztern fißen in der obern _ Kinnlade, . und find einige. Fuß langz wenn er jornig ift, thut der Elephant mie diefen Woffen Wunder : und | - eben eben diefe Zähne find es auch, die man unter dem Na— men von Eifenbein kennt. Ein guter Elephant hat mehr Fleiſch, als fünf bis fechs Ochſen. Die gewöhnliche Größe der Afrifanifchen Elephanten, ft neun bis zehn Fuß Laͤnge, und eilf bis zwoͤlf Fuß Höhe. Diefe Größe follte vermurben laſſen, daß fie in ihren Bewegungen ſchwerfaͤllig und langſam wären; aber fie gehen und laufen demungeachtet mit vieler Behendigfeie. Ihr gewöhnlicher Gang gleicht dem eines Menfchen, der fehr gefchwinde läuft; aber wenn fie Saufen, fo übertrifft er ihn weit. . Indeſſen fieht man den. Elephanten fehr feiten laufen, weil dies ihm, feines niederhängenden Bauches und feiner dicken - Beine wegen, befchwerlich falle. Man hat die unrich- fige Meinung gehegt, Daß die Füße des Elephanten feine Gelenke hätten, aber fie ift durch das einſtimmige Zeugniß aller Neifenden widerlegt worden; doc) fällt es ihm ſchwer, fich von einer Seite zur andern zu wenden, und die Meger bedienen ſich diefes Umftandes zu ihrem Vortheil, wenn fie ihn angreifen wollen. Viele Na- turforfcher behaupten, der Elephant trage feine Frucht achtzehn Monate; “andre, er frage fie fechs und dreißig Monate lang ; indeffen bat man hievon feine völlige Ge— wißheit, und wird fie auch fchwerlich jemals erlangen, da die zahmen Elephanten fich nie begatten. Der Elephant ift nicht fehr ängftlich in der Wahl feiner Nahrung; hat er Feine Kräuter, ſo ißt er die Dlätter und Zweige von Bäumen, Rohr, Schilf und alle Arten von Korn und Schaalenfruͤchten. In der aͤußerſten Hungersnoth verſchluckt er. aueh wohl Erde und 508 nn nn und Steine; aber dadurd) zieht er ſich unausbleiblich ei- nen baldigen Tod zu. Uebrigens erträgt er den Hun— ger mie vieler Geduld, und man verfichert, daß er acht bis zehn Tage foll faften Fünnen. Hat er dahingegen Ueberfluß, fo ißt er viel, mie die Verwuͤſtungen bewei- fen, die er in den Pflanzungen der Neger anrichtet. Ein einziges dieſer Thiere verzehrt eben fo viel, als drei: Big Menfchen eine ganze Woche lang zu ihrem Untere halt gebrauchen, dasjenige ungerechner, was er mit feis nen Füßen verdirbt und zertritt. Die Elephanten ruͤh— ren das Waſſer immer erſt mit ihren Fuͤßen um, ehe fie trinken. Sie verſammeln ſich gemeiniglich in Heers den von funfzig bis ſechzig Stuͤck, und in dieſer Anzahl eriffe man fie oft in den Wäldern an, aber fie thun feinen Schaden, wenn man fie nicht angreift; _ ſchießt man dahingegen nad) KR und ſchießt fehl, fo werden fie wüthend. Nach Hosmanns Erzählung marfehirte im Des cembermonat des Jahrs 1700, des Morgens um fechs Ahr, ein Elephant auf das Fort Mina an der Goldfü- fte zu. Er nahm feinen Weg längft dem Sluffe unter dem Berge von St. Jago. Einige Neger liefen uns bewaffnet um ihn herum, und dies litt er, obne das geringfte Mißtrauen zu äußern. Ein holländifcher Of- ficier fehoß nad) ihm, und verwundete ihn über das Aus ge; er veränderte aber demungeachtet feinen Gang nicht; fondern feßte mie gefpißten Ohren feinen Weg nach) dem: holländifchen Garten fort, wo der Öeneraldirefteur und die andern Bedienten des Forts ihn unfer den Palmbäus men fahen. Er hatte, mit der größten Seichtigfeit, ohngef faͤhr ein Dutzend dieſer Baͤume umgeworfen, als ſie 509 fie mehr als hundert Kugeln auf ihn abfchoffen. Nun blutete das Ihier wie ein Ochfe, dem man die Kehle abgefchnirten bat, aber es fland doch noch auf feinen Deinen, und wanfte nicht. Nachdem dies gefchehen war, wollte ein Meger den Elephanten neden, und zerrre ihn am Schweife; aber der Elephant warf ihn mit feinem Rüffel zu Boden, trat ihn zwey oder drey⸗ mal mie Füßen, und bohrte ihm mit feinen Zähnen zwey Söcher in ven Leib, die fo groß waren, daß man eine Hand hinein legen Fonnte, Nachdem der Elephant den Neger umgebracht hatte, wandte er ſich von ihm, und widerfegre fih den andern Negern nicht, welche her— beyfamen, um den todten Körper wegzuſchaffen. Nun blieb er über eine Stunde im Öarten, und fehien haupre fachlich) fein Augenmerk auf die Holländer gerichter zu baben, die funfjehn bis fechszehn Schritt von ihm ent- ferne faßen, Da diefe ihr Pulver verfchoffen hatten, und beforgten, der Elephant mögte fie angreifen, wa— ven fie genoͤthigt, fich weg zu begeben. Mittlerweile war der Elephant zu einer andern Thuͤre gefommen, und obfchon die Gartenmauer aus einer doppelten Reiz he Steinen beftand, riß er fie doch mit geringer Mühe um, und gieng durch diefe Defnung aus dem Garten, Er wanderte ganz langfam nach dem Sluffe bin, wo er das Blut abwuſch, womit er bedeckt warz bierauf kehr⸗ te er unter die Palmbäume zurück, und zerbrach vafelbft einige Bretter, welche zum Bau eines Fahrzeuges bes flimme waren. Die Hollander hatten fich unterdeffen mit Pulver und Kugeln verfehen, und ihre wiederhofe ten Salven machten endlich den Efephanten unfähig, ihnen langer Widerftand zu leiften. Hierauf hieben fie ihm, mit großer Mühe, den Rüffel ab; und der Ele— phant, phant, ber bisher feinen Laut von ſich gegeben hatte, bruͤllte nun aus Leibeskraͤften, da fie dieſe eben fo unnd- thige als marternde Oraufamfeit an ihm ausübten. Er warf fich nun unter einen Baum und ftarb, Unmerfung. Die meiften der auf dies Thier abgefchoßnen Kugeln waren nicht durch die Hauf ges drungen, und nur wenige haften ihm tödtlihe Wunden beygebrache. Profeſſor Sparrmann fagt in feiner Reiſe, daß geübte Elephantenjäger ihm verfichert haben, eine einzige Kugel fey hinlänglich, einen Elephanten zu tödten. Dann aber müßte, erftlih, die Büchfe fo groß feyn, daß fie eine Kugel von x, 4, wenigſtens Pfund holländifchen Gewichts fhieffen koͤnnte. Dem- nächft müßte eine ſolche Büchfe fo gut geſchaͤftet feyn, daß fie den Schuß aushalten koͤnnte; und endlich müßte die Kugel aus ein Drittheil Zinn und zwey Drit- theilen Bley beftehen; denn die bloße Bleyfugel thut größtentheils nur wenig oder gar feine Wirfung, und ift der Zufaß von Zinn gar zu ftarf, fo wird die Kugel fpröde, und zerfpringt, wenn fie auf Stellen trifft, wo Knochen find. Endlich muß man, wenn der Elephant auf den erſten Schuß fallen foll, ihn ins Herz, oder in der Mähe deffelben zu treffen fuchen, um eine von den großen Blutadern zu verlegen; da denn das Thier ſich bald zu Tode blutet. Erfahrung hat die Jaͤger am Kap gelehrt, nicht nach dem Kopfe zu ſchießen, da das Ger bien zu Flein ift, als daß man es mit Sicherheit treffen fönnte, und uͤberdem durch eine Dicke und harte Schale beſchuͤtzt wird. Ein fehr geuͤbter Elephantenjäger fagte Hrn. Sparrmann, daß man ficher feyn koͤnnte, das Herz zu treffen, wenn man genau auf diejenige Stelle des — — SIE des Körpers zielte, wo gemeiniglich beym Elephanten die Spige des Obrlappens hänge. Hr. Sparrmann glaubt indeffen, daß dies wohl nur von fehr großen und alten Elephanten gelten mag; wie denn vielleicht auc) die Afritanifchen Elephanten längere Ohren haben, als andre, Man halt ſonſt dafür, daß die Wunde toͤdtlich iſt, wenn man das Thier zwifchen Ohr und Auge trefs fen fann. Sparrmanns Reiſe. ©, 286-289, Der Elephant befißt eine Gelehrigfeit und Faf- fungsfraft, die ihn vor allen andern Thieren auszeich- net, Er fenne die Empfindungen der Dankbarkeit, und ift faft außer fih, wenn er feinen Führer verliere, fo wie er aͤußerſt niedergefchlagen ift, und ſich beynahe felbft umbringen mögte, wenn er in feiner Wuth denfel- ben’gemißhandele hat. Wenn man die Gattin des Ele: phanten von ihm entfernf, fo traͤgt Diefe Trennung mehr als alles, was man fonft thun koͤnnte, dazu bey, ihn biegfam zu machen, und ihn dahin zu bringen, daß er feine Stärke vergißt. In diefem Falle wird er nie ſei— ne Zuneigung einem andern Weibgen gönnen. kr In gewiffen Gegenden fängt man die Elephanten in tiefen ſchwach zugedeckten Gruben. Sieht nun die Murter, daß eins ihrer Jungen in eine ſolche Grube gefallen ift, fo ftürze fie aus Kummer und biebe fich felbft darin hinab, obfehon fie vorausfehen muß, daß fie da— durch ihre Freyheit, vielleicht auch das Leben einbüßen wird. In Gefahren verläßt fie ihre Jungen niemals, fordern vertheidiar fie, fonar mit Aufopferung ihres eig⸗ nen $ebens. Iſt der Elephant genöthigt, über einen Fluß zu fegen, fo nimmt er fein Junges auf dem Ruf fel, und trägt es auf diefe Arc an das andre Ufer. üble der 519 ‚ der junge Elephant fih) zum Schwimnten nicht ſtark gez nug, fo geht er zuerft ins Waſſer, ehe der Strom durch . ben ungeheuern Körper des alten Elephanten anfchwelle, and ihm dadurch das Schwimmen befchwerlicher macht. Wenn die Elephanten ein krankes oder verwunde⸗ tes Ihier ihrer Gattung antteffen, verfäumen fie nicht, ihm alle Hülfe zu leiften, die in ihren Kräften ſteht. Stirbt es, fo begraben fie es forgfältig, und bedecken es mit J—— Man richtet die Elephanten ab, den Koͤnigen ausgezeichnete Ehrenbezeigungen zu erwei⸗ ſen; ſobald ſie ſie ſehen, beugen ſie ihre Knie, und rich— ten ſich kurz nachher wieder auf. Die Koͤnige Indiens, bedienen ſich der Elephanten im Kriege, und niemand kann mit groͤßerm Eifer für fie ſtreiten, als dieſe Thie— re. Beynahe unglaublich iſt das, was man von dem Elephanten des Porus erzaͤhlt. Als dieſes Thier ſah, daß fein Herr durch eine Menge von Wunden ganz ent- fraftee war, kniete es langfam nieder, um ihn abzufe- gen, und zog mit feinem Ruͤſſel die Pfeile aus dem Körper deſſelben. Da aber der Elephant wahrnahm, daß fein Herr gar zu viel Blue verlor, nahm er ihn wies der auf den Rüden, und trug ihn ins $ager. Aeltan erzählt einen ähnlichen Fall von einem ins dianifchen Großen, der eine junge Elephantin hatte, die er mit der größten Sorgfalt erzog. Er riet inder Folge faft immer auf diefem Thiere, und gab ihm täglich) Be⸗ weife feines Wohlwollens, Der König, den man von der Lenkſamkeit und Faͤhigkeit deffelben benachrichtigte, forderte es ihm ab; aber der Indianer wollte ſich nicht von feinem Siebling rennen, und floh mit dem Elephan⸗ ten 513 ten ins Gebürge, Man verfolgte ihn auf Befehl des Fürften. Da der Indianer ſich auf dem Gipfel eines fteilen Selfens befand , fo trieb er eine Zeitlang den: An— grif der abgefchieften Soldaten zurück, und vertheidigee fih mit Steinen, worin der Elephant, der mit großer Genauigkeit werfen gelernt hatte, ihm treulich beyftand z endlich aber gelangten die Soldaten doch zu ihm hinauf. Nun gerierh der Elephant in eine vafende Wuth; er ſtuͤrzte fid) mitten unter fie, zertrat einige von ihnen, warf andre mit feinem Ruͤſſel zu Boden, und jagte die übrigen in die Flucht. Hierauf nahm er feinen verwun— beten Herrn auf dem Rüden, und brachte ihn an einer Ort hin, wo ſie in Sicherheit waren. Man muß dies Thier lange gereizt haben, wenn ſein Zorn in Wuth uͤbergeht, da es von Natur nicht grauſam iſt. Ein gewiſſer Fuͤrſt ließ einſt dreiſſig Ele— phanten auf eben ſo viele Menſchen hetzen, die das Un— gluͤck hatten, ihm zu misfallen. Aber obſchon man ſich alle Muͤhe gab, ſie in Zorn zu bringen, ſo wollten ſie ſich doch nicht zu Werkzeugen der Grauſamkeit des Fuͤrſten brauchen laſſen. Dies Thier zeigt Schonung gegen ſchwaͤchere, und gegen jeden Feind, der ihm nicht gewachſen iſt. Wenn es durch eine Heerde Schaafe geht, fo ſtoͤßt es fie mit feinem Ruͤſſel zur Seite, aus Furcht fie zu zertreten. Wenn fie unter fi) in Streit gerathen, befihädigen fie niemals die Zähne ihrer Gegner; gleich“ fam als ob fie fich nicht felbft ihrer NBaffen gegen andre Seinde berauben wollten. Ein Indianer, der eine alte Frau hatte, ward ih— rer überdrüffig, und födtere fi. Er verfcharrte fie in . dem Stalle, wo fein Elephant fand, und heyrathete ei- Kf ne 514 — ——— ne andre. Als der Elephant einige Tage nachher feine neue Hausmutter fah, nahm er fie auf feinem Ruͤſſel, und trug fie zur Grabftätte der Ermordesen bin. Hier geub der Elephant die Leiche aus, und unterrich- tete fie auf diefe Weife von der Graufamfeit ihres Mannes. Ddeer Elephant ift im häuslichen Seben vielen Krank⸗ heiten unterworfen, gegen welche die Indianer indeffen würffame Heilmittel wiffen und anwenden. Man fagt, daß dieſe Thiere ein Alter von zwey bisdrey hundert ah: ven erreichen Eönnen. Der Elephant foll, unter allen Thieren, am wenigften Beleidigungen ertragen Fönnen. Er fälle den Menſchen, der ihn bios verfpotter, miceben dem Zorne an, als er denjenigen angreift, der ihn ver- wundet hat; und hat er denn den Deleidiger einmal in feiner Gewalt, fo ducchbohre er ihn entweder mit feinen Zähnen, oder ſchleudert ihn mit dem Rüffel in die Luft, und zertriet ihn, wenn er wieder herunter ‚gefallen ift, Ueberhaupt fagt man, daß fie noch nach langer Zeit Ber leidigungen erinnern und rächen follen, *) 6. 