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Von | A. Wuhrmann

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l. Kapitel.

Hinauf ins Grasland.

Wir hatten eine wunderbare Seereiſe hinter uns. Die prächtige Henny Woermann hatte uns, von Hamburg auslaufend, ſicher und ſchnell an die Geſtade Kameruns gebracht. Das Wetter war während der ganzen Fahrt tadellos geweſen. Wir hatten unterwegs viel ge— ſehen und beſonders von der unermeßlichen Größe des Weltmeeres tiefe Eindrücke erhalten. Wie war es herrlich, wenn am Abend die Sonne gleich einem Feuerball auf dem Meer auszuruhen ſchien, wenn das verlöſchende Sonnenlicht die zarteſten Farben über den Waſſer— ſpiegel ausgoß, und wenn die leichten Wellen all die Schönheit und all das Sonnengold in ſich aufnahmen. Wie prächtig waren die Nächte, wenn die ſtille Flut vom ſternenbeſäten Himmel wie um⸗ ſchloſſen war. Ruhig fuhr das Schiff dahin, und Dank und An- dacht erfüllte das Herz.

Altere Miſſionare, die ſchon öfter die Reiſe gemacht hatten, wollten Afrika „riechen“, als andere Leute überhaupt noch nichts von einer Küſte ahnten; aber jedermann freute ſich, als endlich im Oſten ein langgeſtreckter Küſtenſtreifen ſichtbar wurde. Wie war man doch voll Hoffnung, und wie freute man ſich, nun das Land erreicht zu haben, in dem man für ſeinen Gott in beſonderer Weiſe arbeiten wollte. Die erſten Tage, die man in der Küſtenſtadt zu⸗ brachte, verflogen wie im Traum. War es Wirklichkeit, daß man unter Palmen wandelte, das Rauſchen des Meeres hörte, fremde

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Laute vernahm und auf Schritt und Tritt Schwarzen begegnete? Ja freilich war es Wirklichkeit. Das merkten wir, ſobald wir eine Arbeit zu verrichten hatten, denn die kleinſte Anſtrengung trieb uns den Schweiß aus allen Poren. Am dritten Tag nach unſerer Landung bekamen wir unſere großen Schiffskiſten zugeſtellt. Nun mußten wir umpacken. Waren wir doch fürs Grasland beſtimmt, und die Reiſe dorthin war beſchwerlich und lang, und alle unſere Habſeligkeiten mußten von Trägern hinaufgebracht werden. Das Umpacken war ein Genuß. Wie freute man ſich bei dieſem Ge⸗ ſchäft über manches, das einem ſchon zu Hauſe lieb geweſen war und das die Mutter in die große Kiſte geſchmuggelt hatte. Alles mutete wie ein Stück Heimat an, und man wurde dadurch den Lieben daheim näher gerückt. Da iſt ein Buch, das hat man vor einigen Wochen noch in Großvaters Hand geſehen; den Schirm hat die Mutter geſtiftet, jene Taſche die Schweſter genäht, jenes Bild die Freundin geſchenkt. Liebend betrachtet man die Gegen⸗ ſtände und kann ſich einer Träne nicht erwehren. Iſt das Heimweh?

Unſere Laſtenkiſten ſtehen in langer Reihe im Lagerhaus der Basler Miſſionshandlung. Eine Trägerlaſt darf höchſtens 30 Kilo ſchwer ſein, und unabläſſig werden die Laſten auf der Wage geprüft, ob ſie das erlaubte Gewicht nicht überſteigen. Dieſe Arbeit nimmt aber nicht alle unſere Zeit in Anſpruch. Wir haben noch Muße genug, uns die Stadt und ihre Bewohner anzuſehen, und wir tun das mit offenen Augen und mit fröhlichem Herzen. Und dann kommt der Tag, der uns ins unbekannte Land bringen ſoll. Ein Stück weit geht's per Eiſenbahn. Für die 170 Kilometer, die die Kame— runer Nordbahn zurückzulegen hat, braucht ſie reichlich acht Stunden. Auf dieſer Strecke überwindet ſie eine Steigung von 880 Meter und fährt oft durch gefahrvolles Gelände. Wundervoll iſt die Land— ſchaft. Stundenlang fahren wir durch den Urwald. Wir ſtaunen

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über feine Pracht und Stille und über die gewaltige Höhe uralter Baumrieſen. Schlingpflanzen hängen gleich Seilen von den hohen Stämmen herab und verbinden die Bäume miteinander. Uppige Schmarotzer mit großen Blättern wuchern zwiſchen den weitaus— ladenden Aſten. Engverſchlungenes Unterholz macht den Wald zu einem undurchdringlichen Dickicht. Die Sonne wirft helle Lichter auf das glänzende Laub der hohen Bäume. Prächtig winken die roten, gelben und weißen Blüten der Tulpenbäume zu uns herüber, und fröhlich fahren wir in die tropiſche Pracht hinein. Wir paſſieren viele Stationen mit fremdklingenden Namen. Ab und zu ſehen wir in einer Waldlichtung die rauchſchwarzen Hüttlein einer menjch- lichen Anſiedlung. Hinter ſchützenden Bananenſtauden verborgen gucken Eingeborene, halb neugierig, halb ängſtlich hervor und hin— über zum fauchenden Ungetüm, das Waren und Menſchen mit ſich führt. Einmal, bei einem Halt, ſehen wir ein wundervolles Bildchen. Eine hochrote Narziſſe ſteht da und hebt ſich leuchtend ab vom ſaftig— grünen Hintergrund. Da, leiſe ſich wiegend, ſchaukelt aus dem Waldinnern ein Schmetterling auf die ſchimmernde Blume zu. Wie Mondſchein iſt ſeine Farbe, wie ein Hauch ſeine Bewegung. Lange ſchwebt er wie ein blauweißes Flämmchen über der leuchtenden Blume des Urwaldes. Die Bahn fährt über ſchwindelnd hohe Brücken, und unter uns ſtürzen rauſchende Waſſer zu Tale; über blitzende Sümpfe iſt kunſtvoll das Geleiſe gelegt, und Waſſerroſen, von ſchwirrenden Libellen umgaukelt, grüßen zu uns herüber. Wir fahren ſteilen, unbewaldeten Bergen entlang, und man wähnt ſich für Augenblicke in der Heimat. Und dann fährt der Zug endlich in den Bahnhof von Nkongſamba ein, und wir verlaſſen den Wagen mit dem Bewußtſein, daß wir nun für lange Zeit keine Bahn mehr ſehen werden. In Nkongſamba finden wir unſere Träger und Reit⸗ tiere, die man uns aus dem Innern entgegengeſchickt hat, und die

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nun unſere Habſeligkeiten und uns felbft ins Grasland hinauf tragen ſollen. |

Eine Reife ins Innere von Kamerun iſt eine recht umſtänd⸗ liche Sache, und wer ein verwöhntes oder ein ängſtliches Menſchen⸗ kind iſt, wird daran nicht viel Vergnügen finden, ſondern ſich über viel zu beſchweren haben. Bevor man eine ſolche Reiſe antritt, muß man an vielerlei denken. Vor allem darf man nichts von dem vergeſſen, was man zum Leben unumgänglich braucht, denn unter⸗ wegs paſſiert man keine Städte, wo ſich Laden an Laden reiht, nicht einmal Dörfer mit „Handlungen“, in denen alles zu haben iſt. Man nimmt ſein Bett, Koch- und Eßgeſchirr mit, Proviant und Kleider für etwa zehn Tage. Man muß an Krankheiten und Verletzungen denken, und Medizinen und Verbandſtoff mit ſich führen. Schnell bricht in Kamerun die Nacht herein, und man braucht eine Laterne, aber dann ja das Petroleum und die Streich⸗ hölzer nicht vergeſſen! Ab und zu bleibt man auch an einem Strauch hängen und richtet ſein Reiſekleid übel zu; darum darf man das Mähzeug nicht fo verpacken, daß man es nicht mehr findet. Unſere zahlreichen Träger gehen noch einmal ſo raſch, wenn ſie unterwegs ein Pfeiflein rauchen dürfen. Darum tut jeder Reiſende gut, wenn er ein gehöriges Quantum Tabak und weiße Tonpfeifchen mit ſich nimmt, die oft Wunder wirken und den todmüden Mann zum flinken Läufer machen. Aber man darf ſich auf einer ſolchen Reiſe auch nicht über alles ärgern. Das iſt freilich manchmal eine ſchwere Kunſt, aber wenn man ſie erlernt hat, reiſt man noch einmal ſo leicht. Man darf ſich nicht ärgern, wenn einem des Nachts der Regen durchs ſchlechte Grasdach aufs Bett tropft. Man ſpannt dann eben ſein großes Regendach auf, oder rückt das Feldbett an eine ſichere Stelle. Man muß es auch lernen, kühl zu bleiben, wenn das Feldbett, in der Eile ſchlecht aufgeſchlagen,

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mitten in der Nacht zuſammenkracht, und man aus ſüßen Träumen aufgeſchreckt wird und mit dem harten Lehmboden des Unter— kunftshauſes unliebſame Bekanntſchaft macht. Endlich kommt dann der Tag, und der Reiſende wappne ſich mit Geduld gegen alle die Argerniſſe, die ihm von Trägern und Hausbuben in ausgiebiger Weiſe bereitet werden. Dort zanken ſich zwei Träger um eine Laſt. Sie iſt vielleicht um ein Pfündlein leichter, oder um zehn Zentimeter kürzer als eine andere, und jeder der beiden Männer möchte ſie für ſich haben, und deswegen geraten ſie ſich in die Haare. Und drüben beim Haus, das für dieſe Nacht als Pferdeſtall gedient hat, ſtehen die Pferdejungen, müßig und faul, und kein Pferd iſt geſattelt und in fünf Minuten ſoll Aufbruch ſein. Und der Häuptling, in deſſen Dorf wir übernachtet haben, kommt noch angerannt, zählt an den Fingern her, was wir an Lebensmitteln alles gebraucht haben, und will außer der üblichen Bezahlung noch ein feines Ge— ſchenk. Alle dieſe kleinen Zwiſchenfälle halten auf. Aber auch ängſtlich darf man nicht ſein, denn es kommt nicht ſelten vor, daß einem des Nachts ein erſchrecktes Mäuslein übers Geſicht ſpringt. Mäuſe und Ratten ſind ja in Kamerun echte und rechte Haus— tierchen. Aber wenn beim erſten Morgengrauen eine fliehende An— tilope durchs Unterkunftsdorf raſt, und ihr ein mächtiger Leopard auf dem Fuße folgt, dann kann einem das Blut in den Adern erſtarren und man leidet mit der Kreatur, die ſo dem Starken zum Opfer fällt. Oft fällt es auch dem gutgenährten Reittier ein, auf ebenem Wege einen fröhlichen Galopp anzuſchlagen. Wehe dann dem Reiter, wenn er des Reitens noch ungewohnt, die Zügel fahren läßt und dem Pferdchen nicht zeigen kann, wer Meiſter iſt.

Nun die Landreiſe ſelbſt. Ein Tag gleicht dem andern. Jeden Morgen brechen wir früh um 5 Uhr auf. Gewöhnlich ſchicken wir die Träger, deren Laſten für die Reiſe entbehrliche Sachen enthalten,

voraus und behalten nur diejenigen mit uns, die unſere Betten, Eßkiſten, Geſchirrkiſten und Kleiderkoffer tragen. Pferdejungen und Hausbuben bleiben natürlich auch in erreichbarer Nähe. Gerne geht man am frühen Morgen ein bis zwei Stunden zu Fuß, denn es iſt empfindlich kalt, und naſſe Nebel hängen ſich ins Haar und in die Kleider. Nach zweiſtündigem, ſtrammem Marſche erreichen wir das erſte Raſthaus. Dieſes iſt ein Gehöfte, wie ſie an den meiſten Regierungsſtraßen in Kamerun zu finden ſind. Die Re⸗ gierung erſtellt ſie in Abſtänden von zwei bis drei Stunden. Dieſe Gehöfte find alle ähnlich gebaut. Ein großes Europäerhaus mit zwei bis drei Räumen und einer breiten Halle ſteht am Ende eines langen Hofes, der rings von Trägerhäuſern eingeſchloſſen iſt. Dieſe Trägerhütten ſind äußerſt primitiv. Da iſt weiter nichts zu ſehen als die kahlen Wände und mitten auf dem Boden drei ziemlich große Steine, die als Herd dienen. Im erſten Raſthaus machen wir nur kurzen Halt, füttern und tränken die Pferde, laſſen die Träger ein wenig ruhen und genießen eine Kleinigkeit. Bald geht's dann weiter ins Land hinein. Die Sonne ſcheint warm, und man iſt froh, daß man das gute und getreue Rößlein zur Verfügung hat. Am frühen Morgen haben unſere Träger noch ab und zu laut und fröhlich geſungen, jetzt, da es auf den Mittag geht und die Hitze drückend wird, werden alle, Reiſende und Träger, recht ſtill, und langſam und ſchleppend kommt man vor- wärts. Froh und dankbar ſind wir, wenn uns der Wald in ſeine ſchattige Kühle aufnimmt, und wenn ein Waſſerfall, unter deſſen ſtäubendem Sprühregen wir auf ſchmaler Brücke durchſchlüpfen, uns ſeine erfriſchenden Grüße zuſendet. Wir treffen nur wenig Menſchen; ab und zu einen Regierungsboten, der mit Speeren bewaffnet, raſch an uns vorübereilt; ab und zu eine Trägerkolonne, die zum Endpunkt der Bahn geht, um Laſten zu holen, und deren

Führer unaufgefordert dem Miffionar feinen Ausweis zeigt. Dann und wann begegnen wir auch Arbeitern, die, von der Regierung beauftragt, mit langen, ungefügen Meſſern die Wege ſäubern. Im tropiſchen Klima wird das oft nötig, da Unkraut und Geſtrüpp ſehr ſchnell wachſen.

Wir reiſen jeden Tag ſechs bis ſieben Stunden. Wir müſſen eben Rückſicht auf unſere Träger nehmen, denn wenn dieſe ſechs Stunden lang ihre ſchweren Laſten getragen haben, ſo ſind ſie reichlich müde. Auch wir ſind froh, wenn wir im Lauf des Nachmittags das Unterkunftsgehöfte erreichen. Mit einem Seufzer der Erleichterung legen unſere Träger ihre Laſten in der Halle des Europäerhauſes nieder. Fröhlich wiehern die müden Pferde, die nun abgeſattelt werden und ſich voll Behagen im Staube wälzen. Und nun hebt im Unterkunftsdorf ein reges Leben an. Die Träger ſammeln im nahen Buſch Holz für die Zubereitung ihrer einfachen Speiſen. Andere gehen zu erfriſchendem Bade zum nahen Bach und bringen dann gleich das nötige Waſſer zum Kochen mit. Unſere Pferdejungen gehen, um Gras für die Pferde zu ſchlagen, und die Hausbuben mühen ſich ab, mit feuchtem Holz ein Feuerlein anzufachen, damit wir unſern Tee brauen können. Wir Europäer ſehen uns unterdeſſen im „Palaſt“ um: die Halle machen wir zu unſerm Speiſeſaal und in den beiden andern Räumen ſtellen wir unſere Feldbetten auf. Die Schiffskoffer, die bei den Mahlzeiten aufeinander geſtellt, als Tiſch dienen, funktionieren auch als Waſchtiſch und als Stühle. Nach und nach kommen unſere Träger von ihren verſchiedenen Gängen zurück, und bald kniſtern in allen Trägerhütten die Feuer, und ſchwatzende und lachende Menſchen ſitzen darum herum und laſſen ſich nach ſchwerem Tagewerk ihre Maiskolben, Erdnüſſe und Nährbananen königlich munden. Ein Feſttag iſt's für unſere

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Leute, wenn ein Europäer, der mit der Flinte umzugehen weiß, einen Vogel, einen Affen oder eine Antilope erlegt hat. Wenn das Fleiſch verteilt wird, ſtrecken die Träger gierig die Hände nach dem für ſie beſtimmten Stück, und die ſchwarzen Augen

Raſt im Walde.

funkeln vor Freude über den unerwarteten Leckerbiſſen. Sobald es dunkel iſt, ſucht die müde Reiſegeſellſchaft die Ruhe auf. Nach und nach verlöſchen die Feuer, nach und nach verſtummt das Plaudern und das Lachen der Träger. Neben der verglimmenden Glut ſtrecken ſich die Müden auf den Lehmboden aus, hüllen ſich vielleicht noch, zum

Schutz gegen die Kälte der Nacht, in eine alte, verſchliſſene Pferde— decke, und bald liegen ſie in tiefem Schlaf. Wir Europäer machen noch eine Runde durch das Gehöfte, gucken in die Häuſer der Träger hinein und ſchauen nach den Pferden, die mit zufriedenem Wiehern den Beſuch ihrer Reiter begrüßen, oder auch, auf der Erde feſt ſchla— fend, unſere Inſpektion gar nicht beachten. Dann, wenn alles ſtill und in Ordnung ift, ſitzen wir beim Schein einer rauchenden Stallaterne noch eine Viertelſtunde beiſammen, danken dem treuen Gott für ſeine gnädige Bewahrung in den mancherlei Gefahren der Reiſe, bitten um Schutz für die Nacht, und bald hat erquickender Schlaf auch uns feſt in ſeine Arme genommen.

Nach drei ſtrammen Marſchtagen erreichen wir die hochge— legene Militärſtation Dſchang. Den kühlen Wald haben wir weit zurückgelaſſen und wandern jetzt im Grasland. So weit das Auge reicht, auf Höhen und in Tälern, an Abhängen und in Ebenen iſt nur Gras zu ſehen. Aber nicht das feine, zarte, ſaftiggrüne Gras der heimatlichen Wieſen, ſondern ein zähes, dick— ſtieliges, rauhblättriges Gras, das gewöhnlich mannshoch iſt, und ſogar manchmal eine Höhe von 4—6 Meter erreicht. Nur ſelten erblickt man am Rande dieſes unendlichen Grasmeeres ein verkommenes Blümlein von blaßem Gelb oder von mattem Lila; aber oft fliegt vor dem Reiſenden ein erſchreckter Vogel auf, um in dem wallenden Meer von Gras beruhigt unterzu— tauchen; oder man hört den bellenden Ruf einer großen Antilope und ſieht auf dem Wege die mächtigen Fußſpuren von Elefanten, die das hohe Gras zu ihrem Revier erkoren haben. An den zahl— reichen Waſſerläufen haben ſich die letzten Urwaldrieſen freilich nicht vertreiben laſſen, und man freut ſich, daß man an Flüſſen und Strömen noch einige ſchattenſpendende Bäume findet.

Das Überfchreiten der Gewäſſer macht immer einige Schwierig—

keiten, weniger für die Träger und für die Europäer, als für unſere waſſerſcheuen Pferde. Iſt über einen Fluß eine Hänge⸗ brücke an zwei ſtarken Bäumen angebracht, ſo marſchiert man in dem ſchwanken Steg wie in einer engmafchigen Hängematte ans jenſeitige Ufer. Für die Tiere freilich führt der Weg nur durchs Waſſer. Da wird dem Pferd ein Seil, das länger iſt, als der Fluß breit, um den Hals gebunden. Ein Eingeborener, des Schwim⸗ mens kundig, faßt das Seilende mit den Zähnen und ſchwimmt hinüber. Nun zieht er mit aller Kraft an dem Seil, daß das ſich ſträubende Pferd, von einem Knechtlein noch geſtoßen, hinein muß in die Flut. Es geht immer ein erlöſendes Aufatmen durch den ganzen Zug, wenn vom Troß niemand mehr ſich an dem jen⸗ ſeitigen Ufer befindet. |

Endlich, nach acht langen Reiſetagen, gelangen wir an die Grenze des Bamumlandes. Dieſe Grenze wird durch einen mäch— tigen Strom, den Nun, gebildet, und wir freuen uns auf den folgenden Tag, der uns hinüber, ins Land unſerer Beſtimmung bringen ſoll. Dichter Nebel liegt am folgenden Morgen über dem Strom, und es ift empfindlich kalt. Auf unſern Ruf, der mehr- fach ungehört verhallt, kommen endlich Männer mit Flößen heran. Kunſtvoll ſind die Fahrzeuge aus Schichten von Palmrippen zu⸗ ſammengefügt und leicht gleiten ſie über das ſtill dahinfließende Waſſer. Jetzt verteilt ſich der Nebel, leuchtend bricht die liebe Sonne durch den dichten Schleier, und jetzt find wir auf Ba— mums Erde. Noch zwei Tage haben wir zu reiſen, bis wir in der Haupt⸗ und Reſidenzſtadt Fumban ankommen; zwei Tage, die durch öde, unbewohnte Gegenden führen und gar nichts Inter— eſſantes bieten. Doch, im letzten Raſthaus, der Abend ſenkt ſich ſchon hernieder, heißt uns ein ſchwatzendes Schwirren hoch in der Luft die Augen nach oben richten. Da zieht ein Schwalbenzug;

ein Gruß aus der Heimat. Dort iſt's jetzt Herbſt, und die kleinen Sommergäſte verlaſſen die unwirtlichen Gegenden Europas und ſuchen den warmen Süden auf. Sind ſie wohl über unſere Stadt, wohl übers Elternhaus geflogen und haben hinuntergeſehen ins Gärtlein hinterm Haus? Ganz warm wird's uns ums Herz, und wir verfolgen mit feuchtem Blick den Vogelzug, bis dieſer im Dämmer des Abends verſchwindet.

Der letzte Reiſetag ſtellt uns einen Berg von gewaltiger Höhe in den Weg. Wie ein Wandern auf den freien Bergen der lieben Heimat mutet es den Reiſenden an, wenn er auf ſchmalem Zick⸗Zack⸗Wege den Gipfel erklimmt. Links rauſcht ein Waſſer— fall, und rechts ſenkt ſich das Gelände tief hinab zur grasbewach— ſenen Ebene. Kalt bläſt der Wind auf der Paßhöhe, wo wir kurze Raſt machen und ſcharfen Auslug halten. Zu unſern Füßen liegt welliges Hügelland, und fern im Norden zeichnen ſich lange Baumreihen ſchwarz vom blaſſen Horizont ab. Dieſe Baum— reihen behalten wir im Auge, denn es ſind die Drazänen, die auf der verfallenden Stadtmauer der alten Königsſtadt Fumban üppig wuchern. Noch fünf Stunden anſtrengenden Marſches, und wir ſind daheim. Wir ſchreiten rüſtig aus, laſſen die Träger und den Troß zurück und machen kaum mehr einen Halt. Unabläſſig führt der Weg durch Täler und über ſteinige Hügel; aber endlich iſt die letzte Höhe erklommen und einige hundert Meter vor uns liegt das Stadttor. Durch die Bäume und durchs Gebüſch ſchimmern helle Kleider und viele junge Kehlen ſingen das Lied: „Befiehl du deine Wege.“ Das iſt der Willkommgruß der eingeborenen Schülerinnen, die am Stadttor ihre zukünftige Lehrerin erwarten. Und nun gibt's ein Händeſchütteln und ein Fragen und ein Staunen. Fremde Laute klingen ans Ohr und viele dunkle Augen liegen fragend und forſchend auf dem Antlitz der weißen Frau. Wie

froh und dankbar ift diefe für alle gnädige Bewahrung während der langen Reiſe und für alles Schöne, das ſie unterwegs genoſſen hat. Und dann geht's der neuen Heimat zu.

Mbam.

2. Kapitel.

Land und Leute von Bamum.

| Von der hochgelegenen Miſſionsſtation in Fumban hat man alle die fremdartigen Reize einer Graslandgegend und einer Gras— landſtadt vor ſich. Im Norden, Oſten und Weſten iſt der Blick bald gehemmt durch hohe Berge, die wie ſchützende Wächter um die große Königsſtadt gelagert ſind. Nach Süden öffnet ſich das Land und gewährt einen freien Blick in die grasbewachſenen Ebenen und auf welliges Hügelland, das ganz fern am Horizont in ein mächtiges Gebirge übergeht, deſſen ſpitze Felszacken an hellen Aben⸗ den zu uns herüberwinken, wie die lichtübergoſſenen Bergſpitzen der Heimat. Und zu unſern Füßen liegt friedlich die Stadt mit ihren vielen Gehöften, ihren leuchtenden Bananenhainen, ihren Far⸗ men und Maispflanzungen. Die große Stadt, die 18 000 Ein- wohner zählen ſoll, liegt ungefähr in der Mitte des Landes. Dieſes iſt ſüdlich vom Nun begrenzt, den wir vor einigen Tagen überſchritten haben; die nördliche Grenze bildet der Mbam, ein majeſtätiſcher Strom, der an mancher Stelle an den ſchönen Rhein erinnert. Fumban iſt von drei tiefen Gräben umzogen. Der erſte liegt unmittelbar um die Stadt, der zweite eine halbe und der dritte eine Stunde davon entfernt. Zwiſchen dem erſten und zweiten Graben ſind ſogenannte Wolfsgruben, Gräben von beträchtlicher Tiefe, die das Gelände kreuz und quer durchſchneiden und den Zugang zur Stadt ſchwierig machen können. Über dem innerſten

Wuhrmann, Im Grasland von Kamerun. 2

Graben erhebt ſich noch heute eine niedere Lehmmauer mit Schieß⸗ ſcharten und kleinen, vorgebauten Wachttürmen. Freilich iſt nun das alles im Verfall und nur noch ein Denkmal vergangener Zeiten. Die Stadtgräben ſind von Geſtrüpp überwuchert und ein feines Jagdrevier für den Bamummann, denn Hyänen und Leo⸗ parde haben die verlaſſenen Gräben zu ihrem Zuchfluchtsort gemacht. Die Stadtmauer, die einmal mit ſoviel Mühe von Tauſenden von Sklaven aufgebaut wurde, ſinkt müde in ſich zuſammen, wie ein Turmwächter, der lange ſchon vergeblich nach den Feinden Aus⸗ ſchau gehalten hat. Aber früher waren alle dieſe Mauern, Gräben und Gruben höchſt nötig, denn viele Feinde bedrohten die Stadt. Viele gelüſtete nach ihrem Reichtum, aber auch der durch die jetzigen Beſitzer vertriebene Stamm ſehnte ſich zurück in ſeine alte fruchtbare Heimat. Doch nachdem die deutſche Regierung über Kamerun ein Szepter des Friedens ſtreckte, hörte das Kriegsgeheul der Neger auf, und keine giftgetränkten Pfeile ſchwirrten mehr durch die Luft. Die Wolfsgruben, die ſonſt mit vergifteten Speerſpitzen geſpickt waren, ſind zum beliebten Tummelplatz unſerer braunen Jungen geworden, die da fein Verſteckens ſpielen können und daneben noch Jagd auf allerlei kleines Getier machen.

Jetzt bietet die Stadt ein ungemein friedliches Bild. Die

Haupt: und Regierungsſtraße führt uns an vielen Gehöften und Gehöftlein vorbei, die in ihren Maispflanzungen und Bananen⸗ hainen, oder unter rauſchenden Palmen wie im Paradieſe ſtehen. Der Neger hat freilich kein Auge dafür, ob die Lage ſeines Ge— höftes ſchön ſei oder nicht, und wenn man ſeinen Wohnort der ſchönen Lage wegen rühmt, dann bekommt man etwa zur Antwort: „Nein, das iſt ein häßlicher Platz, auf dem ich wohne, mein Mais wird lange nicht ſo ſchön, wie der meines Nachbars.“ Alle Täler unſerer Stadt, und es ſind deren viele, ſind von

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größern oder kleinern Waſſerläufen durchzogen. An ihren ſeichten Ufern ſteht die ſchaftloſe Raphiapalme in großen Mengen. Dieſe Palme iſt für unſere Schwarzen unentbehrlich. Sie liefert das

nötige Material zum Hausbau und aus der Blattrippe werden die meiſten Geräte hergeſtellt. Der Bedarf iſt freilich in dieſer

Haus eines Vornehmen.

Hinſicht kein übermäßig großer. Weil ſich an den ſumpfigen Ufern der Flüſſe die Stechmücken, dieſe Quälgeiſter der Menſch⸗ heit, anſiedeln, darum bauen die Bamum ihre Wohnungen hinauf auf die Höhen, wo das Waſſer ſchnell abläuft und das Ungeziefer keine Brutſtätten hat. Die Gehöfte in Bamum ſehen ſich recht ähnlich, von dem des mächtigen Häuptlings bis hinunter zum Be— ſitztum des kleinen Mannes. Die Anlage iſt dieſelbe: das Herren— haus, am Ende eines breiten Hofes, beherrſcht die ganze Nieder—

laſſung, und die Frauenhäuſer, je nach der Anzahl der Frauen, mehr oder weniger, ſtehen zu beiden Seiten des Hofes in gerader Reihe. Das Herrenhaus hat drei Räume, einen „Speiſeſaal“, ein Schlafgemach und ein Badezimmer. Das Frauenhaus hat nur einen Raum, in welchem die Mutter mit ihren Kindern und Mäg⸗ den, und mit Hühnern, Ziegen und Hunden in ſchönſter Eintracht zuſammenwohnt. Jedes Haus hat nur eine kleine Türöffnung, nicht einmal einen Abzug für den Rauch. Die Leute unſerer Stadt lieben in ihrem Leben und in ihren Wohnungen eben immer noch die Finſternis mehr denn das Licht.

