VIER

PHILOSOPHISCHE TEXTE DES MAHABHARATAM:

samtsujAta-paevan - bhagavadgItA

MOKSHADHAEMA - ANUGItA.

IN GEMEINSCHAFT MIT Dk. OTTO STRAUSS AUS DEM SANSKRIT UBERSETZT

VON

Dr. PAUL DEUSSEN

PROFESSOR AN DER tJNIVKRSITAT KIEL.

LEIPZIG: F. A. BROCKHAUS.

1906.

PK

C z'p .

a

Bruck von F. A. Brockhaus in Leipzig.

VOEWOET.

V or einem halben Jahrhundert, als man bei den Worten Veddnta und Sdnkhyam nicht sowohl an die Upanishadlehre und die daraus erwachsene Re- flexionsphilosophie der epischen Zeit, als viel- mehr an die spateren Systeme dieses Namens dachte, pflegte man die vorwiegend durch die Bhagavadgita be- kannte Philosophie des Mahabharatam ftir eine aus beiden Systemen zusammen^^mischte X^ehre zu erklaren, und noch heute fehlt/ es nicht an namhaften Yertretern einer ahnlichen An^chauuilgj sfei «s, dais man der aus den Upanishad's iit^erkommenen vedantiscHen Grund- lage die selbstandig ftir sich entsprungenen Saiikhya- lehren, oder, umgekehrt, einem urspriinglich auf Saiikhyagrund errichteten Lehrsysteme hinterher Ve- dantagedanken beigemischt sein lalst.

Ohne in dieser ftir den Entwicklungsgang der in- dischen Philosophie entscheidenden Frage ftir jetzt ein Urteil zu fallen, woUen wir in gegenwartigem Werke die vier grofsen Haupttexte der Mahabharataphilo-

VI Vorwort.

Sophie in einer lesbaren und getreuen Ubersetzung vor Augen stellen und abwarten, ob sich dem Eindrucke dieser Texte gegentiber die herkommliche Ansicht aufrecht erhalten lalst oder ob die Philosophic des Mahabharatam , unbeschadet der mannigfachen An- schauungen, die in ihr zu Worte kommen, doch nicht sowohl als eine Mischphilosophie, sondern vielmehr als eine Ubergangsphilosophie zu be- zeichnen ist, namlich als die Philosophie des epischen, zwischen dem Veda und dem klassischen Sanskrit stehenden Zeitalters, in welchem sich der Ubergang von dem Idealismus des Vedanta zu der realistischen Denkweise des klassischen Sankhyam vor unseren Augen voUzieht. Dieser Ubergang, welcher durch die spateren Upanishad's, Kathaka, Qvetagvatara, Maitrayaniya u. a. vorbereitet wird, findet in den philosophischen Texten des Mahabharatam nebst den nahe verwandten Stticken in Manu seine naturgemafse Fortentwicklung, bis er sich schlielslich zu der abgeklarten Grestalt kristalli- siert, in welcher ihn die Saiikhya-Karika vor Augen stellt. Die aulsere Prazision und Konzinnitat dieser Haupturkunde des klassischen Sankhyam hatte nicht dariiber tauschen soUen, dais wir in ihr das letzte Produkt einer langen Entwicklung zu sehen haben, welche sich vom philosophischen Standpunkte aus nur als eine stufenweise zunehmende Entartung des ur- spriinglichen Idealismus der alteren Upanishad's ver- stehen lafst.

Vorwort. "VH

Eine niihere Darlegung dieser Verhaltnisse muls der dritten Abteilung meiner allgemeinen Geschichte der Philosophie vorbehalten bleiben. Wie die zweite Abteilung dieses Werkes sich auf meine Ubersetzung der Sechzig Upanishad's grtindet, so hat die dritte Ab- teilung zur unumganglichen Yoraussetzung die im folgenden dargebotene Ubersetzung der vier philoso- phischen Haupttexte des Mahabharatam. Diese letztere umfangreiche und muhsame Arbeit wiirde mir bei der stark erschtitterten Gebrauchsfahigkeit meiner Augen nicht wohl moglich gewesen sein, hatte ich mich nicht im ganzen Verlaufe des Unternehmens des vierjahrigen treuen Beistandes meines jungen Freundes und ehe- maligen Schiilers Dr. Otto Strauls zu erfreuen gehabt. Die auf dem Titel erwahnte Gremeinschaft ist dahin zu verstehen, dais wir nach den entfernteren Vor- bereitungen gemeinschaftlich die Worte des indischen Grrundtextes Vers fiir Vers durchberaten und oft erst nach schweren tjberlegungen die endgliltige Fassung festgesetzt haben. Fiir einen kleinern Teil des Granzen, die Anugita, habe ich in gleicher Weise die Mithilfe eines andern jungen Freundes, des Dr. Paul Emile Dumont, dankbar anzuerkennen. Fiir die endgliltige Fassung wird freilich in beiden Fallen zunachst der Unterzeichnete die Verantwortung zu tragen haben.

Diese Verantwortung ist keine leichte, da sich der Text des grofsen Epos, namentlich im Mokshadharma und in der Anugita stellenweise in einem Zustande be-

VIII Vorwort.

findet, welcher es nur mit Anstrengung ermoglicht, den Worten des Originals einen verstandlichen Sinn abzugewinnen. Der Kommentar des Nilakantha (von uns als Nil. zitiert) versagt haufig gerade an den schwierigsten Stellen und ist nur mit Vdrsicht zu ge- brauchen, da er oftmals offenbar seine spateren An- schauungen in die Worte des Originals hineintragt. Noch weniger JSTutzen konnte aus der unter dem Namen des Pratapa Chandra Ray verofEentlichten englisclien tjbersetzung gezogen werden, unter deren Wortschwall mitunter die Worte des Sanskrittextes gar nicht mehr wiederzuerkennen sind. Sehr nahe lag haufig die Yer- suchung, dem Texte durch Konjekturen aufzuhelfen. Aber wir haben nur im aufsersten Notfalle von diesem Mittel Gebrauch gemacht, da die Konjekturalkritik erst dann wird wirksam einsetzen konnen, wenn die diplomatische Kritik ihre Aufgabe gelost haben wird, wozu bei dem Umfange des Riesenepos und der Un- zahl von Hands chrif ten, in denen es in Indien ver- breitet ist, in absehbarer Zeit wenig Hoffnung sein dtirfte. Aber selbst wenn es gelingen sollte, die Gre- nealogie der vorhandenen Handschriften zu ermitteln und aus ihnen die altesterreichbare Form der Uber- lieferung herauszuschalen, diirften die Schwierigkeiten nur wenig verringert werden, da die Fehler oft sehr alte zu sein scheinen. Am besten ist die Uberlieferung in der Bhagavadgita , und auch 2,40 ist eine Textes- anderung, wie sie zur Rechtfertigung unserer Uber-

Vorwort. IX

setzung vorgenommen werden miilste, keineswegs not- wendig. Wir verzichten daher auf den allerdings schonen Gredanken, den wir hier zu finden glaubten und bitten, dort einfach mit der Uberlieferung zu lesen: „Dann gibt es ftir dich keinen Mifserfolg und keine Widerwartigkeit mehr." Die neueste Uber- setzung der Bhagavadgita durch Richard Garbe, welche uns erst zuging, als die unsrige schon langer fertig- gestellt war, wurde nachtraglich noch mit Dank be- nutzt, und auch der Leser kann sich durch Yergleich derselben eine Yorstellung dariiber bilden, innerhalb welcher Grrenzen der Urtext der Freiheit des Uber- setzers Spielraum lalst, nur dafs dieser Spielraum in dem am wenigsten bekannten Mokshadharma ein be- deutend grofserer ist. Wir haben auch den Moksha- dharma vollstandig iibersetzt, obgleich zwischen die philosophischen Gredanken zahlreiche, mitunter amii- sante, stellenweise auch insipide Erzahlungen einge- flochten sind, welche immerhin dem abendlandischen Leser zur Einfiihrung in die indische Art zu denken, zu empfinden und die Dinge anzuschauen nicht un- willkommen sein diirften. Uber den Zusammenhang der von uns tibersetzten vier Texte mit dem grofsen Ganzen des Mahabharatam wird die von Hermann Jacobi herausgegebene vortreffliche Inhaltsangabe dieses um- fangreichsten Dichterwerkes aller Zeiten die beste Orientierung gewahren.

Zum Schlufs sei nur noch bemerkt, dais unsere

X Vorwort.

tJbersetzung an die alte Bombay -Ausgabe (Qakabdah 1785) sich anschliefst, von welcher sich die spateren Bombayer Drucke, soweit wir sie verglichen haben, nur durch eine Anzahl von mehr oder weniger sinn- storenden Druckfehlern unterscheiden. Wo wir, von der erwahnten Bombay -Ausgabe abweichend, mit der Calcuttaer Ausgabe 1834 fg. gegangen sind, deren Lesarten allerdings haufig den Eindruck erleichtern- der Konjekturen machen, ist dies jedesmal von uns angemerkt worden.

Kiel, im August 1906.

Paul Deussen.

INHALT8VERZEICHNIS.

Seite

Vorwort V

I. SANATSUJATA-PARVAN.

Adhy-aya (ed. Calc.)

40. Sanatsujata, der ewige Jiingling, erscheint dem Dhritarashtra

und belehrt ihn 3

41. Der Tod ist niclit, Identitat der individuellen und hochsten Seele 4

42. tjber Maunam, Tapas und Unzulanglichkeit des Veda .... 11

43. Uber den Brahmacarin und das Wesen des Brahman .... 18

44. Aufzahlung von Tugenden und Fehlern 23

45. Das Schauen des Atman im Yoga 25

II. BHAGAVADGiTA. 1—6. Ethischer Teil.

1. Verzagtheit des Arjuna beim Beginn des Kampfes 33

2. Krishna belehrt ihn: Ewigkeit des Atman; Kshatriyapflicht;

Werk ohne Welthang 38

3. Interesseloses Handeln, Werke notwendig zum Bestande der Welt 45

4. Das Werk als ein dem Gott dargebrachtes Opfer 50

5. Der Entsagende weifs, dafs nur die Prakriti wirkt 55

6. Der Yoga als Weg zur Entsagung und Einswerdung mit Gott. 58

7—12. Theologischer Teil.

7. Gott als Prakriti, Jiva und hochstes Wesen 63

8. Meditation durch Om und Yoga; Eingehen in Gott 66

9. Gott schafft die Welt durch Maya und steht als Aufseher iiber ihr 69

10. Alles ist Gottes Machtentfaltung, aus ihm stammt alles Schone

und Kraftige 73

11. Krishna zeigt sich dem Arjuna als Allgestaltiger und Allver-

nichtender 77

12. Gottesverehrung, Meditation, moralischer Wandel 84

Xn Inhaltsverzeichnis.

Adhy&ya (ed. Calc.) Seite

13—18. Psychologischer Teil.

13. Kshetram, Jhanam, Jiieyam, Prakriti, Purusba 86

14. Beschreibung der drei Guna's, Befreiung von ihnen als hochste

Aufgabe ' 89

15. Der verganglicbe, der unverganglicbe und der bochste Purusba 92

16. Scbilderung der gottlicben und der damoniscben Lebensfiibrung 94

17. Der dreifacbe Glaube und seine Betatigung. Om, Tad, Sad . 97

18. Zerlegung des menscblichen Handelns; Weg zur Vollendung,

Verebrung des bocbsten Wesens 100

III. MOKSHADHARMA.

174. Trostung des Konigs Senajit bei Verlust seines Sobnes. Die

Hetare Pingala Ill

175. (=: 278.) Der Vater empfieblt die A^rama's, sein Sobn die Ent-

sagung 118

176. ^ampaka lobt die Armut. Gefabren des Reicbtums .... 122

177. Manki und die Ocbslein. Entsagung als Weg zum Gltick . . 125

178. Janaka und Mitbila. Die sechs Merkworte des Bodbya . . . 130

179. Entsagung als die Losung des Ajagara 132

180. Der arme Kagyapa von Indra als Scbakal getrostet und belebrt 137

181. VergeltuDg der Werke 142

182. Schopfung der Welt durcb den Mdnasa und Kosmograpbie . . 144

183. Entstebung der Elemente 148

184. Beseeltbeit der Pflanzen. Die Elemente und ibre Qnalitaten . 150

185. Die fiinf Prana's im menscblicben Korper 154

186. Bestreitung der Existenz des Jiva 15G

187. Griinde fur die Existenz des Jiva 158

188. Abstammung aller anderen Kasten von den Brabmanen . . . 162

189. Cbarakteristik der vier Kasten und Moraliscbes 164

190. Wabrbeit und Unwahrbeit, Lust und Leid 166

191. Pflicbten des Brabmacarin und Gribastha 169

192. Vanaprastha und Parivrajaka. Himmliscbe und irdiscbe Welt. 173

193. Vorscbriften fiir den guten Lebenswandel 177

194. Elemente, Organe, Ksbetrajna, Guna's, Bindung und Erlosung. 180

195. Yogameditation unter Fesselung des Manas 187

196. Bescbrankter Wert des Gebetsmurmelns 189

197. Gebetsmurmeln in selbstsiicbtiger Absicbt fiibrt zur Holle . . 192

198. Empiriscbe Daseinsformen als Hollen und der Atman als Himmel 193

199. Erlebnisse eines Gebetsmurmlers 195

200. Eingang des Gebetsmurmlers in den Himmel 210

201. Werkfrucbt und Frucbt der Erkenntnis 214

202. Der Atman, die Organe und Elemente 218

203. Atman, Bbutatman, Lingam (Korper) 221

204. Erkenntnis durcb die Sinne und reine Erkenntnis 224

205. Scbmerz. Buddbi und Manas. Der psycbiscbe Komplex . . 226

Inhaltsverzeichnis. XIII

Adhy&ya (ed. Calc.) Seite

206. Die Guna's, der Purusha und der Hochste 229

207. Schopfung der Welten, Gutter und Wesen durch Krishna . . 233

208. Schopfung der Gotter und Rishi's. Ihre Himmelsgegenden . . 237

209. Vishnu -Krishna als Eber bekampft die Danava's 240

210. Krishna schafft die Wesen. Purusha und Evolutionsstufen . . 244

211. Avyaktam, Vyaktam und Kshetrajua 249

212. Ahankara und Guna's als Quelle des Bosen 251

213. Rajas und Tamas. Weib und Kind. Organe aus dem Willen

entspringend 255

214. Brahmacaryam. Adern und Samen 257

215. Reinheit und Bezahmung als Weg zur Brahmanwerdung. . . 260

216. Das Manas im Wachen, Schlaf und Traum 263

217. Prakriti, Purusha und Brahman. Tapas und Wissen .... 266

218. Pafica^ikha entwickelt vor Janaka zunachst die Thesis der Ma-

terialisten, 270

219. sodann belehrt er iiber Atman, Entsagung, Organe, Guna's und

Erlosung ' ... 276

220. Preis der Selbstzucht und ihre Fruehte 282

221. Das wahre Tapas und seine Betatigung im Leben 284

222. Prahrada bespricht den Gegensatz von Svabhava (Prakriti) und

Purusha ' ... 286

223. Indra befragt den Bali, wie ihm nach seinem Bturze zumute sei 290

224. Bali weist auf die Notwendigkeit alles Geschehens hin (Kala) . 293

225. Die Qri geht von Bali zu Indra, der sie vierfach verteilt . . 298

226. Der gestiirzte Kamuci schopft aus der Erkenntnis der Notwendig-

keit Gleichmut 303

227. Eine andere Version von Adhyaya 223 und 224 306

228. Ubergang der ^ri von den Danava's zu den Gottern .... 318

229. Jaigishavya zeigt den Weg zur wahren Gliickseligkeit. . . . 327

230. Narada wird als ethisches Ideal geschildert 330

231. Vyasa belehrt den ^uka uber die Einteilung der Zeiten, . . 332

232. liber die Schopfung der Elemente und der Welt aus Brahman

und ihre Degeneration, 336

233. iiber die Auflosung der Welt in Brahman, 340

234. iiber die Pflichten der A^rama's und Beispiele belohnter Frei-

gebigkeit, 342

235. aberVedastudium,OpferunddasethischeVerhaltendesBrahmanen, 346

236. iiber Yoga und seine Fruehte, Avyaktam und Vyaktam, San-

khyam und Yoga, 349

237. iiber die Erkenntnis als Weg zur Erlosung und die Klassifika-

tion der Wesen, 354

238. iiber Werke und ihre zunehmende Degeneration in den Weltaltern, 357

239. uber den Atman und sein Verhaltnis zur Leiblichkeit, . . . 359

240. iiber das rechte Verhalten des Yogin, 362

241. tiber die Bindung durch Werke und die Erlosung durch Wissen, 366

242. iiber die Pflichten des Brahmaca.rin, 368

XIV Inhaltsverzeichnisi

Adhy4ya (ed. Calc). Seite

243. iiber den Grihastlia und seine vier Unterarten, 372

244. ilber den Vanaprastha und Sannyasin, . 375

245. iiber den Bhikshu (Sannyasin), 378

246. iiber die Beruhigung als Frucht des Wissens, 383

247. iiber die Elemente im Korper, die psychischen Organe und die

Guna's, ^ 385

248. iiber Manas und Buddhi, den Atman und die Guna's, .... 388

249. iiber die Abschiittlung der Guna's und die Erlangung der Er-

kenntnis, 390

250. iiber die Konzentration des Geistes und ihre Frucht .... 392

251. iiber moraliscbes Verhalten und seine Frucht, 394

252. iiber die Elemente und ihre Verbreitung im Leibe, .... 397

253. iiber Lingam, Sattvam, Bhiitatman, 398

254. iiber die Begierde als Baum und den Menschen als verseuchte

Stadt, 400

255. und anliangsweise iiber die Qualitaten von Elementen, Manas

und Buddhi 402

257. (B. 256.) Narada erzahlt, wie Gott Brahman die Geschopfe ver-

brennen woUte, 404

258. wie auf ^iva's Bitte das Feuer sich in die Mrityu verwandelte, 406

259. wie Mrityu sich weigert, die Geschopfe zu vernichten, und wie

die von ihr vergossenen Tranen als Krankheiten die Geschopfe

wegraffen 408

260. Moralischer Wandel und gutes Gewissen als Folge 413

261. Skeptische Einwendungen gegen die Autoritat der Pflicht . . 416

262. Jajali lafst auf seinem Kopfe die Vogel briiten und geht zu

Tuladhara 418

263. Tuladhara fordert statt Askese Schonung der Wesen, .... 423

264. statt der vedischen nur unblutige Opfer 428

265. Die Vogel stimmen ihm zu und preisen die ^raddba (Glaube) . 433

266. Ausspruche des Konigs Vicakhyu gegen das Tieropfer . . . 436

267. Erzahlung vom Cirak&,rin ; Kindespfiichten ; Lob der Saumseligkeit 437

268. Gesprach des Dyumatsena und Satyavant iiber die Todesstrafe 445

269. SyiimaraQmi verteidigt gegen Kapila die Tieropfer, 449

270. sowie den Hausvaterstand gegeniiber der Entsagung .... 453

271. Kapila lobt die alten Zeiten und die Entsagung 461

272. Der Brahmane und Kundadhara: Nicht Reichtum, sondern Ge-

rechtigkeit und Askese sind begehrenswert 466

273. Satya und die Gazelle: Verwerfung des Tieropfers 471

274. B5ses und Gutes, Weltverdrossenheit und Erlosung .... 474

275. Selbstbezahmung als Weg zur Erlosung 476

276. Elemente, psychisclie Organe und der Atman 478

277. Janaka preist die Besitzlosigkeit und Entsagung 482

278 = 175 484

279. Das Leben des Sannyasin nach Harita's Vorschrift 484

280. Der gesturzte Vritra weist auf die Allmacht der Zeit hin . . 486

Ifthaltsverzeichnis. XV

Adhyftya (ed. Calc.) Seite

281. Ugauas preist den Vishnu als Allseele und klassifiziert die

Statten der Seelen nach den Farben 490

282. Indra, von Qiva als Fieber und Vishnu als Donnerkeil unter-

stiitzt, bekampft den Vritra 498

283. und totet ihn; wird von der Brahmahatya befallen und von ihr

befreit 502

284. Daksha's Opfer wird auf Antrieb der Uma von ^iva's Scharen

gestort; Entstehung des Fiebers und seine Verteilung . . . 509

285. Andere Version derselben Erzahlung 515

286. Das Qivasahasrandman. ^iva's Gnade gegen Daksha .... 522

287. Grofse Elemente; korperliche und psychische Organe; der Atman

schaftit die Guna's 534

288. Samaiiga lehrt: Erkenntnis befreit vom Leiden ...... 539

289. Vier Lebensrichtungen mit gemeinsamer Moral. Warnung vor

schlechtem Umgang . 541

290. Arishtanemi lehrt: Loslosung von Welthang und Angehorigen

macht wahrhaft frei 547

291. Geschichte vom U^anas als Qukra (Planet Venus, Same) . . . 552

292. Paragara lehrt die Vergeltung der Werke, 556

293. spricht iiber die Frucht guter und boser Werke, 558

294. empfiehlt Freigebigkeit und Rechtschaffenheit, 561

295. Schonung des ^udra und Befolgung der Kastenpflichten, . . . 563

296. schildert die Korruption der Sitten und ihre Wiederherstellung

durch Q'iva, 566

297. warnt vor Egoismus und empfiehlt die Askese, 569

298. spricht iiber Mischkasten, besondere und allgemeine Kasten-

pflichten, 572

299. iiber Todesarten und Schicksale nach dem Tode, 577

300. iiber Nichtanhanglichkeit, Leidenschaftslosigkeit, Entsagung und

Askese 581

301. Brahman als Schwan empfiehlt Sanftmut, Geduld und weitere

Tugenden 587

302. Kraft, Frucht, Methode und Zauberkunst des Yogin .... 592

303. Inbegriff und Eschatologie der hier Saiikhyam genannten Atman-

lehre 598

304. Evolution des Mahan usw. aus dem Urwesen (Qiva, Vishnu) . 609

305. Der Purusha wahnt sich in die Prakriti verstrickt und verfallt

der Wanderung 614

306. Purusha und Prakriti mit den Mondteilen verglichen .... 618

307. Janaka's Vergleich von Purusha und Prakriti als Mann und

Weib durch Vasishtha widerlegt 620

308. Yogapraxis. Der Fiinfundzwanzigste und die tibrigen Sankhya-

prinzipien 624

309. Das Vergangliche und Unvergangliche; der Funfundzwanzigste

im Stande der Erweckung 629

310. Der Sechsundzwanzigste als der Erweckte; wem mitzuteilen . 633

XVI Inhaltsverzeichnis.

Adhyiya (ed. Calc.) Seite

311. Schilderuiig des guten Menschen 639

312. Vierundzwanzig Evolutionsstufen und neun Emanationen im

Sankhyam 641

313. Tag und Nacht von Brahman, Brahman, Ahankara und Elemen-

ten, Funktion des Manas 644

314. Stufenweise Vernichtung der Welt und Eingang in ^amhhu . 646

315. Organe, Funktionen, Schutzgottheiten. Schilderung der drei

Guna's 648

316. Verflechtung der Guna's. Prakriti und Kshetrajha 650

317. Purusha und Prakriti verschieden und doch zusammen wirkend . 652

318. Qualitathafter und qualitatloser Yoga 655

319. Statten nach dem Tode; Vorzeichen des Todes 657

320. Yajnavalkya erhalt vom Sonnengott den weifsen Yajurveda und

beantwortet die Fragen des Vi^vavasu iiber den Atman der

Sankhyalehre 660

321. Panca^ikha iiber die Verganglichkeit des Lebens 671

322. Streitreden zwischen Konig Janaka und der Bettelnonne Sulabha 673

323. Vyasa belehrt den Quka iiber Verganglichkeit, Pflichterfiillung

und Vergeltung 692

324 = 181 701

325. Vyasa tibt Askese, um einen iibermenschlichen Sohn zu erhalten 702

326. Quka's wunderbare Geburt und Erziehung 704

327. ^uka's Wanderung nach Mithila und Empfang am Hofe des

Konigs Janaka 707

328. Janaka belehrt den Quka iiber die vier A?rama's und die Erlosung 711

329. Q!uka wird Schiiler seines Vaters auf dem Himalaya. Episode

von Skanda's Lanze 716

330. Vyasa und ^uka studieren den Veda. Exkurs iiber die sieben

Winde 721

331. Narada erteilt dem Quka ethische und psychologische Lehren, 726

332. spricht buddhistisch iiber das Leiden und seine Heilung durch

Erkenntnis, 732

333. erortert Verganglichkeit, Zufalligkeit und Ungerechtigkeit des

Daseins. Q'uka nimmt Abschied von Narada und Vyasa . . 735

334. guka's Flug zum Himmel . 741

335. Vyasa fliegt dem Quka nach. Entstehung des Echos .... 744

336. Narada sucht in Badarl den Nara und Narayana auf, die dort

den Atman verehren 748

337. Narada geht nach ^vetadvipa. Uparicara. Das Gesetzbuch der

Citra^ikhandin's 752

338. Opfer des Uparicara, Besanftigung des Brihaspati durch die Er-

zahlung von den weifsen Mannern 758

339. Parteiischer Schiedsspruch und Strafe des Uparicara .... 764

340. N&rada preist den grofsen Purusha mit 199 Namen .... 768

341. Nfi.rayana zeigt sich dem Narada und teilt ihm seine vier Vyuha's

und seine Avat^ra's mit 770

Inhaltsverzeichnis. XVII

Adhy&ya (ed. Calc.) Seite

342. Narayana belehrt die Gotter und Rishi's tiber die Satzungen

der Aktivitiit und Passivitat 783

343. Identitat von ^iva und Vishnu. Etymologie der Namen Vishnu's 794

344. Entstehung von Agni und Soma. Beispiele fiir die Ubermacht

der Brahmanen. Streit und Identifikation Vishnu's mit Qiva's 800

345. Narada berichtet in Badari seine Erlebnisse in ^vetadvipa . . 818

346. Hervorgehen der Saiikhyaprinzipien aus Vishnu, Eingang in ihn

nach dem Tode ' 824

347. Opfer auf Vishnu zielend; die Sohne als Lehrer der Vater;

Vishnu (Vrishdkapi) und die drei Pindah 827

348. Vyasa als Verfasser des Mdhdhhdratam. Das Rofsopfer. Preis

des Vishnu 830

349. Brahman's Entstehung aus Vishnu, Vedenraub, das Rofshaupt

als Retter ' 832

350. Ekantin's = Satvata's. Siebenmalige Erneuerung ihrer Lehre.

Die vier Vyuha's. Sattvika's, Vyamicjra's und Vaikarika's . 841

351. Vyasa's Abstammung. Brahman Weltschopfer durch Vishnu's

Buddhi. Sarasvata Apantaratamas als Ordner der Veden . . 849

352. Brahman erklart dem Qiva die Einheit und Vielheit der Purusha's 856

353. tjber den hochsten Purusha 859

354—367. Ein Brahmane forscht nach der hochsten Pfiicht und wird

von einem Naga durch die Erzahlung von dem Eingange des Ahrenlesers in die Sonne dariiber belehrt, dafs Entsagung

das Hochste sei 862

IV. ANUGiTA.

16. Krishna erzahlt dem Arjuna, was ein Siddha uber den Weg zu

seiner Vollendung dem Ka^yapa mitgeteilt habe 885

17. Uber die Auflosung des Leibes und die Schicksale nach dem Tode 890

18. Wesen des Jlva. Brahman schafEt. das Pradhanam 894

19. Weg zur Erlosung und Theorie des Yoga 898

20. Gesprache eines Brahmanen mit seiner Frau iiber den Korper,

die Prana's und das Vaigvanarafeuer 904

21. Die zehn Organe und ihre Objekte als Hotar^s und Havis . . 907

22. Die sieben Hotar's. Verhaltnis des Manas zu den Indriya's . 911

23. Machtsphare der funf Prana's (Hotar's) 914

24. Entstehung und wechselseitiges Verhaltnis der Prana's . . . 917

25. Karanam, karma, kartar, moksha als Hotar's 919

26. Narayana (der Atman) als Herr im Herzen weilend .... 921

27. Sansara und Brahman als Wildnis und Wald 923

28. Gesprach eines Adhvaryu mit einem Yati liber die Ahinsd . . 926

29. Kartavirya und Rama. Vernichtung der Kshatriya's .... 929

30. Bekampfung der Sinne als der starksten Feinde durch Yoga . 932

31. Sattvam, Rajas und Tamas als Feinde. Atman und Trishna . 935

32. Konig Janaka als alles und nichts besitzend 937

Deussen, Mah&bb^ratam. |j

XVIII Inhaltsverzeichnis.

Adhyiya (ed. Calc.) Seite

33. Schlufs des Gespraches zwischen demBrahmanen und seiner Gattin, 940

34. sie sind Manas und BuddM des Krishna 941

35. Ein Lehrer belehrt seine Schiller iiber die ftinfundzwanzig

Prinzipien 942

36. Zusammensetzung des Leibes. Tamas. Avdicsrotas .... 948

37. Das Rajas. Arvdksrotas 951

38. Das Sattvam. Urdhvasrotas 953

39. Verflechtung der Guna's. Die Prakriti 955

40. Der Mahan, der Ahankara und die Elemente 957

41. Ahankara und Prajapati 959

42. Die psychischen Organe, Befreiung von ihnen durch Meditation 960

43. Verschiedenes. Die Organe und der Atman 966

44. Ursprung und Ende der Wesen im einzelneu 970

45. Allegorie: Das Leben als Rad 972

46. Brahmacarin , Vanaprastha und Sannyasin , ihre Pflichten und

ihr Ziel 975

47. Entsagung und Erkenntnis ; die Welt als Baum, der zu fallen ist 980

48. Verbindung und Verschiedenheit zwischen Purusha und Sattvam 982

49. Befragung des Brahman liber den wahren Dharma 984

50. Ahiiisa und Jrianam. Kshetrajna und Kshetram. Die Organe

und ihre Eigenschaften 986

51. Die Sinne als Rosse und verwandte Allegorien. Die Erlangung

des Brahman als Ziel 991

Index bemerkenswerter Nam en und Begriffe 997

Zitaten-Index 1009

Stammtafel 1010

AUSSPRAOHE.

In indischen Wortern ist

c, cli wie tsch, tschli j, jh wie dsch, dschh

zu sprechen; also: Yddschnavalkya, Tschhdndogya usw.

^ ist ein mittlerer Laut zwischen s (stets scharf) und sli ( = sch).

Die Betonung richtet sich, wie im Lateinischen, nach der Quantitat der vorletzten Silbe; ist dieselbe lang, so hat sie den Akzent, ist sie kurz, so liegt er auf der drittletzten Silbe (e und o sind stets lang).

Nach der von uns befolgten Schreibweise sind alle Worter auf a Maskulina, alle auf k Feminina, alle auf am Neutra: der Veddnta, die Mtmdhsd, das Sdnkhyam (sc. darqanam).

I. SANAT8UJATA-PARVAN.

Mah^bh&ratam Buch V, Adhyaya 40-45, Vers 1565-1790, C. (= Biich V, Adhyaya 41-46, B.).

Detjssen, Mahftbliftratam.

Adhyaya 40 (B. 41).

Vers 1565-1576 (B. 1-12).

Dhritarashtra sprach:

1. (1565.) Wenn, o Vidura, irgend etwas ist, was durch deine Rede noch nicht gesagt wurde, das sage, indem ich zuhore, denn Wunderbares redest du.

Vidura sprach:

2. (1566.) 0 Dhritarashtra, jener alte ewige Jiinghng, Sanatsujata, hat gesagt: „Der Tod ist nicht", o Bharata.

3. (1567.) Er, der Beste aller Weisen, wird dir, o grolser Konig, alle Zweifel des Herzens, die geheimen wie die offenen, losen.

Dhritarashtra sprach :

4. (1568.) Weifst du das nicht besser, was mir der Ewige sagen soil? Sage du es mir doch, o Vidura, wenn deine Weisheit nicht schon erschopft ist.

Vidura sprach:

5. (1569.) Ich bin aus einem Qudra-Schofs geboren und vermag nichts weiter mehr zu sagen ; aber von der Weisheit jenes Jiinglings weifs ich, dafs sie eine ewige ist.

6. (1570.) Denn wer in einem brahmaniscljen Mutterschofse geweilt hat, der ist, auch wenn er sehr Geheimnisvolles ver- kiindet, dafiir von den Gottern nicht zu tadeln, darum sage

ich dir dieses.

Dhritarashtra sprach:

7. (1571.) Befrage fur mich, o Vidura, jenen Alten, Ewigen, wie sein Zusammenkommen mit dieser meiner Leiblichkeit hier moglich ist.

1*

4 I. Sanatsujiita-parTan.

Vaigampayana (der Erzahler) sprach:

8. (1572.) Da gedachte Vidura jenes Weisen von geprie- senem Wandel, und dieser, erkennend, dafs man seiner ge- dachte, machte sich sichtbar, o Bharata.

9. (1573.) Er aber empfing ihn mit der aus dem Eitual bekannten Zeremonie, und nachdem jener sich behagHch niedergelassen und ausgeruht hatte, sprach Vidura zu ihm:

10. (1574.) 0 Heihger, ein Zweifel besteht in dem Herzen des Dhritarashtra , welchen ich ihm nicht erklaren kann, so wolle du ihm ihn erklaren,

11. (1575.) damit dieser Fiirst der Menschen, seine Er- klarung vernommen habend, zu einem iiber alle Leiden Er- habenen werde, dergestalt, dafs ihn weder Gewinn noch Verlust, weder Liebes noch Hassenswertes , weder Alter noch Tod,

12. (1576.) weder Furcht noch Unmut, weder Hunger noch Durst, weder Ubermut noch Uberhebung, weder Unlust noch Erschlaffung, weder Begierde noch Zorn, weder Schmalerung noch Forderung zu iiberwaltigen vermogen.

So lautet im Sanatsuj&ta-parvan die Bitte dcs Vidura ( Vidura -prdrthand).

Adhyaya 41 (B. 42).

Vers 1577-1620 (B. 1-46).

VaiQampayana (der Erzahler) sprach :

1. (1577.) Da geschah es, dafs der weise Konig Dhri- tarashtra, nachdem er jenes von Vidura geaufserte Wort verehrt, verlangend zum grofsen Atman zu werden, den Sanatsujata in der Einsamkeit nach der hochsten Erkennt- nis befragte.

Dhritarashtra sprach :

2. (1578.) 0 Sanatsujata! Was ich hier als deine Be- hauptung hore, dafs der Tod nicht sei die Gotter und die Damonen wurden ja Brahmanschiiler , um den Nicht- Tod zu erlangen (Chand. Up. 8,7 fg.) welches von beiden [dies Oder das GegenteilJ ist da die Wahrheit?

Adhyaya 41 (B. 42). 5

Sanatsuj&,ta sprach: 3. (1579.) Wonach du durch die Zeremonie [oben, Vers 1573] gefragt hast, ob es keinen Tod gebe oder das Gegenteil, dariiber vernimm, was ich dir sage, o Konig, damit du keinen Zweifel dariiber habest.

4. (1580.) Vernimm, 0 Fiirst, hieriiber beide Wahrheiten [die empirische und die metaphysische]. Nur aus Ver- blendung wird der Tod von den Sangern fiir wahr ge- halten. Ich aber erklare den Tod fiir eine Tauschung, und fiir die Nicht -Tauschung erklare ich das Unsterblich- sein.

5. (1581.) An dieser Tauschung sind die Damonen zu- grunde gegangen, durch die Nicht -Tauschung gelangt man zum Brahmansein. Der Tod ist doch nicht wie ein Tiger, der die Menschen verschHngt, und er hat doch nicht eine Gestalt, die man wahrnehmen konnte.

6. ( .) Hingegen ist, wie einige lehren, Yama ein von jenem (Mrityu) verschiedener Todesgott, Namhch im Atman wurzelnd und unsterbUch ist der Brahmanwandel, wahrend jener Gott in der Vaterwelt sein Reich regiert, giitig gegen die Guten, nicht giitig gegen die Nicht-Guten.

7. (1582.) Auf sein Geheifs verbreitet sich iiber die Men- schen der Zorn, die Tauschung und der Tod, der seinem Wesen nach Begierde ist. Und durch die Selbstsucht auf Abwege gefiihrt, erlangt keiner Vereinigung mit dem Atman,

8. (1583.) s6ndern verblendet leben sie unter seiner [des Todes] Herrschaft, und von hier abgeschieden ver- fallen sie derselben wiederum (Kath. Up. 2,6). Und ihnen nach geraten die Gotter [vielleicht die Sinnesorgane] in Verwirrung: dann nimmt der Todesgott den Namen Tod an.

9. (1584.) Indem das Werk ihnen vorschwebt, indem sie der Frucht der Werke nachtrachten , schreiten sie auf diesem Wege fort und kommen nicht iiber den Tod hinaus, und die Seele, die Hingebung an heilsame Zwecke verfehlend, dreht sich im Kreise, den Geniissen hin- gegeben.

Q I. SanatsujMa-parvan.

10. (1585.) Dieses ist die grofse Verblendung der Sinne: des Menschen Gang bewegt sich fort und fort im Dienste triigerischer Zwecke, und die innere Seele von diesem Dienste triigerischer Zwecke geschadigt und ihrer nur bewufst verehrt die Sinnenwelt, die sie umgibt.

11. (1586.) Die Begierde ist es, welche zuerst die Men- schen schlagt, und sie zieht Lust und Zorn als ihr Ge- folge schnell hinter sich her, diese aber fiihren die Toren dem Tode in die Arme, wahrend die Einsichtigen durch ihre Einsicht den Tod iiberwinden.

12. (1587.) Man unterdriicke durch die Meditation die r -J aufflatternden [Liiste], in Unbekiimmertheit sie nicht be-

achtend; einen solchen frifst nicHt gleichsam der zum

Tode gewordene Todesgott, ihn der solches wissend die

Liiste niederschlagt.

13. (1588.) Der Mensch, welcher den Liisten nachhangt, geht hinter ihnen her zugrunde; wer aber die Liiste aus dem Felde schlagt, der schiittelt von sich alien [Siinden-] Staub (Chand. Up. 8,13).

14. (1589.) Als ein lichtloses Dunkel sehen die Kreaturen diese Holle vor sich; wie verblendet laufen sie ihr entgegen, indem sie leichtlich wie in eine Grube hineinstiirzen.

15. (1590.) Wenn aber ein Mensch hienieden unverwirr- ten Geistes ist, was kann dem wohl der Tod anhaben? Fiir ihn ist er gleichsam ein mit Heu ausgestopfter Tiger. Und um nichts anderes sich bekiimmernd, o Fiirst, griible er nicht und stofse aus von sich die Lebenskraft [der Liiste].

16. (1591.) Er ist Zorn und Habsucht, ist die mit 1 : caS Verblendung behaftete innere Seele, das fiirwahr ist

der Tod, was als solches in deinem Leibe wohnt. Wer erkannt hat, dafs auf diese Weise der Tod entsteht, wer in dieser Erkenntnis feststeht , der ' fiirchtet sich K. f i*^ hienieden vor dem Tode nicht. Der Tod, in eines sol- chen Bereich gelangend, wird zunichte, ahnlich wie der Mensch zunichte wird, wenn er in den Bereich des Todes gelangt.

Adhyaya 41 (B. 42). 7

Dhritarashtra sprach:

17. (1592.) Sie reden doch von seligen Welten, von allerheiligsten , ewigen, welche der Zwiegeborene durch Opferwerk erlange, und die Veden predigen, dafs diese das hochste Ziel sind. Wer das weifs, wie kann der um- hin, das Werk zu betreiben? (lies: na upaiti).

Sanatsujata sprach;

18. (1593.) Der Nichtwissende ist es, welcher in dieser Weise dorthin iibergeht, und auch fiir diesen Fall ver- heifsen die Veden Erreichung der Zwecke ; aber nur wer ohne Streben ist, gelangt zum Hochsten. Als hochster Atman geht er seinen Weg, jene Wege meidend.

Dhritarashtra sprach :

19. (1594.) Wer ist es, der in Verbindung treten konnte mit jenem Ungeborenen, Alten, wenn dieser Schritt fiir Schritt das ganze Universum ist. Was ist sein Wirken, was ist seine Freude, das sage mir alles, du, der es weifs, der Walirheit nach.

Sanatsujata sprach:

20. (1595.) Grofse Versiindigung liegt hier in der Ver- bindung mit der Mannigfaltigkeit, aber durch Verbindung mit dem Anfanglosen wird man ewig. Dabei geht seine Erhabenheit in keiner Weise verloren; durch die Ver- bindung mit dem Anfanglosen haben ihr Sein die Men- schen.

21. (1596.) Was nun so dieser Heilige, Ewige ist, der erschafft durch Verbindung mit dem Wandelbaren das Weltall. Denn fiir so grofs erachtet man seine Schopfer- kraft, und ebenso entstehen [aus ihm] im Zusammenhang mit dem Schopfungsinhalt die Veden.

Dhritarashtra sprach:

22. (1597.) Derer sind einige, welche in dieser [Schop- fung] die Pflichten nicht erfiillen, und- wieder andere gibt es, welche hienieden die Pflichten erfiillen. Wird

8 I- Sanatsujata-parvan.

nun wohl die Pflicht durch das Bose iiberwunden, oder liberwindet vielmehr die Pflicht das Bose?

Sanatsujata sprach:

tj^ 23. (1598.) Beiderlei Vergeltung wird in dieser Welt

' / i «.V verhangt, solche fiir die Pflichterfullung und solclie fiir das Gegenteil.

24. (1599.) Aber wer in jenem [dem Brahman] fest- steht, der Weise schlagt durch sein Wissen beiderlei Voll- brachtes fiir immer nieder. Und anderseits wiederum erntet die Seele das Verdienst der guten Werke, und ebenso erntet sie, wenn es zur Reife gekommen, das vollbrachte Bose.

25. (1600.) 1st es dazu gekommen, dann wird beides vermoge des Werkes sicherlich iiber ihn verhangt; er [erntet die Frucht] des Guten und auch des Bosen ver- moge seines Werkes. Aber der Weise treibt durch die

. (• {, J Pflicht das Bose hienieden von sich ; denn die Pflicht ist das Starkere, das bildet seine Richtschnur.

Dhritar&,shtra sprach:

26. (iGOi.) Die Himmelswelten, welche man uns ver- heifst fiir die selbstvollbrachte Pflicht, uns, den Zwie- geborenen, Gutes Vollbringenden , die ewigen Welten, deren Stufenreihe verkiinde mir und auch die ihnen ent- gegengesetzten, o du Wissender, nicht aber wiinsche ich vom Werke zu horen.

Sanatsujata sprach:

27. (1602.) Jene . Brahmanen , welche in Erfiillung ihrer "i Pflicht wetteifern, wie Starke in Betatigung ihrer Starke,

diese werden von hier abscheidend in der Brahmanwelt glanzen.

28. (1603.) Sie, welche in Erfiillung ihrer Pflicht wett- eifern, ihnen wird dieses ein Mittel zur Erlangung der Er- kenntnis, und solche Brahmanen gehen, aus dieser Welt erlost, in den Himmel, in die himmlische Dreiwelt ein.

29. (1004.) Von einem solchen erklaren die vedakundigen Menschen, dafs sein Wandel vollkommen sei; nicht soil er

Adhy&ya 41 (B. 42). 9

irgendeinen Menschen, sei es einen Fremden, sei es eincn Nahestehenden, sonderlich beachten.

30. (1G05.) Wo er aber einen besonders ehren will, da moge er von ihm, dem Brahmanen, wie man in der Regen-

''' zeit Gras abrupft, so sein Essen und Trinken [annehmen]; davon lebe er und empfmde keinen Neid.

31. (1606.) Wenn aber einer ihm, dem Schweigenden, [statt eines Almosen] mit Unfreundlichkeit oder Drohung entgegenkommt, wer dann sich dabei verhalt, als geschahe nichts Besonderes , der und kein anderer ist der beste Mann.

32. (1607.) Wenn aber einer fiir die Person des schweigend Dastehenden kein Mitgefiihl empfmdet, eines solchen Brah- manen Habe soil er nicht geniefsen. Das gilt fiir die Art, wie Gerechte sich ernahren.

33. (1608.) Wie ein Hund das eigene Ausgebrochene wieder verzehrt fort und fort zu seinem Schaden, so verzehren jene [Nicht-Gebenden] das Ausgebrochene, well sie auf ihre Uber- legenheit trotzen.

34. (1609.) „Mein Wandel soil immer unbekannt bleiben", so soil der Brahmane denken. Wer aber unter seinen Ver- wandten wohnen bleibt, den halten die klugen Leute fiir einen Brahmanen.

35. (1610.) Denn welcher ware wohl imstande, geradezu ^ seinen Atman zu toten, den merkmallosen , unwandelbaren,

reinen, von aller Zweiheit freien?

36. Denn von diesem ausgehend nimmt das Brahman il-*^' auch in [dem Leibe] eines Kshatriya seinen Wohnsitz und

blickt aus ihm heraus.

37. (1611.) Wer den anders seienden Atman anders [als er ist] auffafst, welches Bose ist von dem nicht getan worden, von einem Diebe, der den Atman beraubt.

38. (1612.) Unermiidet, nicht nehmend, besonnen, un- .1^ gefahrdet, gelehrt, und doch als ware er nicht gelehrt, das

ist der Brahmane, der brahman wissende Weise.

39. (1613.) Nicht reich an irdischer Habe, aber reich an gottlicher Einsicht, uniiberwindlich, unerschiitterlich, wer so ist, den wisse man als Wohnstatte des Brahman.

10 I- Sanatsujata-parvan.

40. (1614.) Aber jeder, der hier auf Erden aller Gotter als gute Wiinsche gewahrender sich bewufst ist, der kommt einem Brahmanen nicht gleich, sondern in jenem [Gotter- dienst] miiht er sich mit seinem ganzen Selbste ab.

41. (1615.) Aber der, welchen sie als einen, der sich nicht abmiiht, erachten, der ist wahrhaft geachtet; er achte sich nicht fiir einen, der geachtet ist, nicht soil nach Achtung er mit Miihe trachten.

42. (1616.) Die Welt bewegt sich ja immerfort ihrer Na- tur gemafs, wie wenn man die Augen schliefst und wieder offnet; aber die Wissenden hienieden achten ihn, und da- durch erachte er sich als geachtet.

43. (1617.) Im Unrechttun gewandt, betort sind in dieser Welt die in der Maya welt Bewanderten; mogen sie immer- hin den achten, der keine Achtung verdient, und die der Achtung Wiirdigen verachten.

44. (1618.) Denn niemals wohnen beieinander Weltruhm und Einsiedlertum ; dies ist die Welt des Ruhmes, jene die des Einsiedlertums , das wissen sie.

45. (1619.) Das Gliick ist hier auf Erden eine Wohnstatte der Lust, aber in Wahrheit ist es nur ein Hindernis auf dem Wege. Hingegen das brahmische Gliick ist schwer zu erlangen fiir solche, welche der Erkenntnis ermangeln, o Fiirst.

46. (1620.) Um zu diesem zu gelangen, gibt es, so sagen die Guten, vielfaltige, aber schwer zu offnende Pforten; sie sind: Wahrhaftigkeit, Gradsinn, Schamhaftigkeit, Bezahmung, Reinheit und Wissen; diese verhindern, dafs Verblendung entstehe [B. : belehren, so dafs keine Verblendung entsteht].

So lautet im Sanatsujftta-parvan die Eede des Sanatsujata (Sanatsujdta-vdkyam),

■ij^mut^

Adhy^ya 42 (B. 43). 11

Adhyaya 43 (B. 43).

Vers 1621-1683 (B. 1-63).

Dhritar^shtra sprach:

1. (1621.) Wessen ist jenes einsiedlerische (schweigende) Verhalten, um welche Art des Schweigens handelt es sich dabei? Sage du mir, der du es weifst, das Wesen des einsiedlerischen Schweigens. Ferner sage mir, ob der Weise durch Schweigen zura [Einsiedler-] Schweigen ge- langt, und wie, o Einsiedler, man dieses Schweigen hie- nieden betreibt.

Sanatsujata sprach:

2. (1622.) Sofern die Veden mitsamt dem Verstande keinen Eingang bei ihm finden, insofern entsteht sein Schweigen. Namlich, wenn das Wort des Veda ertont, dann, o Fiirst, ist er es eben, welcher erglanzt, weil jenes [Vedawort] sein Wesen ausmacht.

Dhritarashtra sprach: L- 3. (1623.) Wenn einer, der den Rigveda, den Yajurveda und

y I den Samaveda weifs, Boses tut, wird er dann von dem Bosen befleckt, oder wird er nicht befleckt?

Sanatsujata sprach:

4. (1624.) Nicht die Saman-Lieder, noch auch die Rigveda- Verse, auch nicht die Yajus-Spriiche vermogen einen Toren vor bosem Werke zu behiiten. Nicht sage ich dir die Un- wahrheit.

5. (1625.) Die heiHgen Lieder retten ihn nicht vor dem Unheil, den Verblendeten, in Verblendung Lebenden. Wie die Vogel das Nest verlassen, wenn ihnen die Fliigel ge- wachsen sind, so verlassen ihn die heiligen Lieder, wenn sein Ende gekommen ist.

Dhritarashtra sprach:

6. (1626.) Wenn die Veden ohne Pflichterfiillung nicht im- . stande sind, ihn zu retten, o W^eiser, warum dann dieses

endlose Gerede der Brahman en?

12 I. Sanatsujata-parvan.

Sanatsujata sprach :

7. (1627.) Vermoge der in ihm. [dem Veda] enthaltenen mannigfachen Formen, wie Namen usw., erglanzt diese ganze Welt , o Grof smachtiger ; die Veden zeigen sie auf und erklaren sie vollstandig, sie legen diese ganze Mannig- faltigkeit dar.

8. (1628.) Zu diesem Zwecke wird [vom Veda] das Tapas, zu diesem Zwecke das Opfer gelehrt, weil durch diese beiden der Wissende einen Schatz guter Werke erlangt, und weil er durch diesen Schatz das Bose nieder- schlagt und sodann zu einem solchen wird, dessen Atman durch das Wissen erleuchtet ist.

9. (1629.) Denn durch das Wissen erlangt der Wissende den Atman. Hingegen im andern Falle, wenn er nach himmlischem (lies : svarga, oder varga „gemeinem" C.) Lohne verlangt, dann rajfft er alles zusammen, was er im Dies- seits getan hat, geniefst dafiir im Jenseits und kommt sodann auf seinem Wege wieder zuriick.

10. (1630.) Das Tapas wird in dieser Welt geiibt, seine Frucht wird in jener genossen; den Brahmanen, wenn sie in dem sich aufzuerlegenden [dhatve = dhdtavya Nil.) Tapas fest stehen, werden die jenseitigen Wei ten zuteil.

Dhritarashtra sprach:

11. (1631.) AVie kommt es, dafs das Tapas, wenn es doch

rein ist, gedeihlich und wiederum nicht gedeihlich werden

kann? 0 Sanatsujata, das erklare, damit auch wir dasselhe

wissen.

Sanatsujata sprach:

12. (1632.) Sundloses Tapas, das ist es, was man reines Tapas nennt, und dieses reine Tapas ist gedeihlich und ge- diehen.

13. (1633.) Alles das, wonach du mich fragst, o Fiirst, hat das Tapas zur Wurzel; durch Tapas haben die Veda- wissenden sogar die hochste Unsterblichkeit erreicht.

DhritarS,shtra sprach:

14. (1634.) Erklare mir, was fiir Siinde dem Tapas an- haften kann, denn es gibt, wie ich hore, ein sundloses [mit-

Adhyaya 42 (B. 43). 13

hin audi ein siindhaftes] Tapas, damit icli, o Sanatsujata, dieses ewige Geheimnis erfahre.

Sanatsuj&,ta sprach :

15. (1635.) Dasjenige [ist das siindhafte], welcliem die zwolf Mangel und ebenso, o Konig, die dreizehn Nieder-

7 trachtigkeiten anhaften. Hingegen jene anderen [siind- losen] Qualitiiten sind die zwolf, Pflicht usw,, welche aus der Lehre der Vater von den Brahmanen erkannt werden.

16. (1636.) Zorn, Liisternheit, Habgier und Verblendung, Unstetheit, Hartlierzigkeit, Mifsgunst, Diinkel, Verdrossen- heit, Begierde, Neid und Heimtiicke, das sind die zwolf menschlichen Fehter, welche von den Mensclien allezeit zu vermeiden sind.

17. (1637.) Jeder einzelne von ihnen umlauert die Men- schen, o Mannerstier, nach einer Blofse spahend, wie der Jager das Wild [beschleicht].

18. (1G38.) Der Prahlerisclie, der Begehrliche, der Hoch- miitige, der Nachtragende, der Wankelmiitige und der Schutzversagende denen liaften die sechs bosen Eigen- schaften an, welche die bosen Menschen betatigen, ohne vor der Gefalir [der sie sich aussetzen] zu zittern.

19. (1639.) Nur an sein Vergniigen zu denken, aus Hoch- mut unwillig zu sein, seine Freigebigkeit zu bereuen, zu geizen, allzu schwachlich zu sein, die Schar [der Sinnen- freuden] zu riihmen, die Gattinnen zu liassen, das sind die sieben schlimmsten Klassen von Menschenfeinden.

20. (1640.) Pflichterfiillung,Wahrhaftigkeit, Bezahmung, Tapas, Selbstlosigkeit , Schamhaftigkeit, Geduld, Neid- losigkeit, Opfern, Almosengeben, Festigkeit und Schrift- studium, das sind die zwolf Geliibde der Brahmanen.

21. (1641.) Wer sich durch diese zwolf hervortut, der wird diese ganze Erde beherrschen ; wer aber mit dreien, zweien oder nur einer von ihnen begabt ist, dem wird Eigentum zuteil, so soil man wissen.

22. (1642.) Bezahmung, Entsagung und Besonnenheit, in diesen liegt Unsterblichkeit beschlossen ; sie werden als Ein-

14 I. Sanatsujata-parvan.

gangspforten zur Wahrheit bezeichnet von Brahmanen, welche weise sind.

23. (1643.) Die Bezahmung nun befafst achtzehn Tugen- den. [Wem nicht anhaften]: Widerspenstigkeit im Tun und Lassen, Unwahrheit, Mifsgunst, Lust und Ausgehen auf Nutzen, Begelirlichkeit,

24. (1644.) Zorn, Verdrossenheit und Durst ftrishndjy Be- gierde, Ohrenblaserei, Selbstsucht, Grausamkeit, Selbstanklage, Verstimmtheit,

25. (1645.) Vergefslichkeit , hochfahrendes Wesen und , -, Selbstvergotterung ; wer von diesen Fehlern befreit ist,

der wird von den Guten ein Bezahmter genannt.

26. (1646.) Unbesonnenheit hat achtzehn Fehler, Entsagung ist von sechsfacher Art. Erstere [achtzehn] werden als Gegen- satze, namhch als Fehler der Unbesonnenheit genannt.

27. (1647.) Hoher aber steht die Entsagung. Sie ist von sechs Arten ; von ihnen ist die dritte schwer zu vollbringen ; mit ihr aber befreit man sich vom Leid; wer sie vollbringt, der gewinnt sich einen Freund [B. gewinnt, was ihm ver- feindet war].

28. (1648.) Hoher aber steht die Entsagung; sie ist von sechs Arten : dafs man iiber erlangtes Gliick sich nicht freut [ist die erste] ; dafs man Opfer und gute Werke vollbringt, ist die zweite, weil diese zu der vollstandigen Begierdelosig- keit gehoren.

29. (1649.) Aber die Entsagung in bezug auf die Lust, o Fiirst der Konige, das ist die dritte Art, so wird gelehrt. Von ihr sagt man auch, dafs sie unaussprechlich sei; das

'O^r ^^^ ^^^ dritte Eigenschaft, so wird gelehrt.

30. (1650.) Dasjenige, was einem zuteil wird durch Ent- sagung in bezug auf Giiter und durch Nicht -Anhanglichkeit an sie aus Lust, [der Nachsatz fehlt in C.] das wird einem nicht auch zuteil durch Giiter und auch nicht durch An- hanglichkeit an sie.

31. Und wenn auch die Werke nicht vollbracht werden, so ist das nicht schlimm, und man betnibe sich nicht dar- iiber. (i65i.) Ubrigens kann auch mit alien Tugenden ver- bunden sein, wer reich an Giitern ist.

Adhyaya 42 (B. 43). 15

32. Wenn aber Unerfreuliches ihn trifft, so wird er nie j^ dadurch erschiittert werden. (1652.) Sohne und Gattinnen, so ^\) erwiinscht sie sind, moge er niemals fordern.

33. Dem Wiirdigen, wenn er etwas fordert, soil er es geben, so ist es recht. (icss.) Zu einem Besonnenen wird er durch das Folgende; und dieser besitzt acht Eigenschaften :

34. Wahrhaftigkeit, Meditation, Versenkung, Betriebsam- keit und Begierdelosigkeit, {iGbQ Ehrlichkeit, Keuschheit und Unbestechlichkeit.

35. Entsprechend sind die Fehler der Unbesonnenheit, und diese Fehler soil man meiden. (i655.) So stelit es mit der Entsagung und der Besonnenheit, und diese [letztere] besitzt die acht Eigenschaften.

36. Acht Fehler sind der Unbesonnenheit und diese Fehler 0 ( soil man meiden. (ig56.) Wer von den fiinf Sinnen und von

dem Manas, o Bharata, vom Vergangenen und vom Zukiinf- tigen Befreiung erlangt hat, dem ist wohl.

37. (1657.) Sei wahrhaften Selbstes, o Fiirst der Konige; in der Wahrheit wurzeln die [Himmels-JWelten; sie haben die Wahrhaftigkeit als Pforte. In der Wahrhaftigkeit ist die Unsterblichkeit beschlossen.

38. (1658.) Man soil die Siinde austilgen und das Geliibde des Tapas befolgen; das ist das vom Schopfer beobachtete Verhalten und das wahrhafte Geliibde der Guten.

39. (1659.) Wenn man von jenen Siinden sich befreit und mit jenen Tugenden angetan ist, das ist das iiberaus gedeih- liche, lautere Tapas.

40. (1660) Und wonach du mich fragst, o Fiirst der Konige, darauf sage ich dir zusammenfassend : dieses ist das gute Werk, welches das Bose vertilgt, und welches Geburt, Tod und Alter abwehrt.

Dhritarashtra sprach:

41. (1661.) Wer die vier Veden mit den [erganzenden] Erzahlungen als fiinftem kennt, der Mensch wird am hochsten gepriesen; ebenso andere, welche die vier Veden kennen, und wieder andere, welche drei Veden studiert haben,

42. (1662.) und wieder andere, welche zwei Veden, welche

16 I. Sanatsujata-parvan.

4. einen Veda und welche gar keine Vedaverse kennen. Wer von diesen alien ist derjenige, den ich als den wahrhaften Zwiegeborenen betrachten soil?

Sanatsuj&.ta sprach;

43. (1663.) Wegen der Unkenntnis des einen Zuwissenden (mit C. : vedyasya) sind jene vielen Veden verfafst worden, jenes einen Wahren, o Fiirst der Konige, in welchem nur wenige wurzeln.

44. (1664.) Dies ist der wahre Veda ; ihn kennt man niclit und lebt in demWahne: „ich bin wissend". Almosengeben, Vedastudium und Opfer, das alles entspringt aus der Be- gierde.

45. (1665.) Und derartiges Verlangen entsteht bei solchen, welche vom Wahren abgefallen sind. Daraus entspringt die Ausbreitung der Opfer, indem man sie fiir das Wahre halt.

46. (1666.) Aus Gedanken entspringt es bei dem einen, aus Worten bei dem andern oder auch aus Werken. Aus Verlangen ist der Mensch gemacht, auf Verlangen griindet er sich.

47. (1667.) Weil er nicht fest an jenem Einen halt, darum : betreibt er das Weihegeliibde ; es ist blofses Wort, aus der

Naturanlage entsprungen. Aber fiir die Guten ist jenes Wahre das Hochste.

48. (1668.) Das Wissen ist etwas Immanentes, als ein Transfcendentes entsteht das Tapas. Aber einen Zwie- geborenen, der viel studiert, wisse als einen, der viele Worte macht.

49. (1669.) Darum, 0 Fiirst, mogest du nicht einen wegen seines vielen Geredes fiir einen Zwiegeborenen ansehen, und nur, wer von dem Wahren nicht abweicht, den sollst du an- €rkennen als einen Brahmanen.

50. (1670.) Die heiligen Lieder namlich, sie hat jener Atharvan umgeben von der Schar der grofsen Weisen vor- l 0 mals gesungen; sie, welche jene heiligen Lieder kennen,

wie auch welche den Veda nicht studiert haben, sie alle wissen nicht die Wesenheit des durch den Veda (hier: die Upanishad's, Nil.) Zuwissenden.

Adhy^ya 42 (B. 43). 17

51. (1671.) Denn die heiligen Lieder, o Trefflichster der Menschen, entstehen hier durch die Anklammerung an die eigenen Wiinsche. Die Kenner der heiligen Hymnen und sie, welche jene [Veden] nicht studiert haben, alle diese Edlen gelangen nicht zu dem, was man aus dem Veda nicht lernen kann.

52. (1672.) Mancher ist nicht ein Kenner der Veden, und mancher wiederum, o Fiirst, kennt sie. Wer die Veden kennt, der kennt darum noch nicht das Zu- wissende, aber wer in der Wahrheit feststeht, der er- kennt das Zuwissende.

53. (1673.) Mancher ist nicht ein Kenner der Veden ; durch das, was durch Wissen zu erreichen ist, wissen

J I [andere] den Veda, aber nicht das Unwifsbare. Wer den

Veda weifs, der weifs nur das Wifsbare; wer das Wifs- bare weifs, der weifs darum noch nicht die Wahrheit.

54. (1674.) Wer die Veden weifs, der weifs zwar das Wifsbare, nicht aber wissen ihn [den Atman] die Veda- kenner, noch audi die Veden. Immerhin wissen durch den Veda das Wissen solche Brahmanen, welche veda- kundig sind.

55. (1675.) Denn was die Zweige eines Baumes [fiir das Aufsuchen am Himmel] eines kleinen Teiles der Mond- sichel sind, das sind, wie man uns lehrt, die Veden fiir die Erkenntnis des hochsten Atman als das wahre Ziel.

56. (1676.) Ich erkenne an als Brahmanen einen kundigen Erklarer; er, der die Bedenken abgestreift hat, er hellt alle Zweifel auf.

57. (1677.) Nicht moge das Suchen nach ihm nach Osten und nicht nach Siiden gehen, nicht herwarts zu, noch weniger in die Quere; nicht soil man versuchen ihn irgendwie [auf dem Wege der Erkenntnis] aufzuzeigen,

58. (1678.) oder irgendwie Nachforschungen iiber ihn an- zustellen bei den ihm entgegengesetzten [vielheitlichenDingen], indem man somit darauf verzichtet, ihn im Veda zu suchen, das Tapas schaut ihn als den Herrn.

59. (1679.) Schweigend soil man in Verehrung sitzen, ohne sich auch nur im Geiste zu bewegen; so wende dich hin

Deussen, Mahftbharatam. 9

18 I. Sanatsujata-parvan.

zu jenem Brahman, welches im innern Selbste vernehm- bar ist.

60. (1680.) Nicht durch Schweigen wird man zum Muni, nicht zum Muni durch Wohnen im Walde, sondern wer die Wesenheit des Selbstes kennt, der wird der beste Muni genannt.

61. (1G81.) Durch Analysis aller Dinge wird man ein Analytiker genannt; well er diese Analysis von Grund aus analysierend iibt, darum heifst er so.

62. (1682.) Ein Mann, der das Wahrnehmbare sieht in diesen Welten, ist ein Allsehender, aber der Brahmane, der in der "Wahrheit fest steht und sie erkennt, ist ein Allwissender.

63. (1683.) Und audi wer in der Pflicht usw. beharrt, kann auf diese Weise das Brahman schauen, wie auch der, der die Veden der Reihe nach treibt. Dieses sage ich dir mit tjber- zeugung.

So lautet im Sanatsujilta-parvan die Rede des Sanatsujata (Sanatsujdta-vdkyam).

Adhy^ya 43 (B. 44).

Vers 1684-1714 (B. 1-31).

Dhritarashtra spracli:

1. (1084.) 0 Sanatsujata, jene hochste Lehre vom Brahman, die allumfassende, von der du sprichst, jene hochste, freihch schwer zu fassende Mitteilung, jene Rede verkiinde mir, o Fiirstensohn.

Sanatsujata sprach:

2. (1685.) Nicht von einem Eiligen ist jenes Brahman zu erfassen, nach welchem mich fragend du dich so iiber- aus aufgeregt zeigst. Nur dann, wenn das Manas in der Buddhi absorbiert ist, lafst sich diese im Denken zu erfassende Wissenschaft durch Brahmanwandel er-

langen.

Dhritar&shtra sprach :

3. (1686.) Jene unendliche, ewige Wissenschaft, von der du sagst, dafs sie nur durch Brahmanwandel zu ver-

11^

Adhyaya 43 (B. 44). 19

wirklichen sei, und welche unergreifbar ist, solange hienieden die Zeit des Wirkens andauert, wie lafst sie sich, wie lafst sich Brahmanheiligkeit , Unsterblichkeit erlangen ?

Sanatsujata sprach: 4. (1687.) Ich will dir die geheime Wissenschaft der Altvordern verkiinden, welche durch Einsicht und Brah- manwandel von ihnen verwirklicht wurde, welche erlangt habend man diese sterbliche Welt aufgibt, und welche fiirwahr nur solchen eigen ist, die bei einem Lehrer er- zogen wurden.

Dhritarashtra spracli : 5. (1688.) Wenn diese Wissenschaft durch Brahman- wandel ohne Schwierigkeit erlangt werden kann, von wel- cher Art ist dieser Brahmanwandel ? Das, o Brahmane, sage mir.

Sanatsujata sprach :

6. (1689.) Die, welche hienieden in den Mutterleib eines Lehrers eingehend und zu seiner Leibesfrucht wer- dend den Brahmanwandel wandeln, die werden hier auf Erden Urheber der Lehrbiicher, und nachdem sie den Leib verlassen haben, gehen sie in die hochste Gemein- schaft ein.

7. (1690.) In dieser Welt fiirwahr iiberwinden sie die Liiste, indem sie dem Feststehen in Brahman mit Aus- dauer nachstreben; diese reifsen schon hienieden den Atman aus dem Leibe heraus, wie den Halm aus dem Schilfe (Kath. Up. 6,17), und stehen fest in der Wahrheit.

8. (1691.) Den Leib erzeugen diese zwei, der Vater und die Mutter, o Bharata, aber die Geburt, welche sie erklaren als aus dem Lehrer geschehend, die ist heilig, die ist nicht alternd und unsterblich.

9. (1692.) Ihn, der die Ohren (lies: harnan) anfiillt mit Wahrheit, das Rechte vollbringt, Unsterblichkeit gewahrt, den soil man fiir seinen Vater und seine Mutter halten, den soil man nicht kranken, indem man bedenkt, was er an einem getan hat.

2*

20 I- Sanatsujata-parvan.

10. (1693.) Dem Lehrer soil der Schiiler allezeit griifsend nahen und um Vedalehre bitten, rein und wohlbedaclitig ; er soil keinen Hochmut zeigen, nicht in Zorn geraten; das ist das erste Viertel des Brahmanwandels.

11. (1694.) Wer in Lauterkeit durch die stufenweise Er- fuUung der Schiilerpflichten die Wissenschaft erlangt, fiir den ist dieses das erste Viertel seines Brahmanwandelgeliibdes.

12. (1695.) Dem Lehrer soil er Freude machen mit seinem Gut und Blut, in Werken, Gedanken und Worten, dies wird das zweite Viertel genannt.

13. (1696.) "Wie sein Wandel gegeniiber dem Lehrer ist, so soil er sich auch gegen die Gattin des Lehrers benehmen, und wenn er dasselbe Verhalten auch bei dem Sohne des Lehrers beobachtet, dann ist das das zweite Viertel.

14. (1697.) Wenn er begreift, dafs sein Selbst durch den Lehrer geschaffen wurde, und wenn er die Bedeutung der Worte verstehend : „Von ihm bin ich geschaffen worden", von dankbarer Gesinnung gegen ihn erfullt ist, das furwahr ist das dritte Viertel des Brahmanwandels.

15. (1698.) Hat er die Erkenntnis erlangt, so soil er seine Abreise nicht vornehmen, ohne es dem Lehrer ver- golten zu haben; und nicht soil er etwa denken: „Ich tue so vieles an ihm", noch auch sich dessen riihmen, das furwahr ist das vierte Viertel des Brahmanwandels.

16. (1699.) Durch die Zeit erlangt er jenes erste Viertel und zugleich den [Veda-]Inhalt; das zweite Viertel so- dann durch Anhanglichkeit an den Lehrer; wenn er in der Anstrengung bestandig ist, fallt ihm ein weiteres Viertel zu; und ein letztes Viertel erreicht er aus der Kenntnis des Schriftkanons.

17. (1700.) Wenn einer die zwolf [Gebote], Pflicht- erfiillung usw. zu seinem Wesen gemacht hat, wenn er auch die iibrigen Telle der Lehre und [durch sie] Kraft gewonnen hat, dann sagt man von ihm, sein Brahman- wandel ist durch Verbindung mit dem Lehrer und durch Verbindung mit dem Inhalte des Brahman (des Veda) ein erfolgreicher.

Adhy^ya 43 (B. 44). 21

18. (1701.) Was er, indieserWeisegefordert, empfangen hat, dafiir soil er dem Lehrer einen Entgelt bieten; auf

I- diese Weise schlagt er den tugendreichen Wandel der Guten ein, und dasselbe Verhalten erstreckt sich audi auf den Sohn des Lehrers.

19. (1702.) Wenn er hierin beharrt, so gedeiht er nacli alien Seiten hin, er erlangt viele Sohne und eine [ange-

'-^ sehene] Stellung; die Himmelsgegenden und Zwischen- himmelsgegenden spenden ihm Regen, und die Leute nehmen als Brahmanschiiler bei ihm Wohnung.

20. (1703.) Durch einen solchen Brahmanwandel haben die Gotter ihr Gottsein, haben die weisen Rishi's, die gliick- lichen, die Brahmanwelt erlangt.

21. (1704.) Durch ihn wurde den Gandharven und Apsarasen '^ihre Schonheit zuteil, durch diesen Brahmanwandel wird auch

dem Tage die Sonne geboren.

22. (1705.) Gleichwie diejenigen, welche, nach einem be- stimmten Elixier trachtend, durch Erlangen des ersehnten Gegenstandes [befriedigt werden], so sind jene durch die Er- kenntnis zu einer so hohen Stellung als solche [die sie sind] gelangt.

23. (1706.) Wer dazu seine Zuflucht nimmt und sich lautert, o Fiirst, wer seinen ganzen Leib mit Tapas durch-

' ^ gluht, der gelangt dadurch als Wissender zur Kindlich- keit (Brih. Up. 3,5), und er iiberwindet den Tod, wenn das Ende kommt.

24. (1707.) Ein Ende habend sind die Welten, o Fiirst, welche jene anderen Menschen durch reine Werke ge- winnen ; aber wer das Brahman weifs, der erlangt durch dasselbe das All, nicht gibt es einen andern Weg zum Gehen. (Vaj. Samh. 31,18.)

Dhritarashtra sprach :

25. (1708.) Erscheint es als weifs oder rot oder als schwarz oder dunkelfarbig oder braun ? Der rechte Brah- mane, der hier als ein Wissender es schaut, in welcher Gestalt schaut er jenes Unsterbliche, jene unvergangliche Statte?

22 I- Sanatsujata-parvan.

Sanatsujata sprach :

26. (1709.) Es erscheint als weifs oder rot oder als schwarz oder eisenfarbig oder sonnenfarbig ; es weilt nicht in der Erde, nicht im Luftraum, nicht tragi es im Ozean [als Gewand] das Wasser.

27. (1710.) Es erscheint nicht in den Sternen, hat seinen Sitz nicht in dem Bhtze, nicht in den Wolken ist seine Gestalt zu sehen, nicht in dem Winde, nicht in den Gott- heiten, nicht in dem Monde ist es zu sehen, noch auch in der Sonne,

28. (1711.) nicht in den Versen ist es, nicht in den Opferspriichen, nicht in den Atharvan-Liedern ; nicht ist es zu sehen in den lauteren Saman-Liedern, im Rathan- taram oder im Barhadratham [wohl gleichBrihad], oKonig; auch nicht einmal im Mahavratam [doppelsinnig , auch: grofses Geliibde] schaut man jenes Unwandelbare.

29. (1712.) UniiberwindHch ist es, hinausgelangt iiber die Finsternis (VaJ. Samh. 31,18), und auch der Tod zer- geht in ihm, wenn das Ende kommt. Es ist kleiner an Gestalt [als das Kleinste], ist vergleichbar der Schneide eines Schermessers ; und doch grofs an Gestalt, [noch grolser] als die Berge.

30. (1713.) Das ist die Grundlage, dies das Unsterbliche, die Welten, dies ist das Brahman, dies die Herrlichkeit, denn aus ihm sind die Wesen entstanden und gehen wieder unter in dasselbe.

31. (1714.) Das ist das Krankheitlose , Grofse, Aus-

gespannte, Herrliche; nur auf Worten [beruhe] seine Um-

wandlung, so erklaren die Weisen (Chand. Up. 6,1,3).

Dieses, worin diese ganze Welt gegriindet ist, die

das erkennen, werden unsterblich.

So lautet im Sanatsujata-parvan die Bede des Sanatsuj&ta

(Sanatsiijdta-vdk-j/am).

Adby^ya 44 (B. 45). 23

£7ri^ C/i: Aclhyaya 44 (B. 45).

Vers 1715-1736 (B. 1-21).

Sanatsuj&,ta sprach:

1. (1715.) Kummer und Zorn, Begierde und Lust, Hoch- mut und Schlaffheit, Neid, Verblendung, Unbestandigkeit, Weichmiitigkeit , Verdrossenheit, Feiglieit,

2. (171G.) das sind die zwolf grofsen Siinden, welche das Leben der Menschen verderben; (I7i7.) sie sind es, o Fiirst der Konige, welche die Menschen, den einen wie den andern, umlauern, und von welchen besessen der Mensch mit be- tortem Bewufstsein sich fiir das Bose entscheidet.

3. (1718.) DerBegehrHche, der Gewalttatige, der Rauhe, der Geschwatzige, der Zornmiitige und der Prahlerische, das sind die sechs Menschen, welche von menschenfeind- licher Gesinnung sind; audi wo sie eine Veranlassung hatten, erweisen sie doch nicht die gebiihrende Ehre.

4. (1719). Der Genufssiichtige, der Unbillige, der Hoch- miitige, der mit seiner Freigebigkeit Prahlende, der Gei- zige und Schwache, der viel sich Riihmende, der sein Weib Hassende, diese sieben [acht?] heifsen die iibel- gesinnten Menschenfeinde.

5. (1720.) Pflichterfullung, Wahrhaftigkeit, Tapas, Be- zahmung, Selbstlosigkeit, Schamhaftigkeit, Geduld und Neidlosigkeit, Almosengeben , Schriftstudium, Festigkeit und Geduld, das sind die zwolf grofsen Geliibde des Brah- manen.

6. (1721.) Wer von diesen zwolfen nicht abfallt, der wird diese ganze Erde beherrschen ; wer aber mit dreien, zweien oder nur einem von ihnen begabt ist, dem wird kein Eigentum zuteil , so soli man wissen [oben, Vers 1641, das gerade Gegenteil].

7. (1722.) Bezahmung, Entsagung, Besonnenheit, in diesen besteht Unsterblichkeit ; sie sind eigen denen, welche Brah- man als Hochstes schatzen, den Brahmanen, welche weise sind (vgl. Vers 1642).

24 I- Sanatsujata-parvan.

8. (1723.) Die Beleidigung , wahr oder nicht wahr, eines Brahmanen ist nicht zu billigen; in die Holle gehoren sie, die Menschen, die so etwas tun.

9. (1724.) Unbesonnenheit hat achtzehn Fehler, wie schon vorher erwahnt wurde (Vers 1646), namheh: Menschenhafs, Widerspenstigkeit, Verdrossenheit, unwahre Rede,

10. (1725.) Lust und Zorn, Unselbstandigkeit, Verleumdung, Angeberei, Vernachlassigung des Besitzes, Streitsucht, Selbst- sucht, Tierqualerei,

11. (1726.) Neid, Ausgelassenheit, hochfahrendes Wesen, Verlust der Besonnenheit und Verdriefslichkeit, darum soil der Weise Unbesonnenheit meiden, denn sie ist immer tadelnswert.

12. (1727.) Was aber die Freundschaft betrifft, so soil man wissen, dafs sie aus sechs Tugenden besteht: dafs man am Wohlsein des Freundes sich freut, dafs man sich bekiimmert, wenn es ihm iibel geht, dafs man dem Bittenden auch das gibt, was einem selbst sehr wert [B. : schon lange eigenj ist, dafs man sogar wohl auch das nicht zu Fordernde gibt, (1728.) denn auch geliebte Sohne, Schatze, ja sogar die eigene Gattin soil man, darum ge- beten, hingeben, wenn man reinen Sinnes ist,

13. dafs man nach Hingabe seines Besitzes nicht etwa aus Verlangen danach [beim Freunde] wohnen bleibt, und dafs man an der Tat selbst seine Freude hat und Dankes- wiinsche ablehnt.

14.. (1729.) Reich an Gut und reich an Tugenden ist der, welcher in dieser Weise das Seinige hingibt als ein von Giite (sattvamj Erfiillter; ein solcher halt die fiinf Elemente von seinen fiinf [entsprechenden Sinnesorganen] fern.

15. (1730.) Dieses vollbrachte lautere Tapas ist auch dann aufwartsfiihrend , wenn es von solchen, die des Sattvam er- mangeln, aus Wunsch [nach Lohn] geiibt wird.

16. (1731.) Denn die Opfer gedeihen dadurch, dafs man die Wahrheit unterdriickt , mag dies von dem einen in Ge- danken, von einem andern in Worten oder auch in Werken geschehen.

Adhy&ya 44 (B. 45). 25

17. (1732.) Aber hoher als der in Wiinschen sein Endziel findende Mensch steht der Wunschlose, besonders wenn es sich um einen Brahmanen handelt. Was sonst noch zu sagen ist, hore weiter von mir.

18. (1733.) Man studiere dieses Grofse, Riihmliche, dafs alle Umwandlungen nur Worte sind (Chand. Up. 6,1,3), wie die Weisen sagen. In [dem Objekte] dieser Hin- gebung ist die ganze Welt begriindet. Wer solches weifs, der wird unsterblich.

19. (1734.) Nicht durch das Werk, auch nicht durch das Wohlgetane, o Fiirst, kann man die Wahrheit er- werben, erspenden oder eropfern. Darum geschieht es, dafs der Tor nicht den Nicht-Tod erlangt und nicht den Frieden, wenn es zu Ende geht.

20. (1735.) Schweigend und einsam soil man verehren, ohne sich auch nur in Gedanken zu bewegen; man soil bei Lob und Tadel Freude und Zorn von sich fernhalten.

21. (1736.) Dann geht man, noch hienieden weilend, o Fiirst, schon in das Brahman ein und bekommt es nach und nach auch in den Veden zu schauen. Dieses sage ich dir als einer, der es weifs.

So lautet im SanatsujAta-parvan die Kede des Sanatsujata

(Sanatsujata-odkyarn).

Adhyaya 45 (B. 46).

Vers 1737-1790 (B. 1-31).

Sanatsujata sprach:

1. (1737.) Was jenes Reine ist, das grofse glanzende Licht, die grofse Herrlichkeit , das fiirwahr verehren die Gotter, aus dem erstrahlt die Sonne. (1738.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.

2. (1739.) Aus jenem Reinen entsteht das Brahman (der Veda), durch jenes Reine wachst es empor, jenes Reine in- mitten der Lichter, nicht gliihend, macht die Sonne ergliihen. (1740.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.

26 !• Sanatsujata-parvan.

3. (1741.) Die Wasser [schuf er], und aus den Wassern empor inmitten des Gewoges lehnen sicli an den Luftraum die beiden Goiter, und unermiidlich als der Erleuohter des Savitar tragi er sie beide, die Erde und den Himrael. (1742.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.

4. (1743.) Und diese beiden Goiiheiten, die Erde und den Himmel, tragi der Eeine, er tragi die Himmels- gegenden, tragi die Welt; aus ihm sind die Himmels- gegenden und aus ihm rinnen die Strome, aus ihm sind die grofsen Ozeane geschaffen worden. (1744.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.

5. (1745.) Er isi es, den die am Rade des rollenden, ewig

wirkenden Wagens befindlichen Rosse als den Glanzbringenden

dahinfiihren, ihn den Ilimmlischen , Alterlosen, droben am

Himmel. (i746.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.

6. (1747.) Nichi isi zu schauen die Gestali desselben,

nicht sieht ihn irgendwer mit seinem Auge ; nur wer ihn

durcli Herz und Sinn und Geisi erkennt, unsierblich

werden, die ihn also kennen (Kath. Up. 6,9, frei). (1748.) Ihn

schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.

7. (1749.) Indem sie [die Wesen] den von Goitern gehiiieien zwolfarmigen Strom [das Naturleben im Laufe des Jahres] irinken und den in ihm befindlichen Honig erblicken, scharen sie sich hier um den ungeheuren [Strom]. (1750.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.

8. (1751.) Jenen Honig, nachdem sie ihn wahrgenommen, trinki die Biene [die Seele] einen halben Monai lang [wahrend des diesseitigen Lebens im Gegensatz zum jenseitigen], denn der Herr hat ihn unter alien Wesen als ein Opfermahl fiir sie bereiigestellt. (1752.) Ihn schauen die Yogin's, den Hei- ligen, Ewigen.

9. (1753.) Zu dem Feigenbaume mit goldenen Blaiiern (vgl. Kath. Up. 6,1) treien sie heran ohne Fliigel; und nach- dem sie bei ihm gefliigelt geworden [nachdem sie im Ge- niefsen der Lebenserfahrung die erlosende Erkenninis gewonnen haben], fliegen sie nach alien Richtungen davon. (1754.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.

. Adhyaya 45 (B. 46). 27

10. (1755.) Aus Vollem schopfen sie Voiles, aus Vollem bereiten sie sich Voiles; sie entnehmen dem Vollen Voiles, und doch bleibt das Voile iibrig. (Brih. Up. 5,1 ; Sechzig Upa- nishad's S. 488.) (1756.) Ihn schauen die Yogin's, den Hei- ligen, Ewigen.

11. (1757.) Aus ihm ist fiirwahr der Wind entsprungen, und in ihm verbreitet er sich immerfort, aus ihm stammt Agni und Soma, in ihm ist ausgespannt der Lebensodem (vgl. Taitt. Up. 2,8).

12. (1758.) Alles soil man wissen als aus ihm entsprungen, aber es selbst, jenes Wesen, konnen wir nicht in Worten fassen. (1759.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.

13. (1760.) Den Einhauch verschlingt der Aushauch, den Aushauch verschlingt der Mond, den Mond verschlingt die Sonne, die Sonne verschlingt der Hochste. (i76i,) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.

14. (1762.) Nicht einenFufs darfherausziehen der Wander- vogel, indem er aus der Flat herausgeht [die Fiifse sind prdna und ajidna, durch welche Jiansa, hier die hochste Seele, das Leben des Universums, salilam, unterhalt ; vgl. Atharvav. 11,4,21 und Gesch. d. Ph. I, 1, S. 304] ; wenn er diesen allverbreiteten [Fufs] nach oben [herauszoge] , dann wiirde nicht Tod sein und nicht Unsterblichkeit [nicht Menschen und nicht Gotter]. (1763.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.

15. (1764.) Der Purusha, zollhoch, als innere Seele (Kath. Up. 6,17), durch die Verbindung mit dem Liiigam wan- dert er immerfort; ihn sehen die Toren nicht, wie es sich gehort, den Herrn, den Preiswerten, Uranfanglichen, Glanzvollen. (i765.) Ihn schauen die Yogin's, den Hei- ligen, Ewigen.

16. (1766.) Mogen sie nun ohne die Heilsmittel oder mit Heilsmitteln ausgeriistet sein, jenes [Lebensprinzip] ist alien Menschen gemeinsam; gemeinsam ist es der unsterblichen [Himmelswelt] und der andern [der Welt der Sterblichen] ; in ihm erlangen die Erlosten den Brun- nen des Honigs (vgl. Rigv. 1,154,5). (i767.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen. ,

28 I. Sanatsujata-parvan.

17. (1768.) Beide Welten mit seiner Wissenschaft durch- dringend geht er [der Wissende] dahin : dann ist [so gut wie] dargebracht auch das nicht dargebrachte Agniho- tram. Moge dir deine Brahmanschaft nicht mit klein- lichem Sinn sich umkleiden. Erkenntnis sei sein Name, welchen die Weisen erlangen. (i769.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.

18. (1770.) So beschaffen ist jener hochherzige Mensch fpurushaj, weicher das [Opfer-]Feuer verschlingt (vgl. Gesch. d. Ph. 1,2, S. 338); fiirwahr wer diesen Menschen begreift [sein Tun wiirdigt] , dessen Sache leidet hienieden keinen Schaden. (i77i.) Ihn schauen die Yogin's, den Heihgen, Ewigen.

19. (1772.) Wenn einer tausendmal tausend Fliigel aus- breitete und vorwartsfloge , der wiirde nur zu der mittelsten

' ^ Mitte [und niemals an sein Ende] gelangen, selbst wenn er schnell ware wie ein Gedanke. (1773.) Ihn schauen die Yogin's, den Heihgen, Ewigen.

20. (1774.) Nicht ist zu schauen die Gestalt desselben (Kath. Up. 6,9) , aber es sehen ihn solche, welche ganz gereinigten Wesens sind ; der Gesetzte, Verstandige wird in seinem Geiste nicht gequalt; sie, welche hinausziehen [in den Wald], die werden unsterbHch. (1775.) Ihn schauen die Yogin's, 'den Heihgen, Ewigen.

21. (1776.) Die Menschen durch ihre Schulweisheit, durch ihr Treiben verkriechen sich wie Schlangen in ihren Kliiften; in ihnen verirren sich, wie auf einem Wege, die verwirrten Menschen, und geraten in Wirr- sal zu ihrem Schrecken. (1777.) Ihn schauen die Yogins, den Heihgen, Ewigen.

22. (1778.) Ich werde nicht fiir immer in Unehre bleiben ; ^Af\ i>tr weder Tod noch Nicht -Tod wird mir werden , noch

auch Unsterbhchkeit ; Reales und Unreales werden gleich- mafsig niedergehaUen in der [ewigen] ReaUtat; die - 'J Quelle des Seienden und des Nicht- Seienden ist ein

und dieselbe. (1779.) Ihn schauen die Yogin's, den Hei- ligen, Ewigen.

Adhyaya 45 (B. 46). 29

23. (1780.) Nicht durch gutes noch audi durch nicht- gutes Werk [ist das Heil zu erlangen]; beides, wie es unter den Menschen herrscht, wird fiir gleich angesehen, und das gleiche wisse er von der Unsterblichkeit; wer so bereitet ist, der mag nach jenem Honig trachten. (1781.) Ihn schauen die Yogin's, den Heiligen, Ewigen.

24. (1782.) Nicht qualen hochmiitige Reden sein Herz, nicht qualt es seinen Geist, dafs er nicht studiert, nicht das Agnihotram dargebracht hat; die Brahmanschaft wappne ihn mit leichtem Sinn [anders oben, Vers 1768], Erkenntnis [gebe er] ihm als Name, welchen die Weisen erlangen. (1783.) Ihn schauen die Yogin's, den Heihgen, Ewigen.

25. (1784.) Wer in solcher Weise in alien Wesen, wie sie an diesen oder jenen Ort gebunden sind, den Atman schaut, woriiber sollte der sich weiterhin Kummer machen?

26. (1785.) Wie mit einem grofsen Wasserbehalter , in welchem von alien Seiten das Wasser zusammengeflossen ist, so steht es mit alien Veden fiir den, welcher den Atman kennt (vgl. Kath. Up. 4,14-15).

27. (178G.) Der Purusha, zollhoch an Lange, der grofse Atman, dieser ist nicht sichtbar, da er in das Herz ein- gegangen ist; der Ungeborene, Tag und Nacht Wan- dernde, der Unermiidliche, diesen iiberdenkt der Weise und sitzt da in Frieden.

28. (1787.) Ich bin, wie man lehrt. Mutter und Vater und bin audi wiederum der Sohn; und ich bin auch der Atman (die Seele) in allem, was nicht ist und was ist.

29. (1788.) Ich bin der Grofsvater, der ehrwvirdige, bin der Vater und der Sohn, o Bharata ; ihr lebt in meinem Atman, und doch seid ihr nicht mein und ich nicht eiier.

30. (1789.) Der Atman ist meine Statte, der Atman ist meine Wiege, ihm bin ich eingewoben und verwoben (Brih. Up. 3,7) , mein Standort ist das Alterlose; ich bin ungeboren, bin unermiidlich bei Tag und bei Nacht, mich iiberdenkt der Weise und sitzt da in Frieden.

30 I- Sanatsujata-parvan.

31. (1790.) Kleiner als das Kleinste weilt er wohlgemut in alien Wesen, in dem Wachenden [und Schlafenden] ; ihn, den Vater wissen sie in alien Wesen verborgen in der Lotos- blume (Chand. Up. 8,1,1).

»

So lautet im Sauatsujata-parvan die Kede des Sanatsujata

(Sanatsiijata-v&kyam).

Vollendet ist dieser Sanatsuj^ta-Abschnitt.

II. BHAGAVADGlTA.

Mahabh^ratam Bucli VI, Adhyaya 25-42, Vers 830-1532, C. (= Buch VI, Adhyaya 25-42, B.).

I (Adhyaya 25). Vers 830-878 (B. 1-47).

Dhritarashtra sprach:

1. (830.) Als im heiligen Lande, im Kurulande, zusammen- trafen, um zu kampfen die Meinigen und die Pandava's, was taten sie da, o Sanjaya?

Sanjaya sprach:

2. (831.) Als damals Duryodhana das Heer der Pandava's in Schlachtordnung aufgestellt sah, da trat er, der Konig, zu seinem Lehrer und sprach das Wort:

3. (832.) Sieh dort, o Meister, die grofse Schlachtreihe der Pandusohne, wie sie von dem Drupudasohne , deinem weisen Schiiler, aufgestellt worden ist.

4. (833.) Da sind Helden zu sehen, grofse PfeilscMtzen, die es dem Bhima und Arjuna im Kampfe gleichtun, da sind Yuyudhana und Virata und Drupada auf grofsem Streit- wagen,

5. (834.) Dhrishtaketu, Cekitana und der heldenmiitige Konig von Kagi, Purujit, Kuntibhoja und Qaivya, der Mannerstier,

6. (835.) Yudhamanyu, der tapfere, und Uttamaujas, der heldenmiitige, der Subhadrasohn und die Draupadisohne, alle auf grofsen Streitwagen.

7. (836.) Welche aber von den Unsrigen hervorragen, als Anfiihrer meines Heeres, diese vernimm, o Bester der Zwie- geborenen, ich nenne sie dir, damit du sie kennst:

8. (837.) Da hist du selbst, da ist Bhishma und Karna und Kripa, der Sieger im Kampf, da sind AQvatthaman

Sexjssek, Mah^bb&ratam. 3

34 n. Bhagavadgita.

und Vikarna und der Sohn des Somadatta mit siegreichem Wagen ,

9. (838.) und viele andere Helden, die mir zuliebe ihr Leben wagen, indem sie mit mancherlei Waffen zum Angriff schreiten, des Kampfes alle kundig.

10. (839.) Unzulanglich aber ist diese unsere Streitkraft, welche von Bhishma gefiihrt wird, und zulanglich ist die Streitmacht jener andern, welche von Bhima gefiihrt wird.

11. (840.) Darum sollt ihr alle, je nach eurer Ordnung aufgestellt, bei alien Waffengangen euch um Bhishma ge- schart halten.

12. (841.) Ihm [dem Duryodhana, der so gesprochen] er- fullte der Kuru-Alte, der Grofsvater [Bhishma], das Herz mit Freude, indem er, der Bufsereiche, laut wie Lowengebriill, die Muschel blies.

13. (842.) Nun erdrohnten machtig die Muscheln, die Pauken und die Trommeln, die Tamburins und Trompeten und ein gewaltiger Larm erhob sich.

14. (843.) Da geschah es, dafs [auch auf seiten der Gegner] Madhava (Krishna) und der Pandava (Arjuna), auf einem grofsen, von weifsen Kossen gezogenen Streitwagen stehend, ihre himmlischen Muscheln bliesen.

15. (844.) Da bli€s der Struppige (Krishna) die Volker- versammelnde [Muschel], der Beutemacher (Arjuna) die Gott- gegebene und der fiirchterliche Wolfsbauch (Bhima) die wie Kohrpfeifen ertonende grofse Muschel;

16. (845.) der Konig Yudhishthira , der Sohn der Kunti, blies die Allsiegerin, Nakula und Sahadeva bliesen die Laut- schallende und die Edelsteinblumige.

17. (846.) Der Konig von KaQi, der gewaltige Bogen- schiitze, und Qikhandin auf grofsem Streitwagen, Dhrishta- dyumna und Virata und der uniiberwindliche Satyakasprofs (Yuyudhana),

18. (847.) Drupada und die Sohne der Draupadi, o Erde- herr, und der Sohn der Subhadra (Abhimanyu) mit grofsen Armen, diese bliesen von alien Seiten her, jeder einzelne, ihre Muscheln.

19. (848.) Dieser Larm zerrifs die Herzen der Anhanger

I (Adhy&ya 25). 35

des Dhritarashtra, als er erdrohnend Himmel und Erde wider- hallen machte.

20. (849.) Als darauf der mit dem Affen in der Fahne (Arjuna) die Anhanger des Dhritarashtra in Schlachtordnung aufgestellt sah, und als schon die Geschosse heriiber und hiniiber flogen, da machte auch er, der Sohn des Pandu (Arjuna), seinen Bogen bereit,

21. (850.) und zu dem Struppigen sprach er, o Erdenherr, damals dieses Wort.

Arjuna sprach: (851.) Halte an, o Unerschiitterlicher, meinen Streitwagen in der Mitte der beiden Heere,

22. damit ich jene mustere, welche kampfbegierig sich aufgestellt haben, (852.) [und sehe] mit wem ich in dieser ent- brannten Schlacht zu kampfen haben werde.

23. Da sehe ich sie, welche sich dort kampf bereit ver- sammelt haben (853.) und dem iibel beratenen Dhritarashtra- sohne (Duryodhana) zuliebe mit uns kampfen woUen.

Sanjaya sprach :

24. (854.) Als der Struppige (Krishna) von dem Lockigen (Arjuna) in dieser Weise angeredet worden war, o Bharata, da hielt er in der Mitte der beiden Heere den trefflichsten Wagen an,

25. 855.) und angesichts des Bhishma, des Drona und aller Fiirsten sprach er: „0 Sohn der Pritha, siehe da driiben die zusammengescharten Kuru's".

26. (856.) Da sah der Prithasohn sich gegeniiberstehend Vater und Grofsvater, Lehrer, Oheime, Briider, Sohne, Enkel und Genossen,

27. (857.) Schwiegervater und Freunde in den beider- seitigen Heeren. Als der Sohn der Kunti diese sah, wie sie alle als Verwandte sich feindlich gegeniiberstanden ,

28. (858.) da wurde er von tiefem Mitleid ergriifen und verzagend sprach er dieses Wort.

Arjuna sprach: (859.) Wenn ich, o Krishna, dort meine eigene Verwandt- schaft zum Kampfe bereit aufgestellt sehe,

36 II- Bhagavadgita.

29. dann versagen meine Glieder, mein Mund wird trocken, (860.) mein ganzer Leib zittert und meine Haare strauben sich.

30. Mein Bogen Gandiva gleitet aus meiner Hand, und meine Haut brennt, (86i.) nicht kann ich mich aufrecht halten und mein Sinn verwirrt sich.

31. Ich sehe widrige Vorzeichen, o Vollhaariger, (862.) und ich sehe kein Heil darin, meine eigenen Verwandten im Kampfe zu tbten.

32. Ich verlange nicht nach Sieg, o Krishna, nicht nach Herrschaft und Freuden ; (863.) was soil uns das Keich, o Kuh- gewinner, was sollen uns Geniisse oder auch das Leben!

33. Diejenigen, um derentwillen Herrschaft, Geniisse und Freuden von mir gewiinscht werden, (864.) die stehen mir dort im Kampfe gegeniiber, um ihr Leben und ihr Vermbgen zu verlieren,

34. sie, welche uns Lehrer, Vater, Sohne, und Grofs- vater, (865.) Oheime, Schwiegervater, Enkel, Schwager und Verwandte sind.

35. Diese mag ich nicht toten, sollte ich auch selbst getotet werden, o Madhusudana, (see.) auch nicht um der Herr- schaft iiber die Dreiwelt willen, viel weniger wegen der iiber die Erde.

36. Wenn wir die Leute des Dhritarashtra toten, welche Befriedigung kann uns das gewahren, o Janardana! (867.) Die Siinde wiirde auf uns fallen, wenn wir diese bewaffnet uns Entgegenkommenden toteten.

37. Darum diirfen wir die Leute des Dhritarashtra, die unsere eigenen Verwandten sind [mit C], nicht tbten; (8G8.) denn wie kbnnten wir wohlgemut sein, o Madhava, wenn wir unsere eigene Verwandtschaft getotet haben.

38. Und wenn auch jene, deren Geist von Begierde ge- blendet ist, nicht einsehen, (869.) welche Schuld wir durch Vernichtung unserer FamiHe, welche Siinde wir durch Verrat an unsern Freunden auf uns laden,

39. wie sollten nicht wir erkennen, dafs wir uns dieser Siinde enthalten miissen, (870.) wir, die wir die Schuld voraus- sehen, o Janardana, welche aus der Vernichtung unsere Familie hervorgeht!

I (Adhy^ya 25). 37

40. Werden die Familien vernichtet, so gehen die ewigen [Opfer-] Pflichten der Familien zugrunde; (87i.) geht die Pflicht zugrunde, so iiberwaltigt Pflichtlosigkeit die ganze Familie.

41. Wenn Pflichtlosigkeit sie iiberwaltigt, so werden die Weiber der Familie verderbt, o Krishna. (872.) Sind erst die Weiber verderbt, o Abkommliug des Vrishni, so entsteht Vermengung der Kasten.

42. Vermengung aber fiihrt zur Holle die Familienver- derber und die Familien selbst. (873.) Dann stiirzen ihre Vor- fahren, wenn die Darbringungen an sie von Klofsen und Wasser unterbrochen werden.

43. Durch diese Siinden der Familienverderber und durch die Vermengung der Kaste als Folge davon (874.) werden die ewigen Pflichten der Geschlechter und der Familien ent- wurzelt.

44. Werden aber die Pflichten der Familien unter den Menschen entwurzelt sein, o Janardana, (875.) dann fahren diese sicherlich zur Holle, so ist es uns iiberliefert worden.

45. 0 wehe ! Wir sind im Begriffe eine grofse Siinde zu begehen, (876.) die wir aus Begierde nach den Freuden der Herrschaft unsere eigenen Verwandten toten wollen.

46. Fiirwahr! Wenn mich, den Waffenlosen, ohne dafs ich ihnen etwas antue, mit den Waffen in der Hand (877.) die Leute des Dhritarashtra im Kampfe toten wiirden, das wiirde mir noch ertraglicher sein.

Safijaya sprach:

47. (878.) So sprach Arjuna im Schlachtgetiimmel, setzte sich auf dem Sitze seines Wagens nieder und liefs Pfeil und Bogen fallen, im Geiste von Kummer erschiittert.

So lautet in der BhagavadgitS, die Verzagtheit des Arjuna (Arjuna-viahdda).

38 II- Bhagavadgita.

II (Adhyaya 26).

Vers 879-950 (B. 1-72).

Sanjaya sprach:

1. (879.) Als er ihn so von Mitleid durchdrungen , die Augen von Tranen erfiillt und getriibt in seiner Verzagtheit sah, da sprach zu ihm Madhusiidana dieses Wort.

Der Heilige sprach:

2. (880.) Woher kommt dir in gefahrlicher Lage diese Bestiirzung, o Arjuna, die eines Edlen unwiirdige, den Himmel verschliefsende , unriihmliche ?

3. (881.) Verfalle nicht in Schwachlichkeit, o Sohn der

Pritha, denn sie ziemt dir nicht. Lafs die erharmhche Her-

zensschwachheit fahren und erhebe dich, o Bedranger deiner

Feinde.

Arjuna spracli:

4. (882.) Wie kann ich in der Schlacht, o Madhusudana, den Bhishma und den Drona mit meinen Pfeilen hekampfen, da mir heide doch ehrwiirdig sind, o Feindetoter.

5. (883). Wahrhch, es ware mir hesser, die hoch- wiirdigen Lehrer nicht zu toten und hier auf der Welt Bettelbrot zu essen, als dafs ich die Lehrer, ohgleich sie nach unserm Gut trachten, totete und Freuden ge- nosse, die mit Blut hesudelt sind.

6. (884.) Fiirwahr, wir wissen nicht, was wir vorziehen mochten, dafs wir sie oder dafs sie uns hesiegen; denn solche, nach deren Totung wir selbst nicht leben mochten, die stehen uns feindlich gegeniiber, geschart um Dhrita- rashtra.

7. (885.) Da mein Herz in der Schwache des Mitleids befangen ist, und mein Geist verwirrt ist iiber das, was meine Pflicht ist, so frage ich dich danach, was das Kichtige ist; sage es mir mit Bestimmtheit; ich bin dein Schiiler; belehre mich, der ich dich darum angehe.

8. (886.) Denn ich sehe nicht, was von mir den sinne- ausdorrenden Kummer fern zu halten vermochte, auch

II (Adhy&ya 26). 39

wenn ich auf Erden ein bliihendes Reich ohne Neben- buhler, auch wenn ich die Oberherrschaft liber die Gotter erlangen sollte.

Sanjaya sprach :

9. (887.) Also sprach zum Struppigen der Lockige, der Feindeschreck zum Kuhgewinner : „ich mag nicht kampfen ! " und schwieg.

10. (888.) Da war es, als ob der Lockige lachelte, o Bha- rata, und inmitten der beiden Heere sprach er zu dem Ver- zagenden dieses Wort.

Der Heilige sprach:

11. (889.) Du beklagst solche, welche nicht zu beklagen sind, wenn auch deine Reden verstandig sein mogen; iiber Tote und iiber Lebende klagt der Weise nicht.

12. (890.) Nie war die Zeit, da ich nicht war, da du nicht warst und alle diese Fiirsten, und nie in Zukunft wird die Zeit kommen, da wir allesamt nicht sind.

13. (891.) Wie fiir den Trager eines Leibes in diesem seinem Leibe Kindheit, Mannheit und Greisenalter ist, so ist fiir ihn auch die Erlangung eines neuen Leibes ; das ist dem Weisen klar.

14. (892.) Nur die Verbindungen mit dem Stoffhchen, o Sohn der Kunti, bewirken Kalte und Hitze, Lust und Schmerz; sie aber kommen und gehen und sind verganghch ; ertrage sie, o Bharata, mit Geduld,

15. (893.) Der Mann, den diese nicht erschiittern, o Manner- stier, der Weise, welcher gleichmiitig bleibt bei Lust und Leid, der ist reif fiir die Unsterbhchkeit.

16. (894.) Das Nicht - Seiende kann nicht werden, das Seiende kann nicht vergehen, den Unterschied dieser beiden [des Nicht- Seienden und des Seienden] erkennen die, welche die Wahrheit schauen.

17. (895.) Wisse, dafs das unverganglich ist, durch welches diese ganze Welt ausgebreitet wurde; das Zunichtewerden dieses Unverganglichen kann keiner bewirken.

18. (896.) Verganglich sind diese Leiber, ewig der, welcher

40 II- Bhagavadgita..

den Leib beseelt; unverganglich ist er und unermerslich*

darum kampfe, o Bharata.

19. (897.) Wer vermeint, dafs jemand tote, wer vermeint,

dafs jemand getotet werde, die wissen beide nicht die Wahr-

heit : keiner totet und keiner wird getotet. (Kath. Up. 2,19.) 20. (898.) Nicht wird geboren und nicht stirbt einer jemals, nicht ist er entstanden oder wird zukiinftig ent- stehen ; von ewig her bleibt ewig er der Alte, wird nicht getotet, wenn den Leib man totet. (Kath. Up. 2,18.) 21. (899.) Wer diesen Unzerstorbaren , Ewigen, Ungebo-

renen, Unverganghchen weifs, wie konnte der, o Sohn der

Pritha, irgendeinen toten lassen, wie konnte der irgendeinen

toten !

22. (900.) Gleichwie ein Mann die alten Kleider ab- legt und andere neue anzieht, so legt der Trager des Leibes (die Seele) die alten Leiber ab und geht in andere neue ein.

23. (901.) Ihn verwunden nicht Schwerter, ihn brennt nicht das Feuer, ihn netzen nicht die Wasser, ihn trocknet nicht der Wind.

24. (902.) Unverwundbar ist er und unverbrennbar, nicht benetzbar und nicht zu trocknen, ewig ist er und allgegen- wartig, bestandig, unbewegHch und immerwahrend.

25. (903.) Unoffenbar ist er und unausdenkbar, unwandel- bar wird er genannt; darum wenn du ihn als solchen kennst, darfst du niemandem nachtrauern.

26. (904.) Aber auch wenn du glaubst, dafs er immer wieder geboren werde und immer wieder sterbe, auch dann, o Grofsarmiger, darfst du niemandem nachtrauern.

27. (905.) Dem Geborenen ist der Tod gewifs, dem Ge- storbenen die Geburt; darum darfst du iiber eine unvermeid- Uche Sache keine Trauer empfmden.

28. (906.) Das Unoffenbare als Anfang haben die Wesen, das Offenbare als Mitte und das Unoffenbare als Ende, o Bha- rata, was ist da zu bejammern?

29. (907.) Wie ein Wunder betrachtet ihn mancher, wie ein Wunder verkiindigt ihn ein anderer, wie von einem Wunder hort von ihm ein anderer, und auch wenn

II (Adhygiya 26). 41

er von ihm gehort hat, versteht ihn doch keiner (vgl. Kath. Up. 2,7).

30. (908.) Der Trager des Leibes ist ewig unverletzbar in dem Leibe eines jeden, o Bharata; darum sollst du alle Wesen nicht betrauern.

31. (909.) Aber auch wenn du an die dir obliegende Pflicht denkst, darfst du nicht schwanken, was du zu tun hast. Denn fiir einen Kshatriya gibt es nichts Hoheres als einen pflicht- mafsigen Kampf.

32. (910.) Und mit Freuden, o Sohn der Pritha, begriifsen die Kshatriya' s gleichwie eine zufallig sich ihnen darbietende offene Himmelspforte einen derartigen Kampf.

33. (911.) Wienn du hingegen diesen als Pflicht dir ob- liegenden Kampf nicht auf dich nehmen wirst, dann vernach- lassigst du deine Pflicht und deinen Ruhm und wirst in Schuld geraten.

34. (912.) Auch wird alles dich mit ewiger Schmach iiber- haufen, fiir einen Mann von Ehre aber ist Schmach schlimmer als Tod.

35. (913.) Auch werden sie, welche auf grofsen Streit- wagen einherfahren, argwohnen, dafs du aus Furcht vom Kampfe abgelassen hast, und so wirst du bei solchen, die dich bisher hoch verehrten, in Geringschatzung verfallen.

36. (914.) Diejenigen aber, welche dir iibel wollen, werden viele schmahliche Reden iiber dich fiihren und deine Be- fahigung tadeln; was aber ware schmerzlicher als das?

37. (915.) Entweder du fallst und gehst zum Himmel ein, Oder du siegst und geniefsest die Herrschaft iiber die Erde, darum stehe auf, o Sohn der Kunti, und entschliefse dich zu kampf en.

38. (916.) Sei doch gleichgiiltig gegen Lust und Schmerz, gegen Gewinn und Verlust, gegen Sieg und Niederlage und bereite dich so zum Kampfe, so wirst du nicht in Schuld geraten.

39. (917.) Diese Ansicht wurde dir vorgetragen vom Stand- punkte der berechnenden Uberlegung (sdnkhyamj . Vernimm die folgende vom Standpunkte der Hingebung (yoga J aus.

42 II- Bhagavadgita.

Wenn du dir diese letztere Ansicht zu eigen machst, o Sohn der Pritha, so wirst du dich von der Gebundenheit durch die Werke frei machen.

40. (918.) Dann gibt es fiir dich keine Hoffnung mehr des Emporkommens [in der Seelenwanderung] und keine Mogliclikeit des Niederganges [in ihr], Wer auch nur ein weniges von dieser Satzung sich aneignet, den rettet sie aus grofser Not.

41. (919.) Hier gibt es, o Liebling der Kuru's, nur eine Ansicht, welche Entschiedenheit in sich tragt, walirend viel- verzweigt und endlos die Ansichten der Unentschiedenen sind.

42. (920.) Eine blumenreiche Rede gibt es, welche die Unweisen verkiindigen, sie, welche an Vedareden sich letzen, o Prithasohn, und behaupten, dafs es nichts anderes gebe;

43. (921.) sie, welche in Werken befangen, zum Himmel streben und jener Rede huldigen, welche als Lolin der Werke eine Neugeburt verheifst und viel Redens macht von beson- deren Zeremonien zum Zwecke des Genusses und der himm- lischen Herrlichkeit :

44. (922.) Wer durch sie seinen Geist verfiihren lafst, der klammert sich an Genufs und himmlische Herrlichkeit; aber jene Ansicht, welche Entschiedenheit in sich tragt und auf Versenkung [sich griindet], wird ihm nicht zuteil.

45. (923.) Im Drei-Gunahaften sind die Veden befangen, du aber, o Arjuna, befreie dich vom Drei-Gunahaften. Sei frei von den Gegensatzen [des empirischen Daseins], feststehend in der ewigen Realitat, frei von Erwerb und Besitz, dem Atman treu.

46. (924.) Soviel Nutzen von einem Wasserbehalter ist, in welchem von alien Seiten das Wasser zusammengeflossen ist, soviel ist in alien Veden zu fmden fiir einen Brahmanen, welcher die Erkenntnis besitzt (vgl. oben, Sanatsujatiya, Vers 1785).

47. (925.) Dein Beruf ist es freilich, das Werk zu tun, nicht aber nach seinen Friichten zu streben. Lafs nicht die Frucht der Werke deinen Beweggrund sein, aber verfalle auch nicht in Untatigkeit.

II (Adhy&ya 26). 43

48. (926.) Fest in der Hingebung fyogaj vollbringe die Werke, aber lafs fahren die Anhanglichkeit [an ihren Lohn], o Siegreicher; bleibe gleichmiitig beim Gelingen und Mifs- lingen, dieser Gleichmut wird Yoga (Hingebung) genannt.

49. (927.) Tief steht das Werk unter der Hingebung an die Erkenntnis, o Siegreicher; in der Erkenntnis suche deine Zuflucht, elend sie, welche vom Lohn getrieben werden.

50. (928.) Wer der Erkenntnis hingegeben ist, der lafst hinter sich beides, das gute und das bose Werk ; darum gib dich der Hingebung fyogaj hin; Hingebung macht auch tiichtig zu Werken.

51. (929.) Die Weisen, der Erkenntnis hingegeben, ver- zichten auf der Werke Prucht, und erlost von der Fessel der Geburten gehen sie ein zu der leidlosen Statte.

52. (930.) Wenn deine Erkenntnis iiber den Wirrwarr der Verblendung hinausschreiten wird, dann wirst du iiberdriissig werden dessen, was du aus den heiligen Schriften lernen kannst und gelernt hast.

53. (931.) Und wenn deine Erkenntnis sich den heiHgen Schriften entgegensetzen und unerschiitterKch in der Medi- tation feststehen wird, dann wirst du den Yoga erlangen.

Arjuna sprach:

54. (932.) Welches ist die Beschreibung des in der Er- kenntnis Feststehenden und in der Meditation Beharrenden, o Vollhaariger, was wird der reden, der in seinem Geiste fest ist, wie wird er sitzen und wie wird er wandeln?

Der Heilige spracli:

55. (933.) Wenn einer, o Sohn der Pritha, alle Begierden fahren lafst, die in sein Herz kommen, und nur an dem Selbste (Atman) und durch das Selbst seine Preude hat (Chand. Up. 7,25,2) , der wird ein in der Erkenntnis Pest- stehender genannt.

56. (934.) Wenn einer im Leiden unerschiitterlich und in Preuden frei von Begierde bleibt , befreit von Leidenschaft, von Purcht und Zorn, er wird ein im Geiste Fester, wird ein Muni genannt.

44 II- BhagavadgitS,.

57. (935.) Wer allerwarts frei von Anhaftung ist, mag ihm dieses oder jenes Erfreuliche oder Unerfreuliche begegnen, wer dann weder Freude noch Hafs empfindet, dessen Er- kenntnis ist eine feststehende.

58. (936.) Und wenn ein solcher von iiberallher, wie die Schildkrote ihre Glieder, so seine Organe von ihren Objekten gelost in sich hereinzieht , dessen Erkenntnis ist eine fest- stehende.

59. (937.) Die Sinnendinge kehren sich ab von der Seele, die sich nicht mehr an ihnen nahrt, und hat sie ihren Ge- schmack nicht mehr, so wird auch der Geschmack an ihnen zunichte, nachdem sie das Hochste geschaut hat.

60. (938.) Denn auch bei einem sich beherrschenden weisen Manne, o Sohn der Kunti, reifsen die ungestiimen Sinne den Geist gewaltsam mit sich fort.

61. (939.) Sie alle iiberwaltigend soil man dasitzen, hin- gegeben und mich [den Allgeist] als Hochstes habend, denn wer seine Sinne in der Gewalt hat, dessen Erkenntnis ist eine feststehende.

62. (940.) Wenn hingegen ein Mensch an die Sinnen- geniisse denkt, so bildet sich bei ihm eine Anhanglichkeit an sie; aus der Anhanglichkeit entsteht Begierde, aus der Be- gierde entsteht Zorn,

63. (941.) aus dem Zorn entsteht Verblendung, aus der Verblendung entsteht Triibung der Erinnerung; ist erst die Erinnerung getriibt, so folgt Verlust der Erkenntnis, ist die Erkenntnis verloren, so ist er auch selbst verloren.

64. (942.) Wer aber an den Sinnendingen voriibergeht mit Sinnen, die von Liebe und Hafs sich losgemacht haben und seinem Atman untertan sind, dessen Seele beruhigt sich und geht ein zum Frieden.

65. (943.) Hat er aber Ruhe von alien Schmerzen, so ent- steht in ihm die Resignation, und ist erst sein Geist beruhigt, dann kommt auch alsbald seine Erkenntnis zu vollkommenem Feststehen.

66. (944.) Wer nicht Hingebung iibt, hat nicht die Er- kenntnis, wer nicht Hingebung iibt, hat nicht Verinnerlichung;

II (Adhy^ya 26). 45

wer nicht Verinnerlichung hat, hat keinen Frieden, wer keinen Frieden hat, woher kame dem Freude!

67. (945.) Denn wenn die Sinne umherschwarmen und der Verstand mit ihnen fortgezogen wird, dann reifst er die Er- kenntnis mit sich dahin, wie der Wind ein Schiff auf dem Wasser.

68. (946.) Darum, o Grofsarmiger, wenn einer seine Sinne allerwarts von den Sinnendingen zuriickhalt, dessen Erkennt- nis ist eine feststehende.

69. (947.) "Was Nacht ist fiir alle Wesen, darin ist wach der Selbstbezwinger, und worin alle Wesen wach sind, das ist Nacht fiir den schauenden Weisen.

70. (948.) Gleichwie die Wasser zur Ruhe kommen in dem vollen, unerschiitterlichen Ozean, so kommen alle Begierden in ihm zur Ruhe, und er erlangt den Frieden, nicht aber der, welcher von Begierde getrieben wird.

71. (949.) Der Mann, welcher alle Begierden fahren lafst und ohne Verlangen dahinwandelt, ohne Ichbewufstsein und ohne Selbstsucht, der erlangt den Frieden.

72, (950.) Dieses ist das Feststehen im Brahman, o Sohn der Pritha ; wer es erlangt, wird frei vom Wahn, und in ihm beharrend, erreicht er zur Zeit des Endes das Erloschen {nirvdnamj in Brahman.

So lautet in der Bhagavadgit4 tjberlegung und Hingebung

(Sdhkhya-yoga).

Ill (Adhyaya 37).

Vers 951-993 (B. 1-43).

Arjuna sprach:

1. (951.) Wenn nach deiner Meinung, o Janardana, die Erkenntnis hoher steht als das Werk, warum spornst du mich dann an zu einem grausamen Werke, o Vollhaariger ?

2. (952.) Durch deine widerspruchsvolle Rede verwirrst du meinen Geist; sage mir doch das Eine mit Bestimmtheit, wodurch ich das Heil erlangen kann.

46 11.

Der Heilige sprach:

3. (953.) Zwei Standpunkte gibt es in dieser Welt, wie ich schon vordem gelehrt habe, o Untadeliger : Die Hingebung an die Erkenntnis ist der Standpunkt der Reflektierenden fSdnJchyaJ , die Hingebung an das Werk ist der der Yoga- Ubenden.

4. (954.) Nicht durch Enthaltung von den Werken erlangt der Mensch die Werkbefreiung, und nicht durch blofses Weg- werfen von allem gelangt er zur VoUendung.

5. (955.) Der Mensch kann doch nie auch nur einen Augen- bhck bestehen, ohne Werke zu tun. Denn ein jeder wird auch gegen seinen Willen gezwungen zu wirken durch die seiner Natur fprdkritij eingeborenen Guna's (Beschaffenheiten).

6. (956.) Wenn einer zwar die wirkenden Sinnesorgane im Zaume halt und miifsig sitzt, aber in seinem Herzen den Sinnendingen nachhangt, der ist betorten Geistes und auf fal- schem Wege.

7. (957.) Wer hingegen die Sinne durch das Manas im Zaume halt und dann, o Arjuna, mittels der Tatorgane sich dem Tun hingibt ohne Anhanglichkeit, mit dem steht es anders.

8. (958.) Vollbringe du das notwendige Werk, denn das Tun steht hoher als das Nichttun, und auch der Fortgang des Korperlebens ist nicht moglich, ohne dafs man Werke tut.

9. (959.) Auch abgesehen von den Werken, welche um der Opferpflicht willen notwendig sind, bleibt diese Welt an Werke gebunden. Darum, o Kuntisohn, tue das Werk, aber tue es ohne Anhanglichkeit.

10. (9C0.) Als der Schopfer Prajapati zugleich mit dem Opfer vordem die Wesen schuf, da sprach er zu ihnen : Durch dieses sollt ihr euch fortpflanzen , dieses sei euch die eure Wiinsche erfiillende Wunschkuh.

11. (961.) Fordert ihr durch das Opfer die Gotter, und die Gotter wiederum sollen euch fordern; indem ihr euch gegenseitig fordert, werdet ihr das hochste Gliick erlangen.

12. (962.) Denn die Gotter, durch eure Opfer gefordert, werden euch die gewiinschten Geniisse gewahren; wer das

Ill (Adhyaya 27). 47

von ihnen Gewahrte geniefst, ohne ihnen etwas wieder- zugewahren, der ist eben ein Dieb.

13. (963.) Die Guten essen, was vom Opfer iibrigbleibt, und werden dadurch von alien Siinden gereinigt; die Bosen aber, welche nur zu ihrem eigenen Besten kochen, die essen zu ihrem Verderben.

14. (964.) Die Wesen entstehen aus der Nahrung, die Nahrung entsteht aus dem Regen fparjanyaj, der Regen ent- steht aus dem Opfer, das Opfer entsteht aus dem Werke;

15. (965.) das Werk entsteht aus dem Vedaworte {Brah- manj, das Vedawort entsteht aus dem Unverganglichen ; so- mit hat das allumfassende fsarvagataj Vedawort allezeit seinen Halt im Opfer.

16. (966.) So drelit sich das Rad im Kreise, und wer es nicht in Umdrehung versetzt hienieden, der fiihrt ein ruch- loses Leben, ist ein Tummelplatz der Sinne und lebt, o Sohn der Pritha, vergeblich.

17. (967.) Aber der Mensch, welcher am Atman sich freut, am Atman sich ersattigt und am Atman sein Geniige fmdet (vgl. Chand. Up. 7,25,2. Mund. Up. 3,1,4), fur den gibt es keine Pflicht mehr.

18. (968.) Er hat keinen Zweck im Auge bei dem, was er tut, er hat keinen Zweck im Auge bei dem, was er nicht tut; und bei alien Wesen sucht er keinen Stiitzpunkt seiner Zwecke.

19. (969.) Darum betreibe allezeit die obhegende Pflicht ohne Anhanglichkeit ; denn wer ohne Anhanglichkeit seine Pflicht erfiillt, der Mann erlangt das Hochste.

20. (970.) Nur durch ihre Werke sind Konige wie Janaka zur Vollendung gelangt; und auch darum mufst du handeln, damit du die andern Menschen [zu ihrer Pflicht] anhaltst.

21. (971.) Denn was der an hochster Stelle Stehende tut, das ahmen die iibrigen Menschen nach, und was er sich als Richtschnur erwahlt, danach richtet sich auch das Volk.

22. (972.) Nicht liegt mir [als Allgeist], o Sohn der Pritha, in alien drei Welten irgend etwas ob, was ich zu tun hatte, noch gibt es fiir mich etwas zu erlangen, was ich nicht schon erlangt hatte, und doch betatige ich mich in Wirkungen.

48 II- Bhagavadgit^.

23. (973.) Denn, sollte es je geschehen, dafs ich nicht unermiidlich tatig ware, so wiirden, o Sohn der Pritha, die Menschen allerwarts meinem Beispiel folgen.

24. (974.) Alle Welten wiirden in Untatigkeit verharren, wenn ich nicht mein Werk voUbrachte, und ich wiirde Ver- wirrung veranlassen und die Geschopfe hier zugrunde richten.

25. (975.) Und so wie die Nichtwissenden handeln mit Anhanglichkeit an ihr Werk [und seinen Lohn] , so soil der Wissende ohne Anhanglichkeit handeln, um [durch sein Bei- spiel] die iibrigen dazu anzuhalten, o Bharata.

26. (976.) Er soil die Nichtwissenden, die noch an dem Werke hangen, in ihrem Bewufstsein nicht irre machen; er, der Wissende, soil sie veranlassen, alle Werke mit Freudig- keit zu tun, indem er selbst mit Hingebung sie betreibt.

27. (977.) Die Werke, wo sie auch immer geschehen, werden getan durch die Guna's der Prakriti, aber der Mensch, in seinem Selbste betort durch den Ahankdra (Ichbewufst- sein), wahnt: Ich bin der Handelnde.

28. (978.) Wer aber die Wesenheit kennt, o Grofsarmiger, der macht einen Unterschied zwischen den Guna's und dem [gunalosen] Werke; er begreift, dafs die Guna's sich unter den Guna's betatigen, und halt sich frei von Anhanglichkeit.

29. (979.) Die Menschen, betort durch die Guna's der Prakriti, sind an jene Werke der Guna's anhanglich, sind tragen Geistes und Halbwissende; sie moge der Ganzwissen- den nicht irre machen.

30. (980.) Mir soUst du alle Werke weihen, den Geist ge- richtet auf den hochsten Atman, und so, von Hoffnung und Selbstheit frei, mogest du kampfen ohne Bekiimmernis.

31. (981.) Die Menschen, welche allezeit diese meine Vor- schrift befolgen, im Glauben und ohne Murren, die gelangen sogar durch ihre Werke zur Erlosung.

32. (982.) Diejenigen aber, welche murren und diese meine Vorschrift nicht befolgen, diese in allem Erkennen Betorte und Besinnungslose wisse als Verlorene.

33. (983.) Betatigt sich doch auch der Wissende ent- sprechend seiner eigenen Natur; ihrer Natur (FrakritiJ folgen alle Wesen, was kann da Hemmung ausrichten!

Ill (Adhyaya 27). 49

34. (984.) Jedes Sinnesorgan steht fest, sei es in Liebe, sei es in Hafs, seinem Gegenstande gegeniiber; unter diese beiden soil man sich nicht beugen, denn beide sind hinter- listige Feinde des Menschen.

35. (985.) Besser ist es die eigene Pflicht ohne Tiichtig- keit, als die fremde Pflicht mit Erfolg zu betreiben ; ja, es ist besser in der Erfiillung der eigenen Pflicht zugrunde zu gehen, Befassen mit fremder Pflicht bringt Gefahr!

Arjuna sprach:

36. (986.) Aber durch wen wird der Mensch angestiftet, das Bose zu tun, selbst gegen seinen Willen, o Nachkomme des Vrishni, und gleichsam mit Gewalt dazu gedrangt?

Der Heilige sprach:

37. (987.) Es ist die Begierde, es ist der Zorn, entspringend aus dera Guna des Rajas (Leidenschaft), ein grofser Fresser, ein grofser Bosewicht, ihn wisse hienieden als den wahren Widersacher.

38. (988.) Wie das Feuer vom Rauch umhiillt wird, wie Rostflecken den Spiegel verdecken, wie der Embryo von der Eihaut umschlossen wird, so ist von ihm diese ganze Welt iiberzogen.

39. (989.) Verdunkelt wird sogar das Wissen des Wissen- den von diesem ewigen Widersacher, der die Gestalt der Begierde annimmt, o Sohn der Kunti, und ein unersattliches Feuer ist.

40. (990.) Die Sinnesorgane , das Manas und die Buddhi sind sein Standort ; von diesen aus verdunkelt er das Wissen und iiberschattet die Seele.

41. (991.) Darum vor allem, o Stier der Bharata's, bandige deine Sinnesorgane und schlage jenes Bose aus dem Felde, welches Erkenntnis und Lebenserfahrung vergiftet.

42. (992.) Die Sinnesorgane, heifst es, sind vorziiglich, vorziiglicher als die Sinnesorgane ist das Manas, vorziighcher als das Manas ist die Buddlii (vgl. Kath. Up. 3,10. 6,7), wer -aber noch vorziiglicher als die Buddhi ist, das ist er [der Atman].

Detjsbes, Mahibh&ratam. 4

50 II- Bhagavadgita,

43. (993.) Also wisse ihn als vorziiglicher nocli als die Buddhi, befestige deinen Atman durch den [hochsten] Atman und bekampfe jenen Feind, o Grorsarmiger, der sich in die Begierde kleidet und schwer zu fassen ist.

So lautet in der Bhagavadgita, die Hingebung an das "Work (karma -yoga).

IV (Adhyaya 38).

Vers 994-1035 (B. 1-42).

Der Heilige sprach:

1. (994.) Diese ewige Yogalehre [der Hingebung an das Werk] habe ich dem Vivasvant (dem Sonnengotte) verkiindet, Vivas vant lehrte sie dem Manu, Manu dem Ikshvaku.

2. (995.) In dieser Weise von Geschlecht zu Geschlecht iiberliefert, gelangte diese Yogalehre zu den Konigsweisen, aber im Laufe der langen Zeit ging sie verloren, o Feind- bezwinger.

3. (996.) Heute aber ist dieser uralte Yoga dir von mir mitgeteilt worden, denn du bist mein Verehrer und mein Freund, daher ich dir dieses hochste Geheimnis [anvertraut habe].

Arjuna sprach:

4. (997.) Spater ist deine Geburt, friiher die Geburt des Vivasvant, wie soil ich es verstehen, dafs du die Lehre ur- anfanghch verkiindet hast (vgl. Ev. Joh. 8, Vers 57-58).

Der Heilige sprach:

5. (998.) Zahlreich sind meine vergangenen Geburten und auch deine, o Arjuna; mir sind sie alle bewufst, dir aber sind sie nicht bewufst, o Feindbezwinger,

6. (999.) Ungeboren bin ich und unverganglichen Wesens^ bin der Gottherr figvaraj der Geschopfe; aber indem ich ein- gehe in meine eigene Natur fpralritij, entstehe ich durch meine Zauberkunst fmdyd).

IV (Adhyaya 28). 51

7. (1000.) Denn jedesmal, wenn die Gesetzlichkeit welk geworden ist, o Bharata, und Ungesetzlichkeit iiberwaltet, dann erschaffe ich selbst mich selbst.

8. (1001.) Zur Rettung der Guten und zur Vernichtung der Bosen entstehe ich in jedem Weltalter, um die Gesetz- lichkeit wieder aufzurichten.

9. (1002.) Gotthch ist meine Geburt und gotthch mein Werk ; wer das in Wahrheit weifs, der, wenn er seinen Leib verlafst, geht nicht ein in eine neue Geburt, zu mir geht er ein, o Arjuna.

10. (1003.) Viele sind ihrer, welche befreit von Leiden- schaft, von Furcht und Zorn, zu mir werdend, zu mir ihre Zuflucht nehmend, gelautert durch die Askese der Erkennt- nis, in meine Wesenheit eingehen.

11. (1004.) Und in dem Mafse, wie sie zu mir sich hin- wenden, in demselben Mafse Hebe ich sie wieder, und so wandeln von iiberallher, o Prithasohn, die Menschen auf meinem "VVege.

12. (1005.) Nach dem Gelingen der Werke trachten ja [die Menschen] und verehren darum die Gotter ; denn schnell zeigt sich in der Menschenwelt das Gehngen, welches aus Werken entspringt.

13. (1006.) Ich bin es ja, der die vier Kasten schuf, der die Guna's und Werke unter sie verteilte; von dem allem, wisse, bin ich der Schopfer und docliNicht-Schopfer fiir und fiir.

14. (1007.) Denn mich beflecken die Werke nicht, weil ich nicht nach der Frucht der Werke begehre; wer mich als solchen erkennt, der wird durch seine Werke nicht gebunden.

15. (1008.) Und in dem Bewufstsein, dafs in dieser Weise das Werk geiibt wurde, auch von den Altvordern, welche nach Erlosung trachteten, vollbringe auch du das Werk, wie es vordem von den Altvordern vollbracht wurde.

16. (1009.) Was ist das Werk und was das Nicht-Werk? In dieser Frage haben auch die Weisen geirrt. Darum will ich dir das Werk erklaren, welches erkannt habend du vom tjbel erlost sein wirst.

17. (1010.) Man mufs dabei merken auf das (gute) Werk und man mufs merken auf das Abwerk (das hose Werk),

4*

52 II, Bhagavadgita.,

auch mufs man merken auf das Nicht-Werk. Tief verborgen ist das Wesen des Werkes.

18. (1011.) Wer im Werke das Nicht-Werk sieht und im Nicht-Werke das Werk, der ist ein Weiser unter den Menschen, ein Hingegebener (YoginJ, ein alle Werke VoUbringender.

19. (1012.) Der, dessen ganzes Tun frei ist von Liisten und Wiinschen, und dessen Werke verbrannt sind durch das Feuer der Erkenntnis, den nennen die Kundigen einen Weisen.

20. (1013.) Er hat sich frei gemacht von der Anhanghch- keit an die Frucht der Werke, ist ewig befriedigt, frei von der Hoffnung Kriicken; ein solcher, auch wenn er sich mit Werken befafst, tut doch gar nichts.

21. (1014.) Er ist frei von Wiinschen, hat die Gedanken in sich gebandigt, hat weggeworfen alles, was an das Leben kettet, nur dem Leibe nach tut er das Werk, und obschon er es tut, bleibt er doch frei von Versiindigung.

22. (1015.) Er begniigt sich mit dem, was der Zufall ihm darbietet, ist erhaben iiber die Gegensatze [des Lebens] und frei von Eigensucht, gleichmiitig bei Gehngen und Mifshngen, und obgleich er handelt, verfallt er doch nicht der Bindung.

23. (1016.) Fiir ihn, der die Anhanghchkeit hat fahren lassen, sich frei gemacht hat und mit seinem Denken fest- steht in der Erkenntnis, fiir ihn, der das Werk nur als ein Opfer betreibt, ist dasselbe volHg zunichte geworden.

24. (1017.) Brahman ist seine Darbringung, Brahman seine Opferspeise, Brahman spendet er im Feuer durch das Brah- man, und so wird er eingehen in das Brahman, er, dessen Meditation dieses Brahmanwerk ist.

25. (lois.) Einige dieser Hingegebenen huldigen dem Opfer als einem den Gottern dargebrachten, andere hingegen bringen, im Brahmanfeuer opfernd, das Opfer selbst zum Opfer dar [sie verzichten darauf].

26. (1019.) Wieder andere opfern das Gehor und alle Sinne in dem Feuer der Selbstbezwingung, und noch andere opfern in dem Feuer der Sinne das Gehorte und alle andern Sinnen- dinge.

27. (1020.) Und abermals andere opfern alle Verrichtungen der Sinnesorgane und alle Verrichtungen der Lebenshauche

IV (Adhyaya 28). 53

fprdnahj in dem Yogafeuer der Selbstbezwingung, welches von der Erkenntnis angefacht wird.

28. (1021.) Manche bringen ihr Vermogen dar, oder sie opfern durch Kasteiung oder durch Yoga oder durch Veda- studium und Erkenntnis, sie alle als Bezwinger mit scharfem Geliibde.

29. (1022.) Manche auch opfern den Aushauch im Ein- hauch und den Einhauch im Aushauch [die Hemmung des Aushauchens wahrend des Einhauchens gilt ihnen als ein Opfer desselben und umgekehrt], indem sie den Gang des Aushauches und des Einhauches einschranken und die Hem- mung des Atmens als hochsten Zweck sich setzen.

30. (1023.) Andere regeln die Ernahrung und opfern die Lebenshauche in den Lebenshauchen [indem beim Pranagni- hotram, Chand. Up. 5,19—23, die Ernahrung jedes einzelnen Lebenshauches als eine zeitweilige Aufopferung der vier iibrigen erscheint]. Alle diese sind des Opfers kundig und vernichten durch das Opfer ihre Siinden.

31. (1024.) Diejenigen, welche [in dieser Gesinnung] das Amritam (Nektar) des Opferrestes geniefsen, die gehen ein in das ewige Brahman. Nicht einmal diese Erdenwelt wird dem Nichtopfernden zuteil, wieviel weniger die andere, o Bester der Kuru's!

32. (102.5.) In dieser Weise sind mannigfache Opfer aus- gebreitet in dem Munde des Brahman [im Veda, der sie als ihr Mund offenbart]. Sie alle aber, wisse, wurzeln in dem Werk; wenn du dies erkannt hast, wirst du erlost werden.

33. (1026.) Aber besser als das aus stofflichen Dar- bringungen bestehende Opfer ist das Opfer, das im Erkennen besteht, o Bezwinger der Feinde; das ganze Opferwerk ohne Ausnahme, o Sohn der Pritha, wird vollbracht, indem man Erkenntnis hat.

34. (1027.) Dies Wissen erwirb, indem du dich niederlafst zu des Lehrers Fiifsen, indem du ihn befragest und ihm dienest; dann werden jene Wissenden, Wahrheitschauenden dich das Wissen lehren.

35. (1028.) Wenn du es erlernt hast, das Wissen, so wirst du nicht wiederum, so wie jetzt, der Verblendung [des Samsara]

54 II- Bhagavadgita.

verfallen, o Pandusohn, das Wissen, vermoge dessen du die Wesen ohne Ausnahme schauen wirst in dir selbst und so- dann in mir.

36. (1029.) Und wenn du unter alien Bosewichtern der argste warest, so wirst du doch mit dem Schiff der Erkennt- nis alles Schlimme iiberschreiten.

37. (1030.) So wie, o Arjuna, das angeziindete Feuer das Brennholz zu Asche macht, so macht das Feuer der Erkennt- nis alle Werke zu Asche.

38. (1031.) Denn es gibt auf der Welt kein Lauterungs- mittel, welches der Erkenntnis gleichkame, und dieses findet der im Yoga VoUkommene von selbst mit der Zeit in seinem eigenen Innern.

39. (1032.) Der Glaubige erlangt die Erkenntnis, wenn er einzig nach ihr trachtet und seine Sinne bezahmt, und hat er die Erkenntnis erlangt, so geht er binnen kurzem zum hochsten Frieden ein.

40. (1033.) Aber der Nichtwissende , Nichtglaubende , von Zweifel Erfiillte geht zugrunde; nicht diese Welt und nicht die andere, nicht Freude hat, wer erfiillt von Zweifel ist.

41. (1034.) Aber wer durch den Yoga die W^erke ab- geworfen und durch die Erkenntnis alle Zweifel von sich gelost hat (Mund. Up. 2,2,8), wer den Atman besitzt, den binden die Werke nicht mehr, o Beutemacher.

42. (1035.) Darum, o Bharata, zerspalte mit dem Schwerte der Erkenntnis jenen im Nichtwissen wurzelnden, in deinem Herzen wohnenden Zweifel, gib dich dem Yoga hin und er- manne dich.

So lautet in der Bbagavadgitd. die Hingobung an die Erkenntnis

(jndna-yoga).

V (Adhy^ya 29). 55

V (Adhyaya 39).

Vers 1036-1064 (B. 1-29).

Arjuna sprach:

1. (1036.) Du riihmst, o Krishna, den Verzicht auf die Werke und wiederum Hingebung an dieselben. Was ist von diesen beiden das Bessere? Das sage mir mit Bestimmtheit.

Der Heilige sprach:

2. (1037.) Verzicht auf die Werke und Hingebung an sie, beides fiihrt zum hochsten Heil; aber unter ihnen wird der Verzicht von der Hingebung an die Werke iibertroffen.

3. (1038.) Der ist zu wissen als ein bestandig Verzichtender, welcher nicht hafst und nicht begehrt; denn frei von den Gegensatzen [des Lebens], o Grorsarmiger, wird er leicht von der Bindung erlost.

4. (1039.) Nur die Toren behaupten, dafs Sankhyam (Weg der Reflexion) und Yoga (Weg der Verinneriichung) ver- schieden seien, nicht aber die Weisen. Wer auch nur eines von ihnen richtig betreibt, der erlangt die Frucht aller beiden.

5. (1040.) Die Statte, welche von den Reflektierenden fsdnJchyaihJ errungen wird, eben diese wird auch von den Yoga-Ubenden erlangt. Eines sind das Sankhyam, und der Yoga. Wer das sieht, der ist sehend.

6. (1041.) Aber das Verzichten, o Grorsarmiger, ist schwer zu erlangen, wenn es nicht vom Yoga ausgeht; wahrend der dem Yoga sich hingebende Weise in kurzer Zeit das Brah- man erreicht.

7. (1042.) Wer dem Yoga sich hingegeben hat, reinen Wesens, besiegten Wesens, mit bezahmten Sinnen, und dessen Selbst zum Selbste aller Wesen geworden ist, der wird, auch wenn er Werke tut, nicht befleckt.

8. (1043.) Wer dem Yoga hingegeben die Wesenheit er- kennt, der ist sich bewufst, dafs nicht er es ist, welcher iraendein Werk tut, und wenn er sieht und hort und fiihlt und riecht, wenn er ifst und wandelt, schlaft und atmet,

56 11- BhagavadgitS,,

9. (1044.) wenn er redet, ausscheidet und greift, die Augen offnet und schliefst, so ist er sich dabei bewufst, dafs es nur seine Sinnesorgane sind, welche sich mit den Sinnendingen befassen.

10. (1045.) Wer so handelt, dafs er seine Werke dem Brahman weiht und sich von dem Hang [nach Lohn] frei- gemacht hat, der bleibt vom Bosen unbefleckt, wie das Lotos- blatt vom Wasser.

11. (1046.) Nur mit dem Leibe, mit dem Manas und der Buddhi, nur mit den Sinnesorganen allein vollbringen die Yogin's das Werk, indem sie die Anhanglichkeit [an den Lohn] fahren lassen, um ihre Seele (Atman) reinzuhalten.

12. (1047.) Der dem Yoga sich Hingebende verzichtet auf die Frucht der "Werke und erlangt den unvergangHchen Frie- den; der Nicht-Hingegebene handelt aus Begierde, ist an- hangHch an den Lohn und bleibt gebunden.

13. (1048.) Alle Werke mit Bewufstsein von sich werfend sitzt er da, heiter und Herr [seiner Sinne], der Trager des Leibes in der Stadt mit den neun Toren [dem Leibe], indem er weder handelt noch handeln lafst.

14. (1049.) Nicht das Tatersein und nicht die Werke schafft der Herr der Welt [der Purusha], noch auch den Zusammen- hang zwischen den Werken und ihrem Lohne, vielmehr ist es die eigene Natur fsvabhdva =^prakritij, die sich darin betatigt.

15. (1050.) Nicht das Bose von irgendwem und nicht sein gutes Werk erkennt der Allmachtige an als sein, sondern es ist die Verdunkelung des Wissens durch das Nichtwissen, vermoge dessen die Geschopfe in der Irre gehen.

16. (1051.) Aber diejenigen, bei denen dieses Nichtwissen vernichtet ist durch die Erkenntnis des Atman, deren Er- kenntnis macht ihnen gleichwie eine Sonne jenes Hochste offenbar.

17. (1052.) Dieses erkennend, dieses als ihr Selbst er- fassend, in diesem feststehend, dieses als hochstes Ziel habend, gehen sie ein dorthin, von wo es keine Wiederkehr gibt, sie, welche durch die Erkenntnis das Bose abgeschiittelt haben.

18. (1053.) In dem mit Wissenschaft und Zucht begabten Brahmanen, in dem Ochsen, in dem Elefanten, ja sogar in

V (Adhyaya 29). 57

dem Hunde und in dem Hundefleischverzehrer sieht der Weise eines und dasselbe.

19. (1054.) Schon hienieden haben sie sich das All erobert, deren Geist darin fest geworden ist, in allem das Gleiche zu sehen. Denn siindlos ist das in allem gleichmafsig vorhandene Brahman, darum sind sie fest beliarrend in dem Brahman.

20. (1055.) Er freut sich nicht, wenn ihm Angenehmes be- gegnet, er bleibt unerschiittert, wenn ihn Unangenehmes trifft; festen Sinnes und unbeirrt kennt er das Brahman, steht er im Brahman fest.

21. (1056.) An den Beriihrungen der Aufsenwelt hangt sein Atman nicht, in sich selbst findet er, was ihn begliickt; der Hingebung an Brahman mit ganzer Seele ergeben eriangt er unvergangliches Gliick.

22. (1057.) Alle Freuden, welche aus der Beriihrung mit der Welt entspringen, die sind eine Quelle der Leiden, sie haben einen Anfang und ein Ende, o Kuntisohn, nicht freut sich ihrer der Weise.

23. (1058.) Wer schon hienieden vor der Erlosung vom Leibe den Sturm zu bewaltigen weifs, der aus Lust und Zorn entspringt, der ist ein Hingegebener, ist ein gliickseliger Mann.

24. (1059.) Wer in sich die Freude, in sich das Ergotzen findet und in sich das Licht, der ist ein Yogin, und zu Brah- man geworden, gelangt er zum Erloschen in Brahman fbrdhma- nirvdnamj.

25. (1060.) Dieses Erloschen in Brahman erlangen die Rishi's, wenn die Siinde vernichtet, die Zweiheit abgeworfen, das Selbst bezahmt ist, sie, welche sich am Wohle aller Wesen erfreuen.

26. (1061.) Fiir die von Lust und Zorn befreiten Selbst- bezwinger, die ihre Gedanken im Zaume halten und den Atman erkannt haben, tritt ganz und vollstandig [abhitas^ nach (^aiikara: im Leben und Tode] das Erloschen in Brah- man ein.

27. (1062.) Wer die Beriihrungen der Aufsenwelt nach aufsen zuriickdrangt und das Augenmerk auf den Punkt zwischen den Brauen richtet [wo nach Brahmasutra 1,2,32 der Sitz des Atman ist], wer Einhauch und Aushauch einander

58 II- Bhagavadgita.

gleich maclit und so durch das Innere der Nase streichen lafst,

28. (1063.) wer als ein Muni Sinne, Manas und Buddhi bezahmt, der Erlosung als hochstem Ziel zustrebt und Wiin- schen, Fiirchten und Ziirnen von sich abtut, der ist fiir immer erlost.

29. (1064.) Und indem er mich erkennt als den Empfanger aller Opfer und Kasteiungen, als den grofsen Herrn aller "Welten und als den Freund aller Wesen, geht er ein zum Frieden.

So lautet in der Bhagavadgita, Werkverziclit und WerkMngebung (karma - sannydsa - yoga).

VI (Adhyaya 30).

Vers 1065-1111 (B. 1-47).

Der Heilige sprach:

1. (1065.) Wer olme auf des Werkes Frucht zu bauen, das Werk voUbringt, das ihm obliegt, der ist ein Sannyasin (Entsagender), ist ein Yogin (Hingegebener), nicht aber, wer ohne Opferfeuer, ohne Werke ist.

2. (1066.) "Was man Sannyasa (Entsagung) nennt, das wisse, ist der [wahre] Yoga, o Pandusohn, denn keiner ist ein Yogin, der nicht seinen Wiinschen entsagt hat.

3. (1067.) Fiir den Muni, der zum Yoga emporsteigen will, ist die Tatigkeit der Weg; fiir ebendenselben , nachdem er zum Yoga emporgestiegen ist, ist der Weg die Rulie.

4. (1068.) Denn wenn einer nicht mehr an den Sinnen- dingen, nicht mehr an den Werken hangt, wenn er alien Wiinschen entsagt hat, dann ist er ein zum Yoga Empor- gestiegener.

5. (1069.) Man reifse heraus das Selbst durch das Selbst [aus dem Ozean des Samsara], nicht lasse man das Selbst [in ihm] versinken, denn ein jeder ist der Bundesgenosse seiner selbst, und ein jeder ist audi ein Feind seiner selbst.

6. (1070.) Ein Bundesgenosse seiner selbst ist er dann, wenn er sein Selbst durch das Selbst iiberwunden hat; so-

VI (Adhyaya 30). 59

lange aber noch die Feindschaft besteht dessen, was [an ihm] nicht Selbst ist, solange ist einer ein Feind seiner selbst.

7. (1071.) Wer sein Selbst iiberwunden hat und zur Ruhe gelangt ist, in dem hat das hochste Selbst Wohnung ge- nommen, bei Kalte und Hitze, bei Lust und Leid, bei Ehre und Schande.

8. (1072.) Wer an Erkenntnis und Wissen sich ersattigt^ erhaben iiber alles, die Sinne gebandigt, der heifst als ein Hingegebener Yogin, gleichmiitig blickt er hin auf Erd- klumpen, auf Steine und auf Gold.

9. (1073.) Bei Freunden und Genossen, bei Feinden, Gleich- giiltigen und Unparteiischen, bei Gegnern und Verwandten, bei Guten und bei Bosen bleibt er gleichmiitig, daran erkennt man ihn.

10. (1074.) Als Yogin [urspriinglich : ein sich Anschicken- der] schicke er sich an, immerwahrend in der Einsamkeit verharrend, alleinstehend, die Regungen seines Herzens ban- digend, ohne Hoffnung, ohne umgeben zu sein von den Seinen.

11. (1075.) An einem reinen Orte errichte er fiir sich einen festen Sitz, nicht zu hoch und nicht zu niedrig, iiberdeckt mit Gewand, Antilopenfell und Kugagras.

12. (1076.) Daselbst konzentriere er sein Manas auf einen Punkt, unterdriicke die Tatigkeiten des Denkens und der Sinne, setze sich nieder auf den Sitz und spanne den Yoga an zur Lauterung seines Selbstes.

13. (1077.) In gleichmafsiger Richtung Rumpf, Kopf und Hals unbeweglich haltend, blicke er unentwegt auf seine Nasenspitze, ohne nach den Seiten hinzusehen.

14. (1078.) Beruhigten Selbstes und frei von Furcht, in dem Geliibde eines Brahmanschiilers beharrend, sein Manas bezahmend und an mich denkend, sitze er da im Yoga, mir einzig ergeben.

15. (1079.) In dieser Weise allezeit sich selbst anschickend und seine Gedanken bandigend, erlangt der Yogin den in mir wurzelnden Frieden, dessen letztes Ende das Nirvdnam ist.

16. (1080.) Nicht dem, der iibermafsig ifst, wird der Yoga zuteil, aber auch nicht dem, der ganz und gar nicht ifst,

60 II- Bhagavadgita.

ebenso nicht dem, o Arjuna, der libermafsig zu schlafen pflegt oder zu wachen.

17. (1081.) Wer aber mafsig in Nahrung und Erholung ist, mafsig im Wandeln und Handeln, mafsig im Schlafen und Wachen, dem wird der Yoga zuteil, der schmerzstillende.

18. (1082.) Wenn der Gedanke geziigelt, nur auf den Atman gerichtet ist, wenn einer nicht mehr begehrend ist nach irgend- welchen Liisten, dann wird er ein Yogabeflissener genannt.

19. (1083.) Wie eine an windstillem Ort stehende Lampe nicht flackert, dieses Gleichnis gilt von dem Yogin, der seine Gedanken unterdriickt hat und seine Seele dem Yoga hingibt.

20. (1084.) Wenn das Denken, unterdriickt, durch den Yogadienst zur Ruhe kommt, wenn man nur das Selbst durch das Selbst schauend an dem Selbste seine Lust hat,

21. (1085.) wenn man jene unendliche, nur von der Buddhi zu erfassende, iiber die Sinne erhabene Lust empfindet und in diesem Zustande beharrend nicht von der wahren Wesen- heit abweicht,

22. (1086.) wenn man das ergriffen hat, von dem man sich bewufst ist, dafs es nichts anderes Hoheres zu ergreifen gibt, und in ihm beharrend auch durch schweres Leiden nicht erschiittert wird,

23. (1087.) das, soil man wissen, ist der von der Beriihrung mit Leiden freie Zustand, welchen man den Yoga nennt ; und diesem Yoga soil man mit Entschiedenheit sich hingeben, mit unverdrossenem Geiste [anirvinnacctasd mit Qankara].

24. (1088.) Indem man auf alle aus dem Wunsch ent- springenden Liiste ohne Unterschied Verzicht leistet, indem man durch das Manas die Rotte der Sinnesorgane von alien Seiten her niederkampft,

25. (1089.)" soil man vermittelst der mit Festigkeit er- griffenen Buddhi mehr und mehr zur Ruhe kommen, das Manas in dem Atman zum Stillstande bringen und gar nichts mehr denken.

26. (1090.) Wohin auch immer das Manas, das wankel- miitige, unbestandige, ausschwarmen mochte, von iiberallher moge man es zwangsweise in dem Atman wieder zum Ge- horsam zuriickfiihren.

VI (Adhy^ya 30). 61

27. (1091.) Einen solchen Yogin, der sein Manas zur Ruhe gebracht hat, erfiillt die hochste Wonne, ihn, dessen Leiden- schaft (rajas) beschwichtigt, der zu Brahman, dem sundlosen, geworden ist.

28. (1092.) In dieser Weise allezeit sich seinem Atman hin- gebend, wird der Yogin, von Siinde frei, mit Lust die in der Einswerdung mit Brahman hestehende, uneridHche Wonne erlangen.

29. (1093.) Er schaut sein eigenes Selbst in alien Wesen und alle Wesen in dem eigenen Selbst, mit seinem Selbst dem Yoga hingegeben, erblickt er iiberall das gleiche Wesen.

30. (1094.) Wer mich in allem sieht und alles sieht in mir, dem gehe ich nicht verloren, und der geht mir nicht verloren.

31. (1095.) Wer mich verehrt als in alien Wesen weilend und in der Einheit feststeht, in welcher Lage der auch immer sein mag, er ist ein Yogin, ist in mir.

32. (1096.) Wer, o Arjuna, wegen der Gleiclilieit mit dem eigenen Selbste iiberall das Gleiche sieht, sei es im Gliick, sei es im Ungliick, er ist ein vollendeter Yogin.

Arjuna sprach:

33. (1097.) Der Yoga, von dem du lehrst, o Madhusudana, dafs er in [dem Bewufstsein] der Gleichheit bestehe, der kann doch wegen der Wankelmiitigkeit nicht von bestandiger Dauer sein.

34. (1098.) Denn wankelmiitig ist das Manas, o Krishna, ungestiim, gewaltig, stark, und seine Ziigelung, wie die des Windes, ist schwer zu vollbringen.

Der Heilige sprach:

35. (1099.) Ohne Zweifel, o Grofsarmiger, ist das Manas schwer zu ziigeln und beweglich, aber durch Ubung, o Kunti- sohn, und durch Entsagung wird es bezwungen.

36. (1100.) Von dem freilich, dessen Selbst ungebandigt ist, ist der Yoga schwer zu erlangen, so meine ich; wer aber sich selbst in Gehorsam halt und beherrscht, der kann ihn durch das rechte Mittel erlangen.

62 II- Bhagavadgita,.

Arjuna sprach:

37. (1101.) Wenn einer sich nicht selbst bezwingt, wenn er zwar von Glauben erfiillt isi, aber vom Yoga mit seinem Manas abfallt, und so die Yogavollendung nicht erreicht, was wird, o Krishna, aus diesem?

38. (1102.) Wird er nicht beider [der Frucht des Glaubens und des Yoga] verlustig gehen und zerfliefsen, wie eineWolke, die sich zerteilt, da er, o Grofsarmiger, ohne Halt und auf dem Pfade zu Brahman hin verirrt ist?

39. (1103.) Diesen Zweifel, o Krishna, mufst du mir volHg losen, denn nicht gibt es einen aufser dir, der diesen Zweifel losen konnte.

Der Heilige spracli:

40. (1104.) 0 Prithasohn, ein solcher ist weder in dieser Welt noch in der andern ein Verlorener, denn nicht kann irgendeiner, der etwas Gutes tut, einen schlimmen Gang gehen.

41. (1105.) Daher ein solcher, nachdem er die Welten der- jenigen, welche gute Werke getan, erlangt und in ihnen zahllose Jahre geweilt hat, darauf, wenn er auch des Yoga verlustig ging, doch in einem reinen und gliicklichen Hause wiedergeboren wird.

42. (1106.) Oder er wird sogar geboren in der Familie weiser Yogin's; und das ist schwerer als alles andere in der Welt zu erlangen, dafs man einer solchen Geburt teilhaft wird.

43. (1107.) Daselbst erlangt er dieselbe Einsicht, die er schon in seiner friihern Geburt hatte, o Liebling der Kuru's, und strebt von ihr aus weiter hin zur VoUendung.

44. (1108.) Vermoge jener seiner friihern Bemiihung eben wird er auch wider Willen fortgerissen, ist bestrebt den Yoga kennen zu lernen und kommt ilber das blofse Wortbrahman (Maitr. Up. 6,22) hinaus.

45. (1109.) Und wenn er mit Ernst weiterstrebt , wird er sich als Yogin von der Siinde reinigen und, durch mannig- fache Geburten gelautert, endlich den hochsten Weg gehen.

46. (1110.) Der Yogin steht hoher als die, welche das Tapas iiben, hoher audi als die, welche der Erkenntnis leben ; der Yogin steht auch hoher als die, welche die Werke be- treiben; darum werde ein Yogin, o Arjuna.

VI (Adhyaya 30). 63

47. (nil.) Aber unter alien Yogin's ist der, welcher sein inneres Selbst mir hingibt und glaubig mich verehrt, der mir am innigsten Verbundene.

So lautet in der BbagavadgltA die Hingebung an die Selbstbezwingnng

(dtma-samyaina-yoga).

VII (Adhyaya 31).

Vers 1112-1141 (B. 1-30).

Der Heilige spracli:

1. (1112.) Wenn du, o Prithasohn, mit deinem Geiste mir hingegeben und auf mich bauend den Yoga betreibst, so wirst du sicherlich mich voll und ganz erkennen; vernimm, in welcher Weise.

2. (1113.) Ich will dir jetzt diejenige Erkenntnis, dasjenige Wissen vollstiindig mitteilen, nach dessen Erkenntnis hie- nieden nichts weiteres mehr zu erkennen iibrig ist.

3. (1114.) Unter tausend Menschen gibt es kaum einen, der nach VoUendung strebt, und unter diesen Strebenden und zur Vollendung Gelangenden gibt es kaum einen, der mich in Wahrheit erkennt.

4. (1115.) Die Erde, das Wasser, das Feuer, der Wind und der Ather, das Manas, die Buddhi und der Ahankara, diese machen meine Natur fpraJcritiJ aus, sofern sie achtfach gespalten ist.

5. (inc.) Du mufst aber wissen, o Grofsarmiger, dafs ich noch eine andere, von dieser verschiedene, hochste Natur (pralmtij habe, welche eine lebendige Seele ist, und von der diese ganze Welt getragen wird.

6. (1117.) Diese meine Naturen sind der Mutterschofs aller Wesen, das merke wohl, ich bin fiir diese ganze Lebewelt der Ursprung und auch der Untergang.

7. (1118.) Es gibt, o Beutemacher, nicht irgend etwas an- deres, welches hoher ware als ich; wie eine Perlenreihe an der Schnur, so ist an mir die ganze Welt aufgereiht.

8. (1119.) Ich bin der Geschmack in den Wassern, o Sohn der Kunti, ich bin der Lichtglanz in Mond und Sonne, ich

64 II- Bhagavadgita.

bin der heilige Laut fomj in den Veden, bin der Ton im Ather, bin in den Mannern die Manneskraft.

9. (1120.) Ich bin der reine Geruch in der Erde, ich bin das Licht in des Feuers Glanz, bin das Leben in alien Wesen, bin das Tapas der Tapas-Ubenden.

10. (1121.) Ich bin, das sollst du wissen, o Prithasohn, der ewige Same aller Wesen, ich bin der Verstand der Ver- standigen, bin die Kraft der Kraftvollen.

11. (1122.) Ich bin die Starke der Starken, soweit sie sich von Begier und Leidenschaft frei halt, ich bin, o Stier der Bharata's, die Liebe in den Wesen, sofern sie dem Gesetze nicht zuwiderlauft.

12. (1123.) Alle sattva-artigen Zustande, alle rajas-artigen und alle tamas-artigen stammen aus mir, das sollst du wissen ; ich bin nicht in ihnen, aber sie sind in mir.

13. (1124.) Von diesen drei auf den Guna's beruhenden Zustanden {hlidvahj wird diese ganze Welt in Verblendung gehalten und erkennt nicht mich, der ich iiber sie erhaben und unverganglich bin.

14. (1125.) Das ist jene, meine gottentstandene , aus den Guna's bestehende Maya (Blendwerk), welche schwer zu iiber- winden ist; wer aber zu mir seine Zuflucht nimmt, der schreitet iiber jene Maya hinaus.

15. (1126.) Nicht aber gelangen zu mir die Ubeltater, die Verblendeten , der Menschen Niedrigste, sondern durch die Maya der Erkenntnis beraubt, haben sie auf eine damonische Natur ihr Vertrauen gesetzt.

16. (1127.) Vier Arten sind, o Arjuna, der guten Menschen, "welche mich verehren : der Bedrangte, der Erkenntnisdurstige, der Giiterverlangende und der Erkennende, o Stier der Bharata's.

17. (1128.) Unter ihnen zeichnet sich aus als immer hin- gegeben und nur eines verehrend der Erkennende, denn dem Erkennenden bin ich lieb iiber alles, und er ist mir lieb.

18. (1129.) Hochstrebend sind alle Genannten, aber der Erkennende ist mein eigenes Selbst, so sage ich; denn er, mit hingegebenem Geiste, vertraut auf mich als hochste Zuflucht.

19. (1130.) Wer die Erkenntnis besitzt, der geht am Ende "vieler Geburten zu mir ein; „dieses Wei tall ist Vasudeva"

VII (Adby^ya 31). 65

(Krishna), so denkt ein solcher Hochherziger , schwer zu Findender.

20. (1131.) Andere liiDgegen, deren Erkenntnis bald durch diese, bald durch jene Begierde fortgerafft wird, nehmen ihre Zuflucht zu anderen Gottheiten, bald dieser, bald jener Notigung gehorchend, genotigt durch ihre eigene Natur fprdkritij.

21. (1132.) Wer immer, irgendeiner Gestalt ergeben, sie im Glauben zu verehren wunscht, ich bin es, der einem sol- chen seinen unerschiitterlichen Glauben verleiht.

22. (1133.) Und mit diesem Glauben begabt, sucht er jene Gottheit giinstig zu stimmen und erhalt von ihr die Wiinsche, deren Erfiillung in Wahrheit nur von mir verfiigt wird.

23. (1134.) Aber die Frucht, welche solche Mehschen von heschranktem Geiste erreichen, ist eine endliche; zu den Gottern gehen sie, welche die Gotter verehren; wer mir an- hangt, der kommt auch zu mir.

24. (1135.) Jene Toren wahnen, dafs ich nur das Un- entfaltete favyalitam, prakritij bin, welches zur Entfaltung gelangt sei; mein hochstes, unvergangliches , uniibersteig- liches Wesen aber, das kennen sie nicht.

25. (113G.) Nicht jedem bin ich erkennbar, der ich von dem Zauber des Yoga umhiillt bin; diese betorte Welt er- kennt mich nicht, den Unentstandenen , Unverganglichen.

26. (1137.) Ich kenne die vergangenen Wesen und die gegenwartigen und die zukiinftigen, mich aber kennt nie- mand, o Arjuna.

27. (1138.) Durch die aus Begierde und Hafs entspringende Verblendung in den Gegensatzen, o Bharata, geraten alle Wesen der geschaffenen Welt, o Feindbezwinger, in die Irre.

28. (1139.) Diejenigen Menschen aber, deren Boses durch heilige Werke ein Ende genommen hat, die werden befreit von dem Wahn der Gegensatze und verehren mich mit un- erschiitterlichem Geliibde.

29. (1140.) Diejenigen, welche zu mir ihre Zuflucht nehmen und nach Erlosung von Alter und Tod streben, die gelangen zur Erkenntnis des Brahman, des ganzen eigenen Selbstes und alles Werks.

Beussen, Mah4bli4iatain. ^

QQ II. Bliagavadgita.

30. (1141.) Wer aber mich erkennt als gegenwartig in den AVesen, gegenwartig in den Gottern und gegenwartig im Opfer, der wird mich hingegebenen Geistes auch dann er- kennen, wenn es mit ihm zu Ende geht.

So lautet in der Bhagavadgit4 die Hingebung an die Erkenntnis (jhdna-yoga).

VIII (Adhyaya 33).

Vers 1142-1169 (B. 1-28).

Arjuna sprach:

1. (1142.) Was ist jenes Brahman, was ist das eigene Selbst und was ist das Werk (oben, Vers ii4o), o hochster Geist, und was ist das von dir (oben, Vers ii4i) erwahnte Gegenwartigsein in den Wesen und Gegenwartigsein in den Gottern?

2. (1143.) Und wie kann einer, der in diesem Leibe ver- korpert ist, gegenwartig in den Opfern sein, o Madhusudana, und wie konnen die, welche ihr Selbst bezwungen haben, dich erkennen, wenn es mit ihnen zu Ende geht?

Der Heiiige sprach:

3. (1144.) Das Brahman ist das hochste UnvergangHche ; unter dem eigenen Selbste ist die eigene Natur zu verstehen; und Werk heilst die Opferspende, welche die Beschaffenheit und das Entstehen der Wesen bedingt.

4. (1145.) Meine Gegenwart in den Wesen ist mein fliefsen- des Sein, meine Gegenwart in den Gottern ist der Purusha [mein Sein als Purusha], meine Gegenwart in den Opfern ist mein in diesem Leibe verkorpertes Ich, o Edelster der Ver- korperten.

5. (114G.) Und wer, wenn er den Leib verlafst, dahin- scheidet, indem er in seiner letzten Stunde meiner gedenkt, der geht in meine Wesenheit ein, daran ist kein Zweifel.

6. (1147.) Denn, an welches Sein denkend, einer zur End- zeit den Leib verlafst, zu diesem Sein geht er ein, o Kunti- sohn, indem er jedesmal zu dessen Natur umgestaltet wird.

VIII (Adhyaya 32). 67

7. (1148.) Darum mogest du zu alien Zeiten an mich denken und [deine Pflicht erfullend] kampfen; auf mich Sinn und Verstand richtend, wirst du zu mir eingehen, daran ist kein Zweifel.

8. (1149.) Wer mit einem durch Studium und Yoga hin- gegebenen, niclit zerstreuten Geiste den hochsten, himmlischen Purusha iiberdenkt, der geht, o Sohn der Pritha, zu ihm ein.

9. (1150.) Wer da iiberdenkt den alien Weisen, den Gebieter, den Kleinern als das Kleinste, den Schopfer des Wei tails, den unausdenkbaren, sonnenfarbigen, finster- nisjenseitigen,

10. (1151.) wer diesen zur Endzeit mit unentwegtem Geiste durch Verehrung und Yogakraft, ihm hingegeben, iiberdenkt, indem er den Prana vollstandig sammelt zwischen den Augenbrauen, der geht zum gottlichen hochsten Geiste ein.

11. (1152.) Das Unvergangliche faksharam, audi die Silbe omj, welches die Vedakenner sprechen, in welches die leidenschaftfreien Selbstbezwinger eindringen, nach welchem verlangend man den Lebenswandel als Brahma- carin auf sich nimmt, dieses als Wort will ich dir in einem Inbegriffe sagen (vgl. Kath. Up. 2,15).