1P%, Folgende Begebenheit, die der Naturforfcher Hr. Paſtor Goͤtze in Quedlinburg beſchrieben hat, ver— dient als ein merklicher Beweis von dem Gedaͤchtniß der Voͤgel und ihrer Anhaͤnglichkeit an den Men— ſchen, bemerkt zu werden. Hr. Goͤtze fand, wie er erzaͤhlt, ſpaͤt im Herbſte 1774, eines Morgens beym Auf⸗ MNeuer Schanplatz der Natur. B. ©. 575, — 515 Aufſtehn, ein Rothkehlchen in ſeinem Saal, das durch das ofne Fenſter herein gekommen war, und vermuthlic) die Mache in feines Nachbarn Stube zugebrache hatte, Es folgte Hrn. Goͤtze gleich in ein warmes Zimmer, und fras begierig das Futter was er ihm vorfeßte. Kaum war es fart, fo wollte es fich in den Taffen auf dem Theetifye baden. Hr. Goͤtze gab ihm daher Waſ— fer; es badete fih, und war den ganzen Winter hin— durch fehr munter. Als der Frühling eintrat, und Hr. Goͤtze die Winterzimmer verließ, wollte er das Roth— fehlchen wieder in Freiheit ſetzen; er ließ eg Daher in den Saal, wo alle Fenfter offen ftanden; aber es hatte Feine Luſt wegzufliehen. Endlich jagre Hr. Goͤtze es hinaus, und.es huͤpfte eine Zeitlang auf dem Hofe herum. Hr. Goͤtze gieng hierauf zu Tifche, und da er hernad) wie— der in den Saal Fam, fand er, zu feiner Verwunderung, das Rothkehlchen abermals in demfelben, Es that ihm leid, daß er es wegjagen mußte, worauf es wiederum fih im Hofe aufhiele, aber fehr bald wieder ins Haus, fam, Nun wurde das gute Rochkehlchen zum driften mal weggejage, da es denn über den Garten hin⸗ flog, und Hr. BEL es den folgenden Tag nicht wier der fah. Zu Anfange des Herbftes, um die Zeit, wo diefe gefellfchaftlichen Thiere fi) gewoͤhnlich einfinden, fagte man. Hrn. Goͤtze, Daß fich des Abends ein Vogel vor feinem Haufe aufhielte, und gegen die Fenſter flögez aber er bekuͤmmerte fi nicht weiter darum. Nun ges ſchah es eines Abends, da man etwas aus dem Keller holen wollte, daß ein Vogel dem Fichte nach, und in den Keller flog, mo er fich willig fangen ließ; man brachte RE ihn I 516 nn) ihn Hrn. Goͤtze, und er fah, daß es ein Rothkehl⸗ chen war. Als er ihn losließ, war es ihm auffallend, daß der Vogel, nachdem er eine Weile in der Stube herumgeflogen, fi) gerade an dem Orte niederließ, wo der vorige des Winters zu fißen pflegte, Dies hätte Zus fait feyn koͤnnen; aber den folgenden Tag wırde Hr, Goͤtze auf die Handlungen des Vogels aufmerkſamer. Sobald derfelbe erwachte, gieng er gleich dahin, wo der Effentrog des vorigen geftanden hatte; und man brachte ihm nun eben denfelben. Die Fran des Hrn. Goͤtze, die ſich oft das Vergnügen gemacht hatte, das vorige Rothkehlchen auf ihrer Hand effen zu laflen, näherte ſich dem Vogel, und hielt den Eßnapf in die Höhe; da er ſich denn gleich auf felbigen feßte, und ohne Furcht aß. Nachdem er gegeffen hatte, wurde die Badetaſſe an ih— ven vorigen Ort geſetzt, und Faum ftand fie da, fo war auch ſchon der Vogel drinnen, Uebrigens war fein Be— fragen an jedem Orte; dem des vorigen Vogels vollfoms men ähnlich. Hr. Goͤtze harte, infonderheit des Fruͤh⸗ jahrs, um die Zeit wenn die Vögel ziehen, den vorigen "bey Licht durch den Saal in eine dunfle Kammer führen müffen, weil er fonft den ganzen Abend unruhig war, und in der Stube herum flog. Des Morgens pflegte Hr. Goͤtze gleich nach) dem Aufftehen, die Stuben - und Kammerthüren zu öfnen, um den Vogel wieder heraus zu laffen, welcher alsdann in einer Fahrt aus der Kam— mer in die Stube, und nad) feinem Eßnapf flog, ohne fih in dem zwifchentiegenden Saale aufzuhalten. Als e3 Abend wurde, machte Hr. Goͤtze mir feinem neuen Gafte denſelben Verſuch; diefer folgte dem Fichte willig, und da die Thuͤren des andern Morgens geöfnet wurden, nahm er eben den Weg wie der vorige, Und foldherges ſtalt *8 5:7 ſtalt nahm diefes Rothkehlchen noch verfihiebne andre Handlungen vor, die mit dem Betragen des vorigen: fo große Mebereinftimmung hatten, daß Hr. Cöße niche anders fehlieffen Fonnte, als daß es eben derfelbe Vogel fey, welcher dankbar zu feinem vorigen Wirthe zurücges kehrt wäre, Deym Eintritt des Frühjahrs mufte das Roth-⸗ Fehlchen wieder von dannen ziehen, Es fihmerjte Hrn. Goͤtze innerlich, da er fah, wie ungern der Vogel fein Winferquartier verlaffen wollte. Laͤnger als einen hal: ben Tag hielt er fich in der Nähe des Haufes auf, ſah nach den Fenſtern hinauf, Büpfte nahe bey Hrn. Goͤtze und feiner Frau im Garten herum, folgte ihnen von ei- nem Zweige zum andern, und flatterte endlich, da er nicht bleiben durfte, traurig über den Garten weg. Ich kann, ſagt Hr. Göße, nicht befchreiben, mit welchen Empfindungen über die Treue diefes Thieres ichden Gar: zen verließ. Da der Seh anbrach, fah Hr: Goͤtze um ſo auf⸗ merffamer der Anfunfe des Fleinen Wanderers entgegen, : and wie fehr wunderte er fich nicht, als er ihn eines ‚Abends wieder im Haufe fand. Das Nothfehlchen folgte gleich dem. Sichte nach in Hrn. Goͤtzes Zimmer, und überzeugte durch die Wiederholung aller feiner voris gen Handlungen, ihn und alfe feine Freunde, die eine folche Treue bewunderten, daß es eben derfelbe Vogel ſey, der wieder gefommen wäre.‘ Im Frühjahr 1776 Teste Hr, Goͤtze ihn abermals in Freyheit, und harte Grund zu Rat 2 x er im Herbſte ſich wies 518 — wieder einſtellen wuͤrde, wenn kein ungluͤcklicher Zufall ihn’daran hinderte. *) $. 118. Unter dem Titel: der Ameiſenkrieg, bat ein DVerfaffer, der fich blos mit den Buchftaben M = =: nennt, folgende “Beobachtung über die Thaͤtigkeit diefer fleinen Thiere geliefere. In meinem Garten, fagt er, hatten die Ameiſen zwo Stellen in Befiß genommen, wovon die eine ihnen zur Wohnung, und die andre zum Vorrathshauſe diente Beyde Stellen hatten, mittelft eines langen Weges, Verbindung mit einander, welches ich bey allen Ameifenwohnungen, die mir nod) zu Ge— ſichte gekommen ſind, bemerkt habe. Da ich neugierig war, zu erfahren, wie Ameiſen don verfchiednen Gattungen fich mit einander vertragen wuͤrden, fo nahm ic) eine Schachtel: voll Ameifen aus einem andern Garten, und machte zwey &öcher in mei- nem eignen, worin ic) diefe neue Kolonie feßte, derge— ftale, daß diefe Ameifen, um ihre Verbindung mit ein- ander fortzufeßen, genöthiget waren, den breiten Weg zu pafjiven, der. meinen alten Ameifen gehörte. Die neuen Ameifen waren-gelb, und daher leicht von den als ten zu unterfchetden, welche ſchwarz waren. Die Gelben fehienen gleich bey ihrer Ankunft be- ftürze zu feyn, und die Unruhe unter ihnen war allge- mein. Sie liefen und bewegten ſich von einer Seite zur Bader ohne ſich weiter als zwey bis drey Fuß von dem Wohns * Neue — Manniafaltigfeiten, 3. Jahrg. ©. 1951 200, 519 Wohnplage zu entfernen, den ich ihnen angemiefen hat- te. Einige ftiegen auf fleine Steine, oder auf die Spitzen des Grafes, gleichfam als ob fie die andern er- warteten, welche die Gegend auszufpähen fchienen. Die fehwarzen Ameifen, die ihnen begegneten, flohen in größter Eil, und brachten in ihree Wohnung und in ih— rem Magazin alles in Aufruhr, Noch hatte ich nie be— merkt, daß fie aufihrem breiten Wege in ihre Wohnung zurücfgefehre waren; fie hatten fih immer bald rechts, bald linfs begeben, um zu fouragiren, und waren nie zurück gekommen, ohne erft ihr Vorrathshaus befuche zu haben. Mach der Anfunfe der. gelben Ameifen war Dies ganz anders. Die ſchwarzen Ameifen kehrten ſchnell auf demfelben Wege zuruͤck, Tieffen ſich bald nachher wieder darauf fehen, und haften eine Bedeckung bey fich, wobey es fihien, als ob fie aus Furcht ſich fehr vorſichtig zuruͤckzoͤgen. Den folgenden Tag hatten meine neuen Koloniſten ſich an dem Orte niedergelaſſen, wo ich ſie hinſetzte, und der groͤßte Haufen ſchien ziemlich in Ordnung zu ſeyn. Sie hatten drey Oefnungen, wo ſie bequem aus und ein— gehen konnten, und arbeiteten wie gewoͤhnlich. Der kleinere Haufen hatte nur zwo Oefnungen an feiner Woh⸗ nung, und diefe waren gewiffermaaffen verdeckt. Auch hatte er. die Richtung feiner Wandrungen verändert, und gieng gerade nach Süden über ein Tulpenbeer; dahinge- gen der größere Haufen, auf der großen Straße der ſchwar⸗ zen Ameifen, gerade nach Often gieng. Beyde Ameifenvölfer begegneten fich zum. öftern- und dabey fielen zuweilen Eleine Scharmüßel vor, in ‚welchen die ſchwarzen faft immer denfürzern zogen; eini- k 4 ge 520 — ieraunen ge dieſer leztern, die auf dem Platze blieben, wurden vom Feinde weggeſchleppt. Gegen Mittag ſah ich eine große Menge gelber Ameiſen, die in guter Ordnung auf dem großen Wege vorwaͤrts giengen; ſie lieſſen ſich mit allen ſchwarzen, die ihnen begegneten, in Streit ein, und da der letztern immer mehr und mehr wurden, ſo ſchien alles eine große Schlacht anzukuͤndigen. Dringen- de Gefchäfte riefen mich ab, und ich Fonnte daher ihre Bewegungen den Nachmittag nicht beobachten. Schon fürchtere ich für meine alten Ameifen, und bereute es faft, daß ich durch meine Neugier ihnen fo viele Ungelegenhei- ten zugezogen hatte. Den Tag darauf begab ich mich fehr frühe wieder dahin; und wunderte mid) nicht wenig, da ich fah, daß alles ruhig und ftille war. Die ſchwarzen arbeiteten in ihrem Diftrife, wie gewöhnlich, und als ob Fein Feind Da gervefen wäre; aber ich entdeckte bald Spuren einer blutigen Schlacht, und merfte, daß fie die Ruhe, die fie genoffen, ihrer Tapferfrie zu verdanfen hätten. Ich zählte mehr als funfzig gelbe Ameifen, die auf dem Wahlplag geblieben waren, und wie fehr ich aud) fuchte, fand ich doch Feine ſchwarze Ameife unter ihnen. Dies wunderte mich ſehr, aber ich fand bald, daß die Ameifen die größte Sorgfalt für ihre Todten fragen, und da die fehwarzen von dem Wahlplage Meifter geblieben waren, fo hatten fie die ihrigen weagefchleppr. Da ich feine gelbe Ameifen am $eben fand, gieng ih zu ihrer Wohnung bin, und glaubte ganz gewiß, daß fie fich alle wegbegeben hätten, da ic) fah, daß die ſchwarzen fich ihrer Arbeit bemächtige