In Fumban iſt nicht nur jeder ſeines Glückes Schmied, ſon⸗ dern auch der Erbauer ſeiner Wohnſtätte, und auch die Frauen haben einen großen Anteil bei der Entſtehung eines Gehöftes. Aus den langen Rippen der Raphiapalme wird das Hausgerippe kunſt⸗ voll gefügt. Die nötigen Mägel ſchnitzt ſich der Bamummann aus Holz ſo, wie er ſie gerade braucht, und die Wände bindet er mit langen, ſchmalen, abgeſchälten Rindenſtreifen der Palmrippe zuſammen. Ein ſchweres Grasdach krönt den hübſchen Bau, und nun kommen die Frauen, bewerfen das Gerippe mit naſſem Lehm und ſtreichen ihn glatt. Mitten ins neue Haus hinein kommt noch die Feuerſtelle aus Lehm. Sie iſt etwa 40 em hoch und 150 cm lang. Ein ſtarkes Feuer wird mehrere Tage im neuen Haus unter- halten, Lehmwände, Feuerſtelle und der feſtgeklopfte Lehmboden trock— nen raſch, und nun kann das neue Haus „geheiratet“ werden. Das iſt immer ein großes Feſt. Viele Freunde werden zum Einweihungs— ſchmaus geladen, und ſie kommen nicht mit leeren Händen. Sie bringen allerlei Gutes und Mützliches: Stühle aus Palmrippen, Trinkhörner, Waſſergefäße, Kürbisflaſchen liegen in trautem Still— leben neben Tabak, Bananen, Mais und Kolanüſſen. Meckernde Ziegen und kreiſchende Hühner machen ſich die ausgeſtreuten Mais—

körner ftreitig, und die Feſtverſammlung tut fich unterdeffen am Palmwein gütlich, der in Strömen fließt. Man bewundert dabei pflichtſchuldigſt das neue Haus, rühmt die glattgeſtrichenen Wände und die ſchöne Feuerſtelle, ſchaut bewundernd auf zum ſchweren Grasdach und kann ſich nicht genug tun in anerkennenden Worten.

Unſer Volk iſt ein äußerſt wohlgebildeter Menſchenſchlag. Früher, ſo geht noch die Rede, ſeien die Bamum ein Geſchlecht von Rieſen geweſen, mächtig und ſiegreich im Streit mit allen umliegen— den Völkerſtämmen. Wir lächeln über dieſe Behauptung, doch wir müſſen zugeben, daß noch jetzt manches unter unſerm Stamm „rieſenhaft“ iſt. Da iſt einmal ein unbegrenzter Nationalſtolz. Alles, was jenſeits der Stammesgrenze liegt, wird mit Verachtung behandelt; alles, was von „draußen“ kommt, iſt nicht wert, vom ſtammreinen Bamum beachtet zu werden. Selbſt die Miſſionare, ſolange ſie die Sprache noch nicht können, ſind nicht vollwertig, und das größte Lob, das einem zuteil werden kann, iſt: „Nun biſt du ein rechter Bamummann, eine rechte Bamumfrau, denn du ſprichſt unſere Sprache, als ſeieſt du hier geboren.“ Dann finden wir, beſonders bei den Vornehmen, Männern und Frauen, eine „rieſige“ Gemütlichkeit, die ſich bis zur Faulheit ſteigert. Das Wort: „Zeit iſt Geld“, kennt der Bamum nicht. Und er iſt höchſt erſtaunt, wenn er ſieht, daß ſich der Europäer auf feinen Gängen oder bei ſeiner Arbeit beeilt. Dann kommt etwa die verwunderte Frage: „Biſt du ein Bote des Königs, daß du ſo ſpringſt?“ Gemütlich, gravitätiſch und ohne Eile ſchlendert der Bamum ſeines Weges. Den feinen, braunen Kopf trägt er recht hoch und voll Selbſtbewußtſein blickt er um ſich. Ein weißer Turban legt ſich in vielen Windungen um den Kopf des vor— nehmen Mannes, und ein langes, weites Gewand, das bis auf die Füße hinunter reicht, hüllt den wohlgebildeten Körper ein. Der

Reiche geht nie allein aus, er hat immer ein kleines Gefolge bei ſich, das ihm die Speere, die Tabakspfeife und die große Kuh⸗ haut nachtragen muß. Dieſe letztere braucht er als Stuhl, überall wo er ſich niederlaſſen will, ſei es im Gehöfte eines Freundes, in der Vorhalle des Häuptlingshofes, oder am Wegrand, wo der Herr, vom langen Marſch ermüdet, ſich niederläßt. Die Leute, die den Herrn begleiten, ſind Sklaven. Sie haben oft ein wenig beneidenswertes Los, ſie ſind die Arbeitstiere ihrer Herren und werden oft auch nicht beſſer behandelt, als irgendein Stücklein Vieh, mit dem der Beſitzer willkürlich verfährt. Der Sklave kann von ſeinem Herrn geſchlagen, verſchenkt oder verkauft werden, er kann, wenn er es recht verſteht, ſich aber auch die Gunft, feines Meiſters erwerben und zu Wohlſtand, Beſitz und Familie gelangen. Es gibt Sklaven, die haben zehn und mehr Frauen, wohnen in hübſchen Gehöften und bebauen ihre ausgedehnten Acker mit Hilfe anderer Sklaven ihres Herrn. |

Der freie Herr, der feine Sklaven alle verkauft hat, oder aus irgendeinem andern Grunde keine mehr hat, macht ſeine Frauen zum Arbeitstier. Er ſelbſt überanſtrengt ſich nicht. Er beanſprucht für ſich die leichten und angenehmen Geſchäfte und lädt, was ihn ermüden könnte, auf die ſchwachen Frauen ab. Sein ſchönſtes Vergnügen iſt die Jagd. Die findet während der Trockenzeit ſtatt. Da iſt das hohe Gras dürr und man rückt ihm mit Feuer zu Leibe. Wunder⸗ ſchön ſind die Grasbrände, denen in kurzer Zeit große Strecken zum Opfer fallen. Das erſchreckte Wild flieht in hellen Scharen aus dem lodernden Feuermeer, um einer neuen Gefahr in die Arme zu laufen, denn die Jäger ſtehen am einzigen Ausgang mit vergifteten Speeren und Pfeilen bewaffnet, und ganze Rudel von Antilopen und Büffeln werden auf dieſe Weiſe zur Strecke gebracht. Das Fleiſch wird teils friſch genoſſen, teils über dem offenen Herdfeuer geräuchert,

bis es einem ſchwarzen unanſehnlichen Klumpen gleicht. So ge dörrt, iſt es viele Jahre hindurch haltbar.

Auf der Büffeljagd.

Iſt der Mann zu Hauſe, ſo wird ihm die Zeit nie lang, trotzdem er ſelten etwas tut. Stundenlang kann er vor ſeinem Hauſe ſitzen und zuſehen wie ſeine Sprößlinge ſpielen oder ſich zanken, und wie ſich ſeine Frauen mit ſchwerer Arbeit abmühen.

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Ab und zu tut er einen tiefen Zug aus feinem mit Palmwein gefüllten Kuhhorn, das er wie ein koſtbares Kleinod zwiſchen den Fäuſten hält, oder er befiehlt, die lange Tonpfeife zu bringen und qualmt ein Weilchen drauflos. Dann und wann unternimmt er einen Gang in die Stadt, beſucht einen Freund, oder geht, um den König zu grüßen. Wenn ihn die Luſt anwandelt, etwas zu tun, ſo holt er ſein Nähzeug hervor, und man ſieht ihn gebeugt über ſeiner Arbeit ſitzen. Er kommt ſich überaus wichtig vor, wenn er für ſich ein Beinkleid oder für eine ſeiner Frauen ein Tuch zuſammennäht. Die Arbeit geht raſch von ſtatten, denn er macht lange Stiche. Gerne ſitzen befreundete Herren zuſammen, be⸗ richten allerlei aus vergangenen Zeiten oder verkürzen ſich die Abende mit Märchenerzählen. Viele dieſer Märchen find recht ſinnreich und machen auch dem Europäer Freude. Hier zwei Beiſpiele:

Gott und der Tod.

Als Gott die Menſchen erſchaffen hatte, waren ſie alle ge— ſund und ſtark und ſchön. Gott konnte es nicht begreifen, daß viele von ihnen plötzlich kalt und leblos dalagen und nicht mehr eſſen und reden konnten. Da traf er eines Tages den Tod an. Er kannte ihn nicht, aber er fragte ihn: „Biſt du es, der meine ſchönen Menſchen kalt und leblos macht?“ Der Tod antwortete: „Wenn Gott mit mir an die große Straße kommt, ſo will ich ihm zeigen, daß ich nicht ſchuld bin am Tode der Menſchen, ſon— dern daß die Leute mich rufen.“ Gott willigte ſofort ein und ging mit dem blaſſen Tod an die große Straße. Der Tod verſteckte den Schöpfer hinter einem Bananenhain, ſetzte ſich an den Weg und wartete auf Menſchen. Da kam zuerſt ein altes, runzliges Weib— lein, das trug auf dem Kopf eine große Laſt Holz, war ſehr müde und konnte kaum noch gehen. Neben dem Tod legte es die Bürde

nieder und ſagte mit einem tiefen Seufzer: „Ach, wie ift doch das Leben ſo ſchwer!“ Kaum geſagt, war ſie tot, und der Tod

Alte Sklavin.

ſagte zu Gott: „Siehſt du nun, daß ſie mich gerufen hat?“ Wem das Leben zu ſchwer iſt, der möchte gerne ſterben. Dann kam ein alter, halbverhungerter Sklave, der voll Striemen und Wunden war und ſich kaum noch ſchleppen konnte. Er ſah den Tod, und in

der Meinung, diefer fer auch ein Menſch, fing er an, ihm fein Leid zu klagen. Zuletzt ſagte er ſeufzend: „Ach, die Toten haben es gut, und das Beſte wäre, ich wäre nie geboren.“ Sofort ſank auch er hin, tot und leblos, und Gott ging traurig hinweg, weil ſeine Menſchen den Tod riefen, der es doch mit keinem der Menſchen⸗ kinder gut meint, ſondern ſie im Totenreich noch mehr quält, als ſie hier gequält worden ſind. |

Kürbisſchale und Tongefäß.

Die Kürbisſchale und das Tongefäß hatten Freundſchaft ge— ſchloſſen. Eines Tages ſagte die Kürbisſchale: „Tongefäß, komm, begleite mich.“ Das Tongefäß ſagte: „Nein, es iſt ein Waſſer unter⸗ wegs, da kann ich nicht hinüber.“ Die Kürbisſchale ſagte: „Komm nur, ich helfe dir.“ So gingen die beiden miteinander und kamen zu einem Bach. Es hatte viel geregnet und das Waſſer war über die Ufer getreten. Da ſagte das Tongefäß: „Was ſoll ich nun machen?“ Die Kürbisſchale antwortete: „Sei nur zufrieden und ſetze dich auf meinen Rücken, ich trage dich.“ Das Tongefäß ſetzte ſich auf den Rücken der Kürbisſchale, dieſe ließ ſich ins Waſſer gleiten, ſchwamm und erreichte das andere Ufer. Als ſie drüben waren, fragte die Kürbisſchale: „Tongefäß, biſt du nun geſtorben?“ Das Tongefäß ſagte: „Nein,“ und die beiden gingen weiter. Da kamen ſie an einen Ort, wo ein Grasbrand war, und auf einmal waren ſie von allen Seiten vom Feuer umgeben. Das kam immer näher, und die Kürbisſchale fing an zu jammern und ſagte: „Ton⸗ gefäß, ich muß ſterben; was ſoll ich nur machen?“ Das Ton⸗ gefäß ſagte: „Kürbisſchale, haſt du mir nicht geholfen, als wir durch das Waſſer mußten, glaubſt du, ich wolle dich nun töten? Komm, krieche in mich hinein, ich decke dich zu, bis das Feuer vor— über iſt.“ Die Kürbisſchale kroch ins Tongefäß hinein, das Ton-

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gefäß deckte fie zu und das Feuer ging praſſelnd über das tönerne Gefäß hinweg. Als das Feuer tot war, ſagte das Gefäß zur Schale: „Kürbisſchale, biſt du nun geſtorben?“ Die Kürbisſchale ſagte: „Nein, ich habe vom Feuer nichts gemerkt.“ Wäre das Ton— gefäß ins Waſſer gefallen, ſo wäre es ertrunken. Wäre die Kürbis— ſchale ins Feuer gekommen, ſo wäre ſie verbrannt. Darum, wenn zwei Menſchen Freunde ſind, ſo müſſen ſie einander helfen.“

Angenehme Abwechslungen im täglichen Einerlei unſerer Ba— mumherren bieten die Mahlzeiten. Eigentlich ſind es deren täglich nur zwei; aber der Neger kann recht wohl den ganzen Tag eſſen, wenn er etwas hat, oder wenn er zu einem Schmaus gebeten wird. Die Hauptmahlzeit beſteht aus einem dicken Maisbrei, der, in Waſſer gekocht, ungeſalzen gegeſſen wird. Dazu kommt gewöhnlich noch ein Gericht aus Makaboblättern, das ähnlich wie Spinat zubereitet wird. Eine ſehr ſtark gepfefferte Brühe aus Palmöl macht aus der einfachen Speiſe ein lukulliſches Mahl, zwar nur für den Gaumen eines Negers. Kann irgendwo irgendein Stücklein Fleiſch aufgetrieben werden, und wäre es ſchon alt und übelriechend, ſo ſind unſere fleiſchgierigen Leutchen überglücklich. Der Herr des Gehöftes nimmt ſeine Mahlzeiten gewöhnlich allein ein, ab und zu dürfen ſeine Kinder und Sklaven mithalten, aber es wird ihnen dann beſonders ſerviert, und ſie dürfen nicht mit dem Vater aus einer Schüſſel eſſen. Vor Beginn der Mahlzeit wird ein Ge— fäß mit Waſſer herumgeboten, damit man ſich erſt tüchtig die Hände waſchen kann, denn in Bamum lebt man tatſächlich „von der Hand in den Mund“ und bedient ſich beim Eſſen keiner Geräte. Der dicke Maisbrei wird auf einem friſchen Bananenblatt ſerviert, das Gemüſe und die Pfefferbrühe im kleinen, rauchſchwarzen Ton— gefäß, in dem ſie zubereitet worden ſind. Beim Eſſen ſetzt man

ſich auf den Boden, der Herr auf feine Kuhhaut, die Kinder und Sklaven etwas abſeits im Schatten des Hauſes in den rötlichen Sand. Die Frauen nehmen ihre Mahlzeiten in ihren Hütten ein und zwar erſt, wenn der Herr der Schöpfung geſättigt iſt. Es iſt unglaublich, was für Mengen ſo ein geſunder Bamummann bewäl⸗ tigen kann. Ein Vetter unſeres Häuptlings war wegen ſeines guten Appetits ſprichwörtlich. Er konnte ohne Mühe auf einmal eine ganze Ziege aufeſſen und bekam deswegen von ſeinem königlichen Vetter den ſchönen Übernamen: „Leopard“.

Nicht jeder kann ſich zu ſeinen Mahlzeiten eine ganze Ziege erlauben, aber es gibt in Feld und Wald, zu Waſſer und zu Land noch genug Lebeweſen, die, geſotten oder gebraten, die einfache Mahlzeit reichlicher geſtalten. Beinahe alles, was da kreucht und fleucht, iſt für unſer Völklein ein Leckerbiſſen. Macht die Ameiſe ihren Brautflug, ſo wird ſie ſcharenweiſe abgefangen und bei lebendigem Leibe mit gutem Appetit verzehrt. Zirpt irgendwo, im Gras verborgen, fröhlich eine fette Grille, ſo wird fie bald von einem Bamumjungen aufgeſtöbert, gebraten und ver- ſpeiſt. Fliegen die großen Heuſchrecken ſchwirrend durch die Luft, ſo zieht er, mit kleinem Bogen und ſpitzen Pfeilen bewaffnet, auf Heuſchreckenjagd aus und bringt die noch lebende Beute, herzlos an einen Faden gereiht, fröhlich nach Hauſe. Raupen und Enger— linge ſind in ihren Verſtecken nicht ſicher, und dem jungen Vöglein droht von roher Knabenhand ein grauſamer Tod. Der Fiſchfang wird eifrig betrieben, und zwar von den Frauen. Ein gifthaltiges Blatt wird zu dieſem Zwecke getrocknet und zu Pulver verrieben. Dieſes Pulver wird aufs Waſſer geſtreut. Die Fiſchlein, die bis jetzt ſo froh im kühlen Naß ſich tummelten, werden von dem Pulver betäubt, ſchwimmen an die Oberfläche und können nun mühelos gefangen werden. Daß da natürlich auch ganz unbrauch⸗

bar kleine Fiſche ihr Leben laſſen müſſen, macht den Fiſcherinnen keine Gewiſſensbiſſe. Die Fiſche werden geräuchert und ſind ſo recht lange haltbar.

Manches harmloſe Tierlein genießt dann wieder göttliche Verehrung und wird geſchont und beinahe liebend gepflegt, oder dann auch wieder entſetzlich gefürchtet. Der kleine, unſchuldige Froſch iſt die Lieblingsgottheit der jungen Frau und bringt ihr den Kinderſegen ins Haus. Die große, behaarte Erdſpinne iſt der Prophet, der Zukünftiges vorausſagen kann; und feſt und zitternd glaubt der Bamum an das Orakel, das aus den Gängen der Spinne herausgeleſen wird. Das harmloſe Chamäleon, das keinem Menſchen ein Leid tun kann, wird wütend verfolgt, und wo es ſich blicken läßt, als Vorbote des Todes unbarmherzig umgebracht. Nur ſo entrinnt man dem Schickſal, das der Todesbote durch ſein Er— ſcheinen angeſagt hat.

So lebt das Bamumvolk dahin, dem Genuß ergeben und das Schwere mit einem traurigen Fatalismus über ſich ergehen laſſend. Das Sehnen nach Wahrheit und nach Göttlichem glimmt nur leiſe Hund ſchwach unter dem Schutt von viel Sünde und finſterm Heiden— tum. Aber wir Miffionsleute freuen uns doch herzlich, wenn wir von dieſem ſchwachen Glimmen etwas ſehen dürfen.

3. Kapitel.

Die Geſchichte der Könige von Bamum.

Ein lichter, lieber Frühlingstag war über der hochgelegenen Königsſtadt aufgegangen. Der König wurde von einer Erkun⸗ digungsreiſe durch ſein Land zurückerwartet, und die Kinder hatten gebeten, dem heimkehrenden Fürſten bis zum Stadttore entgegen⸗ gehen zu dürfen. Wir hatten das gerne erlaubt und waren dann ſelbſt ins Häuptlingsgehöfte gegangen, um den König zu grüßen. Er hatte von ſeiner langen Reiſe die beſte Laune mitgebracht und war erfreut, ein ſo reiches, fruchtbares und ſchönes Land zu beſitzen. Und Dankbarkeit gegen ſeine Ahnen ſtieg in ihm auf, Dankbarkeit dafür, daß ſie ihm dies ſchöne Land erworben hatten, in welchem er nun im Frieden die Früchte ihrer kriegeriſchen Arbeit genießt. Von all dem Schönen, das er zu erzählen wußte, ſpannen feine Fäden zurück ins graue Altertum, und Noͤzoja erzählte mit danf- barer Begeiſterung von den Vorfahren auf dem Königsthron. „Willſt du,“ ſo ſprach er gut gelaunt, „daß ich dir die Grabſtätte meiner Väter zeige?“ Natürlich war ich ſofort damit einverſtanden, mir die Königsgräber von Fumban anzuſehen. i

Der Häuptling felbft führt mich in einen kleinen Garten, dicht hinter der Audienzhalle, wo er gewöhnlich ſitzt. Er, der ſonſt niemals barfuß geht, läßt ſeine Sandalen draußen ſtehen, und er, der ſonſt niemals das Haupt entblößt, nimmt vor dem Eintritt in

den Garten feinen kunſtvoll aufgewundenen Turban ab. Ein Diener öffnet uns mit abgewandtem Antlitz die Pforte zu den ſtillen Wohnungen, und wir treten lautlos ein. Aus weichem, ſteinloſem Erdreich erheben ſich leuchtende Bananenſtauden. Ihre breiten, hell— grünen Blätter ſchimmern faſt durchſichtig in der Sonne und rauſchen leiſe und feierlich im leichten Frühlingswind. Große, un— ruhige Schattenflecken liegen zwiſchen hellen Lichtern auf dem weichen Grund. In langer Reihe ſtehen zwiſchen den Bananenſtauden 15 Baſaltſäulen, die Grabmäler der verſtorbenen Könige von Bamum. Die Säulen, die am weiteſten von der Eingangspforte entfernt ſtehen, find ganz verwittert und mit grünlich-grauem Moos, wie mit einem feinen Pelze überzogen. Nur wenig mehr ſchauen ſie über die Erde hervor, denn es ſind Jahrhunderte vergangen, ſeitdem ſie geſetzt wurden. Die jüngſte Säule iſt von allen noch die größte und ſteht nahe beim Eingang, nur wenige Meter hinter dem Stuhl, auf dem Ndͤzoja täglich ſitzt, Gericht hält und Recht ſpricht. Es iſt gerade ſo, als ob ſeine Vorfahren in aller Stille noch dabei ſein müßten, wenn Regierungsgeſchäfte erledigt werden. Am Fuß der letzten Säule liegen, außer einigen Speerſpitzen, eiſerne Handſchellen, und Ndͤzoja erzählt mir halblaut, daß dieſe Handſchellen einmal dazu dienten, einem gefangenen auswärtigen Häuptling auf der Reiſe ins finſtere Gefängnis nach Bamum die Hände zu binden. Die Grabſtätte der Bamumkönige hat etwas überaus Feierliches, bei— nahe Schauerliches. Tanzende Sonnenlichter hüpfen leuchtend von den moosbedeckten Steinen auf den dunkeln, feuchten Grund und erinnern an die wechſelvollen Schickſale der Fürſten, die hier ruhen. Die Blätter der Banane rauſchen leiſe ihr Lied vom Erſtehen und Vergehen, und die weiche Erde erzählt davon, wie in ihrem Schoße endlich alles zur Ruhe kommt, Haß und Ehrſucht, Macht und Würde, Krieg und Streit. Noͤzoja, der Häuptling, ſteht voll An—

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dacht vor den Gräbern ſeiner Ahnen, und erſt als wir wieder draußen ſind, erzählt er anregend und lebhaft von den Königen, die von Rifum kommen.

Rifum, die alte Stadt, liegt drei Tagereiſen nordweſtlich von Fumban und iſt jetzt ein beinahe unbekanntes Negerdorf. Einmal, vor vielen, vielen Jahren ſind aus Rifum drei Königsſöhne heimlich entflohen und haben ſich mit ihren Anhängern hin und her im Land neue Wohnſitze geſucht. Der eine von ihnen iſt der Ahne des Königshauſes von Bamum, ein mutiger, aber grauſamer Neger, deſſen Weg zum Königsthron von Fumban über viele Leichen und durch manch abgebranntes Dorf führte. Dieſer Mann hieß Nſa' re. Noch jetzt wird der Wanderſtab, mit dem er einſt über die Stammes⸗ grenze kam, ſorgſam aufbewahrt und nur am großen Erntefeſt darf ihn der König benützen. Noch jetzt liegt auf dem Marktplatz ein großer Stein, der als Ziel für einen Wettlauf geſetzt wurde, welchen Mſa're mit einem andern „Thronprätendenten“ machen mußte. Nſa're ging als Sieger aus dieſem Wettlauf hervor, und fo fiel ihm die Krone von Bamum zu. Als größtes Lob für dieſen erſten König erzählt die Königsgeſchichte, daß er 17 Fürſten „abbrannte“. Er ſelbſt ſtarb auf einer Reiſe, die er nach feiner Vaterſtadt Rifum unternommen hatte, um dort von ſeinen zurückgelaſſenen Habſelig⸗ keiten zu holen, was ihm lieb und unentbehrlich ſchien. Er wurde erkannt und fiel einem wohlgezielten Speerwurf zum Opfer. Einer ſeiner treuen Begleiter hieb dem erſchlagenen König das Haupt ab floh damit nach Bamum. Über dieſem beigeſetzten Königshaupte erhebt ſich die erſte Baſaltſäule. Dieſem erſten Bamumkönig folgte eine ganze Reihe von Fürſten, von denen die Geſchichte nichts zu berichten weiß, als daß ſie viele Grauſamkeiten verübten, und daß ſie das junge Königreich gegen zahlreiche feindliche Überfälle zu ſchützen hatten.

Daß auch ein Megerfürft im eigenen Haufe Schweres erleben kann, zeigt die traurige Geſchichte des Königs Mbuembue. Er war der Sohn eines Fürſten, deſſen Regierung ziemlich nichtsſagend geweſen ſein muß, denn die Geſchichte ſagt kurz und bündig von ihm: „Er hatte 400 Kinder und ſtarb. Mbuembue, ſein Sohn, wurde König.“ Das lange Leben dieſes Königs war ein beſtändiger Kampf mit äußern und innern Feinden. Gegen die Feinde, die von außen kamen, ſchützte er ſich, indem er rings um ſeine Stadt einen Graben zog, „der keinen Anfang und kein Ende“ hatte und wohl ſechs Meter tief war. Dieſes Unternehmen des intelligenten Fürſten verſetzte die umliegenden Feinde in Staunen, verſchaffte dem Bamumvolk großes Anſehen und der Stadt den Ruf, ſie ſei uneinnehmbar. Aber freilich gegen Aufruhr im Innern konnten Wall und Graben keinen Schutz gewähren. Der König hatte unvor— ſichtigerweiſe ſchon zu ſeinen Lebzeiten einen Sohn als Nachfolger beſtimmt, und das verdroß die Königsfrau Keti, die eines ihrer Kinder gerne einmal auf Bamums Perlenſtuhl geſehen hätte. Sie hatte keine Ruhe, bis der giftige Same ihres Haſſes in den Herzen vieler Königskinder aufgegangen war, und bis ſie einen Häuptlings— ſohn für ihre ehrgeizigen Pläne gewonnen hatte. Ntupu wurde das willige Werkzeug der grauſamen Frau. Ntupu nahm den Schaft einer Banane, wickelte ihn in weiße und gelbe Tücher, wie man es mit Toten macht, und ließ den Königskindern der Gegenpartei ſagen, ſein Kind ſei geſtorben und er erwarte alle Verwandten zur Totenklage. Ahnungslos begaben ſich die Geladenen ins „Sterbe— haus“, um ihr Beileid auszudrücken, und unbarmherzig wurden alle von den treuloſen Geſchwiſtern grauſam umgebracht. Nur drei kleine Königskinder, die zur Gegenpartei gezählt wurden, entrannen dem Blutbad, weil ſie an jenem Tag zu Beſuch bei Verwandten waren. Der alte König hörte das Kriegsgeſchrei und vernahm das

Wuhrmann, Im Grasland von Kamerun. 5

Ber re

Jammern der Sterbenden; er war aber krank und konnte nichts tun. Seine Hofwächter aber machten ſich auf, um die erſchlagenen Königskinder zu rächen. Keiner der Mörder entkam, auch die auf⸗ rühreriſche Königsfrau wurde getötet und ihr Haupt achtlos unter einen Torbogen geworfen. Nur Ntupu hatte fliehen können. Bei einem benachbarten Häuptling fand er Schutz vor der Rache des erzürnten Vaters. Aber ſein Aufenthalt wurde verraten, und der Häuptling, der den Aufrührer beherbergte, unter Androhung eines Krieges aufgefordert, den Brudermörder auszuliefern. Als Ge⸗ fangener kehrte Ntupu nach Fumban zurück, und anſtatt einer Krone erwartete ihn der Tod. Er wurde an der Stelle enthauptet, wo die Königskinder der Gegenpartei umgebracht worden waren. König Mbuembue war in wenigen Tagen zum „armen Mann“ geworden, denn er hatte nur noch drei Kinder. Er ſtarb an gebrochenem Herzen, und ſein kleiner Sohn Gbä'nkom wurde König. 5

Der Geiſt des Aufruhrs und der Unbotmäßigkeit hat in den Jahren nach dieſem grauſamen Prinzenmord noch manchen jungen König um Thron und Leben gebracht. Jahrelang ſaß auch ein geringer Sklave auf dem Stuhl des Häuptlings, und ſogar eine Frau ge- langte zur Häuptlingswürde. Schließlich wurde der intelligente Nſa'ngu König. Nſa'ngu, der „Regent der Stadt“ (fo heißt fein Name verdeutſcht), war ein Neffe des ſchwergeprüften Königs Mbuembue. Er ergriff die Zügel der Regierung feſt und energiſch und hob manchen Mißſtand, der unter den wechſelvollen Schickſalen der Regierung eingeriſſen war. Er baute das Gehöfte ſeines Onkels neu auf, denn der Sklavenkönig hatte es zerſtören laſſen, weil es ſich für einen Sklaven nicht ſchicke, im Hauſe der Könige zu wohnen. Nſa'ngu legte einen zweiten Graben rings um die Stadt und machte durch tiefe Wolfsgruben den Zugang zur hochgelegenen Feſte beinahe unmöglich. Er war ein ruheloſer Menſch und beſtändig

in Kämpfe mit umliegenden Stämmen verwickelt. Unter feiner Regierung kamen die Bamum in den Ruf, ein kriegeriſches Volk zu fein, und die vielen Siege, die Nſa'ngu zu verzeichnen hatte, zeugen dafür, daß die Bamumleute mutige Streiter waren. Mſa'ngu, der Häuptling, iſt vor ungefähr 35 Jahren im Krieg gegen die

Eingang zum Häuptlingshof.