12. (1153.) Wenn einer alle Pforten [des Korpers] schliefst, das Manas im Herzen zuriickhalt, seinen Lebenshauch im Haupte ansammelt, und so die Festigkeit im Yoga erlangt,

13. (1154.) wenn ein solcher, die Silbe Om, welche das Brahman bedeutet, aussprechend und meiner dabei gedenkend, dahinscheidet, indem er den Leib verlafst, der geht den hoch- sten Gang.

14. (1155.) Wer immerfort, ohne seine Gedanken auf etwas anderes zu richten, unentwegt meiner gedenkt, fiir einen sol- chen bestandig sich hingebenden Yogin bin ich, o Sohn der Pritha, leicht zu erlangen.

15. (1156.) Und wenn sie zu mir gelangt sind, so brauchen sie nicht einzugehen in eine abermalige Geburt, in eine solche vergangliche Behausung der Schmerzen, sie, die hohen Geistes die hochste VoUendung erreicht haben.

5*

g3 II. Bhagavadgita.

16. (1157.) Alle Welten bis hinauf zur Brahmanwelt sind [zur Erde] zuriickfiihrend , o Arjuna; wer aber zu mir ein- geht, o Sohn der Kunti, fiir den gibt es keine abermalige Geburt mehr.

17. (1158.) Wenn man erkannt hat, dafs ein Tag des Brah- man die Dauer von tausend Yuga's (Weltaltern) befafst und dafs seine Nacht ebenfalls tausend Yuga's durch dauert, die Menschen, die das erkannt haben, die wissen in Wahr- heit, was Tag und Nacht sind.

18. (1159.) Bricht der Tag an, so gehen aus dem Un- entfalteten alle Entfaltungen hervor, bricht die Nacht an, so zergehen sie wieder in jenem, was das Unentfaltete heifst.

19. (1160.) Diese ganze Schar der Wesen, welche wird und immer wieder wird, zergeht, wenn die Nacht anbricht, o Sohn der Pritha, und sie entsteht wieder beim Anbruche des Tages, [beides] gegen ihren Willen.

20. (1161.) Aber jene andere Wesenheit, welche hoher als jenes Unentfaltete, auch unentfaltet und ewig ist, die geht nicht zugrunde, wenn auch alle Wesen zugrunde gehen.

21. (1162.) Diese unentfaltete Wesenheit ist es, welche man AJcshara (unverganglich) nennt und als das hochste Ziel bezeichnet, zu welchem gelangt man nicht zuriickkehrt, und das ist meine hochste Wohnstatte.

22. (1163.) Das ist, o Prithasohn, jener hochste Purusha, der durch eine nur ihm zugewandte Verehrung ergriffen wird, der alle Wesen in sich befafst und durch den dieses ganze Weltall ausgebreitet ist.

23. (1164.) Zu welcher Zeit aber hinscheidend die Yogin's zur Nichtwiederkehr oder aber zur Wiederkehr gelangen, die Zeit, o Stier der Bharata's, will ich dir sagen.

24. (1165.) Das Feuer als Licht, der Tag, die helle Monats- halfte, die sechs Monate, da die Sonne nach Norden geht, auf diesem Wege [dem Gotterwege] fortziehend, gehen die brahmanwissenden Menschen zu Brahman ein.

25. (1166.) Der Rauch, die Nacht, die dunkle Monatshalfte, die sechs Monate, da die Sonne nach Siiden geht, auf diesem Wege [dem Vaterwege] gelangt der Yogin zu dem Lichtreiche des Mondes und mufs wieder zuriickkehren.

VIII (Adhyliya 32). 69

26. (1167.) Diese beiden Wege, der helle und der dunkle [welche aus Chand. Up. 5,3—10 == Brih. Up. 6,2 ubernommen, aber vom Verfasser mifsverstanden werden], bestehen ewig fiir die Welt der Lebenden, auf dem einen gelangt man zur Nichtwiederkehr, auf dem andem kehrt man wieder zuriick.

27. (1168.) Keiner, o Prithasohn, der als Yogin diese beiden Wege kennt, geht in der Irre, darum, o Arjuna, sei zu alien Zeiten des Yoga beflissen.

28. (1169.) Alles, was als Frucht guter Werke fiir Veda- studium, Opfer, Askese und Almosengeben verheifsen wird, das alles iiberschreitet , dieses wissend, der Yogin und gelangt zu der hochsten, uranfanglichen Statte.

So lautet in der Bbagavadgiti die Hingebung an den grofsen Geist (mahdpurusha - yoga).

IX (Adhyaya 33).

Vers 1170-1204 (B. 1-34).

Der Heilige sprach:

1. (1170.) Dieses aber will ich als Geheimnisvollstes dir, der du mich willig anhorst, verkiindigen, eine Erkenntnis, von Wissen begleitet, welcbe erkannt habend, du erlost werden wirst von dem Ubel.

2. (1171.) Ein Konigswissen, ein Konigsgeheimnis ist dieses hochste Lauterungsmittel , unmittelbar verstandlich , heilig, leicht auszufiihren und unverganglich.

3. (1172.) Menschen, welche an diese Satzung nicht glau- ben, 0 Feindbezwinger, gelangen nicht zu mir und kehren zuriick auf dem Wege des Todes und der Seelenwanderung.

4. (1173.) Von mir in der Gestalt des Unentfalteten ist diese ganze Welt ausgebreitet worden. Alle Wesen werden von mir, nicht aber werde ich von ihnen befafst.

5. (1174.) Und doch werden auch wieder die Wesen nicht von mir befafst, da siehst du meine gottliche Zauberkunst: Ich trage die Wesen und bin doch nicht in den Wesen be- fafst, mein Selbst ist der Bildner der Wesen.

70 n. Bhagavadgita.

6. (1175.) Wie, von dem Raume befafst, der grofse Wind immerfort nach alien Seiten streicht, so werden alle Wesen von mir befafst, das sollst du merken.

7. (1176.) Alle Wesen, o Sohn der Kunti, gehen zuriick in meine Natur fprakritij, wenn ein Kalpa (Weltperiode) zu Ende geht, und wiederum bin ich es, der sie am Anfang des nachsten Kalpa erschafft.

8. (1177.) Immer wieder und wieder schaffe ich, auf meine eigene Natur fprdkritij mich stiitzend, diese ganze Schar der Wesen auch gegen ihren Willen (oben. Vers iieo) kraft meiner Prakriti.

9. (1178.) Und doch binden mich diese Werke nicht, oBeute- macher, sondern ich sitze da wie einer, der miifsig ist, und bin nicht in diesen Werken befangen.

10. (1179.) Durch mich als Aufseher [getrieben] gebiert die Prakriti das Bewegliche und Unbewegliche [Menschen, Tiere und Pflanzen], und dies ist die Ursache, o Kuntisohn, durch welche die Welt der Lebenden in Umlauf bleibt.

11. (1180.) Gering achten mich, wenn ich in einen mensch- lichen Leib eingehe, die Toren, welche mein hochstes Sein als grofser Gott der Wesen nicht kennen.

12. (1181.) Ihr Hojffen ist eitel, ihre Werke sind eitel, ihr Wissen ist eitel; unbesonnen vertrauen sie auf meine damo- nische, wider go tthche, verblendende Prakriti.

13. (1182.) Aber edelgesinnte Menschen vertrauen auf mich, o Prithasohn, auf meine gottliche Prakriti, und verehren un- entwegten Geistes das, was sie als den ewigen Ursprung der Wesen erkannt haben.

14. (1183.) Ohne Unterlafs preisen sie mich und streben zu mir festen Geliibdes, und indem sie mir glaubig huldigen, verehren sie mich in bestandiger Hingebung.

15. (1184 vacat. 1185.) Audcro verchren mich, indem sie mir ihre Erkenntnis als Opfer darbringen, mich, der ich als Ein- heit bestehe und vielfach als Besonderheit nach alien Seiten mich erstrecke.

16. (1186.) Ich bin die Opferhandlung, bin das Gotteropfer und Manenopfer, ich bin der Pflanzensaft , der Spruch, die Opferbutter, das Opferfeuer und zugleich das Geopferte.

IX (Adhyaya 33). 71

17. (1187.) Ich bin der Vater dieser Welt und die Mutter, der Schopfer, der Allvater, ich bin des Wissens Inbegriff, das Lauterungsmittel, die Silbe Om^ bin Ric, Saman und zu- gleich Yajus.

18. (1188.) Ich bin das Ziel, der Erhalter, der Herr, der Zeuge, die Wohnstatte, die Zuflucht, der Freund, ich bin Entstehen und Vergehen, der Standort, der Hort, der ewige Same.

19. (1189.) Ich brenne [als Sonne], ich halte den Regen zuriick und lasse ihn stromen, ich bin das Unsterbliche und der Tod [Gotter und Menschen], bin das Seiende und das Nicht-Seiende, o Arjuna.

20. (1190.) Von mir erflehen die Drei-Veda-Kenner, die Somatrinker, vom Bosen gelautert und das Opfer dar- bringend, den Weg zum Himmel, und sie gelangen zu der heiligen Welt des Fiirsten der Gotter und geniefsen im Himmel himmlische Gotterfreuden.

21. (1191.) Und nachdem sie die weite Himmelswelt genossen haben, kehren sie nach Verbrauch ihrer guten Werke zur Welt der Sterblichen zuriick. In dieser Weise, der Satzung der drei Veden folgend und nach Wiinschen verlangend, erlangen sie Hingehen und Wiederkommen.

22. (1192.) Die Menschen aber, welche, ihr Denken auf nichts anderes richtend, mich verehren, diesen allezeit Be- flissenen bereite ich Erwerb und Besitz [des Ewigen].

23. (1193.) Diejenigen aber, welche, anderen Gottern an- hangend, dieselben glaubig verehren, auch diese verehren in Wahrheit mich, o Kuntisohn, auch ohne dafs eine Vorschrift dafiir vorherginge.

24. (1194.) Denn ich bin der Geniefser und der Herr aller Opfer; aber sie erkennen mich nicht in Wahrheit, und darum sinken sie herab [im Samsara].

25. (1195.) Zu den Gottern gehen die, welche den Gottern anhangen, zu den Vatern die, welche den Vatern anhangen, zu den Damonen die, welche die Damonen fhhutaj verehren, wer mich verehrt, der geht zu mir.

26. (1196.) Wer auch nur ein Blatt, eine Blume, eine Frucht, ein Wasser mir verehrungsvoll darbringt, das geniefse ich,

72 II- Bhagavaclgit&,.

wenn es mir in Verehrung mit hingegebenem Geiste dar- gebracht worden ist.

27. (1197.) Was du tust, was du ifst, was du opferst und was du schenkst und was du dir als Kasteiung auferlegst, o Sohn der Kunti, das mache zu einer Gabe an mich.

28. (1198.) Auf diese Weise wirst du erlost werden von den an die Werke gekniipften guten und schlimmen Friichten, und, magst du dich der Entsagung oder der Hingebung [an die Werke] widmen, erlost zu mir eingehen.

29. (1199.) Fiir alle Wesen bin ich der Gleiche, ich habe keinen, den ich basse, und keinen Giinstling, die aber in Ver- ehrung mir anhangen, die sind in mir und ich bin in ihnen (vgl. Ev. Joh. 14, Vers 20).

30. (1200.) Und ware einer gewesen von sehr bosem Wan- del, der mich und nichts aufser mir verehrte, der mufs als ein Guter gelten, weil er sich zur rechten Gesinnung ent- schlossen hat.

31. (1201.) Er wird bald ein Rechtschaffener und geht ein zum ewigen Frieden; o Kuntisohn, das lafs dir gesagt sein, wer mir anhangt, der geht nicht verloren.

32. (1202.) Denn die, welche auf mich vertrauen, o Pritha- sohn, auch wenn sie von schlechter Geburt sind, auch wenn sie Weiber oder Vaigya's oder Qudra's sind, auch solche gehen den hochsten Gang (Galater 3,28),

33. (1203.) um wieviel mehr heilige Brahmanen und fromme Konigsweise ! Da du geraten bist in diese vergangliche, freud- lose Welt, so verehre mich.

34. (1204.) Auf mich richte deinen Geist, mir huldige, mir opfere, mich verehre, so wirst du, in dieser Weise dich mir hingebend und mich iiber alles schatzend, zu mir eingehen.

So lautet in der Bhagavadgltd.

die Hingebung an das Eonigs^Yis6en und Eonigsgeheimois

(rdjavidyd - rdjaguhija - yoga).

X (Adhy^ya 34). 73

X (Adhyaya 34).

Vers 1205-1246 (B. 1-42).

Der Heilige sprach:

1. (120B.) Noch welter, o Grofsarmiger , vernimm meine allerhochste Rede, welche ich dir, den ich liebe, mitteilen will aus "Wohlwollen fiir dich.

2. (1206.) Niclit die Scharen der Goiter, niclit die grofsen Weisen kennen meinen Ursprung, denn ich bin der Anfang der Gotter und der grofsen Weisen alliiberall.

3. (1207.) Wer micli weifs als den Ungeborenen, den An- fanglosen, als den grofsen Herrn der Welt, der lebt unter den Menschen ohne Verblendung und wird von allem Bosen erlost.

4. (1208.) Verstand, Wissen, Besonnenheit, Geduld, Wahr- haftigkeit, Bezahmung, Ruhe, Lust, Schmerz, Entstehen und Nichtsein, Furcht und Furchtlosigkeit ,

5. (1209.) Schonung, Gleichmut, Zufriedenheit , Askese, Freigebigkeit, Ehre und Schande, alle diese einzelnen Zu- stande fbJidvdhJ der Wesen entspringen aus mir.

6. (1210.) Meines Wesens sind die sieben vorweltlichen grofsen Weisen und die vier Manu's, sie sind meine geistigen Sohne, deren Weltschopfung diese Wesen sind.

7. (1211.) Wer diese meine Machtentfaltung und Zauber- kunst fyogaj in Wahrheit erkennt, der wird mit unerschiitter- lichem Yoga angetan, daran ist kein Zweifel.

8. (1212.) Ich bin der Ursprung des Weltalls, aus mir ent- wickelt sich das Weltall, das wissen die Weisen und ver- ehren mich, in Liebe mir hingegeben.

9. (1213.) An mich denkend und mir das Leben hingebend, ermahnen sie sich gegenseitig, riihmen mich fort und fort und finden in mir ihre Befriedigung und Freude.

10. (1214.) Solchen Menschen, wenn sie, auf Grund ihrer Liebe zu mir, mir immerfort hingegeben und anhanglich sind, verleihe ich jene Vertiefung der Erkenntnis, durch welche sie zu mir gelangen.

74 II. Bhagavadgita.

11. (1215.) Und aus Mitleid mit ihnen gehe ich in ihr Wesen ein und vernichte die aus dem Nichtwissen entsprungene Finsternis durch die leuchtende Fackel der Erkenntnis.

Arjuna sprach^

12. (1216.) Das hochste Brahman, die hochste Statte, das hochste Lauterungsmittel bist du, o Herr; fiir den ewigen, himmlischen Purusha, fiir den Urgott, den ungeborenen, all- durchdringenden,

13. (1217.) erklaren dich alle die Weisen und der Gotter- weise Narada nebst Asita, Devala und Vyasa, und auch du selber sagst es mir.

14. (1218.) Alles das nehme ich als wahr an, was du mir sagst, o Vollhaariger , denn weder Gotter noch Damonen, o HeiHger, kennen deine Entstehung.

15. (1219.) Nur du allein kennst dich selbst durch dich selbst, o hochster Geist, du Wesenbildner, du Wesenherr, du Gottergott, du Weltgebieter.

16. (1220.) So sage es mir ohne Vorbehalt, denn himm- hsch sind deine Machtentfaltungen, durch welche Macht- entfaltungen du, die Welten durchdringend, dastehst.

17. (1221.) Wie kann ich als Yogin dich erkennen, dar- iiber sinnend fiir und fiir, und in welcherlei Wesensformen bist du, o Heiliger, von mir zu iiberdenken?

18. (1222.) Erklare mir noch mehr, o Janardana, in Aus- fiihrhchkeit deine Zauberkunst (yoga) und Machtentfaltung, denn wenn ich dir zuhoren darf, bietet mir selbst Ambrosia kein Geniige mehr.

Der Heilige sprach:

19. (1223.) Wohlan! ich will sie dir verkiinden, dennliimm- lisch sind meine Entfaltungen , im ganzen und grofsen, o Bester der Kuru's, denn meiner Ausbreitung ist kein Ende.

20. (1224.) Ich bin, o Lockiger, die Seele, die in der Tiefe aller Wesen weilt, ich bin der Anfang der Wesen, bin ihre Mitte und ihr Ende,

21. (1225.) Ich bin Vishnu unter den Aditya's, bin unter den Lichtern die strahlende Sonne, bin Marici unter den Marut's, ich bin unter den Gestirnen der Mond.

X (Adhyaya 34). 75

22. (1226.) Icli bin der Samaveda unter den Veden, bin Vasava (Indra) unter den G(3ttern, das Manas unter den Sinnes- organen, der Geist in den Wesen.

23. (1227.) Ich bin Qaiikara (Qiva) unter den Rudra's, bin der Schatzeherr (Kubera) unter den Yaksha's und Rakshas', der Gott des Feuers unter den Vasu's, der Gotterberg Meru unter den Bergen.

24. (1228.) Unter den Hauspriestern, o Prithasohn, wisse, bin ich Brihaspati, unter den Heerfiihrern Skanda (Kriegsgott), unter den Wassern der Ozean.

25. (1229.) Ich bin Bhrigu unter den grofsen Weisen, bin die eine Silbe fomj unter den Worten, unter den Opfern bin ich das Opfer des Murmelns, unter den Bergen bin ich der Himalaya.

26. (1230.) Unter alien Baumen bin ich der Agvattha (Ficus religiosaj, unter den Gotter weisen Narada, unter Gandharva's Citraratha, unter den Seligen der rote Weise [Jcapilo munih, vgl. Qvet. Up. 5,2; der rote Weise ist Hiranyagarbha].

27. (1231.) Unter den Rossen wisse mich als Uccaih(?ravas, der zugleich mit dem Amritam entstand, unter den edelsten Elefanten als Airavata, unter den Menschen als Konig.

28. (1232.) Unter den Waffen bin ich der Donnerkeil, unter den Kiihen die himmlische Wunschkuh, ich bin der zeugende Liebesgott, bin Vasuki unter den Reptilien.

29. (1233.) Unter den Schlangen bin ich Ananta (Schlange des Vishnu), unter den Seeungeheuern Varuna, unter den ab- geschiedenen Vatern bin ich Aryaman, unter den Zwingherren Yama (der Hollenfiirst).

30. (1234.) Unter den Daitya's bin ich Prahlada, fiir die Zahlenden bin ich die Zeit, unter den Waldtieren der Lowe, unter den Vogeln der Vogel des Vishnu.

31. (1235.) Ich bin der Wind unter den Luftreinigern, Rama unter den Waffentragern, unter den Meertieren bin ich der Delphin, unter den Fliissen die Ganga.

32. (1236.) Ich bin Anfang, Mitte und Ende der Schopfungen, unter den Wissenschaften bin ich das Wissen vom hochsten Atman, ich bin die These der Disputierenden.

76 II. Bhagavadgita,.

33. (1237.) Unter den Lauten bin ich der a-Laut, unter den zusammengesetzten Wortern die kopulative Zusammen- setzung (dvanda)^ ich bin die unvergangliche Zeit, ich bin der Schopfer mit Angesichtern nach alien Seiten.

34. (1238.) Ich bin der alles dahinraffende Tod, ich bin die Entstehung dessen, was entsteht, ich bin unter den weib- Uchen Gotterwesen die Ehre, die Schonheit und die Rede, die Erinnerung, die Weisheit, die Festigkeit und die Geduld.

35. (1239.) Unter den Saman's bin ich das Brihatsaman, unter den Metren die Gayatri, unter den Monaten der Marga- Qirsha (der erste Monat im Jahre), unter den Jahreszeiten bin ich die Blumenreiche.

36. (1240.) Unter dem, was triigt, bin ich das Wiirfelspiel, ich bin der Glanz der glanzenden Dinge, ich bin der Sieg, die Entschlossenheit, die Giite fsattvamj der Guten.

37. (1241.) Unter den Vrishnisohnen bin ich Vasudeva (Krishna), unter den Pandava's bin ich der Beutemacher (Arjuna), unter den Weisen bin ich Vyasa, unter den Meistern bin ich der Meister Uganas.

38. (1242.) Ich bin die Rute der Ziichtigenden , bin die Staatsklugheit der nach Sieg Strebenden, das Schweigen der Geheimnisse, bin das Wissen der Wissenden.

39. (1243.) Und was bei alien lebenden Wesen der Same ist, das bin ich, o Arjuna; es gibt kein Wesen ,. beweglich Oder unbeweglich, welches ohne mich ware.

40. (1244.) Kein Ende ist meiner himmlischen Macht- entfaltungen , o Feindbezwinger, und nur andeutungsweise habe ich dir diese Auseinandersetzung meiner Machtentfaltung mitgeteilt.

41. (1245.) Alles, was machtig und gut, alles, was schon und liraftvoU ist, das aUes, sollst du wissen, entsteht als ein Teil aus meiner Kraft.

42. (1246.) Aber was soil dir dieses vielerlei Wissen, o Ar- juna! Ich beharre und trage mit einem Teile von mir die ganze Welt der Lebenden.

So lautet in der Bhagavadglti die Zauberkunst der Machtentfaltung (vibhuti-yoga).

XI (Adhy&ya 35). 77

XI (Adhyaya 35).

Vers 1247-1301 (B. 1-55).

Arjuna sprach:

1. (1247.) Dieweil du aus Gnade gegen mich diese hochste geheimnisvolle Rede, die da lieifst die Rede vom hochsten Atman, mitgeteilt hast, darum ist meine Betorung von mir gewichen.

2. (1248.) Denn ich habe ausfiihrlich nun vernommen den Ursprung und Vergang der Wesen von dir, o Lotosaugiger, und die unvergangliche Majestat.

3. (1249.) So wie du nun in dieser Weise dich selbst ge- schildert hast, o hochster Gott, so mochte ich deine gottUche Gestalt schauen, du hochster Geist.

4. (1250.) Wenn du es fiir moghch haltst, dafs dieselbe von mir gesehen wird, o Gebieter, dann zeige du mir, o Herr des Yoga, dein unverganghches Selbst.

Der Heilige sprach :

5. (1251.) Siehe, o Prithasohn, meine Gestalten hundert- fach und tausendfach, die mannigfaltigen, himmlischen, welche mancherlei Farben und Formen zeigen.

6. (1252.) Siehe die Aditya's, die Vasu's, die Rudra's, die Agvin's und die Marut's, siehe, o Bharata, viele nie zuvor gesehene Wundergestalten,

7. (1253.) siehe hier gegenwartig vereinigt die ganze Welt des Beweglichen und Unbeweglichen in meinem Leibe, o Lockiger, und was du sonst noch zu sehen wiinschst.

8. (1254.) Aber du wirst mich nicht mit diesem deinem eigenen Auge sehen konnen [lies: gaJcshyase mit Schlegel]; ich gebe dir ein himmlisches Auge, mit dem soUst du meine gottliche Zauberkunst sehen.

Sanjaya (der Erzahler) sprach:

9. (1255.) Nachdem so, o Konig, der Herr der grofsen Zauberkraft Hari (Vishnu -Krishna) gesprochen hatte, zeigte er dem Sohne der Pritha seine hochste gottliche Gestalt,

78 II. BhagavadgM.-

10. (1256.) mit vielen Miindern und Augen, mit vielen wunderbaren Anblicken, mit vielem himmlischem Schmucke, mit himmlischen geziickten Waffen von mancherlei Art,

11. (1257.) ihn, den mit himmlischen Kranzen und Ge- wandern angetanen, mit himmlischen Wohlgeriichen gesalb- ten, alle Wunder in sich hefassenden, unendlichen, nach alien Seiten seine Angesichter kehrenden Gott.

12. (1258.) Wenn am Himmel auf einmal der Glanz von tausend Sonnen sich erhobe, ein solcher Glanz wiirde ahn- lich sein dem Glanze jenes Hochsinnigen.

13. (1259.) Daselbst schaute der Sohn des Pandu in dem Leibe des Gottes der Gotter die ganze Welt in einem befalst in ihren mannigfachen Teilen.

14. (1260.) Und von Erstaunen erfiillt, mit gestraubtem

Haare, verneigte sich der Ge winner der Giiter mit seinem

Haupte vor dem Gotte, legte seine Hande zusammen und

sprach :

Arjuna sprach:

15. (1261.) Ich sehe, o Gott, in deinem Leibe alle Gotter und die Schar der mannigfachen Wesen, den Gottherrn Brahman auf seinem Lotossitze und alle Rishi's und die himmlischen Schlangengotter.

16. (1262.) Ich sehe dich mit vielen Armen, Leibern, Miindern und Augen, deine Gestalt nach alien Seiten ins Unendliche erstreckend, kein Ende, keine Mitte und keinen Anfang deiner sehe ich, o Allgott, AUgestaltiger.

17. (1263.) Mit Diadem, mit Keule und mit Diskus in einer Fiille von Glanz, nach alien Seiten hinflammend, sehe ich dich, den schwer zu Schauenden, den nach alien Seiten wie flammendes Feuer und Sonnen Strahlenden, Unermefslichen.

18. (1264.) Du bist das hochste Unvergangliche , das soil man wissen, du bist der hochste Hort dieser ganzen Welt, du bist der unwandelbare Hiiter der ewigen Ge- setze, du bist von mir erkannt worden als der unver- gangliche Purusha.

19. (1265.) Ich sehe dich als ohne Anfang, Mitte und Ende, von unendlicher Tapferkeit, niit unendlichen Armen,

XI (Adhyliya 35). 79

mit Sonne und Mond als Augen, mit dem lohenden Opfer- feuer als Mund, mit deiner Glut das ganze Weltall durch- gliihend.

20. (1206.) Alles dies hier, was zwischen Himmel und Erde liegt, und alle Weltenraume sind erfiillt von dir, dem Einen. Die Dreiwelt, o Hochsinniger, sieht diese deine wunderbare, furchtbare Gestalt und erzittert.

21. (1-267.) Hier diese Scharen von Gottern gehen ein in dich, und andere, voll Furcht, lobsingen dir mit zu- sammengelegten Handen; „sei uns gegriifst", so sprechen Scharen von grorsen Weisen und Vollendeten, und preisen dich mit liberstromenden Lobgesangen.

22. (1268.) Die Rudra's, Aditya's, Vasu's und Sadhya's, die Vigve Devah, die beiden Agvin's, die Marut's, die Geniefser der Totenspende, die Gandharva's, Yaksha's, Asura's und Siddha's, in Scharen schauen sie dich an und alle staunen.

23. (1269.) Deine grofse Gestalt, deine vielen Miinder und Augen, o Grofsarmiger, deine vielen Arme, Schenkel und Fiifse, deine vielen Leiber, deine vielen, klaffenden Zahne, die Welten sehen sie und erbeben, und so auch ich.

24. (1270.) Wenn ich dich sehe, wie du bis zum Himmel aufreichst, flammend und vielfarbig, mit aufgerissenem Rachen, mit gliihenden grofsen Augen, so erzittert meine innere Seele, o Vishnu, und ich finde keine Fassung und keine Ruhe.

25. (1271.) Und wenn ich deine Miinder mit klaffendem Gebifs sehe, wie sie dem Weltuntergangsfeuer vergleich- bar sind, so unterscheide ich die Himmelsrichtungen nicht mehr und finde mir keine Rettung; sei gnadig, o Herr der Gotter, der du die Welt der Lebenden erfiillst!

26. (1272.) Auch sie [gehen ein] in dich, die Sohne dort des Dhritarashtra, alle mitsamt den iibrigen Scharen der Erdeherren, Bhishma und Drona und jener Wagen- lenkersohn (Karna), und ebenso die auf unserer Seite stehenden vorziigHchsten Kampfer,

80 II' Bhagavadgita.

27. (1273.) sie alle stiirzen eilig in deine zahneklaffen- den furclitbaren Raclien, und manche von ihnen scheinen schon mit zermalmten Hauptern zwischen deinen Zahnen zu hangen.

28. (1274.) Wie die vielen Wasserstiirze der Strome auf den Ozean zueilen, so stiirzen diese Helden der Men- schenwelt in deine ringsum flammenden Rachen.

29. (1275.) Wie Miicken sich zu ihrem Verderben mit "beschleunigter Eile in ein flammendes Feuer stiirzen, so stiirzen sich die Welten zu ihrem Verderben mit be- schleunigter Eile in deine Rachen.

30. (1276.) Du ziingelst, indem du die gesamten Wel- ten ringsum in deine gliihenden Rachen hineinschlingst, und deine furchtbaren Flammen, o Vishnu, erfiillen mit ihrem Lichtglanz die ganze Welt und setzen sie in Gluten.

31. (1277.) Erldare mir, wer du hist, der du diese furchtbare Gestalt tragst, Verehrung sei dir, o hochster Gott, sei mir gnadig ! Dich, den Uranfanglichen, mochte ich erkennen, denn ich begreife nicht, wie du dich be- tatigst.

Der Heilige sprach:

32. (1278.) Ich bin die Zeit, welche in ihrem Fortschrei- ten den Untergang der Welt bewirkt, und betatige mich hienieden darin, dafs ich die Menschen hinwegraffe ; und auch ohne dich wiirden sie alle nicht am Leben bleiben, sie, welche in Schlachtreihen als Kampfer gegeniiber- stehen.

33. (1279.) Deshalb erhebe dich, erwirb dir Ruhm, be- siege die Feinde, geniefse die gliickliche Herrschaft. Schon langst sind diese hier von mir erschlagen, du sollst nur mein Werkzeug sein, du auch mit der linken Hand Gewandter.

34. (1280.) Drona, Bhishma, Jagadratha, Karna und die anderen Kampfeshelden sind schon von mir erschlagen, so erschlage du sie ohne Zagen; kampfe, denn du wirst die Wider sacher in der Schlacht besiesen.

XI (Adhy&ya 35). 81

Saujaya (der Erzahler) sprach:

35. (1281.) Als dieses Wort des Vollhaarigen der Diadem- trager mit zusammengelegten Handen und zitternd gehort hatte, da sprach er in Ehrfurcht weiter zu Krishna mit stammelnder Stimme, vol! Angst und Schrecken, indem er sich verneigte.

Arjuna sprach:

36. (1282.) Mit Recht geschieht es, o Struppiger, dafs die Welt bei deinem Namen sich erfreut und an ihm hangt, dafs die bosen Geister von Furcht ergriffen nach alien Seiten fliehen und dafs alle Scharen der Vollendeten dir Verehrung zollen.

37. (1283.) Und wie sollten sie sich dir nicht beugen, o Hochsinniger , der du alter selbst als der Gott Brah- man, der du der Urschopfer bist; du, o unendlicher Herr der Gotter und Welterfiiller, du bist jenes Hochste, Un- vergangliche , das da ist und zugleich nicht ist.

38. (1284.) Du bist der Erstlingsgott, der Purusha, der Alte, du bist der hochste Hort dieses Weltalls, der Wisser alles Wifsbaren und die hochste Statte; durch dich ist dieses Weltall ausgebreitet, o Unendlichgestalteter.

39. (1285.) Du bist Vayu, Yama, Agni, Varuna und der Mondgott, du bist Prajapati und der Ururvater der Welt. Verehrung sei dir, Verehrung tausendfach und abermals und weiter Verehrung um Verehrung!

40. (1286.) Verehrung sei dir von Osten und von Westen, Verehrung dir von alien Seiten, du Allseitiger! Unend- lich ist deine Kraft, unermefslich dein Heldentum, du durchdringst die Welt nach alien Seiten, darum bist du der Allseitige.

41. (1287.) Wenn ich, dich blofs fur einen Freund haltend, ohne Umschweife zu dir geredet habe mit den Worten: „du Krishna, du Yadava, du, der du mein Freund bist"; wenn ich in dieser Weise, da ich diese deine Maje- stat nicht kannte, aus Unbedacht oder mit Vertraulich- keit gesprochen habe,

Seussek, Mah&bhATatam. g

82 II. Bhagavadgita.

42. (1288.) Oder wenn ich scherzweise dir beim Lust- wandeln, Lagern, Sitzen oder Speisen niclit die gebiihrende Ehre erwiesen habe, sei es dafs du allein mit mir warst, o Unerschiitterlicher, oder in Gegenwart von diesen dort^ so bitte ich dich um Verzeihung, dich, den Unermefslidien.

43. (1289.) Du bist der Vater der Welt, des Beweg- lichen und Unbeweglichen , du von ihr zu verehren als Meister und mehr als Meister; dir ist keiner gleich, viel weniger iiberlegen in den drei Welten, o unvergleichlich Gewaltiger.

44. (1290.) Darum neige ich mich, werfe meinen Leib vor dir nieder und bitte dich, den preiswerten Gottherrn, um Gnade ; wie der Vater mit dem Sohne, wie der Freund mit dem Freunde, wie der Liebende mit der Geliebten mogest du, o Gott, mit mir Nachsicht haben.

45. (1291.) Ich bin entzuckt, indem ich sehe, was ich friiher nie gesehen, und zugleich ist mein Geist von Furcht erschiittert. Zeige mir, o Gott, diese deine Gestalt, er- zeige mir die Gnade, du Gottherr, der du die Welt der Lebenden erfiillst.

46. (1292.) Mit dem Diadem, mit der Keule, mit dem Diskus in der Hand mochte ich dich auch einmal sehen,^ erscheine mir in dieser Gestalt, mit vier Armen, o Tausend- armiger, Allgestaltiger.

Der Heilige spracli:

47. (1293.) Aus Gnade, o Arjuna, habe ich dir diese meine hochste Gestalt gezeigt durch meines Selbstes Zauberliraft, die aus Glanz bestehende, voile, unendliche, uranf angliche , welche aufser dir keiner je an mir ge- schaut hat.

48. (1294.) Nicht durch Veda, Opfer und Studium, . nicht durch Schenken, nicht durch Zeremonien, nicht

durch furchtbare Askese kann ich in solcher Gestalt in der Menschenwelt gesehen werden aufser von dir, o Kuruheld.

49. (1295.) Keine Bestiirzung, kein verwirrtes Wesen soil dich liberkommen, wenn du diese meine so furcht-

XI (Adhy^ya 35). 83

bare Gestalt sehen wirst; befreit von Furcht vielmehr und erfreuten Herzens soUst du diese meine Gestalt schauen.

Safijaya (der Erzahler) sprach:

50. (1296.) Nachdem Vasudeva mit diesen Worten dem Arjuna ja gesagt liatte, zeigte er ihm sodann weiter seine Gestalt, und da er von Furcht erfullt wurde, flofste er ihm wieder Mut ein, indem er wiederum in seiner milden Gestalt erschien, der Hochherzige.

Arjuna sprach:

51. (1297.) Indem ich, o Janardana (Heimsucher der Men- schen), diese deine menschliche und milde Gestalt wiederum sehe, bin ich nun wieder zur Besinnung gelangt und zu mir selbst zuriickgekommen.

Der Heilige sprach:

52. (1298.) Jene schwer zu schauende Gestalt, in der du mich gesehen hast, auch die Gotter sind allezeit verlangend, mich in dieser Gestalt zu schauen.

53. (1299.) Nicht durch Veden, nicht durch Askese, nicht durch Gaben und nicht durch Opfer kann einer es erreichen, mich in der Gestalt zu schauen, in der du mich erblickt hast.

54. (1300.) Aber durch Verehrung, die mir allein gewidmet ist, kann einer, o Arjuna, in dieser Weise mich erkennen, mich schauen, wie ich bin, und in mich eingehen, o Schreck der Feinde.

55. (1301.) Wer meine Werke tut, mich als das Hochste hat und mich verehrt ohne Anhanglichkeit an die Welt, wer ohne Feindschaft ist gegen alle Wesen, der kommt zu mir, o Pandusohn.

So lautet in der BhagavadgltA daa Schauen der AUgestalt

(vt<;varupa - dar^anam).

84 II- Bhagavadgita.

XII (Adhyaya 36).

Vers 1302-1321 (B, 1-20).

Arjuna sprach:

1. (1302.) Die, welche in dieser Weise iramerfort hingegeben dir in Verehrung huldigen, und die, welche dem. Unvergang- lichen, Unoffenbaren huldigen, welche von diesen sind am meisten der Hingebung (yoga) kundig?

Der Heilige sprach:

2. (1303.) Die, welche ihren Geist in mich vertiefen und mich in bestandiger Hingebung verehren, erfiillt von dem hochsten Glauben, diese sind es, welche ich fiir die mir am meisten Hingegebenen erachte.

3. (1304.) Die hingegen, welche das Unvergangliche, Un- aussprechliche , Unofltenbare verehren, das Allgegenwartige und Unausdenkbare, das Allerhochste, Unwandelbare, Feste,

4. (1305.) indem sie die Schar der Sinnesorgane bandigen und auf alle Dinge mit Gleichmut blicken, auch diese an dem Wohlsein aller Wesen sich Freuenden gelangen sicherlich zu mir.

5. (1306.) Aber grofser ist die Miihe derer, welche ihren Geist an das Unoffenbare anhangen, denn nur schwer ist der unoffenbare Weg fiir die Verkorperten zu erlangen.

6. (1307.) Die aber, welche alle ihre Werke auf mich werfen und mich fiir das Hochste erachten, mich mit einer auf nichts anderes gerichteten Hingebung meditieren, verehren,

7. (1308.) fiir diese, die ihren Geist in mich versenken, werde ich, o Sohn der Pritha, alsbald zum Erretter aus dem Ozean des Todes und der Seelenwanderung.

8. (1309.) Mir also gib deinen Sinn hin, in mich vertiefe deinen Geist, so wirst du bei mir Wohnung nehmen nach diesem Dasein, daran ist kein Zweifel.

9. (1310.) Kannst du aber dein Denken nicht dauernd in mich versenken, dann suche mich, o Beutemacher, wenigstens durch Hingebung an die Ubung zu erreichen.

XII (Adhyliya 36). 85

10. (1311.) Bist du aber auch zu dieser Ubung nicht fahig, so halte dich an die mir geweihten Werke, denn auch, wenn du um meinetwillen die Werke vollbringst, wirst du die VoU- endung erreichen.

11. (1312.) Bist du aber auch dieses zu tun und der Hin- gebung an mich zu leben nicht imstande, so bezwinge deinen Geist und leiste wenigstens Verzicht auf die Frucht aller Werke.

12. (1313.) Denn hoher als die Ubung steht das Erkennen, hoher als das Erkennen die Meditation, hoher als die Medita- tion die Entsagung in betreff des Lohnes der Werke, der Entsagung folgt der Friede auf dem Fufse.

13. (1314.) Wer gegen alle Wesen ohne Hafs, freundschaft- lich gesinnt und mitleidvoll ist, frei von Selbstsucht und Ich- bewufstsein, gleichmiitig in Lust und Leid, geduldig,

14. (1315.) zufrieden, immer hingegeben, bezahmten Selb- stes und festen Entschlusses auf mich gerichtet mit Sinn und Geist und mir ergeben ist, der ist mein Freund.

15. (1316.) Von dem die Menschen nicht beunruhigt wer- den und wer von Menschen nicht beunruhigt wird, wer frei von den Beunruhigungen der Freude, des Verdrusses und der Furcht ist, der ist mein Freund.

16. (1317.) Wer, ohne die Welt zu beachten, rein, tiichtig, gleichgiiltig, frei von Erregung, auf alle Zwecke verzichtend sich mir hingibt, der ist mein Freund.

17. (1318.) Wer nicht sich freut und nicht hafst, nicht trauert und nicht begehrt und verzichtend auf Angenehmes und Unangenehmes voU Hingebung ist, der ist mein Freund.

18. (1319.) Wer gleichgiiltig ist gegen Feind und Freund, gegen Ehre und Schande, gegen Kalte und Hitze, gegen Lust und Schmerz, frei von Anhanglichkeit,

19. (1320.) wer gleichmiitig ist bei Tadel und bei Lob, still, zufrieden mit allem, wie es kommt, ohne Heimat, festen Glaubens und voll Hingebung, der ist mein Freund.

20. (1321.) Die aber, welche dieses heilige, von mir mit- geteilte Amritam (Ambrosia) verehren und im Glauben mir anhangen und huldigen, die sind vor alien meine Freunde.

So lautet in der Bhagavadglta die Hingebung an die Verehrnng (bhakti-yoga).

86 II. Bhagavadgita.

XIII (Adhyaya 37).

Vers 1322-1355 (B. 1-34).

Arjuna sprach: (1322.)* Die Prakriti und den Purusha, den Ort und den Ortskenner, das Wissen und das Zuwissende, dieses wiinsche ich zu verstehen, o Vollhaariger.

Der Heilige sprach:

1. (1323.) Dieser Korper, o Kuntisohn, wird als der Ort (hshetramj bezeichnet; den, der sich desselben bewufst ist, nennen die Kundigen den Ortskenner (hshetrajnaj .

2. (1324.) Der Ortskenner, das sollst du wissen, in alien Orten bin ich, o Bharata; die Erkenntnis des Orts und des Ortskenners, das erst ist wahre Erkenntnis, so sage ich.

3. (1325.) Was dieser Ort ist, von welcher Art, welchen Umwandlungen unterworfen und woher er stammt, und hin- wiederum, wer er (der Ortskenner) ist und von welcher Macht, das vernimm in der Kiirze von mir,

4. (1326.) wie es vielfach von den Vedadichtern in mancher- lei Liedern im einzelnen besungen worden ist, und durch die von Griinden begleiteten, klar dargelegten Worte der Lehr- spriiche iiber das Brahman fbrahmasutraj.

5. (1327.) Die grofsen Elemente, der Ahaiikara (der Ich- macher), die Buddhi, das Avyaktam [das Unentfaltete , die Prakriti], die [mit Einschlufs von Manas] elf Indriya's und die fiinf Objekte der Indriya's;

6. (1328.) ferner Begierde, Hafs, Lust, Schmerz, das [korper- liche] Aggregat, Bewufstsein und Festigkeit, damit ist in summarischer Weise der Ort fkslietramj mit seinen Umwand- lungen bezeichnet.

7. (1329.) Demut, Ehrlichkeit, Schonung, Nachsicht, Gerad- sinnigkeit, Verehrung des Lehrers, Reinheit, Standhaftigkeit, Selbstbeherrschung,

* Dieser Vers steht in C, wird in B. als unecht bezeichnet und fehlt in den Separatausgaben.

XIII (Adhy^ya 37). 87

8. (1330.) Entsagung den Sinnendingen, Freiheit vom Ich- bewufstsein, Einsicht in das Leiden und die Mangel von Ge- burt, Tod, Alter und Krankheit,

9. (1331.) Nicht-Anhanglichkeit [an die Welt], Nicht-Ge- bundensein an Kind, Weib, Haus und dergleichen, bestandige Gleichmiitigkeit der Gedanken bei erwiinschten und un- erwiinschten Wechselfallen,

10. (1332.) unerschiitterliche Verehrung fiir mich ohne Hin- gebung an einen andern, Aufsuchen einsamer Orte, Unlust zu menschlicher Gesellschaft,

11. (1333.) Standhaftigkeit in der Erkenntnis des hochsten Selbstes und Auffassen dei: Wahrlieitserkenntnis als Zweck, dieses wird bezeichnet als das Wissen; als Nichtwissen das, was davon verschieden ist.

12. (1334.) Nun will ich dir erklaren, was das Zuwissende ist, welches erkennend man die Unsterblichkeit eriangt. Es ist das anfanglose hochste Brahman; dieses wird bezeichnet als das weder Seiende noch Nicht-Seiende.

13. (1335.) Nach allwarts ist es Hand, Fiifse, nach allwarts Augen, Haupt und Mund, nach alien Seiten hin horend, die Welt umfassend steht es da {= Qvet. Up. 3,16).

14. (1336.) Durch aller Sinne Kraft scheinend und doch von alien Sinnen frei [bis hierher Qvet Up. 3,17], ohne [Welt-] Anhanglichkeit und doch Trager des Weltalls , ohne Guna's und doch Geniefser der Guna's.

15. (1337.) Aufserhalb der Wesen ist es und innerhalb, ist das Bewegliche und das Unbewegliche ; wegen seiner Fein- heit ist es unerkennbar, es ist das Feme und ist das Nahe.

16. (1338.) Ungeteilt wohnt es in den Wesen und doch als ware es geteilt, es ist zu wissen als die Wesen erhaltend, vernichtend und hervorbringend.

17. (1339.) Es ist auch das Licht der Lichter (Brih. Up. 4,4,16), es wird das Finsternisjenseitige (vgl. Vaj. Samh. 31,18) genannt. Es ist das Wissen, das Zuwissende, durch Wissen zu Erlangende, es weilt im Herzen eines jeden.

18. (1340.) Damit sind in der Kiirze erklart der Ort, das Wissen und das Zuwissende. Wer mich verehrt und dies erkennt, der geht in meine Wesenheit ein.

88 II- Bhagavadgita.

19. (1341.) Du sollst wissen, dafs die Prakriti und ebenso der Purusha beide anfanglos sind; von den Umwandlungen aber und den Guna's wisse, dafs sie aus der Prakriti entspringen.

20 (fehlt in C). Als Ursache von Wirkung, Werkzeug (lies: Jcarana) und Tatersein gilt die Prakriti, als Ursache des Geniefserseins von Lust und Schmerz gilt der Purusha.

21. (1342.) Der Purusha, in der Prakriti weilend, geniefst namlich die aus der Prakriti entsprungenen Guna's; sein Be- haftetsein mit den Guna's ist die Ursache fiir sein Geboren- werden in einem guten oder schlechten Mutterschofs.

22. (1343.) Zuschauer, Bewilliger, Erhalter, Geniefser, grofser Herr und hochster Atman, mit diesen Worten wird in diesem Leibe der Purusha, welcher der Hochste [das hochste Prinzip] ist, genannt.

23. (1344.) Wer in dieser Weise den Purusha wie auch die Prakriti mitsamt ihren Guna's versteht, der wird, in welcher Lage er sich auch immer befinden mag, nicht wieder geboren.

24. (1345.) Manche schauen mittels der Meditation [des Yoga] das Selbst durch sich selbst in sich selbst, andere er- kennen es durch Hingebung an die Reflexion fsdnhhyamj, noch andere durch Hingebung an das [uninteressierte] Werk.

25. (1346.) Noch andere, welche nicht in dieser Weise zur Erkenntnis durchdringen , horen [iiber den Atman] von an- deren und verehren ihn, und auch diese iiberschreiten den Tod, wenn sie sich an das gehorte Veda wort als Hochstes halten.

26. (1347.) Wo nur immer ein Wesen entsteht, ein un- bewegliches oder bewegliches, da geschieht dies durch Ver- bindung des Ortskenners mit dem Ort, das wisse, o Bharatastier.

27. (1348.) Wer aber in alien Wesen den hochsten Gott wohnen sieht, der nicht vergeht, wenn sie vergehen, wer den sieht, der ist wahrhaft sehend.

28. (1349.) Denn indem er allerwarts denselben Gott wohnen sieht, wird er nicht sich selbst durch sich selbst verletzen wollen, und so geht er den hochsten Weg.

29. (1350.) Wer einsieht, dafs die Werke allerwarts nur durch die Prakriti vollbracht werden, und dafs der Atman Nicht -Tater ist, der ist wahrhaft sehend.

XIII (Adhy&ya 37). 89

30. (1351.) Wenn einer erkennt, dafs die Besonderheit der Wesen in jenem Einen ihren Standort hat und von ihm her sich ausbreitet, der geht in das Brahman ein.

31. (1352.) Vermoge seiner Anfanglosigkeit und Gunalosig- keit wird jener unvergangHche hochste Atman, obgleich er im Leibe weilt, o Kuntisohn, doch nicht zu einem Tater und wird nicht befleckt.

32. (1353.) Wie der alldurchdringende Ather wegen seiner Feinheit nicht befleckt wird, so wird auch der den ganzen Korper durchdringende Atman doch nicht durch ihn befleckt.

33. (1354.) So wie die eine Sonne diese ganze Welt er- leuchtet, so erleuchtet, o Bharata, der Ortsbewohner den ganzen Ort (Leib).

34. (1355.) Wer mit dem Auge der Erkenntnis in dieser Weise die Verschiedenheit des Ortes und des Ortskenners, sowie die Losgelostheit der Wesen von der Prakriti erkannt hat, der geht zum Hochsten ein.

So lautet in der Bhagavadgit&

die Hingebung an die Unterscheidung von Ort und Ortskeuner

(kshetra - kshetrajna - vibhdga-yo(/a).

XIV (Adhyaya 38). Vers 1856-1382 (B. 1-27).

Der Heilige sprach:

1. (1356.) Als Hochstes will ich dir weiter verkiindigen die Wissenschaft, welche von alien Wissenschaften die oberste ist, und durch deren Erkenntnis alle Muni's von hier zur hochsten Vollendung eingegangen sind.

2. (1357.) Indem sie, auf diese Wissenschaft gestiitzt, zur Wesenseinheit mit mir gelangt sind, werden sie bei der Neu- schopfung der Welt nicht wiedergeboren und brauchen beim Weltuntergang nicht zu zittern.

3. (1358.) Mein Mutterschofs ist das grofse Brahman [hier die Prakriti bedeutend], in dieses lege ich den Keim, und daraus geschieht die Entstehung aller Wesen, o Bharata.

90 n. Bhagavadgita.

4. (1359.) "Was auch immer fiir Gestalten in alien Mutter- schofsen entstehen mogen, fiir sie alle ist der Mutterschofs das grofse Brahman, und ich bin der den Keim verleihende Vater.

5. (1360.) Sattvam, Rajas und Tamas, das sind die Guna's, welche aus der Prakriti hervorgehen ; sie sind es, o Grofsarmiger , welche in dem Leibe den unverganglichen Trager des Leibes gebunden halten.

6. (1361.) Unter diesen ist das Sattvam vermoge seiner Makellosigkeit erhellend und leidlos, es bindet durch die Be- xiihrung mit der Lust und durch Beriihrung mit der Erkennt- nis, o Untadeliger.

7. (1362.) Das Rajas, wisse, ist seinem Wesen nach Leiden- schaft und entspringt aus Beriihrung mit der Begierde ftrishndj ; es bindet, o Kuntisohn, den Leibtrager durch die Beriihrung mit den Werken.

8. (1363.) Das Tamas, wisse, entspringt aus dem Nicht- wissen und wirkt betaubend auf alle Leibtrager; es bindet die- selben, o Bharata, durch Unbesonnenheit, SchlaffheitundSchlaf.

9. (1364.) Das Sattvam bringt in Beriihrung mit der Lust, das Rajas mit dem Werke, o Bharata, das Tamas hingegen umhiillt das Bewufstsein und bringt daher in Beriihrung mit der Unbesonnenheit.

10. (1365.) Das Sattvam entsteht, o Bharata, indem es Rajas und Tamas iiberwaltigt, das Rajas, indem es Sattvam und Tamas, das Tamas, indem es Sattvam und Rajas iiber- waltigt.

11. (1366.) Wenn durch alle [Sinnes-] Pforten in diesem Leibe das Licht als Erkenntnis eindringt, dann nimmt das Sattvam iiberhand, das mufs man wissen.

12. (1367.) Begierde, Tatigkeit, Unternehmen von Werken, Unruhe, Verlangen, diese sind es, welche entstehen, wenn das Rajas iiberhand nimmt, o Bester der Bharata's.

13. (1368.) Verdunkelung , Untatigkeit, Unbesonnenheit, Verblendung, diese entstehen, wenn das Tamas iiberhand nimmt, o Kurusprofs.

14. (1369.) Wenn der Verkorperte dahinscheidet, nachdem das Sattvam iiberhand genommen hat, dann gelangt er zu den fleckenlosen Welten der Weisesten.

XIV (Adhy&ya 38). 91

15. (1370.) Stirbt einer unter der Herrschaft des Rajas, so wird er unter werkhaften Menschen wiedergeboren ; kommt er um unter der Herrschaft des Tamas, so wird er in dumpfen Mutterschofsen wiedergeboren.

16. (1371.) Die Frucht des guten Werkes gilt fiir sattva- haft und fleckenlos, die Frucht des Rajas ist Leiden, die Frucht des Tamas Nichtwissen.

17. (1372.) Aus dem Sattvam entsteht Wissen, aus dem Rajas Begierde, aus dem Tamas Unbesonnenheit und Ver- blendung, sowie das Nichtwissen.

18. (1373.) Nach oben gehen die im Sattvam Stehenden, in der Mitte weilen die Rajashaften, die in der Betatigung des untersten Guna lebenden Tamashaften gehen nach unten.

19. (1374.) Wenn einer als Einsichtiger erkennt, dafs kein anderer Tater als die Guna's vorhanden ist, und wenn er den weifs, der erhaben iiber die Guna's ist, der geht in meine Wesenheit ein.

20. (1375.) Der Verkorperte, diese drei Guna's, die der Ursprung des Korpers sind, hinter sich lassend, wird von Geburt, Tod, Alter und Leiden befreit und erlangt die Un- sterblichkeit.

Arjuna spracb :

21. (1376.) Mit welchen Merkmalen, o Herr, ist der be- haftet, der diese drei Guna's iiberschritten hat? Welcher Art ist sein Wandel und wie kann er iiber diese drei Guna's hinausgelangen ?

Der Heilige sprach:

22. (1377.) Wenn einer, o Pandusohn, Erhellung, Tatig- keit und Verblendung [die Aufserungen der drei Guna's] nicht hafst, wo sie ihm entgegentreten , und nicht ersehnt, wo sie ihm fehlen,

23. (1378.) wenn er, gleichwie ein Miifsiger dasitzend, durch die Guna's nicht aus der Fassung gebracht wird, und in der Erkenntnis, dafs nur die Guna's es sind, die ihr Wesen treiben, abseits steht, ohne bewegt zu werden,

24. (1379.) wenn er gleichmiitig in Leid und Lust in sich feststehend, Erdklumpen, Steine und Gold fiir einerlei haltend,

92 II- Bhagavadgita.

Liebes und Unliebes fiir gleich erachtend, standhaft bleibt und gleichgiiltig dagegen, ob man ihn tadelt oder lobt,

25. (1380.) wenn er gleichmiitig ist bei Ehre und Unehre, gleichmiitig zwischen den Parteien der Feinde und Freunde und auf alle Unternehmungen verzichtet, ein solcher hat die Guna's iiberwunden.

26. (1381.) Und wer mit unentwegter hingebender Ver- ehrung mir anhangt, der ist, nachdem er jene Guna's iiber- wunden hat, tauglich zur Brahmanwerdung.

27. (1382.) Denn ich bin das Fundament des unsterbUchen, unvergangKchen Brahman, der ewigen Satzung und der un- getriibten SeHgkeit.

So lautet in der Bhagavadgltft

die Hingobung an die Unteischeidung der drei Guna's

(guna - traya - vibhdga - yoga).

XV (Adhyaya 39).

Vers 1383-1402 (B. 1-20).

Der Heilige sprach:

1. (1383.) Es ist (Kath. Up. 6,1) die Rede von dem un- verganglichen Agvatthabaum fFicus religiosaj*, welcher die "Wurzel oben und die Zweige nach unten hat; seine Blatter sind die heihgen Lieder, wer ihn kennt, der ist vedakundig.

2. (1384.) Seine Aste erstrecken sich nach oben und nach unten, aus den Guna's erwachsend, seine Zweige sind die Sinnendinge; nach unten zu strecken sich aus seine Wurzeln, getrieben durch die Werke, in der Men- schenwelt.

3. (1385.) Zwar wird seine Gestalt hienieden nicht, wie sie geschildert wird, erkannt, nicht sein Ende, nicht sein Anfang und nicht sein Standort, aber indem man jenen Agvattha mit wohl erstarkter Wurzel durch das feste Messer der NichtanhangHchkeit [an die Welt] abschneidet,

* Schon derVerfasserscheintirrtiimlichandenNyagrodha (Ficusindica) zu deiiken; vgl. die Anmerkung zu K^th. Up. 6,1, Sechzig Upanishad's S. 284.

XV (Adhy^ya 39). 93

4. (1386.) soil man sodann jene Statte ausforschen, zu welcher eingegangen man nicht wieder zuriickkehrt, mit dem Gedanken: zu ihm, dem uranfanglichen Purusha, nehme ich meine Zuflucht, von welchem die alte Welt- entwicklung ausgegangen ist,

5. (1387.) Frei von Diinkel und Wahn nach Besiegimg der Siinde der Weltanhanglichkeit , bestandig in dem hochsten Atman, die Begierden verabschiedend, von den Gegensatzen, die da heifsen Lust und Schmerz, erlost, gehen sie frei von Verblendung zu jenem unvergang- lichen Orte ein.

6. (1388.) Dort leuchtet nicht die Sonne, nicht der Mond, noch auch das Feuer (vgl. Kath. Up. 5,15), wohin gelangend sie nicht zuriickkehren ; das ist meine hochste Wohnstatte.

7. (1389.) Ein unverganglicher Teil von mir ist es, was, in der Lebewelt zur individuellen Seele geworden, die in der Prakriti wurzelnden [fiinf] Sinne mit Manas als sechstem an sich heranzieht.

8. (1390.) Wenn er als Herr sich des Leibes bemachtigt und wenn er wieder aus ihm auszieht, dann streicht er bin, indem er jene an sich rafft, wie der "Wind die Diifte von dem Orte, wo er weilte.

9. (1391.) Indem er iiber Ohr, Auge, Gefiihl, Geschmack und Geruch sich zum Herrn aufwirft und ebenso iiber das Manas, gibt er sich dem Genufs der Sinnendinge bin.

10. (1392.) Mag er ausziehen, mag er weilen, mag er, von Guna's umkleidet, geniefsen, die Verblendeten seben ibn nicht, es schauen ihn die, deren Auge die Erkenntnis ist.

11. (1393.) Die Yogin's, wenn sie sich abmiihen, schauen ihn, wie er in ihnen selbst weilt; die aber unbereiteten Geistes sind, auch wenn sie sich abmiihen, die Unverstandigen, schauen ihn nicht.

12. (1394.) Der Glanz, der, in der Sonne weilend, die ganze Welt erleuchtet, und der in dem Monde, der im Feuer weilt, dieser Glanz, wisse, ist der meine,

13. (1395.) In die Erde eingehend erhalte ich die Wesen durch meine Kraft; ich bringe alle Pflanzen zum Gedeihen, ich werde zum Soma, dem saftreichen.

94 II- Bhagavadgita.

14. (1396.) Ich, zu dem Verdauungsfeuer geworden, gehe ein in den Leib der Lebenden, und, von Aushauch und Ein- hauch begleitet, verdaue ich die vier Arten der Speise [Ge- trunkenes, Gelecktes, Gekautes und Verschlungenes].

15. (1397.) Ich bin eingegangen in das Herz eines jeden, von mir stammt Erinnerung und Erkenntnis, sowie deren Verlust, auch bin ich es, der durch alle Veden zu erkennen ist, ich bin der Schopfer des Vedanta und der Kenner des Veda.

16. (1398.) Es gibt in der Welt diese beiden Purusha's, den verganghchen und den unverganghchen ; der vergang- Hche sind alle Wesen, der unvergangliche wird der an der Spitze stehende genannt.

17. (1399.) Der hochste Purusha aber ist ein anderer, er wird der hochste Atman genannt ; eingehend in die drei Wel- ten, tragt er sie als unverganglicher Gottherr.

18. (1400.) Weil ich dem Verganglichen iiberlegen und, als auch iiber das Unvergangliche erhaben, der Hochste bin, darum werde ich in der Welt und im Veda gefeiert als der hochste Purusha.

19. (1401.) Wer mich in dieser Weise unbetort erkennt als hochsten Purusha, der weifs [in mir] alles und verehrt mich vermoge seines Allbewufstseins , o Bharata.

20. (1402.) Damit ist von mir, o Untadeliger, diese ge- heimnisvolle Lehre verkiindigt worden ; wer diese erkennt, der hat Erkenntnis, der hat das zu Erreichende erreicht, o Bharata.

So laatet in der Bhagavadgita die Hingebung an den hSchsten Purusha (purushottama - yoga).

XVI (Adhyaya 40).

Vers 1403-1426 (B. 1-24).

Der Heilige sprach:

1. (1403.) Furchtlosigkeit, Reinheit des Wesens, Erkennt- nis, Hingebung, Bestandigkeit , Freigebigkeit , Bezahmung, Opfer, Vedastudium, Askese, Geradsinnigkeit,

2. (1404.) Schonung, W^ahrhaftigkeit , Nichtziirnen, Ent-

XVI (Adhy^ya 40). 95

sagung, Nicht-Hinterbringen, Mitleid mit den Wesen, Nicht- Begehrlichkeit , Milde, Schamhaftigkeit , Nicht-Unstetsein,

3. (1405.) Energie, Geduld, Festigkeit, Sauberkeit, Harm- losigkeit, Nicht-Uberhebung, diese, o Bharata, werden dem zuteil, welcher fiir ein gottliches Geschick geboren ist.

4. (1406.) Hinterlist, Stolz, Hochmut, Zorn, Schroffheit, Nichtwissen, diese dem, der fiir ein damonisches Geschick geboren ist, o Prithasohn.

5. (1407.) Das gottliche Geschick fiihrt zur Erlosung, das damonische zur Bindung. Klage nicht, o Sohn des Pandu, du bist fiir ein gotthches Geschick geboren.

6. (1408.) Zwei Wesen sschopfungen gibt es in dieser Welt, die gotthche und die damonische; die gottliche ist ausfiihr- lich besprochen worden, vernimm von mir die damonische, o Prithasohn.

7. (1409.) Die damonischen Menschen wissen nicht, was sie tun und lassen sollen. Nicht Reinheit, nicht guter Wandel, nicht Wahrheit ist bei ihnen zu finden.

8. (1410.) Sie behaupten, dafs die Welt ohne Wahrhaftig- keit, ohne tragenden Grund, ohne Gott sei, nicht entstanden durch geregelte Abkunft und nichts anderes als Geschlechts- lust zur Ursache habend.

9. (1411.) In dieser Anschauung sich verhartend, mit ver- derbter Seele, mit schwacher Einsicht werden sie geboren als Ubeltater der Welt zum Schaden, die Bosewichter.

10. (1412.) Schwer zu ersattigender Lust huldigend, von Hinterlist, Hochmut und ToUheit erfiillt, in ihrer Verblendung eine bose Wahl wahlend, gehen sie dahin in unreinenGrundsatzen.

11. (1413.) Auf mafsloses, zum Verderben ausschlagendes Denken sich stiitzend und den Genufs der Liiste fiir das Hochste haltend, sind sie iiberzeugt, dafs es nichts weiter gebe.

12. (1414.) Von hundert Stricken der Hoffnungen gebunden, nichts Hoheres als Begierde und Zorn kennend, streben sie schrankenlos nach Aufhaufung von Giitern, um ihren Liisten zu fronen.

13. (1415.) „Diesen Wunsch habe ich heute erreicht, diesen „hoffe ich zu erlangen, dieses Gut habe ich und dieses wird „mir wiederum zuteil werden.

96 II- Bhagavadgit^,.

14. (1416.) ,,dieser Feind ist von mir getotet worden und „andere werde ich noch toten, ich bin Herr, Geniefser, voll- „kommen, machtig und gliicklich,

15. (1417.) „ich bin reich, hochgeboren, welcher andere „kame mir gleich, ich werde opfern, werde schenken, werde „geniefsen", so sprechen sie, vom Nichtwissen betort.

16. (1418.) Von mancherlei Gedanken umhergetrieben , in das Netz der Verblendung verstrickt und den Geniissen der Lust anhangend, stiirzen sie in die unsaubere Holle hinab.

17. (1419.) Sich selbst die Ehre gebend^ hochfahrend, von Keichtumsdiinkel und Tollheit besessen, bringen sie Opfer, die es nur dem Namen nach sind, triigerisch und den Vor- schriften nicht entsprechend.

18. (1420.) Gestiitzt auf Selbstsucht, Kraft, Stolz, Lust und Zorn, hassen sie mich in ihren eigenen und in fremden Leibern, die Norgler.

19. (1421.) Ich stiirze sie, die hassenden, grausamen, nied- rigsten Menschen, ich stiirze sie auf ihrer Wanderung ohne Unterlafs, die Unsauberen, in damonische Mutterleiber.

20. (1422.) Und in einen daraonischen Mutterleib geraten, verblendet von einer Geburt zur andern, finden sie mich nicht, o Kuntisohn, und gehen den tiefsten Weg.

21. (1423.) Dreifach ist jene Pforte der Holle, welche die Seele vergiftet, als Begierde, als Zorn, als Liisternheit, darum soil man diese drei meiden.

22. (1424.) Aber der Mann, o Kuntisohn, der erlost ist aus diesen drei Pforten der Finsternis, betreibt das Heil seiner Seele und geht den hochsten Weg.

23. (1425.) Hingegen der, welcher die Vorschriften des Gesetzes von sich wirft und nach eigenem Belieben wandelt, der kann nicht die Vollendung, nicht das Gliick und nicht den hochsten AVeg erreichen.

24. (1426.) Darum moge in der Bestimmung dessen, was zu tun und was zu lassen ist, das Gesetz deine Richtschnur sein; erkennend, was vom Gesetze vorgeschrieben ist, mogest du hienieden dein Werk ausfiihren.

So lautet in der Bhagavadgitft

der UnterBchied des gottlichcn und damonisohen Loses

(daiva - dsura - sampad - vibhdga).

XVII (Adhy^ya 41). 97

XVII (AcUiyaya 41).

Vers 1427-1454 (B. 1-28).

Arjuna sprach:

1. (1427.) Wie aber steht es mit denen, o Krishna, welche zwar die Vorschrift des Gesetzes von sich werfen, aber im Glauben Verehrung iiben? Auf welchem Boden stehen sie, auf dem des Sattvam, des Rajas oder des Tamas?

Der Heilige sprach:

2. (1428.) Dreifach ist der Glaube der Verkorperten , wie er aus ihrer Naturbeschaffenheit entspringt: er ist sattva- artig, rajas-artig und tamas-artig, dariiber vernimm.

3. (1429.) Der Glaube, o Bharata, ist bei einem jeden seiner Wesenheit entsprechend ; aus Glaube bestelit der Mensch, wie einer glaubt, so ist er (vgl. Mokshadharma 9458).

4. (1430.) Die Sattva-artigen verehren die Gotter, die Rajas- artigen die Halbgotter und Damonen, die iibrigen aber, die tamas - artigen Menschen, verehren die Geister und die Ge- spensterscharen.

5. (1431.) Diejenigen Menschen, welche eine furchtbare, aber nicht vom Gesetz vorgeschriebene Askese iiben und da- bei behaftet mit Heuchelei und Selbstsucht und von Lust, Leidenschaft und Gewalttatigkeit erfiillt sind,

6. (1432.) diese Torichten qualen nur die im Leibe ver- sammelte Schar der Elemente und mich, der ich in ihrem Leibe weile; deren Entschliefsung, das sollst du wissen, ist eine damonische.

7. (1433.) Dreifach aber ist audi die Nahrung, die jedem lieb ist, und ebenso sein Opfer, seine Askese und sein Schenken. Vernimm, was deren Unterschied ist.

8. (1434.) Die Nahrungsmittel, die das Leben, Tiichtigkeit, Kraft, Gesundheit, Lust und Behagen vermehren, und welche als saftreich, olig oder fest das Herz starken, die werden von sattvahaften Menschen geliebt,

Deussen, MahAbh&ratam. 7

98 II. Bhagavadgita.

9. (1435.) Die Nahrungsmittel, die einen stechenden, sauern, salzigen, erhitzenden, scharfen, rauhen und brennenden Ge- schmack haben, sind bei rajasbaften Menschen beliebt und veranlassen Schmerz, Beschwerde und Krankheit.

10. (1436.) Abgestandeiie, schal gewordene, iibelriechende, iibertagige, iibrig gelassene und nichtopferwiirdige Speisen werden von den tamashaften Menschen geliebt.

11. (1437.) Ein Opfer, welches im Hinbhck auf die Vor- schrift dargebracht wird von solchen, welche nicht nach Lohn verlangen, sondern sich dazu entschhef sen , weil man eben opfern mufs, ein solches Opfer ist sattvahaft.

12. (1438.) Ein Opfer hingegen, welches mit Absicht auf den Lohn oder aus Heuchelei dargebracht wird, ein solches Opfer, o Bester der Bharata's, ist rajashaft.

13. (1439.) Ein Opfer, welches nicht vorschriftsmafsig, ohne Spenden von Speise, ohne Vedaspriiche, ohne Opferlohn und ohne Glauben daran dargebracht wird, ein solches Opfer nennt man tamashaft.

14. (1440.) Verehrung der Gotter, Brahmanen, Lehrer und Weisen, Keinheit, Geradheit, Keuschheit und Nicht- Schadigung, diese bilden die Askese des Leibes.

15. (1441.) Eine nicht Aufregung veranlassende, wahrhafte, freundliche und heilsame Rede, sowie die Betreibung des Veda- studiums, diese bilden die Askese der Rede.

16. (1442.) Heiterkeit des Gemiites, Milde, Schweigen, Selbstbeherrschung , Reinheit des Herzens, diese bilden die Askese des Geistes.

17. (1443.) Diese dreifache, aus hochster Glaubigkeit ge- iibte Askese, wenn sie von Menschen ohne Verlangen nach Lohn und mit Hingebung geiibt wird, nennt man sattvahafte Askese.

18. (1444.) Eine Askese, welche um der Hochschatzung, Bewunderung und Verehrung willen mit Heuchelei geiibt wird, eine solche heifst rajashaft, ist wankelmiitig und unbestandig.

19. (1445.) Eine Askese, welche aus verblendeter Ent- schliefsung die Selbstqual unternimmt, oder auch um einen andern zu iiberbieten, eine solche heifst tamashaft.

20. (1446.) Eine Gabe, welche in dem Bewufstsein, dafs man geben mufs, am rechten Ort zur rechten Zeit der rechten

XVII (Adhyaya 41). 99

Person, ohne dafs sie es vergelten kann, erwiesen wird, eine solche Gabe heifst sattvahaft.

21. (1447.) Hingegen eine Gabe, welche um einer Gegen- leistung willen oder im Hinblick auf einen Lohn mit "Wider- streben geschenkt wird, eine solche Gabe heifst rajashaft.

22. (1448.) Eine Gabe, welche am unrechten Orte zur un- rechten Zeit der unrechten Person mit Geringschatzung oder Verachtung dargeboten wird, eine solche Gabe heifst tamashaft.

23. (1449.) Om, Tat, Sat (Om, Dieses, das Seiende), das gilt als die dreifache Bezeichnung des Brahman, und kraft dieser wurden in der Vorzeit die Brahmanen, Veden und Opfer in ihre Stellung eingesetzt.

24. (1450.) Darum werden die vorgeschriebenen Ubungen von Opfer, Gabe und Askese allezeit von Bekennern des Brahman damit begonnen, dafs sie den Laut Om aussprechen.

25. (1451.) Tat (dieses sc. Brahman), mit diesem Worte werden ohne Absicht auf Lohn die mannigfachen Verrich- tungen von Opfer, Askese und Gaben von solchen dargebracht, welche nach Erlosung verlangen.

26. (1452.) Das Wort Sat (das Seiende) wird gebraucht, um die Realitat und die Giite [des Brahman] zu bezeichnen, und so wendet man, o Prithasohn, das Wort Sat auch auf eine riihmliche Handlung an.

27. (1453.) Sat heifst auch die Beharrlichkeit in Opfer, Askese und Gaben, und so wird auch das um ihrer willen unternommene Werk als sat (seiend, gut) bezeichnet.

28. (1454.) Was aber an Opfer, Gaben, Askese und Werken ohne Glauben dargebracht wird, das, o Sohn der Pritha, heifst asat (nicht seiend, nicht gut) und ist nichtig sowohl nach dem Tode als auch schon hier.

So lautet in der Bhagavadgitd. die dreifache Einteilung des Glaubens (graddhd - traya - vibhdga - yoga).

100 II. Bhagavadgita.

XVIII (Adhyaya 42).

Vers 1455-153'2 (B. 1-78).

Arjuna sprach:

1. (1455.) Das Wesen der Verzichtung wiinsche ich zu wissen, o Grofsarmiger, und das der Entsagung, o Struppiger, insbesondere, o Bezwinger des Ke<?in.

Der Heilige sprach:

2. (1456.) Unter Verzichtung verstehen die Weisen das Verzichten auf Werke, die mit dem Wunsch nach Lohn ver- richtet werden , wahrend das Entsagen hinsichtlich der Frucht aller Werke von den Weisen Entsagung genannt wird.

3. (1457.) Einige Weise lehren, dafs man dem Werke als einer Siinde entsagen miisse, andere behaupten, dafs dem Opfern, dem Geben und der Askese als Werken nicht zu ent- sagen sei.

4. (1458.) Hore hieruber meine Entscheidung in betreff der Entsagung, o Bester der Bharata's; denn die Entsagung, o Tiger unter den Mannern, wird als eine dreifache geriihmt.

5. (1459.) Dem Opfern, dem Geben und der Askese als Werken ist nicht zu entsagen, sondern sie sind zu betreiben, denn Opfern, Geben und Askese sind die Lauterungsmittel der Weisen.

6. (1460.) Aber auch diese Werke sind nur in der Weise zu tun, dafs man der Anhanglichkeit und dem Lohne ent- sagt; dieses, o Prithasohn, ist mein entschiedenes und end- giiltiges Erachten.

I'i4'^- (1461.) Hingegen ist es nicht moglich, auf ein not- wendiges Werk zu verzichten, und wenn einem solchen aus blofsem ^ Wahne entsagt wird, so heifst dies eine tamashafte Entsagung.

8. (1462.) Wenn hingegen einer einem Werke, weil es mit Schmerz verbunden ist, aus Furcht vor der korperlichen Be- schwerde] entsagt, der libt eine rajashafte Entsagung und wird denLohn der Entsagung nicht erlangen.

XVIII (Adhy^ya 42). 101

9. (1463.) Wenn hingegen, o Arjuna, ein notwendiges Werk nur in dem Bewufstsein, dafs es Pflicht sei, vollbracht wird, indem man dabei der Anhanglichkeit und dem Lohne entsagt, so heifst diese Entsagung eine sattvahafte.

10. (1464.) Ein unangenehmes Werk nicht zu meiden und an einem angenehmen nicht zu hangen, das ist das Zeichen eines vom Sattvam durchdrungenen, weisen und vom Zweifel befreiten Entsagers.

11. (1465.) Denn solange man an den Leib gebunden ist, kann man den Werken nicht vollstandig entsagen ; wer aber der Frucht der Werke entsagt, der verdient den Namen eines Entsagers.

12. (1466.) Dreifach, namhch unerwiinscht, erwiinscht und gemischt, ist die Frucht des Werkes fiir die Nichtentsagenden nach dem Tode, in keiner Weise aber fiir die, welche ver- zichtet haben.

13. (1467.) Erfahre von mir, o Grofsarmiger, dafs es fol- gende fiinf Ursachen sind, durch welche nach dem auf Re- flexion fsdfilxhyamj gestiitzten Lehrbegriff alle Werke zustande kommen :

14. (1468.) Erstens die Lage, sodann der Tater und ferner das Organ, dazu die mannigfachen Betatlgungen im einzelnen und schliefslich als Fiinftes das Schicksal.

15. (1469.) Was fiir ein Werk auch immer ein Mann mit Korper, Worten oder Gedanken unternehmen mag, sei es ein vorschriftsmafsiges oder das Gegenteil, zu dem wirken diese fiinf Ursachen zusammen.

16. (1470.) Wenn nun, da dem so ist, einer sich selbst allein als Tater ansieht, der hat nicht die vollstandige Erkenntnis und entbehrt als ein Ubelberatener der richtigen Ansieht.

17. (1471.) Derjenige, dessen Natur nicht der Selbstsucht verfallen, dessen Einsicht nicht getriibt ist, ein solcher, wenn er auch diese ganze Welt totete, totet doch nicht und ist nicht gebunden.

18. (1472.) Das Erkennen, das Erkannte und der Erkenner, in diesen liegt der dreifache Antrieb zum Handeln; das Tun, die Tat und der Tater, in diesen liegt die dreifache Summe der Handlung.

102 II- Bhagavadgita.

19. (1473.) Die Erkenntnis, die Tat und der Tater werden je nach den Guna's als dreifach in der Aufzahlung der Guna's erklart; in welcher Weise, auch das sollst du von mir erfahren.

20. (1474.) Diejenige Erkenntnis, durch welche man in alien Wesen die eine unvergangliche Wesenheit erblickt, welche ungeteilt in den geteilten weilt, diese Erkenntnis, wisse, ist sattvahaft.

21. (1475.) Diejenige Erkenntnis, welche in der Vereinze- lung mancherlei besondere Wesenheiten in alien Wesen er- kennt, diese Erkenntnis, wisse, ist rajashaft.

22. (1476.) Diejenige Erkenntnis, welche sich ohne Grund an ein einzelnes Geschopf, als ware es das Ganze, anklam- mert, gegen den Tatbestand und in kleinlicher Weise, diese Erkenntnis wird bezeichnet als tamashaft.

23. (1477.) Ein notwendiges Werk, welches ohne Anhang- lichkeit und ohne Leidenschaft und Hafs getan wird von einem solchen, der nicht nach Lohn verlangt, ein solches Werk heifst sattvahaft.

24. (1478.) Hingegen ein Werk, welches von einem nach Erfiillung seines Wunsches Verlangenden oder auch von einem vom Bewufstsein des eigenen Ich Erfiillten mit grofser An- strengung getan wird, ein solches wird als rajashaft bezeichnet.

25. (1479.) Ein Werk, welches blindlings und ohne Riick- sicht auf die Folgen, den Verlust, die Schadigung und die cigene Leistungsfahigkeit unternommen wird, ein solches Werk heifst tamashaft.

26. (1480.) Ein Tater, welcher frei von Anhanglichkeit, frei von Prahlerei, mit Standhaftigkeit und Energie begabt und dabei im Gelingen wie im Mifslingen immer sich gleich- bleibend ist, ein solcher Tater heifst sattvahaft.

27. (1481.) Ein Tater, welcher leidenschaftlich, nach dem Lohne seines Tuns trachtend, begehrlich, zum Schadigen ge- neigt und unrein ist, dazu nicht frei von Freude und Trauer, ein solcher Tater wird bezeichnet als rajashaft.

28. (1482.) Ein Tater, welcher ohne Hingebung, gemein gesinnt, halsstarrig, verschlagen, andere herabwiirdigend, trag, kleinmiitig, saumsehg ist, ein solcher Tater heifst tamashaft.

XVIII (Adhy^ya 42). 103

29. fi483.) Nunmehr vernimm die nach den Guna's drei- fache Einteilung der Buddlii und der Festigkeit, wie ich sie erschopfend im einzelnen, o Beutemacher, darlegen werde.

30. (1484.) Eine Buddhi, welche zur rechten Zeit anzu- fangen und aufzuhoren, zu tun und zu lassen, zu schauen und nicht zu schauen weifs und dazu der Bindung und der Erlosung kundig ist, eine solclie Buddhi, o Sohn der Pritha, heifst sattvahaft.

31. (1485.) Eine Buddhi, durch welche man das Rechte und das Unrechte, das Zutuende und das Zulassende nicht, wie es sich verhalt, erkennt, eine solche Buddhi, o Pritha- sohn, heifst rajashaft.

32. (I486.) Eine Buddhi, welche, von Finsternis umhiillt, das Falsche fiir das Rechte halt und alle Dinge umgekehrt sieht, als sie sind, eine solche Buddhi, o Prithasohn, heifst tamashaft.

33. (1487.) Eine Festigkeit, durch welche man die Ver- richtungen von Manas, Prana (Lebenshauch) und Indriya's (Sinnesorgane) kraft einer unentwegten Yogahingehung fest- macht, eine solche Festigkeit, o Prithasohn, ist sattvahaft.

34. (1488.) Eine Festigkeit, o Arjuna, durch die man an dem Guten, Angenehmen und Niitzlichen mit Anklammerung und Verlangen nach Lohn festhalt, eine solche Festigkeit, o Prithasohn, heifst rajashaft.

35. (1489.) Eine Festigkeit, durch die ein Ubelberatener nicht loslassen will von Schlaf, Furcht, Kummer, Verzagtheit und Unbesonnenheit, eine solche Festigkeit gilt als tamas- haft, o Prithasohn.

36. (1490.) Nunmehr vernimm von mir, o Stier der Bharata's, die Lehre von der dreifachen Lust. Eine Lust, an welcher man sich auch bei ihrer Wiederkehr erfreut und zur Befreiung von Leiden gelangt,

37. (1491.) und welche am Anfang wie Gift und am Ende der Ambrosia vergleichbar ist, eine solche Lust, welche aus der Heiterkeit der Seele und des Bewufstseins entspringt, wird sattvahaft genannt.

38. (1492.) Eine Lust, welche vermoge der Verbindung der Sinne mit den Sinnendingen am Anfang der Ambrosia vergleich- bar und am Ende wie Gift ist, eine solche Lust heifst rajashaft.

104 II. Bhagavadgita,.

39. (1493.) Eine Lust, welche zu Anfang und in ihrem Verlaufe die Seele verblendet und aus Schlaf, Tragheit und Unbesonnenheit entspringt, eine solche Lust heifst tamashaft.

40. (1494.) Es gibt keine Wesenheit weder auf der Erde, noch im Himmel unter den Gottern, welche von diesen drei aus der Prakriti entspringenden Guna's frei ware.

4L (1495.) Die Aufgaben der Brahmanen, Kshatriya's, Vai- Oya's und (^udra's, o Feindbezwinger, sind unterschieden nach den in ihrer Naturanlage hervortretenden Guna's.

42. (1496.) Kuhe, Bezahmung, Askese, Reinheit, Geduld und Rechtschaffenheit, Wissen, Wissenschaft und positiver Standpunkt, das ist die aus seiner Natur entspringende Auf- gabe des Brahmanen.

43. (1497.) Heldenmut, Energie, Standhaftigkeit, Tiichtig- keit und Ausharren im Kampfe, Freigebigkeit und Herrscher- macht, das ist die aus seiner Natur entspringende Aufgabe des Kshatriya.

44. (1498.) Ackerbau, Viehzucht und Handel ist die aus seiner Natur entspringende Aufgabe des Vaigya ; die Aufgabe des Qudra^ wie sie aus seiner Natur entspringt, besteht im Dienen.

45. (1499.) Die Vollendung erreicht der Mensch, indem er sich an der ihm gewordenen Aufgabe erfreut; wie er durch die Freude an seiner Aufgabe zur Vollendung gelangt, das vernimm.

46. (1500.) Ihn, aus welchem der Ursprung der Wesen ist und durch welchen dieses Weltall ausgebreitet wurde, wer diesen dadurch ehrt, dafs er die ihm gewordene Aufgabe er- fiillt, der Mensch gelangt zur Vollendung.

47. (1501.) Besser, ist es die eigene Pflicht ohne Tiichtig- keit als die fremde Pflicht mit Erfolg zu betreiben (= Vers 98o) ; wer die durch seine Natur ihm auferlegte Aufgabe erfiillt, der verfallt nicht in Siinde.

48. (1502.) Die angeborene Aufgabe, o Kuntisohn, soil man nicht fahren lassen, auch wenn sie mit Schuld behaftet ist, denn alles Tun ist von Schuld umhiillt wie das Feuer vom Rauche.

49. (1503.) Wer in seinem Bewufstsein ohne Weltanhang- lichkeit, allerwarts sich selbst iiberwunden habend, frei von

XVIII (Adhyliya 42). 105

Begierde ist, der erreicht durch Entsagung die hochste Voll- endung der Werklosigkeit.

50. (1504.) Wie der, welcher die Vollkommenheit erlangt hat, eben damit das Brahman erlangt, das, o Kuntisohn, ver- nimm von mir in der Kiirze, wie es der hochste Standpunkt des Wissens ist.

51. (1505.) Mit gelauterter Erkenntnis begabt, sein Selbst mit Festigkeit ziigelnd, auf die Sinnendinge, Tone usw., ver- zichtend, Leidenschaft und Hafs abwerfend,

52. (1506.) die Einsamkeit suchend, leichte Nahrung zu sich nehmend, Worte, Leib und Gedanken bezahmend, die Hingebung an die Meditation allezeit als das Hochste er- achtend und die Leidenschaftslosigkeit errungen habend,

53. (1507.) befreit von Selbstsucht, Gewalttatigkeit, Stolz, Begierde, Zorn und Famihenanhang, so wird man selbst- los und beruhigt zur Brahmanwerdung reif.

54. (1508.) Wer aber Brahman geworden, dessen Geist ist heiter, er trauert nicht und verlangt nicht ; gleichmiitig gegen alle Wesen, ergreift er meine Verehrung als Hochstes.

55. (1509.) Durch die Verehrung erkennt er mich, meine Grofse und wer ich bin, dem Wesen nach; hat er mich aber dem Wesen nach erkannt, so geht er sogleich in dasselbe ein.

56. (1510.) Und indem er allezeit alle seine Werke tut im Hinblick auf mich, erlangt er durch meine Gnade die ewige, unvergangliche Statte.

57. (1511.) Indem du im Geiste alle Werke auf mich wirfst, mich als Hochstes erachtest, sollst du, gestiitzt auf Erkennt- nis und Hingebung, allezeit meiner gedenken.

58. (1512.) Meiner gedenkend wirst du durch meine Gnade alle Schwierigkeiten iiberwinden; wenn du aber aus Eigen- willen nicht auf mich horst, wirst du zugrunde gehen.

59. (1513.) Wenn du dich auf deinen Eigenwillen versteifst und dir vornimmst, nicht zu kampfen, so ist dieser dein Ent- schlufs ein vergeblicher ; deine Natur wird dich dazu zwingen.

60. (1514.) Bist du aber durch die aus deiner eigenen Natur entspringende Aufgabe gebunden, dann wirst du, o Kuntisohn, das, was du aus Verblendung nicht tun willst, auch gegen deinen Willen tun miissen.

106 II. Bhagavadgita.

61. (1515.) Der Herr aller Wesen wohnt, o Arjuna, in der Gegend ihres Herzens und wirbelt alle Wesen herum, als waren sie durch die Maya an einem Rade befestigt.

62. (1516.) Zu ihm begib dich in Schutz mit deinem ganzen Sein, 0 Bharata, dann wirst du durch seine Gnade die hochste Ruhe und die ewige Statte erlangen.

63. (1517.) Damit ist dir das Wissen, welches geheimer als das Geheime ist, von mir mitgeteilt worden; iiberdenke es bei dir voll und ganz und tue, was du willst.

64. (1518.) Hore noch weiter von mir das allergeheimste, hochste Wort ; ich liebe dich gar sehr, darum will ich sagen, was zu deinem Heile dient.

65. (1519.) An mich denke, mir hange an, mir huldige, mich verehre, und du wirst zu mir gelangen, ich verspreche es dir wahrhaftig, denn du bist mir lieb.

66. (1520.) Lafs alle Satzungen dahinten, nimm zu mir allein deine Zuflucht, ich werde dich von allem Ubel erlosen, trauere nicht!

67. (1521.) Diese Rede darfst du niemals einem mitteilen, der nicht asketisch gesinnt, der nicht fromm, der nicht ge- horsam ist, und auch niemandem, der gegen mich murrt.

68. (1522.) Wer aber dieses hochste Geheimnis solchen darlegt, welche mich verehren, der beweist mir damit die hochste Verehrung und wird unzweifelhaft zu mir eingehen.

69. (1523.) Es ist keiner unter den Menschen, der mir etwas Lieberes erwiese als eben ein solcher, und kein anderer als ein solcher wird mir auf der Welt lieber sein.

70. (1524) Und wer diese heilige Unterredung zwischen uns beiden studieren wird, der hat mir damit das Opfer der Erkenntnis dargebracht, so denke ich dariiber.

71. (1525.) Und auch der Mann, welcher glaubig und ohne Ubelwollen dieses hort, der wird nach seiner Befreiung vom Leibe die herrlichen Welten derer erlangen, deren Tun heilig war.

72. (1526.) Bast du nun, o Sohn der Pritha, dieses von mir mit ungeteilter Aufmerksamkeit vernommen? Und ist die Verblendung des Nichtwissens von dir gewichen, o Gut- gewinner ?

XVIII (Adhyaya 42). 107

Arjuna sprach :

73. (1527.) Gewichen ist die Verblendung , empfangen ist die Kunde von mir durch deine Gnade, o Unerscliutterlicher ; fest stehe ich und frei von Zweifel ; ich werde tun nach deinera Worte.

Sanjaya (der Erzahler) sprach:

74. (1528.) Also habe ich diese Unterredung zwischen dem Vasudevasohne und dem hochherzigen Sohne der Pritha an- gehort, die wunderbare, haarstraubende.

75. (1529.) Nachdem ich durch die Gnade des Vyasa dieses hochste Geheimnis iiberkommen habe, den Yoga, wie der Herr des Yoga, Krishna, ihn selbst unmittelbar verkiindet hat,

76. (1530.) so habe ich, o Konig, indem ich mich immer wieder und wieder an dieses wunderbare, heihge Zwiegesprach zwischen dem VoUhaarigen und Arjuna erinnere, jedesmal aufs neue meine Freude daran.

77. (1531.) Und indem ich mich immer wieder und wieder erinnere an die wunderbare Erscheinung des Hari (Vishnu), erfiillt mich grofses Staunen, o Fiirst, und ich freue mich daran stets wieder aufs neue.

78. (1532.) Auf wessen Seite Krishna, der Herr des Yoga, auf wessen Seite der bogentragende Sohn der Pritha steht, da ist Heil, Sieg, Gedeihen und ein festes Verhalten, so glaube ich.

So lautet in der Bhagavadglt& die zur Erlosung fiihrende Entsagung (rnoksha - sannydsa - yoya).

III. MOKSHADHAEMA.

Mahabharatam Buch XII, Adhy^ya 174-367, Vers 6457-13943, C. (= Buch XII, Adhyaya 174-365, B.).

Aclhyaya 174 (B. 174).

Vers 6457-6521 (B. 1-63).

Yudhishthira sprach:

1. (6457.) Die schonen Gesetze, soweit sie sich auf das Gesetz fiir Konige beziehen, wurden von dir, dem Grofsvater, mitgeteilt; das vortrefflichste Gesetz der asketisch Lebenden mogest du, o Fiirst, mir nun verkiinden.

Bhishma sprach:

2. (6458.) Allerstreckend sind die Verordnungen des Ge- setzes ; auch fiir den, der lebt und nicht dahingeschieden ist, gibt es einen Lohn fiir seine Askese ; viele Tore hat das Ge- setz, und auch hienieden ist seine Erfiillung nicht ohne Frucht.

3. (6459.) Aber welcher Art auch der Gegenstand sein mag, iiber welchen irgendeiner zur Gewifsheit gelangt, so erkennt er dadurch doch nur eben diesen Gegenstand, o Bester der Bharata's, und keinen andern.

4. (6460.) In welcher Weise man auch immer das morsche Gewebe dieser Welt iiberschauen mag, auf jede Weise ent- springt daraus Abwendung von ihr, daran ist kein Zweifel.

5. (6461.) Und da somit die Welt, o Yudhishthira, als mit vielen MSngeln behaftet sich erweist, so mufs ein ver- standiger Mann doch wohl nach einem Mittel trachten, sein Selbst von ihr zu erlosen.

Yudhishthira sprach:

6. (6462.) Wenn man sein Vermogen verloren hat, oder wenn einem Weib, Sohn oder Vater gestorben ist, durch

112 III. Mokshadharma.

welche Erkenntnis kann man den Kummer abschiitteln ? Das, o Grofsvater, sage mir.

Bhishma sprach :

7. (64G3.) Wenn man sein Vermogen verloren hat, oder wenn einem Weib, Sohn oder Vater gestorben ist, so moge man durch den Gedanken: „Je nun, es ist ein Schmerz!" zur Abwerfung des Kummers gelangen.

8. (6464.) Auch dariiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, wie zum Senajit ein ihm befreundeter Brahmane gekommen und mit ihm gesprochen habe.

9. (6465.) Zu diesem Konige, den er, gequalt von Kummer iiber seinen Sohn, vor Schmerz aufser Fassung und nieder- geschlagenen Geistes sah, sprach der Brahmane dieses Wort :

10. (6466.) Warum bist du doch so ganz und gar ver- stort, warum klagst du, wo du selbst zu beklagen bist, da sie ja doch auch dich beklagen werden und dann selbst als beklagenswert denselben Weg gehen miissen.

11. (6467.) Du selbst, 0 Fiirst, und ich und alle, die dir huldigen, wir alle werden dorthin gehen, woher wir ge- kommen sind.

Senajit sprach:

12. (6468.) Was ist das fiir eine Erkenntnis, was fiir eine Askese, o Brahmane, was fiir eine Meditation, o Askesereicher, was fiir ein Wissen und was fiir eine Schriftgelehrsamkeit, welche erlangt habend, du nicht aufser Fassung kommst?

Der Brahmane sprach:

13. (6469.) Sieh doch hin, wie die Wesen auf den hochsten, mittleren und tiefsten Stufen alliiberall bei dieser oder jener Sache hienieden in Schmerz verstrickt sind.

14. (6470.) Auch dieses mein Selbst hier ist nicht mein, oder auch die ganze Erde ist mein, und wie sie mein ist, gehort sie auch den anderen, so denke ich und bleibe un- erschiittert. (6471.) Diese Erkenntnis erlangt habend, freue ich mich nicht und betriibe mich nicht.

15. Wie ein Stiick Holz und ein anderes Stiick Holz sich zusammenfinden in dem grofsen Weltmeere (6472.) und, nach-

Adhyaya 174 (B. 174). 113

dem sie sich zusainmengefunden, sich wieder trennen, so steht es mit dem Zusammenkommen der Wesen.

16. Ebenso steht es mit Kindern und Kindeskindern, mit Bekannten und Verwandten. (6473.) Liebe zu ihnen soil man nicht fassen, denn die Trennung von ihnen ist sicher.

17. Aus der Unsichtbarkeit herbeigekommen und wiederum in die Unsichtbarkeit zuriickgegangen , (6474.) kennt ein an- derer nicht dich und kennst du nicht ihn ; wer bist du denn, dafs du etwas beklagen solltest?

18. Aus der Qual der Begierde ftrishndj entsteht der Schmerz, aus der Qua! des Schmerzes entsteht die Lust, (6475.) und aus Lust entsteht wiederum Schmerz, so ist es, und abermals Schmerz.

19. Der Lust unmittelbare Folge ist Schmerz, des Schmer- zes unmittelbare Folge ist Lust; (6476.) Lust und Schmerz bei den Menschen roUen um wie ein Rad.

20. Wenn du aus der Lust in den Schmerz geraten bist, so wirst du aus ihm wiederum in die Lust geraten ; (6477.) man kann nicht immerfort Schmerz empfmden und man kann nicht immerfort Lust empfinden (vgl. Platon, Phadon p. 60 B). [Das Folgende nur in C.j Der Korper ist die Heimstatte so- wohl des Schmerzes als auch der Lust.

21. (6478.) Der Korper ist die Heimstatte fiir die Lust, und ebenso fiir den Schmerz ist die Heimstatte der Korper ; welcher Art auch das Werk sein mag, das man mit seinem Korper vollbringt, jedenfalls erlangt nur durch ihn der Mensch jenes [Lust und Schmerz].

22. (6479.) Und auch das Leben entsteht zugleich mit jenem Korper; beide entfalten sich zugleich, und beide gehen zugleich zugrunde.

23. (6480.) Durch vielfaltige Fallstricke der Begierden haben sich die Menschen in den Sinnendingen verfangen, und, ohne ihren Zweck erreicht zu haben, lassen sie nach, wie Damme aus Sand im Wasser.

24. (6481.) Wie das Sesamkorn um des Oles willen, wird alles in dem Miihlrade der Schopfung ausgequetscht, nach- dem man durch die Olmiiller hineingeraten ist, das heifst

Deussen, Mah4bh4ratam. «

114 in. Mokshadharma.

durch die aus dem Nichtwissen entsprungenen Charakter- schwachen [Mega, vgl. Yogasutra 2,3).

25. (6482.) Der Mann hauft auf sich das bose Werk um seines Weibes willen, aber er allein verfallt dadurch in Charakter- fehler, die dem Menschen im Jenseits wie im Diesseits anhaften.

26. (6483.) An Kindern, Weibern und Familie hangen alle Menschen; sie gehen unter in dem schlammigen Meere der Sorgen, wie alte Waldelefanten im Schlamm.

27. (6484.) Bei Verlust der Kinder, bei Verlust des Ver- mogens oder auch der Freunde und Verwandten empfindet man einen sehr grofsen Schmerz, einem Waldbrandfeuer ver- gleichbar, o Herr. (6485.) Vom Schicksal abhangig ist diese ganze Welt in Lust und Leid, in Werden und Vergehen.

28. Mag einer keine Freunde haben oder Freunde haben, mag er Feinde oder Bundesgenossen haben, (6486.) mag er weise sein oder der Weisheit bar, sein Gliick empfangt er durch das Schicksal.

29. Freunde reichen nicht aus, um gliicklich, Feinde reichen nicht aus, um ungliicklich zu machen; (6487.) Weis- heit reicht nicht aus, um reich, Reichtum reicht nicht aus, um gliicklich zu werden.

30. Klugheit geniigt nicht zur Erlangung von Reichtum, Dummheit hindert nicht am Erfolg; (6488.) diesen Verlauf des Weltlaufes begreift der Weise und nicht der Tor.

31. Den Verstandigen und Mutigen, den Betorten und Feigen, den Stumpfen und den Weisen, (6489.) den Schwach- ling und den Starken, wen es trifft, dem fallt das Gliick in den Schofs.

32. Die Kuh gehort dem Kalbe und dem Hirten und dem Eigentiimer und dem Diebe; (6490.) wer die Milch von ihr trinkt, dem gehort die Kuh, das ist gewifs.

33. Die Allertorichtesten im Leben und die Allerweisesten, (6491.) diese haben leicht Erfolg, aber der zwischen beiden Stehende hat zu leiden.

34. Der weise Mann freut sich an den Extremen, nicht freut er sich an dem Mittelmafsigen. (6492.) In der Erlangung eines Extrems findet man das Gliick, das Leid liegt zwischen den beiden Extremen.

Adhy^ya 174 (B. 174). 115

35. Diejenigen aber, welche zum Gliicke der Erkenntnis gelangt, iiber die Gegensatze erhaben und frei von Selbst- sucht sind, (6493.) diese erschiittert weder Gliick noch Ungliick irgendwann.

36. Hingegen diejenigen, welche noch nicht zur Erkennt- nis gelangt, aber iiber die Stufe der Verworrenheit schon hinausgeschritten sind, (6494.) diese sind es, welche iibermafsig sowohl Freude als audi Qual erfahren miissen.

37. Die Verworrenen sind immer vergntigt, wie Gotter- scharen im Himmel, (6495.) vermoge ihres grofsen Hochmutes und ihres Stolzes, diese Toren.

38. Die Lust, wenn sie in Tragheit besteht, endigt im Schmerz, der Schmerz, wenn er in Tatigkeit besteht, fiihrt zur Lust, (6496.) mi thin wohnt Gedeihen und Gliick bei dem Tatigen und nicht bei dem Tragen.

39. Aber mag es sich nun um Lust oder um Schmerz, um Angenehmes oder Unangenehmes handeln, (6497.) das Errungene soil man als ein Errungenes hochhalten in seinem Herzen und sich nicht niederzwingen lassen.

40. Tausend Anlasse zu Kummer und hundert Anlasse zur Furcht (6498.) beschleichen Tag fiir Tag den Verworrenen, nicht den Weisen.

41. Wer verstandig ist, Erkenntnis gewonnen hat, naoh Schriftwissen trachtet, frei von Mifsgunst, (6499.) bezahmt und Herr seiner Sinne ist, einen solchen Mann beriihrt der Kum- mer nicht.

42. Auf diese Erkenntnis stiitze sich der Weise und iiberwache seine Gedanken, (6500.) dann kennt er den Auf- gang und Untergang der Welt, und kein Schmerz kann ihn anriihren.

43. Aus welcher Veranlassung auch immer ein Kummer entstehen mag oder eine Qual oder ein Leid (650i.) oder eine Gemiitsaufregung, dasjenige, woraus sie entspringen, soil man von sich abtun, und ware es ein Glied des eigenen Korpers (Ev. Matth. 5,29).

44. Wo irgend etwas ins Werk gesetzt wird aus egoisti- scher Gesinnung, (6502.) da wird man diese als den ganzen Inbegriff des Leidens fmden.

116 III. Mokshadharma.

45. Was man auch immer an Begierden wegraumt, ihr Raum wird von Gliick ausgefiillt. (6503.) Der Mann aber, welcher hinter den Begierden herlauft, der geht auch hinter den Begierden her zugrunde.

46. Alles Gliick, was aus Erfiillung der Wiinsche in der Welt, und alles, was an grorsem Gliick im Himmel sein mag, (6504.) alle beide wiegen nicht den sechzehnten Teil des Gliickes auf, welches in der Vernichtung der Begierde ftrislmdj besteht.

47. Alles gute Werk und alles bose, was in einer friihern Verkorperung begangen worden ist, (6505.) das wird einem jeden zuteil, sei er ein Weiser oder ein Tor oder ein Held, so wie es begangen worden ist.

48. In dieser Weise fiirwahr ist alles, das Angenehme und Unangenehme, (6506.) bei den Seelen in Umlauf mit Leid und Lust.

49. Auf diese Erkenntnis sich stiitzend sitzt er, der Tiich- tige, behaglich da. (6507.) Vor alien Begierden moge er sich hiiten, die Begierden [C. : den Zorn] moge er hinter sich werfen.

50. Er, der sich im Herzen regt, er, der, wenn er er- starkt ist, als Tod im Geiste lebt, (esos.) Zorn ist sein Name, so wird er, weilend im Leibe der Verkorperten, von den Weisen genannt.

51. Wenn einer von iiberallher die Begierden in sich zu- sammenkrampft, wie die Schildkrote ihre Glieder, (6509.) dann wird er als das Selbst in seinem Selbste das Selbstlicht schauen.

52. Wenn einer sich vor niemand fiirchtet und niemand sich vor ihm fiirchtet, (65io.) wenn er nicht mehr begehrt und nicht mehr hafst, dann geht er in das Brahman ein.

53. Wenn er beides aufgibt, das Wahre und das Un- wahre, Schmerz und Freude, Furcht und Mut, wenn er Liebes und Nichtliebes hinter sich lafst , (65ii.) dann wird er be- ruhigten Geistes leben.

54. Wenn er als weiser Mann alien Wesen keinerlei Ubles zufiigt, (6512.) weder in Werken, noch in Gedanken oder Worten, dann geht er in das Brahman ein.

55. Sie, welche von Torichtgesinnten schwer aufgegeben wird, sie, welche nicht altert mit dem Alternden , (esis.) jene Krankheit, welche nur mit dem Leben selbst zu Ende geht,

Adhy&ya 174 (B. 174). 117

es ist die Begierde ftrisJindJ; wohl dem, der sich von ihr befreit.

56. Dariiber hort man die Verse; o Fiirst, die einst von der Pingala dariiber gesungen wurden, (6514.) wie sie in der Zeit des Elends zu dem ewigen Gesetze gelangte.

57. Als namlich die Buhlerin Pingala beim Stelldichein von ihrem Geliebten im Stiche gelassen worden war, (6515.) da wufste sie in ihrem Elend ihren Geist zur Ruhe zu bringen.

Pingala sprach:

58. (6516.) Ich war versessen auf einen Geliebten, der nicht auf mich versessen war, und habe ihn lange Zeit gehegt im Innersten als meinen Liebling, aber bisher liatte ich ihn nicht durchschaut.

59. (6517.) Von nun an werde ich das Haus mit der einen Saule (dem Rumpf) und den neun Toren verschlossen halten, denn welche konnte jetzt noch von dem Geliebten, wenn er hierher kame, glauben, dafs er ein Geliebter sei.

60. (6518.) Ich Hebe nicht, und wenn sie unter dem Schein der Liebe kommen, die Schelme, die dem Hollendamon Naraka gleichenden, so sollen sie mich nicht wieder betriigen, ich bin erweckt worden, ich bin wach.

61. (6519.) Auch Ungliick kann zum Glilck ausschlagen vermoge des Schicksals oder der Werke in einer friihern Ge- burt; ich bin erwacht, ich bin frei von sinnlichen Gestalten, ich bin jetzt nicht mehr eine, welche die Sinne nicht iiber- wunden hatte.

62. (6520.) Der Hoffnungsfreie schlaft sanft, Hoffnungs- freiheit ist das hochste Gliick, denn, die Hoffnung mit Nicht- Hoffnung vertauscht habend , schlaft ruhig die Pingala.

Bhlshma sprach:

63. (6521.) Durch diese und andere, von Griinden begleitete Gesprache des Brahman en wieder aufgerichtet , freute sich der Konig Senajit und war zufrieden.

So lautet im Mokshadharma

die ErzaUung vom Gesprache des Brahmauen mit Seuajit

{brdhmana - Senajit - samvdda).

118 III. Mokshadharma.

Adhyaya 175 (B. 175).*

Vers 6522-6561 (B. 1-39).

Yudhishthira sprach:

1. (6522.) In dieser hinfliefsenden Zeit, welche den Unter- gang aller Wesen herbeifiihrt, was lafst sich da als das Beste erreichen, das sage mir, o Grofsvater.

Bhishma sprach:

2. (6523.) Auch dariiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlicli die Unterredung eines Vaters mit seinem Sohne; diese vernimm, o Yudhishthira.

3. (6524.) Ein gewisser Zwiegeborener, o Sohn der Pritha, welcher seine Freude im Vedastudium fand, hatte einen ver- standigen Sohn, welcher Medhavin (der Verstandige) mit Na- men hiefs.

4. (6525.) Da sprach zu seinem an der Betreibung des Vedastudiums sich erfreuenden Vater der Sohn, welcher der Erlosung, des Guten und des Nutzens kundig und in dem Wesen der Welt erfahren war.

Der Sohn sprach:

5. (6526.) Was mufs wohl, o Vater, ein weiser und verstandiger Mann tun? Denn schnell hinfallig ist das Leben der Menschen. Das sage mir, o Vater, wie es sich in Wahrheit verhalt, in richtiger Ordnung, damit ich meine Pflicht erfiillen kann.

Der Vater sprach:

6. (6527.) Mein Sohn, nachdem einer im Stadium des Brahmacarin die Veden studiert hat, soil er Sohne er- streben zur Siihnung fiir seine Vater und, nachdem er die Feuer angelegt und nach Vorschrift die Opferhand- lungen betrieben hat, soil er in den Wald gehen und sich bemiihen, ein Muni zu werden.

* Nahezu identisch mit Adhyaya 278.

Adhyaya 175 (B. 175). 119

Der Sohn sprach:

7. (6528.) Da die Welt so heimgesucht wird und vollig abgegrenzt ist, und da die Nicht-Vergeblichen dahinfliehen, was redest du da, als warest du weise?

Der Vater sprach:

8. (6529.) Wie soil denn die Welt heimgesucht und wo- durch soil sie abgegrenzt sein, und wer sind hier die Nicht- Vergeblichen, welche dahinfliehen? Wovor willst du mich bange machen?

Der Sohn sprach:

9. (6530.) Vom Tode ist die Welt heimgesucht, ^urch das Alter wird sie abgegrenzt, und die Tage und Nachte sind es, welche dahinfliehen; ist dem nicht so? Warum begreifst du das nicht?

10. (6531.) Und die Nachte sind es ja doch, welche als die Nicht-Vergeblichen [als die uns altern Machenden] immer- fort kommen und gehen. Wo ich dieses weifs, dafs namlich der Tod keinen Stillstand kennt, (6532.) was kann ich mir davon versprechen, dafs ich, von dem [vedischen] Wissen umhiillt, dahinginge?

11. Wenn es wahr ist, dafs das Leben immer kiirzer wird, indem eine Nacht nach der andern verstreicht, (6533.) dann diirfte der Einsichtige weiter audi von dem Tage finden, dafs er unfruchtbar sei.

12. Wer mochte da Freude finden, wo er doch wie ein Fisch in seichtem Wasser ist ; (6534.) noch ehe er seine Wiinsche erfiillt sieht, iiberkommt den Menschen der Tod.

13. Wie einen der Blumen pfliickt, so wird ihn, wahrend sein Geist anderswohin gerichtet ist, (6535.) der Tod be- schleichen, wie eine Wolfin das Lamm, und mit seinem Raube davoneilen.

14. Heute noch tue, was zu deinem Besten dient; moge diese Zeit nicht [ungenutzt] iiber dich hinweggehen. (6536.) Denn ehe noch die Aufgaben erfiillt sind, reifst einen der Tod mit sich fort.

15. Was morgen zu tun ist, das tue man lieber heute, am Vormittage lieber, was nachmittags zu tun ist, (6537.) denn

120 ni. Mokshadharma.

der Tod wartet nicht, ob einer sein Werk vollendet hat oder nicht.

16. Denn wer weifs, wessen Todesstunde lieute sein wird? (6538.) Schon der Jiingling gewohne sich, seine Pflicht zu tun, denn das Leben ist verganglich. Erfiillte Pflicht bringt Ruhm auf Erden und im Jenseits Gliicksehgkeit.

17. (6539.) Denn von Verblendung besessen miiht einer sich ab fiir Weib und Kind; aber ob er dabei das Ziel er- reicht oder nicht, diesen ganzen Wohlstand mufs er abgeben.

18. (6540.) Wenn der Mensch mit Kindern und Herden gesegnet ist und sein Herz daran hangt, dann, wie der Tiger eine schlarf'ende Antilope, holt ihn der Tod.

19. (6541.) Noch ist er dabei, zu sammeln, noch sind seine Begierden nicht gesattigt, da, wie der Tiger ein Stiick Vieh raubt, holt ihn der Tod.

20. (6542.) „Dies ist getan, dies mufs getan werden und jenes andere ist halb getan", so ist einer in Bestrebungen und Befriedigungen befangen, da unterwirft ihn sich der Tod.

21. (6543.) Den Menschen, ehe er noch die Frucht seiner getanen Geschafte einheimst, ihn, der von seinem Geschafte den Namen tragt, ihn, der sein Herz an Pelder und Waren und Hauser hangt, holt der Tod.

22. (6544.) Mag er schwach oder stark sein, ein Held oder ein Feigling, dumm oder klug, ihn, ehe er noch an das Ziel aller seiner Wiinsche gelangt ist, holt der Tod.

23. (6545.) Tod und Alter, Krankheit und Leiden, wie sie aus vielen Ursachen hervorgehen, da diese dem Korper nach- stellen, wie kannst du da unerschiittert bleiben?

24. (6546.) Jeden, der geboren ist, iiberkommen am Ende Tod und Alter ; diesem Paare sind alle Wesen, die unbeweg- lichen (Pflanzen) und beweglichen, verfallen.

25. (6547.) Eine Pforte fmukhamj des Todes ist die Ge- schlechtslust des im Dorfe Wohnenden [Grihastha], aber ein Sammelpunkt der Gotter ist der Wald [als Aufenthalt des Vanaprastha] , so sagt die Schrift.

26. (6548.) Ein fesselnder Strick ist die Geschlechtslust des im Dorfe Wohnenden. Die Guten durchschneiden ihn und entkommen, die Bosen durchschneiden ihn nicht.

Adhyaya 175 (B. 175). 121

27. (6549.) Wer die Kreaturen nicht verletzt, weder durch Gedanken, noch durch Worte, noch durch seinen Korper, der wird auch nicht verletzt von Lebewesen, welche Leben und Besitz rauben [nach B.].

28. (6550.) Kein Mensch vermag das heranziehende Heer des Todes jemals zuriickzuschlagen ohne die Wahrheit; das Unwahre mufs man aufgeben [nach B.], denn in der Wahr- heit ist das Unsterbliche gegriindet.

29. (C551.) Darum, wer im Geliibde der Wahrheit wandelt, Hingebung an die Wahrheit als das Hochste hat, in wahrer UberHeferung und bestandiger Bezahmung verharrt, der iiber- windet durch die Wahrheit den Tod. •*

30. (6555.) Beides, das Nicht -mehr-sterben-miissen und das Sterben-miissen, hat seine Grundlage in der Verkorperung; das Sterben-miissen kommt von der Verblendung, durch die Wahrheit kommt das Nicht-mehr-sterben-miissen.

31. (6553.) Ich, der ich niemanden schadige, nach Wahr- heit verlange, Begierde und Zorn von mir abgetan habe, bei Leid und Lust gleichmiitig und friedfertig bin, ich werde von dem Tode frei werden, wie ein Unsterblicher,

32. (6554.) An der Beruhigung als Darbringung mich er- freuend, bezahmt, in der Verehrung des Brahman beharrend, als ein Muni Rede, Gedanken und Werke als Opfer dar- bringend, so werde ich auf dem Nordwege der Sonne [dem Devayana] dahingehen.

33. (6555.) Wie konnte einer wie ich mit Totung ver- bundene Tieropfer darbringen wollen? Wie konnte er als weiser Mann endliche Frucht habende Korperopfer darbringen, als ware er ein blutgieriger Damon?

34. (6556.) Derjenige, welcher Worte und Gedanken immer- fort vollstandig [im Yoga] versenkt hat, wer Askese, Ent- sagung und Wahrheit besitzt, der wahrlich erlangt das All.

35. (6557.) Kein Auge kommt der Wissenschaft gleich, keine Askese der Wahrheit, kein Ungliick kommt der Leiden- schaft, kein Gliick der Entsagung gleich.

36. (6558.) In meinem Selbste durch mein Selbst geboren, in mir selbst feststehend, auch ohne Nachkommen, werde ich

122 III. Moksliadharma.

nur in dem Selbste leben, Nachkommenschaft hilft mir nicht zur Rettung (vgl. Brih. Up. 4,4,22).

37. (6559.) Fiir einen Brahmanen steht kein Reichtum so hoch wie Einheit, Gleichmut, Wahrhaftigkeit , Giite, Festigkeit, Nichtstrafen und Rechtschaffenheit und, nach und nach, in ihrem Gefolge Abstehen von den AVerken.

38. (6560.) Was sollen dir Reichtum, was Verwandte, was sollen dir, o Brahmane, Weiber, da du sterben mufst? Den Atman suche, der in die Hohle [des Herzens] ein- gegangen ist. Wohin sind deine Vorvater und dein Vater gegangen ?

Bhishma sprach:

39. (6561.) Wie es der Vater tat, nachdem er dieses Wort des Sohnes vernommen hatte, so mogest auch du, o Fiirst, wandeln, Wahrheit und Recht fiir das Hochste haltend.

So lautet im Mokshadharma das Gesprach zwischen Vater und Sohn (pitd-putra-samvdda).

Adhyaya 176 (B. 176).

Vers 6562-6585 (B. 1-23).

Yudhishthira sprach :

1. (6562.) Die Reichen und die, welche besitzlos sind, leben dahin , beide in ihrer Weise. Was fiir Freuden und Leiden ergeben sich daraus fiir sie und in welcher Weise?

Bhishma sprach:

2. (6563.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, welche herriihrt von Qampaka, der schon hie- nieden erlost und zur Ruhe gelangt war.

3. (6564.) Einstmals sprach zu mir ein gewisser Brahmane, der sich der Entsagung ergeben hatte, und der von einem bosen Weibe, von schlechter Kleidung und Hunger geplagt war :

4. (6565.) Den Menschen, wie er hier in der Welt ent- standen, treffen von Geburt an mancherlei Leiden und Freuden.

Adhyaya 176 (B. 176). 123

5. (6566.) Was audi immer von diesen beiden ihn auf dem einen oder andern Wege geleiten mag, wenn ihn Freude trifft, soil er sich nicht freuen, wenn ihn Leid trifft, sich nicht be- schwert fiihlen.

6. (G567.) Du gelangst doch nicht zu dem, was zu deinem Heile dient, noch dazu, dafs du Herr deiner selbst bist, da du, obgleich [in Wahrheit] einen begierdelosen Atman habend, das Joch eben immerdar zu tragen hast.

7. (6568.) Wenn du als besitzlos umbers treiohst, so wirst du es dir mit Behagen schmecken lassen; der Besitzlose schlaft behaglich und steht ebenso wieder auf.

8. (6569.) Besitzlosigkeit ist ein Gliick in der Welt, sie ist forderlich, heilsam und vor Krankheiten schiitzend; sie ist der wahre Weg, um keine Feinde zu haben, der so schwer und doch wieder so leicht zu fmden ist.

9. (6570.) DemBesitzlosen, Reinen, injeder HinsichtWohl- gewappneten, wenn ich auf alle drei Welten blicke, so fmde ich nichts in ihnen, was dem gleichkame.

10. (6571.) Die Besitzlosigkeit und die Konigsherrschaft habe ich auf einer Wage gegeneinander abgewogen; die Ar- mut hatte das Ubergewicht und war auch der Konigsherr- schaft an Trefflichkeit iiberlegen.

11. (6572.) Zwischen Besitzlosigkeit und Konigsherrschaft besteht dieser sehr grofse Unterschied, dafs der Reiche immer- fort in Angst lebt, als hatte ihn schon der Tod im Rachen.

12. (6573.) Uber den haben nicht das Feuer, nicht wovor man unversehrt zu bleiben wiinscht, nicht der Tod, nicht die Damonen Gewalt, wer durch Verzicht auf Besitz sich frei- gemacht hat und ohne Wiinsche lebt.

13. (6574.) Wahrlich, wer immer nach Belieben herum- streicht, ohne Streu schlaft, mit den Armen als Kopfkissen und ohne Sorge, den preisen die Himmelsbewohner gliicklich.

14. (6575.) Der Reiche, besessen von Zorn und Habgier, von Sinnen gebracht, mit spahendem Seitenblick, vertrock- neten Mundes, bosartig die Brauen zusammenziehend,

15. (6576.) sich auf die Lippen beifsend, zornmiitig, von barscher Rede, wer mochte dem gern seine Aufwartung machen, auch wenn er einem die ganze Erde schenken wollte.

124 ni. Mokshadharma.

16. (6577.) Das fortwahrende Zusammenwohnen mit dem Gliick verblendet einen unverstandigen Menschen; das Gliick fegt seine Besonnenheit hinweg, wie der Wind die Wolke im Herbste.

17. (6578.) Dann packt ihn der Schonheitsdiinkel und der Reichtumsdiinkel : „ich bin hochgeboren, ich bin vollkommen, ich bin ein Ubermensch" fndsmi JcevalamdnushahJ.

18. (6579.) Durch die genannten drei Ursachen wird sein Denken in Verwirrung gebracht, und trotz seinem Haften [am Irdischen] verschleudert er die von den Vorfahren auf- gehauften Genursmittel, (6580.) und, heruntergekommen , halt er es fur recht, andern das Ihre zu rauben.

19. Und nachdem er das Mafs iiberschritten hat und von iiberallher raubt, (658i.) verjagen ihn die Konige, wie die Jager mit ihren Pfeilen ein wildes Tier.

20. So geschieht es, dafs diese Leiden, bald diese, bald jene, hienieden den Menschen (6582.) in mannigfacher Weise anfallen, wie auch die, welche aus der Antastung seines Leibes entspringen.

21. Aus Einsicht in diese iiberaus grofsen Leiden moge man sich dem Bettelstande ergeben, (6583.) indem man ver- achtet, was in der Welt Branch ist bei den Sicherstehenden und bei denen, die in unsicherer Lage sind.

22. Wer nicht entsagt hat, kommt nicht zum Gliick, wer nicht entsagt hat, kommt nicht zum Hochsten, (6584.) wer nicht entsagt hat, schlaft nicht in sicherer Ruhe, entsage allem und sei gliicklich.

23. So wurde dies ehedem in Hastinapuram mir dar- gelegt von dem Brahmanen (6585.) ^ampaka, darum halte ich die Entsagung fiir das Hochste.

So lautet im Mokshadharma der &esang des Qamp&ka

((^ampdka-gitd).

Adhyaya 177 (B. 177). 125

Adhyaya 177 (B. 177).

Vers 6586-6639 (B. 1-54).

Yudhishthira sprach:

1. (6586.) "Wenn einer, nach grofsen Dingen strebend, den Reichtum nicht erlangt und doch von Durst nach Reichtum beherrscht wird, was mufs der tun, um gliicklich zu werden?

Bhishma sprach:

2. (6587.) Wenn einer in alien Lagen Gleichmut, unauf- geregtes Wesen und Wahrhaftigkeit, o Bharata, dazu Welt- verdrossenheit und Unternehmungslosigkeit besitzt, der ist ein gliickliclier Mann.

3. (6588.) Die erwahnten fiinf Worte wurden von den Alten zur Beruhigung des Gemiites mitgeteilt; das ist der Himmel und die Gerechtigkeit , das wird fiir das allerhochste Gliick gehalten.

4. (6589.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich was aus Weltiiberdrufs Manki vor- getragen hat. Das vernimm, o Yudhishthira.

5. (6590.) Manki strebte nach Reichtum und war in diesem Streben ein Mai ums andere Mai gescheitert. Da kaufte er mit einem geringen Reste seines Vermogens ein Paar junge Ochsen.

6. (6591.) Diese beiden jungen Ochsen waren, fest mit- einander verbunden, ins Freie gebracht worden, um ein- gefahren zu werden ; da rannten sie plotzlich auf ein Kamel zu, welches gerade kniete, und nahmen es in die Mitte.

7. (6592.) Als sie sich nun an die Schultergegend des Ka- mels herandrangten , wurde dieses ungeduldig, sprang auf, rifs die beiden Ochslein in die Hohe und lief mit grofser Geschwindigkeit davon.

8. (6593.) Da nun Manki sah, wie seine beiden Ochslein von dem wiitenden Kamel fortgeschleppt wurden und den Erstickungstod starben, da sprach er folgendes Wort:

9. (6594.) Es hilft nichts, nach Reichtum zu streben, der einem vom Schicksal nicht gegonnt wird, selbst wenn man

126 in. Mokshadharma.

tiichtig ist und mit Glauben ausgerustet und sein Streben mit aller Macht verfolgt.

10. (6595.) Duroh die Kettung an das Unheil meiner Werke in einem friihern Dasein habe ich, obgleich mich bemiihend, doch, wie ihr seht, da es mich einmal treffen sollte, das vom Schicksal verhangte Ungliick erlitten.

11. (6596.) Dafs es [das Kamel] auf ungliicklichem Wege dahingeht, indem es meine Ochslein immerfort wiirgt, dafs es sie in die Hohe rifs und auf einem Abwege davonlief, das ist ein Verhangnis, wie die Erschlagung der Krahe durch die Palmfrucht.

12. (6597.) Wie zwei Schmuckstiicke des Kamels baumeln meine lieben Ochslein; es ist eine Fiigung des Schicksals; wenn das Gewalt braucht, ist die Menschentat fiir nichts.

13. (6598.) Aber selbst wenn irgend einmal das, was man Menschentat nennt, in Frage kommen sollte, so wird sich auch das, wenn man weiter nachforscht, als Schicksal heraus- stellen.

14. (6599.) Darum mufs einer, der hier auf der Welt gliick- lich zu werden wiinscht, sich der Weltentsagung zuwenden; der schlaft ruhig, wer entsagt und die Hoffnung auf Zwecke und Mittel aufgibt.

15. (6600.) Ach, wie richtig ist das von Quka gesagt worden, als er sich von allem losmachte und aus dem Hause seines Vaters in den grofsen Wald hinauszog!

16. (6601.) Gesetzt, einer erlangte alle seine Wiinsche, und gesetzt, einer verzichtete auf sie ganz und gar, so ist der Erlangung aller Wiinsche der Verzicht auf dieselben vor- zuziehen.

17. (6602.) Noch nie ist irgend jemand vordem gelangt bis zum Ziel seiner Unternehmungsgeliiste ; im Leibe und wahrend des Lebens ist bei einem Toren der Durst ftrishndj bestandig im Wachsen.

18. (6603.) Wende dich ab von den Unternehmungs- geliisten, beruhige dich, indem du entsagst, o Begehrhcher; mehr als einmal bist du schon angefiihrt worden, und willst trotzdem nicht entsagen?

Adliyaya 177 (B. 177). 127

19. (6604.) Wenn ich [die Begierde] auch nicht bei dir auszurotten bin, und wenn du auch in dieser Weise an mir dich ergotzest, so maclie mich doch nicht torichterweise aus Habsucht zu deinem Bundesgenossen, du nach Reichtum Be- gehrender.

20. (6605.) Immer aufs neue haufst du Schatze auf und verlierst sie immer wieder und wieder. Schhefshch mufst du Tor doch einmal das Streben nach Reichtum von dir ab- tun, o du nach Reichtum Begehrender.

21. (6606.) 0 weh liber meine [des Begehrenden] Torheit, der ich [o Begierde] dein Spielzeug gewesen bin. Mochte denn wolil jemals in dieser Weise ein Mensch sich in die Sklaverei von anderen begeben?

22. (6607.) Noch niemals haben friiher oder spater Lebende die Grenze der Begierden erreicht; aber nachdem ich alle Unternehmungsgeliiste habe fahren lassen, bin ich erweckt worden und bin jetzt wach.

23. (6608.) Gewifs ist dein Herz, o Kama (Begierde), von diamantener Harte, da es, von hundert Ungliicksf alien ge- troffen, nicht in hundert Stiicke zerspringt.

24. (6609.) Ich kenne dich sehr wohl, o Kama, und alles, was dir lieb ist; solange ich danach trachte, was dir lieb ist, fmde ich nicht in mir selbst das Gllick.

25. (6610.) 0 Kama, ich kenne deine Wurzel, du ent- springst aus dem Verlangen; ich werde nach dir kein Ver- langen haben, und du wirst keine Wurzeln bei mir schlagen.

26. (6611.) Das Trachten nach Reichtum ist nicht be- gliickend, und hat man ihn erlangt, so ist die Sorge nur um so grofser geworden ; das Entbehren des erlangten ist [bitter] wie der Tod, mag man ihn verloren oder gar nicht gehabt haben.

27. (6612.) Entgeht er uns [paritydge mit B.], so erreichen wir nicht, was wir wiinschen, und was konnte schmerzlicher als das sein! Haben wir ihn aber erlangt, so sind wir doch nicht zufrieden und begehren immer weiter.

28. (6613.) Besitz ist nur dursterregend, siiTs wie das Wasser der Gaiiga, aber dies fiihrt zu meinem Verderben ; ich bin er- wacht; entsage!

128 in. Mokshadharma.

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29. (6614.) Die Schar von Wesen, welche diesen meinen Leib umdrangt, die moge sich fortscheren , wohin sie will, und bleiben, wo es ihr beliebt.

30. (6615.) Ich habe bier keine Freude mehr an euch, die ihr mich mit Begierde und Verlangen beschleicht; darum. streife ich alle Begierden von mir ab und nehme meine Zu- flucht zur Wahrheit.

31. (6616.) Alle Wesen in meinem Leibe sehend und in dem Herzen meiner selbst, und die Erkenntnis im Yoga, die Wahrheit in der Schrift, das Herz im Brahman fest- haltend,

32. (6617.) werde ich meine Zeit hinbringen ohne Anhang- lichkeit, gliicklich, nicht mehr an der Welt krankend, so dafs du [o Begierde] mich nicht mehr so wie friiher in Schmerzen versenken wirst.

33. (6618.) Fiir mich, der ich von dir herumgestofsen wurde, gibt es keinen andern Ausweg, denn du, o Kama, bist allezeit die Quelle von Durst, Kummer und Miihsal.

34. (6619.) Verliert man sein Vermogen, so kommt ein noch argeres Leid dazu, schlimmer, wie ich glaube, als alles andere, indem die Verwandten und Freunde den, der sein Vermogen verloren hat, verachten.

35. (6620.) Aber schlimmer noch als tausend Verachtungen sind die dem Reichtum anhaftenden libel, und das bifschen Gliick, was im Reichtum steckt, auch das wird nur unter Leiden gespendet.

36. (6621.) Er hat Geld, so denkend von einem Menschen, erschlagen ihn mit Vorliebe die Rauber; sie qualen ihn mit mancherlei Martern und halten ihn immerfort in Angst.

37. (6622.) Die Begehrlichkeit nach Reichtum ist ein Leiden, davon habe ich mich schon lange iiberzeugt; was du auch immer vornehmen magst, es sei was es wolle, darin stofst du auf Hindernisse.

38. (6623.) Du kennst das wahre Wesen nicht und bist ein Tor, schwer zu befriedigen, ein unersattliches Feuer; du weifst nicht mehr zu unterscheiden , was leicht zu erlangen und was schwer zu erlangen ist.

39. (6624.) 0 Kama, wie eine schwer zu sattigende HoUe

Adhyaya 177 (B. 177). 129

willst du mich in Leiden verstricken, aber jetzt kann ich nicht noclimals ein von dir Besessener werden.

40. (0625.) Zur Weltentsagung habe ich mich gewendet, weil ich durch Zufall verier, was mein war; nachdem ich vollkommene Enthaltung von allem Tun erlangt habe, brauche ich nicht mehr Begierden nachzutrachten.

41. (6626.) Ubergrofse Plagen iiberwinde ich dadurch; ich denke nicht mehr wie ein Unverstandiger, sondern herunter- gebracht durch den Verlust meines Besitzes, ruhe ich, am ganzen Leibe ohne Beschwerde.

42. (6627.) Ich gebe dich auf, o Kama, indem ich alle Herzenswiinsche fahren lasse, weiterhin wirst du, o Kama, keine Wohnung in mir, keine Freude an mir finden.

43. (6628.) Wenn sie mich schmahen, werde ich geduldig sein, werde nicht wieder verletzen, wenn ich verletzt werde; bin ich bei Feinden, so werde ich Freundhches reden und ihrer Unfreundlichkeit keine Beachtung schenken.

44. (6629.) Zufrieden, mit gefesteten Sinnen und immer lebend als hatte ich erreicht, was ich wollte, so seiend, werde ich nicht tun, was du wiinschest, o Kama, der du mein Feind bist.

45. (6630.) Weltentsagung, Heiterkeit des Gemiits, Zu- friedenheit, Ruhe, Wahrhaftigkeit, Bezahmung, Geduld und Mitleid mit alien Wesen, die, wisse, habe ich erreicht.

46. (6631.) Darum sollen Wunsch, Begierde, Durst und Jammer von mir weichen, der ich Grund gefunden habe, denn jetzt habe ich mich gegriindet auf die Wahrheit.

47. (6632.) Aufgebend Wunsch und Begierde, habe ich nunmehr das Gliick gefunden; von nun an werde ich nicht mehr unter der Herrschaft der Begierde stehen und Schmerz ■erleiden als Nicht-Herr meiner selbst.

48. (6633.) Soweit einer mit den Begierden aufraumt, so- weit fiillt sich ihr Platz mit Gliick; wer unter der Herrschaft der Begierde steht, der gerat immerfort in Leiden.

49. (6634.) Alle mit Begierde verkniipfte Leidenschaft {rajasj^ die ein Mensch von sich abstofst, ist aus Begierde ^nd Zorn entspringendes Leiden, ist Schamlosigkeit und Freudlosigkeit.

Dkusben, Mah&bh&ratam. 9

130 HI. Mokshadharma.

50. (6635.) Ich habe in Brahman meinen Grund gefunden, Ibin wie ein kiihles Wasser mitten in der Sommerhitze, ich bin beruhigt, volhg ausgeloscht fparinirvdmij , lauter Gliick umfangt mich.

51. (6636.) Was in der Welt vorhanden ist an Gluck, das aus der Lust entspringt, und was an grofsem himmhschem Gliicke vorhanden ist, diese wiegen alle beide nicht den sech- zehnten Teil auf von dem Gliick, welches aus Vernichtung des Durstes ftrishndj entspringt.

52. (6637.) Den Kama als selbsiebenten und argsten Feind niedergeworfen habend, werde ich die unbezwingliche Burg des Brahman erobern und gliicklich wie ein Konig in ihr sein.

53. (6638.) Zu dieser Erkenntnis gelangend, erreichte Maiiki die Weltentsagung , indem er auf alle Begierden verzichtete und das Brahman als grofses Gliick erreichte.

54. (6639.) Weil ihm seine Ochslein verloren gingen, ge- langte damals Maiiki zur Unsterblichkeit ; er schnitt die Wurzel der Begierde durch, damit erlangte er grofses Gliick.

So lautet im Mokshadbarma der Gesang des Maiiki (Manki-gitd).

Adhyaya 178 (B. 178).

Vers 6640-6652 (B. 1-13).

Bhishma sprach:

1. (6640.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, welche vorgetragen wurde von Janaka, dem Konig der Videha's, da er zur Ruhe gelangt war.

2. (6641.) Unendlich fiirwahr ist mein Reichtum, dieweil ich gar nichts besitze; selbst wenn Mithila in Flammen auf- geht, gibt es nichts mehr, was mir verbrennen konnte.

3. (6642.) Hierbei fiihrt man auch die Sammlung von Merk- wortern des Bodhya an, welche zum Zwecke der Entsagung vorgebracht worden war; diese vernimm, o Yudhishthira.

4. (6643.) Der Konig Nahusha befragte den zur Ruhe ge- langten Weisen Bodhya, der aus Uberdrufs an der Welt zur

Adhy^ya 178 (B. 178). 131

Ruhe gekommen war und die Erkenntnis der Lehrbiicher satt hatte:

5. (6644.) Belehre mich, o grofser Weiser, iiber die Unter- weisung der Beruhigung, und welcher Erkenntnis du nach- gesonnen hast, durch die du so ruhig und heiter dahingehst.

Bodhya sprach:

6. (6645.) Mit Unterweisung befasse ich mich nicht und belehre auch niemand hienieden, aber ein Merkwort fiir die- selbe will ich dir sagen, das moge von dir selbst weiter iiber- dacht werden.

7. (6646.) Die Pingala, der Seeadler, die Schlange, das Weiden der Antilopen im Walde, der Pfeilschnitzer , das Madchen, diese sechs sind meine Lehrer.

Bhishma sprach:

8. (6647.) Die Hoffnung, o Konig, tut uns Gewalt an, Frei- heit von Hoffnung ist das hochste Gltick; die Hoffnung zur Nichthoffnung gemacht habend, schlaft Piiigala sanft [vgl. Sankhya- Sutra 4,11].

9. (6648.) Als ein Seeadler einen andern Seeadler sah, der sich eines Fleischstiickes bemachtigt hatte und von solchen, die ohne Beute waren, getotet wurde, da verzichtete er auf die Beute und lebte gliicklich weiter [ahnlich, aber anders ib. 4,5 und Bhagavata-Puranam 11,9,2].

10. (6649.) Das Bauen eines Hauses macht Not und nie- mals Freude ; die Schlange schlupfte in das von einem andern gebaute Haus und lebt gliicklich [vgl. Sankhya- Sutra 4,12].

11. (6650.) Gliicklich leben die Einsiedler, welche sich an die Ernahrung durch Erbetteltes halten, ohne dafs sie irgend- einem Wesen ein Leid an tun, wie die Antilopen, wie die Vogel. [Der Kommentar denkt bei sdranga an Bienen, vielleicht mit Riicksicht auf ib. 4,13, Bohtlingk an eine Vogelart.]

12. (6651.) Ein Mann, der einen Pfeil schnitzte, hatte seinen Geist so sehr auf den Pfeil gerichtet, dafs er sogar den Konig, der nahe an ihm vorbeiging, nicht bemerkte [ib. 4,14 und Qahkara zu Vedanta-Sutra 3,2,10, unsere Ubersetzung S. 517],

132 ni. Mokshadharma.

13. (6652.) Wo viele sind, da entsteht immer Streit, wo zwei sind, ist die Unterredung gesichert; ich werde mich fiir mich allein halten, wie die kleine Muschel des Madchens [welches ihr Muschelarmband bis auf eine Muschel entfernte, damit ihre Gaste, fiir welche sie Reis zerstampfte, nicht durch das Geklapper gestort wiirden; vgl. Saiikhya- Sutra ib. 4,9 und Nilakantha zu unserer Stelle, der schon die Geschichte ahnlich erzahlt, wie sie Garbe laut seiner deutschen Uber- setzung der Saiikhya- Sutra's p. 254 aus dem Kreise der Benares -Pandit's miindlich sich berichten liefs].

> So lautet im Mokshadharma der Gesang des Bodhya

(Bodhya-gitd).

Adhyaya 179 (B. 179).

Vers 6653-6689 (B. 1-37).

Yudhishthira sprach:

1. (6653.) Durch welchen Wandel, o du des Wandels Kundiger, kann einer frei von Kummer auf der Erde leben, und was mufs ein Mann in der Welt tun, damit er zu dem hochsten Wege gelange?

Bhishma sprach:

2. (6654.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich die Unterredung des Prahrada und des Einsiedlers Ajagara.

3. (6655.) Einen gewissen umherpilgernden Brahmanen, von tiichtigen Gedanken und frei von Ungemach, befragte der Konig Prahrada, er, der Verstandige, den um seines Ver- standes Willen Geschatzten.

Prahrada sprach:

4. (6656.) Auf dich selbst gegriindet, kraftig [C. und Nil. : reinj, milde, bezahmt, ohne Neuerungssucht und ohne Mifs- gunst, wohlberedt, selbstbewufst und verstandig, so ziehst du, weiser Mann, dahin, einem Kinde gleich.

Adhyaya 179 (B. 179). 133

5. (6657.) Du verlangst nach Geschenken und bist audi nicht bekiimmert, wenn man dir nichts schenkt, und, allezeit zufrieden, o Brahmane, verachtest du nichts (avamanyasej.

6. (6658.) Und wahrend die Geschopfe durch den Strom des Lebens fortgerissen werden, erscheinst du wie einer, der sich keine Gedanken dariiber macht, und der iiber das Streben nach dem Guten, Angenehmen und NiitzHchen er- haben ist.

7. (6659.) Nicht bist du her hinter dem Guten und Niitz- Hchen, und nicht bewegst du dich im Angenehmen; unbe- kiimmert um die Sinnendinge gehst du dahin, frei wie ein blofser Zuschauer fsakshinj.

8. (6660.) Welches ist deine Weisheit, deine Schriftgelehr- samkeit, dein Lebenswandel , o Einsiedler? Das sage mir geschwind, o Brahmane, und was du hienieden fur das Heil haltst.

Bhishma sprach:

9. (6661.) Nachdem der auf die Gesetzmafsigkeit in der Welt sich verstehende Weise also befragt worden war, sprach er zu Prahrada mit geschmeidiger, zielbewufster Rede wie folgt :

10. (6662.) Siehe, o Prahrada! iiber die Entstehung der Wesen, wie sie zwecklos erfolgt, iiber ihr Schwinden,Wachsen und Vergehen empfmde ich weder Freude noch Aufregung.

11. (6663.) Als aus Naturnotwendigkeit hervorgehend mufs man alle Entstehungen betrachten, und aus Naturnotwendig- keit gehen sie alle zugrunde, ich empfmde keine Freude iiber irgend etwas.

12. (6664.) Siehe, o Prahrada, die Verbindungen, wie sie auf Trennungen hinauslaufen , und die Sammlungen, wie sie mit Verlorengehen endigen! Ich hange mein Herz nicht an irgend etwas.

13. (6665.) Wenn einer sieht, wie die trefflich ausgestatteten Wesen zugrunde gehen, wenn einer das Entstehen und Ver- gehen beobachtet, was bleibt ihm da librig, was er wohl tun mochte ?

14. (6666.) Auch bemerke ich, wie nacheinander auch die Wassertiere zugrunde gehen, die grofsen sowohl wie die kleinen Leiber in dem grofsen Ozean.

134 ni. Mokshadharma.

15. (66G7.) Fiir die beweglichen und unbeweglichen Wesen, o Gebieter der Damonen, welche auf der Erde leben, sehe ich deutlich den Tod, der ihnen von alien Seiten droht.

16. (6668.) Und auch den die Luft durchstreifenden Vogeln, o Bester der Danava's, steht, wenn die Zeit kommt, der Tod bevor, wenn sie auch noch so stark sind.

17. (6669.) Und auch die am Himmel hinwandelnden Lichter, die kleinen wie die grofsen, sehe ich herabstiirzen, wenn die Zeit gekommen ist (vgl. Maitr.Up.1,4. Sechzig Upanishad's S. 317).

18. (6670.) Indem ich sah, wie die Wesen von dem Tode verfolgt werden, gelangte ich als Wissender, der das Ziel erreicht hat, zur Erkenntnis von der Gleichheit aller Wesen und schlafe nun ruhig.

19. (6671.) Auch einen grofsen Schmaus, wenn ich ihn zufallig erlange, lasse ich mir sphmecken, und wiederum liege ich viele Tage da, ohne etwas zu essen.

20. (6672.) Man bietet mir manchmar vortreffliche und reichliche Nahrung an, manchmal mafsige, manchmal spar- liche, und manchmal kommt es iiberhaupt nicht dazu.

21. (6673.) Manchmal kaue ich an Kornern, oder ich esse Olkuchen oder verzehre Reis und Fleisch, vornehme und ge- ringe Nahrung, wie es kommt.

22. (6674.) Manchmal liege ich auf einem Polster, und dann wieder schlafe ich auf der Erde, manchmal wird mir auch ein Bett in einem Palaste zuteil.

23. (6675.) Ich kleide mich in Lumpen, in hanfene oder leinene Kleider oder in Tierfelle, und gelegentlich trage ich sehr kostbare Gewander.

24. (6676.) Wenn mir ein erlaubter Genufs zufallig sich bietet, so verschmahe ich ihn nicht, trachte ihm aber auch nicht nach, wenn er schwer zu erlangen ist.

25. (6677.) Den Unerschiitterlichen , Unverganglichen, Seligen, Kummerlosen, Reinen, Unvergleichlichen , im Geiste der Weisen Weilenden, von den Toren nicht Ge- liebten und nicht Gesuchten, dieser Losung des Aja- gara folge ich in Reinheit.

26. (6678.) Der in seinem Denken Unentwegte, Un- erschiitterliche , nach eigener Satzung seinen Wandel

Adhy^ya 179 (B. 179). 135

Regelnde, das Hochste und Tiefste Kennende, von Furcht, Leidenschaft, Begierde und Verblendung Freie, dieser Losung des Ajagara folge ich in Reinheit.

27. (6679.) Ihn, welcher nicht [wie die individuellen Wesen] den Genufs einer bestimmten Frucht [der Werke] zu essen und zu trinken hat, ihn, der nur vermoge der Umwandlung durch die Schopfung in Raum und Zeit zerteilt wird, den Herzerfreuenden , von Unedeln nicht Verehrten, dieser Losung des Ajagara folge ich in Reinheit.

28. (6680.) Den Menschen, welcher von der Begierde ftrishndj bald nach diesem, bald nach jenem iiberwaltigt wird, und welcher, wenn er nicht zu Reichtum kommt, verzweifelt, wenn man einen solchen durch Erkenntnis der wahren Wesenheit weise sich vor Augen fiihrt, dieser Losung des Ajagara folge ich in Reinheit.

29. (6681.) Wenn man vielfach beobachtet, wie auf dieser Welt um des Gel des willen in jammerlicher AVeise der edle Mensch sich an den unedeln hangt, und wenn man sodann im Lichte der Seelenruhe seiner selbst sich bewufst und ruhig bleibt, dieser Losung des Ajagara folge ich in Reinheit.

30. (6682.) Lust und Leid, Verlust und Gewinn des Vermogens, Vergniigen und Mifsvergniigen, Sterben und Leben, all das erkenne ich in Wahrheit als vom Schick- sal verhangt, dieser Losung des Ajagara folge ich in Reinheit.

31. (6683.) Wenn ich frei von Furcht, Leidenschaft, Verblendung und Stolz, begabt mit Festigkeit, Einsicht und Verstand, beruhigt beobdchte, wie die Menschen die zur Reife gekommene Werkfrucht geniefsen, dieser Losung des Ajagara folge ich in Reinheit.

32. (6684.) Indem ich ohne festes Lager und festen Sitz, durch Naturanlage schon mit Bezahmung, Selbstiiber- windung, Geliibde, Wahrheit und Reinheit begabt und von der Anhaufung der Werkfrucht befreit, mich dessen freue, dieser Losung des Ajagara folge ich in Reinheit.

136 III. Mokshadharma.

33. (6685.) Wenn ich sehe, wie einer sich liinreifsen lafst, um dem Leiden zu entgehen, von Gegenstanden des Strebens, wahrend ich die Erkenntnis eriangt habe und in mir selbst feststehe (lies: dtmasamsthah), wahrend jener von Durst erfiillt ist und ohne die Macht, sein Manas zu ziigeln, dieser Losung des Ajagara folge ich in Reinheit.

34. (6686.) Als ich, meinem Herzen nebst Rede und Verstand nicht nachgebend, die Schwererreichbarkeit von Liebem und Lust und ihre VergangHchkeit, dieses beides iiberschaute , dieser Losung des Ajagara folge ich in Reinheit.

35. (6687.) Jenes von den Verstandigen vielfach Be- sprochene und auch von den Dichtern, die den Ruhm des Atman verkiindigen, die das Tiefe erforschen durch eigenes und fremdes Denken und erkennen, wie das eine hier und das andere dort ist,

36. (6688.) indem ich dieses iiberblickte und zugleich den Abgrund, welchem unverstandige Menschen auf dieser Welt zueilen, so freue ich mich unter den Menschen iiber das Unendliche, welches das jenseitige Ufer endloser Siinde ist, ich, der ich Siinde und Begierde im Zaume halte.

Bhishma sprach:

37. (6689.) Wer hier als ein hochsinniger Mann die von Ajagara befoTgte Losung sich zur Richtschnur nimmt, indem er seine Leidenschaft ziigelt, der fiirwahr wird, frei von Furcht, Begierde, Verblendung und Zorn, im Gliick diesen Wandel befolgen.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung des Ajagara mit Frahi&da (Ajagara - Prahrdda - samvdda).

Adhyaya 180 (B. 180). 137

Adhyaya 180 (B. 180).

Vers 6690-6744 (B, 1-54).

Yudhishthira sprach:

1. (6690.) Verwandte, Tatigkeit, Keichtum oder Wissen, welches von diesen dient hienieden dem Menschen als Stiitze, o Grofsvater ? Das sollst du mir, dem Fragenden, beantworten.

Bhishma sprach:

2. (6691.) Das Wissen ist die Stiitze der Wesen, das Wissen gilt als hochster Gewinn, das Wissen ist das Allerbeste auf der Welt, das Wissen gilt den Guten als Himmel.

3. (6692.) Durch Wissen gelangte ja auch Bali zu Reich- tum, als seine Herrlichkeit zertriimmert war, und ebenso Pralirada, Namuci und Maiiki; was gibt es Hoheres als das Wissen ?

4. (6693.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich die Unterredung zwischen Indra und KaQyapa. Diese vernimm, o Yudhishthira.

5. (6694.) Ein gewisser Vai^ya hatte mit seinem Wagen den Kagyapa, der ein scharfes Geliibde beobachtete, den Sohn eines Rishi, zu Fall gebracht, er, der Reiche und Stolze den Asketen.

6. (6695.) Dieser, gequalt, da er hingefallen war, sprach darauf, im Zorne sich selbst vergessend: „Ich will sterben, fiir einen Armen hat das Leben auf dieser Welt keinen Zweck."

7. (6696.) Als er nun so, zu sterben verlangend, dasafs, lautlos und ohne Gedanken, da nahte ihm Indra in Schakal- gestalt und redete den in seinem Geiste Erschiitterten {kshuhdha mit C.) an.

8. (6697.) Alle Wesen allerwarts trachten danach, als Men- schen geboren zu werden, und wenn sie das Menschensein erlangt haben, so freuen sich alle darauf, Brahmanen zu werden. '

9. (6698.) Du bist ein Mensch und ein Brahmane, hist so- gar ein Schriftgelehrter, o Kagyapa ; nachdem du dieses schwer

138 ni. Mokshadharma.

zu Erlangende erreicht hast, darfst du dich nicht versundigen und sterben wollen.

10. (6699.) Aller Reichtum verleitet zur Geringschatzung, das ist ein wahres Schriftwort; du hast eine Daseinsform, mit der man sich wohl zufrieden geben konnte, wahrend du sie aus Begehrhchkeit geringschatzt.

11. (6700.) 0 iiber das Gliick derer, welchen in diesem Dasein Hande beschieden sind, ich beneide iiber die Mafsen die, welche Hande haben.

12. (6701.) Wir Schakale beneiden die, welche Hande haben, so wie du den Reichtum. Hande zu erhalten, dariiber hinaus gibt es kein grofseres Gliick.

13. (6702.) Weil wir keine Hande haben, o Brahmane, konnen wir uns keinen Dorn ausziehen, und auch die Tierchen, die uns oben und unten am Leibe beifsen, mochten wir lieber nicht durch Wegjucken schadigen.

14. (6703.) Hingegen die, welchen die Gotter Hande mit zehn Fingern gegeben haben, konnen die beifsenden Insekten von ihrem Korper ablesen und durch Kratzen verscheuchen.

15. (6704.) Sie konnen sich auch gegen Regen, Winter und Hitze schiitzen und erfreuen sich der Kleidung und Nah- rung, eines angenehmen Lagers und windgeschiitzten Obdachs.

16. (6705.) Und die Erde beherrschend , leben sie froh in der Welt und lassen andere fiir sich arbeiten, und mit vielen Mitteln machen sie dieselben sich untertanig.

17. (6706.) Diese freilich, welche keine Sprache besitzen, bemitleidenswert , von kurzer Lebensdauer und ohne Hande sind, miissen diese Leiden erdulden; zum Gliick steht es nicht so mit dir, o Muni.

18. (6707.) Du bist zum Gliick kein Schakal, kein Wurm, keine Maus, keine Schlange, kein Frosch oder sonst ein aus schlechtem Mutterschofs Entsprossener.

19. (6708.) Schon um dieses Vorzugs willen mufst du froh sein, o Kagyapa, um wieviel mehr, da du unter alien Ge- schopfen als Brahmane am hochsten stehst.

20. (6709.) Mich beifsen diese Insekten, zu deren Beseitigung ich nicht die Macht habe, weil mir die Hande fehlen. Sieh doch diesen meinen Zustand an!

Adhyaya 180 (B. 180). 139

21. (6710.) Und doch behaupte ich nicht, dafs es nicht auszuhalten sei, und ich gebe diesen meinen Leib nicht auf, denn jch mochte nicht aus ihm einem noch schlechtern Mutter- schofse verfallen.

22. (6711.) In einen mittlern unter den schlechten Mutter- schofsen bin ich gelangt, indem ich in den einer SchakaHn einging. Es gibt aber noch viel mehr andere schlechtere unter den schlechten Mutterschofsen.

23. (6712.) Freilich gibt es einige, welche durch ihre Ge- burt gliicklicher sind, aber auch andere, die um vieles un- gliicklicher sind; ich sehe aber nicht, dafs irgendeinem irgendwo auf der Welt ein absolutes Gliick zuteil geworden ware.

24. (6713.) Sind die Menschen erst reich geworden, so wiinschen sie weiterhin Konige zu sein; aus Konigen wollen sie Gotter werden, und sind sie erst Gotter, so mochten sie gar Indra sein.

25. (6714.) Gesetzt, du warest reich, so warest du doch noch nicht Konig, noch nicht eine Gottheit, und hattest du das Gottsein, ja selbst das Indrasein erlangt, so wiirdest du auch dann noch nicht zufrieden sein.

26. (6715.) Durch Erlangung von Wiinschen ist keine Sattigung zu finden, der Durst ftrisJmd) ist durch kein Wasser zu stillen, er wird nur um so brennender, wie das Feuer durch Holzscheite.

27. (6716.) Freilich, wohl hast du auch Kummer, aber ebensosehr hast du auch Freude, und so hast du beides, Lust und Leid, was ist da zu bejammern?

28. (6717.) Hat man sie einmal abgeschnitten, die Wurzel aller Begierden und Bemiihungen, die Schar der Erkenntnis- organe, [und halt sie gefangen] wie Vogel in einem Kafig,

29. (6718.) so haben wir doch dann keinen zweiten Kopf, um ihn abzuschneiden, und keine dritte Hand ; was nicht ist, das haben wir auch nicht mehr zu fiirchten.

30. (6719.) Ein Verlangen kann nicht irgendwo mehr ent- stehen, wenn man seinen Geschmack nicht mehr kennt, denn nur aus dem Beriihren, Sehen oder Horen entsteht das Ver- langen.

140 in. Mokshadharma.

31. (6720.) Du [als Brahmane] denkst nicht mehr daran, den Palmwein zu trinken und die Latvavogel zu schmausen, und doch gibt es keinen Leckerbissen , der diese beiden iibertrafe.

32. (6721.) Und was es auch sonst noch geben mag, das sich fiir irgendeines unter den Wesen zur Speise eignet, was auch immer du friiher niemals geschmeckt hast, daran hast du auch keine Erinnerung.

33. (6722.) Nichts zu essen,- nichts anzufassen und nichts anzuschauen, darin besteht die Bezahmung eines Menschen, so meine ich, und sein Heil, daran ist kein Zweifel.

34. (6723.) FreiHch sind die, welche Hande haben, dadurch machtig und reich; aber durch die Menschen selbst werden die Menschen in Knechtschaft gebracht

35. (6724.) und werden immer wieder aufs neue mit den Qualen des Todes und der Gefangenschaft bedrangt; freihch freuen sie sich auch anderseits und jubeln und lachen.

36. (6725.) Andere wiederum, die durch ihre Arme machtig sind, Wissenschaft erworben haben und Verstand besitzen, fiihren einen elenden, schlechten Lebenswandel , dessen sie sich schamen soUten.

37. (6726.) Auch gewinnen sie es wohl iiber sich, einen andern Lebenswandel zu fiihren, doch nur soweit es durch ihre eigenen Werke [in einer friihern Geburt] bedingt ist; aber dem ist so, weil es einmal sein mufs.

38. (6727.) Kein Pulkasa und kein Candala [obgleich den niedrigsten Kasten angehorig] wunscht seinen Leib zu ver- lassen ; vielmehr freut er sich dieser seiner Geburt ; so grofs, siehst du, ist ihre Verblendung fmdydj.

39. (6728.) Wenn du die Menschen siehst, wie sie ge- brechlich und lendenlahm und krank sind, so bist du doch mit voUstandigen GHedern ausgestattet und schon durch deine Geburt ein reicher Mann, o Kagyapa.

40. (6729.) Wenn doch, o Brahmane, dein Korper ohne Leiden und ohne Krankheit ist, und deine GHeder vollstandig sind, und du auch nicht unter den Leuten beschimpft wirst,

41. (6730.) nicht durch irgendeine Nachrede, die Grund hat und dir Abbruch tut, so ermanne dich zu deiner Pflicht,

Adhyaya 180 (B. 180). 141

o brahmanischer Weiser, und wolle nicht deinen Leib auf- geben.

42. ((5731.) Wenn du, o Brahmane, dieses horst und meinen Worten Glauben schenkst, so wirst du fiir den im Veda be- fohlenen Pflichtwandel einen vorziiglichen Lohn eriangen.

43. (6732,) Das Vedastudium und die Pflege der Feuer mogest du sorgfaltig beobachten, dazu Wahrhaftigkeit , Be- zahmung, Freigebigkeit, dann brauchst du keinen zu beneiden.

44. (6733.) Alle solche, welche das Vedastudium betreiben und zum Opfern und Opfernlassen gelangt sind, wie konnten die es dir wohl nachmachen und sich harmen oder an Un- edles denken!

45. (6734.) Sie mogen ja, sobald sie es wiinschen, zu ihrer Erbolung grofse Lust eriangen, und geboren unter einem gliicklichen Sterne, an einem gliicklichen Tage und zur gliick- lichen Stunde, (6735.) beeifern sie sich in dem Streben nach Opfer, Freigebigkeit und Nachkommenschaft , je nachdem ihnen die Moglichkeit dazu gegeben ist.

46. Andere freilich, die unter einem damonischen Sterne, an einem schlimmen Tage und zur schlimmen Stunde ge- boren sind, (6736.) geraten in einen damonischen Mutterschofs, wo sie des Opferns und der Nachkommenschaft entbehren.

47. Ich war so ein kleiner Pandit, ein Griibler und Veda- tadler, (6737.) ein Anhanger der argumentierenden Dialektik, die nichts taugt.

48. Ich argumentierte mit Griinden, und trat in den Ver- sammlungen als Redner auf in rasonierender Weise, (6738.) ein lauter Schreier war ich und einer, der in den Reden iiber Brahman die Zwiegeborenen niederredete,

49. ein Nihihst, ein Allbezweifler , ein Narr, der sich fiir einen Gelehrten hielt. (6739.) Dafiir ist mir dies als Frucht erwachsen, dafs ich ein Schakal bin, o Zwiegeborener.

50. Und geschieht es je, so kann es doch nur in Hun- derten von Tagen und Nachten von jetzt an erfolgen, (6740.) dafs ich, der ich ein Schakal bin, wieder in einen menschlichen Mutterschofs gelange.

51. Dann wiirde ich zufrieden sein und sorgsam und mich an Opfern, Geben und Askese erfreuen, (6741.) wiirde

142 in. Mokshadharma.

nur erforschen, was man erforschen darf, und wiirde meiden, was zu meiden ist.

52. Darauf erhob sich der Einsiedler Kagyapa und sprach zu jenem : (6742.) „0, wie bist du erfahxen und vol! Weisheit", so sprach er mit Bewunderung.

53. Dann betrachtete der Brahmane ihn mit seinem durch Erkenntnis weitsehenden Auge (6743.) und sah, dafs er unter den Gottern der Gott Indra und der Gemahl der Qaci war.

54. Da verehrte KaQyapa den mit Falben Fahrenden (6744.) und, von ihm entlassen, begab er sich in seine Wohnung.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung des Schakals mit E^^yapa (srigdla - Kd^yapa- sanwdda).

Adhyaya 181 (B. 181).

Vers 6745-6764 (B. 1-20).

Yudhishthira sprach:

1. (6745.) Wenn Almosen gespendet und geopfert und Askese geiibt worden ist, oder auch Gehorsam gegen die Lehrer, das sage mir, o Grolsvater [was daraus folgt].

Bhlshma sprach:

2. (674G.) Vermoge des in das Ungliick verstrickten Atman gerat das Manas in Siinde, und indem es seine Aufgabe in unreiner Weise voUbringt, wird es einer elenden Welt zu- gewiesen.

3. (6747.) Aus Mifswachs in Mifswachs, aus Not in Not, aus Gefahr in Gefahr, aus Gestorbensein in weiteres Sterben geraten die armsehgen Ubeltater.

4. (6748.) Hingegen von Fest zu Fest, von Himmel zu Himmel, von Lust zu Lust gelangen die Glaubigen, Bezahm- ten, Reichbegliickten, Wohltuenden.

5. (6749.) Mitten unter wilden Tieren, unter Elefanten und auf ungangbaren Wegen, unter Schlangen, Dieben und Ge- fahren mit gebundenen Handen gehen dahin die Unglaubigen, was konnte schhmmer sein !

Adhyaya 181 (B. 181). 143

6. (6750.) Hingegen die, welche Gastfreundschaft an Fretin- den und Gottern iiben, freigebig sind und ihren Freunden wohlgesinnt, die wandeln auf dem friedevollen Wege der Atmanhaften mit tiichtigen Handen.

7. (6751.) Wie die Spreu unter dem Weizen, wie die Puppen unter den Schmetterlingen , so sind unter den Men- schen diejenigen, welche sich nicht von der Pflicht antreiben lassen.

8. (6752.) Auch wenn einer sehr schnell lauft, holt ihn sein Schicksal ein, es liegt neben ihm, wenn er schlaft, wer er auch sei, entsprechend seinen Taten.

9. (6753.) Es steht neben ihm, wenn er steht, und wenn er geht, so geht es ihm nach, es vollbringt das Werk des Wirkenden, wie sein Schatten begleitet es ihn.

10. (6754.) Was fiir ein Werk und wie es irgend jemand vordem betrieben hat, das hat er einzig und allein jedesmal zu biifsen als seinem Atman auferlegt.

11. (6755.) Diese Schar der Wesen, welche die Frucht ihrer eigenen Werke [als zuriickzuzahlendes Pfand] hinter- legt haben und von ihrem eigenen Schicksal bewacht werden [wie Gefangene], wird von iiberallher durch die Zeit fort- geschleppt.

12. (6756.) So wie Bliiten und Friichte, auch ohne ange- trieben zu werden, ihre Zeit im Jahre einhalten, so auch die vordem begangene Tat.

13. (6757.) Hochschatzung und Geringschatzung, Gewinn und Verlust, Schwinden und Wachsen, wie sie sich begeben haben, so kehren sie wieder, jedesmal wenn die Schicksals- frist zu Ende geht.

14. (6758.) Durch das eigene Selbst wird das Leid ver- hangt, durch das eigene Selbst wird die Lust verhangt ; nach Einbettung in einem Mutterleibe wird die Frucht der friihern Verkorperung genossen.

15. (6759.) Was einer Gutes oder Boses tut, sei es als Kind, als Jiingling oder als Greis, dafiir erlangt er in eben- demselben Zustande die Vergeltung.

16. (6760.) Wie unter tausend Kiihen das Kalb seine Mutter herausfindet, so verfolgt die friiher begangene Tat ihren Tater.

144 ni. Mokshadharma.

17. (6761.) Ein Kleid, welches an seinem Saume nafs wurde, wird nachmals rein durch die Waschtatigkeit ; so wird auch denen, welche sich [zu ihrer Lauterung] mit Fasten abqualen, dafiir ein langes, ein unendliches Gliick zuteil.

18. (6762.) Denjenigen, welche durch langwierige, in einem Biifserhain geiibte Askese die Siinde durch dieses Wohlver- halten abwerfen, gehen ihre Wiinsche in Erfiillung.

19. (6763.) Wie der Zug der Vogel in der Luft und der Fische im Wasser nicht mit den Augen verfolgt werden kann, so auch der Weg derer, welche die Erkenntnis hesitzen.

20. (6764.) Fort mit weiteren Zurechtweisungen und mit der Aufzahlung von Ubertretungen ; man voUbringe in schoner und angemessener Weise, was zum Heile der Seele dient.

So lautet im Mokshadharma der hunderteinundachtzigste AdhyAya.

Adhyaya 183 (B. 183).

Vers 6765-6803 (B. 1-38).

Yudhishthira sprach:

1. (6765.) Woraus ist diese ganze Lebewelt des Unbeweg- lichen und Beweglichen geschaffen, und in wen geht sie beim Weltuntergange ein? Das sage mir, o Grofsvater.

2. (6766.) Von wem ist diese Welt mit Ozeanen, Himmels- zelt, Bergen, Wolken, Erde, Feuer und Wind geschaffen worden ?

3. (6767.) Auf welche Weise wurden die Wesen geschaffen, auf w^elche Weise die Einteilungen in Kasten, wie kam deren Reinheit und Unreinheit zustande und wie das Gesetz fiber Gutes und Boses?

4. (6768.) Von welcher Art ist die Seele der lebenden Wesen, und auf welchem Wege gehen sie, wenn sie ge- storben sind, aus dieser Welt in jene Welt? Das alles mogest du, 0 Herr, uns verkiinden.

Bhishma sprach:

5. (6769.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich die Belehrung, welche von Bhrigu dem ihn befragenden Bharadvaja erteilt wurde.

Adhyaya 182 (B. 182). 145

6. (6770.) Als Bharadvaja den grofsen Weisen Bhrigu strah- lend und von grofser Kraft auf dem Gipfel des Kailasa sitzen sah, da befragte er ihn wie folgt:

7. (6771.) Von wem ist diese Welt mit Ozeanen, Himmels- zelt, Bergen, Wolken, Erde, Feuer und Wind geschaffen worden ?

8. (6772.) Auf welche Weise wurden die Wesen geschaffen, auf welche Weise die Einteilungen der Kasten, wie kam deren Reinheit und Unreinheit zustande und wie das Gesetz iiber Gutes und Boses?

9. (6773.) Von welcher Art ist die Seele der lebenden Wesen, und auf welchem Wege gehen sie, wenn sie gestorben sind, in die andere Welt und [zuriick] in diese? Das alles mogest du uns verkiindigen.

10. (6774.) Als der Heilige in dieser Weise von Bharadvaja nach diesem Problem befragt wurde, da erklarte der brahman- ahnliche Brahmanweise ihm alles.

Bhrigu sprach:

11. (6775.) Der Urspriingliche, der da heifset Mdnasa (der Geistige), dessen Offenbarung von den grofsen Weisen ver- nommen wurde, der anfanglose und endlose Gott, der unteil- bare, nicht alternde und nicht sterbende,

12. (6776.) der da genannt wird der Unoffenbare favydktaj, der Ewige, Unzerstorbare, Unvergangliche, von welchem ge- schaffen die Wesen geboren werden und sterben,

13. (6777.) dieser Gott schuf zuerst den mit Namen Malidn (der Grofse) Genannten ; der Mahan schuf den Ahankdra und dieser wiederum, der Heilige, darauf

14. (6778.) ihn, der da Ather fdMgamJ genannt wird, er, der Herr, der alle Wesen tragt; aus dem Ather entstand das Wasser, aus dem fliissigen Elemente Feuer und Wind, und (6779.) aus der Verbindung von Feuer und Wind entstand dann weiter die Erde.

15. Darauf wurde von dem durch sich selbst Seienden eine aus Kraft bestehende himmlische Lotosblume geschajffen ; (6780.) aus dieser Lotosblume entstand der Gott Brahman, der aus den Veden bestehende, der Umfasser,

Seussen, Mah4bh4ratam. \()

146 ni. Mokshadharma.