hatten, und fei- ne einzige gelbe Ameife zu ſehen war. Unterdeſſen nah: | 0 men 521 men die ſchwarzen Ameifen allerfey Bewegungen vor, indem fie ftets von einer Wohnung zur andern giengen, und zwo oder drey derfelben, bey jeder von den dreyen Defnungen beftändig Wache hielten. Ich ſchloß daraus, daß die feindliche Nation noch nicht gänzlich verrilge fey, und daß man vielleicht von beyden Seiten ſich zu einer neuen Schlacht rüfte. Indem ich mich nach allen Seiten umſah, erblick— fe ich zwo oder drey gelbe Ameifen, Die ic) hieraufnäher beobachtete, und die mic) zu dem Hauptlager des geflüch- teten Haufens führten, welches in einer, für ihn vor- theilhaften, Fleinen Höhle lag. Auf einer Fleinen Er- böhung oben über diefer Höhle, ſah ich einen Fleinen Trupp ſchwarzer Ameifen, die damit befchäftige waren, alle gelben zu toͤdten, die fie erhafchen Eonnten, und in dem Augenblick, da ich fie entdeckte, mitgroßer Erbitt— rung mordeten. „Mittlerweile ſah ich gelbe Flüchtlinge von allen Seiten herbeyfommen, deren einige von den ſchwarzen gefangen wurden, der arößte Theil aber feinen Haufen gluͤcklich erreichte, | In dieſer Verfaſſung blieben bie Ameifen auf bey: den Geiten den ganzen Tag über. Den folgenden Tag fielen verfchiedene Echarmüßel vor. Die fehwarzen fub- ren immer fort, den Weg zu bewachen; indefjen ver- mehrte ſich die Anzahl der. gelben zufehends. Diefe hat- ten fich eine neue Wohnung gebauf, und eine Stelle ein- gerichtet, wo fie alleihre Todten hinfchaften, die fie hab- haft werden fonnten, Es ift unglaublich, welcher Mübe und Gefahr fie ſich ausfegten, um diefe Abſicht zu errei⸗ heit. Eine Ameife folgte dev andern, und es war fei- ne Lift, deren fie ſich, wie es ſchien, nicht bedient haͤt⸗ zur, Res ten, 528 mn ten, um ihr Vorhaben auszuführen. Viele verloren ben dieſer Gelegenheit das Leben. Es, war mir merfwürdig, daß diefe Ameifen, wenn fie einen todten Feind wegbradhten, ihn längft der Erde Hinfihleiften, da fie hingegen ihre Freunde aufden Ruͤcken foretrugen. Auf diefe Art brachten die gelben faft alle ihre Todten nad) ihrem neuen Zufluchtsore bin. Die ſchwarzen Ameifen ſchleppten aud) einige ihrer Tod- ten weg, und ein Theil derfelben war mit diefer Arbeit ſo beſchaͤftigt, daß es faft unmöglich war, fie da— von abzuhalten, obfchon man fie in ihrem —— ſtoͤrte. Der geſchlagne Haufe verhielt ſich zween Tage . ſehr ruhig, und man ſah nur eine, hoͤchſtens zwey, bey dem Eingange ihrer Wohnung Wache halten. Dieſer Eingang war unter einem kleinen flachen Stein, welcher ihn gänzlich verbarg, und das Eindringen jeder Feuch— ‚tigfeit verhinderte. Noch befand fid) hinter dem erften Eingange eine andre heimliche Thür, die ebenfalls durch einen Stein bedeckt war. Eine Fleine Anzahl ſchwarzer Ameiſen wagte ſich oben auf die Wohnung der gelben; ‚aber dieſe thaten keinen Ausfall, und wenn zufälliger- weife einer von ihnen, Diefer ‚oder jener Urfache wegen, ihren Zufluchtsore verlaffen mußte, fo gieng er immer den fhwarzen aus dem Wege. Ich beobachtete infonder: heit eine ſchwarze Ameife, die länger als eine Viertel ftunde allein um: diefe Arbeit herumgieng. Sie ſchien befonders auf die Bedeckung der verborgnen Defnung auf⸗ merffam zu ſeyn; fie Froch an den Stein hinauf, der fie bedeckte; und obſchon diefer Stein nicht mehr als einen halben Zoll im Umfang hatte, fo ftand doch die Ameife zwo 523 zwo bis drey Minuten oben auf demfelben, und unter- fuchte ihn eine ganze Stunde forgfältig von allen Seiten. Eine ſehr lange Zeit fuͤr ein Geſchoͤpf, das nicht gewohnt iſt, einen einzigen Augenblick ſeiner beftändigen FUN keit Einhalt zu thun. Unterdeffen hatten die gelben Urnelien eingh Meg gewählt, der von dem Wege der fihwarzen weit entferne ‚war; doch wagten fie fich nicht weit von ihrer Wohnung; fie waren fehr vorfichtig, wenn fie ausgiengen, und ka— men immer durch die eine Oefnung zuruͤck. Sie lebten fehr eingezogen, und ich glaube gewiß, daß acht oder zehn Tage nad) ihrer Niederlaffung an dieſem Orte ver- fteihen, ehe fie ein Mittel ausfindig machten, wieder zu ihren Kameraden zu gelangen. Indeſſen fand ich eie ne von ihnen auf dem großen Wege; aber fie Fehrte eilig in die Fleine Wohnung zuruͤck, doch Fam fie bald wieder hervor, und da fie immer denfelben Weg nahm, erveich- te fie endlich den Zufluchtsore ihrer Kameraden. Diele andre folgten ihr einzeln nah. Den Tag darauf war die Fleine Wohnung völlig leer, und fie waren nun alle beyſammen. Der ganze Haufen verhielt ſich einige Tage uͤber vollkommen ruhig, und ich wuͤrde geglaubt haben, daß ſie alle fortgezogen waͤren, wenn nicht die Wache ſich im⸗ mer an der Oefnung gezeigt hatte, Um mich deſto ges wiſſer zu überzeugen, machte ih Laͤrm in ihrer Woh— nung; und nun kamen fie fhaarenmweifehervor. Einige Tage nachher fah ic) Feine Schilöwache mehr; und als ich ihre Wohnung öfnete, fand ich, daß fie ſich wegbe- geben harten, ohne daß ich weiter von ihrem Schieffale etwas erfahren habe. Wahrſcheinlich find. fiein ihr Ba- ter⸗ 524 terland zurück gekehrt, wo ihr Stamm furchtbare Fe— ftungswerfe hatte; aber mie fie dies ins Werf gerichter haben, da ſich zwiſchen ihnen und ihrem urfprünglichen Aufenthaltsort, ein Garten und zwey Haͤuſer befanden, laͤßt fich nicht leicht ausmachen. *) w Anmerk. Go fehr auch der Landman und der Gärtner überhaupt den Ameifen gram find, weil man fie befhuldigt, daß fie den Seidenwürmern, Bienenftscken und Baumen großen Schaden zufügen, fo haben fie doch an Finnaus einen Vertheidiger gefunden, welcher glaubt, daß fie den Baumen weder nußen noch fehaden, und daß die Gärtner ihnen das zur Laſt legen, was eigentlich die Dlattläufe hun, da die Ameifen Hauptfächlich nur folche Bäume befuhen, die Feine Frucht haben. Diefe Be— merfung wird von andern Naturforfchern beftätigt, Die gleichfalls beobachtet haben, daß die Zweige von den Baͤumen, auf welchen man gewoͤhnlich Ameiſen findet, voll von Blattlaͤuſen ſind. Wenn dieſe Blaͤtter und Zweige verdorben haben, begnuͤgen die Ameiſen ſich an dem Saft der auf dieſe Art beſchaͤdigten Theile des Baums, oder an dem, welchen bie Blattlaͤuſe — von ſich geben. Hat es mit dieſen Bi feine Richtigkeit, wie man Urfache hat zu glauben, fo verdienen die Amei— “fen niche mie folcher Härte verfolge zu werden, mie von einigen gefchieht, da fie uͤberdem verfchiedne unlaugbare | Vortheile verſchafſen. Sie vermindern die Larven, die Allerneueſte Hanifaigteien. 3. Jahrg. S. 139 5.144, — — 525 die ſie von den Gewaͤchſen herab zu ziehen pflegen, und todtbeiſſen. Sie ſind eins der beſten Mittel gegen den Kornwurm, den man ſehr bald vertilgen kann, wenn man eine Anzahl Ameiſen auf den Kornboden ſetzt, die ihn uͤberall aufſuchen und toͤdten. Ihre Puppen, oder was man unrichtig ihre Eyer nennt, ſind die beſte Speiſe fuͤr junge Faſanen, Nachtigallen und andre Voͤgel. Auch bereitet man aus den Ameiſenhaufen mit den darin be— findlichen Ameiſen ein Bad, das von vielen fuͤr ein ner— venſtaͤrkendes Mittel gehalten wird; und ſo lieſſen ſich mehrere Faͤlle angeben, wo die Ameiſen von Nutzen find. Neuer Schauplatz der Natur. 1. B. ©, 250 = 251, S.:.. 720% Unter ver Regierung des Königs Karls des fünfe ten in Frankreich, ward ein gewiffer Aubry von Monte Didier, der allein mit feinem Hunde durch den Wald von Bondy gieng, gefödfet und unter einem Baum eingefcharrt. Der Hund blieb verſchiedne Tage bey ver Grube ſtehen, und verließ fie nicht eher, als bis der Hunger ihn dazu noͤthigte. Nun fam er nad) Paris, zu einem vertrauten Freunde des Aubry, und fihien ihm durch fein trauriges Heulen anzufündigen, welchen Verluft er erlitten haͤtte. Nachdem ergefteffen, fieng er fein Gefchren von neuem an, lief nach der Thür, und fah fih um, ob man ihm nicht folgen wolle, Da dieg nicht gefchah ‚ Tief'er zu dem Freunde feines Herrn zurüd,, ‚und zog ihn beym Rod, um ihm gleichfam zu bedeuten, daß er mit ihm gehen mögte. Diefeltfame Aufführung des Hundes erregte Aufmerkſamkeit; feine Ankunft ohne feinen Herrn, den er fonft niemals verließ, erregte Bere dacht; 526 —— dacht; und man entſchloß ſich daher endlich, ihm zu fol- gen. Sobald er an dem Fuß des Baumes angelangt war, wo fein ermordeter Herr lag, fieng er an zu heu- fen, und fragte in die Erde; man grub nach), und fand den Körper des unglücklichen Aubry. Einige Zeit nad)- her ward der Hund von Ungefähr den Mörder gemahr, den alle Gefhichtfihreiber den Ritter Macaire nennen. Er faßte ihn in die Gurgel, und man hatte Mühe ihn von ihm los zu reiſſen. Jedesmal, wenn er ihm be= gegnete, fiel er ihn mit gleicher Wuth an. Man wurde nun auf die Erbittrung des Hundes gegen diefen Men— fhen aufmerffam. Man erinnerte fich der Zuneigung, die er feinen Herrn bewiefen, und zu gleicher Zeit der verſchiednen Gelegenheiten, bey welchen der Ritter Ma= caive Proben feines Haffes und Meides gegen Aubry abgelegt hatte. Kinige andre Umftände vermehrten den Verdacht. Der König, von diefem allen unterrichtet, ließ den Hund zu ſich bringen, und dieſer war bis auf den Augenblick rubig, da er den Macaire mitten unter ungefähr zwanzig andern Hofleuten erblickte; dann bellte er, und fuchte dem Ritter beyzufommen. in den da= maligen Zeiten, verordnete man, wenn die Beweiſe des Verbrechens nicht entfcheidend waren, den Zweykampf zroifchen dem Anfläger und dem Angeflageen. Man nannte diefe Zweykaͤmpfe Gottes Urtheile Ordalien), weil man fich überzeugt hielt, daß der Himmel ehe ein Wunder thun, als die Unfchuld unteriiegen laffen wuͤr⸗ de; Der König, durch fo viele merfmürdige Anzeigen, die fich gegen Macaire vereinigten, bewogen , befahl, daß der Ritter mit dem Hunde kaͤmpfen follte. Zum Kampfplas ward die Inſel Notre Dame beſtimmt, die damals noch wuͤſte und unbewohnt war. Macaire hat⸗ Ä ü 527 hatte zu ſeiner Vertheidigung einen großen Pruͤgel, und der Hund eine Tonne ohne Boden, woraus er ſeinen Angrif thun, und worin er Schutz ſuchen konnte. Man ließ den Hund los, und augenblicklich drehte er ſich um ſeinen Feind herum, wich ſeinen Schlaͤgen aus, und drohte ihm bald auf der einen, bald auf der andern Sei— te, bis er Öelegenheit fand, ihn zu faffen. Nun pad te er ihn bey der Gurgel, warf ihn zu Boden, und Macaire mußte in Gegenwart des Königs und des gan⸗ zen Hofes, fein Verbrechen befennen. Das Andenfen diefes Hundes ift «übrigens durch ein Monument auf die Nachwelt gebracht, das noch itzt über dem. Kamine in dem großen Eaale des Schloſſes Montargis zu fehen feyn ſoll. ) $. 120, Im Jahr 1718. war ein Papierhändfer von Mar- feilfe nad) Toulon gegangen, um Papier einzufaufen, und ward auf feiner Ruͤckreiſe, in dem Walde bey Eognigu, der zwifchen diefen beyden Städten liegt, er« mordet. Sein Gohn und feine Witwe gaben, riach vielen fehlgefchlagnen Verſuchen, alle Hofnung auf, den Mörder zu entdecken. Indeſſen geſchah es eines Tages, daß der Sohn auf ein Ballhaus fanı, wo verfchiedne Perſonen verfammelt waren; er hatte den Hund feines verftorbnen Vaters mit fih, und diefer fiel mir wuͤthen⸗ dem Grimm einen der Gegenmärfigen an. ‘Die andern | Er | Pen lie⸗ Guer Hiſtoire Critique. Tom. IT. p. 104. — Dictio- naire d’ Anecdotes, Paris. 