Banſo' gefallen, und jener unheilvolle Tag hat 1500 Bamum— kriegern das Leben gekoſtet. Muß das damals ein grenzenloſer Jammer geweſen ſein, als ein Eilbote die Kunde von der ſchweren Niederlage in die Stadt brachte! Zwei Schweſtern des erſchlagenen Häuptlings und 70 Königsfrauen erhängten ſich an den Bäumen der alten Allee, die zum Palaſte führt. Die Mutter Nſa'ngus war über die Maßen betrübt, denn fie ahnte ſchweres Unheil. Mſa'ngu

—.' 30. ——

war noch ein junger Mann, als er im Kriege fiel, und wohl nur

flüchtig hatte er ab und zu an die Möglichkeit gedacht, jung ſterben

zu müſſen. Beim Auszug an jenem unheilvollen Tage hatte er angedeutet, daß, für den Fall, daß er umkomme, Nzoja, ſein kleines Söhnchen, als Erbe des Reiches eingeſetzt werden müſſe. Nzojas Mutter, Nzab ndu nke, war eine Lieblingsfrau des Häuptlings und ſtammte aus vornehmem Geſchlecht. Durch den frühen Tod ihres Mannes ließ ſie ſich nicht allzuſehr aus der Faſſung bringen, ſondern verwandte ihre große Energie darauf, den letzten Wünſchen des gefallenen Königs Geltung zu verſchaffen und ihren kleinen Sohn auf den Thron zu bringen. Dieſem Streben ſtanden die Wünſche mancher andern Königsfrau entgegen, die ihren Sohn auch eines Thrones und einer Krone wert hielt. Es entſpann ſich nun, wie ſchon ſo oft in Bamum, ein grauenvoller Bürgerkrieg, der lange dauerte und erſt endete, nachdem viel Blut gefloſſen war und der kleine Sohn der ehrſüchtigen Nzab ndu nke allgemein als Stammesoberhaupt anerkannt wurde. Nun erfaßte die Mutter die Zügel der Regierung für ihr unmündiges Kind und ihre harte Hand lag ſchwer auf dem Land. Ihre Schwiegermutter, die Mutter des gefallenen Häuptlings, war ihren Plänen täglich hinderlich, und als ſie einmal an Stelle ihres unmündigen Sohnes „Herr im Lande“ war, da ließ ſie die alte Frau auf ſchlaue und grauſame Weiſe beſeitigen. Sie ſchickte ihr zwei Königsboten mit einer Schüſſel Maisbrei. In dem dicken Brei ſteckten zwei Löffel, hergeſtellt aus einer Kürbisſchale, die der Länge nach durchſchnitten war. „Kann auch ein Menſch zu gleicher Zeit mit zwei Löffeln eſſen?“ war die verfängliche Frage der zwei Todesboten. Ahnungslos verneinte die

alte Frau. Da hieß es herzlos weiter: „Ebenſowenig wie ein

Menſch zugleich zwei Löffel gebrauchen kann, kann ein Häuptling zwei Mütter haben.“ Darauf wurde die Mutter des verſtorbenen

WERE

Häuptlings hinausgeführt und fofort am Türpfoſten ihres eigenen Hauſes aufgehängt.

Nzoja mag wohl noch recht jung geweſen ſein, als er die Zügel der Regierung ſelbſt in die Hand nahm, und es ging wie ein Aufatmen durch das ganze Volk, als die grauſame Königin das Regiment ihrem Sohne überlaſſen mußte. Freilich ſtand die Mutter ihrem herrſchenden Sohn noch treu zur Seite, aber doch war er in manchem Stück milder und gerechter, als die impulſive und grauſame Frau, und dieſes feinere Empfinden kam ſelbſtverſtändlich in den Regierungsgeſchäften zum Ausdruck.

Nzoja iſt keineswegs ein abſoluter Herrſcher. Ihm zur Seite ſtehen drei ältere Männer, die Lebenserfahrung haben. Sie tragen den Titel „Königsväter“ und faſſen ihre Stellung auch dieſem ſchönen Namen gemäß auf. Der König kann nichts beſchließen, ohne den Rat ſeiner „Väter“ eingeholt zu haben, und was dieſe ver— bieten, das läßt der König bleiben. Viele höhere und niedere Be— amte umgeben den König, und ſein Hofſtaat zählt 800 Perſonen. Der junge Negerkönig iſt von unzähligen Schmeichlern umgeben und unter den Höflingen ſind wenig treue zu finden. Gleich in den erſten Jahren der ſelbſtändigen Herrſchaft Nzojas empörte ſich einer der Königsväter und ein großer Bürgerkrieg brach aus. Dieſer Krieg dauerte zwei Jahre und wurde zugunſten des jungen Königs erſt dann entſchieden, als das Banjovolk dem bedrängten Häuflein königstreuer Krieger zu Hilfe eilte. Grauſam und recht heidniſch ließ man nun der Rache freien Lauf. Der König wollte zwar den Aufrührer begnadigen und ihn nur zum palmweintragenden Sklaven erniedrigen, denn der Mann war doch einmal „Königsvater“ ge— weſen, und hatte inſtändig um ſein armſeliges Leben gebeten. Aber ein unzufriedenes Murren ging durch das ſchwergeprüfte Volk und die Frage wurde laut: „Iſt nicht der Aufrührer ſchuld an unſerem

Unglück. Darf er wirklich noch etwas eſſen?“ (d. h. darf er noch leben?) Nun hielt es der Häuptling für geraten, der Volksjuſtiz freien Lauf zu laſſen. Grauenhaft büßte der ehemalige „Miniſter“ ſeine Untreue. Er wurde in einer Erdvertiefung an einen Pfahl gebunden, mit Pech und Pulver überſchüttet und angezündet.

Nicht lange nach dieſen Geſchichten erfuhr Nzoja, daß der Banjohäuptling Gelüſte trage nach dem Beſitz der reichen und frucht⸗ baren Königsſtadt Fumban. Gegen einen Überfall des mächtigen und ortskundigen Mohammedanerfürſten ſuchte der junge König ſeine Stadt durch Aushebung eines dritten Grabens und durch Auf— führung einer Stadtmauer zu ſchützen. Der Banjokönig hielt es nun für beſſer, die Kreiſe ſeines mächtigen Nachbars nicht zu ſtören, und Nzoja atmete erleichtert auf, als er hörte, daß die Banjos Frieden halten wollten. Ruhig und friedlich lebte nun das Bamumvolk ſein kleines Leben, und ſelten drang eine Kunde von der Außenwelt hinauf in die feſtverwahrte Graslandſtadt.

Ein ſtrahlender Sommertag iſt über Fumban aufgegangen und in majeſtätiſcher Ruhe verfolgt das leuchtende Himmelsgeſtirn ſeine hohe Bahn. Aber in der alten Königsſtadt iſt es laut, und lärmender Aufruhr ſchlägt die großen Kriegstrommeln, die auf dem Marktplatz liegen. Eilende Boten ſprengen auf ſchnellen Pferden hin und her und von allen Seiten ſtrömt das Volk herbei, um zu - erfahren, wozu der König ſie rufe. Die freien Herren drängen ſich um ihren Fürſten, und er erzählt ihnen, nicht ohne Aufregung, daß ein fremder Bote eben die Ankunft von „weißen Leuten“ für den folgenden Tag angeſagt habe. Die Nachricht ſchlägt unter dem Volk ein, wie der Blitz aus heiterem Himmel. Man hat auch in Fumban ſchon von weißen Menſchen gehört, und weiß, daß es grauſam ſtarke Krieger ſind, die auch den ſieggewohnteſten Volks— ſtamm ohne viel Mühe unterwerfen. Manchen will bei dieſer Nach—

FF

richt das Herz entfallen; aber viele Mutige verlangen ungeſtüm, den weißen Fremdlingen mit der giftgetränkten Waffe entgegen— gehen zu dürfen. Der kluge Häuptling rät dringend zur Ruhe

Berittener Königsbote.

und will vom Kampfe nichts wiſſen. „Wo ſind die Häuptlinge,“ ſo frägt er, „die ſich hinreißen ließen, den weißen Mann zu bekriegen? Sind ſie nicht alle erſchlagen oder gefangen und ihre Dörfer abge— brannt? Die Weißen ſind weiſe Leute und ſollen meine Freunde

ſein.“ Nur wenige ſtehen nach dieſen Worten auf ſeiner Seite; die große Mehrzahl verlangt den Krieg. Da greift der bedrängte König zu einer Liſt; er verſpricht den blutdürſtigen Kriegern, mit ihnen in den Kampf gegen die weißen Leute zu ziehen, und fordert ſie auf, am folgenden Morgen mit Wehr und Waffen in der „Halle des Kriegsrates“ zu erſcheinen. Vollzählig kommen am andern Tag die bewaffneten Männer und freuen ſich, auch den Häuptling ſchon im Kriegsſchmuck zu ſehen. Er ladet ſeine Ge⸗ treuen freundlich ein, ſich vor dem Auszug an Speiſe und Trank gütlich zu tun und, um bequemer zu ſitzen, die Waffen in der Halle des Kriegsrates zu laſſen. Gerne folgen die Krieger dem voranſchreitenden König auf den Marktplatz und freuen ſich der Leckerbiſſen, die der hohe Gaſtgeber auftragen läßt. Auch dem durſt⸗ ſtillenden Palmwein wird wacker zugeſprochen. Der König bleibt bei den Geladenen, ſpricht ihnen freundlich zu und es liegt ein froher Glanz auf dem bis dahin ſorgenvollen Antlitz. Nun iſt die Mahlzeit zu Ende und die Geſättigten begeben ſich in die Halle zurück, wo ſie ihre Speere, Pfeile, Bogen und Schwerter gelaſſen haben. Aber die Waffen des kriegsluſtigen Völkleins ſind auf des Königs Geheiß weggenommen worden, und wehrlos ſtehen die Männer da. Unterdeſſen ſind die Europäer nahe zur Stadt gekommen, der König reitet ihnen entgegen und führt ſeine „weißen Freunde“ in die Stadt. Dieſe kommen mit großem Ge- folge und jeder Mann trägt ein ſcharfgeladenes Gewehr. Auf dem Marktplatz ſteht noch die überliſtete Kriegerſchar und ſchaut verwundert zu, wie der deutſche Hauptmann ein Maſchinengewehr auffahren läßt. Das iſt ein Ding, von dem man in der welt— entlegenen Königsſtadt noch niemals etwas gehört hat, und neu— gierig drängt ſich alt und jung um dieſes Zauberrohr. Auf ein harmloſes Ziel werden einige knatternde Schüſſe abgegeben, und

Ei,

im Nu iſt die erſchreckte Menge vom Schauplatz verſchwunden. Der König iſt froh, daß er ſein Volk durch eine Liſt vor blutiger Niederlage bewahren konnte.

Der alte Torhüter.

Mit dem Einzug der Deutſchen im Juli 1902 fängt für die Bamum eine neue Zeit an. Manches Alte muß Neuem Platz machen und auch die Stellung des Königs wird eine andere: er

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wird ſelbſt „Untertan“. Am Anfang mag dieſe Abhängigkeit ſo⸗ wohl vom König als vom Volke ſchmerzlich empfunden worden ſein; aber das Urteil eines alten Mannes wird wohl zutreffen. Der alte Torhüter am Königshofe ſagte einmal: „Wir können froh und dankbar ſein, daß die Weißen gekommen ſind. Früher ſah man in unſerm Lande keine alten Männer, denn die Beſten fielen im Krieg. Jetzt herrſcht Friede im Land und wir müſſen nicht beſtändig in Angſt leben, daß irgend ein feindlicher Nachbar einen Überfall verſuche.“

Der Bamumklönig iſt nun, ſeitdem die Deutſchen ins Land kamen, ein Vaſall der Weißen, und ihnen, wie andere Neger⸗ fürſten auch, zu mancher Dienſtleiſtung verpflichtet. Er muß Steuern bezahlen, Träger ſtellen, Wege bauen, Grund und Boden her— geben zur Anlage von Europäerſtationen und landwirtſchaftlichen Verſuchsfarmen. Manches alte Recht iſt ihm weggenommen wor⸗ den, ſo vor allem das, die Todesſtrafe zu verhängen. Im übrigen iſt Nzoja das Recht der Gerichtsbarkeit geblieben, und niemand taſtet die Geſetze des Landes an, ſolange es menſchliche Geſetze ſind. Die neue Regierung hat den Eingeborenen viel Gutes gebracht. Jetzt ſind die Wege offen vom Tſadſee bis hin— unter an die Küſte. Gutunterhaltene Regierungsſtraßen erleich⸗ tern den Verkehr. Produkte des Inlandes werden drunten am Meer umgetauſcht gegen Küſtenprodukte oder gegen Waren, die aus Europa kommen. Die Regierung hat auch Schulen auf— getan, und der ſtrebſame Neger kann ſich da gründlich ausbilden, dann in Regierungsdienſte eintreten und irgend ein einträgliches Amt bekleiden als Schreiber, Hilfslehrer, Trägerführer oder als Angeſtellter eines Kaufmanns. Für die Aufrechterhaltung der Ordnung ſorgen die deutſchen Offiziere mit ihren eingebornen Soldaten.

Se: ne

So ift in Bamum in den letzten Jahrzehnten vieles anders geworden, aber das Hofleben mutet trotzdem den Fremdling an,

Nzoja, der Häuptling.

wie ein Märchen aus der Kinderzeit. Im Mittelpunkt dieſes „Märchens“ ſteht natürlich Nzoja. Um ihn dreht ſich alles. Er iſt eine impoſante Erſcheinung, hochgewachſen und breitſchulterig.

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Sein ſcharfgeſchnittenes Geſicht zeugt von hoher Intelligenz und fein, Auge hat einen ſcharfen, oft aber auch einen milden und überaus freundlichen Blick. Der Grundzug des königlichen Cha— rakters ſcheint Güte, Takt und Fröhlichkeit zu ſein; aber ein wenig verdorben ſind dieſe prächtigen Eigenſchaften durch Gefallſucht, Ehr— geiz und Großtuerei. Der König mag jetzt 37 bis 39 Jahre zählen. Genau weiß er es ſelbſt nicht, denn als ich ihn, kurz nachdem ich nach Bamum gekommen war, einmal fragte, wie alt er ſei, da meinte er: „Ich glaube, ich bin 34 Jahre alt.“ Als ich beinahe fünf Jahre ſpäter mich zur Heimkehr rüſtete und den König wieder nach ſeinem Alter fragte, da ſagte er ganz ernſthaft: „Ich werde wohl etwa 31 Jahre alt ſein.“

Die Tage vergehen unſerm Häuptling recht arbeitsreich; Re⸗ gierungsgeſchäfte wechſeln mit Liebhabereien ab, die aber auch nicht zwecklos ſind. Wenn ſich der König morgens erhebt, wird auf dem Marktplatz eine große Trommel geſchlagen, deren Töne weit— hin hörbar ſind, damit das ganze Volk wiſſe, daß er wohl und geſund iſt. Sobald dieſer Ton vernommen wird, klatſcht jeder in die Hände; und wo einige Menſchen im Geſpräch zuſammen⸗ ſtehen, da laſſen ſie für einen Augenblick das Reden ſein. Das ſoll ein Gruß an den Häuptling ſein. Nach Toilette und Früh⸗ ſtück begibt ſich Nzoja in feine große Audienzhalle und erledigt in Ruhe die Geſchäfte, die ſeine hohe Stellung ihm zuweiſt. Ge— wöhnlich ſind Wünſche der deutſchen Regierung zu befriedigen und manche Stunde am Tag wird durch Gerichtsſitzungen ausgefüllt. Elf Richter, alte, erfahrene Männer, unterrichten ſich jeweilen über den Fall und tragen ihn dann dem Häuptling vor. Gewöhnlich ſind die Angeklagten und die Kläger nicht in der Audienzhalle ſolange die Sitzung dauert. Erſt beim Urteilsſpruch werden ſie hereingeführt. Sie fallen vor dem Häuptling nieder und nehmen

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jedes feiner Worte mit unterwürfigem Händeklatſchen entgegen. Die Strafen ſind oft ſehr ſchwer. Die allergeringſte beſteht darin, daß dem Schuldigen 25 Peitſchenhiebe verabfolgt werden. Gefäng— nis, Zwangsarbeit, Verbannung und Sklaverei warten auf ſchwere Verbrecher.

Aufatmend verläßt nach der Gerichtsſitzung der Häuptling die Halle, um ſeiner geliebten Mutter einen Morgenbeſuch zu machen. Das freut die alte Frau immer herzlich, und ſie nimmt Anteil an allem, was ihren Sohn bewegt. Dann wird etwa der „königlichen Weberei“ oder „Gießerei“ ein Beſuch abgeſtattet, oder der König beſichtigt die großen Farbgruben. In der Weberei arbeiten 320 Spinner und Weber, und der König freut ſich über die kunſt— voll gewebten Stoffſtreifen. Hohe Beamte führen hier gute Auf— ſicht. Oft und gern weilt er auch in ſeiner eigenen Schule, wo hauptſächlich Kinder ärmerer Leute in der Schrift unterrichtet werden, die Nzoja ſelbſt erfunden hat. Als die erſten Europäer ins Land kamen, wunderte ſich der Häuptling ſehr darüber, daß die weißen Leute ihre Gedanken auf das Papier bringen konnten, und er ſann Tag und Nacht darüber nach, wie er auch eine Schrift erfinden könnte. Das beſchäftigte ihn ſo ſehr, daß er ſogar davon träumte. Eines Nachts kam im Traum ein Mann zu ihm und ſagte: „Nimm das Blatt einer Banane, o König, und zeichne darauf mit Kohle eine menſchliche Hand. Dann waſche die Kohlen— zeichnung ab und trinke das Waſſer. Wenn du das tuſt, ſo wird dir leuchtender Verſtand kommen, daß du auch eine Schrift er— finden kannſt.“ Der König erzählt gerne dieſen ſeltſamen Traum und behauptet, daß, nachdem er getan habe, wie ihm im Traum befohlen war, ihm Weisheit geſchenkt worden ſei, die Schrift zu erfinden. Dieſe Schrift iſt ein Durcheinander von 70 Zeichen. Runde und eckige, kurze und lange, kleine und große wechſeln

mit einander ab. Sie wird in den königlichen Schulen gelehrt und auch die Beamten der deutſchen Regierung haben ſie angenommen und laſſen durch königliche Schreiber, die auf der Regierungs⸗ ſtation wohnen, dem König ihre Wünſche und Befehle in dieſer Schrift übermitteln.

Im Auguſt geht Nzoja gewöhnlich auf feine große Farm, die an den ſtillen Ufern des mächtigen Mbam liegt. Dieſe Farm iſt ein kleines Kunſtwerk. Sie iſt nach europäiſchem Muſter angelegt. Schnurgerade, breite Wege durchſchneiden die ausgedehnten Felder kreuz und quer. Hunderte von Sklaven arbeiten da unter der ſtrengen Aufſicht der einheimiſchen Vögte. Wie ein weites, vom Winde bewegtes Meer, dehnen ſich leuchtende Maisfelder, ſchneeig entſpringt die Baumwolle aus tauſend Kapſeln und das feurige Rot der reifenden Ananas hebt ſich warm von grauem Geſtein ab. Leiſe wiegen und neigen ſich die ſchönen Bananen und rauſchend plaudern mächtige Palmen. Über all die tropiſche Pracht ſpannt ſich ein lichtblauer Himmel und im Hintergrund der Farm ſteht als treuer und ewiger Wächter der finſtere Urwald. Nahe am Ufer des Mbam hat ſich der König ſeinen Sommerſitz erbaut. Wie ein Märchenſchloß ſteht das große Gebäude mit ſeinen Rund⸗ bogenfenſtern, ſeinen weiten Hallen und den weißen Veranden am rauſchenden Strom. Ein wenig unregelmäßig iſt der Bau von den eingebornen Arbeitern ausgeführt worden. Die feſten Mauern aus luftgetrockneten Lehmquadern ſtehen wohl nicht ganz lotrecht da, und das Dach aus Blechziegeln ſitzt wie ein ſchiefes Krönlein oben drauf. Aber ſo paßt das Schloß ausgezeichnet in die tropiſche Landſchaft hinein, denn noch viel weniger gerade ſind die hohen Bäume, die es als lebende Hüter umgeben, und noch viel ſchiefer ſind die weitausladenden Zweige der Ur— waldrieſen.

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Im Dezember kommt Nzoja gewöhnlich nach Fumban zurück. Da freut ſich alles, daß wieder Abwechslung ins Einerlei des täglichen Lebens kommt. Auch auf der Miſſionsſtation freuen wir uns, wenn der hohe Herr uns ſeinen Beſuch anſagen läßt. Ein großes Gefolge begleitet den Häuptling. Voran gehen zwei Männer, die den König laut „ehren“, indem ſie manchen Namen, der den Charakter des Fürſten näher bezeichnen ſoll, rufen: „Leopard, Ele— fant, großer Fels, mächtiger Strom, geſchickter Zauberer“. Der Häuptling reitet gewöhnlich ein ſchönes und koſtbares Pferd, und hinter ihm kommen viele Trabanten zu Fuß. Jeder der Männer iſt wohlbewaffnet. Blitzende Speere werden wie Ackergerät über der Schulter getragen und am Rücken baumelt ein wohlgefüllter, lederner Köcher. Feſt umſpannt die ſehnige Fauſt den ſtraffen Bogen, und man wähnt ſich beim Anblick der wehrhaften Leute mitten im Krieg. Aber das frohe Geplauder ſtraft das Auge Lügen, und das fröhliche Lachen, in welches Nzoja herzlich ein— ſtimmt, ſagt zur Genüge, daß Friede im Lande iſt. Auf der Miſſionsſtation lagern ſich die Gefolgsmannen maleriſch im Graſe, während Nzoja feinen Beſuch ausführt. Uns iſt es jedesmal, als ob ein lieber und getreuer Freund käme. Er hat Vertrauen zu den Miſſionaren und frägt ſie in ſchwierigen Fällen oft um Rat. Er intereſſiert ſich für die Miſſionsarbeit und erleichtert uns manche Aufgabe. Oft beſucht er die Mädchenſchule, wo hauptſächlich ſeine Töchter unterrichtet werden, und ſpricht den jungen Mädchen zu, recht fleißig und gehorſam zu ſein.

Nzoja hat viel Menſchenkenntnis, und fein Urteil iſt über- raſchend und treffend. Er wurde einmal von einem weißen untern Beamten ſchnöde und unwürdig behandelt. Als ich ihn fragte, was er zu einem ſolchen Benehmen ſage, da meinte er: „Sein Vater war ein Sklave, denn der Sohn eines Freien kann ſich

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nicht ſo benehmen.“ Im Zuſammenſein mit Nzoja kommt man zu der Überzeugung, daß es dem Neger weder an ange— borenem Takt noch an andern guten Eigenſchaften fehlt, und man wünſcht nur, daß ſie ſich unter dem Einfluß des Chriſtentums noch beſſer entfalten.

4. Kapitel.

Die Königin: Mutter.

In der Mädchenſchule von Fumban iſt Pauſe. Fröhlich ſpringt die muntere Schar aus dem dumpfen Schulhäuschen, um ſich im lieben Sonnenſchein zu erwärmen. Man hat ſich in der kurzen Pauſe recht viel und recht wichtige Dinge zu erzählen; des— halb laufen die Plappermäulchen ſo ſchnell. Lautes Lachen und fröhliches Schwatzen dringen zu der Lehrerin. Plötzlich wird es ganz ſtill. Die Kinder verſchwinden hinter dem Schulhäuschen. Ein Kleines kommt zu mir und ſagt leiſe, als ob's ein Geheimnis wäre: „Du, Mutter, es kommt Beſuch, eben wird die Königin— Mutter den Weg heraufgetragen.“ Dann ſpringt auch die kleine Botin, raſch wie ein flüchtendes Mäuschen, wieder davon. Ich trete hinaus an den Weg und warte, um die hohe Frau und ihre Begleiter zu begrüßen. Ein ganzes Gefolge umgibt die Trag— bahre der Königin⸗Mutter. Voran gehen Speer- und Schwertträger, und dann kommt die von ſtarken Sklaven getragene Bahre der Königin⸗Mutter. Die Männer keuchen ſchwer unter ihrer koſt— baren Laſt, denn Nzab ndu nke iſt eine gewichtige Dame und die „afrikaniſche Sänfte“ iſt auch nicht leicht. Sie iſt aus den ſchön— ſten und dickſten Palmrippen kunſtvoll gefügt und mit koſtbaren Stoffen überzogen. Sie hat ſchöne, geſchnitzte Füße, deren Skulp— turen verſchlungene Schlangen darſtellen. Hinter den Trägern gehen ſchweigſam, in langem Zuge die Lieblingsſklavinnen der Königin

Wuhrmann, Im Grasland von Kamerun. 4

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und tragen ihr die geliebten Pfeifen, den Tabak und in irdenem Topfe das Feuer nach. Neben der Tragbahre ſchreitet ein Rieſe von Geſtalt und hält hoch über die ſitzende Königin einen auf⸗ geſpannten Schirm, damit die Sonne ſie nicht blende. Und nun

Die Königin-Mutter mit Gefolge.

die Häuptlingsmutter ſelbſt. Ich habe in Kamerun keine ſchönere Frau geſehen. Sie hat wunderbar feine, ebenmäßige Geſichts⸗ züge, runde kleine Wangen, eine hübſche ſchmale Naſe und einen nur wenig aufgeworfenen Mund, um den leider beinahe immer ein häßlicher, grauſamer Zug liegt. Auch das tiefbraune Auge blickt ſelten warm und freundlich. Der Blick der Negerkönigin iſt kalt, ſtolz und abweiſend, und nur der König und die Königskinder ſehen ab und zu einen Widerſchein wahrer Liebe in den Augen

der hohen Frau. Grauſam höhniſch kann fie lachen, wenn ein Menſch, der bei ihr in Ungnade gefallen iſt, vom König ſchwer beſtraft wird. Sie kann, wenn z. B. Europäer ſie beſuchen, wohl von außerordentlicher Höflichkeit fein, aber dem Menſchenkenner ent- geht es nicht, daß dieſe Höflichkeit nur Schminke und konventionelle Lüge iſt. Sie kann ihre Lieblingsſklaven zeitweiſe mit Geſchenken und Ehrungen überſchütten, um ſie bald bei übler Laune wie ein unbrauchbares Ding wegzuwerfen. Und hohnvoll tönte ihr Lachen, als ſie hörte, daß eine beſtrafte Sklavin ſich aus Gram über die Strafe das Leben genommen hatte. O Königin-Mutter, wo iſt deine Seele? Ganz verſchüttet iſt ſie unter dem Wuſt alter Sitten und Gebräuche, ganz begraben im grauſamen Heiden— tum, beinahe ertränkt in den Strömen von Blut, die du, Grauſame, in deinem Leben ſchon vergoſſen haſt! Wie ſchön könnte dein wohl— gebildetes Antlitz ſein, wenn es das Spiegelbild einer ſchönen Seele wäre! |

Nzab ndu nke (lege es auf's Waſſer) wurde als Tochter eines Vornehmen in Fumban geboren. Jedenfalls hat ihr Vater fie ſchon frühe dem Häuptling Nfa’ngu, Moja's Vater, geſchenkt, und wie ſie ihre Stellung zu behaupten wußte, zeigt die Geſchichte der Könige von Bamum. Als ſie ſchon ihres ſtellvertretenden Amtes als Regentin für ihren unmündigen Sohn enthoben war, hielt ſie das Volk doch in Atem. Als ich einmal eine Chriſtin nach ihrer Mutter fragte, da ſagte die junge Frau traurig: „Die Königin⸗Mutter hat fie umgebracht.“ Ein Lieblingsſklave der Häupt— lingsmutter war geſtorben, und die Herrin des Verſtorbenen be— ſtimmte, daß vier ſeiner Frauen ihm in den Tod folgen ſollten, damit er „im Lande der Verſtorbenen“ nicht ohne Frauen ſei. Zitternd kamen die todgeweihten Weiblein vor die Königin, und da zeigte es ſich, daß eine der vier Frauen ein Kindchen erwartete.

Sie wurde zurückbehalten und monatelang ganz allein in ein Haus eingeſchloſſen. Der junge König hörte von der Geſchichte und ſagte ſeiner Mutter, er finde, drei Frauen ſeien fürs Toten— reich genug, und er halte es für beſſer, dem Kindlein die Mutter zu erhalten. Wohl verſprach Nzab ndu nke, dem Wunſche ihres Sohnes gemäß zu handeln, aber als das Kind geboren war, wurde die Mutter noch am gleichen Tage umgebracht. Grauſamkeit über Grauſamkeit hat die Königin⸗Mutter früher ungeſtraft begehen dürfen, und man kann ſich wohl denken, daß ſie den Einzug der erſten Europäer verwünſchte, weil ſie bald einſah, wie wenig die Weißen eine ſolch willkürliche Herrſchaft billigten. Deshalb be— trachtete ſie die Europäer immer als ihre Feinde. Wo es nur, anging, hielt ſie zähe feſt am Althergebrachten, und wie eine Säule aus alter Zeit ſtand ſie mitten in all dem Neuen. In der Finſter⸗ nis des Heidentums aufgewachſen, wehrte ſie ſich beſonders ener— giſch gegen das Licht des Evangeliums, und oft kam ſie mir vor, wie ein Menſch, der in einem dunklen Raume ſitzt und ſich vor einem plötzlich eindringenden Licht noch feſt beide Augen zuhält. Trotzdem ſie keine Freundin der Miſſion war, kam ſie doch ab ‚und zu auf die Miffionsftation, aber nur, weil ihr Sohn es wünſchte. Auch ſchmeichelte es ihr, mit Europäern zu verkehren. Wenn weiße Leute ſie beſuchten, fühlte ſie ſich geehrt und freute ſich ſehr, wenn ihr ein europäiſches Geſchenk überreicht wurde.