16. der, welcher AhahMra genannt wird, der als die Seele von alien Wesen die Wesen schuf, (6781.) er in der Tat ist jener kraftvolle Brahman, von welchem diese fUnf Elemente herstammen.

17. Die Berge heifsen seine Knochen, sein Fett und rieisch ist die Erde, (6782.) die Ozeane sind sein Blut und der Ather (^dJcdgamJ ist sein Bauch,

18. der Wind ist sein Odem, seine Korperwarme das Feuer, die Strome sind seine Adern, (6783.) Agni und Soma, die Sonne und der Mond, werden als seine Augen gepriesen;

19. der Himmel droben ist sein Haupt, die Erde seine Fiifse, die Himmelsgegenden seine Arme. (6784.) Schwer er- kennbar ist dieser unausdenkbare Atman, sogar fiir die Seligen, daran ist kein Zweifel.

20. Er wird als der heilige Vishnu gepriesen, als der Unendliche ; (6785.) als das Selbst aller Wesen weilt er in den Wesen, schwer erkennbar fiir die, deren Selbst nicht be- reitet ist,

21. er, der den Ahankdra erschuf zum Zweck der Ent- stehung aller Wesen, (6786.) er, aus dem alles das geworden ist, wonach ich hier von dir gefragt wurde.

Bharadv&,ja sprach :

22. (6787.) Von dem Himmelszelte und von den Himmels- gegenden, von dem Erdboden und von dem Feuer, welches sind die Mafse von diesen? Diesen Zweifel lose mir der Wahrheit gemafs.

Bhrigu sprach:

23. (6788.) Unendlich ist jener Raum fdkdgamj, bewohnt von Seligen und Gottheiten, erfreulich, mit mancherlei Wohn- statten iibersat, dessen Grenze unerreichbar ist.

24. (6789.) Oberhalb ihres Machtbereiches und unterhalb werden Mond und Sonne nicht mehr gesehen, dort sind die Gotter ihr eigenes Licht, glanzend wie die Sonne und strah- lend wie das Feuer.

25. (6790.) Und auch sie sehen nicht die Grenze des machtig ausgebreiteten Himmelszeltes, weil dieselbe schwer

Adhyftya 182 (B. 182). 147

erreichbar, well sie endlos ist, das lerne von mir, der du mir die Ehre gibst.

26. (6791.) Nach oben aber und immer weiter nach oben hin wird von flammenden, selbstleuchtenden Wesen jener Weltraum angefiillt, der auch von Gottern nicht ausmefsbar ist.

27. (6792.) An der Grenze der Erde aber sind die Meere, an der Grenze der Meere herrscht Finsternis, wie es heifst, an der Grenze der Finsternis ist das Wasser, wie sie sagen, und an der Grenze des Wassers ist Feuer.

28. (6793.) An der Grenze der Unterwelt ist Wasser, an der Grenze des Wassers wohnen die Schlangenfiirsten , an ihrer Grenze kommt wieder der Weltraum und an der Grenze des Weltraums wiederum Wasser.

29. (6794.) Dieses als Grenze habend ist der Umfang des Heiligen und des Wassers, schwer zu erkennen auch von den Gottern des Feuers, des Windes und des Wassers.

30. (6795.) Die Erscheinungen des Feuers, Windes, Was- sers und der Erde werden gegen den Ather [nur darum] abgegrenzt und von ihm unterschieden, weil man die Wahr- heit [die Einheit des Seienden] nicht erkennt fatattvadarcandtj.

31. (6796.) Und auch die Weisen lehren in den verschie- denen Lehrbiichern, in dem Ozean der drei Wei ten, die Di- mensionen, wie sie eben dargelegt worden sind.

32. (6797.) Aber wer konnte fiir das Unsichtbare, Unbetret- bare einen Mafsstab ausfindig machen! Wenn doch sogar der Machtbereich der Seligen und der Gotter ein begrenzter ist, (6798.) dann ist der Name des Unendlichen nur bildlich zu verstehen, wo das Wort „unendlich" gebraucht wird

33. von dem diesem Namen entsprechenden hoch- sinnigen Mdnasa [vgl. oben Vers 6775].

34. (6799.) Wenn aber auch eine gottliche Gestalt abnimmt und wieder zunimmt, welcher andere [aufser den Gottern] kann das wissen, und ware dieser andere auch ein den Gottern Gleicher.

35. (6800.) Aus jener Lotosblume wurde er geschaffen, der allwissende, korperlich gewordene hehre Gott Brahman, der aus Gerechtigkeit bestehende, anfangliche, hochste Prajapati.

10*

X48 HI- Mokshadharma.

Bharadvaja sprach:

36. (6801.) Wenn er aus der Lotosblume entsprungen ist, so ist doch die Lotosblume das Al teste, und doch sagst du, o Herr, dafs der Gott Brahman der Anfangliche ist, das ist mein Bedenken.

Bhrigu sprach:

37. (6802.) Es ist die Gestalt des Mdnasa, welche in das Sein als der Gott Brahman eingegangen ist, und, um ihm einen Sitz zu bereiten, wird die Erde Lotosblume genannt.

38. (6803.) Von dieser zu einer Samenkapsel sich zu- spitzenden Lotosblume streckt sich der Gotterberg Meru in den Himmel hinauf und, mitten darauf stehend, schafft der Herr der Wesen die Welten.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Bhrigu und Bharadvaja (Bhrigu - Bharadodja - samvdda).

Adhyaya 183 (B. 183). Vers 6804-6820 (B. 1-17).

Bharadv&,ja sprach:

1. (6804.) Wie hat der Herr jene mannigfaltige Schopfung der Wesen geschaffen, der Gott Brahman, als er mitten auf dem Meru stand? Das sage, o Bester der Zwiegeborenen.

Bhrigu sprach:

2. (6805.) Der Mdnasa (der Geistige) schuf durch seinen Geist die mannigfache Schopfung der Kreaturen, und zwar wurde zum Zwecke der Erhaltung der Wesen zuerst geschaffen das Wasser.

3. (6806.) Dieses, welches das Leben aller Wesen ist, durch welches die Geschopfe gedeihen und von welchem verlassen sie zugrunde gehen, von ihm ist dieses Weltall umgeben.

4. (6807.) Die Erde, die Berge, die Wolken und was sonst noch an festen Gestalten vorhanden ist, alles das ist, dies soil man wissen, von Wasserart, weil das Wasser ihm als Trager dient.

Adhyaya 183 (B. 183). 149

Bharadvaja sprach:

5. (6808.) Wie ist das Wasser entstanden? Und wie das Feuer und die Luft? Und wie wurde die Erde geschaffen? Dariiber bin ich in grofsem Zweifel.

Bhrigu sprach:

6. (6809.) In einem Weltalter des Brahman batten sich einstmals, o Brahmane, die Brahmanweisen versammelt; da entstand unter den Hochsinnigen ein Zweifel tiber die Ent- stehung der Welt.

7. (6810.) Da standen sie, in Meditation versenkt, schweigend und unbeweglich, ohne Nahrung, den Wind trinkend, so stan- den die Zwiegeborenen hundert gottliche Jahre da.

8. (6811.) Da traf ihr aller Ohr eine von Brahman kom- mende Stimme, die gottliche Sarasvati (Rede) entstand da vom Himmel her.

9. (6812.) Vordem stand es so, dafs der unbewegliche, unendliche, einem Berge vergleichbare Ather fdJcdgamJ, in welchem Mond, Sonne und Wind untergegangen waren, gleich- sam wie eingeschlafen aufglanzte.

10. (6813.) Aus ihm entstand das Wasser, wie in einer Finsternis eine zweite Finsternis, und sodann durch Aus- quetschung des Wassers entstand der Wind.

11. (6814.) So wie ein Gefafs, solange es ungestort bleibt, dasteht ohne einen Ton von sich zu geben, wird es aber mit Wasser gefullt, so macht der [entweichende] Wind es ertonen,

12. (6815.) ebenso geschah es, dafs an dem unmittelbar vom Wasser umschlossenen Himmelsende der Wind, indem er die Flache des Wassers durchbrach, mit Gerausch nach oben entwich.

13. (6816.) Dieser Wind also, der durch die Ausquetschung des Wassers entstanden war, streicht dahin, und, indem er zu der Statte des Athers gelangt ist, kommt er doch nicht zur Ruhe.

14. (6817.) Bei dieser Reibung zwischen Wind und Wasser wurde das entziindete Glut habende, sehr gewaltige, mit Spitz- flammen nach oben strebende [Feuer] offenbar und befreite den Himmelsraum von der Dunkelheit.

150 in. Mokshadharma.

15. (6818.) Dann verbiindete sich das Feuer mit dem Wind und trieb das Wasser in den Weltraum hinauf [als Wolken], das Feuer aber durch seine Verbindung mit dem Winde ver- dichtete sich [zum Sonnenfeuer].

16. (6819.) Was von dem in den Weltraum emporgedrunge- nen (lies: nipatatah) Wasser an weiterer Feuchtigkeit zuriick- blieb, die gelangte zur Verdichtung und wurde zur Erde.

17. (6820.) Diese Erde ist fiir die Safte, fiir alle Geriiche, fiir die Feuchtigkeiten , sowie auch fiir die lebenden Wesen anzusehen als der Mutterschofs, in welchem alles erzeugt wird.

So lautet im Mokshadharma die TJnterredung zwischen Bhrigu und Bharadv4ja (Bhrigu - Bharadvdja - sainvdda).

Adhyaya 184 (B. 184).

Vers 6821-6865 (B. 1-44).

Bharadvaja sjirach:

1. (6821.) Es gibt diese fiinf Elemente, welche der Gott Brahman ehedem schuf, von welchen diese Welten erfiillt sind und welche als die grofsen Elemente fmahabhutdnij bezeichnet werden.

2. (6822.) Da jener Hochweise doch Tausende von Ge- schopfen erschaffen hat, wie ist es zu verstehen, dafs es dabei nur fiinf Elemente gibt?

Bhrigu sprach:

3. (6823.) Nur auf jene unmefsbar grofsen bezieht sich das Wort „grors"; die iibrigen Wesen {hhutdnij gelangen [durch die Mahabhutani] zur Entstehung, darum ist nur fiir jene [funf] das Wort „MahdbMta'' zutreffend.

4. (6824.) Bewegung ist der Wind, Weite der Ather, Hitze das Feuer, Fliissigkeit das Wasser, Kompaktheit die Erde; der Leib besteht aus alien funf Elementen.

5. (6825.) So ist aus diesen fiinf Elementen zusammen- gefiigt das Unbewegliche (Pflanzen) und das Bewegliche (Tiere und Menschen) ; das Gehor, der Geruch, der Geschmack, das Gefiihl und das Gesicht heifsen die Sinne.

Adhyaya 184 (B. 184). 151

Bharadvaja sprach:

6. (6826.) Aber wenn wirklich sowohl das Unbewegliche als das Bewegliche aus den fiinf Elementen zusammengesetzt ist, wie kommt es, dafs in dem Korper der Unbeweglichen (der Pflanzen) die fiinf Elemente nicht zum Vorschein kommen?

7. (6827.) Denn bei den Baumen, da sie weder Warme noch Bewegung, sondern in Wahrheit nur Festigkeit haben, sind doch in ihrem Korper nicht alle fiinf Elemente nachweisbar.

8. (6828.) Sie horen nicht, sie sehen nicht, sie haben kein Bewufstsein von Geruch und Geschmack und ebenso kein Gefiihl ; wie konnen sie also aus den fiinf Elementen bestehen ?

9. (6829.) Da die Baume weder fliissig noch feurig, noch erdig, noch auch windhaft sind, noch auch den Raum [den sie einnehmen] ausmessen konnen, so konnen sie doch nicht aus den Elementen gebildet sein.

Bhrigu sprach:

10. (6830.) Wenn auch die Baume fest sind, so haben sie doch ohne Zweifel Akaga [Raum, d. h. eine Beziehung zum Weltraum], denn sie haben immerfort die Moglichkeit, ihre Bliiten und Friichte [in den Raum] hinaus zu entfalten.

11. (6831.) Vermoge der Warme verwelkt das Blatt (lies: parnam), die Rinde, die Frucht und die Bliite; sie verwelkt und fallt ab, folglich ist im Baume Gefiihl fspargaj vorhanden.

12. (6832.) Durch den Larm, welchen der Wind, das Feuer [beim Waldbrande] und der Donner machen, werden Friichte und Bliiten zerstort; der Larm wird durch das Gehor wahr- genommen, folglich horen die Baume.

13. (6833.) Die Schlingpflanze umwindet den Baum und kriecht nach alien Seiten ; ohne Gesicht aber kann man seinen Weg nicht finden, folglich sehen die Pflanzen.

14. (6834.) Ferner, durch gute und schlechte Geriiche und durch mancherlei Ausraucherung werden die Pflanzen gesund und bliihend, folglich haben sie Geruchssinn.

15. (6835.) Da er mit seinen Wurzeln das Wasser trinkt, da er [durch unmafsigen Genufs] krank wird und in der Krankheit [durch Arznei] geheilt wird, so mufs der Baum auch Geschmacksvermogen besitzen.

152 in. Mokshadharma.

16. (6836.) Da die Pflanze [z. B.] durch den Stengel der Lotosblume als Mund das Wasser in die Hohe zieht, so mufs sie mit Luft versehen sein, um es mittels der Wurzeln empor- zusaugen.

17. (6837.) Da sie fiir Lust und Schmerz empfanglich sind und, wenn abgeschnitten, wieder ausschlagen, so erkenne ich daran, dafs die Baume eine Seele f'jivaj besitzen, ein un- beseeltes Wesen facaitanyamj gibt es nicht.

18. (6838.) Wenn dadurch das Wasser aufgesogen worden ist, so verdauen es Feuer und Wind, und vermoge der Assimi- lation der Nahrung bildet sicli klebriger Saft und Wachstum.

19. (6839.) Was weiter die beweglichen Wesen betrifft, so enthalten sie alle in ihrem Korper die fiinf Elemente, und sie lassen sich alle einzeln unterscheiden , sofern durch sie der Korper sich bewegt.

20. (6840.) Die Haut, das Fleisch, die Knochen, das Mark und die Sehnen als Fiinftes, der Komplex dieser Bestandteile macht am Korper das Erdige aus.

21. (6841.) Der Glanz [des Korpers] ist Feuer, ebenso der Zorn, das Auge und die Korperwarme, und da das Feuer auch die Verdauung bewirkt, so sind die korperlichen Wesen im Besitze von fiinf Feuern.

22. (6842.) Das Ohr, die Nase, der Mund, das Herz und die Eingeweide, diese fiinf Bestandteile im Korper der lebenden Wesen riihren [vermoge ihrer Hohlraume] vom Akaga her.

23. (6843.) Als Schleim, als Galle, als Schweifs, als Fett und als Blut sind in fiinffacher Form die Wasser allezeit in dem Leibe der Lebenden vorhanden.

24. (6844.) Durch den Prana wird der Lebende in Bewegung gesetzt fpramyatej, durch den Vyana strengt er sich an fvyd- yacchatej, der Apana geht nach unten, der Samana hat seinen Sitz im Herzen.

25. (6845.) Durch den Udana haucht er seine Seele aus und durch Verteilung [des Prana auf die Stimmorgane] redet er ; in dieser Weise veranlassen diese fiinf Winde die Lebens- tatigkeiten der Verkorperten.

26. (6846.) An der Erde nimmt der Verkorperte die Quali- tat des Geruchs wahr, an den Wassern die des Geschmacks,

Adhy&ya 184 (B. 184). 153

durch Licht und Auge nimmt er die Gestalt wahr und durch den Wind das Gefuhl.

27. (6847.) AIs Geruch, Gefiihl, Geschmack, Gesicht und Gehor werden die Qualitaten der fiinf Elemente bezeichnet. Zunachst werde ich die Eigenschaften des Geruches in aus- fiihrlicher Darlegung mitteilen.

28. (6848.) AIs angenehm und unangenehm, als siifs, als stechend, muffig, stickig, olig, kratzend und rein,

29. (6849.) in dieser Weise ist als neunfach zu erkennen die der Erde angehorige Vielheit der Geriiche. Das Licht sieht man mit den Augen, des Gefiihls wird man sich be- wufst durch den Wind.

30. (6850.) Aufser dem [Geruche] gelten als Qualitaten Hor- barkeit, Fiihlbarkeit , Sichtbarkeit und Schmeckbarkeit. Ich will dir jetzt die Kenntnis der Geschmacke mitteilen; ver- nimm sie, wie ich sie dir sage.

31. (6851.) Der Geschmack wird von den beriihmten Weisen als vielfach gelehrt, als siifs, salzig, bitter, herb, sauer und stechend.

32. (6852.) Dies ist die sechsfache Einteilung des Ge- schmacks, er gilt als Qualitat des Wassers. Das Feuer hat die drei Qualitaten der Horbarkeit, Fiihlbarkeit und Sicht- barkeit.

33. (G853.) Das Licht [als Sehkraft] sieht die Gestalten, die Gestalten aber sind von vielerlei Art: kurz und lans;, dick, viereckig und rund (lies: anuvrittavdnj,

34. (6854.) weifs und schwarz, rot, gelb und dunkelrot, fest, glatt, geschmeidig, schliipfrig, weich und hart.

35. (6855 a.) In dieser Weise hat die Gestalt als Qualitat des Lichts sechzehn Unterarten. (cssia.) Der Wind hat die zwei Qualitaten der Horbarkeit und Fiihlbarkeit.

36. (6855 b.) Die Qualitat des Windes ist die Fiihlbarkeit, diese ist von vielerlei Art : (6856.) Warm, kalt, angenehm und unangenehm, feucht, rein,

37. ferner hart, weich, rauh, leicht, schwer und durch- dringend ftaraj, (6857b.) in dieser Weise wird die Fiihlbarkeit als Qualitat des Windes zwolffach gerechnet.

154 III. Mokshadharma.

38. (6858.) Weiter wird gelehrt, dafs der Ather nur eine Qualitat, namlich die der Horbarkeit, besitzt. Die Einteilung des Tons, welche eine mannigfaltige ist, will ich dir sagen.

39. (C859.) Shadja, Kishabha, Gandhara, Madhyama und Dhaivata, ferner Paficama und endlich Nishadavan [die sieben Tone der indischen Tonleiter];

40. (G860.) so wird als siebenfach die aus dem Ather ent- springende Qualitat erklart. Er befindet sich mit seiner Herrschermacht iiberall und so auch in Pauken und anderen Instrumenten.

41. (6861.) Von Tamburins, von Pauken und von Muscheln, vom Donner und vom Wagen, und auch sonst von jedem Tone, der gehort wird, sei es von einem lebenden oder leb- losen Wesen, (6862.) von diesen alien gilt, dafs sie in seinen [des Athers] Bereich gehoren.

42. So ist denn von mannigfacher Art der aus dem Ather entspringende Ton. (6863.) Von dem aus dem Ather geborenen Tone gilt, dafs man ihn neben den Qualitaten des Windes,

43. und auch wenn diese nicht in Bewegung gebracht sind, wahrnimmt, jedoch ihn nicht wahrnimmt, wenn sie ihm feindlich entgegenstehen. (6864.) Immer aber gilt, dafs die Elemente sich durch die andern Elemente in ihrer Wirkung verstarken.

44. Von ihnen sind Wasser, Feuer und Wind in dem Verkorperten immer wach, (6865.) denn sie sind die Wurzel des Korpers und befinden sich in ihm, indem sie die Lebens- hauche durchdringen.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Bhrigu und Bharadv&ja (Bhrigu - Bharadedja - samvdda) .

Adhyaya 185 (B. 185).

Vers 6866-6882 (B. 1-17).

Bharadvaja sprach : 1. (6866.) Wie kann, o Herr, auf der Grundlage des erdigen Elements das im Korper befindliche Feuer bestehen und wie kann sich in ihm der Wind durch eine besondere Art von Hohlraumen bewegen?

Adbyaya 185 (B. 185). 155

Bhrigu sprach:

2. (6867.) Ich will dir, o Brahmane, den Weg des Windes erklaren, o Untadeliger, und wie dieser Wind die Leiber der Lebenden mit Macht in Bewegung setzt.

3. (6868.) Das Feuer hat seinen Sitz im Kopfe, von wo aus es den Korper beschiitzt, der Prana aber bewegt sich, indem er im Kopfe und im Feuer sich befindet.

4. (6869.) Er ist das Geschopf , die Seele aller Wesen, ist der ewige Purusha, er ist Manas, Buddhi und Ahankara, ist die "VVesen und auch das Objekt.

5. (6870.) Da dem so ist, so wird der Lebende nach alien Richtungen bin von dem Prana [als allgemeinem Lebens- prinzip] in Bewegung gesetzt; hinterher aber [d. h. nach der Geburt] verfolgt jeder [der fiinf Prana' s] vermoge des Sa- mana den ihm eigentiimlichen Weg.

6. (6871.) Indem er sich stiitzt auf die Blasenoffnung und den Darm und sich anschliefst an das Verdauungsfeuer , be- wegt er sich, auch sofern er Harn und Kot abfiihrt, als der Apana.

7. (6872.) Denjenigen aber, welcher sich bei Anstrengung, Tatigkeit und Kraft in diesen dreien als einer betatigt, den nennen die des innern Selbstes kundigen Menschen den Udana.

8. (6873.) Derjenige Wind hingegen, welcher in alle Ge- lenke eingegangen ist in den Leibern der Menschen, der wird bezeichnet als Vyana.

9. (6874.) Wiederum wird das in den Korperstoffen ver- breitete Feuer angefacht durch den Samana; darin, dafs er die Safte, die Korperstoffe und die Fliissigkeiten fdoshaj in Bewegung versetzt, hat er seine Aufgabe.

10. (6875.) Hingegen zwischen Apana und Prana und an- gefacht von Prana und Apana voUbringt, auf seinen Standort [den Nabelkreis] konzentriert, das Feuer die vollstandige Ver- dauung.

11. (6876.) Vom Munde anfangend [lies; dsyddi] und am Ende im After auslaufend, erstreckt sich der Guda (Ein- geweide) genannte Kanal ; aus diesem entspringen alle iibrigen Kanale in den Lebewesen.

12. (6877.) Aus dem Zusammentreffen der Prana's entsteht ein Zusammentreffen [mit dem Verdauungsfeuer] ; und die

156 ni. Mokshadharma.

Korperwarme ist, so soil man wissen, das Feuer, welches die Speise der lebenden Wesen verdaut.

13. (6878.) Durch die Gewalt des Feuers dahinfahrend, wird der Prana am Ende des Darms zuriickgetrieben , und indem er wiederum nach oben strebt, schiirt er [seinerseits] das Feuer an.

14. (6879.) Unterhalb des Nabels befindet sich der Pakva- <?aya (Sitz der verdauten Nahrung), oberhalb der Amagaya (Sitz der unverdauten Nahrung) ; in dem Nabel als Mitte des Korpers haben alle Prana' s ihren Sitz.

15. (6880.) Auslaufend von der Mitte des Herzens, fiihren alle (lies: sarvdh) Adern in die Quere, nach oben und nach unten die aus der Nahrung gewonnenen Safte, wobei sie von den zehn Prana's [den fiinf erwahnten nebst Naga, Kurma, Krikara, Devadatta, Dhananjaya (Vedantasara § 99 Bohtl.}] angetrieben werden.

16. (6881.) Dies ist auch der Weg der Yogabeflissenen, auf welchem sie zu jenem Orte [der Erlosung] aufsteigen, sie, welche die menschliche Schwache iiberwunden haben, gleichmiitig und bestandig sind, nachdem sie ihren Atman im Haupte gesammelt haben fddadhan!).

17. (6882.) Das in dieser Weise iiber alle Prana's und Apana's verteilte Feuer wird [vorher] jedesmal in jenem [dem Kopfe] zur Entflammung gebracht, in welchem es wie in einem Feuertopfe angelegt wurde.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwiechen Bhrigu und BharadvAja (Bhrigu - Bharadedja - samvdda).

Aclhyaya 186 (B. 186). Vers 6883-6897 (B. 1-15).

Bharadvaja sprach:

1. (6883.) Wenn der Wind dasjenige ist, was belebt ^prdnayatej , so ist es auch der Wind, welcher bewegt und atmet und redet, somit ist die Annahme eines Jiva (einer individuellen Seele) unnotig.

Adhyaya 18G (B. 186). 157

2. (6884.) Wenn das Vorhandensein der Korperwarme vom Feuer herriihrt, und wenn mittels des Feuers verdaut wird, so ist es auch das Feuer, welches die Verdauung vollendet; somit ist die Annahme eines Jiva unnotig.

3. (688B.) Wenn ein Mensch sich auflost, so ist von einem Jiva nichts zu bemerken, soildern es ist nur der Wind, der ihn verlafst, und das Vorhandensein der Korperwarme, welches verloren geht.

4. (6886.) Wenn der Jiva windartig ware oder wenn eine Verbindung desselben mit dem Winde stattfande, dann miifste er, anzusehen wie ein Windwirbel, im Verein mit den Scharen der Winde dahinfahren.

5. (6887.) Und wenn eine Verbindung mit dem Winde statthatte, und wenn er darum [durch Losung der Verbindung] zugrunde gehen soil, [so ist dagegen daran zu erinnern, dafs] ein Gefafs mit Wasser, weil es von dem grofsen Meere ab- getrennt worden ist, [darum doch nicht vergeht, sondern fort- besteht] als ein anderes.

6. (6888.) Und wiirde man wohl Wasser in einen Brunnen oder eine Fackel in ein Feuer hineinwerfen ? So wie diese, hineingelangt, schnell zunichte werden wiirden, so wiirde auch er, der Jiva, zunichte werden, [wenn er als eine Art Wind den Korperwinden beigemischt worden sein sollte].

7. (6889.) Wozu braucht man bei diesem Korper, da er von den fiinf [Elementen] erhalten wird, noch [aufser ihnen als sechstes] ein Leben anzunehmen, da doch, wenn das eine oder andere von diesen fiinfen fehlt, bei den vier librigen das ganze Aggregat (lies: sangraha) nicht mehr bestehen kann.

8. (6890.) Das Wasser im Korper verschwindet, wenn man keine Nahrung zu sich nimmt, der Wind, wenn man das Atmen hemmt, der Ather, wenn man die Hohlraume [im Korper] zerstort, das Feuer schwindet, wenn man nicht ifst;

9. (6891.) wenn man von Krankheit und Blasse gequalt wird, so geht das erdige Element in die Briiche; kurzum, wenn das eine oder andere von ihnen Not leidet, so geht das Aggregat in die fiinf auseinander.

10. (6892.) Und wenn der Korper in die Fiinfheit der Ele- mente zertallt, welchem von diesen lauft der Jiva nach? Wo-

158 III. Mokshadharma.

durch macht sich iiberhaupt der Jiva bemerklich? Hort er vielleicht, oder spricht er?

11. (6893.) Wenn einer sagt: diese [den Brahmanen ge- schenkte] Kuh wird mir in der andern Welt zur Rettung dienen, und wenn der, welcher die Kuh geschenkt hat, ge- storben ist, wem soil denn da die Kuh zur Rettung dienen?

12. (6894.) Wenn doch sowohl die Kuh als auch der, welcher sie annahm (lies: pratigrahitd) und der, welcher sie gab, alle zusammen schon hier der Vernichtung anheimfallen, wie sollen sie sich da [im Jenseits] wieder begegnen?

13. (6895.) Wenn einer von Vogeln verzehrt wurde oder von einem Berge abstiirzte oder vom Feuer verzehrt wurde, woher soil der zu neuem Leben kommen?

14. (6896.) Wenn von einem abgehauenen Baume die Wur- zel nicht wieder ausschlagt, sondern nur sein Same sich fort- pflanzt, wie soUte da ein Toter wiederkommen ?

15. (6897.) Nur der Same, der einst sich ergofs, ist es, der hier seinen Kreislauf vollendet; die Toten sind tot und dahin; nur aus Samen entwickelt sich neuer Samen.

So lautet im Mokshadharma. der Angrifl gegen die Natur der Seele (jtva- svarUpa- dkshepa).

Adhyaya 187 (B. 187).

Vers 6898-6929 (B. 1-31).

Bhrigu sprach:

1. (6898.) Es gibt keinen Vergang des Jiva (der indivi- duellen Seele), noch auch des Geschenkten oder des Voll-

,brachten. Der Lebende geht in einen andern Leib ein, und nur der Korper zerfallt.

2. (6899.) Nicht vergeht der in einen Leib eingegangene Jiva, wenn der Leib vergeht, sondern er ist wie ein Feuer, nachdem das Brennholz verbrannt ist.

Bharadvaja sprach:

3. (6900.) Wenn seine Vernichtung nur insofern nicht zu- gegeben wird, wie die eines solchen Feuers, so ist zu erwidern,

Adhyaya 187 (B. 187). 159

dafs ja auch das Feuer nach Verzehrung des Brennholzes nicht mehr wahrzunehmen ist.

4. (6901.) Er wird zunichte, sage ich und betrachte ihn wie das ohne Brennholz erlbschende Feuer, von dem man nicht sagen kann, wohin es gehe, welch ein Beweis dafiir vorhanden sei und welches sein Aufenthaltsort sein moge.

Bhrigu sprach:

5. (6902.) So wie, wenn man ihm kein Brennholz mehr zufiihrt, das Feuer nicht mehr wahrnehmbar, sondern wegen seines Ubergegangenseins in den Ather schwer zu erfassen, weil ohne feste Statte, ist,

6. (6903.) ebenso befmdet sich der Jiva, wenn er den Leib verlassen hat, in einem dem Ather ahnlichen Zustande, wird aber wegen seiner Feinheit nicht wahrgenommen , wie der Schein jenes Feuers, daran ist nicht zu zweifeln.

7. (6904.) Namlich das im Korper befmdliche Feuerelement hat die Aufgabe, die Prana's zu stiitzen, denn der Jiva mufs unterstutzt werden ; dieses die Winde im Korper unterstiitzende Feuer erstickt, wenn der Atmungsprozefs gehemmt wird.

8. (6905.) Ist aber dieses Feuer im Korper erloschen, so wird der Leib bewufstlos, und niederstiirzend geht er in das Erdelement iiber, denn sein gewiesener Gang ist die Erde.

9. (6906.) Denn von alien Kreaturen, mogen sie beweglich [als Menschen und Tiere] oder unbeweglich [als Pflanzen] sein, geht der Wind iiber in den Ather, und das Feuer folgt ihm nach. (6907.) Wahrend die genannten drei eine Einheit bil- den, so nehmen die beiden iibrigen ihren Standort in der Erde.

10. Wo der Ather ist, da ist auch der Wind, und wo der Wind ist, da ist auch das Feuer; (6908.) diese drei mufs man als gestaltlos wissen, obwohl sie die Gestalt der Ver- korperten ausmachen [helfen].

Bharadvaja sprach:

11. (6909.) Wenn Feuer, Wind, Erde, Ather und Wasser in den Verkorperten wahrgenommen werden, welches Merk- mal in ihm lafst auf den Jiva schliefsen? Das sage mir, o Untadeliger.

160 III. Mokshadharma.

12. (6910.) Wahrend der Leib aus jenen fiinfen besteht, durch jene fiinf sich erfreut und durch die Erkenntniskraft jener fiinf zu einem bewufsten wird, so mochte ich wohl wissen, welcher Art da noch die Funktion des Jiva sein soil.

13. (6911.) Wenn der Leib, der ein Aggregat von Fleisch und Blut, eine Anhaufung von Fett, Sehnen und Knochen ist, in seine Teile zerlegt wird, so wird dabei von einem Jiva doch nichts wabrgenommen.

14. (691-2.) Ist aber der Leib obne Jiva nur aus den fiinf Elementen zusammengesetzt, wer ist es dann, so konnte man einwenden, der bei korperlichem oder geistigem Schmerze sich des Leides bewufst wird?

15. (6913.) Nun, ist es etwa der Jiva, der das Gesprochene hort? Hort man es nicht vielmehr mit den Ohren, o grofser Rishi, und sogar dann noch, wenn das Manas unaufmerksara ist? Der Jiva ist also doch iiberfliissig.

16. (6914.) Alles, was iiberhaupt zu sehen ist, sieht man durch das mit dem Manas verbundene Auge; und freilich, wenn das Manas verwirrt ist, so sieht das Auge und sieht doch nicht.

17. (6915.) Man sieht nicht und man riecht nicht, man hort nicht und redet nicht, man empfmdet keine Beriihrung und keinen Geschmack, sobald man vom Schlafe iiberkommen ist.

18. (6916.) Wer ist es, [etwa der Jiva?] der dann sich freut und ziirnt und sich bekiimmert und fiirchtet und wiinscht und denkt und hafst und redet?

Bhrigu sprach :

19. (6917.) Bei dem alien vermag der aus den fiinf Elementen zusammengefiigte Leib nichts, und nur der innere Atman regiert ihn ; er empfindet die Geriiche, Ge- schmacke, Gerausche, die Beriihrung, die Gestalt und was sonst noch fiir Qualitaten vorhanden sein mogen.

20. (6918.) Wer in dem aus den fiinf Elementen be- stehenden Korper die fiinf Qualitaten wahrnimmt, das ist der alle Glieder durch waltende innere Atman ; er empfindet Leid und Lust im Leibe, und hat er sich losgetrennt, so empfindet der Korper nicht mehr.

Adhy^ya 187 (B. 187). 161

21. (6919.) Wenn keine Sichtbarkeit, Fiihlbarkeit und keine Warme des Korperfeuers mehr vorhanden ist, dann, nach Erloschen des Korperfeuers, verliifst der Atman den Leib, aber er vergeht nicht,

22. (6920.) Diese ganze Welt ist aus den [Ur-]Wassern gebildet, und die Wasser sind die Gestalt der Verkorperten ; in ihnen, in alien Wesen weilt der Atman, der Manasa, der Gott Brahman, der Weltschopfer.

23. (6921.) Der Atman, sofern er mit den aus der Prakrit stammenden Guna's verbunden ist, wird der Kshetrajna (Orts- kenner) genannt; sofern er aber von diesen befreit ist, wird er als Paramdtman bezeichnet.

24. (6922.) Ihn erkenne als den Atman, der seiner Natur nach das Heil aller Welten fordert [vgl. Platons Idee des Guten], und der sich in diesem Leibe niedergelassen hat wie ein Wassertropfen auf der Lotosblume.

25. (6923.) Ihn, der seiner Natur nach immerfort das Heil der Welt fordert, erkenne als den Kshetrajfia, aber Tamas, Kajas und Sattvam, diese wisse als seine, des Jiva, Guna's.

26. (6924.) Sofern er [der Atman] mit Geistigkeit aus- gestattet ist, bezeichnet man den Jiva als seine Wesens- beschaffenheit ; er ist es, der sich bewegt und alles sich bewegen macht, hoher als diesen [den Jiva] bezeichnen ihn die Kenner der Leiblichkeit als den, welcher alle sieben Welten {bhur, bhuvah^ svar, mahar, janas, tapas, satyamj in Gang gebracht hat.

27. (6925.) Nicht wird der Jiva zunichte, wenn er sich von dem Leibe trennt, falsch ist es, was die Toren sagen: „er ist tot", sondern der im Korper verborgene Jiva zieht aus ihm aus, und der Zerfall in die Halbzehnheit [der Elemente] ist nur seine Lostrennung vom Leibe.

28. (6926.) So weilt in alien Wesen er versteckt und wan- delt in der Verhiillung ; dem scharfsten Denken nur sichtbar, dem feinsten derer, die die Wahrheit sehen [frei nach Kath. Up. 3,12].

29. (6927.) Ihm gibt sich in friiheren und spateren Nachten (d. h. Zeiten) der Weise immerfort im Yoga hin ; mafsig sich

Dkussen, Mahabharatam. 11

i[g2 HI- Mokshadharma.

A

nahrend und reinen Herzens schaut er alsdann den Atman in sich selbst.

30. (6928.) Nach Klarung seines Denkens steht er von guten und bosen Werken ab und beruhigten Selbstes im Selbste weilend erlangt er selige Ewigkeit.

31. (6929.) Der Manasa Agni (das geistige Feuer) in den Leibern wird Jiva genannt; er ist eine Schopfung des Praja- pati, der ihn zum innern Selbst der Wesen bestimmte.

So lautet im Mokshadharma die Darlegung der Natur der Seele (jiva-svarupa-nirApanam) .

Adhyaya 188 (B. 188).

Vers 6930-6949 (B. 1-20).

Bhrigu sprachi

1. (6930.) Zuerst also erschuf der Gott Brahman Brah- manen als Prajapati's, welche sich aus eigener Kraft ent- wickelten und an Glanz dem Sonnenfeuer gleichkamen.

2. (6931.) Darauf bestimmte der Herr Wahrheit, Gerechtig- keit, Askese und das ewige Brahman (die rehgiose Andacht), sowie den guten Wandel und die Eeinheit fiir den Himmel [d. h. als zum Himmel fiihrend].

3. (6932.) Darauf wurden die Gotter, die Danava's (gotter- feindliche Wesen), die Gandharva's (himmlische Genien), die Daitya's (bose Geister), die Asura's (Damonen) und die grofsen Schlangen, die Yaksha's (Halbgotter), die Rakshasa's (Kobolde), die Schlangen, die Pigaca's (Unholde) und die Menschen,

4. (6933.) namlich Brahmanen, Kshatriya's, Vaigya's und (^udra's, o Bester der Zwiegeborenen, sowie die iibrigen Klassen der Wesenscharen von ihm geschaffen.

5. (6934.) Die Farbe [varna, auch Kaste) der Brahmanen ist weifs, die der Kshatriya's rot, die der Vaigya's gelb und die Farbe der Qudra's schwarz.

Bharadvaja sprach:

6. (6935.) Wenn bei den vier Kasten der [moralische] Kastencharakter fvarnaj nach der Farbe fvarnaj eingeteilt

Adhyaya 188 (B. 188). 163

werden soil, so folgt doch daraus, dafs bei alien Kasten schon eine Vermengung der Kasten [und ihres moralischen Charak- ters] eingetreten sein mufs.

7. (6936.) Denn Liebe, Zorn, Furcht, Habgier, Kummer, Sorge, Hunger und Ermiidung, das kommt doch bei uns alien vor, wozu also die Einteilung in Kasten?

8. (6937.) Schweifs, Harn und Kot, Sclileim, Galle und Blut, alles dies, der ganze Korper ist bei alien fortwahrendem Wechsel unterworfen, wozu also die Einteilung in Kasten?

9. (6938.) Von beweglichen Wesen und ebenso von den unbeweglichen gibt es unzahlige Arten, welche alle von ver- schiedenem Aussehen sind, wie kann man da die Kasten [gerade als vier] bestimmen?

Bhrigu sprach:

10. (6939.) Urspriinglich besteht keine Verschiedenheit der Kasten, brahmisch ist die ganze Welt der Lebenden, aber das, was urspriinglich von Gott Brahman geschaffen war, das ist infolge der Werke in das Kastenwesen auseinandergegangen.

•11. (6940.) Sie, welche Lust und Genufs lieben, scharf, zornmiitig und Freunde von Gewalttat sind, ihre urspriing- liche Pflicht vergessen und ihre Glieder mit Blut befleckt haben, das sind Brahmanen, welche in das Kshatriyatum herabgesunken sind.

12. (6941.) Jene anderen, welche aus der Viehzucht ihren Unterhalt gewinnen, von gelber Farbe, vom Ackerbau lebend, auch sie betreiben nicht mehr ihre urspriingliche Obliegen- heit, sondern sind Brahmanen, welche in das Vaigyatum herab- gesunken sind.

13. (6942.) Und endlich jene, welche an Schadigung und Liige sich freuen, habgierig sind und alle Geschafte zu ihrem Unterhalt betreiben, die Schwarzen, von der Reinheit Ab- gefallenen, das sind Brahmanen, welche in das (^udratum herabgesunken sind.

14. (6943.) In dieser Weise geschah es, dafs Brahmanen, durch derartige Werke getrennt, in die anderen Kasten ge- raten sind, und nicht immer ist ihnen Frommigkeit und Opfer- werk benommen gewesen.

11*

164 in. Mokshadharma.

15. (6944.) So sind alle diese vier fcaturo fiir catvdroj Kasten solche, denen das gottliche Vedawort anvertraut worden war, die urspriinglich als Brahmanen erschaffen waren, aber aus Habgier in das Nichtwissen herabgesunken sind.

16. (6945.) Die Brahmanen aber sind die, welche der hei- ligen Lehre treugeblieben sind; ihre Askese ist unvergang- lich, indem sie immerfort das heilige Wort hochhalten so- wie die Geliibde und die Selbstbezahmungen.

17. (6946.) Sie, welche das Vedawort, das hochste, ge- schaffene, nicht kennen, das sind die Nicht-Brahmanen , von ihnen aber gibt es mannigfache , voneinander verschiedene Arten hier und dort.

18. (6947.) Da gibt es Pigaca's (Unholde), Rakshasa's (Ko- bolde), Gespenster und mancherlei barbarische Geschlechter, die Erkenntnis und Wissen verloren haben und einen Wandel nach eigenem Geliiste fiihren.

19. (6948.) So wurden die Geschopfe derartig, dafs sie die Weise der Brahmanen und die Bestimmung gemafs ihren eigenen Werken [in einer friiheren Weltperiode] an sich trugen, von den Rishi's kraft der ihnen einwohnenden Askese geschaffen, die einen von diesen, die anderen von jenen.

20. (6949.) Das ist die aus dem Anfangsgotte entsprungene, in Gott Brahman wurzelnde, unverganghche und ewige Schop- fung, welche die geistige fmdnasV genannt wird und das Ver- kniipftsein mit der heiligen Pflicht als Hochstes hat.

So lautet im Mokshadharma die Darleguug der Kasteneinteilung (varna - vibhdga - kathanarn).

Adhyaya 189 (B. 189).

Vers 6950-6967 (B. 1-18).

Bharadvaja sprach:

1. (6950.) Wodurch wird einer ein Brahmane oder ein Kshatriya, o Bester der Zwiegeborenen , oder ein Vaigya oder Qudra, o Brahmanen weiser? Das erklare, o Bester der Redner.

Adhyaya 189 (B. 189). 165

Bhrigu sprach:

2. (6951.) Wer durch die Geburtszereraonie und die iibrigen AVeihen geheiligt und rein ist, mit dem Vedastudium begabt und in den sechs taglichen Werken feststehend,

3. (6952.) wer in reinem Wan del durchaus beharrt, von Resten sich nahrt {vighasdgwj und dem Lehrer lieb ist, alle- zeit seine Geliibde halt und die Wahrheit iiber alles schatzt, der wird ein Brahmane genannt.

4. (6953.) Der, bei welchem Wahrhaftigkeit, Freigebigkeit, Treue, Wohlwollen, Schamhaftigkeit , Barmherzigkeit und Askese gesehen werden, der gilt fur einen Brahmanen.

5. (6954.) Wer hingegen die der Zerstorung dienenden Werke iibt, am Vedastudium teilnimmt, am Geben [den Brah- manen] und am Nehmen [von den Untertanen] Freude hat, der wird ein Kshatriya genannt.

6. (6955.) Wer hingegen an Handel, Viehzucht, Ackerbau und Geben [an die Brahmanen] sich freut und rein ist, auch mit dem Vedastudium begabt, der wird als einVai^ya bezeichnet.

7. (6956.) Wer endlich sich damit zufrieden gibt, alles zu essen, alle Handlungen verrichtet und unrein ist, des Veda entbehrt und ohne guten Wandel ist, der heifst ein Qudra.

8. (6957.) Dies ist die Charakteristik des Qudra, und sie trifft auf einen Zwiegeborenen nicht zu ; [ohne sie] wiirde der ^udra nicht Qudra und der Brahmane nicht Brahmane sein.

9. (6958.) Durch alle Mittel sich der Begierde und des Zornes zu enthalten, das ist das Lauterungsmittel alles Wis- sens, sowie auch dafs man sein Selbst im Zaume halt.

10. (6959.) Diese beiden [Begierde und Zorn], welche, wenn sie aufkommen, das Heil vernichten, soil man mit der ganzen Kraft seines Wesens fernhalten,

11. soil allezeit sein Wohlbefinden vor Zorn und seine Askese vor Selbstsucht bewahren, (6960.) sowie seine Wissen- schaft vor Hochmut und Verachtung und sich selbst vor Un- besonnenheit.

12. Der, dessen Bestrebungen alle ohne Verbindung mit Wiinschen erfolgen, o Zwiegeborener, (696i.) dessen ganzes Opfer im Entsagen besteht, der ist ein Entsagender, der ist ein Weiser

166 ni. Mokshadharma.

13. Ohne irgendein Wesen zu schadigen, moge er dahin- gehen, indem er den Weg der Freundlichkeit wandelt, (6962.) und indem er alien Anhang von sich abtut, moge er durch seine Erkenntnis die Sinne besiegen; dann wird er eine von Rum- mer freie Stellung hienieden erreichen und Furchtlosigkeit im Jenseits.

14. (6963.) Beharrlich in der Askese, sich bezahmend, ein Muni, das eigene Selbst beherrschend, das Uniiberwundene zu iiberwinden trachtend, so soil man sein, und ohne An- hanglichkeit an alles, woran das Herz hangt.

15. (6964.) Alles, was von den Sinnen erfafst werden kann, das gehort zum Vyaktam (zur entfalteten Natur), das ist ge- wifs; das Avyaktam (die unentfaltete Natur), das soil man wissen, lafst sich nur aus Anzeichen erkennen, da sie iiber- sinnlich ist.

16. (6965.) Nicht soil man im Mifstrauen [gegen Veda und Lehrer] dahingehen, sondern sein Manas im Vertrauen fest- machen, das Manas aber halte man nieder in dem Prana, und den Prana mache man fest in Brahman.

17. (6966.) Aus Weltverdrossenheit wende man sich dem Nirvanam zu, und nicht sorge man sich iiber irgend etwas^ denn als ein Gliick erlangt der Brahmane durch die Welt- verdrossenheit das Brahman.

18. (6967.) Dann ist er allezeit mit Reinheit verbunden, mit gutem Wandel begabt und voll Mitgefiihl fiir die Wesen. Das ist das Merkmal des wahren Zwiegeborenen.

So lautet im Mokshadharma die Darlegung der Natur der Kasten (carna - svarupa - kathanam).

Adhyaya 190 (B. 190).

Vers 6968-6983. (B. 1-16.)

Bhrigu sprach: 1. (6968.) Das Satyam (die Wahrheit) ist Brahman, das Satyam ist Askese, das Satyam schafft die Geschopfe, durch das Satyam wird die Welt getragen, durch das Satyam geht man zum Himmel ein.

Adhyaya 190 (B. 190). 167

2. (6969.) Die Unwahrheit ist von der Art des Tamas (Finsternis), durcli das Tamas wird man nach unten gefiihrt, von dem Tamas verschlungen sieht man nicht das Licht, well man von Tamas umhiillt ist.

3. (6970.) Der Himmel ist Licht, so sagt man, und die Holle ist Finsternis ; Wahrheit und Unwahrheit, beide werden von den auf der Erde Wandelnden ergriffen.

4. (6971.) Dementsprechend ist auch der Lauf der Welt Wahrheit und Unwahrheit, Recht und Unrecht, Licht und Finsternis, Leid und Lust.

5. (6972. Prosa.) Dabei steht es so: die Wahrheit ist das Recht, das Recht ist das Licht, das Licht ist die Lust; hin- gegen: die Unwahrheit ist das Unrecht, das Unrecht ist die Finsternis, die Finsternis ist das Leid.

6. (6973.) Hierbei wird bemerkt: Aus korperiichem und geistigem Leid und aus Lust, die aus dem Leide hervorgeht, besteht die Weltschopfung, das sehen die Weisen und lassen sich nicht betoren.

7. (6974.) Darum strebt der Weise nur danach, sich vom Leid zu befreien, denn die Lust der Wesen ist etwas Hin- faUiges, sowohl in dieser Welt als auch in der andern.

8. (6975.) Wie das Licht des vom Rahu verschlutigenen Mondes [bei der Mondfinsternis] nicht leuchtet, so geht die Lust der von der Finsternis ftamasj iiberwaltigten Wesen zugrunde.

9. (6976. Prosa.) Was nun die Lust betrifft, so wird ge- lehrt, dafs sie zweifach sei, namlich korperlich und geistig. Es geschehen aber sowohl in dieser als in jener Welt die Entwicklungen der Dinge, wie iiberliefert wird, um der Lust willen, denn iiber diese hinaus gibt es keine vorziiglichere Frucht der Dreiheit von Bestrebungen [nach dem Angenehmen, Niitzlichen und Guten]; dabei aber dient die spezielle Quali- tat des Angenehmen den Qualitaten des Guten und Niitz- lichen zum Antrieb. Diese beiden sind die Ursachen, aus denen jenes [das Angenehme] hervorgeht, und sie werden in Angriff genommen um der Lust willen als Zweck.

Bharadvaja sprach:

10. (6977. Prosa.) Wcun du, o Herr, behauptest, dafs die Liiste am hochsten stehen, so nehmen wir das nicht an. Denn

168 III. Mokshadharma.

jenen Weisen, welche im Mahdn feststanden, ware jene be- sondere Qualitat des Angenehmen nicht unerreichbar gewesen, und doch trugen sie nach ihr kein Verlangen. Ferner, was den Schopfer der drei Welten, den Gott Brahman, den Herrn, betrifft, so lehrt die Schrift, dafs er ganz allein im Tapas sich hielt. Auch ist zu bemerken, dafs der Brahmacarin sich keineswegs dem Angenehmen und der Lust hingibt. EndUch erinnere ich daran, dafs der heihge Herr des Welt- alls, der Gatte der Uma, den Kama (Liebesgott), als er ihm zu nahen wagte, durch die an ihm vollzogene Korpervernich- tung zur Kuhe bettete. Darum sage ich : Von jenen Hoch- sinnigen ist diese Qualitat [des Angenehmen] nicht ergritfen worden, und wenn du behaupten solltest, dafs sie eine so ausgezeichnete Art von Qualitat nicht batten haben konnen, so nehme ich dies von dir, o Ehrwiirdiger, nicht an. Wenn du aber behauptest, dafs es nichts Hoheres gabe als die Lust, so ist zu bemerken, dafs nach allgemeiner Annahme das Ent- stehen der Frucht von zweifacher Art ist, sofern durch gute Werke Lust und durch bose Leid erlangt wird.

Bhrigu sprach:

11. (6978. Prosa.) Dagegen ist zu bemerken: Aus der Un- wahrheit ist die Finsternis ftamasj hervorgegangen, und von der Finsternis verschlungen wenden sich die Menschen dem Bosen zu und nicht dem Guten, und in Zorn, Habgier, Grau- samkeit, Unwahrheit usw. versunken, konnen sie natiirlich weder in dieser Welt noch im Jenseits zur Lust gelangen; vielmehr werden sie, mit mancherlei Krankheit, Gebrechen und Qualen iiberschiittet, von Totung, Fesselung und anderen Noten, sowie von den durch Hunger, Durst und Ermiidung verursachten Qualen gequalt. Auch werden sie von den aus Kegen, Wind, iibergrofser Hitze und libergrofser Kalte ent- springenden Befiirchtungen und von korperlichen Schmerzen heimgesucht, und nicht weniger werden sie von den aus Unter- gang von Verwandten und Reichtum und aus der Trennung von ihnen entsprungenen geistigen Schmerzen iiberkommen, sowie von anderen, welche Alter und Tod ihnen bereiten.

12. (6979. Prosa.) Nur der aber, welcher von diesen korper-

Adhyaya 190 (B. 190). 169

Jiclien und geistigen Leiden nicht beriihrt wird, kann die Lust geniefsen ; im Himmel aber kommen dergleichen Mangel nicht vor, und dort befinden sie [die Guten] sich eben.

13. (6980.) Ein angenehmer Wind weht im Himmel und ein lieblicher Geruch begleitet ihn. Dort gibt es nicht Hunger, nicht Durst, nicht Qualen, nicht Alter und nicht Schlechtigkeit.

14. (6981.) Im Himmel herrscht ewige Lust, auf Erden beides. Lust und Leid; in der Holle, so heifst es, ist nur Leid. Lust hingegen ist jenes hochste Gefilde der Seligen.

15. (6982.) Die Erde ist die Gebarerin aller Wesen, und ihr ahnlich sind die Frauen, der Mann hingegen ist fiir sie Prajapati, und sein Same ist von Feuerart.

16. (6983.) So ist diese Weltschopfung vor Zeiten von Gott Brahman geordnet worden ; die Geschopfe leben ihr nach, ein jeder von seinen friiheren Werken umhiillt.

So lautet im MokBhadharma die Unterredung des Bhrigii mit Bharadv^ja (Bhrigu - Bharadcdja - samvdda).

AdhyAya 191 (B. 191).

Vers 6984-7001 (B. 1-18).

Bharadvaja sprach:

1. (6984.) Welcher Lohn wird in Aussicht gestellt fiir Frei- gebigkeit, Pflichterfiillung und guten Wandel, fiir wohldurch- gefiihrte Askese, fiir Vedastudium und fiir Opfer?

Bhrigu sprach:

2. (6985.) Durch Opfer wird das Bose beschwichtigt, durch Vedastudium der hochste Frieden erreicht, durch Almosen- geben erlangt man Freuden, wie es heifst, und durch Askese den Himmel.

3. (6986.) Das Almosengeben aber ist, wie gelehrt wird, von zweifaeher Art, je nachdem es um des Jenseits willen Oder fiir das Diesseits geschieht; alles, was von Guten ge- spendet wird, das erwartet sie im Jenseits.

170 III. Mokshadharma.

4. (6987.) Aber was von Nichtguten gespendet wird, diese Gabe wird schon hier vergolten. In welcher Gesinnung einer die Gabe gibt, dementsprechend erlangt er die Frucht.

Bharadvaja sprach:

5. (6988.) Worin besteht fiir jeden der Wandel in der Pflicht und was ist das Kennzeichen der Pflicht? Wie viel- fach ist ferner die Pflicht ? Das mogest du, o Herr, mir sagen.

Bhrigu sprach:

6. (6989.) Weise Menschen geben sich dem Wandel in der ihnen obliegenden Pflicht bin und erlangen als Lohn den Himmel; wer es anders macht, der ist ein Tor.

Bharadvaja sprach:

7. (6990.) Das System der vier Lebensstadien ist vor Zei- ten von Brahmanweisen eingerichtet worden. Jedes derselben hat einen ihm eigentiimlichen Wandel; den soUst du mir er- klaren.

Bhrigu sprach:

8. (6991. prosa.) Vor Zeiten wurden von dem erhabenen Gotte Brahman, da er das Heil der Welt im Auge hatte, um der Erhaltung der Pflicht willen die vier Lebensstadien vor- gezeichnet. Hierbei bezeichnet man als das erste Lebens- stadium das Wohnen in der Familie eines Lehrers. Es be- steht darin, dafs man sein Selbst vollstandig durch Reinheit, Weihen, Bezahmung und Gelubde bandigt, beide Dammerungen und in ihnen die Gottheiten der Sonne und des Feuers ver- ehrt, Triigheit und Schlaffheit fahren lafst, durch Begriifsung des Lehrers, sowie durch Studieren und Horen des Veda sein inneres Wesen lautert, die drei taglichen Waschungen be- treibt, durch Pflege des Brahmacarya-Feuers, durch Gehorsam gegen den Lehrer und durch beharrliches Betteln und Er- nahrung durch Erbetteltes vollstandig zum Bewufstsein seiner innern Seele gekommen ist, ohne Widerstreben A^ort und Be- fehl des Lehrers befolgt und das dafur durch die Gnade des Lehrers empfangene Vedawissen als das Hochste schatzt.

Adhyaya 191 (B. 191). 171

9. (6992.) Dariiber ist auch dieser Vers:

Der Zwiegeborene , welcher den Lehrer sich freundlich stimmt und von ihm den Veda erlangt, der erlangt als Frucht den Himmel, und sein geistiges Wesen kommt zur VoU- endung.

10. (6993. Prosa.) Den Stand des Hausvaters nun welter bezeichnet man als das zweite Lebensstadium, die Merkmale des richtigen Wandels in diesem wollen wir nunmehr voll- standig auseinandersetzen. Fiir solche, welche aus der Schiiler- schaft zuriickkehren , sich eines guten Lebenswandels be- fleifsigen und nach der Frucht eines gemeinschafthchen Wan- dels in der [Ehe-] Pflicht verlangen, wird der Wandel als Hausvater vorgeschrieben. Denn in ihm wird das Gute, Niitz- liche und Angenehme erlangt. Indem man mit Riicksicht auf die Erlangung dieser Dreiheit in vorwurfsfreier Tatigkeit zu Reichtum gelangt, soil man mittels dieses Reichtums mag er vorwiegend durch Unterricht im Veda gewonnen sein oder durch einen Brahmanweisen erzaubert, oder aus den Schatzen der Berge erworben, oder infolge Opferns an Gotter und Manen und Betreibens der Bezahmung durch die Gnade der Gotter verliehen- sein als Hausvater den Hausvaterstand antreten. Denn diesen erklart man fiir die Wurzel aller Lebensstadien. Denn auch fiir diejenigen, welche in der Familie des Lehrers wohnen bleiben, und fiir die anderen, welche als Pilger umherziehen und der zwangsmafsigen Pflicht eines unter- nommenen Geliibdes obliegen, auch fiir diese werden die Zu- teilungen von Almosen und Spenden aus dem Hausvater- stande bestritten.

11. (6994. Prosa.) Und auch fiir die Waldeinsiedler ist eine Beisteuer von Sachen [durch den Hausvater] angebracht, denn so wenigstens pflegen meist diese Guten, mit guter Wege- kost versehen und nur mit Vedastudium beschaftigt, zum Besuche von heiligen Badeplatzen und zur Besichtigung der Gegenden die Erde zu durchstreifen, und ihnen gebtihrt gast- liche Aufnahme durch Aufstehen, Entgegengehen, Begriifsen, nichtverdriefsliches Spenden von Worten und Anbieten eines angenehmen starkenden Sitzes und eines angenehmen Lagers- nebst Verpflegung.

172 III. Mokshadharma.

12. (6995.) Dariiber ist auch der Vers:

Wenn ein Gast mit getauschter Hojffnung vor einem Hause umkehrt, so iibertragt er seine bosen Werke auf dessen Be- sitzer [vgl. Ev. Matth. 10,14] und nimmt dessen gute Werke mit sich fort.

13. (6996. Prosa.) Auch werden in diesem Stande [des Haus- vaters] die Gotter durch Opfer werke erfreut, die Vater durch Vorsetzen [des Manenopfers], die Rishi's durch Betreiben, An- horen und Behalten der Wissenschaft und Prajapati durch Erzeugung von Nachkommen.

14. (6997.) Und dariiber sind zwei Verse :

Aus Zartgefiihl fiir alle Wesen sollen die Reden fiir das Ohr liebhch khngen; Qualen, Schlagen und hartes Anfahren ist das dabei zu Tadelnde.

15. (6998.) Hochmut, Selbstsucht und Falschheit wird ge- tadelt, hingegen ist Nicht-Schadigung, Wahrhaftigkeit und Enthaltung von Zorn eine Askese, die alien Lebensstadien geziemt.

16. (6999. Prosa.) Auch ist dabei [in Betracht zu ziehen] das Trachten nach Schmiickung mit Kranzen und nach be- standiger Freude an Kleidern und Salben, nach Tanz, nach Ergotzung des Ohres durch Gesang und Musik und Erfreuung <les Auges durch liebHche Anblicke, ferner der Genufs mannig- facher Gaumenfreuden , wie Essen, Schmausen, Schlecken, Trinken und Schliirfen, Freude an eigenen Belustigungen und Streben nach Geschlechtsgenufs.

17. (7000.) In wessen Hausvaterstande eine bestandige Ent- wicklung von tiichtigen Leistungen in der Dreischar [des Guten, Niitzlichen und Angenehmen] statthat, der kann die Freuden der Erde geniefsen und doch den Gang der Meister gehen.

18. (7001.) Wenn ein Hausvater, auch ein solcher, der auf Ahrenlesen angewiesen ist, an dem Wandel in der eigenen Pflicht seine Freude hat und das Streben nach Lust und Ge- nufs von sich abtut, fiir den ist der Himmel nicht schwer zu «rlangen.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung des Bhrigu mit Bharadvaja (Bhrigu - Bharadvdja - samvdda).

Adhyaya 192 (B. 192). ITS

Adhyaya 193 (B. 193).

Vers 7002-7031 (B. 1-27).

Bhrigu sprach: 1. (7002 Prosa.) Die Waldeinsiedler (vdnaprasthdhj nun aber sind diejenigen, welche ihre Pflicht dadurch betreiben, dafs sie heilige Badeplatze und Flufsmiindungen besuchen, wah- rend sie in abgelegenen, von Antilopen, Biiffeln, Ebern, Tigern und Waldelefanten belebten Waldern Askese iiben, und in- dem sie den Genufs der im Dorfe iiblichen Nahrung und Kleidung aufgeben, auf wildwachsende Krauter, Friichte, Wurzeln und Blatter beschrankt, mancherlei kargliche Nah- rung finden, hingegen, an einem Orte weilend, auf Erde, Steinen, Kies, Geroll, Sand und Asche sich lagern, ihren Korper in Graser, Binsen, Felle und Baumbast kleiden, Kopf- haare, Bart, Nagel und Korperhaare wachsen lassen, zu be- stimmter Zeit die Abwaschungen vornehmen, in nicht zu ver- saumenden Zeiten Spenden und Opfer darbringen, iibrigens vor Brennholz, vor Darbringung von Kugagras und Blumen, sowie vor Abwaschung der Opfergerate Ruhe haben, durch den Widerstand gegen Kalte, Hitze, Regen und Wind die ganze Haut voll Risse haben, durch die mannigfachen Askesen, Observanzen, Wanderungen, Befolgungen und ObHegenheiten ganz ausgetrocknet an Fleisch, Blut, Haut und Knochen sind und, die Standhaftigkeit iiber alles schatzend, der ewigen Reah- tat ergeben, ihren Korper dahinschleppen.

2. (7003.) Wer aber mit Strenge diesen von den Brahman- weisen vorgeschriebenen Wandel einhalt, der verbrennt wie ein Feuer seine Siinden und erobert schwer zu erobernde Welten.

3. (7004. Prosa.) Was nun endhch den Lebenswandel der Parivrajaka's (Heimatlosen) betrifft, so steht es damit folgender- mafsen : Indem sie Opferfeuer, Habe, Weib und Anhang im Stich lassen und in Anhanglichkeit an den Atman die Fesseln der Neigung abschiitteln, wandern sie heimatlos um- her, (7005.) und wahrend sie Erdschollen, Steine und Gold fiir gleich aohten , ihren Geist nicht mehr an die Produkte der

174 III- Mokshadharma.

Dreiheit [des Guten, Niitzlichen, Angenehmen] hangen, mit gleicher Gesinnung auf Feinde, Freunde und Gleichgultige blicken, gegen Pflanzen, Lebendgeborenes , Eigeborenes, Schweifsgeborenes und Keimgeborenes , gegen alle diese Wesen in Gedanken, Worten und Werken ohne Falsch sind und ohne eigene Behausung Berge, Sandbanke, Baumwurzeln Oder Gottertempel als Aufenthalt wahlen, so mogen sie um des Unterkommens willen zwar eine Stadt oder ein Dorf auf- suchen, so jedoch, dafs sie in einer Stadt nur fiinf Nachte, in einem Dorfe nur eine Nacht verweilen, und wenn sie, um ihr Leben zu fristen, einkehren, so soUen sie nur die Hauser von unbescholtenen Zwiegeborenen besuchen, una von dem in die Almosenschale gelegten, nichtgeforderten Almosen zu leben, abstehend von Liebe, Zorn, Stolz, Habgier, Verblen- dung, Lamentieren, Trug, Nachrede, Hochmut und Schadigung. 4. (7006.) Auch sind dariiber folgende Verse: Wer als Muni so lebt, dafs er alien Wesen Furchtlosig- keit einflofst, fiir den entsteht keine Furcht vor irgendeinem Wesen.

5. (7007.) Indem er das Agnihotram in seinem eigenen Leibe aufnimmt, opfert er dem Feuer seines Leibes in dem eigenen Munde, und als Brahmane durchstreift er die Welt mittels der als Almosen ihm iibergebenen Opfer- spenden fiir die [in ihm] geschichteten Feuer.

6. (7008.) Wer in der genannten Weise das Lebens- stadium der Erlosung betreibt, indem er rein und wohl- bereiteten und befreiten Geistes ist, der Mensch gelangt zur Brahmanwelt, wie ein Feuer, welches aus Mangel an Brennholz erloschen ist [d. h. er gelangt zum Nirvanam].

Bliaradv&,ja sprach:

7. (7009.) Uber diese Welt hinaus gibt es eine hohere Welt, so lehrt die Schriftoffenbarung, aber nicht die Wahr- nehmung; diese Welt mochte ich kennen lernen, das mogest du, o Herr, mir erklaren.

Bhrigu sprach:

8. (7010.) Auf der nordlichen Seite des Himalaya, der heiligen, mit alien Trefflichkeiten ausgestatteten , befindet

Adhyaya 192 (B. 192). 175

sich, wie gelehrt wird, jene heilige, friedvolle und freudvolle hohere Welt.

9. (7011.) Dort namlich sind die Menschen, welche frei von bosen Werken, rein, vollig makellos, ohne Begierde und Verblendung sind, ohne dafs ihnen ein Ubel zustofst.

10. (7012.) Das ist das dem Himmel gleiche Land, dort sind, wie gelehrt wird, die schonen Vorziige zu fmden; zur Zeit, wo man dort ist, hat der Nioht-Tod die Oberhand, und keine Krankheiten kommen einem m'ehr zu nahe.

11. (7013.) Dort besteht keine Begierde mehr nach frem- den Weibern, der Mann begniigt sich mit seinem eigenen Weibe, dort wird nicht mehr gegenseitig gemordet, und es besteht kein Stolz auf Reichtum mehr ; (70i4.) die Ungerechtig- keit hat nicht mehr die Oberhand, und ein Zweifel ficht keinen mehr an.

12. Dort tritt die Frucht der guten Werke augenschein- lich zutage; (70i5.) man ist wohlversehen mit Speise, Trank und Sitz und wohnt in Palasten als Wohnungen.

13. [Anders ist es hienieden :] Einige sind von alien Liisten umgeben und mit Goldgeschmeide geschmiickt, (70i6.) wahrend es anderen nur eben gelingt, ihr Leben zu fristen,

14. und manche konnen nur mit grofser Anstrengung ihren Lebensunterhalt finden. (7017.) Einige freilich halten schon hienieden die Pflicht als Hochstes, andere aber er- niedrigen [ihre Mitmenschen] ; einige sind gliicklich , andere ungliicklich, die einen reich, die anderen arm.

15. (7018.) Hienieden herrschen Miihe, Furcht, Torheit, scharfer Hunger und Habgier, in den Menschen durch die Giiter entfacht, durch welche die Unweisen sich betoren lassen.

16. (7019.) Hienieden gibt es manche Arten des Erwerbs, je nachdem einer des Guten oder des Bosen beflissen ist; der Weise, der dies beides unterscheidet, wird nicht vom Ubel befleckt.

17. (7020.) Betriigerei, Gemeinheit, Dieberei, iible Nach- rede, miirrisches Wesen, Verletzung und Schadigung der Mit- menschen, Zwischentragerei und Liige,

18. (7021.) wer derartiges betreibt, dessen asketisches Ver-

176 III. Mokshadharma.

dienst ist verloren, aber dem Weisen, der sich nicht mit der- gleichen befafst, gedeiht dadurch die Askese.

19. (7022.) In dieser Welt ist vielfache Sorge um pflicht- mafsiges und pflichtwidriges Tun; hier ist die Statte der Werke, wer in dieser Welt hier das Gute oder Bose tut, (7023.) der erlangt durch das Gute Gutes, und Boses erlangt, wer es anders treibt.

20. Prajapati und die Gotter nebst der Schar der Rishi's haben hier vor Zeiten (7024.) geopfert. Nachdem sie Askese zum Opfer gebracht, sind sie gelautert zur Brahmanweli erapor- gestiegen.

21. Der nordliche Teil der Erde ist von alien der hei- ligste und schon; (7025.) dort werden die hier lebenden Men- schen wiedergeboren , soweit sie heilige Werke voUbracht haben,

22. nachdem man ihnen die letzte Ehre erwiesen hat; andere hingegen [werden wiedergeboren] in Tierleibern, (7026.) wenn ihr Leben dahin ist; und noch andere gehen auf der Erde zugrunde,

23. die sich gegenseitig aufzufressen geneigt sind, die, in Habgier und Verblendung befangen, (7027.) auf dieser Erde sich herumtreiben, solche gehen nicht in die nordliche Gegend.

24. Aber die, welche als sich selbst bezahmende Brah- manschiiler ihre Lehrer verehren, (7028.) die kennen als Weise den Weg zu alien Welten.

25. Damit ist jene von Gott Brahman eingesetzte Welt- ordnung in der Kiirze von mir dargelegt worden. (7029.) Fiir- wahr, wer weifs, was in der Welt Recht und Unrecht ist, der ist ein Weiser.

Bhishma sprach:

26. (7030.) Als in dieser Weise, o Konig, der askesereiche Bharadvaja von Bhrigu belehrt worden war, da verehrte er, der hochst Rechtschaffene, den Bhrigu mit Bewunderung.

27. (7031.) Damit ist dir, o Konig, die Schopfung der Welt verkiindigt worden ganz und gar, o du Hochweiser. Was wiinschest du weiter zu horen?

So lautet im Mokshadharma die Unteriedang des Bhrigu mit Bhaxadv^ja

(Bhrigu- Bharadodja-samvdda).

Adhyaya 193 (B. 193). 177

Adhyaya 193 (B. 193).

Vers 7032-7065 (B. 1-33).

Yudhishthira sprach:

1. (7032.) Die Kegel des guten Wandels facdraj^ oVaterchen, von dir erklart, o Untadeliger, die mochte ich horen, o Pflicht- kundiger, denn ich schatze dich als einen, der alles weifs.

Bhishma sprach:

2. (7033.) Diejenigen, welche einen schlechten Wandel fiihren, sich schlecht benehmen, schlechte Einsicht haben und Gewalttatigkeiten lieben, die werden die Nichtguten genannt, die Guten hingegen sind die, welche sich durch einen guten Wandel (dcdrq) auszeichnen.

3. (7034.) Diejenigen Menschen, welche auf offener Strafse, umgeben von Kiihen oder umgeben von Getreide ihren Kot Oder Urin nicht entleeren, die sind anstandig.

4. (7035.) Wenn man die vorgeschriebene Reinigung voll- zieht und die Spendung an die Gotter, das nennt man die Pllicht der Menschen; man soil keinen Flufs durchschreiten, ohne sich zu waschen;

5. (7036.) man soil allezeit die Sonne verehren, auch nicht mehr bei Sonnenaufgang schlafen ; man soil abends und mor- gens stehend das Dammerungsgebet murmeln, das friihe und das andere;

6. (7037.) man soil erst essen, nachdem man die Fiinf [Hande, Fiifse, Mund] benetzt hat, nach Osten gerichtet und Schweigen beobachtend ; man soil die zum Essen vorgesetzte Speise nicht bemangeln und das Schmackhafte als schmack- haft geniefsen.

7. (7038.) Man soil die Hande waschen, wenn man von Tische aufsteht, man soil nicht mit nassen Fiifsen in der Nacht schlafen, so hat es der Gotter- Rishi Narada als Merk- mal eines guten Wandels verkiindigt.

8. (7039.) Eine heilige Gegend, einen Ochsen, eine Gotter- wohnung, einen Kreuzweg, einen Brahmanen, einen Heiligen

Dbtjbskn, Mahftbhftratam. 12

X78 III- Mokshadharma.

und einen geweihten Baum soil man beim Vorbeigehen immer zur Rechten haben.

9. (7040.) Wenn ein Mann mit alien Gasten, mit Boten, mit seiner Familie dasselbe Essen teilt, so wird er von seinen Leuten gepriesen.

10. (7041.) Es ist dem Menschen vom Veda gesetzt, dafs er abends und morgens seine Mahlzeit nimmt, ein Essen in der Zwischenzeit ist nicht vorgesehen, und so lange soil man niich- tern bleiben.

11. (7042.) Wer zur Zeit des Opferns das Opfer bringt, zur Zeit der Empfanglichkeit beiwohnt und keine fremde Frau besucht, der Mann ist weise und heiligen Wandels.

12. (7043.) Als Ambrosia gilt gemeiniglioh , als das Herz der Mutter, was von einem Brahmanen iibrig gelassen ist; als solches verehren es die Leute, die guten Menschen aber scharen sich um das wahrhaft Gute.

13. (7044.) Ein Mensch, der [zum Zwecke des Opfers] die Erde zertritt und das Gras ausrauft, ein Mensch, der an den Nageln kaut [das mit den Nageln zerrissene Opferfleisch kaut, Nil.], der ist ein Ewigunreiner [wortlich: einer, der sich nie nach dem Essen den Mund ausspiilt], ist wie ein angepflock- ter Papagei und kommt auch hienieden nicht zu langem Leben.

14. (7045.) "Wer vom Fleischessen sich losgesagt hat, der soil auch kein durch das Opfer geweihtes Fleisch essen; ebensosehr wie beliebiges Fleisch, wie Riickenfleisch [spricli- wortlich fiir iible Nachrede] soil er es verraeiden.

15. (7046.) Sei es im eigenen Lande, sei es im fremden, den Gast soil man nicht hungern lassen; hat man die Frucht eines zu bestimmten Zwecken veranstalteten Opfers erlangt, so soil man sie als den Lehrern gehorig diesen zukommen lassen.

16. (7047.) Den Lehrern soil man einen Sitz bieten und die Begriif sung gewahren ; wer die Lehrer ehrt, der wird mit langem Leben, mit Ruhm und Schonheit begliickt.

17. (7048.) Man soil weder die aufgehende Sonne, noch auch ein fremdes Weib, wenn es nackt ist, ansehen ; die ge- setzliche Begattung soil man immer, und zwar im Verborgenen, ausiiben.

Adhyaya 193 (B. 193). 179

18. (7049.) Das Herz von allem, was heilig ist, ist die heilige Person, das Herz von allem, was rein ist, ist das reine Feuer; rein ist alles, was ein echter Arya tut, sogar das Beriihren von Haaren.

19. (7050.) Jedesmal, wenn man sich wiedersieht, soil man die Frage nach dem Wohlbefmden stellen; morgens und abends die Brahmanen zu begriifsen ist Vorschrift.

20. (7051.) Bei einem Gotteshause, unter Kiihen und bei arztlicher Behandlung von Brahmanen, beim Vedastudium und beim Essen soil man die rechte Hand gebrauchen.

21. (7052.) Die Verehrung der Brahmanen am Abend und am Morgen der Vorschrift gemafs, das glanzt als die Ware aller Waren, das wird geriihmt als der Acker aller Acker, (7053.) als das, was die Feldfrucht vervieltaltigt, das gilt unter allem Fahren als das Fahren mit Kiihen,

22. das soil man immer als erlangte Sattigung beim Essen und Trinken, (7054.) das soil man ansehen als die gute Zubereitung bei Milchspeisen, Reissuppen und Sesambrei.

23. Wenn einer beim Bartscheren begriffen ist, oder beim Niesen, Baden oder Essen, so soil man ihm, (7055.) wie auch alien Kranken, ein langes Leben wiinschen.

24. Man soil nicht gegen die Sonne gewendet harnen oder seinen eigenen Kot beschauen; (7056.) man soil es ver- meiden, neben einem Weibe zu liegen oder mit ihr zusammen zu essen.

25. Das Duzen und das Nennen beim Namen soil man bei Respektspersonen vermeiden, (7057.) Geringeren und Gleich- stehenden gegeniiber ist es nicht tadelnswert.

26. Das aufsere Gebaren schon verrat das bose Ge- wissen der Ubeltater, (7058.) sofern sie sich ihres Bosen be- wufst sind, und sie sind verloren, auch wenn sie sich unter der Menge zu verbergen suchen.

27. Das mit Bewufstsein begangene Bose sucht der des Veda Unkundige zu verheimlichen, (7059.) aber wenn ihn auch die Menschen nicht sehen, so sehen ihn doch die droben im Himmel.

28. Das von dem bosen Menschen verheimlichte Bose schlagt aus zum Bosen ; (7060.) das aus Rechtschaffenheit ver-

12*

180 III. Mokshadharma.

heimlichte Gute schlagt aus zum Guten; das von dem Recht- schaffenen begangene Gute schlagt aus zum Guten.

29. (7061.) Wohl mag der Tor hier sich nicht an das Bose erinnern, welches er getan hat, und doch folgt es ihm, auch wenn der Tater sich wandelt. Wie Rahu den Mond verfolgt, so verfolgt den Toren sein hoses Werk.

30. (7062.) Die Werkmasse, welche in der Hoffnung [auf Lohn] aufgehauft wurde, wird [im Jenseits] nicht ohne Leiden [liber ihr Schwinden] genossen ; darum riihmen es die Weisen nicht und brauchen nicht [wie jene] auf den Tod zu warten.

31. (7063.) Die Weisen erklaren, dafs das Gute aller Wesen auf Gesinnung beruhend frndnasa) sei, darum soil man bei alien Wesen der Gesinnung nach Wohlwollen walten lassen.

32. (7064.) Die Pflicht mufs jeder allein iiben, in der Pflicht- erfullung gibt es keine Gemeinschaft , [man iibt sie,] indem man sich nur an das Gesetz halt, was kann dabei ein Ge- fahrte tun?

33. (7065.) Das Gesetz ist die Lebensquelle fiir die Men- schen, wie fur die Gotter im Himmel das Amritam, durch die Gesetzeserfiillung erlangt man nach dem Tode den Genufs ewiger Wonne.

So lautet im Mokshadbaxma die Vorschrift fiir den guten Lebenswandel (dcdra-vidin).

Adhyaya 194 (B. 194).

Vers 7066-7128 (B. 1-63).

Yudhishthira sprach:

1. (7066.) Das, was an dem Menschen hier bemerkt und mit dem Namen des innern Selbstes belegt wird, was und wie dieses innere Selbst, ist, das erklare mir, o Grofsvater.

2. (7067.) Woher ist ferner dieses Weltall mit Unbewea:- lichem und Beweglichem geschaffen worden, und wie ver- schwindet es beim Weltuntergange ? Das sollst du mir jetzt sagen, o Brahmane.

Adhyaya 194 (B. 194). l81

Bhishma sprach:

3. (7068.) Das, was man das innere Selbst nennt, nach dem du mich fragst, o Prithasohn, das will ich erklaren, o Freund, als das allerbeseligendste Gliick.

4. (7069.) Als mit Schopfung und Vergang behaftet wird €S von den Lehrern geschildert; der Mensch, welcher es er- kannt hat, findet in der Welt Freude und Gliickseligkeit, <7070.) und audi eine Frucht desselben gibt es, und das ist das Wohlwollen gegen alle Geschopfe.

5. Die Erde, der Wind, der Ather, das Wasser und das Licht als fiinftes, (70710 dies sind die grofsen Elemente fmahd- bhutdnij, welche der Ursprung und der Vergang aller Wesen •sind.

6. In das, woraus sie [die Wesen] geschaffen sind, da- iiinein kehren sie auch immer wieder und wieder zurtick, <7072.) namlich in die grofsen Elemente [aus ihrer voriibergehen- den Gestaltung] als Wesen, wie die Wellen des Ozeans.

7. Wie eine Scbildkrote ihre Glieder aus sich heraus- streckt und wieder in sich hereinzieht, (7073.) so schafft der Bhutatman (Element-Atman) die Wesen und zieht sie wieder ein.

8. Er, der Wesensschopfer, ist es, welcher die in alien Wesen vorhandenen fiinf grofsen Elemente (7074.) geschaffen hat, aber seine Wesensverschiedenheit von diesen erkennt der Jiva (die individuelle Seele) nicht.

9. Der Ton, das Gehor und die Ohroffnungen, diese drei sind aus dem Ather als ihrem Ursprung entstanden. (7075.) Aus dem Winde aber sind das Gefiihl, die Bewegung und die Haut, diese drei, entsprungen.

10. Die Gestalt, das Auge und das Brennen, das ist das dreifache Feuer. (7076.) Der Geschmack, die Feuchtigkeit und die Zunge, diese werden als die drei Qualitaten des Wassers bezeichnet.

11. Der Geruch, die Nase und der Leib, das sind die drei Qualitaten der Erde; (7077.) das sind die fiinf grofsen Elemente und als sechstes gilt das Manas.

12. Die Sinne und das Manas sind fiir einen die Er- kenntnisorgane, o Bharata ; (7078.) als siebente gilt die Buddhi und der Kshetrajfia ist der achte.

182 in. Mokshadharma.

13. Das Auge dient dem Sehen, das Manas erhebt die zweifelnde Uberlegung, (7079.) die Buddhi hat als Aufgabe die Entscheidung , der Kshetrajna steht als Zuschauer da.

14. Er schaut alles, was oberhalb der Fufssohlen, was hierher zu und was nach oben ist, (708O.) von ihm, das sollst du wissen, ist diese ganze Welt innerlich durchdrungen.

15. Die Aufgabe der Menschen ist es, die Sinnesorgane vollstandig kennen zu lernen, (708i.) denn auch Tamas, Rajas und Sattvam, diese Wesenheiten, beruhen darauf [auf Er- kenntnis der Sinne].

16. Der Mensch, welcher sie durch seine Erkenntnis er- kannt hat und dazu das Kommen und Gehen der Wesen (7082.) erwagt, der gelangt nach und nach zur hochsten Ruhe.

17. Die Buddhi fiihrt die Eigenschaften [gundn mit Vers 8989 zu lesen] an, und sie fiihrt auch die Sinnesorgane (7083.) samthch mit dem Manas als sechstem an; gabe es keine Buddhi, wie konnten die Eigenschaften bestehen!

18. Somit ist diese ganze Welt des Unbeweglichen und Beweglichen aus ihr [der Buddhi] bestehend ; (7084.) [mit ihr] vergeht sie und entsteht, somit erweist sie sich als so [durch die Buddhi bedingt].

19. Dasjenige, wodurch sie [die Buddhi] sieht, das ist das Auge, wodurch sie hort, das wird das Ohr genannt, (7085.) wodurch sie riecht, das ist die Nase, und den Geschmack erkennt sie durch die Zunge.

20. Durch die Haut empfmdet sie die Gefiihle, die Buddhi ist es, welche sich jedem einzelnen Falle anpafst, (7086.) sofern sie irgend etwas begehrt, wird sie zum Manas.

21. Namlich funffach sind die Stiitzpunkte der Buddhi, je nach dem besondern Zwecke, (7087.) und diese nennt man die Sinnesorgane; iiber ihnen thront der Unsichtbare [der Kshetrajfia].

22. Die Buddhi, wenn sie im Menschen wohnt, befindet sich in drei Zustanden; (7088.) manchmal empfangt sie Lust [durch das Sattvam], manchmal wird sie in Leid versetzt [durch das Rajas],

23. manchmal befindet sie sich so, dafs sie weder von Lust noch von Unlust beriihrt wird [vermoge des Tamas];

Adhyaya 194 (B. 194). 183

(7089.) und so geschieht es, dafs die Buddhi im Geiste der Menschen sich in drei Zustanden befindet.

24. Sie ist es, welche diesen Zustanden verwandt diese drei Zustande iiberwindet, (7090.) wie der wellenreiche Ozean als Herr der Fliisse deren grofsen Zustrom.

25. Nachdem die Buddhi liber die Zustande hinausgelangt ist, verweilt sie in dem Manas als ihrem Zustande. (709i.) Dann aber regt sich das Rajas und iiberkommt diesen Zustand.

26. Dann setzt sie alle Sinnesorgane in Tatigkeit; [der folgende Halbvers fehlt in C] und weiterhin iiberkommt die Wesenheit des Tamas das Sattvam, indem es sich an dessen Lust heranmacht.

27. (7092.) Das Sattvam ist Lust, das Rajas ist Leid, das Tamas ist Dumpfheit, so sind diese drei; alle in der Welt herrschenden Zustande bestehen aus diesen dreien im Verein.

28. (7093.) Damit babe ich dir, o Bharata, das ganze Wesen der Buddhi erklart; es ist aber Aufgabe des Weisen, alle Sinne zu iiberwinden.

29. (7094.) Sattvam, Rajas und Tamas sind bei den Leben- den allezeit zusammenhangend , und dementsprechend ist in den Wesen eine dreifache Empfindung [von Lust, Leid und Gleichgiiltigkeit] vorhanden,

30. (7095.) namlich die auf das Sattvam, die auf das Rajas und die auf das Tamas beziigliche, o Bharata; als Lust empfunden wird der Guna des Sattvam, als Schmerz der des Rajas; (7096.) beide kommen mit dem Guna des Tamas ver- bunden zur Verwirklichung.

31. Wenn nun etwas als angenehm im Korper oder im Geiste sich kundgibt, (7097.) so muls man dies daraus erklaren, dafs die Empfindung fiir das Sattvam sich geltend macht.

32. Wenn hingegen etwas als unangenehm uns beriihrt, indem es Unlust erregt, (7098.) so soil man denken, das Rajas macht sich geltend, und es nicht beachten oder sich darum kiimmern.

33. Und endlich wenn etwas als Dumpfheit undeutlich in das Bewufstsein tritt, (7099.) ohne recht erschlossen oder erkannt werden zu konnen, das soil man als Tamas auffassen.

34. Freude, Befriedigung, Wonne und Freiheit von Sorgen,

184 III. Mokshadharma.

(7100.) WO diese auftreten, da sagt man, dafs die Qualitaten des Sattvam sich so oder so betatigen.

35. Unbefriedigung, Qual, Kummer, Begierde und Un- geduld, (7101.) diese, mag man ihre Griinde kennen oder nicht, werden angesehen als Merkmale des Rajas.

36. Als Diinkel, Verblendung, Unbesonnenheit, Schlaf und Tragheit, (7102.) als eines oder das andere von diesen, machen sich die verschiedenen Eigenschaften des Tamas geltend.

37. Wer das weitschweifende, viel herumstreifende, Ver- langen und Zweifel hegende (7103.) Manas gut in der Zucht halt, der ist gliicklich im Diesseits und im Jenseits.

38. Zwischen dem Sattvam [als Hauptvertreter der Pra- kriti] und dem Kshetrajna [dem Purusha], zwischen diesen beiden schwer erkennbaren besteht der Unterschied, (7104.) dafs ersteres die Qualitaten aus sich hervorgehen lafst, letzterer aber nicht.

39. Gleichwie die Miicke und der Feigenbaum [auf dem sie sitzt] immerfort verbunden (7105.) zu sein scheinen, so ist auch die Verbindung von Sattvam und Kshetrajna;

40. denn wiewohl sie ihrer Natur nach verschieden sind, so sind sie doch allezeit verbunden ; (7106.) wie der Fisch und das Wasser, so sind auch diese beiden verbunden.

41. Die Guna's kennen nicht den Atman, aber er kennt die Guna's allesamt, (7107.) jedoch als der Erkenner der Guna's glaubt er, dafs sie mit ihm vermengt sind.

42. Aber um seine Schritte zu beleuchten, tut mit den Sinnesorganen und der Buddhi als siebentem, (7108.) obwohl diese unbeweglich und unbewufst sind, der Atman seine Schritte fpadamj, wie mit einer Leuchte.

43. Das Sattvam namlich lafst die Qualitaten aus sich hervorgehen, und der Kshetrajfia schaut sie an, (7109.) das ist die bestandige Verbindung dieser beiden, des Sattvam und des Kshetrajna.

44. Das Sattvam und der Kshetrajna haben keine ge- meinschaftliche Basis, (7110.) der letztere vermischt sich nie- mals mit Sattvam, Manas und alien Qualitaten.

45. Wenn er mittels des Manas die Ziigel der Qualitaten

Adhyaya 194 (B. 194). 185

regiert, (7iii.) dann leuchtet sein eigenes Wesen durch, wie ein brennendes Licht in einem Topfe.

46. Wer nun die aus der Prakriti stamraende Tatigkeit aufgibt und als Einsiedler allezeit am Atman seine Freude hat [Chand. Up. 7,25,2], (7112.) der wird zum Atman aller Wesen, darum geht er den hochsten Gang.

47. Wie ein Wasservogel durch das Wasser nicht be- netzt wird, (7113.) in ahnHcher Weise lebt unter den Wesen der, welcher die Erkenntnis erlangt hat.

48. Also moge der Mensch durch seine Einsicht in dieser Weise sich von seiner eigenen Natur lossagen, (7ii4.) nicht mehr jammernd, nicht mehr sich freuend, gleichmiitig und frei von Selbstsucht.

49. Wer aber durch die Verbindung mit seiner eigenen Natur gefesselt bleibt, der lafst immer wieder die Guna's aus sich hervorgehen, (7ii5.) wie die Spinne den Faden; die Guna's sind als der Faden anzusehen.

50. Sind sie [im Tode] zerfallen, so werden sie doch nicht zunichte, denn ihre Vernichtung wird nicht wahrgenommen (7116.) durch Sinneswahrnehmung ; freilich ist die Sache iiber- sinnlich, es wird aber durch Folgerung fanumdnamj bewiesen [dafs sie fortbestehen].

51. So entscheiden sich die einen, wahrend die anderen behaupten, dais sie vernichtet werden. (7117.) Man moge beides iiberlegen und sich entscheiden, wie man will,

52. Jedenfalls moge man diesen festen , aus den Ver- zweigungen der Buddhi bestehenden Herzensknoten (7118.) losen und heiter dasitzen und keinen Kummer mehr empfinden, da der Zweifel gelost ist.

53. Obgleich sie befleckt sind, erlangen sie die VoU- endung, wie Manner einen vollen Flufs erlangen (7119.) und in ihm eintauchen, wohl wissend [dafs sie dadurch rein werden], und du mufst wissen, dafs es die Erkenntnis ist, welche dies vollbringt.

54. Durch einen grofsen Flufs wird einer auch dann ge- qualt, wenn er das [zu erreichende] Ufer sieht, das ist nicht anders, (7120.) hingegen [in unserm Falle] wird einer nicht

186 in. Mokshadharma.

gequalt, well er die Wahrheit kennt, sondern die Frucht im Auge habend schwimmt er hiniiber.

55. So ist es mit denen, welche den innern Atman er- kennen als reine und hochste Erkenntnis.

56. (7121.) Der Mann, welcher das hier stattfmdende all- gemeine Hingehen und Wiederkommen der Wesen erkennt und erwagt, der erlangt aus dieser Erkenntnis sodann nach und nach die Beruhigung.

57. (7122.) Wer die Dreiheit [von Angenehmem, Niitzlichem und Gutem] erkannt hat und mit Bewufstsein sich von ihr lossagt und immer sucht mit hingegebenem Geiste, der schaut die Wesenheit und wird frei von Verlangen.

58. (7123.) Der Atman kann nicht geschaut werden mittels der Sinne, welche zersplittert hierhin und dorthin sich zer- streuen und schwer zu bandigen sind von solchen, deren Atman nicht bereitet ist.

59. (7124.) Wer dieses weifs, der ist weise, welches andere Kennzeichen gabe es; denn dieses erkannt habend sind sich die Weisen bewufst, ihre Aufgabe erfiillt zu haben.

60. (7125.) Wer dieses weifs, fiir den gibt es keine Furcht mehr, wahrend die Nichtwissenden in grofser Furcht verharren. Einen hohern Weg gibt es fiir keinen, nach erreichter Tiichtigkeit preisen sie seine Unvergleich- lichkeit.

61. (7126.) Wer da handelt ohne vorangehende Ab- sicht und zugleich abstofst, was er vordem getan hat, fiir den besteht beides nicht mehr, die Unlust und noch weniger die Lust. Das bewirkt an einem hienieden voU- standig [die Erkenntnis].

62. (7127.) Dann ist der Mensch dieser kranken Welt iiberdriissig ; das bewirkt an einem hienieden vollstandig [die Erkenntnis].

63. Siehe in der Welt, indem du dich aus ihr zuriick- ziehst, wie in ihr die kranken Menschen bald dies, bald jenes vielfach bejammern; (7128.) siehe in ihr auch Ge- sunde, welche es nicht bejammern, es sind die, welche

Adhyaya 195 (B. 195). 187

jenen zweifachen Weg der Guten kennen [die Stufen- erlosung auf dem Devayana und die voile Erkenntnis].

So lautet im Mokshadharma die Lehre vom innern Selbste

(adhijdtnia-kathanaiii).

Adliyaya 195 (B. 195).

Vers 7129-7150 (B. 1-22).

Bhishma sprach:

1. (7129.) Wohlan/ich will ihn dir verkiinden, o Pritha- sohn, den vierfachen Meditationsyoga, welchen erkannt habend schon hienieden die grofsen Weisen zur ewigen Vollendung gelangen.

2. (7130.) In der "Weise betreiben die Yogin's die Medita- tion, wie sie richtig betrieben werden mufs, die grofsen Wei- sen, welche an Erkenntnis sich sattigen und ihren Geist auf das Nirvanam richten.

3. (7131.) Sie kehren nicht zuriick, o Sohn der Pritha, wenn sie erlost sind von der Schuld des Samsara. Getilgt ist die Schuld ihrer Geburt, fest stehen sie in ihrer eigenen "Wesenheit.

4. (7132.) Ohne Zweiheit sind sie, bestandig in der Reali- tat beharrend, befreit, in der Bezahmung ausharrend. Was ohne Anhanglichkeit ist, unwidersprechlich und dem Herzen Ruhe gewahrend,

5. (7133.) darin soil der Muni durch Meditation das ihn umklammernde Manas auf einen Punkt konzentrieren und fesseln, indem er zugleich die Schar der Sinnesorgane zu- sammenrollt und dasitzt wie ein Stiick Holz.

6. (7134.) Nicht mehr soil er den Ton mit dem Ohr er- fassen, nicht mehr die Gefiihle mit der Haut empfinden Oder die Gestalten mit dem Auge oder die Geschmacke mit der Zunge erkennen.

7. (7135.) Und auch von alien Empfindungen des Geruchs soil abstehen durch die Meditation der Yogawissende ; alles dies, was die Fiinfschar [der Sinne] in Aufregung bringt, soil er tapfer von sich ablehnen.

188 III. Mokshadharma.

8. (7136.) Sodann soil er mit Geschick die Fiinfschar in ■dem Manas beschliefsen und das umherschweifende Manas mitsamt den fiinf Sinnen zur Ruhe bringen.

9. (7137.) Das Manas, das zerfahrene, haltlose, fiinftorige, immer bewegliche, soil zuerst der Weise auf dem Wege der Meditation in sich zur Ruhe bringen.

10. (7138.) Wenn er die Sinne mitsamt dem Manas zu- sammengerollt hat, das wird als erste Stufe der Meditation von mir bezeichnet.

11. (7139.) Dann wird ihm das sechste, schon innerlich in ihm eingeschlossene [Manas] noch zucken, wie der geziickte Blitz in der Wolke.

12. (7140.) Wie ein beweglicher Wassertropfen auf dem Blatte nach alien Seiten bin und her rollt, so ist dann auch «ein Manas, wenn er auf dem Wege der Meditation wandelt.

13. (7141.) Auch wenn es, fiir einen Augenblick einiger- mafsen zur Ruhe gebracht, auf dem Wege der Meditation zum Stillstand kommt, wird das Manas wieder auf den Pfad ■des Windes hinausschweifen, dem Winde vergleichbar.

14. (7142.) Unverdrossen und unbekiimmert, frei von Schlaff- heit und Selbstsucht, soil er das Manas wiederum zur Ruhe bringen durch die Meditation, er, der Meditationskundige.

15. (7143.) Dann entstehen Bedenken, Erwagen und Zweifel in dem Muni, wenn er zum ersten Male die Meditation von Anfang an in Gang bringt.

16. (7144.) Aber auch wenn er durch sein Manas belastigt wrird, soil er die Andacht durchfiihren ; nicht moge der Muni verdrossen werden, sondern das Heil seiner Seele schaffen.

17. (7145.) Wie Haufen, die aus Staub, Asche oder Schutt geschichtet sind, wenn man sie plotzlich mit Wasser be- ^iefst, nicht sogleich zusammenbacken,

18. (7146.) oder wie trockenes Mehl, wenn es etwas feucht geworden ist, doch noch nicht zusammenklumpt , aber nach und nach doch dieses alles allmahlich eine feste Masse bildet,

19. (7147.) so wird er auch nur nach und nach die Schar -der Sinnesorgane zusammenknaulen und sie allmahlich zu- «ammenhalten, dann wird er vollig zur Ruhe kommen.

20. (7148.) Nachdem er aus freien Stiicken sein Manas

Adhyaya 195 (B. 195). 18&

und die Fiinfschar in dieser Weise, o Bharata, zunachst auf dem Wege der Meditation zum Stillstande gebracht hat, dann kommt er durch fortgesetzten Yoga zur Ruhe.

21. (7149.) Nicht kann durch Menschenwerk , nicht kann durch irgendeine Gottergabe jemand zu der Sehgkeit ge- langen, die der besitzt, welcher so sein Selbst liberwaltigt hat.

22. (7150.) In dieser Sehgkeit begriffen, wird er die Aus- iibung der Meditation geniefsen, und so gehen die Yogin's ein in das von Krankheit freie Nirvanam.

So lautet im Mokshadharma die Beschreibung dea Toga

(yo^a - lathanani).

Adhyaya 196 (B. 196).

Vers 7151-7173 (B. 1-23).

Yudhishthira sprach:

1. (7151.) Das Wesen der vier Lebensstadien ist von dir erklart worden, sowie auch die Konigspflichten ; auch hast du viele, auf mancherlei beziighche Erzahlungen im einzelnen mitgeteilt.

2. (7152.) Ich habe die von dir mitgeteilten Geschichten und die an sie gekniipften Belehrungen vernommen, o Hoch- weiser. Aber ein gewisser Zweifel kommt mir, den mogest du, o Herr, mir losen.

3. (7153.) Ich mochte, o Bharata, belehrt werden iiber die Frucht, welche die Murmler der Gebete erlangen; welche Frucht wird fiir die Gebetsmurmler verheifsen und wo haben sie ihren Platz?

4. (7154.) Auch die ganze Kegel des Gebetsmurmelns mogest du mir erklaren, o UntadeHger, und ob unter dem Worte Gebetsmurmler etwa eine Vorschrift der Tatigkeit der Re- flexion fsdnkhyamj oder der Hingebung fyogaj zu verstehen ist,

5. (7155.) oder ob es eine Vorschrift des Opferns bedeutet; was ist unter dem Gebetsmurmeln zu verstehen? Das alles mogest du mir erklaren, denn ich erachte dich fiir einen, der alles weifs.

190 III. Mokshadharma.

Bhishma sprach:

6. (7156.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Oeschichte, namlich was sich ehemals begeben hat zwischen Yama, Kala und einem Brahmanen [vgl. Adhy. 199].

7. (7157.) Was aber die Reflexion fsdrilchyam) und die Hin- gebung (yoga) betrifft, welche von den die Erlosung kennenden Weisen erwahnt werden, so liegt im Vedanta nur die Ent- sagung vor , und gegen das Gebetsmurmeln (7i58.) wenden sich die Vedaworte ; nur die, welche die Beruhigung gefunden haben, stehen im Brahman fest.

8. Was aber die Reflexion und die Hingebung betrifl't, von dem die Weisen, iiberall dasselbe Sehenden reden, (7159.) so sind auch diese beiden zwei Wege, welche gangbar sind, aber nicht von der Schrift gelehrt werden.

9. Fiir das, was in der Schrift gelehrt wird, o Konig, kann auch eine Begriindung durch jene beiden gegeben wer- den, (7160.) auch in ihnen wird die Versenkung des Geistes und ebenso die Bekampfung der Sinne gelehrt.

10. Wahrhaftigkeit , Pflege der Feuer, Aufsuchen ent- legener Orte, (7i6i.) Meditation, Askese, Bezahmung, Geduld, Nichtmurren, mafsige Ernahrung,

11. Zuriickziehung von den Sinnendingen, mafsiges Reden und Beruhigung, (7162.) das ist das Opfer, welches fordert. Nun hore auch das, welches hemmt,

12. und inwiefern das Werk des Gebete murmelnden Brahmacarin hemmt, (7i63.) das alles moge man vollstandig, so wie es gesagt ist, reiflich iiberlegen.

13. Wer den hemmenden Weg betritt, mag er ihm klar oder unklar sein, den Weg, der keine feste Stiitze gewahrt,

14. (7164.) der wird, wenn auch auf einem Haufen von KuQagras sitzend, Kugagras in der Hand haltend, mit Kuga- gras auf dem Kopfe, von Kugagras umgeben und in dieser Umgebung auch noch von KuQagras bedeckt,

15. (7165.) dennoch den Sinnendingen frohnen, dieSinnen- dinge aber soil man nicht ehren, sondern, Gleichmiitigkeit durch das Manas gewinnend, im Manas das Manas bergen.

16. (7166.) Dann meditiert man im Denken das Brahman, wobei man immerhin einen guten Samhitaspruch murmeln

Adhyaya 196 (B. 196). 191

mag. Oder einer verzichtet auch auf diesen und verharrt in der Absorption.

17. (7167.) Dann fordert er die Meditation, indem er sich dabei auf die Meditation des Samhitaspruches stiitzt, und mit reinem Herzen, durch Askese gezahmt, Hafs und Liebe in sich vernichtet.

18. (7168.) Dann wird er, ohne Leidenschaft, Verblendung und Zweiheitlichkeit, nicht trauern und nicht anhangen, und nicht mehr Tater sein von Ursachen oder von Wirkungen, das steht fest.

19. (7169.) Dann wird er nicht mehr das Manas in Ver- bindung mit dem Ahankara irgendwohin aussenden, nicht mehr beschaftigt sein mit dem Greifen von Dingen, nicht hochmiitig und doch nicht untatig.

20. (7170.) Die Tatigkeit der Meditation als Hochstes schatzend, hingegeben, meditationsreich , die Meditation mit Entschlossenheit betreibend, so wird er in der Meditation die Absorption erzeugen und dann auch jene [Meditation] nach und nach aufgeben.

21. (7171.) Wenn er in diesem Zustande mit Freudigkeit jede Entsagung vollbracht hat, dann lafst er wunschlos seine Lebenshauche fahren und geht ein in einen brahmischen Leib.

22. (7172.) Oder auch, falls er alsdann nicht wiinschen sollte, einen Brahmanleib zu bewohnen, so steigt er empor und weilt auf dem Wege [dem Devayana], aber geboren wird er nicht wieder.

23. (7173.) Und in der Erkenntnis des Atman beharrend, beruhigt geworden und frei von Krankheit, geht er leiden- schaftslos in den unsterblichen reinen Atman ein.

So lautet im Mokshadharma die ErSrterung liber den Gebetsmurmler (jdpaka - updkhydnam).

192 ni. Mokshadharma.

Aclhyaya 197 (B. 197).

Vers 7174-7186 (B. 1-13).

Yudhishthira sprach:

1. (7174.) Du hast davon gesprochen, inwieweit die Er- langung des hochsten der Wege auch fiir die Gebetsmurmler moglich ist ; aber das ist doch nur der eine Weg, den sie geheii konnen; gehen sie wohl auch einen andern?

Bhishma sprach:

2. (7175.) Vernimm mit Aufmerksamkeit, o Konig, einen Weg der Gebetsmurmler, o Herr, auf dem sie in mancherlei Hollen fahren, o Mannerstier.

3. (7176.) Derjenige Gebetsmurmler, der nicht vorher be- treibt, was wir soeben besprochen haben, der ist einseitig dem Opferwerke zugewendet und fahrt in die Holle.

4. (7177.) Wenn er aus Hochmut das Werk betreibt, nicht erfreuend und nicht erfreut, ein solcher Gebetsmurmler fahrt zur Holle, daran ist kein Zweifel.

5. (7178.) ^lle, welche aus Selbstsucht handeln, fahren zur Holle; ein Mensch, der die andern verachtet, wird der Holle verfallen.

6. (7179.) Wer hingegen in seiner Torheit unter vorher- gehender Absicht das Gebetsmurmeln vollzieht, der wird da- fiir jedesmal in den Leib eingehen, auf den sein leidenschaft- liches Verlangen gerichtet ist.

7. (7180.) Und auch wenn bei den Veranstaltungen zur Erlangung von iibernatiirlichen Kraften der Gebetsmurmler sich in diese vergafft, so gereicht ihm das zur Holle, und er kann nicht von ihr freikommen.

8. (7181.) Ein solcher Gebetsmurmler vollzieht in seiner Torheit das Gebetsmurmeln aus leidenschaftlichem Verlangen, und er wird dafiir jedesmal in den Leib eingehen, auf den sein leidenschaftliches Verlangen gerichtet ist.

9. (7182.) Unverstandig und ohne erlangte Einsicht ist er in seinem unsteten Manas; einen unsteten Weg wandelt er Oder gerat in die Holle.

Adhy^ya 197 (B. 197). 193

10. (7183.) Ohne erlangte Einsicht als ein Tor gerat der Gebetsmurmler in Verblendung, und aus der Verblendiing fahrt er in die Holle; ist er dort, dann wird er jammern.

11. (7184.) Ich weifs, was ich will, so denkt der Gebets- murmler und murmelt sein Gebet; er ist nicht voll von seiner Sache, ist ihr nicht hingegeben und fahrt in die Holle.

Yudhishthira sprach:

12. (7185.) Unverganglich ist jenes Hochste, Unoffenbare, in Brahman Kuhende [der Atman]; wenn ein Gebetsmurmler zu diesem wird, warum mufs auch ein solcher hienieden wieder in einen Korper eingehen?

Bhlshma sprach:

13. (7186.) Viele HoUen werden fur mangelhafte Erkennt- nis in Aussicht gestellt. Selbst wenn die Gebete in loblicher Weise gemurmelt werden, so haften diesem Tun doch immer- hin derartige Fehler an.

So lautet Im Mokshadharma die Eiortervmg Ubex den Gebetsmurinler

(jdpal-a - updkhydnam).

Adhyaya 198 (B. 198).

Vers 7187-7197 (B. 1-11).

Yudhishthira sprach:

1. (7187.) Was ist das fiir eine Holle, in welche der Ge- betsmurmler fahrt? Das schildere mir; Wifsbegierde erfiillt mich, 0 Konig, darum soUst du es mir sagen.

Bhishma sprach:

2. (7188.) Du bist erzeugt als ein Sprofs des Gottes der Gereehtigkeit ("DharmaJ, du bist von Natur iiberaus gerecht, so vernimm denn mit Aufmerksamkeit, o Untadeliger, die Rede, welche sich griindet auf die Wurzel der Gereehtigkeit.

3. (7189.) Jene Orte der Gotter von hochster Wesenheit

Decbben, Mah&bb&Tatam. 13

194 III. Mokshadharma.

mit mancherlei Standorten und Farben, mit mancherlei Ge- stalten und Friichten,

4. (7190.) jene himmlischen , nach Belieben zu durch- wandelnden Palaste und Hallen, jene mannigfachen Spiel- platze, 0 Konig, und goldenen Lotosteiche

5. (7191.) der vier Welthiiter, des Venusplaneten und des Jupiter, der Winde und der Gesamtgotter, der Vollendeten und der A<?vin's,

6. (7192.) der Rudra's, Aditya's, Vasu's und der anderen Himmelsbewohner, das sind eben, o Freund, die Hollen, die Verhiillungen des Ortes des hochsten Atman.

7. (7193.) Dieser Ort aber ist furchtlos, kausalitatlos, nicht von Plagen erfullt, frei von den zweien [Lust und Un- lust] , frei von den dreien [Guna's] , frei von den achten [Sinne, Manas, Buddhi, Avidya] und den anderen dreien [Ob- jekt, Subjekt und Tatigkeit des Erkennens],

8. (7194.) frei von den vier Merkmalen [der Sichtbarkeit, Horbarkeit, Denkbarkeit, ErkennbarkeitJ , frei von den vier Ursachen, frei von den vier Erkenntnisgriinden [Wahrneh- mung, Folgerung, Tradition und Vergleich], ohne Freude, ohne Wonne, ohne Kummer und ohne Ermiidung.

9. (7195.) Eine Zeit gibt es dort, und doch ist die Zeit nicht Herr, sondern Er ist der Herr iiber die Zeit, o Konig, und der Gebieter des Himmels.

10. (7196.) Wer die Absolutheit des Atman erlangt hat, der geht dorthin und trauert nicht. Von dieser Art ist die hochste Statte, und die Hollen sind von jener Art. J

11. (7197.) Damit habe ich dir alle Hollen nach ihrem Wesen erklart; weil sie jenen hochsten Ort verhiillen, werden sie die Hollen genannt.

So lautet im Mokshadharma die Erorterang iiber den Gebetsmurmlei (jdpaka-updkhydnam).

Adhyaya 199 (B. 199). 195

Adhyaya 199 (B. 199).

Vers 7198-7329 (B. 1-128).

Yudhishthira sprach :

1. (7198.) Es wurde dir einstmals die zwischen Kala, Mrityu und Yama mit Ikslivaku und einem Brahmanen ge- pflogene Unterredung erzahlt; die mogest du, o Herr, mir mitteilen.

Bhishma sprach:

2. (7199.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlicli was sich zwischen Ikshvaku, dem Sohne des Surya (Sonne) und einem Brahmanen hegeben hat,

3. (7200.) sowie auch, was sich zwischen Kala und Mrityu begeben hat; das vernimm von mir, wie zwischen ihnen alien und an welchem Orte die folgende Unterredung statt- gefunden hat.

4. (7201.) Es war einmal ein Brahmane, ein Gebets- murmler, in der Pflicht bewandert und von grofsem Ruhme, die sechs Vedanga's [Lautlehre, Kultus, Grammatik, Wort- schatz, Metrik, Astronomic; Mund. Up. 1,1,5] kennend, von grofsem Wissen, ein Sohn des Pippalada und Abkommling des Kugika.

5. (7202.) Ihm war iiber dem Studium der sechs Vedanga's eine iibernatiirliche Erkenntnis zuteil geworden ; und auch in den Veden war er beschlagen, am Fufse des Himalaya wohnend.

6. (7203.) Er iibte eine mit Reden verbundene fsodyaj^ heilige Askese, indem er mit Selbstzwang die Samhita murmelte, und unter dieser Kasteiung gingen ihm tausend Jahre dahin.

7. (7204.) Da liefs sich die Gottin vor ihm leibhaftig sehen und sprach: „ich bin mit dir zufrieden"; er aber, da er be- schaftigt war, sein Murmelgebet in Drehung zu erhalten, schwieg still und erwiderte ihr nichts.

8. (7205.) Aus Mitleid mit ihm erwies sich die Gottin

13*

196 ni. Mokshadharma.

ilim freundlich, und sie, die Mutter des Veda, ehrte sein Murmelgebet.

9. (7206.) Als er aber mit Murmeln fertig und aufgestanden war, warf er sich mit dem Kopfe zu den Fiifsen der Gottin nieder, und er, der Pflichttreue , sprach zu der Gottin dieses Wort:

10. (7207.) Zur gliicklichen Stunde, o Gottin, bist du mir gnadig und bist mir sichtbar erscbienen; wenn du mir aber gnadig bist, so moge sich dein Geist an meiner Murmelung erfreuen.

Savitri sprach:

11. (7208.) Was verlangst du, o Brahmanenweiser, und was wiinschest du, das ich dir tun soil? Sprich es aus, o Bester der Murmler, es soil dir alles zuteil werden.

12. (7209.) So von der Gottin angeredet, sprach der pflicht- kundige Brahmane: Auf mein Murmeln bezieht sich der Wunsch, den ich hege, namlich dafs es gedeihen moge fort und fort,

13. (7210.) und dafs die Absorption meines Geistes, o Schone, zunehmen moge Tag fiir Tag. Da sprach die Gottin milde: So sei es!

14. (7211.) Und weiter sprach noch dieses die Gottin aus Wohlwollen zu ihm: Du soUst nicht in die Holle fahren, wohin die Gewaltigsten der Brahmanen gegangen sind.

15. (7212.) Du sollst gelangen zu der Statte des Brahman, der ursachlosen, tadellosen; das vollbringe ich, und du sollst zu dem werden, um was ich heute von dir gebeten wor- den bin.

16. (7213.) Mit Selbstzwang murmele, der Sache ganz hin- gegeben, und [der Gott des Rechtes] Dharma wird zu dir treten, und Kala [der Gott der Zeit] und Mrityu und Yama [die Gotter des Todes] werden sich bei dir einfinden.

17. (7214.) Und es wird eine Unterredung stattfmden hier- selbst zwischen dir und ihnen, heiliger Pflicht gemafs.

Bhishma (der Erzahler) sprach t :

(7215.) So sprach die heilige Gottin und ging in ihre Be- hausung zuriick.

Adhyaya 199 (B. 199). 197

18. Und wieder sitzt der Brahmane murmelnd da hundert gottliche Jahre lang, (7216.) immer bezahmt, den Zorn iiber- windend, mit Wahrheit vereint und ohne Neid.

19. Und als diese Selbstbezwingung vollbracht war, da geschah es, dafs vor des weisen Brahmanen (7217.) Augen er- freut der Gott Dharma diesem Zwiegeborenen erschien.

Dharma sprach:

20. (7218.) 0 Zwiegeborener, erkenne mich als den Gott Dharma; dich zu besuchen bin ich gekommen, und was als Lohn dieses deines Murmelns erlangt worden ist, das ver- nimm von mir.

21. (7219.) Alle Welten sind von dir erobert worden, die gottlichen sowohl als die menschlichen, und zu alien Be- hausungen der Gotter wirst du, o Guter, emporsteigend ge- langen.

22. (7220.) Lasse dein Leben fahren, o Muni, und gehe ein in die von dir gewiinschten Welten; sobald du deinen Leib aufgegeben hast, wirst du diese Welten erlangen.

Der Brahmane sprach:

23. (7221.) Was sollen mir diese Welten, o Dharma? Geh du nur hin, wohin es dir beliebt! Meinen Leib, den viel Leid und Lust enthaltenden, will ich nicht aufgeben, o Herr.

Dharma sprach :

24. (7222.) Notwendigerweise freilich mufst du deinen Leib aufgeben, 0 Stier unter den Muni's, steige doch auf zum Himmel, 0 Brahmane; oder was mochtest du denn sonst, 0 Untadeliger ?

Der Brahmane sprach:

25. (7223.) Ich finde keinen Gefallen daran, ohne meinen Leib im Himmel zu wohnen, 0 Herr; geh nur, o Dharma, ich trage kein Verlangen danach, ohne Leib in den Himmel einzugehen.

198 ni. Mokshadharma.

Dharma sprach :

26. (7224.) Hore auf, deinen Sinn auf den Korper zii richten, gib deinen Leib auf und werde gliicklich. Gehe ein in die staubfreien Welten, wohin gelangt du nicht mehr trauerst.

Der Brahmane sprach :

27. (7225.) Ich habe meine Freude am Gebetsmurmeln , o Herrlicher, was sollen mir die ewigen Welten! mit meinem Leibe will ich in den Himmel gehen oder gar nicht, o Herr.

Dharma sprach :

28. (7226.) Wenn du deinen Leib nicht aufgeben willst^ dann sieh einmal, o Zwiegeborener, da kommen Kala und Mrityu und Yama, um dich zu besuchen.

Bhishma (der Erzahler) sprach:

29. (7227.) Da kamen Vaivasvata (Yama), Kala und Mrityu zu dreien, o Herr, zu diesem herrlichen Brahmanen und sprachen folgendermafsen.

Yama sprach:

30. (7228.) Fiir diese wohldurchgefiihrte Askese und fur deinen guten Lebenswandel wird dir Erlangung der schonsten Frucht zuteil, ich, der Gott Yama, spreche dich an.

KS,Ia sprach:

31. (7229.) Entsprechend diesem Gebetsmurmeln ist als hochste Frucht dir zuteil geworden, dafs dir die Zeit (MlaJ gekommen ist, zum Himmel aufzusteigen. Ich, Kala [der Gott der Zeit], bin zu dir gekommen.

Mrityu sprach:

32. (7230.) Wisse mich, o Pflichtkundiger, als Mrityu (Tod) leibhaftig hier erschienen, um, von Kala (Zeit) aufgefordert, dich, o Brahmane, heute von hier abzuholen.

Adhyaya 199 (B. 199). 199

Der Brahmane sprach:

33. (7231.) Willkommen heifse ich den Sohn der Sonne und den hochherzigen Kala, den Mrityu und den Dharma! Was ist es, das ich fiir euch ausrichten soil?

Bhishma (der Erzahler) sprach:

34. (7232.) Nachdem er ihnen sodann dort bei der Zu- sammenkunft die Ehrengabe und das Fufswasser dargeboten hatte, sprach er hocherfreut: Was kann ich mit meinen Kraften fiir euch tun?

35. (7233.) Zu derselben Zeit geschah es, dafs der auf der Wallfahrt zu einem heiligen Badeplatze begriffene Ikshvaku dorthin kam, wo jene, o Herr, sich versammelt hatten.

36. (7234.) Nachdem der Konigsweise sie alle geehrt und sich vor ihnen verneigt hatte, richtete er, der Beste der Konige, an alle die Frage nach ihrem Wohlbefinden.

37. (7235.) Ihm hot sodann der Brahmane einen Sitz nebst Fufswasser und Ehrengabe, und nachdem er sich nach seinem Wohlbefinden erkundigt, sprach er zu ihm das Wort:

38. (7236.) Sei willkommen, o grofser Konig, sage, was du hier wiinschen magst! Was kann ich aus eigener Kraft fiir dich tun? Das mogest du, o Herr, mir mitteilen.

Der Konig sprach:

39. (7237.) Ich bin ein Konig und du ein Brahmane, und dieweil du ausdauernd bist in den sechs Werken [Opfern fiir sich und fiir andere, Lernen und Lehren, Geben und Empfangen], so mochte ich dir irgend etwas Riihmliches schenken; sage mir, was es sein soil.

Der Brahmane sprach:

40. (7238.) Von zweierlei Art sind die Brahmanen, o Konig, und von zweierlei Art ist auch die Pflicht, wie gelehrt wird. Es gibt Zugewandte und Abgewandte, ich bin vom Geschenk- empfangen abgewandt.

41. (7239.) Gib du die Geschenke denen, die ihnen zu- gewandt sind, o Mannerherr. Ich nehme keine Geschenke an, aber was wiinschest du, was kann ich dir geben?

200 ni. Mokshadharma.

(7240.) Sage du, o Bester der Fiirsten, was kann ich durch meine Askese fur dich erwirken?

Der Konig sprach:

42. (7241.) Ich bin ein Kshatriya, und das Wort „gib" kenne ich nicht. Wir, o Bester der Brahmanen, sagen nur: Gib uns einen Kampf!

Der Brahmane sprach:

43. (7242.) Du freust dich an deiner Pflicht und wir an der unserigen, o Fiirst; darin ist zwischen uns kein Unter- schied, so betreibe denn, was dir erwiinscht ist.

Der Konig sprach:

44. (7243.) Du hast vorher gesagt, dafs du mir nach eigener Kraft etwas geben wollest. Nun, so bitte ich dich, gib mir, o Brahmane, die Frucht deines Gebetsmurmelns.

Der Brahmane sprach:

45. (7244.) Du sagst ja selbst, dafs deine Rede immer nur verlangt nach Kampf; mit mir gibt es nichts zu kampfen; warum forderst du nun doch wieder etwas?

Der Konig sprach:

46. (7245.) Es heifst von den Brahmanen, dafs sie die Rede als Donnerkeil fiihren, wahrend die Kshatriya's von der Starke ihres Armes leben; und hier hat sich, o Brah- mane, ein scharfer Redekampf zwischen mir und dir ent- sponnen.

Der Brahmane sprach:

47. (7246.) Das war soeben mein Versprechen, so sage, was soil ich dir geben nach meinen Kraften; ich. will es dir geben, o Fiirst der Konige, wofern es in meiner Macht steht, ohne Verzug.

Der Konig sprach:

48. (7247.) Was jenes durch voile hundert Jahre von dir, dem Murmelnden, vollbrachte Murmeln ist, die Frucht, die

Adhyaya 199 (B. 199). 201

dir dafiir zukommt, die gib mir, wofern du anders willens bist, zu geben.

Der Brahmane sprach:

49. (7248.) So nimm von mir entgegen die hochste Frucht, die von mir ermurmelt worden ist, und empfange die Halfte der Frucht desselben ohne Bedenken.

50. (7249.) Oder du magst auch allenfalls, o Konig, die ganze Frucht meines Murmelns hinnehmen, wenn du sie ganz zu haben wiinschest.

Der Konig sprach:

51. (7250.) Es handelt sich um das Ganze mit Verlaub, als ich das Ermurmelte erbat. Lebewohl! ich gehe nun, aber sage mir, was ist die Frucht dessen, was, du mir ge- schenkt hast?

Der Brahmane sprach:

52. (7251.) Welche Frucht dafiir erlangt wird, das weifs ich nicht, aber ich habe dir gegeben, was ich ermurmelt habe ; hier Dharma, Kala, Tama und Mrityu sind des Zeugen.

Der Konig sprach:

53. (7252.) Wenn ich die Frucht dieser Observanz nicht kenne, was kann sie mir dann helfen. Wenn du mir nicht die Frucht deiner Observanz, die du im Murmeln libtest, nennen kannst, (7253.) dann soil der Brahmane die Frucht be- halten, ich mag nicht, was zweifelhaft ist.

Der Brahmane sprach:

54. (7254.) Ich nehme kein weiteres Reden an; ich habe die Frucht davon verschenkt, und mein Wort ist entscheidend, o Konigsweiser , fiir das, was heute zwischen mir und dir abgemacht worden ist.

55. (7255.) Bei meinem Murmeln habe ich niemals eine vorgefafste Absicht gehabt; wie soUte ich also, o Tiger unter den Konigen, die Frucht meines Murmelns kennen?

56. (7256.) Du hast nur gesagt: „gib mir", und ich habe gesagt: „ich will es dir geben"; mein Wort will ich nicht

202 III. Mokshadharina.

verleugnen, so bleibe auch du bei der Wahrheit und sei be- standig.

57. (7257.) Oder willst du das Wort, welches ich heute gesprochen habe, nicht wahr machen, dann wiirde es ein grofses Unrecht sein, welches du, o Konig, fahrlassiger- weise begehst.

58. (7258.) Es ziemt sich aber nicht fiir dich, eine fahr- lassige Eede zu fiihren, o Feindbezwinger, und andererseits •ist es auch mir unmoglich, meine Zusage Liigen zu strafen.

59. (7259.) Auch ist von mir ohne Bedenken versprochen worden, es zu geben; so nimm denn auch du es ohne Be- denken an, wenn du anders bei der Wahrheit bleiben willst.

60. (7260.) Du kamst ja doch hierher, o Konig, und er- batest die i'rucht meines Murmelns; ich habe sie dir iiber- lassen; so nimm sie denn an, bleibe auch du standhaft bei der Wahrheit.

61. (7261.) Fiir den ist nicht diese Welt und nicht die andere, der rettet nicht seine Vorfahren [vom Verderben] und noch weniger seine Nachkommen, welcher einer fahr- lassigen Rede huldigt.

62. (7262.) Ihn retten nicht die Friichte des Opfers und nicht Gabon, noch auch Selbstbezahmung; so gewifs, wie das in der andern Welt gilt, so gilt es auch hier, o Mannerstier.

63. (7263.) Mag einer Askesen betrieben haben, mag einer noch weiter Askesen betreiben wollen, durch diese, und waren es hundert oder hunderttausend, steht er nicht hoher als durch die Wahrheit.

64. (7264.) Die Wahrheit ist das eine unvergangliche Brahman, die Wahrheit ist die eine unvergangliche Askese, die Wahrheit ist das eine unvergangliche Opfer, die Wahr- heit ist die eine unvergangliche Schriftoffenbarung.

65. (7265.) Die Wahrheit halt Wache in den Veden, die Wahrheit bringt nach der Uberlieferung den hochsten Lohn, aus Wahrheit entspringen Gerechtigkeit und Bezahmung, in der Wahrheit ist das Weltall gegriindet.

66. (7266.) Wahrheit sind die Veden und Vedanga's, Wahr- heit sind die Upanishadlehren und die Ritualvorschriften,

Adhyaya 199 (B. 199). 203

Wahrheit ist der Wandel im Geliibde, und Wahrheit ist der heilige Laut Om.

67. (72G7.) Wahrheit ist die Erzeugung der Lebewesen, Wahrheit ist ihre Fortpflanzung, durch Wahrheit braust der Wind heran, durch Wahrheit gliiht die Sonne.

68. (7268.) Durch Wahrheit brennt das Feuer, auf Wahr- heit ist der Himmel gegriindet, Wahrheit sind Opfer, Askese, Veden, Singlaute, Spriiche und heilige Eede.

69. (7269.) Auf die Wage wurden gelegt die Gerechtigkeit und die Wahrheit, so ist uns erzahlt worden; sie halten sich das Gleichgewicht , aber auf Seiten der Wahrheit ist da& Ubergewicht.

70. (7270.) Woraus die Gerechtigkeit entspringt, daraus entspringt auch die Wahrheit, alles gedeiht durch die Wahr- heit; warum, o Konig, willst du unwahres Werk tun?

71. (7271.) Mache dein Gemiit fest in der Wahrheit, o Konig, tue nicht, was unwahr ist; warum willst du unedel sein und dein Wort „gib" unwahr machen?

72. (7272.) Wenn du die von mir geschenkte Frucht der Murmelung nicht annehmen wirst, o Fiirst, dann wirst du deinen Pflichten abtriinnig werden und so von Welt zu Welt umherirren.

73. (7273.) Wer verspricht und dann nicht geben will, und wer bittet und dann nicht annehmen will, diese sind beide unaufrichtig, wolle du nicht fahrlassig handeln.

Der Konig sprach:

74. (7274.) Man mufs kampfen und beschiitzen, darin be- steht ja doch die Pflicht des Kshatriya, o Brahmane; „Ge- bende" heifsen die Kshatriya's, wie kann ich von dir etwas annehmen !

Der Brahmane sprach:

75. (7275.) Ich verlange nicht dich giinstig zu stimmen, o Konig, ich habe nicht dein Haus aufgesucht, sondern du bist hierher gekommen und hast mich um etwas gebeten; wie kannst du es nun jetzt nicht annehmen wollen?

204 ni. Mokshadharma.

Dharma sprach:

76. (7276.) Kein Streit sei zwischen euch; wisset mich hierher gekommen als den Gott der Gerechtigkeit ; der Brah- mane ist gebunden durch das Geben und seine Friichte, der Konig durch die Wahrheit und ihre Fruclit.

Der Himmel sprach:

77. (7277.) Ich, der Himmel, bin leibhaftig hierher ge- kommen, das soUst du wissen, o Fiirst der Konige, kein Streit sei zwischen euch, ihr habt beide gleiche Friichte [zu erwarten].

Der Konig sprach:

78. (7278.) Ich habe mit dem Himmel nichts zu schaffen, gehe bin, o Himmel, wie du gekommen bist; will aber der Brahmane [in den Himmel] gehen, so kann er von der von mir erworbenen Frucht Gebrauch machen.

Der Brahmane sprach:

79. (7279.) Wenn auch in der Kindheit von mir aus Un- wissenheit die Hand ausgestreckt wurde [um zu nehmen], so betreibe ich doch jetzt, wenn ich meine Samhita murmle, eine Pflicht, bei der dies Merkmal [der Hoffnung auf Lohn] wegfallt,

80. (7280.) und mich, der ich schon seit lange [von der Hoffnung auf Lohn] abgewandt bin, wie kannst du, o Konig, mich wiederum zu einem Begehrlichen machen woUen! Aus eigenem Antriebe werde ich tun, was ich zu tun habe, ich mag nicht eine Frucht von dir iibernehmen, o Konig.

81. (7281.) Ich befleifsige mich der Askese und des Stu- diums und bin dem Nehmen von Geschenken abgeneigt.

Der Konig sprach:

(7282.) Wenn doch einmal die hochste Frucht der Murme- lung von dir weggegeben ist, so schlage ich vor, dafs alles, was an Frucht uns beiden angehort, uns beiden gemein- schaftlich gehoren soil.

82. (7283.) Die Brahmanen haben ja den Beruf, Geschenke

Adhyaya 199 (B. 199). 205

anzunehmen, aber wer aus einer Konigsfamilie stammt, der ist ein Gebender. Wenn du, o Brahmane, im Veda gelernt hast, was Recht ist, so sei damit einverstanden , dafs die Frucht uns beiden gemeinschaftlich gehort.

83. (7284.) Oder wenn du nicht willst, dafs wir sie beide gemeinschaftlich genief sen , so nimm du meine Frucht an und eigne dir das von mir verdiente Gute an, wenn du mir eine Gunst erweisen willst.

Bhishma (der Erzahler) sprach:

84. (7285.) Da geschah es, dafs zwei Manner von mifs- gestaltetem Aussehen herankamen, sich anfassend und in schlechte Lumpen gehiillt, und zueinander sprachen.

85. (7286.) Der eine sprach : Du bist es mir nicht schuldig ; der andere sprach: Ich bin es dir doch schuldig; dariiber streiten wir uns, aber hier der Konig soil Schiedsrichter sein.

86. (7287.) Ich sage die Wahrheit, du schuldest mir nichts, 0 Herr. Du sagst nicht die Wahrheit, ich bin es dir wohl schuldig.

87. (7288.) So erhitzten sich beide sehr und sprachen zum Konige: Entscheide du (lies parihsha)^ damit wir nicht hier als zwei Bescholtene dastehen (lies sydva).

Der Unformige sprach:

88. (7289.) Ich bin dem Mifsgestalteten hier, o Tiger unter den Mannern, den Lohn fiir eine Kuh schuldig, ich will ihn ihm geben, und der Mifsgestaltete will ihn nicht von mir annehmen, o Erdeherr.

Der Mifsgestaltete sprach:

89. (7290.) Der Unformige hier ist mir durchaus nichts schuldig, o Mannerherr, er redet zu dir, was falsch ist und nur den Schein der Wahrheit hat, o Mannerherr.

Der Konig sprach:

90. (7291.) Unformiger! was schuldest du ihm denn? das mogest du mir sagen. Nachdem ich es gehort habe, werde ich dementsprechend entscheiden, das ist bei mir beschlossen.

206 in. Mokshadharma.

Der Unformige sprach :

91. (7292.) Hore es mit Aufmerksamkeit, o Konig, wie ich -es dem Mifsgestalteten da schuldig geworden bin, o Konigs- weiser, hore es ausfiihrlich, o Mannerherr.

92. (7293.) Um von diesem das Gesetz zu erlernen, hatte ich, 0 Untadehger, eine schone Milchkuh ihm, dem Brah- manen, geschenkt, o Konigsweiser, ihm, welcher der Askese und des Vedastudiums beflissen war.

93. (7294.) Und auch das durch ihre Schenkung erworhene religiose Verdienst erhalt er von mir, freilich ohne gefragt zu sein [ob er es annehmen wolle], Und der Mifsgestaltete hat doch mir [die Belehrung] gegeben aus reinem Herzen!

94. (7295.) Darum habe ich, um auch meinerseits rein da- zustehen, eine weitere gute Tat getan ; ich habe namhch zwei rotbraune, ihre Kalber liebende, reichlich milchende Kiihe gekauft,

95. (7296.) und die sind von mir diesem Ahrenleser (armen Schlucker) iiberlassen worden. Da namhch von ihm jenes [die Belehrung] vorschriftsmafsig und glaubenstreu [geleistet worden war], so will ich hingegen, o Herr,

96. (7297.) der ich sie angenommen habe, dafiir heute ihm eine zweifache Frucht schenken. So mufs es doch sein, o Tiger unter den Mannern ! Wer ist hier nun unschuldig und wer ist schuldig?

97. (7298.) Um diese Sache sind wir in Streit und haben uns zu dir hierher begeben; du magst nun in deiner Ent- scheidung gerecht oder ungerecht verfahren, jedenfalls bringe uns in Ordnung.

98. (7299.) Und wenn er meine Gabe nicht annehmen will, wie sie von dem hier [von mir] gegeben worden ist, so wirst du, o Herr, hier, der du charakterfest hist, uns beide auf den richtigen Weg leiten.

Der Konig sprach :

99. (7300.) Warum willst du, Mifsgestalteter , nicht an- nehmen, was dir gegeben und geschuldet wurde; da es dir -zuerkannt worden ist, so nimm es an und ohne Zogern.

Adhyaya 199 (B. 199). 207

Der Mifsgestaltete sprach:

100. (7301.) Jener behauptet mir etwas schuldig zu sein, ich aber habe gesagt, ioh wolle es [die Belehrung] ihm geben, folglich ist er mir jetzt nichts schuldig und mag gehen, wo- hin er will.

Der Konig sprach:

101. (7302.) Wenn jener dir etwas gibt und du es niclit annimmst, so scheint mir das unbillig; fiir strafbar halte ich dich, dariiber ist gar kein Zweifel.

Der Mifsgestaltete sprach:

102. (7303.) Was ich ihm, o Konig, gegeben habe, wie kann ich das wieder annehmen ? Gesetzt aber ich bin im Un- rechte, so magst du, o Herr, eine Strafe gegen mich erkennen.

Der Unformige sprach:

103. (7304.) Wenn du auf keine Weise dazu zu bringen bist, anzunehmen, was ich dir gebe, so wird dich der Konig hier dazu zwingen, welcher ein Schiedsrichter ist iiber das Recht.

Der Mifsgestaltete sprach:

104. (7305.) Wie kann ich das Gut, welches ich, darum gebeten, gab, wieder an mich nehmen? Gehe hin, Unformi- ger, ich beurlaube dich.

Der Brahmane sprach:

105. (7306.) Du hast gehort, o Konig, was diese beiden gesprochen haben, darum mufst auch du das, was ich dir versprochen habe [die Frucht der Murmelung], ohne Bedenken annehmen.

Der Konig sprach:

106. (7307.) Da die erwahnte grofse Streitsache dieser beiden schwer zu ergriinden ist, wie kann fiir dich als Murmler eine Bestatigung daraus entnommen werden?

107. (7308.) Wenn ich freilich nicht annehmen will, was ein Brahmane mir gibt, so werde ich nicht umhin konnen, mich mit einem grofsen Unrecht zu beflecken.

208 in. Mokshadharma.

108. (7309.) Sodann sprach der Konigsweise zu jenen beiden : Ihr werdet weggehen, nachdem euer Streit entschieden ist. Da ihr mich hier jetzt angegangen habt, so darf die Konigspflicht nicht vernachlassigt werden.

109. (7310.) Die Konige miissen die ihnen obliegende Pflicht wahrnehmen, daran ist kein Zweifel. Ich war nicht bei mir selbst, als die schwer zu verstehende Pflicht der Brahmanen mich liberkam [so dafs ich ein Geschenk annahm].

Der Brahmane sprach:

110. (7311.) Nimm es an, ich bin es dir schuldig; du hast es erbeten und ich habe es dir zugesprochen , und wenn du es nicht annimmst, o Konig, so werde ich dich verfluchen, das steht fest.

Der Konig sprach:

111. (7312.) Wehe iiber die Konigspflicht, welcher diese Entscheidung des Rechtshandels hier obliegt, und die ich um dieser Sache willen ausiiben mufs, indem ich mich frage, wie kann es etwas gleich Schweres geben?

112. (7313.) Noch nie habe ich friiher diese meine Hand ausgestreckt, um etwas hineinzulegen , aber nunmehr gebe ich zu, o Brahmane, dafs du mir das, was du mir schuldig bist, geben magst.

Der Brahmane sprach:

113. (7314.) Alle Tugend, soviel ihrer ist, die von mir durch das Murmeln der Samhita erworben wurde, das alles nimm von mir an, wenn ich liberhaupt irgend etwas habe.

Der Konig sprach:

114. (7315.) Genug (Hes alam), dies ist, o Brahmane, in meine Hand gelangt, so moge es bilhg sein, dafs es.uns ge- meinschafthch gehore, das kannst du, o Herr, annehmen.

Der Unformige sprach:

115. (7316.) Wisse, dafs wir beiden Biegierde und Zorn sind, die wir dich in Aufregung versetzt haben ; da du aber

Adhyaya 199 (B. 199). 209

das Wort „gemeinschaftlich" ausgesprochen hast, so sollen die gleichen Welten dir und ihm gehoren,

116. (7317.) Jener ist dir nichts schuldig, sondern du bist nur auf die Probe gestellt worden. Hier sind Kala, Dharma und Mrityu, ferner Begierde und Zorn, und endlich ihr beiden [zu diesem Zwecke versammelt].

117. (7318.) Dir, der du alles nach seinem gegenseitigen inneren Wesen gepriift hast, [kommen sie zu,] so gehe denn ein in die Welten, die du durch dein Tun verdient hast, so- fern du willst.

Bhishma (der Erzahler) sprach :

118. (7319.) Die Frucht, welche die Murmler erlangen, die habe ich dir aufgezeigt und das Ziel, den Ort und die Welten, wie sie von dem Murmler errungen werden.

119. (7320.) Wer die Samhita studiert, der geht ein zu dem hochsten Gott Brahman, oder er gelangt zu Agni, oder auch er geht ein in die Sonne.

120. (7321.) Und wenn er sich bei ihnen einer lichtartigen Natur erfreut, so erwirbt er sich ihre Qualitaten, von Liebe zu ihnen geblendet.

121. (7322.) Und ebenso wenn er im Monde und im Winde in einen erdigen oder atherischen Leib eingeht, wohnt er bei ihnen voU Liebe und bewegt sich in ihren Qualitaten.

122. (7323.) Oder wenn er bei ihnen von Liebe sich be- freiend ins Zweifeln kommt und nach dem Hochsten, Unver- ganglichen verlangt, so geht er weiter zu diesem ein.

123. (7324.) Und von Unsterblichkeit zu Unsterblichkeit gelangend, beruhigt geworden und selbstlos, zu Brahman ge- worden und frei von Zweiheit ist er selig, beruhigt und ohne Leid.

124. (7325.) Dann geht er ein zu der Brahmanstatte, von der keine Wiederkehr ist, zu der einen, die das Unvergangliche heifst, zu dem schmerzlosen, alterlosen und beruhigten Orte.

125. (7326.) Zu dem von den vier Merkmalen [den vier Erkenntnisnormen] freien, sowie von den sechs [Schwachen] und von den sechzehn (Sechzig Upanishad's S. 571) freien Purusha emporsteigend (hes adhihramya) , gelangt er in den Ather.

Beussek, Mab&bh&ratam. 14

210 in. Mokshadharma.

126. (7327.) Oder wenn er von Liebe erfiillt, es nicht will, so wird er Herrscher iiber dieses Wei tall, und was er be- gehrt, das erlangt er durch seinen Willen.

127. (7328.) Oder wenn er hinblickt auf die Welten alle, welche HoUen heifsen, so kann er sich auch. in ihnen frei von Verlangen und von allem losgebunden erfreuen.

128. (7329.) Damit habe ich dir, o grofser Konig, das Ziel des Murmlers, wie es ist, vollstandig erklart; was wiinschest du noch weiter zu horen?

So lautet im Mokshadharma die Erzahlung vom Murmler

(jdpaka - updkhydnam).

Adhyaya 300 (B. 300).

Vers 7330-7364 (B. 1-34).

Yudhishthira sprach:

1. (7330.) Was taten damals weiter nach der Beendigung dieser Unterredung die beiden, der Brahmane und auch der Konig? Das sage mir, o Grofsvater.

2. (7331.) Oder, nachdem jene beiden dort zusammen- gekommen waren, wie du erzahlt hast, was folgte darauf etwa fiir eine Unterredung dieser beiden, oder was haben sie sonst getan?

Bhishma sprach:

3. (7332.) Nachdem er mit dem Worte: „so sei es" zu- gestimmt [Vers 73i8] und den Dharma, so wie auch, o Herr, den Yama, Kala, Mrityu und Svarga, diese Wiirdigen, verehrt hatte,

4. (7333.) nachdem er auch die andern Brahmanenstiere, welche dort zusammengekommen waren, vorher alle durch Neigen des Hauptes verehrt hatte, sprach dieser Zwiegeborene zu dem Konige wie folgt:

5. (7334.) 0 Konigsweiser, nunmehr mit jener Frucht aus- gestattet, gehe du ein in die Hochstheit, ich aber, von dir entlassen, will weiter fortmurmeln.

6. (7335.) Denn schon vordem wurde mir dieser Wunsch

Adhydya 200 (B. 200). 211

von der Gottin gewahrt [oben Vers 7208 fg.] , o Hochmach- tiger, indem sie, o Herr des Volkes, sprach: „Moge der Glauben an dein Murmeln dir immer treu bleiben."

Der K5nig sprach:

7. (7336.) Wenn auch in dieser Weise [durch Ubertragung der Frucht an mich] deine VoUendung der Frucht beraubt wurde und der Glaube an das Murmeln in dir fortbesteht, so komme, o Priester, und erlange mit mir die Frucht fur dein Murmeln.

Der Brahmane sprach:

8. (7337.) Grofse Anstrengung ist [von uns beiden] ge- macht worden in Gegenwart von jenen alien; zusammen, gleichen Teil an der Frucht habend, gehen wir beiden nun- mehr dahin, wohin unser Weg uns fiihrt.

[Bhishma sprach:]

9. (7338.) Als der Herr der dreifsig [Gotter] den Ent- schlufs dieser beiden erkannte, da kam er mit den welt- hiitenden Gottern herbei, sowie ferner auch

10. (7339.) die Seligen, die Vigve Devah, die Marut's und machtig grofse Musikinstrumente, sowie die Fliisse, die Berge, die Meere und mancherlei heilige Orte,

11. (7340.) ferner die Askesen und die Lehre der Verbin- dung [von Gott und Seele], die Veden, die Lobgesange, die Savasvati [Gottin der Rede], Narada und Parvata, [die Gandharven] Vigvavasu, Haha und Huhu,

12. (7341.) sowie der Gandharva Citrasena nebst den Scharen seiner Umgebung, auch die Schlangen, die Vollende- ten, die Muni's, der Gottergott, Prajapati,

13. (7342.) Vishnu und der unausdenkbare, tausendkopfige Gott [der Purusha, Rigveda 10,90] kam herbei. Dabei liefsen sich horen im Luftraume Pauken und sonstige Musikinstru- mente, o Herr.

14. (7343.) Es erfolgten daselbst himmlische Blumenregen von diesen Hochherzigen her, es tanzten Scharen von Apsaras hier und dort iiberall.

14*

212 ni. Mokshadharma.

15. (7344.) Da sprach in korperlicher Gestalt Svarga (der Himmel) zu dem Brahmanen das folgende Wort: du bist ein AUvoUendeter, Hochbegliickter , und auch du, o Konig, bist ebenso ein Vollendeter.

16. (7345.) Darauf, o Konig, bewirkten jene beiden in einer sich einander unterstiitzenden Weise das Abtun der Sinnen- dinge von sich beiderseits.

17. (7346.) Und nachdem die beiden ihren Prana, Apana, Udana, Samana und Vyana in dieser Weise in ihrem Manas zum Stillstand gebracht hatten, versenkten sie ihr Manas in ihren beiderseitigen [zentralen] Lebenshauch [den Mukhya- prana],

18. (7347.) Und nachdem sie diesen zur Fixierung gebracht hatten an der Nasenwurzel unterhalb der Augenbrauen, hielten sie ihn durch Zusammenziehung der Augenbrauen mitsamt dem Manas daselbst fest.

19. (7348.) Mit unbeweghchen Korpern und festem Blicke in Meditation versunken und sich selbst iiberwunden habend, verlegten die beiden ihren Atman in das Haupt.

20. (7349.) Da spaltete er [der Atman] die Gaumengegend des hochsinnigen Brahmanen und ging als eine machtige Lichtflamme zum Himmel empor.

21. (7350.) Ringsumher aber erhob sich ein allgemeiner Ausruf der Bewunderung „haha" !, und jenes Licht, von Lob- gesangen begleitet, ging ein zum Gotte Brahman.

22. (7351.) Da sprach der Urvater zu jenem Lichte: sei willkommen!, indem er ihm, dem spannegrofsen Purusha [Sechzig Upanishad's S. 144 fg.], entgegen ging, o Volkerherr.

23. (7352.) Und weiter sprach er noch das liebliche Wort : Gleiche Frucht haben die Gebetsmurmler mit den Yoga- iibenden, daran ist kein Zweifel.

24. (7353.) Was den Yoga betrifft, so hegt vor aller Augen die Erkenntnis der Frucht fiir jene, die ihn iiben; den Ge- betsmurmlern aber sei noch als eine besondere Auszeichnung das Emporsteigen [zu mir] beschieden.

25. (7354.) So nimm denn in mir Wohnung! So sprach er iind belehrte ihn des weiteren fort und fort. Da ging in seinen Mund hinein der von Leid befreite Brahmane.

Adhyaya 200 (B. 200). 213

26. (7355.J Und auch der Konig ging auf diese Weise ebenso wie der Brahmanentiger in den heiligen Urvater ein.

27. (7356.) Darauf begriifsten die Gotter den durch sich selbst Seienden und sprachen : Den Gebetsmurmlern aber sei noch als eine besondere Auszeichnung das Emporsteigen fzu dirj beschieden.

28. (7357.) Um der Gebetsmurmler willen geschah diese Bemiihung, dafs wir hierher gekommen sind; beide [die Murmler und die Yogin's] verehren dich gleichmafsig, beide empfangen von dir die gleiche Frucht.

29. (7358.) Heute fiirwahr tritt es zutage, dafs der Yoga- Ubende und der Gebetsmurmler eine grofse Frucht ernten; alle Welten iiberschreitend diirfen sie wandern, wo es ihnen beliebt.

Der Gott Brahman sprach:

30. (7359.) Auch der, welcher die Mahasmriti, und der, welcher die schone Anusmriti studiert [nach Nil. die Sarnhitti und die sechs Vedaiiga's, vielleicht ist die Rezitation und kiinftige Rezitation unserer Stelle gemeint], auch diese beiden mogen zu der Weltgemeinschaft mit mir eingehen.

31. (73G0.) Und wer dem Yoga ergeben ist, auch von dem gilt es, daran ist kein Zweifel ; auf dieselbe Weise wird auch er nach dem Ende des Leibes meine Welten erlangen. (736i.) Ich breche auf, und auch ihr moget hingehen an euren Ort zum gliicklichen Gelingen.

Bhishma sprach:

32. (7362.) So sprach der Gott und verschwand, und auch die Gotter griifsten sich und gingen ein jeder in seine Wohnstatte.

33. (7363.) Und auch alle die anderen Hochherzigen, nach- dem sie ihrer Pflicht ehrenvoll geniigt batten, gingen hinter ihnen her, o Konig, alle mit hocherfreutem Geiste.

34. (7364.) So steht es mit der Frucht der Gebetsmurmler und das ist der Weg, der ihnen verkiindigt worden ist der Schrift gemafs, o grofser Konig! Was wiinschest du nun weiter zu horen?

So lautet im Mokshadharma die Erzahlung vom Murmler (jdpaka - updkhydnam).

214 ni. Mokshadharma.

Adhyaya 301 (B. 301).

Vers 7365-7393 (B. 1-27).

Yudhishthira sprach:

1. (7365.) Was ist die Frucht der Hingebung an die Er- kenntnis, der Veden und der Bezahmung, und wie ist der Bhutatman (die empirische Seele) erkennbar? Das sage mir, o Grofsvater.

Bhishma sprach:

2. (7366.) Auch dariiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich die Unterredung zwischen Manu, dem Vater der Geschopfe, und dem grofsen Rishi Brihaspati.

3. (7367.) Dem Prajapati, dem Oberherrn der Geschopfe, stellte der Vorziiglichste in der Schar der Gotterweisen, der grofse Weise Brihaspati, folgende Frage in der Vor- zeit, indem er sich als Schiiler vor ihm als Lehrer ver- neigte.

4. (7368.) Was die Weltursache ist, von wo die Opfer- satzung ausging, und welche Frucht die Weisen der Er- kenntnis zuschreiben, sowie was durch den Wortlaut der Hymnen nicht zum Verstandnis gebracht worden ist, das sage mir, o Heiliger, wie es ist.

5. (7369.) Was von den Kennern der Klugheitsregeln, der heihgen Uberheferung und der Mantra's als die durch mancherlei Opfer und Schenken von Kiihen zu erlangende Frucht [verheifsen], und was als solche von jenen Grofsen geschatzt wird, was ist das und wie wird es oder wo sich verwirklichen ?

6. (7370.) Woher entstanden sind die Erde, die Erd- geborenen, der Wind, der Luftraum, die Wasserbewohner und das Wasser, sowie der EQmmel und die Himmels- bewohner? Diese alte Lehre telle mir mit, o Heiliger.

7. (7371.) Die Quelle, aus der der Mensch das Wissen zu gewinnen sucht, aus dieser entspringt auch die auf den Zweck des Wissens gerichtete Betatigung. Ich aber kenne dieses hochste Urspriingliche nicht und weifs nicht, ob ich einen irrtiimlichen Weg der Betatigung einschlage.

Adhyaya 201 (B. 201). 215

8. (7372.) Obgleich ich die Sammlung der Kic's und Saman's, sowie die Yajus, die Metren, den Gang der Ge- stirne und die Worterklarung studiert habe, nebst Gram-

matik, Ritual und Lautlehre, so kenne ich doch nicht

den Ursprung der Wesen.

9. (7373.) Das alles mogest du mir, o Herr, erklaren mit allgemeinen Worten und in seinen Besonderheiten, das also mogest du mir, o Herr, darlegen, und welche Frucht aus der Erkenntnis oder aus den Werken ent- springt,

10. (7374.) und wie die Seele aus dem Korper heraus- fahrt, und wie sie wieder in einen neuen Korper eingeht.

Manu sprach: (7375.) Alles, was einem lieb ist, das nennt man Lust, und Schmerz wird das Unerwiinschte benannt;

11. und „das Erwiinschte moge mir zuteil werden, das andere moge mir fern bleiben", diesem Wunsche zuliebe ist die Werkvorschrift gegeben worden. (7376.) Aber „das Erwiinschte und das Unerwiinschte moge mir beides nicht zuteil werden", wer so denkt, dem zuliebe ist die Erkenntnisvorschrift gegeben worden.

12. Die wunschbehafteten Hingebungen an das Werk werden im Veda gelehrt; nur wer von ihnen sich frei gemacht hat, erlangt das Hochste ; (7377.) aber der Mensch, der nach Lust begehrend auf dem mannigfaltigen Pfad der Werke dahinwandelt, der fahrt zur Holle.

Brihaspati sprach: (7378.) Also Erwiinschtes und Unerwiinschtes , Lust und Schmerz, der auf diese gerichtete Wunsch schwebt dem Menschen vor, wenn er Werke vollbringt?

Manu sprach:

13. (7379.) Nur wer von ihnen sich frei gemacht hat, ist in das Hochste eingegangen; um jener willen aber ist die Werkvorschrift gegeben worden; den Wunsch- haften gefallt die Hingebung an die Werke; wer von

216 III. Mokshadharma.

ihnen sich frei gemacht hat, der ergreift damit das Hochste.

14. (7380.) Entflammt durch Werke, die ihn selbst und anderes zum Ziele haben, bewegt sich der nach Lust Strebende glanzend in der Pflicht ; aber als ein von dem Pfade der Werke Fernliegendes erlangt man das wunsch- lose hochste Brahman.

15. (7381.) Die Wesen sind erschaffen durch den Wunsch fmanasj und durch das Werk, und diese beiden sind als "die guten Wege bei den Leuten beliebt; das Werk scheint ihnen teils ewig, teils verganglich zu sein, aber nur das Aufgeben der Wiinsche ist die Ursache zur [Erreichung des Ewigen], und eine andere gibt es nicht.

16. (7382.) Vermoge seines eigenen Atman [sieht er], wenn sein Atman nicht mehr von Finsternis umhiillt ist, so wie das Auge der Fiihrer ist, wenn die Nacht weicht ; sein Wissen aber ist mit der Tugend des Erkennens aus- gestattet, und er sieht, dafs das Werk unschon und zu vermeiden ist.

17. (7383.) Schlangen, scharfe Grasspitzen und Brunnen- locher meiden die Menschen, wenn sie sie erkannt haben ; aber aus Unkenntnis geraten manche in sie hinein ; siehe, welch ausgezeichnete Frucht in dem Erkennen liegt!

18. (7384.) Aber der vollstandige und vorschriftsmafsig verwendete Hymnus, ferner die vorgeschriebenen Opfer und der dabei gespendete Opferlohn, das Spenden von Nahrung und die Meditation des Geistes, funffach, so sagen sie, ist das Werk und seine Frucht.

19. (7385.) Tugendhaft ist das Werk, wie die Veden sagen, um seinetwillen ist der Hymnus da, den das Werk voraussetzt, ist die Vorschrift da, das Vorgeschriebene und seine Erfassung mit dem Verstande, aber bei allem dem ist der verkorperte Atman der, welcher die Frucht geniefst.

20. (7386.) Tone, Gestalten und schone Geschmacks- empfindungen , schone Beriihrungen und Geriiche, iiber

Adhyaya 201 (B. 201). 217

diese ist ein Mensch" Herr, auch elie er zum Orte [der Vergeltung] gelangt ist, denn eine derartige Frucht wird ihm sicher zuteil in der durch seine Werke verdienten Welt.

21. (7387.) Alle Werke, die einer mit seinem Korper vollbringt, deren Frucht erlangt er, indem er wieder mit einem Korper verbunden wird; nur der Korper ist der Tummelplatz der Lust, und auch des Schmerzes Tummel- platz ist nur der Korper.

22. (7388.) Alle Werke, die einer mit seiner Rede voll- bringt, deren Frucht erlangt er durch die Rede; und alle Werke, die einer durch sein Manas vollbringt, deren Frucht erlangt einer, indem er mit einem Manas ver- bunden ist.

23. (7389.) Je nachdem einer die Qualitat der Werke betreibt, nach ihrer Frucht begehrend und auf die Frucht der Werke versessen, dementsprechend wird er mit dieser Qualitat verkniipft und geniefst die gute oder schlechte Frucht seines Werkes.

24. (7390.) Wie ein Fisch der Stromung nachfolgt, so folgt der Mensch dem von ihm vorher begangenen Werke nach; aber nur an dem guten Werke erlebt er Freude, aber keine Freude erlebt an der Ubeltat die erhabene Seele.

25. (7391.) Nachdem du erfahren hast, woher diese ganze Lebewelt entsprungen ist, und woran Selbst- bewufste vorbeigehen, so mogest du auch das, was durch den Wortlaut der Hymnen nicht zum Verstandnis ge- bracht worden ist, dieses, was das Hochste ist, ver- nehmen von mir, der ich es dir sage.

26. (739-2.) Das von Geschmack und den mancherlei Geriichen Freie, das Tonlose, Unberiihrbare, Unsichtbare, Ungreifbare, Unoffenbare, Farblose, Eine, dieses hat die fiinf Arten der Geschopfe erschaffen.

27. (7393.) Was nicht Weib, noch Mann, noch auch ein Neutrum ist, nicht seiend, noch auch nichtseiend und auch nicht seiend und nichtseiend zugleich, was die

218 ni. Mokshadharma.

tl

brahmanwissenden Menschen scliauen, dieses Unvergang- liche vergeht nicht, das soUst du merken.

So lautet im Mokshadbarma die UnterTedang zwischen Manu und Bribaspati (Manu - BrUiaspati - samvdda).

Aclhyaya 203 (B. 302).

Vers 7394-7416 (B. 1-23).

Manu sprach:- 1. (7394.) Aus dem Unverganglichen ist der Ather ent- standen, aus diesem der Wind, aus diesem das Feuer, aus diesem das Wasser, aus dem Wasser die Erde, auf der Erde entsteht die Welt der Lebenden.

2. (7395.) Aus diesen Leibern in das Wasser iiber- gehend und aus dem Wasser zu Feuer, Wind, Ather ge- worden, kehren jene, welche das [wahre] Wesen besitzen, nicht aus dem Ather zuriick, sondern erlangen die hochste Erlosung.

3. (7396.) Nicht warm ist es und nicht kalt, nicht weich, noch hart, nicht sauer, herb, siifs oder bitter, nicht horbar, nicht riechbar und nicht sichtbar ist jene hochste Wesenheit.

4. (7397.) Es kennt der Leib das Gefiihl, die Zunge den Geschmack, die Nase die Geriiche, es kennen die Ohren die Tone und das Auge die Gestalten, nicht aber erfassen jenes Hochste die Menschen, welche nicht den hochsten Atman kennen.

5. (7398.) Abkehrend den Geschmackssinn von den Ge- schmacken, die Nase vom Geruch, die Ohren von dem Tone, die Haut von der Beriihrung und das Auge von der Eigenschaft der Sichtbarkeit, schaut man das Hochste, die eigene Selbstwesenheit.

6. (7399.) Dasjenige aber, durch welches ergreifend man etwas tut, dasjenige, in welchem man diese Tatig- keit anhebt, dasjenige, in welchem und durch welches einer zum Tater von etwas wird, was die Ursache ist, das erkennen jene Weisen als ein [blofses] Aggregat.

Adhyaya 202 (B. 202). 219

7. (7400.) Aber dasjenige, was alldurchdringend und allvollbringend ist, was von Liedern [wie Brahmabindu- Up. 12, nach Nil.] gefeiert in der Welt bestehen bleibt, was die Allursache ist und als hochste Seele wirkend,. das ist es, was verschieden ist von dem, was Ursache und Wirkung heifst.

8. (7401.) Denn so wie ein Mensch durch seine eigenen [lies sva] Werke Gutes und Schlimmes unfehlbar er- langt, so wird in guten und schlimmen Verkorpeningen vermoge der aus den eigenen Werken entspringenden Trucht die Wissenschaft [von dem Hochsten] gebunden (latent).

9. (7402.) Wie eine vorher angeziindete Fackel, indem sie leuchtet, dem, was sie nicht ist, Sichtbarkeit verleiht,. so streben hier die in den Fackeln der fiinf Sinne sich verzweigenden Baume, wenn sie von der Erkenntnis ent- ziindet werden, nach dem Hochsten bin.

10. (7403.) Und wie von einem Konige beauftragt die vielen Minister seine Autoritat im einzelnen zum Aus- druck bringen, so sind in den L^eibern fiinf einzelne Richtungen der Erkenntnis vorhanden, aber Er ist ihr Oberherr.

11. (7404.) Wie die Flammen des Feuers, wie die Stofse des Windes, wie die Strahlen der Sonne und die Wasser der Strome bin und her wogend gehen und kommen, so steht es auch mit den Korpern der Verkorperten.

12. (7405.) Und wie einer, der die Axt ergriffen hat, nicht den Ranch und das Feuer sieht, die in dem [zu spaltenden] Holze verborgen schlummern, so kann einer den Leib mit Bauch, Handen und Fiifsen zerschneiden und sieht doch nicht das, was von dem allem verschie- den ist.

13. (7406.) Wie aber einer, der eben jene Holzscheite aneinander reibt, durch ihre Verbindung den Ranch und das Feuer zu sehen bekommt, so sieht der Verstandige,. zugleich mit Sinnen und Geist Behaftete, als ein Er- weckter [lies budhah mit C] das Hochste, namlich jene seine eigene Wesenheit.

220 III. Mokshadharma.

14. (7407.) Und wie man etwa im Traume den eigenen Leib auf die Erde herabgestiirzt sieht als verschieden von dem, was man in Wirklichkeit ist, so geht der mit den Sinnesorganen, mit Manas und mit Buddhi Behaftete [beim Tode] aus dem einen Liiigam (hier gleich Korper) in ein anderes Liiigam iiber.

15. (7408.) Durch die Zufalligkeiten, Entstehen, Wachs- tum und Vergehen wird jener hochste Verkorperte nicht betroffen, sondern wandert unsichtbar aus einem Lingam in ein anderes Lingam vermoge der Behaftung mit der Frucht der Werke.

IG. (7409.) Nicht mit dem Auge sieht man die Gestalt des Atman, und nicht gelangt man irgendwie dazu, ihn zu beriihren, auch ist er es nicht, der durch jene fOrgane] eine Wirkung vollbringt; sie konnen ihn nicht sehen, wohl aber sieht er sie.

17. (7410.) So wie in der Nahe eines flammenden Feuers irgendeiner [z. B. ein Eisenklumpen nach Nil.] die aus der Glut herriihrende Erscheinungsform annimmt, aber aufser ihr keine andere Beschaffenheit der Gestalt zu- gleich mit iibernimmt, so wird an einem Menschen nur die eine Erscheinungsform [namlich die Geistigkeit, caitanyam] desselben [des Atman] sichtbar [nicht aber Allwissen- heit, Allgegenwart usw., vgl, auch Maitr. Up. 3,3; Sechzig Upanishad's S. 324].

18. (7411.) Und so geht auch der Mensch, nachdem er den Leib verlassen hat, unsichtbar in eine andere Korperlichkeit ein; und indem er seinen Leib in den grofsen Elementen zuriicklafst, so iibernimmt er dann eine [neue] auf jenen [den grofsen Elementen] beruhende Erscheinungsform.

19. (7412.) Sodann geht der Leibtrager (die Seele) ein in die von alien Seiten zusammengebrachten Ather, Wind, Feuer, Wasser und Erde, und die Sinnesorgane wie Ohren usw., mit ihrer betreffenden Aufgabe sich be- fassend, von vielen Seiten unterstutzt, nehmen ihre fiinf Qualitaten an.

20. (7413.) Das Ohr iibernimmt sie aus dem Ather, der

Adhyaya 202 (B. 202). 22^1

Geruchsinn aus' der Erde, feuerartig ist sodann die Sicht- barkeit wie auch die Verdauung; die auf das Wasser sich stiitzende Energie wird sodann Geschmack [lies rasah mit C] genannt , und windartig ist die Qualitat, die sich zum Gefiihl gestaltet.

21. (7414.) In den grofsen Elementen wohnen die fiinf [Qualitaten] und ebenso wohnen sie als die Zwecke der fiinf Sinnesorgane in den Sinnesorganen. Diese alle aber folgen dem Manas nach, das Manas wiederum der Buddhi und die Mati (Buddhi) der Selbstnatur (svabhdvaj.

22. (7415.) "Was an guten oder bosen Werken oder sonstwie getan worden ist, das nimmt er auf in seinen Leib; dem Manas folgen nach die hohen und die niedri- gen Taten, wie die Wassertiere dem Strome in seinem Laufe.

23. (7416.) So wie das fliichtig Voriibergehende in den Gesichtskreis des Blickes eintritt, und wie ein Grofs- gestalteter als klein erscheint, und wie man seine eigene Wesenheit [im Spiegel] als Gestalt erschaut, so geht das Hochste in den Gesichtskreis der Buddhi ein.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Manu und Brihaspat

(Manu - Bnhaspati- samvdda).

Adhyaya ^03 (B. 303).

Vers 7417-7439 (B. 1-23).

Manu sprach :

1. (7417.) Aber dasjenige, was, zunachst von den Sinnes- organen umhiillt, die ihm angehefteten Guna's lange Zeit in der Erinnerung nicht los werden kann, dieses, nam- lich die hochste Selbstwesenheit , erscheint weiterhin, nachdem die Sinnesorgane gehemmt sind, in der Gestalt der Buddhi.

2. (7418.) Solange einer nicht imstande ist, die gleich- zeitig und zu verschiedenen Zeiten von alien Seiten her auf ihn eindringenden Sinnendinge vollig zu verachten,.

222 III- Mokshadharma.

solange bewegt er, der Weise, sich in der veranderlichen Welt; darum ist er, der Eine, Hochste, ein Verkorperter.

3. (7419.) In das Rajas, das Tamas und in das Sattvam als drittes, in diese verschiedenen, seinen Standort bilden- den Guna's geht er ein; so geschieht es, dafs der Ver- korperte in die Sinnesorgane hineinfahrt, wie der Wind in das im Brennholze lodernde Feuer.

4. (7420.) Nicht durch das Auge kann man die Gestalt des Atman schauen, nicht schaut ihn der Tastsinn, ein Sinn nach dem andern [schaut ihn nicht], auch ist kein Wahrnehmen desselhen, welches das Ohr als Kennzeichen hat, durch das Gehor moglich; er schaut, was in dieser Weise [durch das Sinnesorgan] getan wird, das Organ aber fallt dahin [wird als nichtig erkannt].

5. (7421.) Das Ohr und die iibrigen Organe sehen nicht, sondern jeder sieht seinen Atman durch den Atman; er als allwissend und allschauend, er als allwissend schaut jene.

6. (7422.) Wie die andere Seite des Himalaya, wie die Riickseite des Mondes, so ist es nie von Menschen vorher gesehen worden, aber darum ist es doch nicht nicht.

7. (7423.) Ebenso ist in den Wesen jener subtile Bhut- 4tman (Element-Atman) , der den Erkenntnis- Atman in sich enthalt, nie mit Augen vorher gesehen worden, aber darum ist er doch nicht nicht.

8. (7424.) So wie die Leute die Zeichnung im Monde, ob- gleich sie sie sehen, doch nicht herausfinden, ebenso ist jenes zwar vorhanden, aber nicht hervortretend ; doch kann man nicht sagen, dafs es nicht das Hochste sei.

9. (7425.) Die Weisen, auf den Gang der Sonne merkend, sehen mit dem Auge des Geistes die gestalthafte Sonne, auch wo sie vor dem Aufgang oder nach dem Untergang keine Gestalt zeigt.