1767, unterm Artikel > In- ftinet des Animaux. | 52$ —— liefen herbey, den Angegriffnen zu retten; man ſchlug den Hund; man wollte ihn von dem Menſchen wegreiſ— fen, es war aber, als wäre er fühllos bey allem, was man mit ihm vornahm. Endlich ließ er fich von feinem Herrn befänftigen; es dauerte aber nicht fange, fo fiel er mit verdoppeltem Grimme aufs neue feinen Feind an; und fein Herr mußte abermals füchen, ihn zur Ruhe zu bringen. Ein Kaufmann, der bey diefem Auftritt zugegen war, fragte darauf den Cohn des Papierhänd- lers, ob fein Vater diefen Hund auf der unglücklichen Reiſe, die ihm das Leben Foftere, bey fich gehabt habe, Der Sohn antwortete ja, und fegte hinzu, daß der Hund zu Haufe gefommen wäre, ehe man von dem ge- waltfamen Tode des Vaters etwas wußte. . Während diefer geheimen Unterredung hielt der Sohn den Hund am Hatsbande feft, aber diefer hatte feine Augen un- verwandt auf feinen Feind gerichtet, und. fuchte ihm beyzufonmen. Nun bar der Kaufmann feinen Freund, mit ihm zu gehen, und da das Derragen des Hundes fie an die Sache zwifchen Macaire und Aubry erinner- te, es aud) ſchien, als ob diefe Fälle Aehnlichkeit mit einander hätten, fo giengen fie zu einem Kommiffair, dem fie die Geſchichte erzählten, worauf er fie nad) dem Balldaufe begleitete. Der Hund erfannte fogleid) fei- nen Feind unter dem ganzen Haufen der Zufchauer, und griff ihn. von neuem an. Dies bewog den Kommiffair, diefen verdachtigen Menfchen in Berhaft zu nehmen; und noch ehe er ins Gefängniß Fam, geftand er feine Be 9 | Mar *) * von Ahndungen der Thiere. Leipzig 1783. 8. ©, — arena. 529 $: 21. Pyrrhus, König von Epirus, traf einmal auf der Reife einen Hund an, der bey dem todten Kör: per feines Herrn lag, und ihn mit vieler Sorgfalt bes wacte. Er harte fehon drey Tage Hunger und Durft ausgeftanden. Pyrrhus ließ den Körper eingraben, und dem Hunde zu freffen geben, der dagegen eine Zuneis gung zu dem Könige faßte. Kurz nachher wurde der Hund bey einer Mufterung die Mörder feines Herrn ges wahr; und fo fromm und fanft er aud) fonft war, ges rieth er doch bey dieſem Anblick in eine ſolche Wuth, daß es nicht möglich war, ihn zu halten. Er lief von dem Monarchen zu den Mördern, und von den Mördern zu dem Monarchen, und hörte nicht auf, fie mitten unter den übrigen Soldaten zu verfolgen. Der König ließ fie in Verhaft nehmen; und fie geftanden das Verbre— hen ,. deffen fie der Hund gleichfam angeklagt hatte. $. 122, In Athen hatte ein Kirchenräuber ficd) in den Tem: yel des Aeſtulaps gefchlichen. Er raubte einige Koſt— barfeiten, und fand Gelegenheit zu enffommen, ohne entdecke zu werden. Ein Hund, der Capparos hieß; und den. Tempef bewachen follte, lärmte und bellte aus Seibesfräften, da aber feiner der Bedienten des Tem— pels herbey fam, folgte er dem Räuber nad); und ob» gleich diefer mit Steinen nad) ihm warf, hörte er doch nicht auf, ihn zu verfolgen. Des Tages biele fich der Hund zwar in größerer Entfernung von ihm; aber er ließ ihn doch nie aus den Augen. Warf der Räuber ihm Brod vor, fo fraß er es nicht; wenn jener fich 21 des 30 ' name des Nachts zur Ruhe legte, fo blieb der Hund in der Naͤhe; wenn er des Morgens fid) wieder auf den Weg begab, begleitete ihn der Hund. Begegnete er andern Leuten auf dem Wege, fo war er freundlid) gegen fie, ten Räuber aber bellte er an. Als man im Tempel den Raub entdeckte, feßte man dem Diebe nach. Die Yusgefandten,, die untermeges von dem Betragen des Hundes hörten, fragten von welcher Größe und Farbe er ſey, und Diefe Nachrichten ermunterten fie, deſto ei- friger den Flüchtenden zu verfolgen. Sie erreichten ihn in der Stadt Crommyon, und brachten ihn von da nad) Athen. Der Hund lief auf dem Rücwege voller Sreude vor ihnen her. Die Arhenienfer uncerfuchten die Wahrheit dieſer Begebenheit, Tießen darauf ven Hund, fo lange er lebte, auf öffentliche Koften unters. halten, und frugen c3 den Prieftern des Tempels auf, für feine Pflege zu forgen, wozu ein beſtimmtes Maas Getrayde angewiefen wurde, *) | %. 12%. | Eine bolognefer Hindin, der man die Nacht Ne eine Art Kleidung angab, erwachte gemeiniglich des Morgens zuerft, und fchlich aus dem Haufe ihres Herrn zu einem andern, wo fie einen Hund von derfelben Gat: tung befuchte. Sie bemühte ſich daher, durch verſchied⸗ ‚ne Schmeicheleyen, einen oder den andern der Leute des Haufes zu vermögen, fie ihrer Nachtkleidung zu entles digen; einmal aber, als Feiner ihr hierin behuͤlflich feyn wollte, brachte fie es, durch allerley Wendungen, Da: bin ſich zu entkleiden und gieng darauf nad) Ge⸗ r wohn: Ü "2 ‚Plutarchus de folestia en — —— 531 wohnheit aus. Mittags und Abends kam fie wieder nach Haufe. Zuweilen traf es fin, Daß das Haus, welches fie beſuchte, nicht offen war; dann aber gieng ſie gerade gegen uͤber, und bellte ſo lange, bis ſie ein⸗ gelaſſen wurde. Indeſſen wurde man dieſes Bellens uͤberdruͤſſig; man machte daher nicht allein die Thuͤre zu, ſondern man warf auch Steine aus den Fenſtern, um den Hund fortzujagen. Nun ſchmiegte er ſich ſo dicht unter der Thür an, daß Die Steine ihn nicht treffen fonnten; man ergriff daher das Mittel, ihn wegzupeitz fen, und wiederholte diefes, fo oft er wieder Fam. Einige Zeit darauf gieng dies Thier wieder nad; dem Haufe, und wartete, ohne zu beilen, bis die Thür ger öfner wurde; aber man jagte es wiederum weg, und eg ließ fih eine Zeitlang nicht wieder fehen. Endlich wag⸗ te es fi) abermals hin, und bellte nicht allein aus allen’ . Kräften, fondern hielt ſich an einer Stelle auf, wo vie Leute des Haufes es weder mit feinen treffen, noch fonft ihm beyfommen Fonnten. Nun ließ man den Hund. zwar zumeilen ein, er mußte aber doch allerley ausſtehen, und dieſes waͤhrte beynabe ein ganzes Fahr. Einmal, da der Bund, wie gewöhnlich, ſtand und beff- te, fah er, daß ein Junge an die Thür gieng, und mie dem Hammer anflopfte, worauf denn die Thür aufe gemacht wurde. Mun hielt der Hund ſich ruhig, bis er ſah, daß niemand an den Fenftern war, der ihn be- merken Fonnte, fehlich fich Darauf längs dem Haufe nach der Thuͤr, ſprang einigemal in die Hoͤhe nach dem Ham⸗ mer, bis es ihm endlich gelang, ihn in Bewegung zu ſetzen, daß er klopfte. Man fragte im Hauſe, wer da klopfe, und als nicht geantwortet wurde, machte man auf; worauf der Hund hinein lief. Dieſen Streich — 2 wie⸗ 532 — — wiederholte er nachher oft; man bewunderte die Schlauig⸗ keit des Thieres, und verſtattete ihm itzt freyen Zutritt, *) §. 124. Rorarius beruft fich auf den Bifchof von Trieft, Petrus Banonius, als einen damals lebenden glaub: würdigen Zeugen von der Wahrheit der folgenden Bege⸗ benbeit.**) Ein alter Reifender, der aus Bethlehem in Judaͤa nach Nürnberg kam, wurde dem Kayfer Mari: milian vorgeftelle, welcher Gm sehn Dukaten reichen ließ. Nun nahm der Berhlehemit einen deutfchen Sol⸗ daten zur Gefellfchaft mit fih; diefer aber, von dem. Golde verfucht, ſah ſeine Gelegenheit ab, und brachte den Bethlehemiten im Walde bey Pürnberg um, wo er ihn verſcharrte. Der Kayſer, der nicht wußte, daß der Fremde fort war, fragte nad) ihm, und da er nichts weiter von ihm erfuhr, als daß er ſchon vor langer Zeit abgereift fen, fehöpfte er Verdacht, und befahl einen Gerichtsbedienten, von dem Fremden Nachricht zu ſchaf⸗ fen, oder feiner Ungnade und Strafe gewärtig zu feyn. Als diefer num in der ganzen Gegend herum fuchte, Fehr: te er zufälligerweife in eine Schenfe ein, mo gerade der Mörder damals ſaß, und ſich bey Wein, Käfe und Brod gütlich that; und der Hund des Ermordeten, der feinen Herrn aus Eyrien bis in Deutfchland begleitet hatte, faß neben ihm, Nun geſchah es, daß der Moͤr—⸗ der, wie es damals Sitte war, dem Gerichesbebdienten #) Creilinus in principiis Philofephiae Leibnitzü. p. 18 “20, N E **) Edit. Ribow. p. 94-108: | 533 ein Glas Wein bot. Diefer, vermuchlich aͤrgerlich, daß er nicht auf die Spur des Mörbers kommen Eonnte, antwortere verdrießlich: Was! mwillft du mir zuerinfen ? Und Faum hatte er Dies gefage, fo fprang ber Hund dem Mörder gerade ins Geſicht. | Der Gerichisbediente, dem es auffiel, daß der Hund fo unmiteelbar auf feine harte Anrede den Mann angeiff, der ihm Brod gab, ſprach: Du haft ganz ge- wiß den DBerhlehemiten umgebracht; und der Mörder wurde fb verwirrt, daß er fein Verbrechen bekannte. Wie er an den Dre geführt wurde, wo die Mordthat geſchehen war, lief der Hund voran, und entdeckte ei« nen Zipfet von dem Mantel feines erfihlagenen Herrn. Er begfeitere aud) den Mifferhäter zum Nichtplage, und als er enthaupfet war, bezeigte der Hund dem Scharf: richter viele Freundlichkeit, gieng mit ihm nach Haufe, und blieb — beſtaͤndig bey ihm. §. 125, Eine andre merkwuͤrdige Begebenheit erzaͤhlt Ro⸗ rariug *) von einem Eefretair, Namens Joh. Maurus Archanus, der fein fehr guter Freund, und ein großer Liebhaber der Jagd war. inft, als er fehr hitzig ei- nen Hirſch verfolgte, und außer feinem Hunde niemand bey fih harte, fiel er in einen tiefen Graben. Der Hund eilte nach Haufe, heulte und gebärdere fich übel, lief hin und zuruͤck, als wollte er die Leute des Haufes überreden, mit ihm zu geben. Dies gefihab endlich; [3 und *”) Pag. 102-105. 534 und nun fuͤhrte er fie gerade nach dem Graben, da fe denn feinen — herauszogen. 126. Ein Kaufmann machte einmal eine Reiſe zu Pfſer—⸗ de, und fein Pudel lief neben her. Die Abfiche der Reiſe war, eine beträchiliche Summe Öeldes einzufor- dein, Die er zu gute hatte, der Kaufmann empfieng das Geld und ritt vergnüge nach Haufe. Unterweges fiet das Felleiſen, werin ev das Geld hatte, vom Pier: de, und der Kaufmann merfte es nicht; der Hund aber ſeh es; und da er den Sad nicht mit fic) forefchleppen £onnte, lief er feinem Herrn nah, fprang ans Pferd hinauf, und bellte fo ftarf und anhaltend, daß der Kauf- mahn nicht wußte, was er davon denken follte, Er befahl ihm zu ſchweigen, und gab ihm einen Schlag mit der Peitſche, aber alles vergebens, Der Hund fuhr fore zu bellen, zu heulen und an das Pferd hinauf zu fpringen, als ob er feinen Herrn herunter reiffen woll- te; und als diefer ihn mie der Peitſche fehlug, fiel er das Pferd mie Bellen und Beiffen an, als wenn er «8 zum Stehen bringen wollte. Der Ranfinähn erfchrack, und glaubte, der Hünd wäre würhend geworden. Er liebte den Hund, und es ſchmerzte ihn, daß er fich in "die Nothwendigkeit geſetzt ſah, ihn umzubringen. Lan— ge verſuchte er, ihn durch Zureden zu beſaͤnftigen; da aber nichts helfen wollte, ergriff er ein Piſtol, zielte auf den Hund, und druͤckte mit weggewandtem Gefichte 103. . Der gute Pudel ſtuͤrzte, Fam aber wieder zu fich ſelber, und kroch ängfttich winfelnd um feinen Sertr. Diefer Fonnte den Anblick nicht ertragen, ‚gab dem de — — 4 de die Sporen, und jagte davon. Baold nachher konn⸗ te er. doc) nicht unterlaſſen, zuruͤck zu ſehen, ob das ar- me Thier noch lebte, aber indem er fic) auf dem Pferde ummandte, fah er, daß er fein Felleifen verloren hatte. Nun fiel es ihm gleich ein, daß diefes Felleiſen die Ur- fache von dem fonverbaren Betragen des Hundes gewes fen feyn mögte; und mehr berrübt um feinen Jund, als beforge um fein Geld, vite er in vollem Galopp nach der Stelle zurück, wo er den Hund erfchoffen harte. Diefer war nicht mehr da; indem aber der Kaufmann feiner blutigen Spur fülgfe, fand er diefes arme gerreue Thier bey dem Felleifen liegend, wohin er, von feinem Herrn verwundet und verlaffen, gekrochen war. Der Kaufmann ſprang vom Pferde, um zu ſehen, ob ſein Hund noch gerettet werden fünzte; aber —-ber ſter— bende Hund leckte freundlich feine Hand, und flarb, *) er Dr. Beattie, einer von Englands ist Tebenden beruͤhmten Philofophen , erzähle in einer feiner Schrif- ten folgende Geſchichte von einem Hunde, welche die Glaubwindigfeit der nach Rorarius angeführten Be— gebenheit mit dem Archan außer alten Zweifel fegt, Ei- ner der Freunde des Philofophen gieng an einem Wins tertage mis feinem Hunde auf die Jagd. Sie mußten über einen Strom, ver gefroren war, aber mitfen auf demſelben brach das Eis, und der Säger fiel ins Waf- fer. Zum Gluͤck hatte er feine Flinte queer vor den Leib | !i4 gehal- * Reine Kinderbibliothek, Herausgegeben von Cam: pe. 2.8. Hamb. 1779. ©, 36:39. — U gehalten, und da Diefe über die Defnung lag, und an beyden Seiten auf dem Eife ruhte, hatte er an ihr eis ne Stüße, woran er eine. Zeitlang ſich halten Eonnte, Aus dem Waſſer Fonnte er aber nicht kommen; weil er bey der geringften Bewegung befürdyten mufite, das Eis [08 zu arbeiten, da er denn ohne Rettung verloren gewefen wäre. Der Hund, der die Noth feines Herrn fah, verfuchte mancherley Künfte, um ihn zu retten, ‚aber vergebens. ° Nun lief der Hund fporenftreichs nach dem nächften Dorfe, machte allen, die ihm begegneten, vielerlen Liebkoſungen, und fehien ihnen erwas fagen zu wollen; und als fie ihn nicht verftanden, faßte er fie beym Node und zog fie nad) der Gegend bin, wo fein. Herr war, Einige, vie fid) über die Gefchäftigfeit des Hundes wunderfen, giengen mit ihm, Famen zu dem Eife, fanden ven Mann und retteten ihn. *) §. 