Der König, ihr Sohn, ließ ihr im Jahre 1912 ein europäiſch eingerichtetes Haus bauen, mit vielen Zimmern und Veranden und einem gedeckten Gang, der hinüber zum Häuptlingspalaſt führte. Gleich beim Eingang war eine gemütliche, nett eingerichtete Stube mit europäiſchen Möbeln. Dieſer Raum war der Königin Prunk— gemach. Er war unbewohnt und verſchloſſen und wurde nur ge— öffnet, wenn Europäer die Königin beſuchten. Sie ſelbſt hauſte

in einem großen, kahlen Zimmer, wo die Feuerftelle, wie in jeder Negerhütte, ſich mitten auf der Erde befand, und wo die dienſttuenden Sklavinnen ſich den Wänden entlang auf den feſt— getretenen Lehmboden hinkauerten. Hier nahm ſie auch ihre Mahl— zeiten ein. Ihr Schlafgemach war eine ſtockdunkle Kammer, nur ſchwach erhellt durch das kleine Feuer, das des Nachts ohne Unterbruch neben ihrem Lager brennen mußte. An ſchönen Tagen ſitzt ſie gerne im großen Hof vor ihrem Haus. Ein aufgeſpannter Schirm, ein Geſchenk des Königs, ſchützt ſie vor den brennenden Sonnenſtrahlen, und ein junger Sklave wehrt mit langem Pferde— ſchweif die zudringlichen Fliegen ab. Täglich erhält ſie einen Morgen— beſuch ihres geliebten Sohnes, täglich machen auch die Königskinder einen Beſuch bei der Großmutter. Da iſt's nun freilich nicht ſo wie bei uns, wenn man zu den Großeltern darf. Die Königskinder ſchlingen nicht liebevoll den Arm um den Hals der Großmutter und ſchmiegen ſich nicht vertrauensvoll an ihr Knie, auch betteln ſie nicht um eine ſchöne Geſchichte. Wie ſie's bei der Mutter geſehen haben, ſo machen auch ſie es. Schnell fällt man vor der hohen Frau auf's Antlitz und grüßt: „Allah reni!“ Dieſer Gruß iſt vom mohammedaniſchen Hauſſavolk übernommen und heißt: „Gott ſegne dich!“ Dann erhebt ſich der kleine Beſucher und ſetzt ſich ein wenig abſeits, in den Schatten eines vorſpringenden Daches. Nicht immer nimmt die Königin⸗Mutter Notiz von ihren kleinen Beſuchern. Vielleicht aber gewahrt ſie unter ihren Gäſten ein Kind, einen kleinen Miſſetäter, und mit Donnerſtimme wird er aufgerufen. Er fährt zuſammen, ſpringt auf, nähert ſich in gebückter Stellung der Großmutter, faltet die zitternden Händchen vor dem zuckenden Mund und läßt das ſchwere Gewitter ſtill— ſchweigend über ſich ergehen. Vielleicht iſt Großmutter heute gut gelaunt und läßt die Enkel alle bewirten. Wie ſchmatzen ſie

da vergnüglich, wie wird leiſe lebhafte Zwieſprache gehalten, und wie fliegen dann doch wieder ängſtliche Blicke hinüber zur Groß⸗ mutter, ob es auch wirklich wahr ſei, daß man im Palaſt der Königin plaudern dürfe. 5

Streitigkeiten der Königsfrauen untereinander werden oft der Königin⸗Mutter vorgetragen, aber es iſt leider anzunehmen, daß das Urteil nicht immer unparteiiſch iſt und oft zugunſten der Frau ausfällt, die bei der Königin wohlangeſchrieben iſt. |

Wenn der König im Auguſt auf feinen „Sommerſitz“ geht, dann legt er das Regiment vertrauensvoll in die Hände ſeiner Mutter und der Vornehmen, die in der Stadt zurückbleiben. Die Untertanen zittern vor der herzloſen Vize-Königin. Schwierige Rechtsfälle werden aber doch vom König entſchieden, obſchon er ſich in ſeiner ländlichen Ruhe nur ungern ſtören läßt. Einmal, ich war gerade mit meinen Schülerinnen auf der Königsfarm zu Beſuch, da kam in voller Haſt ein Mann gelaufen, warf ſich mit einem entſetzlichen Schrei dem König zu Füßen und brachte dann weinend eine Klage gegen einen böſen Feind vor. Der König ließ den Auf- geregten ruhig ausreden, ſagte aber dann zu ihm: „Warum kommſt du hieher? Weißt du nicht, daß die Königin-Mutter und die Richter in Fumban zurückgeblieben ſind, um böſe Streitigkeiten zu ſchlichten? Gehe du nur nach der Stadt zurück und bringe im Richthaus deine Klagen vor.“ Der Mann mußte natürlich gehen, aber ich ſtand ganz unter dem Eindruck, daß er von Testen der Königin für feine Sache nicht viel erhoffte.

Im Jahre 1913 wurde die Königin-Mutter krank. Nur noch ſelten ſah man ſie auf Spaziergängen, nur ganz ſelten ſaß ſie im Hofe ihres kleinen Palaſtes. Gewöhnlich lag ſie auf ihrem Bette in der dunkeln Kammer. Den Wänden entlang ſaßen dienſttuende Sklavinnen, vornehme Herren, die auf Beſuch

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gekommen waren, und Medizinleute, die ihre Kunſt vergeblich an der Königin verſuchten. Oft, während ihrer ſchweren Krankheit, wurden ihr Medikamente aus der Miſſionsapotheke angeboten, aber auch da blieb ſie ganz die alte, konſervative Heidin. Sie ließ ſich nicht bewegen, mit europäiſchen Arzneien einen Verſuch zu machen. Am Anfang ihrer Krankheit durften die Miſſionsleute ſie noch öfter beſuchen, aber alles, was man in ernſter Weiſe und in Liebe zu ihr ſagte, prallte an ihrem ſteinharten Herzen völlig ab. Man ſpürte das förmlich, auch wenn ſie ſcheinbar allem beiſtimmte, was man zu ihr ſagte. Je weiter die Krankheit fortſchritt, deſto ſeltener wurden die Miſſionare zugelaſſen. Wahrſcheinlich hatten die Medizinleute und Zauberer, unſere größten Feinde, ſie ſo zu unſern Ungunſten beeinflußt, daß ſie uns nicht mehr ſehen wollte. Immer und immer probierten wir es wieder, aber immer kam uns, bevor wir das Krankenzimmer erreicht hatten, auf leiſen Sohlen eine Sklavin entgegen, hielt den Finger an den Mund und flüſterte: „Du kannſt die Königin⸗Mutter heute nicht ſehen, ſie ſchläft.“

Was der Kranken eigentlich fehlte, wußten wir nicht. Der König behauptete zwar mit großer Beſtimmtheit, es hätten ſich „ſieben Krankheiten auf einmal auf ſie geſtürzt.“ Und dieſen ſieben Krankheiten iſt die Patientin nach vier Monaten erlegen. Am 1. Juli 1913 hatte ich fie noch beſuchen wollen, war auch un- bemerkt bis zur Tür des Krankenzimmers gekommen und hörte die Kranke röcheln. Eben, als ich im Begriff war, ins Gemach einzutreten, kam die bewußte Sklavin und ich ging weg mit dem Gefühl, daß dies wohl mein letzter Verſuch geweſen ſei, die Königin- Mutter zu ſehen. In der darauffolgenden Nacht wurden wir aus tiefem Schlafe geweckt durch königliche Boten, die von eiligem Laufe ſchweißtriefend ankamen, um „Nzojas weißen Freunden“ den Tod ſeiner Mutter anzuzeigen.

Vom Häuptlingsgehöfte her tönten bald darauf ſchauerlich und troſtlos die Klagen um die Tote. Nach Tagesanbruch kam Bote um Bote vom König mit der Einladung, uns die Verſtorbene noch einmal anzuſehen. Um 7 Uhr gingen wir zum Häuptlings⸗ gehöfte. Unterwegs trafen wir überall eilende Menſchen mit ver- ſtörten Mienen, unbekleidete Frauen, ungeſchmückte Männer, Kinder, die mitliefen, ohne recht zu begreifen, worum es ſich eigentlich handle. Alles eilte laut heulend zum Palaſt. Im Hauſe des Königs ſaßen oder lagen klagende Frauen in den Gängen und Zimmern. In den Gemächern der Königin-Mutter kam man vor der heulenden Menſchenmenge nicht mehr durch. Ein Hofwächter führte uns durch Veranden und Zimmer, die mit jammernden Sklaven angefüllt waren, in den Raum, wo die Königin⸗Mutter aufgebahrt war. Sie lag auf einem niedern Palmrippenbett und ſah aus, als ob ſie ſchliefe. Ich ſtaunte über den friedlichen Aus⸗ druck auf dem ſonſt ſo kalten, ſtolzen, unfreundlichen Antlitz. Wie doch der Tod alle Leidenſchaft wegnimmt und mit ſtiller Hand alles glättet! Zu Häupten der Toten ſtanden zwei Männer mit Laternen, die ſie ſo hielten, daß ihr Schein das Antlitz der Verſtorbenen traf. Die Leiche war prächtig geſchmückt; reiche und ſchwere Ge— wänder hatte man ihr angetan, an den Armen hatte ſie viele perlen⸗ beſtickte Armbänder und an dem Daumen der linken Hand zwei dicke Meſſingringe. Über der Bruſt lag das Abzeichen der Könige, ein ſchneeweißer, langer Pferdeſchweif, deſſen kunſtvoll geſchnitzter Griff ganz prächtig mit hellfarbigen Glasperlen überzogen war. Neben der Toten lag, aufgelöſt in Schmerz, ihr einziger Bruder, und ihre zwei Schweſtern kauerten am Boden, heulten und ſuchten die Tote bald durch Drohungen, bald durch Liebkoſungen wieder zum Leben zu erwecken. Es war wirklich ein Bild der Verzweiflung, und wir bekamen ſo recht den Eindruck davon, wie entſetzlich

haltlos der Heide ift, wenn ihm der Tod entgegentritt. Nzoja, der eben nicht da war, wurde herbeigerufen. Mit unendlicher Zartheit fuhr er ab und zu über das kalte Antlitz und über die ſtillen Hände ſeiner toten Mutter, und weinend ſagte er: „Meine liebe Mutter iſt nun tot. Als ich König wurde, war ich ein kleines Kind, und meine Mutter tat damals alles für mich. Sie hat für mich geſorgt, ſie hat für mich gearbeitet und für mich regiert und nun habe ich keine Mutter mehr.“ Lange ſaßen wir am Lager der ſtillen Frau, die ein ſo bewegtes Leben hinter ſich hatte und die zu Lebzeiten ſo ſelten die Beſuche der Miſſionare gewünſcht hatte.

Nahe bei der Audienzhalle, den Königsgräbern gegenüber, iſt der Ruheplatz der Königinnen. Dort wurde auch das Grab für Nzab ndu lenke gegraben, in dem ſtillen, eingeſchloſſenen Hof, abſeits von all dem Lärm der heulenden Menge; wie in einem ſtillen Fried- hof ſah es aus. Sobald das Grab gegraben war, wurde die Königin⸗Mutter beigeſetzt. Das Grab war ein großes, tiefes, rundes Loch, auf deſſen Grund ein perlenbeſtickter Thronſeſſel ſtand. Die Wände und der Boden des runden Grabes waren mit weißen und gelben Tüchern ausgeſchlagen, und vor dem Seſſel ſtand eine kleine Fußbank, ganz verborgen unter ſchönen Matten, die aus den königlichen Werkſtätten kamen. Als wir zur Beiſetzung kamen, lag die Tote noch auf ihrem Lager neben dem offenen Grab, und ihr königlicher Sohn ſaß bei ihr und ließ ſeine Blicke auf dem ſtillen Antlitz ruhen. Ein lieber Sonnenſtrahl brach plötzlich durch das weiße Gewölk und legte ſich verklärend auf die blaſſen Züge der Toten. Es war wie ein Hoffnungsſtrahl. Unterdeſſen kamen in recht ſchmutziger Kleidung die drei Königsväter, um die Königin— Mutter zu beerdigen. Der König ſelbſt machte die Tote zur „letzten Reiſe“ bereit. Ein prächtiges Kleid, in Fumban gewoben und ge— näht, wurde ihr angezogen, und dann wurde ſie in ſchmale, weiße

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Stoffſtreifen eingewickelt. Sie ſah nun aus wie eine ägyptiſche Mumie. Die Königsväter hoben ſie auf und ließen ſie ſanft hinunter⸗ gleiten auf den Perlenſtuhl in der Gruft. Nun erſt wurde ſie mit den Gegenſtänden ausgerüſtet, die zur langen Reiſe ins Totenreich unentbehrlich ſind. Ein breites Kriegsſchwert wurde ihr umgehängt, denn viele Gefahren bedrohen den Toten auf ſeiner Reiſe in die Unterwelt. Früher, ſo ließ ich mir erzählen, ſeien jeweilen zwei Sklaven lebendig mit einer verſtorbenen Königin begraben worden. Mit hochgehobenem Schwert mußten ſie rechts und links vom Stuhl der Toten kauern, um ſie auf dem grauſig finſtern Wege zu ſchützen. Doch jene Zeiten ſind vorüber. Der weiße Pferdeſchweif wurde der Toten unter den Arm geſteckt. Das ſchöngeſchnitzte Kuhhorn, aus dem ſie täglich ihren Palmwein geſchlürft hatte, wurde ihr in einer Baſttaſche mitgegeben. Eine ihrer vielen Tabakspfeifen lag im Grabe an ihrer Seite, und ein kunſtvoll geſchmiedeter Eiſen⸗ ſtab ſollte auf der langen Reiſe ihre feſte Stütze ſein. Eine Un⸗ maſſe weißer und gelber Stoffſtücke wurden zu ihr hinuntergelegt. Das wird ihr im Totenland unbedingt Reſpekt verſchaffen, denn man wird ſofort die reiche Königin erkennen. Zuletzt wurde über alles ein wundervoller Sammetmantel gelegt und dann wurde das Grab lautlos zugeworfen. Ein Königsvater ſtand drunten in der Gruft und ließ ſich von den beiden andern in irdenen Gefäßen die Erde reichen, die nötig war, um das Grab zu füllen. Immer höher ſtieg der arbeitende Mann im Grab, und immer weniger ſah man von der Toten. Mir war, als ob die Zeit des grauſamen Heidentums mit ihr verſänke. Eine große Baſaltſäule wurde über dem Haupte der Leiche aufgerichtet. Später ließ Nzoja ſeiner Mutter einen europäiſchen Grabſtein aus weißem Marmor ſetzen. Mit gol- denen Buchſtaben ſteht der Name der verſtorbenen Königin darauf, und ein Kreuz, das Symbol des Chriſtentums, liegt auf dem Grab der Heidin.

Fr.

Nach dem Tod Nzab ndu nkes dauerten die Trauerfeierlich— keiten noch wochenlang. Tag und Nacht, ohne Unterbruch, konnten wir vom Häuptlingsgehöfte her die troſtloſen Klagen der weinenden Sklavinnen hören. Sie hatten, zum Zeichen ihrer tiefen Trauer, jegliches Kleidungsſtück von ſich getan und ſich von Kopf zu Fuß

Fremde Geſandtſchaften beim Tod der Königin-Mutter.

mit naſſem Lehm eingeſchmiert. Die nächſten weiblichen Verwandten der Verſtorbenen, die Königsfrauen und die Prinzeſſinnen, hatten ſich mit weißer Erde angeſtrichen und ſahen entſetzlich aus. Die Männer und Jünglinge der Verwandtſchaft hatten der ſchwarzen Farbe den Vorzug gegeben und ſich mit Ruß bis zur Unkenntlichkeit entſtellt. Die verſchiedenen Stände hatten ihre Abgeſandten zu den

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Totentänzen ins Häuptlingsgehöfte geſchickt, und fo ſah man neben einem Vetter des Königs, der als Vertreter der königlichen Familie tanzte, den Vertreter des Adels und denjenigen des gewöhnlichen Volkes. Die Oberhäupter der angrenzenden Stämme ſchickten zahl⸗ reiche Geſandtſchaften nach Fumban, die im Namen ihrer Fürſten dem „mutterloſen“ König ihr Beileid ausſprechen mußten. Sie blieben wochenlang und erweckten durch ihre Maskentänze den Ein⸗ druck, als ſeien ſie zur Beluſtigung nach Fumban gekommen. Reich⸗ beſchenkt zogen dieſe Geſandten wieder ab. Ihren Herren brachten ſie ſchöne junge Sklavinnen und koſtbare Pferde mit als Dank des Königs für das „herzliche Beileid.“

Die Königin⸗Mutter hatte bei ihrem Tode etwas Geld, 8000 Sklaven und ein leeres Haus hinterlaſſen. Über dies alles hatte natürlich der König volles Verfügungsrecht. Die Hälfte der Sklaven behielt er für ſich, 2000 verteilte er unter die Königskinder und die letzten 2000 ſchenkte er einer Schweſter der Verſtorbenen. Dieſe erbte außerdem das Haus der Königin und durfte auch den Titel „Königin⸗Mutter“ tragen. Mambu'ne war wohl immer eine un⸗ bedeutende Frau geweſen. Still und friedlich hatte ſie in ihrem ſtattlichen Gehöfte gelebt, ein wenig abhängig von der Gnade der hochgeſtellten Schweſter. Nun wurde ſie durch deren Tod an die Offentlichkeit gezogen und ſollte eine Stellung einnehmen, der ſie in keiner Weiſe gewachſen war. Zu alledem fehlte ihr auch das Vertrauen des Königs, der in der ſchlichten Frau nur die Trägerin eines Namens ſah. Er ließ ſie in keiner Weiſe teilhaben an den Regierungsgeſchäften und beſuchte ſie beinahe nie. Als bei einem großen Grasbrand auch das Haus der Königin ein Raub der Flammen wurde, da hauſte ſie zwar noch eine Zeitlang in den not— dürftig wiederhergeſtellten Ruinen, aber bald darauf zog ſie wieder in ihr verlaſſenes Gehöfte. So hat nun das Königreich

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Bamum keine Königin-Mutter mehr, oder doch nur einen „Stroh— mann“, der nichts gemein hat mit der mächtigen Nzab ndu nke, unter deren Regiment klein und groß vor Ehrfurcht und Angſt beinahe verging. Alles iſt dem Wechſel unterworfen, und wollte Gott, der Tod der heidniſchen Königin wäre für Bamum der An— bruch eines neuen Tages, der die Nacht des finſtern Heidentums zerſtreut und aus den geknechteten Sklaven der Sünde freie Kinder Gottes macht.

5, Kapitel.

Frauenlos in Bamum.

Guühend heiß liegt die Mittagsſonne auf der bergumſchloſſenen Stadt Fumban. Straßen und Plätze find ausgeſtorben und tiefe Stille herrſcht überall. Hinter dem großen, menſchenleeren Markt⸗ platz liegt ein ſtattliches Gehöfte. Ein breiter, von uralten Baum⸗ rieſen beſtandener Weg führt zu dem anſehnlichen Beſitztum. Im Schatten der Bäume ſchlendert ein junger Mann dem Gehöfte zu. Er iſt eine ſtattliche Erſcheinung. Sein weites, weißes Ge⸗ wand und der Turban, der ſich in vielen Windungen um den braunen Kopf legt, verraten den vornehmen Mann. Jetzt tritt er in das ſtille Gehöfte ein. Seine Blicke gleiten ſuchend die Reihen der Frauenhäuſer entlang, bis ſie an einem lieblichen Bilde haften bleiben. Da ſitzt ein junges Mädchen, beinahe noch ein Kind, auf einem niedern Stühlchen vor dem Haus der Mutter und wiegt, leiſe vor ſich hinſummend, auf den Knien einen Säugling. Das feine, runde Köpfchen der Hüterin iſt mit einem bunten Tuche um⸗ wunden, und um die ſchlanke Geſtalt legt ſich, unter den Armen feſt⸗ geknotet, ein Tuch von hellblauer Farbe. Leuchtende Glasperlen umſchließen in enger Reihe den feinen Hals, und viele Armringe aus Eiſen und Meſſing klirren an den zarten Handgelenken des Mädchens.

Wohlgefällig ruhen die Blicke des daherkommenden Mannes auf dem Kinde, doch würdigt er es keines Grußes, ſondern geht

an der lieblichen Gruppe vorbei, dem Herrenhauſe zu, das dem Eingang zum Gehöfte gegenüberliegt. Im kurzen Schatten, den das Haus um dieſe Tageszeit wirft, ſitzt der Herr des Beſitztums, ein kleiner, ſchlauer, alter Mann. Er blinzelt faul auf den ſonnigen Grund, tut ab und zu einen Zug aus ſeiner langen Pfeife und ſcheint die Welt und die Menſchen um ſich her vergeſſen zu haben. Da knirſcht auf dem Hofe der Sand, und fragend erhebt der Alte das Haupt. Er erblickt den Daherkommenden und ein Lächeln des Einverſtändniſſes huſcht über ſeine welken Züge. Er ruft nach einem Stuhl, den ein Sklave bringt. Der Ankömmling läßt ſich auf dem Palmrippenſtuhl nieder und bietet kurzen Gruß: „Ich bin nun da.“ „Ja,“ ſagt der Alte, „haſt du das Geld?“ Froh kommt ſchnelle Antwort des Jungen zurück: „Ja, ich habe Geld,“ und zur Beſtätigung ſeiner Worte ſchüttelt er die große Taſche ſeines weiten Gewandes, und ein helles Klirren verrät das Vorhandenſein vieler Geldſtücke. „Du weißt,“ ſagt der Alte, „daß die Tochter des freien Mannes 95 Mark koſtet?“ „Ja freilich, ich habe auch ſo viel.“ „Du weißt ferner,“ ſagt wieder vorſichtig der alte Mann, „daß du die Tochter eines freien Mannes niemals verſchenken oder verkaufen kannſt?“ „Ich weiß auch das,“ ſagt der Kaufluſtige, „und werde mich darnach richten. Doch haſt du als Vater des Mädchens die Pflicht, mir, wenn ſie je ohne Kinder ſtürbe, ſofort eine andere Tochter zu geben, und zwar ohne nochmalige Bezahlung.“ „Ich weiß das gar wohl,“ ſagt ſeufzend der Alte, „und ich finde, es ſei ein hartes Geſetz, das auf den freien Vätern der Töchter Bamums liegt.“ „Hat nicht der große König Nzoja uns dieſe Geſetze gegeben,“ meint lächelnd der Junge, „willſt du ſie auf— heben?“ Der Alte ſchüttelt den grauen Kopf und ſagt ſeufzend: „Wie ſollte ich das tun wollen? Doch wenn du meiner Tochter überdrüſſig geworden biſt, ſo gibſt du ſie mir wieder zurück, das iſt auch Geſetz.“

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„Solange deine Tochter geſund ift und mir die verfprochene Treue hält, ſoll ſie mir lieb und wert ſein; bricht ſie aber die Ehe, ſo magſt du ſie gerne wieder haben und ich fordere keinen Erſatz.“ Mit dieſer Erklärung ſcheint der alte Mann zufrieden zu ſein. Er nimmt ſchmunzelnd das Geld in Empfang und reicht ſeinem zukünftigen Schwiegerſohn die Hand. Ab und zu gleiten die Blicke der beiden Männer zum Frauenhaus hinüber, vor welchem das junge Mädchen noch immer ſein Brüderlein auf den Knien wiegt. Nun ruft der Vater: „Manja, gib das Kind einem Sklaven und komm ein⸗ mal ſchnell hieher.“ Ohne Antwort ſteht das Kind auf und geht mit ſeiner koſtbaren Bürde ins Haus hinein. Bald kommt es allein wieder heraus. Glättend ſtreicht es mit den zarten Händen über das zerknitterte Tuch und über das umwundene Köpfchen. Ohne Eile ſchreitet es den Frauenhäuſern entlang, dem Platze zu, wo die beiden Männer ſitzen und der Daherkommenden ent⸗ gegenſehen. Das Kind ſtellt ſich einige Schritte von ſeinem Vater entfernt auf, und fragend gehen ſeine Blicke zwiſchen den beiden Männern hin und her. Der Alte deutet mit der Hand auf das Mädchen und ſagt zum Jungen: „Da iſt deine Braut, die du eben erhandelt haſt. Sie gehört nun dir, und ich habe nicht mehr über ſie zu beſtimmen.“ Zum Mädchen ſagt er nur: „Ich habe dich heute dieſem Manne verkauft. Sei ihm ein treues Weib, wie deine Mutter mir ein treues Weib iſt.“ Das Mädchen ſteht ſprachlos. Ein kaum merkliches Zucken geht durch den jungen Körper; aber es klatſcht in die Hände zum Dank für das, was der Vater getan hat, kehrt ſich um und geht in die Hütte der Mutter zurück. Die Mutter iſt nicht zu Hauſe. Schon am frühen Morgen iſt ſie ins Holz gegangen und wird erſt am Abend zurückkommen. Wortlos nimmt die junge Braut dem Sklaven das Brüderchen ab. Der Kleine iſt erwacht und ſtreckt, vor Freude krähend, der geliebten

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Schweſter die runden, braunen Armchen entgegen. Sie läßt ihn ſanft vor ſich auf den Boden gleiten, und das Büblein findet bald einen Gegenſtand, der ſeine ganze Aufmerkſamkeit in Anſpruch nimmt. So hat die Hüterin Muße, über ihr Schickſal nachzu— denken. Träne um Träne fällt aus den ſchwarzen Augen und die

Holzträgerin.

heimkehrende Mutter findet ein betrübtes Kind. Aber ſie kann nichts ändern und hat nur den einen Troſt: „Es geht allen Bamum— mädchen ſo wie dir; du mußt dich darein finden. Auch iſt dein zukünftiger Mann ein reicher Herr, du wirſt es gut haben.“

Ja, die Mutter der kleinen Manja hat recht; es geht allen Bamumtöchtern ſo. Wie eine Ware werden ſie von ihren Vätern

Wuhrmann, Im Grasland von Kamerun. 5

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verhandelt, und die Mütter haben nichts dazu zu ſagen. Die Mäd⸗ chen ſind für die Väter nur Handelsobjekt und müſſen oft als Zahlung für gemachte Spielſchulden dienen. Viele Mädchen gelten auch als Steuer, denn jeder freie Mann muß von Zeit zu Zeit zwei ſeiner Töchter als Abgabe ins Häuptlingsgehöfte bringen. Dann verfügt natürlich der Häuptling allein über dieſe Kinder. Die ſchönſten und vornehmſten behält er für ſich und „tut ſie unter die Hand“ einer alten und bewährten Königsfrau. Da lernen die Bräute höfiſche Sitte und werden darauf vorbereitet, ſich ein- mal als Königsfrauen im Palaſt würdig bewegen zu können. Die weniger ſtattlichen und weniger vornehmen Mädchen verſchenkt der König weiter, irgend einem Beamten, der ſich irgendwie um Krone und Reich verdient gemacht hat. 8 | Seine zahlreichen eigenen Töchter verſchenkt der Häuptling auch, aber nur Herren aus den höchſten Ständen ſind einer ſolchen könig⸗ lichen Gabe würdig. Mit der Königstochter gehen alle ihre Skla⸗ ven und Sklavinnen, Acker und Herden in den Beſitz des Mannes über. Doch nur ſeufzend empfängt er die königliche Gabe, denn ſie kommt ihn teurer zu ſtehen, als ein Gehöfte von zehn ein⸗ fachen Frauen. Er muß viele Geſchenke zur Hand haben, wenn die „Prinzeſſin“ bei ihm Einzug hält. Er muß mit reichen Mitteln ausgerüſtet fein, um die Verwandten der hohen Braut zu er- freuen, und die Landesſitte verlangt von dem Bräutigam, daß er beſonders die Brüder und Schweſtern des Königs reich beſchenke. Werden einem vornehmen Manne viele Töchter geboren, ſo

iſt ſeine Freude darüber größer, als wenn es Söhne wären, denn auch in Ba:num gilt das Wort: „Und viele Töchter bringen Reich— tum.“ Auch die Töchter ſeiner Sklaven verkauft der freie Herr in Bamum für ſeine eigene Rechnung und ſein Vermögen mehrt ſich dadurch. Die Preiſe der Mädchen ſind, je nach ihrem Stande,

verſchieden. Währenddem das Kind des freien Mannes 95 Mark koſtet und nur unter gegenſeitiger Garantie verkauft wird, kann das Sklavenkind um 75 Mark erworben werden, und der Käufer hat dem Mädchen gegenüber keinerlei Verpflichtungen. Er kann mit der Sklavin willkürlich verfahren; er kann ſie verſchenken, verkaufen, mißhandeln und mit tauſend Grauſamkeiten beinahe zu Tode quälen; die Sklavin iſt ſchutz- und rechtlos, und niemand nimmt ſich ihrer an, wenn ihr Unrecht geſchieht.

Gewöhnlich werden unſere Mädchen im zarteſten Alter ver— kauft. Sie bleiben, ſolange ſie Pflege brauchen, bei der Mutter. Aber das Negerkind wird gar bald ſelbſtändig, und die meiſten Bräute ſiedeln in die Gehöfte des zukünftigen Mannes über, bevor ſie das fünfte Lebensjahr zurückgelegt haben. Das iſt dann ein trauriges Losreißen von Mutter und Geſchwiſtern, und manch Müt⸗ terlein mag bittere Tränen weinen, wenn das Kind ſo früh ihrem Einfluß und ihrer Liebe entzogen wird. Der Bräutigam verfolgt mit der Überſiedelung der kleinen Braut in ſein Gehöfte einen doppelten Zweck. Erſtens will er ſein Eigentum, für das er eine große Summe bezahlt hat, gerne bei ſich haben, und dann iſt ihm auch daran gelegen, daß ſeine zukünftige Frau ſich bei Zeiten in die Gewohnheiten eines anderen Gehöftes einlebe. Das kleine Mädchen kommt im Gehöfte ihres Bräutigams in das Haus einer zukünftigen Mitfrau, die Kinder hat. Gewöhnlich werden die kleinen Bräute gut behandelt, denn man vergißt nicht, daß ſie viel Geld gekoſtet haben. Spielend wächſt das Kind in die neuen Verhältniſſe hinein und kleine Arbeiten, wie ſie im väterlichen Gehöfte zu tun waren, ſind auch hier zu verrichten. Die Kinder der Mitfrau ſtehen unter der Obhut der kleinen Braut. Doch iſt das Kinder— hüten kein allzuſchweres Geſchäft. Die kleinen braunen Schrei— hälſe ſind ſeelenvergnügt, wenn fie ſich im warmen Sand vor

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Mutters Hauſe tummeln können, und wenn die Hüterin es verſteht, aus dem weichen Mark der Palmrippe hübſche Püppchen oder niedliche Steckenpferdchen zu machen, ſo hat ſie die Kinderherzen ſchnell gewonnen und iſt den Kleinen ein herzlieber Spielgenoß. Die kleine Braut verſteht es ſchon ſehr früh, der Küche vorzu-

Frau beim Maismahlen.