10. (7426.) Ebenso suchen mit der Leuchte des Verstandes die sehr Weisen das Entfernte sich nahe zu bringen, so dafs €s erkennbar wird und die Erkenntnis sich darauf richten kann.

11. (7427.) Denn es kann ja doch ohne das richtige Mittel kein Zweck erreicht werden, wie ja auch die am Wasser Leben- den nur mittels gestrickter Netze die Fische fangen konnen.

Adhy^ya 203 (B. 203). 223

12. (7428.) So wie der Fang von Wild durch Wild, von Vogeln durch Vogel, von Elefanten durch Elefanten bewerk- stelligt wird, so wird das zu Erkennende durch die Erkennt- nis ergriffen.

13. (7429.) Nur die Schlange ist ja auch imstande, die Fufsspuren (paddnj der Schlange zu sehen, wie wir horen; ebenso sieht man in den Gestalten durch die Erkenntnis den in den Gestalten weilenden zu Erkennenden.

14. (7430.) Wie die Sinnesorgane nicht imstande sind, die Sinnesorgane wahrzunehmen , so ist auch hier der hochste Verstand nicht imstande, das Hochste, zu Verstehende zu sehen.

15. (7431.) So wie der Mond in der Neumondsnacht nicht gesehen wird, weil ein Merkmal fehlt, er aber darum nicht vernichtet ist, so, wisse, ist es mit dem Verkorperten.

16. (7432.) Denn in der Neumondsnacht ist der Mond nicht sichtbar, weil seine Behausung verschwunden ist; ebenso ist jener Verkorperte nicht wahrnehmbar, wenn er von der Kor- perlichkeit befreit ist.

17. (7433.) Und so wie, einen andern Raum erlangt habend, der Mond wieder glanzt, so glanzt der Verkorperte wieder, nachdem er einen andern Korper (lingamj erlangt hat.

18. (7434.) Entstehen, Wachsen und Schwinden desselben wird durch den Augenschein wahrgenommen , aber dies ist nur der Fall beim Monde, nicht aber bei jenem Verkorperten.

19. (7435.) Wie durch die Kraft seines Entstehens und Wachsens der Mond als solcher auch in der Neumondsnacht erschlossen wird, so steht es auch mit dem Gestalteten.

20. (7436.) Wie die Finsternis, wenn sie den Mond be- schleicht und wieder freigibt, nicht gesehen wird, siehe, so ist es mit dem Verkorperten, wenn er [den Korper] loslafst und wieder in ihn hineinschleicht.

21. (7437.) Wie die Finsternis nur vermoge ihrer Verbin- dung mit Mond und Sonne sichtbar ist, so wird vermoge seiner Verbindung mit dem Korper der Verkorperte als solcher erkannt.

22. (7438.) Wie Rahu, nachdem er von Sonne und Mond [die er verschlungen hatte] losgekommen ist, nicht wahr-

224 III. Mokshadharma.

genommen wird, so wird, nachdem er vom Korper losgekommen ist, der Verkorperte nicht wahrgenommen.

23. (7439.) Und wie der Mond, nachdem er in der Neu- mondsnacht geweilt hatte, wieder mit den Mondhausern ver- bunden wird, so wird [der Verkorperte], nachdem er vom Korper befreit ist, mit den Friichten seines Werkes verbunden.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Manu und Brihaspati (Manu- Brihaspati - samvdda).

Adhyaya 204. (B. 204).

Vers 7440-7459 (B. 1-20).

Manu sprach:

1. (7440.) So wie im Traume dieser sichtbare Leib daliegt und das Geistige, das mit den Sinnesorganen verbundene Be- wufstsein, umherschweift [vgh Brih. Up. 4,3,13], ebenso ist es auch nach dem Tode mit dem, was entsteht, und dem, was vergeht.

2. (7441.) Wie einer in ruhigem Wasser mit dem Auge seine Gestalt sieht, so sieht man, weil die Sinne zur Ruhe gebracht sind, mit der Erkenntnis das zu Erkennende.

3. (7442.) Und wie ebenderselbe , wenn jenes Wasser be- wegt ist, seine Gestalt nicht mehr sieht, ebensowenig ftathd) kann man im aufgeregten Zustande der Sinnesorgane das zu Erkennende durch die Erkenntnis schauen.

4. (7443.) Durch Nichtwissen wird Buddhilosigkeit bewirkt, durch Buddhilosigkeit wird das Manas mitfortgerissen , wird aber das Manas verdorben, so werden seine fiinf Abkomm- linge [die Indriya's] mitverdorben.

5. (7444.) Wer sich am Nichtwissen erfreute und in die Sinnendinge versenkt war, der wird [nach dem Tode] nicht erfreut, sondern in einer mit der unsichtbaren Werkfrucht behafteten Weise kehrt sein Bhutatman zu den Sinnendingen zuriick.

6. (7445.) Eine Abscheidung von dem Durste ftarsha) fmdet hienieden nicht statt fiir den Menschen fpurushaj wegen

Adhyaya 204 (B. 204), 225

seines Beschmutztseins. Erst dann erlischt der Durst, wenn die Siinde zu Ende gegangen ist.

7. (7446.) Aber wegen der Befangenheit und des Zuflucht- suchens des Ewigen in den Sinnendingen und weil einer mit dem Manas anderes [als er sollte] verlangt, gelangt er nicht zu dem Hochsten.

8. (7447.) Die Erkenntnis geht dem Menschen auf, wenn das bose Werk vernichtet wird, dann schaut er wie in einer klaren Spiegelflache sich selbst in sich selbst.

9. (7448.) Wer den Sinnesorganen die Ziigel schiefsen lafst, der leidet; wer ebendieselben bandigt, dem ist es wohl; darum soil man von den Objekten der Sinnesorgane sich selbst durch sich selbst ziigelnd zuriickhalten.

10. (7449.) Den Sinnesorganen steht das Manas voran, und hoher als dieses ist die Buddhi; hoher als die Buddhi ist das Bewufstsein fjndnamj, hoher als das Bewufstsein steht das grofse Prinzip [mahat sc. tattvam, d. h. der Mahan].

11. (7450.) Aus dem Unentfalteten [d. h. der PrakritiJ geht hervor das Bewufstsein, aus diesem die Buddhi, aus dieser das Manas [wie Kath. Up. 3,10-11, mit Einschiebung von jndnam]; das Manas, mit Ohr usw. sich verbindend, erkennt richtig die Tone usw,

12. (7451.) Wer diese, die Tone usw., aufgibt und mit ihnen alle iibrigen Entfaltungen [vyaMayah als Akkusativ!], namlich die aus der Prakriti entspringenden Scharen, fahren lafst, der, indem er diese loslafst, erlangt Unsterblichkeit.

13. (7452.) So wie der Sonnengott, wenn er aufgeht, den Kranz der Strahlen aus sich ausbreitet, und wenn er unter- geht, das alles wieder in sich selbst hereinzieht,

14. (7453.) ebenso geschieht es, dafs das innere Selbst, in den Korper eingehend, nachdem es mit den Strahlen der Sinnesorgane die fiinf Qualitaten der Sinnesorgane erreicht hat, zuriickkehrend wieder untergeht.

15. (7454.) Den durch das Werk gewiesenen Weg wird einer immer wieder und wieder gefiihrt und erlangt die Frucht der Werke, nachdem er die aus ihnen hervorgehende Be- schaffenheit erlangt hat.

16. (7455.) Die Sinnendinge kehren sich ab von der Seele,

Dbussen, Mah^bh&Tatam. 15

226 m. Mokshadharma.

die sich nicht mehr an ihnen nahrt, und indem sie nicht mehr geschmeckt werden, geht auch der Geschmack an ihnen ver- loren fiir einen, der das Hochste geschaut hat.

17. (7456.) Wenn die Buddhi, von den Quahtaten ihres Wirkens befreit, im Manas weilt, dann geht dieses ein in das Brahman, indem es in eben demselben untergeht.

18. (7457.) Dann geht man ein in die nicht-fiihlende, nicht- horende, nicht-schmeckende , nicht-sehende, nicht-riechende und nicht-denkende hochste Wesenheit.

19. (7458.) In dem Manas versinken die Gestalten, das Manas aber geht ein in die Mati (Buddhi), die Mati geht ein in das Bewufstsein fjndnamj, das Bewufstsein in das Hochste.

20. (7459.) Nur durch die Sinnesorgane kann das Manas sich betatigen, nicht kann das Manas die Buddhi erkennen, nicht die Buddhi das Unentfaltete, aber das Feine [der AtmanJ schaut sie alle.

So lautet im Mokshadharma die Unterredang zwisohen Manu xinA Bribaspati (Manu - Brihaspati - samvdda) .

Adhyaya 305 (B. 305).

Vers 7460-7485 (B. 1-26).

Manu sprach :

1. (7460.) Wenn ein Schmerzanfall, sei es ein korperlicher oder geistiger, sich einstellt, gegen den eine Anstrengung nichts ausrichten kann, so soil man sich nicht weiter um ihn kiimmern.

2. (7461.) Das ist das Heilmittel des Schmerzes, dafs man sich nicht um ihn kiimmert, denn wenn man iiber ihn griibelt, so drangt er sich auf und wachst nur noch mehr an.

3. (7462.) Durch Denken soil man den geistigen Schmerz l)ekampfen, wie den korperlichen durch Arzneimittel , denn dazu ist die Erkenntnis fahig ; man soil es den Kindern nicht gleichtun.

4. (7463.) Verganglich ist Jugend, Schonheit, Leben, Be-

Adhyaya 205 (B. 205). 227

sitzanhaufung, Gesundheit und Zusammensein mit Freunden; der Weise soil nicht danach trachten.

5. (7464.) Man soil nicht als einzelner klagen iiber das Leid, das das ganze Land betrifft, sondern ohne zu klagen soil man ihm abhelfen, wenn man ein Heilmittel ersieht.

6. (7465.) Im Leben iiberwiegt das Leid die Lust, daran ist kein Zweifel, und fur einen, der noch an den Sinnen- dingen klebt, ist vermoge seiner Verblendung der Tod un- erwiinscht.

7. (7466.) Der Mensch, welcher beides, Leid und Lust, aufgibt, der erlangt das unendliche Brahman; solche Weisen klagen nicht.

8. (7467.) Mit Schmerz werden die Schatze erworben, und auch ihre Bewahrung macht keine Freude ; mit Schmerz werden sie erlangt, um ihren Verlust soil man sich nicht kiimmern.

9. (7468.) Die Erkenntnis entspringt aus dem Erkenntnis- objekte, das wisse, und das Manas besitzt die Qualitat des Erkennens, es ist mit dem Organ der Erkenntnis ausgeriistet, und nach ihm tritt die Buddhi in Tatigkeit.

10. (7469.) Wenn die mit der Qualitat ihrer Tatigkeit aus- geriistete Buddhi im Manas sich betatigt, dann wird durch Erkenntnis, Hingebung und Versenkung das Brahman erkannt.

IL (7470.) Solange diese Buddhi mit den Qualitaten be- haftet ist, beschaftigt sie sich auch nur mit den Qualitaten und gleitet von dem andern [dem Brahman] ab, wie Wasser von einem Berggipfel.

12. (7471.) Aber wenn sie die qualitatlose Meditation, die schon vorher da war, im Manas [weilend] erlangt, dann wird das Brahman erkannt, wie der Goldstrich auf dem Probierstein.

13. (7472.) Aber wenn das Manas, nachdem es vorher sich fortreifsen liefs durch den Anblick der Sinnendinge, nicht mehr achtet auf die Qualitaten des vor Augen Liegenden, dann gewinnt es einen Einblick in das Qualitatlose.

14. (7473.) Alle jene Pforten verschliefsend, gelangt man, im Manas stehend und im Manas die Konzentration bewirkend, zu jenem Hochsten.

15. (7474.) Wenn die grofsen Elemente durch Aufhebung

15*

228 in. Mokshadharma.

ihrer Qualitaten zunichte werden, dann nimmt die Buddhi die Sinnesorgane in sich auf und verharrt im Manas.

16. (7475.) Wenn diese Buddhi im Manas verharrt und sich im Innern desselben halt und dabei mit der Quahtat der Entschhelsung begabt ist, dann bemachtigt sie sich des Manas.

17. (7476.) Und wenn das vorher mit den QuaHtaten des Quahtathaften belastete Manas zur Quahtat der Meditation gelangt, dann lafst es alle jene QuaHtaten fahren und er- langt das Quahtatlose.

18. (7477.) Aber was die Erkenntnis des Unentfalteten be- trifft, so ist ein entsprechendes Schauen desselben nicht mog- lich. Denn wo kein Abdruck einer Fufsspur vorhanden ist, wer kann da eines Gegenstandes habhaft werden?

19. (7478.) Durch Askese, durch Schlufsfolgerung, durch Tugenden, durch edle Geburt und durch Schriftgelehrtheit soil man dem hochsten Brahman nachstreben mit reinem innern Geiste.

20. (7479.) Von Qualitaten frei geht man aufserhalb der- selben dem guten Wege nach zu dem, was zwar wegen Er- mangelung der Qualitaten oder seiner Natur nach unerforsch- lich ist, aber doch dem Erkennbaren sich ahnlich macht.

21. (7480.) Dann erlangt die Buddhi, die sich bisher in den Qualitaten bewegt hatte, wegen ihrer Qualitatlosigkeit das Brahman und kehrt zuriick von ihrem Behaftetsein mit den Qualitaten [die dann in ihr schlummernj wie das Feuer im Brennholze.

22. (7481.) So wie die fiinf Sinne [etwa im Schlafe] von ihren Tatigkeiten frei werden, so wird auch das hochste Brahman frei, welches hoher ist als die Prakriti.

23. (7482.) In dieser Weise treten alle Verkorperten aus der Prakriti hervor, und bei ihrer Abkehr von derselben kehren sie zuriick und gehen in den Himmel ein.

24. (7483.) Der Purusha, die Prakriti, die Buddhi, die Sinnesobjekte fvishaydhj und die Sinnesorgane findriydnij, der Ahankara und (!) das Ichbewufstsein fabhimdna) , das ist der Komplex, welcher ein Wesen fhhidamj genannt wird.

25. (7484.) Die urspriingliche Entstehung dieses Komplexes geht hervor aus der Prakriti fpradhdnamj, die sekundare halt

Adhyaya 205 (B. 205). 229

sich an die gegenseitige Paarung, durcheinander ohne Unter- schied.

26. (7485.) Dann wird aus gutem Verhalten Gliickseligkeit gewonnen und aus bosem Unseligkeit ; der mit Leidenschaften Behaftete geht ein in die Prakriti, aber leidenschaftlos soil der sein, welcher das Wissen besitzt.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Manu und Brihaspati

(Manu - Bnhaspati - samvdda).

Adhyaya 306 (B. 206).

Vers 7486-7517 (B. 1-32).

Manu sprach:

1. (7486.) Solange die fiinf [Indriya's] samt dem Manas mit jenen fiinfen [den Qualitaten] verbunden sind, wird jenes Brahman gesehen werden, wie ein Faden, der sich durch einen Edelsteinschmuck durchzieht.

2. (7487.) Und wie es dann wieder derselbe Faden ist, der ein Goldgeschmeide durchzieht oder in Perlen, Korallen oder in einem tonernen Schmuck erscheint,

3. (7488.) so erscheint in Ochsen, Pferden und Menschen oder in Elefanten und Antilopen, ja auch in Wiirmern und Schmetterlingen der durch seine eigenen Werke in sie ge- bannte Atman.

4. (7489.) Und je nach dem Korper, in welchem er lebt, und je nach dem Werke, welches er in ihm vollbringt, dem- entsprechend erlangt er durch diese oder jene Verkorperung die eine oder die andere Frucht.

5. (7490.) Wie die Erde, die doch nur einen Geschmack hat, sich den Zwecken der verschiedenen Pflanzen anpafst, so bringt die Buddhi den jeweiligen innern Atman zur Er- scheinung, indem sie sich dabei nach seinen Werken richtet [oder: so richtet sich die den innern Atman zur Erscheinung bringende Buddhi nach den jeweiligen inneren Werken].

6. (7491.) Nach der Erkenntnis richtet sich das Verlangen,

230 in. Mokshadharma.

nach dem Verlangen die Absicht, nach der Absicht das Werk, das Werk als Wurzel habend ist sodann die Frucht,

7. (7492.) Die Frucht geht zuriick auf das Werk, das Werk auf das Erkennbare, das Erkennbare auf die Erkenntnis, die Erkenntnis auf das, was ist und nicht ist.

8. (7493.) Wenn die Erkenntnisse und ihre Friichte, wenn die Erkenntnisobjekte und auch die Werke zugrunde gegangen sind, dann bleibt als Frucht das Wissen als eine Erkenntnis, die auf das Erkenntnisobjekt sich griindet.

9. (7494.) Dieses ist das grofse hochste Wesen, welches die Yogin's schauen ; ihn, der im Atman weilt, schauen nicht die Unverstandigen , deren Verstandnis in den Guna's be- fangen ist.

10. (7495.) Grofser als die Erscheinungsform der Erde ist die der Wasser ; grofser als die Wasser ist das Feuer, grofser als das Feuer der Wind,

11. (7496.) grofser als der Wind ist der Ather, hoher als dieser steht das Manas, grofser als das Manas ist die Buddhi, grofser als die Buddhi wird die Zeit genannt;

12. (7497.) grofser als die Zeit ist jener heilige Vishnu, der diese ganze Welt beherrscht; nicht Anfang, nicht Mitte, nicht Ende gibt es dieses Gottes.

13. (7498.) Weil er ohne Anfang, ohne Mitte und ohne Ende ist, ist er der Unvergangliche ; er ist erhaben iiber alle Leiden, denn das Leiden ist etwas Endliches.

14. (7499.) Er ist das hochste Brahman, ist die Heimat, die hochste Statte; die, welche zu ihm gelangen, werden er- lost von dem Reiche der Zeit und gehen in die Erlosung ein.

15. (7B00.) Sie leuchten hervor unter den Guna's; weil gunalos, ist dariiber erhaben das Hochste; die wahre Pflicht hat als Merkmal Einkehr in sich, dadurch wird man reif fur die Unendlichkeit.

16. (7501.) Die Hymnen, Opferspriiche und Lieder des Veda stiitzen sich auf den Korper, schweben auf der Zungenspitze, sind miihsam zu gebrauchen und verganglich.

17. (7B02.) Nicht aber gilt von Brahman, dafs es auf den Korper sich stiitzend entstehe, nicht gilt von ihm, dafs es

Adhyaya 206 (B. 206). 231

miihsam zu gebrauchen sei, auch hat es weder Anfang, Mitte, noch Ende.

18. (7503.) Einen Anfang haben die Hymnen, einen An- fang die vedischen Lieder und Opferspriiche, und was einen Anfang hat, das nimmt auch ein Ende; von dem Brahman aber gibt es keinen Anfang.

19. (7504.) Und weil es anfanglos und endlos ist, ist es ohne Ende und unverganghch , und weil es unverganglich ist, ist es frei von Leiden, keine Gegensatze enthaltend und daher das Hochste.

20. (7505.) Vermoge ihres Verhangnisses , ihrer Ratlosig- keit und ihrer Kettung an die Werke sehen die Menschen nicht, wodurch sie zu seiner Statte gelangen konnen.

21. (7506.) Denn weil der Mensch mit den Sinnendingen behaftet ist und in ihnen etwas ewig [auch in der Brahman- welt] Fortdauerndes sieht und somit in seinem Herzen nach etwas anderm trachtet, darum gelangt er nicht zum Hochsten.

22. (7507.) Was sie hier als Guna's [der Prakriti] sehen, danach trachten die niedrigen Menschen und verlangen nicht nach dem Hochsten, weil es gunalos ist, sie aber nach den Guna's begehren.

23. (7508.) Wer aber in die niederen Guna's (Qualitaten) verstrickt ist, wie sollte der auch nur hohere Guna's er- kennen, nur durch Folgerung ist es ja zu erkennen wie sollte er durch die Guna's als seine Glieder das Hochste erlangen?

24. (7509.) Durch feines Denken erkennen wir es, durch die Rede konnen wir es nicht ausdriicken; denn der Geist mufs durch den Geist erfafst werden und das Sichtbare durch das Sehen.

25. (7510.) Durch die Erkenntnis lautert man die Buddhi, durch die Buddhi das Manas und durch das Manas die Schar der Organe, so erlangt man das Hochste.

26. (7511.) Wer durch die Buddhi freigemacht und durch das Manas gekraftigt worden ist, der kann zu dem Wunschlosen, Gunalosen gelangen, aber hienieden in ihrer Verstorung bleiben die Menschen von dem Hochsten aus- geschlossen, wie der Wind von dem Feuer, welches im Brennholze schlummert.

232 m. Mokshadharma.

27. (7512.) Wenn die Guna's zertrilmmert und Trennung von ihnen erreicht ist, dann richtet sich der Geist fmanasj immerfort auf das, was fiir die Buddhi zu hoch und zu tief ist; auf diese Weise vorgehend, gelangt man beim Abstreifen der Guna's zum Brahmanleibe.

28. (7513.) Der Purusha, unentfalteten Wesens, nach- dem er die Werke entfaltet hat, geht zur Zeit des Endes wieder in die Unentfaltetheit ein, zusammen mit den Or- ganen, welche wachsen und wieder hinwelken, entwickelt auch er sich, nach Beheben sich gestaltend.

29. (7514.) Mit alien Sinnesorganen verbunden und einen Korper erlangt habend, stiitzt er sich auf die fiinf Elemente; weil er dazu nicht imstande ist vermoge des Werks, geht er hienieden nicht zu Ihm, von Ihm ver- lassen, der das Hochste, Ewige ist,

30. (7515.) Der Mensch sieht nicht das Ende dieser Erde, und doch wird ihr Ende kommen, das sollst du wissen; sie [wohl: die Werke] verschlagen ihn, den in Verwirrung geratenen Hochsten, wie der Wind ein Schiff auf dem Meere.

31. (7516.) Wie die Sonne, nachdem sie sich mit einer Beschaffenheit versehen hat, frei von dieser Beschaffen- heit wird, indem ihr Strahlenkranz schwindet, so geht ein Muni, wenn er hienieden das Unterschiedlose erlangt hat, zu dem qualitatlosen, unverganglichen Brahman ein.

32. (7517.) Den nicht [in den Samsara] Eingegangenen, der das hochste Ziel der Wohlgesinnten ist, den durch sich selbst Seienden, den Hort alles Entstehens, den Un- verganglichen, dieses Ewige, Unsterbliche , Unvergang- liche, Bestandige, wer dieses erkennt, der erlangt die hochste Unsterblichkeit.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischeu Manu und Brihaspati (Manu - Brihaspati - savwdda).

Adhyaya 207 (B. 207). 233

Adhyaya 207 (B. 207),

Vers 7518-7566 (B. 1-49).

Yudhishthira sprach:

1. (7518.) 0 hochweiser Grofsvater! Von dem lotosaugigen, unerschutterliclien Weltschopfer, dem unerschaffenen Vishnu, dem Ursprung und Vergange der Wesen,

2. (7519.) von dem Narayana, dem Struppigen, dem Kuh- gewinner, dem Uniiberwindliclien , von diesem, dem Voll- haarigen, wiinsche ich, o Bester der Bharata's, der Wahrheit gemafs zu horen.

Bhishma sprach :

3. (7520.) Mitgeteilt wurde diese Sache von Rama, dem Sohn des Jamadagni, der sie erzahlte, und von dem Gotter- weisen Narada und von Krishna und von Dvaipayana (Vyasa).

4. (7521.) Asita und Devala, o Freund, und der bufsereiche Valmiki und Markandeya erzahlen von dem Kuhgewinner ein grofses Wunder.

5. (7522.) Der Vollhaarige (Krishna), o Bester der Bharata's, wird mit vielen Namen bezeichnet als der Heihge, der Gott, der Herr, der Purusha, das All, der AUdurchdringende.

6. (7523.) Was aber die Brahmanen in der Welt wissen von dem Trager des hornernen Bogens (Vishnu-Krishna), von dem Hochherzigen, das vernimm, o Yudhishthira, du mit den langen Armen.

7. (7524.) Und was, o Fiirst der Menschen, die Kenner des Altertums an Taten betreifend den Kuhgewinner erzahlen, die will ich dir berichten.

8. (7525.) Er, das Selbst der Wesen, das grofse Selbst und der hochste Purusha, hat die grofsen Elemente, Wind [lies: vdyuni], Feuer, W^asser, Ather und Erde, nacheinander geschaffen.

9. (7526.) Und er, der Herr und Meister aller Wesen, nach- dem er die Erde geschaffen hatte, schuf sich eine Behausung in den Wassern, er, der hochherzige, hochste Purusha.

10. (7527.) Der alle Krafte in sich befassende, hochste

234 III- Mokshadharma.

Purusha, in dieser Behausung liegend , schuf als Erst- geborenen aller Wesen den Sankarshana [nach Nil. gleich Ahaiikara] ;

11. (7528.) ihn hat er als Trager aller Wesen mittels seines Manas geschaffen, so haben wir vernommen, und dieser tragi die Wesen, beide, die vergangenen und die zukiinftigen.

12. (7529.) Darauf entstand in diesem Grofsarmigen, Hoch- herzigen, nachdem er in die Erscheinung getreten war, in seinem Nabel eine sonnengleiche, himmlische Lotosblume.

13. (7530.) In dieser Lotosblume entstand, die Himmels- gegenden bestrahlend , der heilige Gott Brahman, o Freund, der Urvater aller Wesen.

14. (7531.) Und weiter entstand in diesem Grofsarmigen, Hochherzigen , nachdem er in die Erscheinung getreten war, mittels des Tamas ein grofser Damon mit Namen Madhu.

15. (7532.) Diesen Gewaltigen, Gewalttatigen , gewaltige Werke Unternehmenden erschlug der hochste Purusha, dem Gotte Brahman Genugtuung verschaffend.

16. (7533.) Und weil er, o Freund, diesen erschlagen hatte, so nannten ihn alle Gotter, Danava's und Menschen den Madhusudana (Madhutoter) , ihn, den Stier unter dem Volke der Satvant's.

17. (7534.) Weiterhin schuf der Gott Brahman als seine geistigen Sohne die den Daksha als Siebenten Habenden, Marici, Atri, Ahgiras, Pulastya, Pulaha und Kratu.

18. (753B.) Marlci als Erstgeborener zeugte, o Freund, als Erstgeborenen den Kagyapa, als seinen geistigen Sohn, den kraftvollen Brahmankundigsten.

19. (7536.) Und noch vor Marici hatte Gott Brahman aus seiner Zehe einen erschaffen, und der war, o Bester der Bha- rata's, der Daksha genannte Schopfer der Wesen.

20. (7537.) Ihm wurden zunachst, o Bharata, als dem Schopfer der Wesen dreizehn Tochter geboren, von diesen war die Al teste die Diti.

21. (7538.) Und der die Unterschiede aller Pflichten ken- nende, unbefleckte Ehre habende, hochberiihmte Sohn des Marici, der KaQyapa, o Freund, wurde ihrer aller Gatte.

22. (7539.) Und nachdem der sehr Gliickliche mit ihnen

Adhyaya 207 (B. 207). 235

zehn weitere Tochter gezeugt hatte, gab er, der Daksha, der Schopfer der Wesen, sie dem Dharma, er, der Dharmakundige.

23. (7540.) Die Soline des Dharma waren die Vasu's, die unermefslich kraftigen Rudra's, die Vigve Devah, die Sadhya's und die Marutvant's, o Bharata.

24. (7541.) Auch waren da noch siebenundzwanzig weitere, von jenen verschiedene , jiingere Tochter [des Daksha], und zum Gatten von ihnen alien wurde der sehr gliickliche Soma.

25. (7542.) Aber jene anderen [dreizehn Frauen des Kagyapa] gebaren Gandharva's, Rosse, Vogel, Kiihe, Kimpurusha's, Fische, Pflanzen und Baume.

26. (754.^.) Aditi gebar die Aditya's als die Besten der Gotter von grofser Kraft; unter ihnen war es Vishnu, der als Zwerg entstand und auch als der Herr, Govinda, geboren wurde.

27. (7544.) Durch das Ausschreiten des Vishnu wurde das Gliick der Gotter vermehrt, und die Danava's wurden besiegt, wie auch die damonische Nachkommenschaft der Diti.

28. (7545.) Namlich Danu hatte die Danava's mit Vipra- citti als Oberstem erzeugt, Diti aber hatte alle die Damonen von grofser Macht geboren.

29. (7.546.) Madhusudana schuf Tag und Nacht, die Zeit den Jahreszeiten entsprechend, den Vormittag und den Nach- mittag, dies alles bildete er.

30. (7547.) Nachdem er meditiert hatte, schuf er die Wolken, sowie das Unbewegliche und Bewegliche, imd auch die ganze Erde mit ihrem Inhalt schuf er durch seine grofse Kraft.

31. (7548.) Dann weiter schuf der sehr gliickliche Krishna, o Yudhishthira, als Beste ein Hundert Brahmanen, aus seinem Munde schuf sie der Herr,

32. (7.549.) und aus seinen Armen hundert Kshatriya's, aus seinen Schenkeln hundert Vaigya's und aus seinen Fiifsen hundert Qudra's schuf der Vollhaarige, o Stier der Bharata's.

33. (7550.) Und nachdem er, der Askesereiche, in dieser Weise die vier Kasten hervorgebracht hatte, bildete er als Aufseher aller Wesen den Schopfer selbst,

34. (7551.) den Verleiher des Vedawissens, den unermefs- lich glanzenden Gott Brahman. Und als Aufseher der Geister-

236 HI. Mokshadharma.

und Miitterscharen schuf er den Gott mit den seltsamen Augen [virupaksha, d. h. ^iva].

35. (7552.) Ferner schuf der alle Wesen Beseelende den Ziichtiger der Bosen und Beherrscher der Vater, den Gerechtig- keit Ubenden [Yama], sowie auch den schatzhiitenden Herrn des Reichtums [Kubera].

36. (7553.) Auch schuf der Herr als Beschiitzer der See- tiere den Varuna, den Herrn der Wasser, und als Aufseher aller Gotter bildete er den Vasava [Indra].

37. (7554.) Solange jedesmal bei den Menschen die Lust bestand, einen Korper zu tragen, solange lebten sie damals, und es bestand keine Furcht vor Yama [dem Todesgotte].

38. (7555.) Auch bestand fur sie, o Stier der Bharata's, noch nicht der Branch der Begattung, sondern auf ihren blofsen Wunsch hin entstand ihnen Nachkommenschaft.

39. (7556.) Dann aber in der Zeit des Weltalters Treta entstand die Nachkommenschaft durch blofse Beriihrung, und auch fiir die damals Lebenden bestand noch nicht der Brauch der Begattung, o Mannerfiirst.

40. (7557.) Aber in dem Zeitalter Dvapara entstand unter den Menschen der Brauch der Begattung, o Herr, und in dem Zeitalter Kali, o Konig, gerieten die Menschen in Zwietracht.

41. (7558.) Jener (Krishna) wird der Herr der Wesen, o Freund, und der gute Aufseher [von den Frommen] ge- nannt. Nun aber will ich dir, o Kuntisohn, diejenigen nennen, welche sich nicht um ihn kiimmern; das vernimm.

42. (7559.) Es sind als Bewohner des Siidens, o Bester der Manner, alle Andhraka's, die Guha's, Pulinda's, (^abara's, Cucuka's und Madraka's.

43. (7560.) Es sind aber auch Bewohner des Nordens, auch diese will ich dir nennen : die Yauna's, Kamboja's, Gandhara's, Kirata's und Barbara's.

44. (7561.) Diese, o Freund, leben als Ubeltater auf dieser Erde und haben Gebrauche, o Mannerherr, wie die Hunde- kocher, Krahen und Geier.

45. (7562.) Diese, o Freund, lebten noch nicht im Welt- alter Kritam auf dieser Erde, sondern erst vom Weltalter Treta an entstanden diese Volker, o Stier der Bharata's.

Adhyaya 207 (B. 207). 237

46. (7563.) Nun aber, nachdem diese furchtbare Welt- periode der Dammerung angebrochen war, gerieten die Konige aneinander und griflPen sich gegenseitig an.

47. (7564.) In dieser Weise hat, o Bester der Kuru's, jener von dem Hochsinnigen ans Licht gebrachte Gotterweise Narada, der alle Welten Schauende, den Gott verkiindigt.

48. (7565.) Und Narada war es auch, welcher die Hochst- heit des Krishna erkannte, o Mannerherr, und seine Ewig- keit, 0 Grofsarmiger, der Wahrheit nach, o Stier der Bharata's.

49. (7566.) Und darum ist jener grofsarmige, wahrhaft tapfere Vollhaarige, der Unausdenkbare , Lotosaugige; nicht ist er ein blofser Mensch.

So lautet im Mokshadharma die Entstehung aller Wesen

(tarva - bhita - utpatti).

Adhyaya 308 (B. 208).

Vers 7567-7603 (B. 1-37).

Yudhishthira sprach;

1. (7567.) Welche Herren der Geschopfe sind vordem ge- wesen, o Stier der Bharata's, und welche hochbegliickten Rishi's werden je nach den einzelnen Himmelsgegenden liber- liefert?

Bhishma sprach:

2. (7568.) Vernimm, o Bester der Bharata's, das, wonach du mich fragst, welche Herren in dieser Welt gewesen sind, und welche Rishi's fur die einzelnen Himmelsgegenden er- wahnt werden.

3. (7569.) Als erster war der eine Heilige, durch sich selbst Seiende, der ewige Gott Brahman, von Brahman aber stammen sieben hochherzige, durch sich selbst seiende Sohne:

4. (7570.) Marici, Atri, Angiras, Pulastya, Pulaha, Kratu und [an Stelle des oben Vers 7B34 erwahnten Daksha] der hochbegliickte VaQishtha, vergleichbar dem durch sich selbst Seienden.

6. (7571.) Als sieben Brahman's werden diese in dem

238 in. Mokshadharma.

Puranam mit Gewifsheit bezeugt. Weiter will ich dir nun alle Herren der Geschopfe mitteilen.

6. (7572.) Aus dem Geschlechte des Atri entsprang, dem Stamme des Gottes Brahman angehorig, der ewige, heilige Pracinabarhis ; von ihm stammen die zehn Pracetas.

7. (7.573.) Diese zehn hatten einen Sohn, den Daksha ge- nannten Herrn der Geschopfe, welcher in der Welt zwei Namen fiihrt, indem er Daksha und auch Ka genannt wird.

8. (7574.) Von Marici stammt sein Sohn Kagyapa, und auch er hat zwei Namen; die einen kennen ihn als Arishtanemi, die andern als Kagyapa.

9. (7575.) Von Atri stammte als leiblicher Sohn der herr- liche Konig Soma, der Held, welcher zehn gottliche Welt- .alter durch Verehrung iibte.

10. (7576.) Auch Aryaman, der heilige, und seine Sohne, o Herr; diese werden als Gesetzgeber und als Weltschopfer genannt.

11. (7577.) (^agabindu aber hatte zehntausend Gattinnen, o Unerschiitterlicher, und von jeder einzelnen von ihnen wurden tausend Sohne geboren.

12. (7578.) In dieser Weise entsprangen von diesem Hoch- sinnigen zehnmal hunderttausend Sohne; diese alle erkennen keinen andern Herrn der Geschopfe [als ihren Stammvater] an.

13. (7579.) Diese Nachkommenschaft des Qagabindu be- zeugen die alten Weisen, und dieses grofse Geschlecht des Herrn der Geschopfe war der Ursprung des Vrishnistammes.

14. (7580.) Damit sind die beriihmten Herren der Geschopfe dargelegt. Weiter will ich dir von den Gottern reden, welche die Dreiwelt regieren.

15. (7581.) Bhaga, Anga und Aryaman, Mitra, sowie auch Varuna und Savitar, Dhatar und der grofsmachtige Vivasvant,

16. (7582.) Tvashtar, Pushan und Indra und als zwolfter wird Vishnu genannt, diese zwolf Aditya's sind Sohne des Ka<?yapa.

17. (7583.) Nasatya und Dasra werden uberHefert als die beiden AQvin's, diese sind Sohne des Martanda, des hoch- sinnigen achten [Aditya, d. h. des Vivasvant].

18. (7584.) Diese wurden vordem als Gotter und als die

Adhyaya 208 (B. 208). 239

zwei Arten der Vater bezeichnet [die Prajapati's als Vater der Welt und die Sohne der Gotter, welche von den durch sie belehrten Gottern Vater genannt wurden]. Der Sohn des Tvashtar war der herrliche, hochberiihmte Vigvarupa;

19. (7585.) ferner Aja Ekapat, Ahi, Bradhna, Virupaksha und Raivata, Hara, Bahuriipa und Tryambaka, der Herr der Gotter,

20. (7586.) Savitra und Jayanta und der unbesiegbare Pinakin. Schon oben wurden die hochbegliickten acht Vasu's genannt.

21. (7587.) Diese so gearteten Gotter stammen von Manu, dem Herrn der Geschopfe. Diese wurden vordem als Gotter und als die zwei Arten der Vater bezeichnet.

22. (7588.) An Charakter und Jugend verschieden war die Schar der Siddha's, und von ihr verschieden die der Sadhya's; Ribhu's und hinwiederum Marut's wird eine Schar von Gottern genannt.

23. (7589.) Als solche werden auch jene Vigve Devah er- wahnt, sowie die Agvin's. Die Aditya's sind die Kshatriya's unter diesen [Gottern], die Marut's die VaiQya's.

24. (7590.) Die Agvin's hingegen gelten fur Qudra's, haben aber ungeheure Askese betrieben ; und endlich die von Angiras stammenden Gotter sind die Brahmanen unter ihnen, das ist gewifs.

25. (7591.) In dieser Weise wird das Vierkastensystem auch in betreff der Gotter gelehrt. Wer nun, nachdem er morgens aufgestanden, diese Gotter preiset,

26. (7592.) der wird von allem Bosen, mag es von ihm selbst stammen, oder von anderen herriihren, befreit. Yava- krita, Raibhya, Arvavasu und Paravasu,

27. (7593.) Kakshivant, der Sohn der Ugij, und Bala, der Sohn des Angiras, der Rishi Kanva, der Sohn des Medhatithi, sowie Barhishada,

28. (7594.) diese Schopfer der Dreiwelt, wohnen, sowie auch die sieben Rishi's, im Osten. Unmuca und Vimuca und der heldenmiitige Svastyatreya,

29. (7595.) Pramuca,IdhmavahaundderheiligeDridhavrata, ferner Agastya, der askesereiche Sohn des Mitra und Varuna,

240 ni. Mokshadharma.

30. (7596.) diese Brahmanweisen halten sich allezeit auf in der siidlichen Gegend. Ushaiigu, Kavasha, Dhaumya, Parivyadha, der Held,

31. (7597.) auch Ekata, Dvita und Trita, die grofsen Weisen, und der heilige Sohn des Atri, der machtige Sarasvata,

32. (7598.) alle diese Hochherzigen wohnen in der west- lichen Himmelsgegend. Atreya, Vasishtha und der grofse Weise Kagyapa,

33. (7599.) ferner Gautama, Bharadvaja und Vigvamitra, der Sohn des Kugika, sowie des hochherzigen Ricika heiliger Sohn,

34. (7600.) Jamadagni, diese siehen wohnen in der nord- lichen Himmelsgegend. Damit sind alle die kraftvoU Kraf- tigen nach ihrer Himmelsgegend aufgezahlt,

35. (7601.) die hochherzigen Zeugen [der Weltschopfung] und Schopfer der Welten. In dieser Weise wohnen diese Hochherzigen, ein jeder in seiner Himmelsgegend.

36. (7602.) Wer sie anruft, der wird von allem Bosen er- lost, indem er sich dadurch unter den Schutz derjenigen Himmelsgegend stellt, welcher jeder einzelne von ihnen an- gehort.

37. (7603.) Er wird erlost von allem Bosen und geht be- gliickt nach Hause.

So latitet im Mokshadharma die Glilcksformel der Himmelsgegeudeu (di\dm svaslikam).

Adhyaya 209 (B. 209).

Vers 7604-7640 (B. 1-36).

Yudhishthira sprach:

1. (7604.) 0 weiser Grofsvater, du walirhaft Tapferer im Kampfe, ich wiinsche in Vollstandigkeit zu horen von Krishna^ dem ewigen Gotte,

2. (7605.) und welches seine iiberaus grofse Kraft und welches sein vordem vollbrachtes Werk ist. Das alles sage mir der Wahrheit gemafs, o du Stier unter den Mannern.

Adhyaya 209 (B. 209). 241

3. (7606.) Sage mir, wie der Herr, in einen Tierschofs eingegangen, sich zur Erscheinung brachte, und durch welche Grofstat-Gewahrung dies geschah, das verkiindige mir, o Grofsmachtiger.

Bhishma sprach:

4. (7607.) Einstmals auf die Jagd gegangen weilte ich in der Einsiedelei des Markandeya; daselbst sah ich Scharen von Muni's, welche zu Tausenden umhersafsen.

5. (7608.) Diese erwiesen mir Ehre durch eine Honigspende, ich aber nahm die Ehrenerweisung entgegen und sprach den Eishi's meinen Dank aus.

6. (7609.) Daselbst wurde von dem grofsen Weisen Kagyapa folgende Geschichte erzahlt. Diese herzerquickende , himm- lische Erzahlung vernimm mit aufmerksamem Geiste.

7. (7610.) Einstmals geschah es, dafs die Obersten der Danava's, von Zorn und Begierde erfiillt, von Kraft trunken, zu Hunderten mit Naraka an der Spitze, dafs diese grofsen Damonen

8. (7611.) und noch viele andere Danava's von arger Wild- heit im Kampfe es nicht ertrugen, das hochste Gedeihen der Gotter zu sehen.

9. (7612.) Die Gotter aber und die Gotterweisen, von den Danava's bedrangt, fanden keinen Schutz, o Konig, indem sie hierhin und dor thin fliichteten.

10. (7613.) Da sahen die Bewohner des Himmels die Erde in bedrangter Lage, wie sie von den Danava's, den furcht- bar gestalteten, grofsmachtigen, ganz iiberdeckt war

11. (7614.) und, von dieser Last gedriickt, freudlos und schmerzgequalt versank. Da sprachen die geangstigten Sohne der Aditi zum Gotte Brahman folgendermafsen : *

12. (7615.) Wie werden wir, o Brahman, der Vergewalti- gung durch die Danava's Meister werden? Da sprach der durch sich selbst Seiende : Ich habe hierfiir schon einen Aus- weg vorbereitet.

13. (7616.) Ganz erfiillt von ihrem Werte, ihrer Gewalt und ihrer Tollheit bemerken sie nicht, die Toren, den Vishnu, dessen Erscheinung noch verborgen ist,

Detjssen, Mah&bh^ratam. \Q

242 ni. Mokshadharma.

14. (7617.) den, wenn er die Gestalt eines Ebers annehmen wird, auch von Unsterblichen unbezwingbaren Gott. Der wird im Sturm dorthin eilen, wo jene gemeinen Danava's

15. (7618.) in die Erde eingedrungen, die Furchtbaren, zii Tausenden weilen, und wird sie zur Ruhe bringen. Als dies die vortreffliohen Gotter horten, freuten sie sich.

16. (7619.) Darauf nahm der sehr kraftige Vishnu die Ge- stalt eines Ebers an, drang in die Erde ein und ging auf die Sohne der Diti los.

17. (7620.) Als nun die Ditisohne allesamt dieses nicht- menschliche Wesen sahen, da erhoben sie sich alle mit Ge- walt und Ungestum, vom Todesgotte (Kala) verblendet.

18. (7621.) Darauf stiirmten sie alle im Verein auf den Eber los und packten ihn ; und voU Zorn zerrten sie den Eber von alien Seiten.

19. (7622.) Aber die Danava-Fiirsten, obgleich mit grofsen Leibern und von grofser Tapferkeit und hochfahrend vermoge ihrer Kraft, vermochten ihm nichts anzutun, o Herr.

20. (7623.) Da gerieten die Danava-Fiirsten in Staunen und in Furcht und begrijffen zu Tausenden, dafs ihr eigenes Selbst Gefahr zu laufen drohte.

21. (7624.) Da geschah es, dafs der Obergott der Gotter, von Yoga erfiillt und als Lenker der Yoga-Anschirrung zum Yoga greifend, o Bester der Bharata's, dafs er, der Heilige, damals

22. (7625.) ein grofses Gebriill ausstiefs und dadurch die Daitya's und Danava's in Verwirrung brachte, ein Gebriill, von welchem die Welten und alle zehn Himmelsgegenden widerhallten.

23. (7626.) Durch diesen widerhallenden Ton entstand eine Erschiitterung der Welten, die Gotter mit Indra an der Spitze gerieten in der Welt in grofsen Schrecken,

24. (7627.) und die Lebewelt war ganz starr damals, die unbewegliche und die bewegliche, durch dieses Gebriill in Bestiirzung geratend,

25. (7628.) und alle die Danava's, durch dieses Gebriill in Furcht versetzt, stiirzten leblos nieder, betaubt durch die Kraft des Vishnu.

Adhyaya 209 (B. 209). 243

26. (7629.) Und auch in die Unterwelt stieg der Eber hinab und zerrifs mit seinen Klauen das Gefiige von Fleisch, Fett und Knoohen der Gotterhasser.

27. (7630.) Aber wegen jenes grofsen Gebriills fnddaj wurde er Sanatana (der Ewige) genannt, er, der lotos- entsprossene, grofse Yogin, der Lehrer und Fiirst der Wesen.

28. (7631.) Da liefen alle die Gotterscharen zum Urvater und, bei ihm angelangt, sprachen die Hochherzigen zum Herrn der Welt:

29. (7632.) Was ist das fiir ein Gebriill, o Gott, wir kennen es nicht, o Herr? Was ist es mit ihm, und von wem kommt das Gebriill, durch welches die Welt ins Wanken ge- bracht wird

30. (7633.) und Gotter und Danava's in Verwirrung ge- raten vermoge seiner durchdringenden Macht? In diesem Augenblicke erhob sich in der Gestalt des Ebers Vishnu, (7634.) 0 Grofsarmiger, er, der von grofsen Weisen Gepriesene.

Der Allvater sprach:

31. (7635.) Der die Danava-Herren niedergeworfen hat, der sehr erhabene, sehr kraftige, dieser Gott, der grofse Yogin, der Beseeler und Bildner der Wesen,

32. (7636.) der Herr aller Wesen, der Yogin, der Muni, das Selbst des Selbstes, bleibt getrost! es ist Krishna, der Vernichter aller Hindernisse.

33. (7637.) Er ist es, der dieses iiberaus wohltatige, un- mogliche Werk vollbracht hat, der unermefslich Glanzende, nunmehr in seine Wesenheit Zuriickgekehrte, der sehr Gliick- liche, sehr Leuchtende,

34. (7638.) der Lotosnablige, der grofse Yogin, der hoch- herzige Bildner der Wesen. Keine Qual, keine Furcht, kein Kummer iiberkomme euch, o Beste der Gotter!

35. (7639.) Er ist der Schopfer, ist die Majestat und ist auch die Vernichtung bewirkende Zeit. Von ihm, der die Wei ten erhalt, von dem Hochherzigen ist jenes Gebriill aus- gestofsen worden.

36. (7640.) Und er, der Grofsarmige, wird in alien Welten

16*

244 ni. Moksliadharma.

verehrt, der Unerschiitterliche , Lotosaugige, der Ursprunj aller Wesen, der Gottherr.

So lautet im Mokshadharma das Spiel in der Erde (antar - bh'&mi - vikridanam) .

Adhyaya 310 (B. 310).

Vers 7641-7688 (B. 1-46).

Yudhishthira sprach:

1. (7641.) Den hochsten Yoga der Erlosung, o Freund, er- klare mir, o Bharata; ihn wiinsche ich der Wahrheit gemafs zu erkennen, o Bester der Redenden.

Bhishma sprach :

2. (7642.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich die Unterredung eines Schiilers mit seinem Lehrer in betreff der Erlosung.

3. (7643.) Einem Brahmanen, der dasafs als Lehrer, als vor- ziiglicher Weiser, als eine Fiille von Glanz, hochherzig, sein Wort haltend, seine Sinne bezahmend,

4. (7644.) diesem nahte ein iiberaus verstandiger , heils- bediirftiger, sehr aufmerksamer Schiller, umfafste seine Fiifse und sprach, indem er mit zusammengelegten Handen vor ihm stand:

5. (7645.) Wenn du zufolge meiner Verehrung mir gnadig bist, 0 Heiliger, so mogest du mir einen grofsen Zweifel, den ich hege, aufklaren: (7646.) Woher bin ich und woher bist du? Diese wichtigste Frage mogest du mir vollstandig be- antworten.

6. Und wie kommt es, o Bester der Zwiegeborenen , da doch alle Wesen unter den gleichen Bedingungen stehen, (7647.) dafs ihr regelrecht verlaufendes Vergehen und Wieder- geborenwerden in so entgegengesetzter Weise stattfindet?

7. Und auch was der Veda dariiber sagt, und was die wpltjich^^ j^r,;alle verbindliche Tradition [der Smriti] davon

Adhyaya 210 (B. 210). 245

lehrt, (7648.) das, o Weiser, mogest du mir alles der Wahr- heit gemafs erklaren.

Der Lehrer sprach:

8. (7649.) Vernimm, o hochverstandiger Schiller, dieses hochste Brahmangeheimnis , und was das Gute ist an alien Wissenschaften und heiligen Uberliefeningen , sofern es das innere Selbst betriflPt.

9. (7650.) Der Sohn des Vasudeva (Krishna) ist jenes Hochste, ist der Mund der ganzen Brahmanoffenbarung; er ist Wahrheit und Wissen, ist Opfer, Ausharren, Bezahmung und Kedlichkeit.

10. (7651.) Er ist es, den die Vedakenner als den Purusha, den ewigen Vishnu wissen, als den Urheber von Schopfung [sarga mit C.) und Vergang, als das unoffenbare, ewige Brahman.

11. (7652.) So vernimm dieses heilige Wort, die Erzah- lung betreffend den Vrishnisprofs (Krishna). Ein Brahmane mufs von Brahmanen gehort werden, ein Krieger von Kriegern,

12. (7653.) ein Vaigya mufs von Vaigya's gehort werden und ein (^udra, wenn er hochsinnig ist, von (^udra's. Du sollst die Majestat des Gottergottes, des Vishnu von unermefs- licher Kraft,

13. (7654.) wiirdig dessen bist du du sollst den schonen, hochsten Vrishnisprofs kennen lernen, der das Rad der Zeit ist, den Anfanglosen, Endlosen, der Sein und Nichtsein als Merkmale an sich tragt.

14. (7655.) In ihm, dem Herrn aller Wesen, dreht sich die Dreiwelt wie ein Rad. Jenes unvergangliche, unoffenbare, unsterbliche, ewige Brahman (7656.) bezeichnen sie, o Manner- tiger, als den Vollhaarigen, den Stier unter den Mannern.

15. Er hat die Vater, Gotter und Rishi's und ebenso die Halbgotter und Kobolde, (76B7.) die Schlangen, Damonen und Menschen geschaffen, er, der Hochste, Unvergangliche.

16. Und er hat auch die Vedavorschriften und die ewigen Weltgesetze, (7658.) nachdem er Vergang und Neuschopfung bewirkt, zu Anfang der Weltalter wiederum geschaffen.

17. So wie in einer Jahreszeit die mannigfachen Attribute

246 in. Mokshadharma.

der Jahreszeit im Umlaufe der Zeit (7659.) zur Erscheinung kommen, bald die einen, bald die andern, so ist es mit den Zustanden fhhdvaj am Anfange der Weltalter.

18. Und was inuner irgendwann durch Fiigung der Zeit zu Anfang der Weltalter zum Vorschein kommt (7660.) an Wissen, das gelangt zur Entstehung, indem es nach Ordnung des Weltganges geboren wird.

19. Was am Ende eines Weltalters an Veden und epi- schen Gedichten latent geworden war, (7661.) das haben grofse Weise [im neuen Weltalter] vor Zeiten kraft ihrer Askese empfangen, begnadet damit durch den durch sich selbst Seienden.

20. Als Vedakenner weifs [den Veda] der Heilige, die Vedanga's weifs Brihaspati, (7662.) und der Bhrigusohn hat das Lehrbuch der Lebensfiihrung zum Heile der Welt ver- kiindet.

21. Die Musikwissenschaft weifs Narada, die Kriegs- wissenschaft Bharadvaja, (7663.) den Lebenslauf der Gotter- weisen Gargya, die Heilkunde Krishnatreya.

22. Die mannigfachen Lehrbiicher der Logik wurden von diesen und jenen Lehrern gelehrt, (7664.) und alles, was an Argumenten, heiligen Uberlieferungen und gutem Lebens- wandel gelehrt worden ist, das soil man verehren.

23. Jenes anfanglose hochste Brahman wissen nicht Gotter und nicht Weise, (7665.) nur einer weifs es, der heilige Schopfer, Narayana, der Herr.

24. Von Narayana stammen die Scharen der Rishi's so- wie die obersten Gotter und Damonen, (7666.) auch die alten Konigsweisen und das hochste Heilmittel der Schmerzen.

25. Wenn nun die Prakriti die vom Purusha (Narayana) verwalteten Zustande (hhdvaj gebiert, (7667.) dann entwickelt sich die durch sie vorher mit den Ursachen ihrer Entstehung ausgestattete Welt.

26. Wie an einer Fackel andere Fackeln tausendfach sich entziinden, (7668.) so gebiert die Prakriti und wird doch wegen ihrer Unerschopfhchkeit nicht vermindert.

27. Aus dem Unentfalteten (der Prakriti) entsteht die werkbedingte Buddhi, und sie erzeugt den Ahankara; (7669.) aus

Adhyaya 210 (B. 210). 247

dem Ahaiikara [entspringt] der Ather, aus dem Ather ent- steht der Wind,

28. aus dem Wind das Feuer, aus diesem das Wasser, und aus dem Wasser geht die Erde hervor ; (767o.) diese acht sind die Grundnaturen und in ihnen ist die Welt gegriindet.

29. Der Erkenntnisorgane sind fiinf, sowie auch fiinf Tatorgane, (767i.) ferner fiinf Objekte fvishayaj und das eine Manas als Sechzehntes, im Bereiche des [aus den Grund- naturen] Umgewandelten.

30. Auge, Ohr, Haut, Augen, Zunge und Nase sind die Erkenntnisorgane; (7672.) Fiifse, Entleerungs- und Zeugungs- organ, Hande und Kede sind die Tatorgane (Jcarmani, im Dual!)

31. Ferner sind da Ton, Gefiihl, Gestalt, Geschmack und Geruch, (7673.) und als das sie alle durchdringende Geistes- organ soil man das Manas wissen.

32. Zur Erkenntnis des Geschmacks dient die Zunge, zum Sprechen die Rede; (7674.) vermoge seiner Verbindung mit den mannigfachen Organen ist das Manas die ganze [fiinfzehnfach] entfaltete Natur.

33. Von diesen sechzehn soil man wissen, dafs sie, ein jedes an seinem Teil, Gottheiten sind, (7675.) welche den in den Leibern weilenden Urheber der Erkenntnis verehren.

34. Demnach ist der Geschmack die Qualitat des Wassers, der Geruch die Qualitat der Erde, (7676.) das Gehor die Quali- tat des Athers und das Gesicht die Qualitat des Feuers; das Gefiihl soil man wissen als Qualitat des Windes in alien Wesen jederzeit.

35. (7677.) Das Manas gilt fUr eine Qualitat des Sattvam, das Sattvam aber ist aus dem Unentfalteten geboren; darum soil der Weise dieses [das Sattvam] erkennen als das, was zu ihrem Selbste geworden in alien Wesen weilt.[

36. (7678.) Diese Wesenheiten fhhdvaj tragen die ganze Welt mit allem Beweglichen und Unbeweglichen ; sie aber griinden sich auf den von Leidenschaft frajasj freien Gott, den man noch hoher stellt als die Prakriti.

37. (7679.) Die heilige Stadt mit den neun Toren [der Leib] ist von diesen Wesenheiten erfullt; in ihr liegt, sie

248 III- Mokshadharma.

durchdringend, das grofse Selbst fmahdn dtmdj; darum wird es der Purusha genannt.

38. (7680.) Nicht alternd und unsterblich ist dieser, als Entfaltetes und Unentfaltetes wird er bezeichnet; alldurch- dringend ist er, gunabehaftet und unerkennbar, er ist die Grundlage der Guna's in alien Wesen.

39. (7681.) So wie eine Fackel, mag sie klein oder grofs sein, ihrem Wesen nach Licht ist, so soil man das Erkennt- nisselbst fjndna-dtmanj als den Purusha in alien Geschopfen erkennen.

40. (7682.) Er ist es, der fiir das Ohr das zu Erkennende erkennbar macht, er ist es, der da hort und der da sieht; Ursache dieses Tuns ist dieser Leib, er aber ist der Bewirker aller Werke.

41. (7683.) Wie das im Holz latente Feuer, auch wenn man das Holz spaltet, nicht zu sehen ist, so wird dieser im Korper weilende Atman nur durch den Yoga gesehen.

42. (7684.) Wie namlich das Feuer, wenn man das Holz durch eine Vorrichtung reibt, sichtbar wird, so wird dieser im Korper weilende Atman nur durch den Yoga gesehen.

43. (7685.) Wie das Wasser an den Flufs gebunden ist, wie die Strahlen an die Sonne, wie diese, weil an sie ge- kniipft, sie begleiten, so verbal ten sich die Korper zu den Verkorperten.

44. (7686.) Daran, dafs bei der Versenkung in den Schlaf der Atman mit den fiinf Sinnen verbunden, den Korper ver- lassend, umherschweift, daran wird er als der Atman erkannt.

45. (7687.) Durch das Werk [wenn seine Frucht abgelaufen ist] wird die Erscheinung verdrangt, und durch das Werk wird sie [im neuen LebenslaufJ wieder wahrgenommen, durch das Werk wird sie in einen neuen Zustand versetzt, durch das selbstbegangene, iiberaus machtige Werk.

46. (7688.) Wie aber die Seele aus einem Leibe, nachdem sie ihn verlassen, in einen andern eingeht, demgemafs will ich dir diesen andern erklaren, namlich die durch ihre eigenen Werke wiedergeborene Schar der Wesen.

So lautet im Mokshadharma Varshneya als das innere Selbst (Vdnhneya-adhydtmam).

Adhyaya 211 (B. 211). 249

Adhyaya 211 (B. 211).

Vers 7689-7706 (B. 1-17). Bhishma sprach :

1. (7689.) Die vier Arten der unbeweglichen und beweg- lichen Wesen haben aus dem Unentfalteten ihre Entstehung, und in das Unentfaltete gehen sie wieder unter. (7690.) Das Unentfaltete als Merkmal habend, von Natur an das Un- entfaltete als Wesen habend ist das Manas.

2. Wie der grofse Baum in dem Samenkorn des Feigen- baumes verborgen liegt (7691.) und, nachdem er sich daraus entwickelt hat, sichtbar wird, so ist die Entstehung des Ent- falteten aus dem Unentfalteten.

3. Wie das ungeistige Eisen auf den Magnetstein zu- eilt, (7692.) und wie die aus ihrer eigenen Natur als Ursache entsprungenen Wesenheiten zu etwas anderm derartigen [magnetartigen hinstreben],

4. so werden die aus dem Unentfalteten als Bewirker geborenen Wesenheiten ("bhdvaj, welche das Merkmal ihrer Ursache an sich tragen (7693.) und ohne Bewufstsein sind, durch das Beseelende als Ursache zu einem Komplexe ver- bunden.

5. Damals war nicht die Erde, nicht Ather, Himmel und Wesen, nicht dieRishi's, nicht Gotter undDamonen, (7694.) nichts anderes war, ausgenommen die Seele; jene [genannten] aber batten sich noch nicht der [spater] mit ihnen aggregierten Seele genaht,

6. der urspriinglichen , ewigen, allgegenwartigen , das Manas erzeugenden, merkmallosen , (7695.) noch nicht durch Erkennen und Wirken charakterisierten , dieses ist das Merkmal der [Seele als] Weltursache.

7. Diese [Weltursache] verband sich namlich mit den [materiellen] Ursachen und bewirkte ein Aggregat ihrer Wir- kungen; (7696.) wodurch dieses anfang- und endlos'e grofse Weltrad sich in Umdrehung befmdet.

8. Seine Nabe ist das Unentfaltete, seine Speichen sind das Entfaltete, sein Radkranz sind die Umwandlungen,

250 in. Mokshadharma.

(7697.) regiert wird dieses Rad von der Seele ("kshetrajnaj, mit oliger Achse dreht es sich um ohne Fehl.

9. Weil seine Achse geblt ist, darum wird in diesem Rade die ganze Welt der Lebenden zermalmt wie Sesam- korner (7698.) von den aus dem Nichtwissen entspringenden Geniissen, wie von Olmiillern, die dazu angestellt sind.

10. Dieses Werk vollbringt sie [die Welt der Lebenden] wegen der Begierde ftarsJiaJ und wegen ihres Umschlungen- seins vom Ahankara. (7699.) In der Verkniipfung von Ursache und Wirkung wird dieses [die Begierde und das Umschlungen- sein] als der Grund erklart.

11. Nicht erkennt die Ursache die Wirkung, und die Wirkung erkennt nicht die Ursache, (7700.) sondern es ist die Zeit, welche bei diesem Tun mittels Entfaltung der Wirkung die bewirkende Ursache bildet.

12. Durch diese Ursache sind miteinander verbunden die schaffenden Potenzen und ihre Umwandlungen ; (7701.) beide stehen in Beziehung zueinander, indem sie immerfort vom Purusha regiert werden.

13. Und [nach dem Tode ist es die individuelle Seele, welche] von rajasartigen und tamasartigen Beschaffenheiten fbhdvaj herabgezogen und, von der Gewalt der Ursache ge- trieben, (7702.) der hochsten Seele {hshetrajnaj nachfolgt, wie der Staub, der vom Winde aufgewirbelt wird.

14. Sie aber wird von jenen Beschaffenheiten nicht be- riihrt, noch auch diese von ihr, der Hohen; (7703.) wie ja audi der an sich staublose Wind nicht staubartig werden kann.

15. So soil der Weise diesen Unterschied erfassen zwischen dem Sattvam [als Vertreter der Prakriti] und dem Kshetrajna; (7704.) wenn er mit Fleifs sich dieser Sache hingibt, wird er er nicht wieder in die Prakriti verfallen.

16. Diesen aufgetauchten Zweifel loste der heilige Bishi, (7705.) und so soil man nach einer Kunde ausschauen, welche den von ihm gegebenen Andeutungen entsprechend ist.

17. Gleichwie die vom Feuer gerosteten Samenkorner nicht wieder keimen konnen, (7706.) so wird der Atman mit

Adhyaya 211 (B. 211). 251

den durch die Erkenntnis verbrannten Ubelstanden fklegaj nicht mehr behaftet.

So lautet im Mokshadharma VArshneya als das innere Selbst

(Vdrshneija - adliydtritam).

Adhyaya 313 (B. 313).

Vers 7707-7741 (B. 1-33).

Bhishma sprach:

1. (7707.) So wie die auf Tatigkeit zielende Lebensregel [von den gewohnlichen Menschen] vollstandig begriffen wird, ebenso haben die, welche in der Erkenntnis fest gegriindet sind, kein Wohlgef alien an irgendeinem andem Prinzip.

2. (7708.) Schwer zu finden sind Vedakenner, die in den Vedaworten vollstandig bewandert sind ; aber wegen der Grofse des Ansporns {prayojanamahattvat mit C.) streben sie dem vielgepriesenen Wege nach.

3. (7709.) Hingegen ist dieses [kontemplative] Verhalten, weil es von edlen Menschen befolgt wurde, untadelig; dieses ist die Erkenntnis, durch welche man, nachdem man sie er- griffen hat, den hochsten Gang geht.

4. (7710.) Die verkorperte Seele nimmt aus Verblendung allerlei Anhangsel an und verbindet sich mit Zustanden {hhavaj^ wie Zorn und Begierde, welche aus dem Rajas und Tamas entspringen.

5. (7711.) Darum soil man in dem Streben, seinen Leib zu erhalten, nichts Unlauteres begehen, denn wer durch sein Werk sich eine Blofse gibt, der wird die schonen Welten nicht erlangen.

6. (7712.) Wie das mit Erz vermischte Gold, solange es noch nicht ausgeschmolzen ist, nicht erglanzt, so leuchtet auch das Wissen nicht auf, solange es noch erscheint als nicht aus der Unreinheit ausgeschmolzen.

7. (7713.) Und wer noch am Unrecht festhalt und aus Begierde von Lust und Zorn sich treiben lafst, der, auch wenn er den rechten Weg betreten hat, geht doch mitsamt seinem Anhange zugrunde.

252 in. Mokshadharma.

8. (7714.) Darum moge einer nicht aus leidenschaftlicher Lust den Sinnendingen , wie Tonen usw., nachhangen; denn Zorn, Freude und Verzweiflung werden eines aus dem andern geboren.

9. (7715.) Da dieser Leib aus fiinf Elementen besteht und aus Sattvam, Rajas und Tamas gebildet ist, was kann einer dabei sagen, wen kann er mit Lobpreis erheben, wen kann er tadelnd anfahren?

10. (7716.) Torichte Menschen geraten in eine Abhangig- keit von Beriihrung, Gestalt, Geschmack usw., und weil sie nur dieses Wissen besitzen, begreifen sie nicht, dafs ihr leibliches Selbst eine erdartige Qualitat ist.

11. (7717.) So wie ein Lehmhaus nur mit Lehm iiberschmiert wird, ebenso schiitzt sich dieser aus Erde gebildete Leib vor dem Untergange nur durch erdentstammende Produkte.

12. (7718.) Honig, 01, Milch, Butter, Fleisch, Salz und Melasse, Getreidekorner , Friichte und Wurzeln, sowie auch das Wasser sind erdentstammende Produkte.

13. (7719.) Wie einer, der in der Wildnis wohnt, seinem Verlangen nachgibt und von den Dorfbewohnern Speise an- nimmt, auch wenn sie nicht wohlschmeckend ist, um nur sein Leben zu fristen,

14. (7720.) so moge der, welcher in der Wildnis des Sam- sara wohnt und Kasteiungen mit Bifer betreibt, um der Fristung des Lebens willen Nahrung einnehmen, wie der Kranke die Arznei.

15. (7721.) Mit Wahrhaftigkeit, Reinheit, Geradheit, Ent- sagung, Hoheit und Mut, mit Geduld und Festigkeit, mit Einsicht, Verstand und Enthaltsamkeit

16. (7722.) soil man alle Gemiitszustande (hhava) betrach- ten als von aufsen herandringend und zur Sinnenwelt gehorig und nach Frieden suchend mit heiterem Geiste seine Sinne bezahmen.

17. (7723.) Aber verwirrt durch Sattvam, Rajas und Tamas, werden die Menschen wie Rader gewaltsam im Kreise um- gewirbelt infolge ihres Nichtwissens.

18. (7724.) Darum moge man die Fehler, welche aus dem Nichtwissen entspringen, griindlich prufen und das aus dem

Adhy^ya 212 (B. 212). 253

Nichtwissen hervorgehende Ubel, namlich den Egoismus fahankdraj meiden.

19. (7725.) Die grofsen Elemente, die Sinnesorgane und die Guna's, Sattvam, Rajas und Tamas, ja die ganze Drei- welt mitsamt dem tgvara, das alles grundet sich auf den Egoismus fahafiharaj .

20. (7726.) So wie hienieden die regelmafsig verlaufende Zeit die Eigenschaften der Jahreszeiten zur Erscheinung bringt, so, wisse man, bringt der Egoismus an den Wesen ilire Werke hervor.

21. (7727.) Das Tamas soli man begreifen als verblendend, schwarz, aus Nichtwissen entspringend, und ebenso [das Satt- vam und Rajas] als mit Lust und Schmerz verkniipft; als solche soil man alle die drei Guna's wissen.

22. (7728.) Nun vernimm folgendes als die Qualitaten des Sattvam, des Rajas und des Tamas. Heiterkeit, Zufriedenheit, welche aus der Freudigkeit entspringt, Zweifelsfreiheit, Festig- keit und Erinnerung, (7729.) diese wisse als die Qualitaten des Sattvam, und die folgenden als die des Rajas und Tamas.

23. Sie sind Begierde, Zorn, Unbesonnenheit, Liistern- heit, Verblendung, Furcht und Schlaffheit, (7730.) sowie Ver- zagtheit, Kummer, Unlust, Hochmut, Stolz und unedle Ge- sinnung.

24. Indem man von diesen und anderen Fehlern die Schwere oder Leichtigkeit in Betracht zieht, (7731.) priife man daraufhin seinen eigenen Zustand im einzelnen fort und fort.

Yudhishthira sprach :

25. (7732.) Welche Fehler werden durch das Manas ab- gestreift, und welche werden durch die Buddhi gelockert, welche stellen sich immer wieder und wieder ein, und gegen welche ist zufolge der Verblendung das Ankampfen nahezu fruchtlos ?

26. (7733.) Und welches sind die Eigenschaften, deren Starke oder Schwache man durch Vernunft und Griinde ab- wagen soil? Dariiber, 0 Freund, besteht bei mir Zweifel, den lose mir, o Grofsvater.

254 in. Mokshadharma.

Bhishma sprach:

27. (7734.) Indem er die Fehler mit der Wurzel ausrottet, wird einer gereinigten Selbstes von ihnen erlost; er vernichtet das ihm Angeborene, wie Eisen das aus Eisen Bestehende vernichtet, (7735.) und indem er so sein Selbst bereitet hat, geht [das ihm Anhaftende] mitsamt den angeborenen Fehlern zugrunde.

28. Das Rajashafte und Tamashafte, sowie auch das siindlose, dem reinen Selbste Angehorige, (7736.) das alles bildet den Samen der Verkorperten ; das Sattvam hat der Atmanhafte mit ihnen gemeinsam.

29. Darum soil der Atmanhafte das Rajas und das Tamas abstreifen; (7737.) dann gelangt sein Sattvam, von Rajas und Tamas befreit, zur fleckenlosen Reinheit.

30. Hingegen diirfte man sagen, dafs das Vedahafte zur Erlangung des Atman ein schlechter Weg ist, (7738.) vielmehr ist es die Ursache dafiir, dafs man ihn nicht erlangt und ein unreines Gesetz [durch Tieropfer usw.] beobachtet.

31. Das Rajas ist es, durch welches man die mit Un- recht behafteten Werke ergreift (7739.) und auf Zwecke Ge- richtetes iiber die Mafsen verfolgt und alle Begierden.

32. Durch das Tamas hingegen pflegt das, was mit Ge- liisten verbunden ist und aus Zorn entspringt, derjenige, (7740.) der an Schadigung und Zerstreuung sich ergotzt, trage und dem Schlafe ergeb^n.

33. Und endHch, wer im Sattvam feststeht, der schaut die sattvahaften, reinen Gemiitszustande (hhdvaj und griindet sich auf sie; (7741.) dieser ist der fleckenlose, gliicksehge Ver- korperte, begabt mit Glauben und Wissenschaft.

So lautet im Mokshadharma Y&rshneya aU das innere Selbst

( Vdrshneya - adfiydtmam).

Adhyaya 213 (B. 213). 255

Adhyaya 313 (B. 213).

Vers 7742-7763 (B. 1-21).

Bhlshma sprach:

1. (7742.) Durch Rajas wird die Verblendung bewirkt und durch Tamas, o Stier der Bharata's; [aus ihr folgen] Zom, Habgier, Furcht und Hochmut, wer diese zur Ruhe bringt, der ist rein.

2. (7743.) Den obersten, hochsten Atman, den unvergang- lichen, ewigen Gott Vishnu, der im Unentfalteten seinen Stand- ort hat, den wissen sie als den besten Gott.

3. (7744.) In die von ihm ausgehende Illusion fmdydj ver- strickt, der Erkenntnis beraubt und ohne Besonnenheit sind die Menschen; wegen dieser Verblendung ihrer Erkenntnis verfallen sie in Zorn.

4. (7745.) Durch den Zorn geraten sodann in Begierde, in Habsucht und Verblendung die Menschen, in Stolz, Hochmut und Egoismus und durch den Egoismus zu Werken;

5. (7746.) durch die Werke in die Fesseln der Weltliebe, durch die Weltliebe sodann in Kummer, und indem sie von Lust und Schmerz zum Tun angetrieben werden, verstreichen ihnen die Augenblicke des Daseins in Geburt und Ungeburt (Tod).

6. (7747.) Von der Zeugung an das Wohnen im Mutter- leibe, die Entstehung aus Samen und Blut, welche von Kot und Urin benetzt und durch die Entstehung aus dem Blute unsauber ist,

7. (7748.) das sind die Dinge, durch welche der von Be- gierde (trishndj Uberwaltigte gebunden wird, und indem er diese bei sich herumgehen lafst, wird er begreifen : die Weiber sind es, welche das Gewebe des Samsara fortsetzen.

8. (7749.) Sie sind von Natur {prdkrityd mit C.) das Acker- land fhshetramj , die Manner sind ihrem Wesen nach die Kshetrajfia's (Kenner des Ackerlandes, auch Seelen). Darum soil der Mann sie ohne Unterschied ganz besonders meiden.

9. (7750.) Denn verschmitzt sind sie und von schreck- licher Art und betoren den Unkundigen; sie sind ganz in

256 III. Mokshadharma.

Rajas ver sunken und eine ewige Verkorperung der Sinnlich- keit findriydndmj .

10. (7751.) Aus dieser in ihnen verkorperten Leidenschaft als Samen entstehen die Kinder, und wie man die aus dem eigenen Leibe geborenen und doch nicht als das eigene Selbst zu bezeichnenden Wiirmer aus dem Leibe entfernt, (7752.) so soil man die als eigenes Selbst bezeichneten und doch nicht dieses Selbst seienden, Kinder genannten Wiirmer von sich fernhalten.

11. Aus dem Samen und dem Blutsafte entstehen aus dem Korper die Nachkommen, (7753.) sei es durch Naturnot- wendigkeit oder durch den Zusammenhang mit Werken in einer friiheren Geburt ; der Weise wird ihnen keine Beachtung schenken.

12. Das Rajas ist dem Tamas eingefiigt und das Sattvam griindet sich auf das Rajas; (7754.) das [aus alien dreien be- stehende] Unentfaltete ist der Standort des Bewufstseins und hat [potentiell] als Merkmale in sich die Buddhi und den Ahaiikara.

13. Dieses Unentfaltete nennt man den Samen der Ver- korperten, und dieser Same heifst individuelle Seele (jwa)\ (7755.) durch die Werke [in einer friiheren Geburt] im Verein mit der Zeit erhalt sich der Samsara in Umdrehung.

14. So wie die Seele im Traume sich nur mittels des Manas ergotzt, als hatte sie einen Leib, (7756.) so wird sie nur durch die die Werke als Keim habenden Qualitaten in einem Mutterleibe empfangen.

15. Jedes Organ, welches aus dem Werke als Samen zum Aufkeimen gebracht wird, (7757.) das wird aus dem Egoismus (ahanMroJ durch den von Geschlechtstrieb frdgaj erfiillten Willen geboren.

16. Aus dem Verlangen frdgaj nach dem Tone entsteht das Ohr bei der sich gestaltenden Seele (7758.) und aus dem Verlangen nach Gestalten das Auge, aus dem Wunsch zu riechen das Geruchsorgan ;

17. und ebenso verhalt sich zum Beriihren die Haut. ,Der Wind nimmt seinen Standort in Prana und Apana, (7759.) (diese nebst] Vyana, Udana und Samana bewirken zu fiinfen die Erhaltung des Leibes. [

. Adhyaya 213 (B. 213). 257

18. Mit den zugleich entstehenden, aus den Werken ent- spriefsenden Gliedern wird der Mensch von der Korperfiille umhiillt geboren, (7760.) mit den Gliedern, welche Schmerz, korperlichen und geistigen Schmerz, als Anfang, Mitte und Ende haben.

19. Der Schmerz entspringt aus der Anklammerung an das Dasein, und er wird durch den Eigendlinkel gesteigert; (7761.) durch Entsagung wird Befreiung von dem allem er- reicht, und wer die Befreiung erkennt, der wird erlost.

20. Im Rajas nur haben die Organe beides, ihren Ur- sprung und Vergang; (7762.) umsichtig moge der Weise ein- herwandeln, wie es sich gebiihrt, mit der Lehre als Auge.

21. Dann werden die Erkenntnisorgane frei von Begierde nicht mehr nach den Sinnendingen streben, (7763.) und indem sie ihre Organe dahinten lafst, wird die Seele nicht wiederum einen Kiirper anzunehmen brauchen.

So lautet im Mokshadfaarma Varshneya als das innere Selbst C Vdrshneya - adhydtiiiam).

Adhyaya 214 (B. 314).

Vers 7764-7792 (B. 1-29).

Bhishma sprach:

1. (7764.) Nun will ich dir das Mittel verkiinden der Wahr- heit gemafs; wer mit der Lehre als Auge die Prinzipien er- kennend dahinwandelt , o Konig, der wird das hochste Ziel erlangen.

2. (7765.) Unter alien Wesen gilt fiir das hochste der Mensch, unter den Menschen stehen am hochsten die Zwie- geborenen, unter den Zwiegeborenen die Kenner des Veda.

3. (7766.) Sie sind zum Selbste aller Wesen geworden, sind allwissend und allschauend; die Brahmanen, welche die Lehre des Veda kennen, sind iiber den Sinn der Wesenheit zur Gewifsheit gelangt.

4. (7767.) Wie einer, dem das Auge fehlt, auf seiner Wan- derung in Not gerat, so ist in dieser Welt einer, dem das Wissen fehlt. Darum sind die Wissenden den: anderen iiberlegen.

Decssen, Mahabhiratam. J7

258 HI. Mokshadharraa.

5. (7768.) Die Freunde der Satzungen verehren der heiligen Uberlieferung gemafs diese oder jene Satzungen; ihr Ziel ist nicht das gleiche [wie das der Wissenden], aufser dafs sie folgende Tugenden erlangen:

6. (7769.) Reinheit in Rede, Leib und Gedanken, Geduld, Wahrhaftigkeit, Festigkeit und Erinnerung [sind ihnen eigen] ; und die aller Satzungen Kundigen weisen schone Tugen- den auf.

7. (7770.) Aber jene Verkorperung des Brahman, welche Brahmanwandel genannt wird, steht hoher als alle Satzungen, und nur durch diesen geht man den hochsten Gang

8. (7771.) zu demjenigen, welches von der Verkniipfung mit Merkmalen frei und des Tones sowie der Beriihrung er- mangelnd ist, welches durch das Ohr zum Horen und durch das Auge zum Sehen wird,

9. (7772.) welches im Sprechen der Rede sich betatigt, aber dem Verstande entriickt ist. Mit Einsicht soil man sich entschlielsen zu dem siindlosen Brahmanwandel;

10. (7773.) wer ihn vollkommen verwirklicht, der gelangt zur Brahmanwelt, der mittelmafsig Strebende hingegen ge- langt zu den Gottern, und wer nur ein geringes Streben betatigt, der wird als Bester der Zwiegeborenen, als Weiser geboren.

11. (7774.) Schwer zu verwirklichen ist der Brahman- wandel, vernimm das Mittel, welches dazu dient. Wenn das Rajas sich entflammt und machtig emporstrebt, soil der Zwie- geborene es dampfen.

12. (7775.) Einem Gesprache iiber die Weiber soil er nicht zuhoren, sie auch nicht ansehen, wenn sie unbekleidet sind; beim zufalligen Anblicke solcher iiberkommt (durhaldn dviget mit C.) schwache Menschen das Rajas.

13. (7776.) Gerat er in Leidenschaft, so soil er sich der Fastenbufse (kricchra, vgl. Manu XI, 213) unterziehen; wird er sehr von ihr befallen, so soil er sich ins Wasser setzen; geschieht es, wahrend er in Schlaf versunken ist, so soil er in Gedanken dreimal das Siindentilgungsgebet (aghamarshanam, angebhch Rigveda X, 190, vgl. jedoch Brih. Up. 6,4,4-5) murmeln.

14. (7777.) Auf diese Weise wird er die aus dem innern

Adhyaya 214 (B. 214). 259

Rajas entsprungene Siinde verbrennen als ein Verstandiger mittels des mit Erkenntnis begabten angespannten Geistes.

15. (7778.) Wie an eine an Leichen und Unreines schmie- dende, unzerreifsbare Fessel, so soil er sich selbst, der in den Leib eingegangen ist, wissen als an die Fessel des Leibes geschmiedet.

16. (7779.) Den Wind, die Galle, den Schleim, das Blut, die Haut, das Fleisch, die Sehne und den Knochen, das Mark und den ganzen Korper emahren die Safte der Menschen ver- ffiittelst des Adernetzes.

17. (7780.) Man mufs wissen, dafs es im Korper zehn Ge- fafsleitungen gibt, welche den fiinf Sinnen ihre Qualitaten zufiihren; von diesen aus verbreiten sich andere feine Kanale tausendfach.

18. (7781.) So geschieht es, dafs diese Aderfliisse, indem sie die Safte spenden (wohl rasadd zu lesen), den Ozean des Korpers zu ihrer Zeit ernahren wie die Fliisse den Ozean.

19. (7782.) Von ihnen befindet sich eine Ader mitten im Herzen, welche die Wunschleitende fmanovahdj heifst; diese lost bei den Mannern den aus dem Willen entsprungenen Samen aus alien GHedern heraus.

20. (7783.) Von ihr abhangend verbreiten sich die Gefafse in alien Gliedern, indem sie [z. B.] in die Augen gelangen und ihnen die Lichtqualitat zufiihren.

21. (7784.) Gleichwie die in der Milch enthaltene Butter mittels der Quirlstabe herausgequirlt wird, so wird im Korper mittels der aus dem Willen gebildeten Quirlstabe der Same herausgequirlt,

22. (7785.) Und so wie das aus dem Willen entspringende Rajas auch im Schlafe das Manas liberkommt, ergiefst beim Manne die wunschleitende fmanovahdj Ader aus dem Korper den aus dem Willen erzeugten Samen.

23. (7786.) Der heilige Atri, der grofse Weise hat dieses als den Ursprung des Samens erkannt. Weil der Same aus drei Quellen [dem Saft rasa^ der Ader manovahd und dem Willen samJcalpa nach Nil.] entspringt und dabei Indra als Schutzgott hat, darum wird er auch [hier und Vers 8377] In- driyam genannt.

17*

260 ni. Mokshadharma.

24. (7787.) Wer so die Natur des Samens, der die Ver- mischung der Wesen bewirkt, begriffen hat, der wird befreit von Leidenschaft, verbrennt seine Siinden und braucht nicht einen neuen Leib anzunehmen.

25. (7788.) Er erlangt den Gleichgewichtszustand der Guna's [in dem sie zur Ruhe kommen], und indem er, nur den Gang des Leibes unterhaltend, die Lebenshauche in die wunsch- leitende Ader fmanovalidj mittels des Manas hineinstofst, wird er zur Zeit des Endes erlost.

26. (7789.) Es bildet sich das Wissen des Manas und das Manas selbst wird lichtvoll, leidenschaftslos und ewig, nach- dem es in den Hochherzigen durch den Mantra [den Laut om nach Nil.] zur Voilendung gelangt ist.

27. (7790.) Darum soil man, um jenes [Rajas] nieder- zuwerfen, nur fleckenlose Werke tun, dann lafst man Rajas und Tamas hienieden zuriick und wandelt den erwiinschten Weg.

28. (7791.) Dann geht das vom Jiingling erworbene Wissen in die Kraftlosigkeit des Greisenalters ein, und gereift an Ein- sicht erlangt man mit der Zeit geistige Kraft.

29. (7792.) So wie einer auf die Bindung durch die Guna's wie auf einen beschwerlichen Weg, den er hinter sich hat, zuriickblickt, so hat er die Fehler hinter sich gebracht und erlangt die Unsterblichkeit. i

So lautet im Mokshadharma Varshneya als das innere Selbst ( Vdrshneya - adhydtmam).

Adhyaya 315 (B. 215).

Vers 7793-7820 (B. 1-27).

Bhishma sprach:

1. (7793.) Die Menschen , welche den iibel endigenden Sinnendingen anhangen, sinken herab, aber die Hochherzigen, welche nicht an ihnen hangen, gehen den hochsten Gang.

2. (7794.) Von Geburt, Tod, Alter und Schmerzen, von

Adhyaya 215 (B. 215). 261

Krankheiten und geistigen Schwachen die Welt durchdrungen sehend, moge der Weise nach Erlosung streben.

3. (7795.) An Rede, Gedanken und an Leib rein moge er sein, und ohne Selbstsucht, beruhigt, erkenntnisreich , als Bet tier und unbekiimmert wird er glucklich dahinwandeln.

4. (7796.) Und wenn er sich auf einer Anhanglichkeit seines Geistes betrifft aus Mitleid mit den Geschopfen, so moge er auch hierauf keine Riicksicht nehmen, indem er be- greift, dafs die Welt der Lebenden die Frucht ihrer eigenen Werke biifst.

5. (7797.) Was an guten Werken getan worden ist oder je nach Umstanden an bosen, das erntet der Mensch; darum soil man gute Werke vollbringen in Reden {vdg mit C), Ge- danken und Taten.

6. (7798.) Nicht-Sohadigung, Wahrhaftigkeit und Recht- schaffenheit gegen alle Wesen, Geduld und Behutsamkeit, wer diese iibt, der wird gliicklich.

7. (7799.) Darum soil man einen durch Einsicht in Samm- lung gehaltenen Verstand unter den Wesen betatigen; wer diese hochste, alle Wesen erfreuende Pflicht

8. (7800.) als den Ausweg aus dem Leiden erkannt hat, der ist allweise und glucklich; darum soil man einen durch Einsicht in Sammlung gehaltenen Verstand unter den Wesen betatigen.

9. (7801.) Man soil nicht verachten und nicht begehren, nichts Ziigelloses, Ungehoriges denken, dann wird man mit erfolgreicher Anstrengung seinen Geist in der Erkenntnis zur Ruhe bringen, (7802.) dann wird er sich nicht vergeblich mit Reden abmiihen, dann entwickelt sich in lieblicher Weise

10. die Freude am Reden, die heilsame Rede und die Riicksicht auf das verborgene Gesetz; (7803.) dann wird er wahre und heilsame Rede fiihren, welche nicht absprechend ist,

11. welche frei von Schmutz ist, nicht rauh, nicht feind- selig und nicht verleumderisch ; (7804.) derartiges und Spar- liches soil man sprechen mit nicht zerfahrenem Geiste.

12. An Reden gekettet ist der Samsara, und wenn er in leidenschaftlichen Reden sich ergeht, (7805.) so wird er, ob-

2^2 ni. Mokshadbarma.

gleich sein Manas durch Einsicht gefordert ist, dennoch tamas-artige Werke

13. vermoge seiner Organe, die ja aus dem Rajas ent- sprungen sind, in seinem Tun vollbringen. (7806.) Dann gerat er in Leid in dieser Welt und verf allt der HoUe ; darum soil man mit Denken, Rede und Leib die Festigkeit seines Atman betatigen.

14. (7807.) Als eine mannigfach zusaramengesetzte Last tragt man [den Samsara] wie wenn sie von Raubern fort- geschleppt wird in einer Gegend, die sie als gefahrlich er- kennen so tragen unweise Menschen den Samsara.

15. (7808.) Und wie der Rauber ebendiese Last von sich wirft und in eine ungefahrliche Gegend gelangt, so wirft einer die Werke des Rajas und Tamas von sich ab und ge- langt zum Heile.

16. (7809.) In zweifelsfreier Weise, des Strebens ledig und von allem Anhang erlost, abgesondert lebend, wenig essend, Askese iibend und die Sinne bezahmend,

17. (7810.) durch Erkenntnis die Beschwerden verbrannt habend, seines Unternehmens sich freuend und seines Atman sich bewufst, so erlangt man mit nicht abschweifendem Geiste jenes Hochste.

18. (7811.) Voll Festigkeit und seines Selbstes sich be- wufst, soil man frei von Zweifel seine Buddhi ziigeln, soil man das Manas durch die Buddhi ziigeln und die Sinne wiederum durch sein Manas.

19. (7812.) Wenn einer so seine Sinne ziigelt und sie der Herrschaft des Manas unterwirft, dann leuchten die Gott- heiten [der Sinnesorgane] hervor und gehen freudig ein zu ihrem Herrn [dem Manas].

20. (7813.) Und aus dem mit ihnen verbundenen . Manas leuchtet sodann das Brahman hervor, und indem auch das Sattvam nach und nach schwindet, wird man tauglich zur Brahmanwerdung.

21. (7814.) Oder sie kommt nicht zur Entwicklung, dann moge man es durch Fortwebung des Yoga versuchen und das, wodurch dem das Gewebe Fortwebenden ein Erfolg zu- tejl wird , betreiben.

Adhyaya 215 (B. 215). 263

22. (7815.) Auch sind da Korner, Fnichtschleim, Olkuchen, Gemiise und Gerstengriitze, sowie Wurzeln, Friichte und Er- betteltes, das moge er abwechselnd geniefsen.

23. (7816.) Auch eine sattva-artige Beschrankung der Nah- rung nach Ort und Zeit moge man dabei wohlbedachtig be- folgen , dies ist der Entwicklung fdrderlich.

24. (7817.) Was sich entwickelt, das moge man nicht hemmen ; nach und nach wie ein Feuer moge man zum Brennen bringen dies von dem Wissen Begleitete ; dann wird der Sonne gleich das Wissen aufleuchten.

25. (7818.) Das Wissen wird iiberwaltigt von dem Nicht- wissen, alle drei Welten werden von ihm iiberwaltigt und das durch Erkenntnis gewonnene Wissen wird durch das Nicht -Wissen herabgezogen.

26. (7819.) Durch Isoherung und Hingebung ohne Murren erkennt man das Ewige, und die Befreiung von jenen beiden [empirischem Wissen und Nicht- Wissen] erkennend, wird raian frei von Leidenschaft und der Erlosung teilhaft.

27. (7820.) Uber das Leben hinauskommend und Alter und Tod iiberwindend, erlangt er jenes ewige, unsterbliche Brah- man, welches jenes Unzerstorbare und Unvergangliche ist.

Ho lantet im Mokshadharma Ydrehneya als dag innere Selbst C VdrsJmeya - adhydtmam).

Adhyaya 216 (B. 316),

Vers 7821-7841 (B. 1-20).

Bhishma sprach:

1. (7821.) Von dem, welcher einen fleckenlosen Brahman- wandel bestandig zu beobachten wiinscht, mufs mit aller Kraft der Schlaf gemieden werden in Anbetracht der im Traume moglichen Siinden.

2. (7822.) Denn im Traume wird die Seele von Rajas und Tamas iiberwaltigt, und auch einem, der sonst frei von Be- gehren ist, ergeht es, als ware er in einen andern Leib hinein- gefahren.

264 ni. Mokshadharma.

3. (7823.) Weil das Wachen sich um das Wissen bemiiht, findet es um der Forschung willen ununterbrochen statt, und wegen seiner Versessenheit auf die Erkenntnis wacht einer nachtlos immerfort.

4. (78-24.) Hier konnte einer fragen: Was ist das doch fiir ein Zustand, der im Traume gleichsam Objekte schafft, und wo die Seele trotz des Schwindens der Sinne sich bewegt, als geschahe es mit einem Korper.

5. (7825.) Hierauf dient zur Antwort: Wie Hari (Vishnu), der Herr des Yoga, dieses auffafst, dementsprechend schil- dern es zutreffenderweise die grofsen Rishi's.

6. (78-26.) Obgleich die Sinnesorgane ermattet sind, schweift doch der Traum iiberall hin, so sagen die W^eisen; denn da das Manas nicht auch geschwunden ist, so hat es, wie sie sagen, dieses oder jenes Traumgesicht.

7. (7827.) Auch bei dem Wachenden entsteht in dem durch Tatigkeit in Anspruch genommenen Manas die Vorstellung, und je nachdem nun ein Vorwiegen der W^iinsche stattfindet, dementsprechend ergeht sich das Manas im Traume.

8. (7828.) Der von Verlangen beseelte Geist erlangt dabei aus den unzahHgen Lebenslaufen im Samsara jenes Ge- wiinschte, denn der oberste Purusha ist sich alles dessen bewufst, was im Manas verborgen Hegt.

9. (7829.) Oder wenn es von den Guna's herriihren und durch Werke bedingt sein soDte, alles legen die Wesen an den Tag, was und wie es als Manas gestaltet worden ist.

10. (7830.) Dann iiberkommen die aus dem Rajas, Tamas oder auch Sattvam stammenden Qualitaten je nach dem Zu- sammenhang mit ihnen den Menschen, in welchem die Frucht desunmittelbarvorhergehendenLebenszurErscheinungkommt.

11. (7831.) Dann sehen die Menschen wegen ihres Nicht- wissens die aus Wind, Galle und Schleim aufsteigenden [Erscheinungen] vermoge ihrer aus Rajas und Tamas hervor- gegangenen Zustande, und auch derartiges gilt fiir unver- meidUch.

12. (7832.) Alles, was einer als Erzeugnis des Manas vor- stellt, das sieht bei Beruhigung der Sinnesorgane, wenn sich ein Traumbild einstellt, das erregte Manas.

Adhyaya 216 (B. 216). 265

13. (7833.) Uberall hin dringend, bewegt sich in alien Wesen ohne Hindernis das Manas vermoge der Macht des Atman; den soil man wissen [als den eigentlichen Urheber], denn alle Sinnengotter sind im Atman.

14. (7834.) In dem Manas ist eine verborgene Pforte, und in ihm schlummert-, in den Menschenleib eingehend, alles Seiende, Nicht-Seiende und Unentfaltete als Traumgesicht ; (7835.) aber den, welcher als Selbst aller Wesen in den Wesen weilt, diesen weifs man als die Naturbeschaffenheit des innern Selbstes.

15. Und wenn einer mit seinem Manas vermoge seines Wunsches eine gottliche Beschaffenheit zu erlangen wiinscht, (7836.) so wisse er, dafs eine solche auf der Gnade des Atman beruht, denn alle Gotter sind im Atman enthalten.

16. Und so ist das wie eine Sonne jenseits der Finsternis (Tamas) Leuchtende durch Tapas bedingt. (7837.) Es ist die alle drei Welten erschaffende Seele, es ist, wenn die Finsternis gewichen ist, der grofse Herr [der Gott Brahman].

17. Denn das Tapas steht unter dem Schutz der Gotter und das tapas -schadigende Tamas unter dem der Damonen. (7838.) Das ist es, was die Gotter und was die Damonen be- htiten, und seine Kenntnis gilt als das Merkmal des wahren Wissens.

18. Sattvam, Rajas und Tamas weifs man als die Quali- taten der Gotter und Damonen; (7839.) das Sattvam soil man wissen als die Qualitat der Gotter, die beiden anderen als Qualitaten der Damonen.

19. Jenes Brahman ist das hochste Wissen, das unsterb- liche, unvergangliche Licht; (7840.) die, welche es mit be- reitetem Geiste erkennen, gehen den hochsten Weg.

20. Soviel kann man argumentierend mit dem Auge des Wissens erschauen [durch Sankhyam], (784i.) oder auch lafst sich das unvergangliche Brahman erkennen mittels Einziehung der Sinnesorgane [im Yoga].

So lautet im Mokshatlharma Varshiieya als das iunere Selbst (Vdrxhneya - adkijatmam).

266 ni. Mokshadharma.

AdhyAya 317 (B. 217).

Vers 7842-7880 (B. 1-38).

Bhishma sprach:

1. (7842.) Der kennt das hochste Brahman nicht, der nicht die Vierheit [Traum, Tiefschlaf, attributhaftes und attribut- loses Brahman nach Nil.] kennt und das, was als entfaltete und unentfaltete Wesenheit von dem hochsten Weisen ver- kiindet worden ist.

2. (7843.) Das Entfaltete hat als Endpunkt den Tod, das soil man wissen, das Unentfaltete ist die unsterbliche Statte. Die Satzung, welche als Merkmal die Tatigkeit hat, ist von dem Weisen Narayana erklart worden.

3. (7844.) In ihr sei das All gegriindet, die Dreiwelt mit Beweglichem und Unbeweglichem ; hingegen sei die Satzung, welche die Nichttatigkeit als Merkmal habe, das unentfaltete, ewige Brahman.

4. (7845.) Und auch Prajapati hat die Satzung der Tatig- keit erklart: Tatigkeit fiihrt zur Wiederkehr, Untatigkeit fiihrt den hochsten Weg.

5. (7846.) Diesen hochsten Gang weifs der Einsame, welcher die Untatigkeit als Hochstes schatzt, dem die Erkenntnis alle- zeit als hochstes Prinzip gilt, der das Gute und das Bbse iiberschaut.

6. (7847.) Darum soil man diese beiden erkennen, das Un- entfaltete [die Prakriti] und den Purusha, aber auch das- jenige, was vom Unentfalteten und Purusha verschieden und noch grofser als beide ist [das hochste Brahman].

7. (7848.) Diesen Unterschied soil der Weise ganz be- sonders im Auge behalten; jene beiden sind beide ohne An- fang und Ende und beide ohne Merkmale.

8. (7849.) Beide sind ewig und unw^andelbar und grofser als alles, was grofs ist; hierin sind beide gleich, ebenso aber gibt es weiter einen Unterschied zwischen beiden.

9. (7850.) Namlich der Prakriti, welche ihrer Natur nach schopferisch ist und als Wesen die drei Gunas hat, entgegen-

Adhyaya 217 (B. 217). 267

gesetzt ist die Charakteristik des Kshetrajfia (Purusha), das soil man wissen.

10. (7851.) Ihn wisse man als den, welcher die Entfaltungen der Prakriti anschaut und frei von den Guna's ist. Unfafs- bar sind jene beiden Purusha's [der Purusha und das hochste Brahman], weil sie keine Merkmale haben, und beide sind unzusammengesetzt [kein Aggregat].

11. (7652.) Hingegen hat die Geburt als Merkmal die Zu- sammensetzung, und wie sie durch die Werke [einer friihern Geburt] ergriffen wird, so geschieht auch mittels der Organe die Fortentwicklung der Werke und alles dessen, worin der Tater sich betatigt; (7853.) dabei wird er durch Worte und Namen bezeichnet, indem man [unterscheidend] fragt: wer bin ich und wer ist jener dort?

12. Gleichwie einer, der einen Turban tragt, sein Haupt mit drei Tuchstreifen umwickelt, (7854.) so ist auch die ver- korperte Seele umwickelt mit Sattvam, Rajas und Tamas.

13. Darum soil man wissen, dafs die Vierheit [die Seele in ihren vier Zustanden, oben Vers 7842] von den genannten Ursachen [den Guna's] umschlungen ist. (7855.) Je nachdem einer sich dessen richtig bewufst wird, verfallt er zur End- zeit nicht der Verblendung.

14. Nach himmlischer Seligkeit verlangend, moge er mit Hoheit und rein an Geist (7856.) in furchtbaren korperlichen Ubungen ein siindloses Tapas betreiben.

15. Die Dreiwelt ist von Tapas durchdrungen vermoge des in ihr enthaltenen Lichtelements, (7857.) und die Sonne wie der Mond glanzen am Himmel vermoge des Tapas.

16. Dieses Licht des Tapas ist das Wissen, es wird in der Welt als Tapas geriihmt ; (7858.) denn diejenige Tatigkeit, welche das Rajas und Tamas niederschlagt, macht das Wesen des Tapas aus.

17. Der Brahmanwandel und die Nicht-Schadigung heifst das korperliche Tapas, (7859.) die Bezahmung von Rede und Gedanke wird zutreffend das geistige Tapas genannt.

18. Die Nahrung, welche den der Sitte kundigen Zwie- geborenen zu sich zu nehmen erlaubt ist, ist eine besondere,

268 ni. Mokshadharma.

(7860.) und durch Einschrankung der Ernahrung kommt das rajas-artige Bose im Menschen zur Ruhe.

19. Seine Organe gelangen zur Abwendung von der Sinnenwelt, (786i.) darum soil man nur soviel [zur Ernahrung] annehmen, wie zu diesem Zwecke erforderlich ist.

20. Dann wird er zur Zeit des Endes vermoge allmah- licher Steigerung seiner Kraft riistig (786-2.) mit so zuberei- tetem Geiste das Wissen erwerben, welches hinreicht [zur Erlosung].

21. Von Rajas sich befreiend wird dann der Verkorperte, obgleich noch mit dem Korper behaftet, wie ein Ton [im Ather] dahinwandeln, (7863.) und mit einem durch Geschafte nicht mehr gestorten Sinn wird er, leidenschaftslos , wenn auch noch in der Prakriti stehend,

22. vom Korper aus behutsam wandelnd, von dem letzten Reste der Korperlichkeit frei. (7864.) Durch Ursachen bedingt ist jederzeit die Schopfung der Wesen wie auch ihr Vergang.

23. Wenn aber die Erkenntnis des Hochsten eingetreten ist, kehrt die Notwendigkeit [von Geburt und Tod] nicht mehr wieder (7865.) fiir diejenigen, welche Ende und Anfang des Daseins erkennen und unentwegt faviparymjamj [im Yoga] dasitzen.

24. Andere hingegen klammern sich hartnackig an ihre Leiber test, schranken ihre Gedanken auf ihren eigenen Ver- stand ein, (7866.) und von dem schon erreichten Standpunkte herabfallend verehren sie jene [Gotter der Sinnesorgane] wegen deren Feinheit.

25. Und so gehen sie bin, wie sie gekommen sind; in solchem Falle wird die Erkenntnis nur mit dem eigenen Ver- stande [statt durch den Yoga] erstrebt. (7867.) Mancher hin- gegen iiberdenkt wohlbereiteten Geistes das Ende des Leibes, ohne sich auf ihn zu verlassen;

26. andere wiederum sind mit Hingebung und Festig- keit, wie es sich gebtihrt, Verehrer des Realen [des attribut- haften Brahman nach Nil.], (7868.) oder sie beschaftigen sich mit der hochsten Gottheit, mit dem Unverganglichen, das da heifset der Blitz (Vaj. Samh. 32,2 und Kena-Up. 3,29),

27. dieses verehren sie zur Zeit des Endes, nachdem sie

Adhyftya 217 (B. 217). 269

ihre Siinde durch Tapas verbrannt haben. (786!>.) Alle diese Hochherzigen gehen den hochsten Gang.

28. Die feine Verschiedenheit derselben moge man priifen mit dem Auge der Lehre. (787o.) Einen solchen, wenn er das Ende des Leibes erreicht hat, soil man wissen als Hochsten, Erlosten, Anhanglosen,

29. als vom Luftraum noch verschieden [an Grofse], als festhaltend mit seinem Geiste an der Beharrlichkeit. (7871.) Solche also werden von der Welt der Sterblichen erlost, da sie mit ihrem Denken am Wissen festhalten.

30. Zu Brahman geworden und frei von Rajas gehen sie sodann den hochsten Gang. (7872.) So beschreiben das Gesetz als den einzigen Weg die Menschen, welche des Veda kundig sind.

31. Indem sie ihrem Wissen entsprechend die Verehrung iiben, gehen sie alle den hochsten Gang, (7873.) und die, wel- chen das von Triibung freie, unerschiltterliche Wissen zuteil wird, auch diese gehen zu den hochsten Welten; sie werden erlost entsprechend ihrer Kraft.

32. (7874.) Zu dem heiligen, unentstandenen himmlischen Vishnu, der da das Unentfaltete heifst, gehen mit Liebe die, welche rein an Erkenntnis, gesattigt und frei von Wiin- schen sind.

33. (7875.) Und da sie den Hari (Vishnu) als in ihnen selbst weilend erkannt haben, kehren sie nicht zuriick, son- dern sind unverganglich , und jenen hochsten Ort, den un- zerstorbaren, unverganglichen erlangt habend, freuen sie sich.

34. (7876.) Darin besteht diese Erkenntnis, dafs jenes iiber Sein und Nicht -Sein erhaben ist, und dafs die ganze Welt in den Banden des Durstes ftrishndj befangen sich wie ein Rad im Kreise dreht.

35. (7877.) Wie das Fadengewebe der Lotosknollen von einem Ende zum andern den Knollen allenthalben durchzieht, so durchzieht das anfang- und endlose Fadengewebe des Durstes den Korper allezeit.

36. (7878.) Wie ein Nahender mit der Nadel den Faden durch das Gewand hindurch fadelt fsamsdrmjati), so wird das Fadengewebe des Samsara von der Nadel des Durstes durch- zogen.

270 HI. Mokshadharma.

37. (7879.) Wer die erschaffene Welt und die Prakriti und auch den ewigen Purusha in richtiger Weise unterscheidet, der ist frei vom Durst und wird erlost.

38. (7880.) Dieses Erieuchtende, Unsterbliche hat der heilige, weise Narayana aus Mitleid mit den Wesen verkiin- digt, er, der das Ziel der Welt ist.

So laiitet im Mokshadharma Varshneya als das innere Selbst C Vdrs>ineya - adhydtrnain).

Adhyaya 318 (B. 318).

Vers 7881-7929 (B. 1-49).

Yudhishthira sprach :

1. (7881.) Auf welchem Wege, o Kenner der Wege, ist Janaka, der Konig von Mithila, der erlosungskundige, in die Erlosung eingegangen, indem er die Geniisse der Menschen von sich warf?

Bhishma sprach:

2. (7882.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich auf welchem Wege jener des Rechten Kundige zu grofser Gliickseligkeit gelangt ist.

3. (7883.) Der Konig Janaka [nach Nil. ein Nachkomme des Janaka mit Namen Janadeva], der Oberherr des Volkes in Mithila, war dem Nachdenken iiber die Pflichten hin- gegeben, welche iiber die Korperlichkeit hinausfiihren.

4. (7884.) In seinem Hause wohnten bestandig hundert Lehrer, welche, in den verschiedenen Lebensstadien stehend, iiber deren besondere Pflichten Belehrung erteilten,

5. (7885.) Aber mit ihrer Erklarung in betreff des Zu- standes nach dem Tode und der Wiedergeburt nach dem Tode war er, der an der heiligen Uberlieferung Festhaltende, namentlich sofern es sich um das Wesen des Atman han- delte, nicht zufrieden.

6. (7886.) Da geschah es, dafs ein Anhanger des Kapila, ein grofser W^eiser, mit Namen Pancagikha, indem er die ganze Erde durchstreifte, auch nach Mithila kam.

Adhyaya 218 (B. 218). 271

7. (7887.) Dieser war in der Erklarung, welche die Er- kenntnis des Wesens aller Satzungen des Weltverzichts fsannydsaj betrifft, von sehr entschlossener Sinnesart, iiber die Gegensatze erhaben und frei von Zweifeln.

8. (7888.) Er war der, welchen sie als einzig unter den ^¥eisen, als nicht iiberwaltigt von Begierde unter den Men- schen riihmen und welcher dem ewigen Heile, dem unend- lichen, schwer zu erreichenden, nachforschte.

9. (7889.) Und wenn die Sankhya's den Kapila als den hochsten Weisen und Schopferherrn preisen, so glaube ich, dafs jener [Pancagikha] leibhaftig fsvayamj in dessen [Ka- pila's] Gestalt die Welt in Erstaunen setzt.

10. (7890.) Er war der, welchen sie als den ersten Schiiler des Asuri, als den Langlebenden riihmen; der, welcher in dem Lande der funf Strome ein tausendjahriges Somaopfer abgehalten hatte.

11. (7891.) Als er dieses dort abhielt und zu ihm, dem Kapilasprofs , ein grofser Kreis sich scharte, da geschah es, dafs er, der funf Strome der Sinne (Qvet. Up. 1,5) Kundige und in dem fiinftagigen Somaopfer Erfahrene,

12. (7892.) der Fiinfkundige, fiinffach Tatige, Fiinftugend- hafte, PaiicaQikha (Fiinfflammige) Genannte, ihnen verkiindigte das im hochsten Sinne reale Unentfaltete, welches dem Purusha als Standort dient.

13. (7893.) Hatte doch auch schon [sein Lehrer] Asuri, als er wegen seiner Abhaltung einer langen Somafeier und noch mehr wegen seiner Askese befragt worden war, die Ent- faltung von Seele fhshetrajnaj und Leib {hshetramj als ein Gottschauender erkannt.

14. (7894.) Denn was als jenes eine, unvergangliche Brah- man in seinen mannigfachen Erscheinungsformen geschaut wird, dieses Ewige hatte schon Asuri auf diesem Erdkreise ergriffen.

15. (789.5.) Und dessen Schiiler war Paficagikha geworden, seitdem er mit der Milch eines Menschenweibes aufgezogen worden war. Denn zu der Familie [des Asuri] gehorte eine Brahmanin mit Namen Kapila,

16. (7896.) und indem er (PancaQikha] zu ihr in das Ver-

272 UI- Mokshadharma.

haltnis eines Sohnes trat, trank er an den Briisten dieses Weibes; auf diese Weise wurde er der Abstammung von Kapila teilhaft und der unverganglichen Erkenntnis.

17. (7897.) So hat mir der Heilige die Entstehung des Kapilasprosses [Pancagikha] , seine Abstammung von Kapila und seine uniibertreffliche AUwissenheit erklart.

18. (7898.) Zu dem billig denkenden Konig Janaka also war der rechtskundige [Pancagikha], nachdem er die hochste Erkenntnis erkannt hatte, getreten und hatte dessen hundert Lehrer durch seine Argumente in Verlegenheit gebracht.

19. (7899.) Janaka aber, von der Darlegung des Kapila- sprosses ganz entziickt, entliefs seine hundert Lehrer und folgte ihm nach.

20. (7900.) Diesem nun, der aufs beste vorbereitet war und sich pflichtmafsig verneigt hatte, erklarte er [Panca<?ikha] die hochste Erlosung, wie sie im Sankhyam dargelegt wird.

21. (7901.) Und nachdem er das Abstehen von den Kasten besprochen hatte, erklarte er das Abstehe^ von den Werken ; und nachdem er das Abstehen von den Werken besprochen hatte, erklarte er das Abstehen vom Weltall.

22. (7902.) Und auch sie lehrte er, um deren Willen die Befassung mit Pflichten und das Reifen der Frucht der Werke ist, jene kein Vertrauen verdienende, verganglich-schwankende, haltlose Verblendung.

23. (7903.) Namlich: da die Vernichtung in unmittelbarer Wahrnehmung gesehen und von aller Welt bezeugt wird, so ist damit auch der, welcher auf Grund der Schrift behauptet, dafs es ein Hoheres gabe, widerlegt.

24. (7904.) Denn der Nicht-Atman [zu dem man sterbend wird] ist der Tod des Atman, ja schon die Beschwerde, die als Greisenalter auftritt, ist Tod. Und wenn einer aus Ver- blendung an einen Atman glaubt, so ist diese gegnerische Meinung ungereimt.

25. (7905.) Und wenn dem so ware, dann kann auch etwas sein, was nach dem Weltlaufe unmoglich ist, wie wenn einer z. B. behaupten wollte, der Konig hier werde niemals altern und nie sterben.

26. (7906.) Oder behauptet man, dafs es mbglicherweise

Adhyaya 218 (B. 218). 273

so sei Oder nicht so sei, indem ein dafur entscheidendes Merk- mal nicht vorliege, so frage ich, ob man wohl so etwas be- haupten kann, wenn man sich nur an den sichern Gang des Weltlaufs halt?

27. (7907.) Die Wahrnehmung ist denndoch wohl die Wurzel fiir beide, fur die Argumentation und audi fiir die Uberlieferung, und eine heilige Uberlieferung, die mit der Wahrnehmung in Widerspruch steht, sowie auch eine derartige Argumentation sind gar nichts.

28. (7908.) Uberall wo es sich um eine solche Folgerung handelt, sagen wir, fort mit ihr (hritamj und auch mit dem, der sich die Dinge so zurecht legt ! Nein, die Seele ist nichts anderes als der Korper und als solche nach der Meinung der Nihilisten fndstikaj festgestellt.

29. (7909.) Dafiir sprechen : die Samenkraft in dem Feigen- baumkerne, das Vorhandensein der Butter schon in der ver- dauten Nahrung, das Geborenwerden [durch materielle Ur- sachen], die Erinnerung [an materielle Vorgange], der Magnet- stein, der [das Sonnenlicht einsaugende] Suryakantastein und das Verdampfen des Wassers.

30. (7910.) [Auf diese Behauptung des Materialisten er- widert der Idealist:] Sowohl das Verlassen des Leibes [durch die Seele], nachdem der Tod eingetreten ist, als auch, dafs man die [immateriellen] Gotter anruft, dafs die Werke beim Tode zunichte werden miifsten [was durch die Frucht, die sie bringen, widerlegt wird], sind sichere Beweise [fiir die Existenz einer Seele].

31. (7911.) Alle jene Griinde des Gegners grlinden sich auf materielle Vorgange; es ist aber nicht statthaft, das Im- materielle mit dem Materiellen auf gleiche Stufe zu stellen.

32. (7912.) Andere wiederum [nach Nil. die Buddhisten] sagen: Es ist vielmehr das Nichtwissen, welches bei der Neu- geburt die Ursache der Betatigung in Werken ist, es ist viel- mehr Begierde und Verblendung, es ist vielmehr die Khech- tung unter die Siinden.

33. (7913.) Das Nichtwissen, so sagen sie weiter, ist das Ackerland, und das Werk wird dabei al& del* Same betrachtet,

Peussen, Mah&bh^ratain. \^

274 liJ- Mokshadharma.

der Durst ftrishndj ist die Zeugung und das Zusammenkleben dieser [drei] ist die Wiedergeburt.

34. (7914.) Und wenn einer verschwunden oder verbrannt oder zerstiickelt ist und dem Tode verfallen, dann entsteht aus jenem [Zusammenkreben] ein neuer Leib; dieses nennen sie die Wesensvernichtung.

35. (7915.) Und wenn [der Neuentstandene] nach seiner Natur, Geburt, seinen guten Werken und Zwecken ein anderer ist, kann man wohl von einem sagen, er ist derselbe [wie in einer friiheren GeburtJ, oder soil man annehmen, dafs alles durcheinander geht?

3(). (7910.) Und ferner, wenn dem so ware, welches Inter- esse kann man an den Anstrengungen des Schenkens, der Wissenschaft und der Askese haben, wenn das von einem vollbrachie Werk in alles mogliche andere iibergehen kann ?

37. (7917.) Auch wiirde folgen, dafs einer hienieden in- folge des von andern friiher Begangenen (prdkkritaih mit C.) Leiden zu erdulden hatte. Nein! mag einer im Gliick oder im Ungliick leben, mafsgebend fiir das Unwahrnehmbare mufs doch das Wahrnehmbare sein [wo jeder seines Gluckes Schmied ist].

38. (7918.) Wenn dem so ware [konnte der Gegner sagen], dann konnte man auch den Korper mit Morserstosseln zer- stampfen und erwarten, dafs er darauf neu entstiinde. Nein ! das Bewufstsein, welches ein anderes ist, mufs auch ein ver- schiedenes sein, da so etwas [die Fortdauer des vernichteten Bewufstseins in der neuen Geburt] nicht moglich ist.

39. (7919.) Und wie der Augenschein lehrt, dafs Jahres- zeiten, Jahre, ein ganzes Weltalter, dafs Kalte und Warme, Erwiinschtes und Unerwiinschtes dahinschwinden , so ist es auch mit der Wesensvernichtung.

40. (7920.) W^enn einer vom Greisenalter uberkommen wird und dem vernichtenden Tode verfallt, dann stiirzt nach und nach alles, was schwach geworden ist, wie bei einem Hause zusammen.

41. (7921.) Sinnesorgane, Manas, Lebenshauch, Blut, Fleisch und Knochen, alles geht nach und nach zugrunde und kehrt in sein Element zuriick.

Adhyaya 218 (B. 218). 275

42. (7922.) Audi wiirde es eine Unterbrechung des Welt- laufes sein, wenn Schenken und Opferpflicht einen [jenseiti- gen] Lohn brachten, und auf einen Lohn zielen doch die Vedaworte hin, ebensogut wie die weltlichen Bestrebungen.

43. (7923.) So stellen sich bei einem richtigen Denken die vielfachen Griinde ein, und hat man erkannt, dafs dieses so ist und jenes so ist, so gibt es keine Wahrnehmung, die dem widersprache.

44. (7924.) Aber jene [Gegner], welche hin und her iiber- legen und dieser oder jener Meinung zulaufen, werden es ja erleben, dafs einmal ihr Verstand still steht und wie ein Baum hinfallig wird.

45. (7925.) So werden denn alle Menschen durch ihre Zwecke und audi durch Zweckloses gequalt ; durch die Veda- Lehren werden sie [von der Wahrheit] abgelenkt wie Ele- fanten durch ihre Treiber.

46. (792G.) So geschieht es, dafs viele hier, indem sie lechzenden Mundes nach Zwecken trachten, welche ihnen ewige Seligkeit schaffen sollen, sich damit nur in noch grofseres Leid stiirzen ; denn wenn sie auch allem Locken- den entsagen, verfallen sie doch der Herrschaft des Todes.

47. (7927.) Was sollen dem verganglichen Menschen, dessen Leben so unsicher ist, Verwandte niitzen, was ein Anhang, von dem er sich trennen mufs! Ihm, der, alles dieses verlassend, dahingeht und, wenn er dahingegangen ist, nicht wiederkommt!

48. (7928.) Erde, Ather, Wasser, Feuer und Wind er- halten den Korper in seinem Bestande fort und fort. Wer dies bedenkt, wie soUte der sich freuen; dagegen, dafs er verganglich ist, gibt es keinen Schutz.

49. (7929.) Indem der Mannerfiirst [Janaka] dieses un- fehlbare Wort, das untriigliche, hoclist heilsame, dessen Zeuge er geworden war, mit Erstaunen priifend be- trachtete, ging er dazu iiber wiederum in folgender Weise zu fragen.

So lautet im Mokshadbaimu ia der Bede des Pafica(;ikha die Bekampfung der Ketzer

(Pancap'kha-vdkije pdshanda-khandanam).

18*

276 III- Mokshadharma.

Adhyaya 319 (B. 219).

Vers 7930-7983 (B. 1-52).

Bhishma sprach:

1. (7930.) Der Konig Janaka aber, in dieser Weise von dem hochst Weisen belehrt, befragte ihn abermals iiber das Sein Oder Nichtsein nach dem Tode.

Janaka sprach :

2. (7931.) 0 Heiliger, wenn keiner nach dem Tode ein Bewufstsein behalt [wie schon Yajnavalkya Brih. Up. 2,4,12 lehrt], was kann, wenn dem so ist, Nichtwissen oder Wissen fiir eine Bedeutung haben?

3. (7932.) Dann steht es doch fest, dafs alles vernichtet wird, und bedenke auch dieses, o Bester der Zwiegeborenen, welchen Unterschied es dann begriinden kann, wenn einer unbesonnen oder besonnen war.

4. (7933.) Wenn nur bei denen, welche entstanden sind, Nichtvermengung , und bei denen, welche zugrunde gehen, Vermengung [der Individuahtat] stattfindet, fiir wen arbeitet man dann und hofft man dann? Welchen Bescheid kann man der Wahrheit gemafs darauf geben?

Bhishma sprach :

5. (7934. j Zu ihm, der von Finsternis umgeben, verwirrt und gleichsam krank war, sprach, um ihn durch seine Worte wieder zu beruhigen, der Weise Pancagikha folgendermarsen :

6. (7935.) Es steht nicht fest, dafs hienieden alles ver- nichtet wird, und es steht auch nicht fest, dafs es fortbesteht ; jedenfalls ist der Mensch eine Zusammenraffung von Korper, Sinnesorganen und Manas, (7936.) welche gesondert besteht, wenn man sich auch bei den Handlungen wechselseitig auf- einander stiitzt.

7. Die Elemente sind [das Folgende nach C] fiinffach: Wassei , Ather, Wind, Lichtelement fjyotishoj und Erde; (7937.) diese bestehen durch ihre eigene Natur und werden vermoge ihrer eigenen Natur getrennt.

Adhyaya 219 (B. 219). 277

8. Ather, Wind und Hitze, das fliissige und das erdige Element, (7938.) die Zusammenraffung dieser fiinf bildet den Korper und er ist nicht einheitlich.

9. Das Bewufstsein, die Korperwarme und der Korper- wind, diese bilden die dreifache Summe ihrer Produkte; (7939.) die Sinnesorgane und die Sinnendinge, ihre Eigenart, die Wahrnehmung und das Manas, Aushauch und Einhauch und was aus dem allem hervorgeht, das sind die Bestand- teile, welche sich auf jene drei stiitzen.

10. (7940.) Das Horen und Fiihlen, Zunge, Gesicht und Nase, diese fiinf Sinnesorgane sind ihre [der Elemente], das Manas (cittamj als Fiihrer habende Qualitaten.

11. (7941.) Dabei ist ein mit Bewufstsein verbundenes, dreifaches, beharrliches Geistiges (cetand) tatig, welches man bezeichnet als [1] Lust empfindend, [2] Schmerz empfindend, sowie [3] als schmerzlos und lustlos.

12. (7942.) Ton und Beriihrung, Gestalt, Geschmack und Gerucli, diese Wesenheiten dienen bis zum Tode bin als fiinf oder [mit Einschlufs der Funktion des Manas] als sechs Qualitaten dem Vollbringen der Erkenntnis.

13. (7943.) Neben ihnen steht die Ausbreitung der Werke [durch die Karmendriya's] und die Feststellung der Bedeutung aller Wesenheiten [durch die Buddhi]; diese nennt man das hochste Reine, audi Buddhi, und das grofse Unvergangliche.

14. (7944.) Wer dieses Aggregat der Guna's [Sattvam, Rajas, Tamas] als das Wesen des Atman ansieht, fiir den kommt, weil er die Dinge unrichtig sieht, unendliches Leiden nicht zum Aufhoren.

15. (7945.) Wer sie hingegen als das Nichtselbst erkennt und spricht: sie sind nicht ich und sind nicht mein, auf welchen Grund sich stiitzend konnte dann die Fortsetzung des Leidens von statten gehen?

16. (7946.) Nunmehr sollst du die allerhochste Entsagungs- lehre, welche den Namen „die alles zermalmende" fiihrt, ver- nehmen, welche ausgesprochen zu deiner Erlosung dienen wird.

17. (7947.) Diese Entsagung in bezug auf alle, auch auf die [als Pflicht] auferlegten Werke, gilt jederzeit unter den Irregeleiteten fiir eine schmerzvoUe Plage.

278 in. Mokshadharma.

18. (7948.) Im Verzicht auf die Opfersubstanzen bestehen die Werke, im Verzicht auf das Genielsen die Geliibde, im Verzicht auf Lust besteht Askese und Hingebung, im Ver- zicht auf alles die hochste Erringung.

19. (7949.) Zu diesem Verzichten auf alles wird dieser und kein zweiter Weg gelehrt, der zum Aufgeben des Leidens fiihrt, auf anderm Wege diirfte es schwer erreichbar sein.

20. (7950.) Nachdem ich die fiinf Erkenntnisorgane ge- nannt habe, zu welchen sich im Bewufstsein Manas als sechstes gesellt, so will ich nunmehr die fiinf Tatorgane aufzahlen, zu welchen sich die Kraft fhdlamj als sechstes gesellt.

21. (7951.) Die Hande sind das Organ des Handelns, die Fiifse das Organ des Gehens, der Penis das der Zeugung und Wollust, der Anus ist das Organ der Entleerung.

22. (795-2.) Die Rede endlich dient zur Artikulierung der Tone, so wird sie [die Tat] von den fiinf Organen geleitet. Das also sind die elf Organe. Man soil das Manas alsbald mitsamt der Buddhi von sich loslosen.

23. (7953.) Die Ohren, der Ton und der Verstand fcittam = manasj, diese drei [wirken zusammen] beim Auffassen durch das Gehor; entsprechend ist es beim Fiihlen, ent- sprechend beim Sehen, entsprechend beim Schmecken und Riechen.

24. (7954.) So sind diese fiinf Qualitaten dreifach zum Zwecke ihrer Auffassung, weil sich dieses dreifache Zusammen- wirken der Reihe nach bei ihnen einstellt.

25. (7955.) Als sattva-artig, rajas -artig und tamas-artig, als diese drei treten hervor, indem sie alles zustande bringen, [jene Wesenheiten] in welchen somit ein dreifaches Empfinden herrscht.

26. (7956.) Als Freude, Befriedigung , Wonne, Lust und beruhigtes geistiges Verbal ten, mogen sie nirgendwoher oder irgendwoher stammen, als diese wird der sattva-artige Guna gedacht.

27. (7957.) Unbefriedigtheit, Qual, Kummer, Begierde und Unduldsamkeit, diese treten hervor als Merkmale des Rajas, mogen sie einen [aufsern] Grund haben oder nicht.

28. (7958.) Nichtunterscheidung, Verblendung, Unbesonnen-

Adhyaya 219 (B. 219). 279

heit, Schlaf und Schlaffheit, wie sie auch immer [entstanden J sein mogen, sind die mannigfachen Qualitaten des Tamas.

29. (7959.) Was nun mit Befriedigung verkniipft ist, sei es im Korper, sei es im Geiste, das ist der sattva-artige Zu- stand, dementsprechend hat man dieses zu beriicksichtigen.

30. (7960.) Was aber mit Nichtbefriedigung verbunden ist und einem IJnlust bereitet, in diesem tritt das Rajas her- vor; da dem so ist, moge man auch dies bedenken.

31. (7961.) Was aber mit Verblendung verbunden ist, sei es im Korper, sei es im Geiste, was des Nachdenkens und des Bewufstseins entbehrt, das soil man als das Tamas be- trachten.

32. (7962.) Das Gehor stiitzt sich auf den Ather und der Ton stiitzt sich auf das Gehor ; jene beiden [Ather und Gehor] werden bei Erkenntnis des Tones nicht bewufst, mag dabei das Bewufstsein [mana^] tatig sein oder das Gegenteil statt- finden.

33. (7963.) Ebenso [namlich dafs nur die Empfindung, nicht aber das Element und die ihm entsprechende Tatig- keit in das Bewufstsein treten] steht es mit Haut, Augen, Zunge und Nase als funftem bei dem Fiihlen, Sehen, Schmecken und Riechen ; sie alle sind Bewufstsein, das Bewufstsein aber ist Manas.

34. (7964.) Bei diesen Zehnen findet ein mit ihrer Tatig- keit gemeinsames Wirken [des Manas] statt. Dieses, das Erkenntnisorgan fcittam = manasj soil man wissen als elftes, und die Buddhi ist das zwolfte.

35. (7965.) Wenn diese [Buddhi, Manas und Sinne] nicht zusammen wirken , so liegt es daran, dafs das Tamas-artige nicht beseitigt worden war; besteht aber ihr gemeinsames Wirken, so ist das die normale Betatigung.

36. (7966.) Aber auch der, welcher die schwer erkenn- baren Sinnesorgane infolge vorheriger Belehrung durch den Veda wahrnimmt und iiberdenkt, kommt zu keiner voll- standigen Erfassung, solange er mit den drei Guna's be- haftet ist.

37. (7967.) Dasjenige Manas fcittamj namlich, welches vom Tamas behindert, [vor-] schnell zusammenfassend und up-

280 III. Moksliadharma.

-sicher, ein Aufhoren [des Zusammenwirkens] im Korper ver- schuldet, das nennen die Weisen ein tamas-behaftetes.

38. (7968.) Und auch jenes Manas, welches auf Grund der heiligen Uberlieferungen nicht das Elend [des irdischen Da- seins] iiberblickt, nimmt auch hier [wie bei Betrachtung der irdischen Realitat] nur gleichsam das durch Tamas sich ent- faltende Unwahre [der vedischen Theologie] wahr.

39. (7969.) Der hiermit dargelegte, auf den eigenen Werken [einer friihern Geburt] sich griindende Guna [das Tamas] bleibt zuweilen vollstandig herrschend, wahrend er bei einigen schwindet.

40. (7970.) Somit bezeichnen die nach der innern Seele Forschenden das [korperhche] Aggregat als den Ort fksetramj ; hingegen wird die im Geiste ruhende Wesenheit [des Purusha] der Ortskenner fhshetrajnaj genannt.

41. (7971.) Aber da dem so ist, worin besteht die Los- losung, und wie kann sie ewig sein, da doch alle Geschopfe aus ihrer eigenen Natur heraus und infolge von Griinden [ihrer AVerke in einer friihern Geburt] sich betatigen miissen?

42. (7972.) Wie die zum Ozean eilenden Fliisse ihre Formen und Namen aufgeben [Mund. Up. 3,2,8], und die Stromungen des Ozeans dieselben in sich aufnehmen, so ist die Wesens- vernichtung zu denken.

43. (7973.) Da dem so ist, woher kann dann aber im Zu- stande nach dem Tode wiederum ein [individuelles] Bewufst- sein entstehen, da die Seele doch [mit dem All] verfliefst und vollstandig [von dem All] umschlungen wird.

44. (7974.) Wer diese Erkenntnis von der Erlosung besitzt und frei von Unbesonnenheit nach dem Atman forscht, der wird nicht mehr von den unerwiinschten Friichten der Werke befleckt, dem Blatte der Lotospflanze vergleichbar, wenn es mit Wasser benetzt wird.

45. (7975.) Wenn der Mensch befreit von den starken Fesseln, geschmiedet durch die Familie und den Gottes- dienst, Lust und Schmerz hinter sich lafst, dann geht er, erlost und frei von Charaktereigenschaften, den hochsten Gang.

46. (7976.) Gestiitzt auf die Autoritat der Schrift und

Adhyaya 219 (B. 219). 281

die Verheifsungen der heiligen Lehre bleibt er ruhig und lafst sich durch die Furcht vor Alter und Tod nicht mehr schrecken. Sein gutes Werk schwindet, sein boses hat ihn verlassen und die dadurch bedingte Frucht ist ver- nichtet. (7977.) Und so geht er ein zu dem fleckenlosen, merkmalfreien Ather, und in ihm weilend verharrt er in dem Grofsen als ein Schauender und frei von Anhanglichkeit.

47. Wie eine sich hin und her wendende Spinne, wenn ihr der Faden bricht, herabgefallen in Ruhe ver- weilt, (7978.) so lafst der Erloste das Leid fahren und zer- stiebt wie ein Erdklofs, wenn er auf einen Stein trifft [Brih. Up. 1,3,7].

48. Wie der Hirsch, wenn er sein altes Geweih ab- wirft, wie die Schlange, wenn sie ihre Haut (7979.) ab- streift, fortgeht, ohne zuriickzublicken , so wirft der Er- loste das Leid von sich.

49. Wie der Vogel einen ins Wasser stiirzenden Baum verlafst und herabfliegt, ohne sich an ihn zu halten, (7980.) so verlafst jener [Erloste] Lust und Leid und geht von ihnen befreit ohne Charaktereigenschaften den hoch- sten, allerhochsten Gang.

50. (7981.) Auch gibt es ein Lied, welches von einem Fiirsten von Mithila gesungen wurde, als er sah, wie seine Stadt vom Feuer verzehrt wurde: „Furwahr, da brennt nichts von dem Meinigen !" Dieses sprach der Fiirst des Landes selbst.

51. (7982.) Als der Konig diese nektargleiche Rede ge- hort hatte, welche von Paficaqikha selbst zu ihm ge- sprochen worden war, da priifte er alles und wurde sich klar iiber seinen Zweck und wandelte hin, hochbegliickt und frei von Kummer.

52. (7983.) W^er diese Darlegung iiber die Erlosung rezitiert, o Yudishthira, und sie ebenso wie jener immer- fort im Sinne hat, der erfahrt keine Widerwartigkeiten, keine Leiden und wird erlost wie der Konig von Mithila, als er sich an den Kapilasprofs gewandt hatte.

So laiitot im Moksbadharma die Rede des Pafica(,ikha (ranca^il-lia - vdkyam).

282 in. Mokshadharma.

Adhyaya '^'^O (B. '^'>0).

Vers 7984-8003 (B. 1-20).

Yudhishthira sprach :

1. (7984.) Durch welches Tun eriangt man Lust, durch welches Tun eriangt man Leid, durch welches Tun wandelt der Vollkommene furchtlos in der Welt, o Bharata?

Bhishma sprach:

2. (7985.) Die Selbstzucht ist es, welche die dem Schrift- wort nachdenkenden Alten anempfehlen sowohl alien Kasten als auch besonders den Brahmanen.

3. (7986.) Wer keine Selbstzucht besitzt, dem geht das Gedeihen [diesem Mangel] entsprechend nicht vonstatten; Werk, Askese und Wahrhaftigkeit, das alles ist in der Selbst- zucht begriindet.

4. (7987.) Die Selbstzucht steigert die Energie, die Selbst- zucht wird ein Lauterungsmittel genannt ; frei von Siinde und Furcht fmdet der Selbstzucht iibende Mensch das Grofse.

5. (7988.) Mit Lust schlaft ein, wer die Selbstzucht be- sitzt und mit Lust wacht er wieder auf; mit Lust verkehrt er in der Welt und sein Gemiit ist in Ruhe.

6. (7989.) Die Energie wird durch Selbstzucht aufrecht erhalten, und wer durch sie energisch geworden, kommt zu Gelingen; in sich selbst sieht er allezeit viele und mannig- fache Feinde.

7. (7990.) Wie vor Raubtieren fiirchten sich die Wesen stets vor denen, die keine Selbstzucht besitzen, und um sie zu ziigeln, ist der Konig von dem Schopfer erschaffen worden.

8. (7991.) Hoher als alle [vier] Lebensstadien steht die Selbstzucht, und die Frucht, welche an die Pflichterfiillung in ihnen sich kniipft, wird in noch hbherem Malse dem Selbst- zucht Ubenden zuerkannt.

9. (7992.) Ich will die Merkmale derjenigen verkiindigen, die in der Selbstzucht Erfolg haben ; sie sind Nichtkleinmiitig- keit, Nichtungestiim , Zufriedenheit und glaubige Gesinnung,

10. (7993.) Freiheit von Zorn, bestandige Geradheit, ohne

Adhyaya 220 (B. 220). 283

Grofssprecherei und Hochmut, Ehrung des Lehrers, Nicht- norgeln, Mitgefiihl mit den "Wesen und Freiheit von Hinterlist,

11. (7994.) Enthaltung von Klatscherei, Liige, Lob und Tadel. Nur nach dem Guten begehrend sei sein Trachten, nicht [richte er] sein Verlangen auf erhoffte Dinge.

12. (7995.) Sein Umgang sei mit solchen, die keine Peind- schaft hegen, gleichmiitig bleibe er bei Tadel und Lob, von gutem Wandel, charaktervoll, beruhigten Geistes, seiner selbst gewifs und sich beherrschend.

13. (7996.) Dann wird er freundliche Behandlung erfahren und nach dem Tode in den Himmel eingehen; er hilft alien Wesen bei dem, was ihnen Schwierigkeiten macht, und ist voll Freudigkeit und begliickt.

14. (7997.) Wer, so bedacht auf das Wohl aller Wesen, keinen Menschen hafst, der wird, wie ein grofser See von Wellen nicht bewegt, an Erkenntnis sich sattigend in Ruhe verharren.

15. (7998.) Wer sich nicht raehr vor den Wesen furchtet, und vor welchem alle Wesen sich nicht mehr fiirchten, der wird von ihnen alien geehrt, der ist selbstzuchtbesitzend und weise.

16. (7999.) Er freut sich nicht, wenn er Grol'ses erreicht hat, er klagt nicht, wenn ihn ein Ungliick trifft, so ist er mit seinem Wissen sich bescheidend, so wird er ein Selbst- zucht iibender Brahmane genannt.

17. (8000.) Mit Schriftwissen begabt, von guten Werken umgeben und rein und allezeit in Zucht sich haltend, ge- niefst er ihre grofse Frucht.

18. (8001.) Nicht -Norgeln, Nachsicht, Gemiitsruhe, Zu- friedenheit und freundliches Reden, Wahrhaftigkeit , Frei- gebigkeit und Kummerlosigkeit, das ist der Weg, den Ubel- gesinnte nicht zu finden wissen.

19. (8002.) Begierde und Zorn, Habsucht, Neid gegen andere, Prahlerei, Begierde und Zorn bemeistert er, keusch und die Sinne bezahmend,

20. (8003.) so schreitet mutig dahin in der furchtbaren Finsternis der Brahmane mit scharfem Gelubde ; seine Stunde

284 ni. Moksliadharma.

ersehnend moge er in der Welt wallen, ohne Mifserfolg, seines Atman gewifs.

So lautet im Mokshadharma der I'reia der Selbstzucht (dama -pra^amsd).

A€lhyaya 331 (B. 331).

Vers 8004-8020 (B. 1-17).

Yudhishthira sprach:

1. (8004.) Dafs die in einem Geliibde begriffenen Zwie- geborenen in der bekannten Weise die Opferspeise geniefsen als Nahrung, dem Brahmanenbrauche zuliebe, wie ist das zu beurteilen, o Grofsvater?

Bhishma si^rach :

2. (8005.) Sowohl diejenigen, welche die im Veda be- fohlenen Geliibde nicht betreiben und essen, indem sie ihren Geschaften nachgehen, als audi diejenigen, welche den Veda- worten entsprechend essen, beide sind ihrem Geliibde ab- triinnig geworden (lies mit C. : luptd/j), o Yudhishthira.

Yudhishthira sprach : .

3. (8006.) Das Fasten, was das gemeine Volk so mit dem Namen des Tapas (Askese) bezeichnet, ist dieses das Tapas, o grofser Konig, oder wenn nicht, was ist denn Tapas?

Bhishma sprach:

4. (8007.) Was die Leute fiir Tapas halten, indem man einen Halbmonat durch fastet, das ist vielmehr nur eine Schadigung des Leibesbestandes und wird von guten Men- schen nicht als Tapas angesehen.

5. (8008.) Entsagung und Demut, diese gelten als hochstes Tapag; [wer sie hat] der hat das fortwahrende Fasten, der hat die bestandige Keuschheit.

6. (8009.) Bin Einsamer sei allezeit der Brahmane, eine Gottheit sei er allezeit, fiir seine Familie sorgend, seine Pflicht liebend allezeit und ohne Schlafrigkeit, o Bharata.

7. (8010.) Allezeit enthalte er sich der Fleischnahrung,

Adhyaya 221 (B. 221). 285

allezeit wirke er lauternd, allezeit labe er sich an Amritam, indem er Gotter und Gaste ehrt.

8. (8011.) Allezeit nahre er sich von Restspeise, allezeit erfiille er das Gastgeliibde ; glaubig sei er allezeit, voll Ehr- erbietung gegen Gotter und Brahmanen.

Yudhishthira sprach:

9. (8012.) Wie kann er das fortwahrende Fasten, wie kann er die bestandige Keuschheit haben, wie kann er allezeit Restspeise essen und das Gastgeliibde erfiillen?

Bhishma sprach:

10. (8013.) Wer zwischen der Morgenmahlzeit und der Abendmahlzeit zwischendurch nicht nochmals ifst, der hat das fortwahrende Fasten.

11. (8014.) Wenn er zur gesetzten Zeit die Gattin besucht, dann hat der Brahmane die bestandige Keuschheit, der Mann, welcher immerdar die Wahrheit redet und immer der Er- kenntnis obliegt.

12. (8015.) Er soil nicht ohne Not Fleisch essen oder auch der Fleischnahrung sich ganz enthalten, immerfort spendend und lauternd, nicht schlafrig und nicht bei Tage schlafend.

13. (8016.) Wer immerfort nur dann ifst, nachdem seine Leute und seine Gaste gesattigt sind, der labt sich an reinem Amritam, das wisse, o Yudhishthira.

14. (8017.) Der Zwiegeborene, welcher allezeit nicht ifst, bevor jene gegessen haben, der hat durch dieses Nichtessen sich den Himmel erworben.

15. (8018.) Wer das von Gottern, Vatern, Angehorigen und (jrasten Ubriggelassene ifst, der heifst ein Restspeise-Esser.

16. (8019.) Die so leben, denen gehoren die unendlichen Welten, und mit Gott Brahman denselben Sitz teilend, wan- deln sie, von Apsaras bedient, als Himmelsbewohner umher.

17. (8020.) Sie, welche in Gemeinschaft mit den Gottern und Vatern geniefsen, die freuen sich an Kindern und Kindes- kindern und ihrer ist der hochste Gang.

So lautet im Mokshadharma die Frage nacb dem Amritam (anirita prdgnikam).

286 III. Mokshadliarma.

Adhj aya '422 (B. 222).

Vers 8021-8057. (B. 1-37.)

Yudhishthira sprach:

1. (8021.) Das in dieser Welt begangene Werk, sei es gut Oder bose, welches den Purusha (Mensch, Seele) bindet durch Bindung an die Frucht, o Bharata,

2. (8022.) ist dessen Tater der Purusha oder nicht? Dar- iiber besteht Zweifel; dieses wiinsche ich der Wahrheit ge- mafs von dir, o Grofsvater, zu vernehmen.

Bhishma sprach :

3. (8023.) Auch dariiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich, o Yudhishthira, die Unterredung zwischen Prahrada und Indra.

4. (8024.) Den nicht anhanglichen , von Bosem befreiten aus guter Familie geborenen, der Schrift sehr kundigen, an- spruchslosen , selbstlosen, in der Wahrheit festen, sich an Verpflichtung freuenden,

5. (802.'>.) Tadel und Lob gleichachtenden , bezahmten, in einem einsamen Hause wohnenden, Ursprung und Vergang der beweglichen und unbeweglichen Wesen kennenden,

6. (8026.) nicht ziirnenden und nicht sich freuenden iiber Liebes und Unliebes, auf beides, mochte es Gold oder Erd- klumpen sein, gleichmafsig blickenden,

7. (8027.) in der Erkenntnis des Seelenheils festen, Klar- heit errungen habenden, das Hochste und Tiefste unter den Wesen kennenden, alles wissenden, auf alles gleichmiitig blickenden,

8. (8028.) diesen Prahrada, wie er einsam und mit be- zahmten Sinnen dasafs, suchte, um seine Erkenntnis zu er- lernen, der Gott Qakra, (Indra) auf und sprach zu ihm:

9. (8029.) Alle Tugenden, um deren willen ein Mann in der Welt geehrt wird, o Konig [nripa mit C), alle diese Tugenden sehen wir unverlierbar, o Herr, verwirklicht in dir.

10. (8030.) Und auch dein Bewufstsein erscheint [so rein],

Adhyaya 222 (B. 222). 287

wie das der Kinder zu sein pflegt. Der du den Atman iiber- denkst, was haltst du hienieden fiir das Heil?

11. (8031.) Mit Stricken gebunden, aus deiner Stellung verstofsen, in die Hand deiner Feinde gegeben und vom Gliick verlassen, o Prahrada, bist du in einer beklagens- werten Lage und klagst doch nicht.

12. (8032.) Kommt es daher, weil du die Erkenntnis ge- wonnen hast, o Daityafiirst, oder wegen der Festigkeit deines Charakters, dafs du, o Prahrada, wohlgemut bleibst, obgleich du dich selbst im Ungliick siehst?

V6. (8033.) Als der Weise, zur Klarheit Gekommene mit diesen Worten von jenem [Indra] angespornt worden war, da antwortete er mit sanfter Stimme, indem er seine Er- kenntnis an den Tag legte.

Prahrada sprach:

14. (8034.) Wer das Entstehen und Vergehen der Wesen nicht begreift, der mag wegen seiner Torheit dariiber staunen, wer sie begreift, der wird nicht staunen.

15. (803o.) Vermoge der Natur fsvabJidva =^ pralcritij ent- stelit und vergeht alles, was ist und nicht ist; fiir den Purusha aber gibt es keinen Zweck.

16. (8036.) Und da es keinen Zweck des Purusha gibt, so ist kein Purusha je ein Tater, aber obgleich er selbst nie- mals ein Tater ist, so besteht doch hienieden der Wahn, als wenn er es sei.

17. (8037.) Wer nun seinen Atman fiir den Tater halt des Guten oder Bosen, dessen Bewufstsein ist mangelhaft und erkennt die Wahrheit nicht, so meine ich.

18. (8038.) Ware, o Qakra, der Purusha der Tater, dann wiirden unfehlbar die von ihm zu seinem Gliicke gemachten Anstrengungen zum Ziele fiihren, und er wiirde niemals dies Ziel verfelilen.

19. (8039.) Abwendung des Unerwiinschten und Nicht- Abwendung des Gewiinschten zeigt sich ja als Ziel bei alien Strebenden; wie sollte also der Purusha ein Ziel verfolgen!

20. (8040.) Ein Zustandekommen des Unerwiinschten und ebenso ein Gelingen des Erwiinschten sehen wir bei manchen

288 ni. Mokshadhaj-ma.

ohne Anstrengung eintreten; dies gescliieht durch die Natur fsvahJidvaJ.

21. (8041.) Manche, die wohlgestalteter und verstandiger sind, miissen, wie die Erfahrung zeigt, von Mifsgestalteten und weniger Verstandigen die Eriangung von Giitern erbitten.

22. (8042.) Wo nun alle Eigenschaften, die guten wie die schlechten, nur in die Erscheinung treten, indem sie durch die Natur in Gang gebracht werden, wie konnte da irgend jemand Grund haben, auf etwas stolz zu sein!

23. (8043.) Alles dies wird durch die Natur bewirkt, dies ist meine feste Uberzeugung , welche sich auf den Atman griindet, und fiir mich gibt es keine andere Erkenntnis als diese.

24. (8044.) Andrerseits besteht die Ansicht, dafs das Er- langen einer guten oder bosen Frucht durch [friihere] Werke bedingt sei; darum will ich dir die ganze Tragweite der Werke erklaren, vernimm sie von mir.

25. (804.5.) So wie eine Krahe, indem sie ifst, das Vor- handensein von Nahrung [den anderen Krahen] kundmacht, so bekunden alle Werke nur die Natur [aus der sie hervor- gehen].

26. (8046.) Wer nur die Entfaltungen erkennt und nicht die hochste Prakriti, der mag wegen seiner Torheit dariiber staunen, wer sie begreift, der wird nicht staunen.

27. (8047.) Fiir einen, der mit Sicherheit begreift, dafs alles Seiende auf der Welt nur aus der Natur hervorgehe, was kann dem noch Stolz oder Hochmut anhaben?

28. (8048.) Ich kenne alle Pflichtvorschriften und auch die Verganglichkeit der Wesen , darum, o Qakra , trauere ich nicht, denn alles, was auf dieser Welt existiert, geht einmal zu Ende.

29. (8049.) Frei von Selbstsucht und Ichbewufstsein, ohne Wiinsche, von Banden frei, in mir selbst gegriindet und los- gelost, schaue ich hin auf Entstehen und Vergehen der Wesen.

30. (8050.) Wem die Erkenntnis geworden ist, wer be- zahmt, frei vom Durst (trishndj und frei von Wiinschen ist, fiir den, o Qakra, gibt es kein Bemiihen mehr, indem er die unvergangliche Statte schaut.

Adhyaya 222 (B. 222). 289

31. (8051.) In der Prakriti und in dem, was aus ihr ent- standen ist, ist nichts, das ich liebte oder liafste, ist nie- mand, den ich fiir einen Feind hielte oder der auf mich An- spriiche erheben konnte fmamdyatej.

32. (8052.) Nicht in der Hohe, nicht in der Tiefe, noch in der Mitte irgendwo ist etwas, das ich begehrte, o Qakra, nichts habe ich zu tun mit den Gegenstanden der Erkenntnis, nichts mit der Erkenntnis und dem Wissen.

^akra sprach:

33. (8053.) Wodurch diese Erkenntnis gewonnen, wodurch diese Kuhe erlangt wird, das Mittel sage mir an, der ich dich geziemend frage, o Prahrada.

Prahr§,da sprach:

34. (8054.) Durch Geradheit, durch Besonnenheit , durch Heiterkeit, durch Selbsthaftigkeit und durch Beachtung dessen, was die Alten lehrten, o Q'akra, erlangt der Mensch das Grofse.

35. (8055.) Durch die Natur fsvabhdvaj erlangt man die Erkenntnis, durch die Natur gelangt man zur Beruhigung, durch die Natur nur besteht diese ganze Welt und alles, was du erblickst.

36. (8056.) Als der Fiirst der Daitya's so gesprochen hatte, geriet Qakra in Erstaunen, und voll Freude, o Konig, zollte er dieser Rede Verehrung.

37. (8057.) Und nachdem er den Daityafiirsten gepriesen hatte, nahm er, der Herr und Gebieter der drei Welten, von dem Fiirsten der Damonen Abschied und begab sich in seine Behausung.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwiscben (^'akra und Prahr&da (Qakra - Prahrdda - samvdda).

Deussen, Mah&bh^ratam. 19

290 HI- Mokshadharma.

Adhyaya 22li (B. 22ii),

Vers 8058-8087 (B. 1-30).

Yudhishthira spracli :

1. (8058.) Wie beschaffen ist das Bewufstsein, mit welchem ein Fiirst, der aus seiner gliicklichen Lage gestiirzt wurde, auf der Erde lebt, nachdem er durch die Schlage des Kala (der Zeit) zermalmt ist? Das sage mir, o Grofsvater.

Bhishma sprach:

2. (8059.) Auch dariiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich die Unterredung des Vasava (Indra) mit Bali, dem Sohne des Virocana.

3. (8060.) Dem Urvater sich nahend und vor ihm mit zu- sammengelegten Handen niederfallend, befragte ihn Vasava, nachdem er schon alle Damonen besiegt hatte, nach dem Bali.

4. (8061.) Ihn, dem sein Reichtum, obwohl er ihn abgab, niemals verloren ging, diesen Bali fmde icli nicht, o Gott Brahman; sage mir, wo Bali weilt.

5. (8062.) Er ist der Windgott und ist Varuna, ist die Sonne und ist der Mond, er warmt als Agni die Wesen und er ist auch das Wasser.

6. (8063.) Diesen Bali finde ich nicht, o Gott Brahman; sage mir, wo Bali weilt. Er geht [als Sonne] unter und er erhellt die Weltgegenden.

7. (8064.) Er lafst den Regen regnen je nach der Zeit un- ermiidlich. Diesen Bali finde ich nicht, o Gott Brahman; sage mir, wo Bali weilt.

Uer Gott Brahman sprach:

8. (8065.) Es ist dir nicht gut, o Machtiger, dafs du nach ihm fragst; aber wenn man gefragt wird, soil man nicht die Unwahrheit sagen, darum will ich dir sagen, wo Bali weilt.

9. (8066.) Mag er unter den Kamelen zu finden sein oder unter den Rindern, den Eseln oder den Pferden, er wird als der Beste seiner Art in einem leeren Hause [als Einsiedler] weilen, o Gemahl der Qaci.

Adhyaya 223 (B. 223). 291

(,"akra (Indra) spracli:

10. (8067.) Wenn ich, o Gott Brahman, mit dem Bali in einem leeren Hause zusammentreffe, soil ich ihn dann toten, Oder soil ich ihn nicht toten? Dariiber, o Brahman, be- lehre mich,

Der Gott Brahmau sprach:

11. (80(5S.) Nicht mogest du, o (^akra, den Bali toten, nicht verdient Bali getotet zu werden, vielmehr nach seiner Lebens- regel, o (^akra, magst du ihn, soviel es dir beliebt, fragen, o Vasava.

Bhishma (der Erzahler) sprach:

12. (8069.) Nachdem der Heilige so zu ihm gesprochen hatte, durchstreifte der grofse Indra auf dem Kiicken seines Elefanten Airavata die Erde, von Herrlichkeit umgeben.

13. (8070.) Da sah er den Bali, in die Gestalt eines Esels gehiillt, so, wie es ihm von dem Heiligen beschrieben worden war, in einem leeren Hause wohnend.

Qakra sprach :

14. (8071.) Der du in den Mutterschofs einer Eselin ge- raten bist und Getreidehiilsen verzehrst, o Danava, wird diese deine ganz niedrige Geburt von dir beklagt oder nicht?

15. (8072.) Unansehnlich , ach! sehe ich dich, in die Ge- walt deiner Feinde geraten, von Gliick und Freunden ver- lassen, deiner Mannhaftigkeit und Tapferkeit verlustig.

16. (8073.) Dafs du so mit tausend Wagen und von An- gehorigen umgeben, alle Welten erwarmend, dahinzogst, ohne dich um uns zu kiimmern,

17. (8074.) und dafs die Daitya's, von dir angefiihrt, sich unter deiner Herrschaft ausbreiteten , und dafs die Erde un- gepfliigt zu ernten erlaubte, das alles geschah unter deiner Oberherrschaft.

18. (8075.) Und heute, wo dich dieses Mifsgeschick ge- troffen hat, beklagst du es da oder beklagst du es nicht? Als du noch dastandest am ostlichen Ufer des Ozeans mit [libermutigem] Ziingeln,

19. (8076.) wie war dir damals, wenn du Reichtum an

19*

292 III. Mokshadharma.

deine Angehorigen verteiltest, zumute? Als vor dir zu Tau- senden geschart gottliche Frauen tanzten,

20. (8077.) indem du viele Jahresreihen hindurch lust- wandelnd vor Gliick strahltest, Frauen, alle mit Lotos bekranzt, alle von goldgleichem Glanze,

21. (8078.) wie war dir damals und wie ist dir heute zu- mute, o Fiirst der Danava's? Du hattest einen sehr grofsen Sonnenschirm aus Gold und mit Edelsteinen geschmiickt,

22. (8079.) und vor dir tanzten siebenmal sechstausend Gandharven; einen machtig grofsen Opferpfosten hattest du, ganz aus Gold, wenn du opfertest

23. (8080.) und aus diesem Anlafs zehntausend Myriaden von Kiihen verschenktest , je tausend mit einem Male; wie war dir damals, o Daitya, zumute?

24. (8081.) Und als du als Opferherr die ganze Erde durch- wandeltest, indem du deinen Mafstab iiber sie ausstrecktest, wie sah es damals in deinem Herzen aus?

25. (8082.) Ich sehe nicht mehr deinen goldenen Trink- becher, nicht mehr den Sonnenschirm und die beiden Facher, ich sehe nicht mehr, o Fiirst der Damonen, den Kranz, welchen dir Gott Brahman schenkte.

Bali sprach:

26. (8083.) Nicht siehst du mehr meinen goldenen Trink- becher, nicht mehr den Sonnenschirm und die beiden Facher, nicht wirst du mehr sehen, o Vasava, den Kranz, welchen mir Gott Brahman schenkte.

27. (8084.) Du fragst nach meinen Kleinodien, die in der Hohle verborgen sind. Wenn meine Zeit da sein wird, dann wirst du sie sehen.

28. (8085.) Aber es geziemt deinem Ruhme und deiner hohen Abkunft nicht, dafs du, der du im Gliicke bist, mir, der ich nicht im Glucke bin, dies prahlend in Erinnerung bringen willst.

29. (8086.) Denn nicht trauern im Leid und nicht freuen sich im Gliick diejenigen, welche Erkenntnis erlangt und am Wissen sich gesattigt haben, die Weisen, welche gelernt haben geduldig zu sein.

Adhj aya 223 (B. 223). 293

30. (8087.) Du aber prahlst, o Stadtezerstorer, mit ge- meinem Verstande; wenn du erst sein wirst wie ich, dann wirst du nicht mehr so sprechen.

So lautet im Mokebadharma die Unterredung zwischen Bali uud Indra (Bali - Vdsava - samvdda) .

Adhyaya *^24 (B. '^24).

Vers 8088-8147 (B. 1-60).

Bhishma sprach :

1. (8088.) Wiederum sprach Qsikra lachelnd dieses Wort zu ihm, der wie eine Schlange zischte, und setzte die Rede fort, 0 Bharata.

Q'akra sprach:

2. (8089.) Dafs du so mit tausend Wagen und von An- gehorigen umgeben, alle Welten erwarmend, dahinzogst, ohne dich um uns zu kiimniern,

3. (8090.) und dafs du jetzt diesen deinen so klagliciien Zustand siehst, o Bali, wo du von Angehorigen und Freunden verlassen bist, beklagst du das oder beklagst du es nicht?

4. (8091.) Nachdem du vordem unvergleichliche Freude hattest und die Welten in deiner Gewalt standen, beklagst du da diesen Zusammenbruch deiner aufsern Macht oder be- klagst du ihn nicht?

Bali sprach:

5. (8092.) Weil ich in dieser Welt nur Vergangliches sehe infolge des Gesetzes des Umschwungs der Zeit ('Mia J, darum, o Qakra, klage ich nicht, denn alles hienieden ist endlich.

6. (8093.) Endlich sind diese unsere Leiber und die der iibrigen Wesen, o Herr der Gotter, darum, o Qakra, beklage ich nicht, was ohne meine Schuld herbeigefiihrt ist.

7. (8094.) Das Leben und der Leib werden bei der Geburt zusammen geboren, wachsen beide zusammen und gehen zu- sammen wieder beide zugrunde.

8. (8095.) Denn keinerlei Beunruhigung, da ich einen der- artigen entblofsten Zustand gegen meinen Willen erlangt

294 III. Mokshadharma.

habe und mir dessen bew uf st bleibe welcherlei Beunruhigung konnte mir werden, da ich dies weifs!

9. (8096.) Der Tod ist das Endziel der Wesen, wie der Ozean das Endziel der Fliisse; die Menschen, welche dies nicht vollstandig begreifen, gehen in der Irre, o Donnerkeil- bewaffneter.

10. (8097.) Die nun, welche dies nicht erkennen und der Leidenschaft und Verblendung huldigen, verzagen, wenn sie ins Elend geraten, denn ihr Verstand lafst sie im Stiche.

11. (8098.) Wen aber sein Verstand nicht verlafst, der stofst alle Siinde von sich ab und frei vom Bosen ergreift er das Gute (sattvam) und kommt im Guten beharrend zur Kuhe.

12. (8099.) Diejenigen hingegen, welche sich vom Guten abwenden und immer wieder und wieder geboren werden, werden jammerlich gequ^lt, indem sie durch diese Zwecke hier sich angetrieben fiihlen.

13. (8100.) Gliickerlangung und Ungliick, Leben und Tod, die Friichte der Lust und des Leides verabscheue ich nicht und begehre sie auch nicht.

14. (8101.) Ein Toter totet einen Toten, wenn ein Mensch den andern totet, „irr gehen dieser wie jener" (Kath. Up. 2,19), der, welcher totet, und der, welcher getotet wird.

15. (8102.) Wenn einer totend und siegend mannhafte Taten vollbringt, so ist nicht er der Tater, sondern ein [anderer] Tater ist es, der die Tat vollbringt.

16. (8103.) Wer ist es denn, der beides, Vergang und Neuentstehung der Welt, macht? Von einem Gemachten wird jenes [menschliche Werk] gemacht, und sein eigent- licher Tater ist ein anderer.

17. (8101.) Aus Erde, Feuer, Ather, Wasser und Wind als lunftem, aus diesen sind die Wesen entsprungen, was ware da zu beklagen!

18. (8105.) Der sehr Weise und der Unweise, der Starke und der Schwache, der Ansehnliche und der Unansehnliche, der Gliickliche und der Unglilckliche,

19. (8106.) alles verleiht ihnen Kala (die Zeit), welcher tief gegriindet ist in ihrer eigenen Kraft; und da dies alles

Adhyaya 224 (B. 224). 295

unter der Herrschaft des Kala steht, wie sollte ich mich be- unruhigen, da ich dieses weifs.

20. (8107.) Der Mensch verbrennt nochmals, was schon verbrannt war, getotet wird von ihm, was schon getotet war, vernichtet wird das schon vorher Vernichtete und ergriffen das, was zu ergreifen vorher bestimmt war.

21. (8108.) Keine Insel ist hier zu sehen, kein jenseitiges Ufer und kein diesseitiges , keine Grenze erbhcke ich dieser gotthchen Ordnung, so sehr ich dariiber nachdenke.

22. (8109.) Ja, wenn es nicht der Fall ware, dafs Kala (die Zeit) vor meinen Augen vernichtete, dann konnte ich vielleicht, o Gemahl der (^aci, Freude und Stolz und Zorn hegen.

23. (8110.) Du aber, da du mich Hiilsen kauen, in einem menschenleeren Hause wohnen und Eselsgestalt tragen siehst, kommst zu mir und beschimpfst mich!

24. (8111.) Wollte ich es, so konnte ich ja meine Gestalten noch vielfach umwandeln und so furchtbar machen, dafs du bei ihrem Anblicke vor mir fliehen wiirdest.

25. (8112.) Kala (die Zeit) ist es, der alles nimmt, Kala, welcher alles gibt, durch Kala wird alles verhangt; tue dir nichts auf deine Mannhaftigkeit zugute.

26. (8113.) Ehemals zitterte alles, wenn ich ziirnte, o Stadte- zerstorer, jetzt aber erkenne ich, o Qakra, dafs ein ewiges Gesetz diese Welt regiert.

27. (8114.) Sieh auch du es so an und verfalle nicht in Bewunderung deiner selbst; Entstehung und Macht stehen nimmermehr bei uns selbst.

28. (8115.) Kindisch ist dein Geist, heute noch ebenso wie vordem. Besinne dich, o Mach tiger, und komme zu einer verstandigen Auffassung.

29. (8116.) Gotter und Menschen, Vater, Gandharven, Schlangen und Kobolde standen alle unter meiner Herrschaft, das alles weifst du, o Vasava.

30. (8117.) „Verehrung sei der Himmelsgegend, in welcher Bali, der Sohn des Virocana, weilt!" mit solchen Worten kamen sie auf mich zu, in ihrem Geiste durch Selbstsucht verblendet.

296 m. Mokshadharma.

31. (8118.) Ich bin dariiber nicht betriibt, nicht iiber nieinen Sturz, o Gemahl der Qaci. Denn mir ist das sichere Bewufstsein geworden, dafs ich unter der Gewalt eines [andern] Herrn stehe.

32. (8119.) Die Erfahrung zeigt, wie ein Hochgeborener, an Ansehen und Majestat Eeicher mitsamt seinen Angehorigen oft im Leiden lebt, denn es mufste so sein.

33. (8120.) Und wiederum zeigt die Erfahrung, wie ein niedrig Geborener, der noch dazu torichten Sinnes und von schlechter Art war, o ^akra, mitsamt seinen Angehorigen oft in Freuden dahinlebt, denn es mufste so sein.

34. (8121.) Ein schones, edelgestaltetes Weib lebt oft im Ungliick, o Qakra, und eine andere, die unansehnhch und mifsgestaltet ist, lebt im Gliick.

35. (8122.) Es ist nicht unser Werk, o Qakra, und ist, o Qakra, nicht dein Werk, dafs es dir so ergeht, o BUtz- schleuderer, und dafs es uns so ergangen ist.

36. (8123.) Nicht ist dieses Werk von dir (bhavatd mit C.) gewirkt worden, oder meines; sei es Gliick oder sei es Un- gliick, es wird gewirkt durch den Umschwung [der Zeit].

37. (8124.) Ich sehe dich als Herrscher und Gotterkonig feststehend, im Gliicke und im Glanze donnernd iiber mir.

38. (8125.) Hatte nicht Kala mich in dieser Weise iiber- mannt, so wiirde ich dich heute mitsamt deinem Donnerkeil mit meiner Faust niederstrecken.

39. (8126.) Aber es ist jetzt keine Zeit zu tapferen Taten, die Zeit der Beruhigung ist gekommen. Kala ist es, der alles ordnet, Kala, der alles zur Reife bringt.

40. (8127.) Wenn mich Kala iiberkommen hat, der ich als Fiirst der Danava's geehrt war, welchen andern, der da donnert und leuchtet, wird er nicht iiberkommen?

41. (8128.) Ich war es, der ich als nur einer die Krafte von euch zwolf hochmachtigen Aditya's alien gestiitzt habe, o Gotterkonig.

42. (8129.) Ich ziehe die Wasser empor (dpah Ace!) und schiitte sie herab, o Vasava, ich erwarme die drei Welten, und ich allein erleuchte sie.

Adhyaya 224 (B. 224). 297

43. (8130.) Icli erhalte und ich zerstore, ich gebe und ich nehme, ich umfasse und ich bandige als Herr und Gebieter in den Welten.

44. (8131.) Diese Herrschermacht ist mir jetzt benommen, o Herr der Gotter, von der Heeresmacht des Kala bin ich gestiirzt worden, und das alles erglanzt mir nicht mehr.

45. (8132.) Nicht ich bin der Tater und nicht du bist es, und auch kein anderer ist der Tater, o Gemahl der Qaci; durch den Zeitumschwung werden die Welten beherrscht, o Qakra, wie es der Zufall fiigt.

46. (8133.) Ihn, dessen M'ohnung Monate und Halbmonate, dessen Gewand Tag und Nacht, dessen Pforten die Jahres- zeiten, dessen Giebel das Jahr ist [varsha mit C), soil man, wie die der Lebenswissenschaft kundigen Menschen

47. (8134.) sagen, als dieses Weltall betrachten, wie einige Menschen ihn ihrer Weisheit [lehren], und die fiinf Seiten dieser Betrachtung konnte ich [nach Taitt. Up. 2, wo jede der fiinf Hiillen des Brahman fiinffach zergliedert wird] noch fiinffach umschreiben.

48. (8135.) Aber tief und unergriindlich ist das Brahman wie ein grofser Wasserozean, als anfanglos und endlos schildern sie es, als das Unwandelbare und das Wandelbare.

49. (8136.) Als eingehend in das Lihgam [den die Seele umhiillenden psychischen Apparat] und doch als jenes an sich Liiigalose, als den Unwandelbaren betrachten ihn die Menschen, welche die Wahrheit schauen.