128. Die Begebenheit des Androklus mie dem Loͤ— wen ift aus den alten Schriftftellern befannt genug; und man fann, meines Bepünfens, ihre Glaubwür- digkeit in diefer und andern ähnlichen Erzählungen um fo weniger in Verdacht ziehen, da fie blog erzählen, ob: ne aus ihren Erzählungen Schtüffe berzuleiten; da fie fie anführen, nicht um diefen oder jenen philofophifchen Lehrſatz zu beftätigen, fondern fie als bloße Thatfachen Dinfegen, und es dem Leſer überlaffen, Folgerungen daraus zu ziehen. And wenn wir denn über die Wahr- heit 9* Östeingifiher Taſchenkalender vom Jahr 1784 . 68, ag — 2* X — —— 537 heit ſolcher Erzaͤhlungen philoſophiren, kann es nie die Frage ſeyn, ob ſie mit unſerm Syſtem von den Thieren uͤbereinſtimmen oder nicht. In einem der Schauſpiele, die man in Rom gab, wo der Mifferhater mie wilden Ihieren kämpfen mußte, war infonderheit ein Löwe, - wegen feiner ungewöhnlichen ‚Größe und Wildheir, merkwuͤrdig und fürchterlich. Als nun Der $öme gerade vor dem Elenden ſtand, der zu ſei— nem Opfer beftimme war, veränderte er gleichfam auf einmal fein ganzes Weſen, wedelte vor ihm mit dem Schwanze, wie ein Hund vor feinem Herrn, und leckte ‚ähm mit vieler Demuth Haͤnde und Füße, Der Menfch erholte ſich durch diefe Freundlichkeit des Löwen nachgera= de wieder, und. als fein Entfegen fich gelegt hatte, er— Fannte er den Löwen, und fie machten nun einander als lerley Siebfofungen. Diefer Auftries feßte Die ganze Verſammlung -in Erftaunen, felbft der Kayſer wurde aufmerkfam , ließ den Menfchen zu fiihrufen, und frag» te: wie.er ſich vor diefem wilden Ihiere habe retten koͤn⸗ nen. Sch bin ein Sklav, erwiederfe er, mein Name ift Androklus. Als mein Herr Prokonful in Afrika war, behandelte er mich fehr hart und unmenſchlich. Ich entfloh, und weil das ganze fand unter feiner Bor: maͤßigkeit ftand, begab ich mic} tief in die Wüfteneyen $pbiens hinein, ſeſt entſchloſſen, dafelbft entweder meis nen $ebensunterhaft zu finden, oder zu ſterben. Mit ten im Sande wurde ich, in der größten Mittagshige, eine Höhle gewahr; ich gieng hinein, um Schutz wider die Hitze zu fichen, Ich war nicht lange da gewefen, ſo fah ic) gerade dieſen Löwen hereinfommen, deſſen ——— gegen mich man bewundert, und fein ſtar⸗ :l5 kes kes Schreyen brachte mich auf die Wermurhung, daß er vielleicht verwundet feyn mögfe, Ich verbarg mid) in dem dunfelften Winkel der Höhle, und glaubre mic) verloren. Der $öme entdeckte mich, näherte fid) mir, nicht drohend, fondern vielmehr in einer bittenden Stel- - fung, und hielt mir feinen Fuß enfgegen, worin er ei⸗ nen großen Dorn getreten hatte. Ich zog denſelben heraus, und durch die Geduld, die das. Ihier zeigte, muthig gemacht, druͤckte id) den Eiter aus der Wunde, wuſch und reinigte fie fo gut ich es zu thun im Grande “war, und brachte fie fo weit, daß fie heilen konnte. Der Loͤwe fand Erleichterung, legte fih mie dem Fuße in meiner Hand nieder, und fhlief ein. Seit jenem Tage lebte ich drey Jahre mit ihm in dieſer Höhle, und "yon eben der Speiſe als er. Der $öme gieng auf die Jagd, und brachte mir jedesmal einige Stücke von den Thieren, die er erlegt hatte. Aus Mangek an Feuer, doͤrrte ich das Fleifch in der Sonne. Endlich ward ic) diefes wifden Lebens überdrüffig, und einft, als der $b: "we auf der Kagd war, verließ ich die Höhle. Kaum "war ich drey Tagereiſen von derfelben entfernt, als ich "son den Soldaten erkannt und ergriffen wurde, wor— “auf man mich von Afrifa nach Rom fandte, und mich "meinem Heren übergab. Er verurtheilte mich zum To— "pe, den ich hier zu finden erwarte. . Der Löwe muß, Eurz nach meiner Trennung von ihm, gefangen worden “feyn, und da er mich num wiederfindet, vergilt er den Dienſt, den ich ihm ehemals gefeiftet habe. “Das ver- ſammelte Volk, das dieſe Begebenheit erfuhr, bat mit großem Geſchrey um das Leben und Die Freyheit des Androklus; beydes wurde ihm gefchenfe, und der doͤ— | u" we — en 539 we obendrein, den er auf den Straßen in Rom mit Kr herumf uͤhrte. 6. 129. a Die Gefchichtfchreiber Paraguais erzählen eine niche weniger merkwürdige Begebenheit von einer Loͤ⸗ win. Die Spanier wurden in Buenos Aires von den Bewohnern der Gegend eingefchleffen; Die Kolo— nie lite aroßen Mangel an tebensmitteln, und alle, die fih etwa aus der Stadt heraus wagen, um Nahrung zu ſuchen, wurden von den Wilden umgebracht. Der ‚Gouverneur verbot daher den Einwohnern bey Sebens- firafe, fih aus der Stade zu enrfernen. Indeſſen gluͤckte es doc) einer Frau, Namens Maldonata, bie Aufmerkſamkeit dee Wache zu hintergehen., Nachdem fie eine Zeitlang auf den wüften Feldern herumgeirrt war, fah fie eine Höhle, worin fie einen fihern Zü- fluchtsort zu finden glaubte; fand aber zu ihrem großen Schrecken eine Loͤwin in derfelben. Doch verſchwand ihre Furcht bald,’ da die Loͤwin durch ihr Wehklagen und ‚ihre Freundlichkeit fid) die Hülfe ver Draldonata zu er- fieben ſchien. Die $öwin war in Geburtsſchmerzen; und Maldonata Fam, fo gut fie immer fonnte, der Natur zu Hülfe, dergeſtalt daß die Loͤwin gluͤcklich ent: bunden wurde, So lange die Jungen klein waren, gieng die Loͤwin täglich auf Raub aus, und brachte im- mer ihrer Wohlchäterin einen Theil deſſebben den ſie zu ihren Fuͤßen legte; als aber ihre Jungen mit auf die Jagd gehen konnten, blieb ſie aus, und Maldo— nata, die ſie nicht wieder ſah, mußte nun ſelbſt fuͤr Ihren Unterhalt forgen. Dadurch fiel fie denn den In—⸗ dianern in die Hände, die fie zur Effavin machten ; | einige 540 einige Zeit nachher wurde fie von den Spaniern wieder befreyet; und nach Buenos Aires zuruͤck geführe. Der Befehlshaber diefes Orts, ein harter und graufamer Mann, glaubte, daß fie für die Uebertretung eines Be- fehls, wodurch fie das Leben verwürft hätte, noch nicht genug beftraft ware, Er befahl daher, daß fie auf freyen Felde an einen Baum gebunden werden, und Hungers sterben follee; welchen Webel fie durch ihre Flucht zu enrgehen gefucht hatte Nach zween Tagen wollte er miffen, wie es ihr giengee ber, wie er ſtaunten nicht die ausgefandten Soldaten, als fie Mal: donata gefund und wohl, von Löwen und Tigern um- geben fahen, die ſich ihr doch nicht nähern durften, weil eine Loͤwin zu ihren Füßen lag, und nebft einigen jun- gen Loͤwen fie zu vertheidigen ſchien. Als die Loͤwin die Sofdaten fahe, gieng fie zur Seite, als ob fie ihnen Pas machen wolle, daß fie ihre Wohlthaͤterin befreyen Fönnten. Maldonata erzählte ihnen nun ihre Bege- benheit mit der Loͤwin. Als fie fie [08 gemacht hatten, um fie nad) Buenos Aires zurück zu bringen, bezeige te die Loͤwin ihr viele Freundlichkeit, und fchien gleich: ſam zu beflagen, daß fie ſich trennen follten, $. 130, In der Gefihichte der Kreuzzüge ließe man, daß ein Nitter Gottfried de la Tour, der dem erften Kreuzzuge nach) Paläftina beywohnte, eines Tages, als er durch einen Wald ritt, ploͤtzlich ein ängftliches Jam: mergefchrey hörte. In der Hofnung, einen unglüdli« chen Menfchen zu retten, eilte der Ritter muthig durch den Wald hin; wie erftaunte er aber, als er einen $ö- wen ſah, um deffen $eib fich eine gräßliche Schlange ger ſchlun⸗ 541 fehlungen hatte. Den Bedrangten beyzuftehen, ift die Pflicht jedes achten Ritters; und befeelt von dieſem Ges danken, galt es unferm Ritter gleich, ob diefer Bedrängs fe Thier oder Menfch ſey; genug, es war ein leidendes Gefchöpf, das feiner KHülfe bedurfte; und durch einen Saͤbelſtreich, der die Schlange von einander hieb, bes freyte er den Löwen von feinen gefährlichen Banden. Bon der Stunde an begleitete dies dankbare Thier bes ftändig feinen Netter, folgte ihm überall wie ein zahmer Hund, und äußerte feine natürliche Wildheit nur auf den Winf und Befehl des Ritters. Marürlicherweife war Diefem fehr Damit gedient, einen ſolchen Kriegsges fährten zu haben, Endlich ward der heilige Krieg gluͤck— lic) beendigt, und der Ritter ſchickte ſich zur Rückkehr nach Europa an; gern hätte er feinen getreuen Loͤwen mie ſich gehabt; aber Fein Schiffer wollte fich überreden laffen, dies gute Thier an Bord zu nehmen; es mußte alfo an vem Ufer zurück bleiben. Der Loͤwe, der ſich von feinem geliebten Herrn gefchieden fah, fieng num erft an fürchterlich zu brüllen, gleich darauf aber ſtuͤrzte er fich) ins Meer, und ſchwamm dem Schiffe nach. End« lich verließen ihn feine Kräfte, er fanf, und die Wellen verfchlangen Ddiefes edle TIhier, das, durch die Treue und Siebe, die es bis in den Tod gegen feinen Herrn zeigte, wohl ein befres Schickſal verdiene harte, *) §. 131. Der Naturforſcher Steller erzaͤhlt von der See⸗ offer , die an den BEHADSDAIE HM Küften, zwi⸗ fhen ) $itterate und Völkerkunde, 6. B. S. 5%. 