ſtehen, und wenn auch ihre kulinariſchen Kenntniſſe recht einfache ſind, ſo genügen ſie doch den Bedürfniſſen der Hüttenbewohner vollkommen. Je älter das Kind wird, deſto ſchwerer wird auch die Arbeit, die es zu tun hat. Hat der zukünftige Herr und Gebieter wenig oder keine Sklaven, ſo müſſen eben ſeine Frauen und Bräute die ausgedehnten Acker beſtellen. Feldarbeit iſt in Kamerun des— wegen beſonders ſchwer, weil die Werkzeuge ſo primitiv ſind. Eine

kurzſtielige Hacke zwingt die Arbeitende, in tiefgebückter Stellung den Boden zu bearbeiten. Es iſt gewiß keine Kleinigkeit, vom

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Spinnende Königsfrau.

frühen Morgen bis zur hereinbrechenden Nacht ſo im Felde zu ſtehen und den unbarmherzigen Strahlen der Tropenſonne ausgeſetzt zu ſein. Nur gut, daß das Land ſo fruchtbar iſt und gerne reichlich wiedergibt, was der Scholle in vielen mühſamen Arbeitstagen

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anvertraut wurde. Das Tragen des Waſſers für Koch- und Waſchzwecke iſt auch Arbeit der Frauen und Mädchen und kann ſehr mühſelig werden, wenn die Gehöfte hoch droben auf den Bergen liegen, und die Quellen und Brünnlein tief drunten in den Tälern fließen. Zur Arbeit der Frauen von Bamum gehört auch das mühſame Geſchäft des Maismahlens, das noch recht nach „alter Väter Weiſe“ zwiſchen zwei Steinen beſorgt wird. Das Spin- nen der ſchneeigen Baumwolle für die königliche Weberei iſt unſern Frauen eine liebe und leichte Arbeit, und beſonders die Häuptlings⸗ frauen bewegen flink und eifrig, mit zierlichen Händen die tanzende Spindel. Töpfe, Pfannen und Waſſergefäße verfertigen unſere Frauen mit großem Geſchick und ohne Drehſcheibe aus weichem Lehm, den das Land in großen Mengen liefert. Die ſchwerſte Arbeit, unter welcher die Frauen oft beinahe zuſammenbrechen, iſt das Holztragen. Der nächſte Wald, aus welchem das Brennholz hergeſchafft werden muß, liegt vier Stunden von Fumban ent⸗ fernt. Die Wege, die der Neger ſich anlegt, oder vielmehr ſich durch vieles Gehen tritt, ſind die denkbar ſchlechteſten. Bald führen ſie über hohe Berge, bald durch tiefe Täler, bald eng zwiſchen mannshohem Gras hindurch, deſſen ſcharfkantige Blätter den Wan⸗ derer verletzen, bald über ödes Geſtein, das wie ein glühender Ofen die Sonnenhitze unbarmherzig zurückſtrahlt, bald mitten durch Bäche und Flüſſe, die zwar in der Trockenzeit recht harmlos ſind, aber zur Zeit ausgiebigen Regens anſchwellen und zu wilden und gefährlichen Strömen werden. Solche Wege müſſen unſere Frauen und Mädchen gehen, um das nötige Brennholz herzuſchaffen. Am frühen Morgen, wenn noch der bleiche Mond am Himmel ſteht, ziehen ſie aus, um vor der Hitze des Tages im entlegenen Urwald zu ſein. Da fällen ſie mit höchſt primitiven Axten kleine Bäume und ſchlagen lange Schlinggewächſe und zähe Luftwurzeln von alten

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Baumrieſen herunter. Es iſt mühſame Arbeit und käme eigentlich ſtarken Männern zu. Doch frägt man ja in Bamum nichts dar— nach, wenn die Frauen unter ſchweren Laſten beinahe zuſammen— brechen, währenddem der Herr des Gehöftes gemütlich im Schatten ſeines Hauſes ſitzt, ſeine Pfeife raucht und Palmwein trinkt. Wenn die Frauen genügend Holz beiſammen haben, binden ſie es mit einer biegſamen Liane zuſammen zu einem langen Bündel. Es iſt ſelbſt— verſtändlich, daß die Trägerinnen bei den weiten und ſchlechten Wegen, die ſie zurücklegen müſſen, ſo viel Holz, als nur irgend möglich, mit nach Hauſe ſchleppen, und deswegen ſind die Holzlaſten, die ſich die Frauen zurechtmachen, ganz unſäglich ſchwer. Keuchend und ſchweißtriefend kommen ſie bei hereinbrechender Dunkelheit zu Hauſe an und müſſen dann ihr Holz auch noch klein machen, damit es auf der ſchmalen, offenen Herdftelle verwendet werden kann.

Bei all dem Schweren, das auf unſern Frauen laſtet, bleibt ihnen doch genügend Zeit, ſich zu frohem Spiel zu ſchmücken. Die mondhellen Nächte locken alt und jung aus den dumpfen Hütten heraus, und fröhlich erklingen muntere Lieder. Ab und zu erlaubt der König einen Tanz, an dem ſich auch Frauen und Mädchen beteiligen dürfen; d. h. ihre Teilnahme iſt ziemlich paſſiv. Während die Männer ſich den wildeſten Tänzen mit großer Leiden— ſchaft hingeben, bilden die Frauen, eng aneinander gereiht, eine große lebendige Mauer um die Tänzer herum, klatſchen im Takt zur Muſik in die Hände, oder ſchütteln eine Raſſel mit ſolchem Ge— ſchick, daß man meinen könnte, all die tauſend Raſſeln ſeien nur eine einzige. Für ſolche Feſtlichkeiten werden von unſern Frauen die ſchönſten Tücher hervorgeſucht, die leuchtendſten Perlen ange— legt, die kunſtvollſten Friſuren gemacht und ſonſt manches kleine und harmloſe Schönheitsmittel angewandt. Der bleibendſte Schmuck, die Tätowierungen, iſt ſchon da. Von der Haarwurzel, mitten

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über Stirn und Naſenrücken läuft ein tiefeingeſchnittener Strich, das Stammesabzeichen. Die Wangen, der Hals, die Bruſt, die Oberarme und die Handrücken weiſen ſchön eingeſchnittene Bilder auf. Die Bilder werden mit feuchter Aſche aufgezeichnet, dann mit einem kleinen, oft nicht einmal ſehr ſcharfen Meſſer eingeritzt, und zuletzt werden die noch blutenden Wunden mit Ruß eingerieben. Dadurch verheilen ſie ſchwarz, und die Zeichnungen heben ſich ſchön von dem braunen Körper ab. Doch noch nicht genug. Die Ohr— läppchen und die Naſenwand der Bamumfrauen werden durchſtochen und die erſt kleinen Löchlein ſo ausgeweitet, daß ein Pflock von der Dicke eines Mittelfingers bequem darin Platz findet. Unſere Mädchen und Frauen ſind ſtolz auf ihren haltbaren Schmuck und denken nicht daran, daß ſie ſich damit ſehr verunſtalten. Frohe Hochzeitsfefte, die tagelang dauern, bringen Abwechs— lung ins tägliche Einerlei. Der höchſte Wunſch einer jungver⸗ heirateten Frau geht dahin, ein Kindlein zu beſitzen. Das ſoll ſie entſchädigen für manches Schwere, das ihr an der Seite ihres um viele Jahre ältern Gatten nicht erſpart bleibt. Iſt ihr Kinder⸗ ſegen verſagt, ſo legt ſich eine ſtille Wehmut auf ſie; aber freudig lebt ſie auf, wenn ſie ein Kind auf den Armen wiegt. Sind es ihrer mehrere, fo wächſt ihr Stolz, und iſt fie gar dazu auser- ſehen, Zwillingen das Leben zu geben, ſo kennt ihre Freude keine Grenzen. Ihr Anſehen wächſt im Gehöfte und in der Stadt, und ſie wird von ihrem Manne über alle Mitfrauen hochgehalten. Zwillinge genießen in Fumban göttliche Verehrung. Gleich nach ihrer Geburt werden ſie zum König gebracht, der ihnen die Namen beilegt und ſie als ſein eigen adoptiert. Er verleiht allen, auch den Zwillingen des ärmſten Sklaven, ſofort den für Königs— kinder gebräuchlichen Adelstitel „Nji“, und viele alte Leute nennen die Zwillinge noch Götter, denn ſie ſind etwas Ungewöhnliches.

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Leider verſteht die Bamumfrau nur wenig von Kinderpflege, und viele der Kleinen ſterben im zarteſten Alter, weil es ihnen

Königsfrau mit Tätowierungen.

an der richtigen Wartung fehlt, und weil gleich nach der Geburt eine Prozedur mit dem kleinen Menſchlein vorgenommen wird, die nur wenige ertragen. Da wird der weiche Schädel des Neuge— borenen von ſtarken Händen gedrückt, von vorn nach hinten und

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von unten nach oben. Überdies wird dem kleinen Ankömmling

irgend eine greuliche Medizin ins Mäulchen geſteckt, die das Kind vor allem Böſen bewahren ſoll, das den Menſchen vom erſten Lebenstag an beſtändig umlauert. Erlaubt ſich die Miſſionarin irgend eine Bemerkung oder einen Rat, ſo heißt es gewöhnlich: „Haben es nicht meine Mutter und meine Großmutter auch ſo gehalten, wie ich es mit meinem Kinde tue, und ich bin doch nicht geſtorben.“ Stirbt ein Kind, ſo iſt der Jammer groß. In troſt⸗ loſem Schmerze beweint die Mutter tagelang den kleinen Liebling, rauft ſich das Haar und ſchlägt ſich voll Verzweiflung die Bruſt. Stundenlang ſitzt ſie in ſtumpfſinnigem Hinbrüten auf dem kleinen

Grabhügel, der ſich neben der Türe ihres Hauſes wölbt. Man

kann oft bei Frauenhäuſern eine ganze Reihe ſolcher kleiner Gräber ſehen, und oft ruht der Blick der ſchwergeprüften Mutter auf den Ruheſtätten ihrer kleinen Toten. Frägt man eine Bamumfrau nach der Zahl ihrer Kinder, ſo bekommt man etwa folgende Ant⸗ wort: „Ich habe fünf Kinder unter der Erde und drei darüber.“

Traurig iſt das Los unſerer kinderloſen Frauen, wenn ſie un⸗ heilbar krank find. Lupus und Ausſatz find in Bamum weitver— breitete Krankheiten, die immer weiter um ſich greifen, weil die Bamum von einer Abſonderung der Kranken nichts wiſſen wollen. Doch erinnert ſich der Mann der kinderloſen Frau, die von ſolchem Leiden befallen iſt, gerne daran, daß er die unheilbar Kranke ins elterliche Gehöfte zurückgeben kann und nach ihrem Tode eine geſunde Schweſter der Verſtorbenen zu beanſpruchen hat. Natür— lich wird die Ausſätzige im elterlichen Gehöfte nur widerwillig auf— genommen und mit wenig Liebe gepflegt. Ihr Mann und ihre Mitfrauen beſuchen ſie nie, und ungeduldig wartet der Gatte auf ihren Tod und verfehlt nicht, vom Vater der Wah e ſofor— tigen Erſatz zu fordern. |

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Großer Jammer herrſcht im ſtattlichen Gehöfte hinter dem Marktplatz. Der Herr des Beſitztums, jener alte, uns ſchon be— kannte Mann, iſt einem Schlaganfall erlegen. Schnell wird er im Garten hinter ſeinem Hauſe begraben, und nun beginnen die Totenklagen. Die prächtigen Bananen des Gartens, die im Winde eben noch leiſe rauſchten, werden umgehauen, der kunſtvolle Zaun, der das Gehöfte umſchloß, und die Veranda, die dem Herrenhaus ein ſo gemütliches Gepräge gab, werden eingeriſſen, denn der Be— ſitzer hat die lange Reiſe ins Totenland angetreten, und ſeine irdiſche Wohnſtätte ſoll wenigſtens ſolange wüſte ſein, bis der Erbe das Regiment ergreift und mit ihm neues Leben ins Gehöfte einzieht. Mitten im geräumigen Hofe ſteht die große Totentrommel; ſie reicht einem ausgewachſenen Manne bis unter die Arme. Ein Sklave entlockt ihr mit kurzem Schläger dumpfdröhnende Töne. Ihre tiefe Stimme iſt weithin hörbar, und eilig kommen von allen Seiten Verwandte, Freunde und Bekannte des Toten, um ihn zu beklagen. Gruppenweiſe finden ſie ſich im großen Hofe zuſammen, ſetzen ſich unter die Schattenbäume, erzählen ſich allerlei aus dem Leben des Verſtorbenen und rühmen ihn über die Maßen. Verwahr— loſte Kinder ſchleichen ängſtlich und traurig umher, oder ſitzen vor den Hütten der Mütter. Aus dem Herrenhauſe tönt troſtloſes Jammern und herzzerreißendes Klagen. Dort ſind die Frauen des Verſtorbenen und beweinen ihr Schickſal. Zum Zeichen ihrer tiefen Trauer haben ſie jedes Kleidungsſtück und jeglichen Schmuck ab— gelegt und ſich von Kopf zu Fuß mit naſſem Lehm eingeſchmiert. Geſpenſterhaft blicken die müden, übernächtigen Augen aus der halb— angetrockneten Lehmkruſte. Die Frauen liegen im Herrenhauſe den Wänden entlang auf dem Boden in Ruß und Aſche. Sie weinen zum Herzbrechen und heulen oft voll Verzweiflung auf, daß es dem Unbeteiligten durch Mark und Bein dringt. Verlaſſen die Witwen

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für kurze Zeit das Haus des Verſtorbenen, fo geben fie in gebückter Stellung an einem Stabe, ein Sinnbild 1 daß ſie ihres Lebens Stütze verloren haben.

Und doch hegt jede Mutter, trotz des Trauerns, eine ſtille Hoffnung. Könnte nicht der Verſtorbene vor ſeinem Tode noch ihren Sohn als Erben bezeichnet und den treuen Freunden ſeinen Namen angegeben haben, daß er nach ſeinem Ableben ſein Nach⸗ folger werde? Es fällt alles, das Gehöfte, die Acker, die Herden, die Sklaven, einem Erben zu. Die Geſchwiſter werden ſeine „Zu⸗ gehörigen“, und von den Frauen des Vaters nimmt er Beſitz. Nur ſeine eigene Mutter gelangt auch in eine neue Stellung: ſie erhält ein eigenes großes Haus, wird die Ratgeberin des Erben, und die Mitfrauen, mit denen ſie erſt noch auf du und du ſtand, nennen ſie Schwiegermutter, reden ſie in der dritten Perſon an und fallen vor ihr zur Erde, wenn ſie mit ihr reden. Iſt es da zu verwundern, daß jede Frau im ſtillen hofft, zu dieſer Stellung zu gelangen? Hat der Verſtorbene nicht mehr Zeit gehabt, ſeinen Erben ſelbſt zu beſtimmen, ſo geht die Angelegenheit an den König über. Er läßt alle Männer und Knaben des Trauerhauſes an einem be— ſtimmten Tage zu ſich kommen. Das iſt für die Bewohner des Gehöftes das Zeichen, daß die Totenklagen aufhören müſſen. Die zurückbleibenden Frauen bringen das verwahrloſte Gehöfte vor allem ein wenig in Ordnung. Die großen Totentrommeln werden beiſeite geſchafft und die Spuren der nächtlichen Gelage werden verwiſcht. Die Frauen waſchen ſich und ſuchen ihre Tücher wieder hervor. Die Kindlein ſind froh, daß die Klagen ein Ende haben und die Mütter wieder Zeit finden, für ſie zu ſorgen. Mitten in den großen Hof wird der Stuhl des Verſtorbenen geſtellt, und nun wird der Erbe erwartet. Schweigſam, wie ſich's für Trauernde gebührt, haben die Männer den Weg zum Königshofe zurückgelegt. Sie treten in

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den Hof vor der Audienzhalle und warten, bis ſie aufgerufen werden. Da mag jedes Herz erwartungsvoll ſchlagen und jeder Gerufene im ſtillen hoffen, als reicher Erbe den Königshof zu verlaſſen. Jetzt kommt ein Hofbeamter und befiehlt die Männer und Knaben zum König. Sie ſtellen ſich in angemeſſener Entfernung vom Throne auf, klatſchen zum Gruß in die Hände und falten ſie dann vor dem Mund. Iſt der Erbe noch vom Vater ſelbſt beſtimmt worden, ſo treten nun die Freunde, die um das Geheimnis wiſſen, vor den Häuptling und tun ihm den Willen des Verſtorbenen kund. Dann iſt die Sache ſchnell erledigt. Der König genehmigt und beſtätigt die Wahl. Iſt aber der Tod unverhofft eingekehrt, fo daß dem Beſitzer keine Zeit mehr blieb, feine irdiſchen An⸗ gelegenheiten zu ordnen, ſo beſtimmt nun der König den Erben. Forſchend ruhen ſeine Blicke auf den Männern, die vor ihm ſtehen. Es ſieht aus, als wolle er jedem von ihnen in der Seele leſen. Er möchte natürlich keinen Mißgriff tun und nur einem umſichtigen, arbeitsſamen und auch königstreuen Mann das ſtattliche Gehöfte zuſprechen. Er ſtellt viele Fragen und beobachtet bei deren Beant— wortung Haltung und Ausdrucksweiſe der Leute. Nun iſt das Examen zu Ende, und der König hat entſchieden. Er läßt eine rote Papageienfeder holen. Die ſoll den Erben zieren und ihn kenntlich machen. Wie nun die Herzen klopfen und fragende, bittende Blicke ſcheu zum König hinübergehen! Ein Hofbeamter erſcheint mit der Feder und tritt damit zum König. Leiſe bezeichnet er den Mann, der auserwählt iſt, das Erbe des Vaters anzu— treten. Der Beamte ſteckt ihm die Feder ins krauſe Haar. Der alſo Geſchmückte fällt auf ſein Antlitz, und ſein Händeklatſchen will kein Ende nehmen. Die Brüder und Verwandten, die zu— gegen ſind, klatſchen auch, aber bei den meiſten wird der Neid und die Mißgunſt größer fein als die Freude. Jetzt kommt ein

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ſtarker Sklave. Er nimmt den Erben auf die Schultern, um ihn in das Gehöfte zurückzutragen. Jubelnd und händeklatſchend laufen die andern Männer hinter dem Erben drein. Überall, wo der Zug vorbeikommt, iſt ein ſtilles Staunen oder ein frohes Grüßen. Die Kunde läuft raſch von Mund zu Mund und eilt dem Erben voran in das Gehöfte. Von den zurückgebliebenen Frauen freut ſich nur eine. Die andern werfen ihr giftige Blicke zu und neiden der Mit⸗ frau das Glück, die Mutter des Erben zu ſein. Nun erſcheint der Erbe auf den Schultern des Sklaven. Schwer keucht dieſer unter ſeiner Laſt. Mitten im Hof wird der neue Herr auf den Stuhl ſeines Vaters geſetzt und ganz mit Palmwein übergoſſen. So beſtätigen die Frauen die Wahl ihres verſtorbenen Mannes oder des Königs. Tanz und Spiel und allerlei Luſtbarkeit treten an Stelle der Klage und Trauer. Bald ſpielt ſich das Leben im Ge⸗ höfte ab wie früher. Wohl einem Gehöfte, wenn der Erbe ein erwachſener Mann iſt und Frauen, Kinder und Sklaven in Ge⸗ horſam und Treue ihm untertan machen kann. Oft kommt es aber auch vor, daß der Tod unverſehens einen noch jungen Mann wegrafft, in deſſen Gehöfte keine erwachſenen Kinder ſind. Wer ſoll nun der Erbe ſein? Der älteſte Sohn iſt höchſtens vier Jahre alt und noch unfähig, das Erbteil anzutreten. Aber trotz dem wird nun ein unmündiges Kind Herr des Beſitztums. Seine Mutter verwaltet ihm das Erbe, bis er erwachſen iſt. Wohl nennen die übrigen Frauen den kleinen Knaben „ihren Mann und Herrn,“ aber ſie fragen ihm und ſeiner Mutter wenig nach. Jede von ihnen tut, was ſie gerne mag; alle führen ein Leben der Sünde und der Schande und machen das einſt fo ſtattliche und wohlangeſehene Gehöfte zum Sündenpfuhl, voll Laſter und Krankheit. Die Mutter des kleinen Erben iſt nicht beſſer als die übrigen Frauen. Die Sklaven laufen davon, oder werden verkauft. Die Acker liegen

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wüſt und unbebaut, das einſt ſo ſchöne Herrenhaus wird zur Ruine, und die Frauenhäuſer tragen das Gepräge ihrer Bewohnerinnen. Bis der Erbe erwachſen iſt, iſt er zum armen Mann geworden. Man ſpottet über ihn in der Stadt, und ſein Los iſt kein leichtes. Gewöhnlich hat er weder die Energie, noch den Mut, Wandel zu ſchaffen. Es hat ihm ja an gutem Beiſpiel gefehlt, und er iſt ſelten beſſer als ſeine Mutter und ſeine Frauen. Ganz ähnlich liegen die Verhältniſſe, wenn in einem Gehöfte kein männlicher Erbe vorhanden iſt. Dann fällt einer Lieblingsfrau oder einer Tochter des Verſtorbenen das Beſitztum zu. Es herrſchen da Zu— ſtände, von denen man in der Heimat keine Ahnung hat, und dem Miſſionsarbeiter krampft ſich das Herz zuſammen, und er wollte, er hätte die Möglichkeit, da Wandel zu ſchaffen. 5

Wir haben in Bamum auch eine große Anzahl 1 Frauen. Meiſtens ſind es Töchter vornehmer Herren. Sie ſind nicht, wie die andern, im zarteſten Alter verkauft worden, weil der Vater wohl kaum einmal in Geldverlegenheit war. Dieſe Mädchen weigern ſich ſpäter, das Joch der Ehe auf ſich zu nehmen. Sie wollen ein freies Leben führen und geraten ganz in die Sklaverei der Sünde. Sie bringen viel Herzeleid in die Familien und ſtehlen ohne Gewiſſensbiſſe der ehrbaren Frau das Herz ihres Mannes.

über unſeren Frauen und Mädchen in Bamum liegt noch die tiefdunkle Nacht des Heidentums. Da und dort glimmt aber ver— heißend ein kleines Lichtlein auf. Möchte es doch bald völlig Tag werden!

6. Kapitel.

Frohe Feſte.

Das Menſchenherz iſt überall dasſelbe. Und wo nicht der Geiſt Gottes in einem Herzen wohnt, da ſucht es ſich an vergänglichen Freuden zu ergötzen, und bleibt trotz Jubel und Genuß ach, ſo leer, ſo unbefriedigt und ſo voll Sehnſucht! Dieſe Tatſache kann man auch bei einem heidniſchen Volk beobachten. Wie laut und jubelnd ſind die Feſte des Bamumvolkes, aber wie ſchal und leer ſind die Herzen, wenn die letzten Töne der mächtigen Trommeln, der langen Poſaunen und der zirpenden Gitarren verklungen ſind! Da mag auch manchem denkenden Neger das Wort Salomons unbewußt aufſteigen: „Es iſt alles ganz eitel!“ Aber mit Leib und Seele gibt ſich der feſtfrohe Bamum dem lauten Jubel und dem Tanz und dem Genuß von Palmwein hin. Jedes kleine und große Ereignis in der Familie wird gebührend gefeiert, und wenn der Bamum⸗Vater auch nicht imſtande iſt, ſich den Geburtstag feiner Kinder zu merken, ſo ſieht er doch, wenn beim kleinen Kind das erſte Zähnchen durchbricht, oder wenn die braunen Füßlein, ſchwer⸗ fällig genug, aber doch ſelbſtändig die erſten Schritte tun. Das ſind beides Ereigniſſe, die feſtlich begangen werden müſſen. Da werden Mutter und Kind beſchenkt, und die Mitfrauen kommen und tanzen jubelnd und händeklatſchend um die beiden gefeierten Menfchen- kinder herum. Hat ein vornehmer Herr viele Freunde, ſo be—

ſuchen ſie ihn ab und zu alle miteinander, um ihm mit einem kleinen,

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lärmenden Tanz ihre Freundſchaft zu beweiſen und dem Einfluß— reichen für die Ehre zu danken, daß ſie wie Sklaven zu ſeinen Füßen ſitzen dürfen. Ich denke da beſonders an den Onkel des Häuptlings, bei dem oft ſolch ein kleiner Hofſtaat verſammelt war. Ich ſtand jedesmal, wenn ich die „tanzenden Freunde“ ſah, unter dem Eindruck, es handle ſich da um eine politiſche Zuſammenkunft und es müſſe der muntere Tanz etwas von weittragender Bedeutung harmlos erſcheinen laſſen. Ich konnte mich des Eindrucks um ſo weniger erwehren, als ich hörte, daß tatſächlich eine Partei exiſtiere, die mit der Regierung des Häuptlings nicht unbedingt einverſtanden ſei. Es beſtehen in Fumban auch mehrere Geheimbünde, deren Oberhaupt gewöhnlich der Häuptling felber. iſt. Sie haben an beſtimmten Tagen ihre Zuſammenkünfte, und ohne Zweifel werden da auch Spiel und Tanz der Deckmantel ſein für manche nachtſchwarze Tat. Es iſt keiner Frau geſtattet, einen Geheimbündler in ſeiner Vermummung zu ſehen, und alle Unbeteiligten, auch Männer, müſſen ſo raſch wie möglich an dem verzäunten Hofe vorübereilen, aus deſſen Innerem der Lärm der Trommeln und der Tanzenden ertönt. Früher, ſo ließ ich mir ſagen, machten bei einbrechender Nacht die Vermummten mit viel Lärm einen Gang durch die Stadt. Die Frauen nahmen heulend Reißaus vor der gefürchteten Schar, und wer den Tanzenden unverſehens in die Hände lief, mußte ſich durch eine Gabe loskaufen. Dieſe Tänze mit dem geheimnisvollen Drum und Dran ſind nur Feſte für den, der direkt dabei beteiligt iſt; für den Uneingeweihten haben ſie etwas Schauerliches, und unwill— kürlich überkommt einen ein Gefühl der Ohnmacht angeſichts der „organiſierten“ Tanzgeſellſchaften, aus deren Beratungen wenig Gutes hervorgeht, die aber ſchon viel Unglück angerichtet haben.

Wieviel harmloſer, froher und herzerquickender iſt da ein Hoch— zeitsfeſt. Wie gut verſteht es der Bamum, gründlich zu feiern.

Wuhrmann, Im Grasland von Kamerun. 6

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Gewöhnlich dauern ſolche Feſte tagelang, und jedermann ift gern- geſehener Gaſt, auch wenn er kommt, ohne direkt geladen zu ſein. Je hochgeſtellter die Familie, deſto größer auch die Feſtlichkeiten bei einer Hochzeit. Im März 1914 verheiratete Nzoja ſeine älteſte Tochter; dabei wurden Feſte gefeiert, wie ich es im Hinterland von Kamerun nie für möglich gehalten hätte. Die ganze Stadt war dabei beteiligt. Schon 14 Tage vor der Hochzeit wurde auf dem Marktplatz bekannt gegeben, daß das „Kind der Stadt“ nun bald zu ſeinem Manne ziehen werde. Dieſe Bekanntmachung löſte unter den Händlerinnen lauten Jubel aus, und geſchäftig ſteckten nachher die Weiblein die Köpfe zuſammen, um zu beraten, was jede von ihnen der Prinzeſſin zu ihrem Ehrentag ſchenken wolle. „Ich bringe eine Traube roter Bananen,“ ſagt eine Frau; mehr kann ſie nicht geben, denn ſie iſt eine der Armſten im Land. „Ich habe im Ackerlein hinter meiner Hütte ſo ſchönen, groß⸗ blättrigen Tabak,“ ſagt ſtolz eine andere, „davon ſoll das Kind der Stadt einen Kranz haben.“ Eine dritte erzählt ſtrahlend von dem ſchönglänzenden Ruß, den ſie durch Verbrennen einer beſondern Grasart erhalten hat. „Da wird das Königskind in ſeinem neuen Hauſe ſich die Feuerſtelle und den Fußboden damit einreiben laſſen, und es wird prächtig ausſehen und die Feuer— ſtelle wird beſonders glänzen.“ So freuen ſich die einfachen Leute, daß ſie durch kleine, ihrem Vermögen entſprechende Gaben ihre Anhänglichkeit zum Königshauſe zeigen können, und die Vornehmen und Hochgeſtellten zerbrechen ſich die Köpfe, um etwas heraus— zufinden, was auch in den Augen des Königs Wert hat als Geſchenk für ſein erſtgeborenes Kind.

Ngutane (die Stadt kommt zuſammen), die Tochter des Königs, zählt ungefähr 15 Jahre. Seit ihrer früheſten Kindheit iſt ſie mit einem einflußreichen, ſtammreinen Bamum verlobt. Dieſer

beſitzt ein prachtvolles Gehöfte, drei Wegſtunden ſüdlich von Fumban. Der glückliche Bräutigam hat bei den Feſtlichkeiten nichts zu tun, als das Haus für die junge Frau recht ſchön herzurichten und dann in aller Geduld auf ſie zu warten. Seit der erſten Bekanntmachung auf dem Marktplatz bis nach der Hochzeit darf ſich der Bräutigam nicht im Bannkreis der Reſidenz ſehen laſſen, das würde gegen die Landesſitte verſtoßen und das Brautpaar in der Achtung des Volkes herabſetzen. Die Braut feiert ihre Hochzeit mit ihren Angehörigen und dem Volke, und das junge Mädchen muß in den Feſt⸗ tagen beinahe Unmögliches leiſten mit Tanzen, Schmücken und Vor⸗— ſtellungen.