50. (8137.) Wenn sie aber behaupten, dafs er, der Heilige, die Umwandlung der Wesen bewirke [die Weltursache sei], so darf doch nicht soweit gegangen werden [das Kausalitats- gesetz findet auf Brahman keine Anwendung], noch auch [bis zu der Frage], woraus er wiederum entstanden sei.

51. (8138.) Er ist das Ziel aller Wesen, wohin konnte einer gehen, wenn nicht zu ihm, der auch von einem Laufen- den nicht zu iiberholen ist, ja, der, auch wenn er still steht, nicht iiberholt werden kann (vgl. tga Up. 4).

52. (8139.) Ihn nehmen alle Sinne, fiinffach wie sie sind, nicht wahr, ihn nennen einige Agni, einige Prajapati,

53. (8140.) ihn bezeichnen andere als Jahreszeiten, Monate

298 HI. Mokshadliarina.

und Halbmonate, als Tage und Momente, als Vormittag, Nach- mittag oder Mittag,

54. (8141.) oder auch als Stunde, indem sie ihn den einen in vielfacher Weise benennen, du aber wisse ihn als Kala (die Zeit), in dessen Gewalt die ganze Welt ist.

55. (8142.) Viele tausend Indra's, o Vasava, die mit Kraft und Mannheit ausgestattet waren, wie du, o Gatte der Qaci, sind schon voriibergegangen.

56. (8143.) Und auch dich, o (^'akra, den Ubermachtigen, den Gotterkonig, den Kraftstrotzenden , wird, wenn die Zeit da ist, der grolsmachtige Kala zur Ruhe bringen,

57. (8144.) der diese ganze Welt verschlingt; darum, o (^akra, bleibe ruhig; nicht von mir, noch von dir oder von den friiheren ist es moglich, ihn abzuwehren.

58. (8145.) Diese hochste konigliche Herrlichkeit, von der du dir bewufst bist, sie erlangt zu haben, wenn du glaubst, dafs die in deiner Gewalt stehe, so irrst du dich; sie steht in niemandes Gewalt.

59. (814C.) Denn sie stand in der Hand von tausend Indra's, welche weit vortrefflicher waren als du; mich hat die un- stete verlassen und ist auf dich iibergegangen , o Herr der Gotter.

60. (8147.) Betrage dich nicht wieder, wie du es getan hast, o Qakra, beruhigt solltest du werden; denn auch von dir, wenn sie dich in deinem Stolze sieht, wird die Herrlich- keit bald auf einen andern iibergehen.

So lautet jm Mokshadharma die Unterredung zwischen Bali tiud Indra (Bali- Vdsaca- aaincdda).

AclhyAya !2*25 (B. *^t>5).

Vers 8148-8186 (B. 1-38).

Bhishma sprach:

1. (8148.) Da sail der hundertkraftige Gott, wie aus dem hochherzigen Bali mit Glanz die leibhaftige (-Yi (Gliicksgottin) aus seinem Leibe herauszog.

Adhyiiya -I'lb (B. 22o). 299

2. (8149.) Als der erhabene Damonenziichtiger diese von Glanz flammend erblickte, da richtete er, der Vasava, mit vor Erstaunen weit geoffneten Augen an den Bali die Frage.

^'akra sprach:

o. (8150.) 0 Bali, wer ist diese Glanzende, Federbusch- geschmiickte, welche soeben aus dir auszog, aus dir, in dem sie mit Armspangen geziert und mit eigenem Glanze strah- lend geweilt hatte?

Bali sprach :

4. (8151.) Weder als eine Damonin noch als eine Gottin Oder als ein Menschenweib erkenne ich sie; frage sie selbst oder frage sie nicht, mache es, o Vasava, wie du willst.

(j!akra sprach:

5. (8153.) Wer bist du, die du glanzend und federbusch- geschmiickt aus dem Bali ausgezogen bist? Sage mir, der ich ihn nicht kenne, deinen Namen, o heiter Lachelnde.

6. (8153.) Wer bist du, die du in dieser Weise in eigenem Glanze strahlend an mich herantrittst, nachdem du den Besten der Daitya's verlassen hast, o Schonbrauige ? Das beantworte mir auf meine Frage.

Die (^vi (Gliicksgottin) sprach :

7. (8154.) Mich kennt nicht Virocana und nicht dieser von Virocana stammende Bali; sie nennen mich die Schwerzu- ertragende und auch als die Tatendurstige kennen sie mich.

8. (8155.) Auch als die Fiille (hhutij und die Schonheit flakshmij bezeichnen sie mich, oder auch als das Gliick (grij, 0 Vasava. Du kennst mich nicht, o (^'akra, alle Gotter wissen nicht, wer ich bin.

(^akra sprach:

9. (8156.) Geschieht es um meinetwillen oder um des Bali willen, dafs du, o Schwerzuertragende, ihn in dieser Weise verlafst, nachdem du lange in ihm geweilt hattest?

300 in. Mokshadharma.

Die ^ri sprach:

10. (8157.) Kein Schopfer ist es und kein Ordner, der mich irgendwie verordnet, sondern Kala (Zeit) ist es, welcher kreist, den mogest du, o (^akra, nicht gering achten.

^•akra sprach:

11. (8158.) Wie kommt es, dafs Bali von dir verlassen wurde, oder warum geschah es, o Federbuschgeschmiickte, und wie mache ich es, dafs du mich nicht verlassest; das sage mir, o heiter Lachelnde.

Die Qri sprach:

12. (8159.) Ich weile, wo Wahrheit, Freigebigkeit, Ge- liibde, Askese, Mannhaftigkeit und Pflicht sind, von ihnen alien hat sich Bali abgewandt.

13. (8160.) Ehedem war er brahmanenfreundlich, die Wahr- heit redend und die Sinne bezahmend, dann aber zeigte er UbelwoUen (abhyasiiyat) gegen die Brahmanen und beriihrte mit ungewaschenen Handen die Opferbutter.

14. (8161.) Er war stets opfereifrig gewesen und hatte selbst die Opfer mir dargebracht; aber er nahm die Welten in Anspruch, torichten Sinnes und von Kala heimgesucht.

15. (8162.) Von ihm mich loslosend, o (^akra, werde ich in dir wohnen, o Vasava ; durch Besonnenheit mufst du mich festhalten, durch Askese und Tapferkeit.

^akra sprach:

16. (8163.) Nicht unter Gottern und Menschen, nicht unter alien Wesen gibt es einen Mann, der dich als einziger in seine Gewalt bringen konnte, o Lotosbewohnende !

Die rjri sprach:

17. (8164.) Allerdings gibt es keinen Gott, Gandharva, Damon oder Kobold, der mich als einziger in seine Gewalt bringen konnte, o Stadtezerstorer.

^akra sprach :

18. (8165.) Wie du fiir immer in mir weilen kannst, das sage mir, o Schone, und was du mir sagst, das werde ich tun, dies mogest du mir wahrheitsgemafs sagen.

Adhyaya 225 (B. 225). 301

Die (^ri sprach:

19. (8166.) Wie ich fiir immer in dir weilen kann, o Gotter- fiirst, das vernimm : Nach der im Veda enthaltenen Vorschrift zerlege mich in vier Teile.

(^akra sprach:

20. (8167.) Gewifs, ich werde dich unterbringen, wo Kraft und Macht, dich zu tragen, ist, nur moge mir, o Lakshmi, kein Vergehen dir gegeniiber jemals begegnen.

21. (8168.) Die Erde gilt unter den Menschen als die Tragerin und Wesenbildnerin , sie wird ein Viertel von dir tragen konnen, denn sie ist dazu imstande, so meine ich.

Die ^ri sprach:

22. (8109.) Dieses Viertel von mir ist wohlgeborgen, welches auf der Erde ruht; nun, o (^akra, sorge daher, dal's auch mein zweites Viertel wohlgeborgen sei.

(^akra sprach:

23. (8170.) Die Wasser gelten unter den Menschen als die Fliefsenden und Umschliefsenden (paricdrimh Nom. PI.) ; die mogen ein Viertel von dir tragen, denn die Wasser sind im- stande, es zu tragen.

Die ^ri sprach:

24. (8171.) Dieses Viertel von mir ist wohlgeborgen, welches in den Wassern ruht; nun, o ^akra, sorge daher, dafs auch mein drittes Viertel wohlgeborgen sei.

(^akra sprach:

25. (8172.) Das, worauf die Veden und die Opfer, worauf die Gotter gegriindet sind, das Feuer wird dein drittes Viertel tragen, so wird es wohlgetragen sein.

Die ^ri sprach :

26. (8173.) Dieses Viertel von mir ist wohlgeborgen, welches im Feuer ruht ; nun, o Qakra, sorge daher, dafs auch mein viertes Viertel wohlgeborgen sei.

302 III. Mokshadharma.

^)akra sprach :

27. (S174.) Diejenigen unter den Menschen, welche gut und fromm und Wahrheit redend sind, die mogen ein Viertel von dir tragen, die Guten sind imstande, es zu tragen.

Die Tri sprach :

28. (8175.) Dieses Viertel von mir ist wohlgeborgen, welches in den Guten ruht; in dieser Weise also, o Qakra, mache mich wohlgeborgen in den Wesen.

^^akra sprach:

29. (8176.) Wer unter den Wesen dich, nachdem ich dich in ihnen wohlgeborgen habe, verletzen will, der ist von mir zu bekampfen; mogen sie dieses mein Wort vernehmen! (8177.) Da sprach der von der (^ri verlassene Bali, der Konig der Daitya's.

Bali sprach:

30. (817S.) Solange das Tagesgestirn im Osten leuchtet, solange erleuchtet es auch die siidliche und westliche, so- lange auch die nordliche Himmelsgegend.

31. (8179.) Wenn aber die Sonne ebenso [leuchtend] im Mittag [stehend] nicht [mehr] untergeht, dann soil der Kampf zwischen Gottern und Damonen wieder entbrennen, dann werde ich euch besiegen.

32. (8180.) Ja, wenn die Sonne an dem einen Punkte fest- stehend alle Welten bestrahlen wird (vgl. Chand. Up. 3,11,1), dann werde ich in dem Kampfe zwischen Gottern und Da- monen dich besiegen, o Hun der tkraf tiger!

Qakra sprach :

33. (8181.) Von Gott Brahman bin ich angewiesen worden, dich nicht zu toten (oben Vers 8068), darum schleudere ich, o Bali, den Donnerkeil nicht auf dein Haupt.

34. (8182.) Gehe, wohin es dir beliebt, o Fiirst der Daitya's, moge es dir wohl ergehen, o grofser Damon; denn niemals wird die Sonne so leuchten, dafs sie in der Mitte feststeht.

Adhyaya -225 (B. 225). 303

35. (8183.) Denn ihre Satzung ist ehedern von dem durch sich selbst Seienden bestimmt worden, unermiidlich wandelt sie um in Treue, die Geschopfe erwarmend.

3(). (8184.) Ihr Gang geht sechs Monate nach Norden und ebenso nach Siiden, auf dem sie in den Welten wandelt, die Sonne, Kalte und Warme verbreitend.

Bhishma sprach:

37. (8185.) Nachdem zu Bali, dem Fiirsten der Daitya's, von Indra so gesprochen worden war, o Bharata, ging jener in die siidliche Gegend und der Stadtezerstorer in die nordliche.

38. (8186.) Nachdem er dieses von Bali vorgetragene, durch Freiheit und Selbstsucht gekennzeichnete Wort ver- nommen hatte, stieg der Tausendaugige zum Ather empor.

So laiitet im Mokshadharma die Verteihiiig der GlucksgSttin (Qri - taiiini'l/idnarii).

Ailliyaya 226 (B. 22(y).

Vers 8187-8211 (B. 1-23).

Bhishma sprach:

1. (8187.) Dariiber erzahlt man sich auch folgende alte Geschichte, namlich die Unterredung zwischen dem Hundert- kraftigen (Indra) und Namuci, o Yudhishthira.

2. (8188.) Zu ihm, der vom Gliick verlassen dasafs, still wie ein unbewegtes Meer, und das Entstehen und Vergehen der Wesen kannte, sprach folgendermafsen der Stadte- zerstorer :

3. (8189.) Mit Stricken gebunden, aus deiner Stellung ver- stofsen, in die Hand deiner Feinde gegeben und vom Gliick verlassen, o Namuci, beklagst du dich oder beklagst du dich nicht? (vgl. Vers 803i).

Namuci sprach :

4. (8190.) Durch unabwendbares Leid wird der Korper gequalt und die Feinde freuen sich, im Leid hat man keine Genossen.

k.

304 III- Moksliadharma.

5. (8191.) Darum, o ("akra, klage ich nicht, denn alles auf dieser Welt ist verganglich, durch das Leiden wird die Gestalt hinfallig, durch das Leiden wird man hinfallig von seinem Gliick.

6. (8192.) Durch Leiden wird das Leben hinfiilHg und auch die Pflicht, o Herr der Gotter; wer aber den Schmerz dar- iiber von sich fern halt, in dessen Geist tritt das Ewige hervor.

7. (8193.) Dann soil man mit bewufstem Geiste das im Herzen befindliche Schone iiberdenken, und so oft ein Mensch seinen Geist auf dieses Schone richtet, (8194.) so oft gehen ihm alle seine Wiinsche in Erfiillung (Chand. Up. 8,3,2), daran ist kein Zweifel.

8. (8195.) Ein Gebieter ist, es gibt keinen zweiten, ihm gleichen Gebieter; dem Menschen, schon wenn er noch im Mutterleibe liegt, gebietet dieser Gebieter; von ihm getrieben strome ich wie Wasser den Abhang herab, je nachdem er mich antreibt.

9. (8196.) Indem ich Entstehen und Vergehen erkenne und aus dieser Erkenntnis heraus mir des Wertvolleren, Besseren bewufst bin, bin ich es doch nicht, der das- selbe verwirklicht , sondern, wenn ich fiir pflichtmafsige oder fur pflichtwidrige Hoffnungen tatig bin, strome ich, so wie ich von ihm getrieben werde.

10. (8197.) Je nachdem einer dazu bestimmt ist, etwas zu erlangen, dementsprechend erlangt er es, und wie etwas bestimmt ist, zu geschehen, dementsprechend geschieht es auch.

11. (8198.) Und wozu immer einer vom Schopfer schon' im Mutterleibe immer wieder [bei jeder neuen Geburt] be- stimmt ist, darin verharrt er, und nicht in dem, was er selbst wiinscht.

- 12. (8199.) Dieser Standpunkt, zu dem ich herabgekommen bin, zu dem war es mir bestimmt zu kommen; wer allezeit einen solchen Standpunkt [der Welt gegeniiber] einnimmt, der wird nie in Verwirrung geraten.

13. (8200.) Durch die Zeitlaufte werden die Menschen herumgestofsen und keiner ist, der sie beschuldigen konnte;

Atlhyaya 226 (B. 226). 305

aber darin besteht das Leid, dafs der Unzufriedene wahnt, er selbst sei der Tater.

14. (8201.) Mogen es Weise sein oder Goiter, oder grofse Damonen, Kenner der drei Veden oder Einsiedler im Walde, wer ist nicht [besser ware nu „wohl"], den in der Welt das Ungliick nicht beugte ! Die aber, welche das Hochst-und-Tiefste (Mund. Up. 2,2,8) erkannt haben, werden dadurch nicht erschtittert.

1.0. (8202.) Der Weise ztirnt nicht mehr und strebt nicht mehr, er ist nicht verzagt imd freut sich nicht; auch in iiberaus {ati mit Nil.) schlimmen Notlagen ist er nicht bekiimmert, sondern steht seiner Natur nach unerschiitterlich wie der Himalaya.

16. (820.S.) Wen das hochste Gelingen seines Vorhabens nicht verwirrt macht und wen ebenso eine zeitweilige Notlage nicht verwirrt macht, wer vielmehr Lust und Leid sowie den mittlern Zustand ruhig hinnimmt, der Mann ist ein Fiihrender.

17. (8204.) In welchen Zustand auch immer ein Mensch geraten mag, mit dem gebe er sich zufrieden und harme sich nicht, indem er auf diese Weise jede erwachsende, im Herzen aufkeimende, Kummer bereitende Pein von seinem Leibe fernhalt.

18. (8205.) Es gibt keine Sitzung, keine Zusammen- kunft der Guten, keine Ratsversammlung, in welche ein- tretend er nicht jederzeit Furcht einflofst; er, der Ver- standige, welcher das Wesen des Gesetzes ergrlindet hat und versteht, der Mann ist ein Fiihrender.

19. (8206.) Die Werke des Weisen sind schwer zu voll- bringen ; der Weise wird nicht verwirrt zur Zeit der Ver- wirrung, und auch wenn er, der Beste, von seiner Stelle herabgestofsen ist, gerat er nicht in Verwirrung, er, der Erfahrene, wenn er ein so elendes Mifsgeschick er- litten hat.

20. (8207.) Nicht durch Zauberspriiche, Kraft oder Tapfer- keit, Weisheit und Mannhaftigkeit , nicht durch Charakter- festigkeit, nicht durch sein Verhalten noch auch durch Gliick in seinen Unternehmungen , (8208.) kann der Sterbliche er-

Deussen, Mababharatam. 20

306 III- Mokshadliarma. ,

langen, was ihm zu eriangen versagt ist was hilft es da zu klagen!

21. Was in dieser Weise dem Spatergeborenen die Welt- ordner vorher bestimmt haben, (8209.) dem werde ich nach- kommen, was kann mir der Tod anhaben!

22. Man erapfangt nur, was man empfangen sollte, man geht nur, wohin man gehen sollte, (8210.) man kommt nur zu dem, wozu man kommen sollte, mag es Leid oder Lust sein.

23. Der Mann, welcher dieses vollstandig erkannt hat und nicht in Verwirrung gerat, (8211.) sondern in alien Leiden gefafst bleibt, das ist ein alles besitzender Mann.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen (^'akra und Namuci (<^akfa-JS'amuci-samvdda).

Adliyaya '^21 (B. 2211), Vers 8212-8332 (B. 1-119).

Yuclhislithira sprach :

1. (8212.) Was ist fiir einen Mann, der in jammerlichen Zustand herabgesunken ist, das Beste, o Erdeherr, wenn er seine Verwandten verloren oder auch sein Konigreich ver- loren hat?

2. (8213.) Du bist ja fiir uns der beste Erklarer in dieser Welt, o Stier der Bharata's; dich befrage ich dariiber, das mogest du mir erklaren.

Bhishma spracli :

3. (8214.) Wenn einer von Kindern und Gattinnen, von Freuden und Reichtum entblofst und in einen jammerlichen Zustand herabgesunken ist, dann ist, o Fiirst, dasjenige, was sein Bestes fordert, Standhaftigkeit.

4. (8215.) Der Leib, welcher immerfort durch Standhaftig- keit aufrecht erhalten wird, gerat nicht in Verfall; Freiheit von Gram gewahrt Behagen und gewahrt grofste Gesundheit.

5. (8216.) Durch Gesundheit des Leibes aber kommt wieder zu Gliick ein Mann, der verstandig ist und an einem sattva- artigen Verhalten festhalt.

Adhyaya 227 (B. 227). 307

6. (8217.) Ein soldier besitzt Herrschaft und Festigkeit und Entschlossenheit im Handeln. Gerade dariiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte,

7. (8-218.) namlich die abermalige Unterredung zwischen Bali und dem Vasava (Indra), o Yudhislithira, Als in dem Kampfe zwischen Gottern und Damonen die Vernichtung der Daitya's und Danava's vollendet war,

8. (8219.) als Vishnu die Welten durchschritt, der Hundert- kraftige (Indra) als Gotterkonig thronte, die Gotter verehrt wurden und das Vierkastensystem festgestellt worden war,

9. (8220.) als die drei Welten nur Gliick kannten und der Durch-sich-selbst- seiende von Freude erfiillt war, da geschah es, dafs, von Rudra's, Vasu's, den Aditya's, den AQvin's, so- wie von Rishi's,

10. (8221.) Gandharva's, Schlangenfiirsten und sonstigen seligen Wesen umgeben, der Herr seinen viergezahnten, wohl- gezahmten, von Schonheit umgebenen Elefantenfiirsten, (8222.) seinen Airavana, er, der (^akra, bestieg und die drei Welten durchzog.

11. Da geschah es, dafs der Donnerkeiltrager einstmals am Rande des Meeres in einer Berghohle (8223.) den Bali, den Sohn des Virocana, erblickte und sich ihm naherte.

12. Aber obgleich Bali ihn auf dem Haupte des Airavata thronend und von Gotterscharen umgeben sah, (8224.) ihn, den Gotterfiirsten Indra, er, der Daityafiirst , so klagte er doch nicht und kam nicht aus der Fassung.

13. Als er nun ihn, den Bali, so sah, wie er dastand ohne seine Haltung zu verandern und furchtlos, (8225.) da sprach zu ihm der auf dem Besten der Elefanten reitende hundertkraftige Gott:

14. 0 Daitya, dafs du unerschiitterlich bleibst, sei es aus Heldenmut, sei es weil du durch Verehrung der alten Weisen (8226.) und Askese gefafsten Geistes bist, jedenfalls mufs das sehr schwer zu vollbringen sein.

15. Da du von deinen Feinden unterjocht worden und der hochsten Stellung verlustig gegangen bist, (8227.) worauf, o Sohn des Virocana, stiitzest du dich, wenn du iiber das Beklagenswerte nicht klagst?

20*

308 in. Mokshadharma.

16. Du, der du unter den Deinigen die hochste Stelle einnahmst und grofser, unvergleichlicher Geniisse teilhaft warst, (8228.) und der du jetzt deines Besitzes, deiner Kleinodien und deines Reiches beraubt bist, sage mir, wie es kommt, dafs du nicht klagst.

17. Einstmals warst du der Herr auf dem Throne deines Vaters und Grofsvaters, (8229.) heute mufst du zusehen, wie er dir von deinen Widersachern entrissen ist; wie kommt es, dafs du nicht klagst?

18. Du, mit den Fesseln des Varuna gebunden und von dem Donnerkeile getroffen, (8230.) der Gattin beraubt und der Giiter beraubt, sage mir, warum du nicht klagst.

19. Da du dein Gliick verloren hast und aus deiner Macht herabgestiirzt bist, mufs es dir doch schwer fallen, nicht zu klagen; (8231.) welcher andere wiirde wohl nach Verlust der Herrschaft iiber die drei Welten es ertragen, noch weiter zu leben !

20. Ihn (den Indra), der dieses und anderes Rauhe sprach, mit Geringschatzung (8232.) und behaghch ohne Er- regung angehort habend, erwiderte Bah, der Sohn des Virocana.

Bali sprach:

21. (8233.) Nachdem ich so schwer gedemiitigt bin, o Qakra, was soil da dein Gerede! Ich sehe dich jetzt mit geziicktem Donnerkeile vor mir stehen, o Stadtezerstorer.

22. (8234.) Und vordem warst du machtlos und bist mit knapper Not zur Macht gelangt! Wer aufser dir vermochte wohl soldi eine rohe Rede zu fiihren!

23. (8235.) Nur den, welcher imstande ist, fur den unter- worfenen Feind, den er in der Gewalt hat, Mitleid zu fiihlen, fiir ihn, der als ein Held in seine Hande gelangt ist, nur einen solchen kann man fur einen Mann halten.

24. (8236.) Wenn zwei in Kampfen gegeneinander streiten, so besteht doch Unentschiedenheit, einer nur kann siegen und einer mufs unterliegen.

25. (8237.) Es hatte auch geschehen konnen, dafs diese Stellung dir nicht zuteil wurde, o Gotterstier, und dafs du.

Adhyaya 227 (B. 227). 309

der du jetzt der Herr iiber alle Wesen bist, durch Tapferkeit mit Gewalt besiegt worden warest.

26. (8288.) Es ist nicht mein Werk, o (^akra, und es ist, o Qakra, auch nicht dein Werk, dafs es dir so ergangen ist, o Donnerer, und dafs es mir so ergangen ist.

27. (8239.) Ich war einst, was du heute bist und du kannst einst werden, was ich bin; verachte nicht, was ich geleistet habe, mag es milslungen sein oder nicht.

28. (8240.) Lust und Leid erlangt der Mensch durch den Zeitlauf ; durch den Zeitlauf bist du zum Qakrasein gelangt, o Qakra, und nicht durch dein Werk.

29. (8241.) Kala (der Gott der Zeit) fiihrt mich im Lauf der Zeit, aber ebenso fiihrt Kala auch dich. Darum stehe ich heute nicht da, wo du stehst, und du nicht, wo ich stehe.

30. (8242.) Nicht Gehorsam gegen Mutter und Vater, nicht Verehrung der Gotter, nicht andere Betreibung einer Tugend fiihrt den Menschen zum Gliick.

31. (8-243.) Nicht das Wissen, nicht Askese und Freigebig- keit, nicht Freunde und Verwandte sind imstande, einen Menschen zu retten, wenn er von Kala bezwungen wird.

32. (8244.) Ein herankommendes Unheil konnen die Men- schen nicht durch hundert Vorkehrungen abwenden unge- achtet der Kraft ihrer Einsicht.

33. (8245.) Fiir die, welche durch die Zeitlaufte getroffen werden, gibt es keinen Retter, aber das schmerzt, dafs du, o Qakra, wahnst, du seiest der Tater.

34. (8246.) Ware der Tater wirklich der Tater, so konnte er niemals erschaffen worden sein; weil aber der Tater er- schaffen worden ist, darum ist er, obgleich Tater, doch nicht Herr seiner Tat.

35. (S247.) Durch Kala habe ich dich besiegt und durch Kala bin ich von dir besiegt worden; Kala ist der Gehende in denen, die da gehen, Kala ist es, der die Geschopfe an- treibt (kalayatij.

36. (8248.) 0 Indra, wegen deiner niedrigen Einsicht wirst du dir der Verganglichkeit nicht bewufst, und auch manche andere schatzen dich hoch, gleich als hattest du durch eigene Tat die Oberherrlichkeit erlangt.

310 in. Mokshadharma.

37. (8249.) Aber wie konnte wohl einer wie ich, der den Lauf [pravrittayah als Akk.) der Welt kennt, wenn er von Kala getroffen wird, klagen, oder verwirrt oder auch nur er- schiittert werden.

38. (8250.) Sollte wohl je in mir oder meinesgleichen, wenn die Zeit uns iibermannt, unser Verstand, wenn wir in Not geraten, wie ein leckes Schiff versinken?

39. (8251.) Ich und du und alle anderen Gotterherren, die da kommen werden, sie alle, o Qakra, werden den Weg gehen, den hundert Indra's vor ihnen gegangen sind.

40. (8252.) Auch dich, der du so schwer zu bewaltigen bist und im hochsten Gliicke strahlst, wird, wenn die Zeit herum ist, der Zeitgott forttreiben wie mich.

41. (8253.) Viele tausend Indra's und [andere] Gottheiten sind im Laufe der Weltperioden von Kala iiberholt worden, denn Kala (die Zeit) ist schwer zu iiberholen.

42. (82B4.) Du aber, nachdem du diese Stellung erlangt hast, diinkest dich etwas Grofses zu sein, als warest du der Urgrund aller Wesen, der ewige Gott Brahman.

43. (8255.) Und doch ist diese Stellung nicht unerschiitter- lich, noch ewig, wer sie auch immer einnehmen mag; du aber wahnst mit kindischem Verstande: dieses ist mein.

44. (8256.) Du vertraust auf das, worauf nicht zu vertrauen ist, und wahnest an dem Verganglichen ein Unvergangliches zu haben, und dem ist so, o Herr der Gotter, obgleich dein Wesen immerdar von Kala iiberwaltigt wird.

45. (8257.) In deiner Verblendung bist du bestrebt, die Konigsherrlichkeit dir zu erhalten, indem du glaubst, sie sei dein ; sie ist aber weder dein noch mein, noch irgendwelchen andern bestandig zu eigen.

46. (8258.) Denn sie ist liber viele andere hinweggegangen und endlich zu dir gelangt; und nachdem sie einige Zeit dir treu geblieben ist, wird sie, o Vasava, ihre Wankelmiitig- keit zeigen.

47. (8259.) Wie eine Kuh, die ihre Behausung verlal'st, wird sie wieder zu einem andern gehen; Konigswelten sind schon vor ihr iibergangen worden, mehr als ich aufzuzahlen vermag.

Adhyaya 227 (B. 227). 311

48. (8260.) Und viele andere werden nach dir kommen, o Stadtezerstorer ; diese Erde mitsamt ihren Baumen, Krau- tern und Edelsteinen, mitsamt ihren Geschopfen, Waldern und Fundgruben,

49. (8261.) sie ist ehemals von denen genossen worden, welche ich jetzt nicht mehr sehe: Prithu, Ailomaya, Bhima, Naraka und Qambara,

50. (8262.) Agvagriva und Puloman, Svarbhanu, Amita- dhvaja, Prahrada, Namuci, Daksha, Vipracitti, Virocana,

51. (826.S.) Hrinisheva und Suhotra, Bhurihan, Pushpavan, Vrisha, Satyeshu, Kishabha, Bahu, Kapilaksha, Virupaka,

52. (8264.) Bana, Kartasvara, Vahni, Vigvadanshtra, Nair- riti, Sankoca, Varitaksha, Varahagva, Ruciprabha,

53. (8265.) Vigvajit und Pratirupa, Vrishanda, Vishkara, Madhu, Hiranyakagipu und der Danava Kaitabha,

54. (8266.) die Daiteya's und die Danava's, diese alle mit- samt den Nairrita's, diese und viele andere friihere und noch friihere,

55. (8267.) die Daityafiirsten und Danavafursten, und von welchen anderen wir noch gehort haben, viele vormalige Daityafiirsten, sie haben die Erde verlassen und sind dahin- gegangeUi

56. (8268.) Diese alle sind von Kala niedergeworfen, denn Kala ist starker als sie alle ; und doch wurde von ihnen alien mit hundert Opfern geopfert, nicht du allein bist der Hundert- opferhafte.

57. (8269.) Auch sie alle achteten die Opferpflicht als das Hochste, auch sie alle vollbrachten immerfort grofse Soma- opfer, auch sie alle durchwandelten den Luftraum, auch sie alle kampften Angesicht gegen Angesicht.

58. (8270.) Sie alle waren mit Korperkraft begabt, hatten alle Arme wie Torbalken, besafsen alle hundert Zauberkrafte, vermochten alle beliebige Gestalten anzunehmen.

59. (8271.) Sie alle gingen in den Kampf, und man hort nicht, dafs sie je besiegt worden seien, sie alle schiitzten es als Hochstes, dem Geliibde treu zu bleiben, sie alle ergingen sich nach Belieben.

60. (8272.) Sie alle achteten das vedische Geliibde als das

312 ni. Mokshadliarma,

Hochste, waren alle sehr bewandert in der heiligen Schrift und liatten alle als Gottherren die erwiinschte Gottherrlich- keit erlangt.

61. (8273.) Und alle diese Hochherzigen batten ebemals keinen Hocbmut wegen ibrer Gottberrlichkeit, sondern alle spendeten, wie es sicb gebiihrt, und waren alle von Selbst- sucbt frei.

62. (8274.) Sie alle gingen mit alien Wesen in geziemender Weise um, waren alle Sobne der Daksbatochter und macb- tige Nacbkommen des Prajapati.

63. (8275.) Aber obgleicb sie leucbteten und funkelten, wurden sie docb von Kala fortgerissen , und audi du, wenn du diese Erde genossen babend sie wieder verlassen mufst,

64. (8276.) wirst, o Qakra, alsdann nicbt imstande sein, den Kummer deines Herzens zu iiberwinden. Lafs fabren den Wunscb nacb Geliisten und Geniissen, lafs fabren den aus deinem Gliick entspringenden Hocbmut.

65. (8277.) Dann wirst du beim Verluste deiner Selbst- berrscbaft den Scbmerz zu ertragen vermogen; zur Zeit des Rummers mogest du nicbt bekiimmert, zur Zeit der Freude nicbt freudig sein.

66. (8278.) Lafs das Vergangene und das Zukiinftige auf sicb beruben und befasse dicb mit dem, was dir gegenwartig zuteil geworden ist, indem du unverdrossen bleibst, wenn die Zeit wieder fiir micb kommen wird, der icb stets darauf ge- fafst bin.

67. (8279.) Halte an dicb, o Indra, bald wird [Kala] audi dicb iiberkommen; wenn du micb bier bedrobst, o Fiirst der Gotter, so zerbaust du micb gleicbsam mit blofsen Worten.

68. (8280.) Jetzt freilicb, wo icb niedergebalten bin, diinkst du dicb grofs; aber Kala bat micb zuerst beimgesucbt, und spater bolt er dicb ein.

69. (8281.) Darum donnerst du jetzt, o Fiirst der Gotter, weil icb vorber durcb Kala niedergeworfen bin; denn wer konnte sonst in der Welt standbalten im Kampfe gegen micb, wenn icb ziirne!

70. (8282.) Aber Kala, der Macbtige, ist fiir dicb ge- koriimen, darum stelist du bocb, o Vasava; docb das, was

Adhyaya 227 (B. 227). 313

nach tausend Jahren geschehen wird, das Mdrd schnell ein- treffen.

71. (8283.) Wahrend mir, dem Hochmachtigen, alle meine Glieder in unziemlicher Verfassung sind und ich von der fiirstlichen Stellung herabgestiirzt bin, stehst du als Fiirst im Himmel obenan.

72. (8284.) Aber nur durch den Umschwung des Kala bist du in dieser bunten Lebewelt zu verehren, denn was hast du getan, dafs du jetzt Indra bist, und was haben wir getan, warum wir herabgestiirzt sind?

73. (8285.) Kala ist Bewirker und Umgestalter, alles andere ist wirkungslos, [nur er bewirkt] Vergang und Untergang, Gottherrlichkeit, Lust und Leid, Entstehen und Zugrunde- gehen.

74. (8286.) Der Weise, dem es so ergangen ist, soil sich nicht liber die Mafsen freuen, noch auch verzagen; du kennst mich ja, o Indra, und ich kenne dich, o Vasava.

75. (8287.) Was briistest du dich gegen mich und was bist du, du durch Kala schamlos Gewordener! Du weifst ja doch von lange her, welche Mannhaftigkeit mir damals zu eigen war,

76. (8288.) und wie ich tapfer war in Kampfen, dafiir ist der Beweis geliefert worden; sind doch die Aditya's und Rudra's, die Sadhya's mitsamt den Vasu's

77. (8289.) von mir vordem vollig besiegt worden mitsamt den Marut's, o Gemahl der (,'aci, in dem Kampfe zwischen Gottern und Damonen, wie du wohl weifst, o Qakra.

78. (8290.) Alle die weisen Gotter sind von mir mit Un- gestiim im Kampfe zerschmettert und die Berge mehr als einmal umgesturzt worden mitsamt ihren Waldern und Wald- bewohnern,

79. (8291.) mitsamt ihren Klippen und Gipfeln von mir im Kampfe auf deinem Haupte zerschlagen worden! Und was kann ich jetzt ausrichten? Ja, Kala ist schwer zu iiberwinden.

80. (8292.) Denn es ist mir keineswegs unmoglich, dich zu toten mit meiner Faust, dich, der du den Donnerkeil schwingst; aber jetzt ist nicht die Zeit fiir tapfere Tat en, jetzt ist die Zeit gekommen, Geduld zu iiben.

314 III. Mokshadharma.

81. (8293.) Darum ertrage ich dich, o (^'akra, der ich von dir wohl schwieriger zu ertragen sein wiirde. Dii aber unter- nimmst es gegen mich, der ich, da der Umschwung der Zeit gekommen ist, vom Zeitfeuer uberkommen worden bin,

82. (8294) gegen mich, der ich gehemmt und durch den Strick der Zeit gebunden bin, zu prahlen, o Qakra, aber dieser schwarze Genius der Welt [die Zeit] ist schwer zu iiberwinden,

83. (8295.) Er, der Rudrasohn, hat mich gebunden wie ein Stiick Vieh mit einer Kette und steht neben mir; Gewinn und Verlust, Lust und Leid, Begierde und Zorn, Entstehen und Vergehen,

84. (8296.) Bindung und Losung der Waffen, das alles wird von der Zeit empfangen; nicht ich bin Tater und nicht du bist Tater, sondern Tater ist er, Kala, der allezeit unser Herr ist.

85. (8297.) Kala bringt mich zur Reife wie eine Frucht, die am Baume gewachsen ist; alles vom Menschen Voll- brachte wird von Kala mit Lust verbunden,

86. (8298.) und ebendieses Vollbrachte wird von Kala auch mit Schmerz verbunden; darum soil der Kalakenner, wenn er von Kala heimgesucht wird, nicht klagen.

87. (8299.) Darum, o Qakra, klage ich nicht, mache nicht die Klage zu meinem Gefahrten, denn wenn ein Klagender sich der Klage hingibt, so vermag er nicht das Unheil zu heben.

88. (8300.) Wer klagt, der hat keine Tatkraft, darum klage ich jetzt nicht (gocimij. Nachdem dies,es zu dem tausend- augigen, heiligen Ziichtiger des Paka gesprochen worden war,

89. (8301.) da ziigelte der Hundertopferhafte sein Un- gestiim und sprach folgendermafsen : Wer mochte, wenn er den mit dem Donnerkeil bewehrten ausgestreckten Arm und die Fesseln des Varuna sieht,

90. (8302.) nicht in seinem Geiste erzittern, und ware er der Tod, der zum Schlage ausholt ! Dein Geist aber erzittert nicht, sondern bleibt unerschtitterlich , indem er die Wahr- heit schaut.

91. (8303.) Gewifs zitterst du heute nicht, o du durch

Adhyaya 227 (B. 227). 315

Festigkeit wahre Tapferkeit Habender ; wer, der einen Korper besitzt, mochte wohl Vertrauen in die Dinge oder in seinen Korper setzen!

92. (8304.) Ertragt es wohl einer in der Welt, zu handeln, wenn er sieht, wie die Welt eingerichtet ist? Auch ich er- kenne ebenso, dafs diese Welt verganglich ist.

93. (8305.) Sie ist beschlossen in dem furchtbaren, ver- borgenen, unermiidlich tatigen, unverganglichen Kalafeuer, und keiner, wer es auch sei, kann sich, wenn er von Kala heimgesucht wird, ihm entziehen,

94. (8306.) weder die subtilen, noch die grol'sen Elemente, wenn sie in ihm zur Reife kommeii. Wer in dem keinen Herrn iiber sich habenden, nicht unbesonnenen und die Ele- mente immerfort zur Eeife bringenden,

95. (8307.) nie aufhorenden Kala zur Vernichtung gelangt ist, der wird nicht von ihm erlost. Besonnen unter den Un- besonnenen, wacht Kala unter den Menschen.

96. (8308.) Auch durch Bemiihung kann er, solange er fern ist, von niemandem vorausgesehen werden, er, der eine alte, ewige Satzung ist, welcher alles Lebende gleichmafsig unterliegt.

97. (8309.) Kala ist nicht zu umgehen und lafst sich nicht iiberspringen ; die Tage und Nachte und die Monate, die Mi- nuten, Sekunden, Terzen und Quarten,

98. (8310.) Kala ist es, welcher sie zusammenhauft , wie ein Wucherer die Zinsen. Und wenn einer spricht: Heute werde ich dieses tun und morgen gedenke ich jenes zu tun,

99. (8311.) so packt ihn Kala und reifst ihn fort, wie der Ansturm des Stromes den Baum. Jetzt eben noch habe ich ihn gesehen, wie kann er tot sein?

100. (8312.) So hort man die Menschen jammern, wahrend sie von der Zeit fortgerissen werden. Es vergehen die Giiter und die Geniisse, die Stellung und die Gottherrlichkeit.

101. (8313.) Das Leben der Lebewesen wird von Kala, wenn er herankommt, fortgefiihrt; die Erhebungen endigen mit Herabstiirzen , das Sein und das Nicht- Sein, das alles ist nur er.

102. (8314.) Alles ist verganglich und unbestandig, und

316 in. Mokshadharma.

eine sichere Erkenntnis ist schwer zu gewinnen, aber dem Verstand schwankt nicht, sondern ist unerschiitterlich, die Wahrheit schauend.

103. (8315.) Ich bin einstmals etwas gewesen, so nimmst du audi nicht einmal in Gedanken an {budhyase mit C), in dieser Welt , welche von Kala, dem Ubermachtigen, wenn er herankommt, zur Reife gebracht wird.

104. (8316.) Dafs es nichts Hochstes und nichts Niedrigstes gibt, bemerkt die Welt nicht, indem sie hin und her ge- worfen wird in Neid, Hochmut, Begierde, Liebe, Zorn und Furcht ;

105. (8317.) sondern befangen in Verlangen, Verblendung und Hochmut, geht die Welt in der Irre. Du aber erkennst die Wahrheit des Daseins als ein Wissender, begabt mit Ein- sicht und Askese;

106. (8318.) ganz deutlich siehst du den Kala, wie die Myrobalanenfrucht in der Hand, der du bekannt mit dem Wesen des Kalalaufes und aller Lehrbiicher kundig bist.

107. (8319.) In der Unterscheidung hast du deine Seele befestigt und bist von den Erkennenden zu beneiden, denn ich glaube, dafs diese ganze Welt von dir an Einsicht iiber- troffen wird.

108. (8320.) Indem du nach alien Seiten hin frei wandelst, bleibst du nirgendwo hangen, denn Rajas und Tamas be- riihren dich nicht.

109. (8321.) Du verehrst den Atman, der ohne Freude und ohne Qual ist, den Freund aller Wesen, den Feindschaft- freien, in seinem Geiste Beruhigten.

110. (8322.) Wenn ich dich ansehe, so empfmdet der mir eingeborene Sinn Mitleid mit dir; einen «o grofsen Weisen mochte ich nicht im Waffengange toten.

111. (8323.) Wohlwollen und Mitleid mit dir ist fiir mich das hochste Gesetz, diese Stricke des Varuna werden von dir gelost werden durch den Umschwung der Zeit.

112. (8324.) Dann moge dir, o grolser Asura, Wohlsein zuteil werden, indem deine Untertanen dir huldigen, wahrend die Schwiegertochter (lies: snushd) zu ihrer Bedienung die betagte Schwieger mutter antreiben wird;

Adhyaya 227 (B. 227). 317

113. (8325.) dann wird ein Sohn seinen Vater aus Ver- blendung beim Opferwerke wegschicken, und gemeine Men- schen werden sich durch Brahmanen die Fiifse waschen lassen ;

114. (8326.) und Qudra's werden ohne Scheu sich der Gattin eines Brahmanen nahen, wahrend die Menschen den Samen in ungeziemende Mutterschofse niederlegen,

115. (8327.) und somit in messingenen Gefafsen eine un- reine Mischung und in schlechten Behaltern ihre Spende niederlegen, wahrend die ganze Ordnung der vier Kasten ihre bestimmenden Schranken verlieren wird.

116. (8328.) Dann wird sich nach und nach ein Strick nach dem andern von dir losen. Von mir hast du nichts zu fiirchten, bleibe nur deiner Bestimmung getreu; (8329.) lebe gliicklich, frei von Anfechtung, gefafsten Geistes und ohne Leid.

117. (8330.) Nachdem der heilige Hundertopferige also gesprochen hatte, zog er von dannen, getragen von dem Elefantenlursten, und als Herr der Gotter alle Damonen iiberwunden habend, ergotzte er sich in Freude und war der Alleinherrscher.

118. (8331.) Und grofse Weise priesen ihn ohne Unter- lafs als den Mannaften und Herrn iiber alles Beweg- liche und Unbewegliche. Und der Kaltewehrer fiihrte ihm beim Opfer die Opferspeise zu, und auch das Am- ritam wurde ihm dargebracht, denn auch dariiber ist er der Herr.

119. (8332.) Indem er von den allerwarts verbreiteten Hochsten der Zwiegeborenen gepriesen wurde, gelangte er, der Vasava, voU feuriger Kraft, frei von Groll und als Gottherr beruhigten Geistes und freudig zu seiner Wohnung im Indrahimmel und genofs seines Gliickes.

So lautet im Moksliadhanua die Unterredung zwischen Bali und V&sava (Bali - Vdnaca - saincdda).

318 III. Mokshadharma.

Adhyaya 228 (B. 329*).

Vers 8333-8428 (B. 1-96).

Yudhishthira sprach :

1. (8333.) Die friiheren Daseinsformen eines Menschen, der im Begriff ist, zu entstehen, o Konig, und sodann wieder zu vergehen, die erklare mir, o Grofsvater.

Bhishma sprach:

2. (8334.) Die Gesinnung ist es, welche die friiheren Da- seinsformen eines Menschen zu erkennen gibt, welcher im Begriff' ist, zu entstehen Heil sei dir! und wieder zu vergehen.

3. (833,5.) Auch dariiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namhch die Unterredung des Qakra (Indra) mit der Qn (der Gliicksgottin) ; diese vernimm, o Yudhishthira.

4. (8336.) Indem er durch den Glanz grofser Askese beide Welten, die obere und die untere, schaute und mit den die Brahman welt bewohnenden Rishi's zu gleicher Wiirde ge- langt war,

5. (8337.) wandelte, wie Gott Brahman unermefsUche ent- flammte Kraft habend, siindlos und askesereich nach BeUeben in den drei Welten Narada.

6. (8338.) Einstmals stand er des Morgens auf, und da er reines Wasser beriihren woUte, ging er zu der aus dem Felsen- tor hervorbrechenden Ganga und stieg zu ihr herab.

7. (8339.) Da geschah es, dafs auch der tausendaugige, donnerkeilbewehrte Toter des ^ambara und Paka zu ihrem von Gotterweisen besuchten Ufer gelangte.

8. (8340.) Beide mit bezahmtem Selbste nach vollbrachter Murmelung fuhren in Gemeinschaft auf einem Schiff'e, ge- langten zu einer mit feinem Goldsande bedeckten Sandbank des Flusses,

* Durch einen Fehler in der Zahlung ist 228 in B. iibersprungen.

Adhyaya 228 (B. 229). 319

9. (8341.) und, auf ihr niedersitzend, erzahlten sie sich durch heilige Werke beriihmte und von Gotterweisen bericlitete, von grofsen Weisen wiedererzahlte Geschichten.

10. (8342.) Indem sie nun das vormals Geschehene und Vergangene sich mit ruhigem Geiste erzahlten und die mit einem Strahlennetze umgebene aufgehende Sonne

11. (8343.) in ihrer vollen Scheibe erblickten und, sich er- hebend, die vor ihren Augen aufgehende Sonne verehrten, da vergleichbar einer zweiten Sonne

12. (8344.) wurde im Ather ein Licht erbhckt, welches an Glanz der strahlenden Sonne ahnHch war; dieses, indem es in ihrer Nahe war, wurde von ihnen erbhckt, o.Bharata.

13. (8345.) Dieses Licht, von den Strahlen der Sonne um- geben und emporgestiegen zu der Statte des Vishnu, erglanzte an Lichtfiille unvergleichbar , indem es die Dreiwelt er- leuchtete.

14. (8346.) Da geschah es, dafs die beiden die von schon- glanzenden Apsaras gefolgte, grofse, dem strahlenden Monde ahnliche, der Sonne vergleichbare,

15. (8347.) sternenahnliches Geschmeide habende, einen perlschmuckgleichen Kranz tragende Qri, die da heifset Padma, auf einem Lotosblatte vor sich stehen sahen.

16. (8348.) Und herabsteigend von der Hohe ihres Wagens, naherte sich die herrlichste der Frauen dem Herrn der drei Welten und dem Gotterweisen Narada.

17. (8349.) Da ging, von Narada gefolgt, der Machtige geradezu auf sie los mit hohl zusammengelegten Handen und, sich der Gottin durch sich selbst vorstellend,

18. (8350.) vollzog die hochste Ehrenerweisung ihr gegen- iiber der allwissende Gotterkonig und redete zu der Qri, o Konig, das folgende Wort.

^akra sprach :

19. (8351.) Wer bist du, und zu welchem Zwecke bist du hergekommen, o du Schonlachelnde, und woher des Weges, o Schonbrauige, und wohin willst du gehen, o Holde?

320 in. Mokshadharma.

Die (^vi sprach:

20. (8352.) In den drei heiligen Welten erstreben alle be- weglichen und unbeweglichen Wesen sehnsuchtsvoll meine Wesenheit als das an sich Hbchste.

21. (8353.) Ich bin die in der von den Sonnenstrahlen ge- weckten Lotosblume zum Heil aller Wesen geborene Padma (^ri, die Lotosbekranzte.

22. (8354.) Ich bin die Gliicksgottin , bin die Fiille, ich bin die Qn, o Balatoter, ich bin der Glaube und die Ein- sicht, die Zuneigung, Sieg und Bestandigkeit.

23. (8355.) Ich bin die Festigkeit, bin die Vollkommen- heit, ich bin auch dein Gedeihen, ich bin der Svaharuf und die Labung, die Zuneigung, die Schickung, das Gedenken.

24. (8356.) An der Spitze der Heere siegreicher Konige und an ihren Bannern, in der Behausung der Pflichttreuen und in den hochsten Sinnesobjekten,

25. (8357.) in dem siegprangenden , im Kampfe nicht weichenden Helden, in dem Fiirsten der Manner weile ich allezeit, o Balatoter.

26. (8358.) In dem gesetzestreuen, sehr verstandigen, brah- manhaften, Wahrheit redenden, fugsamen und freigebigen Manne weile ich allezeit.

27. (8359.) Vormals weilte ich bei den Damonen, gebunden an sie durch Wahrheit und Recht; nachdem ich sie aber als abgekehrt davon erkannte, hat es mir gefallen, in dir zu wohnen.

(^akra sprach:

28. (8360.) Wie benahmen sich die Daitya's, dafs du bei ihnen Wohnung nahmst, o hold Erscheinende ? Und was hast du dort gesehen, dafs du hierher gekommen hist, die Daitya's und Danava's verlassend?

Die Qri sprach:

29. (8361.) Solange sie Wesen waren, welche ihre Pflicht befolgten und in ihrer Beharrlichkeit nicht wankten, sondern an dem Himmelswege ihre Freude hatten, hatte ich mein Wohlgefallen an ihnen.

Adhyaya 228 (B. 229). 321

30. (8362.) Damals herrschte unter ihnen in Wahrheit Almosengeben, Vedastudium , Darbringung von Opfern, Ver- ehrung der Ahnen und der Gotter, sowie der Lehrer iind der Gaste.

31. (8363.) Sie hielten ihre Herzen rein, bezahmten das Verlangen nach Weibern, batten Opfergaben und Feuer, waren den Lehrern gehorsam, bezahmt, brahmanhaft und die Wahr- heit redend,

32. (8364.) glaubig, den Zorn iiberwindend , fleifsig im Geben und ohne Murren, unterhielten ihre Kinder, ihre Haus- genossen, ihre Frauen und waren frei von Neid.

33. (8365.) Niemals waren sie mit Unduldsamkeit aufein- ander eifersiichtig, und als Weise argerten sie sich nie iiber fremdes Gedeihen.

34. (8366.) Sie waren freigebig und ordnunghaltend, edel- miitig, mitleidempfindend , sehr gnadig, geradsinnig, in der Verehrung fest und die Sinne bezahmend,

35. (8367.) von zufriedenen Dienern umgeben, dankbar, freundUch redend, wie es sich gebiihrt Ehre erweisend und Zwecke fordernd, der Schamhaftigkeit bethssen und streng in ihren Geliibden,

36. (8368.) allezeit an den Mondfesten wohlgebadet, wohl- gesalbt und wohlgeschmiickt , fleifsig in Fasten und Askese, zufrieden und heihge Worte redend.

37. (8369.) Niemals iiberraschte sie der Sonnenaufgang, noch auch schHefen sie in den Morgen hinein, und jederzeit enthielten sie sich in der Nacht der sauren Milch und der Griitze.

38. (8370.) Und des Morgens friih beschauten sie die ge- schmolzene Butter, hingegeben und heilige Gesprache fiihrend, beachteten gliickliche Vorzeichen und ehrten die Brahmanen.

39. (8371.) Immer zu denen gehorig, welche das Rechte reden, immer zu denen, welche keine Geschenke annehmen, welche nur die halbe Nacht schlafen und bei Tage nicht schlafen,

40. (8372.) welche sich allezeit an Mitleid und Wohltun gegen Blende, Schutzlose und Alte, Schwache, Kranke und Weiber erfreuten (anumodatdm mit C),

Deusskn, Mah^bh^Tatam. 21

322 HI. Mokshadharma.

41. (8373.) waren sie immer bestrebt, den Zitternden, Ver- zagenden, Erschrockenen, Furchtgequalten, Leidenden, Diirfti- gen, Beraubten, von Ungliick Heimgesuchten durch Trost wieder aufzurichten.

42. (8374.) Nur der Pflicht folgten sie, schadigten sich nicht gegenseitig, ihren Obliegenheiten nachgehend, gegen Lehrer und Alte dienstfertig.

43. (8375.) Sie ehrten Manen, Gotter und Gaste, wie es sich gebiihrt, afsen, was diese iibrig liefsen und waren alle- zeit fest in Wahrheit und Askese.

44. (837fi.) Wenn ihnen etwas Gutes zufiel, genossen sie es nicht allein, gingen nicht zu fremden Frauen und benahmen sich aus Mitleid gegen alle Wesen wie gegen sich selbst.

45. (8377.) Nicht im Freien, nicht bei Tieren, nicht in schlechten Scholsen, nicht an Feiertagen erlaubten sie sich jemals Befriedigung der Sinnhchkeit.

46. (8378.) Bestandiges Geben, Tlichtigkeit und beharr- liche Geradheit, Anstrengung, Selbstlosigkeit und hochste Freundschaft,

47. (8379.) Wahrhaftigkeit, Freigebigkeit, Askese, Mitleid und milde Rede und keine Hinterlist gegen Freunde, das alles war bei ihnen zu linden, o Herr.

48. (8380.) Schlaf, Tragheit, Unzufriedenheit, miirrisches Wesen und Riicksichtslosigkeit, Unlust, Verzagtheit und Be- gehrlichkeit waren bei ihnen nicht heimisch.

49. (8381.) Von soldier Art waren die Tugenden der Da- nava's, bei welchen ich vordem wolinte, von der Schopfung der Wesen an, langer als den Umlauf eines Weltalters hin- durch.

50. (8382.) Aber im Umschwung der Zeiten mufste ich sehen, wie ihre Tugenden ins Gegenteil umschlugen, wie die Gerechtigkeit von ihnen wich, wie sie sich der Lust und dem Zorne in Knechtschaft gaben.

51. (8383.) Sie verlachten die Reden der in der Versamm- lung sitzenden Alten und Guten, wenn sie zu ihnen sprachen, und murrten gegen alle Alten, obgleich sie ihnen in der Tugend nachstanden.

Adhyaya 228 (B. 229). 323

52. (8384.) Die jungen Leute, wenn sie zusammensafsen und die Alien zu ihnen hereintraten, versaumten es, sie, wie vordem, durch Aufstehen und Begriifsen zu ehren.

53. (8385.) Audi wo der Vater noch vorhanden war, rifs der Sohn die Macht an sicli, und Fremde, die man zu Haus- genossen gemacht hatte, verrieten Geheimes ohne Scham.

54. (8386.) Und wenn irgendwelche durcli ein pflicht- widriges und tadelnswertes Werk zu grofsem Reichtum ge- langt waren, so suchten sie diesen nachzueifern.

55. (8387.) Geiioben war nachts ihre Stimme, gesunken glomm dabei das Opferfeuer, die Sohne erhoben sich iiber ihre Vater, die Weiber iiber ihre Gatten.

06. (8388.) Miitter, Vater, Greise, Lehrer, Gaste und Meister wurden nicht als Hoherstehende gegriifst, und die Kinder nicht iiberwacht.

57. (8389.) Ohne Almosen und Spende dargebracht zu haben, genossen sie selbst die Nahrung, ohne vorher geopfert und mitgeteilt zu haben, w^eder an Manen und Gotter, noch an Gaste und Lehrer.

dS. (8390.) Die Leute, welche ihnen als Koche dienten, beobachteten nicht die Reinheitsvorschriften ; nicht durch Ge- danken, Werke und Worte war beschrankt, was zu essen war.

59. (8391.) Selbst verstreute Korner, wie sie Krahen und Mausen zum Futter dienen [waren nicht ausgeschlossenj ; un- zugedeckt stand die Milch, ungesaubert von Speiseresten be- riihrten sie die Opferbutter.

60. (8392.) Die Hausfrau kiimmerte sich nicht darum, dafs Spaten und Sichel, Korb und Messinggeschirr, Sachen und Gerate, alles zerstreut umherlag.

61. (8393.) Dem Verfall der Mauern und Hauser halfen sie nicht ab, sie banden die Tiere an und versorgten sie nicht mit Futter und Wasser.

62. (8394.) Das Essen ihrer Kinder afsen sie, wahrend diese zusahen, selbst, und so sattigten sie auch nicht all ihr Diener- volk, diese Danava's.

63. (8395.) Milchreis und Fleisch, Kuclien und Backwerk liefsen sie fiir sich selbst kochen und afsen nacli Belieben Fleisch.

21*

324 HI- Mokshadharma.

64. (8396.) Nach Sonnenaufgang schliefen sie noch und machten alle die Morgenfriihe zur Nacht, und dann gab es Gezank bei Tag und Xacht von Haus zu Haus.

65. (8397.) Die von Geburt Unedlen versagten den da- sitzenden Edlen und die Gesetzlosen dem die Lebensstadien Beobachtenden die Ehrenerweisung, ja sie hafsten sich gegen- seitig.

66. (8398.) Kastenmischungen waren an der Tagesordnung und Keinheit bestand bei ihnen nicht, mochten sie nun veda- kundige Brahmanen oder eingestandenermafsen Vedalose sein.

67. (8399.) Sie machten keinen Unterschied in dem Gegen- satze von Hochschatzung und Verachtung, und nur darauf sahen sie, ob Perlenschnur und Schmucksachen bei einem fehlten oder von ihm getragen wurden.

68. (8400.) Ihre Arbeitsmadchen huldigten der von schlech- ten Menschen befolgten Sitte, die Weiber erschienen in Mannerkleidung vor Mannern, welche Weiberkleidung trugen.

69. (8401.) An Spiel, Geschlechtslust und Vergniigungen fanden sie ihre hochste Lust, hingegen die vordem von autori- tativen Edlen iiberkommenen [geistigen] Erbschaften

70. (8402.) beachteten sie aus Nihilismus nicht, und ebenso- wenig [beach tete es], auch wenn er in der Lage war, der Freund, wenn er von dem Freunde in Geldverlegenheit ge- legentlich angegangen wurde.

71. (8403.) Hingegen wenn ihr eigenes Interesse auch nur um eine kleine aufserste Spitze auf dem Spiele stand, ver- nichteten sie seinen [des Freundes] Besitz, indem sie ihre Lust daran batten, fremdes Gut sich anzueignen, und sich auf Handelsgeschafte einliefsen.

72. (8404.) Unter den Kasten der Arier wurden sogar askesereiche Qudra's erblickt; einige studierten den Veda ohne Geliibde, andere mit falschem Geliibde.

73. (8405.) Der Schiiler war seinem Lehrer ungehorsam, mitunter war der Lehrer des Schiilers Liebhaber, Vater und Mutter waren so schlaff, als batten sie einen Feiertag hinter sich, (8406.) und wenn sie alt waren, verloren sie ihr Ansehen und mufsten ihre Kinder um Nahrung bitten.

Adhyaya 228 (B. 229). 325

74. Dabei waren die gelehrten Vedakenner an Tiefe (Dunkelheit) dem Ozean vergleichbar.

75. (8407.) Sie verwandten ihre Zeit auf Ackerbau und dergleichen, blieben unwissend, verzehrten die Opfer fiir die Manen selber und allmorgendlich machten sie sich wichtig mit Fragen nach dem Wohlbefmden und Schicken von Bot- schaft.

76. (8408.) Ihre Lehrer gewannen, aus eigenem Antrieb und ohne aufgefordert zu sein, Schiiler; die Ehefrau gab in Gegenwart des Schwiegervaters und der Schwiegermutter den Dienstboten Befehle,

77. (8409.) audi kommandierte sie ihren Gatten und gab ihm Widerworte, um ihn herauszufordern ; ja der Vater hiitete sich sorgfaltig vor den Absichten des eigenen Sohnes.

78. (8410.) Er verteilte aus unbesonnenem Eifer sein Ver- mogen und brachte sich so in eine peinUche Lage, der Be- sitz aber wurde durch Feuersbriinste oder Diebe oder durch die Konige geraubt.

79. (8411.) Wenn sie sich sahen, verlachten sie sich aus Hafs, sogar wenn sie als Freund begriifst wurden; sie waren undankbar, unglaubig, boshaft und tasteten die Frauen ihrer Lehrer an.

80. (841-2.) Sie freuten sich am Genusse verbotener Speisen, waren mafslos und des Ansehens beraubt. Da diese im Um- lauf der Zeit einen derartigen Wandel fiihrten,

81. (8413.) so mag ich, o Fiirst der Gotter, nicht mehr bei den Danava's wohnen, das ist mein AVille; darum magst du mich, die ich aus freien Stiicken zu dir iibergegangen bin, willkommen heifsen, o Gatte der (^aci.

82. (8414.) Mich, die von dir Geehrte, o Herr der Gotter, werden die Gotter hochschatzen, denn wo ich bin, da sind auch die von mir (dem Gliick) GeHebten, von mir Aus- gezeichneten, mit mir Beschenkten.

83. (841.').) Sieben Gottheiten und der Sieg als achte werden bei dir achtfach Wohnung nehmen, die Hoffnung, der Glaube, die Festigkeit, die Nachsicht, die Eroberung, die Demut und die Geduld.

84. (8416.) Die achte unter diesen ist die vorziigUchste,

326 in. Mokshadharma.

o Ziichtiger des Paka. Mit mir sind diese Gottheiten, die Asura's verlassen habend, in euren Bereich gelangt.

85. (8Jti7.) Bei den dreifsig Gottern werden Avir ^^'ohnung nehmen, die ihr inneres Selbst im Gesetze fest gegriindet haben. So sprach die Gottin und wurde freudig von den beiden begriifst,

86. (8418.) von Narada, dem Gotterweisen, und von Vasava, dem Vritratoter. Da wehte der Freund des Feuers, der Wind, auf den Pfaden der Gotter,

87. (8419.) lieblich duftend, erquicklich anzufiihlen, alle Sinne mit Lust erfiillend, und die dreifsig Gotter erwahlten eine reine Gegend zu ihrem gewohnlichen Aufenthalt

88. (8420.) und trachteten danach, den in Gemeinschaft mit Lakshmi thronenden machtigen Indra anzuschauen.

89. (8421.) Da geschah es, dais der tausendaugige, den Himmel erlangt habend, von der (^ri (mit C.) begleitet und von seinem Freunde, dem grofsen Weisen, auf seinem von falben Kossen gezogenen Wagen, er, der Stier der Gotter, von ihnen verehrt, zum Wohnsitze der Gotter gelangte.

90. (8422.) Da iiberdachte in seinem Geiste Narada das, was geschehen war zwischen dem Donnerkeiltrager und der Gottin Qri, und er pries, die Macht der Unsterblichen erkennend, sein Zusammenkommen mit dem Gnadigen (Indra) und den grofsen Rishi's bei der ^ri.

91. (8423.) Darauf regnete der glanzreiche Himmel Amritam nieder auf den Sitz des durch sich selbst seien- den Urvaters, Pauken ertonten, ohne geschlagen zu werden, und die beruhigten Himmelsgegenden erglanzten.

92. (8424.) Vasava liefs regnen auf die zur rechten Zeit reifende Feldfrucht; kein Mensch wich ab von dem Wege des Gesetzes, die Erde trug als Schmuck man- cherlei Edelsteinlager, indem sie liebliches Geton ertonen liefs bei dem Siege der weltbewohnenden Gotter,

93. (8425.) Die Menschen freuten sich am Opferwerk und glanzten durch Einsicht, indem sie beharrten auf dem schonen Wege der gut Handelnden ; Menschen und

A.lliyaya 228 (B. 229). 327

Gotter, Kinnara's, Yaksha's und Rakshasa's gediehen und waren wohlgesinnt.

94. (8426.) Niemals fiel zur Uiizeit eine Blume, ge- schweige denn eine Frucht vom Baume, auch wenn er vom Winde bewegt wurde. Die Kiihe spendeten ihren Saft, und man konnte jeden Wunsch aus ihnen ermelken, und keinem Menschen 'entschliipfte je ein hartes Wort.

9.0. (8427.) Diejenigen, welche diese Huldigung der (/ri mitsamt den alle Wiinsche gewahrenden und von Qakra angefuhrten Gottern studieren , nachdem sie in einer Brahmanenwohnung zusammengekommen sind, deren Wiinsche gedeihen, und sie erlangen (^ri, die Gottin des Gliicks.

96. (8428.) 0 Bester der Kuru's, was von dir angeregt worden war, namlich ein hochstes Beispiel fiir Werden und Vergehen zu geben, das alles ist dir heute von mir mitgeteilt worden, du aber mogest es priifen und die Wahrheit dir zu eigen machen.

So lautet ira Mokshadharma die Unterredung zwischen (^ri und Vasava ((^ri- Vdsava- smnvdda).

AdhyAya ^^29 (B. 230).

Vers 8429-8453 (B. 1-25).

Yudhishthira spracli :

1. (8429.) Durch welchen Charakter, welchen Wandel, welche Wissenschaft und welche Tapferkeit erlangt man die Statte des Brahman, welche erhaben iiber die Prakriti und bestandig ist?

Bhishma sprach :

2. (8430.) Den Erlosungslehren fmokshadharmaj sich hin- gebend, mafsig sich nahrend und die Sinne bezwingend, er- langt man die Statte des Brahman, sie ist erhaben iiber die Prakriti und bestandig.

3. (84;ji.) Auch dariiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, o Bharata, namlich die Unterredung des Jaigi- shavya mit Asita.

328 III. Mokshadharma.

4. (8432.) Den Jaigishavya, den sehr weisen, dem die Uberlieferung der Pflichten iiberliefert worden war, den Nicht- Ziirnenden und Nicht-sich-freuenden, sprach Asita Devala an.

Devala sprach:

5. (8433.) Du freust dich nicht, wenn du gelobt wirst, und wenn du getadelt wirst, ziirnest *du nicht. Welches ist diese deine Weisheit, woher hast du sie und was schwebt dir als hochstes Ziel derselben vor?

Bhishma (der Erzahler) sprach :

6. (8434.) So von diesem angeredet, verkiindete jener Askesereiche die grofse , unbezweifelbare , Worte reichen Sinnes enthaltende, reine Lehre.

Jaigishavya sprach:

7. (8435.) Den Gang, das hochste Ziel, die Beruhigung der heihge Werke Ubenden, diese will ich dir erklaren, die grofse Beruhigung, o Bester der Rishi's.

8. (8436.) Diejenigen, welche, gleichgesinnt bei Tadelnden allezeit und bei Lobenden, o Devala, es verheimlichen, wenn sie gegen andere die Pflicht erfiillt und Wohltaten geiibt haben,

9. (8437.) welche angeredet dem Redenden auf Unfreund- liches nicht Unfreundliches erwidern werden und als Weise den, der sie schlug, nicht wiederzuschlagen wiinschen,

10. (8438.) welche nicht beklagen, was ihnen nicht ein- getroffen ist, und das ausfiihren, dessen Zeit da ist, nicht klagen iiber Vergangenes und es doch auch nicht gut heifsen,

11. (8439.) welche, auch wenn man sie aus Liebe verehrt, 0 Devala, doch nur so handeln, wde es bei der Sache ange- messen ist, kraftvoll und ihrem Geliibde treu,

12. (8440.) welche, gereiften Wissens, von grofser Einsicht, besiegten Zorn und besiegte Sinne habend, in Gedanken, Werken und Worten niemals sich vergehen,

13. (8441.) welche neidlos nie bestrebt sind, einander zu schadigen, noch auch jemals als Weise Unbehagen empfmden wegen fremder Erfolge,

Adhyaya 229 (B. 230). 329

14. (8442.) welche, wenn sie andere tadeln oder loben, niemals iibertreiben, und, wenn sie getadelt oder gelobt werden, niemals ihr Betragen andern,

15. (8443.) welche in jeder Lage ruhig bleiben und sich am Wohlsein aller Wesen erfreuen, nicht zurnen, nicht jubeln, noch audi jemals sich vergehen,

16. (8444.) welche, den Knoten des Herzens gelost habend, in Wohlbehagen einherwandein, keinen Anhang haben, noch auch Anhang von anderen sind,

17. (8445.) welche keine Feinde besitzen, noch auch feind gegen irgend jemand sind, die Menschen, welche so han- deln, die leben allezeit gllicklich,

18. (8446.) da sie das Gesetz befolgen als Gesetzeskundige, o Bester der Zwiegeborenen. Die aber, welche diesen Weg verfehlen, geben sich der Freude und der Furcht hin.

19. (8447.) Ich aber, der ich diesen Weg gefunden habe, wie sollte ich gegen jemanden Unwillen empfinden, und warum sollte ich mich dariiber aufregen, dafs ich getadelt oder gelobt werde?

20. (8448.) Mogen darum die Menschen dem zustreben, was sie begehren, ich werde durch Tadel oder Lob weder Verkleinerung noch Erhohung erlangen.

21. (8449.) Wie an Amritam erquicke sich der Weise an der ihm gezollten Verachtung, wie vor Gift fiirchte sich der Kundige allezeit vor Ehrenerweisung.

22. (8450.) Wer verachtet wird, der schlaft ruhig, ohne Furcht, hienieden und im Jenseits; er ist aller Schuld ledig; aber den Verachter flieht der Schlaf.

23. (84.51.) Alle diejenigen nun, welche als Weise nach diesem hochsten Ziele streben, alle diese Menschen ergreifen dieses Geliibde und kommen zu gliicklichem Gedeihen.

24. (8452.) Bin solcher, von iiberallher alle Geisteskrafte konzentrierend und die Sinne bezwingend, erlangt die Statte des Brahman, welche erhaben iiber die Prakriti und be- standig ist.

25. (8453.) Nicht Gotter, nicht Gandharva'.s, nicht Pigaca's,

330 ni. Mokshadharma.

nicht Rakshasa's gelangen hinauf bis zu dessen Statte, der so das hochste Ziel erlangt hat.

So lautet im Mokshadhaima die TJnterredung zwischen Jaigishavya und Asita (Jai;)Miaeya- Anita - sameddn).

Adhyaya 230 (B. *>31).

Vers 8454-8477 (B. 1-24).

Yudhishthira spracli:

1. (8454.) Geliebt von aller Welt, liber alle Wesen sich freuend imd mit alien Tugenden begabt, welchen Men- schen gibt es auf der Welt, von dem dies galte?

Bhishma sprach :

2. (8455.) In bezug darauf will ich dir auf deine Frage, o Stier der Bharata's, die TJnterredung vorfiihren, welche Ugrasena mit dem Ke(?ava iiber den Narada gepflogen hat.

Ugrasena sprach:

3. (8456.) Der Narada, den die Welt mit Recht riihmt, der mufs doch wohl an Tugenden reich sein: iiber ihn sprich mir, der ich dich befrage.

Vasudeva sprach:

4. (8457.) Die Tugenden des Narada, welche ich fiir vor- trefflich halte, die vernimm von mir, der ich sie dir, o Fiirst, in der Kiirze vorfiihren will.

5. (8458.) Nicht ist fiir ihn die korperqualende Selbstsucht der Beweggrund seines Lebenswandels und nicht weicht von der Schriftiiberlieferung sein Lebenswandel ab, darum ist er iiberall geehrt.

6. (8459.) Unzufriedenheit , Zorn, Wankelmiitigkeit und Furcht fmden sich nicht bei Narada: er ist nicht saumselig, ist ein Held, darum ist er iiberall geehrt.

7. (84G0.) Narada ist gar sehr zu verehren ; in seiner Rede ist keine Anmafsung, sei es aus Verlangen oder aus Hab- gier, darum ist er liberal] geehrt.

Adhyaya 230 (B. 231). 331

8. (8461.) Er kennt das Wesen der Vorschriften liber die hochste Seele, ist geduldig, kraftvoll und Herr seiner Sinne, geradsinnig und wahrheitsliebend, darum ist er uberall geehrt.

9. (8462.) Durch Kraft, Ruhm, Verstand, Wissen und Zucht, durch seine Geburt und seine Askese ist er machtig, darum ist er uberall geehrt.

10. (8463.) Er ist charaktervoll, von Gliick erfiillt, edel im Geniefsen, sorgfaltig und rein, wohlredend und frei von Neid, darum ist er uberall geehrt.

11. (8464.) Er vollbringt das Schone mit Tiichtigkeit, das Schlechte fmdet bei ihm keine Statte, er liebt nicht andere um ihres Vermogens willen, darum ist er uberall geehrt.

12. (8465.) Durch die heiligen Schriften des Veda und durch Erzahlungen sucht er seinen Unterhalt zu gewinnen, er ist ausdauernd und nicht geringgeschatzt , darum ist er uberall geehrt.

13. (8466.) Wegen seiner Unparteilichkeit hat er keinerlei Giinstling oder Feind und redet nur, was er denkt, darum ist er uberall geehrt.

14. (8467.) Er ist schriftkundig und reich an Erzahlungen, gelehrt, nicht liistern, nicht verschlagen, munter, von Zorn und Begierde frei, darum ist er uberall geehrt.

15. (8468.) Nicht ist seine Individualitat auf Besitz, Reich- tum oder Lust von Natur gerichtet, und seine Fehler hat er ausgetilgt, darum ist er uberall geehrt.

16. (8469.) Von fester Frommigkeit und tadellosem Wesen, schriftkundig und ohne Bosheit, ist er frei von Verblendung und Schuld, darum ist er uberall geehrt.

17. (8470.) Ohne Hang zu allem Verlockenden , nur dem Atman anhangend zeigt er sich, ohne langes Zaudern und redekundig, darum ist er uberall geehrt.

18. (8471.) Nicht ist er versenkt in das Angenehme und Niitzliche, niemals riihmt er sich selbst, er ist neidlos und mild in der Unterredung , darum ist er uberall geehrt.

19. (8472.) Die mancherlei Meinungen der Leute betrachtet er, ohne sie zu tadeln, er ist der Wissenschaft des Umgangs mit Menschen kundig, darum ist er uberall geehrt.

20. (847.3.) Er bemangelt keine Tradition und lebt doch

332 III- Mokshadharma.

nach eigenen Grundsatzen, lafst die Zeit nicht ungenutzt und ist Herr seiner selbst, darum ist er iiberall geehrt.

21. (8474.) Reich an Miihe, reich an Erkenntnis, nicht miide werdend der Meditation, stets hingegeben und ohne Unbesonnenheit, darum ist er iiberall geehrt.

22. (8475.) Nie in Verlegenheit, eifrig bei der Sache, be- dacht auf das Wohlsein der anderen, nicht eindringend in fremde Geheimnisse, darum ist er iiberall geehrt.

23. (8476.) Er freut sich nicht Uber den Gewinn und ver- zagt nicht, wenn er nicht gewinnt, ist festen Geistes, ohne Anhanglichkeit, darum ist er iiberall geehrt.

24. (8477.) Ihn, der so mit alien Tugenden begabt ist, tiichtig, rein und frei von Krankheit, die rechte Zeit er- kennend und verstehend, was zum Besten dient, wer mochte den nicht zu seinem Freunde machen!

V So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Vasudeva und Ugrasena (Vdsudeva - Ugrasena - samvdda).

Adhyaya 331 (B. 233).

Yers 8478-8509 (B. 1-32).

Yudhishthira sprach :

1. (8478.) Anfang und Ende aller Wesen wiinsche ich zu wissen, o Kurusprofs, sowie audi Andacht, Werke, Zeitlange und Lebensdauer in jedem der Weltalter,

2. (8479.) sowie audi das Wesen der Welt in seiner Voll- standigkeit und das Kommen und Gehen der Geschopfe; das Entstehen und das Vergehen, wodurch entwickelt sich dieses?

3. (8480.) Wenn dein Geist gegen uns giinstig gestimmt ist, o Bester unter den Guten, so frage ich dich danacli, du aber sage es mir.

4. (8481.) Denn dadurch, dafs ich vordem das vorziigliche Gesprach des Bhrigu und des Priesterweisen Bharadvaja dariiber habe wiedererzahlen horen [oben, S. 144 fg.], ist mir eine vorziigliche Einsicht,

Adhyaya 231 (B. 232). 333

5. (8482.) eine iiberaus gerechtfertigte , in dem gottlichen Urgrund begriindete, zuteil geworden. Aber nur um soviel mehr befrage ich dich, und du, o Herr, mogest mir es sagen.

Bbishma spracb :

6. (8483.) Dariiber will ich dir eine alte Geschichte vor- fiihren, welche der heilige Vyasa seinem Sohne, der ihn be- fragte, vorgetragen hat.

7. (8484.) Nachdem er (Quka) die samtlichen Veden mit- samt den Vedaiiga's und Upanishad's durchstudiert hatte, und da er nach vollkommenem Werke im Hinblick auf die Totalitat des Gesetzes Verlangen trug,

8. (8485.) legte (^uka, der Vyasasohn, dem Vyasa Krishna- dvaipayana diesen Zweifel vor, ihm, der alle Zweifel iiber den Sinn des Gesetzes gelost hatte. Der erhabene ^'uka sprach :

9. (8486.) Den Schopfer der Wesenschar, der durch die Erkenntnis der Zeiten sicher war in seinem Tun, und die dem Brahmanen obliegende Pflicht, die mogest du mir, 0 Herr, erklaren.

Bhishma (der Erzahler) sprach:

10. (8487.) Ihm, dem fragenden Sohne, erklarte dieses alles der Vater, der des Vergangenen und Zukiinftigen Kundige, Allwissende, alle Pflichten Kennende.

Vyasa sprach:

11. (8488.) Das anfanglose, endlose, ungeborene, gottliche, nicht alternde, feste, unvergangliche , unerschliefsbare und unerkennbare Brahman regte sich am Anfang.

12. (8489.) Fiinfzehn Nimesha's (etwa Terzen) machen eine Kashtha (Sekunde), dreifsig Kashtha's rechnet man auf eine Kala (Minute); aus dreifsig Kala's nebst dem zehnten Telle einer Kala besteht der Muhurta (Stunde).

13. (8490.) Aus dreifsig Muhurta's bestehen Tag und Nacht, eine von den Muni's iiberlieferte Zahlung; der Monat gilt als bestehend aus dreifsig Tag-und-Nachten, das Jahr enthalt zwolf Monate.

334 III. Mokshadharma.

14. (8491.) Das Jahr aber besteht aus den beiden Sonnengangen, wie die Zeitrechnungskenner lehren, dem Gang nach Sliden und dem nach Norden.

15. (8492.) Die Sonne teilt Tage und Nachte ein, die mensch- lichen und die kosmischen: die Nacht dient zum Schlafe der Wesen, der Tag zur Tatigkeit in Werken (vgl. Manu I, 65).

16. (8493.) Ein Tag -und -Nacht der Vater ist ein Monat und zerfallt ebenfalls in zwei Teile: die helle Monatshalfte ist der Tag und dient zur Werktatigkeit, die dunkle, zum Schlafe dienend, ist die Nacht (umgekehrt Manu I, 66 und Harivam<?a 506).

17. (8494.) Ein Tag -und -Nacht der Gotter ist ein Jahr und zerfallt ebenfalls in zwei Teile: der Nordwartsgang der Sonne ist der Tag, ihr Siidwartsgang ist die Nacht (vgl. Manu I, 67).

18. (8495.) Die Tag -und -Nachte, welche als menschliche und kosmische vorher erwahnt wurden (Vers 8492), von diesen die Summe der Jahre zusammenzahlend, will ich dir erklaren, was ein Tag-und-Nacht des Brahman ist.

19. (8496.) Ich werde dir gesondert die Summen der Jahre der Keihe nach angeben, wie sie im Weltalter Kritam, Treta, Dvapara und Kali bestehen.

20. (8497.) Viertausend Jahre, so heifst es, bilden das Weltalter Kritam, ebensoviele Hunderte seine Morgendamme- rung und ebensogrofs ist die Abenddammerung (vgl. Manu I, 69 und Harivam<ja 511).

21. (8498.) Fiir die drei iibrigen Weltalter, sowie fiir ihre Morgendammerungen und Abenddammerungen werden die Tausende und die Hunderte jedesmal um ein Viertel ver- mindert (vgl. Manu I, 70).

22. (8499.) Diese Weltalter tragen die bestandigen, ewigen Welten, und von ihnen, o Freund, wissen die Brahmankenner, dafs sie das ewige Brahman sind.

23. (8500.) In dem Weltalter Kritam ist die Gerechtigkeit vierfiifsig und vollstandig und ebenso die Wahrheit; in diesem Zeitalter gibt es keine Bereicherung durch Ungerechtigkeit, die von der Gerechtigkeit abwiche (vgl. Manu I, 81).

Adhyaya 231 (B. 232). 335

24. (8501.) In dem folgenden Weltalter wird die Gerechtig- keit infolge der Bereicherung je um einen Fufs verringert und die Ungerechtigkeit nimmt durch Diebstahl, Unwahrheit und Trug zu (vgl. Manu I, 82).

25. (8502.) Im Kritam sind die Menschen ohne Krank- heiten, bringen alle ihre Plane zum Gelingen und leben vierhundert Jahre, in der Treta und den folgenden Welt- altern nimmt ihre Lebensdauer je um ein Viertel ab (vgl. Manu I, 83).

26. (8503.) Audi das Studium des Veda nimmt den Welt- altern entsprechend ab, so haben wir vernommen, und ebenso steht es mit der Lebensdauer, den Segenswiinschen und mit der Frucht, welche der Veda bringt (vgl. Manu I, 84).

27. (8504.) Andere sind die Pflichten der Menschen im Weltalter Kritam und andere in der Treta und im Dvapara, und wieder andere sind sie im Weltalter Kali, entsprechend der Verkiirzung des Weltalters (vgl. Manu I, 85).

28. (8.505.) Askese ist die hochste Aufgabe im Weltalter Kritam, in der Treta ist die Erkenntnis das Oberste, Opfer im Dvapara und nur das Geben im Weltalter Kali (vgl. Manu I, 86).

29. (8506.) Als diese zwolftausend Jahre umfassend wissen die Weisen die Zeitdauer eines [gottlichen, vier menschliche Weltalter umfassenden, vgl. Harivamga 515] Weltalters, und ein solches tausendmal verlaufend wird ein Brahman tag ge- nannt (vgl. Manu I, 73),

30. (8507.) und die Nacht [des Brahman wissen siej als ebensogrofs. Dieses Weltall war zu Anfang der Igvara ; nach- dem er beim [vorhergehenden] Weltuntergang in Meditation versunken und eingeschlafen war, gelangt er am Ende [der Nacht] zum Erwachen (vgl. Manu I, 73 fg., Harivamga 532 fg.).

31. (8508.) Weil sie den Tag des Brahman wissen als tausend [gottliche] Weltalter befassend und seine Nacht als nach tausend Weltaltern zu Ende gehend, darum sind diese Menschen die [wahren] Kenner von Tag und Nacht.

32. (8509.) Ist der Igvara erwacht, so schafft er am Ende der Nacht das unversano-liche Brahman wieder um und lafst

336 ni. Mokshadharma.

aus ihm hervorgehen die grofse Wesenheit [den Mahan] und aus ihm das zum Bereiche des Entfalteten fvyciktam) gehijrige Manas.

So lautet ini Mokshadharma die Frage des (Juka ((,'uka - anaprat;na).

AclhyAya 233 (B. 233).

Vers 8510-8554 (B. 1-43).

Vyasa sprach:

1. (8510.) Das glanzreiche, reine Brahman ist es, von dem diese ganze Welt herriihrt, aus diesem einen Wesen entspringt die zweifache Wesenheit, namlich das Unbeweghche und das BewegHche.

2. (8511.) Am Anfange des Tages erwachend, schaift er [der Igvara] vermoge der Avidya (des Nichtwissens) die Welt, und zwar zu Anfang die grofse Wesenheit [den Mahan] und alsbald das zum Bereiche des Entfalteten fvyaktamj gehorige Manas.

3. (8512.) Und iiberhandnehmend hienieden schuf das Glanzreiche [Brahman] sieben Manas-artige [die beiden ge- nannten Mahan und Manas einbegriffen]. Namlich das in die Feme reichende, nach vielen Seiten gehende, Verlangen und Zweifel als Wesen habende

4. (8513.) Manas entfaltet die Schopfung, indem es vom Verlangen zu schaffen getrieben wurde. Aus ihm entsteht der Ather fakaQcimJ, als seine Qualitat bezeichnet man den Ton (vgl. Manu I, 75 fg.) ;

5. (8514.) aus dem Ather, indem er sich umwandelt, ent- steht der alle Diifte tragende, reine, machtige Wind, als seine Qualitat gilt die Beriihrung.

6. (8515.) Aus dem Winde sodann, indem er sich um- wandelt, entsteht das glanzreiche, leuchtende, reine Feuer, als seine Qualitat wird die Sichtbarkeit genannt.

7. (8516.) Aus dem Feuer sodann, indem es sich um- wandelt, entsteht das die Eigenschaft des Geschmacks be- sitzende Wasser; aus dem Wasser entspringt der Geruch;

Adhyiiya 232 (B. 233). 337

nebst [seinem Element] der Erde gilt er als eine Schopfung aller [Vorhergehenden].

8. (8517.) Die Qualitiiten jedes vorhergehenden [Elements] gehen ein in jedes nachfolgende, und die wievielte Stelle ein jedes einnimmt, soviele Qualitaten werden ihm zugeschrieben.

9. (8518.) Wenn einige, weil sie den Geruch schon in dem Wasser wahrnehmen, diesem ihn zuschreiben, so ist das un- zutreffend ; nur in der Erde soil man ihn wissen als ein Pro- dukt aus Wasser und Wind.

10. (8519.) Diese siebenfach vorhandenen Atman's, obgleich sie jeder einzelne mannigfache Krafte batten , vermochten nicht die Geschopfe zu schaffen, wenn sie nicht zu einem Ganzen sich vereinigten.

11. (8520.) Da vereinigten sich die Hochherzigen , indem sie sich wechselseitig aufeinander griindeten und so den Korper fgariramj als Grundlage fdgrayanamj erlangten; darum wird [das Ganze] Purusha (Mensch) genannt.

12. (8521.) Zum Korper wird es, weil dieser seine Grund- lage ist [Wortspiel zwischen gariram und crayanam], der gestalthafte, sechzehnwesenhafte ; in ihn gehen ein die grofsen Elemente mitsamt ihrer Funktion.

13. (852J.) Er aber, der alle Geschopfe erwahlte, um in ihnen das Tapas zu betreiben, wurde zum Anfangsschopfer der Wesen; und ihn nennt man Prajapati.

14. (8523.) Er also schafft die Wesen, die unbeweglichen und beweglichen; darauf schafft er, der Gott Brahman, die Gotter, Rishi's, Vater und Menschen,

15. (8524.) die Weltraume, Fliisse und Meere, die Welt- gegenden, Berge und Baume, die Menschen, Kinnara's und Rakshas, die Vogel, Haustiere, Waldtiere und Schlangen, (8525.) das Unvergangliche und das Vergangliche, beides, das Unbewegliche und das Bewegliche.

16. Und welche Werke irgendeiner von diesen vor seinem Geschaffenwerden sich zugeeignet hatte, (8526.) die werden ihm wieder zugeeignet, indem er immer wieder neu geschaffen wird.

17. Lust zu schaden und Lust zu schonen, Milde und Harte, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Wahrheit und Un- wahrheit (Manu I, 29), (8527.) das alles eignen sie sich an,

Deusskn, MahAbharatam. 22

338 III. Mokshadharma.

weil sie dazu vorausbestimmt sind, darum gefallt dem einen dies, dem andern jenes.

18. Die Mannigfaltigkeit in den grofsen Elementen, den Sinnendingen und Gestalten (85'28.) und ihre Verteilung unter den Wesen, der Schopfer ist es, welcher alles dies verleiht.

19. Einige Menschen nun aber behaupten, dafs die mensch- liche Tat bei den Werken [das Wirkende] sei, (8529.) andere Weise erklaren das Schicksal, und manche Naturgriibler er- klaren die Natur [fur das Wirkende].

20. Die menschliche Tat, das Schicksal und das Hervor- gehen der Frucht von Natur aus, (8530.) diese drei erscheinen dabei als gesondert, wahrend einige behaupten, dafs unter ihnen kein Unterschied sei.

21. Es kann so sein und nicht so sein, oder beides nicht sein, oder keines von beiden nicht sein, oder auch dieses nicht, (8531.) so sprechen sich iiber den Gegenstand aus die werk- tiichtigen, in der Wahrheit stehenden Unparteiischen.

22. Die Askese {tapas mit C.) ist das Heil der Wesen, ihre Wurzel Beruhigung und Bezahmung, (8532.) durch sie er- langt man alle Wiinsche, die man im Herzen hegt.

23. Durch Tapas erlangt es der Schopfer, dafs er die gewordene Welt geschaffen hat, (8533.) und indem er zu ihr geworden ist, wird er der Herr aller Geschopfe.

24. Durch Tapas studierten die Rishi's die Veden Tag und Nacht, (8534.) und durch ebendasselbe ist die anfang- und endlose Wissenschaft als heilige Rede geschaffen worden von dem, der durch sich selbst ist, [es folgt nur in C. :] die von Anfang an aus dem Veda bestehende gottliche, aus der alle Entwicklungen hervorgehen.

25. (8535.) Die Namen der Rishi's und die in den Veden erwahnten Schopfungen, sowie Namen und Gestalten der Wesen und die Entwicklung der Werke,

26. (8536.) das alles schafft jener Igvara am Anfang aus , den Vedaworten, und auch die Namen der Rishi's und die in

den Veden erwahnten Schopfungen (S537.) verleiht der Un- geborene am Ende der Weltnacht an andere unter den Edel- geborenen. ,

Adhyaya 232 (B. 233). 339

27. In der Verschiedenheit der Namen, in der Askese und dem, was Werk und Opfer genannt wird, bestehen die Ziele der Welt; (8538.) das Ziel des Atman aber wird in den Veden auf zehnerlei (vielerlei) Arten gelehrt.

28. Das Tiefsinnige, was in den Vedaworten ausge- sprochen wurde von denen, die den Veda geschaut hatten, (8539.) das wird schliefslich nach seiner Bedeutung durch stufenweise zunehmende Hingebung erkannt.

29. Durch die Werke bedingt und mit den Gegensatzen behaftet ist diese individuelle Existenz der Seele ; (8540.) diese lafst hinter sich mit Kraft der Mensch, welcher durch die Erkenntnis das Ziel des Atman erreicht hat.

.30. Zwei Brahman's mufs der Mensch kennen, das Wort- brahman und das hochste; (8541.) wer im Wortbrahman be- wandert ist, erreicht auch das hochste Brahman (vgl. Maitr. Up. 6,22).

31. Das Opfer der Kshatriya's ist die Totung, das Opfer der Vaigya's die Darbringung, (8542.) das Opfer der Qudra's die Dienstleistung , das Opfer der Zwiegeborenen ist Tapas.

32. Jedoch gilt diese Vorschrift der Opfer nur fiir das Tretazei taker, nicht fiir das Zeitalter Kritam, (8543.) im Dva- parazeitalter geraten die Opfer in Verfall und ebenso im Zeit- alter Kali.

33. Nicht gesonderte Satzungen habend sind die Menschen in betreff des Rig-, Sama- und Yajurveda, (8544.) wahrend sie die auf spezielle Wiinsche gerichteten Opfer als gesonderte ansehen, sowie vermoge der asketischen Ubungen das Tapas.

34. Aber in dem Tretazeitalter geschah es, dafs alle jene hochkraftigen Dinge, welche geoffenbart worden waren (8545.) als die Ziigler des Unbeweglichen und Beweglichen allerwarts,

35. dafs diese im Tretazeitalter verkiirzt wurden, namlich die Veden, die Opfer, die Kasten und die Lebensstadien. (8546.) Vermoge der Beschrankung der Lebenszeit aber verfallen diese [noch mehr] im Zeitalter Dvapara,

36. und im Kalizeitalter vollends kommen die gesamten Veden nur noch stellenweise zum Vorschein (8547.) und schwin- den hin mitsamt den Opfern, unterdriickt durch die vollige Gesetzlosigkeit.

22*

340 ni. Mokshadharma.

37. Was im Kritazeitalter Gesetz war, das ist nur noch zu finden als bei den Brahmanen (8548.) vorhanden, welche am Atman, am Tapas und an der Schriftoffenbarung festhalten.

38. Aber von Zeitalter zu Zeitalter werden entsprechend seinem Charakter mitsamt den Zusammenhangen der Satzungen und Geliibde (8549.) die durch Uberlieferung iiberkommenen und in ihrem eigenen Gesetze begriindeten Vedareden entstellt.

39. Wie in der Regenzeit durch den Regen alle Geschopfe immer zahlreicher (855o.) hervorgebracht werden, die beweg- lichen und unbeweglichen, so wuchern die Unsitten von Zeit- alter zu Zeitalter fort.

40. Wie in den verschiedenen Jahreszeiten die mannig- fachen Attribute derselben im Verlaufe (8551.) als diese oder jene zum Vorschein kommen, so ist es bei den Vernichtungen durch Brahman und [seinen Neuschopfungen] :

41. So namlich ist die anfanglose und endlose Mannig- faltigkeit der Zeiten vorausbestimmt ; (8552.) dies ist dir schon vordem verkiindet worden: das Brahman erzeugt und ver- schlingt die Geschopfe.

42. Das Brahman schafft und ist der Ort der Wesen, es wird angesehen als die Zeit; (8553.) sie aber entwickeln sich ihrer Natur gemafs, indem sie vielfach den Gegensatzen unter- worfen sind.

43. Schopfung, Zeit, Opferwerke und Veden, der Schopfer und die Frucht der Pflichterfiillung (8554.) alles dieses ist erklart worden, mein Sohn, wonach du mich gefragt hast.

So lautet im Mokshadharma die Frage des tjuka (Quka - anupra<^na).

Adhy%a *i33 (B. *^34).

Vers 8555-8574 (B. 1-19).

Vyasa spi-ach: 1. (8555.) Nun will ich dir reden von der Absorption der Welt zu Anfang der Weltnacht, nachdem der Tag dahin ist, und wie der Igvara dieses Weltall zu seinem eigenen, uberaus feinem Selbste macht.

Adhyaya 233 (B. 234). 341

2. (8556.) Es brennen dann am Himmel die Sonne und sieben, mit Spitzflammen lohende Feuersgluten , und diese ganze Welt, von ihren Gluten erfiillt, geht in Flammen auf.

3. (8557.) Die Wesen, bewegliche und unbewegliche, welche sich auf der Erde befinden, diese gehen zunachst zugrunde und werden wieder zur Erde.

4. (8558.) Wenn dann alles zugrunde geht, das Unbeweg- liche und das Bewegliche, dann erscheint die Erde baumlos und graslos, wie der Riicken einer Schildkrote.

5. (8559.) Wenn dann das Wasser den Geruch, wiewohl er die Qualitat der Erde ist, in sich aufnimmt, dann ist die des Geruches beraubte Erde zum Untergange reif.

6. (8560.) Dann bestehen die wogenden, machtig brausen- den Wasser noch fort, und indem sie diese ganze Welt er- fiillen, stehen und gehen sie hin und her.

7. (8561.) Wenn dann weiter das Feuer die Qualitat des Wassers [den Geschmack] in sich aufnimmt, dann kommen die ihrer Qualitaten beraubten Wasser in dem Feuer zur Kuhe.

8. (8562.) Wenn dann die flammenden Gluten die in ihrer Mitte befindliche Sonne umhiillen, dann geht der ganze von Gluten erfiillte Himmel in Flammen auf.

9. (8563.) Wenn dann der Wind die Sichtbarkeit, wiewohl sie die Qualitat des Feuers ist, in sich aufnimmt, dann kommt das Feuer zur Ruhe und der grofse Wind durchbraust mach- tig das All.

10. (8564.) Indem dabei der Wind das Getose, aus welchem sein Ursprung war, sich zu eigen macht, durchbraust er nach unten, oben und in die Quere alle zehn Himmelsgegenden.

11. (8565.) Wenn dann der Ather die Beriihrung, wiewohl sie die Qualitat des Windes ist, verschlingt, dann kommt der Wind zur Ruhe und nur der tonerfiillte Ather besteht noch,

12. (8566.) Ohne Sichtbarkeit, ohne Geschmack und Be- riihrung, ohne Geruch und ohne Gestalt durchtont die ganze Welt und besteht weiter der tonerfiillte Ather.

13. (8567.) Den Ton, obwohl er die Qualitat des Athers ist, [verschlingt] das seiner Natur nach offenbarende Manas, den offenbaren Teil des Manas verschlingt sein unoffenbarer, [so erfolgt] die Weltauflosung in Brahman.

342 III. Mokshadharma.

14. (8568.) Dieses Manas, indem es in seine Qualitat [den Wunsch samkal^oa] eingeht, verschlingt der Mond, und wahrend das Manas zur Ruhe kommt, besteht es weiter in dem Monde.

15. (8569.) Diesen Wunsch fsamkalpa) bringt durch lange Zeit der Mond in seine Gewalt; namlich der Samkalpa ver- schlingt das Cittam (Manas), dieses aber [das Cittam in Ge- stalt seiner Quahtat des Samkalpa] wird verschlungen von dem hochsten Bewufstsein;

16. (8570.) das Bewufstsein wird verschlungen von der Zeit, die Zeit wieder von der Kraft, wie die Schrift lehrt [Chand. Up. 7,8,1]; die Kraft aber wird von der Zeit ver- schlungen und diese wiederum wird von dem Wissen unterjocht.

17. (8571.) Dann nimmt der Wissende den Ton des Athers in sich auf, und das ist dann das hochste Brahman, das ist das uniibertreff liche Ewige. (8572.) So steht es mit alien Wesen, das Brahman ist ihre Auflosung;

18. wie es dir vollstandig verkiindet worden ist, so steht es damit, daran ist kein Zweifel, (8573.) wie die aus dem Wissen stammende Belehrung geschaut wurde von den Yogin's, die den hochsten Atman besafsen.

19. So erfolgen immer wieder und wieder Weltausbrei- tung und Weltvernichtung in der unoffenbaren Wesenheit des Brahman (8574.) am Anfange der Tausende von Welt- altern, aus denen beide bestehen, und so steht es mit dem Tage und der Nacht [des Brahman].

So lautet im Mokshadharina die Frage des (,'nka (Quka - anupra(;na).

Adhyaya 234 (B. 235).

Vers 8575-8612 (B. 1-38).

Vyasa sprach:

1. (8575.) Was vorausbestimmt war fiir die Schar der Wesen, das ist dir von mir verkiindet worden. Was aber die Pflicht eines Brahmanen ist, das will ich dir sagen, das vernimm.

Adhyaya 234 (B. 235). 343

2. (8576.) Von der Geburtszeremonie an soil fiir ihn die Ausfiihrung der opferlohnbringenden Werke bis zur Heim- kehr aus der Lehre unter einem Lehrer erfolgen, der den Veda ganz durchstudiert hat.

3. (8577.) Nachdem er die gesamten Veden studiert und an dem Gehorsam gegen den Lehrer seine Freude gehabt hat, soil er nach Abtragung der Schuld an den Lehrer als ein Opferkundiger heimkehren.

4. (8578.) Nachdem er von seinem Lehrer entlassen ist, soil er eines der vier Lebensstadien bis zur Erlosung von dem Leibe nach der Vorschrift einhalten,

5. (8579.) sei es durch Zeugung von Nachkommen und Heirat oder durch eine [fortgesetztej Brahmanschiilerschaft oder durch das Wohnen im W^alde in der Nahe des Lehrers oder auch durch Ubernahme der Pflichten eines Yati (San- nyasin).

6. (8580.) Aber der Hausvater gilt fiir die Wurzel aller dieser Pflichtstadien , denn wo gekochter Saft [oder doppel- sinnig: abgetane Siinde] ist, da gedeiht iiberall der sich Be- zahmende.

7. (8581.) Als kinderreich, schriftkundig und opferfleifsig die drei Schulden abgetragen habend, mag er sodann, durch Werke gelautert, spater zu anderen Lebensstadien iibergehen.

8. (8582.) Den reinsten Ort auf der Erde, den er kennt, soil er bewohnen, an diesem strebe er nach Vorbildlichkeit und [beharre] in hochstem Ansehen.

9. (8583.) Durch grofse Askese oder auch durch volliges Durchdringen der Wissenschaft oder durch Opfern oder Almosengeben konnen die Brahmanen zu Beriihmtheit ge- langen.

10. (8584.) Solange einem in dieser Welt riihmliches Lob zuteil wird, solange erlangt der Mensch die unendlichen Welten der Vollbringer heiliger W^erke (Gen. mit C).

11. (8585.) Er moge den Veda lehren und lernen, er moge opfern lassen oder opfern, er moge nie Gaben empfangen oder spenden, wo es nicht berechtigt ist.

12. (8586.) Mag es herriihren von einem Opferherrn oder Schiller oder Madchen, es gelte ihm als grofse Gabe; und

344 ni. Moksliadharma.

wenn er etwas erhalt oder opfert oder spendet, auf keinen Fall soil er als einziger geniefsen.

13. (8587.) Fiir ihn, solange er ein Hausvater ist, gibt es kein anderes Siihnemittel , welches dem gleichkame, wenn um der Gotter, Vater, Rishi's oder Lehrer willen die Alten, Kranken und Hungrigen von ihm ein Almosen erhalten.

14. (8588.) Wenn welche sind, die von geheimen Feinden bedrangt werden und ilir Dasein nach Kraften zu erhalten suchen, so soil man solchen audi iiber seine Kraft hinaus spenden von dem, was man aus seinen Mitteln zubereitet hat.

15. (8589.) Es gibt gar nichts, was nicht an Wiirdige und Achtbare zu geben ware, denn sogar das Rofs Uccaihgravasa kann, wie man weifs, von Edlen erlangt werden.

IG. (8590.) Einem Wunsche nachgebend hat der geliibde- ti-eue Satyasandha mit seinem Leben das Leben der Brah- manen gerettet und ist zum Himmel eingegangen.

17. (8591.) Und auch Rantideva, der Sohn des Saiikriti, nachdem er dem hochherzigen Vasishtha kaltes und warmes Wasser gespendet hat, geniefst dafur die Herrlichkeit auf dem Riicken des Himmels.

18. (8592.) Und auch Indradamana, der Nachkomme des Atri, der weise Fiirst, nachdem er einem Wiirdigen mannig- faches Gut gespendet hatte, ging dafiir in die ewigen Wel- ten ein.

19. (8593.) Und Cibi, der Sohn des Uginara, nachdem er seine Glieder und seinen eigenen lieben Sohn [Brihadgarbha] dem Brahmanen zuliebe hingegeben hatte, ist infolgedessen zum Riicken des Himmels aufgestiegen.

20. (8594.) Und Pratardana, der Konig von Kagi, der seine eigenen Augen einem Brahmanen hingegeben hatte, erlangte dafiir unvergleichlichen Ruhm hier und im Jenseits.

21. (8595.) Nachdem Devavridha seinen gottlichen, acht- stangigen, goldenen, hochst gedeihlichen Sonnenschirm ab- gegeben hatte, fuhr er mitsamt seinem Konigreiche zum Himmel.

22. (8596.) Und Saiikriti, aus dem Geschlechte des Atri, der Hochgewaltige, welcher seinen Schiilern das attributlose Brahman lehrte, ging ein in die uniibertrefflichen Welten.

Adhyaya 234 (B. 235). 345

23. (8597.) Der glanzreiche Ambarisha schenkte den Brah- manen elfhunderi Millionen Kiihe und fuhr mitsamt seinem Konigreiche zum Himmel.

24. (8598.) Urn eines Brahmanen willen verzichtete Savitri auf die himmlischen Ohrringe und Janamejaya auf seinen Leib und beide gingen dafiir ein zu der hochsten Statte.

25. (8599.) Vrishadarbhi Yuvanagva hat alle seine Schatze, seine lieben Frauen und seine herrliche Wohnung hingegeben und ist dafiir zur Himmelswelt gelangt.

26. (8600.) Nimi, Konig von Videha, gab den Brahmanen sein Reich, der Sohn des Jamadagni die Erde, Gaya die weite Welt mit ihren Stadten.

27. (8601.) Und als Parjanya nicht regnete, belebte als Wesenschopfer Vasishtha alle Wesen, wie Prajapati die Ge- schopfe.

28. (8602.) Und auch der Sohn des Karandhama, der wohl- bereitete Maruta, gab seine Tochter dem Aiigiras und ge- langte alsbald in den Himmel.

29. (8603.) Und Brahmadatta, der Konig der Paficala's, der Beste unter den Weisen, gab seinen Schatz, die Muschel, den Obersten der Zwiegeborenen und erlangte dafiir die Himmelswelten.

30. (8604.) Auch der Konig Mitrasaha gab dem hoch- herzigen Vasishtha seine geliebte Madayanti und kam dafiir mit ihr in den Himmel.

31. (8605.) Der hochberiihmte Konigsweise Sahasrajit gab um eines Brahmanen willen das liebe Leben hin und gelangte in die untibertrefflichen Welten.

32. (8606.) Und der Fiirst (^'atadyumna, nachdem er sein mit allem Wiinschenswerten erfiilltes goldenes Haus dem Mudgala gegeben hatte, ging in den Himmel ein.

33. (8607.) Und der mit Namen Dyutiman genannte herr- liche Konig der (^'alva's iibergab sein Reich dem Ricika und ging ein zu den hochsten Welten.

34. (8608.) Auch der machtige Konigsweise Somapada gab seine Tochter (^anta dem Rishyagringa und wurde dafiir reich- lich mit allerlei Wiinschenswertem beschenkt.

346 in. Mokshadharma.

35. (8609.) Auch der Konigsweise MadiraQva gab seine schlanke Tochter dem Hiranyahasta und gelangte in die von Gottern gepriesenen Welten.

36. (8610.) Und Prasenajit, der machtige Konig, weleher hunderttausend Kiihe mitsamt ihren Kalbern verschenkt hatte, gelangte in die hochsten Welten.

37. (8611.) Diese und viele andere Hochherzige sind durch Gaben und Askese zum Himmel gelangt, belehrten Geistes und mit bezahmten Sinnen.

38. (8612.) Ihr Ruhm steht lest, solange die Erde stehen wird; sie alle eriangten durch Gaben, Opfer und Erzeugung von Nachkommen den Himmel.

So lautet im Mokshadharma die Frage des <i,'uka ((^uka - anupra^na).

Adhyaya *^35 (B. 236),

Vers 8613-8644 (B. 1-32).

Vyasa sprach :

1. (8613.) Die dreifache Wissenschaft, wie sie in den Veden ausgesprochen ist, soil man sodann gliedweise betrachten nach Worten und Silben der Rikverse und der Samanlieder und ebenso beim Yajur- und Atharvaveda.

2. (8614.) In ihnen lebt der Erhabene, beharrend in den sechs Werken [des Lernens, Lehrens, Opferns, Opfernlassens, Gebens und Nehmens]. Denn diejenigen, welche mit den Vedaworten bekannt und mit der hochsten Seele bekannt sind,

3. (8(;i5.) iiberschauen als Realitathafte und Hochbegliickte das Entstehen und Vergehen. So moge er im Gesetze leben und das Opfer als ein Unterrichteter betreiben.

4. (8616.) Ohne die Wesen zu bedrangen, soil der Zwie- geborene seine Aufgabe zu erfiillen suchen, von den Guten das Wissen iiberkommen habend, belehrt, der Satzung kundig.

5. (8617.) Seiner Pflicht gemafs steht in der Werkwelt, in Opferwerken und Wahrheit wurzelnd und lebend, der Zwiege- borene als Hausvater fest in den sechs Werken (vgl. Vers 8614).

Adbyaya 235 (B. 236). 347

6. (8618.) Die fiinf Opfer [an Gotter, Eishi's, Vater, Men- schen und Tiere] moge er immerfort darbringen als ein Glau- biger, Beharrlicher, Besonnener, Bezahmter, Pflichtkundiger, Atmanhafter.

7. (8619.) Frei von Freude, Ubermut und Zorn wird der Brahmane nicht lassig. Geben, Studieren, Opfer, Askese, Schamhaftigkeit, Rechtschaffenheit und Selbstbeherrschung,

8. (8620.) das sind die Mittel, durch welche er seine Kraft steigert und das Ubel fernhalt, er, der das Bose abgeschiittelt hat, voll Weisheit, mafsig sich nahrend und bezahmter Sinne.

9. (8621.) Lust und Zorn bewaltigt habend, moge er der Statte des Brahman nachspiiren, moge die Opferfeuer und Brahmanen hochachten und die Gottheiten verehren.

10. (8G22.) Er halte fern von sich ^ herrische Rede und Totung, sofern sie nicht vom Gesetze geboten ist. Dies wird als die von den Alten eingehaltene Lebensweise des Brah- manen vorgeschrieben.

11. (8623.) Indem er nach Wissen und UberHeferung die Werke vollzieht, bringt er es in ihnen zur Vollkommenheit. Den die fiinf Sinne als Wasser habenden, furchtbaren, aus der Begierde entspringenden, schwer zu durchschwimmenden,

12. (8624.) den Zorn als Schlamm fiihrenden, unaufhalt- samen Strom durchschreitet der Weise. Er schaue hin auf die bestandig lauernde, unendliches Wirrsal bringende Zeit.

13. (8625.) Durch die grofse, vom Schicksal ausersehene, unwiderstehliche Gewalt, durch den Strom der Xatur wird die gewordene Welt unaufhorlich fortgerissen.

14. (8626.) Durch diesen Strom, dessen Wasser die Zeit ist, den grofsen, dessen Strudel fort und fort die Jahre sind, der die Monate als Wellen, die Jahreszeiten als Stromschnellen, die Monatshalften als Buschwerk und Graser hat,

15. (8627.) dessen Schaum die aufblitzenden Augenblicke, dessen Wasser die Tage und Nachte sind, der furchtbar ist durch das Krokodil der Lust, auf dem Veda und Opfer als Schiffe dienen,

16. (8628.) auf dem das Gute die Rettungsinsel fiir die Wesen bildet, dessen Wasser das Niitzliche und Angenehme sind, der die Wahrheit, das heilige Wort und die Erlosung

348 III- Mokshadharma.

als Ufer hat, der die Scliadigungen als Baumstamme mit sich fiihrt,

17. (8629.) in dessen Mitte die Weltalter die Fluten eines Sees bilden, dessen Vergang und Entstehen aus Brahman ist, durch diesen Strom werden die von dem Schopfer ge- schaffenen Wesen fortgefiihrt in die Behausung des Yama.

18. (8630.) Diesen Strom iiberschreiten Besonnene, Weise mit den aus Opfern bestehenden Schiffen, aber die, welche dieses Schiff nicht haben, was werden diese Unverstandigen machen ?

19. (8631.) Was einen auch immer treffen mag, der Weise hilft sich heraus, aber kein anderer, denn von feme schon iiberschaut der Weise allenthalben Tugend und Laster.

20. (8632.) Aber der Begierdehafte, Wankelmiitige , Ein- sichtarme, Unweise kommt nicht iiber den Zweifel hinaus; denn wer stillsitzt, kommt nicht vorwarts.

21. (8633.) Aber der Schiff lose halt in seiner Verblendung die grofse Siinde fest; wenn er von dem Krokodil der Lust ergriffen ist, so ist ihm auch die Erkenntnis als Schiff nichts niitze.

22. (8634.) Darum soil, wer weise ist, sich bemiihen empor- zutauchen; darin aber besteht sein Emportauchen , dafs er ein Brahmana [pragnant wie Brih. Up. 4,4,23] wird.

23. (8635.) Darum soil, wer in einer gelauterten Familie geboren ist, obgleich mit den drei [Guna's] zusammengeknetet, durch Vollbringen der drei Werke [des Studiums, Opfers und Gebens] in dem Auftauchen beharren, damit er durch Er- kenntnis sich rette.

24. (8636.) Denn ihm, welcher geweiht, bezahmt, in sich gefestigt, Herr seiner selbst und weise ist, wird als unmittel- bare Folge VoUendung zuteil in dieser Welt und im Jenseits.

25. (8637.) In diesen Verhaltnissen lebe der Hausvater ohne Zorn und ohne Murren und bringe fort und fort die fiinf Opfer [vgl. Vers 86i8] dar, indem er sich von den Opfer- resten nahrt.

26. (8638.) Er beharre in der Pflicht der Guten, betreibe als ein Kundiger das Opferwerk und trachte, ohne die Mit- menschen zu bedrangen, nach einem unbescholtenen Wandel.

Adhyaya 235 (B. -236). 349

27. (8039.) Die Schrift, das Wissen und die Wahrheit kennend, wandelnd nach der Lehre und kundig, tatig in Er- fiillung seiner Pflicht und auch in seinen Handlungen, die Vermischung mit anderen Kasten meidend,

28. (8(540.) werkeifrig, glaubig, bezahmt, weise, zufrieden und den Unterschied von Gutem und Bosem kennend, so iiber- windet er jede Schwierigkeit.

29. (8641.) Glaubig, beharrlich, besonnen, bezahmt, pflicht- kundig, atmanhaft, frei von Freude, Ubermut und Zorn wird der Brahmane nicht lassig [vgl. Vers 86i8— 8i;i9].

30. (8C42.) Dieses wird als die althergebrachte Lebens- fiihrung des Brahmanen vorgeschrieben; wenn er mit dieser Erkenntnis ausgeriistet die Werke vollbringt, kommt er aller- warts zum Gelingen.

31. (8643.) Der Unwissende, auch wenn er das Rechte hebt, tut doch das Unrecht; er vollbringt das Rechte oder den Schein des Rechten gleichsam mit ^Viderstreben.

32. (8644.) Er glaubt, das Rechte zu tun, und tut das Unrechte; er strebt nach dem Unrechten und tut das Rechte; den Unterschied beider Handlungsweisen nicht verstehend, wird ein solcher Mensch geboren und stirbt als ein Tor.

So lautet im Mokshadharma die Frage des '^'uka ((^uka-anupra<;na).

Adhyaya *i:^6 (B. 237).

Vers 8645-8687 (B. l-41j.

Vyasa sprach:

1. (8645.) Wenn nun einer dazu gelangt, an diesem [Ge- sagten] Gefallen zu fmden, wahrend er von dem Strome fort- gefiihrt wird, so wird er emportauchend und sinkend als Weiser nicht des Schiffes ermangeln.

2. (8646.) In der Erkenntnis gefestigt, setzen die Weisen auf Schiffen die Unweisen iiber den Strom, aber die Un- weisen sind nicht imstande, andere oder §ich selbst irgend- wie iiberzusetzen.

350 III- Mokshadharma.

3. (8G47.) Die Siinde vernichtend, moge der von ihr Be- freite durch den Yoga die zwolf [Leib, Manas und Sinne Qvet. Up. 2,8] anspannen, indem er iiber Ort, Werk, Leiden- schaft, Zweck, unzulangliche Mittel und ihre Beseitigung Ge- wifsheit besitzt.

4. (8648.) Durch Einschrankung des Auges und der Er- nahrung moge mitsamt Denken und Sehen die Rede und das Manas durch die Buddhi niederhalten , wer die hochste Er- kenntnis zu erlangen wiinscht.

5. (8649.) Durch die Erkenntnis moge sein Selbst bandi- gen, wer die Beruhigung seines Selbstes zu erringen wiinscht. Wenn er zum blofsen Zuschauer aller jener Dinge geworden ist, dann wird auch der sehr Hartherzige zum Purusha.

6. (8650.) Mag der Brahmane nun alle Veden oder mag er keinen Vers da von kennen, mag er ein pflichttreuer Opferer oder ein Erzbosewicht sein,

7. (8651.) mag er nun ein ausgezeichneter Mann oder ein von den Beschwerden fJclegaJ iiberwaltigter sein, wenn er so verfahrt, so iiberschreitet er den schwer zu iiberwindenden Ozean von Alter und Tod.

8. (8652.) Wenn er in dieser Weise durch diesen Yoga sich so von Grund aus bereitet, dann gelangt er, wenn er auch noch so erkenntnisdurstig ist, iiber das Wortbrahman hinaus.

9. (8653.) Der Gerechtigkeit als Wagensitz hat, Scham- haftigkeit als Schutzbrett, Gelingen und Mifslingen als Deichsel, Einhauch als Achse, Aushauch als Joch, Bewufstsein, Leben und Seele als Bander,

10. (8654.) der Geistigkeit als Standbrett hat, der schone, der Ergreifung eines guten Wandels als Radkranz, Sehen und Fiihlen als Beweger, Riechen und Horen als Zugtiere hat,

11. (8655.) dem die Erkenntnis als Nabe, alle Lehrbiicher als Stachelstock, das Wissen als Wagenlenker, der Kshe- trajna (Atman) als Wagenfahrer dient, der feste, der Glauben und Bezahmung als Vorlaufer,

12. (8656.) Entsagung als kleinen Nachlaufer hat, der sicheren Sitz Bietende, im Reinen Dahinfahrende , dessen Bahn die Meditation ist, das ist der von der Seele an-

Adhyaya 236 (B. 237). 351

geschirrte, gottliche Wagen, der in der Brahmanwelt er- glanzt.

13. (8657.) Wer ohne Verzug den Wagen in dieser Weise zu bespannen sucht und auf ihm zu dem Unverganglichen zu gelangen strebt, dessen schnellen Lauf will ich dir er- klaren.

14. (8658.) Die Stimme unterdriickend, gelangt man zu den sieben vollstandigen Fixierungen [des Manas], und andere ebenso grofse sind nach riickwarts [auf die Kreise von Sonne, Mond, Polarstern usw. Nil.] und nach seitwarts [auf Nasen- spitze, Brauen, Kehlgrube usw. Nil.] gerichtet; dies sind die Fesselungen [des Manas].

15. (8659.) Dadurch geschieht es, dafs man stufen weise zur Herrschaft iiber die Erde und die Luft ebenso steht es mit Ather und Wasser zur Herrschaft iiber das Feuer und ebenso iiber Ahaiikara und Buddhi, (8660.) und stufen- weise audi zur Herrschaft iiber das Avyaktam gelangt.

16. Fiir den, welcher unter ihnen, die mit dem Yoga solcher Art beschaftigt sind, diese Tiichtigkeiten besitzt, (866i.) welcher so den Yoga iibt, ihm hingegeben und die Voll- kommenheit in sich selbst schauend,

17. fiir ihn, den als ein Erloster (Nom. nirmucyamdnah !) vermoge seiner Feinheit jene Gestalten Schauenden, (8662.) fiir ihn ist, gleichwie ein feiner winterlicher Nebel den Himmel iiberzieht,

18. so, wenn er von seinem Leibe erlost ist, seine friihere Gestalt. (8663.) Wenn dann der Nebel sich senkt, so folgt das Sehen einer zweiten Erscheinung,

19. namlich wie man so etwas wie Wasser im Ather bemerkt, so sieht er etwas derartiges in seinem eigenen Innern. (8664.) Und nachdem er iiber das Wasser hinaus- gelangt ist, erscheint ihm eine Art Feuer.

20. Ist dies zur Ruhe gekommen, so erscheint ihm der seine Waffen in sich tragende fpitagastra?) Trejber (der Wind). (8665.) Alsdann erscheint seine Gestalt wie eines, der weifs wie Wolle ist.

21. Wenn er sodann den weifsen Pfad gegangen ist und weiter zu dem feinen Windartigen, (8666.) dann wird ferner-

352 in. Mokshadharma.

hin dem Brahmanen auch die nichtweifse Feinheit des Feuers (vgl. Chand. Up. 6,4,1} verheil'sen.

22. Nachdem nun dieses alias erlblgt ist, so hore, welche Friichte daraus entspringen. (8667.) Wenn er dazu geworden ist, so wird ihm vermoge der Gottherrlichkeit liber das Erd- artige Schopferkraft verliehen,

23. und wie der unwandelbare Prajapati schafft er aus seinem Leibe die Geschopfe (sees.) nur mit seinen Fingern und Daumen oder mit seinen Handen und Fiifsen.

24. Die Erde vermag er ganz allein zu erschiittern, in- dem er, wie die Schrift sagt, zur Qualitat des Windes ge- worden ist. (S669.) Wenn er zum Ather geworden ist, so erglanzt er in ihm, indem er seine Farbe annimmt, oder von der Farbe [abstehend] macht er sicli unsichtbar, oder auch er trinkt die Behalter [Brunnen, Teiche, Seen] leer.

25. (8e70.) Auch kann es geschehen, dafs seine Gestalt nicht erst wie die von Feuern sichtbar wird und dann ver- schwindet: Hat er erst den Ahaiikara iiberwunden, so sind alle jene fiinf [Elemente] seinem Willen untertan.

26. (8671.) Dann gewinnt er, indem auch die Buddhi iiber- wunden wurde, die Herrschaft iiber jene in ihm vorhandenen sechs [die fiinf seinen Korper bildenden Elemente und den Ahaiikara], und es iiberkommt ihn der voile, fleckenlose Glanz.

27. (8672.) Und ebenso geht dann sein Entfaltetes in den unentfalteten Atman [die Prakriti] ein, aus welchem die Welt ausstromt und durch welchen sie den Namen des Entfalteten erlangt.

28. (8673.) Nunmehr vernimm von mir ausfiihrlich die auf das Unentfaltete beziigliche Wissenschaft, ferner lerne vor- her von mir das, was nach der Saiikhyalehre das Entfaltete ausmacht.

29. (8G74.) Die fiinfundzwanzig Prinzipien, welche gleich- mafsig in beiden, dem Yoga und dem Sankhyam, gelten, und ebenso den Unterschied beider Lehren sollst du von mir horen.

30. (8675.) Das Entfaltete (vyaUamJ heifst dasjenige, wel- ches entsteht, wachst, altert und stirbt, indem es mit [diesen] vier Merkmalen behaftet ist.

Adhyaya 286 (B. 237). 353

31. (8676.) Hingegen dasjenige, welches ihm entgegen- gesetzt ist, wird das Unentfaltete genannt. Ferner werden zwei Atman's [Prakriti und Purusha] in den Veden und den Lehrbiichern [nach Nil.: dem Vedanta] unterschieden.

32. (8677.) Aber das Ersterwahnte, welches die vier Merk- male an sich tragi, bezeichnen sie als den Caturvarga [die vier Klassen von Wesen: Gotter, Menschen, Tiere, Pflanzen]. Das Entfaltete und das Unentfaltete [die Prakriti] wird auf- gefafst als ein Ungeistiges, (8678.) und audi das [noch zur Prakriti gehorige] Sattvam und der Kshetrajfia [Purusha] werden als zwei verschiedene aufgezeigt.

33. Beide Atman's hangen, wie die Veden lehren, den Sinnendingen an, (8679.) aber die Zuriickziehung von den Sinnendingen sollst du als Merkzeichen der Sankhya's [nach Nil. der Auj^anishada' s] wissen.

34. Dann wird man selbstlos, frei von Ichbewufstsein, von Gegensatzen und von Zweifeln, (8680.) dann ziirnt man nicht und hafst nicht und spricht keine unwahren Worte.

35. Wird einer angeschrien oder geschlagen, so sinnt er aus Liebe nicht auf Boses. (868i.) Rache durch Worte, durch Taten oder in Gedanken legt er alle drei von sich ab.

36. Gleichmafsig gegen alle Wesen, wendet er sich zu Gott Brahman bin, (8682.) er wiinscht nichts und ist doch nicht wunschlos, sich begniigend mit dem blofsen Unterhalte seines Lebens.

37. Nicht begehrlich, unerschiitterlich , sich bezahmend ist er, ungekiinstelt und doch nicht ohne Kunst, (8683.) seine Sinnlichkeit ist nicht auf vielerlei gerichtet, seine Wiinsche gehen nicht nach alien Seiten.

38. In alien Wesen sieht er dasselbe, freundlich ge- sinnt, gleichgiiltig auf Erdschollen und Goldklumpen blickend, (8684.) gleichmlitig bei Angenehmem und Unangenehmem, gleich- miitig gegen Tadel und Lob.

39. Begierdelos gegeniiber alien Wiinschen, fest in dem Geliibde des Brahmanwandels, (8685.) kein Wesen schadigend, so sich verhaltend wird der Anhanger des Saiikhyam der Erlosung teilhaftig.

40. Wie sie vom Yoga aus zur Erlosung gelangen und

Deusses, Mah&bh&ratani. 23

354 ni. Mokshadharma.

durch welche Ursachen, das vernimm. (8686.) Wer, die Gott- herrlichkeit als Yoga iiberschreitend, iiber sie hinausgelangt, der wird erlost.

41. Damit ist dir die aus dem richtigen Verhalten ent- springende Erkenntnis erklart worden, daran ist kein Zweifel. (8687.) Auf diese Weise wird man von den Gegensatzen frei und gelangt zu Gott Brahman. [Nur in C. :] Und hingegeben in \\ erken und Gedanken, wendet man sich dem Gott Brah- man zu.

So lautet im Mokshadharma die Frage des (^uka (Quka - anupr<i(;na) .

Adhyaya 337 (B. 338).

Vers 8688-8712 (B. 1-25).

Vyasa sprach:

1. (8688.) Wenn der Weise das Schiff der Erkenntnis be- stiegen hat, namhch die Ruhe der Seele, soil er, emporgehoben und niedersinkend , seine Zuflucht in dem Wissen suchen.

Quka sprach :

2. (8689.) Aber was soil ich unter diesem Wissen ver- stehen, durch welches man die Zweiheit iiberschreitet. Hat diese Kegel als Merkmal ein Tun oder ein Ablassen vom Tun, das sage mir.

Vyasa sprach :

3. (8690.) Wer aber aus seiner Natur heraus die Dinge ansieht ohne das richtige Verhalten fbJidvaJ, der ist unver- standig; hingegen durch die Erkenntnis bringt man alle zum Gedeihen, welche nach der Erlosung [muMi mit C] streben.

4. (8691.) Diejenigen, welche trotz des vollig hingebenden Verhaltens die Ursache in ihrer eigenen Natur zu fmden glauben, die gelangen, auch wenn sie Gras oder Halm von der Umhiillung siiubern [den Atman wie einen Halm aus dem Schilfe herausziehen nach Kath. Up. 6,17], doch zu nichts.

5. (8692.) Diejenigen, welche, diese Richtung einschlagend.

Adhy^ya 237 (B. 238). 355

als Torichte wiederkehren, die konnen, weil sie in ihrer eigenen Natur die Ursache suchen, nicht zum Heile gelangen.

6. (8693.) Die eigene Natur, welche in Verblendung, Werken und Wiinschen wurzelt, fiihrt zum Verderben, und dieses gilt von beiden, von der eigenen und von der sie umgebenden Natur.

7. (8694.) Die irdischen Tatigkeiten des Pfliigens usw. und des Erntens der Feldfrucht sind von Weisen hervorgebracht, sowie auch die Wagen, Sessel und Hauser.

8. (8695.) Von Spielplatzen, Hausern und Arzneimitteln gegen Krankheiten sind Urheber die Weisen , unterstiitzt durch Verstandige.

9. (8696.) Die Erkenntnis beschenkt mit Giitern, die Er- kenntnis erlangt auch das Heil; in gleicher Weise geniefsen die Konige ihr Konigtum vermoge der Erkenntnis.

10. (8697.) Das Hochste und Tiefste wird durch die Er- kenntnis von den Wesen erlangt, durch das Wissen, o Freund, wird es von den Geschopfen erlangt, das Wissen ist das hochste Ziel.

1 1 . (8698.) Die Entstehung aller der mannigfachen Wesen ist als vierfach, namlich als Lebendgeborenes , Eigeborenes Sprofsgeborenes und Schweifsgeborenes , zu betrachten.

12. (8699.) Ferner mufs man daran festhalten, dafs die beweglichen Wesen von den unbeweglichen verschieden sind, denn es geziemt sich, dafs die Bewegung unterschieden werde durch Unterscheidungskunst. [Besser: von der Nicht -Be- wegung, aviceshtayd nach Bohtlingks Konjektur.]

13. (8700.) Die beweglichen Wesen bezeichnet man als vielfiifsig, aber es gibt vielmehr zwei Arten, denn es gibt auch viele zweifiifsige, welche von den vielfiifsigen verschie- den sind.

14. (8701.) Die Zweifufsler sind von zweierlei Art, erd- bewohnende und andere [Vogel]; die erdbewohnenden sind [von letzteren] verschieden, denn sie nahren sich von Speise.

15. (8702.) Die erdbewohnenden sind wiederum zweifach, namlich mittlere und hohere ; die mittleren unterscheiden sich, sofern man Geburt und Eigenschaften in Betracht zieht.

16. (8703.) Die mittleren sind wieder zweifach, die Gesetzes- kundigen und die iibrigen; die Gesetzeskundigen unterscheiden

23*

356 ni. Mokshadharma.

sich [von den letzteren], sofern man auf das Tunsollen und Nicht-Tunsollen achtet.

17. (8704.) Die Gesetzeskundigen sind wieder zweifach, die Vedakundigen und die iibrigen; die Vedakundigen unterschei- den sich [von letzteren] , denn sie sind der Trager des Veda.

18. (8705.) Die Vedakundigen sind wieder zweifach, Leh- rende und die iibrigen ; die Lehrenden unterscheiden sich [von letzteren], sofern man die ganze Pflicht [Lehren und Lernen] in Betracht zieht.

19. (8706.) Denn diejenigen, von welchen die Veden mit alien ihren Pflichten, Werken und Friichten erkannt werden, von diesen, als den Lehrenden, stromen die ganzen Veden mitsamt den Pflichten aus.

20. (8707.) Die Vedalehrer sind wieder zweifach, die Atman- kenner und die iibrigen ; die Atmankenner unterscheiden sich [von letzteren], sofern man das Dazu-geboren-sein und Nicht- dazu-geboren-sein in Betracht zieht.

21. (8708.) Nur wer die Zweiheit der Satzungen [Wissen und Werke] kennt, der ist ein Vedawisser, ein Vedakundiger, der ist ein Entsager, von wahrhaftem Katschlusse, wahrhaft, rein und Herr.

22. (8709.) Ihn, der in der Erkenntnis des Brahman ge- wurzelt ist, erkennen die Gotter als einen Brahmanen an, ihn, der sowohl in dem Wortbrahman bewandert, als auch in dem hohern Brahman zur Klarheit gelangt ist.

23. (8710.) Denn das Innere und das Aufsere mit allem, was das Opfer und die Gotter betrifft, sehen die mit dem Wissen Begabten, und sie, o Freund, sind Gotter, sind wahr- haft Zwiegeborene.

24. (8711.) In ihnen ist alles dieses Entstandene und die ganze Welt der Lebenden beschlossen, ihnen kommt an Hoch- herzigkeit des Charakters nichts anderes gleich.

25. (8712.) Sie sind hinausgelangt liber Entstehen und Vergehen und iiber die Werke allerwarts, sind iiber die vier Arten von Wesen, iiber das Weltall Gottherren und Durch- sich-selbst-seiende.

So lautet im Mokshadharma die Fiage des (Juka (<,'uka - anupra^na).

Adhyaya 238 (B. 239). 357

Adhyaya 288 (B. 239).

Vers 8713-8783 (B. 1-21).

Vy&,sa si)rach :

1. (8713.) Dieses vorher erwahnte Verhalten wird als das eines Brahmanen anbefohlen ; nur der die Erkenntnis Besitzende kommt, indem er die Werke vollbringt, iiberall zum Ziele.

2. (8714.) Wenn es dabei sich nicht so verhalt, so wird der Erfolg des Werks zweifelhaft. Aber nun fragt sich, ob dabei das eigentliche Wesen des Werks in der Erkenntnis oder vielmehr in dem Werke besteht.

3. (8715.) Hierauf diirfte die Vedavorschrift antworten : die Erkenntnis [ist das Wesen tliche], wenn es sich um den Purusha handelt; das will ich dir diirch Argumentation und Perzeption darlegen, das vernimm.

4. (8716.) Einige Menschen behaupten, dafs bei den Werken die Menschen tat die Ursache sei, andere preisen als solche das Schicksal und noch andere Leute die Natur.

5. (8717.) Die menschhche Tat, das Schicksal und das zei tliche Hervorgehen von Natur aus, diese drei erscheinen als gesondert, wahrend einige behaupten, dafs unter ihnen kein Unterschied sei [vgl. oben, Vers 8529—30].

6. (8718.) Es kann so sein und nicht so sein oder beides nicht sein oder auch keines von beiden nicht sein, so sprechen sich iiber den Gegenstand aus die werktatigen, in der Wahr- heit stehenden Unparteiischen [vgl. oben. Vers 8530—31].

7. (8719.) In den Zeitaltern der Treta und des Dvapara wie auch in dem Kali sind die Menschen mit Zweifel behaftet ; hingegen askesereich, beruhigt und in der Wahrheit stehend sind sie im Zeitalter Kritam.

8. (8720.) In ihm sind alle von gleichen Anschauungen in betreff des Rig-, Sama- und Yajurveda beseelt, und Liebe und Hafs von sich fernhaltend, ergeben sie sich im Krita- zeitalter dem Tapas.

9. (8721.) Und gebunden an die Satzung des Tapas, be- harrend im Tapas und durch dasselbe gescharft, erlangt der Mensch durch dasselbe alle Wiinsche, die er im Herzen hegt.

358 ni. Mokshadharma.

10. (8722.) Durch das Tapas erlangt er das, wozu geworden er Weltschopfer ist. Und nachdem er dazu geworden ist, wird er dadurch zum Herrn iiber alle Wesen.

11. (8723.) Dieses in den Vedaworten von den Vedasehern dunkel Ausgesprochene und in den Vedantalehren klar Dar- gelegte tritt zutage durch die Hingebung an das Werk.

12. (8724.) Die Kshatriya's opfern durch tapferes Vor- dringen, die Vai^ya's durch Darbringung von Opferspeise, die (^udra's durch Dienen, die Zwiegeborenen [also hier gleich Brahmanen] durch Murmelung der Gebete.

13. (8725.) Denn der Zwiegeborene ist in seiner Pflicht vollig bestimmt durch das Vedastudium , mag er noch sonst etwas treiben oder nicht treiben, der Brahmane gilt dabei immer als freundlich gesinnt [vgl. Manu II, 87].

14. (8726.) Zu Anfang des Zeitalters Treta sind Veden, Opfer, Kasten und Lebensstadien noch voUstandig vorhanden, aber gleichzeitig mit der Verkiirzung des Lebensalters ge- raten sie ins Schwanken im Zeitalter Dvapara.

15. (8727.) Im Dvapara geraten die Veden in Verfall und ebenso im Zeitalter Kali, und voUends zu Ende des Kalizeit- alters kommen sie zum Vorschein und nicht zum Vorschein.

16. (8728.) Dann, von der Ungesetzlichkeit bedrangt, sinken die jedem obliegenden Pflichten, und ebenso ist es mit den Kraften der Kiihe, der Erde, des Wassers und der Krauter.

17. (8729.) Dann werden durch die Ungerechtigkeit Veden, Vedapflichten und Lebensstadien erstickt, und die unbeweg- lichen und beweglichen Wesen, die [bis dahin] ihrer Obliegen- heit treu waren, werden umgewandelt.

18. (8730.) Wie der Regen alle Wesen auf der Erde be- netzt und ihre Glieder nach alien Seiten zum Wachstum bringt, so der Veda in jedem Weltalter.

19. (8731.) Was als die anfanglose und endlose Mannig- faltigkeit des Kala (der Zeit) vorausbestimmt ist, was die ■Geschopfe erzeugt und wieder verschlingt, das ist vordem von mir mitgeteilt worden.

20. (8732.) Was nun dieses betriift, namlich Entstehen, Bestehen, Untergehen und Regiertwerden der Wesen, so be- wegen sie sich gemafs ihrer eigenen Natur, obgleich sie

Adhyaya 238 (B. 239). 359

vielfach von den Gegensatzen [wie vom Kegen] getroffen werden.

21. (8733.) Schopfung, Zeit, Bestand, Veden, Tater, Pflicht, Werk und Frucht, das alles, wonach du mich befragt hast, ist dir, o Freund, von mir mitgeteilt worden.

So lautet im Mokshadharma die Frage des (Juka

(i^'iika - anupra<,na).

Adhyaya 239 (B. 240).

Vers 8734-8767 (B. 1-34).

Bhishma sprach:

1. (8734.) Nachdem Qnka diese Rede vernommen und die Unterweisungen des hohen Rishi beifallig aufgenommen hatte, ging er dazu iiber, die folgende, auf Erlosung, Pflicht und Nutzen beziigHche Frage zu stellen.

^uka sprach:

2. (8735.) Wer weise, schriftgelehrt, opferfleifsig, verstandig und ohne Mifsgunst ist, wie kann ein solcher das ihm un- bekannte und nicht verkiindigte Brahman erlangen?

3. (8736.) Ob er es durch Askese, Brahmanwandel, vollige Entsagung, Weisheit im Sankhyam oder im Yoga [erlangt], das sage mir auf meine Frage.

4. (8737.) Auch wie und durch welches Mittel die Kon- zentration des Manas und der Sinnesorgane von den Menschen erlangt wird, das sollst du mir erklaren.

Vyasa sprach :

5. (8738.) Nicht ohne Wissen und Askese, nicht ohne Ziigelung der Sinne, nicht ohne vollige Entsagung kann einer die Vollkommenheit erlangen.

6. (8739.) AUe die grofsen Elemente sind von dem durch sich selbst Seienden einzeln zustande gebracht worden und namentlich auch in die Schar der Lebewesen, in die Ver- korperten eingegangen.

360 in. Mokshadharma.

7. (8740.) Aus der Erde stammt der Leib, aus dem Wasser seine Fliissigkeit, aus dem Feuer die Augen, auf dem Winde beruhen Aushaucli und Einhauch, aus dem Weltraum besteht der Raum in den Lebewesen.

8. (8741.) In dem Gauge des Menschen findet Vishnu eine Statte des Geniefsens, in seiner Kraft Indra, in seinen Ein- geweiden Agni [als Verdauungsfeuer], in den Ohren geniefsen die Weltgegenden das Horen, in der Zunge weilt die Gottin der Rede und Beredsamkeit {vak sarasvaUJ.

9. (8742.) Die Ohren, die Haut, die Augen, die Zunge und die Nase als fiinfte heifsen die Sinne der Anschauung und sind Pforten, zum Zwecke der Ernahrung dienend.

10. (8743.) Der Ton, die Beriihrung und die Gestalt, der Geschmack und der Geruch als fiinfter, diese sind die ein- zelnen, den Sinnesorganen jedesmal entsprechenden Sinnes- objekte,

11. (8744.) Das Manas schirrt die Sinne an wie der Wagen- lenker die folgsamen Rosse und der im Herzen wohnende Elementar-Atman {hlnitdtmanj schirrt immerfort das Manas an.

12. (8745.) Auch ist das Manas Herr iiber alle jene Sinnes- organe beim Anziehen und Nachlassen der Ziigel, und ebenso der Elementar-Atman iiber das Manas.

13. (8746.) Die Sinnesorgane und die Sinnesobjekte, die Naturbeschaffenheit (svabhdvaj, der Geist fcetandj und das Manas, Aushauch und Einhauch, sowie die individuelle Seele Cjivaj weilen immer in den Korpern der Verkorperten.

14. (8747.) Das Sattvam hat keinen Stiitzpunkt und die Guna's sind ein blofses Wort, nicht aber Geist fcetandj, denn das Tejas [die geistige Energie] lafst aus sich hervorgehen das Sattvam, aber nimmermehr die Guna's. [Wie es scheint, werden hier die Guna's geleugnet und das Sattvam fiir ein blofses Produkt des Tejas erklart.]

15. (8748.) In dieser Weise ist der Siebzehnte [der Atman] umhiillt von den sechzehn Qualitaten [den vorerwahnten : fiinf Sinnesorganen, fiinf Sinnesobjekten, der Naturbeschaffenheit, dem Geiste, dem Manas, dem Aushauch und Einhauch und der individuellen Seele, Vers 8746], der verstandige Weise er- schaut diesen Atman in sich selbst.

Adhyaya 239 (B. 240). 361

16. (S74i).) Dieser Atman ist nicht durch das Auge zu schauen, noch auch durch alle iibrigen Sinnesorgane ; nur durch das Manas als Leuchte wird der grofse Atman sichtbar.

17. (8750.) Jenes ist ohne Ton, Beriihrung und Gestalt, ohne Geschmack und Geruch, unverganghch. Man schaue es m den Korpern, das Korperlose, Organlose.

18. (8751.) Unoffenbar hat dieses Hochste in alien sterb- lichen Korpern Wohnsitz genommen ; wer es schaut^ der wird nach dem Tode geeignet zur Brahmanwerdung.

19. (8752.) In dem mit Wissen und edler Geburt begabten Brahmanen, in der Kuh, in dem Elefanten, in dem Hunde und sogar in dem Hundekocher, in allem erkennt der Weise die gleiche Wesenheit.

20. (8753.) Denn in alien Wesen, den beweglichen und unbeweglichen, wohnt jener eine grofse Atman, durch welchen dieses Weltall ausgespannt ist.

21. (8754.) Wenn der Elementar-Atman sich selbst in alien Wesen und alle^Wesen in sich selbst sieht, dann geht er in das Brahman ein.

22. (8755.) Soweit die Seele (die Wesenheit) des Veda in der Seele ist, soweit ist die Seele in der hochsten Seele; wer sich dessen immerfort bewufst ist, der ist geeignet fiir die Unsterblichkeit.

23. (8750.) Wer zum Selbste aller Wesen geworden und daher gegen alle Wesen freundlich ist, dessen Pfad verbirgt sich sogar den Gottern, wenn sie die Spur des Spurlosen verfolgen.

24. (8757.) W^ie die Spur der Vogel im Luftraum, der Fische im W^asser nicht sichtbar ist, so ist es mit der Spur derer, die das Wissen besitzen.

25. (8758.) Die Zeit macht durch sich selbst in sich hie- nieden alle Wesen miirbe, aber denjenigen, in welchem die Zeit miirbe gemacht wird, den versteht hienieden niemand.

26. (875;».) Dieses kann nicht oben, nicht querdurch, nicht unten, nicht so, noch so, noch auch in der Mitte von irgend- einem Dinge irgendwoher erfafst werden.

27. (8760.) Alle Welten sind in ihm enthalten, und aul'ser ihnen ist nichts vorhanden. Wenn es unermiidlich in den

362 ni. Mokshadharma.

Dingen gegenwartig ist, ist es wie eine Harfe, deren Saiten gertihrt werden.

28. (8761.) Nicht kann jemand, wenn er es noch so sehr wiinscht, bis zum Ende des Urprinzips vordringen ; so fein ist es, dafs es nichts feineres gibt und auch nichts groberes.

29. (8762). Nach allwarts ist es Hand, Fiifse, nach all- warts Augen, Haupt und Mund, nach alien Seiten hinhorend, die "Welt umfassend steht es da [— Qvet. Up. 3,16; vgl. oben, S. 87].

30. (8763.) Dieses ist feiner als das Peine und grofser als das Grofse, innerlich in alien Wesen bestandig weilend, wird es niclit gesehen.

31. (8764.) Es ist das Unvergangliche und das Vergang- liche, das ist die Zwienatur des Atman; als verganglich ist es in alien Wesen, aber als das gottliche, unsterbliche ist es unverganglich.

32. (8765.) In die Stadt mit neun Toren eingegangen, ist er als Wandervogel eingekerkert und doch gebietend als Herr alles Seienden, des unbeweglichen und beweglichen.

33. (8766.) In den dem Wechsel des Schwindens und Ver- gehens unterworfenen und durch Haufung [der Elemente] wieder neuen Korpern erkennen den Ewigen als Wandervogel diejenigen, welche das jenseitige Ufer schauen.

34. (8767.) Jenes als Wandervogel und als ewig bezeioh- nete Allerhochste, Ewige, dieses Ewige als Wissender erlangt habend, verlafst man Leben und Neugeburt.

So lautet im Mokshadharma die Frage des (^uku ({'uka - anuprarna).

Adhyaya '^40 (B. '^41).

Vers 8768-S803 (B. 1-3G).

Vyasa sprach:

1. (8768.) Auf deine Fragen, o guter Sohn, habe ich, so wie es in Wahrheit sich verhalt, mitgeteilt, was mit der Sankhyawissenschaft in Zusammenhang steht.

Adhyaya 240 (B. '241). 363

2. (87G9.) Jetzt aber will ich dir die ganze Yogapflicht entwickeln, vernimm sie; namlich die Konzentration von Buddhi, Manas und den Sinnesorganen von aller warts her.

3. (8770.) Dieses, o Freund, ist die uniibertreffliche Er- kenntnis des alldurchdringenden Atman; sie kann nur von dem Beruhigten, Bezahmten, im innern Atman Bewanderten,

4. (8771.) des Atman Frohen, Verstandigen , reine Werke Ubenden verstanden werden, sofern er die Hemmnisse des Yoga ausrottet, deren die Weisen fiinf kennen,

5. (8772.) namlich Lust, Zorn, Begierde, Furcht und Schlaf als fiinftes. Den Zorn iiberwindet man durch Ruhe, die Lust durch Fernhalten der Wiinsche,

6. (8773.) den Schlaf soil der Weise durch Pflege des Sattvam ausrotten, durch Festigkeit soil er Geschlechtslust und Efsgier iiberwachen und Hand und Fufs durch das Auge,

7. (8774.) Auge und Ohr durch das Manas, Manas und Rede durch Tatigkeit. Durch Besonnenheit befreie er sich von Furcht, von Hinterlist durch Verkehr mit Verstandigen.

8. (8775.) In dieser Weise moge er fort und fort unermiid- lich die Hemmnisse des Yoga iiberwinden, moge die Opfer- feuer und die Brahmanen hochachten und die Gotter ehren.

9. (8776.) Er meide herrische, beleidigende, das Herz ver- letzende Rede. Aus Brahmankraft besteht das Reine, dessen Geschmack dieses Weltall an sich hat;

10. (8777.) aus diesem Wesen entsprungen zeigt sich das Unbewegliche und Bewegliche. Meditation, Studium, Schen- ken, Wahrhaftigkeit, Schamhaftigkeit, Geradheit, Geduld,

11. (8778.) Reinheit, Lauterkeit des Wandels und Ziigelung der Sinne, das sind die Mittel, durch welche er die Brahman- kraft fordert und das Bose von sich fernhalt.

12. (8779.) Dann gelingen alle seine Zwecke und seine Erkenntnis schreitet fort ; er ist gleichmiitig gegen alle Wesen, sich zufrieden gebend, mag er etwas erreichen. oder nicht.

13. (8780.) Das Bose abschiittelnd, energievoll, mafsig sich nahrend, die Sinne bezahmend. Lust und Zorn iiberwindend, moge er der Statte des Brahman nachspiiren.

364 III. Mokshadharma.

14. (8781.) Gesammelt und die Konzentration von Manas und Sinnen bewirkend, soil er in der ersten Nachthalfte sowie in der zweiten das Manas in sich selbst fesseln fdhdrayetj.

15. (8782.) Wenn bei einem solchen Menschen von den fiinf [von der Aufsenwelt abgesperrten] Sinnen auch nur eines einen Rifs bekommt, dann flierst seine Erkenntnis weg, wie Wasser aus dem untern Ende des Schlauches.

16. (8783.) Vor allem mufs er das Manas festhalten wie der Fische Totende einen bosen Fisch [der entschliipfen will], und so auch Ohr, Auge, Zunge und Geruch, er, der den Yoga kennt.

17. (8784.) Sodann soil der Selbstbezwinger dieselben im Manas einzwangen und zur Ruhe bringen und ebenso das Manas von seiner Tatigkeit des Vorstellens und Wiinschens fernhalten und im Atman fesseln.

18. (8785.) Zusammenzwangend die fiinf Sinne, soil sie der Selbstbezwinger im Manas zur Ruhe bringen, und wenn sie zum Stillstand gekommen sind, soil er sie mit dem Manas als sechstem in sich einschliefsen.

19. (8786.) Und wenn sie zusammengedrangt zum Still- stand kommen, dann leuchtet das Brahman auf wie eine glanzende, rauchlose Flamme, wie die glanzreiche Sonne.

20. (8787.) Wie das Blitzfeuer im Raume, so erscheint dann der Atman in seinem Selbste, dann ist er allseiend und ver- moge der Durchdringung allgegenwartig.

21. (8788.) Dann schauen ihn (den Atman) die hochherzigen weisen Brahmanen, welche charakterfest und hochverstandig sich am Wohlsein aller Wesen freuen.

22. (8789.) Wenn er in dieser Weise mit gescharftem Ge- liibde die vorgeschriebene Zeit einhalt, dasitzend allein in der Einsamkeit, dann geht er ein in die Gleichhheit mit dem Un- verganglichen.

23. (8790.) Dann treten auf Verblendung, Verwirrung, Schwindel, Geriiche, Tone und Ges'ichte, Wundererscheinun- gen, Geschmacke und Gefiihle, Kaltes und Warmes und Wind- artigkeit [schneller Gang, Unsichtbarkeit und Luftwandeln nach Nil.].

Adliyaya 240 (B. 241). 365

24. (8791.) Obgleich ihn dann vermoge des Yoga Anfalle von tibernatiirlicher Riickerinnerung und Besessenheit iiber- kommen, so soil der Wahrheitwisser nicht auf sie achten, sondern nur in den Atman sich vertiefen.

25. (879-2.) Der Muni erwerbe sich Vertrautheit mit dem Yoga, indem er sich an die drei Zeiten [Morgenstunde, erste und zweite Nachthalfte Nil.] halt; er bringe ihn in Gang auf einem Berggipfel, an einer geweihten Statte oder an der Wurzel eines Baumes.

26. (8793.) Die Schar der Sinnesorgane in dem Verschlufs [des Herzens] haltend und das Manas gleichsam einkapselnd, soil er sein Denken immerfort auf einen Punkt konzentrieren und das Manas nicht vom Yoga abirren lassen.

27. (8794.) Durch welches Mittel immer er das wankel- miitige Manas zu fesseln vermag, das soil er hingegeben zur Anwendung bringen und nicht davon abweichen.

28. (8795.) Leere Berghohlen, Gottertempel oder leere Hauser soil der sich Konzentrierende aufsuchen und bewohnen.

29. (8796.) Er nehme keinen andern in seine Arme, nicht in Worten, Werken oder Gedanken ; gleichgiiltig, mafsig sich nahrend moge er gleichmiitig bleiben, ob er etwas erreicht oder nicht.

30. (8797.) Mag einer ihn freundlich begriifsen, oder mag er ihn tadeln, er sei gleichgiiltig gegen beides und frage nichts nach Angenehmem und Unangenehmem.

31. (8798.) Er freue sich nicht beim Empfangen, und be- kiimmere sich nicht beim Nicht-Empfangen, gleichmiitig gegen alle Wesen, dem Winde vergleichbar [an Nicht-Anhanglich- keit und Heimatlosigkeit Nil.].

32. (8799.) Wer als ein Tiichtiger in dieser Weise selb- standigen Wesens geworden ist, iiberall das Gleiche sieht und sechs Monate hindurch bestandig den Yoga iibt, den gibt das Wortbrahman frei.

33. (8800.) Obgleich er die Geschopfe von Leiden gequalt sieht, so bleibt er, der mit demselben Gleichmut auf Erd- klumpen, Steine und Gold hinblickt, auf diesem Wege zur Beruhigung gelangend , beruhigt und gerat nicht in Ver- wirrung.

366 HI. Mokshadharma.

34. (8801.) Mag es auch ein seiner Kaste Entfremdeter, mag es auch ein pflichtstrebendes Weib sein, selbst solche konnen auf diesem Wege zum hochsten Ziele gelangen.

35. (8802.) DaslJngeborene,Alte, Nicht-Alternde, Ewige, welches man nur bei volhger Ruhe der Sinne wahr- nehmen kann, und welches kleiner als das Kleinste, grofser als das Grofste ist, dieses Freie erschaut der Atmanhafte durch seinen Atman.

36. (8803.) Wenn sie diese Rede des hochherzigen grofsen Weisen, so wie sie gesprochen wurde, mit dem Geiste betrachten und dabei diese Identitat mit dem Aller- hochsten iiberdenken, dann gehen die Weisen den iiber die Wesen hinausfiihrenden Weg.

So lautet im Mokshadharma die Frage des (^uka

((^iika - anupra<;na).

Adhyaya 241 (B. 34*^).

Vers 8804-8823 (B. 1-20).

^uka sprach:

1. (8804.) Wenn es doch im Veda befohlen wird, das Werk zu vollbringen und auch von ihm abzustehen ; welches ist die Region, zu der man durch das Wissen, welches die, zu der man durch das Werk gelangt?

2. (8805.) Das wiinsche ich zu horen, das mogest du, o Herr, mir erklaren, beides ist ja doch voneinander ver- schieden, da es sich sogar widerspricht.

Bhlshma sprach:

3. (8806.) So angesprochen antwortete seinem Sohne der Sohn des Paragara folgendermafsen : Ich will dir diese beiden im Werke und im Wissen bestehenden, verganglichen und unverganglichen Wege erklaren.

4. (8807.) Die Region, zu der sie durch das Wissen ge- langen, und die, zu welcher die Werke fiihren, vernimm mit angespanntem Geiste, o Teurer, denn ihr Unterschied ist schwer ergriindlich.

Adhyaya 241 (B. 242). 367

5. (8808.) Wie wenn einer sagen wollte, es gibt eine Satzung, und dabei zugleich, es gibt keine solche, einem der- artigen Gegensatz ahnlich ist der von mir aufgestellte.

6. (8809.) Es gibt also diese beiden Wege, in welchen die Veden gegriindet sind : die eine Satzung hat die Tatigkeit als Merkmal, die andere, in Nicht-Tatigkeit bestehend, wird eben- falls mit Recht gelehrt.

7. (8810.) Durch das Werk wird der Mensch gebunden, durch das Wissen hingegen wird er erlost, darum tun kein Werk die Asketen, die das jenseitige Ufer schauen.

8. (8811.) Vermoge des Werkes wird man nach dem Tode geboren als ein Korperhafter , Sechzehnteilhafter, durch das Wissen wird man geboren als das Ewige, Unoffenbare, Un- sterbliche.

9. (8812.) Manche Menschen, die sich nur geringer Ein- sicht erfreuen, riihmen das Werk, darum schatzen sie die Fesseln des Leibes und schmeicheln ihnen.

10. (8813.) Diejenigen aber, welche, zur hochsten Erkennt- nis gelangend , das Gesetz durch Erfahrung schauen , die riihmen das Werk nicht, wie der aus dem Flusse Trinkende nicht den Brunnen.

11. (8814.) Durch das Werk erlangt man als Frucht Lust und Leid, Entstehen und Vergehen; durch das Wissen er- langt man jenes, zu welchem gelangt einer keinen Kummer mehr empfindet,

12. (8815.) wohin gelangt einer nicht mehr stirbt, wohin gelangt er nicht mehr geboren wird, wo er nicht wieder- geboren wird, von wo er nicht mehr zuriickkehrt,

13. (8816.) wo jenes hochste, unoffenbare, unwandelbare, bestandige, unentfaltete , miih close, unsterbliche , [von der Seele] unabtrennbare Brahman sich befindet,

14. (8817.) wo sie nicht gequalt werden durch die Gegen- satze oder durch geistige Miihsal, wo sie in alien Lagen gleich- miitig, freundlich und am W^ohlsein aller Wesen sich er- freuend sind.

15. (8818.) Ein anderer ist der mit Wissen behaftete, ein anderer der mit Werken behaftete Geist, so, wisse, ist es

368 HI. Mokshadharma.

noch derselbe Mond, der beim Neumond als schmale Sichel am Himmel steht.

16. (8819.) Diese Wahrheit [die Identitat der hochsten imd individuellen Seele], wie sie vom Rishi [nach Nil. Brih. Up. 1,5,14] verkiindigt wurde, wird naher auch durch Folgerung erkannt, wenn man den Mond sieht, wie er neu geboren gleichsam als ein krummer Faden am Himmelsgewande fambarej steht.

17. (8820.) Der in elffacher Umwandlung [vielleicht als Manas und Indriya's] erscheinende, aus der Zusammensetzung von Teilen gebildete Atman, welcher der Verkorperte heifst, den, o Freund, wisse als den mit Werken und Guna's be- hafteten.

18. (8821.) In diesem hat sich ein Gott niedergelassen, wie ein Wassertropfen auf der Lotosbliite; den soil man be- greifen als den Kshetrajna, den ewigen, der durch den Yoga errungen wird.

19. (8822.) Tamas, Rajas und Sattvam wisse als die Guna- Wesenheit des Jiva (der individuellen Seele), den Jiva be- greife man als blofsen Guna (Qualitat) des Selbstes, den Atman als das Hochste an dem Selbste.

20. (8823.) Es gilt als Eigenschaft des Jiva, mit Geistig- keit verbunden zu sein, dadurch vermag er sich zu bewegen und alles zu beleben; ein Hoherer als er ist der, welchen die Kenner des Kshetrajna verkiindigen , der alle sieben Welten geschaffen hat.

So lautet im Mokshadharma die Frage des (^'uka (<,'uJca-anupra(^na).

AdhyAya 2^2 (B. 243).

Vers 8824-8853 (B. 1-30).

(^'uka sprach:

1. (8824.) Die mit dem Verganglichen anhebende Schopfung und die guna-artigen Sinnesorgane, sowie die fernere Schopfung der sie beherrschenden Buddhi riihrt nach der Schrift von der Prakriti und dem Atman her.

Adhyaya 242 B. 243). 369

2. (8825.) Welter aber mochte ich die durch die Zeit be- dingte Entwicklung des Seienden in dieser Welt, durch welche die seienden Wesen sich fortentwickein , naher ver- folgen.

3. (8826.) In dem Veda aber wird ausgesprochen , dafs man das Werk voUbringen und dafs man davon abstehen soil ; wie soil ich das verstehen? Das mogest du mir erklaren.

4. (8827.) Wenn ich die Wahrheit in betreif des Welt- treibens erkenne, durch die Belehrung des Meisters gelautert bin, Erkenntnis gewonnen und meinen Atman befreit habe, werde ich dann den unverganglichen Atman schauen?

Vyasa sprach :

5. (8828.) Der Lebenswandel, wie er vordem von Gott Brahman selbst vorgeschrieben wurde, ist von den vormaligen, vorziiglichen hochsten Weisen befolgt worden.

6. (8829.) Durch den Brahmanwandel erobern die hochsten Weisen die Himmelswelten und weiter suchten sie in sich selbst durch den Geist das Heil ihres Selbstes.

7. (8830.) Im Walde von Wurzeln und Friichten sich nahrend, einer sehr grofsen Askese sich hingebend, einen heiligen Bezirk bewohnend, kein Wesen schadigend,

8. (8831.) in der Zuriickgezogenheit eines Vanaprastha ohne Herdfeuer und ohne Morsergebrauch lebend und zur an- gemessenen Zeit den Bettelgang antretend, wird man geeignet zum Brahmansein.

9. (8832.) Ohne zu preisen und ohne zu verehren, Schones und Unschones hinter dir lassend, wandle einsam im Walde, dich nahrend, wie es eben kommt. [Vgl. Brih. Up. 3,5 Schlufs.]

^uka sprach:

10. (8833.) Wie kann diese Vedalehre, da sie der Ansicht der Menschen widerspricht, mag der Widerspruch begriindet Oder nicht begriindet sein, als Vorschrift gelten?

11. (8834.) Das wiinsche ich zu horen, welches aber sind die Beweisgriinde fiir beide Ansichten? Und wie kann die Erlosung vonstatten gehen, ohne von den Werken gehindert zu werden?

Deubsen, Mahabbaratam. 24

370 III- Mokshadharma.

Bhishma sprach :

12. (8835.) So angeredet, sprach zu seinem Sohne der Sohn der Gandhavati (— Satyavati) folgendermafsen , der Weise, indem er diese Rede des iiberaus scharfsinnigen Sohnes ehrte.

Vyasa sprach:

13. (8836.) Der Brahman schiiler, der Hausvater, der Wald- einsiedler und der Bettler gehen alle vier, sofern sie den vorgeschriebenen Wandel einhalten, den hochsten Gang.

14. (8837.) Wenn auch nur einer allein diese Lebensstadien vorschriftsmafsig betreibt und frei von Liebe und Hafs ist, so ist er zu dem Hochsten berufen.

15. (8838.) Denn diese viersprossige Stufenleiter ist im Brahman gegriindet, und wer diese Stufenleiter erkhmmt, wird in der Brahmanwelt herrhch geehrt.

16. (8839.) Den vierten Teil des Lebens soil einer ohne Murren als Brahmanschiiler beim Lehrer oder beim Sohne des Lehrers wohnen, indem er iiber den Inhalt des Gesetzes sich belehrt.

17. (8840.) Als letzter gehe er zu Bette, nachdem er als erster im Hause des Lehrers aufgestanden ist, und was von einem Schiiler oder auch einem Diener zu tun ist, das tue er.

18. (8841.) Und wenn er das alles vollbraoht hat, soil er mit der Meldung : „Es ist getan" [bescheiden] zur Seite stehen ; er sei ein Diener fiir alle Verrichtungen und geschickt in alien Tatigkeiten.

19. (8842.) In der von der Arbeit iibrigbleibenden Zeit [Chand. Up. 8,15] soil er beim Lehrer eifrig strebend studieren, er sei wacker und enthalte sich iibler Nachrede ; wird er ge- rufen, so begebe er sich zum Lehrer.

20. (8843.) Rein, ttichtig und tugendhaft, moge er in der Zwischenzeit [von Arbeit und Studium] nur Liebliches reden; unverwandt richte er sein Auge auf den Lehrer und bezahme seine Sinne.

21. (8844.) Er soil nicht essen, ehe der Lehrer gegessen hat, noch auch trinken, ehe er getrunken hat, auch nicht sitzen bleiben, wenn er nicht bleibt und nicht einschlafen, bevor er schlaft.

Adhyaya 242 (B. 243). 371

22. (8845.) Die Handflachen nacli oben gerichtet, soil er seine [des Lehrers] Fiifse sanft beriihren, mit der rechten Hand soil er dessen rechte, mit der Linken dessen linke Hand driicken.

23. (8846.) Nachdem er den Lehrer begriifst hat, mag er zu ihm sagen: „Lehre mich, o Ehrwiirdiger", „ich will jetzt dies tun, o Ehrwiirdiger", oder „ich habe dies getan".

24. (8847.) „0 Brahmane, ich werde tun, was mir der Ehr- wurdige noch weiter auftragen wird", in dieser Weise soil er vorschriftsmafsig fiir alles die Erlaubnis einholen und alles melden.

25. (8848.) Das alles soil er tun und, w^enn er es getan hat, dem Lehrer dariiber wieder Bericht erstatten. Aber solche Wohlgeriiche und Leckerbissen, die dem Brahmacarin verboten sind,

26. (8849.) die mufs er bis zu seiner Heimkehr aufschieben, so ist es im Gesetz fest bestimmt. Alle Pflichten, wie sie ausflihrlich fiir den Brahmacarin verkiindigt sind,

27. (8850.) die soil er alle immer beobachten und dem Lehrer nicht von der Seite gehen. In dieser Weise moge er dem Lehrer, soweit es in seinen Kraften steht, seine Liebe beweisen.

28. (8851.) Aus seinem Lebensstadium in die folgenden iibergehend, soil der Schiiler in Tatigkeit verharren. Und nachdem in vedischen Observanzen und Abstinenzen der vierte Teil des Lebens hingegangen ist,

29. (8852.) soil er dem Lehrer die Dakshina (das Honorar) darbringen und heimkehren, wie das Gesetz es vorschreibt.

30. Mit einer vorschriftsmafsig gefreiten Gattin verbunden und mit Fleifs die Opferfeuer pflegend, (8853.) soil er dann den zweiten Teil des Lebens hindurch ein pflichtgetreuer Hausvater sein.

So lautet im Moksbadharma die Frage des <j,'uka ("Cwia - anupra^na).

24*

372 III- MoksLadharma.

Adhyaya 343 (B. 244).

Vers 8854-8883 (B. 1-29).

Vyasa sprach:

1. (8854.) Den zweiten Teil seines Lebens hindurch soil er als Hausvater in seinem Hause wohnen und mit einer vor- schriftsmafsig gefreiten Gattin verbunden, sich treulich der Opferfeuer annehmen.

2. (8855.) Fiir den Grihastha werden von den Weisen vier Verhaltungsstufen iiberliefert : Auf der ersten bewahrt er sein Korn in Kornkammern, auf der folgenden in einem Topfe,

3. (8856.) dann folgt der von der Hand in den Mund Lebende und endlich der wie die Tauben [von Ahrenlesen Nil.] sich Nahrende. Unter ihnen ist der jedesmal Folgende der Hoherstehende , da er durch Pflichterfiillung mehr und mehr die Pflicht erobert [vgl. Manu IV, 7 8].

4. (8857.) Die sechs Werke [Opfern fiir sich und andere, Lernen und Lehren, Geben und Empfangen Nil.] betreibt der Eine, mit dreien [Opfern, Studieren, Geben Nil.] befafst sich der Zweite, mit zweien [Geben und Studieren Nil.] der Dritte, der Vierte beschrankt sich auf das Brahmasattvam. [Ver- ehrung des heiligen Lautes Om Nil., anders iiber alle vier die Kommentare zu Manu IV, 9.]