5427 BD fchen dem 50 und 55ſten Grad der Breite gefangen wird, daß: man fie zuweilen in Netzen fängt; wenn ſie aber hinein gerathen, überfäit fie eine ſolche Angſt, daß fie fi) die Vorderfüße abbeiffen. Auf der Berings In— fel lagen fie in ganzen Schaaren überall am Ufer, und fürchteten fih nicht vor dem Menſchen, vielmehr- ver fammelten fie ſich um ihn, und verließen den Ort nicht eher, bis viele von ihnen erfchlagen waren, wodurd) fie. denn erft die Gefahr fernen lernten, und fich durch die: Flucht zu vesten fuchten. Sie fpielen wie die Affen,: und übertreffen an Munterfeit, Spielen und Laufen als fe andre Amphibien. Dies TIhier Tauft fehr fchnell und fiftig, indem es in feinem Laufe viele Ummege nimmt. Sieht es aber, daß es vom Meere abgefihnittenift, und es wird gezwungen frille zu ftehen, fo macht es einen frummen Rüden, fprudele wie eine wilde Kae, und thut, als ob es auf feinen Feind fpringen wollte. Oft fielen fie auf einen einzigen Schlag, und ftellten ſich, als wenn fie todt waͤren; fobald fie aber fahen, fagt der Verfaſſer, Daß wir mit andern zu thun hatten, Tiefen fie fchnell Davon, weswegen wir fie für ſehr ſchlau hiel⸗ ten. Zuweilen trieben wir fie zufemmen, ohne Abficht: ihnen ſchaden zu wollen, und griffen nad) umfern Keu- lenz Dann warfen fie fic) ſchmeichelnd nieder, fahen fidy nad allen Seiten um, und krochen langfam zwiſchen uns bin, wie die Hunde; fobald fie fi) aber aufer Ge- fahr fahen, nahmen fie mie ſtarken Gäsen den Weg nach. dem Meere zu. Wenn fie der Keule des Jägers entronnen find, machen fie allerley luſtige Gebärden, feben ihn ſteif an, und Halten den einen Fuß über den Kopf, als ob die Gonnenftrablen ihnen — fielan. Das — 543 Das Weibgen träge ihre Jungen, auf dem Lan⸗ de fowohl als auf dem Meere, im Munde; wenn fie auf der See fchlafen, halten fie fie zroifchen den Vorderbei⸗ nen, wie eine Mutter ihr Kind zu halten pflege. Sie werfen fie auch ins Waffer, um fie ſchwimmen zu leh— ren; nehmen fie, aber, wenn fie müde geworden find, wieder auf, und füffen fie, wie Menfchen. Wenn die Mutter am Sande ſchlaͤft, hält das Junge, das alsdann auf ihrer Bruft, oder in ihren Armen liegt, unterdef fen Wache. Dieſe Thiere lieben ihre Jungen unge: mein; man mag fie zu Sande oder zu Waſſer verfolgen, fie werden nie anders, als in der außerften Noth, wenn fie felber in find, ihre Jungen, die fie im Munde tragen, fallen laffen. Daher aber werben fie auch oft erfhlagen, wenn fie fonft. hätten entfommen fönnen. Oft habe ich, ſagt der Verf., mit Vorſatz die Jungen weggenommen, und die Mütter nicht todt gefchlagen. Dann wehklagten fie aus Betruͤbniß, wie ein Menſch, und folgten mir eine lange Zeit, als ich) einmal mit zwehen ungen gieng. Sie riefen die June gen zu fih, mit einer Stimme, die dem Weinen klei— ner Kinder glich, Ich feßte mich in den Schnee; fie famen mir nun ganz nahe, und fanden bereit, vie - ungen zu nehmen, die auf dem Schnee lagen, Acht Sage nachher Fam id) wieder an den Ort, wo id) die ungen genommen hatte, und fand dafelbft ein Weib: hen, Das aus großer Betruͤbniß nicht den geringjten Verfuch machte zu entfliehen, fonbern ſich willig toͤdten ließ, Wie ich ihr das Fell abzog, war fie in diefen acht Tagen fo mager geworden, daß fie nur fehr wenig Fleiſch anf den Knochen hatte. Und diefer Fall ift mir öfter begegnet... Ein andermal fah ich von weitem eine. Mut⸗ ? fer 44 —— ter mit ihrem Jungen ſchlafen, das etwa ein Jahr alt ſeyn mogte. Wie die Mutter uns gewahr wurde, lief ſie zu dem Jungen, weckte es, und gab ihm Zeichen die Flucht zu nehmen; da es aber lieber ſchlafen als fliehen wollte, nahm ſie es zwiſchen den Vorderbeinen, und waͤlzte es wie einen Stein ins Meer, *) $. 132 Bon dem Seebären giebt ung Steller folgenden Bericht: Die Mütter haben große Siebe für ihre Jun— gen, deren fie gemeiniglich nur eins, felten zwey werfen. Die Weibchen liegen, wenn fie geworfen haben, Haus fenmweife auf der Küfte mit ihren Jungen, unddiefe fpie- Ten fchon in den erften Tagen mit einander, Sie üben fih auch im Streifen, und wenn einer von ihnen über den Haufen geworfen wird, läuft der Vater brummend - Binzu, fcheidee die Streitenden, let den Ueberwinder, und ſucht ihn mie dem Maule zu Boden zu werfen. Se beffer der Junge ſich vertheidigt, je lieber ift er dem Vater. Don den trägen ungen dahingegen, hält er nicht fo viel; und daher fommt es denn auch, Daß eini- ge beftändig um den Vater, andre befiandig um die Muster find. Die Männihen haben oft acht, funfzehn bis funfzig Weiber, und find fehr eiferfüchrig, mennein fremder Bär Mine mache fihähren Weibern zu nähern, werden fie faft vafend. Obgleich viele Taufende haufen⸗ weiſe an dem Geſtade des Meeres liegen, macht doch eilt jeder Haufen eine befondre Familie aus. ine einzige Samilie befleht, mit alten und jungen, oft aus bun- dert ® Hamburg. Magazin, 2 B. © 481 u. fı _ dert und zwanzig Stuͤck. Dieſe Thiere find fo muthig und ehrgeizig, daß fie lieber fterben als weichen. So— bald fie einen Menfihen erblicken, gehen fie ihm entge= gen, und widerfegen ſich feinem weitern Fortgehen. Die andern nehmen fodann jeder feinen Plas ein, und machen fi) zum Kampfe bereit. Wir fahen uns daher genöthige uns mit ihnen zu ſchlagen, um unſern Weg fortfegen zu fönnen, und warfen große Steine unter fie, Sie ließen nun ihre Wuth an den Steinen aus, giene gen dabey aber immer eifriger auf uns los, und erfüllten die Luft mit einem entfeglichen Gebruͤll. Wir verfuchter darauf, ihnen die Augen, Die weit aus dem Kopfe her— vorragen, auszuſchlagen, und warfen ihnen Steine zwi— fehen die Zähne; fo verwunder und blind aber das Thier auch wurde, durfte es Doch nicht weichen. Denn wenn es ſich zurüczieht, wird es von den andern, die hinten find, angefallen; dieſe beiffen alsdann den fliehenden, und zwingen ihn zum Bleiben. Weil das eine Ihier die Flucht des andern zu hemmen fuche, fo ereignet eg ſich oft, daß fie einander in Verdacht der Flucht halten, und dadurch unter ſich in einen Streit gerathen, der oft fehr allgemein wird, Wenn zmween fich mie einem fihla« gen, fommen die andern dem fihwächern Theil zu Hüls fe. Indeß fie ſich fo auf dem Sande ſchlagen, ſtecken an⸗ dre, bie im Meere find, den Kopf hervor, und ſehen eine Zeitlang zu. Endlich aber werden auch diefe aufe gebracht, begeben fid) ans Land, und mifchen ſich in das Gefecht. Wenn zween Seebaͤren eine Weile mit einander gekaͤmpft haben, legen ſie ſich neben einander, lecken | M m einan⸗ 546 — nn einander, und ruhen aus; nad) diefem Waffenſtillſtan⸗ de fangen fie den Streit von neuem an. So lange fie an Kräften gleich find, fihlagen fie fich blos mic den Vorderbeinen; wenn aber einer von ihnen die Oberhand gewinnt, greift er den andern mit den Zähnen an, ſtoͤßt ihn, und wirft ihn zu Boden. Gobald die übrigen, Die unterdeffen Zufchauer gewefen find, diesfehen, eilen fie herbey, und helfen dem Ueberwundnen. Die Männgen lieben ihre Weibgen und ihre ungen aufferordentlich, und diefe haben hinwiederum große Furcht vor jenen. Wir legten es oft darauf an, den Weibgen die Jungen wegzunehmen; und wenn denn die Mutter floh, ohne den ungen fortzutragen, und ihn in unfre Hande ließ, fo fiel der Vater nicht uns an, fondern er packte die Mutter mir den Zähnen, und ftieß fie zwey, dreymal fo hart an den Felfen, daß fie wie todt lag. Sie erholte ſich wieder, Froch demuͤthig zu dem Männgen, und meinte fo bitterlich, daß Die Thraͤnen ihr auf die Bruft hinab träufelten. Indeſſen gieng das Männgen auf und ab, Fnirfchte mit den Zäb- nen, volfte die Augen ſchrecklich im Kopfe herum, und warf den Kopf von einer Seite zur andern. Endlich als er uns mit dem Jungen weggehen fah, fieng er zus gleich mic ihr an, fo ftarf zu weinen, daß die ganze Bruſt bis zu den Füffen von Thränennaß wurde. Eben fo weint auch dies Thier, wenn es verwundet worden, oder ihm ein großes Unrecht gefchehenift, und es fich nicht rächen Fann. Ich habe bemerkt, ſagt der Verf., daß die gefangnen Seekaͤlber ebenfalls weinen. Diefe 547 Diefe Ihiere geben nach ihren verfchiednen Um— ftanden, einen verfchiednen $aut von fih, Wenn fie auf dem Sande liegen, und zum. Zeitvertreib fchreyen, fo Elinge ihre Stimme beynahe wie das Gebruͤll der Kühe, wenn fie kalben. Wenn fie ſich ſchlagen ‚ brummen und brüllen fie wie Bären, Wenn fie geſiegt haben, laffen fie einen Flaren und wiederholten Laut von fich hö= ren, wie die Grillez find. fie aber verwunder und über= wunden, fo feufzen fie heftig, wie die Kage und Seeot- ter. Auf ebnem Felde laufen fie fehrfchnell, fo daß mar ihnen fehmwerlich entlaufen kann; Anhoͤhen aber fönnen ſie nicht leicht erfteigen. inmal, fage der V., hieltenfie mich mehr als fechs Stunden belagert, und ich war zu— lezt genoͤthigt, eine fehr fteile Anhöhe hinan zu Flettern, um mich vor Diefen aufgebrachten Beſtien in Sicherheit zu fegen. *) SEAL EL} Unter andern Bemerkungen über die Intelligenz und Oekonomie des Candbaren, ift infonderheit die Liſt merfwördig, mit welcher er, nac) dem Berichte der Kamtfihadalen, die wilden Schaafe fange, Deren eg, nach dem Zeugniffe des Hrn, Pallas, eine große Men⸗ ge in Ramefchadalen giebt, Diefe Schaafe halten ſich in zahlreichen Haufen beyfammen, weiden insgemein in den niedern Gegenden, und ernähren fich von dem Gra— fe, das am Fuße der Felfen und gaben Anhöhen wachft. Mm a Wenn ) Hamburg. Magazin, 2, B.S, 285. 548 Wenn der Bar fie erblickte, wähle er fich einen Platz, der Höher liegt als der Dre wo fie grafen, nähert ſich ihnen mit Behutſamkeit, und verbirge ſich, jenäher er kommmt, um fo forgfältiger zwifchen ven Selfen, Wenn er nun gerade über ihnen, und nahe genug ift, fein Vorhaben auszuführen, fo fange er an, mir feinen Tagen Erüce vom Felſen Toszureiffen, und fie auf die Echaafe hinab zu wälzen. Er verfolge fie nicht gleich darauf, fondern wartet fo lange, bis er einen von der Deerde getroffen hat; dann fälle er über feine Beute her, und ift in ſei— nen Angriffe glücklich oder nicht glücklich, jenachdem das "Schaaf mehr oder weniger verwunder ift. *) §. 134 | Von der überaus merfwürdigen Intelligenz der Pferde hat man verfchiebne fonderbare Erfahrungen. Hr. Bouffanelle, Kapitain des Kavallerieregiments Beauvilliers, erzählt in feinen Obfervations militai- res, folgende Begebenheit. Einem Pferde in feiner Kompagnie wurden die Zähne auf einmal fo ſtumpf, daß es weder Heu noch Haber Fauen konnte. Diefes Pferd wurde zween ganzer Monate lang von zwey andern Pfer- den, die bey ihm fanden, und mie ihm aus einer Krip- pe fraffen, unterhalten; fie Fauten ihm nemlich das Heu und den Haber, und legten es ihm hin. Der Verf. ver fichere *) Des Kapit. Jakob Coofs dritte Entdeckungsreiſe in die Sudfee, Berlin, 8.1789, ©, 1265127, 549 fichere, daß alle Officiere und Gemeinen der Compagnie von diefer Begebenheit Zeugen waren. *) 135, Profeffor Kruͤger erzähle, daß einer feiner Freun⸗ de, der zur Nachtzeit auf feinem eignen Pferde durch eis nen Wald nad) Haufe riet, fi) unverfehens an einen Aft flieg, und, weil er ziemlich fehnell vie, vom Pferde fiel. Das Pferd kehrte gleich nad) dem Orte zurüc, wo fein Herr hergefommen war, und da das Haus ver- fihloffen war, flopfte es mit den Hinterfüßen fo lange an, bis die Leute erwachten und aufmachen. Als fie das Pferd ohne Reiter fahen, eilten fie auf dem Were nach dem Haufe feines Herren mit ihm fort,» und kamen durch) feine Anweifung an den Ort, wo es feineg Herrn verloren hatte, **) §. 136, Die Araber haben eine Art Pferde, welche, ih- rer Meinung nach, urſpruͤnglich von der Stuterey des Königs Salomons abftammen follen. Sie fihreiben ei= nigen Zweigen diefer Pferderace die Klugheit zu, daß Mm 3 fie, *) Hennings Gefchichte von den Seelen der Menfchen und Thiere. Halle. 1774 ©. 447. **) Dr. J. ©. Krügers Epperimental Seelen. lehre. Halle und Helmſtaͤdt. 1758. ©, 333; 550 fie, wenn fie in einer Schlacht verwunder, und alfo un- tüchtig werden ihren Reiter zu tragen, fich wegbegeben, um ihn in Sicherheit zu bringen. Fälle der Reiter ab, fo bleiben fie bey ihm ftehen, und wiehern bis man ihm zu Huͤlfe kommt. Schläft er auf ofnen Felde, fo wie- bern fie, wenn fie einen Raͤuber erblien, *) $. 