Die eigentlichen Feſtlichkeiten wurden durch die junge Braut ſelbſt eröffnet. Nur von einigen Hofwächtern begleitet, begab ſich Ngutane am Markttag mitten hinein in das Menſchengewühl der Käufer und Verkäufer und warf mit vollen Händen Geld unter die lautjubelnde Menge. Einige Tage ſpäter war der große Platz vor dem königlichen Palaſte dicht angefüllt mit Menſchen. Alt und jung, arm und reich, vornehm und gering, Sklave und Freier, alle hatten der königlichen Einladung Folge geleiſtet und waren zum Tanze erſchienen. Alles war in wiegender, wogender Bewegung, und alles jubelte auf, als die großgewachſene ſchöne Braut mitten unter das tanzende Volk trat. Niemand von der königlichen Familie begleitete ſie. Sie tanzte ganz allein vor den Untertanen ihres Vaters und neigte ſich mit unnachahmlicher Anmut bald dieſem, bald jenem grüßend zu. Aus dem Häuptlingshofe kamen plötzlich bewaffnete und maskierte Hofwächter angeſprungen. In ehrfurchtsvoller Ent— fernung ſtellten ſich die bewaffneten Leute auf, währenddem die maskierten Tänzer ſich unter das Volk miſchten und für die Be— wegung im Tanze das Tempo angaben. Eine greuliche Maske, einen Büffel vorſtellend, bewegte ſich beſtändig in der Nähe der

Prinzeſſin, lag bald in tiefer Ehrfurcht vor ihr auf der Erde, umtanzte ſie bald mit komiſchen Sprüngen und ſprang dann wieder mit lautem Geſchrei in die aufkreiſchende Menge hinein. Ohne Zweifel war die Hofwächterſchar zum Schutze des einſam tanzenden Mädchens ausgezogen. Zum Tanz mit dem Volke war die Königs⸗ tochter in ihrer gewöhnlichen Kleidung gegangen, und kein Schmuck hätte dem Uneingeweihten verraten, daß die junge Tänzerin das Kind des Königs und eines hochgeſtellten Mannes Braut ſei. Aber ſchon der Abend desſelben Tages zeigte ſie in bräutlichem Schmuck. Ngutane iſt durch die Hochzeitstoilette eine ganz andere geworden. Fremd mutet vor allem die hohe Friſur an, und die Stachel⸗ ſchweinſtacheln, die links und rechts neben den Schläfen und oben auf dem Scheitel ſtecken, geben der Prinzeſſin beinahe ein kriegeriſches Aus ehen. Sie trägt an ihrem Ehrentage die Friſur der Frauen von Rifum, Das weiße Gewand, nach beinahe europäiſchem Schnitt, iſt reich beſtickt, und Nzoja erzählt freudeſtrahlend, daß er die Zeich⸗ nung zur bunten Stickerei ſelbſt entworfen habe. Dieſes Kleid iſt ein Beweis dafür, daß das Neue ſich doch allmählich Bahn bricht, und daß Altes in den Hintergrund gedrängt wird. Die Jungen in Bamum würden ſich an dem europäiſchen Brautgewand kaum geſtoßen, aber alten, konſervativen Bamumleuten würde die jo auf- geputzte Braut nicht gefallen haben. Das wußte Mzoja recht wohl, darum ließ er ſein Kind über das europäiſche Feſtgewand noch den großen Lendenſchurz tragen, den die Königstöchter früher an ihrem Ehrentag anhatten. Hals, Arme und Beine der Braut waren mit uraltem Schmuck behangen, und um die Arme und Lenden lagen weich und geſchmeidig Streifen aus Leopardenfell. Eine Kette, beſtehend aus langen, ſchwarzen Glasperlen, zwiſchen denen zahlreiche Löwenzähne beinahe gefährlich herausſtanden, reichte bis zum Gürtel hinunter. So geſchmückt, trat die Braut an der Hand ihres Vaters

hinaus auf den Marktplatz, wo beide von einem tauſendſtimmigen Jubelſchrei empfangen wurden, und das frohe Händeklatſchen wollte kein Ende nehmen. Verwirrt und erſtaunt ſchaute die Heldin des Tages um ſich. Plötzlich wurde es ganz kirchenſtill. Der König winkte

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Königstochter in Brautſchmuck.

zwei Beamten, von denen jeder einen kleinen Korb in den Händen hielt. In einem der Körbe war trockene, rote Erde aus dem Hofe des Palaſtes, der andere war angefüllt mit den kleinen Körnern der Durrapflanze. Der König nahm ein wenig von der Erde, beſtrich damit die nackten Vorderarme ſeines bräutlichen Kindes und ſchüttete

den Reſt in eine große Taſche, die der Braut an den Arm gehängt wurde. Dann nahm er eine Hand voll der kleinen Körner und warf ſie ſeiner Tochter ins Geſicht und ins krauſe Haar, wo viele der Sämlein hängen blieben und wie rötliche Edelſteine glänzten. Ich fragte nach der Bedeutung dieſer ſymboliſchen Handlungen und man erzählte mir, daß die Erde aus dem väterlichen Gehöfte ein gutes Mittel gegen das Heimweh ſei. Ngutane wird nun in das entlegene Gehöfte ihres Mannes ziehen. Sie kennt dort weder die Menſchen, noch die Verhältniſſe, denn ſie iſt niemals dort ge⸗ weſen. In den erſten Monaten darf die junge Frau auch keinen Beſuch zu Hauſe machen, ſo will die Sitte ihr das Heimiſchwerden im neuen Gehöfte erleichtern. Es iſt natürlich ſelbſtverſtändlich, daß das ängſtlich behütete Königskind ſich nun in den neuen Ver⸗ hältniſſen einſam fühlen, und daß das Heimweh mit Macht über die junge Frau kommen wird. Da ſoll fie dann die Taſche hervor— holen, ſich die Heimaterde gründlich betrachten und daran denken, daß nach der kurzen Probezeit ihr das Vaterhaus wieder offen ſteht, und daß ſie ihren letzten Schlaf auch einmal wird in Heimat⸗ erde tun dürfen. Mit den Sämlein, die der König ſeiner Tochter ins Antlitz wirft, ſpricht er den Wunſch aus, ſein Kind möge die Mutter eines geſunden und wohlgeratenen Geſchlechtes werden. So hat auch dies heidniſche Volk manche wunderhübſche Sitte, und manches könnte für den, ach ſo überſättigten und komplizierten Europäer, herzerquickend und lehrreich ſein.

Nun ſteht alſo unſer Prinzeßlein in vollem Schmuck vor dem jubelnden Volke. Einer der Königsväter ergreift eine große Doppelglocke, die mit kurzem Schläger geſchlagen wird, ein zweiter Königsvater läßt ſich die Braut auf die Schultern laden und umzieht mit ſeiner koſtbaren Laſt den großen Marktplatz, gefolgt von den händeklatſchenden, lautjubelnden Frauen der königlichen Familie.

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Der bunte Zug ſchlängelt ſich zwiſchen den zurückweichenden Zu— ſchauern durch und nimmt ſein Ende bei der Hütte der Brautmutter. Müde und abgeſpannt von der Anſtrengung des Feierns, läßt das „Kind der Stadt“ ſich nun vom Mütterlein pflegen. Die feſtfrohe Menge zerſtreut ſich in ihre Gehöfte und Hüttlein, und die herabſin— kende Nacht ſieht nichts vom lärmenden Feſte des vergangenen Tages. Der folgende Tag ſoll der richtige Hochzeitstag ſein. Die Ge— ſchenke des Volkes häufen ſich im Häuptlingshofe ins Fabelhafte. Mais, Bananen, Süßkartoffeln, Tabak, Baumwolle und glänzen— der Ruß liegen als Gaben der Armen in großen Haufen. Die Begüterten bringen Hühner, Enten, Ziegen und Schafe. Vor— nehme Frauen bringen auf flachen Körben koſtbare Tücher. Der Onkel des Königs ſchenkt der Braut ein europäiſches Bett, und ein Reicher der Stadt läßt der Königstochter ſechs kräftige Sklaven als Hochzeitsgabe zuführen. In früher Morgenſtunde geht ein königlicher Sklave hinab in das Gehöfte des Bräutigams. Er ſucht gewiſſenhaft jedes Frauenhaus und jedes Sklavenhüttlein des ſtattlichen Gehöftes ab und löſcht überall die Feuerlein, die auf dem offenen Herde glimmen. Mit dem Einzug der Königstochter ſoll auch „königliches Feuer“ in das Gehöfte kommen, und der jung— verheirateten Frau fällt die Aufgabe zu, dafür zu ſorgen, daß ein Jahr lang das Feuer von daheim nicht verlöſche. Iſt ſie unachtſam und läßt das Feuer aus ihres Vaters Hauſe ausgehen, ſo muß ſie ſich beim König neues Feuer „kaufen“ und dem Vater für eine brennende Fackel eine junge Sklavin geben. Wie wunderbar fein und zart iſt auch dieſe Sitte wieder! Wie eine ernſte Predigt für Menſchen, die auf ihren gottgeweihten Altären ſo gerne fremdes Feuer unterhalten.

Der Auszug des Königskindes war prächtig; nur mutete es den Europäer ſonderbar an, daß weder Vater noch Mutter die

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Braut begleiteten. Auf eine diesbezügliche Frage ſagte die Mutter beinahe traurig: „Ich darf Ngutane nicht begleiten, denn nun muß ſie ihren Mann lieber haben als mich, deshalb bleibe ich hier.“ An Stelle der Eltern begleiteten Brüder und Schweſtern des Königs die Braut in das Haus ihres Verlobten und die königliche Muſik⸗ kapelle mit Trommeln, Poſaunen, Trompeten und andern Lärm⸗ inſtrumenten war mit im Feſtzug. Eine Reiterabteilung auf prächtig aufgezäumten Pferden machte den Beſchluß und ſorgte dafür, daß die feſtfrohe Menge nicht ungeſtüm nachdrängen konnte. Bis vor die Stadt hinaus wurde das „Kind der Stadt“ wieder von einem Königsvater getragen. Die ausziehende Braut ſaß rittlings auf den Schultern des Mannes, der faſt zuſammenbrach unter ſeiner koſt⸗ baren Laſt, und das Freudengeſchrei der Zuſchauer begleitete ſie. Die Buben kletterten flinkbeinig in die höchſten Bäume, um das ſeltene Schauſpiel ja recht genau zu ſehen. Vor der Stadt draußen erwartete ein ſchöner Rappe, das letzte Hochzeitsgeſchenk des Vaters, das Mädchen. Ngutane, des Reitens unkundig, ſetzte ſich nur zagend in den roten Lederſattel und hatte ſich auf den Schultern des „Herrn Miniſters“ wohl ſicherer gefühlt; auf des Königs Geheiß liefen aber vorſorglich zwei Sklaven neben dem lammfrommen Rößlein einher, und langſam bewegte ſich der Zug ſüdwärts und er- reichte bei ſinkender Sonne die neue Heimat der Königstochter. Der Feſtzug hatte an manchem Kreuzweg vorüberzugehen und der Bräutigam mußte den Leuten, deren Hütten dort ſtanden, nach der Hochzeit je fünf Mark bezahlen als Dank dafür, daß ſie ihm ſein Bräutchen nicht „geſtohlen“ hatten, ſondern den Feſtzug ruhig paf- ſieren ließen. So wird in Bamum am Häuptlingshofe Hochzeit gefeiert, und das königliche Familienfeſt wird zum brauſenden Volks— feſt, und alle, groß und klein, reich und arm, haben ihren An⸗ teil daran.

Wir haben aber in Bamum auch reine Volksfeſte, die in keinem Zuſammenhang mit den Ereigniſſen in der königlichen Familie ſtehen. Der Neger macht's ganz wie der Europäer, oder beſſer ge— ſagt, wie jedes Volk der Erde: er ſucht im Kreislaufe des Jahres die verſchiedenen Zeitabſchnitte feſtlich zu geſtalten. Wie bei nordi— ſchen Völkern die Winter-Sonnenwende Anlaß zu großer Freude gab, ſo feiert Ende März das Bamumvolk die Wiederkehr der ſegenſpendenden Regengüſſe, freilich erſt dann, wenn die Felder beſtellt und dem dampfenden Boden die verſchiedenen Saaten an— vertraut ſind. Wie alle Feſte, wird auch dieſes auf dem Platz vor dem Königshofe abgehalten. Es iſt auffallend, daß bei öffentlichen Tanzbeluſtigungen, die ſelbſtverſtändlich den Hauptteil jedes Feſtes ausmachen, die Frauen nur ſehr paſſiven Anteil haben. Sie ftehen- in einem Viereck aufgeſtellt, in dicht aufgeſchloſſener Reihe um den Tanzplatz herum, wiegen ſich nur wenig in den Hüften und ſchwingen im Takt eine kleine Raſſel, oder klatſchen nach dem Tempo des Tanzes in die Hände. Die Männer dagegen geben ſich leidenſchaft— lich dem Tanzvergnügen hin. Die tonangebenden Tänzer find mas⸗ kiert. Sie tragen ein Gewand, das über dem Haupt des Tänzers zuſammengebunden iſt und ihn ſomit vollſtändig verhüllt. Ein kleiner Schlitz im Gewand erlaubt der Maske, ſich zu orientieren. Ein ſchwerer, geſchnitzter Holzkopf ſitzt auf dem Kopf des Tänzers, und Franſen aus Gras verhüllen dem Zuſchauer die Mechanik der ſchweren Tanzmaske. Die Tänze der Bamum ſind wild und ausgelaſſen, gerade ſo, als ob der unbekannte Maskentänzer ſich in ſeiner Ver— mummung nun einmal austoben möchte. Ab und zu miſcht ſich der König auch als Maskierter unter die Tänzer; er gibt ihnen an Ge- ſchick und Behendigkeit nichts nach. Sobald er aber von den Zu— ſchauern erkannt wird, verſchwindet er vom Schauplatz und erſcheint nach kurzer Zeit wieder in ſeiner gewöhnlichen Klei—

dung. Ein lärmendes Kriegsfpiel der Beamten endet beinahe jedes Feſt.

Das größte Feſt in Bamum iſt das „Erntefeſt“. Es findet im Juli oder Auguſt ſtatt, je nachdem die Witterung das Ein⸗ bringen der erſten Ernte geſtattet. Vier Wochen vorher läßt der König auf dem Marktplatz den Feſttag bekanntgeben, und daß bis dahin alle Abgaben entrichtet ſein müſſen. Jedes Familienoberhaupt weiß, wieviel von dem Ernteertrag ſeiner Felder als Abgabe in die königlichen Vorratskammern wandern muß. Dieſe Steuern richten ſich für jeden Hofeigentümer nach der Größe ſeines Beſitztums und nach der Zahl ſeiner Arbeitskräfte, d. h. ſeiner Frauen und Sklaven. Die Abgaben find verhältnismäßig groß. Unſer Nach⸗ bar, ein reicher Bamum, hatte jedes Jahr 400 Körbe Mais, 400 Körbe Durrakorn und 200 geräucherte Feldratten abzuliefern. Iſt die Ernte ſchlecht ausgefallen, ſo gibt's beim König ein Bitt⸗ geſuch um Verminderung der üblichen Steuern. Dieſem Geſuch wird dann auch entſprochen. In den Tagen vor dem großen Feſt häufen ſich die Lebensmittel im Häuptlingsgehöfte ins Un⸗ geheure, und man begegnet auf ſeinen Gängen manchem langen Sklavenzuge, ſchwer beladen mit Feldfrüchten, geräuchertem Fleiſch, getrockneten Fiſchen, Geräten und Tüchern. In den Gehöften iſt's in den Tagen vor dem Feſt bis tief in die Nacht hinein lebendig. Dumpfdröhnende Trommeln geben aus allen Herrenhäuſern weit über die Stadt hin das Zeichen, daß das feſtfrohe Volk bereit ſei, zu feiern. Mich erinnerten dieſe kurzen nächtlichen Trommelzeichen immer ein wenig an die Höhenfeuer, die von Berg zu Berg einander zuzuwinken ſcheinen: „Wir ſind auch da und wir feiern mit.“ All die vielen Naturalien kommen zum großen Teil in die Häuſer der Königsfrauen und werden dort zubereitet, um am Feſttage in den Schüſſeln der Feſtteilnehmer zu verſchwinden. Denn ein rechtes

Volksfeſt ſoll das große Erntefeft fein, und bis zum letzten Sklaven ſoll ſich jeder freuen und von des Königs Tiſche geſättigt werden. Was iſt da am Feſttag für eine wogende Menge auf dem großen Marktplatz! Lautes Lachen ertönt, frohes Plaudern ſummt, und jeder Feſtteilnehmer iſt fröhlich und zufrieden. Die Frauen haben ihre kunſtvollen Friſuren dem feſtlichen Tag zu Ehren neu gemacht; ſie haben die ſchönſten Tücher hervorgeſucht, und blitzender Schmuck liegt um den Hals und die feinen Handgelenke. „Feſtkönige“ drängen ſich lachend durch das Gewühl der Menge und bieten ihre „Medizin“ an, „umſonſt und ohne Geld.“ Dieſe Medizin beſteht aus Erde, vermiſcht mit geriebenem Rotholz und wird von den Feſtkönigen ſelbſt den „Käufern“ an die Stirn geſtrichen. Frägt man etwa nach der Wirkung des Mittels, ſo ſagt der Feſtkönig lachend: „O, wer geſund iſt, der bleibt geſund, und wer mager iſt, wird ſicherlich, wenn er genügend zu eſſen hat, beleibt und kugelrund werden.“ Dieſe Feſtkönige find das Glück der Kinder. Sie tragen als Erkennungszeichen über ihrer Kleidung ein Fiſchernetz, und ihr Hut weiſt als Garnitur zahlreiche Schädel kleiner Tiere auf. Die luſtigen Jungen und die fröhlichen Mägdlein ſpringen jubelnd den alſo Verkleideten nach und ſchreien: „O Feſtkönig, gib auch mir von deiner Medizin.“ Und wenn der Angerufene Miene macht, ſich nach den kleinen Bettelſäcken umzudrehen, ſo ſtieben ſie mit lautem Gekreiſch auseinander, um ihn bald wieder zu verfolgen.

So laut und lärmend draußen auf dem Marktplatz gefeiert wird, ſo ſtill und gediegen geht es am Erntefeſt im Königspalaſte zu. In der „Halle des Kriegsrates“ ſteht auf einer kleinen Boden— erhöhung der Thron des Königs. Nur einmal im Jahr, eben am Erntefeſt, iſt dieſes Prunkſtück zu ſehen und wird von jung und alt gebührend bewundert. Der königliche Sitz iſt aus einem Holz— ſtück geſchnitzt und ganz mit bunten Glasperlen und kleinen, weißen

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Muſcheln überzogen. Er iſt ein ehrwürdiges Altertum und wird von den Hofwächtern als ein unerſetzliches Kleinod gehütet. Um die Mittagszeit füllt ſich die große Halle mit Menſchen. Bewaffnete Hofleute nehmen hinter dem Thron Stellung, und die erſten Be⸗ amten, in koſtbaren Kleidern, ſtehen in ſchöner, zwangloſer Gruppie⸗ rung um den Perlenſtuhl. Königsfrauen und Königskinder ſtehen im Hintergrund; der Platz dem Thron gegenüber iſt leer. Das leiſe Summen vieler Stimmen verſtummt plötzlich, denn Seine Majeſtät erſcheint. Nzoja iſt nur von zwei Beamten begleitet; aber bei ſeinem Eintritt in die Halle ſpringen ſchnell die Königs⸗ väter herbei, um ihm beim Erſteigen des hohen Thrones behilflich zu ſein. Heute iſt Nzoja ganz König. Das blütenweiße Gewand kleidet ihn außerordentlich gut, und der neue, weiße Turban hebt ſeine glänzendbraune Hautfarbe prächtig hervor. Kaum hat er Platz genommen, treten auch ſchon einige Männer herein und ſtellen ſich angeſichts des königlichen Sitzes auf. Dieſe Männer ſind die „Unterhäuptlinge der Landſchaft Bamum.“ Sie ſind gekommen, um Bericht zu erſtatten. Sie bringen Wünſche und Klagen vor und erzählen laut und ihre Rede mit Gebärden begleitend, was im Laufe des Jahres jenſeits der Stadtgräben ſich ereignet hat. Schwei⸗ gend hört König Nzoja zu. Nachdem ſie geendet, beginnt er zu ſprechen. Klar und deutlich fällt Wort auf Wort. Bald iſt's ein warmer Dank für geleiſtete Dienſte, bald freundliche Aner— kennung für irgendeine Tat, dann wieder umſichtiger Rat oder auch herber Tadel. Jede Rede des Oberhauptes wird natürlich mit dem üblichen Händeklatſchen verdankt, und darauf verlaſſen die Bericht— erſtatter die Halle. Jetzt wird dem König ein ſchöngeſchnitztes Kuhhorn gereicht, das bis zum Rand mit Palmwein gefüllt iſt. Es kommt nun der wichtigſte und feierlichſte Augenblick des ganzen Feſtes. Alle Zuſchauer ſehen mit Spannung nach dem Hallen—

eingang, durch welchen in langem Zuge 17 Herren treten. Es ſind dies die Nachkommen der 17 Getreuen, die vor vielen hundert Jahren mit dem erſten Bamumkönig Nia’re aus Rifum geflohen waren und in Not und Gefahr unentwegt zu ihm gehalten hatten. Dafür wurden ſie und ihre Erben auf ewige Zeiten von Dienſt—

König Nzoja auf dem Perlenthron.

barkeit befreit; die Herren leben auf ihren großen und ſchönen Beſitztümern. Der Tag der Ernte ruft ſie in die Stadt, und da erneuern ſie jedes Jahr vor dem verſammelten Volke den Eid der Treue. Sie nähern ſich dem König in gebückter Stellung und ſchlürfen ein wenig von dem Palmwein, den Nzoja ihnen in die dargebotenen hohlen Hände gießt. Niemand ſpricht ein Wort, aber

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wir laſſen uns hernach den wortloſen Treuſchwur in unſere Sprache über ſetzen, und da heißt er folgendermaßen: „So wie wir von dir, o König, den Palmwein ohne allen Argwohn entgegennehmen und gerne glauben, daß kein Gift darin enthalten iſt, ſo ſollſt du auch von deinen Vaſallen wiſſen, daß fie treu, wie ihre Vorfahren, zum Königshauſe ſtehen werden, und daß in ihren Herzen kein Falſch und keine Tücke zu finden ſind.“ Es iſt ein wunderſchönes Bild, dieſe Vereidigung. Der Ernſt des Häuptlings iſt prachtvoll, und dieſen Männern ſieht man es an, daß der Wille zur Treue auf⸗ richtig iſt. Das iſt eben auch wieder ein Moment, wo man die Gewißheit bekommt, daß der Neger nicht minderwertig iſt. Mit der Vereidigung der 17 Freiherren iſt das offizielle Feſt zu Ende. Der Häuptling wird vom Throne gehoben und verläßt, von ſeinen drei Vätern begleitet, die Halle des Kriegsrates, und die Zuſchauermenge miſcht ſich draußen auf dem Marktplatz unter das lautfeiernde Volk. Bei Speis und Trank, die der Häuptling leiſtet, läßt man Seine Majeſtät hochleben. Erſt die Nacht ſetzt dem frohen und lauten Treiben ein Ende. Noch ab und zu hört man von entlegenen Wegen her den frohen Juchſchrei eines heimkehrenden Feſtteilnehmers.

Es wäre noch manches zu erzählen von nächtlichen Tänzen, die leider das Licht des Tages und das Auge der Europäer ſcheuen müſſen; da mag es ohne Sünde nicht abgehen. Wir Miffions- leute kennen ſie nur vom Hörenſagen und vom Lärm, der zu uns dringt. Der fröhlich feiernde Neger iſt uns lieber. Wir gönnen ihm von Herzen die harmloſen Freuden, wünſchen aber nichts ſo ſehnlich, als daß er etwas finde, was hernach ſein Herz nicht ſo leer und öde laſſe.

7. Kapitel.

Trübe Tage.

Der Neger iſt Fataliſt. Er feiert ſeine Feſte mit beinahe kindlicher Fröhlichkeit und läßt dabei ſeinem Schönheitsſinn viel Spielraum; aber wenn Not und Leid kommen, verſagt feine Wider- ſtandskraft, und beinahe ſtumpfſinnig ſteht der Eingeborene einem ſchweren Schickſal ohnmächtig gegenüber. Er beſinnt ſich auf kein Mittel, das Unglück abzuwenden, ja er tut ſelten etwas, um es zu verhüten. Beſucht man einen von irgendwelchem Mißgeſchick betroffenen Neger, und ſucht ihn zu tröſten oder aufzurichten, ſo bekommt man ſicherlich die ſtereothpe Antwort: „Was kann man tun, wenn eine Gottheit ein Unglück ſchickt? Man muß es eben annehmen und darf ſich nicht dagegen wehren.“

Ich denke da beſonders an die vielen und großen Feuers— brünſte, denen ganze Stadtteile zum Opfer fallen, und wobei Men— ſchen und Tiere ums Leben kommen. Die Feuersgefahr iſt im Grasland immer vorhanden, zur Zeit der Dürre ſowohl, als in der Regenzeit. Wenn zur Regenzeit ſtarke Gewitter niedergehen, dann fährt der Blitz leicht in das hohe Grasdach eines Herren— hauſes, und wütend frißt das gierige Feuer um ſich. Was ſoll da der Menſch ſich wehren, wenn „die Hexen von oben auf ſein Haus ſpringen und es verzehren?“ Beinahe baumlos liegt die Stadt in einem unabſehbaren Meer von wogendem Elefantengras, und wenn die Trockenzeit im November mit glühender Sonne und

ftarfen Winden einſetzt, dann wird das hohe Gras ſchnell dürr. Dann kommt für unſere Männer die fröhliche Jagd. Es wäre aber gefährlich, durchs dichte Gras dem Wilde nackzuſtreifen, und auch der ſchwarze Jäger will ſein Jagdrevier überſehen. Deshalb brennt er die grasbeſtandenen Höhen und Täler ab. Was kümmert's ihn, wenn hohe, ſchöne Palmen dabei zugrunde gehen, oder wenn werdender Wald ein Raub der Flammen wird? Was kann er dafür, wenn glühende Grasbüſchel, vom Winde fortgetragen, ſich auf das Dach eines Hauſes ſetzen und die Wohnſtätte in kurzer Zeit zum rauchenden Trümmerhaufen wird? Oder iſt es etwa ſeine Schuld, wenn ganze Stadtteile in Schutthaufen ſich verwandeln, nur weil es in Bamum Sitte iſt, die Häuſer der Gehöfte recht nahe zuſammenzubauen? Einſichtsvolle Hofbeſitzer laſſen wohl, wie ſie's von den Miſſionaren geſehen haben, zur Zeit der Grasbrände rings um ihre Gehöfte herum das hohe Gras ſchlagen; aber das iſt noch keine abſolute Garantie, denn die leichten Feuerbrände fliegen oft, beſonders bei ſtarkem Wind, kilometerweit. Die deutſche Regierung hat zwar verboten, das Gras während des Tages abzu- brennen, da immer am Tage ſtarke Winde wehen. Die Abende ſind gewöhnlich windſtill, und die Feuersgefahr iſt dann kleiner. Aber an dieſes Verbot kehren ſich noch lange nicht alle Hofbeſitzer; man brennt eben ſein Gras ab, wenn es einem paßt, und ſo, wie man's zu des Großvaters Zeiten gemacht hat, ſo will's der ſtarr— köpfige Neger auch heute noch machen. | Iſt irgendein Gehöfte vom Feuer bedroht, fo tritt die „Fum— baner Feuerwehr“ in Tätigkeit. Das iſt nun freilich keine orga— niſierte Truppe, ſondern, wer von den jungen Leuten des Gehöftes gerade verfügbar und vor allem ſchwindelfrei iſt, der nimmt an dieſer Arbeit teil. Mit den langen Blättern der Banane bewaffnet, erklettern unſere Feuerwehrleute die gefährdeten Hütten und ſchlagen

wütend nach den daherfliegenden Feuerbränden; aber es kann doch geſchehen, daß ein brennender Grasbüſchel hoch über ihre Köpfe fliegt und ſich hinter ihrem Rücken auf ein unverteidigtes Hüttlein des Gehöftes niederläßt. Dann iſt das Unglück da, und die Ar— beit der Männer iſt vergeblich geworden; ſie müſſen ſchnell von den Dächern herunterſteigen und ihre Heimſtätten dem wütenden Element preisgeben.