5. (8858.) Hierbei verkiindet man als grofse Obliegenheiten des Hausvaters, dafs er nicht nur um seiner selbst willen Speise kochen und nicht ohne den Zweck [des Opfers] Tiere toten lafst.

6. (8859.) Mag es sich um ein Lebendiges [Ziege usw. Nil.] Oder Nicht-Lebendiges [Feigenbaum usw. Nil.] handeln, so soil er dessen Weihe [zum Zweck des Opferns] mittels eines Opferspruches vollziehen; er soil niemals bei Tage schlafen, noch auch zu Anfang und Ende der Nacht. [Vgl. Manu IV, 55.]

7. (8860.) Nicht soil er in der Zwischenzeit [der Mahl- zeiten] essen und nicht aufser der fruchtbaren Periode die Gattin rufen; nicht soil jemals in seinem Hause ein Brahmane ungespeist oder ungeehrt weilen.

Adhyaya 243 (B. 244). 373

8. (8861.) So soil er seine Gaste ehren. Am Gotter- und Manenopfer sollen ihr Teil haben alle, die in der Wissen- schaft und den Geliibden des Veda erfahren, schriftkundig, den Veda vollig beherrschend,

9. (8862.) ihrer Pflicht lebend, bezahmt, opfertatig und fleifsig in der Askese sind. Fiir diese alle ist, um sie zu ehren, ein Anteil am Gotter- und Manenopfer vorgeschrieben.

10. (8863.) Auch einem, der [als Scheinasket] mit un- geschnittenen Nageln einhergeht oder sich seiner Gesetzlich- keit riihmt, der das Agnihotram vernachlassigt oder gegen seinen Lehrer Falschheit iibt,

11. (8864.) auch einem solchen ist, wie alien Wesen, ein Anteil zu geben. So ist denn auch denen, welche nicht kochen konnen, von dem Hausvater eine Spende zu reichen.

12. (8865.) Er soil immer die Reste essen, dann speist er immer Amritam; denn der Opferrest ist Amritam, ein Ge- nufs, der der Opferspeise selbst gleichkommt.

13. (8866.) Wer ifst, was seine Leute iibrig lassen, den nennt man einen Restverzehrer ; ein solcher Rest ist, was seine Leute iibrig lassen, der Opferrest aber ist Amritam.

14. (8867.) Er begniige sich mit seiner Gattin, sei enthalt- sam, neidlos und beherrsche seine Sinne. Mit Opferpriestern, flauspriestern und Lehrern, mit Oheimen, Gasten und Schutz- befohlenen,

15. (8868.) mit Alten, Kindern und Kranken, mit Arzten, mit Bekannten, Angehorigen und Verwandten, mit Vater und Mutter, mit Schwiegertochtern, mit dem Bruder, dem Sohne, der Gattin,

16. (8869.) mit der Tochter und mit dem Gesinde soil er keinen Streit haben. Indem er sich vom Streit mit diesen lossagt, sagt er sich von allem Bosen los.

17. (8870.) Damit dafs er sich von ihnen besiegen lafst, ersiegt er alle Welten, daran ist kein Zweifel, denn der Lehrer ist Herr in der Brahmanwelt, der Vater Gebieter in der Pra- japatiwelt,

18. (8871.) der Gast in der Indrawelt, die Opferpriester sind es in der Gotterwelt, die Schwiegertochter in der Welt der Apsaras, die Bekannten in der Welt der ViQve Devah,

374 in. Mokshadharma.

19. (8872.) die Angehorigen und Verwandten in den Welt- gegenden, Mutter und Oheim auf der Erde, die Alten, Kinder, Kranken und Abgezehrten sind Herrscher im Atherraume;

20. (8873.) der alteste Bruder ist gleich dem Vater, die Gattin und der Sohn sind gleich dem eigenen Leibe zu achten, das Gesinde gleich dem eigenen Schatten und die Tochter ist ein Gegenstand des hochsten Mitleides. [Vgl. Ait. Br. 7,l3.j

21. (8874.) Darum, wenn er von diesen beleidigt wird, soli es immer ohne Beschwerde tragen [Vers 8867—8874 = Manu IV, 179—185] der die Pflicht des Hausvaters als Hochstes schatzende Weise, welcher pflichteifrig und unerraiidlich ist.

22. (8875.) Keiner aber, der die Pflicht hochhalt, moge aus materiellen Interessen die Werke betreiben. Es gibt drei Verbal tungsstufen des Hausvaters [oben, Vers 8855, waren es vier], sie fiihren zur hochsten Gliickseligkeit.

23. (8876.) In dieser Weise lehrt man eine Stufenfolge, denn eine solche gilt [auch im allgemeinenj von den vier Lebensstadien ; ihre Obliegenheiten sind [was den Grihastha betrifft] die genannten fiir einen solchen, der eifrig bestrebt ist, alle Pflichten zu erfiillen.

24. (8877.) Durch solche, die ihr Korn in einem Topfe bewahren oder von Ahrenlesen leben es sind die wie die Tauben sich Nahrenden [oben, Vers 8856] , das Reich, in welchem solche Wiirdige wohnen, kommt zum Gedeihen.

25. (8878.) Zehn Vorfahren und zehn nachfolgende Ge- schlechter reinigt, ja selbst fapij die Urvater, wer diese Ob- liegenheiten des Hausvaters unentwegt betreibt.

26. (8879.) Wer das tut, der erreicht ein ahnliches Ziel, wie es die Welten des Vishnu sind, oder auch ihr Ziel wird als das gleiche bezeichnet wie fiir die, welche ihre Sinne iiberwunden haben.

27. (8880.) Fiir solche hochherzige Hausvater ist die Him- melswelt bestimmt, ihnen wird die mit Palasten ausgestattete, blumenreiche Himmelswelt vom Veda in Aussicht gestellt.

28. (8881.) Fiir die treubestandigen Hausvater ist die Himmelswelt als Wohnung bestimmt, weil diese Statte ihnen von Gott Brahman verheifsen wird. (888-2.) Wer dieses [Lebens- stadium] erlangt hat, wird in Brahman's Welt verherrlicht.

Adhyaya 243 (B. 244). 375

29. (8883.) Weiterhin kennt man als hochstes Lebens- stadium ein drittes fiir solche, die ihren Leib nicht mehr achten; vernimm dieses unvergleichliche Ziel der in den Wald ziehenden und ihren Korper zum Schrumpfen bringen- den Hausvater [das kurze i soil nach Nil. vedisch sein].

So lautet im Mokshadharma die Frage des (Juka ((Juka - anupragna).

Adhyaya 344 (B. 245).

Vers 88&4-8914 (B. 1-31).

Bhishma sprach:

1. (8884.) Das Verhalten des Hausvaters, wie es von den Weisen verordnet wurde, ist dir mitgeteilt worden ; was nachst- dem gesprochen wurde, das vernimm, o Yudhishthira.

2. (8885.) Nachdem nun der Hausvater nach und nach auch jene hochste dritte Verbal tungsstufe [oben, Vers 8875] von sich abgetan hat, [folgt das Lebensstadium] der des Ehe- geliibdes Miiden, im Lebensstadium der Waldeinsiedler Wei- lenden,

3. (8886.) welche, vernimm es o Sohn zu deinem Heile, die ganze Welt als ihre Einsiedelei betrachtend, nach vor- heriger Uberlegung an einem reinen Orte ihre Wohnung nehmen.

Vyasa sprach:

4. (8887.) Wenn nun der Hausvater an sich Runzeln und graue Haaie bemerkt und die Kinder seiner Kinder sieht, dann soil er in den Wald iibersiedeln [= Manu VI, 2].

5. (8888.) Den dritten Abschnitt seines Lebens soil er so- dann in dem Lebensstadium des Waldeinsiedlers zubringen und dabei ebendieselben Opferfeuer pflegen als ein Opferherr, der schon dem Himmel angehort.

6. (8889.) Dafs er dabei sich bezwingt, seine Nahrung ein- schrankt, nur die sechste Mahlzeit zu sich nimmt [alle drei Tage nur einmal ifst], das ist sein Agnihotram, das sind seine Kiihe [als Opferlohn], das sind seine Opferhandlungen insgesamt.

376 III. Mokshadharma.

7. (8890.) Keis und Gerste, die nicht durch die Pflugschar gewonnen sind, Korner von wildem Reis und Speisereste soil er auch in dieser Lage als Opfergaben an den fiinf Fasten [Agnihotra, Neu- und Vollmondsopfer, Viermonatsopfer, Tier- opfer und Somaopfer Nil.] darbringen.

8. (8891.) Auch fiir das Lebensstadium des Waldeinsied- lers werden folgende vier Verhaltungsstufen erwahnt : Einige waschen taglich auf [reinigen die Gefafse von alien Resten], andere sammeln Vorrate fiir einen Monat,

9. (8892.) andere fiir ein Jahr, andere fiir zwolf Jahre [vgl. Manu VI, 18], sei es um die Gaste zu ehren, sei es um den Faden des Opfers fortzuspinnen.

10. (8893.) In der Regenzeit geben sie sich dem Regen preis, im Winter begeben sie sich ins Wasser, im Sommer setzen sie sich den fiinf Gluten [der Sonne und vier ange- ziindeten Feuern] aus, und zu jeder Zeit beschranken sie ihre Ernahrung [vgl. Manu VI, 23].

11. (8894.) Sie walzen sich auf der Erde oder stehen auf den Fufsspitzen, verharren im Stehen oder Sitzen und be- netzen sich zu den drei Kelterungszeiten [vgl. Manu VI, 22].

12. (8895.) Manche benutzen ihre Zahne als Morser, andere zermalmen die Nahrung mit Steinen, einige trinken wahrend der hellen Monatshalfte Reismehlbriihe, die nur einmal auf- gekocht ist.

13. (8896.) Andere trinken sie wahrend der dunklen Mo- natshalfte oder sie essen, was ihnen gerade vorkommt. Bald mit Wurzeln, bald mit Friichten, bald mit Blumen pflegen sie, ihrem Geliibde treu,

14. (8897.) ihr Leben nach der Vorschrift zu fristen, indem sie den Weg der Vaikhanasa's einschlagen. Diese und mancher- lei andere Weihen bestehen fiir solche Weisen.

15. (8898.) Als vierte allgemeine Lebensregel gilt sodann die in den Upanishad's gelehrte [des Sannyasin], sie geht hervor aus jenen des Vanaprastha und Grihastha als eine verschiedene

16. (8899.) und wurde auch im gegenwartigen Weltalter von Weisen, welche die voile Wahrheit durchschauten, [geiibt]. Agastya, die sieben Rishi's, Madhucchanda, Aghamarshana,

Adhyaya 244 (B. 245). 377

17. (8900.) Sankriti, Sudivatandi , Yathavasa und Akrita- Qrama [oder: Sudivatandi, der wohnte, wie es gerade kam, und sich um nichts beklimmerte] , Ahovirya, ferner Kavya, Tandya und der weise Medhatithi,

18. (8901.) der machtige Karnanirvaka und der vielgeiibte (^unyapala, sie alle befolgten diese Lebensregel und gingen dafiir in den Himmel,

19. (8902.) sie alle hatten, o Freund, die Lebensregel vor Augen und so auch ganze umherschweifende Scharen von Weisen, welche gewaltige Askese iibten und das Gesetz klar vor sich sahen.

20. (8903.) Und auch andere unzahlige Brahmanen haben sich in den Wald begeben, die Vaikhanasa's, die Valakhilya's, die Saikata's und andere.

21. (8904.) Diese alle, der Werke iiberdriissig, in der Pflicht bestandig und mit bezahmten Sinnen, wandelten dahin, die Lebensregel vor Augen habend, und begaben sich in den Wald.

22. (8905.) Und jetzt, obwohl sie keine Sterne sind, er- glanzen sie uniiberwindlich als leuchtende Scharen am Himmel. Vom Greisenalter geplagt und von Krankheiten gequalt,

23. (8906.) soil einer in dem vierten noch iibrigen Teile des Lebens das Stadium des Waldeinsiedlers verlassen, in- dem er als Opfer nur darbringt [lies: mrnpya], was sich so- gleich fertigstellen lafst, und als Opferlohn sein ganzes Ver- mogen hingibt.

24. (8907.) Dem Atman opfernd, am Atman sich freuend, mit dem Atman spielend, auf den Atman vertrauend, soil er die Opferfeuer in seinen Atman aufnehmen, sich von allem Anhang losmachen

25. (8908.) und stets nur sogleich fertigstellbare Opfer und Spenden darbringen. Wenn seine Darbringung, iiber das ge- wohnliche Opfer der Opfernden sich erhebend, in dem Atman vonstatten geht,

26. (8909.) dann mag er die drei Opferfeuer samtlich in seinem Atman verehren, um seinen Atman zu erlosen. Fiir die Lebenshauche soil er, mit einem Opferspruche anhebend, fiinf bis sechs [Bissen] ohne Murren verzehren.

27. (8910.) Kopfhaare, Korperhaare und Nagel abschnei

378 in. Mokshadharma.

dend, soil sodann der im Walde wohnende Muni aus einem Stadium in ein anderes heiliges Stadium, von den Werken gereinigt, iibergehen.

28. (8911.) Der Zwiegeborene, welcher so umherpilgert, indem er alien Wesen Furchtlosigkeit gewahrt, dem gehoren glanzreiche Welten und er erlangt nach dem Tode die Un- endlichkeit.

29. (8912.) Als edier Charakter sich betatigend, von Siinden befreit, wiinscht er weder hier noch im Jenseits Werke zu betreiben; frei von Zorn und Verblendung, ohne Freundschaft und ohne Feindschaft, soil der atman- wissende Menscli dasitzen als ein Miifsiger.

30. (8913.) Wenn Pflichten des Selbstzwanges an ihn herantreten, soil er nicht vor ihnen zuriickschrecken, sondern sich tapfer an die ihm gemafsen Lehrbiicher, Leitfaden und [symbolisch umgedeuteten] Opferspriiche halten; dann wird sein Weg nach Wunsch sich gestalten und in ihm, der den Atman kennt, die Pflicht fiir das Hochste halt und die Sinne bezahmt hat, kein Zweifel bestehen bleiben.

31. (8914.) Nun sollst du weiter von mir das durch iibermafsige trefPliche Tugenden beste, die drei anderen iibertreffende, hohere Aufgabe habende, hochste, als vier- tes benannte, oberste Lebensstadium vernehmen, welches als das Treff lichste , Uniibertrefflichste geriihmt wird.

So lautet im Mokshadharma die Frage des (^'iika ((,'uka - anupra(;na).

Adhyaya 345 (B. Z4.Q),

Vers 8915-8950 (B. 1-36).

(^uka sprach:

1. (8915.) Wie der in dem Lebensstadium des Waldeinsied- lers verweilende Atman anzuschirren sei, wie ist das zu er- fahren von einem, der mit aller Macht nach dem Hochsten strebt?

Adhyaya 245 (B. 246). 379

Vyasa sprach:

2. (8916.) Nachdem einer durch die beiden vorherigen Lebensstadien bereitet worden ist, hore mit hingegebenem Geiste, was er dann weiter zu tun hat, um das hochste Ziel zu erreichen.

3. (8917.) Nachdem er in den drei gesellschafthchen Stadien sich alsbald von dem Siindenschmutze gereinigt hat, soil er auf das hochste Ziel mit unvergleichlicher Pilgerschaft hin- pilgern.

4. (8918.) Dieses mogest du in dieser Weise iiberdenken und darin verharren. Vernimm also: Allein und ohne Ge- fahrten soil er weiterhin seiner Pflicht obliegen, um die Voll- kommenheit zu erreichen.

5. (8919.) Wer als ein Sehender allein wandelt, der ver- lafst nicht und wird nicht verlassen; ohne Feuer und ohne Behausung, moge er das Dorf nur um der Nahrung willen aufsuchen.

6. (8920.) Ohne Sorge fiir den morgenden Tag sei der Muni, welcher der Realitat ergeben ist, wenig essend, die Nahrung beschrankend , nur einmal taglich Speise zu sich nehmend.

7. (8921.) Die Almosenschale, die Baumwurzeln [als Aufent- halt], das Lumpengewand, das Unbegleitetsein und die Gleich- giiltigkeit gegen alle Wesen, an diesen erkennt man einen Bhikshu (Bettler = Sannyasin).

8. (8922.) Er, in welchem, gleichwie gescheuchte Elefanten in einem Brunnenloch [aus dem sie nicht wieder heraus konnen], die Reden einsinken und nicht wieder zu dem, der ihn an- spricht, zuriickkehren, ein solcher darf im Lebensstadium der Erlosung weilen.

9. (8923.) Nichts Tadelnswertes soil er jemals sehen oder horen von irgend jemandem, zumal nicht von Brahmanen, und audi nie dergleichen sprechen.

10. (8924.) Was einem Brahmanen heilsara ist, das allein soil er allezeit reden; wird er getadelt, so verharre er im Schweigen und betreibe die Heilung seiner Seele.

11. (8925.) Durch den allein der ganze Weltraum allezeit ausgefiillt wird, und fiir den hinwiederum die von Menschen

380 ni. Mokshadharma.

erfiillte Welt ein Leeres ist, den wissen die Goiter als einen Brahmanen.

12. (8926.) Wer sich bekleidet, womit es auch immer sei, sich ernahrt, wovon es auch immer sei, und schlaft, wo es auch immer sei, den wissen die Gotter als einen Brahmanen.

13. (89-27.) Der sich vor der Volksmenge wie vor einer Schlange scheut, vor dem Wohlbehagen wie vor der Holle und vor den Weibern wie vor einem Kadaver, den wissen die Gotter als einen Brahmanen.

14. (89'28.) War nicht ziirnt, wenn er verachtet wird, nicht sich freut, wenn er geehrt wird, und alien Wesen Furcht- losigkeit gewahrt, den wissen die Gotter als einen Brahmanen.

15. (8929.) Er freue sich nicht auf den Tod, er freue sich nicht auf das Leben, sondern warte auf seine Zeit, wie der Diener auf den Befehl.

16. (8930.) Unbefleckt sei er in seinem Denken, unbefleckt in seinem Keden und von allem Bosen rein; keine Feinde hat er, vor wem sollte er sich fiirchten!

17. (8931.) Er, der sich vor keinem Wesen fiirchtet und vor dem" sich kein Wesen fiirchtet, ist von der Verblendung erlost und keine Angst kann ihn anwehen.

18. (8932.) Wie in dem Elefantenwege alle von anderen angebahnten Wege verschwinden, nachdem der Elefant den Weg gebahnt hat,

19. (8933.) so verschwindet alles andere Gute und Forder- liche in der Ahinsd (Nicht- Schadigung). Der lebt ewig als Unsterblicher, welcher nicht den Weg der Schadigung betritt.

20. (8934.) Der Nicht- Schadigende, Gleichmiitige , Wahr- hafte, Feste, seine Sinne Beherrschende und alle Wesen Schiitzende erlangt das hochste Ziel.

21. (8935.) Wer in dieser Weise mit Erkenntnis gesattigt, furchtlos und wunschlos ist, fiir den ist der Tod nicht ein Zustand, der ihn iiberkommt, sondern er iiberkommt den Tod.

22. (8936.) Wer, von aller Anhanglichkeit frei, als Muni dasteht [unwandelbar] wie der Weltraum, einen solchen Selbst- losen, Einsamen, Beruhigten wissen die Gotter als einen Brah- manen.

23. (8937.) Wessen Leben der Pflicht, wessen Pflicht dem

Adhyaya 245 (B. 246). 381

Hari (Vishnu) und wessen Tage und Nachte der Heiligung geweiht sind, den wissen die Gotter als einen Brahmanen.

24. (8938.) Ihn, der frei von Wiinschen, frei von Streben, frei von Verehrung und Preisung ist, der von alien Fesseln erlost ist, den wissen die Gotter als einen Brahmanen.

25. (8939.) Alle Wesen freuen sich an der Lust und alle schrecken heftig vor dem Schmerz zuriick; wer es miide geworden ist, ihnen Furcht einzuflofsen, der wird, des Glaubens voll, keine Werke mehr tun.

26. (8940.) Denn eine Gabe, durch welche die Furcht- losigkeit der Wesen als Dakshina (Opferlohn) gespendet wird, iibertrifft alle anderen irdischen Gaben. Wer erst die schadenbringende Korperlichkeit aufgibt, der erlangt Unendlichkeit und Ungefahrdetsein von alien Kreaturen.

27. (8941.) Er opfert auch nicht mehr in seinen ge- oifneten Mund die Opferspeise, wird zum Nabel der Welt, zum tragenden Grund der lebenden Wesen und, wenn Vaigvanara [das Leichenfeuer] ihn mit Haupt und Glie- dern, mit Vollbrachtem und Nicht -Vollbrachtem verzehrt, so verzehrt er mit ihm diese ganze Welt.

28. (8942.) Was in dem eine Spanne grofsen Herzen wohnt, darin bringt der dem Atman Opfernde die Lebens- hauche dar; sein Feueropfer, dargebracht in dem eigenen Atman, ist damit in alien Weltraumen mitsamt ihren Gottheiten geopfert.

29. (8943.) Diejenigen, welche das Gottliche, Drei-Ele- ment-hafte [vgl. Chand. Up. 6,3,2], Dreifache, Schon- gefliigelte [den Jiva], sowie auch die oberste Wesenheit der hochsten Seele erkennen, die werden in alien Welten verherrlicht und Gotter wie Sterbliche preisen ihr Wohl- verhalten.

30. (8944.) Wer aber als das zu Wissende, sowohl die Veden als auch ihre samtlichen Vorschriften, sowie ferner deren Erklarung und die Wesenheit der hochsten Seele, wer dies alles schon wahrend seiner Verkorperung er- kennt, auf den sind sogar die Gotter allezeit eifersiichtig.

31. (8945.) Ihn, der nicht an der Erde hangt und auch im Himmel unausmefsbar ist, den goldenen, aus dem Ei

382 ni. Mokshadharma.

geborenen, in dem Ei weilenden, den schongefliigelten Vogel im Luftraiime, wer diesen, durch seine Strahlen erleuchtet, schon bei Lebzeiten erkennt,

32. (8946.) ihn, der das wiederkehrende, nicht alternde, umrollende , sechsmalige [Jahreszeiten] , zwolfspeichige [Monate], wohlgegliederte und zugleich in der Hohle des Herzens verborgene Zeitrad ist, in dessen Rachen das Universum hineinzieht,

33. (8947.) wer diesen als die Vollberuhigung und als den Leib der Welt weifs, der erlangt schon hienieden alle Welten. In ihm erquickt er zugleich alle Gotter, und sie, indem sie erquickt werden, laben seinen Mund.

34. (8948.) Aus Glanz bestehend, von jeher bestehend und uranfanglich erlangt ein solcher Mensch die ewigen furchtlosen Welten, und weil sich die Wesen niemals vor ihm fiirchten, darum fiirchtet auch er sich niemals vor den Wesen.

35. (8949.) Er ist nicht zu schelten und schilt auch nicht andere ; ein solcher Brahmane schaut den hochsten Atman ; befreit von Verblendung und fern von aller Sunde, braucht er nicht hienieden und nicht im Jenseits nach Speise zu gehen [weil er sich in alien Kreaturen weifs und ernahrt].

36. (8950.) Frei von Zorn und Verblendung, Erdklumpen und Gold fiir gleich achtend, ohne Aufspeicherung [oder : frei von den Hiillen Taitt. Up. 2], Freundschaft und Feind- schaft hinter sich lassend, (iber Tadel und Lob erhaben, nicht mehr liebend und hassend und dahinwandelnd wie ein Miifsiger, so lebt der Bhikshu.

So lautet im Mokshadharma die Frage des (j!uka (Quka - anupra^na) .

Adliyaya 2-46 (B. 247). 383

Adhyaya 246 (B. 247).

Vers 8951-8973 (B. 1-23).

Vyasa sprach:

1. (89.51.) Was nun aber die Umwandlungen der Prakriti betrifft, so ist der Kshetrajfia an ihre Spitze gestellt. Sie erkennen ihn nicht, er aber erkennt sie.

2. (8952.) Durch sie vollbringt er das ^¥erk, namlich durch die Indriya's mit Manas als sechstem, wie ein Wagen- lenker durch wohlgebandigte, starke, vortreffliche Rosse.

3. (89.-).!.) Holier als Sinne stehen Dinge, hoher als Dinge Manas steht, holier als Manas steht Buddlii, hoher als sie das grofse Selbst [Kath. Up. 3,10].

4. (8954.) Holier als dies steht das Avyaktam, hoher als dies das Unsterbliche, hoher als das Unsterbliche steht nichts mehr, es ist Endziel iind hochster Gang [vgl. Kath. Up. 3,11].

5. (8955.) So weilt es in alien Wesen als Atman, unsicht- bar, versteckt, dem scharfsten Denken nur sichtbar, dem feinsten des, der Feines sieht [vgl. Kath. Up. 3,12].

6. (8956.) Einschmiegend in das innere Selbst voll Weis- heit die Sinne mit Manas als sechstem und die Sinnesobjekte, ohne sicli um allerlei Sorgen zu kiimmern [mit C. acintayan^ vgl. Vers 9042],

7. (8957.) und durch die Meditation Beruhigung und durch Wissenschaft Beseitigung des Manas erreicht habend, er- langt er sodann, keinen Hohern {igvaraj iiber sich wissend und beruhigten Geistes, die unsterbliche Statte.

8. (8958.) Der [gewohnliche] Sterbliche hingegen, mit seinem Atman alien Sinnen unterworfen und schwankende Erinnerung habend, gelit durch Verrat an seinem Selbste in den Tod.

9. (8959.) Vielmehr moge man, alle Vorstellungen nieder- schlagend, das Cittam (Manas) in dem Sattvam zur Ruhe bringen, und nachdem man das Cittam im Sattvam zur Ruhe gebracht hat, wird man [unerschiitterlich wie] der Berg Kalanjara werden.

384 ni. Mokshadharma.

10. (8960.) Durch die Beruhigung seines Cittam lafst der Asket Schones und Unschones hinter sich, und mit beruhig- tem Selbste in seinem Selbst verharrend, gelangt er zu un- endlicher Freude.

11. (8961.) Das Kennzeichen der Beruhigung aber ist so, wie wenn man im Schlafe siifs schlummert, oder wie wenn eine im Windstillen angeziindete Flamme nicht flackert.

12. (8962.) Wenn er so friih und spat sein Selbst in das Selbst versenkt, wird er, mafsig sich nahrend und reinen Selbstes, das Selbst in seinem Selbste schauen.

13. (8963.) Als Geheimlehre aller Veden, frei von Legenden und Traditionen, bildet dieser den Atman zum Bewu'"stsein bringende Lehrkanon, mein Sohn, die wahre Unterweisung.

14. (8964.) Durch Ausquirlung des ganzen Reichtums der Gesetzeslehren und Wahrheitslehren , sowie von zehntausend Vedaversen ist dieses Amritam als Produkt gewonnen worden.

15. (8965.) Wie die Butter aus dem Rahm, wie das Feuer aus dem Reibholze, so ist das Wissen der Weisen zum Besten der Sohne gewonnen worden.

16. (8966.) Dieser Kanon, o Sohn, ist zu bezeichnen als die Belehrung des Snataka [des Schiilers am Ende der Lehr- zeit]. Man soil sie keinem mitteilen, welcher noch nicht beruhigt, noch nicht bezahmt, noch nicht askesereich,

17. (8967.) noch nicht vedakundig, nicht ein anhanglicher Schiller ist, keinem, der nicht frei von Mifsgunst, der nicht geradsinnig ist, der der Unterweisung nicht folgt,

18. (8968.) keinem, der in den Lehrbiichern der Dialektik beschlagen oder hinterlistig ist; vielmehr nur einem Riihm- lichen, gut Beleumundeten , Beruhigten, Askesereichen,

19. (8969.) einem geliebten Sohne und anhanglichen Schiller ist diese geheime Satzung zu ilberliefern, keinem andern, wer es auch sei.

20. (8970.) Und wenn ein Mensch ihm diese mit Edel- steinen gefiHlte Erde anbote, so soil der der Wesenheit Kundige denken: „Dies ist noch mehr wert als das alles!" [vgl. Chand. Up. 3,11,4].

21. (8971.) Nunmehr aber will ich dir das noch Geheimnis- voUere, auf das innere Selbst Bezilgliche, Ubermenschliche,

Adhyaya 246 (B. 247). 385

von den grofsen Weisen Geschaute und in den Vedanta- texten Besungene

22. (8972.) mitteilen, da du mich danach fragst.

23. (8973.) Wenn noch etwas weiteres deinen Geist

bewegt Oder wenn dir irgendwo ein Zweifel geblieben

ist, so hore mich weiter; was soil ich dir, der du vor

mir stehst, o Sohn, noch mehr sagen?

So lautet im Mokshadharma die Frage des (^tika ((^'uka - anupra<;na).

Adhyaya 347 (B. 348).

Vers 8974-8998 (B. 1-25).

Q'uka sprach:

1. (8974.) Sage mir noch einmal ausfiihrlich das auf das innere Selbst Beziigliche; was ist das innere Selbst und wie ist es, o Heiliger, Bester der Weisen?

Vyasa sprach:

2. (8975.) Was, o Teurer, als das innere Selbst an einem Menschen gepriesen wird, das will ich dir entwickeln, davon vernimm diese Erklarung.

3. (8976.) Erde, Wasset, Feuer, Wind und Ather, diese grofsen Elemente (maliabhutdnij sind fur die Wesen, was die Wellen fiir den Ozean sind.

4. (8977.) Wie eine Schildkrote ihre Glieder ausstreckt und wieder einzieht, so wandeln sich die grofsen Elemente um in ihre jiingeren [Produkte].

5. (8978.) Somit ist alles dieses Unbewegliche und Be- wegliche aus ihnen gebildet; bei seinem Entstehen wie bei seinem Vergehen wird es erlautert an diesem [Bilde von der Schildkrote].

6. (8979.) Fiinf grofse Elemente also gibt es, und aus ihnen stellte der Wesenschopfer in alien Wesen, o Freund, eine Mannigfaltigkeit her, je nachdem er diesen oder jenen Zweck im Auge hatte.

Dbusskn, Mahabhitratam. 25

386 ni. Mokshadharma.

^uka sprach:

7. (8980.) Aber wie kann man erkennen, was er zu den Korpern beigetragen hat ; da sind Sinnesorgane und da sind Eigenschaften , wie soil man die herauserkennen ?

Vyasa sprach:

8. (8981.) Das will ich dir der Eeihe nach entwickeln, wie es ist; vernimm du es mit ungeteilter Aufmerksamkeit, wie es seiner Wesenheit nach sich verhalt.

9. (8982.) Der Ton, das Gehor und die Hohlraume [im Korper], diese drei entspringen aus dem Ather; der Lehens- odem, die Bewegungen [der Glieder] und das Gefiihl, das sind die drei Eigenschaften des Windes.

10. (8983.) Die Sichtbarkeit, das Auge und die Verdauung, in diese drei zerlegt sich das Feuer; der Geschmack, das Schmecken und die Fliissigkeit, das sind die drei Eigen- schaften des Wassers.

11. (8984.) Der Duft, das Riechen und die Korperlichkeit, das sind die drei Eigenschaften der Erde; insoweit ist der Mensch vermoge der Schar der Sinne als aus den fiinf Ele- menten bestehend erklart.

12. (8985.) Aus dem Winde stammt die Beriihrung, aus dem Wasser der Geschmack, aus dem Feuer die Sichtbar- keit; aus dem Ather entspringt der Ton, der Geruch gilt als eine Eigenschaft der Erde.

13. (8986.) Manas, Buddhi und Svabhava (Natur), diese drei haben ihren eigentiimlichen Ursprung; sie schlagen nicht [wie jene fiinf Elemente] zu Eigenschaften aus, da sie auf Hoheres als diese Eigenschaften gerichtet sind.

14. (8987.) Wie gleichsam eine Schildkrote ihre Glieder herausstreckt und wieder einzieht, so schafft die Buddhi die Schar der Sinnesorgane und zieht sie wieder in sich herein.

15. (8988.) Was man oberhalb der Fufssohlen und unter- halb des Schadels wahrnimmt, in diesem ganzen Gemachte herrscht die Buddhi als hochstes Prinzip.

16. (8989.) Die Buddhi fiihrt die Eigenschaften an und sie fiihrt auch die Sinnesorgane samtlich mit dem Manas als

Adhyaya 247 (B. 248). 387

sechstem an (neniyatej; gabe es keine Buddhi, wie konnten die Eigenschaften bestehen! [vgl. Vers 7082 und 10502].

17. (8990.) Der Sinne gibt es fiinf im Menschen, das Manas wird als sechstes gezahlt, als siebentes gilt die Buddhi, als achtes endlich der Kshetrajna.

18. (8991.) Das Auge dient nur zum Sehen, das Manas erhebt den Zweifel, die Buddhi entscheidet ihn, der Kshetrajfia ist der Zuschauer fsakshinj.

19. (8992.) Rajas, Tamas und Sattvam, diese drei haben ihren eigentiimhchen Ursprung, sie sind in alien Wesen die gleichen, als die Guna's soil man sie ansehen.

20. (8993.) Alles nun, was man in sich selbst wahrnimmt als mit der Lust fpritij verwandt, und was gleichsam beruhigt und rein ist, das hat man als Sattvam anzusehen.

21. (8994.) Was aber mit Unlust fsamtdpaj verwandt ist, sei es korperlich oder geistig, und was das Regsame ist, das soil man als das Rajas ansehen.

22. (8995.) Was aber der Verblendung verwandt und in den Dingen undeutlich, unbegreiflich und unerkennbar ist, das ist als das Tamas festzuhalten.

23. (8996.) Freude, Lust, Wonne, Herrschaft, Bewufstsein der eigenen Selbstandigkeit , mag es begriindet sein oder nicht, das bildet die Eigenschaften des Sattvam.

24. (8997.) Eigendiinkel, falsche Rede, Begehrlichkeit, Ver- blendung, Lassigkeit, das sind die Merkmale des Rajas, mogen sie Grund haben oder nicht.

25. (8998.) Endlich: Verblendung, Unbesonnenheit, Schlaf, Tragheit und Unverstand, wie sie auch immer einen an- wandeln mogen, sind als Eigenschaften des Tamas anzusehen.

So lautet im Mokshadharma die Frage des (^uka ((^uka-anupra<;na).

25'

388 III. Mokshadharma.

Adhyaya 248 (B. 248^'^.

Vers 8999-9023 (B. 1-24).

Vyasa sprach:

1. (8999.) Das Manas schafft aus sich die Existenz [der Aufsendinge], die Buddhi stellt [ihre Beschaffenheit] fest, das Herz empfindet das Angenehme und Unangenehme ; so ist der Antrieb zu den Werken dreifach.

2. (9000.) Hoher als Sinne stehen Dinge, hoher als Dinge Manas steht, hoher als Manas steht Buddhi, hoher als sie der Atman steht [vgl. Kath. Up. 3,10].

3. (9001.) Die Buddhi ist das Selbst des Menschen, die Buddhi ist durch das Selbst in dem Selbste; wenn sie sich zur Existenz entfaltet, so wird sie [zunachst] zum Manas.

4. (9002.) Weiter wird dann die Buddhi wegen der Einzel- existenz der Sinnesorgane zerlegt: sofern sie hort, wird sie zum Ohr, sofern sie fiihlt, wird sie zum Gefiihl,

5. (9003.) sofern sie sieht, wird sie zum Auge, sofern sie schmeckt, wird sie zum Geschmackssinn, sofern sie riecht, zum Geruchsinn , * so zerlegt sich die Buddhi im einzelnen.

6. (9004.) Diese werden Sinnesorgane genannt, und liber ihnen thront der unsichtbare [Atman]. Die Buddhi, sofern sie im Menschen wohnt, bewegt sich in drei Zustanden (hhdvaj.

7. (9005.) Manchmal empfindet sie Freude fpritij, manch- mal Schmerz und manchmal ist sie weder von Lust noch von Leid beriihrt.

8. (9006.) Sie, deren Wesen in diesen Zustanden besteht, entwickelt sich zu den drei Zustanden, wie der wellenreiche Herr der Fliisse, der Ozean, zu den grofsen Fluten.

9. (9007.) Wenn sie irgend etwas begehrt, dann wird sie zum Manas, aber jene [die Sinnesorgane] sind als die be- sonderen Sitze in der Buddhi zu betrachten. (9008.) Die mit Intelligenz ausgestatteten Sinnesorgane miissen vollstandig unterjocht werden,

10. alle nacheinander, je nachdem die Reihe an eines kommt. (9009.) Soweit die Buddhi in der Existenz [der Sinne und Aufsendinge] zur Zerlegung kommt, weilt sie im Manas.

Adhyaya 248 (B. 248 bis). 389

11. Alle Verhaltnisse, die sich entwickeln, sind in jenen drei [Zustanden, d. i. Guna's] beschlossen; (90io.) sie setzen sich zu den entsprechenden Aufsendingen fort, wie die Rad- speichen zum Radkranze.

12. Um zu erleuchten, ist das Manas tatig mittels der von der Buddhi regierten Sinne, (90ii.) welche je nach ihrer Verwendung ausschwarmen oder, wie es sich trifft, miifsig bleiben.

13. Von solcher Natur ist dies alles, wer das weifs, geht nicht irre, (9012.) er klagt nicht und freut sich nicht, da er stets frei von Selbstsucht ist.

14. Aber der Atman kann nicht gesehen werden von den ihrer Begierde nachgehenden Sinnen, (9013.) mogen sie schuldlos sich betatigen oder zur Ubeltat neigen, wenn ihr Wesen nicht gebandigt ist.

15. Wenn man aber ihre Ziigel durch das Manas straff- halt, (9014.) dann leuchtet in einem der Atman auf wie eine Gestalt, die von der Lampe erhellt wird.

16. Wie in alien Wesen, wenn das Dunkel verscheucht ist, (9015.) alles seine Beleuchtung empfangt, so ist dieses aufzufassen.

17. Wie ein Wasservogel nicht benetzt wird, wenn er im Wasser schwimmt, (9016.) so wird der Yogin, dessen Atman erlost ist, nicht von den Siinden befleckt.

18. So wird einer, dem die Erkenntnis geworden ist und der nicht mit Siinde sich in die Sinnendinge verliert, (9017.) ohne an irgend etwas zu kleben, in keiner Weise befleckt.

19. Wer das friiher begangene Werk abstreift und alle- zeit seine Lust nur am Atman hat, (9018.) wer, zum Selbste aller Wesen geworden, nicht mehr an der Schar der Guna's hangt,

20. dessen Atman vertieft sich nur in das Sattvam und niemals mehr in die [iibrigen] Guna's. (90i9.) Die Guna's kennen nicht den Atman, aber er kennt immerdar die Guna's.

21. Er ist der AUschauer der Guna's und ist ihr All- schopfer, je nachdem es kommt, (9020.) darin liegt der Unter- schied zwischen den beiden schwer Erkennbaren, dem Sattvam und dem Kshetrajna.

390 III. Mokshadharma.

22. Der eine [Purusha] schafft die Guna's, der andere [erloste] schafft sie nicht. (9021.) Beide [Purusha und die Guna's] sind ihrer Natur nach verschieden und doch immer- dar miteinander verbunden.

23. So wie der Fisch vom Wasser verschieden ist und doch beide verbunden sind, (9022.) oder wie die Fhege und das Feigenblatt miteinander verbunden sind,

24. oder wie der Halm und das Schilfrohr verschieden und doch vereinigt sind, (9023.) in ahnhcher Weise sind jene beiden [Purusha und Guna's] verbunden urid aufeinander sich stiitzend.

So lautet im HokBhadharma die Frage des Quka ((,'uka - anupra<;na).

Adhyaya 249 (B. 249).

Vers 9024-9037 (B. 1-14).

Vyftsa sprach:

1. (9024.) Das Sattvam schafft die Guna's, der Kshetrajfia steht liber ihnen, iiber alien sich umwandelnden Guna's als miifsiger Herrscher figvaraj.

2. (9025.) Alles dies ist an den Svabhava [die Prakriti] gebunden. Wenn er die Guna's aus sich hervorgehen lafst, dann lafst er so, wie die Spinne den Faden, die Guna's aus sich her aus.

3. (9026.) Sind diese abgeschiittelt [durch die Erkenntnis], so sind sie damit nicht vernichtet, aber es wird keine Tatig- keit derselben mehr wahrgenommen, so entscheiden einige die Frage, wahrend andere lehren, dafs sie zunichte werden.

4. (9027.) Beide Moglichkeiten halte man sich vor und entscheide nach bestem Wissen; ist dies so vollbracht, so bleibt der Mahan als Keim bestehen. [Nach C. : so geht der Mahan in den Atman ein.]

5. (9028.) Denn der Atman ist ohne Entstehen und Ver- gang, ihn soil der Mensch erkennen und danach leben, ohne Zorn und ohne Freude, allezeit von Selbstsucht frei.

Adhyaya 249 (B. 249). 391

6. (9029.) Nachdem man in dieser Weise den von Sorgen der Buddhi erfiillten, starken, verganglichen Knoten des Her- zens [gespalten hat, vgl. Mund. Up. 2,2,8], moge man nach Losung aller Zweifel friedlich und ohne Kummer verharren.

7. (9030.) Wie Menschen sich abmiihen, wenn sie unver- merkt vom Ufer in einen gescliwollenen Strom stiirzend unter- tauchen, so, wisse, ist diese Welt.

8. (9031.) Aber nicht so braucht sicli der Wissende ab- zumiihen, sondern er wandelt, die Wahrheit erkennend, auf festem Boden, wenn er in dieser Weise den Atman, wenn er die lautere Erkenntnis seiner selbst erlangt.

9. (9032.) Dann erkennt der Mensch das Ganze, das Ent- stehen und Vergehen der Kreaturen, iiberblickt ihre Mannig- faltigkeit und gelangt zur hochsten Beruhigung.

10. (9033.) Dieses ist die Bestimmung des Daseins, nament- lich bei einem Brahmanen: den Atman zu erkennen und die Beruhigung zu erlangen, damit ist das Hochste erreicht.

11. (9034.) Wer dieses erkannt hat, der ist rein, kein anderes Kennzeichen gibt es des Weisen; dieses erkennend haben die Weisen ihr Ziel erreicht und sind erlost.

12. (9035.) Grofse Angst besteht nicht mehr fiir den Wissenden, die grofse Angst, welcher der Nicht -Wissende vor dem Jenseits hat; ein hoheres Ziel gibt es fiir keinen, denn das des Wissenden ist ein ewiges.

13. (9036.) Der Mensch murrt iiber diese kranke Welt und sie betrachtend jammert er, aber betrachte die Kun- digen, die frei von Leid sind, sie, welche beides wissen, das Erwirkbare und das Unerwirkbare.

14. (9037.) Was er noch tut, geschieht ohne vorher- gehende Absicht, und was er vordem getan hat, das stofst er von sich ab, und wenn er hienieden noch handelt, so bereitet es ihm beides nicht mehr, weder Lust noch Unlust.

So lautet im Moksbadharma die Frage des (^uka (Quka anupragna).

392 in. Mokshadharma.

Adhyaya 250 (B. 250).

Vers 9038-9063 (B. 1-25).

^uka sprach:

1. (9038.) Diejenige Pflicht, hoher als welche es keine andere hienieden gibt, und welche sich vor alien anderen Pflichten auszeichnet, die mogest du, o Herr, mir mitteilen.

Vya,sa sprach:

2. (9039.) Ich werde dir die alte Pflicht erklaren, welche von den Weisen festgesetzt wurde, und welche sich vor alien anderen Pflichten auszeichnet; vernimm sie mit ungeteilter Aufmerksamkeit.

3. (9040.) Wenn man die wankelmiitigen Sinnesorgane, welche nach alien Seiten auseinanderflattern mochten, durch die Buddhi streng im Zaume halt wie ein Vater seine eigenen Sohne,

4. (9041.) so i'st eine solche Konzentration des Manas und der Sinne die hochste Askese. Dies ist wichtiger als alle anderen Pflichten, dieses wird die hochste Pflicht genannt.

5. (9042.) Sie alle mit dem Manas als sechstem mit Weis- heit in seine Gewalt bringend, moge er dasitzen, an dem Atman sich gleichsam ersattigend und ohne sich um allerlei Sorgen zu kiimmern.

6. (9043.) Wenn sie von ihren Weideplatzen heimgetrieben und in ihrer Behausung festgehalten werden, dann wirst du durch deinen Atman den hochsten, ewigen Atman schauen.

7. (9044.) Den All -Atman, den grofsen Atman, gleichwie eine rauchlose Flamme, ihn schauen dann die hochherzigen, weisen Brahmanen.

8. (9045.) Wie ein grofser, weitverzweigter , mit Blumen und Friichten beladener Baum von sich selbst nicht weifs, wo seine Bliiten, wo seine Frtichte sind,

9. (9046.) so weifs auch der Atman nicht, wohin er geht und woher er kommt. Denn in ihm ist ein anderer innerer Atman, der [frei von individueller Erkenntnis] alles iiberschaut.

Adhyaya 250 (B. 250). 393

10. (9047.) Dann schaut man mit der durch die Erkenntnis entziindeten Fackel durch seinen Atman den Atman, und wenn du den Atman durch deinen Atman erkannt hast, so werde atmanlos und allwissend,

11. (9048.) frei von allem Ubel, wie eine von der Haut befreite Schlange [vgl. Brih. Up. 4,4,7], die hochste Erkenntnis schon hienieden erlangt habend, vom Ubel erlost und frei von Krankheit.

12. (9049.) Den furchtbaren Flufs, welcher mit alien Stromen die Welt liberflutet, in dem die fiinf Sinne als Krokodile wohnen, dessen Ufer Manas und Saiikalpa (Wunsch) sind,

13. (9050.) der mit dem Schilfgras der Begierde und Ver- blendung iiberwuchert ist und Lust und Zorn als schleichende Tiere birgt, dessen Furt die Wahrheit, dessen Wellenschlag die Liige und dessen Schlamm der Zorn ist, diesen mach- tigen Flufs,

14. (9051.) dessen Ursprung im Unoffenbaren ist, den reifsenden, schwer iiberschreitbaren von solchen, die un- bereiteten Geistes sind, diesen von den Ungeheuern der Lust erfiillten Strom sollst du durch die Erkenntnis iiberschreiten.

15. (9052.) Ihn, der in den Ozean des Sansara miindet, dessen Quellen und unterirdische Hohlungen schwer zu er- grunden sind, der mit deiner Geburt, o Freund, anhebt, dessen Strudel die Reden sind, dem nicht gut zu nahen ist,

16. (9053.) ihn, welchen nur die erkenntnisreichen , cha- raktervoUen Weisen zu iiberschreiten vermogen, wenn du den, von allem befreit, festen Sinnes, des Atman kundig und rein iiberschritten

17. (9054.) und die hochste Erkenntnis erreicht hast, dann wirst du ein zu Brahman Gewordener sein. Dem ganzen Sansara entflohen, beruhigten Geistes und unbefleckt,

18. (9055.) magst du dann wie von einem Berge aus die irdischen Wesen iiberschauen, ohne Zorn und ohne Freude, frei von Ubelwollen gegen irgendwen.

19. (9056.) Dann wirst du Ursprung und Vergang aller Wesen iiberschauen. Das ist die von den Weisen als erhaben liber alle Wesen erklarte (9057.) Pflicht, von den Wahrheit schauenden Muni's, von den vorziiglichsten Erfiillern der Pflicht.

394 HI. Mokshadharma.

20. Diese Erkenntnis des alldurchdringenden Atman ist, o Sohn, als Kegel (9058.) anzubefehlen einem Hingegebenen, Freundlichen und Folgsamen.

21. Dies ist das geheimnisvolle Wissen vom Atman, das grofse, allergeheimnisvollste, (9059.) welches ich dir, o Freund, vor deinem Atman als unmittelbarem Zeugen mitgeteilt habe.

22. Nicht weiblich, noch mannlich, noch audi sachlich ist dieses (906O.) schmerzlose und lustlose Brahman, welches seinem Wesen nach das Vergangene, Zukiinftige und Gegen- wartige ist.

23. Wer dieses erkannt hat, sei es Weib oder Mann, braucht nicht wiedergeboren zu werden ; (9061.) zur Erlangung dieses Nicht-Geboren werden s ist diese Pflicht verordnet.

24. Wie dies alles zu verstehen ist und wie es seinem Wesen nach ist, (9062.) so ist es, o Sohn, von mir erklart worden, das Seiende und das Nicht-Seiende.

25. (9063.) Wenn einer, o guter Sohn, von einem lieben- den, tugendhaften , selbstbeherrschenden Sohne gefragt wird, so soil er freudigen Sinnes diesem Sohne dieses von mir Gesagte wahrheitsgemafs mitteilen.

So lautet im Mokshadharma die Frage des (^'uka ((^uka - anupra^na).

Adhyaya 251 (B. *^51).

Vers 9064-9087 (B. 1-24).

Vyasa sprach:

1. (9064.) Man gebe den Geriichen, den Geschmacken, gebe der Lust keine Folge und nehme keine Schmuck- sachen an von dem oder jenem; man trachte auch nicht nach Ehre, Ruf oder Ruhm; das ist das Verhalten eines sehenden Brahmanen.

2. (9065.) Man mag alle Veden studieren und keusch sein, aber damit, dafs man den Rigveda, Yajurveda und Samaveda kennt, ist man noch kein wahrer Zwiegeborener.

Adhyaya 251 (B. 251). 395

3. (9066.) Wer aber sich alien Wesen verwandt fiihlt, all- wissend und alle Veden kennend und frei von Verlangen ist, der stirbt nie und von ihm kann man nicht sagen, dafs er kein wahrer Zwiegeborener sei.

4. (9067.) Auch wenn einer mancherlei Opfer aufzuweisen hat und heilige , mit Opfergaben verbundene Werke , so er- langt er dadurch noch keineswegs die wahre Brahmanschaft, well er noch nicht in sich gesetzt ist.

5. (9068.) Aber wenn ebenderselbe nicht mehr fiirchtet, und wenn man sich vor ihm nicht mehr fiirchtet, wenn er nicht mehr wiinscht und nicht mehr hafst, dann erlangt er das Brahman.

6. (9069.) Wenn er gegen alle Wesen keine bose Ge- sinnung betatigt in Werken, Gedanken oder Worten, dann geht er in das Brahman ein.

7. (9070.) Die Bindung durch die Lust ist die einzige, keine andere Bindung gibt es auf der Welt; wer von der Bindung durch die Lust frei wird, der ist zur Brahmanwerdung tauglich.

8. (9071.) Von der Lust erlost gleichwie der Mond von Dunst und Wolken, wiinscht er ohne Leidenschaft die Zeit des Endes herbei und verharrt fest in seiner Bestandigkeit.

9. (9072.) Derjenige, in welchemalleLiiste verschwinden, wie in dem vollen, unerschiitterlich gegriindeten Ozean die Wasser verschwinden, der erlangt die Beruhigung, nicht der nach Liisten Liisterne.

10. (9073.) Er wird von den Liisten geliebt, aber er liebt die Liiste nicht; ein solcher Mensch steigt von der Lust zum Himmel auf.

11. (9074.) Des Veda geheimer Sinn fupanishadj ist die Wahrheit, der Wahrheit geheimer Sinn ist die Bezahmung, der Bezahmung geheimer Sinn ist das Geben, des Gebens geheimer Sinn ist die Askese.

12. (9075.) Der Askese geheimer Sinn ist die Entsagung, der Entsagung geheimer Sinn ist das Gliick, des Gliickes ge- heimer Sinn ist der Himmel, des Himmels geheimer Sinn ist die Beruhigung.

396 III. Mokshadharma.

13. (9076.) Die Benetzung des Kummers und Wunsches ausgliihend fsantdpamj mitsamt der Begierde, trachtest du durch Zufriedenheit nach dem wahren Wesen, welches Be- ruhigung mit sich bringt und das Hochste ist.

14. (9077.) [Diese Zufriedenheit besitzend,] frei von Kummer und Selbstsucht, beruhigt, gesetzten Geistes und ohne Eifer- sucht, wer diese sechs Merkmale an sich tragi, der wird als ein Vollendeter zuriickkehren.

15. (9078.) Diejenigen, welche bei ihrem Hinscheiden ver- moge der [genannten] sechs, mit der Eigenschaft des Sattvam ausgestatteten, geistigen [Tugenden] erkannt haben, dafs der Atman [nur] hienieden mit den drei [Guna's] behaftet ist, die verstehen jene Eigenschaft [die Beruhigung].

16. (9079.) Wer zu dem ungekiinstelten , unbestechlichen, urspriinglichen , ungeschminkten, edlen, innern Selbste ge- langt ist, der erlangt unverganghches Gliick.

17. (9080.) Wenn man das Manas vom Umherschweifen abhalt und es von alien Seiten her zum Stillstand bringt, so erlangt man dadurch eine Befriedigung seiner selbst, welche auf keine andere Weise zu erreichen ist.

18. (9081.) Durch ihn wird man satt, ohne zu essen, durch ihn wird man satt, ohne reich zu sein, durch ihn gewinnt man Starke ohne Fettleibigkeit, wer ihn kennt, der kennt den Veda.

19. (908-2.) Denn der gelehrte Brahmane, welcher die ver- borgenen Pforten seines Atman sorgsam verschliefst, der wird ein am Atman sich Freuender genannt. [Vgl. Chand. Up. 7,25,2.]

20. (9083.) Ihn, welcher konzentriert in der hochsten Wesenheit nach Vernichtung der Begierden dasteht, iiber- kommt von alien Seiten her Gliick, [anwachsend] wie die Gestalt des Mondes.

21. (9084.) Bei dem Weisen, welcher die Wesen ohne Unterschied und die Guna's hinter sich lafst, wird durch sein Gliick das Leiden verscheucht wie durch die Sonne die Finsternis.

22. (9085.) Ihm, der die W'erke iiberwunden, der die iiber- wundenen Guna's vernichtet hat, dem Brahmanen, der nicht

Adhyaya 251 (B. 251). 397

mehr mit den Sinnendingen verflochten ist, konnen Alter und Tod nichts mehr anhaben.

23. (9086.) Wenn er dann nach alien Seiten frei, gleich- miitig und fest dasteht, dann ist er, schon im Leibe weilend, iiber die Sinnesorgane und Sinnendinge hinausgelangt.

24. (9087.) Fiir ihn, der nach Ergreifung der hochsten Ur- sache aufgehort hat, ein Produkt zu sein, gibt es keine Wiederkehr mehr, nachdem er zur hochsten Statte gelangt ist.

So lautet im Mokshadharma die Fiage dee (Juka (<^uka-anupra(;na). i

Adhyaya 35'^ (B. 253).

Vers 9088-9100 (B. 1-12).

Vyasa sprach:

1. (9088.) Wer, nach der Erlosung forschend, sich mit den Gegensatzen, mit dem Guten und Niitzlichen beschaftigt, der soil als Schiller von einem tiichtigen Lehrer zunachst unter- richtet werden in folgender grofser Sache.

2. (9089.) Ather, Wind, Feuer, Wasser und als fiinftes die Erde nebst Entstehen und Vergehen und der Zeit sind in alien fiinf Elementen [vermoge des Pancikaranam vgl. Vedan- tasara § 124] enthalten.

3. (9090.) Der Ather ist im Innern des Korpers, der aus ihm gebildete Sinn ist das Gehor; als seine Qualitat erkennt den Ton an, wer mit den Lehren der iiber den Korper han- delnden Lehrbiicher vertraut ist.

4. (9091.) Das Hinstreichen ist das Wesen des Windes, aus ihm sind Aushauch und Einhauch gebildet, als seinen Sinn wisse man das Gefiihl und als auf ihm beruhend die Beriihrung.

5. (9092.) Hitze, Kochung, Erhellung, Licht und Gesichts- sinn als fiinftes [machen das Element des Feuers aus]; als seine Qualitat wisse man die Gestalt, welche ihrem Wesen nach rot, weifs und schwarz ist.

6. (9093.) Benetzung, Verschiebbarkeit und Anhaftung, diese werden dem Wasser zugeschrieben ; Blut, Mark und

398 III. Mokshadharma.

was sonst noch klebrig ist, wisse man als zu seiner Natur gehorig.

, ,,7, (9094.) Das Schmecken^ die Zunge als Organ und der Geschmack gelten als Qualitat des Wassers. Festigkeit ist dem erdigen Element eigen, Knochen, Zahne und Nagel,

8. (9095.) Bart, Korper- und Haupthaare, Adern, Sehnen und Haut. Das Sinnesorgan heifst Geruchsinn und wird auch Nase genannt;

9. (9096.) der Geruch ist das diesem Sinne entsprechende Objekt, und man mufs begreifen, dafs er aus der Erde be- steht. Alle hoheren Wesen besitzen auch liohere Eigen- schaften.

10. (9097.) Die Weisen kennen die Verbreitung der fiinf elementaren Komplexe [bestehend aus dem Element, seinem Organ und dessen Objekt]. Das Manas gehort zu den ge- nannten [fiinf Elemente, Entstehen, Vergehen und Zeit, oben, Vers 9089] als neuntes, die Buddhi wird als zehntes gezahlt.

11. (9098.) Der elfte ist der unendliche Atman, er wird als der Allseiende und Hochste bezeichnet. Die Buddhi hat als Wesen das Entscheiden, das Manas das Zerlegen. (9099.) Aus der Tatigkeit zu erschliefsen ist der Jiva (die individuelle Seele), welcher von der Korperlichkeit seinen Namen hat.

12. Wer auf dieses mit den genannten, die Zeit als Wesen habenden Zustanden behaftete Ganze selbst (9ioo.) unbefleckt hinblickt, der verfallt nicht in das mit Verblendung ver- kniipfte Werk.

So lautet im Mokshadharma die Frage des (^uka (Quka - aniiprai^na) .

AdhyAya 353 (B. 253).

Vers 9101-9115 (B, 1-15).

Vyasa sprach:

1. (9101.) Die vom Leibe losgeloste, in feiner Gestalt fort- bestehende, verkorperte Seele schauen mittels ihres im Kanon vorgeschriebenen Tuns die Kenner des [Yoga-] Kanons.

Adhyaya 253 (B. 253). 399

2. (!)io2.) Wie die Strahlen miteinander ausstromen und ul)erall sich verbreitend gesehen werden, so durch- streifen die von den Korpern losgelosten iibermensch- lichen Wesenheiten die Weltraume.

3. (9103.) So wie der Glanz der Sonne als Abbild im Wasser gesehen wird, so schaut er [der des Yoga kundig ist] das Sattvam als Abbild in den von diesem Sattvam Be- seelten.

4. (9104.) Und nachdem diese feinen Wesenheiten (Sattva) vom Leibe sich losgelost haben, schauen die Wahrheits- kundigen, Sinnebezahmten mittels ihres eigenen Sattvam diese [Sattva' s].

5. (9105.) Was immer von alien gedacht werden mag im Schlafe oder auch [mit C. caiva] im Wachen, oder wenn sie, von der Verbindung mit der Materie losgelost, die aus den Werken entspringende Leidenschaftlichkeit hinter sich lassen,

6. (9106.) allezeit bei Tage wie bei Nacht, bei Nacht wie bei Tage steht ihr Sattva selbst unter der Herrschaft der Yoga iibenden Yogin's.

7. (9107.) Ihr Elementatman fbMddtmdJ ist immer und alle- zeit unaufhorlich behaftet mit sieben feinen Qualitaten [an- geblich Mahan, Ahankara und die fiinf Tanmatra's nach Nil.], er, der regsame, nicht alternde, nicht sterbende.

8. (9108.) Dem Manas und der Buddhi unterworfen, den eigenen Leib und fremde Leiber kennend, wird die individuelle Seele auch im Traume zum Erkenner von Lust und Leid.

9. (9109.) In ihm empfindet sie bald Schmerz, bald Lust, und wenn sie sich dem Zorn und der Begierde hingibt, gerat sie ins Ungliick.

10. (9110.) Oder auch sie glaubt sich begliickt, wenn sie grofse Zwecke erreicht, sie vollbringt in ihm [dem TraumeJ gute Werke und ist sehend wie im wirklichen Leben.

11. (9111.) Ja selbst in die Hitze gelangt und zum Embryo geworden und zehn Monate lang in der Bauchhohle verweilend, wird sie doch nicht wie die Nahrung verdaut.

12. (9112.) Diesen Bhutatman, welcher als ein Teil der hochsten Kraft [der Allseele] im Herzen wohnt, konnen die

400 III. Mokshadharma.

von Tamas und Rajas beherrschten Menschen nicht in den Korpern sehen.

13. (9113.) Sie, welche den Yogakanon hochschatzen und dadurch von Verlangen nach jenem Atman erfullt sind, [schauen, nach Nil. iiberschreiten] jene nicht mitsterhenden, nicht grobmateriellen Wesenheiten, welche unzerstorbar wie Diamanten sind.

14. (9114.) Als die Einzelwesen geschaffen warden, um die Werke des vierten Lebensstadiums zu iiben, da hat Qan- dilya im Zustande der Versenkung in dieser Weise den Yoga fiir die Beruhigung erklart. [Vgl. Chand. Up. 3,14,1 Qanta' ujmsUa.]

15. (9115.) Wer die sieben feinen Wesenheiten [vgl. Vers 9107] und den sechsgliedrigen [ Allwissenheit , Allgeniigsamkeit, Geistigkeit, Freiheit, ununterbrochenes Schauen und Allmacht besitzenden. Nil.] hochsten Gott erkannt hat, der schaut das in die Materie unverstrickt bestehende hochste Brahman.

So lautet im Mokshadhaima die Frage des Quka ((,'uka - anupra^na).

Adhyaya 354 (B. 254).

Vers 9116-9130 (B. 1-14).

Vyasa sprach:

1. (9116.) Im Herzen wachst der bunte Baum der Begierde, aus dem Wust der Verblendung entspringend, Zorn und Hoch- mut sind seine machtigen Aste und von Absichten wird er bewassert.

2. (9117.) Sein tragender Grund ist das Nicht-Wissen, seine Bewasserung geschieht durch die Unbesonnenheit, Ubel- wollen bildet seine Zweige, vormalige Ubeltaten sind sein Kernholz.

3. (9118.) Verblendung und Sorge sind seine Ranken, der Kummer bildet sein Astwerk, dm Furcht seine Sprofslinge; er ist umwuchert von verwirrenden Durstgeliisten als Schling- pflanzen.

Adhyaya 254 (B. 254). 401

4. (9119.) Diesen grofsen Baum verehren die sehr Begehr- lichen, nach seinen Friichten Verlangenden, von Aufregungen wie von Stricken gebunden, um seiner Friichte willen ihn umschlingend.

5. (9120.) Wer dieser Stricke Meister wird und den Baum ausreifst, der gelangt ans Ende beider Leiden [der Lust und des Schmerzes] und wird von beiden befreit.

6. (9121.) Weil der Unverstandige allezeit den Baum ge- deihen macht fsamrohatHJ, darum totet dieser ihn, wie das Giftgeschwiir den Kranken.

7. (9122.) Aber dieses weiterwurzelnden Baumes Wurzel wird mit Macht losgetrennt mittels der Gleichmiitigkeit als vorziighchem Messer von dem, der durch die Beruhigung des Yoga bereitet ist.

8. (9123.) Wer in dieser Weise es versteht, alle Begierde zu vernichten, der gelangt iiber die Knechtschaft unter dem Gesetz der Begierde und iiber die Leiden hinaus.

9. (9124.) Den Korper betrachtet man als die Stadt, als Herrscherin in ihr gilt die Buddhi, und das Manas ist es, welches die Zwecke der auf das Wesen gerichteten Buddhi besorgt.

10. (9125.) Die Sinnesorgane sind die dem Manas unter- stellten Burger und ihren Zwecken zu dienen ist seine Haupt- aufgabe. In der Stadt herrschen zwei furchtbare Seuchen, sie heifsen Tamas und Rajas. (9i26.) Von jenen Zwecken leben die Burger mitsamt den Stadtherren.

11. Unberechtigterweise leben von jenen Zwecken auch die beiden Seuchen. (9127.) Hierbei sinkt die schwer zu iiber- waltigende Buddhi auf die gleiche Stufe wie das Manas herab.

12. Die Burger aber zittern vor dem Manas, und so wird auch ihre Stellung eine unsichere (9128.) und die Zwecke, welche die Buddhi verfolgt, sinken zur Zwecklosigkeit herab.

13. Wenn nun die Buddhi einen gesonderten Zweck verfolgt, so leidet das Manas darunter, (9129.) denn von der Buddhi abgesondert bleibt das Manas isoliert.

14. Dann bemachtigt sich des von jenem entblofst ge- lassenen Menschen das Rajas, (9i30.) ja, das Manas schliefst

Deussen, Mahilbharatam. 26

402 III- Mokshadharma.

sogar mit dem Rajas Freundschaft und verbiindet sich ihm, nimmt den in der Stadt wohnenden Burger gefangen und liefert ihn dem Rajas aus.

So lautet im Mokshadharma die Frage des Tuka (Qulca - anuj)ra(;na).

Atlliyaya *^55 (B. 255).

Vers 9131-9143 (B. 1-13).

Bhishma sprach:

1. (9131.) Vernimm, o Sohn, weiter die Aufzahlung der Elemente, wie sie, o Untadeliger, in hochst riihmlicher Weise dem Munde des Dvaipayana (Vyasa) entstromte.

2. (9132.) Einem flammenden Feuer ahnlich sprach der Heilige zu ihm, der an Aussehen dem Rauche ghch, und nunmehr will ich dir, o Sohn, wieder die Erklarung mit- teilen.

3. (9133.) Der Erde kommen zu: UnerschLitterlichkeit, Schwere, Festigkeit, Produktivitat , Geruch, [nochmalsj Schwere, Kraft, Kompaktheit, Fahigkeit zu stiitzen und Aus- dauer.

4. (9134.) Dem Wasser kommen zu: Kalte, Geschmack, Nasse, Fliissigkeit, Anhaftung und Geschmeidigkeit, Ge- schmacksorgan , Tropfbarkeit und Garmachung fester Stoffe.

5. (9135.) Dem Feuer sind eigen: Schwerbezwinglichkeit, Licht, Hitze, Kochung, Helle, Glut, leichte Erregbarkeit, Hef- tigkeit und bestandiges Nach-oben-flammen.

6. (9136.) Dem Winde kommen zu: unbestimmtes Gefiihl [nicht warm.noch kalt Nil.], Tragen der Rede, Freiheit, Starke, Geschwindigkeit, Bewirken der Entleerung, Fahigkeit zu be- wegen und Sich-erheben.

7. (9137.) Die Qualitat des Athers ist der Ton, Alldurch- dringung, Widerstandslosigkeit, ohne Trager und Stiitze zu sein, Unwahrnehmbarkeit, Unwandelbarkeit,

8. (9138.) sowie Durchlassigkeit. Die Elemente selbst und ihre Umwandlungen werden als fiinfzig Qualitaten ge-

Adhyaj a 255 (B. 255). 403

rechnet w elche sich aus dem Wesen der fiinf Elemente ent- wickeln.

9. (9139.) Festigkeit und Uberlegen, Verdeutlichung, Aus- breitung, Vorstellung und Nachgiebigkeit , Giite und Nicht- Giite, sowie Schnelligkeit , das sind die neun Qualitaten des Manas.

10. (9140.) Vergessenmachen des Erwiinschten und Un- erwiinschten, Entscheidung, Vertiefung, Zweifel und Zustim- mung, diese gelten als die fiinf Qualitaten der Buddhi.

Yudhishthira sprach :

11. (9141.) Wie kann die Buddhi fiinf Qualitaten und wie konnen diese Qualitaten die fiinf Sinne zu ihrer Verfiigung haben ? Diese ganze subtile Wissenschaft erklare mir, o Grofs- vater !

Bhishma sprach :

12. (9142.) Man lehrt, dafs es sechzig Qualitaten der Buddhi gibt, welche von den Elementen verschiedene und immer von ihnen getrennte Entfaltungen der Elemente sind; von dem Unverganglichen (aksharaj sind sie er- schaffen worden; das iibrige, o Sohn, hienieden nennt man das Nichtbestandige.

13. (9143.) Das alles ist mit Sorgen erfiillt. Ich habe es dir jetzt mitgeteilt, obwohl es nicht auf heiliger Uber- lieferung beruht fandgatamj. Nachdem du aber die ganze Bedeutung der Elemente erfahren hast, mogest du von der Herrschaft der Elemente her zur Beruhigung deiner Buddhi gelangen.

So lautet iin Mokshadhariua die Frage des (j^'uka (Quha anupra<pia).

26^

404 III. Mokshadharma.

Adhyaya '^57* (B. 256).

Vers 9144-9164 (B. 1-21).

Yudhishthira sprach :

1. (9144.) Siehe diese Erdeherren, welche auf dem Bodeii daliegen, die Grofsmachtigen , welche im Kampfgewiihl das Bewufstsein verloren haben.

2. (9145.) Obgleich sie Mann fiir Mann von furchtbarer Kraft und auch noch durch die Kraft ihrer Elefanten ver- starkt waren, sind sie doch im Kampfe niedergemacht worden von Mannern, welche ebenso grofse Energie und Starke hatten.

3. (9146.) Ich sehe ihn nicht, der ihr eigentlicher Toter im Kampfe war. Mit Tapferkeit waren sie begabt, mit Energie und Starke ausgeriistet,

4. (9147.) und nun liegen die sehr weisen Helden leblos da und auf sie, wie sie leblos daliegen, findet der Ausdruck Anwendung, dafs sie tot seien.

5. (9148.) Denn tot sind sie, diese Fiirsten, die doch sonst eine furchtbare Tapferkeit besafsen, und mich erfafst dabei ein Zweifel, woher die Bezeichnung komme, dafs sie tot seien.

6. (9149.) Was am Menschen unterliegt dem Tode, woher kommt der Tod und wie kommt es, dafs der Tod hienieden die Menschen wegrafft, o du Gottahnlicher ? Erklare mir das, o Grofsvater!

Bhishma sprach :

7. <9i50.) Einstmals im Weltalter Kritam, o Freund, gab es einen Konig mit Namen Akampana (C. Anukampaka), der geriet in die Gewalt seiner Feinde, nachdem im Kampfe sein Wagen zerstort worden war.

8. (9151.) Dieser hatte einen Sohn mit Namen Hari, der dem Narayana (Vishnu) auch an Kraft ahnlich war; dieser wurde mitsamt seinem Heere und seinem Gefolge im Kampfe von den Feinden getotet.

9. (9152.) Da geschah es, dafs jener von den Feinden ge-

* Durch eineu Fehler iu der Zahlung ist 256 in C ubersprungen (vgl. oben, S. 318).

Adhyaya 257 (B. 256). 405

fangene und vom Kummer iiber seinen Sohn erfiillte Konig, nach Beruhigung verlangend, zufallig den Narada vor sich auf dem Boden stehen sah.

10. (9153.) Ihm erzahlte der Konig alles, wie es sich be- geben hatte, wie er im Kampfe von den Feinden gefangen genommen und wie sein Sohn getotet worden war.

11. (!>i54.) Als der askesereiche Narada seine Rede an- gehort hatte, da erzahlte er ihm, um den Kummer iiber den Sohn zu verscheuchen, folgende Geschichte.

Narada sprach:

12. (9155.) 0 Konig, vernimm nun folgende ausfiihrhche Geschichte, wie sie sich begeben hat und von mir gehort worden ist, o Herr der Erde.

13. (9156.) Als der machtige Urvater bei der Schopfung der Kreaturen die Geschopfe geschaffen hatte, da wollte er es nicht dulden, dafs die Geschopfe iibermafsig wuchsen und sich mehrten.

14. (9157.) Denn durch die Geschopfe wurde nirgendwo ein freier Zwischenraum gelassen, o UnerschiitterHcher, und alle drei Wei ten waren so vollgepfropft , o Konig, dafs man beinahe nicht atmen konnte.

15. (9158.) Da richtete sich seine Absicht darauf, sie wieder zu vernichten, o Konig, und indem er dariiber nach- dachte, fand er kein geeignetes Mittel , diese Vernichtung zu bewirken.

16. (9159.) Da brach infolge seines Zornes aus seinen Korperoffnungen Feuer hervor, o Grofskonig; damit ver- brannte der Urvater alle Weltgegenden.

17. (9160.) Da wurde der Himmel, die Erde, der Zwischen- raum, sowie die Welt der Lebenden mitsamt Beweglichem und Unbeweglichem von dem Feuer verbrannt, welches aus dem Zorn des Heiligen entsprungen war.

18. (9161.) Da wurden alle Wesen, die gehenden und stehenden, verbrannt durch den grofsen Ansturm des Zornes, welchen der Urvater hegte.

19. (916-2.) Da geschah es, dafs [der bei seinen asketischen Ubungen] baumstammahnliche, die Opferlocke tragende Herr

406 ni. Mokshadharma.

der Vedaopfer, Gott Qiva, den Gott Brahman um Hilfe an- ging, er, der Toter der feindlichen Helden.

20. (9163.) Als dieser Baumstammahnliche aus Wohlwollen fur die Kreaturen sich genaht hatte, da sprach der hochste Gott gleichsam lodernd zu ^iva:

21. (9164.) Welche Gunst soil ich dir heute erweisen? Du bist von mir einer Gnadengabe fur wiirdig erachtet, denn ich will den Wunsch erfiillen, welchen du, o Heilbringer, im Herzen hegst.

So lautet im Mokshadharma die TJnterredung zwischen Mrityu und Prajapati (Mfitiju - Prajapati - sanwdda).

Adhyaya 358 (B. 257).

Vers 9165-9186 (B. 1-22).

Der Baumstammahnliche sprach :

1 (^9165.) Um die Schopfung der Geschopfe handelt es sich bei meinem Anliegen, das wisse, o Herr; sie sind doch von dir geschaffen worden, so ziirne ihnen denn auch nicht, o Urvater.

2. (9166.) Durch das Feuer deiner Energie, o Gott, werden die Geschopfe alien thalben verbrannt; ihr Anblick erweckte mein Mitleid, so ziirne denn auch du ihnen nicht, o Herr der Welt.

^ Prajapati (der Herr der Welt) sprach:

3. (9167.) Ich ziirne nicht und mein Verlangen ist nicht darauf gerichtet, dafs die Geschopfe nicht bestehen soUen, aber um die Last der Erde zu erleichtern, ist ihre Vernichtung erwiinscht.

4. (9168.) Denn diese Erdgottin hat mich, da sie durch ihre Last gequalt wurde, dazu angetrieben, die Geschopfe zu vernichten, o Mahadeva, denn schon beginnt sie, wegen ihrer Last im Wasser zu versinken.

5. (9169.) Als ich mit meinem Verstande trotz vielfachen Uberlegens nicht herausbringen konnte, wie sie, nachdem

Adhyaya 258 (B. 257). 407

sie so gewachsen sind, vernichtet werden konnen, da iiber- kam mich der Zorn.

Der Baumstammahnliche sprach:

6. (9170.) Wegen ihrer Vernichtung beruhige dich und ziirne nicht, o Herr der Gotter, damit [dein Ziirnen] nicht die Geschopfe und mit ihnen alles Bewegliche und Unbeweg- liche vernichte fmd vyaninagatlj,

7. (9171.) nebst alien Gewassern und alien Grasern und Strauchern, dem Beweglichen und dem Unbeweglichen und der vierfachen Schar der Wesen.

8. (9172.) Darum, bevor alles dies zu Asche geworden und die ganze Welt der Lebenden zugrunde gegangen ist, sei gnadig, du Heiliger, du Guter, das ist die Gunst, die ich mir erbitte.

9. (9173.) Werden erst diese Geschopfe vernichtet worden sein, so konnen sie in keiner Weise wieder hervorkommen, darum moge dieses ungeschehen bleiben vermoge der dir eigenen Machtvollkommenheit.

10. (9174.) Ersinne ein anderes Mittel aus Wohlwollen gegen die Wesen, so dafs alle diese Geschopfe nicht zu ver- brennen brauchen, o Urvater,

11. (9175.) damit die Geschopfe nicht zugleich mit Aus- rottung ihrer Nachkommenschaft der Vernichtung anheim- fallen. Ich bin ja von dir, o Herr der Gotter, mit der gott- lichen Fiirsorge betraut worden.

12. (9176.) Aus dir ist ja, o Weltenherr, alles dieses Be- wegliche und Unbewegliche entsprungen; indem ich dich besanftige, o grofser Gott, erbitte ich von dir, dafs die Ge- schopfe wiederkehren konnen.

Narada sprach :

13. (9177.) Als der Gott dieses Wort des Baumstamm- gleichen gehort hatte, ziigelte er Rede und Gedanken und zog jene Glut wieder in sein inneres Selbst zuriick.

14. (9178.) Nachdem nun der von den Welten verehrte Heilige das Feuer in sich zuriickgezogen hatte, ordnete er, der Herr, das Entstehen und Vergehen der Wesen.

408 iii- Mokshadharma.

15. (9179.) Indem er nun jenes durch seinen Zorn ent- standene Feuer in sich zuriickzog, kam aus alien Korper- offnungen des Hochsinnigen ein Weib hervor,

16. (9180.) bekleidet mit schwarz und rotem Gewande, mit schwarzen Augen und schwarzen inneren Handflachen, mit gottlichen Ohrringen ausgestattet und mit himmlischem Schmuck geziert.

17. (9181.) Nachdem diese aus seinen Korperoffnungen hervorgegangen war, wandte sie sich der siidlichen Himmels- gegend zu, und beide gottlichen Beherrscher des Weltalls schauten das Madchen.

18. (9182.) Da rief sie der gottliche Schopfer und Herr der Welt heran, o Fiirst, und sprach zu ihr : 0 Mrityu (Tod), tote diese Geschopfe!

19. (9183.) Denn du bist durch mein Denken an die Ver- nichtung und durch mein Ziirnen erdacht worden, darum ver- nichte du alle Geschopfe, die unbeseelten und die beseelten.

20. (9184.) Alle Geschopfe ohne Unterschied raffe bin, du Holde, denn durch Erfiillung dieses meines Auftrags wirst du das hochste Gliick erlangen.

21. (9185.) So angesprochen, sann die lotosbekranzte Gottin Mrityu dem nach, die Jungfrau, von Schmerz erfiillt und unter einem Strom von Tranen.

22. (9186.) Ihre Tranen hemmte sie mit beiden Handen, o Volkerfiirst, und sprach aus Wohlwollen fiir die Menschen weiterhin eine Bitte aus.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Mrityu und I'rajapati (Mrityu - Prajdpati- samvdda).

Adhyaya 259 (B. 358).

Vers 9187-9228 (B. 1-42).

N§,rada sprach:

1. (9187.) Indem die langaugige Jungfrau ihren Schmerz durch sich selbst ziigelte, sprach sie mit zusammengelegten Handen und vorgeneigtem Korper zu jenem:

Adhyaya 259 (B. 258). 409

2. (9188.) Wie kann ein von dir, o Bester der Redenden, geschaffenes Weib wie ich zu einem so grausamen Werke geboren worden sein, durch welches sie allem Lebenden Furcht einflofst?

3. (9189.) Ich fiirchte mich vor dem Unrecht, weise mir ein gerechtes Werk an. Nimm Riicksicht auf mein Fiirchten, siehe mich mit gnadigem Bhcke an.

4. (9190.) Ich will nicht Kinder, Greise und in der Voll- kraft Stehende, will nicht unschuldige Lebende hinwegraffen, o Herr der Lebenden, Verehrung sei dir, sei mir gnadig!

5. (9191.) Nicht wegraffen will ich liebe Sohne, bliihende Briider, Mutter und Vater. Sie werden mich verwiinschen, wenn sie so gestorben sind, ich fiirchte mich vor ihnen,

6. (9192.) Ihre Benetzung durch Tranen des Jammers wird mich ewige Jahre durch brennen; ich fiirchte mich gewaltig vor ihnen, zu dir nehme ich meine Zuflucht.

7. (9193.) Nur Ubeltater, o Gott, werden hinabgestiirzt in die Behausung des Yama. Ich bitte dich um Gnade, o Gaben- verleiher, erweise mir deine Gunst, o Herr.

8. (9194.) Das ist der Wunsch, den ich von dir erbitte, o Urvater der Welt, ich will gern, um dich zu begiitigen, Askese iiben, o grofser Gott.

Der Urvater sprach:

9. (9195.) 0 Mrityu, du bist von mir geschaffen worden, um die Geschopfe wegzuraffen. Gehe hin und raffe alle Ge- schopfe weg, besinne dich nicht.

10. (9l96.) Es mufs notwendig so geschehen und kann nicht anders sein; fiihre mein Wort aus, o Schongliedrige, wie ich es gesprochen habe, o Untadelige.

11. (9197.) Nachdem, o Grofsarmiger , die Mrityu diese Antwort vernommen hatte, o Eroberer feindlicher Burgen, gab sie keine Antwort, sondern stand gebeugt und zu dem Heiligen emporblickend da.

12. (9198.) Wieder und wieder wurde die Glanzvolle auf- gefordert, einer Geistesabwesenden gleichend. Da schwieg der Gott, welcher Herr ist iiber die Gotterherren.

13. (9199.) Und er, der Gott Brahman, besanftigte sich

410 in. Mokshadharma.

durch sich selbst und lachelnd blickte er, der Herr der Welten, auf alle Welten herab.

14. (9200.) Als der Zorn des Heiligen, Uniiberwindlichen verraucht war, da ging die Jungfrau weg von ihm, so ist es uns iiberliefert.

15. (9201.) Und weggehend, ohne der Vernichtung der Geschopfe zugestimmt zu haben, gelangte eilig, o Fiirst der Konige, die Mrityu nach Dhenukam [einem heiligen Bade- platz Nil.].

16. (9202.) Dort iibte die Gottin gewaltige, schwer zu voll- bringende Askese, denn sie stand fiinfzehntausend Millionen Jahre auf einem Fufse.

17. (9203.) Zu ihr, welche dort in dieser Weise gewaltige, schwer zu vollbringende Askese iibte, sprach wiederum der grofsmachtige Gott Brahman das folgende Wort:

18. (9204.) Fiihre meinen Befehl aus, o Mrityu! Sie aber beachtete das Wort nicht und stand flugs noch einmal weitere sieben

19. (9205.) und sechs und fiinf und zwei Tausende von Millionen Jahren auf einem Fufse, o Ehrenspender, und lebte dann noch weitere zehntausend mal tausend Millionen mit den Tieren des Waldes zusammen, o Freund.

20. (9206.) Und nachdem sie sodann, o Bester der Manner, noch zwei Myriaden Jahre nur vom Wind sich genahrt hatte, o Hochweiser, so beobachtete sie dann weiter das tiefste Schweigen,

21. (9207.) wahrend sie siebentausend und tausend Jahre im Wasser stand, o Erdeherr. Dann ging die Jungfrau zum Flusse Kaugiki, o Bester der Fiirsten.

22. (9208.) Dort lebte sie, von Wind und Wasser sich nahrend, noch weiter in Selbstbezahmung. Darauf ging die Vortreffliche nur noch zur Gaiiga und zum Berga Meru.

23. (9209.) Dann stand sie aus Wohlwollen fiir die Ge- schopfe unbeweglich wie ein Stiick Holz auf dem Gipfel des Himalaya, wo die Gotter gemeinschaftlich geopfert haben,

24. (9210.) auf einer Fufszehe, o Fiirst der Konige, noch- mals wieder hunderttausend Millionen Jahre. So stand sie da und erfreute durch ihre Bemiihung den Urvater.

Adhyaya 259 (B. 258). 411

25. (9-211.) Da sprach zu ihr er, der Ursprung und Ver- gang der Welt ist: Was soil das heifsen, o Tochter, erfiille doch den Befehl, den ich dir gegeben habe.

26. (9212.) Da sprach die Mrityu zu dem heiligen Urvater : Ich mag die Geschopfe nicht wegraffen, ich bitte dich noch- mals um Gnade.

27. (9213.) Zu ihr, welche sich fiirchtete, Unrecht zu tun, und ihn nochmals anflehte, sprach wiederum der Gott der Gotter, ihr Einhalt gebietend, dieses Wort:

28. (9214.) Du begehst damit kein Unrecht, o Mrityu, bringe diese Kreaturen in deine Gewalt, o Schone, denn was ich einmal gesagt habe, o Holde, das darf nimmermehr un- wahr werden.

29. (9215.) Als ewige Verpflichtung wird es dir hier auf- erlegt ; ich und die Gotter werden uns immer an deinem Wohl- sein erfreuen.

30. (9216.) Ich erfiille diesen und jeden andern Wunsch, den du im Herzen hegst; die Geschopfe sollen nicht durch deine Schuld, sondern von Krankheit befallen zu dir kommen.

31. (9217.) Fiir die Manner sollst du ihrer Natur ent- sprechend ein Mann sein, bei Frauen sollst du die Gestalt einer Frau annehmen und bei den iibrigen wirst du sach- lichen Geschlechts sein.

32. (9218.) Nachdem sie so angeredet war, o grofser Konig, da sprach sie mit zusammengelegten Handen abermals zu dem hochherzigen, ewigen Herrn der Gotter: Es kann nicht sein.

33. (9219.) Da sprach der Gott zu ihr: 0 Mrityu, raffe die Menschen weg. Es soil dir nicht als Unrecht angerechnet werden, so werde ich es auffassen, o Schone.

34. (9220.) Die Tranentropfen, die ich dir ehedem her- vorbrechen sah und die du mit deinen Handen zuriick- hieltest, die sollen als furchtbare Krankheiten den Men- schen, wenn ihr Ende herannaht, ein Ende bereiten.

35. (9221.) Bei alien lebenden Wesen, wenn es mit ihnen zu Ende geht, sollst du Begierde und Zorn im Verein gegen sie entfesseln. So wirst du unermefslicher Gerechtigkeit teilhaftig sein und bei solchem Verfahren kein Unrecht veriiben.

412 in. Mokshadharma.

36. (9222.) In dieser Weise wirst du die Gerechtigkeit wahren und wirst dich nicht in Ungerechtigkeit stiirzen. Darum heifse die Begierde willkommen, wenn sie sich dir naht, verbinde dich mit ihr und raffe die Ge- schopfe weg.

37. (9223.) Da sprach die Mrityu Genannte, welche sich vor dem Befehl wegen des darauf lastenden Fluches ge- fiirchtet hatte, zu ihm : Nun wohl, es sei ! Daher kommt es, dafs sie das Leben der Lebendigen, nachdem sie die- selben mittels Begierde und Zorn verblendet hat, ver- nichtet.

38. (9224.) Tranenstrome der Mrityu sind sie, diese Krankheiten, durch welche der Leib der Sterblichen ge- brochen wird; darum sollst du beim Lebensende aller Lebenden keinem Kummer Raum geben, mit Uberlegung es iiberlegend.

39. (9225.) AUe Seelen der lebenden Wesen gehen weg am Ende des Lebens, kehren wieder und verschwinden aufs neue [Nil. denkt an Schlaf und Wachen, wohl mit Unrecht]; so miissen auch alle Menschen so gut wie die Gotter [als Schutzgottheiten der Organe] am Ende des Lebens weggehen und wiederkehren , o Lowe unter den Konigen.

40. (9226.) Furchtbar mit furchtbarem Sausen und ge- waltiger Kraft fahrt Vkju [der Windgott] dahin, und er, als der Lebenshauch in alien lebenden Wesen, fiihrt sie bei der Trennung der Seelen von ihrem Leibe auf verschiedenen Wegen, darum gilt Vayu als Gott iiber den Gottern [den Schutzgottheiten der Organe].

4L (9227.) Alle Gotter tragen das Merkmal der Sterb- lichkeit an sich, alle Sterblichen tragen das Merkmal der Gottlichkeit an sich, darum, o Lowe unter den Konigen, beklage deinen Sohn nicht, dein Sohn ist zum Himmel gelangt und freut sich dort.

42. (9228.) So ist es denn wahr, dafs die Mrityu, von den Gottern geschaffen, wenn die Zeit der Lebenden ge- kommen ist, sie dahinrafft, wie es sich gebiihrt; die

Adhyaya 259 (B. 258). 413

Krankheiten, jene von ihr vergossenen Tranen, raffeu die Wesen hienieden dahin, vrenn ihre Zeit gekommen ist.

So lautet im Mokshadbarma die Unterredung z-wiscben Mrityu und Fraj&pati (itrityu -Prajdpati- samvdda).

Adhyaya '^60 (B. *^59).

Vers 9229-9256 (B. 1-27).

Yudhishthira sprach :

1. (9229.) Alle die Menschen sind in betreff der Pflicht in Ungewifsheit ; was ist die Pflicht, woher stammt die Pflicht ? Das, o Grofsvater, sage mir.

2. (9'230.) Ist die Pflicht nur fiir das Diesseits Zweck oder auch fiir das Jenseits, oder ist sie Zweck fiir beide? Das, o Grofsvater, sage mir.

Bhishma sprach:

3. (9231.) Gute Sitte, RechtsiiberHeferung und Vedaglaube ist das dreifache Kennzeichen der Pflicht; als viertes Kenn- zeichen der Pflicht gilt bei den Weisen der gewollte Zweck.

4. (9232.) Auch haben sie die von ihnen verkiindigten Pflichten eingeteilt in hohere und niedere. Damit die Welt hienieden ihren richtigen Gang gehe, ist die Auferlegung der Pflicht erfolgt.

5. (9233.) Aber das Resultat der Pflicht ist beide Male Gliick, sowohl hienieden als auch im Jenseits, wahrend der- jenige, welcher die genaue und richtige Pflicht sich nicht zu eigen macht, als Ubeltater mit Ubel behaftet sein wird.

6. (9234.) Und auch wenn sie ins Ungliick geraten, werden die Ubeltater dadurch nicht von ihrem Ubel frei. Wer aber nichts Ubles redet, der steht dem gleich, welcher die Pflicht erfiillt. (9235.) Der tragende Grund der Pflicht ist ein guter Wandel, dessen dich befleifsigend wirst du erkennen, was Pflicht ist.

7. Von Ungerechtigkeit erfiillt, bemachtigt sich der Rauber des Gutes ; (9236.) und indem der Dieb fremdes Gut raubt, freut er sich einer bestehenden Anarchic.

414 in. Mokshadliarma.

8. Wenn aber andere ihn berauben wollen, dann ver- langt er nach einem Konige (!»237.) und beneidet diejenigen, welche sich ruhig ihres Besitzes erfreuen.

9. Wer hingegen rein ist, der naht sich [jederzeit] ohne Furcht und Bedenken der Pforte des Konigs, (9238.) denn er ist sich in seinem Herzen keiner Ubeltat bewufst.

10. Die Rede der Wahrheit ist gut, es gibt nichts Hoheres als die Wahrheit. (9239.) Durch die Wahrheit wird alles aus- einandergehalten, auf die Wahrheit ist alles gegriindet.

11. Auch schreckhche Bosewichter halten unter beson- deren Umstanden zur Wahrheit (9240.) und, auf sie sich stiitzend, bewahren sie [unter sich] Treue und Eintracht.

12. Wiirden sie in ihre Vereinigung Zwiespalt tragen, so miifsten sie ohne Zweifel zugrunde gehen. (9241.) Aber es ist ein ewiges Gesetz, dafs man fremdes Gut nicht rauben darf.

13. Die Starken freilich halten es fiir ein Gesetz, welches von den Schwachen aufgestellt sei. (9242.) Wenn aber auch sie durch das Verhangnis in Schwache geraten, dann leuchtet auch ihnen das Gesetz ein.

14. Denn sie bleiben nicht ewig stark und gliicklich, (9243.) darum sollst du deinen Sinn niemals auf Ungeradheit richten.

15. Ein solcher braucht sich nicht vor dem Bosen zu fiirchten, nicht vor Dieben und nicht vor dem Konig; (9244.) keinem irgend etwas tuend, wird er ohne Furcht und rein leben.

16. Der Dieb fiirchtet sich nach alien Seiten hin, wie eine Gazelle, die in ein Dorf geraten ist, (9245.) das vielfach von ihm veriibte Bose erwartet er auch von den anderen.

17. Der Reine hingegen geht frohlich dahin, allezeit ohne Furcht irgendwoher, (9246.) denn er hat nichts Boses getan, dessen er sich auch bei anderen zu versehen hatte.

18. Man soil freigebig sein, diese Forderung ist auf- gestellt worden von solchen, die sich am Wohlsein der Ge- schopfe freuten, (0247.) aber die Reichen glauben, dafs dieses Gesetz von den Bediirftigen aufgebracht worden sei.

Adhyaya 260 (B. 259). 415

19. Wenn aber audi sie durch das Verhangnis in Diirftig- keit geraten, dann leuchtet auch ihnen das Gesetz ein, (9248.) denn sie bleiben nicht ewig reich und gliicklich.

20. Was ein Mensch sich nicht von anderen angetan wiinscht, (9249.) das fiige er auch nicht anderen zu, da er an sich selbst ferfaliren hat, was unangenehm ist.

21. Wer mit eines andern Weib buhlt, wie kann der irgend jemandem Vorwiirfe machen, (9250.) aber ich denke, was er dem andern an tut, das wiirde er sich nicht von ihm gefallen lassen,

22. ^Ver selbst das Leben liebt, wie mag der einen an- dern ermorden ! (9251.) Was er fiir sich selbst wiinscht, dafiir sorge er auch bei den anderen.

23. An der iibermafsigen Fiille soil man andere, die nichts besitzen, teilnehmen lassen; (9252.) wer aus diesen Griinden sein Geld anlegt, dem kommt es mit Wucher heim.

24. Zu der Zeit, wo er des Beistandes der Gotter noch bedarf, moge er sich so verhalten, (9253.) aber auch zur Zeit, wo er erlangt hat, was er wiinscht, steht es ihm wohl an, in der Pflicht zu verharren.

25. Alle Pflicht wird erfiillt durch Wohltun, so lehren die Weisen, (9254.) beach te, 0 Yudhishthira , dieses als den Nachweis des Merkmals fiir Gutes und Boses.

26. Das Bestehen der Welt zu befordern, ist vordem vom Schopfer verordnet worden (9255.) der vollkommene, durch feine Gesetze und Zwecke geregelte Wandel der Guten.

27. Dieses ist dir als Kennzeichen der Pflicht erklart worden, o Bester der Kuru's, (9256.) darum sollst du deinen Sinn niemals auf Uno-eradheit richten.

So laiitet im Mokshadharma das Kennzeichen der I'flicht

(dharrna - lakshanam).

416 HI. Mokshadharma.

Adhyaya 261 (B. 260).

Vers 9257-9276 (B. 1-20).

Yudhishthira si)rach :

1. (9257.) Subtil und von guten Menschen erwiesen ist die im heiligen Schriftwort gelehrte Pflicht. Es fallt mir aber dabei etwas ein, was auf Argumentation beruht, das mochte ich aussprechen.

2. (9258.) Die meisten Fragen, die ich auf dem Herzen hatte, die hast du mir gelost; ich mufs aber hier noch etwas wei teres vorbringen, nicht aus blofser Lust am Disputieren, o Konig.

3. (9259.) Diese [Elemente] erhalten unser Leben und schaffen es und lassen es entfliehen; was recht ist, das lafst sich nicht so summarisch ausmachen.

4. (9260.) Anders ist die Pflicht fiir den, dem es gut geht, und anders fiir den, dem es schlecht geht; wie kann man alle schhmmen Eventuahtaten so summarisch voraussehen.

5. (9261.) Der Wandel der Guten gilt als Gesetz, wer aber gut ist, dariiber entscheidet wieder der Wandel; wie kann man also wissen, was zu tun und zu lassen ist, da der Wandel der Guten kein sicheres Merkmal bietet?

6. (9262.) Aus dem, was recht ist, wird erkannt, dafs der schlechte Mensch Unrecht tut, und aus dem, was Unrecht ist, wild erkannt, dafs der edle Mensch recht tut.

7. (9263.) Ferner: die Autoritat des Gesetzes beruht auf dem, was die Kenner des Veda aus ihm vorbringen, aber die Worte des Veda schwinden im Verlaufe der Weltalter, wie die Schrift selbst uns lehrt.

8. (9264.) Anders sind die Satzungen im Weltalter Kritam und anders in dem der Treta und des Dvapara, und wieder anders sind die Satzungen im Weltalter Kali, indem sie nur nach der jeweiligen Leistungskraft erfiillt werden konnen.

9. (926B.) Das Wort der heiligen Uberlieferung ist die Wahrheit, das ist die allgemeine Ansicht; und aus der hei- ligen Uberlieferung hervorgehend, haben sich die Veden nach alien Seiten verbreitet.

Adhyaya 261 (B. 260). 417

10. (9266.) Waren sie nun die einzige Autoritat fiir alles, so ware eine unbedingte Autoritat auf der Welt vorhanden. Aber wenn diese Autoritat nun in Widerspruch steht mit dem, was nicht unbedingte Autoritat ist [z. B. der Smriti], wo bleibt dann ihr kanonisches Ansehen?

11. (9267.) Wenn irgendeine rituelle Pflicht ausgefiihrt wird und dabei machtige Ubelwollende irgend etwas an dem Schema modifizieren, so ist damit auch das Ganze nichtig geworden.

12. (9268.) Wir wissen eine Sache oder wir wissen sie nicht, es ist moglich sie zu wissen oder es ist nicht mog- lich, mag sie feiner als die Schneide eines Schermessers oder mag sie massiger als ein Gebirge sein.

13. (9269.) Aber sie [die Pflicht] hat zuerst das Aussehen einer Fata Morgana, und wenn sie von den Weisen naher gepriift wird, so verschwindet sie wieder ins Nichts.

14. (9270.) Wie Trinkgruben fiir die Kiihe oder ein auf das Feld geleitetes Bachlein [mit C. kuli/eva], o Bharata [schnell austrocknen] , so schwindet, wie die Uberlieferung lehrt, das ewige Gesetz hin und wird nicht mehr gesehen.

15. (9271.) Auch kommt es vor, dafs aus Begierde oder Verlangen nach Veranderung oder aus anderen Ursachen viele andere Menschen, obwohl sie nicht rechtschaffen sind, sich ihres lockern Lebenswandels [ungestraft] freuen.

16. (9272.) Oder ihnen gilt die Pflicht als ein billiges Ge- rede bei den Guten oder sie erklaren dieselben fiir verriickt oder lachen sie auch aus.

17. (9273.) Und auch hochsinnige Menschen wenden sich von der Pflicht ab und erkennen nur noch das Staatsgesetz an; es gibt eben keinen Lebenswandel, der fiir alle verbind- lich ware.

18. (9274.) Durch seinen Lebenswandel kommt der eine in die Hohe und bringt dadurch einen andern herunter, und dieser, je nachdem es sich trifft, zeigt sich wiederum ahnlich [als Unterdriicker anderer].

19. (9275.) Derselbe Wandel, durch den der eine in die Hohe kommt, bringt dadurch andere herunter; man sieht daran, dafs nicht alle Lebensfiihrungen auf dasselbe Ziel hinstreben.

Deubsen, Mah&bh&ratam. 27

418 ni. Moksliadharma.

20. (9276.) Vor Zeiten wurde ein von langher liberkommener Wandel fiir die Pflicht erklart, und nun ist sie durch jenen friihern Wandel zu einer ewigen Norm geworden.

So lautet im Mokshadharma der Angriff auf die Autoritat der Pflicht (dharma - prdmdnya - dkshepa).

Adhyaya 26'^ (B. 361).

Vers 9277-9328 (B. 1-51).

Bhishma sprach:

1. (9277.) Auch dariiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich die Unterredung des Tuladhara mit dem Jajali liber die Pflicht.

2. (9278.) Ein gewisser Brahmane mit Namen Jajali, der im Walde als Waldbewohner lebte, wandte sich zum Meere hin und iibte als grofser Asket daselbst Askese,

3. (9279.) indem er als ein weiser Einsiedler lange Keihen von Jahren hindurch sich kasteite, seine Nahrung einschrankte, Lumpengewand, Antilopenfell und Haarschopf trug und sich mit Schmutz und Schlamm bestrich.

4. (9280.) Einstmals geschah es, dafs dieser gewaltige Brahmanenweise, wahrend er [mit seinem Leibe] im Wasser weilte, o Fiirst, schnell wie der Gedanke [durch Yogakraft] die Welten schauend durcheilte.

5. (9281.) Da bedachte dieser Muni, wahrend er im Wasser weilte und auf die meerumgiirtete Erde mit ihren Waldern und Hainen hinblickte:

6. (9282.) Es gibt doch in dieser ganzen Welt des Be- weglichen und Unbeweglichen keinen, der mir gleichkame, der zugleich mit mir im Wasser weilend den Luftraum durch- messen konnte.

7. (9283.) Wahrend er im Wasser und von den Rakshas ungesehen so redete, sprachen die Pigaca's zu ihm: Es ge- ziemt dir nicht also zu reden.

8. (9284.) Selbst der hochberiihmte Tuladhara, seines Zeichens ein Kaufmann, der in Benares wohnt, selbst dieser darf nicht so sprechen wie du, o Bester der Zwiegeborenen.

Adhyaya 262 (B. 2B1). 419

9. (9285.) So von den Kobolden angeredet, erwiderte der askesereiche Jajali: Diesen weisen und beriihmten Tuladhara mochte ich sehen.

10. (9286.) Als der Rishi so gesprochen hatte, holten ihn die Rakshas aus dem Meere und sprachen: Diesen Weg schlage ein und gehe ihn, o Bester der Brahmanen.

11. (9287.) Nachdem Jajali von den Kobolden so angeredet worden war, ging er bestiirzten Geistes nach Benares zum Tuladhara, und ihm nahend, sprach er folgendermafsen.

Yudhishthira sprach:

12. (9288.) Was hatte doch der Jajali vorher fiir ein schwieriges Werk voUbracht, o Freund, wodurch er jene hochste VoUkommenheit erlangte, das mogest du mir er- klaren.

Bhishma sprach:

13. (9289.) Er hatte sich gar sehr mit furchtbarer Askese beschaftigt. Abends und morgens hatte der gewaltige Asket seine Freude am Baden und Mundausspiilen.

14. (9290.) Er pflegte piinktlich seine Feuer und schatzte als Zwiegeborener das Studium iiber alles, und indem er so die Regel der Waldeinsiedler beobachtete, strahlte er von Schonheit.

15. (9291.) Im Walde beharrte er bei der Askese und achtete keine Satzung gering; in der Regenzeit lag er im Freien, im Winter steckte er im Wasser.

16. (9292.) Im Sommer ertrug er Wind und Sonnenglut und fand immer noch nicht die wahre Pflichterfiillung. Er ertrug manche beschwerlichen Lagerungen und walzte sich auf der Erde.

17. (9293.) Manchmal geschah es, dafs dieser Muni, wah- rend der Regenzeit im Freien verweilend, fort und fort aus der Luft das Wasser mit seinem Kopfe auffmg.

18. (9294.) Dabei wurden seine zusammengeflochtenen Haar- biischel nafs, o Herr, und von dem fortwahrenden Herum- streifen im Walde wurde er schmutzig, der so fleckenlosen Wesens war.

27*

420 III. Mokshadharma.

19. (9295.) Manchmal stand er, der Askesereiche , ohne Nahrung nur vom Winde zehrend, da wie ein Stiick Holz^ ohne sich umzusehen und ohne sich irgendwie zu bewegen.

20. (9296.) Wie er nun so einem Baustamm gleich un- bewegHch dastand, o Bharata, bauten zwei Kuhngavogel auf seinem Haupte ihr Nest.

21. (9297.) Der Brahmanweise duldete es aus Mitleid, dafs das Eheparchen sein Nestchen aus Grashalmen und Faden in seinem Haarschopf machte.

22. (9298.) Da der grofse Asket sich wie ein Baustamm nicht riihrte, so fafsten die beiden Vogel gern Vertrauen und wohnten begltickt auf ihm.

23. (9299.) Als nun die Regenzeit voriiber war und der Herbst sich einstellte, geschah es, dafs nach den Satzungen des Schopfers, von Liebe verfiihrt, vertrauensvoll

24. (9300.) das Vogelparchen Eier auf seinem Haupte legte, o Konig. Sie bemerkte der machtige, sein Geliibde scharf beobachtende Brahma ne.

25. (9301.) Und obwohl es der gewaltige Jajah bemerkte, riihrte er sich doch nicht, denn er richtete seinen Geist be- standig auf die Pflicht und fand kein Wohlgefallen an dem, was der Pflicht zuwider war.

26. (9302.) Tag fiir Tag flogen die beiden Voglein auf seinen Kopf zuriick und wohnten daselbst vertrauensvoll und frohhch, o Herr.

27. (9303.) Weiter aber wurden aus den bebriiteten Eiern kleine Vogelchen geboren und wuchsen daselbst heran, Jajah aber riihrte sich nicht.

28. (9304.) Und der Geliibdetreue beschiitzte die Eier der Kulihgavogel und stand dabei ebenso weiter unbeweghch, der Pflichttreue, und in Meditation vertieft.

29. (9305.) Darauf, im Verlaufe der Zeit, wurden die Jungen fliigge, und der Muni merkte, dafs die Kuhiigavoglein ihre Federn bekommen batten.

30. (9306.) Und als der Geliibdefeste einstmals diese Vogel ansah, da wurde er, der Weiseste der Weisen, von grofser Freude erfiillt.

Adhyaya 262 (B. 261). 421

31. (9307.) Wahrend er sie so heranwachsen und die Freude der Gedeihenden sah, w ohnten die beiden Vogel mitsamt ihren Jungen furchtlos auf ihm.

32. (9308.) Er beobachtete die Vogel, wie sie, fliigge ge- worden, ausflogen und allabendlich wieder zuriickkehrten, und er riihrte sich nicht, der weise Jajali.

33. (9309.) Und auch nachdem sie von Vater und Mutter verlassen worden waren, flogen sie manchmal herzu und flogen immer wieder weg, Jajali aber riihrte sich nicht.

34. (9310.) In dieser Weise gingen die Vogel am Tage weg und kehrten am Abend, o Fiirst, zuriick, um auf ihm zu iiber- nachten.

35. (9311.) Manchmal flogen die Vogel fiir fiinfTage weg und kamen erst am sechsten Tage wieder, Jajali aber riihrte sich nicht.

36. (9312.) Nach und nach aber pflegten die Vogel alle, nachdem ihre Lebenskraft erstarkt war, viele Tage lang nicht heimzukehren.

37. (9313.) Einstmals aber flogen die Vogel davon und kehrten einen ganzen Monat nicht zuriick, da machte sich auch Jajali auf den Weg, o Konig.

38. (9314.) Als sie nun davongeflogen waren, da iiber- kam den JajaH Bewunderung, und er bildete sich ein, die Vollendung erreicht zu haben, da beschlich ihn der Hochmut.

39. (9315.) Als nun der Geliibdestrenge erkannte, dafs die Vogel ihn verlassen hatten, bewunderte er sich selbst, und in- dem er sich bewunderte, wurde er von grofser Freude erfiillt.

40. (9316.) Nachdem er sich im Flusse gebadet und ge- spiilt und das Feuer genahrt hatte, zollte der Askesereiche der aufgehenden Sonne seine Verehrung.

41. (9317.) Als der Beste der Murmler so auf seinem Kopfe die Spatzen gepflegt hatte, da brach er laut in den Ruf aus : Wahrlich, die Pflicht ist von mir erfiillt!

42. (9318.) Da kam aus dem Luftraum eine Stimme und Jajali horte sie sagen: 0 Jajali, du bist an Pflichterfiillung doch noch nicht dem Tuladhara gleichgekommen.

43. (9319.) In Benares wohnt der hochweise Tuladhara,

422 in. Mokshadliarma.

und selbst der darf nicht so sprechen, wie du, o Brahmane, redest.

44. (9320.) Da wurde er von Unmut iibermannt, und be- gierig, den Tuladhara kennen zu lernen, wanderte er, der Muni, in die Welt hinaus, indem er sein Haus da hatte, wo ihn der Abend liberkam.

45. (9321.) Lange Zeit wanderte er bis zur Stadt Benares; da sah er den Tuladhara, wie er seine Waren feilhielt.

46. (9322.) Als der vom Verkauf seiner Waren Lebende den Brahmanen herankommen sah, erhob er sich voll Freude und ehrte ihn durch den Willkommensgrufs.

TulMhara sprach:

47. (9323.) 0 Brahmane, schon wie du herbeikamst, habe ich dich unzweifelhaft erkannt, aber vernimm, o Bester der Zwiegeborenen, das Wort, welches ich dir zu sagen habe.

48. (9324.) Du bist zum Gestade des Ozeans gegangen und hast gewaltige Askese geiibt, und doch weifst du noch lange nicht, was Pflicht heifst.

49. (9325.) Weiter wurden, als du in der Askese dich ver- vollkommnet hattest, o Brahmane, alsbald Vogel auf deinem Kopfe geboren und von dir grofsgezogen.

50. (9326.) Und als diese fliigge geworden und sich iiberall hin auf Wanderung begeben hatten, da wahntest du, o Brah- mane, dafs die Pflichterfiillung im Grofsziehen von Spatzen bestiinde.

51. (9327.) Da hortest du in der Luft eine Rede, die auf mich hinwies, o Bester der Zwiegeborenen, und von Unmut iibermannt, bist du sodann hierher gekommen. (9328.) Was kann ich dir zuliebe tun? Das sage mir, o Bester der Zwie- geborenen.

So lautet im Mokshadharma die Uuterredung zwischeu Tuladb&ra und J&jali ( 2'ulddhdra - Jdjali - samvdda) .

Adhyaya 263 (B. 262). 423

AdhyAya 263 (B. 262),

Vers 9339*- 9395 (B. 1-55).

Bhishma sprach:

1. (9339.) In dieser Weise von dem verstandigen Tuladhara angeredet, sprach der verstandige Jajali, der Beste der Murmler, das folgende Wort.

Jajali sprach:

2. (9340.) Obwohl als Kaufmannssohn von einem [ab- stammend], der allerlei Essenzen und Wohlgeriiche , Baum- holz und Krauter nebst ihren Wurzeln und Friichten verkauft,

3. (9341.) bist du zu einer festen Erkenntnis gelangt. Woher ist dir das gekommen? Das alles berichte mir voU- standig, o Hochsinniger.

Bhishma sprach:

4. (9342.) So angeredet von dem beriihmten Brahmanen, erklarte Tuladhara, der, obgleich ein Vai<?ya, Zweck und Wesen der Pflicht erkannt hatte, die Feinheiten der Pflichterfullung (9343. fehit in B.) dem schwere Askese iibenden Jajah, er, o Kbnig, der sich an der Erkenntnis gesattigt hatte.

Tuladhara sprach:

5. (9344.) Ich kenne, o Jajali, die ewige, geheimnisvoUe Pflicht, die alien Wesen heilsame und wohlwollende, welche als eine uralte unter den Menschen gilt.

6. (9345.) Das Verhalten, welches ohne Falsch oder mog- lichst ohne Falsch gegen die Wesen ist, das ist die hochste Pflicht, und ihr lebe ich nach, o Jajali.

7. (9346.) Aus abgeschnittenem Holz und Stroh habe ich mir diese Hiitte gebaut. Roten Lack, Padmakaholz, Tunga- holz, feine und geringere Wohlgeriiche

8. (9347.) und vielerlei Essenz mit Ausschlufs berauschen- der Getranke kaufe ich aus anderer Hand und verkaufe sie wieder mit Ehrlichkeit.

Die Zahlung der Verse springt von 9328 auf 9339 iiber.

424 III. Mokshadharma.

9. (9348.) Wer stets ein Freund aller Menschen ist und wer das Wohlsein aller Menschen in Werken, Gedanken und Worten fordert, der kennt die Pflicht, o Jajali.

10. (9349.) Ich begiinstige nicht und iibervorteile nicht, ich basse nicht und liebe nicht und bin unparteiisch alien Wesen gegeniiber, da siehst du, o Jajali, meinen Wahlspruch. (9350.) Meine Wage wagt fiir alle Wesen gleichmafsig, 6 Jajali.

11. Was andere tun, lobe ich nicht und tadle ich nicht (9351.) und blicke auf das bunte Treiben der Welt, o Fiirst der Brahmanen, wie [auf die Wolkenspiele] im Himmels- raume.

12. Als einen solchen wisse mich, o Jajali, als gegen alle Welt (9352.) unparteiisch, 0 Bester der Weisen, als gleich- miitig blickend auf Erdklumpen, Steine und Gold.

13. Wie Blinde, Taube und Verriickte den Tod immer- fort herbeisehnen , (9353.) weil die Pforten [der Sinne] ihnen von den Gottern verschlossen sind, ahnlich ergeht es mir, obgleich ich sehend bin.

14. Wie Alte, Kranke und Schwachliche in bezug auf die Sinnendinge ohne Begierde sind, (9354.) so ist auch mir das Verlangen nach Nutzen, Lust und Genufs vergangen.

15. Wenn einer sich nicht mehr fiirchtet und wenn man sich vor ihm nicht mehr fiirchtet, (9355.) wenn er nicht mehr wiinscht und nicht mehr hafst, dann erlangt er das Brahman.

16. Wenn einer keine bose Gesinnung mehr gegen all6 Wesen betatigt (9356.) in Werken, Gedanken und Worten, dann erlangt er das Brahman.

17. Es gab, wird geben und gibt keine andere Pflicht als diese. (9357.) Wer in bezug auf alle Wesen keine Furcht hegt Oder einflofst, der erlangt die Statte, wo es keine Furcht mehr gibt.

18. Vor wem aber alle Welt wie vor dem Rachen des Todes zittert, (9358.) wer in seinen Reden hart, in seinen Strafen grausam ist, der erlangt die Statte der grofsen Furcht.

19. Den Alten, mitsamt Sohnen und Enkeln, recht- schaffen Wandelnden (9359.) folgen wir in ihrer Lebensfiihrung, den Hochherzigen, welche kein Wesen krankten.

Adhyaya 263 (B. 262). 425

20. Die ewige Verpflichtung [des Wohlwollens] ist ver- loren gegangen und durch den guten [asketischen] Wandel verdunkelt worden ; (9360.) durch diesen wurden Vedakundige, Asketen und Gewaltige verwirrt.

21. Allerdings mag durch den guten Wandel ein ver- standiger Mensch leicht zur Pflichterfullung gefuhrt werden, (9361.) aber nachdem er durch die Guten [und ihr Vorbild] zur Selbstbezahmung gelangt ist, mufs er truglosen Geistes wandel n.

22. Wie in der Welt ein Stiick Holz im Flusse zufallig fortgeschwemmt wird (9362.) und zufallig init irgendeinem andern Holze sich zusammenfindet,

23. und wie sich dann an diese wechselseitig andere Baumstamme festklammern (9363.) mit Stroh und Holz und allerlei Abfall, blindlings und beliebig, [so ist es mit der Tradition des guten Wandels bestellt].

24. Vor wem niemals und in keiner Weise irgendein Wesen zittert, (9364.) der erlangt fiir alle Zeit, o Muni, Furcht- losigkeit vor alien Wesen.

25. Vor wem sich aber alle Welt fiirchtet wie vor einem Wolfe (9365.) Oder wie vor einem Gebriill alle Wassertiere, wenn sie dem Ufer nahen, [der erlangt auch fiir sich keine Furchtlosigkeit] .

26. Somit ist nur jene Lebensfiihrung [der Schonung aller Wesen], mag sie herriihren, woven sie will, (9366.) die- jenige, welche Freunde erwirbt, Reichtum erwirbt, gliick- bringend und die hochste ist.

27. Darum werden sie [die dieser Lebensfiihrung huldi- gen] in den Lehrbiichern gepriesen von den Weisen, (9367.) um des Ruhmes willen von ihnen, welche wenig vom Zweifel ge- qualt werden, scharfsinnig und vollkommen klar denkend sind.

28. Durch alle Askese, Opfer und Gaben und weisheits- volle Reden (9368.) erreicht man hienieden nicht mehr, als was man als Frucht der Furchtlosigkeitsgewahrung erlangt.

29. Wer in der Welt alien Wesen die Opfergabe der Furchtlosigkeit spendet, (9369.) der ist so gut, als wenn er alle Opfer darbrachte, und der erlangt als Opfergabe die Furcht- losigkeit.

426 ni. Mokshadharma,

30. Es gibt keine edlere Pflicht als die Schonung fdhihsd) der Wesen. (9370.) Vor wem niemals und in keiner Weise irgendein Wesen zittert, der eriangt Furchtlosigkeit vor alien Wesen, o grofser Muni.

31. (!)37i.) Vor wem alle Welt zittert wie vor einer ins Haus geschliipften Schlange, der eriangt nicht die Pflicht- erfiillung, weder hienieden noch im Jenseits.

32. (9372.) Wer als einer, dem alle Wesen zum eigenen Selbste geworden sind, auf alle Wesen hinblickt, an dessen Weg werden auch die Gotter irre, verfolgend des Spur- losen Spur.

33. (9373.) Die Gabe der Furchtlosigkeit der Wesen er~ klaren sie unter alien Gaben als die hochste, das sage ich dir als die Wahrheit, glaube es mir, o Jajali.

34. (9374.) Einundderselbe, der zum Gliick gelangt ist, kann auch wieder ungliicklich werden, und wenn die Leute den Verfall seiner Verhaltnisse sehen, dann wenden sie sich jedesmal von ihm ab,

35. ^9375.) Allerdings ist die Pflicht nicht ohne Grund, aber sie ist schwer zu verstehen, o Jajali; um des Gewordenen und Kiinftigen [Irdischen und Himmlischen] willen erfolgte hienieden die Verkiindigung der Pflicht.

36. (9376.) Wegen ihrer Schwerverstandlichkeit kann die vielfach widerspruchsvolle Pflicht nicht erkannt werden, und nur, indem man zwischendurch [wahrend ihres Studiums] andere Lebensfiihrungen ins Auge fafst, wird sie [durch den Gegensatz] erkannt.

37. (9377.) Die, welche [jungen Stieren] die Hoden aus- schneiden und die Nasenwande durchbohren [um sie zu lenken], mit ihnen grofse Lasten fahren, sie ihnen aufbinden und sie zahmen

38. (9378.) und lebende Wesen toten und verspeisen, wie solltest du die nicht tadeln? Ja sogar den Menschen macht der Mensch zum Sklaven und nutzt ihn aus

39. (9379.) und zwingt ihn durch Schlage, Fesseln und Ge- fangenschal't. Tag und Nacht zu arbeiten! Und durch sich selbst weifs er doch, wie schmerzlich Schlage und Fesseln sind.

40. (9380.) In den mit fiinf Sinnesorganen ausgestatteten

Adhyaya 263 (B. 262). 427

Wesen wohnt jede Gottheit: die Sonne [im Auge], der Mond [im Manas], der Wind [im Tastsinn], Brahman, Prana, Kratu und Yama [in anderen Organen].

41. (9381.) Wenn man diese noch bei Lebzeiten verkauft, wie sollte man Umstande mit ihnen machen, wenn sie tot sind ! Der Ziegenbock ist Agni, der Widder ist Varuna, das Pferd ist Siirya, die Erde als Viraj

42. (!)38'2.) ist die Kuh und ihr Kalb ist der Soma; wer so etwas verkauft, kann nicht gliicklich werden. Aber welches [Bedenken] konnte bestehen beim Verkauf von Sesamol und zerlassener Butter, o Brahmane, von Honig und Krauter- saften?

43. (9383.) Da wachsen die Tiere frohhch auf in einer Gegend, wo es keine Bremsen und Fhegen gibt, und ob- gleich der Mensch weifs, wie Heb sie ihren Miittern sind, kommt er oft

44. (9384.) und fiihrt sie fort in Gegenden voll Bremsen und Schmutz, und andere wieder schmachten als Jochtiere, gegen die gotthche Ordnung durch Ziehen gequalt.

45. (9385.) Ich sollte denken, sogar die Embryototung ist nicht schlimmer als so etwas. Das Pfliigen des Ackers halt man fiir etwas Gutes, und doch ist auch das ein grausames Geschaft.

46. (9386.) Denn das Pflugholz mit eiserner Spitze verletzt die Erde und was in ihr lebt. Und dann denke auch an die angespannten Ochsen, o Jajali!

47. (9387.) Aghnyd (die Nicht-zu-Totende) wird ja die Kuh genannt, wer darf sie also toten ? Ja, eine grofse Unbill ver- iibt, wer einen Stier oder eine Kuh opfert.

48. (9388.) Das war es ja auch, was die Weisen und Biifser dem Nahusha vorhielten: Du hast eine Kuh und so- gar eine Mutterkuh getotet und einen Stier, eine Verkorperung des Prajapati.

49. (9389.) Eine Untat hast du veriibt, o Nahusha, wir werden durch dich zu leiden haben. Hundert und eine Krank- heit haben sie iiber die Wesen gebracht.

50. (9390.) Diese unter den Untertanen hochbedeutenden Rishi's, o Jajali, nannten den Nahusha einen Embryo-

428 ni. Mokshadharma.

toter und erklarten, dafs sie seinen Opfertrank nicht opfern konnten.

51. (9391.) So sprachen sich alle jene hochherzigen , das Wesen der Dinge erkennenden, durch Askese beruhigten AVeisen und Biifser aus und hielten es ihm vor,

52. (9392.) Diese unseligen, greulichen Brauche, wie sie auf dieser Welt geiibt werden, o Jajali, verurteilst du nur darum nicht, weil sie als guter Wandel iiberliefert sind.

53. (9393.) Yom Grunde aus soil man die Pflicht erforschen und nicht dem iiberlieferten Wandel der Leute folgen. Und auch das merke dir, o Jajali: Mag einer mich schlagen oder mag er mich loben,

54. (9394.) beides gilt mir gleich, es gibt fiir mich nichts Liebes und Unliebes. Das ist die Pflichterfiillung , welche die Weisen riihmen.

55. (9395.) Denn sie beruht auf gutem Grunde und wird von den Selbstbezwingern hochgehalten, welche immerfort in der Pflichterfiillurig sich iibten, und von dem Verstandigen wird sie beobachtet.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Tulidhiira und J4jali ( Tulddhdra - Jajali - samvdda).

Adhyaya 264 (B. 263).

Vers 9396-9441 (B. 1-42).

Jajali sprach:

1. (9396.) Diese Pflichterfiillung, wie du sie mit der Kramer- wage in der Hand empfiehlst, wiirde den Eingang zum Himmel und auch das Leben der Geschopfe unmoglich machen.

2. (9397.) Durch das Pfliigen des Ackers wird Nahrung erzeugt, und von der lebst auch du; von Viehzucht und Krau- tern leben die Menschen, o Kramersohn.

3. (9398.) Und da durch das Genannte erst das Opfer mog- lich wird, so redest du sogar der Unglaubigkeit das Wort, und auch diese Welt konnte nicht bestehen, wenn sie auf den Erwerb ganz und gar verzichtete.

Adhyaya 264 (B. 263). 429

Tuladhara spr.ich :

4. (9399.) Ich will dir sagen, wie die Geschopfe leben konnen, und von Ungliiubigkeit kann bei mir keine Rede sein, o Brahmane. Ich tadle das Opfer auch gar nicht, aber einer, der sich auf das Opfer versteht, ist schwer zu finden.

5. (9400.) Ich verehre, o Brahmane, das Opfer und die,, welche sich auf das Opfer verstehen, aber die Brahmanen haben das ihnen geziemende Opfer aufgegeben und haben sich dem Kshatriya- Opfer ergeben,

6. (9401.) einem Opfer, o Brahmane, welches von Hab- gierigen und nur auf den Gewinn sehenden Unglaubigen auf- gebracht wurde, welches aus Unkenntnis der Vedaworte nur scheinbar wahr, in Wirklichkeit unwahr ist.

7. (9402.) Dies mufs man geben und das mufs man geben, so heifst es, und ein solches Opfer wird gelobt; darum artet es zur Dieberei und zur Unart aus, o Jajali.

8. (9403.) Die Gotter haben ihre Freude nur an einem Opfer, welches in rechter Weise dargebracht wird, namlich mit Verehrung als Opferspeise und mit Vedastudium als Krautersaften. (9404.) Denn man soil die Gotter so verehren,, wie es der Schriftkanon vorschreibt.

9. Durch Opfer und fromme Werke schlechter Menschen wird nur eine untiichtige Nachkommenschaft erzielt, (9405.) von Habgierigen wird nur ein Habgieriger erzeugt, von Billig- denkenden nur ein Billigdenkender.

10. Wie die Opferherren und die Priester selbst sind [doch wohl dtmdnah zu lesen], so sind auch ihre Nachkommen ; (9406.) aus dem Opfer entspringt die Nachkommenschaft, wie reines Wasser aus der Wolke.

11. Der in das Feuer gegossene Opfertrank, o Brahmane,. geht hinauf zur Sonne, (9407.) aus der Sonne stammt der Regen, aus dem Regen die Nahrung, aus ihr die Nach- kommenschaft.

12. Darum haben die festgegriindeten Altvorderen alle ihre Wiinsche erlangt, (9408.) ungepfliigt liefs die Erde ihre Friichte reifen, durch die blofsen Gebete gediehen die Pflanzen,.

13. aber damals fafsten sie weder fiir das Opfer noch fiir sich selbst einen Lohn ins Auge. (9409.) Diejenigen hin-

430 ni. Mokshadharma.

gegen, welche ihr Opfer mit Besorgnis um die Frucht dar- bringen,

14. werden als schlechte Menschen, als Bosewichter, Hab- gierige, nach Reichtum Trachtende geboren. (94io.) Der geht wegen seines schlechten Werks in die Welten der Ubel- tater ein,

15. welcher aus Mangel an einer Richtschnur sich eine schlechte Richtschnur schafft; (9411.) und er ist allezeit hie- nieden von schlechtem Charakter und mangelhafter Erkennt- nis, 0 Bester der Brahmanen.

16. Wenn von Gebotenem die Rede ist, so ist sich der Brahmane ohne Scheu bewufst, dafs es nur Gebotenes ist; (9412.) als Brahmane verharrt er in der Welt und wendet sich nicht wieder der Befolgung von Gebotenem zu.

17. Freilich haben wir [im Veda] vernommen, dafs ein untugendhaftes Werk hoher stehe, (9413.) namlich eine Totung aller moglichen Wesen und die Erzwingung einer Frucht der "Werke.

18. Das Opfer der Wahrheit, das Opfer der Selbst- bezahmung, das ist das Opfer, welches alle der Habgierigen und der Habe satten, (94i4.) auf das Gewordene verzichtenden, selbstlosen Menschen darbringen.

19. Das Wesen von Leib und Seele fhshetrajnaj er- kennend und bei dem ihnen geziemenden Opfer verharrend, (9415.) studieren sie den iiber das Brahman belehrenden Veda und erfreuen dadurch auch die anderen.

20. Alle Gottheit ohne Ausnahme ist Brahman und ruht in Brahman, (9416.) und wenn einer, 0 Jajali, [im Pranagni- hotram, vgl. Chand. Up. 5,19 fg.] sich sattigt, mag er dabei satt werden oder nicht, so haben die Gotter an ihm ihre Freud e.

21. Wie einer, der an allem Wohlgeschmack satt ge- worden ist, nach nichts mehr verlangt, (9417.) so wird dem, welcher sich an der Erkenntnis gesattigt hat, eine begliickende, ewige Sattigung zuteil [vgl. Ev. Job. 4,14].

22. Solche sind Trager der Pflicht, freuen sich der Pflicht und sind iiber alles zur Entschiedenheit gelangt. (9418.) Uns ist in Wahrheit das Grofsere eigen, so sprechend blickt der Weise auf die Welt.

Adhyaya 264 (B. 263). 431

23. Manche, das Wissen erkennend und das jenseitige Ufer erstrebend, (94i!».) das vollkommene Heiligkeit verleihende, heilige, von heiligen Geschlechtern bewohnte,

24. wohin gelangt, sie nicht mehr trauern, nicht mehr wanken und unerschiittert bleiben, (9420.) solche Sattvahaften €rlangen schon hienieden jene Statte des Brahman.

25. Sie verlangen nicht nach dem Himmel, sie bringen nicht Prunk und Reichtum zum Opfer dar, (9421.) sondern sie wandeln den Pfad der Guten und bringen als Opfer die Schonung aller Wesen.

26. Sie wissen Bescheid mit Baumen und Krautern, mit Friichten und Wurzeln (9422.) und lassen nicht gierig und nach Lohn verlangend durch diese Opferpriester opfern.

27. Indem sie die ihnen geziemende Sache betreiben, voUbringen sie wieder als rechte Zwiegeborene das Opfer, (9423.) in ihren Werken fest bestimmt durch den Wunsch, den Kreaturen Wohlwollen zu erweisen.

28. Darum sind es nur die Gierigen, welche durch die Opferpriester , diese hafshchen Menschen , opfern lassen ; (9424.) wer aber die ihm geziemende Pflicht beobach tet, der sichert sogar seinen Nachkommen [einen Platz] im Himmel. Das ist meine Meinung, 0 Jajali, die ich unabanderlich iiberall vertrete.

29. (9425.) Dasjenige, was hienieden in den Opfern dar- gebracht wird, [durch das] steigen allezeit die weisen Besten der Zwiegeborenen auf jenem Gotterpfade empor, o grofser Muni ,

30. (942G.) und der eine kehrt auf diesem wieder zuriick [was freilich nach den Upanishad's unmoglich ist], aber fiir den Weisen gibt es auf ihm keine Riickkehr.

31. (9427.) Fiir solche [Weise] schirren sich die Ochsen [anaduJiah als Nominativ] von selbst an und ziehen den Wagen, die Kiihe geben ihre Milch von selbst durch die Zauberkraft des im Manas gehegten Wunsches,

32. (9428.) und ebenso erlangen sie von selbst den Opfer- pfosten und opfern, indem der Opferlohn sich von selbst ein- stellt; wer in dieser Weise seinen Atman bereitet hat, der mag sogar eine [nur gedachte] Kuh opfern.

432 III. Mokshadharma.

33. (9429.) Darum mogen, o Brahmane, solche Menschen in dieser Weise nur Pflanzen opfern, nachdem sie vorher zur Entsagung gelangt sind. Einen solchen will ich dir ver- kiindigen :

34. (9430.) Wer ohne Wunsch und ohne Vorhaben, ohne Verehrung und Preisung ist, fortlebend, ohne dafs sein Werk fortlebt, den erkennen die Go tier als einen Brahmanen an.

35. (9431.) Wenn er, nicht den Veda lehrend, nicht opfernd und nicht einmal den Brahmanen spendend, die von ihm er- wiinschte Verhaltungsweise anstrebt, welchen Weg geht er dann, o Jajali? (9432.) Er wird, dieses Verhalten zur Gottheit einschlagend, das seinem Opfer Entsprechende erlangen.

Jajali sprach:

36. (9433.) Von den Weisen vernehmen wir nicht die Wahrheit, dicli frage ich nach ihr, o Kramersohn, eine schwierige Sache ist es. Die alten Rishi's haben sich nicht darum gekiimmert, und auch in der Folgezeit haben die Weisen diese Sache nicht festgestellt.

37. (9434.) Wenn bei einem aus freien Stiicken die Opfer- tiere sich zum Opferfeste einstellen, welches ist denn dabei sein Verdienst, wodurch er das Gliick erlangen soil ? (9435.) Das sage mir, o Weiser, ich schenke dir vollen Glauben.

Tuladhara sprach:

38. (9436.) Mag man es Opfer oder nicht Opfer nennen, jene Tiere verdienen es nicht, geopfert zu werden ; nur durch ihre Butter, Milch und saure Milch, namentlich wenn sie in vollem Gusse gespendet werden, (9437.) sowie durch Haare, Horn und Hufe bringt die Kuh [auch ohne geschlachtet zu werden] das Opfer zustande.

39. Und wenn er so verfahrt, so zieht er dadurch die Gattin [auch wenn keine solche vorhanden ist] heran und stellt sie an. (943S.) Indem er das wiinschenswerte Verhalten zur Gottheit einschlagt, wird er das seinem Opfer Entsprechende erlangen (vgl. Vers 9432).

40. Denn von dem Opferkuchen heifst es ja, dafs er vor

Adhyaya 264 (B. 263). 433

alien Tieren opferwiirdig sei. (943J>.) Alle Flusse sind [ebenso heilig wie] Sarasvati und alle Berge sind heilig,

41. und der Atman ist der geweihte Boden, o Jajali, andere Gegenden brauchst du nicht zu besuchen. ('J440.) Wer diese so beschaffenen Pflichten befolgt, o Jajali, und die Pflicht von Grund aus erforscht, der erlangt schone Welten.

Bhishnia sprach:

42. (9441.) Diese so beschaffenen Pflichten empfiehlt Tula- dhara an, sie, welche durch Griinde gestiitzt allezeit von den Outen befolgt werden.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Tul&dhdra und Jajali

(Tiilddlidra - Jajali - smtivdda).

Aclhyaya 265 (B. 264).

Vers 9442-9466 (B. 1-23).

Tuladhara sprach:

1. f!i442.) Diesen Weg, mag er nun von Guten oder Nicht- Guten eingeschlagen sein es soil dir recht anschaulich gemacht werden den wirst du erkennen nach seinem Wesen.

2. (9443.) Du siehst diese Vogel, wie sie liberall umher- iliegen, es sind die auf deinem Haupte geborenen, sowie Falken und andere Arten.

3. (9444.) Rufe sie herbei, o grofser Brahmane, wie sie Mer und dort sich niedersetzen ; siehe, wie sie dabei Fliigel und Fiifse von alien Seiten an ihren Leib anschmiegen.

4. (9445.) Von dir wurden sie grofsgezogen und nun be- griifsen sie dich als Vater, denn du bist doch unzweifelhaft ihr Vater, da du sie als deine Kinder herbeirufst, o Jajali.

Bhishma sprach:

5. (9446.) Da geschah es, dafs die von diesem Jajali her- "beigerufenen Vogel in Worte ausbrachen, um die Pflicht zu •erklaren,

Devssen, Mab^bharatam. 28

434 ni. Mokshadharma.

6. (9447.) Das ohne Nicht-Totung [lies: anahinsd] unter- nommene Werk totet hienieden und im Jenseits den Glauben (^graddhdj, o Brahmane, und dieser, wenn getotet, totet den Menschen.

7. (9448.) Wenn Billigdenkende, Glaubige, Bezahmte, "Wohl- verstandige opfern, das heifst ein wahres Opfer; dies Opfer ist nie unerwunscht.

8. (9449.) Diese (^raddha (der Glaube), von Vivasvant stammend, ist die Tochter der Sonne, o Zwiegeborener, sie ist fordernd und nachkommenverleihend, ist erhaben (hahis) iiber Worte und Gedanken.

9. (9450.) Die Qraddha schiitzt, was aus der Rede ent- springt und was aus dem Manas entspringt, o Bharata; was aus der (^raddha entspringt, schiitzt Rede und Manas, das Werke kann beide nicht schiitzen.

10. (9451.) Dariiber sagen die Weisen der Vorzeit in Lie- dern, die von Brahmanen gesungen wurden: Wenn einer rein und unglaubig war, oder glaubig und unrein,

11. (9452.) so erachteten die Gotter die Darbringung beider beim Opfer fiir gleichwertig. Wenn einer schriftkundig und knauserig oder freigebig und ein Wucherer war,

12. (9453.) so legten die Gotter, nachdem sie beides er- wogen, beider Opferspeisen gleichen Wert bei. Da aber sprach Prajapati zu ihnen: Das heifst nicht recht verfahren.

13. (9454.) Durch Glauben gelautert ist die Gabe des Freigebigen und die des andern ist verwerflich, weil ihm der Glaube fehlt; darum mogt ihr die Opferspeise des Frei- gebigen entgegennehmen , die Opferspeise des Knauserigen und Wucherers aber nicht.

14. (9455.) Denn dieser ist in Wahrheit unglaubig und nicht wiirdig, den Gottern Opfer zu bringen; seine Opfer- gabe diirft ihr nicht annehmen, wie es auch die Kenner der Pflicht erkannt haben.

15. (9456.) Der Unglaube ist das hochste Ubel, der Glaube erlost vom Ubel, der Glaubige streift das Ubel ab, wie eine Schlange ihre alte Haut.

16. (9457.) Die Abkehr [vom Ubel], verbunden mit dem

Adhyaya 265 (B. 264). 435

Glauben, ist das vornehmste Suhnemittel ; wer seine Charak- terfehler abgelegt hat und dabei glaubig ist , der ist ge- lautert.

17. (9458.) Wozu braucht er Askese, wozu den guten Lebenswandel , wozu den Atman : Aus Glaube besteht der Mensch, wie einer glaubt, so ist er (vgl. oben, S. 97).

18. (9459.) Damit ist, was Pflicht ist, erklart von Guten, den Sinn der Pflicht Erkennenden, und wir, die wir danach forschten, sind zum Ziele gelangt und haben die Pflicht erkannt.

19. (9460.) Erwirb Glauben, o grofser Weiser, und du wirst dadurch das Hochste erlangen ; der Glaubige ist vom Glauben beseelt und ist die [verkorperte] Pflicht, o Jajali, (9461.) und auf seinem Wege beharrend, ist er von hochster WiirdSj o Jajali.

Bhishma sprach:

20. (9462.) Darauf sind nach geraumer Zeit Tuladhara und auch der andere als grofse Weise zum Himmel emporgestiegen und werden dort sich der Seligkeit erfreuen,

21. (9463.) nachdem sie den jedem von ihnen zukommen- den, durch ihre Werke erworbenen Ort erreicht haben. So also war die inhaltreiche Rede des Tuladhara.

22. (9464.) Damit ist die ewige Pflicht vollstandig erkannt und ausgesprochen worden, und jener Brahmane, nachdem er die Reden dieses durch seine Tiichtigkeit beriihmten

23. (9463.) Tuladhara gehort hatte, ist, o Kuntisohn, zum Frieden eingegangen. So also geschah die gedankenreiche Rede des Tuladhara, (9466.) vermittels einer gleichnisweisen Belehrung. Was willst du nun weiter horen?

So lautet im Moksbadharma die Unterredung zwischen Tul&dh&ra und J&jali

(Tulddhdra - Jdjali - samvdda).

28*

436 ni. Mokshadharma.

Adhyaya 266 (B. 265).

Vers 9467-9480 (B. 1-14).

BMshma sprach:

1. (9467.) Auch dariiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich das, was aus Mitleid mit den Kreaturen von dem Konig Vicakhyu (mit C; B, Vicakhnu) gesungen wurde.

2. (9468.) Als dieser Konig gesehen hatte, wie dem Stiere die Gebeine zerschlagen wurden und die Kiihe laut jammerten, und wie der Fiirst wahrnahm, dafs bei der Stierschlachtung auf dem Opferplatze

3. (9469.) sodann der Ruf laut wurde : „Heil sei den Kiihen in aller Welt" denn wenn die Schlachtung vor sich geht, ist dieser Segenswunsch vorgeschrieben , [da sprach er:]

4. (9470.) Nur von mafslosen, betorten, unglaubigen, zweifel- behafteten und obskuren Menschen ist die Tiertotung verherr- licht worden.

5. (9471.) Denn der von Pflichtbewufstsein erfullte Manu hat befohlen, bei alien Werken nicht zu toten, Nur aus eigenem Geliiste toten die Menschen auf dem Vorplatze der Vedi die Tiere.

6. (9472.) Aus diesem Grunde mufs von dem Kundigen die schwer erkennbare Pflicht befolgt werden ; die Schonung aller Wesen steht hoher als alle anderen Pflichten.

7. (9473.) Wer durch Fasten sein Geliibde gescharft hat, der geht ab von den im Veda gegebenen Vorschriften [und sagt:] der Branch ist ein Mifsbrauch, erbarmlich sind, die sich von der Hoffnung auf Lohn treiben lassen.

8. (9474.) Wenn die Menschen in Hinblick auf Opfer, hei- lige Baume und Opferpfosten nur beliebiges [nicht vom Opfer herriihrendes] Fleisch zu essen vermeiden, so ist dieser Branch nicht zu loben.

9. (9475.) Branntwein, Fische, Honig, Fleisch, Rum und Sesamreis [zu geniefsen], das ist von Nichtswiirdigen ein- gefiihrt worden und nicht in den Veden zugelassen.

Adhyaya 266 (B. 265). 437

10. (9476.) Aus Hochmut, Verblendung und Begierde ist das Geliiste nacli solchen Dingen aufgekommen. Aber Brah- manen sehen in alien Opfern nur den einen Vishnu,

11. (9477.) und dessen Opfer geschieht nach der 'Uber- lieferung nur mit Milchspenden und Blumen, und wenn etwa noch opferwiirdige Baume dafur im Veda vorgesehen sind,

12. (9478.) oder was sonst noch an wohlgeweihten Dingen von Lauteren, sehr Tiichtigen mit reinem Herzen dargebracht werden mag, alles das ist des Gottes wiirdig.

Yudhishthira sprach:

13. (9479.) Das leibliche Bediirfnis und Notfalle erheben Einspruch gegen die, welche nicht toten wollen; wie kann, ohne dafs man dergleichen unternimmt, der Unterhalt des Korpers vonstatten gehen?

Bhishma sprach:

14. (9480.) Damit der Korper nicht hinwelke und damit er nicht der Gewalt des Todes anheimfalle, mag man sich in seinem Tun dementsprechend verhalten und nach Kraften die Pflicht erfiillen.

So lautet im Mokshadharma der Sang des Vicakhyu

( Vicakhyu - gitd).

Adhyaya 26t (B. 366).

Vers 9481-9558 (B. 1-78).

Yudhishthira sprach :

1. (9481.) Wie soli man ein vorliegendes Werk priifen, schnell oder langsam? Allezeit in unserer schwierigen Auf- gabe warst du ja unser bester Lehrmeister.

Bhishma sprach:

2. (9482.) Auch dariiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich was ehemals dem Cirakari[n] aus dem Stamme des Angiras begegnet ist.

438 III. Mokshadharma.

3. (9483.) 0 Saumseliger fciraMriJcaJ, Heil sei dir, Heil sei dir, o Saumseliger, denn Cirakarin (der Saumselige), der Verstandige, versiindigt sich nicht in seinem Tun.

4. (9484.) Der sehr verstandige Cirakarin war ein Sohn des Gautama und ging bei alien Geschatten erst zu Werke, nachdem er die Sachen lange iiberlegt hatte.

5. (9485.) Er pflegte die Sachen lange zu iiberlegen, lange im Wachen und lange im Schlafe, lange, wenn ihm ein Auf- trag gegeben wurde, darum nannte man ihn Cirakarin.

6. (9486.) Weil er trage war beim Angreifen einer Sache, wurde er auch beschrankt genannt von einem leichtsinnigen, kurzsichtigen Menschen.

7. (9487.) Mit Ubergehung der anderen Sohne wurde er von seinem erziirnten Vater beauftragt, seine Mutter infolge eines bestimmten Fehltrittes zu toten.

8. (9488.) Und nachdem der weise Gautama, der Beste der Murmler, ihm diesen Befehl erteilt hatte, ging der Mach- tige ohne weitere Uberlegung in den Wald.

9. (9489.) „So sei es", antwortete langsam, wie es seine Art war, der langsam handelnde Sohn, und indem er seiner Langsamkeit entsprechend die Sache iiberdachte, verfiel er dariiber in langes Sinnen:

10. (9490.) Wie kann ich den Befehl des Vaters ausfiihren ? Wie kann ich es vermeiden, die Mutter zu toten ? Wie kann ich es verhindern, dafs ich dabei als schlechter Mensch in eine Pflichtiibertretung verfalle?

11. (9491.) Der Befehl des Vaters ist hochste Pflicht, aber Naturpflicht ist es, die Mutter zu schiitzen, ein Sohn ist nicht frei in seinem Handeln, wie mache ich es, dafs mich nicht hinterher die Reue qualt.

12. (9492.) Wer ein Weib und noch dazu seine Mutter getotet hat, wie kann der je wieder froh werden! Und wer seinen Vater mifsachtet, wie kann der zu Ansehen ge- langen !

13. (9493.) Den Vater nicht zu mifsachten geziemt sich, und die Mutter zu beschiitzen ist Gesetz ; beide Pflichten sind als auferlegte berechtigt, wie ist es moglich, dafs die Sache mich nicht in Verlegenheit bringt?

Adhyaya 267 (B. 266). 439

14. (9494.) Der Vater legt bei der Zeugung sein Selbst in die Gattin, so heifst es (Ait. Up. 2, 1—2), um Charakter, guten Wandel und Geschlecht und seine Familie fortzufiihren.

15. (9495.) Ich selbst bin als Sohn vom Vater und auch wiederum von der Mutter geschaffen worden, wie sollte ich mir dessen nicht bewufst sein! Erkenne ich doch beide als meinen Ursprung an.

16. (9496.) Was der Vater bei der Geburtszeremonie und beim Upakarman [Zeremonie nach der Heimkehr vom Lehrer Nil.] gesprochen hat, dessen Bestatigung besteht in der Ge- wifsheit der vaterlichen Autoritat.

17. (9497.) [Was] dec Lehrer [sagt] ist die oberste und hochste Pflicht, weil er sich mit Pflege und Belehrung be- fafst, und was der Vater sagt, ist ebenfalls Pflicht, weiche auch in den Veden eingescharft wird.

18. (9498.) Der Sohn ist fiir den Vater eitel Freude, und der Vater ist fiir den Sohn alles, denn der Vater allein ver- leiht ihm den Leib und alles, dessen er bedarf.

19. (9499.) Darum ist das Wort des Vaters auszufiihren und niemals dabei zu zaudern; auch von Siinden wird ge- reinigt, wer die Gebote des Vaters erfiillt.

20. (9500.) Beim Geniefsen, beim Essen, beim Studium, bei Belehrung iiber weltliche Dinge, sowie beim Verkehr mit dem Gatten und bei der Scheitelziehungszeremonie [gewohn- lich im vierten Monat der Schwangerschaft]

21. (9501.) ist der Vater das Gesetz, ist der Vater der Himmel, ist der Vater die hochste Askese; wenn der Vater Freude hat, dann freuen sich alle Gottheiten.

22. (9502.) Alle jene [bei den Zeremonien gesprochenen] Segenswiinsche begliicken einen Menschen, wenn sie der Vater spricht, und eine Befreiung von alien Siinden ist es, wenn der Vater seine Zufriedenheit aufsert.

23. (9503.) Die Blume wird vom Stengel fahren gelassen und die Frucht vom Baume, der Vater aber, auch wenn er den Sohn aus Liebe ziichtigen mufs, so lafst er ihn doch niemals fahren.

24. (9504.) Damit ware also die Autoritat des Vaters iiber den Sohn durchgedacht, der Vater ist kein geringes Moment, nun aber mufs ich auch an die Mutter denken.

440 III. Mokshadharma.

25. (9505.) Dieses mir gehorige Korperaggregat , Welches seinem sterblichen Telle nach aus den fiinf Elementen be- steht, hat als Ursache meine Mutter, wie das Feuer als Ur- sache das Reibholz hat.

26. (9506.) Die Mutter ist das Reibholz fur den Leib des Menschen und ist ein Gliick fiir jeden in seiner Not. Wer eine Mutter hat, der hat eine Beschiitzerin , und ohne Be- schiitzerin ist, wer sie nicht hat.

27. (9&07.) Der braucht nicht zu klagen, den bringt das Alter nicht herunter, wer, auch vom Gliick verlassen, wenn er nach Hause kommt „Mutter!" sagen kann.

28. (9508.) Wenn einer auch Sohne und Enkel hat und zu seiner Mutter kommt, der, und ware er hundert Jahre alt, naht ihr wie ein zweijahriges Kind.

29. (9509.) Mag einer tiichtig sein oder untiichtig, mag er kranklich sein oder gesund, die Mutter ist es immer, welche den Sohn behiitet, keinen andern Pfleger hat er nach der Naturordnung.

30. (9510.) Dann ist er alt geworden, dann ist er elend geworden, dann ist die Welt fiir ihn leer, wenn er die Mutter verloren hat.

31. (9511.) Der Mutter kommt kein kiihlender Schatten gleich, der Mutter kommt keine Zuflucht gleich, der Mutter kommt kein Schutz gleich, der Mutter kommt keine an Liebe gleich.

32. (9512.) Wegen des Tragens im Mutterleib heifst sie dhdtri (die Tragende), wegen des Gebarens heifst sie jafiam (die Gebarende), wegen der Pflege der Glieder heift sie ambd [ein Lallwort wie Mama], weil sie Helden hervorbringt, heifst sie virasu (Heldenmutter).

33. (9513.) Weil ihr die Kinder gehorchen, heifst die Mutter gucru (etwa: der man gehorcht). Und ihren Leib sollte ohne weiteres ein verstandiger Mann, der kein Hohlkopf ist, toten ?

34. (9514.) Die Absicht, welche bei Verschlingung der Lebenshauche der Eltern bestand, die [teilen] Vater und Mutter; der erreichte Zweck fallt der Mutter zur Last.

35. (9515.) Die Mutter weifs, aus welchem Geschlechte, die Mutter weifs, von wem einer ist; aus dem blofsen Tragen

Adhyaya 267 (B. 266). 441

im Leibe entspringt schon die Liebe der Mutter, dem Vater liegt nur an der Nachkommenschaft.

36. (9516.) Wenn die Manner aus freien Stiicken die Ver- bindung der Hande geschlungen und die gemeinsame Ehe- pflicht eingegangen haben und dann davonlaufen, so haben die Frauen nicht notig, ihnen gute Worte zu geben.

37. (9517.) Weil er die Frau ernahrt, heifst er der Er- nahrer, weil er iiber sie herrscht, heifst er der Herr, wenn seine Tugend zunichte wird, dann ist er nicht mehr Ernahrer und auch nicht mehr Herr.

38. (9518.) In einem solchen Falle ist das Weib schuldlos und nur der Mann schuldig, und auch wenn er die grofse Siinde des Ehebruchs begeht, ist nur der Mann schuldig.

39. (9519.) Freilich steht fiir eine Frau ihr Gatte am hochsten, er gilt fiir ihre hochste Gottheit, aber sie hat doch einem seinem Selbste ahnlichen, gleichfalls hochsten Selbste das Leben gegeben [anders Nil.].

40. (9520.) Die Frauen versiindigen sich nicht, der Mann ist es, der sich versiindigt, denn weil bei alien derartigen Handeln an ihnen gesiindigt wird, sind die Frauen nicht der siindigende Teil.

41. (9521.) Er, an den keine Aufforderung von seiten des Weibes zum Geschlechtsgenusse erging, der vielmehr seiner- seits offen darauf die Rede brachte, er ist der schuldige Teil, daran ist kein Zweifel.

42. (9522.) Dafs ein Weib, und besonders eine Mutter, der eine so hohe Wiirde zukommt, nicht getotet werden darf, das diirften sogar die unverniinftigen Tiere begreifen.

43. (9523.) Man weifs, dafs der Vater fiir sich allein ein Inbegriff von Gottern ist, der Mutter aber naht man als einer solchen, die vermoge ihrer Liebe ein Inbegriff von Sterblichen und Gottern ist.

44. (9524.) Wahrend der Sohn in dieser Weise vermoge seiner Saumseligkeit hin und her iiberlegte, war eine gar lange Zeit verstrichen; da kam sein Vater zuriick.

45. (9525.) Der weise Medhatithi, der askesefeste Gautama, hatte sich wahrend dieser Zeit die Ubertretung der Ordnung durch die Gattin iiberlegt

442 in. Mokshadharma.

46. (9526.) und sprach nun sehr bekiimmert, indem er aus Schmerz Tranen vergofs, da er dank seinem Vedastudium und festen Charakter Reue empfand:

47. (9527.) Der Herr der drei Welten, der Stadtezerstorer (Indra) war zu meiner Einsiedelei gekommen und hatte, als Oast auftretend, die Gestalt eines Brahmanen angenommen.

48. (9528.) Ich gewann ihn durch freundliche Worte, ehrte ihn durch den Willkommensgrufs und verhalf ihm vorschrifts- mafsig zur Gastspende und zum Fufswasser.

49. (9529.) Ich stehe ganz zu Diensten, so sprach ich, und [erwartete], er werde sich infolgedessen freundUch zeigen, und wenn dann etwas Unpassendes sich ereignet hat, so fallt meinem Weihe der Fehltritt nicht zur Last.

50. (9530.) So trifft weder mein Weib noch mich, noch den Wanderer, den Herrn der dreifsig Gotter, ein Vorwurf der Pflichtverletzung, sondern ein Vorwurf trifft nur meine L nbesonnenheit.

51. (9531.) Darum sagen die das Keuschheitsgeliibde Be- folgenden, dafs Eifersucht zu Unheil fiihrt, von Eifersucht aber war ich befallen und in einem Ozean von Ubeltat versunken.

52. (9532.) Ich habe sie getotet, die gute Frau, die leiden- schaftlich geliebte, die ich als Gattin hatte schiitzen miissen, wer hilft mir nun aus der Not!

53. (9533.) In einer Anwandlung von Schwache habe ich dem hochherzigen Cirakarin den Befehl erteilt ; sollte er dies- mal wirklich ein Cirakarin (Saumseliger) gewesen sein, so konnte er mich vor dem Verbrechen bewahrt haben.

54. (9534.) 0 Saumseliger, Heil sei dir, Heil sei dir, o Saumseliger, wenn du diesmal saumselig gewesen hist, so tragst du deinen Namen Cirakarika mit Recht.

55. (9535.) Rette mich und die Mutter und den von mir aufgesammelten Schatz von Askese und dich selbst vor Ver- siindigungen, sei diesmal ein Cirakarika.

56. (9536.) Die Saumseligkeit ist dir vermoge deiner grofsen Verstandigkeit angeboren, so moge sie von Erfolg gewesen sein, sei diesmal ein Cirakarika.

57. (9537.) Lange fciramj wurdest du von deiner Mutter ersehnt, lange in ihrem Leibe getragen, mache diesmal deine

Adhyaya 267 (B. 266). 443

Langsamkeit erfolgreich als der Langsamhandelnde (Cira- karika).

58. (9538.) Mag er langsam handeln aus Kummer, mag €1 lange iiber dem gewordenen Auftrage schlafen, wegen des uns beide treffenden langen Rummers bedachtsam, o du Cira- .karika! [Dieser Vers ist in B. in Paranthesen eingeschlossen.]

59. (9539.) In dieser Weise von Schmerz erfiillt, o Konig, sail der grofse Rishi Gautama seinen Sohn Cirakari[n] sich ^egeniiberstehen.

60. (9540.) Als aber Cirakarin, von tiefem Schmerze er- fiillt, seinen Vater erblickte, da warf er seine Waffe von sich und naherte sich dem Vater gebeugten Hauptes, um ihn ^nadig zu stimmen,

61. (9541.) Als Gautama sah, wie sein Sohn sich mit dem Haupte zur Erde neigte, und wie auch seine Gattin dastand ohne Fassung [vor Scham versteinert, nach Nil.], geriet er in grofse Freude.

62. (9542.) Fortan blieb diese Gattin nicht mehr von dem Hochherzigen geschieden, selbst wenn er in der Einsamkeit seine Einsiedelei bewohnte, und ebenso sein besonnener Sohn.

63. (9543.) Tote sie, so hatte der Befehl gelautet, wahrend der Sohn mit der Waffe in der Hand gehorsam dagestanden hatte, indes die Sache drangte und [der Vater] sich davon machte, obwohl es doch seine Sache war.

64. (9544.) Und als er jetzt seinen Sohn sah, wie er sich zu den Fiifsen des Vaters neigte, da kam ihm die Einsicht: Meinen Leichtsinn, zur Waffe zu greifen, macht er wieder gut durch seine Furcht [vor den Folgen].

65. (9545.) Lange lobte ihn darauf der Vater, lange kiifste er ihn auf das Haupt, lange hielt er ihn in seinen Armen und rief ihm zu: Mogest du lange leben.

66. (9546.) So geschah es, dafs der hochweise Gautama, von Liebe und Freude erfiillt, zum Grufse folgendes Wort sprach :

67. (9547.) Heil sei dir, o saumseliger Cirakarin, bleibe lange ein Saumseliger, weil ich dir als Saumseligem, o Trauter, langezeit ein vor Schmerz Bewahrter sein werde.

444 III- Mokshadharma.

68. (9548.) Und der weise Gautama, der Beste der MuniV,. sang Lobhymnen, welche die Tugend der Langsamhandeln- den, Besonnenen feierten:

69. (9549.) Langsam moge er den Freund an sich fesseln und nur langsam den Gewonnenen aufgeben, denn der lang- sam gewonnene Freund ist wert, lange festgehalten zu werden.

70. (9550.) Wer bei Liebe, Stolz, Hochmut, Betrug, Ubeltat und bei unangenehmen Auftragen langsam handelt, der ist zu loben.

71. (9551.) Wenn bei Verwandten, Freunden, Dienern und Weibervolk ein Vergehen nicht klar zutage liegt, so ist e& loblich, langsam zu handeln.

72. (9.552.) So wurde, o Bharata, dieser Gautama durch diese Handlungsweise seines Sohnes, o Kurusprofs, dank seiner Saumseligkeit erfreut.

73. (9553.) So wird ein Mensch, wenn er in alien An- gelegenheiten iiberlegt und nur langsam seinen Entschlufs fafst, vor langer Reue bewahrt.

74. (9554.) Lange halt er mit dem Zorn an sich, lange halt er mit der Tat zuriick; dann wird kein Werk von ihm vollbracht, das Reue nach sich ziehen kann.

75. (9555.) Lange sitze er zu Fiifsen der Alten, lange ihnen huldigend ehre er sie, lange betreibe er die Pflicht, lange beschaftige er sich mit der Forschung.

76. (9556.) Wenn er lange den Weisen huldigt, lange die Gelehrten besucht und lange sich selbst ziigelt, so wird er zu langdauernder Achtung gelangen.

77. (9557.) Und [so wie diese Rede] soil man auch die Rede eines andern, wenn sie sich mit der Pflichterfiillung be- schaftigt, nur langsam mitteilen, auch wenn man danach ge- fragt wurde; dann wird man keine lange Reue erleiden.

78. (9558.) Nachdem der askesereiche Brahmane in jener Einsiedelei noch viele Jahre lang seine Verehrung fortgesetzt hatte, ist er zugleich mit seinem Sohne in den Himmel ein- gegangen.

So lautet im Mokshadharma die Geschiehte von dem Saumseligen (Vi/akdrika - updklnjdnam)

Adhyaya 268 (B. 267). 445

Aclliyaya 368 (B. 367).

Vers 9559-9595 (B. 1-36).

Yudhishthira sprach:

1. (9559.) Wie vermag ein Konig seine Untertanen zu schiitzen, ohne dafs er irgendwie einmal [jemanden] hin- richten lafst? Darnach frage ich dich, o Bester der Guten, das erklare mir, o Grofsvater.

Bhishma sprach:

2. (95G0.) Auch dariiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich die Unterredung des Dyumatsena mit dem Konige Satyavant.

3. (9561.) Noch nicht Ausgesprochenes sprach Satyavant aus, so wird erzahlt, als einige auf Befehl seines Vaters ab- gefiihrt wurden, um hingerichtet zu werden:

4. (9562.) Das Recht wird zum Unrecht und das Unrecht zum Recht! Mag auch die Hinrichtung ein Recht sein, so sollte doch dergleichen nicht geschehen.

Dyumatsena sprach:

5. (9563.) Wenn die Hinrichtung ein Unrecht ist, wie kann dann die Gerechtigkeit jemals bestehen? Wenn die Rauber nicht getotet werden diirfen, o Satyavant, so wiirde Ariarchie die Folge sein.

6. (9564.) „Dieses ist raein uhd jenes gehort ihm", [diese Scheidung] konnte im Kali-Zeitalter nicht bestehen, und Handel und Wandel ware unmoglich. Wenn du da Rat weifst, so sage es uns.

Satyavant sprach:

7. (9565.) Alle die drei librigen Kasten miissen der Brah- manenkaste unterworfen sein, dann wird auch jeder andere, der nicht den Fesseln des Gesetzes unterworfen ist, ebenso wie sie handeln.

8. (9566.) Und wenn einer von ihnen sich vergehen sollte, dann soil ihm ein Zwiegeborener zureden, und wenn dieser

446 ni. Mokshadliarma.

sagt: der Mensch will nicht auf mich horen, so mag der Konig strafend einschreiten.

9. (9567.) Was der Gesetzeskanon vorschreibt , ohne dafs einer der Existenz beraubt wird, das mufs eingehalten und nicht anders, nicht ohne Priifung der Tat und der entsprechen- den Gesetzesvorschrift verfahren werden.

10. (9568.) Der Konig totet den Rauber, aber zugleich mit ihm viele Unschuldige, denn zugleich mit dem Ver- brecher werden Gattin, Mutter, Vater und Sohn mitbetroffen, (9569.) darum moge der Konig, wenn sich einer gegen ihn vergeht, die Sache sorgfaltig iiberlegen.

11. Auch ein nichtguter Mensch kann mitunter einen guten Charakter sich aneignen. (9570.) Von einem Guten, aber auch von Nicht- Guten kann eine edle Nachkommenschaft er- zeugt werden.

12. Man braucht nicht die ganze Wurzel auszurotten, das befiehlt kein ewiges Gesetz; (9571.) auch wenn man sehr wenig von der Totung Gebrauch macht, kann eine Siihnung des Verbrechens erreicht werden.

13. Durch Einschiichterung, Gefangenschaft, Verstiimme- lung, (9572.) und Todesstrafe soil man sie nicht vor dem Ge- richtshofe des Purohita qualen,

14. sondern wenn sie den Purohita angehen und um Schutz bitten und sagen: (9573.) Wir woUen das Verbrechen nicht wieder begehen, o Priester,

15. dann verdienen sie wohl losgelassen zu werden, das ist das Gesetz des Schopfers. (9574.) Aber sogar ein mit Stab und Fell daherkommender kahlkopfiger Brahmane mufs [unter Umstanden] seine Ziichtigung erhalten.

16. Ja, je hoher einer steht, um so hoher mufs die Strafe sein. (9575.) Vergeht sich einer zu wiederholten Malen, so darf er nicht freigesprochen werden, wie beim ersten Male.

Dyumatsena sprach:

17. (9576.) Soweit nur immer zu irgendeiner Zeit die Untertanen [ohne Strafe] im Zaume gehalten werden konnen, braucht das Gesetz nur in Erinnerung gebracht zu werden, solange es nicht ubertreten wird.

Adhyaya 268 (B. 267). 447

18. (9577.) Soil aber die Todesstrafe gar nicht mehr ver- hangt werden, so gerat alios in Verfall; freilich die friiheren und noch friiheren Geschlechter waren noch leicht zu regieren ;

19. (9578.) sie waren milde, wahrheitsliebend, selten be- triigend und selten zornig. Zuerst war schon das „Pfui!'^ eine Strafe, ihm folgte als Strafe der Vorwurf.

20. (9579.) Oder es geniigte auch eine Vermogens- schmalerung als Strafe, heute aber herrscht die Todesstrafe,. und nicht einmal durch sie ist es moglich, niedrige Menschen im Zaume zu halten.

21. (9580.) Ein Rauber hat keine Gemeinschaft mit den Menschen, keine Gemeinschaft mit Gottern, Gandharven und Manen : mit wem hatte er sie ? Er ist iiberhaupt kein Mensch mehr.

22. (9581.) Er raubt die Lotosblume vom Leichenacker und ist noch ein schlimmerer Damon als ein Pi^aca; wer mochte mit diesen Unwissenden und Geistbetorten Gemein- schaft machen? [mit C]

Satyavant sprach:

23. (9582.) Wenn du durch Enthaltung vom Toten die Guten nicht hinreichend schiitzen kannst, so mache ein Endo [statuiere ein Exempel], indem du irgendeinen friiher oder spater dingfest machst.

24. (9583.) Die Konige legen sich ja, um die Welt in Ord- nung zu halten, die grofste Askese auf, sie schamen sich solcher Ubeltater und darum benehmen sie sich so,

25. (9584.) Aus Angst und nicht zu ihrem Vergniigen toten sie als Wohltater [der Menschheit] die Bosewichter, denn um ihnen wohlzutun regieren doch die Konige zumeist ihre Untertanen.

26. (9585.) Und so folgt die Welt dem Beispiel des jedes- mal Bessern, denn die Menschen richten sich immer nach dem Vorbilde eines Lehrers.

27. (9586.) Wer sich selbst nicht im Zaume halt und andere im Zaume halten will, wer den Dingen gegeniiber ein Knecht seiner Sinnlichkeit ist, den verlachen die Menschen.

28. (9587.) Wer aus Trug oder Torheit gejen den Konig

448 ni. Mokshadharma.

etwas Unangemessenes begeht, der ist durch alle Mittel in seine Schranken zu weisen, dann lafst er vom Bosen ab.

29. (i)588.) Seiner selbst mufs zuerst Herr werden, wer des Bosen Herr werden will, dann mag er weiterhin selbst die nachsten Verwandten mit schweren Strafen belegen.

30. (958!).) Denn wo den gemeinen Ubeltater nicht grofses Leiden trifft, da nehmen die bosen Taten iiberhand und die Gerechtigkeit geht unfehlbar in die Briiche.

31. (9690.) So hat es ein mitleidvoller , weiser Brahmane Ijefohlen, und in diesem Sinne bin audi ich, o Freund, von friiheren Vorfahren belehrt worden,

32. (9591.) welche aus Mitleid [ihremVolke] festesVertrauen einzuflofsen suchten, indem sie folgendermafsen sprachen: Diese Welt moge ein Konig im Krita-Zeitalter durch das erst- genannte [gelindeste, oben, Vers 9578] Mittel beherrschen.

33. (9592.) Im Treta-Zeitalter moge er vorgehen mit dem um ein Viertel verminderten Gesetze [vgl. oben, Vers 85oo fg.], im Dvapara nur mit zwei Vierteln und mit einem Viertel in dem letzten Zeitalter.