197: Die Tartaren und Kalmucken Iaffen ihre Pfer- de» Tabunen oder Heerden frey herumlauſen; tauſend Heerden mifchen fich nicht unter einander, und von der jungen Zucht geht nichts verloren; gleichwohl laufen die- fe Pferde ohne Aufficht herum. Wenn ein Tartar eine folche Heerve anlegt, zeichnet er einige Eruten und ein Paar Hengfte, und daran Fenne er fein Eigenthum. Die Hengfte find denn die Auffeher dieſer Heerden, Sie halten ſich immer an den Seiten auf, und leiden nicht, daß ein Stück diefelbe verläßt. Sehen fie frem— de Heerden, fo freiben fie ihre eigne in einen Haufen zu: ſammen, und ftellen fic) an die Spitze. ben das thut auch die andre Heerde, die ihnen entgegen kommt; und nun fämpfen die Hengfte mit einander, bis fie müde oder verwundet werden, da fie denn einander mit ihren Heerden verlaffen. Laͤßt fich ein Geräufch hören, ſo lau⸗ fen die Hengfte auf Anhoͤhen, und beobachten alles genau, Auf dieſe Weife Eönnen die Heerden fich weder *) Miebuhrs Befchreibung won Arabien, Sei— te- 163, 551 weder. vermiſchen, noch einzelne Stuͤcke davon laufen. *) $. 158, Pallas erzähle ebendaffelbe von den Eirgififchen Pferden. Sie theilen, fagt er, ihre Pferde in Tabu: nen, und haben nur einen Hengſt bey einer folchen Ta- bune; die übrigen Hengftfüllen werden verfchnitten. Der Tabun-Hengft ſteht der Heerde als Hirt vor, und hält fie beyfammen; wenn aber eine Stute die Heerde verläßt, und ſich mit einem andern Hengfte einläßs, wird er fie nie mehr in feiner Heerde dulden. ”*) ben diefer Verfaffer erzähle auch von wilden Pferden, die ſich gleichfalls in Heerden von fünf bis zwanzig Stuͤck und darüber verfammeln; und diefe Heerden beftehen dennaus Stuten, Füllen und einem Hengſt. Wenn die Hengfifüllen heranwachfen, jagt der alte Hengſt fie von der Heerde, und man fieht fie einzeln weit hinten- nach folgen, Dis fie ſtark genug find, fich ſelbſt eine Heerde junger wilder Stuten zu ſchaffen. Diefe Pferde follen einen fo fcharfen Geruch haben, daß fie, mit Mm 4 dem *) Müllers Sammlung ruffifher Gefhichte. 9. Th. ©, a: **) Pallas Reiſe durch verfchiedene Provingen des ruſſiſchen Reichs, in einem ausführlichen Auszuge. Franffure und Leipzig. 1776. 8. 1. Th. S. 240. 552 — 2 dem Winde, einen Menſchen viele Werſte weit ſpuͤren koͤnnen. *) 8:83, Nichts, fagt Busbek, kann zahmer feyn, als die rürfifchen Pferde, auch giebt es fein Thier, das bef- fer feinen Herrn und Wärter kennt; Dazu erziehen die Türken fie mit aller möglichen Sanftmuth. Ich habe gefehen, als ich durch Pontus oder den Theil Bythy— niens, der Arilon genannt wird, nach Kappadocien reifite, mit welcher Sorgfalt die Landleute die neugebohrnen Fuͤl— len warteten, fie liebfoften, in ihre Haufer führten und ſtreichelten, daß man denfen follte, fie hätten ihre Kin- der vor ſich. Die Kinder, die dazu gefegt werden auf fie Acht zu baben, erzeigen ihnen niche weniger Sreund- lichfeir, und gewinnen ihre Zuneigung durd) beftändiges Streicheln. Sie ſchlagen fie niemals mie dem Stock, außer in der aͤußerſten Nothwendigkeit. Daher aber hegen fie au) große Siebe; für den Menfchen, und find nichts weniger als beißig und widerfpenftig; auch ſchla— gen ſie nicht. Es iſt fehr felten, dieſe Fehler bey den tuͤrkiſchen Pferden zu firden. Die Türfen finden ihr Vergnügen darin, fie fo zahm zu machen, daß fie auf Defehl ihre Kniee beugen, und den Neiter fo -auffteigen laſſen; daß fie mic dem Maule einen Stock, eine Keule oder einen Säbel von der Ere de aufheben, und ihrem Herrn reichen, der auf ib- nen fißt: und wenn fie dieſes gelernt haben, legen fie ihnen *) Pallas Reiſe. 1,2. ©. 143 553 ihnen filberne Ninge um die Nafe, zum Zeichen ihrer Geſchicklichkeit. Ich habe Pferde gefehen, die, wenn i,e Herr herabgefallen war, auf der Stelle ftehen blieben: ich babe andre gefehen, die um den Stallfnecht, der weit von ihnen. ffand, herum liefen und ftille fianden, fo oft er. es befahl: ich habe Pferde gefehen, die, wenn ihr Herr in dem oberften Stockwerk des Haufes mit mir zu Tifche fas, die Ohren fpigten, um feine Stimme zu vernehmen, und wieherten wenn fie fie horten. Eben diefe Pferde leben auch länger, als vie unfrigen. Man fieht zuweilen Pferde von zwanzig Jahren, mit eben dem Teuer und eben der Stärfe, als unfte, wenn fie acht Jahr alt find. Und man erzählt, daß einige, wegen ihrer großen Tugenden, beftändig in den Ställen des Sultans unterhalten werden, wo fie bis in das funfzigfte Jahr und darüber leben fünnen. *) G 14% Eben diefer Busbek erzähle von den Rebhuͤ—⸗ nern auf Chios, daß fie ordentlich in den Häufern bey den Menfchen wohnen, Beynahe jeder Bauer unters hält mehr oder weniger derfelben, je nachdem er &uft und Gelegenheit dazu hat. Bey Tagesanbruc) ruft ein Hirte fie Durch einen gewiffen Laut zufammen; fie laufen als— dann herbey, und verfammeln fich haufenmweife auf dem Mm 5 Wege *) Gisbenii Busbequii, ommia quae exftant, Dresdae. 1639. ı2mo. Legationis Turcicae Epift. 3. p. 192: 554 Wege. Darauf folgen fie, mie bey uns die Schaafe, dem Hirten, und gehen aufs Feld hinaus, wo fie den ganzen Tag ſich beluffigen und ihren Unterhalt fuchen. Gegen Abend werden fie durch daffelbe Zeichen zuruͤckge— rufen; fie verfammeln fic) alsbald, und gehen nach Haufe, wo fie gewöhnlich die Nacht zubringen. Hiezu werden fie, wie man fagt, folgendermaaßen erzogen: fobald die Jungen ausgebrütet find, nehmen die Bauern fie in den Bufen innerhalb des Hemdes, führen fie fo einige Tage herum, und legen fie zuweilen an den Mund, wo fie fi) von dem Speichel ernähren. Hierdurch werden diefe Vögel an ihre Pflegevärer fo gewohnt, daß fie fte nie vergeffen; doch muß man dafür fergen, daß fie nicht die Mache über auf dem Acker bleiben. *) % 141. Bon der Intelligenz und Defonemie dev Affen, till id) aus den Sammlungen des Naturforfchers Mar: tini hier einige merfwürdige Nachrichten anführen, und mic) dabey Auszugsweiſe feiner eignen Worte bedienen. Ohne von der Aehnlichfeit zu reden, die der Affe, nad) den Bemerkungen der Naturforfcher, in feiner aͤußern Geftalt, mit dem Menfchen hat, bleibt es immer aus- gemacht, daß diefe Thiere durch ihre Eigenfchaften, Be— wegungen, Gebärden und ihre ſowohl einfame als repu— blifanifche Lebensart, unſre Aufmerkffamfeit noch weit mehr verdienen. Meberhaupt genommen, find fie hafß-- liche *) Epiftola tertia, p. 189. 555 che Thiere, von ftarfen Gliedmaßen, einem geilen Tem: perament, und großer Neigung zum Gtehlen; dabey aber überaus Fünftlich und finnreich in allem was fie un- ternehmen. Reizbar, wenn es ihnen wohl geht; aber ängftlich in Noch una Gefahr, geben fie immer ihre Sei: denfchaften, durch heftiges Stanpfen mit ven Füßen, auf das nachdrueflichfte zu erkennen, Schlägt man fie, fo befißen fte die Kunſt zu feufzen, zu Flagen, zu weinen und zu ſtoͤhnen; je nachdem fie durch ihr Gefchrey , Schrefe fen, Betruͤbniß, Zorn oder Spott ausdruͤcken wollen, Sie wiſſen ihre Gebärden auf vielerley Weiſe zu verän- dern, und nehmen oft fo lächerliche Stellungen an, daß es dem fchwermüthigften Menfchen unmöglich feyn würde, fih bey ihrem Anblic des Sachens zu enthalten. _ Unter fih halten fie gute Difeiplin, und führen alle ihre Unternehmungen mit einer bewundernswürdigen Gefchieklichkeit, Feinheit und Vorfichtigfeie aus. Obſchon fie zum Stehlen eben fo viele Behendigkeit als Neigung haben, wagen fie fih doc an fein wichtiges Unterneh— men, bevor ihrer mehrere beyfammen find. Kommt es darauf an, eine beträchtliche Melonen = oder Neispflans zung zu plündern, fo geht ein großer Theil von ihnen in ven Garten. Hier ftellen fie fi) in eine Neibe, fo nahe beyſammen, daß nur ein fleiner Zwifchenraum zwifchen jedem bleibt, . Darauf werfen fie die Melonen von Hand in Hand, und ein jeder weis fehr behende und mit auf ferordenelicher Gefchwindigfeit die ihm zugeworfne Me- lone aufzufangen. Die $inie die fie formiren, endigt fich gewöhnlich an einem Berge; und alle diefe Anftalten werden in der größten Stille getroffen und ausgeführt, Sie 456 Sie haben bey ſolchen Gelegenheiten ihre. ordentlichen Schildwachten. Gefchieht es etwa, daß ‚Diefe jemand fommen fehen, fo fehreyen fie laut, und auf diefes Heiz chen entflieht der ganze Haufe mit unglaublicher Geſchwin— digkeit. Die Jungen, die in dergleichen Plünderungen noch nicht geübt find, fteigen auf die Schultern ver Alten, wo fie fich auf eine eigne Weife feſt halten, Diefe Thiere haben einen befondern Naturtrieb ihre Feinde zu kennen, und Mittel zu fuchen wodurch fie bey etwanigem Ueberfall fich vertheidigen , oder einander Hülfe leiften können. Ihre Waffen find abgebrochne Zweige, aufgehäufte Kiefelfteine und ihr eigner Unrath, den fie in ihren Händen auffangen. Im Nothfall pflegen fie alles ihren Feinden und Verfolgern an den Kopf zu wer: fen. Wird einer von ihren verwundet, fo verdoppeln fte ihren hülfreichen Eifer, und ſchreyen fürchterlid). Denn fie einen Reiſenden auf dem Felde Mahlzeit halten fehen, fo fann er fic) nicht forgfältig genug vor den Kuͤnſten diefer diebifchen Thiere hüten. Gluͤckt ihnen ein Verſuch, , fo.pflegen fie ordentlich des Neifenden dafür zu fpotten. Sie laufen denn eine Strede weg, feßen fih auf den Hintern, halten das Geſtohlne in den Vor— derfüßen, und gebärden fic) damit, als ob fie es ihm zum Aerger vorzeigten und ihn auslachten. Hirſe fteh- Ten fie mit vieler Verſchlagenheit. Sie nehmen zween bis drey Halme in jeder Hand; eben fo viel unter die Arme und in den Mund, und laufen dann auf den Hin- terbeinen hurtig mit ihrer Beute Davon, wobey fie aller- ley luſtige Sprünge machen, Berfolge man fie, fo be« halten halten fie wenigfiens, mas fie im Munde haben, und laſſen alles übrige fallen, um defto gefchwinder fliehen zu fonnen. Sie unterfuchen die Hirfehalme mit vieler Sorg— fait, und werfen die fehlechten weg, um die beffern auszulefen. Ihre Kunftfertigkeie und Nachahmungsluſt ift in der That bewundernswürdig. Sie lernen ohne große Mühe auf dem Seile tanzen, ein Rad fchlagen, fich pußen, Feuer anmachen, die Trommel ſchlagen, Glaͤ— fer ſchwenken u. few. Man hat Affen geſehen, die mit der einen Pforte den Bratſpieß wendeten, und mit der ans dern ein Stuͤck Brod in die ferte Brühe tauchten und es verzehrten. Die Affen mögen arbeiten, ſchlafen oder auf Pluͤn—⸗ drung ausgehen, fo haben fie immer einige zur Wache ausgeftellt, deren gutes Gehör, Geficht und Stimme zu ihrer allerfeitigen Sicherheit diene. Man willBeyfpiele viffen, daß dergleichen Schildwachen, die auf ihrem Poften nachläßig waren, mit dem Tode beftraft worden find. Dies Vorgeben gruͤndet fich vielleicht auf richtige Erfahrungen. Denn wenn es fid) zuträge, daß einer von ihnen das Seben einbüßt, ehe die Schildwache das gewöhnliche Zeichen gegeben hat, fo hört man, gleich nach ihrer Zurückkunft im Walde, einen ſtarken Laͤrm und ein vermwirrtes Geräufch von ihrem Verſammlungs⸗ plaße her, und fehr oft findet man Affen die in Stücken zerriffen find. Dieſe pflege man, mie einigem Grunde, für nachläßige Schildwachen zu halten, die am sehe geftraft find. Wenn 558 Wenn Männgen und Weibgen und ihre ungen beyfammen, oder wenn mehrere Affen in Gefellfchaft find, muß man über ihre Handlungen und Erziehung erftau- nen. Sie verftehen die menſchliche Sprache, ohne fie nachahmen zu fonnen, und find im ſtummen Ausdrucke