Strahlend war am 1. Februar 1914 die liebe Sonntags- ſonne über Fumban aufgegangen, und man verſprach ſich einen pracht— vollen Tag. Doch, man ſoll den Tag nicht vor dem Abend loben! Freilich war im Verblaſſen das Himmelsgeſtirn noch ebenſo ſchön, wie beim Beginn ſeines Tageslaufes, nur, was die ſcheidende Sonne beſchien, war überaus traurig, und die rauchenden Trümmerhaufen von etwa 250 Wohnſtätten redeten eine beredte Sprache von der Ohnmacht unſeres Völkleins bei einem Brandunglück. Um die Mittagszeit wurde im Oſten, weit hinter der Stadtmauer eine kleine Rauchſäule ſichtbar. Man ſchenkte ihr wenig Beachtung, denn ſicherlich rührte ſie von einem harmloſen Grasbrand her, den ein jagdluſtiger Neger verurſacht hatte. Aber ein ſtarker Oſtwind erhob ſich und trug das Feuer auf raſchen Flügeln in die Nähe der großen Stadt. Die Rauchſäule wurde zur ſchwarzen, drohenden Wolke. Ab und zu ſprang aus dem Qualm eine haushohe Flamme auf, als ob ſie als Geſandter des Feuers Umſchau halten müßte. Schon hörte man das laute Kniſtern des Feuers in den dürren Halmen, und es war wie eine feindliche Attacke auf unſere ſtille, ſchöne Stadt. Da, auf einmal ſpringt eine Flamme fauchend auf die Stadtmauer und verſchlingt gierig ein Gebüſch, das in der langen Friedenszeit harmlos zwiſchen den Schießſcharten der niedern Lehmmauer gewuchert hat. Die kleine Flamme im ſterbenden Strauch bückt ſich, als ob ſie beim Erklimmen der Mauer ihren Kameraden

Wuhrmann, Im Grasland von Kamerun. 7

helfen müſſe. Dann fährt fie wirbelnd in die Höhe, nimmt einige glühende Blätter des brennenden Gebüſches mit und ſetzt ſich trium⸗ phierend auf das hohe Grasdach des ſtattlichen Herrenhauſes, das dort an der Stadtmauer ſteht. Das Gebäude iſt natürlich ver- loren und mit ihm all die netten Frauenhäuſer, die ſich ſo ſicher wähnten im Schutz des großen Hauſes. Ein kleines Gehölz ſcheint dem wütenden Element Einhalt zu tun; aber die nimmerſatte Flamme ruft den brauſenden Wind zu Hilfe. Sie packt einen Strohwiſch, läßt ſich vom Wind über die höchſten Bäume des kleinen Gehölzes tragen und entzündet noch ein Gehöfte. Die Neger geben ſich kaum Mühe, ihre Habſeligkeiten in Sicherheit zu bringen, aber der europäiſche Kaufmann läßt vorſorglich ſein Lager räumen. Alles wird aus dem gefährdeten Hauſe auf den Hof hinausgetragen und dort mit naſſen Bananenblättern zugedeckt. Die Gefäße, die Petroleum enthalten, werden weit weggebracht; denn das Feuer dringt ſiegreich vor. Aber ſein Verbündeter, der brauſende Wind, dreht ſich plötzlich und jagt die Flammen in nördlicher Richtung dem Königsgehöfte zu. Alles fällt dem wütenden Element zum Opfer, Häuſer, Ställe, Farmen. Krachend ſtürzen die brennen⸗ den Mauern zuſammen, und in kurzer Zeit ſind blühende Wohn⸗ ſtätten in rauchende Trümmerhaufen verwandelt. Da, plötzlich der Schrei: „Die Häuſer der Königsfrauen brennen!“ Und richtig, dort iſt alles in heller Glut. Ganz ſinnlos rennen die erſchreckten, vom Feuer überraſchten Frauen noch in ihre Hütten hinein, wenn die Flammen ſchon auf dem trockenen Gras des Daches tanzen. Ungefähr 120 Frauenhäuſer fallen dem raſenden Element zum Opfer. Die Hitze iſt ſo groß und der Boden ſo heiß, daß man in beträchtlicher Entfernung vom Feuerherd kaum ſtehen kann, und die Luft tanzt vor unſern Augen. Nahe Bäume, eben noch grün, werden dürr und die Blätter ſchrumpfen zuſammen; Steine ſpringen

krachend auseinander, und gerettete Gegenſtände, die auf der glühen- den Straße liegen, ſchwelen langſam, um plötzlich aufzulodern und in ein Nichts zu verſinken. Teilnahmlos ſchauen die Königsfrauen in die Glut und laſſen das Unglück ſtillſchweigend über ſich ergehen. Nur ein junges Weiblein fehen wir hinter der kleinen Mauer am Königshofe ſtehen und bitterlich weinen. Die hellen Tränen rinnen ihr über die braunen Wangen, und der Schmerz um zerſtörtes Eigen⸗ tum ſchüttelt ſie. Verwundert ſchaut das kleine Mädchen auf ihrer Hüfte bald die weinende Mutter, bald die brennenden Häuſer an. Auf ihrem Dach hat der wutſchnaubende Zerſtörer ſich zuerſt nieder— gelaſſen, und es blieb dem überraſchten Weiblein kaum genug Zeit, das kleine Prinzeßlein in Sicherheit zu bringen.

Da, ein Windſtoß packt die Flamme und ſetzt ſie jauchzend auf das Haus der Königin- Mutter. Wütend ſchlagen flinke Sklaven mit Bananenblättern auf das Feuer los; aber ſie richten nichts aus, ſondern müſſen der Übermacht des gierigen Feindes weichen und den europäiſchen Palaſt preisgeben. Auch in der königlichen Mühle findet das Feuer reichliche Nahrung, und von dort brauſt es hinunter ins Tal, wo die Hütten der Sklaven ſtehen. Nichts retten die Armſten, denn ſie ſind alle zum Hilfsdienſt ins Königsgehöfte befohlen, und ungehindert tut das Feuer ſein furchtbares Zerſtörungswerk. Aber hier, in dieſem ſtillen Tal, wo keine Winde hinkommen, erſtickt es endlich.

In kurzer Zeit iſt ein beträchtlicher Teil der großen Stadt ein Raub der Flammen geworden. In langem Zuge kommen die Frauen von der nahen Quelle, tragen mit Waſſer gefüllte Kürbis— flaſchen auf den Köpfen und ſchütten, um ein neues Unglück zu verhüten, den Inhalt in die rauchenden Trümmer ihrer zerſtörten Wohnſtätten.

Ein wenig abſeits, auf einer kleinen Anhöhe vor dem königlichen Gehöfte, ſtehen drei Häuptlingsfrauen, ſchweigend und traurig. Starr ſchauen ſie hinüber zu den rauchenden Ruinen ihrer Wohnungen.

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Keine ſpricht ein Wort und niemand errät, was in ihrem Innern vorgeht. Die ganze Ohnmacht und Stumpfheit des Negers dem Unglück gegenüber liegt auf den bewegungsloſen Mienen der drei Frauen. Wie leid ſie einem tun! Wie gern man tröſten und aufrichten möchte! Doch, da kommt die Freude. Eine vierte, noch ſehr junge Häuptlingsfrau nähert ſich den drei Betrübten. Sie trägt auf der Hüfte ein liebliches Kind. Mit unausſprechlicher Liebe betrachtet ſie das kleine Weſen und fährt ihm immer und immer wieder mit beinahe ſcheuer Zärtlichkeit übers dunkle Krausköpfchen. Jede der drei Frauen will das Kindlein einige Augenblicke auf den Armen halten. Jede betrachtet es beinahe ehrfürchtig, und mir kommt der Gedanke, das Kindlein ſei dem grauſigen Flammentod auf wunderbare Weiſe glücklich entronnen. Eine ſtille, dankbare Freude liegt auf den Geſichtern der Frauen und ſie vergeſſen für Augenblicke das große Unglück, das am ſtrahlendſten Sonntag über die friedliche Stadt hereingebrochen iſt.

Wenn die Feuer ausgebrannt ſind und die Gefahr vorüber iſt, dann hat der Neger den Verluſt feiner Heimſtätten ſchnell ver- ſchmerzt. Er eilt nicht mit dem Wegräumen der Schutthaufen und auch nicht mit dem Wiederaufbau ſeines Gehöftes. Wochen, ja monatelang kann er, ohne daß es ihm irgendwie peinlich wäre, die Gaſtfreundſchaft eines Nachbars oder eines Verwandten in An— ſpruch nehmen, und Frauen und Kinder werden in ſchlechtgebauten, proviſoriſchen Hütten untergebracht. Selbſt der Häuptling macht da keine Ausnahme, obwohl er Arbeitskräfte genug hätte, um die zerſtörten Frauenhäuſer ſchnell wieder aufzubauen. Die obdachloſen „Königinnen“ mußten mit ihren Kindern über ein Jahr warten, bis die neuen Hütten fertig waren und während dieſer Zeit mit andern Königsfrauen zuſammen wohnen, deren Häuſer beim großen und ſchrecklichen Brand verſchont geblieben waren.

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Nicht weniger zu bedauern ift unſer liebes Völklein, wenn Krankheitsnot kommt. Pockenepidemien muß es früher viele ge— geben haben, das beweiſt ſo manches Geſicht, das jetzt durch tiefe Narben entſtellt iſt. Vom König ließ ich mir ſagen, daß Pocken— kranke erbarmungslos aus der Stadt hinausgetrieben wurden und ſich dann einfach ſelbſt überlaſſen blieben. Da mag manches Leben buchſtäblich zugrunde gegangen ſein, das bei richtiger Pflege hätte gerettet werden können. Der Neger kennt keine Mittel, dieſe böſe Krankheit zu bekämpfen, und hat keine Liebe, dem hilfloſen Nächſten beizuſtehen. Die deutſche Regierung hat in weiſer Vorſorge auch in Bamum den Impfzwang eingeführt; lächerlich iſt es, wie der Neger vor dem kleinen Meſſerlein des operierenden Arztes oder Beamten zittert; lächerlich, wie er kein Mittel unverſucht läßt, dieſer harmloſen Prozedur aus dem Wege zu gehen, und lächerlich, mit was für radikalen Mitteln der Impfzwang gehandhabt werden muß. Mit Trommeln, Trompeten und andern lärmenden Inſtru— menten werden die Untertanen vom Häuptling auf den Marktplatz befohlen, und ſchnelle Boten eilen in die entlegenſten Gehöfte, um Säumige herbeizuholen. Wenn der Marktplatz von Menſchen an- gefüllt iſt, wird er von Soldaten der kaiſerlichen Schutztruppe abgeſperrt und mit aufgepflanztem Bajonett bewachen ſie die Menge, die ſich unter den großen Bäumen lagert und zitternd wartet, bis die Reihe des Geimpftwerdens an jeden kommt.

Traurig und troſtlos ſind die Zuſtände in einem Gehöfte, wo der böſe Ausſatz ſich eingeniſtet hat. Auch da zeigt ſich wieder jo recht der Fatalismus des Negers. Bei der großen Anſteckungs⸗ gefahr des Ausſatzes ſollte man denken, auch ihm wäre die Einſicht gekommen, ſeine Kranken abzuſondern. Doch davon iſt keine Rede. Das geſunde Kind ſchläft mit ſeiner ausſätzigen Mutter auf einem Bett, ißt mit ihr aus einer Schüſſel, raucht mit ihr aus einer

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Pfeife und ſchmückt fih wohl mit den Prunktüchern, mit denen die kranke Mutter ſich an Feſttagen zu ſchmücken pflegt. Da iſt's denn kein Wunder, wenn bald auch das Kind eine Beute der trau⸗ rigen Krankheit wird. Man kann Gehöfte beſuchen, wo einem das Mitleid ſchüttelt um die vielen Bewohner, die mehr oder weniger von dieſem grauenvollen Würger gezeichnet ſind, und man möchte den Armen ſo gerne helfen in ihrer Not und ihnen begreiflich machen, wie nötig die Abſonderung der Ausſätzigen iſt, doch, da rennt man wieder gegen eine Mauer. „Ausſatz iſt nicht ſo ſchlimm wie die Pocken,“ heißt es etwa, „Pockenkranke hat man immer ab⸗ geſondert, aber unſere Ausſätzigen haben wir immer in unſeren Ge⸗ höften behalten, bis ſie geſtorben ſind.“ Es muß ſchon eine ſehr raſch verlaufende und heftige Krankheit ſein, bis ſich der Neger dazu entſchließt, etwas zu tun. Der Neger ſieht nicht in die Weite, ermißt die Gefahr des Ausſatzes darum nicht, weil die böſe Krank⸗ heit ſchleichend kommt und nur allmählich ſchmerzhaft wird. Ohne eine Widerrede wird ſich aber der Neger fügen, wenn die europäiſche Regierung des Landes die Ausſätzigen in Aſyle ſammelt und das Zuſammenleben von Geſunden und Kranken verbietet.

In ſeiner Krankheitsnot ſucht beſonders der vornehme Bamum ſeine Hilfe beim Zauberer oder Medizinmann. Der arme Mann ſtirbt ohne Pflege, ohne Mittel, meiſt auch ohne zu wiſſen, was ihm fehlt, denn er hat nicht genügend Geld, um dem „allweiſen“ Zauberer ſeine Dienſte zu vergüten. Die gefürchteten Zauberer ſind gewiſſenloſe Leute. Sie bereichern ſich mit dem Geld des Kranken, der durch Liſt und mit viel Hokus Pokus hinters Licht geführt wird, und es nicht wagt, ein Wörtlein gegen den Allmächtigen zu ſagen. Hat er doch das Leben eines jeden in ſeiner Hand und verfügt er doch über geheime Kräfte, die ſeinen Feinden ſchweren Schaden zufügen können. So iſt der Neger, wenn er den Zauberer

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ruft, ihm auch vollſtändig ausgeliefert und erinnert an ein Tierlein, das, angeſichts einer Rieſenſchlange, vor Schrecken ſtarr wird und ſich nicht mehr retten kann. Er iſt ihm mit Leib und Seele ver— fallen, bis die Krankheit ſich irgendwie wendet.

Drei ausſätzige Knaben.

Selbſt die Miſſion ſteht dem mächtigen Zauberer ohnmächtig gegenüber und wird vielfach durch ihn gehemmt. Oft beſuchte ich in Fumban einen alten Herrn, der in ſeinem Leben viel Schweres er— fahren hatte. Er freute ſich über die Botſchaft des Friedens und es ſchien, als ſollte über ſeinem Lebensabend freundlich und ver— ſöhnend das Wort ſtehen: „Um den Abend wird es licht.“ Da wurde mir eines Tages die Botſchaft, der alte Mann ſei krank.

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Mit meinem Sprachlehrer ging ich in das Gehöfte. Wie anders war es nun da als früher! Keine Sonne ſchien über dem ſchönen Beſitztum aufgegangen zu ſein. Viele Frauen ſaßen tieftraurig und todmüde vor dem Herrenhaus, und nur ſcheu ſchauten die ſonſt ſo Geſprächigen zur weißen Beſucherin auf. Auf alle meine Fragen blieben mir die Frauen die Antwort ſchuldig und hatten, als ganzen Beſcheid nur ein Achſelzucken oder ein Kopfnicken. Eine eiſige Luft der Unfreundlichkeit und Abwehr umgab mich, und ſchweren Herzens trat ich mit meinem Begleiter in das Haus. Ein ſchwaches Feuer erhellte nur düſter den dämmerigen Raum und warf geſpenſtiſche Schatten an die hohen Wände des Kranken⸗ zimmers. Ein unzufriedenes Murren kam mir aus dem Dunkel ent⸗ gegen, und bald konnte mein Blick etwa zehn Medizinleute unter⸗ ſcheiden, die den Wänden entlang auf dem Boden ſaßen und den Kranken beobachteten. Ich kehrte mich nicht an ſie, ließ mich durch ihre giftigen Blicke und Bemerkungen auch nicht irre machen, ſon⸗ dern wandte mich an den todkranken Mann, der mich erkannte und ſich über mein Kommen zu freuen ſchien. Auch ein Laie konnte ſofort erkennen, daß der Armſte eine ſchwere Lungenentzündung hatte und dringend einer rechten und geſchickten Pflege bedurfte. Ich fragte ihn deshalb, ob er die Medikamente und die Pflege unſerer Krankenſchweſter annehmen würde. Er liſpelte, mit raſchem und furchtſamem Blick auf ſeine Peiniger, ein kaum hörbares „Ja“. Die Antwort mußte aber von den Medizinleuten erwartet oder verſtanden worden ſein, denn eine nervöſe Unruhe bemächtigte ſich ihrer, und ich war froh, daß ihre Wut zur Ohnmacht verurteilt war. Unverzüglich ritt ich nach Hauſe, um unſerer Krankenſchweſter Bericht zu erſtatten. Sie machte ſich auch ſogleich auf den Weg. Sie wurde aber nicht vorgelaſſen, ſondern bekam von den Frauen den Beſcheid, die Medizinleute hätten den Kranken ins Haus der

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Königin Mutter gebracht, die feine Baſe ſei. Im Königshofe, wohin die Schweſter ſofort ritt, war man ſehr erſtaunt über die Ausrede und verſicherte, daß Sterbende niemals hergebracht würden, ſondern im eigenen Gehöfte „den Weg ins Totenreich“ antreten müßten. Ein zweiter Verſuch der Schweſter, zum Sterbenden zu gelangen, hatte ein klägliches Ende. Die Türe wurde vor der Barmherzigkeit verrammelt, und der Kranke blieb den herzloſen und habgierigen Zauberern überlaſſen. Am Morgen des dritten Tages tönte von jenem Gehöfte her ſchauerlich und troſtlos der dumpfe Schlag auf die Totentrommel über die Stadt und ver— kündete, daß der Kranke geſtorben ſei. Uns Miſſionsleuten legte ſich die Todesbotſchaft wie ein eiſerner Ring um die Seele und wir fühlten mehr als je die finſtere Macht des Heidentums.

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8. Kapitel.

Die Miſſionsarbeit.

Di Anfänge der Miffionsarbeit an der Küſte liegen weit zurück. Es ſind reichlich dreißig Jahre verfloſſen, ſeitdem die erſten Basler Miſſionare dort Pionierarbeit getan haben. Nur langſam wurden Brücken geſchlagen zu den Stämmen, die in den Urwäldern verborgen leben, und noch mühſamer war das Erklimmen des Auf- ſtieges zum hochgelegenen Grasland. Aber unentwegt geht der Mif- ſionar ſeinen Weg. Mit freudigem Mut dringt er in unbekannte Gegenden vor und hält das helle Licht des Evangeliums hoch, damit es das dunkle Heidentum vertreibe. Wo in Kamerun dieſes helle Licht hingekommen iſt, da iſt auch vieles anders geworden. Die Menſchen werden frei, die Sklaven der Sünde, des Laſters, des Aberglaubens werden fröhliche, gläubige Gotteskinder. Die Schwa— chen werden ſtark, und viele halten Stand im Kampfe des Lebens. Aber nicht nur der Miſſionar, der die frohe Botſchaft bringt, findet den Weg in den Urwald Afrikas, ſondern auch manche andere Europäer, und viele von dieſen bringen nicht nur Gutes mit, denn die Kultur des weißen Mannes iſt nicht rein und göttlich, ſondern oft recht menſchlich. Wir Miſſionsleute haben alle Urſache, unſere Pflegebefohlenen darauf aufmerkſam zu machen, daß das Menſchenherz, von Gott abgewendet, überall trotzig, verzagt, unrein und fündig iſt, und daß eine große Gefahr darin liegt, ſich einen Menſchen zum Vorbild zu nehmen. Miſſionsarbeit iſt doppelter

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Kampf: Kampf gegen die Sünden des Heidentums und Kampf gegen die Sünden der Kultur, unter denen der Miffionsarbeiter oft recht ſchwer zu ſeufzen hat. Aber ſchön iſt der Miſſionsberuf doch und eine Gnade Gottes für den, der darin ſtehen darf.

Die Miſſionsarbeit in Bamum iſt von Bali ausgegangen. Der Häuptling Garega von Bali hatte in den neunziger Jahren mit einem deutſchen Offizier eine ſchöne und treue Freundſchaft geſchloſſen, und ſein Nachfolger Mfonjonge tat im Jahre 1903 den Miſſionaren der Basler Miſſion gern Tor und Türen auf. Das war ein fröhliches Schaffen damals in der alten Königsſtadt. Das Reine, Göttliche und Neue machte auf den Häuptling und ſein Völklein einen tiefen Eindruck, und ſcharenweiſe kamen die Leute zur Predigt und viele ließen ſich taufen. Blühende Schulen waren die Freude der Miſſionare, und hoffnungsvoll ſchaute man in die Zukunft. Da kam der Umſchlag. Das Chriſtentum forderte zu viel von den in Sünden verſtrickten Heiden. Das Reine war vielen zu rein, und mancher, der ſchon getauft war, ſank ins Dunkel zurück. Der Häuptling wandte ſich langſam von der Miſſion ab, doch gelangte er immer noch mit äußern Anliegen, Wünſchen und Fragen an die Miſſionare. Nach der ſchweren Kriſis, die manchem treuen Arbeiter beinahe das Herz brechen wollte, wendete ſich die Sache wieder zum Beſſern. Manchem Abtrünnigen ſchlug das Ge— wiſſen und er fand, nachdem er einmal die Freundlichkeit Gottes geſchmeckt hatte, keine Befriedigung mehr im Heidentum. Mancher Schüler, der, von ſeinen Angehörigen zur Flucht aufgeſtachelt, die Miſſionsſchule verlaſſen hatte, kam reuig zurück und bat um Wieder— aufnahme. In den letzten Jahren hatte Bali eine große Schule, und in der Chriſtengemeinde waren ein paͤar Leute, auf die man ſich verlaſſen konnte. Das iſt eine Hauptſache. Einige ſtarke Säulen tragen einen ganzen Bau.

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In der. erften Zeit des Blühens und Gedeihens in Bali beſuchten zwei junge Bamumleute, Ma und Nein, die dortige Mif- ſionsſchule. Wie ſie nach Bali gekommen waren, und warum ſie ſich dort aufhielten, iſt nicht von Bedeutung; Gott bedient ſich ja zur Ausbreitung feines Reiches oft der kleinſten und unfchein- barſten Vorkommniſſe. Ma und Ngin brachten jeweilen ihre Ferien in ihrer Vaterſtadt Fumban zu und erzählten da natürlich von dem Neuen, das drüben in Bali Einzug gehalten hatte. Wahrſcheinlich legten ſie auch Proben ihres Wiſſens ab. Kurz vorher, im Juli 1902, waren die erſten Europäer, zwei Regierungsbeamte, in Fum⸗ ban geweſen und hatten den Häuptling und ſein Volk durch ihre vielen Künſte in Staunen verſetzt. Und jetzt kamen von Bali herüber zwei junge Bamumleute und hatten von der „Weisheit der Europäer“ auch ſchon genippt. Das allein wäre ſchon genug geweſen, die weißen Lehrer auch nach Fumban zu bitten. Aber noch mehr: Ma und Ngin erzählten auch von der hingebenden Liebe, mit der ſich die Miſſionare der Armen und Kranken annahmen, und von der Freundſchaft, die den König von Bali mit ihnen verband. Da ſehnten ſich viele Elende, Arme und Kranke nach der Liebe der weißen Leute, und der König Nzoja wünſchte ſich die Freundſchaft der Miffio- nare. Aber die beiden Schüler wußten noch mehr zu berichten. Sie erzählten von einer neuen Lehre, die drüben in Bali verkündet werde und bereits Boden gefaßt habe. Von einer Lehre, die alte, grauſame Sitten gründlich verwarf, die einen Gott der Liebe predigte und den Menſchen neue, reine Geſetze und tiefen Frieden bringen wollte. Da mag auch in Fumban manches friedloſe Herz höher geſchlagen haben, und in manch armem, liebeleeren Leben mag der Wunſch wach geworden ſein, dieſen Gott der Liebe zu kennen und ein Kind des Friedens zu werden. So war nun auch in Fumban der Miſſionsarbeit der Boden zubereitet, und die Einladung des Häupt—

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lings, die Miſſionare möchten in Fumban ihr Zelt aufſchlagen, ent- ſprach dem Wunſch eines ganzen Volkes.

Im Jahre 1906 wurde in Fumban der Kampf mit dem Heidentum aufgenommen. Es ſchien vorerſt freilich kein Kampf zu ſein, denn das Bamumvolk empfing die Miſſionare wie treue Freunde. Der Häuptling ſtellte ihnen großmütig einen geſund ge— legenen, die Gegend beherrſchenden und beinahe unbewohnten Hügel als Bauplatz zur Verfügung. Er ſchickte „ſeinen“ Baumeiſter mit vielen Sklaven hinauf und überwachte ſelbſt den Bau der pro— viſoriſchen Wohnung. Er nahm regen Anteil an allem, was die Miſſionare bewegte, und ſtand ihnen treulich bei mit Rat und Tat. Er ſelbſt mit ſeinen Beamten war ihr Sprachlehrer und er erleich— terte ihnen manches Schwere, das der Anfang jeder Miſſions— tätigkeit naturgemäß mit ſich bringt. Dadurch, daß Nzoja den Miſſionaren beim Studium der Bamumſprache und bei den Über— ſetzungen der bibliſchen Geſchichten half, wurde er mit dem Chriſten— tum bekannt und war bald begeiſtert für die neue Lehre; das heißt, ihm wurde ſofort klar, daß das Chriſtentum von den Männern des Stammes zu viel fordere; aber er fand es ausgezeichnet für die Frauen und Töchter. Wer von ihnen der neuen Lehre zufiel, dem war ein ſchmaler Weg der Pflicht und der Tugend vorgezeichnet, und es konnte ja dem Häuptling und ſeinen Großen nur recht ſein, wenn die Frauen des Stammes aus innerem Antrieb dieſen ſchmalen Weg gingen und nicht mit Strafen, Schlägen und andern Gewalt— mitteln zu Pflicht und guter Sitte gezwungen werden mußten. Aus dieſem Grunde „befahl“ Nzoja vielen eigenen und fremden Frauen, wie auch ſeinen älteſten Töchtern, das Chriſtentum anzu— nehmen und ſich taufen zu laſſen. Er konnte nicht ermeſſen, was aus einem ſolchen Zwang folgen mußte; er ſah nur das Schöne und Gute der Sache und vermutete wohl, daß die Frauen die

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neuen Wege ohne Murren und mit Zufriedenheit gehen würden. Es ſchien auch ſo. Die Frauen, denen die Annahme des Neuen befohlen war, kamen ſehr gern auf die Miſſionsſtation, beſuchten den Taufunterricht mit großer Freude und gaben zu keinen Klagen Anlaß. Sie waren wie kleine Kinder, die ſich willig führen laſſen, die Hand ihrer Führer feſthalten und nicht begehren, allein zu gehen. So wurden viele von ihnen nach dem Unterricht getauft. Dann kam das Leben wieder mit ſeinen Verſuchungen und Kämpfen. Viele heidniſche Mitfrauen verſpotteten die getauften Schweſtern, die ſich Mühe gaben, treu zu ſein. Das Laſter ſtellte ſich breit in den, von den jungen Chriſtinnen betretenen, ſchmalen Weg und machte ihnen den Kampf recht ſchwer. Das eigene, ach ſo ungezähmte Blut ſchlug wie ein wildes Meer ſeine Wellen und riß die Schwachen hinunter in die Tiefe der Sünde und der Schuld. Viele von den Erſtlingen der jungen Gemeinde fielen ab; manche blieben weg, ohne eine Erklärung abzugeben, und von manchen, dig in der Ge⸗ meinde blieben, hatte man den Eindruck, daß ſie innerlich ganz los von Gott ſeien. Eine junge Chriſtengemeinde iſt wie ein Baum. Die Blüte iſt prächtig, und das Herz des Arbeiters klopft hoch vor Freude in Erwartung einer großen Ernte. Die Blüten fallen ab, und mit Spannung erwartet man den Fruchtanſatz. Aber viele der kleinen Früchte trocknen ein, andere werden vom Sturm heruntergeſchlagen und wieder andere durch Hagelſchlag vernichtet. Kleiner und kleiner werden die großen Hoffnungen des Baum⸗ beſitzers. Aber wenn der Herbſt auch geringe Ernte bringt, ſo freut er ſich doch und hofft auf einen andern Herbſt, der ihm viel— leicht reichlichere Frucht ſeiner Arbeit bringen wird. So darf auch der Miſſionar bei den größten Enttäuſchungen niemals mutlos wer— den. Er kennt die Gefahren, die den eingeborenen Chriſten drohen, er kennt die Schwierigkeiten, mit denen ſie zu kämpfen haben, und

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er kennt auch die Charakter ſchwäche feiner Pflegebefohlenen. Daran muß der Arbeiter im Heidenlande feſthalten: unſer Gott iſt größer als die Verhältniſſe, ſtärker als die Sünde und umfängt mit unend— licher Liebe auch das ſchwächſte und ſündigſte Menſchenkind. Zur Freude und Aufmunterung des Miffionars find ja auch unter den Chriſten noch immer einige, die ihm Freude machen und auf die er ſich verlaſſen kann. a

So war es auch in Bamum nach der erſten Zeit der Be— geiſterung, des Rückfalls und der Ernüchterung. Es hatten ſich, gleich am erſten Tauffeſt, auch einige junge, noch unverheiratete Männer taufen laſſen, nicht etwa aus Zwang, ſondern aus innerer Überzeugung. Sie hatten den Wunſch ausgeſprochen, der Miſſion zu dienen, und wurden mit viel Hingebung und großer Treue die eigentlichen Miſſionare ihres Stammes. Sie kannten vor allem die Sprache des Volkes, die Sitten und Verhältniſſe, und fanden überall Anknüpfungspunkte. Sie gehörten alle den vornehmen Stän— den, ja teilweiſe der königlichen Familie an und wurden überall gern und mit Freuden aufgenommen. Sie waren jung, begabt und begriffen ſchnell, was für ein Segen das Chriſtentum für ihr Volk ſein mußte.