34. (9593.) Aber nachdem dieses Kali-Zeitalter eingetreten ist, bleibt wegen der schlechten Fiihrung des Konigs und vermoge der Verschiedenheit der Zeit [schliefslich] nur noch ein Sechzehntel des Gesetzes bestehen.

35. (9594.) Dann wiirde durch das erstgenannte Mittel, o Satyavant, Anarchie entstehen, daher mufs er in Anbetracht des Lebensalters , der Fahigkeit und der Zeit Bufsen auf- erlegen.

36. (9595.) Damit fiir die Erlangung des Wahren die grofse Frucht der Gerechtigkeit hienieden nicht unzulanglich werde, hat aus Mitleid mit den Geschopfen Manu Svayambhuva dieses verkiindigt.

"( . So lautet im Mokshadharma

die Unterredung zwischen Dyumatsena und Satyavant (Dyumatsena- Satyavant - sainrddu).

Adhyaya 269 (B. 268). 449

Adhyaya 269 (B. 268).

Vers 9596-9635 (B. 1-40).

Yudhishthira spracli:

1. (9596.) Der Yoga freilich vermag es, ohne Beeintrach- tigung der Kreaturen seine sechs Vorzuge [Gottherrlichkeit, Wissen, Ruhm, Schonheit, Entsagung und Pflichterfiillung, Nil.] hervorzubringen ; aber nun sage mir, o Grofsvater, die- jenige der beiden Pflichten, welche beider Frucht in sich befafst,

2. (9B97.) die der Hausvaterpflicht und die der Yogapflicht, der einen wie der andern; beide stehen ja nicht weit von- einander ab, was ist nun vorzuziehen, o Grofsvater?

Bhishma sprach:

3. (9598.) Beide Pflichten sind sehr hervorragend , beide sind iiberaus schwer zu erfiillen, beide bringen grofse Frucht und beide werden von Guten betrieben.

4. (9599.) Ich werde dir jetzt die autoritative Geltung der beiden entwickeln; so bore, o Prithasohn, mit ungeteilter Aufmerksamkeit mich an, der ich den Zweifel iiber den Sinn des Gesetzes iiberwunden habe.

5. (9600.) Auch dariiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich die Unterredung zwischen Kapila und einer Kuh, die vernimm, o Yudhishthira.

6. (9601.) Eingedenk des alten, ewigen, unverbriichhchen Branches wollte Nahusha einstmals [zu Ehren] des Tvashtar eine Kuh schlachten, so wird erzahlt.

7. (9602.) Als sie schon an dem Pfosten angebunden war, erblickte sie heiteren Geistes der wahrheitfeste , askesefrohe, erkenntnisreiche, mafsige Kapila,

8. (9603.) und er, welcher zum hochsten, festgegriindeten, furchtlosen, edlen, nicht wankenden, wahrhaften Bewufstsein durchgedrungen war, sprach nur das Wort : „0 diese Veden !"

9. (9604.) Da geschah es, dafs ein Rishi mit Namen Syu- maragrai in die Kuh hineinfuhr und aus ihr heraus folgender- mafsen zu dem Asketen sprach: Ei, ei! wenn du sagen kannst: o diese Veden! so mochte ich wissen, von wem sind denn andere [bessere] Satzungen erdacht worden?

Deussen, Mah&bb&Tatam. 29

45G III. Mokshadharma.

10. (9605.) Askesereiche , Charakterfeste, in der Schrift- wissenschaft Gelehrte sind dock der Meinung, dafs alles, was im Veda vorkommt, . von dem Wesenskenner uns offen- bart worden ist.

11. (9606.) Und wenn er, der Durstfreie, Leidlose, Wunsch- lose, vollig Werkfreie in dieser Weise in den Veden sick ge- aufsert kat, wie kann da einer nock etwas sagen wollen!

Kapila sprach :

12. (9607.) Ick tadle die Veden nickt und gedenke nickts gegen sie zu sagen, aker in der Sckrift wird gelekrt, dafs die Werke der Menscken in den versckiedenen Lebensstadien alle dasselbe Ziel kaben.

13. (9608.) Auf dieses strebt der Entsagende [Sannyasin] kin, auf dieses der Waldeinsiedler , auf dieses streben beide kin, der Hausvater und der Brakmansckiiler.

14. (9609.) Denn es gibt vier ewige zu den Gottern fiikrende fdevaydndhj Wege, und ikr grofserer oder geringerer Wert, ikre Starke und Sckwacke kegt in ikrer Fruckt.

15. (9610.) Dieses wissend, soil man alle Dinge in Angriff nekmen, das ist Vedalekre, und nickt anders soil man sie in Angriff nekmen, das lekrt die unverbriicklicke Sckriftiiber- lieferung.

10. (9611.) Wer sie nickt [anders] in Angriff nimmt, den trifft keine Sckuld, wer sie aber [anders, d. k. okne Kenntnis der Vedavorsckrift] in Angriff nimmt, der versilndigt sick sckwer. So stekt es mit dem Kanon, und dock ist aus ilim die Starke und Sckwacke [der zu den Gottern fiikrenden Wege] sckwer zu erkennen.

17. (9612.) Wenn es nun in der Welt irgend etwas gibt, von dem die Erfakrung, abgeseken von der Sckriftiiberliefe- rung, lekrt, dafs es koker als die Nicktsckadigung steke, so nenne mir das, wenn du kannst.

SyumaraQmi sprach :

18. (9613.) Immer wieder [z, B. Pancav. Br. 16,3,3] keifst es in der Sckrift: „wer nack dem Himmel begekrt, soil [dies oder das] opfern"; erst nackdem man die Fruckt in

Adhyaya 269 (B. 268). 451

Aussicht genommen hat, wird sodann das Opfer bewerk- stelligt.

19. (9614.) Ziegenbock, Rofs, Widder, Kuh und alle Vogel- arten und die zahmen und wilden Krauter dienen dem Prana zur Nahrung, so lehrt die Schrift [vgl. Brih. Up. 0,1,14].

20. (9615.) Und dasselbe wird vorgeschrieben in bezug auf die tagliche Mahlzeit abends und morgens, und auch Haus- tiere und Getreidekorner bilden einen Teil des Opfers, wie •die Schrift lehrt.

21. (9616.) Alles dies hat Prajapati zugleich mit dem Opfer erschaffen, und dieses Opfer hat Prajapati, der Herr, den Gottern dargebracht.

22. (9617.) Und so sind alle die siebenmal sieben Klassen lebender Wesen, eines immer hoher stehend als das andere, ja diese ganze Welt zum Opfer bestimmt bis hinauf zu dem, was den hochsten Namen fiihrt [dem Purusha], wie die Veden lehren (Eigveda 10,90,15).

23. (9618.) Das ist fiir zulassig erklart worden von den Alton und den noch Alteren; wer, der dies weifs, mochte nicht immer nach seiner Leistungsfahigkeit [das Beste zum Opfer] aussondern.

24. (9619.) Tiere und Menschen, Baume und Krauter ver- langen nach dem Himmel und kein Himmel ist ihneu {sicherer] als durch dieses Geopfertwerden.

25. (9620.) Krauter, Tiere, Baume, Strauchwerk, Schmelz- butter, Milch und saure Milch, Opferspeise, Erde, Himmels- gegenden, Glaube und Zeit, das sind zwolf;

26. (9621.) dazu Rigverse, Yajus-Spriiche, Saman-Lieder und der Opferherr macht sechzehn; Agni ist als Hausvater ■anzusehen und gilt als der siebzehnte.

27. (9622.) Dieses sind die Glieder des Opfers, das Opfer aber ist die Wurzel [der Welt], wie die Schrift sagt. Durch Schmelzbutter, Milch, saure Milch, Dung, Quark, Haut,

2^. (9623.) Haare, Horn und Fufs geht die Kuh in das Opfer ein; so ist im einzelnen alles beschaffen, was bei ihm vorgeschrieben ist.

29. (9624.) Diese Bestandteile, in das Opfer eingehend, fiihren es empor mitsamt den abgelohnten Priestern, diese>

29*

452 in. Mokshadharma,

fassen das alles zusammen und bringen das Opfer in Gang.

30. (9625.) Denn um beim Opfer zu dienen sind sie ge- schaffen worden, wie die Schrift der Wahrheit gemafs lehrt^ so haben alle die vormaligen Menschen verfahren.

31. (9626.) Nichts totet oder vergewaltigt oder iiberlistet der, welcher mit dem Gedanken : das Opfer mufs dargebracht werden, ohne Verlangen nach Lohn opfert.

32. (9627.) Diese Bestandteile des Opfers, wie sie in ihrer Keihenfolge das Opfer genannt werden, und wie sie durch die Vorschrift mit Gebrauchsanweisung versehen sind, stiitzen sich gegenseitig.

33. (9628.) Die heilige Uberlieferung, auf welcher die Veden beruhen, sehe ich als eine von Eishi's herriihrende an; und nach ihr richten sich die Weisen, indem sie das Brahmanam als Richtschnur nehmen.

34. (9629.) Von Brahmanen hat das Opfer seinen Ursprung^ und durch Brahmanen ist es uns iiberliefert worden, die ganze Welt ist dem Opfer entsprechend gebildet, und das Opfer ent- spricht der Welt immerdar.

35. (9630.) Der Laut Om ist die Quelle des Veda, dazu die Ausrufe: namas, svdhd, svadhd und vashat. Wer diese benutzt und nach Kraften verwendet,

36. (9631.) fiir den gibt es in alien drei Welten keine Furcht vor dem Jenseits, so lehren hienieden die Veden und die vollendeten hochsten Weisen.

37. (9632.) Die Rigverse, Yajusspriiche und Samanlieder mit ihren richtig vorgetragenen Modulationen , bei wem das alles richtig vorhanden ist, der ist hienieden ein wahrer Zwiegeborner.

38. (9633.) Was sonst noch bei der Feueranlegung und Somapressung Branch ist, und was durch die anderen grofsen. Opfer gewirkt wird, das weifst du ja, o Heiliger.

39. (9634.) Darum, o Brahmane, soil man ohne Bedenken opfern und opfern lassen; wer nach der den Himmel be- treffenden Vorschrift opfert, dem wird nach dem Tode als. grofser Lohn der Himmel zuteil.

Adhy&ya 269 (B. 268). 453

40. (963).) Wer nicht opfert, dem wird wahrlich weder diese Welt noch die andere Welt zuteil, fiir beides als Autoritat sind die Kenner der Vedaworte anzusehen.

So lautet im Moksbadharma die Begebenheit zwischen Kapila und der Kuh (go-kapilii/am).

Adhyaya 370 (B. 369).

Vers 9636-9706 (B. 1-68). « Kapila sprach :

1. (9636.) Das alles, soviel es ist, sehen die Asketen an und verfolgen ihren Weg, fiir sie gibt es in aller Welt keine Ubertretutig [weil sie dem Ritualgesetz nicht mehr unter- worfen sind].

2. (9637.) Frei von den Gegensatzen, von Verehrung, von den Fesseln der Wiinsche, verstandig, erlost von alien Siinden wandeln sie dahin, rein und fleckenlos.

3. (9638.) Sie besitzen die Gewifsheit in betreff der Er- losung, Entsagung und Erkenntnis, als Brahmanhafteste, Brahmangewordene, in Brahman ihre Heimat Findende.

4. (9639.) Ihnen sind die kummerlosen, staubfreien, ewigen Welten eigen; wozu brauchen sie, welche das hochste Ziel erlangt haben, erst noch Hausvater zu werden?

SyfimaraQmi sprach:

5. (9640.) Zugegeben, dafs sie das hochste Ziel, den hochsten Weg verfolgen, so kann doch, ohne sich auf die Hausvater zu stiitzen, kein anderes Lebensstadium Bestand haben.

6. (9641.) Wie alle Wesen, nur sofern sie auf eine Mutter sich stiitzen, ihr Leben haben, so konnen die iibrigen Lebens- stadien nur bestehen, sofern sie auf den Hausvaterstand sich stiitzen.

7. (9642.) Der Hausvater ist es, der opfert, er ist es, der die Askese iibt, der Hausvater ist die Wurzel jeder Pflicht fiir alles, was lebt und webt.

8. (9643.) Alle lebenden Menschen haben sich aus der

454 ni. Mokshadharma.

Zeugung und dem, was ihr folgt, entwickelt, und die Zeu- gung ist aufserhalb des Hausvaterstandes nicht moglich.

9. (9644.) Und was die Graser und Krauter sind, und was aufser ihnen noch auf den Bergen wachst [entsteht auch durch Zeugiing, und durch sie alles andere], weil ohne die Krauter, ohne ihr Leben keines denkbar ist.

10. (9645.) Wer konnte diese Behauptung als wahr hin- stellen, dafs vom Hausvaterstande aus die Erlosung nicht er- folgen konne! Nur von Unglaubigen, Unverstandigen , sub- tiler Erkenntnis Ermangelnden,

11. (9646.) Auswiirf Hngen , Tragen, Matten, unter der Arbeit Seufzenden, Unweisen wird die Hingabe an die Ruh& nur im Waldeinsiedlertum gefunden.

12. (9647.) Denn als Ursache der drei Welten und ihre ewige feste Begrenzung wird, als von Geburt an geheiligt^ ^er geehrt, der den Namen Brahmane tragt.

13. (9648.) Schon vor ihrer Empfangnis werden heilige Spriiche fur die Zwiegeborenen verwendet und sind wirksam in Sachen des Glaubens und der Erfahrung [nach Nil.],

14. (9649.) bei der Leichenverbrennung und beim Eingang^ in einen neuen Leib, und nach diesem Eingange beim Trinken und Essen, beim Schenken von Kiihen und anderem Vieh und beim Eintauchen der Manenklofse ins Wasser.

15.. (9650.) Und auch die Abgeschiedenen, die Glanzreichen,, die auf der Streu Sitzenden und die Fleischfressenden [arcish- mantah, barJiishadah, kravydddh, „three classes of Pitris" nach Pratapa Chandra Ray] sind der Meinung, dafs auch fiir den Toten Spriiche und abermals Spriiche das Wirksame sind.

16. (9651.) Wenn dies die Veden uns entgegenrufen, wie sollte dann fur irgendeinen [ohne den opfernden HausvaterJ: die Erlosung moglich sein, zumal die Menschen gegen Manen,. Gotter und Brahmanen in der Schuld sind.

17. (9652.) Von gliickverlassenen, tragen Gelehrten ist diese Ignorierung der Vedaworte aufgebracht worden wie eine Liige^ die den Schein der Wahrheit hat.

18. (9653.) Nicht wird vom Ubel erfafst und fortgerafft der Brahmane, welcher nach Vorschrift des Veda opfert^

Adhyaya 270 (B. 2G9). 465

empor zum Himmel steigt er mit den Opfertieren, und selbst befiiedigt, befriedigt er auch ihre Wiinsche.

19. (9654.) Nicht durch Mifsachtung der Veden, nicht durch Trug und Tauschung erlangt der Mensch Grofses, sondern niir im Brahman (Veda) findet «r das Brahman.

Kapila sprach:

20. (9655.) Fiir den Weisen gab es das Neu- und Voll- mondsopfer, das Agnihotram und die Viermonatsopfer, in ihnen liegt ein ewiges Gesetz.

21. (9656.) Hingegen die nichts Unternehmenden , Wohl- gefestigten, Reinen, die den Namen des Brahman tragen, diese, nach UnsterbHchkeit verlangend, erfreuen die Gotter nur durch ihr Brahman (heihgen Wandel).

22. (9657.) Wer auf alle Wesen hinbHckt als einer, der zum Selbste aller Wesen geworden ist, an dessen Weg werderi sogar die Gotter irre, verfolgend des Spurlosen Spur.

23. (9658.) Den Menschen, der vier Tore [Arme, Rede, Bauch, Genitahen] und vier Pforten [Leib, Sinne, Manas, Buddhi] hat, betritt er [der Atman] vermittelst der Be- lehrung als vierfaltiger [Viraj, Sutratman, Antaryamin und (^uddha; die Erganzungen nach Nil.]; dabei soil man von Armen, Rede, Bauch und Genitalien aus deren Tor- eingang als Torwachter zu bewachen suchen.

24. (9659.) Man spiele nicht mit Wlirfeln, man nehme kein fremdes Eigentum, man befasse sich nicht mit der gekochten [Opferspeise, Nil.] eines Unebenbiirtigen fayomyaj; erziirnt, moge der Weise nicht zu Tatlich- keiten schreiten, so werden seine Hande und Fiifse wohl bewacht sein,

25. (9660.) Er lasse sich nicht zu Schmahungen fort- reifsen, er fiihre nicht lose Reden, er befasse sich nicht mit Angeberei und Nachrede; er sei wahren Geliibdes, mafsvoller Rede und besonnen, dann ist bei ihm das Tor der Rede wohlbewacht.

26. (9661.) Er enthalte sich nicht der Speise, nehme aber auch nicht viele Speise zu sich, sei ohne Habgier und in Gesellschaft der Guten, nehme Nahrung nur ein,

456 UI- Mokshadharma.

um sein Leben zu erhalten, dann ist bei ihm das Tor des Bauches wohlbewacht.

27. (9662.) Er soil sich nicht mit einem Weibe, die eines Edlen Gattin ist, vergniigen, er soil auch nicht ein Weib durch Unwahrheit an sich locken, das Ehegeliibde bewahre er treu im Herzen, dann ist bei ihm das Tor der Genitalien wohlbewacht.

28. (9663.) Wer als Weiser alle diese Tore wohlbewacht, Genitalien, Bauch, Arme und Rede, der ist ein wahrer Zwie- geborener [wohl dvijah zu lesen].

29. (9664.) Alles aber ist nutzlos flir den, der diese Tore nicht bewacht; was niitzt ihm Askese, was Opfer, was der Atman !

30. (9665.) Wer kein Ubergewand tragt, keine Streu als Lager benutzt, nur die Arme als Kopfkissen hat und be- ruhigten Gemiites ist, den erkennen die Gotter als einen Brahmanen an.

31. (9666.) Wer an der Ruhe vor alien Gegensatzen einzig als Weiser seine Freude hat und sich um die anderen nicht bekiimmert, den erkennen die Gotter als einen Brahmanen an.

32. (9667.) Wer alles vollkommen erkannt hat, die Ur- natur (prahritij und ihre Entfaltungen und die Ziele aller Wesen kennt, den erkennen die Gotter als einen Brah- manen an.

33. (9668.) Wenn einer sich vor alien Wesen nicht mehr fiirchtet und alle Wesen nicht mehr vor ihm, wer zum Selbste aller Wesen geworden ist, den erkennen die Gotter als einen Brahmanen an.

34. (9669.) Die Menschen aber nehmen ununtwbrochen zu ihrer Richtschnur die Frucht von Gaben, Opfern und Zere- monien, indem sie alles jenes [Gesagte] verkennen, da etwas anderes sie als Frucht lockt.

35. (9670.) Von solchen, welche sich auf die vermoge ihrer Werke betriebene, furchtbare Askese stiitzen, haben sie dieses als alten, ewigen, unverbriichlichen guten Wandel iiber- nommen,

36. (9671.) und doch sind sie nicht imstande, dasjenige, was [in Wahrheit] im Gesetze vorgeschrieben wird, irgendwie

Adhy&ya 270 (B. 269). 457

zu erfiillen, denn der Wandel, welcher es sich zum Gesetze macht, kein Unheil [durch Totung] anzurichten, ist der wahr- haft besonnene und unumstofsliche;

37. (9672.) sie aber sehen nur auf die fruchtbringenden Werke, welche ihnen als gediegen entgegenglanzen und doch kraftlos sind und des einen wahren Zieles entbehren.

38. (9673.) Auch sind die dabei [beim Opfer] wirkenden Faktoren sehr schwer zu erkennen und, werden sie erkannt, sehr schwer in die Tat umzusetzen, und wenn sie auch rich- tig ausgefiihrt sind, so bringen sie doch nur endHche Frucht, das siehst du selbst wohl ein.

SyftmaraQmi sprach :

39. (9674.) [Wie kann es zusammen bestehen], dafs der Veda die Richtschnur, und dafs doch die Entsagung das wahrhaft Fruchtbare ist? Das sind doch offenbar zwei ver- scl)iedene Wege! Erklare mir das, o Heihger.

Kapila sprach:

40. (967.').) Wenn ihr hienieden euch auf einem richtigen "Wege befindet, so habt ihr dabei ein sichtbares [Ziel] vor Augen; was ist denn nun das sichtbare Ziel dabei, was ihr so hochschatzt?

Syftmara^mi sprach:

41. (9676.) 0 Brahmane, ich, Syumaragmi, bin hierher ge- kommen, um mich zu belehren, aus Verlangen nach dem Heil babe ich dich angesprochen in ehrhcher Absicht und nicht um blofs zu reden.

42. (9677.) Und diesen furchtbaren Zweifel mogest du, o Heihger, mir losen. Wenn ihr hienieden euch auf einem richtigen Wege befindet, so habt ihr dabei ein sichtbares {Ziel] vor Augen, (9678.) was ist denn nun das so sehr sicht- bare Ziel, was ihr hochschatzt

43. als den Inhalt der heiligen Uberlieferung als soldier und abgesehen von den argumentierenden Lehrbiichern? (9679.) Die heilige Uberlieferung besteht in den Worten dos

458 HI. Mokshadharma.

Veda, aber [gewisse] argumentierende Lehrbiicher sind auch heilige Uberlieferung.

44. Nach dem Lebensstadium, in dem man steht, richtet sich das, was man [als Pflicht] hochschatzt, dann kommt die heilige Uberlieferung zu ihrem Rechte, (9680.) und dafs sie zu ihrem Rechte komme, darin besteht das sichtbare Ziel, denn dies ist klarlich iiberliefert.

45. Wie ein Schiff, welches an ein anderes SchiflF ge- bunden ist, durch dessen Dahinschiefsen mit fortgerissen wird;,. weil es gebunden ist, (9681.) wie kann einer, o Brahmane,. sich von seinen irrigen Ansichten freimachen? Das mogest du, o Heiliger, mir sagen, ich komme als Schiiler, belehre mich, o Herr.

46. (9682.) Es gibt keinen Entsagenden, keinen Zufriedenen,. keinen Kummerlosen, keinen von Krankheit Freien, keinen Wunschlosen [lies : na virvidhitsah] , keinen Insichgekehrten,. keinen von der Welt Abgekehrten, wer es auch sei.

47. (9683.) Auch ihr freut euch und betriibt euch, so gut wie wir; auch euch sind die Sinnendinge mit alien iibrigen Geschopfen geraeinsam.

48. (9684.) Da dieses in bezug auf die Tatigkeit der vier Kasten und Lebensstadien, welche alle auf demselben Grunde stehen, klar ist, was gibt es da, was wirklich gesund ware ?

Kapila spracli:

49. (9685.) Jeder Kanon, den einer sich bei seinem Tun als Richtschnur nimmt, fiihrt zum Ziele, und was auch immer einer recht betreibt, das ist iiber Anfeindungen erhaben.

50. (9686.) Die Erkenntnis lenkt das Schiff eines jeden> der die Erkenntnis zur Richtschnur nimmt; eine Handlungs- weise, welche von der Erkenntnis abweicht, bringt die Leute ins Verderben.

51. (9687.) Wenn ihr die Erkenntnis habt, dann seid ihr sicherlich in jedem Sinne unanfechtbar, und zur Einheit mit dem Atman kann jeder irgend einmal gelangen.

52. (9688.) Aber manche Menschen, welche, vertrauend auf die Macht ihrer Rede, den Kanon nicht in Wahrheit verstehen^

Adhyaya 270 (B. 269). 459

werden von Begierde und Hafs iiberwaltigt und geraten unter die Herrschaft des Ahaiikara (der Selbstsucht).

53. (9689.) Die wahre Wesenheit der Lehrbiicher nicht verstehend, sind sie nur die Sklaven der Lehrbiicher, Diebe an Brahman, ohne Halt, dem Trug und der Tauschung hin- gegeben.

54. (9690.) Sie sehen iiberall nur Untugend und mogen sich daher nicht mit Tugenden befassen; sie sind das ver- korperte Tamas, und Tamas ist ihr hochstes Ziel.

55. (9691.) Wer ein der Prakriti gemafser Mensch ist und unter der Herrschaft der Prakriti steht, dem sind zu eigen Hafs und Begierde, Zorn, Trug, Unwahrheit und Rausch, (9G92.) und diese aus der Prakriti entspringenden Eigenschaften haften ihm immerdar an.

56. Wer in dieser Weise nach reiflicher Uberlegung die Sache ansieht, der lafst Gutes und Boses hinter sich, (9693.) es sind die, welche nach dem hochsten Ziele trachten, als Selbst- bezwinger, der Bezwingung froh.

SyiimavaQmi sprach :

57. (9694.) Das alles ist [auch] von mir, o Brahmane, auf Grund des Schriftkanons verkiindet worden, denn ohne Kenntnis des Schriftinhalts kann das rechte Tun nicht er- folgen.

58. (9695.) Jeder vernunftgemafse Lebenswandel entspricht dem ganzen Kanon, so lehrt die Schrift, und was nicht ver- nunftgemafs ist, das ist auch gegen den Kanon, das ist es, was die Schrift lehrt.

59. (9696.) Nicht gibt es ein rechtes Tun ohne den Schrift- kanon, das ist ganz gewifs, und was den Vedavorschriften widerstreitet, das geht gegen den Kanon an, so lehrt die Schrift.

60. (9697.) Viele, welche sich an die erscheinende Welt halten, haben eine von der Schrift abweichende Anschauung (ihre Erkenntnis ist durch Unwissenheit getrubt, sie er- mangeln der Erkenntnis und sind von TamaS umhiillt, dies nur in C), (9698.) sie sehen nicht ihre von der Schrift geriigten Fehler und leiden doch so gut wie wir [die wir

460 III. Mokshadharma. #

unsere Versiindigungen gegen die Schrift empfinden]; denn auch euch sind die Sinnendinge [und ihre Qual] mit alien iibrigen Geschopfen gemeinsam.

61. (9699.) Da dieses in bezug auf die Tatigkeit der vier Kasten und Lebensstadien, welche alle auf demselben Grunde stehen, alliiberall klar ist,

62. (9700.) so ist es nur fiir einen, welcher die Ewigkeit preist, die Kraft dazu hat und seinen Geist auf sie richtet, , denn [bei uns iibrigen] ist die Erkenntnis durch Unwissen- heit getriibt, [wir] ermangeln der Erkenntnis und sind von Tamas umhiillt [dies nur in B.].

63. nur fiir diesen Einen, dem Yoga Hingegebenen, wel- cher in jedem Sinne seine Aufgabe vollendet hat, (970i.) ist es moglich, allein von dem gereichten Bissen lebend mit Be- herrschung seines Selbstes (C. alliiberall) umherzuschweifen, (nur fiir diesen, der sich auf Streiten nicht mehr einlafst, in sich klar ist und Beherrschung seines Selbstes besitzt, dies nur in C.)

64. (9702.) nur fiir diesen ist es moglich, gestiitzt auf [gewisse] Vedalehren, zu behaupten, das sei die Erlosung, indem er dabei vom Schriftkanon, der unsere Kegel ist, ab- geht und alle Welt tadelt.

65. (9703.) Unser Werk aber, welches auf eine Famihe sich stiitzt, ist sehr miihsam auszufiihren : zu spenden, zu studieren, zu opfern, Kinder zu zeugen und dabei recht- schaflfen zu bleiben.

66. (9704.) Wenn einer das alles tut und dadurch nicht die Erlosung erreichen soil, dann ist es schade um den Tater und seine Werke, denn alle seine Miihe ist verloren.

67. (9705.) Nein! Jedes andere Verhalten, das dem Veda den Riicken kehrt, ist Nihilismus. Wie so etwas zur ewigen Erlosung fiihren soil, das mochte ich, o Heiliger, sogleich von dir horen.

68. (9706.) Sage mir die Wahrheit, o Brahmane, ich will dein Schiiler sein, belehre mich, o Meister! Wie die Erlosung von dir verstanden wird, das mochte ich gern von dir lernen.

So lautet im Mokshadharma die Begebenheit zwischen Kapila und der Kuh (go - kapiltyam).

Adhyaya 271 (B. 270). 461

Adhyftya 2U (B. 370).

Vers 9707-S>754 (B. 1-47).

Kapila sprach:

1 . (9707.) Die Veden sind Autoritat fiir alle Welten, nicht handelt es sich um ein Verfahren, das dem Veda den Riicken kehrt. Aber: Zwei Brahman's mufs der Mensch kennen, das Wortbrahman und das liochste,

2. (9708.) wer im Wortbrahman bewandert ist, erreicht auch das hochste Brahman (vgl. oben Vers 8540 fg.). Das Wesen des Leibes macht das aus, was [als Empfangnis- zeremonie usw. Nil.] in der Vedavorschrift den Leib bildet.

3. (9709.) Denn der Brahmane, dessen Korper in reiner Weise gebildet wurde, ist ein wiirdiges Gefafs; in diesem Sinne verstehe die ewige Erlosung [als Frucht] der Werke, ich will sie dir erklaren,

4. (9710.) wie sie besteht [auch] ohne heilige Lehre und phne Tradition als eine sichtbare und von der Welt bezeugte. Diejenigen, welche die Opfer nur aus Pflichtbewufstsein und ohne Hoffnung auf Lohn ausiiben,

5. (9711.) sind zum Entsagen durchgedrungen, frei von Begehren, von Mitleid und Unzufriedenheit unberiihrt; das ist der Weg zum Reichtum, dafs man Wiirdige beschenkt.

6. (9712.) Niemals auf bose Wege geratend, aber doch dem Werke hingegeben, an Geist und Gedanken vollkommen, im sicheren Besitze reiner Erkenntnis,

7. (9713.) frei voii Zorn und Murren, ohne Eigenliebe und Selbstsucht, in der Erkenntnis fest, dreimal rein und am Wohlsein aller Wesen sich erfreuend,

8. (9714.) so waren von je meistenteils die Hausvater, in ihren Werken ohne Ubertretung beharrend, und so waren auch die ihrer Aufgabe hingegebenen Konige und die nach der Vorschrift lebenden Brahmanen.

9. (9715.) Gleichmiitig waren sie und gradsinnig, zu- frieden und im sicheren Besitz der Erkenntnis, ihre Pflicht klar vor Augen habend, rein, glaubig im hochsttn und ticfsten [Brahman].

462 III. Mokshadharma.

10. (9716.) Von altersher wohlbereiteten Geistes und ihre Geliibde geziemend beobachtend, befolgten sie das Gesetz, auch in Elend und Not treu zusammenhaltend.

11. (9717.) Und indem sie treu zusammenhaltend das Ge- setz iibten, war dieses von jeher ihre Freude und niemals brauchte ihnen eine Siihne auferlegt zu werden.

12. (9718.) Denn die wahrhafte Pflicht iibend, galten sie fiir volhg uniiberwindhch , sie dienten nicht der Sinnenwelt, noch im geringsten dem Schein der Pflicht.

13. (9719.) Nur die vorziiglichste Moglichkeit wahlten sie sich gemeinsam als Richtschnur, und niemals brauchte ihnen eine Siihne auferlegt zu werden.

14. (9720.) Denn fiir solche, welche diese Vorschrift be- harrlich verfolgen, ist keine Siihne erforderlich, nur fiir einen schwachen Charakter besteht die Siihnung, so lehrt die Schrift.

15. (9721.) Von dieser Art gab es in alter Zeit viele opfer- bringende Priester, grofsgezogen in der dreifachen Wissen- schaft, rein, von gutem Wandel und ruhmreich,

16. (9722.) Tag fiir Tag die Opfer vollbringend, festhaltend an der Wunschlosigkeit und weise. Bei denen waren Opfer und Veden und Werke der heiligen Uberlieferung gemafs,

17. (9723.) das Vedastudium erfolgte zur rechten Zeit und die Entschliefsungen am rechten Orte, bei ihnen, welche frei von Begierde und Zorn, einem schwer zu befolgenden Wandel oblagen

18. (9724.) und, scharf ihre eigenen Werke betreibend, von Natur gescharften Geistes, geradsinnig, in der Gemiitsruhe bestandig, ihrer eigenen Werke sich befleifsigten,

19. (9725.) diesen war die vollstandige ewige Erlosung gewifs, so lehrt uns die unvergangliche Schrift. Von ihnen, welche unverdrossenen Gemiites einen schwer zu vollbringen- den Wandel iibten

20. (972G.) und mit den ihnen obliegenden Werken iiber- hauft waren, wurde eine furchtbare Askese geiibt. Von solchen aber, welche diesen guten, wunderbaren, alien, ewigen, festen Wandel

21. (9727.) nicht irgendwie einzuhalten vermochten, nament- Jich nicht die Feinheit in den Gesetzesbestimmungen denn

Adhyaya 271 (B. 270). 463

<ier Wandel, welcher es sich zum Gesetze macht, kein Unheil [(lurch Totung] anzurichten, ist der wahrhaft besonnene und unumstofsliche,

22. (!)728.) und durch ihn gab es in alien entstandenen Kasten keinerlei Ubertretung, von solchen wurde, wie die Brahmanen wissen, die eine Lebensordnung in die vier Lebens- «tadien zerlegt.

23. (972i).) Diese [neu geschaffene Ordnung] sich an- eignend, gelangen die Guten zum hochsten Ziel. Die einen, aus dem Hausvaterstande austretend, ziehen [als Vanaprastha] in den Wald hinaus,

24. (i)730.) nachdem sie vorher sich dem Hause gewidmet hatten. Von beiden verschieden sind die Brahmanschiiler, und -alle diese sind es, welche, als Zwiegeborene zu Sternen ge- Avorden, am Himmel sichtbar sind,

25. (9731.) wie die Mondhauser an ihren bestimmten Platzen als zahlreiche Sternhaufen, nachdem sie die ewige Erlosung •dank ihrer Vollberuhigung erlangt haben, so lehrt's der Veda.

26. (9732.) Und wenn solche wiederum zum Samsara zu- riickkehren und in einen Mutterschofs eingehen, so werden sie •doch niemals durch Ubeltaten befleckt, welche aus [friiheren] Werken entspringen.

27. (9733.) So steht es mit dem Brahmanschiiler, welcher <lem Lehrer gehorsam und in erhabener Sicherheit dasteht; wer so sich hingab, der ist ein wahrer Brahmane, jeder andere ist ein Schein-Brahmane.

28. (9734.) In dieser Weise gehort das Werk dem Menschen an, so heifst es, mag es gut oder bose sein. Die, welche so von Siinde gereinigt sind durch das Bewufstsein des Ewigen und durch die Schrift,

29. (9735.) denen wird die voile ewige Erlosung zuteil, so lehrt uns die unvergangliche Schrift, ihnen, welche von Begierde ftrislmdj freigeworden , reingewaschen und edlen Wesens sind.

30. (9736.) Die vierte Pflicht, welche in den Upanishad's gelehrt wird, ist gemeinschaftlich fiir alle, so bestatigt es <die Tradition {sntritij; sie wird von den Vollendeten allezeit

464 ni. Mokshadharma.

vollbracht, von den Brahmanen, die sich selbst bezwungen haben.

31. (9737.) Ihre Wurzel ist Zufriedenheit, ihr Wesen Ent- sagung, das Wissen wird ihr Standort genannt, sie ist die Erlosung verleihende Erkenntnis, die ewige, unvergangliche Pflicht des Selbstbezwingenden.

32. (9738.) Mag sie [mit den iibrigen drei Agrama's] ver- bunden oder fiir sich allein stehen, man iibt sie nach Kraften, sie ist jedem zuganglich, der so oder so zum Frieden ge- langt, und nur der Schwache erlahmt in ihr, (9739.) aber der Reine, der nach der Statte des Brahman strebt, wird aus dem Samsara erlost.

Syumaragmi sprach:

33. (9740.) Diejenigen, welche geniefsen, welche schenken, welche opfern und welche studieren, und wiederum diejenigen, welche infolge ihrer Erkenntnis der Sinnenwelt sich der Ent- sagung weihen,

34. (9741.) welcher von diesen alien ist nach dem Tode der am sichersten den Himmel Gewinnende? Das sage, o Brahmane, mir, der ich dich mit Bestimmtheit befrage.

Kapila sprach:

35. (9742.) Alle jene schonen Lebenstatigkeiten tragen zur Tugendhaftigkeit bei, erreichen aber nicht die Wonne der Entsagung, das wirst auch du einsehen.

Syumaragmi sprach:

36. (9743.) Ihr beharrt bestandig in der Erkenntnis, und der Hausvater verlafst sich auf die Werke, aber in bezug auf das Endziel sind alle Lebensstadien einig, wie man weifs.

37. (9744.) Mogen sie als Einheit oder voneinander ge- sondert betrachtet werden, in diesem Punkte sind sie nicht voneinander verschieden. Wie das der Vernunft nach sich verhalt, das sage mir, o Heiliger.

Kapila sprach:

38. (9745.) Die Werke sind Lauterung des Leibes, die Er- kenntnis ist das hochste Ziel. Wenn die Siinde durch die

Adhyaya 271 (B. 270). 465

Werke abgeschmolzen ist und das Bewufstsein des Ge- schmackes [an dem Hochsten] sich einstellt,

39. (9746.) dann folgen Wohlwollen, Geduld, Beruhigung, Nicht-Schadigung, Wahrhaftigkeit , Geradheit, Redlichkeit, Freiheit von Hochmut, Schamhaftigkeit , Ausdauer und Ge- miitsruhe.

40. (9747.) Das sind die Pfade, welche zu Brahman fiihren, durch sie erlangt man, was das Hochste ist; dieses wissend, moge man im Geiste den bestimmten Wert der Werke ver- stehen.

41. (9748.) Der Weg, welchen die in jeder Hinsicht be- ruhigten, gelauterten, erkenntnisfesten Brahman en mit Freudig- keit gehen, das ist der hochste Weg.

42. (9749.) Wer die Veden und das zu Wissende nach seiner Bedeutung erkannt hat, wer so ist, der wird ein Veda- kenner genannt, jeder andere ist nur ein Windmacher.

43. (9750.) Wer den Veda kennt, der kennt alles, im Veda ist alles gegriindet, denn im Veda ist das Fundament fiir alles zu finden, fiir das Seiende und fur das Nicht-Seiende.

44. (97B1.) Das ist das Fundament alliiberall dessen, was ist und was nicht ist, fiir den, der das Ende und die Mitte, das Seiende und das Nicht-Seiende versteht.

45. (9752.) Mit dem Worte Entsagung wird alles gesagt, was im Veda aufgestellt ist; das Wort Befriedigung folgt ihm nach, in der Erlosung wurzelnd.

46. (9753.) Recht, Wahrheit, Gewufstes, Wifsbares, All- seele, Bewegliches und Unbewegliches, alle Freude, was selig macht und mehr als das, das unoffenbare Brahman, der Urgrund, das Unvergangliche,

47. (9754.) Energie, Geduld, Beruhigung, Gesundheit, Schonheit und was dem gleich ist, der ewige feste Himmel, durch alle diese wird es mit den Augen der Er- kenntnis errungen, ihm sei Verehrung, dem Brahman und dem Brahmantrager.

So lautet im Mokshadharma die Begebenheit zwischen Kapila und der Kuh

(yo-kapiliyamj.

Dettssbk, Mahftbh&ratam. 30

466 ni. Mokshadharma.

Adhyaya 373 (B. 371).

Vers 9755-9810 (B. 1-56).

Yudhishthira sprach:

1. (9755.) Die Veden, o Bharata, riihmen das Gute, das Niitzliche und das Angenehme; welches von diesen dreien zu eriangen ist am wiinschenswertesten ? Das sage mir, o Grofs- vater.

Bhishma sprach:

2. (9756.) Dariiber will ich dir eine alte Geschichte er- zahlen von dem, was einstmals Kundadhara aus Liebe einem Verehrer zu Nutzen getan hat.

3. (9757.) Ein gewisser armer Brahmane betrieb das Gute um des Angenehmen willen und iibte, nach dem Niitzlichen trachtend, um des Opfers willen grausame Askese.

4. (9758.) Nachdem er sich darin befestigt hatte, verehrte er die Gotter, aber trotz der Verehrung, die er den Gottern zollte, gelangte er nicht zu Reichtum.

5. (9759.) Da kam er auf den Gedanken: Welche Gott- heit, deren Ohr von Menschen noch nicht betaubt ist, mochte mir sogleich gnadig sein?

6. (9760.) Da sah er einen Diener der Gotter, den Wolken- genius Kundadhara mit freundlicher Gesinnung vor sich stehen.

7. (9761.) Als er diesen Grolsarmigen erblickt hatte, fiililte er Zuneigung zu ihm und dachte: Dieser wird mir Gliick bringen, denn von solcher Art ist seine Gestalt;

8. (9762.) er steht sicher einer Gottheit nahe und wird nicht von anderen Menschen umlagert; der wird mir Eeich- tum verschaffen, machtig viel und in kurzer Zeit.

9. (9763.) Und der Brahmane begann ihn mit Raucher- werk, Wohlgeriichen, bunten Kranzen und mancherlei Spenden zu verehren.

10. (9764.) Da wurde der Wolkengenius in kurzer Zeit freudig gestimmt und sprach zu ihm das folgende, zur Hilfe- leistung verbindende Wort:

Adhyaya 272 (B. 271). 467

11. (9765.) „Fur einen Brahmanenmorder, einen Brannt- weintrinker, einen Dieb, einen Geliibdebrecher ist von den Guten eine Siihnung vorgeschrieben, fiir einen Undankbaren gihi es keine Siihnung.

12. (9766.) Des Wunsches Tochter ist die Ungerechtig- keit, der Zorn ist der Sohn der Unzufriedenheit, die Hab- sucht ist das Kind der Gemeinheit, der Undankbare ziichtet keine Nachkommenschaft [die noch schlimmer ware]."

13. (9767.) Darauf begab es sich, dafs dieser Brahmane "durch die Zauberkraft des Kundadhara, wahrend er auf einer Streu von KuQagras schlief, alle Wesen schaute.

14. (9768.) Vermoge seiner Gemiitsruhe, Askese und From- migkeit sah der von Gliicksgiitern. entblofste, herzensreine Brahmane in der Nacht ein Traumgesicht.

15. (9769.) Er sah namhch vor sich stehen im Kreise der Ootter den glanzreichen und edelgesinnten Manibhadra [einen Bruder des Kubera, des Gottes des Reichtums], wie er seine Verfiigungen traf, o Yudhishthira.

16. (9770.) Dabei verliehen die Gotter Konigreiche und Schatze, wo sie durch gute Werke giinstig gestimmt worden waren, und entzogen sie den Bosen.

17. (9771.) Und wahrend alle Yaksha's zusahen, neigte sich <ier glanzreiche [WolkengeniusJ Kundadhara und warf sich vor den Gottern nieder, o Stier der Bharata's.

18. (9772.) Aber der hochherzige Manibhadra, von den <jrottern dazu aufgefordert (tu devavacandt, C), sprach sodann 2u ihm , der vor ihm auf dem Boden lag : o Kundadhara, was ist dein Begehr?

Kundadhara sprach :

19. (9773.) Wenn die Gotter mir gnadig sein wollen, so ist da ein mir treuergebener Brahaiane, fiir den erbitte ich als Gnade, dafs etwas geschehe, was seinem Gliicke aufhilft.

20. (9774.) Darauf sprach Manibhadra zu diesem glanz- reichen Kundadhara, von den Gottern dazu aufgefordert, wiederum folgendes Wort:

30*

468 HI. Mokshadharma.

Manibhadra sprach:

21. (9775.) Steh auf, steh aiif, Heil sei dir, dein Wunscli sei gewahrt, sei gliicklich! Wenn jener Brahmane nach Reich- turn begehrt, so mag ihm Reichtum gegeben warden.

22. (9776.) Soviel Reichtum jener Brahmane, dein Freund,. begehren mag, soviel will ich ihm auf Befehl der Gotter an unermefslichem Reichtum geben.

23. (9777.) Da bedachte Kundadhara das Schwankende und Unsichere des Menschenwesens, und er richtete seine Absicht fiir den Brahmanen auf Askese, o Yudhishthira.

Kundadhara sprach:

24. (9778.) Ich bitte nicht um Reichtum fiir meinen Brah- manen, o Schatzespender, ich wiinsche, dafs meinem Ver- ehrer eine andere Gnade verhehen werde.

25. (9779.) Nicht wiinsche ich fiir meinen Verehrer die ganze mit Edelsteinen erfiillte Erde, nicht etwas Grofses, keinen Haufen von Juwelen, sondern ich wiinsche, dafs er ein rechtschaffener Mann werde.

26. (9780.) Moge sein Geist sich an Gerechtigkeit erfreuen> moge er von Gerechtigkeit leben, Gerechtigkeit sei sein Hoch- stes; das habe ich mir als Gnade fiir ihn ausgedacht.

Manibhadra sprach :

27. (9781.) Gerechtigkeit bringt jederzeit als Frucht Herr- schaft und mancherlei Freuden, moge er diese Friichte ge- niefsen frei von korperUchen Plagen.

Bhishma (der Erzahler) sprach:

28. (9782.) Darauf wiederholte der hochberiihmte Kunda- dhara mehrfach seine Bitte um [Verleihung von] Gerechtig- keit, und die Gotter waren erfreut dariiber.

Manibhadra sprach:

29. (9783.) Alle Gotter sind zufrieden mit dir und ebensa mit jenem Zwiegeborenen, er soil gerechten Wesens werden und auf Gerechtigkeit seinen Sinn richten.

30. (9784.) Da freute sich der "Wolkengenius, da er seinen

Adhyaya 272 (B. 271). 469

Zweck erreicht, o Yudhishthira, und die in seinem Herzen gewiinschte und von anderen schwer zu gewinnende Gabe €rlangt hatte.

31. (9785.) Da erblickte der Beste der Zwiegeborenen feine Kleider, welche neben ihm ganz nahe ausgebreitet lagen, und fand an ihnen kein Wohlgefallen.

Der Brahmane sprach :

32. (9786.) Der da oben beachtet meine frommen Werke nicht, welcher andere Gott wird sich dann aus meinen Leistungen etwas machen! Ich gehe in den Wald, es ist l)esser, der Gerechtigkeit zu leben.

Bhishma (der Erzahler) sprach:

33. (9787.) Vermoge seiner Weltverdrossenheit und der Gnade der Gotter ging der Beste der Zwiegeborenen darauf in den Wald und iibte gewaltige Askese.

34. (9788.) Von dem, was die Gotter und die Gaste iibrig liefsen, von Friichten und Wurzeln nahrte sich der Zwie- geborene; da erstarkte sein Geist in der Gerechtigkeit, o grofser Konig.

35. (9789.) Darauf verzichtete der Zwiegeborene auf alle Friichte und Wurzeln und lebte nur noch von Blattern, dann aber gab er auch die Blatter auf und nahrte sich nur noch von Wasser.

36. (9790.) Weiterhin aber verbrachte er viele Jahre, in- dem er nur von der Luft lebte, aber seine Lebenskraft liefs nicht nach, es war wie ein W under.

37. (9791.) Ihm, der sein Vertrauen auf die Gerechtigkeit setzte und in furchtbarer Askese lebte, wurde nach langer Zeit ein gottlicher Blick zuteil,

38. (9792.) und es wurde ihm klar: Wenn ich jetzt je- mandem, weil ich mit ihm zufrieden bin, [durch die Kraft meiner Askese] Reichtum geben wollte, so wiirden meine Worte nicht unerfiillt bleiben.

39. (9793.) Da nahm er mit heiterem Angesicht noch starkere Askese in Angriff und tiberlegte als Vollendeter weiter, was er wohl als Hochstes begehren mochte.

470 III. Mokshadharma.

40. (9794.) Wenn ich jetzt jemandem, well ich mit ihm zufrieden bin, ein Konigreich geben wollte, so wiirde er als- bald Konig sein und meine Worte wiirden nicht unerfiillt bleiben.

41. (9795.) Da erschien ihm, o Bharata, leibhaftig Kunda- dhara, kraft der Askese des Brahmanen und auch von Freund- schaft zu ihm angetrieben.

42. (9796.) Als er diesen nun gegenwartig vor sich sah, da zollte der Brahmane dem Kundadhara die gebiihrende Ver- ehrung und stand von Erstaunen erfiillt, o Fiirst.

43. (9797.) Da sprach Kundadhara: Das hochste gottliche Auge ist dir verhehen, so sieh dir einmal mit diesem Auge den Weg der Konige und die Wehen an, o Brahmane.

44. (9798.) Da sah der Brahmane mit seinem gottlichen Auge von feme, wie Tausende von Konigen in die Holle gestiirzt waren.

Kundadhara sprach:

45. (9799.) Wenn du, der du mich mit Liebe verehrt hast, einmal ins Ungliick geraten solltest, was konnte ich dann etwa fiir dich tun, welche Gnade konnte ich dir er- weisen ?

46. (9800.) Sieh noch einmal besser zu, wie es dem nach Liisten begehrenden Menschen ergeht, denn vor alien ist diesen Menschen die Pforte des Himmels verschlossen.

Bhishma (der Erzahler) sprach:

47. (9801.) Da sah er die Menschen stehen, wie sie sich hingewendet batten zu Lust, Zorn, Begierde, Furcht, Rausch, Schlaf, Mattigkeit und Schlaffheit.

Kun4adhara sprach :

48. (9802.) Durch diese Dinge sind die Himmelswelten verschlossen. Die Gotter entsetzen sich vor dem Menschen- wesen. Und diese Dinge sind es, welche nach dem Ausspruch der Gotter allenthalben Hindernisse in den Weg legen.

49. (9803.) Nicht ohne Bewilligung der Gotter kann ein Mensch zur Rechtschaffenheit gelangen, du aber als ein solcher

Adhyaya 272 (B. 271). 471

bist kraft deiner Askese im stande, Konigreiche und Reich- tiimer zu verleihen.

Bhishma (der Erzahler) sprach:

50. (9804.) Da neigte sich der Brahmane mit dem Haupte zu den Fiifsen des Wassertragers und sprach zu ihm, von Gerechtigkeit erfiillt: Grofse Gnade ist mir zuteil geworden.

51. (9805.) Wenn ich aus Hang nach Lust und Begierde vordem gegen dich murrte und deine Liebe zu mir verkannte, so mogest du mir das verzeihen.

52. (9806.) Ich habe es dir verziehen, sprach Kundadhara zu dem Besten der Zwiegeborenen, umschlang ihn mit seinen Armen und verschwand.

53. (9807.) Sodann durchstreifte der Brahmane alle Welten, nachdem er durch die Gnade des Kundadhara und durch seine Askese die Vollendung erreicht hatte.

54. (9808.) Denn das FHegen durch die Luft und die Er- fiillung aller Wiinsche [wird erreicht] durch die aus Gerech- tigkeit und Hingebung fyogaj entspringende Kraft, sowie auch ferner das hochste Ziel.

55. (9809.) Gotter, Brahmanen, Rechtschaffene , Halb- gotter, Menschen und himmhsche Sanger, sie alle ehren in dieser Welt die Gerechten, nicht die Reichen und nicht die Begehrlichen.

56. (9810.) Die Gotter sind dir sehr gnadig, weil dein Sinn sich an der Gerechtigkeit freut; im Reichtum (dhane mit C.) hegt nur geringe Befriedigung, in der Gerechtigkeit aber das hochste Gliick.

So lautet im Moksitadharma die Erzahlung von Kundadh&ra (Kumfadhdra - updkhydnam),

Aclhyaya 373 (B. 373).

.^ Vers 9811-9830 (B. 1-20).

Yudhishthira sprach: 1. (9811.) Da so viele Opfer und Askesen unternommen werden, um denselben Zweck [das Gliick] zu erlang^n, o Grofs- vater, wie mufs ein Opfer eingerichtet sein, damit es dem

472 ni. Mokshadharma.

Zwecke der Gerechtigkeit und nicht dem Zwecke des Gliicks diene ?

Bhishma sprach:

2. (9812.) Hieriiber will ich dir eine von Narada berichtete alte Begebenheit erzahlen von einem, der von Ahrenlesen lebte und dabei ein Brahmane war.

Narada sprach:

3. (9813.) In dem durch Gerechtigkeit hervorragenden vor- trefflichen Reiche der Vidarbha's war ein gewisser Zwie- geborener, ein weiser Mann, der von Ahrenlesen lebte und sich einstmals anschickte, ein Opfer darzubringen.

4. (9814.) Seine Nahrung bestand aus Qyamakam, Surya- parni, Suvarcala nebst anderen bitteren und wqdrigen Pflan- zen, welche fur ihn yermoge seiner Askese schmackhaft waren,

5. (9815.) und da er im "Walde durch die Schonung aller Wesen zur Lauterkeit gelangt war, so war auch sein nur aus Wurzeln und Friichten bestehendes Opfer geeignet, den Himmel zu erwerben, o Feindbedranger.

6. (9816.) Seine Gattin , die infolge ihres Geliibdes ab- geraagerte und reine Pushkaradharini , war von ihm mit- genommen worden und wurde als Opferer- Gattin von ihm, dem Satya, verwendet;

7. (9817.) sie hatte sich aber seiner Lebensweise nur aus Furcht vor seinem Fluche angeschlossen ; ihr aus abgefallenen Pfauenfedern bestehendes Kleid war zierlich gebildet.

8. (9818.) Obgleich sie nicht dazu geneigt war, nahm sie doch auf Befehl ihres als Hotar fungierenden Gatten am Opfer teil. Nun geschah es, dafs auf Befehl des Qukra ein frommer Mann, namens Parnada,

9. (9819.) der in demselben Walde in der Nahe w^ohnte, sich in eine den Wald bewohnende Gazelle verwandelte. Die sprach zu Satya die Worte : Was du da tust, ist schlecht getan,

10. (9820.) wenn dein Opfer ohne die Spriiche und die gehorigen Zutaten dargebracht wird. 0 Herr, fiige mich [als Opfertier] bei deinem Opfer ein und gehe dann, frei von Vor- wurf, zum Himmel empor.

Adhyaya 273 (B. 272). 473

11. (i)82i.) Welter erschien bei seinem Opfer in leibhafti- ger Gestalt die Sonnengottin Savitri und redete ihm auch zu, aber auf ihre Aufforderung erwiderte er: Ich mag die Mit- bewohnerin dieses AValdes nicht toten.

12. (9822.) Auf diese Worte bin wandte sie sich um und sprang ins Opferfeuer hinein, um die Unterwelt zu sehen, [in- dem sie ausrief:] Wie kann dies beim Opfer als Ubeltat er- scheinen !

13. (9823.) Da bat die Gazelle den Satya, der mit zu- sammengelegten Handen dastand, abermals, aber Satya um- armte sie und befahl ihr: Gehe von hinnen!

14. (9824.) Da ging die Gazelle acht Schritte weit weg und kam wieder zuriick und sprach : Tote mich nur ohne Um- stande, o Satya, getotet werde ich den Weg der Guten gehen.

15. (9825.) Sieh einmal mit dem Auge, welches ich dir verleihe, diese himmlischen Apsaras (Gottermadchen) und die glanzenden Palaste der hochsinnigen Gandharva's (der himm- lischen Musiker).

16. (9826.) Nachdem er lange Zeit mit einem von Be- gierde gefesselten Auge diesen Anblick genossen hatte, schaute er auf die Gazelle und fing an die durch ihre Totung erlang- bare Himmelswelt zu begehren.

17. (9827.) Da wurde die Gazelle, welche viele Jahre den Wald bewohnt hatte, zu Dharma (dem Gott des Rechts) und vollzog seine Rettung, [mit den Worten:] Nicht ist dies die rechte Art des Opfers.

18. (9828.) Aber ihm, da er die Gazelle hatte toten wollen, war infolgedessen seine grofse Askese verlorengegangen. Somit ist die Totung nicht opfermafsig.

19. (9829.) Darauf lehrte ihn der heilige Dharma selbst die rechte Art des Opfers, und durch erneute Askese gelangte er auch zu vollstandiger Ubereinstimmung mit seiner Gattin.

20. (9830.) Schonung der Wesen begreift die ganze Pflicht in sich, ihre Totung aber ist kein gutes Gesetz. Ich will dir aber der Wahrheit gemafs sagen, was (yo, mit C.) die Pflicht der Wahrheitredenden ist.

So lautet im Mokshadharma dio Verwerfung des [Ticr-]0pfcr8 Ojajna -nhicld)

474 111. Mokshadharma.

Adhyaya 274 (B. 273).

Vers 9831-9854 (B. 1-24).

Yudhishthira sprach:

1. (9831.) Wie wird man zu einem Bosewicht und wie er- fiillt man die Pflicht ? Wie erreicht man die Weltverdrossen- heit und wie gelangt man zur Erlosung?

Bhlshma sprach:

2. (9832.) Bekannt sind dir alle Pflichten, aber um der Bestatigung willen fragst du, so vernimm denn die Erlosung nebst der Weltverdrossenheit , das Bose und die Pflicht von Grund aus.

3. (9833.) Dem Erkennen der fiinf Sinnesobjekte geht vor- her der Wunsch, und wenn man eines derselben erlangt hat, entstehen Liebe und Hafs, o Stier der Bharata.

4. (9834.) Dann ist man um dessentwillen bestrebt und unternimmt ein grofses Werk und wiinscht die angenehmen Gestalten oder Geriiche wiederholentKch zu geniefsen.

5. (9835.) Dann entspringt die leidenschaftKche Liebe und der Hafs unmittelbar darauf, dann entspringt Habgier und Verblendung unmittelbar darauf.

6. (9836.) Wer aber von Habgier und Verblendung be- herrscht, von Liebe und Hafs erfiillt ist, dessen Sinn richtet sich nicht auf die Pflicht, und nur aus Falschheit tut er die Pflicht.

7. (9837.) Durch Falschheit iibt man die Pflicht, durch Falschheit hat man Gefallen an einer Sache, so dafs' durch Falschheit Reichtiimer erworben werden, o Liebling der Kuru's.

8. (9838.) Auf diese Weise ist er verstandig, auf diese Weise wiinscht er Boses zu tun, wenn ihn auch Freunde und Weise davor warnen, o Bharata.

9. (9839.) [Aus Falschheit] entgegnet er ihnen, was mit dem Gesetz in Einklang und durch die heilige Vorschrift ge- fordert ist; dreifach [in Gedanken, Worten und Werken] wachst seine Ungerechtigkeit, aus Leidenschaft und Ver- blendung entspringend :

Adhyaya 274 (B. 273). 475

10. (9840.) Er denkt, spricht und tut Boses, und indem er auf dem Wege der Ungesetzlichkeit fortschreitet, erkennen die guten Menschen seine Fehler.

11. (9841.) Die aber einen gleichen Charakter mit ihm haJjen, unterhalten Freundschaft mit dem Ubeltater; er kommt in diesem Leben nicht zum Gliicke, wieviel weniger im jen- seitigen !

12. (9842.) So steht es mit dem Ubelgesinnten, hore jetzt von mir iiber den Wohlgesinnten , und wie er, der rechten Pflicht obliegend, zum rechten Ziele gelangt.

13. (9843.) Denn vermoge der rechten Pflicht geht er den guten Weg, indem er mit Weisheit die genannten Fehler voraussieht und meidet.

14. (9844.) Bewandert in dem, was zum Gliick und Un- gliick fiihrt, pflegt er Umgang mit den Guten, und durch seinen Verkehr mit den Guten und durch die Ubung wachst er immer mehr.

15. (9845.) Sein Geist freut sich art der Pflicht und lebt von der Pflicht, und nur auf solche Schatze, die mit Recht- schaflenheit gewonnen werden, richtet er seinen Sinn.

IG. (9846.) Nur von solchem begiefst er die Wurzel, von welchem er Tugenden [als Friichte] hofft; so wird er von Pflichtbewufstsein durchdrungen und gewinnt sich einen edlen Freund.

17. (9847.) Durch die Erlangung von Freunden und Giitern ist er begliickt im Jenseits und schon hienieden. Uber Tone, Gefiihle, Geschmacke, Gestalten und Geriiche, o Bharata,

18. (9848.) erlangt ein solcher Mensch die Herrschaft, das ist die Frucht seiner Rechtschaffenheit ; aber obgleich er die Frucht seiner Rechtschaffenheit erntet, freut er sich doch nicht, o Yudhishthira.

19. (9849.) Unbefriedigt erfafst er mit dem Auge der Er- kenntnis die Weltverdrossenheit. Und wenn das Auge der Er- kenntnis keinen Gefallen mehr findet an Begierde, an Ge- schmack und Geruch,

20. (9850.) und er auf Ton, Gefiihl und Gestalt nicht mehr seinen Geist lenkt, dann kommt er los von der Begierde, aber die Rechtschaffenheit lafst er nicht los.

-476 III. Mokshadharma.

21. (9851.) Er strebt voran, indem er auf die [rituelle] Pflicht verzichtet, da er die Verganglichkeit der Welt erkannt hat, nur nach Erlosung strebt er dann, gestiitzt auf ein Mittel, <3as zum Zwecke fiihrt.

22. (9852.) Nach und nach ergreift er die Weltverdrossen- heit und lafst das bose Werk fahren, dann wird er von Ge- rechtigkeit erfiillt und erlangt die hochste Erlosung.

23. (9853.) Damit ist dir erklart worden, o Freund, wo- nach du mich fragst, das Bose und das Gute, die Erlosung ^ind die Weltverdrossenheit, o Bharata.

24. (9854.) Darum bleibe dem Guten treu in jeder Lage, o Yudhishthira ; die im Guten beharren, o Kuntisohn, er- langen die ewige Vollendung.

So lautet im Mokshadbarma der Abschnitt von den vier Fragen (catiilj -prdfnikaiii}.

Adhyaya 275 (B. 274).

Vers 9855-9S73 (B. 1-19).

Yudhishthira sprach :

1. (9855.) Die Erlosung ist von dir, o Grofsvater, erklart ^vorden auf Grund eines Mittels, das zum Zwecke fiihrt. Dieses Mittel mochte ich in gehoriger Weise kennen lernen, o Bharata.

Bhishma sprach :

2. (9856.) Deiner wiirdig, o sehr Weiser, ist diese ver- standige Einsicht, nach dem Mittel zu fragen, durch welches ■du bestandig dem vollen Sinn nachspiiren willst, o Untadliger.

3. (9857.) Das Bewufstsein, welches bei der Anfertigung -eines Topfes besteht, ist nicht mehr dasselbe gegeniiber dem fertigen Topfe ; so ist, wo es sich um die Mittel zur [hochsten] Pflicht handelt, dasjenige nicht mehr Ursache, was es bei ■den anderen [niederen] Pflichten war. [Letztere beruhen auf pravritti, Tatigkeit, erstere auf mvrifti, Abstehen vom Tun.]

4. (9858.) Der Weg nach dem ostlichen Ozean hin fiihrt jiicht zu dem westlichen Ozean, ein eigentiimlicher ist der

Adhyaya 275 (B. 274). 477

Weg, der zur Erlosung fiihrt; vernimm ihn von mir mit Aus- fiihrlichkeit.

5. (9859.) Durch Langmut soil man den Zorn iiberwinden, die Begierde durch Fernhaltung der Wiinsche; durch Pflege des Sattvam soil der Weise den Schlaf abtun.

6. (9860.) Durch Besonnenheit soil man die Furcht ver- hiiten, durch fleifsige Betrachtung des Kshetrajna den Atem [regeln]; Wunsch, Hafs und Liebe soil man durch Beharr- lichkeit beseitigen.

7. (9861.) Unstetheit, Verblendung und Strudelhaftigkeit soil der Wesenskundige durch Ubung, Schlaf und Phantasterei durch Wissenseifer beseitigen.

8. (9862.) Anfalle und Krankheiten durch leichtverdau- liche und mafsige Nahrung, Begierde und Verblendung durch Zufriedenheit, die Sinnendinge durch Schauen der wahren Realitat.

9. (9863.) Durch Mitleid soil er die Ungerechtigkeit be- siegen, durch Riicksichtnahme die Gerechtigkeit [ersiegen], durch Anspannung iiberwinde er die Hoffnung, die Geldgier durch Befreiung vom Welthang,

10. (9864.) das Halten am Materiellen durch Bewufstsein der Verganglichkeit, den Hunger als Weiser durch den Yoga, durch Mitgefiihl den Eigendiinkel und den Durst ftrisJind) durch Geniigsamkeit.

11. (9865.) Durch Friihaufstehen bekampfe er die Trag- heit, den Zweifel durch Bestimmtheit, die Geschwatzigkeit lege er ab durch Schweigen, die Furchtsamkeit durch Mut^

12. (9866.) Er zahme Reden und Gedanken durch die Buddhi,. diese zahme er durch das Auge der Erkenntnis, die Erkennt- nis durch Erweckung des Atman, den Atman durch den Atman selbst.

13. (9867.) Dies alles soil der Beruhigte reinen Werkes verstehen und die Hindernisse fdoshdii) des Yoga ausrotten, deren die Weisen fiinf kennen.

14. (9868.) Lust, Zorn, Begierde, Furcht und Schlaf als fiinftes hinter sich lassend, soil er schweigend mit Hilfe des Yoga beharren [in dem Folgenden].

15. (9869.) Meditation, Studium und Spenden, Wahrhaftig-

478 III. Mokshadharma.

keit, Scham, Geradheit und Geduld, Lauterkeit, Keinheit in der Ernahrung und Bezahmung der Sinne,

16. (9870.) durch diese wachst seine Kraft und schlagt das Bose nieder, dann gehen seine Wiinsche in Erfiillung und seine Erkenntnis schreitet fort.

17. (9871.) Der Siinde ledig und voll Energie, mafsig in der Nahrung, seine Sinne bemeisternd, Herr iiber Lust und Zorn, moge er der Statte des Brahman zustreben.

18. (9872.) Unbetortheit, Nicht-Anhanglichkeit, Freiheit von Begierde und Zorn, Unverdrossenheit, Bescheidenheit, Uner- schiitterlichkeit und Bestandigkeit,

19. (9873.) das ist der Weg, der zur Erlosung fiihrt, der ruhige, fleckenlose, reine, so wird die Herrschaft iiber Rede, Leib und Denken erlangt, frei von Begierde.

So lautet im Mokshadharma die Schilderung des Yogawandela

(i/offa - dcdra - anuvarnanam).

Adhyaya 276 (B. 375).

Vers 9874-9913 (B. 1-38).

Bhishma sprach:

1. (9874.) Dariiber erzahlt man sich folgende alte Ge- schichte, namlich die Unterredung des Narada mit dem Asita Devala.

2. (9875.) Den alten Devala, den Vorziiglichsten der Ver- standigen an Verstand, wie er dasafs, befragte Narada nach Ursprung und Vergang der Wesen.

Narada sprach :

3. (9876.) Woher, o Brahmane, ist diese ganze Welt des Unbeweglichen und Beweglichen geschaffen worden, und zu wem geht sie beim Untergange ein? Das mogest du, o Herr, mir sagen.

Asita sprach:

4. (9877.) Woraus er, durch seine Natur veranlafst, im Laufe der Zeit die Wesen schafft, das bezeichnen die iiber das

Adhyaya 276 (B. 275). 479

Gewordene Nachdenkenden als die fiinf grofsen Elemente {mahdbhtitdnij.

5. (9878.) Aus diesen schafft er die Wesen im Laufe der Zeit, angetrieben durch sicii selbst; wer etwas von ihnen Verschiedenes [als Ursache] angibt, der gibt unzweifelhaft etwas Falsches an.

6. (9879.) Wisse, o Narada, dafs diese fiinf ewigen, un- wandelbaren, bestandigen Anhaufungen der grofsen Energie nebst Kala (der Zeit) als sechstem urspriinglich sind,

7. (9880.) namlich das Wasser und der Ather fantariJcshawJ, die Erde, der Wind und das Feuer; denn es gab nichts Hoheres als diese Elemente, daran ist nicht zu zweifeln.

8. (9881.) Durch keinen Beweis, durch keine Argumenta- tion kann jemand behaupten, dafs dem nicht so sei, das steht fest, Du weifst, dafs diese [grofsen Elemente] sich ent- wickelt haben [aus der Energie, tejas], deren Anhaufungen alle sechs sind.

9. (9882.) Diese fiinf und die Zeit, sowie das Werden und das Zunichtewerden noch besonders das sind die acht ewigen Elemente der Wesen, sind ihr Ursprung und ihr Vergang.

10. (9883.) In diesen gelangen sie zum Zunichtewerden und aus ihnen entspringen sie wieder, und ihnen entsprechend wird ein Wesen beim Untergange in die Fiinfheit aufgelost.

11. (9884.) Sein Leib besteht aus Erde, das Gehor ist aus Ather gebildet, aus der Sonne das Auge, der Odem aus dem Winde, aus dem Wasser das Blut.

12. (9885.) Augen, Nase, Ohren, Haut und Zunge als fiinftes sind die Sinnesorgane , die Erkenntnisorgane fiir die Sinnendinge, wie die Weisen lehren.

13. (9886.) Das Sehen, Horen, Riechen, Fiihlen und Schmecken erkenne aus der Angemessenheit als ihre Eigen- schaften fyiina)^ fiinf in den fiinfen fiinffacher Art.

14. (9887.) Gestalt, Geruch, Geschmack, Beriihrung und Ton wiederum sind die Eigenschaften von jenen [Elementen]; sie werden als fiinf in fiinffacher Weise mittels der fiinf Sinne wahrgenommen.

15. (9888.) Aber Gestalt, Geruch, Geschmack, Beriihrung

480 III. Mokshadharma.

und Ton wiederum als die Eigenschaften jener [Elemente] werden nicht von den Sinnen erkannt, sondern der Kshe- trajfia (das Subjekt des Erkennens) ist es, welcher durch sie erkennt.

16. (9889.) Das Cittam (hier: die Wahrnehmung ) steht hoher als der Komplex der Sinnesorgane, hoher als dieses steht das Manas, hoher als das Manas die Buddhi, hoher als die Buddhi der Kshetrajna.

17. (9890.) Zuerst nimmt ein Mensch mittels der Sinne die einzelnen Objekte wahr fcetayatej, sodann erwagt er mittels des Manas und dann entscheidet er mittels der Buddhi, (9891.) denn iiher die durch die Sinne wahrgenommenen Dinge entscheidet der mit Buddhi Begabte.

18. Das Cittam, der Komplex der Sinnesorgane, das Manas und die Buddhi als achte (9892.) diese acht be- zeichnen als die Erkenntnisorgane fjndna-indriydnij die, welche iiber die innere Seele nachdenken.

19. Hande und Fiifse, Entleerungs- und Zeugungsorgan und als fiinftes der Mund, (9893.) diese werden als Tatorgane (harma-indriydnij aufgefiihrt, das merke.

20. Der Mund heifst Organ, weil er zum Keden und Essen dient, (9894.) das Organ des Gehens sind die Fiifse, die Hande dienen zum Vollbringen des Werkes.

21. Entleerungs- und Zeugungsorgan dienen der Ent- leerung als Organe von gleicher Verrichtung, (9895.) zur Ent- leerung der Faeces und zur geschlechtlichen Entleerung.

22. Als sechstes kommt dazu die Kraft {balamj; diese sechs sind, wie es sich gehort, durch meine Rede [erklart worden]; (9896.) die Eigenschaften aber der Erkenntnisorgane und Tatorgane wurden von mir fiir samtliche namhaft gemacht.

23. Wenn wegen Ermiidung der Sinnesorgane ein Aus- ruhen von ihrer Tiitigkeit eintritt, (9897.) dann fallt zufolge des Versagens der Sinnesorgane der Mensch in Schlaf.

24. Wenn beim Ruhen der Sinnesorgane das Manas nicht ruht, (9898.) sondern sich mit den Objekten beschaftigt, so heifst das ein Traumgesicht.

25. Was nun die sattvahaften Zustande sowie die tamas- artigen und rajas-artigen betrifft, (9899.) so lehren die Weisen>

Adhyaya 276 (B. 275). 481

dafs sie an Werke gebunden sind, die sattvahaften so gut wie die andern.

26. Wonne, Gelingen der Werke, Erkenntnis und hoch- ster Gang (9900.) sind Anzeichen des Sattvahaften. Die Er- innerung [im Traume] stiitzt sich auf jene Zustande

27. in dem Mafse, wie bei jedem einzelnen Menschen die Zustande sich in Handlungen umgesetzt haben. (9901.) Diese beiden Zustande aber [Wachen und Traum] haben einen wahrnehmbaren Zugang zu dem ewigen Ziele der Sehnsucht [namhch im Tiefschlaf, Nil.].

28. Die Indriya's [fiinf Erkenntnisorgane nebst Manas, fiinf Tatorgane nebst Balam (der Kraft), dazu Cittam und Buddhi] und die Zustande [Sattvam, Rajas, Tamas] werden als die siebzehn Eigenschaften betrachtet; (9902.) iiber ihnen steht als achtzehnte die Seele, welche im Leibe wohnt, und sie ist ewig.

29. Nun sind zwar alle diese Eigenschaften der Ver- korperten mit dem Korper verbunden (9903.) und auf ihn sich stutzend, aber bei der Trennung der Seele von ihm bleiben auch sie nicht langer mit dem Korper verbunden.

30. Nun bildet dieses Gemisch den aus den ^ fiinf Ele- menten bestehenden Leib: (9904.) der Eine [Kshetrajiia] und die Achtzehn, namlich die [siebzehn] Eigenschaften nebst der verkorperten Seele mitsamt der Korperwarme bilden das zwanzigfache, fiinfelementhafte Aggregat.

31. (9905.) Diesen Korper halt zusammen der Mohan in Gemeinschaft mit dem Winde, seine gewaltige Wirkung zeigt sich bei der Trennung [der Seele] vom Korper.

32. (9906.) In dem Mafse, als irgendein [Geschopf] ent- steht, geht es wieder in die fiinf Elemente zuriick, wenn das Gute und Bose [der vorhergehenden Geburt] verbraucht ist. Und abermals von guten und bosen Werken getrieben, (9907.) geht sie [die Seele] mit der Zeit in einen durch ihre Werke bedingten neuen Leib ein.

33. Immer wieder loslassend, geht aus einem Leibe in den andern ein, auf ihre Werke gestiitzt (9908.) und von der Zeit getrieben, die Seele wie aus einem verfallenen Hause in ein neues.

Deussbn, Mah&bhftratam. 31

482 ni. Mokshadharma.

34. Hieriiber betriiben sich nicht die in der Gewifsheit gefestigten Weisen, (9909.) es betriiben sich nur die bemit- leidenswerten Menschen, welche sich an den Korper gebunden wahnen.

35. Denn er [der Atman] ist in Wahrheit nicht ein ge- wisser und einem gewissen gehorig, und ihm gehort keiner (vgh Kath. Up. 2,18), (99io.) sondern er besteht ewig fiir sich allein und schafft sich den Korper nebst Lust und Leid.

36. Nicht wird geboren ein Mensch und niemals geht er zugrunde, (99ii.) sondern das Korperhafte verlassend, geht er einstmals den hochsten Gang.

37. Den durch gute und bose Werke bedingten Leib vernichtet er, indem er seine Werke vernichtet, (9912.) und ist der Korper vernichtet, so kehrt der Verkorperte in die Brahmanwesenheit zuriick.

38. Um die guten und bosen Werke zu vernichten, dazu ist uns die Sankhya-Erkenntnis verhehen. (9913.) Sind sie ver- nichtet, so erbhckt man fiir ihn das hochste Ziel in der Brahmanwerdung.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Narada und Asita (Ndrada - Asita - sainvdda).

Adhyaya 377 (B. 376).

Vers 9914-9927 (B. 1-14).

Yudhishthira spradi :

1. (9914.) Briider, Vater, Enkel, Verwandte, Freunde und Sohne sind um des Gewinnes willen von uns grausamen Missetatern erschlagen worden.

2. (9915.) Was dieser aus Gewinnsucht entspringende Durst (trishndj ist. wie kann ich den, o Grofsvater, zur Ruhe bringen? Denn durch den Durst getrieben haben wir Boses getan.

Bhishma sprach:

3. (9916.) Auch dariiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namhch was von dem Konige der Videha's dem Mandavya auf seine Frage vorgetragen wurde.

Adhyaya 277 (B. 276). 483

4. (9917.) Fiirwahr, ich lebe ganz gliicklich, well mir gar nichts angehort; wenn ganz Mithila verbrennt, so verbrennt nichts, was mein ware.

5. (9918.) Reichtum, auch wenn er sehr grofs ist, ist fiir- wahr ein Ungluck fiir die Weisen, aber auch wenn er sehr klein ist, vermag er doch jederzeit den Unweisen zu blenden.

6. (9919.) Die weltHche Freude an der Lust und die grofse himmhsche Freude sind beide nicht den sechzehnten Teil von dem wert, was die Freude an der Aufhebung des Durstes wert ist.

7. (9920.) Wie das Horn einer Kuh wachst in dem Mafse, wie sie wachst, so wachst der Durst in dem Mafse, wie der Reichtum wachst.

8. (9921.) Wenn uns irgend etwas als Besitztum zu eigen geworden ist, so wird es ebenso sehr zur Qual, wenn es verloren gehen sollte.

9. (9922.) Man folge nicht der Lust, denn die Freude an der Lust ist fiirwahr ein Leid, wer aber zu Reichtum gelangt ist, stelle ihn in Dienst des Guten und lasse die Liiste fahren.

10. (9923.) Der Wissende moge alle Wesen behandeln wie sich selbst; wer seinen Zweck erreicht hat und reinen Wesens ist, der leistet Verzicht auf alJes.

n. (99-24.) Wenn er beidem entsagt, der Wahrheit und Unwahrheit, dem Schmerz und der Lust, dem Lieben und Un- heben, wenn er Furcht und Furchtlosigkeit hinter sich lafst, dann lebt er in Gemiitsruhe und Gesundheit.

12. (9925.) Der von Ubelberatenen schwer aufzugeben ist, der mit dem Alternden nicht altert, der eine Krankheit ist, die erst mit dem Leben endigt, das ist der Durst, wohl dem, der ihm entsagt.

13. (9926.) Darauf sehend, dafs sein Wandel rein wie der Mond und ohne Anstofs sei, erntet der Pflichttreue Ehre, im Jenseits und hienieden, soviel er wiinscht.

14. (9927.) Als der Brahmane dieses Wort des Konigs ver- nommen hatte, wurde er von Freude erfilllt, und indem er dieses Wort in Ehren hielt, gelangte er, Mandavya, zur Erlosung.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Janaka und M&ndayya (Janaka - Mdndavya - samvdda).

31*

484 III. Mokshadharma.

Adhyaya 378 (B. 211).

Vers 9928-9966 (B. 1-39).

Dieser Abschnitt ist, abgesehen von einigen unerheblichen Auslas- sungen, Umstellungen und Varianten identisch mit Adhyaya 175, obeu S. 118—122.

Adhyaya 379 (B. 378).

Vers 9967-9981) (B. 1-22).

Yudhishtbira sprach:

1. (9967.) Durch welchen Charakter, welchen Wandel^ welche Wissenschaft, welches Streben erlangt man die Statte des Brahman, die feste, iiber die Natur (Prakriti) erhabene?

Bhishma sprach:

2. (9968.) Wer seine Freude an den Kegeln fiir die Er- losung fmokshadharmdhj hat, sich mafsig nahrt und seine Sinne beherrscht, der erlangt die Statte des Brahman, die feste, iiber die Natur erhabene.

3. (9969.) Aus seinem Hause ausziehend und gleichgiiltig gegen Besitz und Nicht-Besitz, soil der Muni mit Verachtung der auf ihn einstiirmenden Begierden umherpilgern.

4. (9970.) Nicht durch den Blick, nicht in Gedanken, nicht durch die Rede soil man etwas mifsbilligen , nicht offen und nicht im Geheimen soil er irgendwo seine Mifsbilligung zum Ausdruck bringen.

5. (9971.) Kein Wesen soil er verletzen, den Pfad des Wohl- wollens verfolgend hinwandeln, und da er einmal in dieses Dasein geraten ist, soil er mit keinem in Feindschaft leben.

6. (9972.) Ubermiitige Reden ertrage er, gegen niemanden hege er hose Absichten, wird er erziirnt, so rede er freund- lich, schreit man ihn an, so entgegne er mit heilbringenden Worten.

7. (9973.) Geht er mitten durch ein Dorf, so soil er nicht nach rechts oder links abschweifen, er soil nicht [gewerbs-

Adhyaya 279 (B. 278). 485

mafsig] betteln und einer vorherigen Einladung nicht Folge leisten.

8. (9974.) Wird er beworfen, so nehme er sich wohl in acht und entgegne nichts Unfreundliches , er sei milde, er- widere nichts Rohes, sei vertrauensvoll, aber nicht geschwatzig.

9. (9975.) Wo es nicht mehr raucht, wo der Stofser des Morsers ruht, wo die Kohlen nicht mehr gliihen, wo die Leute abgegessen haben und das Abtragen fsamcdraj der Gefafse vorbei ist, da soil der Muni sein Almosen erbitten.

10. (9976.) Er sei nur bedacht, sein Leben zu unterhalten; empfangt er nur karglich, so soil er sich nichts daraus machen; empfangt er nichts, so soil er sich nicht verletzt fiihlen, und wenn er etwas empfangt, so soil es ihn nicht freudig stimmen.

11. (9977.) Was alle schatzen [Kranze, Sandelholz usw. Nil.], soil er nicht begehren, er soil nicht essen, wo man ihm Ehre erweist, denn ein Mann wie er mufs es verabscheuen, unter Ehrenbezeugungen zu empfangen.

12. (9978.) Schlechte Speisen soil er nicht bemangeln, gute nicht preisen ; Lager und Sitz in der Einsamkeit soil er stets hochschatzen.

13. (9979.) Ein leeres Haus, eine Baumwurzel, die Wald- cinsamkeit oder eine Hohle soil er als Aufenthalt wahlen; unbekannte [von der Menge] gemiedene Wege gehend, soil er [von ihr] geschieden wohnen.

14. (9980.) In Billigung und Mifsbilligung sei er unparteiisch, unerschiitterlich und fest; er strebe nicht danach, durch Werke Verdienst oder Schuld zu ernten.

15. (9981.) Er sei immer zufrieden und sehr frohhch, be- ruhigten Angesichts und beruhigter Sinne, furchtlos, am liebsten Gebete murmelnd, schweigsam und der Leidenschaft- losigkeit ergeben.

16. (9982.) Wiederholentlich betrachte er die elementare Welt und das Kommen und Gehen der Wesen; begierdelos und gleichmiitig blickend, mag er Zubereitetes oder Rohes zu sich nehmen, (9983.) er, der durch das Selbst beruhigten Selbstes, in Nahrung mafsig und Herr iiber seine Sinne ist.

17. (9984.) Das Ungestiim der Rede, die Aufwallung

486 UI. Moksliadharma.

des Zornes im Herzen, den Anreiz zu schadigen und den Drang des Hungers und der Liebe, den Ansturm von dem allem halte der Asket aus, dann wird keine Selbst- anklage sein Herz zu verletzen brauchen.

18. (9985.) Unparteiisch stehe er da, gleichmiitig bei Lob und Tadel. Ja, das ist die hoehste Lauterung: ein Heimat- loser in seinem Entsagungsstande.

19. (9986.) Hochherzig, allseitig bezahmt, allseitig ohne Abhangigkeit, nicht zuriickkommend auf den friihern Wandel, leutselig, heimatlos und andachtsvoll

20. (9987.) moge er mit den Waldeinsiedlern und Haus- vatern niemals mehr in Gemeinschaft treten; nicht Vorher- begehrtes soil er zu sich nehmen und keine Freude soil ihn beschleichen.

21. (9988.) Fiir den Weisen ist dies die Erlosung, fiir den Unweisen eitel Miihe; das ist der ganze Weg zur Erlosung fiir die Wissenden, wie Harita ihn verkiindigt hat.

22. (9989.) Wer, alien Wesen ihren Frieden lassend, aus der Heimstatte auswandert, dem werden glanz voile Welten zuteil, der ist reif fiir die Ewigkeit.

So lautet im Mokehadhaxma der Gesang des H&rlta

(Hdrtta-gitd).

AdhyAya 380 (B. 279).

Vers 9990-10024 (B. 1-84).

Yudhishthira sprach :

1. (9990.) Gliicklich seid ihr, gliicklich! so sagen zu uns alle Leute, und doch gibt es wahrlich keine ungliicklicheren Menschen als wir sind.

2. (9991.) Das Ungliick, das uns getroffen hat, die wir von den Leuten geehrt werden, o Bester der Kuru's, die wir unter den Menschen unsere Geburt sogar den Gottern ver- danken, o Grofsvater,

3. (9992.) wann werden wir die Entsagung voUbringen, welche als ein Ungliick gilt! das wahre Ungliick be-

Adhyaya 280 (B. 279). 487

steht nur darin, dafs wir diesen Leib tragen, o Bester der Kuru's.

4. (9993.) Erlost von den siebzehn [den fiinf Prana's, Manas, Buddhi und den zehn Indriya's, Nil.] und den fiinf Grundstoffen, sowie von den acht [namlich den fiinf] Sinnes- objekten und [den drei] Guna's,

5. (9994.) gehen nicht in eine abermalige Geburt ein die Muni's, die ihre Geliibde scharf beobachten; wann werden denn auch wir, das Konigreich aufgebend, dazu kommen,, o Bedranger der Feinde?

Bhishma sprach:

6. (9995.) Es gibt nichts Ewiges, o grofser Konig, die Welt ist das Reich der Erscheinung, und auch die Wieder- geburt ist eine bekannte Sache, es gibt hienieden nichts Un- wandelbares,

7. (9996.) und auch du, o Konig, glaubst das nicht. Diese Mangelhaftigkeit [der Welt] ist keine blofs zufallig anhaftende; nur wenn ihr mit Anstrengung die Pflicht erkannt habt, werdet ihr mit der Zeit dazu kommen [dies einzusehen].

8. (9997.) Diese verkorperte Seele ist niemals Herr (?go mit C), o Konig, iiber Gutes und Boses, und aufserdem wird sie noch durch das um sie aufsteigende Tamas gehemmt.

9. (9998.) Wie der mit Feuchtigkeit gesalbte Wind, wenn er sich weiterhin mit dem Staube des Rauschrots erfiillt, mit dessen Farbe alle Gegenden iiberzieht,

10. (9999.) so bewegt sich die von den Friichten ihrer Werke gefarbte und mit Tamas umhiillte Seele, indem sie, obgleich farblos [ihrem Wesen nach], deren Farbung an- nimmt, in den Korpern.

11. (10000.) Wenn aber der Mensch die aus dem Nicht- wissen entspringende Finsternis durch das Wissen verscheucht, dann kommt [in ihm] das ewige Brahman zur Erscheinung.

12. (10 001.) Nicht durch Anstrengung ist es zu erringen, wie die Weisen lehren und sie, welche erlost sind; sie sind zu verehren von dir und der Welt und den Gottern, von Ihm (dem Brahman) lassen nicht ab die Scharen der grofsen Rishi's.

488 III. Mokshadharma.

13. (10002.) Vernimm andachtig, o Konig, was hieriiber einstmals gesungen wurde, namlich wie sich der Damon Vritra, als er um seine Herrschaft gekommen war, verhielt,

14. (10003.) als er besiegt und hilflos seines Reiches be- raubt war, o Bharata, und doch, von Feinden umgeben, nicht klagte, sondern zar reinen Erkenntnis seine Zuflucht nahm.

15. (10004.) Es geschah einmal, dafs zum Vritra, der von seinem Throne gestiirzt worden war, Uganas das Wort sprach: FiihJst du denn, nachdem du besiegt worden bist, dariiber gar keinen Kummer, o Danava?

Vritra sprach:

16. (10005.) Nachdem ich durch Wahrhaftigkeit und Askese liber das Kommen und Gehen der Wesen zur Erkenntnis ohne Zweifel gelangt bin, trauere ich nicht mehr und freue mich nicht mehr.

17. (10006.) Von Kala (der Zeit) fortgetrieben, stiirzen die Lebenden in die Holle gegen ihren Wihen, aber alles Himm- lische lebt in Vollbefriedigung, wie die Weisen lehren.

18. (10007.) Nachdem aber die Lebenden die ihnen zu- gemessene Zeit dort verbracht haben, entstehen sie, von der Zeit getrieben, in der folgenden Zeit immer wieder und wieder.

19. (10008.) Und nachdem sie in tausend tierische Ge- burten oder auch in die Holle gelangt sind, kommen die Lebenden wieder aus ihnen heraus ohne ihr Zutun, gebunden durch die Stricke der Begierde.

20. (10 009.) Dafs die Lebewesen in dieser Weise um- wandern miissen, hatte ich vordem nicht erkannt; aber die Schrift lehrt : wie die Werke, so ist auch die Vergeltung.

21. (10010.) Sie gehen ein in ein Tier, in die Holle, in ein menschliches oder gottliches Dasein, nachdem sie vorher Lust und Leid, Liebes und Unliebes durchgekostet haben.

22. (10011.) An das Gesetz des Todes gebunden, geht alle "Welt von hinnen und alle Wesen gehen immerfort den Weg, den sie schon gegangen waren,

23. (10012.) der durch das Mafs der Zeit gemessen ist und Schopfung und Bestand zum Ziele hat.

Adhyaya 280 (B. 279). 489

Zu ihm, der so redete, sprach der heilige Uganas: (10013.) 0 Weiser, warum bringst du so schlechtes Gerede vor, 0 Freund?

Vritra sprach:

24. (10014.) Dir sowie den anderen Weisen diirfte es be- kannt sein, dafs ich vordem, nach Sieg begehrend, grolse Askese iibte.

25. (10015.) Mancherlei Geriiohe und Geschmacke der [von mir getoteten Nil.] Wesen mir aneignend, gedieh ich und durchdrang alle drei Welten mit meiner Kraft.

26. (lOOiG.) Von einem Flammenkranz umgeben, durch- wandelte ich den Luftraum und, unbesiegbar fiir alle Wesen, war ich jederzeit frei von Furcht.

27. (10017.) Diese durch Askese erlangte Gottherrlichkeit brach zusammen infolge meiner Werke, aber ich halte mich tapfer und klage nicht, o Heiliger.

28. (10018.) Vordem habe ich neben dem kampflustigen grofsen Indra, dem hochherzigen Helden, den heiligen Herrn Hari Narayana geschaut,

29. (10019.) den Vaikuntha, den unendlichen Geist, den glanzenden ewigen Vishnu, den schilfgrashaarigen , blond- bartigen Urvater aller Wesen.

30. (10020.) Nun aber ist mir von aller meiner Askese noch als Uberrest geblieben, dafs ich den Wunsch hege, o Heiliger, dich nach der Frucht der Werke zu befragen.

31. (10021.) In welcher Kaste ruht die Gottherrlichkeit, das grofse Brahman? Und wie geschieht es, dafs diese hochste Gottherrlichkeit zunichte wird?

32. (10 022.) Wodurch haben die Wesen ihr Leben und [tathd mit C] seine Betatigung? Welches ist die hochste Frucht, durch deren Erlangung der Lebende ewig besteht?

33. (10023.) Und ferner, durch welches Werk oder durch welches Wissen ist es moglich, diese Frucht zu erlangen? Das, 0 Brahmane, mogest du mir erklaren.

34. (10024.) Als der Weise damals so angeredet wurde, was er da antwortete, das, o Konigslowe, vernimm mit

490 in. Mokshadharma.

ungeteilter Aufmerksamkeit , wie ich es dir mitsamt deinen Briidern berichte, o Stier unter den Mannern.

So lautet im Mokshadharma der Gesang vom Vritra (Vritra-gttd).

Adhyaya 381 (B. 280).

Vers 10025-10097 (B. 1-70).

U^anas sprach :

1. (10025.) Verehrung sei jenem heiligen, iibermachtigen Gotte, der den Erdboden, o Freund, und den Luftraum mit seinen Armen umspannt,

2. (10026.) und dessen Haupt die ewige Statte ist, o Bester der Danava's; dieses Gottes Vishnu hochste Majestat will ich dir verkiindigen.

3. (10027.) Wahrend diese beiden in dieser Weise mitein- ander redeten, kam dazu ein grofser Weiser, der pflicht- getreue Sanatkumara, um ihre Zweifel zu losen.

4. (10028.) Nachdem er von dem Fiirsten der Damonen und ebenso von dem weisen Uganas verehrt worden war, liefs er, der Stier unter den Muni's, sich auf dem Ehrensitze nieder, 0 Konig.

5. (10029.) Als der Hochweise sich gesetzt hatte, sprach Uganas zu ihm das Wort: Verkiindige diesem Fiirsten der Danava's die hochste Majestat des Vishnu.

6. (10030.) Sanatkumara aber, als er dies vernommen, sprach das treffliche Wort iiber die Majestat des Vishnu zu dem weisen Fiirsten der Danava's.

7. (10031.) Vernimm, o Daitya, vollstandig die Majestat des Vishnu. In Vishnu ruht diese ganze Welt, das wisse, o Feindbedranger.

8. (10032.) Er ist es, o Grofsarmiger , der die Schar der beweglichen und unbeweglichen Wesen schafft, der sie im Laufe der Zeit wieder in sich hereinreifst und sie abermals schafft.

9. (10033.) In ihm gelangen sie zur Vernichtung, und aus

Adhyaya 281 (B. 280). 491

ihm entstehen sie wieder; er kann nicht durch Erkenntnis, nicht durch Askese, nicht durch Opfer (ioo34.) erlangt werden, sondern nur durch Fesselung der Sinnesorgane.

10. Standhaft im Geiste bei dem aufsern und innern Werke, (10035.) lautert man beide durch das Bewufstsein [keinen Lohn zu begehren], dann erlangt man im Jenseits die Ewigkeit.

11. Wie ein Goldschmied das Silber im Feuer lautert, (10036.) vielfaltig mit grofser, selbstauferlegter Uberanstrengung;

12. so wird die Seele hundert Geburten hindurch von ihrem Werke gelautert, (10037.) aber bei grofser Anstrengung kann sie audi in einer einzigen Geburt rein werden.

13. Wie man mit nur geringer Miihe einen kleinen Staub- fleck von seinem Korper abwischt, (looss.) so soil man mit grofser und vielfacher Anstrengung seine Fehler aus sich ausrotten.

14. Wie Sesam oder Senf, nur von einem kleinen Blumen- kranze durchduftet, (10039.) seinen natiirlichen Geruch noch nicht verliert, ahnlich geht es auch zu, wo es sich um das Schauen des Schwererkennbaren handelt.

15. Wenn aber eben jener [Sesam oder Senf] von vielen Blumenkranzen wieder und wieder durchduftet wird, (10040.) dann verliert er seinen natiirlichen Geruch und nimmt auf die Dauer den Geruch des Krauzes an.

16. So wird bei solchen, die durch die Guna's an die Welt gekniipft sind, erst durch hundert Geburten ein ihnen anhaftender (ioo4i.) Fehler durch die Erkenntnis zunichte mittels einer durch Ubung erworbenen Anstrengung.

17. Was nun die am Werke hangenden oder ihm ent- sagenden [Geschopfe] betrifft, o Danava, (10042.) wie diese zu einer verschiedenen Stellung den Werken gegeniiber ge- langen, das vernimm.

18. Wie sie sich im Leben betatigen, und worin sie ihren Halt linden, o Herr, das will ich dir eins nach dem andern erklaren, (10043.) das mogest du mit ungeteilter Aufmerksam- keit vernehmen.

19. Der anfanglose und endlose, gliickselige Hari Na- rayana, der Herr, (10044.) schafft als Gott die Wesen, die un- beweglichen und beweglichen.

492 III. Mokshadharma.

20. Er weilt in alien Wesen als ihr vergangliclier und ihr unverganglicher Teil (ioo45.) und in Gestalt der elffachen Umwandlung [zu Manas und Indriya's] trinkt er mit seinen Strahlen [den Indriya's Nil.] die Welt.

21. Seine Flifse sind die Erde und sein Haupt ist der Himmel, das wisse, (ioo46.) seine Arme sind die Himmels- gegenden, o Daitya, sein Gehor ist der Ather.

22. Von ihm stammt die gluterfiillte Sonne, sein Manas weilt im Monde, (ioo47.) seine Buddhi ist iiberall in der Er- kenntnis zu finden, sein Geschmack weilt in den Wassern.

23. Zwischen seinen Brauen schweifen die Planeten, o Bester der Danava's, (ioo48.) das Bad der Gestirne dreht sich in seinen Augen, aus seinen Fiirsen ist die Erde geworden, o Danava.

24. Wisse, dafs Rajas, Tamas und Sattvam ihrem Wesen nach Narayana sind, (10049.) er ist die Frucht des Beharrens in den Lebensstadien, bei ihm steht die Frucht des Werkes ;

25. aber auch fiir das Nicht-Werk ist er, der Unver- gangliche, die hochste Frucht, (10050.) die heiligen Lieder sind die Haare seines Leibes, der Laut Om ist seine gottliche Rede.

26. Viele Standorte hat er und viele Angesichter, Dharma (die Gerechtigkeit) wohnt in seinem Herzen, (10051.) er ist das Brahman, ist die hochste Gerechtigkeit, ist Askese, ist das Seiende und Nicht-Seiende.

27. Auf ihn gerichtet ist der Schriftkanon und die Soma- giisse, er befafst in sich die sechzehn Opferpriester und das Opfer selbst, (10052.) er ist der Urvater, ist Vishnu, die Agvin's und der Stadtezerstorer (Indra) sind seines Wesens.

28. Mitra, Varuna, Yama und der Schatzespender (Kubera) (10053.) sind seine einzelnen Erscheinungsformen, sind sich der Einheit in ihm bewufst, das ganze Weltall ist in dieses einen Gottes Gewalt.

29. (10054.)' Er offenbart, 0 Fiirst der Daitya's, die Ein- heit dieser mannigfachen Welt, und der Mensch durch Er- kenntnis schaut sie, dadurch wird das Brahman offenbar.

30. (10055.) Durch zehntausend Millionen Weltvernich- tungen und Neuschopfungen bestehen die einen Seelen, wahrend andere abtreten. Der Umfang aber der Wesens-

Adhyaya 281 (B. 280). 493

schopfung ist [vergleichbar] dem vieler tausend Seen, o Daitya.

31. (10056.) Diese Seen sind ein Yojanam [etwa eine Meile] breit und an Tiefe gehen sie einen KroQa (eine Rufweite) hinunter, an Lange aber erstreckt sich jeder einzelne von ihnen fiinfhundert Yojana's weit.

32. (10057.) Nun wird aus den Teichen mit der Spitze eines Haares einmal taglich, und nicht zweimal, Wasser entnommen; wenn sie dadurch verbraucht sind, dann ist eine Periode von der Neuschopfung bis zur Vernichtung der Wesen verstrichen.

33. (10058.) Die sechs Farben der Seele dienen als ihr hochster Wertmesser : Schwarz, Grau und Blau, letzteres ist ihr mittelmafsiger Zustand, sodann Rot ist schon er- traglicher, die gelbe Farbe ist Gliick, und grofses Gliick ist Weifs.

34. (10059.) Das Hochste ist Weifs, als fleckenlos, kummerlos, beschwerdelos wird es erreicht, o Fiirst der Danava's, denn erst, nachdem sie tausendmal durch die Entstehung aus einem Mutterschofse durchgegangen ist, gelangt die Seele zur Vollkommenheit, o Daitya.

35. (10060.) Der Gang, welchen der Gott als Vorbild aufgestellt hat, nachdem er selbst auch das gute Vor- bild gegeben hatte [vg]. Chand. Up. 8,7-12; Nil. denkt an Ait. Up. 1,3,13 fg.], dieser Gang ist fur die Geschopfe bedingt durch ihrcs Farbe, die Farbe aber wiederum ist bedin^t durch Kala (die Zeit, das Schicksal), o Fiirst der Damonen.

36. (10061.) Hunderttausendmal vierzehn Stufen [ent- sprechend den zehn Indriya's, Manas, Buddhi, Ahaiikara und Cittam] hat der nach oben fiihrende Weg der seelischen Tugend, o Daitya; dadurch wird das Emporsteigen der Seel en bewirkt, sowie ihr Verharren und ihr Herabsteigen.

37. (10062.) Der Weg der schwarzen Farbe fiihrt ab- warts; man klebt [an der Siinde Nil.] und brat in der 'Holle, und der Aufenthalt in ihr fiir die Bosen wird, wie sie lehren, viele Schopfungsperioden durchdauern.

38. (10063.) Und nachdem er ihrer hunderttausend in

494 ' III. Mokshadharma.

diesem Zustande vollbracht hat, so erlangt er alsdann die fahle [harita-dhtimra Nil.] Farbe; in ihr weilt er unfrei, wahrend das Weltalter ablauft, qualumhiillten Geistes.

39. (10064.) Wenn er sodann, mit dem Guna des Satt- vam verbunden, das Tamas abschiittelt und mit Hilfe seiner Buddhi dem Besseren zustrebt, dann gelangt er aus der blauen Farbe in die rote und ergeht sich in der Menschenwelt.

40. (10065.) In diesem Zustande verweilt er eine Schop- fungsperiode hindurch, indem er von den aus seiner Naturbeschaffenheit entspringenden Fesseln gequalt wird; dann gelangt er in die gelbe Farbe, wahrend hundert Schopfungsperioden verstreichen.

41. (10066.) Hat er aber die gelbe Farbe erreicht, so verharrt er in ihr, bis tausendmal die Wesenschopfung vergangen ist, und verbraucht sodann, da er nocK nicht «rlost ist, in der Holle, o Daitya, zehntausend weitere

42. (10067.) Perioden, dazu noch fiinf- und viertausend [entsprechend der Zahl der neunzehn Organe Nil.] und seine aufgehauften Werke; dann wisse ihn erlost aus der Holle und in alien moglichen anderen Kreaturen weilend.

43. (10068.) So verweilt er wiederholentlich in der Gotterwelt und nimmt, aus ihr herabgestiirzt, wieder Menschengestalt an; achthundert Weltvernichtungen und Neuschopfungen weilt er unter den Sterblichen und geht [sodann] in die Unsterblichkeit ein,

44. (10069.) Und wieder stiirzt er aus ihr herab durch Fiigung des Schicksals und weilt auf dem schwarzen Grunde, dem alleruntersten. Wie aber weiter diese Welt der Lebenden zur Vollendung gelangt, das will ich dir erklaren, o Held der Asura's.

45. (10070.) Durch siebenhundert gottliche [sattvahal'te Nil.] Umgestaltungen hindurch wird er rot, dann gelb und endlich weifs; denn zu jener weifsen Statte gelangt er erst, nachdem er die acht verehrungswiirdigsten Welten niederer Ordnung bewohnt hat,

46. (10071.) die acht [Welten] der Glanzreichen und

. Adhyaya 281 (B. 280). 495

die [mit ilinen identischen] sechzig Hunderte [von psychi- schen Zustanden, dreifsig fur das Wachen, dreifsig fiir den Traum, von Nil. sehr willkiirlicli zusammengebracht] sind auf das Manas beschrankt; was aber den hochsten Gang der weifsen Farbe [den Turiya Nil.] betrifft, so sind alle drei [Wachen, Traumschlaf, Tiefschlaf] bei ihm ausgeschlossen, o Hochmachtiger.

47. (10072.) Der Noch-nicht-Freie aber bewohnt eine unerwiinschte Weltperiode hindurch die vier anderen Statten [Mahas, Janas, Tapas, Satyam, Nil.], welches das hochst erreichbare Ziel in der sechsten Farbe fiir den ist, welcher in der Vollkommenheit noch nicht voll- kommen, wenn auch frei von Miihsal, ist.

48. (10073.) Daselbst wohnt er, mit den sieben [In- driya's, Manas, Buddhi] belastet, als ein Unfreier noch hundert Weltperioden hindurch, an seinen Werkrest ge- bunden; wenn er von dort nochraals in die Menschen- welt zuriickkehrt, so gelangt er als ein Grofser zum menschlichen Dasein.

49. (10074.) Von diesem sich abkehrend, gesellt er sich darauf, zunachst stufenweise emporsteigend , zu Scharen [hoherer] Wesen und durchschreitet siebenmal die Welt- raume, da seine Macht durch die [iiberstandenen] Welt- vernichtungen und Neuschopfungen [nach Nil. durch Yogaversenkung und Erwachen aus ihr] gewachsen ist.

50. (10075.) Und obgleich er alle sieben [Welten] be- seitigt, indem er sie als Hemmnisse erkannt hat, beharrt er doch noch in der Welt der Lebenden ; dann aber ge- langt er zu der unverganglichen, unendlichen Statte des Gottes Vishnu, des Brahman, (ioo76.) des ^esha (vgl. unten Vers 12900), des Nara (des Purusha), des Gottes Vishnu als des Allerhochsten.

51. Zur Zeit der Weltvernichtung gehen nach Ver- brennung ihrer Leiber jedesmal die Geschopfe zum Gotte Brahman ein (10077.) und auch alle lebenerfiillten [ceshtdt- manah Nom.!) Gotterscharen , soweit sie unterhalb der Brahmanwelt stehen.

52. In der Zeit, wo der Werkrest zur Geltung kommt.

496 ni. Mokshadharma.

stromen die Seelen nach den gebiihrenden Platzen zur Neuschopfung der Wesen; (ioo78.) aber sofern kein Werk- rest mehr vorhanden ist, gehen am Ende alle Gotter und die Menschen, welche ihnen ahnlich sind, zu jener [hochsten] Statte ein.

53. Aber diejenigen, welche aus der Welt der Voll- endeten herabgestiirzt sind, gehen stufenweise ent- sprechend [ihrem Verdienste] den Weg jener [der Men- schen]; (10079.) aber im Gegensatze zu ihnen gehen hohere Seelen und die mit ihnen gleiche Kraft besitzen, zu der jedem einzelnen gebiihrenden Bestimmung ein.

54. Solange ein solcher noch an dem Reste seiner Werke zu zehren hat, solange wohnen alle diese Krea- turen und die beiden weifsen Gottinnen [die hohere und niedere Wissenschaft Nil.] (looso.) in seinen Gliedern; er ist reinen Herzens, da er dieses Fiinf-Sinne -Wesen iiber- wunden hat.

55. Er geht jenen reinen, hochsten Gang, mit reinem Geiste immerfort meditierend, (loosi.) dann gelangt er zu der unverganglichen Statte, zu dem schwer erreichbaren ewigen Brahman geht er ein.

56. Damit ist dir, o Mann von tadellosem Charakter, diese Macht des Narayana hier verkiindet worden.

Vritra sprach :

57. (10082.) Wenn es so steht, brauche ich nicht zu verzagen, und ich begreife deine Rede vollstandig, und indem ich deine Rede angehort habe, du Unverdrossener, fiihle ich mich nunmehr von Siinde gereinigt und frei von Bosem.

58. (10083.) In Gang gebracht, o heiliger grofser Weiser,' ist dieses unendlich kraftige Rad [des Samsara] des glanzreichen Gottes, und dem ewigen Vishnu gehort auch der ewige Ort, von welchem alle jene Schopfun- gen ausgegangen sind; (ioo84.) er ist der Hochsinnige, der hochste Purusha, in ihm ist diese ganze Welt ge- griindet.

Adhyaya 281 (B. 280). 497

Bhishma sprach:

59. (10085.) Nachdem Vritra dies gesprochen hatte, o Sohn der Kunti, hauchte er sein Leben aus und erlangte wohl- bereiteten Geistes die hochste Statte.

Yudhishthira sprach :

60. (10086.) So ist es also jener heilige Gott und Heim- sucher der Menschen, o Grofsvater, woriiber Sanatkumara da- mals dem Vritra jenen Aufschlufs gab.

Bhishma sprach :

61. (10087.) In der Weltwurzel wohnt kraft seiner eigenen Energie der heilige grofse Gott, und dort weilend, schafft der Hochsinnige alle die mannigfachen Zustande der Welten.

62. (10088.) Aus der Halfte seines einen Viertels (vgl. Rig- veda 10,90,3), wisse, besteht dieser unerschiitterliche Kegava (Krishna), und aus der andern Halfte desselben Viertels bildet der Erkenntnisreiche die drei Welten.

63. (10089.) Derjenige Teil [des Hochsten], welcher her- warts stehend sich befindet, wandelt sich am Ende jedes Weltalters, er aber, welcher der iiber alles machtige Herr ist, der Heilige, ruht auf den Wassern, (ioo90.) und als gnadi- ger Weltordner durchwaltet er die ewigen Welten.

64. (10 091.) Er, der Unendliche, erfiillt alles mit seinem Wesen und durchwaltet als der Ewige die Welten, er, der Hochsinnige, schafft ohne Hemmnis; in ihm ruht diese ganze mannigfaltige Welt der Lebenden.

Yudhishthira sprach :

65. (10092.) Vom Vritra, o Kenner der hochsten Realitat, wurde, so glaube ich, das schone, ihm bevorstehende Ziel er- kannt, darum war er gliicklich und klagte nicht, o Grofs- vater.

66. (10093.) Wer weifs ist und weifsen Ursprungs, kehrt als ein Vollendeter nicht mehr zuriick, o Schuldloser, sondern ist erlost von der Wanderung in die Tierwelt und von der Holle, o Grofsvater.

67. (10094.) Wer aber sich in der gelben und roten Farbe

Deubbek, Mab&bh&Tatam. ,^9

498 ni. Mokshadharma.

befindet, o Fiirst, der moge auf die Tierwelt hinblicken, wenn er sich von tamas-artigen Werken umgarnen lafst.

68. (10095.) Wir aber, die wir als Rote [den drei Guna's entsprechend] Schmerz, Lust und Gleichgiiltiges erfahren haben, welchen Weg werden wir gehen, den blauen oder den niedrigsten schwarzen?

Bhishma sprach:

69. (10096.) Ihr Pandusohne, die ihr von reiner Abkunft und gescharften Geliibdes seid, werdet, nachdem ihr euch der Gotterwelten erfreut habt, wieder in das Menschentum eingehen.

70. (10097.) Nachdem ihr, unter den Gottern Gliick ge- nossen habend, seinerzeit mit Freude wieder zur Wesens- schopfung zuriickgekommen sein werdet, werdet ihr mit Freuden zu der Schar der Vollendeten eingehen. Fiirchtet euch nicht, fleckenlos seid ihr alle.

So lautet im Mokshadharma der Gesang vom Vritra (Vritra-gitd).

Adhyaya 383 (B. 381).

Vers 10098-10142 (B. 1-44).

Yudhislitliira sprach:

1. (10098.) 0 liber die grofse Gerechtigkeit des unermefs- ]ich kraftigen Vritra, dessen Erkenntnis unvergleichHch und dessen Verehrung fiir Vishnu nicht weniger grofs war!

2. (10099.) Schwer zu erkennen, o Freund, ist die Statte des unermefsHch kraftvollen Vishnu; wie hat er, o Tiger unter den Konigen, diese Statte erkennen konnen?

3. (10100.) Du hast mir ja die Sache erzahlt, und ich glaube daran unerschiitterlich ; aber mein Geist ist nur noch mehr aufgeregt, weil ich dabei etwas Unerklarhches finde.

4. (10101.) Wie konnte dieser Vritra von Qakra (Indra) niedergeschlagen werden, o Mannerstier, da er doch so fromm und dem Vishnu ergeben war und im Zusammenhang der Vedaworte die Wahrheit erkannt hatte!

Adhyaya 282 (B. 281). 499

5. (10102.) Diesen Zweifel lose mir, dem Fragenden, o Bharatastier, wie es moglich war, o Tiger unter den Konigen, dafs Vritra von (^akra besiegt wurde.

6. (10103.) Und wie der Kampf entbrannte, auch das er- klare mir, o Grofsvater, in Ausfiihrlichkeit, denn meine Wifs- begier ist aufs hochste gesteigert, o Grofsarmiger.

Bhishma sprach:

7. (10104.) Einstmals war Indra zu Wagen ausgefahren, von den Gotterscharen begleitet. Da sah er vor sich den Vritra stehen, einem Berge vergleichbar,

8. (10105.) fiinfhundert Meilen in die Hohe emporragend, o Feindebez winger, und mehr als dreihundert betrug sein Umfang.

- 9. (10106.) Als sie diese so gewaltige, auch von den drei Welten schwer zu besiegende Gestalt sahen, da zitterten die Gotter vor dem Vritra und fanden keine Kuhe.

10. (10107.) Und auch dem (^akra, o Konig, schlotterten die Knie aus Furcht vor dem Vritra, als er so plotzlich diese gewaltige Gestalt sah.

11. (10108.) Da erhob sich ein Larm und ein Geton von Instrumenten , als dieser Kampf zwischen alien Gottern und Damon en entbrannte.

12. (10109.) Aber den Vritra, o Kurusprofs, ergriff beim Anblick des gegeniiberstehenden Qakra keine Verwirrung, keine Furcht oder Besorgnis.

13. (10110.) Da entspann sich ein Kampf, der alle drei Welten in Schrecken setzte, zwischen dem Gotterfiirsten (^akra und dem hochsinnigen Vritra.

14. (10111.) Von Schwertern, Sensen, Speeren, Lanzen, Wurfspief sen , Streithammern , von mancherlei Steinen und lautschwirrenden Bogen,

15. (10112.) von allerlei himmlischen Waffen und Feuer- branden sowie von gottlichen und damonischen Streitern war alles erfiillt.

16. (1011.3.) Und mit dem Urvater an der Spitze kamen alle Gotterscharen und die hochbegliickten Kishi's herbei, um diesen Kampf anzusehen.

32*

500 ni. Mokshadharma.

17. (10114.) Und audi die Vollendeten auf herrlichen Wagen, o Bharatastier, und die Gandharven hoch zu Wagen mit den Apsaras eilten herbei.

18. (10115.) Da iiberschiittete Vritra, der Beste der Ge- setzestrager, mit einem die Luft erfiillenden Hagel von Steinen blitzesschnell den Fiirsten der Gotter.

19. (10116.) Darauf wurden die Gotterscharen zornig und wehrten von alien Seiten her rait einem Regen von Pfeilen den Steinhagel ab, der von Vritra im Kampfe iiber sie aus- geschiittet worden war.

20. (10117.) Aber Vritra, o Kurutiger, mit grofser List und grofser Kraft braohte von alien Seiten im Zauberkampfe Ver- wirrung iiber den Gotter fiirsten.

21. (10118.) So iiberkam den von Vritra bedrangten Hun- dertkraftigen Verwirrung. Aber da gab ihm Vasishtha mittels eines Rathantaram die Besonnenheit wieder.

Vasishtha sprach:

22. (10119.) D\i bist der Beste unter den Gottern, o Gotter- fiirst, o Zerschmetterer der Daitya's und Asura's; wie kommt es, dafs dich, o Qakra, der du iiber die Macht der drei Welten verfiigst, Verzagtheit anwandelt?

23. (10120.) Da stehen Brahman, Vishnu und Qiva, der Herr der Welt, da stehen Soma, der heilige Gott und alle die hochsten Weisen;

24. (10121.) verfalle nicht in Kleinmut, o Qakra, wie es irgendein anderer tun wiirde, betatige deine edle Gesinnung im Kampfe und schlage die Feinde, o Oberherr der Gotter.

25. (10122.) Hier dieser Lehrer der Welt, der von alien Welten verehrte heilige Dreiaugige schaut auf dich hin; so mache dich von der Verwirrung los, o Oberster der Gotter!

26. (10123.) Diese von Brihaspati angefiihrten Brahman- weisen feiern dich durch himmlischen Lobgesang, o Qakra, um dir den Sieg zuzuwenden.

Bhishma (der Erzahler) sprach:

27. (10124.) Als er von dem hochherzigen Vasishtha in dieser Weise zur Besonnenheit zuriickgebracht war, da

Adhyaya 282 (B. 281). 501

wuchs die Kraft des allerglanzvollsten Vasava ins Un- geheure.

28. (10125.) Da raubte der heilige Ziichtiger des Paka, auf seine Einsicht sich stiitzend, mit grofser Yogakraft jene Zauberkraft [des Vritra].

29. (10126.) Als nun der gliickselige Sprofs des Angiras (Brihaspati) und alle die grofsen Kishi's das tapfere Los- stiirraen des Vritra sahen, da gingen sie zu Mahegvara ((^iva)

30. (10127.) und sprachen mit ihm wegen der Vernichtung des Vritra aus Wohlwollen fiir die Welten. Da geschah es, dafs die Kraft des heiligen Herrn der Welt in Gestalt eines Fiebers

31. (10128.) von furchtbarer Heftigkeit in den Vritra, den Herrn der Daitya's [mit C], hineinfuhr. Vishnu aber, der heilige, von alien Welten verehrte Gott,

32. (10129.) fuhr in den Donnerkeil des Indra der Be- schiitzung der Welt zuliebe. Da traten an den Hundertkraf- tigen (Indra) heran Brihaspati, der Weise, (ioi30.^ und der kraftvolle Vasishtha und mit ihnen alle die hochsten Weisen

33. und bestiirmten den gabenspendenden , allverehrten Vasava (Indra), (loisi.) indem sie ihn einmiitig baten, den Vritra zu toten, o Herr.

Mahegvara (Vishnu) sprach:

34. (10132.) Dieser grofse und mit gewal tiger Kraft aus- geriistete Vritra ist, o (^akra, als allbeseelend, allgegenwartig und viele Zauberkiinste iibend bekannt,

35. (10133.) darum mufst du diesen besten, auch von der Dreiwelt schwer zu iiberwindenden Asura mit Hilfe der Yoga- kraft toten; unterschatze ihn nicht, o Herr der Gotter.

36. (10134.) Denn er hat, o Herr der Gotter, um seine Kraft zu starken, Askese geiibt sechzigtausend Jahre hin- durch, und Gott Brahman hat ihm dafiir als Gabe verliehen

37. (10135.) die Majestat der Yogin's und die grofse Zauber- kunst und die grofse Kraft und die hochste Energie, o Herr der Gotter.

38. (10136.) Darum ist meine Kraft in dich hineingefahren,

502 in. Mokshadharma.

o Vasava, und jetzt, da er in Bestiirzung ist, mogest du ihn, den Danava, mit deinem Donnerkeil erschlagen.

^akra sprach:

39. (10137.) 0 Heiliger, durch deine Gnade will ich den schwer angreifbaren Ditisohn vor deinen Augen, o Gotter- stier, mit meinem Donnerkeile niederschmettern.

Bhishma sprach :

40. (10138.) Als aber der groi'se Damon, der Daitya, vom Fieber befallen war, da entstand unter den Gottern und Rishi's vor Freude ein grofser Larm.

41. (10139.) Da liefsen sie Pauken und helltonende Muscheln, Trommeln und Tamburine tausendfach erschallen,

42. (10140.) Aber unter alien Asura's trat ein grofses Schwinden des Gedachtnisses ein, und eine vollige Vernich- tung ihrer Zauberkunst erfolgte augenblicklich.

4.S. (10141.) Als die Eishi's und Gotter jenen in dieser Weise befallen sahen, da priesen sie Qakra, den Herrn, und feuerten ihn an.

44. (10142.) Aber furchtbar war in diesem Kampfe das Aussehen des von den Rishi's gepriesenen, hochherzigen (^akra, wie er auf seinem Wagen stand.

So lautet im Mokshadharma die Totung des Vritra ( Vfitra - vadha).

Adhyaya 383 (B. *i82).

Vers 10143-10207 (B. l-fiS).

Bhishma sprach:

1. (10143.) Was bei dem vom Fieber durch und durch er- griffenen Vritra fiir Anzeichen an seinem Korper hervortraten, die vernimm von mir, o grofser Konig.

2. (10144.) Flammenden Mundes war der Furchtbare und grofses Erbleichen iiberkam ihn, heftiges Gliederzittern und starkes Rocheln stellte sich ein.

Adhyaya 283 (B. 282). 503

8. (10 uo.) schlimmes Haarstrauben und machtiges Stohnen, o Fiirst. Und als unheilverkiindender, scheufslicher Schakal fuhr aus seinem Munde

4. (10146.) heraus sein ungeheuerliches Gedachtnis, o Bha- rata, wahrend flammende und gliihende Feuerbrande an seiner Seite zum Vorschein kamen.

5. (10147.) Geier, Reiher und Kraniche stiefsen ein furcht- bares Geschrei aus, und iiber seinem Haupte sich sammelnd, umschwarmten sie ihn im Kreise.

6. (10148.) Da bestieg, von den Gottern im Kampfe unter- stiitzt, seinen Wagen mit dem geziickten Donnerkeile in der Hand Qakra und blickte auf den Daitya bin.

7. (10149.) Da liefs der grofse Damon ein unmenschliches Geschrei horen und rifs den Rachen auf, o Fiirst der Konige,. von dem heftigen Fieber geschiittelt.

8. (10150.) Und wie er den Rachen aufrifs, schleuderte Qakra gegen ihn den Donnerkeil, und der furchtbar scharfe Donnerkeil, dem Todesfeuer an Ahnlichkeit vergleichbar,

9. (10151.) schmetterte alsbald den machtigen Leib des Daitya zu Boden. Da entstand abermals von alien Seiten her ein Geschrei

10. (1015-2.) der Gotter, als sie den Vritra gestiirzt sahen, o Bharatastier. Als aber der machtige, hochberiihmte Da- mon enfeind den Vritra geschlagen hatte,

11. (10153.) fuhr er mit dem von Vishnu erfiillten Donner- keil zum Himmel empor. Aber aus dem Leibe des Vritra, 0 Kurusprofs, fuhr heraus

12. (10154.) die Brahma vadhya (der Brahmanenmord), ent- setzlich, furchterlich, die Welt erschreckend, mit klaffendem Gebifs, schauerlich, mifsgestaltet, schwarz und gelb,

13. (10155.) mit flatternden Haaren, furchtbaren Augen, o Bharata, mit einem Schadelkranz behangt, einer Zauberin vergleichbar, o Bharatastier,

14. (10156.) bluttriefend , o Pflichtkundiger, mit Lumpen und Baumbast bekleidet. In dieser fiirchterlichen Gestalt, o Fiirst der Konige, fuhr sie aus ihm heraus

15. (10157.) und fing an den Donnerkeiltrager zu verfolgen.

504 ni. Mokshadharma.

o Bester der Bharata's. Eine Zeitlang gelang es dem Vritra- toter, o Kurusprofs,

16. (10158.) dem Himmel zuzufliegen aus Wohlwollen fiir die Welt. Aber jene, als sie den machtigen Indra ent- schliipfen sah,

17. (10159.) die Brahmavadhya, packte den Gotterfiirsten und klammerte sich an ihm fest. Er aber, von der durch die Brahmavadhya gewirkten Furcht erfiillt,

18. (10160.) versteckte sich in der Knolle einer Lotos- blume und verweilte in ihr viele Jahre lang. Aber von der Brahmahatya mit Eifer verfolgt,

19. (10161.) wurde er endHch ergriffen, o Kurusprofs, und seiner Energie beraub.t. Sie abzuschiitteln gab sich (^akra die grofste Miihe,

20. (10162.) doch der Fiirst der Gotter vermochte nicht, die Brahmavadhya von sich loszumachen. Aber der Gotter- fiirst, von ihr festgehalten, o Bharatastier,

21. (10163.) wandte sich an den Urvater und verehrte ihn durch Neigung des Hauptes. Als er bemerkte, dafs (^akra von der Dvijapravaravadhya (dem Brahmanenmord) ergriffen worden war,

22. (10164.) ging Gott Brahman mit sich zu Rate, o Bester der Bharata's, und er, der Urvater, sprach, o Grofsarmiger, zu der Brahmavadhya

23. (10165.) mit sanfter Stimme, um sie zu besanftigen, o Bharata : Lasse den Herrn der dreifsig [Gotter] los, tue es mir zuhebe, o Holde.

24. (10166.) Sage, was ich dir dafiir erweisen soil, und welchen Wunsch du hegst.

Die Brahmavadhya, sprach:

25. (10167.) Wenn dem von den drei Welten verehrten Gotte, dem Schopfer der drei Welten, damit ein Gefallen ge- schieht, so sehe ich die Sache schon als getan an. Aber weise mir eine andere Wohnung an.

26. (10168.) Von dir selbst ist diese Bestimmung [keinen Brahmanen zu toten], getroften worden, um die Welt zu er-

Adhyaya 283 (B. 282). 505

halten, und diese grofse Anordnung ist von dir selbst, o Gott, verlassen worden.

27. (10169.) Aber wenn dir ein Gefallen damit geschieht, o Pflichtkundiger, o Herr der Welt, o Gebieter, so will ich von (^akra ablassen, aber weise mir eine andere Wohnung an.

Bhishma (der Erzahler) sprach:

28. (10170.) Da sprach der Urvater zur Brahmavadhya : „So sei es!" Durch dieses Mittel machte er die Brahma- vadhya von Qakra los.

29. (10171.) Da wurde von dem hochherzigen, durch sich selbst Seienden der Feuergott herbeigedacht, und dieser, vor Gott Brahman tretend, sprach folgendes Wort:

30. (10172.) Ich bin, o heiliger Gott, vor dir erschienen, o Untadliger; was ich zu tun habe, o Gott, das mogest du, o Herr, mir sagen.

Gott Brahm^Q sprach:

31. (10173.) Ich gedenke hier diese Brahmavadhya in mehrere Teile zu zerlegen, um den Qakra von seiner Siinde zu befreien, so iibernimm du ein Viertel von ihr.

Agai (der Feuergott) sprach:

32. (10174.) Welches ist der Endpunkt, wo ich von ihr werde befreit werden, o Brahman, dariiber denke nach, o Herr, das wiinsche ich mit Bestimmtheit zu wissen, o du von aller Welt Verehrter.

Gott Brahniau sprach:

33. (10175.) Wenn jemals irgendwo ein Mensch deinen Flammen naht und, von Tamas umnebelt, es unterlassen wird, dir mit Kornern, Pflanzen und Saften zu opfern,

34. (10176.) dann wird diese Brahmavadhya sofort in ihn hineinfahren und Wohnung in ihm nehmen; lafs den Kummer deiner Seele fahren, o Opferfahrer.

35. (10177.) Nach diesen Worten nahm der heilige Ge- niefser des Gotter- und Manenopfers den Befehl des Urvaters an, und es geschah so, o Herr.

506 III. Mokshadharma.

36. (10178.) Welter rief der Urvater Baume, Krauter und Graser herbei und unternahm es, an sie dieselbe Zumutung zu stellen, o Grofskonig.

37. (10179.) Als aber an die Baume, Krauter und Graser ebendasselbe Wort erging, da waren sie ebenso aufgeregt wie Agni, o Konig, und sprachen zu Gott Brahman:

38. (10180.) Welches wird fiir uns der Endpunkt des Tragens der Brahmavadhya sein, o Urvater; uns, die wir vom Schicksal schon genug geschlagen sind, solltest du nicht noch mehr schlagen.

39. (10181.) Immerfort miissen wir Feuer und Kalte und vom Winde gepeitschten Regen aushalten, o Gott, dazu noch das Abhauen und Spalten.

40. (10182.) Wir wollen jetzt auf dein Geheifs diese Brahma- vadhya hier iibernehmen, o Herr der drei Wei ten, aber denke daran, wie wir wieder davon loskommen.

Gott Brahman sprach :

41. (10183.) Wenn ein Mensch zur festlichen Zeit des Mond- wechsels aus Verblendung euch abhauen oder spalten wird^ so wird sie in ihn hineinfahren.

Bhishma (der Erzahler) sprach:

42. (10184.) Nachdem der Hochsinnige diese Worte zu den Baumen, Pflanzen und Grasern gesprochen hatte, verehrten sie den Gott Brahman und gingen schnell dahin, woher sie ge- kommen waren.

43. (10185.) Weiter rief der Gott und Urvater der Wei ten die Apsaras heran und sprach zu ihnen mit milder Stirame^ um sie freundlich zu stimmen, o Bharata:

44. (10186.) 0 ihr Schongliedrigen, diese Brahmavadhya stammt von Indra her, so iibernehmt denn auf meinen Wunsch ein Viertel von ihr.

Die Apsaras sprachen:

45. (10187.) Auf deinen Befehl, o Herr der Gotter, sind wir geneigt, sie aufzunehmen, aber iiberlege, o Urvater, wie wir der Vereinbarung gemafs von ihr loskommen werden.

Adhyaya 283 (B. 282). f,07

Gott Brahman sprach:

46. (10 188.) Wer wahrend der Kegel der Frauen mit ihnen die Begattung vollzieht, in den wird sie alsbald eingehen; lafst den Kuramer eurer Seele fahren.

Bhishma (der Erzahler) sprach:

47. (10189.) „So sei es!" sprachen mit frohlichem Geiste die Scharen der Apsaras und kehrten an ihren Ort zuriick zum lustigen Leben, o Bharatastier.

48. (10190.) Weiter dachte der Schopfer der drei Welten, der askesereiche Gott, an die Wasser, und auf seine Medita- tion bin kamen sie auch herbei.

49. (10191.) Als sie nun alle bei dem unermefslich kraf- tigen Gott Brahman zusammengekommen waren, fielen sie vor dem Urvater nieder und sprachen dieses Wort:

50. (10192.) Wir alle sind, o Gott, vor dich getreten, o Feindebandiger, auf deinen Befehl, o Herr der Welt; tue uns deinen Willen kund, o Herr.

Gott Brahman sprach:

51. (10193.) Diese furchtbare Brahmavadhya hat von Vritra aus den Vielangerufenen (Indra) ergriffen, so iibernehmt denn ihr ein Viertel von ihr.

Die Wasser sprachen:

52. (10194.) So moge es geschehen, o Herr der Welt, wie du es uns befiehlst, o Gebieter, aber iiberlegen mogest du, wie wir nach Vereinbarung wieder von ihr loskommen werden.

53. (10195.) Du bist ja, o Gotterherr, fiir die ganze Welt die hochste Zuflucht; wen sonst konnten wir anflehen, dafs er uns aus dem Elend errette (mit C).

Gott Brahman sprach:

54. (10196.) Wenn ein Mann, in seinem Geiste verblendet, euch geringschatzen und Schleim, Urin oder Kot in euch ge- langen lassen sollte,

55. (10197.) so wird diese hier alsbald in ihn fahren und

508 III- Mokshadharma.

in ihm Wohnung nehmen ; so werdet ihr von ihr frei werden, das sage icli euch als die Wahrheit.

56. (10198.) Da liefs die Brahmavadhya von dem Gotter- fiirsten ab, o Yudhishthira, und fuhr in die Behausung, wie sie ihr durch den Befehl des Gottes angewiesen worden war.

57. (10199.) Das ist die Geschichte von der Behaftung des (^akra mit der Brahmavadhya, o Volkerherr; er aber ver- abschiedete sich von dem Urvater und brachte ein Rofs- opfer dar.

58. (10 200.) Und so ist es uns iiberhefert, dafs Vasava (Qakra) mit der Brahmavadhya behaftet gewesen ist, o grofser Konig, und dafs er die Reinigung von ihr durch ein Rofs- opfer erlangte.

59. (10 201.) Der Gott Vasava also, nachdem er seine HerrHchkeit wiedererlangt und die Feinde tausendfach ge- schlagen hatte, genofs unvergleichhches Gliick, o Herr der Erde.

60. (10202.) Aus dem Blute des Vritra, o Prithasohn, ent- standen die Qikhanda's*, von geweihten und askesereichen Brahmanen diirfen sie nicht gegessen werden.

61. (10203.) Auch du mufst solchen Zwiegeborenen in alien Lagen Liebe erweisen, denn sie werden als die Gotter auf Erden gepriesen, o Kurusprofs.

62. (10204.) So wurde, o Kurusprofs, von dem unermefs- lich kraftigen Qakra vermoge der Feinheit seines Geistes der grofse Damon Vritra durch Anwendung der rechten Mittel niedergeschlagen.

63. (1020.5.) Und so wirst auch du, o Sohn der Kunti, un- besiegbar sein auf der Erde, wie der hundertkraftige, Feinde totende Gott.

64. (10 206.) Wer aber diese gottliche Geschichte vom Qakra. an jedem Mondfeste im Kreise von Brahmanen erzahlen wird, der wird sich von Siinde freihalten.

* Nach P. W. „wohl eine bestiiumte Pflanze'''- ; Nilakantha, Qabdakal- padruma imd Vacaspatyam gebeu keine Hilfe; „high-cnsted cocki'' P. C. Ray; ,,Habne" Jacobi.

Adhyaya 283 (B. 282). 509

65. (10207.) So habe ich dir denn die grofse, iiberaus wunderbare Tat, die (^akra am Vritra vollbrachte, erzahlt, 0 Freund; was wunschest du nun weiter zu horen?

So lautet im MokBhadharma die Verteilung der BTabmabaty& (Brahmahatya - vibhdga).

Adhyaya 284 (B. 283).

Vers 10208-10271 (B. 1-63).

Yudhishthira sprach :

1. (10208.) 0 Grofsvater, Weiser, aller Lehrbiicher Kun- diger ! Uber jene Totimg des Vritra, o Himmlisoher, wiinsche ich etwas zu fragen.

2. (10209.) Du sagtest, o Fiirst der Volker, dafs Vritra durch das Fieber in Verwirrung gesetzt war und darauf von Vasava mit dem Donnerkeil getotet wurde, o Untadliger.

3. (10210.) Wie ist dieses Fieber entstanden und zum Vor- schein gekommen, o Hochweiser? Die Entstehung dieses Fiebers wiinsche ich von dir, o Herr, ausfiihrhch zu ver- nehmen.

Bhishma sprach:

4. (10 211.) Vernimm den weltberiihmten Ursprung jenes Fiebers, und auch seine Ausbreitung will ich dir erklaren, wie sie geschehen ist, o Bharata.

5. (10212.) Es war einmal, o Grofskbnig, ein von alien drei Welten verehrter Gipfel des Gotterberges Meru, mit Namen Jyotishka (der Glanzende), dem Savitar heilig, mit allerlei Edelsteinen geschmiickt,

6. (10213.) unermefslich grofs, in alien Welten nicht zu iiberwinden, o Bharata. Dort befand sich der Gott [Qiva] auf einem mit Gold und Edelmetallen geschmiickten Berg- abhang,

7. (10214.) wie auf einem Ruhebette glanzvoll sitzend, und die Tochter des Konigs der Berge [Uma, Tochter des Hima- laya] strahlte allezeit an seiner Seite (10215.) und hochsinnige Gotter, unermefslich kraftige Vasu's,

510 in. Mokshadharma.

8. ferner die hochherzigen beiden Agvin's, die Besten der Arzte, (10216.) dazu der Konig Vaigravana (Kubera), von seinen Gnomen umgeben,

9. der gliickliche Fiirst der Yaksha's, ihr auf dem Kai- lasa wohnender Gebieter, (10217.) sie alle verehrten den Hochsinnigen ((^iva) und mit ihnen der grofse Weise Uganas.

10. Und auch die von Sanatkumara angefiihrten grofsen Eishi's (10 218.) und, mit Angiras an der Spitze, andere Gotter- Rishi's

11. und der Gandharva Vigvavasu, sowie Narada und Parvata (10219.) und Schwarme aus der Schar der Apsaras kamen in grofser Menge zusammen.

12. Ein lieblicher, heilbringender Wind wehte, mancherlei Diifte mit sich bringend und rein, (10220.) und bliihende Baume, von Blumen aller Jahreszeiten umgeben,

13. sowie Vidyadhara's und askesereiche Siddha's, (10221.) diese alle umgaben verehrend den Mahadeva, den Herrn der Her den, o Bharata.

14. Und auch Geisterscharen von mannigfachen Gestalten, o Grofskonig, (10222.) furchtbare Rakshasa's, gewalttatige Pigaca's,

15. mancherlei Gestalten tragend, im Freudenrausch allerlei Waffen schwingend, (10223.) standen daselbst als Ge- folge des Gottes, dem Feuer vergleichbar.

16. Auch der heilige Nandin stand dort mit Erlaubnis des Gottes (10224.) mit dem flammenden Speere in der Hand, strahlend in eigenem Glanze.

17. Und Gaiiga, die Beste unter den Fliissen, die alien heiligen Badeplatzen das Wasser spendet, (10 225.) verehrte in leibhaftiger Gestalt den Gott, o Kurusprofs.

18. Der Heilige aber, in dieser Weise dort von Gotter- weisen verehrt (10 226.) und von Gottern, stand da als Mahadeva in grofser Majestat.

19. Einstmals nun geschah es, dafs ein Prajapati (Schopfer) mit Namen Daksha (10227.) sich anschickte, in althergebrachter Weise ein Opfer zu bringen.

20. Und es hatten sich wegen seines Opfers alle Gotter

Adhyaya 284 (B. 283). 511

mit Qakra an der Spitze (10228.) zusammengetan und die Ab- sicht gefafst, dahin zu gehen.

21. Auf ihren Wagen, die wie Feuer und Sonnen glanzten, kamen diese Hochsinnigen (10 229.) mit Erlaubnis des Gottes (Daksha) nach Gangadvara, wie es heifst.

22. Als aber die Bergkonigstochter (Uma) sah, wie die Gotter sich aufgemacht batten, (10230.) da sprach die Vortreflf- liche zu ihrem Gatten, dem tierbehiitenden Gotte, dieses Wort:

23. 0 HeiHger! wohin mogen wohl diese Gotter unter ^akra's Fiihrung gehen? (10231.) Das sage mir der Wahrheit nach, o Wahrheitskenner, ich bin dariiber in grofsem Zweifel.

Mahe<;vara (Qiva) sprach:

24. (10232.) 0 Gliickliche! ein Oberherr der Geschopfe mit Namen Daksha bringt ein Rofsopfer dar, dahin gehen die Himmelsbewohner.

Uma sprach:

25. (10233.) Wie kommt es, dafs du, o Mahadeva, nicht auch dieses Opferfest besuchst? Welches Hindernis besteht, dafs du nicht dorthin gehst?

MaheQvara sprach :

26. (10234.) 0 Gliickliche! von den Gottern ist das von jeher so gehalten worden, bei alien Opfern ist kein Anteil fiir mich bestimmt.

27. (10 23,5.) Gemafs einem durch althergebrachtes Ver- fahren iiberkommenen Brauche, 0 Schonfarbige, geben die Gotter mir gewohnheitsmafsig keinen Anteil am Opfer.

Uma sprach:

28. (10236.) 0 Heiliger! du bist vermoge deiner Tugen- den an Macht alien Wesen iiberlegen, bist unbesiegbar und uniiberwindlich an Macht, Ruhm und Gliick.

29. (10237.) Durch diese Verweigerung deines An toils, o Gliicklicher, bin ich von grofsem Schmerze und Zittern er- griffen, o Untadliger.

512 HI. Mokshadharma.

Bhishma sprach :

30. (10238.) So sprach die Gottin zu ihrem Gemahl, dem Herrn der Tiere, und schwieg, o Konig, gliihenden Zorn im Herzen.

31. (10239.) Er aber durchschaute, was in ihrem Herzen verging, und was sie getan zu sehen wiinschte, und erteilte dem Nandin den Befehl: „Du wartest hier."

32. (10240.) Er aber wappnete sich mit Yogakraft, der Meister aller Yogameister, und unternahm es, er, der Ge- waltige, mit seinen furchtbaren Mannen das Opfer

33. (10241.) jahUngs zu storen, der Gottergott mit dem Pinaka-Bogen. Einige erhoben ein Geheul, andere brachen in Gelachter aus,

34. (10242.) einige besudelten sogar das Opferfeuer mit Blut, andere rissen die Opferpfosten aus und schwarmten umher, ihre Gesichter verzerrend,

35. (10 243.) andere schnappten mit ihren Maulern nach den Opferdienern. So wurde dieses Opfer vollstandig ge- stort, o Fiirst.

36. (10244.) Da nahm das Opfer die Gestalt einer Gazelle an und fliichtete ins Weite, er aber haschte nach dem in dieser Gestalt fliehenden Opfer,

37. (10245.) ergriff Bogen und Pfeil und jagte ihm nach, der Herr. Aber durch den Zorn des unermefslich kraftigen Gotterherrn

38. (10246.) rann von seiner Stirn ein furchtbarer Schweifs- tropfen herab. Kaum aber war dieser Schweifstropfen auf die Erde gefallen,

39. (10247.) so flammte aus ihm ein machtiges Feuer auf, dem Weltuntergangsfeuer vergleichbar. Aus diesem ging hervor ein Mann, o Stier der Manner,

40. (10248.) zwergartig klein, mit roten Augen und gelbem Barte, furchtbar anzu sehen; seine Haare standen zu Berge, sein Korper war ganz mit Federn bedeckt, wie bei Habichten Oder Eulen,

41. (10 249.) seine Farbe ein grausiges Schwarz, sein Ge- wand blutrot. Dieser gewaltige Unhold verbrannte das Opfer, wie Feuer ein Gebiisch.

Adhyaya 284 (B. 283). 513

42. (10 250.) Dann stiirzte er sich iiberallhin auf die Gotter und rannte gegen die Rishi's an, und alle Gotter stoben er- schreckt nach den zehn Weltrichtungen auseinander.

43. (10251.) Und wie der Mann dort umherstiirmte, o Volkerherr, bebte die Erde gewaltig, o Bharatastier.

44. (10252.) Als aber der Gebieter und Urvater die ganze Welt in Wehgeschrei ausbrechen sah, da erschien er dem Mahadeva und sprach zu ihm.

Gott Brahman sprach :

45. (10253.) 0 Herr, alle Gotter werden auch dir eirien Anteil geben, nur nimm zuriick [was du getan hast], o Allgott.

46. (10254.) Denn alle diese Gottheiten und Rishi's, o Feind- bedranger, konnen vor deinem Zorne, o Mahadeva, keine Ruhe finden.-

47. (10255.) Aber der Mann da, der aus deinem Schweifse entstanden ist, o Bester der Gotter, mag unter dem Namen Fieber in der Welt wiiten, o Pflichtkundiger.

48. (10256.) Aber wenn er Einer bleibt, o Herr der Kraft, ist die ganze Erde nicht imstande, ihn zu ertragen, moge er in viele zerlegt werden.

49. (10257.) Nachdem dem Gotte so von Brahman zu- geredet und auch sein Opferanteil zugesichert worden war, da sprach er zu dem heiligen, unermefslich kraftigen Gott Brahman: „So sei es!"

50. (10258.) Mit grofser Freude wurde da der Pinaka- bogentrager erfiillt, und schmunzelnd nahm er, der Ewige, den von Gott Brahman ihm zugesprochenen Teil entgegen.

51. (10259.) Das Fieber zerlegte der aller Satzungen Kun- dige in viele Teile, um alien Wesen die Ruhe wiederzugeben ; auch das vernimm, mein Sohn.

52. (10260.) Die Kopfhitze der Elefanten, das Steinharz der Berge, die Algen des Wassers, das soil man wissen, die Hautung bei den Schlangen,

53. (10 201.) die Klauenseuche der Kiihe, der Salzboden auf der Erde, die Sehstorung des Viehs, o Pflichtkundiger,

54. (10262.) die Rotzkranhkeit der Pferde, die Kammspaltung

Dbussen, Mah&bbd.ratam. 33

514 III. Mokshadharma.

der Pfauen und die Augenkrankheit des Kuckucks, auf diese wurde durch des Hochsinnigen Wort das Fieber verteilt.

55. (10263.) Auch die Gallenverteilung , wo sie bei den Schafen vorkommt, ist als solches iiberliefert ; ferner der Schluchzer, wo er bei den Papageien vorkommt, wird als Fieber bezeichnet.

56. (10264.) Auch die Mattigkeit bei den Tigern wird als Fieber bezeichnet, o Pflichtkundiger, bei den Menschen end- lich fiihrt es den Namen Fieber, o Bharata.

57. (10265.) Beim Sterben, bei der Geburt und zwischen beiden kann es den Menschen beschleichen ; es ist die von Mahegvara herriihrende Glut, welche als das furchtbare Fieber bekannt ist.

58. (10 266.) Verehrung und Anbetung aller Lebenden ge- biihrt dem tgvara, denn von ihm [in Gestalt des Fiebers] wurde Vritra, der Beste der Gesetzestrager, befallen.

59. (10267.) Er rifs den Rachen auf, da schleuderte (^akra den Donnerkeil gegen ihn, und der Donnerkeil drang in Vritra ein und zerrifs ihn, o Bharata.

60. (10268.) Und von dem Donnerkeil zerrissen, ging der grofse Zauberer, der grofse Damon hinauf zu der hochsten Statte des unermefslich kraftigen Vishnu.

61. (10269.) Denn durch die Liebe zu Vishnu war ihm diese ganze Welt zuteil geworden, und eben darum erlangte er nach seiner Niederwerfung im Kampfe die Statte des Vishnu.

62. (10270.) Damit habe ich dir, von Vritra ausgehend, be- richtet, wie sich das grofse Fieber verbreitete; was soil ich dir, o Sohn, weiter sagen.

63. (10271.) Der Mann, welcher andachtig und unver- drossenen Geistes diese Entstehung des Fiebers fort und fort studiert, der wird, von Krankheit freibleibend, gliick- lich und freudeerfiillt alle Wiinsche seines Herzens er- langen. "

So lautet im Mokshadharma die Entstehung des Fiebers (jvara-utpatti).

Adhyaya 285 (B. 284). 515

Adhyaya 285 (B. 284). Vers 10272-10345 (B. 1-71).

Janamejaya sprach:

1. (10272.) Wie geschah es, o Brahmane, dafs in der Welt- periode des [Manu] Vaivasvata das Rofsopfer des Schopfer- herrn Daksha Pracetasa zerstort wurde?

2. (10273.) Und wie geschah es ferner, dafs der die Erregung der Gottin (Uma) bemerkende und in Zorn geratende all- beseelende Herr (Qiva), dafs durch dessen Gnade vom Daksha das Opfer wieder in Ordnung gebracht werden konnte ? (10274.) Das wiinsche ich zu wissen, das erklare mir, wie es sich begeben hat.

VaiQainpa,yana sprach:

3. (10275.) Einstmals also brachte Daksha ein Opfer dar auf dem Riicken des Himalaya in Gangadvara, einer schonen, von Weisen und Vollendeten bewohnten Gegend,

4. (10 276.) wo es von Gandharven und Apsarasen wimmelte, und die mit mancherlei Baumen und Schlingpflanzen be- wachsen war. Dem von Rishischaren umgebenen Daksha, dem Besten der Gesetzestrager,

5. (10277.) nahten alle Bewohner der Erde, des Luftraums und der Himmelswelt und huldigten mit zusammengelegten Handen diesem Prajapati.

6. (10278.) Gotter, Danava's, Gandharva's, Pigaca's, Schlan- gen, Rakshasa's, die beiden Gandharven Haha und Huhu, sowie Tumburu und Narada,

7. (10279.) Vigvavasu, Vi<?vasena und andere Gandharven mit Apsarasen; auch die Aditya's, Vasu's, Rudra's, Sadhya's und die Scharen der Marut's,

8. (10280.) sie alle waren mit Indra herbeigekommen , um teil am Opfer zu haben. Auch alle, welche die Hitze trinken, den Soma trinken, den Dampf trinken, die Schmelzbutter trinken,

9. (10281.) die Rishi's und die Manen kamen mit Gott Brahman herbei. Denn diese und viele andere, auch die vier- fachen Scharen der Wesen,

33*

516 m. Mokshadharma.

10. (10282.) lebendgeborene und eigeborene, schweifs- geborene und sprofsgeborene in Eile, sie alle waren gerufen und geladffli nebst alien Gottern mit ihren Frauen.

11. (10583.) Auf ihren Wagen stehend, glanzten sie wie flammende Feuer. Sie erblickte von Zorn erfiillt Dadhici und sprach das Wort:

12. (10 284.) Das ist kein Opfer, keine fromme Handlung, bei der nicht auch dem Rudra (Qiva) geopfert wird; verfallen sind sie dem Tode und der Gefangenschaft , ist wohl eine Wendung ihres Schicksals moglich?

13. (10285.) Sehen sie denn in ihrer Verblendung nicht, wie das Verderben sie umgarnt? Begreifen sie nicht das Furchtbare, das ihnen bei ihrem grofsen Opferfeste droht?

14. (10286.) So sprach der grofse Yogin und blickte aus mit dem Auge der Meditation ; da sah er den Mahadeva und die schone, spendende Gottin (Uma)

15. (10 287.) und den hochherzigen Narada, wie er in der Nahe dieser Gottin weilte. Als der Yogakenner sich dessen vergewissert hatte, wurde er von grofser Befriedigung erfiillt.

16. (10288.) Einseitig ist das Gebet von ihnen alien, da sie den Herrn (Qiva) nicht hinzugebeten haben, [sprach er]; damit verliefs Dadhici diesen Ort und sprach:

17. (10289.) Wer Nicht -Verehrungswiirdige verehrt und Verehrungswiirdige nicht verehrt, der Mensch begeht allemal eine Siinde, die dem Menschenmorde gleichkommt.

18. (10290.) Niemals noch habe ich die Unwahrheit ge- sagt und werde sie auch niemals sagen, mag ich bei Gottern, mag ich bei Weisen weilen, ich sage die Wahrheit.

19. (10291.) Ihr soUt sehen, der Herr der Tiere, der Schopfer und Herr der Welt, der Gebieter aller Wesen als bester Ge- niefsender kommt zu eurem Opfer.

Daksha sprach:

20. (10292.) Wir haben hier viele Rudra's mit dem Speer in der Hand und der Haarlocke auf dem Haupte; sie haben ihre elf Platze eingenommen, aber deinen Mahegvara kenne ich nicht.

Adhy^ya 285 (B. 284). 517

Dadhici sprach:

21. (10293.) Dieses Gebet, welches ihr alle darbringen wollt, wird well ihr ihn nicht dazu gebeten habt, so gewifs wie ich keine hohere Gottheit als (^ankara (Qiva) an- erkenne, (10294.) so gewifs wird dieses grofse Opfer des Daksha nicht zustande kommen.

Daksha sprach:

22. (10295.) Dem Herrn des Opferfestes bringe ich diese ganze, durch Brauche und Spriiche geheihgte Opferspeise auf goldener Schiissel dar als gebiihrenden Anteil des unvergleichlichen Vishnu, er ist der Herr, der Allbeherr- scher, ihm ist das Opfer darzubringen.

Die Gottin (UmS,) sprach:

23. (10296.) Welches Geschenk, welche Selbstbezwin- gung oder Askese konnte ich wohl leisten, damit mein Gatte, der heilige, unausdenkbare , heute die Halfte des Opfers oder doch ein Drittel als seinen Anteil erhalte.

24. (10297.) Seiner Gattin, welche in Aufregung so zu ihm sprach, erwiderte mit heiterem Angesicht der Heilige : Du kennst mich noch nicht, du Gottin, schlank an Leib und Gliedern, und weifst nicht, wie es sich geziemt, zu [mir], dem Herrn der Opferfeste, zu reden.

25. (10298.) Ich weifs es [wer ich bin], 0 Grofsaugige, aber jene Nichtswiirdigen ermangeln der Meditation und wissen es nicht; so wie du heute verwirrt erscheinst, so gehen auch die Gotter, Indra voran, und die drei Welten allesamt in der Irre.

26. (10 299.) Ich bin es, den [in Wahrheit] die An- rufenden beim Opfer preisen, dem die Samansanger das Rathantaram singen, ich bin es, dem die brahmankundi- gen Brahmanen opfern, dem die Adhvaryu-Priester die Opferspende zuteilen.

Die Gottin (Uma) sprach: 27. (10300.) Jeder Mann, auch ein ganz gewohnlicher, kann in Gegenwart des Weibervolkes sich riihmen und wichtig machen, das versteht sich.

518 in. Mokshadharma.

Der Heilige sprach:

28. (10301.) Nicht riihine ich mich selbst, o Gotterherrm ; sieh mir einmal, o Schlanke, wen ich jetzt hervorbringen werde, o Schongewachsene, um dies Opfer zu storen, o Schon- farbige.

29. (10302.) So sprach der HeiHge zu seiner urns Leben lieben Gattin und brachte aus seinem Munde hervor ein Wesen, furchtbar, haarstraubend.

30. (10303.) Zu dem sprach MaheQvara: Beschimpfe das Opfer des Daksha! Darauf wurde von diesem einzigartigen Lowen, den er spielend

31. (10304.) geschaffen hatte, um den Groll der Gottin zu begiitigen, das Opfer des Daksha zerstort. Aber die furcht- bare, grofse Gottin Kali (Uma), aus Groll,

32. (10305.) den sie hegte, ging hinter ihm her, um Zeugin des Vorgangs zu sein. Der Einwilligung des Gottes sicher und sich vor ihm mit dem Haupte verneigend,

33. (10306.) stand er da, an Heldenmut dem Gotte ahnlich, in kraftvoller Gestalt als sein heiliger, leibhaftig gewordener Zorn.

34. (10307.) Unermefslich an gewal tiger Heldenkraft, un- ermefslich an gewaltiger Mannhaftigkeit, wurde er Virabhadra (Mannhold) genannt, der Racher der grollenden Gottin.

35. (10308.) Da schuf er aus seinen Hautporen Scharen von herrischen Wesen, genannt Raumya's (Haarentsprossene). Diese dem Rudra ahnlichen, furchtbaren fraudraj, dem Rudra an Tapferkeit gleichen Scharen

36. (10309.) stiirzten sich stiirmisch auf das Opfer des Daksha, um es zu zerstoren, furchtbar an Aussehen, machtig an Leib, zu Hunderten und Tausenden.

37. (10310.) Darauf erfiillten sie mit wildem Geheul gleich- sam den Weltraum, und durch diesen grofsen Larm wurden die Himmelsbewohner in Schrecken versetzt.

38. (10311.) Die Berge zerrissen und die Erde bebte, die Winde . tobten und das Reich des Varuna (das Meer) kam in Aufruhr.

39. (10312.) Die Feuer leuchteten nicht mehr, nicht strahlte mehr die Sonne, Planeten, Fixsterne und Mond schienen nicht mehr.

Adhyaya 285 (B. 284). 519

40. (10313.) Keine Rishi's kamen zum Vorschein, keine Gotter und keine Menschen. Nachdem es so ganz dunkel geworden war, fingen die beleidigten Unholde an zu sengen und zu brennen.

41. (10314.) Die einen schlugen darauflos, die anderen rissen die Opferpfosten aus, zerbrachen sie und traten auf ihnen herum.

42. (10315.) Sie stiirmten heran, stiirmten von dannen schnell wie der Wind, wie der Gedanke schnell, zermalmten die Opferschalen und die himmlischen Schmuckgegenstande^

43. (10316.) zerstiickelt lagen diese da, den Sternen am Himmel vergleichbar, himmlische, zum Genusse bestimmte Speisen und Getranke waren in Haufen wie Berge aufgetiirmt.

44. (10317.) Milchstrome waren da zu sehen, in welchen Schmelzbutter und Milchbrei mit Schmutz, saure Milch und Rahm mit Wasser und himmlische Zuckerstiicke mit Sand durcheinanderflossen,

45. (10318.) und welche alle sechs Geschmacke zugleich an sich trugen. Verlockende Bache von Sirup, allerlei Fleisch durcheinander, verschiedene andere Speisen,

46. (10319.) himmlisCTie Getranke und alles, was zu lecken und zu schliirfen ist, wurde von ihnen mit mancherlei Maulern genossen, zerbrochen und beschmutzt.

47. (10320.) Getrieben von Rudra's Zorn, mit machtigen Leibern, an Aussehen dem Weltuntergangsfeuer vergleichbar, brachten sie die Gotterheere, iiberall Furcht verbreitend, in Verwirrung,

48. (10321.) trieben allerlei Kurzweil und zerrten die Gotter- frauen herum. So wurde durch Rudra's Zorn das von den Gottern sorgsam behiitete

49. (10322.) Opfer von dem Rudra's Work Ausfiihrenden [Virabhadra] in kurzer Zeit vollstandig verbrannt. Er voll- fiihrte einen fiirchterlichen Larm, der alien Wesen Angst einflofste,

50. (10323.) und nachdem er das Opfer [gleichsam) ent- hauptet hatte, briillte er und jubelte vor Freude. Die Gotter aber, mit Gott Brahman an der Spitze, und der Schopferherr Daksha

520 in. Mokshadharma.

51. (10324.) sprachen alle mit demiitig zusammengelegten Handen zu ihm: Sage uns, o Herr, wer du bist.

Virabhadra sprach:

(10325.) Ich bin nicht Rudra oder die Gottin [Uma], bin auch nicht hierhergekommen, um zu geniefsen.

52. Den erregten GroU der Gottin bemerkend, geriet der allbeseelende Herr in Zorn. (i0326.) Nicht etwa um die Brah- manenfiirsten zu sehen, noch auch aus Neugierde,

53. sondern um dein Opfer zu storen bin ich hierher- gekommen [o Daksha], das merke dir. (10327.) Mein Name ist Virabhadra, und aus dem Zorne Rudra's bin ich hervor- gegangen.

54. Diese hier aber heifst Bhadrakali und ist aus dem Zorne der Gottin hervorgegangen. (10328.) Von dem Gott der Gotter sind wir beide zu deinem Opfer entsandt worden und da sind wir.

55. Nimm, o Brahmanenfiirst , deine Zuflucht zu dem Gott der Gotter, zum Gemahle der Uma; (10329.) auch der Zorn dieses Gottes ist dir besser, als wenn du von einem andern eine erwiinschte Gabe empfmgest.

56. Als Daksha, der Beste der Pflichttrager, das Wort des Virabhadra vernommen hatte, (10330.) da warf er sich vor dem Mahegvara (Civa) nieder und begiitigte ihn durch folgen- den Lobgesang:

57. „Ich nehme meine Zuflucht zu dem Gotte, dem ewigen, festen, unverganglichen Herrn, (10331.) zu dem hoch- herzigen Mahadeva, dem Beherrscher aller, die da leben."

*58. (Aus Veranlassung des Opfers des Schopferherrn Daksha waren durch die wohlzubereiteten Opfergaben (10332.) alle Gotter herbeigelockt worden, sowie die askesereichen Rishi's.

59. Aber der alles wirkende Gott MaheQvara war nicht dazu geladen worden. (10333.) Da liefs die erzurnte Maha- devi ihre Scharen gegen das Opfer los,

60. damals, als der Opferplatz in Flammen aufging, die

* Die eingeklammerten Worte, Vers 10331b 10336, werden schon in B. durch Klammern als eine Interpolation gekenuzeichnet.

Adhyaya 285 (B. 284). 521

Brahmanen auseinanderstoben (10334.) und das hochmachtige, den Sternen an Glanz gleichkommende Geschopf des Rudra (Virabhadra) in Wut entbrannt war

61. nebst seinen mit Spiefsen die Herzen durchbohrenden, briillenden Dienern, (10335.) wahrend die Opferpfosten aus- gegraben und umgerissen und nach alien Seiten fortgeschleu- dert wurden,

62. wahrend nach Beute gierige Geier bin und her flogen <10336.) und durch den Wind ihrer Fliigel das Geheul von Hunderten von Schakalen ringsherum verweht wurde,

63. in Begleitung von Scharen von Yaksha's und Gan- dharven, von Pi(?aca's, Schlangen und Rakshasa's) (10337.) da geschah es, dafs [(^iva], indem er Aushauch und Einhauch unter Schliefsung des Mundes mit Anstrengung hemmte

64. und seine Blicke umherschweifen liefs, dafs er, der weitblickende, feindiiberwindende (10 338.) Gottherr der Goiter sich plotzlich von seinem Feuerbecken erhob,

65. er, der Trager der Glut von tausend Sonnen, der dem Weltuntergangsfeuer Vergleichbare, (10339.) und lachelnd das Wort sprach: Sage, was ich fiir dich tun soil.

66. Nachdem darauf die fur das Opferfest bestimmte Lektion von dem Lehrer der Gotter (Brihaspati) rezitiert worden war, (10 340.) sprach der Schopferherr Daksha mit zu- sammengelegten Handen zu jenem Gotte ((^iva),

67. mit Furcht, Angst und Zittern, mit Tranen in Augen und Angesicht : (10341.) Wenn du, o Heiliger, mir gnadig bist und wenn ich dir lieb bin,

68. wenn ich deiner Gnade wiirdig bin, wenn du mir anders einen Wunsch gewahren willst, (10342.) dann mogest du alles das, was hier verbrannt, aufgezehrt, ausgetrunken, verschlungen , zugrunde gerichtet,

69. zertreten und herumgeschleudert worden ist, diese grofse Opferzuriistung, (10343.) die ich in langer Zeit und mit grofser Miihe sorgsam zusammengebracht hatte, moge das alles fiir mich nicht vergeblich gewesen sein, das ist die Gnade, die ich von dir erbitte.

70. (10344.) „Moge es denn also sein", sprach der heilige

522 III. Mokshadharma.

Hara, der Blender des Bhaga, der Hiiter des Rechts, der seltsamaugige, dreiaugige, schopferische Gott.

71. (10345.) Da warf sich Daksha, nachdem ihm Bhava (Qiva) seinen Wunsch gewahrt hatte, mit den Knien auf die Erde nieder und pries den den Stier im Banner Tragenden unter Anrufung seiner tausendundacht Namen.

So lautet im Mokfbadharma die Zerstorung des Opfers des Daksha (Daksha - yajna - vindfa).

Adhyaya 286* (B. 384 Fortsetzung).

Vers 10346-10484 (B. 72-208).

Yudhishthira sprach:

72. (10346.) Die Namen, mit welchen der Schopferherr Daksha den Gott gepriesen hat, die sollst du mir, o Freund, mitteilen; ich habe glaubiges Verlangen, sie zu horen, o Un- tadehger.

Bhishma sprach:

73. (10347.) Vernimm denn die Namen des wunderwirken- den, geheimnisvollen Gottes der Gotter, die verborgenen wie die offenbaren, o Bharata.

74. (10348.) Verehrung dir, o du Herr des Gottes der Gotter, Toter des Gotterfeindes Bala, Stiitze der Kraft der Gotter- fiirsten, von Gottern und Damonen Verehrter,

75. (10349.) Tausendaugiger, Seltsamaugiger, Dreiaugiger, Freund des Fiirsten derYaksha's, iiberallhin Hande undFiifse, iiberallhin Augen, Haupt und Mund Ausstreckender !

76. (10350.) Nach alien Seiten hin horend, die Welt um- fassend stehst du da (vgl. Qvet. Up. 3,16), o Spitzohriger, Grofsohriger, Topfohriger, Ozeanumfasser,

* Dieses fjivasahasranaman steht, ahnlich wie das Vishnusahasranaman Mbh. XIII, Adhy. 149, in Indien im Geruche besonderer Heiligkeit und wird von vielen als tagliches Gebet rezitiert. Die Bezeichnungen sind stellenweise vollig sinnlos und wirken nur durch den Gleichklang, den wir hin und wieder auf Kosten der Genauigkeit der tjbersetzung nachzubilden versuchten.

Adhy^ya 286 (B. 284 Fortsetzung). 523

77. (10351.) Elefantenohriger, Ochsenohriger, Handohriger, Verehrung sei dir! 0 du hundert Bauche, hundert Haar- wirbel, hundert Zungen Habender, Verehrung sei dir!

78. (10352.) Dich besingen die Liedersanger, dir zollen Preis die Lobsingenden, dich, den hundertkraftigen Gott Brah- man, erachten sie hoch wie den Ather.

79. (10353.) In deiner Gestalt sind sie, o Grofsgestaltiger, dem Ozean und Luftraum Ahnhcher, „alle jene Gotter sind in ihm wie im Kuhstall die Kiihe sind" (Atharvaveda 11,8,32).

80. (10354.) Ich sehe in deinem Leibe Soma, Agni, Varuna, Aditya, Vishnu und den Pries ter Brihaspati.

81. (10355.) Du, o Heihger, bist die Ursache und die Wir- kung, die Tat und das Werkzeug, du bist Entstehung und Vergang des Nichtseienden und des Seienden.

82. (10356.) Verehrung dir als Bhava, Qarva, Kudra, als Gabengeber und Herrn der Tiere immerdar, Verehrung dem Toter des Andhaka.

83. (10357.) Dir, dem Dreilockigen , Dreikopfigen , dem Besten der Dreizackeschwingenden, Dreimutterhaften , Drei- augigen, drei Burgen Zerstorenden sei Verehrung!

84. (10 358.) Verehrung dem Zornmiitigen, dem Befasser, dem Weltei und Trager des Welteis, dem Richtenden, Un- parteiischen. Stab und Tonsur des Asketen Tragenden sei Verehrung !

85. (10 359.) Verehrung dem von Zahnen und Haaren Star- renden, dem Fleckenlosen, Weitverbreiteten, dem Hochroten, Rauchgrauen, Schwarzhalsigen Verehrung!

86. (10360.) Verehrung sei dem UnvergleichUchen, Seltsam- gestalteten, Gliicksehgen, dem Sonnenhaften, Sonnumstrahl- ten, die Sonne als Banner und Fahne Fiihrenden!

87. (10361.) Verehrung dem Koboldfiihrer , dem Stier- nackigen, dem Bogen trager, dem Feindbezwinger, Racher, als Asket in Blatter und Lumpen Gehiillten!

88. (10362.) Verehrung dem Goldkeim {hiranyagarhhaj , dem Goldgepanzerten , Goldschopfigen , dem Herrn des Goldes sei Verehrung !

89. (10363.) Verehrung dem Preislichen, Preiswerten, Ge- priesenen, dem Allseienden, Allverschlingenden, Allbeseelenden!

524 III. Mokshadharma.

90. (10364.) Verehrung ihm, der Priester und Hymnus ist, der ein weifses Banner als Fahne tragi, Verehrung dem Welt- nabel, Weltnabelhaften , der die Hiille der Hiillen ist!

91. (10365.) Verehrung dem Schmalnasigen , Schmalghe- drigen, Schmalen, dem Freudestarrenden , Freudestraubigen, im Freudenrufe Aufjauchzenden !