wahre Meifter; dabey find fie fehr geneigt, alles nach— zuahmen was fie fehen. Sie antworten, fordern, ſchel— ten durch verftändliche Zeichen; fie machen Gebärden und nehmen Stellungen an, die den menfchlichen ungemein ähnlich find. Was man fie lehrt, lernen fie vollfom: men, oft auch das, was fie nicht lernen follten. Als der ruffifche Gefandte fich in Pefing aufhielt, zeigten einige Markefchreyer ihm verſchiedne Fünftlich abgerichtete Affen. Ein Korb wurde in feiner Gegenwart mit allerley Klei- dern gefüllt; Ein Affe nahm fie ſtuͤckweiſe heraus, und legte fie auf Befehl feines Herrn an, ohne in der Wahl der genannten Farben den geringften Fehler zu begehen; Er richtete feine Gebärden nach dem Anzuge ein, und tanzte nachher mit den luftigften Sprüngen, ſowohl auf der Erde als auf dem Seil, Die Begebenheit, welche dem Heere des Alexan⸗ ders begegnete, ift ein merfwürdiger Beweiß von der Nachahmungsſucht ver Affen, Die Truppen waren in der größten Ordnung an die Berge gerückt, wo die Affen ihre Wohnung haften, und brachten dafelbft die Nacht zu. Als fie den folgenden Tag aus dem Lager aufbra« chen, fahen fie in einiger Entfernung eine ungeheure ' Menge Affen, die ſich Fompagnieweife verfammelt hat: ten, und wie eine Fleine Armee in Reihen und Glieder geordnet waren, fo, Daß die Macedonier, Denen ein folcher — 559 ſolcher Auftritt ganz unerwartet war, den Feind zu ſehen glaubten. Als die Herren Condamine und Bouguer fi in Peru aufhielten , waren die Affen fo aufmerkſam auf ihre Beobachtungen auf den Bergen, daß man nachher in einem pantominifhen Schaufpiel, wozu diefe Keifenden von den dortigen Einwohnern eingeladen wurden, die Affen einander verftändliche Zeichen machen, nad) der Uhr fehen, ſchreiben, durch Gläfer nad) den Sternen guden , und dergleichen —— mehr web men ſah. Der Schwanz dient oft der Meerkatze ſtatt des fünften Beins, wenn fie von den Bäumen hinab ſteigt. Wird eine von ihnen zufälligerweife verwundet, fo unters fuchen fie die Wunde forgfältig, und ftopfen, mit vieler Gefchicklichkeit, gefäute Blätter, ſtatt der gezupften Leinwand hinein. Die Affen, befonders die rothen und blauen am Jambra, halten fich immer zu drey bis vier Taufenden beyfammen auf. Sie bilden gleic)« fam Republifen , in welchen Unterwürfigfeit und Ordnung - aufs genauefte beobachtet wird. Huch ihre Reifen pfles gen fie in guter Ordnung, und unter gewiſſen Anführerr zu machen, die gemeiniglich von der größten Gattung find. Der Hintertrupp befteht immer aus einer beträchte lichen Anzahl der größten Affen, worunter einige find, deren Stimme, wenn es nöthig iſt, über alle die andern bervorfchallen, und Die fehwächern zum. Stilſſchweigen bringen kann. Die 560 | — Die Zuneigung der Affen für einander hat unter den übrigen Ihieren nicht ihres Gleichen. Sobald ein Affe hart verwundet oder getodtet wird, verfolgen oft die ftärkften der übrigen Affen die Neger zu ihren Hütten, und pflegen, wenn man die The vor ihnen zumacht, aus Bosheit das Dad) abzureißen, alle Trinfgefchirre der Neger zu zerbrechen, und mit fic) fortzufchleppen was fie habhaft werden fünnen. In Kambaja, fagt Herr Thevenot, ift eine folhe Menge von Affen, daß die Häufer oft von ihnen voll find, und fie faft immer jemand befchädigen, wenn fie auf den Dächern etwas finden, das fie herunter werfen fonnen. Außer dem bereits angeführten erzähle Fran Proyart von dem Affen Baris, in der Provinz Sier— ra Leona in Afrika, daß derfelbe, wern man ihn von Jugend an dazu erzieht, Menfchendienfte zu leiften ge= wohne werden Fann. Dieſe Baris ftoßen im Mörfer, und hohlen Waſſer aus den Fluͤßen in Kleinen Krügen, die fie auf dem Kopfe fragen ; wenn fie aber an die Haus— thüre fommen, und man ihnen nicht gleich den Krug ab— nimmt, ſo laffen fie ihn fallen; und fehen fie denn, daß er zerbrochen, oder das Waffer verſchuͤttet ift, fo fangen fie an zu heulen und zu fehreyen. Ea Guat erzähle von einem Weibgen der Orang⸗ Hutang= Art, daß es jeden Tag ordentlich fein Bere machte, den Kopf auf ein Kopffüffen legte, und vie Decke über fi) zog. Wenn es Kopfweh hatte, band es ein Tuch feft um den Kopf; und in diefer Verfaflung war es luſtig es im Bette liegen zu feben. Gemelli BR Care⸗ ——— — 561 Careri erzaͤhlt von einem ſolchen Affenweibgen, daß es wie ein Kind klagte, immer auf den Hinterbeinen gieng, und feine Matte, wenn es ſich ſchlafen legen wollte, un« unter dem Armen trug. Diefe Affen, feßt er hinzu, fheinen in vielen Stücken eben fo wigig, wo nicht witzi⸗ ger, als viele Menfchen zu feyn. Froger erzähle, daß die Affen auf der Küfte, von Guinea, am Fluße Gambia, gemeiniglih größer und boshafter find, als im übrigen Afrika. Die Neger fürchten fi) vor ihnen, und fommen felten aufs Feld, ohne von ihnen angegriffen zu werden. Diefe verwegnen Thiere follen die Gewohnheit Haben, ven Negern einen Stock zu reichen, und fie dadurch gleichfam zum Kampfe herauszufordern. Die meiften Neger glauben, daß die Affen ein fremdes Volk find, das fich dort niedergelaffen hat, aber nicht fprechen will, aus Furcht, fie mögten zur Arbeit angehalten werden. Buffon erzähle von einem Drang: Dutang, den er felbft beobachtet hat, daß er immer aufrecht auf fenen Hinterbeinen gieng, fogar wenn er ſchwere Sachen zu tragen hatte. Seine Miene war ziemlich traurig, fein Gang ernfihaft, feine Bewegungen abgemeflen, feine Gemuͤthsart ſanft und ganz verfchieden von andern Affen. Er war weder fo ungeduldig, als der große Affe (Magot) noch fo bösartig, als der Pavian, ever fo ausfchweifend, als die Meerfage (guenon). Er . war, wird man fagen, abgerichtet und gut erzogen; aber die andern, die ich fo eben genannt habe, fagt Hr. B., haften auch Erziehung. Ein Wort, ein Zeichen, und In unſer 562 — unſer Drang» Outang that alles was man haben wollte; bey dem Pavian dahingegen mufte man den Stod, und bey den andern die Peitfche zur Hand haben; denn fie gehorchten faft nie ohne viele Schläge. ch habe ge= fehen, heißt es ferner, daß diefes Thier den Perfonen, die es befuchten, die Hand reichte, fie zur Ihr begleis tete, ganz ernfthaft und wie zur Gefellfehaft mit ihnen fpagieren gegangen ift. Ich babe gefehen, daß es ſich an den Tiſch gefegt, Die Serviette auseinander genom« men, den Mund damit abgemifcht, fich des Löffels und ver Gabel bedient hat, um das Effen zum Munde zu führen; daß es ſich zu Trinfen eingeſchenkt, und auf ges gebne Veranlaflung mit dem Glafe angeftoßen hat; daß es Dber - und Untertaffen holte, Zuder hinein that, Thee einfhenfte, und den Thee abfühlen lies um ihn zu trin⸗ fen. Um alle diefe Handlungen vorzunehmen, brauchte es nur eines Worts, eines Winfs von feinem Herrn; und. oft nahm es fie von felbft vor. Es that feinen Schaden; näherte fih mit Bedacht, und in einer Stellung, als. ob es fich Freunſchaft und Wohlwollen ausbäte, Es af faft alles, jedoch) am liebften reife und trockne Früchte, Es trank Wein, aber nur wenig, und lies ihn gern für Milch, Thee oder andre füge Gerränfe ſtehen. Herr de la Braffe Hatte zween ohngefaͤhr zwey⸗ jahrige Drang- Outangs gefauft, und nahm fie mit ſich an Bord. Wenn fie da etwas noͤthig hatten, gaben jie den Schifsjungen durch ein vernehmliches Zeichen zu ver⸗ ſtehen, was ſie haben wollten; und wenn zuweilen dieſe Jungen ihnen nicht geben wollten was fie forderten, enf« ruͤſteten fie fih, faßten fie beym Arm, biſſen fie und warſen 563 warfen fie übern Haufen. Das Männgen wurde krank, und lies fi) aufwarten wie ein Menſch; es wurde fogar zweymal am vechten Arme zur Aber gelaffen. Wenn es hernach ſich nicht wohl befand, zeigte es immer auf den Arm, daß man es wieder aderlaffen- follte; gleichfant, als ob es wüßte, daß der Aberlaß ihm vorhin ges holfen hätte. $. 142% In Penſylvanien, in der Graffchaft Ulfter, imfern von Wavafing, lebte ein Mann, Namens Le Ferre, der von den durch das Edikt von Nantes verjag- ten Hugonotten herftammte. Die Pflanzung diefes Man- nes lag an der äußerten Gränze des großen blauen Ge—⸗ huͤrges, welches ein Zufluchtsort wilder Thiere, und die Gränzfcheide zwiſchen ihm und den wilden Voͤlkerſtaͤm⸗ men war, mit welchen er indeffen in gutem Verſtaͤndniß lebte, und fich ihre Zuneigung erworben hatte, Seine Familie beftand aus eilf Kindern, alle gefund und ftarf. Uebrigens lebte er zufrieden und glücklich von den Einfünf: sen einer Sägemühle, die er bey einem Waſſerfall ange⸗ legt hatte. Eines Tages, da der Verfaſſer der gegenwaͤrtigen Erzaͤhlung in Le Ferres Hauſe war, vermißte man das guͤngſte Kind, einen Knaben von vier Jahren. Die beforgte Familie hatte ihn überall auf dem Felde und auf dem Fluße, Angftlich geſucht; aber ihr Suchen war ver- gebens. Nun riefen die Aeltern ihee Nachbarn zu Huülfe, und alle giengen zugleich mie dem Berfaffer i in den Wald Mn a auf ;64 — — auf dem Gebuͤrge. Sie riefen und ſuchten mit der größe sen Emfigfeit, ohne von dem Kinde die geringfte Spur zu finden. ‘Es ward Macht, aber die Yeltern wollten demungeachtet nicht heimfehren; ihre Betrubniß und Furcht wurde nun um fo größer, weil fie wuſten, daß die Bergkagen den Menfchen mic einer Wildheie und Be: hendigfeit anfallen, gegen welche es felbft erwachfnen Leu—⸗ ten ſchwer fälle fich zu vertheidigen. Die Nacht verftrich unter diefen ängftlichen Betrachtungen. Sobald ver Tag onbrach, fieng man von neuem an das Kind zu ſuchen; aber mit eben fo fehlechtem Erfolge, wie vorhin. Gluͤcklicherweiſe Eehrte ein Wilder, Namens Fer venifja, aus dem Dorfe Anaquaga, an dem öftlichen Ufer des Flußes Sesquehannah, bey Le Ferre ein. Er führte einiges Pelzwerk bey fih, und wolle ſich in ‚dem Haufe! feines Freundes ausruhen. Als der Wilde niemand als eine alte Negerin dafelbft antraf, wurde er beftürze und fragte: mo ift mein Bruder? Die Negerin erzählte ihm nun, was vorgefallen war; worauf der Milde antwortete: ziehe die Glocke an, damit dein Herr nach Haufe fomme; ich will fein Kind ſchon finden, Es mar damals Nachmirtag, und die Uhr war drey. Als der Vater nach Haufe fam, verlangte ver Wilde die Schuhe und Strümpfe Die Das Kind zulegt getragen hatte, Darauf lies er feinem Hund dieſe Kleydungsſtuͤcke beriechen, 30g einen Strich. in die Erde, von dem Haufe an, und befahl dem Hunde, da, wo er den Strich gemacht hatte, die Erde zu beriechen. Diefen Strich verlängerte er in Begleitung des Hundes auf eine Wiertelmeile rund um das Daus. Aber der Zirkel war noch nicht vollenden, als —— 565 — als ſchon der Hund anfieng zu beflen und feiner eignen Spur zu folgen. Nicht lange hernach bellte er von neuem, und als die Gefellfchaft dies hörte, liefen fie alle dem Hun— de nach; aber fie verloren ihn in Dem dichten Walde bald ausden Augen. Mach einer halben Stunde fam der Hund mit einer merklichen Verändrung in feinen Gebär- den zuruͤck, und die Freude redete aus feinen Augen. Nun begleitete der Wilde feinen Hund, der ihn zu dem Knaben binführte, welcher ohnmächtig und faft todt an dem Fuße eines Baumes lag. Der Wilde brachte hierauf das Kind feinen eltern zurück, die ihm nicht hatten folgen Fonnen. Es wurde vollfommen wieder hergeftelfe ; aber der Hund mar der, Der es vom Tode rettete, Der Name des Hundes war Oniab. *) *)) Lettres d’un Cultivateur Americain. A Maftricht. 1775. 8, Tom. J. p. 215. u fr — AS L; 3308700521636