Hand in Hand mit dieſer erſten Arbeit an den Erwachſenen ging die Gründung einer Miſſionsſchule. Von Bali war ja den Miſſionaren der Ruf der Weisheit ſchon nach Fumban vorange— gangen, und ſie fanden ein lernbegieriges Völklein vor. Die jungen Männer, die ſich zur Taufe gemeldet hatten, waren die erſten, die ſich auch zum Schulbeſuch meldeten, und bald ſaßen ſie recht wiſſensdurſtig mitten unter den vielen kleinen, braunen Knaben, die Nzoja der Miſſion zur Ausbildung übergeben hatte. Da wurde mit großem Eifer Leſen, Schreiben, Rechnen und bibliſche Ge— ſchichte getrieben, und auch die deutſche Sprache wurde in der neuen

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Schule nicht vernachläſſigt. Stolz und vieler Weisheit froh, trugen unſere Schuljungen die Köpflein recht hoch, und die Väter ſchauten beinahe ehrfürchtig auf ihre Sprößlinge, die in kurzer Zeit ſo manches gelernt hatten, wovon man früher im entlegenen Hoch⸗ land keine Ahnung gehabt hatte. So waren die erſten Anfänge der Miffionsarbeit recht erfreulich, und getroſt ſchaute man in die Zukunft. |

Man hatte ſich in Fumban gut eingelebt, war gern geſehen, hatte viel befriedigende Arbeit und dachte ernſtlich daran, ſich hier dauernd niederzulaſſen. Doch da war mit dieſem Entſchluß auch das Begehren nach einer ſoliden, geſunden und wetterfeſten Woh⸗ nung da. Es wurde ein Miſſionsbaumeiſter nach Bamum be⸗ rufen, und durch ſein Kommen entſtand ein ganz neuer Zweig der Arbeit und Miſſionstätigkeit. Der Baumeiſter mußte vor allem Eingeborene ausbilden, die ihm ſpäter beim Hausbau behilflich ſein konnten. Er mußte in den weitabgelegenen Wäldern nach Bau⸗ holz ſuchen und Leute anlernen, die dann auch in Abweſenheit des europäiſchen Meiſters ſelbſtändig Bäume fällen und Bretter und Balken ſchneiden konnten. Der Baumeiſter durchſtreifte die Gegend und ſuchte einen Platz, wo der Boden lehmig war und das nötige Material zur Herſtellung von Backſteinen und Ziegeln lieferte. Eine Anzahl Eingeborener wurde in der Kunſt des Ziegel- ſtreichens unterrichtet und fand dann ſpäter in der Miſſionsziegelei guten Verdienſt. Auf dem Miffionshügel ſelbſt baute der Bau— meiſter eine Werkſtatt und unterrichtete da die intelligenteſten Leute, die ihm vom Häuptling zu den Bauarbeiten übergeben worden waren. Dieſe Arbeiter waren meiſtens Sklaven, aber hier lebten ſie wie „freie Männer“ unter der treuen Obhut des Miſſionsbaumeiſters. Denn der „weiße Häuſerbauer“ iſt nicht nur der Lehrmeiſter ſeiner anvertrauten Schar, ſondern er iſt auch ihr Seelſorger und trachtet

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danach, ſie nicht nur zu tüchtigen Arbeitern, ſondern auch zu neuen Menſchen zu machen. Der Hausbau war für unſer Völklein ein tägliches Wunder. Sie konnten es beinahe nicht verſtehen, daß ein Menſch ein ſo feines, ſolides und ſchönes Werk ſchaffen könne. Der Häuptling kam täglich, bewunderte den Bau, beobachtete den Fortſchritt der Arbeit, ſtieg waghalſig auf dem hohen Gerüſt herum und entſchloß ſich, auch ein ſolches Haus für ſich ſelbſt zu bauen. Nun bekam der Miffionsbaumeifter königliche Lehrlinge zur Aus— bildung und wurde ſpäter auch „königlicher Baurat.“ Dieſes Ver— hältnis entwickelte ſich mit den Jahren zu einer ſchönen Freund— ſchaft zwiſchen dem ſchwarzen König und ſeinem weißen Baurat. Es kam die Zeit, wo der Häuptling nicht nur in baulichen Ange— legenheiten den Rat des Miſſionsbaumeiſters einholte, ſondern wo er ihn zu ſeinem wirklichen und geheimen Rat machte, und dem Freund in ſchwerer Zeit ſein ganzes Herz erſchloß. Das iſt eben das Feine an der Miffionsarbeit, daß die Hilfe in äußern Dingen eine Brücke iſt zum Herzen des Volkes, und daß dadurch das Vertrauen geweckt wird, dem Neger das Herz öffnet und ihn ver— anlaßt, auch in inneren Angelegenheiten den Rat und den Beiſtand der Miſſionare anzunehmen.

Aus dieſem Grunde iſt auch die Arbeit an Elenden und Kranken ſo überaus wichtig. Kranke Menſchen ſind viel empfänglicher als geſunde, und der Einfluß des Miſſionsarbeiters auf kranke, ge— brechliche, arme oder ſonſt vom Unglück heimgeſuchte Heiden iſt ungleich größer, als der Einfluß, den er auf geſunde, kräftige und wohlhabende Leute hat. Deshalb wurde in Bamum auch bald die mediziniſche Tätigkeit in Angriff genommen. Und Arbeit gab es da in Hülle und Fülle. Es waren auch hier zumeiſt wieder Arme und Sklaven, die in ihren Leiden die Hilfe der Miſſion in Anſpruch nahmen, Leute, die kein Geld an Zauberer oder Medizin—

Wuhrmann, Im Grasland von Kamerun. 8

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leute zu verſchwenden hatten. Zunächſt mußte man ſich darauf beſchränken, denen zu helfen, die irgendwie ſchon mit der Miſſion Beziehungen hatten, den kranken Schülern und Taufbewerbern oder den Arbeitern des Baumeiſters. Durch gute Erfolge bei der Be— handlung böſer Wunden erwarb ſich die Miſſion immer mehr Ver⸗ trauen, und nach und nach ſprach man in der Stadt von der Medizin der weißen Leute. Man ließ zuerſt kleine Wunden verbinden und kleine Übel behandeln; aber bald brachte man auch Schwerkranke auf die Miſſionsſtation. Ein kleiner Spital, einige Meter unter⸗ halb unſeres Hauſes, nahm im Laufe der Zeit manchen Kranken auf, ſah manchen Geheilten fröhlich von dannen ziehen und hat auch manchen Schmerzensſchrei und manches Todesröcheln gehört. Die Kranken mit ihren oft ſchrecklichen Krankheiten haben die Zeit einer Schweſter von früh bis ſpät in Anſpruch genommen, und was fie auf ihren Gängen zu den Leidenden fan 1 wird nicht e werden können.

Jeden Morgen iſt Sprechſtunde. Eine kurze Andacht im Hofe des Spitälchens gibt den Kranken Gelegenheit, auch über den Zuſtand ihrer Seelen ins Klare zu kommen. Dann werden Wunden ge⸗ waſchen und verbunden, Unterſuchungen vorgenommen, Medizinen verabreicht und gute Ratſchläge erteilt. Abſeits von den andern Kranken ſitzen die Ausſätzigen und warten auf die Behandlung ihrer böſen Geſchwüre. Dieſe Armſten ſind Jammergeſtalten, von denen man in der Heimat keine Ahnung hat. Iſt die Krankheit vor— geſchritten, ſo iſt ihr Opfer zum fingerloſen Krüppel geworden und auf den eiternden, blutenden Füßen ſchleppt ſich der Bedauerns— werte mühſelig vorwärts. Die Medizin kennt noch kein Mittel, um gründlich zu helfen; aber Pflegerin und Patient ſind dankbar für Medikamente, die ein wenig Linderung verſchaffen und unter deren Einfluß die ſchlimmen Wunden für eine Zeitlang ſich ſchließen.

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Akut auftretende Krankheiten und ſchwere Verletzungen er fordern raſche Hilfe, und die Krankenſchweſter muß ſich oft entſchließen, Eingriffe zu machen, die in der Heimat nur ein erfahrener Arzt vornehmen darf. In ganz verzweifelten Fällen ſteht ein junger Miſſionar ihr treulich bei. Er hat in Tübingen eine gute medi⸗ ziniſche Ausbildung erhalten und kann es wagen, eine Operation zu machen. Operationstage ſind für die ganze Miſſion Tage ſchwerer Sorge und ernſtlichen Gebetes. Liegt doch das Leben des Patienten in der Hand des Miſſionars, und iſt er doch verantwortlich für den Menſchen, der ſich ihm vertrauensvoll übergeben hat. Der Neger ſelbſt nimmt, ſeinem Charakter entſprechend, einen ſolchen Fall nicht ſehr ſchwer. Die erſte große Operation war die Ampu— tation eines ganz ſchlimmen Beines, das ſeinen Beſitzer, einen Sklaven, jahrelang zu jeder Arbeit unfähig gemacht und ihm un⸗ ſägliche Schmerzen verurſacht hatte. Der Herr des Patienten und der König mit ſeinem Gefolge waren erſchienen, um aus angemeſſener Entfernung den Verlauf der Operation zu beobachten. Ein Ope— rationsſaal fehlte natürlich, deshalb wurde der Patient auf die hintere Veranda unſeres Wohnhauſes gebracht und dort von ſeinem böſen Quälgeiſte befreit. Da gab's für die hohen Zuſchauer gar viel Neues zu ſehen: daß eine Medizin einen Menſchen zum Schlaf zwingen kann, das war in Bamum unerhört, und daß während der ganzen Operation der Kranke ruhig lag und keinen Laut von ſich gab, konnten die Anweſenden auch nicht begreifen. Der Patient war heilfroh, als er ſein ſchlimmes Bein los war und nach der Operation wieder ſchlafen konnte. Aber noch wichtiger war es ihm, daß der König zugegen geweſen war und ſich um das Los eines armen Sklaven bekümmert hatte. Immer und immer kam wieder die Frage: „Iſt's auch ſicher wahr, daß der König draußen ſtand?“ Der Herr des Geheilten war weniger dankbar, als wir erwartet

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hatten. Nachdem fein Sklave aus der Behandlung entlaffen war, bat man den reichen und vornehmen Mann, der mediziniſchen Kaſſe ein wenig aufzuhelfen. Er, der in Krankheitsfällen an Zauberer und Medizinleute haufenweiſe Geld und Gut verſchwendet hatte, zog nun, als Bezahlung für Operation, Verbandſtoff und Unter- halt ſeines Sklaven fünf Pfennige hervor und meinte ernſthaft: „Für das Geld könnte mir die weiße Frau mein Feſtgewand noch waſchen und bügeln.“ Es iſt dafür geſorgt, daß der Miffions- arbeiter nicht ſtolz wird!

Schweren Kampf kämpft man oft mit der Gleichgültigkeit der E dee Der Fall, den ich hier zur Beſtätigung dieſer Be⸗ hauptung erzähle, iſt typiſch. Ich kam ſehr oft in das große Gehöfte eines vornehmen Mannes. Viele Frauen und eine ſtattliche Kinder⸗ ſchar belebten das ſchöne Beſitztum. Eines Tages fiel mir unter den Kindern ein kleiner Junge auf, der über und über mit böſen Ge- ſchwüren bedeckt war. Ich gab ſeiner Mutter den Rat, das kranke Kind unverzüglich zur Behandlung auf die Miffionsftation zu bringen. „Ich werde morgen kommen,“ ſagte die Frau. Aber ſie kam nicht. Jedesmal, wenn ich wieder in das Gehöfte kam, ver— ſprach ſie, morgen ihr Kind zu bringen. Eines Tages nun, als ich den Hof des Beſitztums wieder betrat, kam mir die Frau freude— ſtrahlend entgegen, an der Hand führte ſie ihren kleinen Jungen. Sie ſagte: „Schau dir das Kind nur an. Mit ſchwarzer Medizin habe ich alle ſeine Wunden heilen können.“ Es war auch ſo. An den Rändern der verheilten Wunden klebten noch Spuren von Rotholz, Ruß, Erde und Hl. Der kleine Patient ſchien geheilt zu ſein; aber o Schreck! Seine Augen ſahen trübe aus und ein weißer Rand lag um die dunkle Regenbogenhaut des linken Auges. Ich machte die Mutter darauf aufmerkſam und bat ſie dringend, doch ja den Rat der weißen Medizinleute aufzuſuchen. Ich hätte

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viel drum gegeben, wenn ich die gleichgültige Mutter hätte zwingen können, uns ihr Kind zur Pflege zu überlaſſen, denn ich ahnte, daß die Frau nicht kommen werde. Wenn ich ſpäter wieder in das

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Vornehmer Bamum.

Gehöfte kam, ſah ich ſie nicht mehr. Sie entzog ſich mir. Auch der kleine Junge war unſichtbar geworden, und wenn ich bei andern Frauen des Gehöftes nach ihm fragte, dann bekam ich ausweichende

Antworten. So vergingen reichlich drei Monate. Da, eines Mor- gens erblicke ich unter den Patienten, die zur Sprechſtunde kommen, auch die Frau mit ihrem kleinen, armen Jungen. Er iſt ſtockblind! Seine Augen ſind ganz trübe und weit geöffnet; aber kein Lichtſtrahl fällt hinein. Nun ſoll, nachdem die Zauberer alles verdorben haben, die weiße Medizin wieder gut machen. Es iſt unmöglich. Man ſagt das der Mutter. Sie ſchreit laut. Sie ſchimpft auf die Miſſionare, die unfähig ſeien, etwas Gutes zu tun. Sie wird zur Beſtie und ihre Wut kennt keine Grenzen mehr. Alle und alles klagt ſie an, nur daran denkt ſie nicht, den Fehler bei ſich ſelbſt zu ſuchen. Arme Mutter, armes, armes Kind!

Ein anderer, überaus wichtiger Arbeitszweig iſt die Schul arbeit. Krankenpflege iſt Hilfe für die Gegenwart; aber die Er— ziehung der Heidenkinder ſoll für ſpätere Generationen einen guten Grund legen und in Zukunft dem Neger den Lebenskampf erleichtern. Es war in Fumban, wie ſchon geſagt, nie ſchwer geweſen, eine Schule zu beginnen, denn Nzoja, der Häuptling, hatte gleich von Anfang an den „Schulzwang“ mit feſtem Willen gehandhabt und dafür geſorgt, daß die Schulhäuschen ſich füllten. Was etwa zu bekämpfen war, kam von anderer Seite. Die freiheitgewohnte Jugend hatte wohl, begeiſtert für das Neue, zuerſt die Schule regelmäßig beſucht, ſie aber bald als einen Zwang empfunden und, unbekümmert um den Tadel des Lehrers, ihrem Freiheitsdrang ein⸗ fach nachgegeben. Die Kinder wußten eben auch noch nicht, daß ſie für ſich ſelber lernten und mußten zuerſt zum Pflichtgefühl erzogen werden. Die jungen Männer aber, die ſich zur Taufe gemeldet hatten und in die Schule eingetreten waren, kamen raſch vorwärts. Nach einigen Jahren ſchon konnten ſie als Hilfslehrer in den Unter— klaſſen Verwendung finden und leiſteten als Sprachgehilfen den Miſſionaren ausgezeichnete Dienſte. Schularbeit iſt die hoffnungs—

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reichſte Miſſionsarbeit. Die Erwachſenen, die in heidniſcher Sitte und Unſitte groß geworden ſind, laſſen nur ſchwer davon. Das iſt leicht verſtändlich, denn wer davon läßt, nimmt einen ſchweren Kampf auf mit den alten Sitten und Gebräuchen, mit den An— gehörigen und mit den Freunden. Die Jugend hat es leichter. Schritt für Schritt wird ſie in das Neue hineingeführt und lang— ſam und mit Schonung vom Alten befreit. So wachſen unſere Kinder in eine neue Zeit hinein, und der Kampf mit dem Heidentum wird ihnen einmal leichter werden, als der jetzigen Generation. Unſere Jugend in Bamum iſt intelligent und fröhlich. So urſprünglich ſind die Fragen und Antworten des Negerkindes, ſo ganz ohne die europäiſche Geſchliffenheit.

Der Unterricht verläuft ähnlich, wie in einer heimatlichen Schule, und jeweilen um Weihnachten herum nimmt ein Regie⸗ rungsbeamter die Schulprüfung ab. Wir haben in Fumban nur Tagesſchulen und keine Internate. Das hat, wie alles, ſeine zwei Seiten. Im Internat iſt das Kind beſtändig unter dem Einfluß des Erziehers, wird zu regelmäßiger Arbeit angehalten, kann keine eigenen Wege gehen, und gewöhnt ſich an eine gute Ordnung. Aber leicht können da die heidniſchen Eltern auf den Gedanken kommen, man wolle ihnen die Kinder entziehen und ihre kleinen Arbeitskräfte für ſich ſelber in Anſpruch nehmen. Zudem ſind gerade die Schüler unſere beſten Miſſionare in ihren väterlichen Gehöften. Sie erzählen zu Hauſe, was ſie in der Schule gehört haben. Sie ſingen die Lieder, die ſie in der Schule gelernt haben. Wer kann da ermeſſen, wieviel Miſſionsarbeit ſo getan wird. Ein verbitterter Sklave hört das Kind ſeines Herrn fröhlich ſingen: „Gott iſt die Liebe.“ Der Arme hebt fragend das Haupt und läßt die ganze innige Schlichtheit des kleinen Liedes auf ſeine wunde Seele wie Balſam wirken. Mütterlein iſt recht bedrückt und weiß

vor lauter Sorgen nicht wo aus und ein. Der kleine Junge kommt ſtrahlend aus der Schule und ſingt friſch, wie ein liebes Vögelein: „Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, wo dein Fuß gehen kann!“ Das Lied iſt ein Troſt für die ſorgenvolle Mutter und wird vielleicht der Anſtoß, daß die Frau den Lenker der Naturgewalten auch zum Führer ihres kleinen Lebens macht. N

Bald nachdem in Fumban die Knabenſchule im Gang war, dachte man daran, auch die Mädchen zu ſammeln und zu unterrichten. Der König war mit dieſem Plan ſofort einverſtanden und übergab der Miſſion mit ſeinen eigenen Töchtern diejenigen ſeiner nächſten Verwandten, ſeiner Brüder und Schweſtern. So wurde, ohne unſern Willen, die Mädchenſchule zur vornehmen Standesſchule und blieb leider bis heute für das Kind des geringen Mannes ver- ſchloſſen. Die Mädchen wurden hauptſächlich in Handarbeiten, bibliſcher Geſchichte und den Realfächern unterrichtet, und man er⸗ zielte ſehr ſchöne Erfolge. Nur hätte bei der Lehrerin oft, wenn ſie ehemalige Schülerinnen nach ihrer Verheiratung beſuchte, das Gefühl entſtehen können, als ſei der wiſſenſchaftliche Unterricht an unſerer weiblichen Jugend etwas verfrüht. Die junge Frau treibt nämlich nichts mehr von den „höheren Künſten“ der Miſſionsſchule. Aber der Miſſionsarbeiter muß in die Zukunft blicken. Die kommende Generation wird ſo doch erzogene Mütter haben, und das Kind der ehemaligen Schülerin wird ſicherlich beim Mütterlein viel Ver— ſtändnis finden, wenn es einmal ſelbſt die Miſſionsſchule beſucht. Und wer weiß, am Ende holt die Mutter ihrem Kinde zulieb das längſt verſtaubte Schulbuch wieder hervor, und die zwei „ſtudieren“ zuſammen. Es iſt in der Miſſionsarbeit alles Saat auf Hoffnung, und der Miſſionar wird bei den mancherlei Enttäuſchungen der Gegenwart die Erfolge ſeiner treuen Arbeit in der Zukunft ſuchen müſſen.

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Hand in Hand mit der Arbeit an der Schule geht für den Miſ— ſionsarbeiter das Studium der ſchweren Landesſprache. Die Kinder ſind die beſten Sprachlehrer und freuen ſich, wenn ſie dem Schulmeiſter auch einmal was „am Zeuge flicken“ dürfen und ihn aufmerkſam machen können auf Fehler, die er beim Sprechen macht. Daneben hat man die eingeborenen Sprachlehrer, die, ſelber Schüler, ſchon gut wiſſen, worum es ſich beim Erlernen einer Sprache haupt— ſächlich handelt. Man kann Fragen ſtellen nd bekommt von den jungen Leuten befriedigende Antworten. r Baumeiſter, die Krankenſchweſter und die Lehrer haben neben all der Arbeit natürlich nicht genügend Zeit, der Sprache ganz auf den Grund zu kommen, oder eine kleine Literatur zu ſchaffen. Deshalb wird auf jeder neuen Hauptſtation ein ſprachbegabter Miſſionar mit der Aufgabe be— traut, die Sprache zu erforſchen, ein Wörterverzeichnis anzulegen, grammatikaliſche Regeln feſtzuhalten, Schulbücher herzuſtellen und wichtige Überſetzungen vorzunehmen. Überaus intereſſant, aber auch überaus anſtrengend und ermüdend iſt die Arbeit des Literaten. Stunden⸗, ja tagelang geht er oft einem einzigen Wörtlein nach, bis er weiß, woher es ſtammt, wohin es gehört und was es ſagen will. In Bamum iſt die Ausſprache eines Wortes oft ſehr ver- ſchieden, je nach dem Stadtteil, aus dem der Sprecher ſtammt. Da läßt der Sprachforſcher viele Leute zu ſich kommen und ſich von jedem das Wörtlein unzählige Male vorſagen, bis er Aus— ſprache und Tonfall feſthält. Über grammatikaliſche Regeln gibt ſich der Neger keine Rechenſchaft: „Man ſagt eben fo!’ iſt feine ſtän— dige Antwort, und doch iſt auch ſeine Sprache nach feſten Geſetzen wundervoll aufgebaut, die der ſtudierende Miſſionar feſthält und die ihm das Sprachſtudium erleichtern. Eine kleine Druckerei, von einem jungen Miſſionar bedient, gibt die Arbeit des fleißigen Forſchers ſchwarz auf weiß wieder.

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So hat jeder Arbeiter fein begrenztes Gebiet, in dem er nach Herzensluſt ſchalten und walten kann; aber die kleine Chriſtenge⸗ meinde gehört allen zuſammen. Sie iſt der Augapfel der Miſſionare, und von ihrem Wohlergehen hängt auch dasjenige ihrer Führer ab. Die kleine Gemeinde in Fumban bietet jetzt ein ganz anderes Bild, als am Anfang der Miffionstätigfeit in jener Stadt. Damals war alles Begeiſterung, und kindiſche Neugierde trieb die Leute, die neue Lehre anzunehmen. Die meiſten jener erſten Chriſten ſind abgefallen. Viele der jungen Chriſten, die jetzt unſer Gemeind⸗ lein zieren, ſind aus der Miſſionsſchule hervorgegangen. Dort iſt der Boden zubereitet und die Saat geſäet worden. Manches Weib⸗ lein, das den Chriſtennamen trägt, iſt tief unglücklich geweſen über die Sünde feines Lebens und hat ſich in rechter Buße zu Gott ge wendet; für manche Frau iſt die Chriſtengemeinde auch der Ber— gungsort geworden, wo ſie ſich heimiſch fühlt und wo ſie gerne weilt. Einige chriſtliche Ehepaare geben den Stammesgenoſſen ein gutes Beiſpiel und ſind die Freude der Miſſionare. Die Chriſten, die nicht an irgendeinen Menſchen gebunden waren, haben ihre Hüttlein im Schatten des Miſſionshügels errichtet und wohnen nun ganz nahe bei ihren Lehrern. So find fie ſchnell im Miſſions⸗ haus, wenn ſie Rat oder Hilfe brauchen, und auch ſchnell herbei⸗ zurufen, wenn man von ihnen eine Hilfeleiſtung haben möchte. Eine tägliche Abendandacht vereinigt das Völklein im kleinen Gemeinde⸗ haus und ſtärkt immer wieder das Gefühl der Zuſammengehörigkeit.

Die getauften Frauen, die bei ihren heidniſchen Männern wohnen, werden regelmäßig beſucht und bleiben in ſteter Fühlung mit der Miſſionsſtation. Durch die Beſuche, die man bei den Frauen in der Stadt macht, kommt man auch mit ihren heidniſchen Mitſchweſtern in Berührung. Neugierig, wie der Neger nun einmal iſt, machen ſich die ungetauften Frauen auch herzu, wenn man die

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Chriſtinnen um ſich verſammelt. So hören ſie die Lieder, die ge— ſungen, die bibliſchen Geſchichten, die erzählt und die Lehren, die daraus gezogen werden. Das kann ein Sämlein ſein, das zu ſeiner Zeit aufgeht. Die Miſſionarin geht aber mit Vorliebe auch in ſolche Gehöfte, wo das Chriſtentum noch nicht Eingang gefunden hat, nur muß ſie dann jeweilen, bevor ſie zu den Frauen ſpricht, ſich die Erlaubnis vom Herrn des Beſitztums geben laſſen. Das iſt gewöhnlich nicht ſchwer, denn europäiſcher Beſuch iſt überall gerne geſehen. Auch gibt es viele Männer, die es gerne haben, wenn man ihre Frauen mit dem Chriſtentum bekannt macht. Nur einmal iſt's mir begegnet, daß mir vom Herrn des Gehöftes ver— boten wurde, zu ſeinen Frauen zu ſprechen. Das war bei einem Königsvater, einem ältern und altmodiſchen Mann, der alles tut, um dem Neuen den Eingang ins Land zu verwehren. Beim König ſtößt er da oft auf Widerſtand; aber in ſeinem Gehöfte, wo er ſich von niemandem dreinreden laſſen muß, will er die alten Sitten und Gebräuche rein erhalten. So iſt er mit den Seinen beinahe ſprichwörtlich geworden, und ſein Gehöfte iſt eine Hane des alten Heidentums.

Zu den ſchwerſten Tagen für den Miffionsarbeiter . diejenigen, in denen ein Glied von der Gemeinde ſich loslöſt und ins Heidentum zurückſinkt. Und wenn der Rückfällige erſt noch zu denen zählte, auf die man ſich verlaſſen zu können glaubte, dann wird's für die Miſſionare ſo ſchwer, ruhig zu bleiben und weiter fröhlich und mutig die Arbeit zu tun. Ich denke da beſonders an einen jungen Mann unſerer Gemeinde, der ausge— ſchloſſen werden mußte. Johanne Nzoja war ein Jüngling wie der im Evangelium: begabt, reich, liebenswürdig und aufrichtig. Frühe ſchon war er, mit einigen Frauen ſeines Bruders, mit dem Chriſtentum bekannt geworden. Nach ſeiner Taufe war er unſere

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Freude. Mit keinem der andern jungen Leute ließ ſich reden, wie mit Johanne. Ohne es zu wollen, nahm er bald unter den eingebornen Glaubensgenoſſen eine führende Stellung ein. Da wurde der König aufmerkſam auf den intelligenten Jüngling und zog ihn an ſeinen Hof. Er wurde königlicher Geheimſchreiber. Sein Amt verwaltete er zur Zufriedenheit, und oft ruhten die Augen des Fürſten wohl⸗ gefällig auf dem fleißigen Schreiber. Johanne hatte ſich unterdeſſen verheiratet und ſchien in jeder Beziehung dem Chriſtentum Ehre zu machen. Da kam ein großes Feſt. Die treuen Beamten ſollten, zum Dank für ihre Dienſte, öffentlich gelobt und beſchenkt werden. Man ſprach in der ganzen Stadt davon und jedermann wußte, daß in des Königs Beſitz zahlreiche junge Mädchen waren, die am großen Feſttag als Bräute in die Häuſer der Beamten geführt werden ſollten. Für Johanne Nzoja, den Geheimſchreiber, waren zwei Mädchen beſtimmt. Als Chriſt mußte er das königliche Geſchenk ablehnen. Wir ſagten ihm das. Sein Gewiſſen hatte es ihm ſchon geſagt. Der arme junge Mann kam in einen furchtbaren Zwieſpalt. Bei einem Beſuch, den ich ihm in jenen Tagen machte, weinte er wie ein Kind. Er ſuchte einen Ausweg und fand ihn nicht, denn der gerade Weg des Verzichtes war ihm zu ſchwer; auch fürch— tete er ſich vor dem Unwillen des Häuptlings. Er nahm die zwei Frauen an und wurde ausgeſchloſſen. Glücklich war er nicht. Die eine der Frauen brach die Ehe und verließ ihn bald. Sonntag für Sonntag begleitete Johanne, der Schreiber, ſeinen Häuptling zur kleinen Kirche. Mir kam er da immer vor, wie ein Heimatloſer. Er hat uns allen furchtbar leid getan. Doch iſt's ein Troſt, zu wiſſen, daß der Vater nach ſeinem weggelaufenen Sohne Ausſchau hält. Will's Gott, findet Johanne Nzoja den Heimweg wieder.

Das Bamumland iſt ein großes Land und weit, weit ver— ſtreut in Wäldern und an Flußläufen liegen die dazugehörigen

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Anſiedelungen. Die Bewohner dieſer Dörflein und Weiler kommen ſelten oder nie in die Reſidenz. Viele kennen ihren Häuptling nur vom Hörenſagen, und die meiſten ahnen nichts von dem Neuen,

Johanne Nzoja.

das in der Hauptſtadt vor ſich geht. Sie ſind abgeſchloſſen von Kultur und Ziviliſation und leben ein kleines, ſtumpfes, beinahe wunſchloſes Leben. Die Miſſionare haben es ſich zur Aufgabe

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gemacht, auch dieſe Menſchen zu erreichen. Man hat ſogenannte „Außenſchulen“ eingerichtet, die unter der Leitung eingeborener Lehrer und unter der Oberaufſicht der Miſſionare ſtehen. Ab und zu werden die Schulen beſichtigt, und der Miſſionar benützt die Gelegenheit, auch den Eltern dieſer Landſchüler etwas zu bieten an un vergänglichen Werten.

Oft werden auch Predigtreiſen unternommen, Reiſen, die für den Miſſionar ermüdend, aber doch von unſchätzbarem Wert ſind. Der Literat iſt ein Stubenhocker und es tut ihm recht gut, wenn er ſich hin und wieder zu einer ſolchen Reiſe entſchließt. Abge⸗ ſehen davon, was er den weltabgeſchiedenen Leuten an froher Bot— ſchaft bringt, iſt Reiſezeit auch für ihn „Erntezeit.“ Er hat ſein Notizbuch bei ſich. Er hört viele neue Wörter, er ſieht neue Men⸗ ſchen, neue Sitten und Gebräuche und ſammelt neue Erfahrungen.

Wie ein brauſender Sturm iſt der Weltkrieg auch über die Miſſionsfelder gegangen. Die Arbeiter mußten ihre Arbeit nieder⸗ legen, und die ſproſſende Saat iſt wohl zu einem großen Teil ver⸗ nichtet worden.

Aber wir hoffen, daß, wenn das Unwetter vorübergezogen iſt, ſich mancher Halm wieder erheben und der Sonne des Friedens und der Gerechtigkeit entgegenwachſen wird. Und trotz aller Zer— ſtörung halten wir feſt an der Verheißung des Propheten Heſekiel, wenn er ſagt: „Und die Heiden, ſo um euch her überbleiben, ſollen erfahren, daß ich der Herr bin, der da bauet, was zerriſſen iſt, und pflanzet, was verheeret iſt. Ich, der Herr, ſage es und tue es auch!“

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