92. (10 366.) Verehrung ihm, dem Liegenden, wenn er hegt und wenn er aufsteht, dem Ruhenden und Rennenden, dem Kahlkopfigen, Haarschopfigen !

93. (10367.) Verehrung dem Tanzkundigen, Tonekunst- mundigen, die Flufsgabe [Lotosblume, Nil.] Liebenden, Ge- sang und Saitenspiel Ubenden!

94. (10368.) Verehrung dem Edelsten, Besten, dem Stiirzer des Bala, dem Zeitgebieter, dem Weltalter (kalpdya mit C), V^eltvernichter, Weltaltervernichter !

95. (10369.) Dem furchtbar wie Trommeln Lachenden, furchtbare Geltibde Haltenden, dem Schrecklichen sei furcht- bare Verehrung, dem Zehnarmigen!

96. (10370.) Verehrung dem Schadeltragenden , Scheiter- haufen und Asche Liebenden, dem Furchteinflofsenden, Fiirch- terlichen, furchtbare Geliibde Haltenden!

97. (10371.) Verehrung ihm, mit dem seltsamen Munde, mit der schwertgleichen Zunge und dem furchtbaren Gebifs, ihm, der gierig ist nach gekochtem und rohem Fleische und seine Freude hat am Lautenspiel !

98. (10 372.) Verehrung dem Stiere, dem Stierkraftigen, dem Stier der Kiihe, dem Stiere, ihm, dem Umhiiller der Hiillen, dem Racher, dem Reifmacher der Taten!

99. (10373.) Verehrung dem Trefflichsten von alien, dem Trefflichen, Treffliches Schenkenden, treffliche Kranze, Diifte und Gewander Tragenden, Treffliches, Uniibertreffliches Schenkenden [varade = varaddya Nil.) !

100. (10374.) Verehrung dem Leidenschaftlichen, Leiden- schaftslosen , dem Bildner, dem Rosenkranztrager, dem Kon- zentrierten und Differenzierten , der Schatten und Glut zu- gleich ist!

101. (10375.) Dem Nichtfurchtbaren und Furchtbaren, der

Adhy&ya 286 (B. 284 Fortsetzung). 525

furchtbarer als das Furchtbare ist, sei Verehrung ! Dem Giitigen^ Beruhigten, dem Allerberuhigtesten sei Verehrung!

102. (1037G.) Dir, dem Einfiifsigen und Vielaugigen, dem Einkopfigen sei Verehrung, dem Rudra, der nach Kleinem begehrt und gerechte Verteilung Hebt!

103. (10377.) Dem Paficala [nach Nil. dem Kunstfertigen]^ dem WeifsgHedrigen sei Verehrung, dem Allberuhigten, dem heftig Tonenden, Tonreichen, tonlos Tonenden!

104. (10378.) Verehrung dem tausendglockig Tonenden, des Glockenspiels Frohen, dem Odemsausenden, Duftberauschen- den, Larmerbrausenden,

105. (10379.) dem dem lauten Summen Entriickten, durch das laute Summen Begliickten! Verehrung, wo der ewig Ruhige thront, ihm, der in des Berges Waldungen wohnt!

106. (10380.) Dem als Schakal nach Kernfleisch Gierenden, als Retter Hiniiberfiihrenden sei Verehrung, ihm, der Opfer und Opferer ist und Dargebrachtes zu jeder Frist!

107. (10381.) Dem Opferbringer und Selbstbezwinger, dem Entflammten und dem Entflammer, dem Ufer und Uferfiihren- den, Verehrung dem Uferregierenden !

108. (10382.) Verehrung dem Speiseschenker, Speiseherrn, Speiseverzehrer, dem Tausendkopfigen , Tausendfiifsigen,

109. (10383.) mit tausend Dreizacken Schiitzenden, tausend Augen Besitzenden ! Verehrung dem wie junge Sonnen Blitzen- den, junge Gestalt Besitzenden,

110. (10 384.) die Jugendschar Besitzenden, im Jugendspiel sich Erhitzenden! Verehrung dem Alten, Gierigen, Erschiit- terten, Erschiitternden !

111. (10385.) Verehrung dem Wellennafshaarigen , Mufija- grashaarigen, die sechs Werke Ubenden, die drei Werke Liebenden,

112. (10386.) dem die Werke der Kasten und Lebensstadien nach Vorschrift gesondert in Umschwung Erhaltenden ! Ver- ehrung sei dem Sausenden, dem Sausen, dem Larmerbrau- senden,

113. (10387.) dem Weifsgelbaugigen, Schwarzrotaugigen, Rochelnden, Rachenden, Knackenden, Nackenden,

114. (10388.) ihm, der iiber Gutes, Lust, Nutzen und Er-

526 III. Mokshadharma.

losung darbietet aller Fragen Losung, dem Sankhyatreuen, Sankhyamundigen, des Sankhya und Yoga Kundigen!

115. (10389.) Verehrung dem Fahrer, dem Nichtfahrer, dem alle vier Wege Durchfahrer [Wasser, Feuer, Luft, Ather, nach Nil.], von schwarzer Antilope Urahauteten, mit Schlangen- Opferschnur Umkleideten !

116. (10390.) 0 Herr, o Diamantfester, Goldhaariger, Ver- ehrung dir! Dreimutterhafter , Schiitzer der Mutterhaften, Oifenbarer und Geheimer, Verehrung dir!

117. (10391.) 0 Lust, o Lustvermehrer, Lustzerstorer, Satter und Nichtsatter, Streifender, o All, o Allvermehrer, AUzer- storer, Dammerungsfreund , Verehrung dir!

118. (10392.) Als grofse Wolken dich Haufender, als grofses Verhangnis Ergreifender, Verehrung dir! Stark und gehrech- lich an Korper und Locke, in Baumbast gekleidet und Fell vom Bocke!

119. (10393.) Mit sonnengleich , feuergleich flammender Locke, im Kleid aus Baumbast, im Fell vom Bocke, tausend Sonnen Vergleichbarer, an Askese Unerreichbarer, Verehrung sei dir!

120. (10394.) Tollmachender , Hunderthaarwirbeliger , am Haar von Gangawasser Benetzter, Mondlenker, Weltalter- lenker, Wolkenlenker, Verehrung dir!

121. (10395.) Du hist Speise, Fresser und Geniefser, Speise- verleiher, Speisegenielser, Speiseverbreiter und Speisebereiter, Geniefser, Wind und Feuerglut!

122. (10396.) Du bist Lebendgeborenes , Eigeborenes, Schweifsgeborenes , Sprofsgeborenes , du bist, o Herr des Gottes der Gotter, die vier Wesensscharen allzumal!

123. (10397.) Du bist des Beweglichen und Unbeweglichen Schaffer und "WegrafFer, dich preisen sie als Inbegriff der Brahmanwissenden, als das Brahman, o Bester der Brahman- wissenden !

124. (10 398.) Du bist die hochste Quelle des Geistes, bist Ather, Wind und Schatzkammer der Gestirne, dich bezeichnen die Brahmanlehrer als Ric, Saman und Om-Laut!

125. (10399.) Hdyihdyi huva hdyi hdvuhdyi, mit diesen

Adhyaya 286 (B. 284 Fortsetzung). 527

Lauten wiederholentlich besingen dich, o Bester der Gotter, die brahmankundigen Samansanger!

126. (10400.) Als bestehend aus Opferspriichen , Versen, und Opfergiissen wirst du gepriesen mit Lobliedern von den Scharen der Upanishad's des Veda!

127. (10401.) Du bist Brahmanen, Kshatriya's, Vai^ya's, Qudra's, sowie die untersten Kasten, bist Wolkenmassen, Blitz und Donnerschall!

128. (10402.) Du bist Jahr und Jahreszeiten , Monate und Halbmonate, Weltalter, Augenblicke und Minuten, bist Stern- bilder, Planeten und Mondphasen!

129. (10403.) Du bist der Baume Wipfel und der Berge Gipfel, der Tiger unter den Waldtieren, der Garuda unter den Vogeln, Ananta unter den Schlangen!

130. (10404.) Du bist das Milchmeer unter den Ozeanen, der Bogen unter den Werkzeugen, unter den Waffen der Donnerkeil, unter den Geliibden die Wahrhaftigkeit !

131. (10405.) Du bist Hafs und Liebe, Leidenschaft, Ver- blendung, Geduld und Ungeduld, Entscheidung , Festigkeit, Begierde, Lust und Zorn, Sieg und Niederlage!

132. (10406.) Du fiihrst Keule, Pfeil, Streitkolben, Trom- mel ; du giltst als Zerschneider, Zerspalter, Angreifer, Fiihrer, Vorseher und Vater!

133. (10407.) Mit den zehn Kennzeichen begabt [den zehn Yogasutra 2,30 und 32 aufgezahlten , Nil.] bist du, bist das Gute , Niitzliche und Angenehme ; du bist die Gaiiga , die Meere und die Strome, die Siimpfe und Teiche!

134. (10408.) Du bist Schlingpflanzen und Ranken, Graser und Krauter, Haustiere, Waldtiere und Vogel, du bist Sub- stanz, Tatigkeit und Unternehmen , bist die Zeit, welche Blumen und Friichte bringt!

135. (10 409.) Du bist Anfang und Ende der Gotter, die Gayatri und der Om-Laut, bist griin, rot, blau, schwarz, pur- purn und goldgelb, (io4io.) schwarzgelb, affenbraun, tauben- grau und dunkelfarbig !

136. Du bist farblos und farbenschon, Farbenspender, der Wolke gleich, (i04ii.) nach Gold benannt und Gold liebend !

528 in. Mokshadharma.

137. Du bist Indra, Yama, Varuna, Kubera und Agni^ (10412.) du bist Sonnenfinsternis und Sonnenschein, bist Him- melsglanz und Sonne!

138. Du bist Priesteramt, Priesterhandlung, Darbringung und Herr, (I04i3.) du bist das Trisuparna-Gebet, bist unter den Yajus die Qatarudriya-Spriiche!

139. Du bist die Siihne der Siihnen, der Gliickwunscli der Gliickwiinsche, (I04i4.) bist bergschweifend, umherstrei- fend und wurzelnder Baum, bist die Seele und auch der Leib !

140. Du bist der Lebensodem, bist Sattvam, Rajas und Tamas, die Niichternheit, (i04i5.) bist Aushauch, Einhauch^ Allhauch, Aufhauch und Zwischenhauch !

141. Du bist Aufschlagen und Schliefsen der Augen, bist Niesen und Gahnen, (10416.) bist das rote, nach innen gekehrte Auge, mit grofsem Rachen und grofsem Bauche!

142. Nadelhaarig, blondbartig, haarstraubig und voll Be- weglichkeit bist du, (I04i7.) des Gesangs und Saitenspiels kundig, ein Freund des Gesange Vortragenden !

143. Du bist der Fisch, wie er im Wasser spielt und im Netze zappelt, unteilig, spielweilig, streiteilig, (I04i8.) un- zeitig, iiberzeitig, schlimmzeitig und zeitig!

144. Du bist der Tod, die Sense und der zu Mahende^ der Vernichter von Freund und Feind, (10419.) bist Weltunter- gangswolkenzeit, mit grofsem Gebifs, die Umsturzwolke, die Einhiillungswolke !

145. Du bist die Glocke, die Nicht-Glocke, der Kessel- mann, der Glockenmann, der Topfumfangene, der Allbegangene,^ (10420.) die Priesterheiligkeit, der Feuer Leiblichkeit, der Racher,. der Tonsurhafte, Dreistabhafte,

146. vierweltalterhaft, viervedahaft, der vier Priester Rege- kraft, (10421.) der vier Lebensstadien Fiihrer, der vier Kasten Regierer,

147. stets das Wiirfelspiel liebender Schelm, Scharen- hiiter und Scharenherr, (10422.) ein rotbekranztes Kleid tragend^ berghaft, in Bergen sich behagend,

148. kunstfertig, der Kiinstler Bester, aller Kiinste Be- forderer, (10423.) der grimmige Haken fiir Bhaga's Augen, der Vernichter von Pushan's Zahnen!

Adhy&ya 286 (B. 284 Fortsetzung). 529

i49. Du bist die Opferrufe svdhd, svadhd, vashat, Be- griifsungslaut, Verehrungslaut , (i04-24.) verhiillten Geliibdes, geheimer Kasteiung, sternhaft, aus Sternen bestehend,

150. Schopfer, Ordner und Bildner der Welt, Bildner und Trager, der sie erhalt, (10425.) Brahman, Askese, Wahrhaftig- keit, Brahmanwandel und Redlichkeit,

151. der Wesen Selbst, der Wesenschaffer, selbstWesen, des Gewesenen, Zukiinftigen und Seienden Quelle, (10 426.) Erde, Luftraum und Himmel, und darum der feste, bezahmte, grofse Herr,

152. Weihe vollbringend und nicht vollbringend, geduldig, unbezwingbar, der Unbezahmten Bezwinger, (10427.) den Mond walzend, Weltalter walzend, umwalzend und durcheinander- walzend !

153. Du bist Begierde, ein kleiner Punkt und doch grofs, Lotoskranze liebend, (10428.) lieblichen Mundes, schrecklichen Mundes, schonen Mundes, hafslichen Mundes, entbehrend des Mundes,

154. viermundig, vielmundig und im Gefechte feuermundig, (10429.) der goldene Keim, der Sonnenvogel, Herr grofser Schlangen und Virat,

155. des Frevlers Strafer, mit grofsen Flanken, der Scharenherr, voll Zorngedanken , (10430.) Kuhbriiller, Kuhfurt, mit besten Stieren Fahrender,

156. Beschiitzer der Dreiwelt, Kuhge winner, der Kiihe Pfad und ohne Pfad, (10431.) der Beste, Feste, Baumstamm- artige, unerschiitterlich und zugleioh Erschiitterung,

157. schwer hemmbar, schwer bezwingbar, schwer iiber- windbar, schwer iibertretfbar, (10432.) schwer bestehbar, schwer erschiitterlich , schwer bewaltigbar, schwer besiegbar, der leibhaftige Sieg,

158. Hase, Hasen trager (Mond), Stillmacher, Bewirker von Kalte, Hitze, Hunger, Alter und Not, (10433.) Sorgen- inbegriff, Krankheitsinbegriff, Krankheitbrecher und Krank- heit selbst!

159. Du bist der Jager meines als Wild fliehenden Opfers, der Krankheiten Kommen und Gehen, (10434.) der Pfau mit den Lotosaugen, in Lotoswaldern thronend,

DBtrssEN, Mah&bh&Tatam. 34

530 III. Mokshadharma.

160. Stabtragender, Dreimutterhafter, furchtbarer Strafer, Welteivernichter, (10435.) Giftfeuerschliirfer, der Gotter Bester, Somaschliirfer bist du, Windgotterherr,

161. Nektarschliirfer, der Welten Herr, o Gottergott, der Scharenherr, (io436.) Giftfeuerschliirfer, Todschliirfer, Milch- schliirfer, Somaschliirfer auch, der Gestiirzten Honig, Erst- schliirfer, Anfangschliirfer der Gotter du!

162. (10437.) Gold ist dein Same, Weltgeist bist du, der Mann, das Weib und auch was keins von beiden, bist Kind und Jiingling und zahnloses Alter, bist Schlangen- fiirst, Machthaber, Allgottschopfer,

163. (10438.) Allschopfer, der Allschopfer Bester, All- trager, Allgestal tiger, Glanzreicher, Allwartsblickender, Sonne und Mond sind deine Augen, dein Herz ist Vater dieser Welt!

164. (10439.) Du grofses Meer, Saras vati, der Rede Kraft, Feuer und Wind, du Tag und Nacht, Schliefser und Offner der Augen!

165. (10440.) Nicht Gott Brahman, nicht der Kuhgewinner, nicht die Weisen des Altertums vermogen deine Majestat zu fassen, wie sie der Wahrheit nach besteht, o Qiva!

166. (10441.) Deine sehr feinen Formen zeigen sich meinem Blicke nicht, errette mich, beschiitze stets mich wie der Vater •den eigenen Sohn!

167. (10442.) Errette mich, rettungswert bin ich dir, Un- tadliger, Verehrung dir! Du erbarmst dich derer, die dich lieben, o Heiliger, und geliebt habe ich dich allezeit!

168. (10443.) Der vor viel tausend Menschen sich bergend, schwer sichtbar, steht am Meeresrand, der sei mein Hiiter immerdar !

169. (10444.) Den die schlummerlosen, atembezwingenden, im Sattvam stehenden, die Sinne ziigelnden Yogin's als Licht schauen, ihm als der Yogaseele sei Verehrung!

170. (10445.) Dem Schopftrager, stets Stabtrager, mit Hangebauch Verkorperten, dem der Krug an der Seite hangt, ihm als der Brahmanseele sei Verehrung!

171. (10446.) Der Wolken in den Haupthaaren, Strome in

Adhyaya 286 (B. 284 Fortsetzung). 531

den Gelenken tragi, in dessen Bauch die vier Meere, ihm als der Wasserseele sei Verehrung!

172. (10447.) Der, wenn sich naht das Weltende, aller Wesen Verschlinger ist, der dann ruht auf der Wasser Mitte, den auf den Wassern rufe ich an!

173. (10448.) Der, in den Mund des Rahu eingehend, den Soma in der Nachtzeit trinkt [d. h. den Mond verschlingt] und die Sonne einschluckt als Svarblianu (Rahu), der moge mich beschiitzen!

174. (10449.) Die als Leibesfrucht dir entsprungenen [Gotter], welche ihren Anteil [am Opfer] geniefsen, Verehrung sei ihnen, svadhd, svdhd, mogen sie erlangen, was sie freut!

175. (10 450.) Die, welche als Purusha's, zollhoch an Lange, im Leibe aller Verkorperten weilen, die mogen mich allezeit beschiitzen, allezeit mein Gedeihen fordern!

176. (10451.) Die, im Korper wohnend, nicht weinen, aber die Verkorperten weinen machen, die sie froh machen, ohne selbst froh zu sein, diesen [Rudra's] sei Verehrung immerdar!

177. (10452.) Sie, die in Fliissen und Meeren, in Bergen und Hohlen, in Baumwurzeln, Kuhstallen, in der Wildnis und in Dickichten,

178. (10453.) auf alien vier Wegen [oben, Vers 10389] als ihren Strafsen, auf Platzen und an Abhangen, in den Stal- lungen fiir Elefanten, Pferde und Wagen, in alien Garten und Wohnungen,

179. (10454.) und was die fiinf Elemente sind, in den Gegenden und Zwischengegenden weilen, welche mitten in Mond und Sonne und ihren Strahlen zu finden sind,

180. (10455.) die sogar in die Unterwelt gedrungen und ihm [dem Qiva, Nil.] zu Ehren zum Hochsten gelangt sind Verehrung ihnen, Verehrung ihnen, Verehrung ihnen immerdar!

181. (10456.) Sie, deren Zahl, Grofse und Gestalt nicht ge- kannt wird, die unzahlige Geschicklichkeiten besitzenden Rudra's, diesen sei Verehrung immerdar!

182. (10457.) Da du, Hara, ja der Schopfer aller Wesen, der Herr aller Wesen, die Seele aller Wesen bist, darum wurdest du nicht [noch besonders] geladen.

34*

532 ni. Mokshadharma.

183. (10458.) Weil du ja ohnehin durch alle Opfer mit ihrem mannigfachen Opferlohn verehrt wirst, denn du bist ja der Schopfer des Weltalls, darum wurdest du nicht [noch besonders] geladen.

184. (10459.) Oder auch weil ich durch deine feine Zauber- kraft, o Gott, verblendet war, aus diesem Grande vielleicht wurdest du nicht [noch besonders] geladen.

185. (10460.) Nimm dich meiner gnadig an Heil dir, o Bhava! der ich Gnade bei dir gefunden! Dir ist mein Herz, o Gott, ergeben, dir mein Geist und dir mein Sinn !

186. (10461.) Nachdem der Schopferherr [Daksha] mit die- sen Worten den Mahadeva gepriesen hatte, schwieg er ; aber der Heilige, hocherfreut, sprach hingegen zu Daksha:

187. (10462.) Sehr erfreut bin ich, o Daksha, durch diesen Lobgesang, o Geliibdetreuer ; wozu langes Reden, du sollst in meiner Nahe bleiben.

188. (10463.) Durch meine Gnade, o Schopferherr, sollst du der Frucht von tausend Rofsopfern und hundert Vajapeya- Opfern teilhaftig werden.

189. (10464.) Und weiter sprach zu ihm Bhava, der Ober- herr der Welt, das Wort, das beruhigende Wort, er, der Wortkenner, das nach Worten wohlabgewogene :

190. (10465.) Daksha, lieber Daksha, sei nicht hose dar- iiber, dafs ich dein Opfer storte, ich mufste dein Opfer weg- reifsen, das war von altersher vorgesehen.

191. (10466.) Und noch ein weiteres Geschenk verleihe ich dir, nimm es entgegen, o Geliibdetreuer, mit heiterem An- gesichte, vernimm es hier mit ungeteilter Aufmerksamkeit.

192. (10467.) Was aus dem Veda und seinen sechs Anga's geschopft und durch Griinde aus der Reflexion slehre (sdnkhyamj und Verinnerlichungslehre (yoga) unterstiitzt als ein grofses, schwer zu iibendes Tapas von Gottern und Damonen eifrig betrieben worden ist,

193. (10468.) das noch nicht dagewesene, allbegliickende, allwartshinblickende , unvergangliche, durch eine zehntagige Zeremonie an Jahre gebundene, geheimnisvolle, von Toren getadelte.

Adhyaya 286 (B. 284 Fortsetzung). 533

194. (10469.) mit den Pflichten der Kasten und Lebens- stadien in Widerspruch stehende, teilweise auch iiberein- stimmende, von Tiefdenkenden bestatigte, iiber die Lebens- stadien erhabene Geliibde

195. (10470.) der Pagupata's, dieses vortreffliche ist von mir vor Zeiten geschaffen worden, o Daksha. Durch die Be- obachtung dieses Geliibdes entsteht daraus allseitige reiche Frucht,

196. (10471.) und sie soil dir zuteil werden, o Hochbegliick- ter, lafs den Kummer deines Herzens fahren ! So sprach Maha- deva, und mit seiner Gattin und seinem Gefolge (10472.) ver- schwand vor dem Daksha der unermefslich Machtige.

197. Wer nun diesen von Daksha gesprochenen Lob- gesang rezitiert oder anhort, (10473.) der wird in kein Ungliick geraten und ein hohes Alter erreichen.

198. So gewifs unter alien Gottern der heilige Qiva der hochste ist, (10474.) so gewifs ist dieser dem Veda gleich- kommende Lobgesang unter alien Lobgesangen der hochste.

199. Und alle, welche nach Ruhm, Herrschaft, Lust, Gott- herrlichkeit , Angenehmem, Niitzlichem und Reichtum Ver- langen tragen, (10475.) und auch die nach Wissenschaft Trach- tenden sollen ihn mit frommem Sinne eifrig anhoren.

200. Aber der Kranke, Leidende, Gedriickte, Diebgepliin- derte, Furchtgequalte, (10476.) Amtbelastete wird dadurch von grofser Furcht befreit.

201. Und schon in diesem Leibe gelangt er zum gleichen Range mit ^iva's Scharen, (10477.) und von Glanz und Ruhm umgeben, lebt er in Reinheit.

202. Nicht Kobolde, nicht Unholde, nicht Geister noch Gespenster (10 478.) konnen das Haus dessen in Not bringen, bei dem dieser Lobgesang rezitiert wird.

203. Und wenn eine dem Gott ergebene, in Brahman wandelnde Frau ihn anhort, (10479). die ist von seiten des Vaters, von seiten der Mutter gottgleich zu ehren.

204. Und wer den ganzen Lobgesang anhort oder ihn mit Hingebung hersagt, (i048o.) dessen samtliche Geschafte gelingen vollkommen fort und fort.

205. Und was einer im Geiste denkt und was er mit der

534 in. Mokshadharma.

Kede ausspricht, (i048i.) das wird ihm alles zufallen fiir die Rezitation dieses Lobgesanges.

206. Nachdem einer dem Gotte Guha (Skanda), der Gottin (Uma) und dem Gebieter des Nandin (Qiva) (i0482.) die wohlbereitete Spende dargebracht hat unter Bezahmung und Selbstbezwingung,

207. moge er sodann mit Hingebung die Namen der Reihe nach schnell hersagen ; (10483.) ein solcher Mensch erlangt die von ihm erhofften Zwecke, Geniisse und Freuden.

208. Und ist er gestorben, so kommt er in den Himmel und wird nicht als ein Tier wiedergeboren. (i0484.) So hat es verkiindigt der heiHge Vyasa, des Paragara Sohn, der Gewaltige.

So lautet im Moksbadbarma der von Saksba rezitierte Lobgesang der tausend Namen des Qiva

(Daksha -prokta-(,'ie asahasrandrita staea).

Adhyaya 287 (B. 285).

Vers 10485-10531 (B. 1-46).

Yudhishthira sprach:

1. (10485.) Was hienieden an dem Menschen das innere Selbst {adhydtmamj genannt wird, was dieses innere Selbst ist und woher es stammt, das sage mir, o Grofsvater.

Bhlshma sprach:

2. (10486.) Das hochste Allwissen der Buddhi, nach welchem du mich befragst, das will ich dir, o Freund, erklaren, dessen Erklarung vernimm wie folgt.

3. (10487.) Erde, Wind, Ather, Wasser und Feuer als fiinftes, diese sind als die grofsen Elemente der Ursprung und das Ende aller Wesen.

4. (10488.) Diese Aggregation ihrer Eigenschaften hier bildet den Leib, o Stier der Bharata's, und diese Eigenschaften schwinden fortwahrend und entstehen wieder neu.

5. (10489.) Die aus ihnen gebildeten Lebenselemente gehen

Adhyaya 287 (B. 285). 535

immer wieder und wieder aus den Wesen in jene grofsen Elemente zuriick, wie die Wellen im Ozean.

6. (10490.) Wie eine Schildkrote ihre Glieder ausstreckt und wieder einzieht, so sind die kleineren Wesen [Entfal- tungen] der groberen Wesen [der grofsen Elemente] (vgL Vers 8987, S. 386).

7. (10491.) Aus dem Ather stammt, was [in den Korpern] an Ton vorhanden ist, ihre Kompaktheit ist eine von der Erde stammende Eigenschaft, aus dem Winde stammt ihr Odem, aus den Wassern ihr Geschmack, aus dem Feuer (Licht) ihre Sichtbarkeit.

8. (10492.) So besteht aus jenem [Material] alles Unbeweg- liche und Bewegliche, geht bei der Vernichtung in dasselbe zuriick und wird aus ihm wiederum herausgesetzt.

9. (10493.) Diefiinf grofsen Elemente bestimmte der Wesens- schopfer in alien Wesen zur Objektivation, je nachdem er fiir das eine dieses, fiir das andere jenes ersah.

10. (10494.) Der Ton, das Gehor und die Hohlraume, diese drei stammen aus dem Ather; Geschmack, Feuchtigkeit und Zunge, diese gelten als die Eigenschaften des Wassers (vgl. Vers 8982 fg.);

11. (10495). Sichtbarkeit, Auge und Verdauung, diese drei gehoren zum Feuer; Geruch, Geruchssinn und Korperlichkeit gelten als Eigenschaften der Erde.

12. (10496.) Odem, Gefiihl und Bewegung sind Eigen- schaften, die aus dem Winde stammen; damit ist bewiesen, o Konig, dafs alle Eigenschaften [der Wesen] von den fiinf Elementen herriihren.

13. (10497.) Sattvam, Rajas und Tamas, die Zeit, das be- wufste Tun, o Bharata, und das Manas als sechstes, diese hat der Gott in jene [Wesen] gelegt.

14. (10498.) Was du oberhalb der Fufssohlen und unter- halb des Scheitels siehst, in diesem Zwischenraume waltet ungeteilt die Buddhi (vgl. Vers 8988).

15. (10499.) Fiinf Sinne gibt es im Menschen, als sechster gilt das Manas, der siebente ist die Buddhi und der Kshe- trajfia endHch ist der achte (vgl. Vers 899o).

536 in. Mokshadharma.

16. (10500.) Die Sinnesorgane und der Tater mussen im einzelnen betrachtet werden, ferner sind da Tamas, Rajas und Sattvam, sie sind Zust^nde, welche auf jenen, den Sinnen und dem Tater, beruhen.

17. (10501.) Das Auge dient zum Sehen, das Manas er- hebt den Zweifel, die Buddhi entscheidet ihn und der Kshe- trajfia ist dabei Zuschauer {sdkshivj (= Vers 899i).

18. (10502.) Ferner sind da Tamas, Sattvam und Rajas sowie die Zeit und der Tater; die Buddhi fiihrt die Eigen- schaften [gundn mit Vers 8989 zu lesen] an, und sie fiihrt auch die Sinnesorgane (10 503.) samtlich mit dem Manas als sechstem an ; gabe es keine Buddhi , wie konnten die Eigenschaften bestehen ?

19. Das, womit sie sieht, ist das Auge, horend wird sie Gehor genannt, (io504.) riechend wird sie zum Geruche, die Geschmacke schmeckend zum Geschmacksorgan,

20. die Gefiihle fiihlend [spargati, die Parallelstelle Vers 9002 hat sprigat/] wird sie zum Gefiihlssinn ; so wird die Buddhi mannigfach umgewandelt; (io.o05.) wenn sie irgend etwas wiinscht, dann wird sie zum Manas.

21. Standorte der Buddhi sind gesondert von fiinferlei Art, (10506.) Sinnesorgane werden sie genannt, und wenn sie leiden, so leidet die Buddhi mit ihnen.

22. Im Menschen weilt die Buddhi und bewegt sich in drei Zustanden [entsprechend den drei Guna's], (10507.) manch- mal empfmdet sie Freude, manchmal leidet sie Schmerz,

23. und manchmal fiihlt sie weder Lust noch Schmerz; (10508.) ihrem Wesen nach aus den Zustanden bestehend, be- wegt sie sich in diesen drei Zustanden.

24. So wie der wellenreiche Herr der Strome, der Ozean, sein Ufer [hat], (10509.) so wird die in die Zustande einge- gangene Buddhi in dem betreffenden Zustande, [z. B.] dem Manas, befafst,

25. und wegen dieses Zustandes gibt sie auch dem etwa aufkommenden Rajas (der Leidenschaft) nach. (10510.) Freude, Zufriedenheit , Wonne, Behagen und Gemiitsruhe

26. treten gelegentlich im Menschen zutage als Eigen-

Adhyaya 287 (B. 285). 537

schaften des Sattvam. (losii.) Qual, Kummer, Schmerz, Un- befriedigtheit und Ungeduld

27. zeigen sich als Symptome des Rajas mit oder ohne Veranlassung. (10512.) Nichtwissen , Gleichgiiltigkeit fardgaj, Verblendung, Unbesonnenheit , Starrheit, Scheu,

28. Unbeholfenheit, Verdrossenheit, Verworrenheit, Schlaf- rigkeit und Tragheit (10 513.) treten als mancherlei Eigenschaf- ten des Tamas gelegentlich zutage.

29. Wenn nun im Korper oder Geist etwas auftritt, was mit Lust verbunden ist, (10 514.) so soil man denken, dafs darin d.er sattvahafte Zustand sich regt, und dariiber weggehen.

30. Ist aber etwas mit Schmerz verbunden und erregt das Unbehagen des Atman, (I05i5.) so soil man denken, dafs das Rajas darin tatig ist, und sich nicht hinreifsen lassen.

31. Was aber im Korper oder Geist an Verblendungs- artigera sich zeigt, (10516.) an Besinnungslosem, Erkenntnis- losem, davon sei man sicher, dafs es Tamas ist.

32. In dieser Weise alle Wege der Buddhi, wie sie hier ihrem ganzen Umfange nach erklart worden sind, (10517.) dies alles verstanden habend, ist man ein Verstandiger ; welches andere Kennzeichen des Verstandigen konnte es geben!

33. Und dieses sollst du begreifen als den Unterschied zwischen Sattvam und Kshetrajna, den schwer unterscheid- baren: (i05i8.) das eine schafft die Eigen schaften, der andere schafft sie nicht.

34. Von Natur sind beide verschieden und doch jeder- zeit verbunden, (io5i9.) ahnlich wie der Fisch vom Wasser verschieden und doch an dasselbe gebunden ist.

35. Die Guna's kennen den Atman nicht, er aber kennt die Guna's von aUen Seiten, (10520.) er ist aber nur ein Be- schauer der Guna's, wahrend man ihn fur ihren Schopfer halt.

36. Das Sattvam [als Bestandteil der Prakriti] hat keinen andern tragenden Grund, aber das Bewufstsein fcetand hier = huddhij besteht nur durch eine Schopfung der Guna's; (10521.) andere [die Guna's] sind es, welche ihm [dem Men- schenj das Sattvam anerschaffen ; als die Guna's erkennt er sie nur zuweilen.

538 in. Mokshadharma.

37. Denn das Sattvam zieht [auch wiederum] die Guna's [Rajas und Tamas] herbei, der Kshetrajna aber ist blofser Zuschauer. (1052-2.) Diese Verbindung beider, des Sattvam und des Kshetrajna, ist eine dauernde.

38. Die im Innern weilende Buddhi aber wird erst zum Leuchten gebracht durch die Sinnesorgane, (10523.) welche selbst ohne Augen, ohne Erkenntnis sind; die Indriya's sind wie eine [nicht sehende, aber das Sehen vermittelnde] Lampe.

39. Dieses so als die Naturbeschaffenheit erkennend, moge der Mensch hinleben [viharet mit C), (10524.) ohne zu klagen und ohne sich zu freuen, dann wird er frei von Selbst- sucht sein.

40. Durch die Naturnotwendigkeit ist es bedingt, dafs er [der Atman] diese Guna's aus sich entlafst, (10525.) wie die Spinne ihren Faden; die Guna's sind als die Faden zu be- trachten.

41. Sind die Guna's einmal abgeschiittelt, so kommen sie nicht wieder zum Vorschein, sei es, dafs ihre Betatigung nicht mehr wahrgenommen wird, (10526.) wie einige annehmen, sei es, dafs sie zunichte werden, wie andere glauben.

42. In dieser Weise von dem allem als dem starken, aus den Sorgen der Buddhi geschiirzten Herzensknoten (10527.) sich freimachend, moge man zufrieden dasitzen ohne Kummer und befreit vom Zweifel.

43. Aber die Menschen ermatten, indem sie zu Boden stiirzen und in dem von Verblendung erfiillten Strom ver- sinken (10528.) als solche, welche die aus Hingebung an die Buddhi bestehende Furt nicht finden konnen.

44. Nicht aber ermatten solchermafsen die Wissenden, sondern sie fahren zum andern Ufer des Stromes hiniiber (10529.) als den innern Atman kennende Weise; Erkenntnis ist das beste Schiff.

45. (10530.) Den Wissenden droht nicht die grofse Furcht, die die Nicht -Wissenden befangt, keinen hohern Weg gibt es fiir irgendwen als diesen, welcher ein fiir

allemal die ewige Gleichheit enthalt.

46. (10 531.) Mag er nun viele Siinden begangen haben Oder mag er aus dem Einen [der Erkenntnis, Nil.] her-

Adhyaya 287 (B. 285). 539

aus verwerfen, was er vordem getan hat, beides nimmt er sich nicht mehr zu Herzen, was er verwirft und was er getan hat (vgl. Brih. Up. 4,4,22).

So lautet im Mokshadharma der Abschnitt von den fttnf Elementen (pdncabhautikam).

Adhyaya 288 (B. 286).

Vers 10532-10552 (B. 1-21).

Yudhishthira sprach:

1. (10532.) Vor schhmmem Schmerz, vor schlimmem Tode zittern die Menschen immerfort. Wie konnen wir den heiden entgehen? Das sage mir, o Grofsvater.

Bhishma sprach:

2. (10 533.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namHch die Unterredung des Narada mit dem Samaiiga, o Bharata.

Mrada sprach:

3. (10534.) Du mufst dich beugen, dafs deine Brust die Erde beriihrt, und doch bist du wie einer, der mit der Kraft seiner Arme durch den Strom schwimmt, und allezeit er- scheinst du frohlichen Geistes, als kenntest du gar keinen Kummer.

4. (10535.) Auch nicht die kleinste Aufregung bemerke ich an dir; immer zufrieden und dir selbst genug, lebst du hin wie ein Kind.

Samafiga sprach:

5. (10 536.) Vergangen, gegenwartig und zukiinftig ist alles, was wir kennen, o Ehrerbietiger ; ich aber weifs, was es mit dem allem auf sich hat, darum gerate ich nicht aus der Fassung.

6. (10537.) Ich kenne die Anfange und auch die daraus hervorgehenden Friichte, weifs, dafs es allerlei Friichte in dieser Welt gibt, darum gerate ich nicht aus der Fassung.

540 ni. Mokshadharma.

7. (10538.) Manche leben so dahin, ohne festen Boden, ohne Fufs zu fassen, sich vom Strome treiben lassend, wie Blinde und Stumpfsinnige, und, siehst du, so leben auch wir.

8. (10539.) Es leben von ihrem beschiedenen Teil, frei von Krankheit, die Himmelsbewohner, es leben Starke und Schwache, darum lafs auch uns gewahren.

9. (10 540.) Es leben solche, die Tausende besitzen, und solche, die Hunderte besitzen, und wieder andere leben in ihrem Kummer dahin, und, siehst du, so leben auch wir.

10. (10541.) Wenn wir nur keinen Kummer haben, was brauchen wir uns dann weiter an Pflichten und an Werke zu kehren, und da die Freuden der Verganglichkeit unter- worfen sind, und da es ebenso mit den Leiden steht, so konnen sie uns nichts anhaben.

11. (10542.) Diesem stimmen die weisen Menschen zu: die Wurzel der Weisheit ist die Beruhigung der Sinne. Nur die Sinnesorgane sind betort und bekiimmert, und wer sich von ihnen betoren lafst, kann die Weisheit nicht erlangen.

12. (10543.) Betort ist, wer hochmiitig ist, der Hoch- mut eben ist die Betorung, der Betorte gewinnt nicht diese und nicht jene Welt; die Leiden dauern ja auch nicht ewig, und auch die Lust lafst sich nicht fiir immer festhalten.

13. (10544.) Alles, was werdeartig ist, ist der Ver- anderung unterworfen. Wer es macht wie ich, wird sich niemals darum harmen, er wird sich nicht erwiinschten Geniissen oder der Lust hingeben und wird sich auch nichts daraus machen, wenn ein Leiden ihn trifft.

14. (10545.) In sich gesam melt, beneide er keinen andern und juble nicht einem zukiinftigen Gewinne zu; auch wenn ihm ein grofser Gewinn zuf allt, freue er sich nicht, und wenn sein Besitz zerrinnt, verzage er nicht.

15. (10 546.) Nicht Verwandte, nicht Reichtum, nicht hohe Geburt, nicht Schriftgelehrsamkeit, heilige Spriiche und Heldenkraft, alle diese vermogen nicht vor Leid im Jenseits zu bewahren, aber durch Charakterfestigkeit kommt man zur Ruhe.

Adhyaya 288 (B. 286). 541

16. (10547.) Wer nicht Hingebung iibt, kommt nicht zur Erkenntnis, wer nicht Hingebung iibt, kommt nicht zum Gliick; Charakterfestigkeit und Erhabenheit iiber das Leid, diese beiden fiihren zum Gliicke, o Fiirst.

17. (10548.) Denn das Angenehme erzeugt Freude, Freude erzeugt Ubermut, Ubermut aber fiihrt zur Holle, darum halte ich mich von dem allem fern.

18. (10 549.) Diese Kummer, Furcht und Ubermut nach sich ziehenden Verblendungen der Lust und des Schmerzes in der Welt betrachte ich wis ein Zuschauer, da es nur dieser Korper ist, der sich in ihnen bewegt.

19. (10550.) Das Niitzhche und das Angenehme dahinten- lassend, von Kummer und von Aufregung frei, Durst ftrishndj und Verblendung iiber windend,wandle ich durch diese Welt hin.

20. (10551.) Nicht vor dem Tode, nicht vor der Ungerech- tigkeit, nicht vor der Habgier, nicht vor sonst irgend etwas fiirclitet sich jemals hier oder im Jenseits, wer das Amritam [dieser Erkenntnis] getrunken hat.

21. (105B2.) Das ist es, was ich, o Brahmane, erkenne, nachdem ich grolses, ewiges Tapas geiibt habe, und darum, o Narada, kann der Schmerz, auch wenn er an mich heran- tritt, mich nicht iiberwaltigen.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Samaiiga und N&rada (Samanga - Ndrada - samvdda).

Adhyaya 289 (B. ^87).

Vers 10553-10611 (B. 1-59). Yiidhishthira sprach:

1. (10553.) Wer die Wahrheit aus den Lehrbiichern nicht erkennt, allezeit in Zweifel befangen bleibt und nicht zur Entschiedenheit durchdringt, wie ist dem zu helfen ? Das sage, o Grofsvater.

Bhishma sprach :

2. (10 554.) In der unablassigen Achtung vor dem Lehrer, in der Verehrung der Alton und in dem Anhoren der Lehr- biicher liegt das hochste HeO.

542 HI. Mokshadharma.

3. (10 555.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich die Unterredung des Galava mit dem Gotterweisen Narada.

4. (10556.) Zu dem von Betorung und Schlaffheit freien Brahmanen, dem erkenntnisgesattigten, sein Selbst bezahmen- den Narada, sprach der seine Sinne beherrschende und nach dem Heile trachtende Galava:

5. (10557.) Die Tugenden, durch welche ein Mensch in der Welt geehrt dasteht, o Muni, alle einem solchen wesent- lichen Tugenden lafs uns einmal feststellen.

6. (10558.) Du, der du ein solcher bist, sollst unsere Zweifel losen, du, der Nicht-Betorte , uns, den lange in der Betorung Befangenen und das Wesen der Welt nicht Er- kennenden.

7. (10559.) Denn durch die Erkenntnis ist das Gelingen aller Aufgaben ohne Unterschied bedingt, und diese Aufgabe, die wir nicht zu losen vermogen, sollst du, o Herr, uns er- klaren.

8. (10560.) 0 Heiliger, alle Lebensrichtungen fdgramaj haben iiber den guten Wandel ihre besonderen Ansichten. „Das ist das Kichtige!" „Das ist das Kichtige!" so werden alle ihre Anhanger belehrt.

9. (10561.) Wenn wir nun, o Brahmane, sie sehen, wie sie einander gegeniiberstehen mit ihren Lehrbiichern , auf ihre Lehrbiicher pochend und an ihren Lehrbiichern ihr Geniige findend [paritushtdns mit C], so wissen wir nicht, was das Kichtige ist.

10. (10562.) Wenn es nur ein einziges Lehrbuch gabe, dann ware das Kichtige klar, aber durch die vielen Lehrbiicher wird das Kichtige nur noch mehr ins Dunkel geriickt.

11. (10563.) Aus diesem Grunde tritt mir eine Verwirrung entgegen iiber das, was das Kechte ist. Das mogest du, 0 Heiliger, mir erklaren, als Schiiler komme ich, belehre mich.

Na,rada sprach:

12. (10564.) Es gibt, o Freund, vier Lebensrichtungen [Materialismus , Buddhismus, brahmanischer Opferkultus und Atmanlehre, nach Nil.], die ihre besonderen entsprechenden

Adhyaya 289 (B. 287). 543

Satzungen haben; die mufst du alle priifen, indem du auf sie eingehst, o Galava.

13. (10565.) Bei alien diesen hier und dort verbreiteten Lebensrichtungen mufst du, o Brahmane, ihre vielgestaltige Tugendlehre, wie sie in jeder einzelnen aufgestellt wird, in Erwagung ziehen.

14. (10566.) Es ist kein Zweifel, dafs einige die Absicht nicht vollkommen erreichen, andere hingegen das hochste Ziel der Lebensrichtungen erkannt haben.

15. (10567.) Freilich dasjenige, was in jedem Falle das Beste ist, das ist keinem Zweifel unterworfen, namlich dafs man seinen Freunden hilfreich beisteht und seine Feinde niederhalt.

16. (10568.) Ferner erklaren die Weisen die Gewinnung der Dreischar [des Angenehmen, Niitzlichen und Guten] fiir das Beste, und audi Enthaltung von allem Bosen ist jeder- zeit das Zeichen eines lauteren Charakters.

17. (10 569.) Unzweifelhaft recht ist auch Umgang mit guten Menschen, Mitleid mit alien Wesen und Kechtschaffen- heit in Handel und Wandel.

18. (10570.) Unzweifelhaft heilbringend ist auch milde Rede und gerechte Zuteilung an Gotter und Manen, sowie auch bei Gasten.

19. (10 571.) Unzweifelhaft gut ist es auch, seine Leute nicht im Stiche zu lassen und die Wahrheit zu reden, schwer aber ist es, die Wahrheit zu erkennen.

20. (10 572.) Fiir die Wahrheit aber erklare ich dasjenige, was fiir die Wesen das schlechterdings Beste ist. Aufgebung der Selbstsucht, Vermeidung der Unbesonnenheit,

21. (10 573.) Zufriedenheit und Zuriickgezogenheit gelten fiir das Allerbeste. Vorschriftsmafsiges Studium des Veda und der Vedantatexte

22. (10574.) und auf die Erkenntnis abzweckende Forschung sind unzweifelhaft gut zu nennen. Tone, Gestalten, Ge- schmacke, Gefiihle und Geriiche um ihrer selbst willen

23. (10 575.) soil man nicht allzusehr erstreben, wenn man irgendwie nach dem Guten Verlangen tragt.

24. Nachts umherstreichen, bei Tage schlafen, Tragheit,

544 III. Mokshadharma.

Angeberei, Trunksucht, (i0576.) Ubertreiben und Unterlassen des Yoga soil vermeiden, wer nach dem Guten strebt.

25. Man soil nicht suchen, sich dadurch zu heben, dafs man andere herabsetzt, (10577.) sondern soil bestrebt sein, sich durch eigene Vorziige vor dem gemeinen Manne auszuzeichnen.

26. Aber es kommt oft vor, dafs tugendlose, aber von sich selbst eingenommene Menschen (10 578.) andern tugend- haften ihre Fehler vorwerfen, weil ihnen selbst diese Tugen- den fehlen.

27. Aber, indem sie Beifall fmden, glauben sie sich [many ante mit C] einem grofsen Manne (10579.) iiberlegen, von Selbstiiberhebung geblaht.

28. Wer aber keinen Tadel gegen jemand aufsert und sich nicht darin gefallt, seine eigene Ehre ins Licht zu stellen^ (10580.) ein solcher Weiser, wenn er reich an Tugenden ist, gelangt zu grofsem Ruhme.

29. Ohne von sich zu reden, streicht der reine Duft der Blumen dahin, (io58i.) und ohne sich zu riihmen, glanzt die wolkenlose Sonne am Himmel.

30. Diese und andere [Naturerscheinungen] , welche des Bewufstseins ermangeln (10 582.) und nicht von sich reden machen, erglanzen herrlich in der Welt.

31. Der Tor wird nicht darum schon in der Welt glanzen, weil er sich selbst riihmt, (10 583.) aber der Weise glanzt her- vor, auch wenn er in einer Hohle verborgen ist.

32. Auch der laut erschallende Ton fallt in das Nichts zuriick, (10 584.) aber das gute Wort, auch wenn es leise ge- sprochen wurde, leuchtet durch die Welt.

. 33. Das leere Geschwatz hochmiitiger Toren (10 585.) offen- bart ihr inneres Wesen so deutlich, wie die Sonne ihre feurige Gestalt.

34. Darum trachten die Menschen nach allerlei Wissen, (10586.) denn Wissen zu erlangen scheint mir das Hochste zu sein, was die Wesen erreichen konnen.

35. Ungefragt soil man niemandem antworten und auch nicht, wenn man ungehorig gefragt wird; (10 .587.) der Weise bleibt in einem solchen Falle, auch wenn er die Sache kennt, ruhig sitzen, wie ein Dummer.

Adhyaya 289 (B. 287). 545

36. Darum soil man sich eine Wohnung ersehen unter pflichttreuen, edlen, (10588.) freigebigen Menschen, die an ihrer Pflicht ihr Geniige finden.

37. Aber wo eine Vermengung der Pflichten der vier Kasten besteht, (lossg.) da soil einer unter keinen Umstanden Wohnung nehmen, wenn er nach dem Heile strebt.

38. Ohne sich in Unternehmungen zu stiirzen, moge er hienieden leben zufrieden mit dem, was ihm beschieden ist, (10900.) Wer mit Reinen umgeht, wird ihrer fleckenlosen Rein- heit, wer mit Bosen, ihres Bosen teilhaftig werden.

39. Wie man die Beriihrung durch einen Wassertropfen oder einen Feuerfunken empfindet, (i0 59i.) so merken wir es, wenn wir von beidem, dem Guten oder Bosen, beriihrt werden.

40. Ohne darauf zu sehen, was sich als Nahrung ihm darbietet, geniefst sie [der Weise] und begniigt sich auch mit Uberbleibseln , (10592.) wer aber nur geniefst, was ihm selbst genehm ist, der bleibt im Genusse [der Frucht] seiner Werke befangen, das sollst du wissen.

41. Wo nur unter solchen, welche lernen mochten, aber unehrerbietig fragen, (10593.) ein Brahmane das Gesetz lehren konnte, da soil der Atmanhafte aus der Gegend entweichen.

42. Wo aber das Verhaltnis zwischen Schiiler und Lehrer ein wohlgeordnetes ist, (10594.) ein geziemendes, dem Kanon gemafses, wer mochte wohl gem einen solchen Ort ver- lassen ?

43. Wo man mit Zuversicht gegen einen weisen Mann aus der Luft gegriffene Beschuldigungen [mit C] erhebt, (10595.) welcher Gelehrte, der auf die Ehre seines Selbstes halt, mochte da wohnen bleiben!

44. Wo es Brauch ist, dafs die Damme der Pflicht von Knechten der Lust durchbrochen werden, (10596.) wer mochte einen solchen Ort nicht fliehen, wie ein Kleid, welches Feuer gefangen hat!

45. Wo aber die Menschen, frei von Selbstsucht, ohne Zaudern ihrer Pflicht nachleben, (10 597.) da mag man unter Pflichteifrigen und Edlen weilen und wohnen.

Bbubbek, Mah&bhAratam. 35

546 in. Mokshadharma.

46. Wo aber die Menschen die Pflicht nur um ihres Vor- teils willen betreiben, (i0 598.) bei solchen Bosewichtern soil man nun und nimmer verweilen.

47. Wo lebenslustigeLeutebose Werke treiben, (10599.) da soil man schleunigst davonlaufen, als wenn man sich vor einer Schlange fliichtete.

48. Ein Werk, infolgedessen man auf dem Sterbelager Eeue empfindet, (10600.) das soil man von vornherein nicht unternehmen, wenn man sich selbst Gedeihen wiinscht.

49. Wo auch nur der Konig und die seinem Throne nahestehenden Manner (10601.) eher speisen als ihre Ange- horigen, ein solches Konigreich moge der Atmanhafte meiden.

50. Wo aber zuerst diejenigen gespeist werden, welche schriftkundig, pflichttreu, bestandig sind (10602.) und sich mit Opfern und Lehren befassen, ein solches Reich soil man be- wohnen.

51. Wo die Opferrufe svdhd, svadhd, vashat richtig an- gewendet werden (10603.) und unermiidlich im Schwange sind, da soil man unbedenklich wohnen.

52. Wo man unlautere, durch Golderwerb sich erniedri- gende Brahmanen sieht, (10604.) ein solches Reich soil man meiden, wie einen nahen, vorgehaltenen Koder.

53. Aber wo liebe Menschen ungebeten das Notige dar- reichen, (10605.) da mag man unentwegten Geistes wohnen, wie ein Atmanhafter, der sein Ziel erreicht hat.

54. Wo es Strafe fiir die Ungehorsamen und Ehrung fiir die in ihrem Geiste Bereiteten gibt, (106O6.) da mag man unter Pflichteifrigen und Edlen wandeln und wohnen.

55. Wo solche, die den Bescheidenen liberwaltigen und den Guten mifshandeln, (10607.) wo solche Ziigellose, Begehr- liche von schwerer Strafe getroffen werden,

56. wo ein pflichttreuer Konig sein Reich durch Ge- rechtigkeit beschiitzt, (106O8.) wo er die Liiste von sich ab- weist und Herr seiner Begierden ist, da moge man unbedenk- lich wohnen,

57. da, wo ihrem Charakter Ehre machende Konige alle in ihrem Bezirk Wohnende (10 609.) schnell zur Wohlfahrt fiihren und wo die Wohlfahrt ringsumher gedeiht.

Adhy^ya 289 (B. 287). 547

58. Damit habe ich dir, o, Freund, auf deine Frage das was das Richtige ist, dargelegt, (loeio.) denn was zum Heil der Seele dient, das lafst sich nicht so in summarischer Weise darlegen.

59. Wer aber mit hingegebenem Geiste diese Lebens- fiihrung sich zu eigen macht, (loeii.) dem wird durch ein solches Tapas hienieden vielfaches Heil erscheinen und zu- teil werden.

So lautet im Mokehadharma die Erkl&rung des Heils (qreyo - vdcikam).

Adhyaya 390 (B. 388). Vers 10612-10658 (B. 1-47).

Yudhishthira sprach:

1. (10612.) Wie mufs, wenn er recht leben will, ein Fiirst wie ich auf Erden wandeln, und welches sind die Tugenden, durch deren Besitz er erlost wird von den Fesseln der Welt- anhanglichkeit ?

Bhishma sprach:

2. (10 613. J Dariiber will ich dir eine alte Erzahlung iiber- liefern, namlich was von Arishtanemi dem ihn befragenden Sagara geantwortet wurde.

Sagara sprach:

3. (10 614.) Welches hochste Gut, o Brahmane, mufs man erwirken, um auf Erden das Gliick zu erlangen? Wie er- reicht man es, dafs man nicht trauert und sich nicht auf- regt? Dieses wiinsche ich zu wissen.

Bhishma sprach:

4. (1061B.) Nachdem Tarkshya (Arishtanemi), der Beste aller Kenner der Lehrbiicher, so angeredet worden war, da sprach er, der das hochste Gliick erforscht hatte, dieses heil- same Wort:

35*

548 ni. Mokshadharma,

5. (10616.) Das Gliick in der Welt besteht nur in dem Gliick der Erlosung, und der Tor kann nicht dazu gelangen, solange er sein Herz an Kinder und Herden hangt und mit Reichtum und Korn iiberhauft ist.

6. (10617.) Sein Geist hangt an der Welt, seine Seele ist nicht heruhigt, und es ist nicht moglich, das zu heilen; ein solcher, von den Stricken des Welthanges gebundener Tor ist nicht reif fiir die Erlosung.

7. (10618.) Ich will dir die aus dem Welthang geflochtenen Stricke erklaren, vernimm sie von mir; von dem Verstandi- gen konnen sie vernommen werden mit lauschendem Geiste.

8. (10 619.) Nachdem du deine Sohne im Laufe der Zeit herangehildet, in der Jugendhliite verheiratet hast und ihres Fortkommens im Lehen sicher hist, lose dich von ihnen und gehe, wohin es dir beliebt.

9. (10620.) Wenn du siehst, dafs die zartlich geliebte Gattin, welche dir Sohne geboren hat und an ihnen hangt, in die Jahre kommt, so verlasse sie zur rechten Zeit im Hin- blick auf das hohere Ziel.

10. (10621.) Magst du Nachkommen haben oder keine, mache dich los und gehe, wohin es dir gefallt, nachdem du mit deinen Sinnen die Sinnendinge genossen hast, wie das Gesetz es vorschreibt.

11. (10622.) Nachdem du dein Verlangen nach ihnen be- friedigt hast, mache dich los und gehe, wohin es dir gefallt, und nimm mit Gleichmut die Gaben [Idhheshu mit C.) hin, wie sie der Zufall dir darbietet.

12. (10623.) Damit habe ich dir in summarischer Weise das Ziel der Erlosung gezeigt, nunmehr will ich es dir aus- fiihrlich auseinandersetzen, hore mich an.

13. (10624.) Die Menschen, welche sich losgelost haben, wandeln frei von Furcht und gliicklich einher ; die aber, deren Herz an der Welt hangt, gehen zugrunde, daran ist kein Zweifel,

14. (10 625.) mogen sie auch noch so viel Nahrung auf- haufen, wie es Wiirmer und Ameisen tun. Nur wer ohne Anhanglichkeit an die Welt ist, lebt gliicklich, wer an ihr hangt, geht ins Verderben.

AdhyHya 290 (B. 288). 549

15. (10626.) Wenn du auf die Eriosung deinen Geist richtest, mufst du dir fte fiir tvaydj keine Sorgen um deine Ange- horigen machen, indem du etwa denkst : Wie konnen sie aber ohne raich fertig werden!

16. (10 627.) Von selbst entsteht der Mensch, von selbst wachst er heran, von selbst gelangt er zu Lust und Leid und schliefslich auch zum Tode.

17. (10628.) Nahrung und Kleidung und alles, was Vater und Mutter fiir einen zusammengebracht haben, erlangt man durch eigene Werke [in einer friihern Geburt] ; es gibt nichts in der Welt, was nicht vordem verdient worden ware.

18. (10629.) Von dem Schopfer ist alien Wesen vorher- bestimmt, was sie in der Welt genielsen sollen, und so durch- wandern sie die Erde, geleitet von ihren eigenen [friiheren] Werken.

19. (10630.) Wo man doch selbst nur ein Erdklofs und jederzeit abhangig ist, was konnte einen dazu bestimmen, die Angehorigen zu pflegen oder zu beschiitzen, wo man an sich so ohnmachtig ist!

20. (10 631.) Wenn ja doch der" Tod deine Angehorigen vor deinen Augen raubt trotz aller Anstrengung von deiner Seite, so sollte dir das zur Lehre dienen.

21. (10 632.) Und dazu kommt iiberdies, dafs du einen solchen [Angehorigen] bei seinen Lebzeiten, und ehe noch seine Ernahrung und Beschiitzung sichergestellt ist, verlassen und selbst sterben mufst.

22. (10 633.) Und wo du doch niemals wissen kannst, ob dein Angehoriger nach seinem Tode einem gliicklichen oder ungliicklichen Schicksal verfallt, sollte dir das nicht zur Lehre dienen?

23. (10 634.) Und wo du doch weifst, dafs dein Angehori- ger, magst du nun leben oder tot sein, die Frucht seiner Werke [in einer friiheren Geburt] auszukosten haben wird, wirst du nicht daraus dir eine Lehre ziehen und fiir dein eigenes Heil Sorge tragen?

24. (10635.) Wenn du dieses weifst und dir dariiber klar bist, dafs in dieser Welt keiner einem andern angehort, so

550 in. Mokshadharma.

richte deinen Geist auf die Loslosung! Und auch folgendes lafs dir gesagt sein:

25. (10 636.) Nur der Mensch, welcher die Anwandlungen von Hunger, Durst und dergleichen, sowie auch den Zorn, die Habgier und die Verblendung iiberwunden hat, besitzt das Sattvam und ist wahrhaft frei.

26. (10637.) Wer bei Spiel, Trunk, Weib und Jagd nicht seine Besonnenheit verliert, der ist fiir immer wahrhaft frei.

27. (10638.) Tag fiir Tag und Nacht fiir Nacht mufs der Mensch sich ernahren! Wer bei diesem Gedanken von Uber- drufs ergriffen wird, der ist ein Kenner der menschhchen Schwachen.

28. (10639.) Wer allezeit mit Fleifs bedenkt, dafs sein Wesen immer wieder und wieder einem Weiberschofse ein- verleibt wird, der ist wirklich und wahrhaft frei.

29. (10640.) Wer Entstehung, Vergang und Lebensfiihrung der Wesen, wie sie in dieser Welt vor sich gehen, der Wahr- heit gemafs erkennt, der ist wahrhaft frei.

30. (10641.) Wer unter tausend, unter Millionen Wagen- ladungen nur auf den Scheffel sieht, der zu seinem Unterhalte ausreicht, wer in einem Palaste nur auf eine Schlafstelle fiir sich sieht, der ist ein freier Mann.

31. (10 642.) Wer einsieht, wie diese Welt vom Tode zer- stort, von Krankheit bedrangt und von Nahrungssorgen ge- qualt wird, der ist ein freier Mann.

32. (10 643.) Wer das einsieht, hat Frieden, wer es nicht einsieht, mufs darunter leiden. Wer sich mit nur wenigem in dieser Welt begniigt, der ist wahrhaft frei.

33. (10644.) Wer einsieht, dafs diese Welt nur aus Agni und Soma [Verzehrern und fVerzehrten] besteht und sich durch keine wunderbaren Verhaltnisse aufregen lafst [wer das nil admirari des Horaz besitzt], der ist wahrhaft frei.

34. (10 645.) Wem ein Polster und die harte Erde, wem kostlicher Reis und geringe Speise fiir gleich gel ten, der ist wahrhaft frei.

35. (10646.) Wem feines Linnen und Binsengeflecht, wem ein Kleid aus Seide oder Baumbast oder Schaffellen fiir gleich gilt, der ist wahrhaft frei.

Adhy^iya 290 (B. 288). 551

36. (10647.) Wer die Welt betrachtet als ein blofses Pro- dukt der fiinf Elemente und dieser Anschauung entsprechend in dieser Welt lebt, der ist wahrhaft frei.

37. (10648.) Wem Lust und Leid, Gewinn und Verlust, Er- folg und Mifserfolg, Liebe und Hafs, Furcht und [freudige] Erregung fiir gleich gelten, der ist in jedem Sinne wahr- haft frei.

38. (10649.) Wer den Korper als mit vielen Mangeln fdoshaj behaftet, als eine Ansammlung von solchen Stoffen (dosha) wie Blut, Urin und Kot ansieht, der ist ein freier Mann.

39. (10 650.) Wer bedenkt, dafs im Greisenalter Runzeln und graue Haare, Eintrocknung, Blasse und gebiickter Gang sich einstellen werden, der ist ein freier Mann.

40. (10651.) Wer bedenkt, dafs mit der Zeit Abnahme der Zeugungskraft, Schwachung der Sehkraft, Schwerhorigkeit und keuchender Atem sich einstellen werden, der ist ein freier Mann.

41. (10 652.) Wer bedenkt, dafs Rishi's, Gotter und Da- monen aus dieser Welt in die andere Welt wandern mufsten, der ist ein freier Mann.

42. (10653.) Dafs auch hochste Fiirsten, welche mit mancherlei Machtvollkommenheiten ausgestattet waren, zu Tausenden die Erde verlassen und hiniibergehen mufsten, wer das bedenkt, der ist ein freier Mann.

43. (10654.) Wer bedenkt, wie schwer Schatze zu er- werben und wie leicht Leiden zu erlangen sind und was fiir Kummer man mit seiner Familie haben kann, der ist ein freier Mann.

44. (10655.) Wenn man bedenkt, dafs es in der Welt meistenteils nur ungeratene Kinder und entartete Untergebene gibt, wer mochte da nicht die Befreiung hochschatzen !

45. (10656.) Wer, durch Wissenschaft und Erfahrung be- lehrt, alles menschliche Wesen als schal und nichtig erkennt, der ist in jedem Sinne wahrhaft frei.

46. (10 657.) Nachdem du diese meine Rede angehort hast, mogest du als ein Befreiter wandeln, sei es im Hausvater- stande, sei es in Freiheit davon; untriigliche Erkenntnis ist dir geworden.

552 in. Mokshadharma.

47. (10 658.) Nachdem der Erdeherr diese Belehrung von ihm vollstandig empfangen und die aus der Befreiung ent- springenden Tugenden eriangt hatte, regierte er dement- sprechend seine Untertanen.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zyrischen Sagara und Arishtanemi (Sagara - Arishtanemi - samvdda).

Adhyaya 391 (B. 289).

Vers 10659-10696 (B. 1-38).

Yudhishthira sprach :

1. (10659.) Schon von jeher wohnt in meinem Herzen das Verlangen, etwas von dir zu horen, o Grofsvater der Kuru's, naralich :

2. (10660.) Wie ist es gekommen, dafs der Gotterweise Uganas, der hochsinnige Kavisprofs, der Freund der Damonen und Widersacher der Gotter,

3. (10 661.) seine Kraft steigerte, und warum liegen unter den unermefslich Kraftvollen die Damonen immerdar in Fehde mit den hohen Gottern,

4. (10662.) und wie erreichte Uganas als ein unsterblich Glanzender die Qukraschaft [(^ukra der Planet Venus und der mannliche Same], und wie gelangte er zu gliicklichem Ge- deihen? Das alles mogest du mir erklaren.

5. (10663.) Und wie kommt es, dafs dieser Glanzvolle [als Planet Venus] nicht durch den mittleren Raum des Himmels geht [d. h. nur als Abendstern und Morgenstern sichtbar ist] ? Dies alles wiinsche ich vollstandig zu horen, o Grofsvater.

Bhishma sprach:

6. (10664.) Vernimm, o Konig, mit Aufmerksamkeit alles dies, wie es sich verhalt, soweit ich es verstehe und soweit es von mir ehemals vernommen worden ist, o Untadliger.

7. (10665.) Jener Nachkomme des Bhargava (Uganas), ein ehrenfester und geliibdetreuer Weiser, verhielt sich feindselig gegen die Gotter aus einem wohlberechtigten Grunde.

Adhyaya 291 (B. 289). 553

8. (10666.) Nun war da der Fiirst und Schatze spendende Konig [Kubera], der bestandige Oberherr der Yaksha's und Rakshas, der Gebieter der Schatze und Herr der Welt.

9. (10667.) In dessen Leib ging der in der Zauberkunst des Yoga vollkommen bewanderte, grofse Weise [Uganas] ein, zwang den gottlichen Schatzeherrn [nach seinem Willen] und beraubte ihn durch Yogakunst seines Reichtums.

10. (10668.) Der Schatzeherr war, nachdem ihm seine Giiter geraubt waren, hilflos ; von Zorn erfiillt und entriistet wandte er sich an den Besten der Gotter

11. (10 669.) und machte ihm davon Mitteilung, dem un- ermefslich kraftvollen (^iva, ihm, dem Hochsten unter den HimmUschen, dem Rudra, dem gnadigen, vielgestaltigen :

12. (10670.) Von dem yogakundigen Uganas bin ich iiber- waltigt und meiner Schatze beraubt worden, indem er, der Askesereiche , durch Yogakunst in meinen Leib hineinfuhr und ihn wieder verHefs.

13. (10671.) Als das der grofse Zauberherr Mahegvara ge- hort hatte, geriet er in Zorn, griff mit blutunterlaufenen Augen nach seinem Wurfspiefs und sprang auf.

14. (10672.) „Wo ist der Kerl?" rief er, indem er seine vorziigHche Waffe fest fafste, Uganas aber glanzte in der Feme, als er merkte, was jener vorhatte.

15. (10673.) Als der Machtige (Uganas) den Zorn des zauberkraftigen Gewaltigen bemerkte, iiberlegte er, ob er fliehen oder gegen ihn angehen oder stehenbleiben sollte.

16. (10 674.) Und nachdem er vermoge seiner gewaltigen Askese auf den grofsmachtigen Mahegvara seine Aufmerk- samkeit gerichtet hatte, sah man den Uganas kraft seiner Yogazauberkunst plotzlich an der Spitze von (^^iva's Wurf- spiefs hangen.

17. (10675.) Als der erkenntnisdurchdrungene , in Askese voUendete Herr der Gotter dieses bemerkte, da bog er mit seiner bogenbewehrten Hand seinen Wurfspiefs um fpdnind andmayatj,

18. (10676.) und well er mit kraftvoUer Hand seinen Wurf- spiefs rund gebogen hatte, gab der furchtbar bewehrte Herr seinem Wurfspiefse den Namen: FmdJcam.

554 ni. Mokshadharma.

19. (10677.) Als der Gemahl der Uma den Bhargava in seine Hande gelangt sah, da offnete er, der Gipfel der Gotter^ seinen Mund und schob ihn gemachlich mit der Hand hinein.

20. (10678.) Nachdem aber der machtige Uganas in die Eingeweide des Mahegvara gelangt war, spazierte er, der hochsinnige Bhrigusprofs, in ihnen umher.

Yudhishthira sprach:

21. (10679.) Warum spazierte denn der Uganas in dem Bauche des weisen Gottergottes umher, o Konig, und was tat der Glanzvolle dann weiter?

Bhishma sprach:

22. (10680.) Es geschah, weil ehedem der Geliibdetreue [Qiva] Millionen und hundert Millionen von Jahren unbeweg- lich wie ein Baumstamm im Wasser gesessen hatte

23. (10681.) und dann nach Beendigung dieser Askese aus dem grofsen Gewasser herausstieg. Da kam der Obergott der Gotter Brahman heran zu ihm

24. (10682.) und befragte ihn, der Ewige, nach dem Ge- deihen der Askese und nach seinem Wohlbefinden. „Mit der Askese geht es ganz gut", erwiderte ihm der mit dem . Stier in der Fahne [Qiva]

25. (10683.) und merkte an sich, er, der Qankara [C'iva], wie er durch das Betreiben der Askese zu lippiger Kraftfiille gediehen war, er, der Hochweise, Unausdenkbare, allezeit an Wahrheit und Gerechtigkeit seine Freude Habende.

.,T26. (10 684.) Ja, angeschwoUen durch Askese und Eeich- tum, glanzte er, der heldenmiitige , grofse Yogin in alien drei Welten, o Grorskonig.

27. (10G85.) Nun aber ging der yogabeflissene Pinaka- trager dazu iiber, den Meditation syoga zu betreiben, und da- durch geriet Uganas in Bestiirzung und duckte sich in dem Bauche,

28. (10686.) und in dieser Lage pries, um ihn giinstig zu stimmen, er, der grofse Zauberer, den Gott [(^iva] und wiinschte zu entweichen, wurde aber daran von jenem gehindert.

29. (10687.) Endlich sprach der weise, im Bauche einge-

Adhyaya 291 (B. 289). 555

schlossene Uganas : „Erweise mir doch die Gnade", so sprach er ein Mai urns andere Mai, o Feindbez winger.

30. (10688.) Da sprach Mahadeva zu ihm: „Fahre durch den Penis hinaus", denn alle anderen Ausgange hatte der Gotterstier verschlossen.

31. (10 689.) Diese Pforte konnte der von alien Seiten ein- geschlossene Muni nicht finden, und, von der Glut der Askese gepeinigt, fuhr er hier und dort umher.

32. (10690.) Endlich schliipfte er in Gestalt des Sperma fgukramj durch den Penis hinaus. Und das ist der Grund, warum er [als Qukra Planet Venus] niemals quer durch den Himmel geht.

33. (10691.) Als Bhava (Qiva) ihn sah, wie er aus ihm herausgefahren war und von Glanz strahlte, da geriet er in Zorn, sprang auf und griff nach seinem Wurfspiefs.

34. (10692.) Aber die Gottin (Uma) hielt ihren zornigen Gatten Pagupati zuriick, und zufolge dieser Besanftigung des (^ankara erlangte er hei der Gottin das Sohnesrecht.

Die Gottiu sprach :

35. (10693.) Du darfst ihm nichts tun, denn er hat bei mir Sohnesrecht erlangt, und einer, der aus dem Bauche eines Gottes hervorging, darf doch nicht zu Schaden kommen.

36. (10694.) Da besanftigte sich Bhava und lachend sprach er zu der Gottin : ,,Mag er gehen, wohin es ihm beliebt", so, o Konig, sprach er zu wiederholten Malen.

37. (10695.) Da verneigte sich der weise Uganas, der grofse Muni, vor dem gabenspendenden Gotte und der Gottin Uma und eilte auf erwiinschtem Wege von dannen.

38. (10696.) Damit, o Freund, habe ich dir die Geschichte von dem hochsinnigen Bhrigusprofs erzahlt, nach der du mich fragtest, o Bester der Bharata's.

So lautet im Mokshadharma die Begegnung zwischcn Bhava und dem BhriguEprofs (Bhava- Bhdrgava - sanidgama)

556 in. Mokshadharma.

Adhyaya 393 (B. 390).

Vers 10697-10722 (B. 1-26).

Yudhishthira sprach:

1. (10697.) Nun weiter, o Grof sarmiger , sage mir, was das Beste ist, nicht satt werde ich, als ware es Amritam, o Grofsvater, deines Wortes.

2. (10 698.) Welches ist das giite Werk, das ein Mensch voUbringen mufs, o Bester der Menschen, um das hochste Gut hienieden und im Jenseits zu erlangen? Das sage mir.

Bhishma sprach:

3. (10 699.) Dariiber will ich dir berichten, wie einstmals der hochberiihmte Konig Janaka den hochsinnigen Paragara befragte :

4. (10 700.) Was ist fiir alle Wesen das Beste in dieser und in jener Welt, welches von ihnen ergriffen werden mufs? Das mogest du, o Herr, mir sagen.

5. (10 701.) Da sprach der askesereiche, aller Gesetze und Vorschriften kundige, freundlich gesinnte Muni zu dem Konige das folgende Wort.

Para,Qara sprach:

6. (10 702.) Die Vollbringung der Pflicht ist das Beste fiir diese Welt und fiir jene; denn hoher als sie gibt es nichts, wie die Weisen erklaren.

7. (10703.) Der Mensch, welcher seine Pflicht getan hat, wird herrlich geehrt in der Himmelswelt, und die Pflicht ist beschlossen fiir die Menschen in der Vorschrift der Werke, o Bester der Fiirsten.

8. (10 704.) In ihr beharren die, welche die Lebensstadien durchmachen und die ihnen obliegenden Werke vollbringen.

9. Als vierfach wird in dieser Welt der Lebensunterhalt vorgeschrieben , (i0 705.) um welchen die Menschen bemiiht sind, und er entspringt aus dem Bediirfnis.

10. Nachdem sie das gute oder bose Werk auf mancherlei Weise betrieben haben (10 706.) und in die fiinf Elemente zer- fallen sind, gehen die Wesen auf verschiedenen Wegen hiniiber.

Adhyaya 292 (B. 290). 557

11. Wie man ein Gefafs mit Gold oder mit Silber iiber- zieht, (10 707.) so wird der Mensch iiberzogen vermoge seiner Abhangigkeit von seinen friiheren Werken.

12. Ohne Samen kann nichts wachsen, ohne Wirken er- wachst kein Gliick, (10708.) nur durch gute Werke erlangt der Mensch Gliick, nachdem sein Korper zunichte geworden ist.

13. Von einem Schicksale bemerke ich nichts, es gibt kein Eingreifen des Schicksals, (10 709.) nur durch ihre eigene Natur sind Gotter, Gandharven und Damonen zu dem ge- worden, M^as sie sind.

14. Nach dem Tode erinnern sich die Menschen zwar niemals des in der friihern Geburt begangenen [jdtikritam, bei Nil.] Werkes, (io7io.) und wirklich [erinnern sie sich niclit], wenn seine Frucht liber sie kommt, des vierfach begangenen Werkes [Vers i07ii].

15. Dafs das Vedawort nur dazu da sei, um dem Ver- bal ten in diesem Leben als Richtschnur zu dienen (i07ii.) und um das Gemiit zu beruhigen, das, o Freund, ist gewifs nicht die Meinung der Alten.

16. Nein, das vierfache Werk, wie es einer durch Augen, Gedanken, Rede und Tat (10712.) begeht, wird dementsprechend vergolten.

17. Das unvermittelt [als gut und bose, NU.] einander gegeniiberstehende und das gemischte W^erk wird vergolten, o Fiirst, (10 713.) mag es gut, mag es bose sein, eine Ver- nichtung des Werkes gibt es nicht.

18. Mitunter iiberwiegt das gute Werk, o Freund, und steht gleichsam obenan, (i0 7i4.) auch bei einem solchen, der noch, bis zu seiner Erlosung vom Leiden, in dem Sansara verstrickt bleibt.

19. Ist er aber des Leidens ledig geworden, so geniefst er [auf dem Pitriyana zum Monde gelangend] sein gutes Werk, (10 715.) und nachdem sein gutes Werk verbraucht ist, biifst er das bose Werk [durch Riickkehr zum Erdenleben], 0 Oberherr der Menschen.

20. Bezahmung, Geduld, Festigkeit, Energie, Geniigsam- keit, Aufrichtigkeit, (10716.) Schamhaftigkeit, Schonung, Leiden- schaftslosigkeit und Ttichtigkeit bringen Gliick.

558 ni. Mokshadharma.

21. Der Mensch ist beim Vollbringen des guten und bosen Werkes keinem Zwange unterworfen, (10 717.) darum soil der Weise immerfort in seinem Geiste wachsam sein und sich Miihe geben.

22. Es ist nicht zu befiirchten, dafs einer das gute oder bose Werk eines andern zu biifsen hat; (10718.) welcher Art das Werk ist, das man begeht, dementsprechend ergeht es einem.

23. Der Mensch, welcher auf Lust und Leid [als Folgen der Handlungen] merkt, wird den einen Weg [der Erkenntnis, Nil.] gehen, (10 719.) auf dem andern gehen vermoge der Welt- anhanglichkeit fsangatahj alle [iibrigen] Menschen auf Erden.

24. Was man an anderen tadelt, soil man nicht selbst tun, (10 720.) denn wer tadelt, womit er selbst behaftet ist, der Terfallt der Lacherlichkeit.

25. (10721.) Ein feiger Kshatriya, ein von allem essender Brahmane, ein unstrebsamer VaiQya und ein fauler Kasten- loser, ein charakterloser Gelehrter, ein Vornehmer ohne Lebensart, ein von der Wahrheit abtriinniger Brahmane, ein ausgelassenes Weib,

26. (10 722.) ein leidenschaftlicher Yogin, einer, der nur fiir sich selbst kocht, ein Dummkopf, der Reden halt, und ein Konigreich ohne Konig diese alle, o Konig, sind zu bedauern, und so auch ein Herrscher ohne Hin- gebung und Liebe zu seinen Untertanen.

So lautet im Mokfihadharma der Gesang des Paragaia

(Pardi;ara-gttd).

Adhyaya 393 (B. 391).

Vers 10723-10746 (B. 1-23).

Para,Qara sprach :

1. (10723.) Wer als Wagen den Manas wagen, als Rosse die Sinne und Sinnendinge erlangt hat und sie mit der Er- kenntnis als Ziigel zu lenken weifs, der ist ein weiser Mann.

2. (10724.) Riihmlich ist die Verehrung mit hingegebenem Oeiste eines Unbemittelten, o Zwiegeborener, welche ausgeht

Adhyaya 293 (B. 291). 559

von einem iiber die Spendehand Erhabenen [atihasta mit Nil.] und nicht aus einem gegenseitigen Tauschverlialtnis.

3. (10725.) Wenn man ein schwer erlangbares [gliickliches] Lebenslos erlangt hat, soil man es nicht [durch schlechte Taten] entwiirdigen , o Volkerherr, sondern danach streben, durch gute Werke noch hoher zu steigen [in der nachsten Oeburt].

4. (10726.) Denn wer von seiner Kaste abfallt, verdient keine Billigung, und sicherlich auch nicht der, welcher, in eine gliickliche Lage gelangt, rajashaften Taten sich hingibt.

5. (10727.) Durch gute Werke erlangt der Mensch [nach dem Tode] eine hohere Kaste; schwer ist sie zu erlangen, und wenn man sie nicht erlangt hat, [so ist der Grund, dafs] man durch schlechte Werke sich selbst zu Schaden hringt.

6. (10728.) Begeht man unbewufst etwas Boses, so moge man es durch Askese von sich abschiitteln, denn das Bose bringt [bewufst oder unbewufst veriibt] seine Frucht; bose ist es an sich [in beiden Fallen], (10729.) darum soil man sich nicht mit Bosem befassen, da es [in jedem Falle] Leiden als Frucht bringt.

7. Ein Werk, welches mit Bosem behaftet ist, auch wenn es grofsen Erfolg verspricht, (10 730.) soil der Weise so angstlich meiden wie der Reine einen Kugalin [nach Nil. eine Art Candala].

8. [Fragt man aber :] Wo sehe ich denn eine iible Folge meiner bosen Tat? (10731.) Zunachst schon darin, dafs der Seele, selbst wenn man Reue empfunden hat, nicht wohl da- nach wird.

9. Wer aber ein solcher Tor ist, dafs ihm keine Reue iiber seine Tat kommt, (10732.) den erwartet, wenn er davon mufs, grofse Pein.

10. Ein ungefarbtes Kleid lafst sich von Schmutz reinigen, nicht aber ein mit schwarzer Farbe ganz iiberzogenes, (10733.) so steht es mit der Siinde, o Fiirst der Menschen, das sollst du von mir mit Fleifs lernen.

11. Wenn einer auch aus freien Stiicken, nachdem er das Bose getan hat, sich dem Guten zuwendet (10734.) und

560 HI. Mokshadharma.

Bufse tut, so trifft ihn doch [die Vergeltung fur] beides ge- sondert.

12. Aber eine unbewufst begangene Schadigung wird durch den Grundsatz der Nicht- Schadigung wieder wett- gemacht, (10735.) so lehren, vom Gesetze belehrt, die brahman- kundigen Brahmanen.

13. Hingegen eine absichtlich begangene [Schadigung] wird nicht durch den Grundsatz der Nicht-Schadigung wieder wettgemacht, (10 736.) so lehren, vom Gesetze belehrt, die brah- mankundigen Brahmanen.

14. Ich aber sehe die Sache so an, dais das begangene Werk nicht ohne Folgen bleibt, (10737.) mag es tugendhaft Oder nur scheinbar mit Bosem nicht verkniipft sein.

15. Und wenn schon verborgene Werke die Frucht ihrer Beschaffenheit gemafs bringen, (10738.) wieviel mehr solche, welche aus Vorsatz und mit Bewufstsein begangen sind!

16. Nur geringe Folgen hat ein schweres, fort und fort begangenes Werk, (10739.) ein mit Gewalttat ausgefuhrtes, wenn es ohne Absicht geschah.

17. An [gewissen] Taten der Gotter und Muni's (10 740.) soil sich der Kechtschaffene , wenn er von ihnen hort, kein Bei- spiel nehmen, aber auch keinen Tadel iiben.

18. Wer nach reiflicher Uberlegung, o Konig, und im Bewufstsein dessen, was er vermag, (10741.) ein edles Werk voUbringt, der wird Herrliches schauen.

19. Wie Wasser, wenn es in ein noch ungebranntes Gefafs gegossen wird, entweicht, (10742.) so bleibt es in einem nicht mehr ungebrannten Gefafse erhalten und wohlgeborgen.

20. Nun wird dem das Wasser haltenden Gefafse anderes Wasser zugegossen, (10743.) und so wie dieses Wasser in dem beharrenden selbst sein Beharren findet,

21. so sind, wenn verstandige Werke geiibt worden sind, o Fiirst, (10744.) neu hinzukommende ahnliche in hochstem Grade vortrefflich.

22. (10745.) Dem Konige liegt es ob, Feinde und Em- porer zu besiegen und die Beschiitzung seiner Unter- tanen nach alien Seiten hin auszuiiben; um vieler Opfer willen soil man [als Grihastha] das Feuer schichten, um

Adhy&ya 293 (B. 291). 561

im. letzten oder mittlern Lebensalter [als Vanaprastha] in den Wald zu ziehen und dort zu wohnen.

23. (10746.) Herr seiner selbst, soil der Mensch, in seiner Pflicht treu, alle Wesen seinem eigenen Selbste gleich achten und seine Freude daran haben, o Manner- fiirst, aus alien Kraften und in aufrich tiger Gesinnung die Meister zu ehren.

So laatet im Mokshadbarma der Qesang des PaxAfara (Fard<;ara-gUd).

Adhyaya 394 (B. 293).

Vers 10747-10769 (B. 1-23).

Para^ara sprach:

1. (10 747.) Wer hilft in dieser Welt dem andern? Wer hat fur den andern etwas iibrig? Der Mensch, wie er ist, tut, was er tut, durch sich selbst und fiir sich selbst.

2. (10 748.) Er ist imstande, einen, der nicht in Ansehen steht, lieblos zu verlassen, selbst wenn es der eigene Bruder, wieviel mehr, wenn es ein anderer ist!

3. (10749.) Zwischen zwei Menschen von Ansehen halten sich Geben und Nehmen das Gleichgewicht, verdienstlicher als beides ist es, wenn der Zwiegeborene die Gabe blofs darreicht.

4. (10750.) Reichtum, welcher rechtmafsig erworben und rechtmafsig vermehrt worden ist, darf mit allem Fleifse ge- hiitet werden, wenn er zur Fflichterfiillung verwendet wird, daran ist kein Zweifel.

5. (10 751.) Wer auf Gerechtigkeit halt, der soil nicht durch menschenfeindhches Tun sich Reichtum erwerben. Nach besten Kraften soil man alle Pflichten erfiillen ohne den Hinter- gedanken an gedeihlichen Erfolg.

6. (10 752.) Wenn man mit frommem Sinne auch nur kaltes Oder warmes Wasser, so gut man es vermag, dem Gaste darreicht, so ist das ebenso verdienstlich , als wenn man einen Hungrigen speiste.

I>BUB8sir, Mab&bh&ratam. 36

562 in. Mokshadharma.

7. (10 753.) Von dem hochherzigen [reichen und wohl- tatigen] Rantideva wurde die von alien begehrte Vollendung erreicht, und doch hatte er die Muni's nur mit Friichten, Blattern und Wurzeln geehrt.

8. (10 754.) Und obgleich er nur mit solchen Friichten und Blattern den von Mathara begleiteten [Sonnengott] erfreut hatte, erlangte auch der Fiirst der Qibi's dafiir die hochste Statte.

9. (10 755.) Der Mensch wird geboren, indem auf ihm eine Schuld gegen Gotter, Gaste, Horige und Manen lastet, darum mufs er diese Schuld abtragen

10. (10 756.) an die grofsen Rishi's durch Vedastudium, an die Gotter durch Opferwerke, an die Manen, indem er ihnen das Manenopfer spendet, an seine Leute, indem er sie in Ehren halt.

11. (10757.) Durch [angemessene] Rede, durch Mitgeben von seinem Uberflusse und durch Erhaltung seiner eigenen Person soil man, wie sichs gehort, von Grund aus das Interesse seiner Angehorigen fordern.

12. (10 758.) An Fleifs das Hochste erreichend, wenn auch des Reichtums ermangelnd, sind die Muni's durch richtige Darbringung der Opferspeise zur Vollendung emporgestiegen.

13. (10759.) Der Sohn des Ricika [Nil. liest des Ajigarta] wurde zu einem Sohne des Vigvamitra, nachdem er, o Grofs- armiger, die an seiner Opferung beteiligten Gotter mit Rigveda- versen gepriesen hatte [vgl. Ait. Br. 7,13 fg., wo der Vater Ajigarta und der Sohn Qunahgepa heifstj.

14. (10 760.) U<?anas wurde infolge der Gnadigstimmung des Gottergottes [Qiva] zum (^ukra [dem Planeten Venus] und glanzt herrlich am Himmel, well er die Gottin [Uma] ge- priesen hatte [oben, S. 552 fg.].

15. (10761.) Asita Devala, Narada und Parvata, Kakshi- vant, Rama, der Sohn des Jamadagni, und der atmanhafte Tandya,

16. (10 762.) Vasishtha, Jamadagni, Vigvamitra und Atri, Bharadvaja, Harigmagru, Kundadhara und Qrutagravas,

17. (10 763.) diese grofsen Rishi's empfmgen, weil sie mit Hingebung den Vishnu durch Rigvedaverse gepriesen batten,

Adhy^ya 294 (B. 292). 583

durch die Gnade dieses weisen Gottes um ihrer Askese willen die Vollendung.

18. (10 764.) Und auch Wiirdelose sind zur Wiirde gelangt, weil sie denselben Gott mit rechtschaffenem Sinne gepriesen hatten. Nicht aber soil man in dieser Welt durch etwas emporzukommen suchen, dessen man sich zu schamen hat.

19. (10765.) Zwecke, die mit Rechtschaffenheit verfolgt werden, sind gut, die aber mit Ungerechtigkeit verfolgt wer- den, pfui iiber die! Die in der Welt ewig geltende Pflicht soil man nicht aus Geldgier aus den Augen lassen.

20. (10 766.) Wer mit rechtschaffenem Sinne die Opferfeuer anziindet, dessen religioses Verdienst steht am hochsten, denn alle Veden, o Fiirst der Konige, fufsen auf den drei Opfer- feuern, o Herr.

21. (10 767.) Aber nur ein solcher Brahmane ist ein wahrer Opferfeuerz under, der die zugehorigen Zeremonien nicht ver- nachlassigt, und ist es besser, gar keine Opferfeuer anzu- ziinden, als ein Agnihotram ohne Zeremonien darzubringen.

22. (10 768.) Das Opferfeuer und der Atman, die Mutter, der Vater als Erzeuger und der Lehrer, diese miissen ge- biihrend verehrt werden, o Tiger unter den Mannern.

23. (10 769.) Wer frei von Hochmut die Alten ehrt, verstandig, keusch und liebevoll dreinschaut, ohne Un- ruhe, pflichttreu und nicht unbezahmten Sinnes ist, der wird in dieser Welt als echter Arya von den Guten geachtet.

So lautet iin Mokshadharma der Gesang des Far&Qara

(Pard<;ara-gltd).

Adhyaya 295 (B. 293).

Vers 10770-10790 (B. 1-21).

ParS,Qara sprach :

1. (10 770). Ein wohlanstandiges, von Liebe geleitetes Be- tragen von seiten der drei Kasten gegeniiber dem Kasten- losen [Qudra], wie es Vorschrift ist, zeichnet immerdar die Gerechtesten aus.

36*

564 in. Mokshadharma.

2. (10771.) Wo aber keine vom Vater und Grofsvater iiber- kommene gute Behandlung dem Qudra gegeniiber iiblich ist, da soil dieser nicht nach guter Behandlung in Diensten eines andern streben, sondern sich im Gehorsam iiben.

3. (10772.) Der Umgang mit Edlen, Pflichtkundigen ist jederzeit in alien Lagen schon, nicht aber der mit Unedlen, so meine ich.

4. (10 773.) Wie ein Korper auf dem Berge des Sonnen- adfgangs durch seine Nahe [von der Sonne] erglanzt, so er- glanzt der Kastenlose durch die Nahe der Edlen.

5. (10774.) Denn wie ein weifses Kleid durch irgendeine Farbe gefarbt wird, so nimmt auch er [der Qudra] die Farbe [der Umgebung] an, das kannst du mir glauben.

6. (10775.) Darum nimm von den Tugenden die Farbe an und niemals von den Fehlern, denn das Leben der Sterb- lichen ist verganglich und ungewifs.

7. (10776.) Der Weise, welcher im Gliick und Ungliick das Gute herauszufinden weifs, der ist ein wahrer Kenner der Lehrbiicher.

8. (10 777.) Eine Handlung, welche von der Pflicht abweicht, auch wenn sie grofsen Nutzen bringt, soil von dem Weisen nicht unternommen werden und ist nicht gutzuheifsen.

9. (10 778.) Ein Fiirst, der, die Beschiitzung seiner Unter- tanen versaumend, tausend geraubte Kiihe [als Opferlohn] spendet, der erwirbt sich nur dem Namen nach ein Verdienst und ist in Wahrheit ein blofser Rauber.

10. (10779.) Der durch sich selbst Seiende schuf zu An- fang den von aller Welt verehrten Schopfer, der Schopfer schuf den einen Sohn [den Regengott Parjanya, Nil.], der an der Erhaltung der Welt seine Freude hat.

11. (10780.) Ihn moge der Vaigya ehren und [als Acker- bauer und Viehziichter] Gedeihen im Ubermafs haben; die Kshatriya's soUen schiitzen, die Brahmanen sollen [den Gottern das Opfer] genehm machen,

12. (10781.) indem sie es redlich ohne Falsch und ohne Zorn den Gottern und Manen darbringen; den (^udra's end- lich liegt das Geschaft des Kehrens ob, dann bleibt das Gesetz wohlgewahrt.

Adhy&ya 295 (B. 293). 565

13. (10782.) Und wenn es wohlgewahrt bleibt, so leben die Menschen gliicklich, und wenn sie gliicklich leben, o Fiirst der Konige, so freuen sich die Gotter im Himmel.

14. (10783.) Darum wird ein Fiirst, welcher Schutz gewahrt, mit Recht dafiir geehrt, und ebenso ein Brahmane, der den Veda studiert, und ein Vaigya, der seine Freude am Er- werb hat,

15. (10 784.) und auch ein Qudra, der mit bezahmten Sinnen immer gehorsam ist; wer anders handelt, o Fiirst der Men- schen, der versaumt seine Pflicht.

16. (10785.) Auch ein Scherflein, welches unter eigenen Entbehrungen dargebracht wird, bringt grofsen Lohn, wenn es nur ehrlich erworben ist, um wieviel mehr tausendfache Gaben !

17. (10786.) Der Fiirst, welcher die Brahmanen bewirtet und beschenkt, wird in dem Mafse, wie er es tut, entsprechen- den Lohn in reicher Fiille ernten.

18. (10 787.) Eine Gabe, welche man aus freien Stiicken mit Freudigkeit darreicht, ist wahrhaft lobenswiirdig ; was man aber gibt, nachdem man sich darum hat bitten lassen, hat nach Ansicht der Weisen nur mafsigen Wert.

19. (10 788.) Was aber mit Geringschatzung oder ohne Glauben gespendet wird, das erklaren die wahrheitsprechenden Muni's fiir eine Gabe untersten Grades.

20. (10 789.) Versunken [in das Meer des Sansara] soil der Mensch immer suchen, auf alle Art herauszukommen, und so moge er eifrig streben, aus der Verstrickung sich zu befreien.

21. (10790.) Durch Bezahmung zeichnet sich der Brahmane aus, durch Sieg der Krieger, durch Reichtum der VaiQya, der (^udra aber durch bestandige Riihrigkeit.

So lautet im Mokshadharma der Oesang dea FaT&c^ara (Pardqara - gitd).

566 in. Mokshadharma.

Adhyaya 296 (B. 394).

Vers 10791-10821 (B. 1-31).

Para^ara sprach :

1. (10791.) Zum Brahmanen als Gaben gelangend, vom Kshatriya im Kampfe erobert, vom Vaicya ehrlich erworben, vom Q'udra durch gehorsames Dienen erlangt,

2. (10792.) wird auch ein geringer Besitz gepriesen als grofse Frucht bringend, wenn er im Dienste der Pflicht ver- wendet wird. Der Qiidra gilt allgemein als der, welcher den drei oberen Kasten Gehorsam schuldet.

3. (10 793.) Wenn ein Brahmane aus Nahrungssorgen die Beschaftigung eines Kshatriya oder Vaigya betreibt, so fallt er dadurch nicht; wenn er aber das Geschaft eines Qudra betreibt, so fallt dadurch der Brahmane.

4. (10 794.) Handel, Viehzucht und Leben vom Handwork werden auch einem Qudra zugestanden, wenn er nicht anders seinen Lebensunterhalt erwerben kann.

5. (10 795.) Das Auftreten auf der Biihne, das Leben von Schaustellungen [Marionetten usw.], vom Handel mit be- rauschenden Getranken und Fleisch, mit Eisen und Leder

6. (10796.) soil man, wenn es nicht in der Familie erblich war, nicht anfangen, da es in der Welt fiir ein bescholtenes Gewerbe gilt. Wo es aber erblich war und aufgegeben wurde, da liegt ein grofses religioses Verdienst vor, wie die Schrift lehrt.

7. (10797.) Wenn ein Mann, der es in der Welt zu etwas gebracht hat, etwas Schlechtes begangen hat, weil sein Geist von Trunkenheit umnebelt war, so gilt das nicht fiir nach- ahmenswert.

8. (10 798.) Denn in alten Geschichten (purdnaj wird be- richtet, dafs die Menschen damals so bezahmt, pfliohteifrig und an Sitte und Gesetz gewohnt waren, dafs die Verachtung als Strafe geniigte, um sie im Zaume zu halten.

9. (10 799.) Denn von jeher wurde die Pflicht erf iillung an den Menschen hienieden als des Lobes wiirdig erachtet, o Konig,

Adhyaya 296 (B. 294). 567

und da die Menschen in der Pflichterfiillung grofs ge word en waren, so iibten sie auf Erden tugendhafte Handlungen.

10. (10800.) Diese Pflichttreue, o Freund, wurde von den Damonen nicht geduldet, o Fiirst, und indem sie mehr und mehr an Macht und Zahl zunahmen, fuhren sie in die Men- schen hinein und machten sie besessen.

11. (10801.) Da entwickelte sich in den Menschen ein die Pflicht vernichtender Hochmut, und als sie erst von Hoch- mut erfiillt waren, erwuchs in ihnen der Zorn.

12. (10802.) Und indem der Zorn sie beherrschte, gingen schamhaftes Benehmen und Scheu verloren, und Verblendung trat an ihre S telle.

13. (10803.) Als sie aber mit Verblendung erfiillt waren, sahen sie nicht mehr so klar wie vorher, sondern unter- drlickten sich gegenseitig und iiberhoben sich nach Lust.

14. (10804.) Als sie aber erst soweit gekommen waren, ge- niigte die Verachtung als Strafe nicht mehr ; sie gingen immer weiter, indem sie sogar Gotter und Brahmanen verachteten.

15. (10805.) Zu dieser Zeit geschah es, dafs die Gotter den obersten Gott, den weisen, vielgestaltigen , allervortreff- lichsten Qiva, um Schutz baten.

16. (10806.) Da wurden von ihm jene himmelstiirmenden [Damonen] mitsamt ihren Burgen auf die Erde herabgestiirzt, zu dreien [als Hochmut, Zorn und Verblendung], durch einen einzigen von Gotterkraft geschwellten Pfeil.

17. (10807.) Und auch er, der ihr Oberherr war, furcht- bar, von furchtbarer Tapferkeit, und der die Gotter mit Furcht erfiillt hatte, wurde von dem Wurfspiefsbewehrten [Qiva] niedergeworfen.

18. (10808.) Nach dessen Niederwerfung kehrten die Men- schen zu ihrer friihern Natur zuriick und wandten sich wieder wie ehedem den Veden und den Gesetzbiichern zu.

19. (10809.) Da geschah es, dafs die sieben Rishi's den Vasava (Indra) zum Konige iiber die Gotter im Himmel salbten und ihn mit dem Richteramte iiber die Menschen betrauten.

20. (10810.) Auf die sieben Rishi's folgte sodann eiu Erde- beherrscher mit Namen Viprithu und in den einzelnen Reiche n Kshatriya's als Konige.

568 III. Mokshadharma.

21. (10811.) Aber da gab es alte und noch altere, aus grofsen Familien geborene Herrscher, aus deren Herzen die damonische Natur nicht gewichen war.

22. (10812.) Darum haben manche Fursten vermoge dieser Natur und ihrer Folgen mit furchtbarer Tapferkeit damonische Werke begangen.

23. (10813.) Auf diese griindeten sie sich und stelltenxSie als Beispiel auf, und auch heute gibt es torichte Menschen, welche an derartigen Werken ihre Freude haben.

24. (10814.) Darum sage ich zu dir, o Konig: Man soil auf Grund der Lehrbiicher wohliiberlegend nach dem Voll- kommenen trachten und schadliche Werke meiden.

25. (10815.) Ein weiser Mann soil nicht auf unlauterm Wege Reichtum aufhaufen, indem er das auf Pflichterfullung zielende Gesetz aufser Augen lafst, das ist nicht schon.

26. (10816.) Du aber, der du ein bezahmter und von lieben Freunden umgebener Kshatriya hist, mogest Unter- tanen, Diener und Kinder vermoge der dir obliegenden Fflicht beschiitzen.

27. (10817.) In Verkniipfung von Angenehmem und Un- angenehmem besteht Feindschaft und Freundschaft durch viele tausend Geschlechter hindurch.

28. (10818.) Darum nimm von den Tugenden die Farbe an und niemals von den Fehlern; hat doch schon der tugend- lose Tor an sich selbst seine Freude [wieviel mehr der Tugendhafte] !

29. (10819.) Unter den Menschen, o grofser Konig, nehmen Gutes und Boses ihren Gang, aber so ist es nicht bei anderen Geschopfen, welche gesondert leben.

30. (10820.) Ein pflichttreuer und weiser Mann, mag er irgend etwas erstreben oder nicht, soil allezeit in der Welt wandeln ohne Schadigung der Wesen, zu ihrem Selbste ge-t w or den.

31. (10821.) Wenn eines solchen Mannes Geist frei wird von alien Herzensskrupeln und aller Unlauterkeit, dann wird ihm ein schones Los zuteil.

So lautet im Mokshadharma der Gesaug des Par^gara (Pardfara gttd).

Adhyaya 297 (B. 295). 569

Adhyaya 297 (B. 295).

Vers 10822-10860 (B. 1-39).

Para,Qara sprach :

1. (10 822.) Das wird als das Pflichtgesetz des Hausvaters verkiindet, nun will ich dir das Gesetz der Askese vortragen ; vernimm es, wie ich es dir darlege.

2. (10823.) Meistens entwickelt sich im Hausvater ein Egois- mus, welcher auf dem Welthange vermoge der rajas-artigen und tamas-artigen Zustande beruht.

3. (10824.) Griindet ein Mensch erst einen Hausstand, dann gelangt er zu Herden, Feldern, Reichtiimern, Weibern, Kin- dem und Dienern.

4. (10825.) Wenn er in diesen Dingen sich bewegt und sie allezeit im Auge hat, dann erstarken in ihm, indem er deren Verganglichkeit nicht bemerkt, die Liebe und der Hafs.

5. (10826.) Wird er aber von Liebe und Hal's geknechtet und gerat er unter die Herrschaft des Materiellen, dann be- schleicht den Menschen die aus Verblendung entspringende Genufssucht, o Mannerfiirst.

6. (10827.) Sich am Ziel der Wiinsche und im Vollbesitze des Gliickes wahnend, begreift ein jeder, fiir den der Genufs das Hochste ist, nicht, dafs es noch etwas anderes, von der Geschlechtsbefriedigung Verschiedenes zu erstreben gilt.

7. (10828.) Und mit einer von Begierde erfiillten Seele fordert er aus Weltliebe auch seine Angehorigen, und um ihr Gedeihen zu erhohen, ist er fiir seine Angehorigen bemiiht.

8. (10829.) Dann begeht der Mensch auch mit Bewufstsein um des Gewinnes willen, was er nicht tun sollte, und um- nebelt im Geiste durch die Liebe zu seinen Kindern, harmt er sich, wenn sie ihm entrissen werden.

9. (10 830.) Und von Hochmut erfiillt und angstlich bedacht, keinen Schaden zu erleiden, tut er alles in dem Gedanken: „Glucklich will ich sein!" und daran geht er zugrunde,

10. (10831.) wahrend das wahre Gliick nur den Menschen zuteil wird, welche, stets von Weisheit geleitet, das Brahman verkiinden, nach edlen Werken streben und entsagen.

570 in. Mokshadharma.

11. (10832.) Geht verloren, worauf sich die Liebe richtete, geht der Reichtum verloren, o Fiirst, wird man von Kummer und Krankheit gequalt, dann kommt man zur Weltver- drossenheit.

12. (10833.) Aus Weltverdrossenheit entspringt Selbst- erkenntnis, aus ihr Beach tung der Lehrbiicher, und durch Beachtung des Inhalts der Lehrbiicher, o Konig, wird man auf die Askese hingeleitet.

13. (10834.) Schwer zu finden, o Fiirst der Menschen, ist der tiefdenkende Mann, der, der Lust am Angenehmen miide, sich zur Askese entschliefst.

14. (10835.) Die Askese ist universell und wird auch dem Kastenlosen empfohlen; wenn er bezahmt und Herr seiner Sinne ist, zeigt sie ihm den Weg zum Himmel.

15. (10836.) Durch die Askese schuf vordem Prajapati, der Herr, die Geschopfe, indem er, das Brahman als Hochstes haltend, bald dieses, bald jenes Geliibde libernahm, o Konig.

16. (10837.) Die Aditya's, Vasu's, Rudra's, Agni, die Agvin's und die Maruta's, die Viqve Devah und die Sadhya's, die Manen und die Scharen der Marut's,

17. (10838.) die Yaksha's, Rakshasa's und Gandharva's, die Siddha's und anderen Himmelsbewohner sind, o Freund, durch die Askese zur Vollendung gelangt, und so auch, die noch sonst im Himmel weilen.

18. (10839.) Und auch die Brahmanen, welche am Anfang von Gott Brahman geschaffen wurden, haben vordem durch Askese die Erde geschmiickt und den Himmel bevolkert.

19. (10840.) Und auch die Konige in der Menschen welt und solche Hausherren, die in edlen Familien glanzen das alles ist die Frucht ihrer Askese.

20. (10841.) Seidene Gewander und schone Geschmeide, Wagen, Sessel und Trinkbecher das alles ist die Frucht der Askese.

21. (10842.) Herzerfreuende, schone Weiber zu Tausenden und Weilen auf der Zinne des Palastes das alles ist die Frucht der Askese.

22. (10843.) Kostbare Betten und allerlei Leckerbissen und

Adhyaya 297 (B. 295). 571

alles, was das Herz begehrt, wird den Vollbringern edler Werke zuteil.

23. (10844.) Es gibt nichts in alien drei Welten, o Feind- bedranger, was nicht durch Askese erlangt werden konnte; aber Verlust aller Freuden ist der Lohn derer, welche keine Werke [der Askese] vollbringen.

24. (10845.) Mag der Mensch in Gliick oder in Ungliick leben, er meide die Habgier, indem er das Gesetz mit Sinn und Geist beachtet, o Bester der Fiirsten.

25. (10846.) Unzufriedenheit fiihrt zu Ungliick, Begierde zu Verwirrung der Sinne, durch sie geht die Erkenntnis zu- grunde, wie das Wissen, wenn es nicht geiibt wird.

26. (10847.) Geht aber erst die Erkenntnis verloren, dann beachtet man das Gesetz nicht mehr, darum moge der Mensch, wenn sein Gliick scheitert, sich strenger Askese zuwenden.

27. (10848.) Lust nennt man, was gewiinscht, Unlust, was gescheut wird. Welches aber die Folgen sind, wenn man Askese betreibt oder nicht betreibt, das sollst du sehen.

28. (10849.) Bestandig sehen Erfreuliches , geniefsen die Sinnendinge und gelangen zur Beriihmtheit die, welche eine lautere Askese betrieben haben.

29. (10850.) Unangenehmes, Geringschatzung und Leid von mancherlei Art zieht sich der zu, welcher, nach Frucht be- gehrend, die Frucht der Askese und ihrer Objekte beiseite setzt.

30. (10851.) Dann bemachtigt sich seiner die Willkiir in betreff der Pflicht, der Askese, der Freigebigkeit, er lafst sich dazu fortreifsen, Boses zu tun, und kommt in die Holle.

31. (10 852.) Wer aber, mag er in Gliick oder Ungliick leben, o Bester der Manner, nicht vom guten Wandel ab- weicht, der Mensch gebraucht das Gesetz als Auge.

32. (10853.) Nur momentan wie der Schufs eines Pfeiles ist die Lust fiir das Gefiihl, und ebenso stehts beim Schmecken, Sehen, Riechen und Horen, o Volkerherr,

33. (108B4.) und indem sie schwindet, stellt sich ein scharfer Schmerz ein. Nein, es sind nur Toren, welche nicht die Er- losung als das hochste Gliick preisen.

34. (10855.) Darum dienen, auch wenn der Nutzen in Frage kommt, die Tugenden einem jeden zu seinem Besten, und

572 III. Mokshadharma.

dadurch, dafs er allezeit das Gute wahlt, geht er des An- genehmen und Niitzlichen nicht verlustig.

35. (10856.) Auch ohne dafs er sich darum bemiiht, kommen die Objekte des Genusses dem Grihastha entgegen, aber nur mit Miihe kann er zur Erfiilluug der Pflicht gelangen, so ur- teile ich.

36. (10857.) Mag es sich um Hochsinnige und Edelgeborene, deren Auge stets der Inhalt des Gesetzes ist, handeln, oder um solche, welche aus Unvermogen und Behinderung ihres Geistes von der Pflicht der Opferwerke sich lossagen,

37. (10858.) wenn ihre menschhchen Angelegenheiten Schiff- hruch leiden, so bleibt ihnen kein anderer Ausweg in der Welt als die Askese.

38. (10859.) Immerhin moge der Hausvater mit ganzer Seele genaue Erfiillung seiner Werke anstreben, indem er wacker in seiner Pflicht, den Gottern und Manen zu opfern, beharrt, o Fiirst.

39. (10 860.) Denn wie alle Fliisse und Strome im Ozean zu ihrer Heimstatt gelangen, so haben alle Lebensstadien im Hausvaterstande ihre Heimstatte.

So lautet im MokBhadharma der Gesang des Par&Qara (Pardfara-gttd).

Adhyaya 298 (B. 396).

Vers 10861-10H99 (B. 1-39).

Janaka sprach :

1. (10861.) Woher kommt es, o grofser Rishi, dafs die ver- schiedenen Kasten (varnaj ihre [besondere] Farbe {varnaj haben? Das wiinsche ich zu erfahren, das erklare mir, o Bester der Redner.

2. (10862.) Was einem als Kind geboren wird, das ist man selbst, wie die Schrift lehrt (Ait. Up. 2,1 fg., Sechzig Upanishad's S. 14 und 19). Wie kommt es nun, dafs der Mensch, da er doch vom Brahmanen abstammt, so verschie- ■dene Richtungen eingeschlagen hat?

Adhyftya 298 (B. 296). 573-

ParSiQara sprach:

3. (10863.) AUerdings ist es so, o Grofskonig, von wem man geboren ist, der ist man; aber durch die Abnahme der Askese hat der Mensch so verschiedene Richtungen einge- schlagen.

4. (10864.) Wo das Ackerland und der Same, beide, gut sind, mufs eine reine Nachkommenschaft entstehen, und nur weil es an dem einen oder andern fehlt, kann eine geringere geboren werden.

5. (10865.) Als Prajapati die Welten schuf, da sind die Menschen aus seinem Munde, seinen Armen, Schenkeln und Fiifsen entsprungen, so wissen es die Kenner des Gesetzes (Rigveda 10,90,12).

6. (10866.) Aus seinem Munde gingen die Brahmanen her- vor, o Freund, aus seinen Armen die Kshatriya's, aus seinen Schenkeln die reichen [Vaigya's], o Konig, aus seinen Fiifsen die dienenden [(^udra's].

7. (10867.) Das ist die Herkunft der vier Kasten, o Manner- stier ; die iibrigen, die noch aufser ihnen vorhanden sind, sind durch Mischung entstanden.

8. (10868.) Die Kshatriya's [hier Volksname], Atiratha's (Wagenkampfer) , Ambashtha's [Sohn eines Brahmanen und einer Vaigya], Ugra's [eines Kriegers und einer (^udra], Vaidehaka's [eines ^udra's und einer Brahmanin], (^vapaka's (Hundekocher), Pulkasa's [(^udravater und Kshatriyamutter], Stena's (Diebe), Nishada's [Brahmanavater und (^udramutter], Suta's [Stallmeister, Kshatriyavater und Brahmanenmutter], Magadha's [Vaigyavater und Kshatriyamutter],

9. (10869.) Ayoga's [Qudravater und Vaigyamutter] , Kara- na's [Vaigyavater und (^udramutter], Vratya's [(^udravater und Kshatriyamutter] , Candala's [(^udravater und Brahmana- mutter] , o Mannerfurst, diese sind aus den vier Kasten durch Kreuzung entsprungen.

Janaka sprach :

10. (10870.) Wenn alle aus dem einen Brahman entsprungen sind, wie erklart sich dann die Mannigfaltigkeit der Familien-

574 in. Mokshadharma.

geschlechter , denn es gibt ja hier in der Welt viel Ge- schlechter, o Bester der Muni's?

11. (10871.) Wie kommt es, dafs Muni's von unbestimmter Herkunft zu dem ihnen gemafsen Ursprung gelangt sind, denn neben solchen, welche einem reinen Mutterschofse ent- sprungen sind, gibt es ja auch andere, aus einem schlechten Schofs hervorgegangene?

Paragara sprach:

12. (10872.) 0 Konig, das ist nicht aus ihrer niedrigen Geburt zu begreifen, sondern das Emporkommen solcher Hoch- sinnigen erklart sich daraus, dafs sie ihre Seele durch Askese gelautert haben.

13. (10873.) Wenn die Muni's Sohne hier und da gezeugt haben, so haben sie ihnen doch durch ihre Askese den Rang der Rishi's wieder erworben.

14. (10 874.) Auch mein eigener Vorfahre und Rishyagringa, der KaQyapasprofs, ferner Veda, Tandya, Kripa, Kakshivant, Eamatha und andere,

15. (10875.) Yavakrita, o Piirst, und Drona, der Beste der Redner, ferner Ayu, Matanga, Datta, Drumada und Matsya,

16. (10876.) diese, o Fiirst der Videha's, haben ihren Rang auf Grund der Askese erlangt und stehen da als Vedakenner vermoge ihrer Bezahmung und Askese.

17. (10877.) Vier Urgeschlechter sind entstanden, o Fiirst; Angiras, Kagyapa, Vasishtha und Bhrigu [sind ihre Ahnherren].

18. (10878.) Andere Geschlechter sind auf Grund ihrer Werke zu dem geworden, was sie sind, o Fiirst, und haben ihren Namen auf Grund der Askese, das ist die Tradition unter den Guten.

Janaka sprach:

19. (10879.) Erklare mir, o Herr, die besonderen Pflichten jeder Kaste und sodann ihre gemeinsamen Pflichten, denn du bist in dem allem bewandert.

Paragara sprach:

20. (10880.) Annehmen von Gaben, fiir andere opfern und den Veda lehren, o Fiirst, das sind die besonderen Pflichten der Brahmanen, die Beschiitzung ziert den Kshatriya.

Adhyaya 298 (B. 296). 575

21. (10881.) Ackerbau, Viehzucht und Handel liegen dem Vaigya ob, die Zwiegeborenen zu bedienen ist die Pflicht des (^udra, 0 Mannerfiirst.

22. (10882.) Die besonderen Pflichten der Kasten habe ich dir genannt, o Fiirst, nun vernimm ihre gemeinsamen Pflichten ausfiihrlich von mir, o Freund.

23. (10883.) Wohlwollen, Nicht-Schadigung, Besonnenheit, Gerechtigkeit, Manenopfer, Gastfreundschaft, Wahrhaftigkeit, Nicht-Ziirnen,

24. (10884.) sich mit seinen eigenen Frauen begniigen, Reinheit, bestandige Unverdrossenheit, Selbsterkenntnis und Geduld, das sind, o Fiirst, die gemeinsamen Pflichten.

25. (10 885.) Die Brahmanen, Kshatriya's und Vaigya's sind die drei zwiegeborenen Kasten, und sie sind die zu den reli- giosen Pflichten Berufenen, o Bester der Menschen.

26. (10886.) Wenn sie sich auf schlechte Werke einlassen, sinken die drei Kasten ebenso herab, wie sie emporkommen, wenn sie sich in ihren Werken einen Guten zum Vorbild nehmen.

27. (10887.) Bin ^udra kann nicht tiefer fallen, das steht fest, auch ist er hienieden nicht der Weihen wiirdig, fallt auch nicht unter das vom Veda ausgehende Gesetz, wahrend er von dem Gesetz [nach Nil.: dem dreizehn- fachen, oben. Vers i0883fg.] nicht ausgeschlossen ist.

28. (10888.) 0 Konig der Videha's, fiir Ka [fiir eine Inkarnation des Brahman] erklaren den (^iidra die mit der Schrifterklarung sich befassenden Brahmanen; ich aber sehe in ihm, o Fiirst der Manner, den Gott Vishnu, das Oberhaupt der ganzen Welt.

29. (10889.) Die Kastenlosen, wenn sie in ihrem Streben emporzukommen dem Beispiel der Guten nachleben und ge- deihliche Werke vollbringen, nehmen keinen Schaden, wenn sie sich nur der heiligen Spriiche enthalten.

30. (10890.) In dem Mafse, wie die andern Menschen sich an das Vorbild der Guten halten, in diesem Mafse erlangt einer Gliick und Freude nach dem Tode und schon hie- nieden.

576 in. Mokshadharma.

Janaka sprach:

31. (10891.) "Was erniedrigt einen Menschen, sein Werk Oder seine Kaste, o grofser Muni? Dariiber besteht mir ein Zweifel, den mogest du mir aufklaren.

Paragara sprach:

32. (10892.) Freilich tragt beides, o Grofskonig, zur Er- niedrigung bei, das Werk und die Kaste, den Unterschied aber sollst du vernehmen.

33. (10893.) Der Mensch verdient weder um seiner Geburt noch um seiner Werke willen Tadel, welcher, wenn auch. durch seine Geburt befleckt, kein boses Werk tut.

34. (10894.) Aber einen durch seine Kaste hervorragenden Mann, wenn er ein fluchwiirdiges Werk begeht, erniedrigt dieses Werk; somit ist das Werk das Verwerfliche [und nicht die Kaste].

Janaka sprach:

35. (10895.) Welche vom Gesetze gebotenen Werke, 0 Bester der Zwiegeborenen, sind von der Art, dafs sie, in dieser Welt hier allezeit geiibt, die Mitgeschopfe nicht schadigen?

Para,Qara sprach:

36. (10896.) Vernimm dariiber, wonach du mich fragst, 0 Grofskonig, welcher Art die Werke sind, die, ohne zu schadi- gen, den Menschen allezeit retten.

37. (10897.) Nachdem sie stufenweise den Weg der Werke durchmessen haben [als Hausvater], machen sie sich von den Opferfeuern los und schauen, miifsig und frei von Leid, die Seligkeit.

38. (10898.) Bescheiden, ziichtig, allezeit bezahmt und wohl- gefestigt, gehen sie von alien Werken frei empor zu der alter- losen Statte.

39. (10899.) Alle Kasten, o Konig, wofern sie die pflicht- mafsigen Werke geiibt, wahrer Reden sich beflissen und pflichtwidrige Harte gegen alles Lebende gemieden haben, gehen in den Himmel ein, daran darf nicht gezweifelt werden.

So lautet im Mokshadharma der Oesang des Farft^ara

(Pard<fara-gUd).

Adhyaya 299 (B. 297). 577

Adhyaya 299 (B. 291),

Vers 10900-10941 (B. 1-41).

Par£lQara sprach:

1. (10 900.) Der Vater, die Freunde, die Lehrer und der Lehrer Frauen bringen in der Welt den Untugendhaften [von denen sie nicht geehrt werden] keinen Vorteil [keine Gelegenheit, gute, im Jenseits fruchtbringende Werke zu tun], wohl aber [haben diesen Vorteil] solche, welche sie unentwegt verehren, freundlich zu ihnen reden und ihnen wohlwollend und gehorsam sind, o Konig.

2. (10901.) Der Vater ist fiir den Menschen die hochste Gottheit, hoher noch als die Mutter steht der Vater, wie gelehrt wird, ftir das Hochste aber gilt es, Erkenntnis zu gewinnen, und wer seine Sinne bezahmt, erlangt dieses Hochste.

3. (10 902.) Wenn auf dem Schlachtfelde, wo die gliihen- den Pfeile fliegen, der Sohn des Fiirsten fallt und ver- brannt wird, dann steigt er empor zu Wei ten, die auch fiir die Unsterblichen schwer zu erlangen sind, und ge- niefst nach Lust den himmlischen Lohn.

4. (10 903.) Den Miiden, Furchtsamen, Waffenberaubten, Weinenden, Abgewandten, Hilflosen, Darniederliegenden, Kranken und Flehenden soil man nicht toten, o Konig, und ebensowenig Kinder und Greise.

5. (10904.) Hingegen den mit Hilfsmitteln wohlausgeriiste- ten, aufrechtstehenden , ebenbiirtigen Gegner aus Kshatriya- stamra soil der Fiirst in der Schlacht niederkampfen.

6. (10905.) Von der Hand eines Ebenbiirtigen oder auch Uberlegenen zu fallen ist riihmlich, daran ist kein Zweifel, aber von einem Geringeren, Feigen, Jammerlichen getotet zu werden ist schimpflich.

7. (10906.) Von einem Schlechten, schlecht sich Fiihren- den, Geringeren getotet zu werden wird fiir schlecht erklart, 0 Konig, und fiihrt sicher zur Holle.

8. (10907.) Keiner kann einen retten, o Konig, der seinem

Deussen, Mah&bhftratam. 37

578 ni. Mokshadharma.

Schicksale verfallen ist, und keiner kann einen wegraffen, dem noch langer zu leben bestimmt ist.

9. (10908.) Wenn die, welche uns teuer sind, irgendein schadenbringendes Werk unternehmen, so soil man sie daran hindern. Man soil sein Leben nicht auf Kosten eines fremden Lebens zu erhalten suchen.

10. (10909.) Fiir alle Hausvater, welche ihrem Ende ent- gegensehen, ist es riihmlich zu sterben, indem sie ihre Zere- monien auf der Sandbank eines [heiligen] Flusses verrichten.

11. (10910.) Wenn das Leben zu Ende geht, lost man sich in die funf Elemente auf, mag dies nun ohne besondere Ur- sachen eintreten oder durch Ursachen bedingt sein.

12. (10911.) Und je nachdem es durch Ursachen bedingt ist, geht man aus einem Leib in den andern iiber; ein Wan- derer ist man auf dem Wege [der Erlosung] und kehrt dabei von Haus zu Haus ein.

13. (10912.) Fiir diese Wanderung gibt es keine andere, keine zweite Ursache [als diese, dafs] dieser mit der Seele verbundene Leib fiir zur Erlosung bestimmte Wesen vor- handen ist [den Zwecken der Erlosung dient, anders Nil.].

14. (10913.) Aus Adern, Sehnen und Knochen zusammen- gestoppelt, mit Ekelhaftem und Unheiligem vollgepfropft, aus Elementen, Sinnesorganen und Guna's zusammengeschiittet

15. (10 914.) und mit Haut umsponnen, so charakteri- sieren die dem hochsten Atman nachdenkenden Weisen diesen Leib, der iiberdies noch infolge der [unbestandigen] Guna's der Sterblichkeit verfallen ist.

16. (10915.) Von der Seele verlassen, ohne Bewegung und Bewufstsein, versinkt er vermoge der in die Prakriti zuriick- gehenden Elemente in der Erde.

17. (10916.) Und gestaltet entsprechend seinen Werken, wu'd er hier und dort wiedergeboren, wo auch immer dieser Leib gestorben sein mag, o Konig der Videha's, (10917.) und diese Natur habend, ergibt sich die Betatigung in Werken als eine niedrige.

18. Aber doch wird er, o Fiirst, eine gewisse Zeit lang noch nicht wiedergeboren, (10918.) sondern sein Elementar-

Adhy^ya 299 (B. 297). 579

atman fhhidatmanj schweift umher wie eine grofse Wolke am Himmel

19. und wird erst wiedergeboren, nachdem er hienieden einen Stiitzpunkt gefunden hat, o Konig. (i09i9.) Hoher als das Manas steht der Atman, hoher als die Sinnesorgane steht das Manas.

20. Aber unter all den vielen Wesen stehen am hochsten die beweglichen, o Fiirst, (10920.) unter den beweglichen wieder die Zweifiifsler, unter den Zweifufslern die Zwiegeborenen,

21. (10921.) unter den Zwiegeborenen wiederum die Er- kenntnishabenden, unter den Erkennenden die des Atman sich Bewufsten, unter denen seiner sich Bewufsten die von Hochmut Freien.

22. (10922.) Jeden Menschen, der geboren ist, erreicht der Tod, das ist gewifs, denn ein Ende habend sind die [das Dasein bedingenden] Werke, welche die Menschen auf Grund der Guna's vollbringen.

23. (10923.) Wer nun stirbt, wenn die Sonne sich zum Nordgange gewendet hat, unter einem guten Stern und zur giinstigen Stunde, o Konig, der war ein Vollbringer guter Werke [vgl. das zu Bhagavadgita, VIII, 26, oben S. 69 Bemerkte],

24. (10924.) wenn er eines natiirlichen Ydtmakriteiia = Mlajef)a, Nil.] Todes stirbt, nachdem er keinen Menschen ge- plagt, sich vom Bosen losgesagt und aus alien Kraften sein Werk betrieben hat.

25. (10925.) Hingegen Vergiftung, Erhangen, Verbrennen, Ermordung durch Sklavenhand, durch reifsende Tiere oder Vieh, das wird ein schmahlicher Tod genannt.

26. (10926.) Aber die Vollbringer guter Werke haben nichts zu schaffen mit diesen selbstverhangten und vielen anderen derartigen schmahlichen [Todesarten].

27. (10927.) Vielmehr verlassen die Lebensgeister der Guten den Leib, indem sie nach oben durchbrechen, o Konig, wah- rend die Mittelmafsigen aus dem mittlern Leibe und die Bbsen nach unten zu entweichen (vgl. Chand. Up. 8,6,6 = Kath. Up. 6,16).

28. (10928.) Einen Feind gibt es, o Konig, keinen andern Feind gibt es, der fiir den Menschen so schlimm

37*

580 III. Mokshadharma.

ware wie das Nichtwissen , von welchem umnebelt und angestiftet, er entsetzliche, grausame Werke begeht.

29. (10 929.) Bei wem behufs Uberwindung dieses Fein- des unter Verehrung der Alten die Hingabe an Schrift- wort und Gesetz Kraft gewinnt, kann er, so schwer auch mit ihm fertig zu werden ist, durch den Pfeil der Er- kenntnis aus der Fassung gebracht und in die Flucht geschlagen werden.

30. (10930.) Nachdem einer als Brahmacarin das Veda- studium mit Askese betrieben hat, soil er als pflichttreuer Mann hienieden nach Kraften sich mit den fiinf [tag- lichen] Opfern befassen, sein Geschleeht fortpflanzen und sodann, auf sein Seelenheil bedacht, in den Wald Ziehen.

31. (10931.) Nicht soil der Mensch, auch wenn er von alien Geniissen entblofst ist, sich selbst umbringen; Mensch zu sein, o Freund, und ware man ein Candala, ist immerhin eine schone Sache.

32. (10932.) Denn dieses [das Menschsein], o Weltbeherr- scher, ist die erste Geburt, in welcher der Atman durch edle Werke Rettung linden kann.

33. (10933.) Und fragt man, was zu tun ist, um dieser Geburt nicht wieder verlustig zu gehen, o Herr : Ihre Pfliclit miissen die Menschen tun, indem sie auf die Schrift als Richtschnur hinblicken.

34. (10934.) Wer aber, nachdem er eine [hohere] schwie- riger zu erlangende Menschwerdung erreicht hat, gehassig, die Pflicht verachtend und der Lust frohnend ist, dessen Stellung freilich wird erschiittert.

35. (10935.) Wer aber mit einem an Liebe von friih an gewohnten Auge die Menschen als Lampen [die durch sneha 01, Liebe gedeihen] ansieht und nicht, sofern sie ihm niitz- lich sind,

36. (10936.) wer sie mit Giite, Nahrungsspende und freund- licher Rede behandelt und in Leid und Lust gleichmiitig bleibt, der wird im Jenseits erhoht werden.

37. (10937.) Freigebigkeit, Entsagung, freundliche Er- scheinung, o Fiirst, ein unter Askese gelauterter Leib,

Adhy^ya 299 (B. 297). 581

in den Wassern der Sarasvati, im Nimishawalde und in Pushkara und anderen heiligen Orten der Erde,

38. (10938.) wer [dies besitzt], wenn audi nur als Hausvater sein Leben aushauchend, dem gebiihrt eine riihmliche Bestattung, ein Hinausgefiihrtwerden auf Wagen und Verbrennung auf der Leichenstatte nach reiner Sitte.

39. (10939.) Darbringung, gedeihliche Brauche, Opfern fiir sich und andere, Freigebigkeit, Vollbringung heiliger Werke, nach Moglichkeit Manenverehrung und was sonst noch riihrnlich ist, das alles vollbringt der Mensch zu seinem eigenen Heile.

40. (10 940.) Die Gesetzbiicher, die Veden und die sechs Vedaiiga's werden um seines Heiles willen den Menschen an- befohlen, der in seinen Werken riihrig ist, o Fiirst.

Bhishma sprach;

41. (10941.) Alles dieses wurde von dem hochsinnigen Muni vor Zeiten dem Konige der Videha's um seines Heiles willen mitgeteilt, o Fiirst der Menschen.

So lautet im Mokshadharma der Gesang des Par^gara (Pard<;ara-gitd).

Adhyaya 300 (B. 398).

Vers 10942-10991 (B. 1-47).

Bhlsbma sprach:

1. (10942.) Und abermals befragte Janaka, der Konig von Mithila, den hochherzigen Paragara iiber die letzte Wahrheit in betreff der Pflicht.

Janaka sprach :

2. (10943.) Was ist das Heil, welches ist der Weg zu ihm, o Brahmane, welches Werk ist nicht verganglich, und wohin fiihrt der Weg, auf dem man nicht zuriickkommt ? Das er- klare mir, o Hochweiser.

582 III. Mokshadharma.

Paragara sprach:

3. (10944.) Nicht-Anhanglichkeit ist die Wurzel des Heils, die Erkenntnis, der Erkenntnisweg ist der hochste, die Askese, die betrieben wurde, ist nicht verganglich, was auf das Feld gesat wurde [eine Wohltat, die einem Wiirdigen erwiesen wurde], geht nicht verloren.

4. (10945.) Wenn einer die aus Ungerechtigkeit bestehende Fessel zerbricht und an der Gerechtigkeit seine hochste Freude hat, wenn er die in Furchtlosigkeit bestehende Gabe gibt, dann erlangt er die Vollendung.

5. (10946.) Wer tausend Kiihe und hundert Rosse schenkt und alien Wesen Furchtlosigkeit gewahrt, dem wird sie alle- zeit auch wiederum zuteil.

6. (10 947.) Der Weise, auch wenn er mitten unter den Sinnendingen wohnt, wohnt doch nicht unter ihnen, der Un- weise aber wohnt unter ihnen, auch wenn sie gar nicht vor- handen sind.

7. (10948.) Ungerechtigkeit klebt nicht an dem Weisen, wie das Wasser nicht an dem Blatte der Lotosbliite; am Un- weisen aber klebt das Bose im Ubermafs, wie Lack am Holze.

8. (10949.) Das Unrecht, welches aus einer Absicht hervor- ging, lafst den Tater nicht los, sondern, wenn die Zeit ge- kommen ist, verfallt ihm der Tater.

9. (10950.) Nicht aber werden zermalmt die, welche ihren Atman bereitet haben und auf den Atman ihr Vertrauen setzen. Wer jedoch, unachtsam auf seine Erkenntnisorgane und Tatorgane, nicht zur Erkenntnis kommt, (10951.) sondern sich an Gutes und Boses anklammert, der gerat in grofse Gefahr.

10. Wer allezeit ganz frei von Leidenschaft und Herr iiber seinen Zorn ist, (10952.) der wird, auch wenn er in der Sinnenwelt weilt, doch nicht vom Bosen beriihrt.

11. An seinem Ufer durch die Damme der Gerechtig- keit aufgestaut, sinkt er nicht, (10953.) sondern einem ge- schwollenen Strome vergleichbar, stromt er ohne Aufenthalt in Fiille dahin.

12. Wie ein klarer Kristall vom Sonnenlichte ganz sich durchdringen lafst, (10954.) 0 Konigstiger, so [mittels Durch-

Adhy^ya 300 (B. 298). 583

dringung] durch die Meditation geht der Yoga vonstatten (vgl. Yogasutra's 1,41).

13. (10955.) Wie die Gute der Sesamkorner durch Ver- mischung mit edlen Stoffen mehr und mehr erfreulich wird, so wird in Menschen von bereitetem Geiste, je nachdem sie ihren Umgang wahlen, der Guna des Satt- vam (Giite) sich entwickeln.

14. (10 956.) Wenn der Mensch seinen Sinn auf den hoohsten Himmel richtet, dann lafst er die Frauen, lafst die Gliicksgiiter, Stellung, Lustfahrten und Gelage da- hinten und sein in den Sinnendingen befangenes Be- wufstsein scheidet sich von ihnen.

15. (10957.) Wer aber mit seinem Bewufstsein in den Sinnendingen befangen bleibt und nicht erkennt, was zu seinem Heile dient, der wird vermoge seines alien Reizen folgenden Geistes, o Fiirst, wie ein Fisch durch den Koder angelockt.

16. (10 958.) Die Welt der Sterblichen, wie ein Aggregat sich aneinander klammernd und kraftlos wie das Mark des Bananenbaumes, geht unter wie ein Schiff im Wasser.

17. (10959.) Die Zeit, um Gutes zu tun, ist fiir den Menschen nicht eingeschrankt, der Tod aber wartet nicht, bis der Mensch bereit ist; zu jeder Zeit ist es schon, eine gute Tat zu tun, und befande sich der Mensch auch schon im Rachen des Todes.

18. (10960.) Wie der an sein Haus gebundene Blinde nur mit Vorsicht in ihm umhergehen kann, so geht der Weise mit gebundenem Manas [im Yoga] jenen hochsten Erkenntnis- weg (Vers 10944).

19. (10961.) In der Geburt liegt schon der Tod voraus- bestimmt, und der Tod wiederum ist die Voraussetzung einer neuen Geburt; der die Erlosungslehre nicht Kennende bleibt gebunden und rollt um wie ein Rad.

20. (10 962.) Wer auf dem Wege der Erkenntnis wandelt, wird gliicklich hienieden und im Jenseits. Ausbreitung ist mit Plage verbunden, Einschrankung macht gliicklich, (10 963.) alle Ausbreitungen verfolgen [dem Atman] fremde Zwecke, in der Entsagung liegt fiir den Atman das Heil.

584 III. Mokshadharma.

21. Wie der Schlamm die LotosknoUen, die er umgibt, leicht loslafst, (10 964.) so wird der Atman hienieden von dem [die Aufsendinge verfolgenden] Manas freigegeben.

22. Das Manas fiihrt den Atman zum Yoga hin, dadurch schirrt der Mensch seinen Atman an, (io965.) und ist er an- geschirrt zum Yoga, dann bekommt er jenen hochsten [Atman] zu schauen.

23. Wer aber, [dem Atman] fremde Zwecke verfolgend, sie fiir die eigenen Angelegenheiten halt, (10966.) der bleibt in die Sinnendinge verstrickt und verfehlt seine wahre Aufgabe.

24. Nach unten und in Tierleiber fahrt wahrend den hochsten Gang zum Himmel (i0 967.) der Atman des Weisen durch gute Werke geht der Atman des andern.

25. Wie in einem Tongefafse, welches nicht gebrannt ist fapakvej^ das Wasser sich verlauft, (10968.) so verliert sich der Korper in die Sinnenwelt, wenn er nicht durch Askese gebrannt ist.

26. Wer sich aber in die Sinnenwelt verliert, der wird w^ahrlich nicht zum Genusse gelangen; (109139.) wer hingegen den Geniissen entsagt, der hat die Gewifsheit, zum wahren Genusse zu gelangen.

27. Jener aber, von Nebel umhiillt und der Geschlechts- lust und Efslust frohnend, (10970.) kann mit seinem umdiister- ten Geiste, einem Blindgeborenen gleich, den Weg nicht finden.

28. Wie ein Kaufmann aus der Meerfahrt seiner Miihe entsprechend Reichtum gewinnt, (10971.) so ist auf dem Ozean des Lebens die Tatigkeit des der Erkenntnis hingegebenen Menschen fiir ihn der Weg [zum Heil].

29. In der in Tagen und Nachten abroUenden \\^elt be- schleicht im Gewande des Greisenalters (10972.) der Tod die Wesen und schluckt sie ein wie Schlangen die Luft. ,

30. Die von ihm selbst friiher begangenen Werke biifst der Mensch, nachdem er geboren ist, (10973.) keiner erlangt hier etwas, was er nicht verdient hatte, sei es Freude oder Leid.

31. Mag er liegen, gehen, sitzen oder in Geschaften tatig sein, (10974.) seine guten und bosen Werke wissen den Men- schen allezeit zu fmden.

Adhyaya 300 (B. 298). 585

32. Wer aber das andere Ufer erreicht hat, den geliistet es nicht noch einmal durchzuschwimmen, (10975.) denn es wird ihm als ein schweres Verhangnis erscheinen, in den grofsen Ozean zuriickzustiirzen.

33. Wie ein im tiefen Wasser durch seinen schlechten Zustand gesunkenes Schiff mittels eines Strickes [heraus- gezogen wird], (10 976.) so zieht man den Leib mittels des Manas [beim Yoga, im Sinne von Vers 10964] aus seiner Ver- sunkenheit heraus.

34. Wie in dem Ozean die anderen umgebenden Gewasser ihren Sammelort finden, (10977.) so bildet immer die Urnatur fddyd praJcritiJ auf Grund des Yoga den Zufluchtsort [fiir die Organe].

35. Wenn durch vielfache Stricke der WeltHebe das Manas gebunden ist, so werden die Menschen, (10978.) in der Prakriti fufsend, in ihr versinken wie ein auf Sand gebautes Haus im Wasser.

36. Der Verkorperte, der den Korper sein Haus nennt und Reinheit seine Badestatte, (10979.) wird, wenn er auf dem Wege der Erkenntnis wandelt, gliickHch hienieden und im Jenseits.

37. Ausbreitung ist mit Plage verbunden, Einschrankung macht gliicklich; (10 980.) alle Ausbreitungen verfolgen [dem Atman] fremde Zwecke, in der Entsagung liegt fiir den Atman das Heil (= Vers i0 962fg.).

38. Der Schwarm der Freunde wird durch seine Wiinsche an uns gefesselt, und die Verwandten, durch besondere Beweg- griinde, (i0 98i.) Gattin, Sohn und Dienerschaft verfolgen ihr eigenes Interesse,

39. Nicht die Mutter, nicht der Vater kann fiir einen irgend etwas [zu seinem Heile] erwirken; (10982.) die Gaben, die der Mensch spendet, sind seine Reisekost, und so erlangt er die Frucht seiner eigenen Werke.

40. Mutter, Sohn, Vater, Bruder, Gattin und der Freunde Schar, (10 983.) das alles ist wie ein blofser Goldabdruck an S telle wirklichen Goldes, o Vortrefflicher.

41. (10 984.) Alle friiher von der Person eines Menschen begangenen Werke biiden sein Geloite; bedenkend die

586 in. Mokshadharma.

bevorstehende Vergeltung der Werke, treibt das innere Selbst die Erkenntnis an.

42. (10985.) Wer, auf eigener Entschliefsung beharrend, mit seinen Freunden umgeht, dem wird kein Unternehmen jemals fehlschlagen.

43. (10986.) Einem in sich nicht zwiespaltigen , hinge- gebenen, tapfern, charakterfesten Weisen bleibt das Gliick treu wie der Sonne ihre Strahlen.

44. (10987.) Wer auf Grund von Glaubigkeit, von Ent- schlossenheit, von geeigneten Mitteln und Nicht-Uberhebung mit Verstand und tadellosem Charakter sein Werk betreibt, dessen Absicht wird nicht fehlschlagen.

45.* (10988. 10989.) JedcF Mensch biifst an sich selbst von Geburt an mit Notwendigkeit seine guten und bosen Werke, beides, je nachdem er es vordem begangen hat. Und der unvermeidliche Tod bringt ihn mittels der ein- schneidenden Zeit an das Ende seiner Tatigkeit, wie der Wind das von dem Eisen der Sage erzeugte Holzmehl verweht.

46. (10990.) Seine Naturanlage und den von ihm selbst geschaffenen Wirkungskreis, edle Abstammung und Fiille von Reichtum und Gliick, das alles erlangt ein jeder Mensch, je nachdem er es durch eigene gute und bose Werke verdient hat.

Bhishma sprach:

47. (10991.) Nachdem Janaka, der Beste der Gesetzkundigen, von dem Weisen diese wahrhaften Lehren vernommen hatte, o Konig, fiihlte er sich erfiillt von hoher Freudigkeit.

So lautet im Mokshadharma der Schlu/s des Gesasges des PaT&cara (Pard^ara-gttd samdptd).

* Metrum: Qardulaviknditam.

Adhyaya 301 (B. 299). 587

AcUiyaya 301 (B. 299).

Vers 10992-11036 (B. 1-46).

Yudhishthira sprach :

1. (10992.) Weise Manner preisen in dieser Welt die Wahr- heit, Bezahmung, Geduld und Erkenntnis; wie denkst du dar- iiber, o Grofsvater?

Bhlshma sprach :

2. (10993.) Dariiber werde ich dir eine alte Geschichte mit- teilen, namlich die Unterredung, welche die Sadhya's (die Anbetungswiirdigen) mit dem Schwan batten, o Yudhishtbira.

3. (10994.) Als ein schon befiederter Schwan durchstreift alle drei Welten der unentsprossene, ewige Herr der Geschopfe, und so kam er einst zu den Sadhya's.

Die Sadhya's sprachen:

4. (10995.) 0 Vogel, wir, die gottlichen Sadhya's, wollen dich befragen und um Belehrung bitten iiber das Gesetz der Erlosung fmohshadharmaj . denn du, o Herr, bist ja der Er- losung kundig.

5. (10996.) Wir haben vernommen, dafs du gelehrt und weisheitredend bist, Beifallsbezeugungen begleiten dich, 0 Vogel ; was haltst du fiir das Beste, o Zweimalgeborener (Vogel), woran hat dein Herz seine Freude, o Hoch- sinniger ?

6. (10997.) 0 Bester der Gefliigelten, lehre uns die Auf- gabe kennen, welche du fiir die hochste aller Aufgaben erachtest, und welche vollbringend der Mensch von alien Fesseln erlost wird, diese, o Fiirst der Luftwandler, lehre uns alsbald.

Der Schwan sprach:

7. (10 998.) Dieses ist die Aufgabe, wie ich vernommen, o Geniefser des Amritam: Askese, Bezahmung, Wahr- haftigkeit und Hiitung des eigenen Selbstes; alle Knoten des Herzens losend (Kath. Up. 6,15; Sechzig Upanishad's,

588 III. Mokshadharma.

S. 287A. 1), moge der Mensch Liebes und Unliebes in seine Gewalt bringen.

8. (10999.) Er moge kein Feindzermalmer, kein Men- schenverwiinscher sein, nicht nehme er das Hochste [das Brahman wissen] von einem Niedrigen an ; eine Rede, die einen andern zittern macht, eine brennende, zu bosenWel- ten fiihrende, soil er nicht reden.

9. (11000.) Die Pfeile der Rede werden aus dem Munde geschossen, und wen sie treffen, der jammert Tag und Nacht, sie verfehlen nicht die verwundbaren Stellen des andern, der Weise soil sie nicht auf andere schleudern. (Parallelstellen s. Indische Spriiche -, 6018.)

10. (11001.) Wenn ihn ein anderer rait iibermiitiger Rede Pfeilen verletzt, so begegne er ihra mit Ruhe; wer, zum Zorne gereizt, Freundliches erwidert, der iibertragt auf

I sich des andern gute Werke.

11. (11002.) Wer den aufbrausenden , durch Leiden- schaftlichkeit zum Unrecht verleitenden , lodernden Zorn niederhalt und, kiinftiger Vergeltung eingedenk, heiter und frei von Unmut bleibt, der iibertragt auf sich des andern gute Werke.

12. (11003.) Werde ich angeschrien, so erwidere ich nichts, werde ich geschlagen, so bleibe ich stets geduldig, denn das ist das Hochste, was die Edlen Geduld, Wahr- haftigkeit, Rechtschaffenheit und Wohlwollen nennen. 13. (11004.) Des Veda verborgener Sinn fiipcmishadj ist

W'ahrhaftigkeit, der Wahrhaftigkeit verborgener Sinn ist Be- zahmung, der Bezahmung verborgener Sinn Erlosung da- mit ist alles gesagt.

14. (11005.) Den Ansturm der Rede, den Zornesansturm des Herzens, den Ansturm der Neuerungssucht, den An- sturm von Efslust und Geschlechtslust, wer diesen An- stijrmen, wenn sie sich erheben, standhalt, den halte ich fiir einen Brahmanen, einen Muni.

15. (11006.) Wer nicht ziirnt, ist den Zornigen iiber- legen, wer ausdauert, den Nicht- Ausdauernden, der Mensch ist dem Unmenschen, der Weise dem Toren iiberlegen.

Adhyaya 301 (B. 299). 589

16. (11007.) Wird man geschmaht, so schmahe man nicht wieder, sein Zorn verbrennt ihn, den Schmahenden, wenn man dabei geduldig bleibt, und man gewinnt des andern gute Werke.

17. (11008.) Wer, iiber Gebiihr getadelt oder gelobt, nichts Rauhes und nichts Freundliches erwidert, wer, ge- schlagen, an sich halt und nicht wiederschlagt und ihm, der ihn schlug, nichts Boses wiinscht, den beneiden wahr- lich auch die Gotter.

18. (11009.) Man ertrage die Schlechteren , man ertrage auch die Besseren und die Gleichen; man ertrage es, wenn man verachtet, geschlagen oder geschmaht wird. So wird man zur Vollendung gelangen.

19. (11010.) Ich ehre allezeit die Edlen, auch wenn ich sie nicht notig habe, Neuerungssucht und Zorn haben keine Gewalt iiber mich, auch verlockt weiche ich nicht vom Wege, und ich gehe niemand um eine Sache an.

20. (11011.) Wenn man mir flucht, so fluche ich nie- mandem wieder, denn ich weifs, dafs die Bezahmung hie- nieden die Pforte der.Unsterbhchkeit ist; ein geheimnis- volles, heihges Wort fhrahmanj teile ich dir mit: Es gibt nichts Hoheres als den Menschen.

21. (11012.) Von allem Ubel erlost, wie der [herbstliche] Mond von den Wolken, leidenschaftlos seine Zeit abwartend, gelangt der W^eise durch Weisheit zur Vollendung.

22. (11013.) Wer als ein sich selbst Beherrschender die Verehrung von alien verdient, gleichsam geboren zu einer stiitzenden [idsedhanah = uttamhhanakarah Nil.) Saule, zu dem man nur freundliche Worte redet, der fiirwahr geht zu den Gottern ein.

23. (11014.) Die Menschen, zum Tadel geneigt, sind weniger bereit, schone Tugenden an jemandem anzuerkennen, als das Schlechte an einem hervorzuheben.

24. (11015.) Wer Worte und Gedanken hiitet, allezeit fromm ist, wer Veden, Askese und Entsagung besitzt, dem wird das Weltall zum Lohne.

25. (11016.) Ein weiser Mann soil es vermeiden, ,die Un- weisen mit rauhen und geringschatzenden Worten zu belehren,

590 in. Mokshadharma.

er soil daher nicht andere fordern und seiner eigenen Seele schaden.

26. (11017.) Wie an Amritam soil sich der Weise letzen an erlittener Verachtung, denn der Verachtete kann ruhig schlafen, der Verachter geht ins Verderben.

27. (11018.) Wer im Zorne opfert, schenkt, Askese iibt

Oder spendet (vgl. Ev. Matth. 5,23), dem rafft der Todes-

gott all sein Verdienst hinweg, denn alle Bemiihung des

Ziirnenden ist eitel.

28. (11019.) Wer, o ihr Besten der Unsterblichen, alle vier Pforten wohl hiitet, die Pforten der Geschlechtslust und Efs- lust, der Hande und der Rede als vierte, er ist des Gesetzes kundig.

29. (11020.) Wer Wahrhaftigkeit, Bezahmung, Recht- schaffenheit, Wohlwollen, Festigkeit und Ausdauer iiber- aus eifrig pflegt, wer beharrlich im Studium, neidlos gegen andere und von unwandelbarer Charakterstarke ist, der geht den Weg nach oben.

30. (11021.) Indem ich alien diesen Tugenden anhange, wie ein Kalb den vier Zitzen der Kuh, babe ich doch in alien Welten nichts Heiligeres gefunden als die Wahrheit.

31. (11022.) Unter Menschen und Gottern verkehrend, be- haupte ich : die Wahrheit fiihrt als Leiter zum Himmel empor, wie ein Schiff von einem Ufer zum andern.

32. (11023.) Wie die sind, unter denen man wohnt, wie die sind, mit denen man umgeht, wie das ist, was man zu werden wiinscht, so ist der Mensch.

33. (11024.) Mag man mit einem Guten oder Schlech- ten, mit einem Asketen oder einem Diebe umgehen, man wird von ihrem Einflusse gefarbt, wie das Kleid von seiner Farbe.

34. (11025.) Die Gotter pflegen allezeit Umgang mit den Guten, aber sie verlangen nicht danach, das mensch- liche Treiben zu sehen. Wandelbar ist der Mond und wandelbar der Wind; wer das wandelbare Treiben in alien Hohen und Tiefen erkennt, der ist weise.

35. (11 026.) An dem im innern Herzen weilenden Purusha,

Adhyaya 301 (B. 299). 591

wenn er bei guten Menschen unverdorben ist und auf dem rechten Wege wandelt, haben die Gotter ihre Freude.

36. (11027.) Wer aber immerfort an Geschlechtslust und Efslust seine Freude hat, wer ein Dieb oder ein Mensch von barter Rede ist, den halten die Gotter von sich fern, auch wenn er seine Schuld gesiihnt hat.

37. (11028.) Uber einen Menschen von niedriger Ge- sinnung, der ohne Wahl in seiner Nahrung und siind- haft in seinem Handeln ist, freuen sich die Gotter nicht; wer aber geliibdetreu und dankbar ist und an seiner Pflicht Freude hat, dem reichen die Gotter ihre Gaben dar.

38. (11029.) Schweigen ist besser als Reden; die Wahr- heit zu reden in dem, was man spricht, ist das zweite, Gerechtes zu reden ist das dritte, Liebreiches zu reden ist das vierte [Gebot].

Die Sadhya's sprachen:

39. (11030.) Wovon ist diese WeU umhiillt? Warum er- glanzt der Mensch nicht? Warum lalst er seine Freunde im Stich? Warum kommt er nicht in den Himmel?

Der Schwan sprach:

40. (11031.) Von Nichtwissen ist diese Welt umhiillt, wegen der Selbstsucht erglanzt der Mensch nicht, aus Habgier lafst er seine Freunde im Stich, aus Welthang kommt er nicht in den Himmel.

Die Sadhya's sprachen:

41. (11032.) Wer allein freut sich im Kreise der Brah- manen? Wer allein kann unter vielen friedlich sitzen? Wer allein ist stark, auch wenn er schwach ist? Wer allein lafst sich auf keinen Streit mit den Leuten ein?

Der Schwan sprach:

42. (11033.) Der Weise allein freut sich im Kreise der Brahmanen, der Weise allein kann unter vielen friedlich sitzen, der Weise allein ist stark, auch wenn er schwach ist, der Weise allein lafst sich auf keinen Streit mit den Leuten ein.

592 III. Mokshadharma.

Die Sadhya's sprachen:

43. (11034.) Worm liegt die Gottlichkeit der Brahmanen? Worin liegt ihr Wert ? Worin ihr Unwert [asddliutvam mit C.) ? Worin liegt ihre Menschlichkeit ?

Der Schwan sprach:

44. (11035.) Im Vedastudium liegt ihre Gottlichkeit, in ihrem Geliibde liegt ihr Wert, in der iiblen Nachrede liegt ihr Unwert, im Sterbenmiissen liegt ihre Menschlichkeit.

Bhishma sprach:

45. (11036.) Das ist die beriihmte, ausgezeichnete Unter- redung mit den Sadhya's; ja gewifs! der Korper ist nur die Quelle der Werke, das [ewige] Reale ist die Wahrheit.

So lautet im Mokshadharma der Gesang des Schwans (hansa-gitd).

Adhyaya 303 (B. 300).

Vers 11037-11098 (B. 1-62).

Yudhishthira sprach:

1. (11037.) Jetzt sollst du mir, o Freund, den Unterschied zwischen Sdnkhyam und Yoga erklaren, denn dir, o Kenner der Satzungen, ist alles bekannt, o Bester der Kuru's.

Bhishma sprach:

2. (11038.) Die Sankhya's (Anhanger der reflektierenden Methode) riihmen ihr Sankhyam, die Yoga's (Anhanger der Methode der Verinnerlichung) ihren Yoga, beide erklaren ihr Prinzip fiir das beste, um ihre Partei zur Geltung zu bringen.

3. (11039.) Wie kann einer ohne Gott /'^f i'artt/' erlost werden ? Damit erharten, o Feindbez winger, die weisen Yoga's mit Recht den Vorzug ihres Prinzips.

4. (11040.) Aber auch die dem Sankhyam anhangenden Brahmanen erklaren mit Recht als Prinzip dieses, dafs der- jenige, der alle Wege durchforscht hat und den Sinnendingen nicht anhangt,

Adhyaya 302 (B. 300). 593

5. (11041.) nach Hinfall des Leibes offenbar und unfehlbar die Erlosung erlangt, und so erklaren diese sehr Weisen das Saiikhyam fiir die Lehre von der Erlosung.

6. (11042.) Den Standpunkt seiner Partei mufs man wahren, aber in der Verstandigung [mit der Gegenpartei] liegt das wahre Heil, und von unsereinem, der den Kundigen beipflichtet, mufs ihre Lehre angenommen werden.

7. (11043.) Die Yoga's haben unmittelbar einleuchtende Griinde und die Saiikhya's stiitzen sich auf eine sichere Tra- dition; beide Lehrmeinungen halte ich fiir wahr, Freund Yudhishthira.

8. (11044.) Fiir einen, der diese beiden von Kundigen an- genommenen Lehren kennen gelernt hat und ihnen vorschrifts- mafsig nachlebt, o Fiirst, konnen sie beide die Fiihrer zum hochsten Ziele werden.

9. (11045.) Gemeinsam ist beiden Reinheit, verbunden mit Askese und Mitleid mit den Wesen, o Untadhger, gemeinsam auch das Halten der Geliibde, und nur die Theorie (darganamj ist bei beiden verschieden.

Yudhishthira sprach:

10. (11046.) Wenn Geliibde, Reinheit, Mitleid und auch die Frucht beiden gemeinsam sind, wie kommt es dann, dafs nicht auch die Theorie die gleiche ist? Das sage mir, o Grofs- vater.

Bhlshma sprach:

11. (11047.) Leidenschaft , Verblendung, Weltanhanglich- keit, Lust und Zorn, wenn man nur diese fiinf Fehler durch den Yoga ausrottet, dann erlangt man jene Frucht.

12. (11048.) Wie grofse wachsame [Fische] das Netz zer- reifsen und wieder ins Wasser gelangen, so gelangen die Yoga's, von Siinden gelautert, zu jener Statte.

13. (11049.) Und wie ebenso die starken Tiere des Waldes das Fangnetz zerreifsen und, von alien Fesseln gelost, sich freie Bahn schaffen,

14. (11050.) so zerreifsen, o Konig, die kraftgeriisteten Yoga's die aus Begierde geflochtenen Stricke und gelangen auf die hochste, fleckenlose, selige Bahn.

Beubbew, Mah&bhA.ratam. 38

594 in. Mokshadharma.

15. (11051.) Aber wie andere schwache Tiere des Waldes in den Fangnetzen zugrunde gehen, so auch, o Konig, ohne Zweifel diejenigen, welche der Yogakraft ermangeln.

16. (11052.) Und wie, o Kuntisohn, schwachliche Wasser- tiere, wenn sie im Netze sich verfangen, ins Verderben ge- raten, so, o Fiirst der Konige, auch die Yoga's, denen die rechte Kraft fehlt.

17. (11053.) Und wie von den Vogeln, welche sich in ein feingesponnenes Netz verstrickt haben, die in ihm hangen- bleibenden verloren sind und die kraftigen sich befreien,

18. (11054.) so werden von den Yoga's, welche in die aus Werken gesponnenen Netze verstrickt sind, die schwachen zugrunde gehen, o Feindbedranger, und die kraftgeriisteten sich freimachen.

19. (11055.) Und wie ein kleines, schwaches Feuer erstickt, o Konig, wenn es mit schwerem Brennholze belastet wird, so ist es auch mit dem Yoga, wenn er schwach ist, o Herr,

20. (11056.) Wenn aber ebendasselbe Feuer Kraft gewonnen hat, o Konig, und mit hellen Flammen brennt, so konnte es in kurzer Zeit sogar die ganze Erde verbrennen,

21. (11057.) Ebenso diirfte ein Yogin, wenn seine Kraft gewachsen und seine Energie entflammt ist, imstande sein, wie die Sonne beim Weltuntergang, die ganze Welt auszudorren.

22. (11058.) Wie, o Konig, ein schwacher Mann vom Strome fortgerissen wird, so wird ein kraftloser Yoga widerstandslos von den Sinnendingen fortgerissen,

23. (11059.) Wie aber ein Elefant sich jenem starken Strome entgegenstemmt, so leistet der in der Yogakraft Erstarkte dem vielfaltigen Andrang der Sinnendinge Widerstand.

24. (11060.) Und die, o Konig, welche im Yoga erstarkt sind, gehen nach Belieben mittels des Yoga in die Schopfer- herren, Rishi's, Gotter und grofsen Elemente ein.

25. (11061.) Nicht Yama, nicht der grimmige Wegraffer, nicht der furchtbar schreitende Tod, sie alle haben keine Gewalt, o Fiirst, iiber den unermefslich starken Yoga.

26. (11062.) Der Yoga, welcher zu Kraft gekommen ist, kann sein Selbst tausendfaltig vervielfachen , o Bharatastier, und in alien diesen Gestalten die Erde durchwandeln.

Adhyliya 302 (B. 300). 595

27. (11063.) Als der eine kann er die Sinnendinge geniefsen und zugleich als ein anderer furchtbare Askese iiben, und wiederum, o Freund, [alle seine Selbste] in eins zusammen- fassen, wie die Sonne ihre Lichtfiille.

28. (11064.) Denn der in Vollkraft stehende Yoga ist Herr iiber die Bindung und besitzt auch die Herrschaft iiber die Erlosung, das ist gewifs, o Fiirst.

29. (11065.) Diese durch den Yoga erlangbaren Krafte habe ich dir dargelegt, o Volkerherr, nun will ich dir die feinen Krafte mitteilen, damit du ihre Merkmale kennst.

30. (11066.) Was, 0 Herr, bei der Versenkung des Selbstes oder bei der Dharana (Fixierung des Manas) fiir feine Merk- male bestehen, die vernimm von mir, o Bharatastier.

31. (11067.) Wie ein besonnener Bogenschiitze mit kon- zentrierter Aufmerksamkeit das Ziel trifft, so erlangt der vollig sich konzentrierende Yogin die Erlosung, das ist gewifs.

32. (11068.) Wie ein sorgsamer Mensch, der ein mit 01 gefiilltes Gefafs auf dem Kopfe tragt, seine ungeteilte Auf- merksamkeit fmanasj darauf richtend, behutsamen Geistes eine Treppe hinaufsteigt,

33. (11069.) so macht ein sorgsamer Yoga, o Fiirst, sein Selbst unbeweglich, fleckenlos und von sonnenahnlichem Aus- sehen.

34. (11070.) Wie, o Kuntisohn, ein sorgfal tiger Steuermann das Schiff iiber den grofsen Ozean schnell zum Ziele fiihrt, 0 Bester der Fiirsten,

35. (11071.) so bringt der Weise im Yoga die Versenkung seines Selbstes zuwege und gelangt zu der schwer erreich- baren Statte, indem er seinen Leib dahinten lafst, o Fiirst.

36. (11072.) Und wie ein Wagenlenker, nachdem er tiichtige Pferde mit Sorgfal t angeschirrt hat, den Bogenkampfer alsbald nach dem gewiinschten Orte bringt, o Stier unter den Mannern,

37. (11073.) so erlangt, o Fiirst, der Yogin, wenn er mit Sorgfalt auf die Dharana's bedacht ist, alsbald die hochste Statte, wie ein abgeschossener Pfeil das Ziel.

38. (11074.) Der Yogin, welcher, unentwegt verharrend, das Selbst in seinem Selbste schaut, der vernichtet die Siinde und erlangt den alterlosen Ort der Gelauterten.

38*

596 III. Mokshadharma.

39. (11075.) Wer im Nabel, Halse und Kopfe, in Herz, Brust und Seiten, im Sehen, Horen und Riechen, o unermefs- lich Tapferer,

40. (11076.) wer an alien diesen Orten als sorgsamer, ge- liibdetreuer Yogin sein feines Selbst durch sein Selbst in richtiger Weise zum Yoga anschirrt, o Volkerherr,

41. (11077.) der wird alsbald seine guten und bosen Werke verbrennen, den hochsten, als unerschiitterlich geriihmten Yoga erreichen und, falls er es wiinscht, zur Erlosung eingehen.

Yudhishthira sprach:

42. (11078.) Welche Nahrung mufs man zu sich nehmen, und was mufs man iiberwinden, o Bharata, um als Yogin die Kraft zu erlangen? Das mogest du, o Herr, mir sagen.

Bhishma sprach :

43. (11079.) Wer sich des Essens von Kornern und 01- kuchen befleifsigt, o Bharata, und sich des Genusses von Fettartigem enthalt ein solcher Yogin erlangt die Kraft.

44. (11080.) Wer mit reinem Selbste sich lange Zeit hin- durch nur von grobgeschrotener Gerste nahrt, o Feind- bezwinger, ein solcher Yogin erlangt die Kraft.

45. (11081.) Wer Halbmonate, Monate, Jahreszeiten, Jahre hindurch und nur wahrend des Tages Wasser mit Milch ge- mischt trinkt, ein solcher Yogin erlangt die Kraft.

46. (11082.) Wer mit reinem Selbste sich unverbriichlich allezeit des Fleisches vollig enthalt, o Herr der Menschen, ein solcher Yogin erlangt die Kraft.

47. (11083.) Wer Lust und Zorn iiberwindet, Kalte, Hitze und Regen nicht achtet, Furcht, Kummer, Seufzen und alle menschlichen Angelegenheiten hinter sich lafst,

48. (11084.) wer, o Ftirst, den schwer zu besiegenden Ver- drufs und die furchtbare Begierde ftrishnd)^ Lustgefiihle, Schlaf und schwer zu bekampfende Schlaffheit, o Bester der Konige, ablegt,

49. (11085.) ein solcher Hochsinniger erleuchtet sein feines Selbst durch sein Selbst, frei von Leidenschaft, sehr weise durch Meditation und Studium.

Adhyaya 302 (B. 300). 597

50. (11086.) Freilich ist dieser Weg der weisen Brahmanen schwer zu gehen. Einer, der ihn mit ruhigem Gemiite geht, 0 Stier der Bharata's,

51. (11087.) der ist wie einer, der einen furchtbaren Wald, voll Schlangen und Gewiirm, voll Gruben, ohne Wasser, voll schwieriger Durchgange und Dornen,

52. (11088.) auf einem keine Nahrung bietenden, gestriipp- reichen, zwischen verbrannten Baumen durchfiihrenden, von Raubern umlagerten Wege als ein riistiger Mann mit ruhigem Gemiit durcheilt.

53. (11089.) Wer aber als Zwiegeborener den Yogaweg einschlagt und aus Gemachlichkeit vom Wege absteht, der wird als grofser Sunder angesehen.

54. (11090.) Wohl lafst sicli stehen, o Erdeherr, auf eines gewetzten Schermessers Schneide fdhdrdj, nicht aber lafst sich stehen in den Dharana's des Yoga von solchen, deren Geist nicht bereitet ist.

55. (11091.) Mifsgliickte Dharana's, o Freund, fiihren die Menschen eine schlimme Strafse, wie Schiffe auf dem Meere, die ohne Fiihrer sind, o Fiirst.

56. (11092.) Wer aber, o Kuntisohn, in den Dharana's fest- steht, wie es die Vorschrift fordert, der lafst Tod und Ge- burt, Leid und Lust hinter sich.

57. (11093.) Damit habe ich dir dargelegt, was in den auf mancherlei Lehrbiichern beruhenden Yogalehren entwickelt worden ist, und unter den Zwiegeborenen steht fest, worin die hochste Aufgabe des Yoga besteht.

58. (11094.) 0 Hochsinniger ! Jenes Hochste, welches aus Brahman besteht, sodann den Gott Brahman, den gabenspendenden Vishnu, den Bhava (Qiwa), Dharma, den Gott mit den sechs Gesichtern (Skanda) und was die hochmachtigen Brahmansohne sind,

59. (11095.) ferner das arge Tamas, das gewaltige Rajas, das reine Sattvam und die hochste Prakriti, Varuna's Gemahlin, die Gottin Siddhi, ferner alle Energie und grofse Standhaftigkeit,

60. (11096.) den fleckenlosen Herrn der Sterne im Ather mit seinen Sternen, die ViQve Deva^, Schlangen

598 III. Mokshadharma.

und Manen, alle Felsen, die furchtbaren Ozeane, die Fliisse alle und die traufelnden fsavanaj Wolken,

61. (11097.) Elefanten und Berge, die Yakshascharen, die Himmelsgegenden , die Schwarme der Gandharven, Manner und Weiber in diese alle abwechselnd fahrt hinein und wieder heraus der hohe, hochsinnige Yogin, der Erlosung nahe.

62. (11098.) Diese schone Erzahlung, o Fiirst, ist ver- wandt dem mit machtiger Weisheit ausgeriisteten Gotte, der hochsinnige Yogin aber ist iiber alle Sterblichen er- haben und schaift als Seele des Narayana.

So lautet im Mokshadharma die Lehre vom Yoga (yoga-vicUii).

Adhyaya 303 (B. 301).

Vers 11099-11213 (B. 1-116).

Yudhishthira sprach:

1. (11099.) Vollstandig hast du, o Fiirst, nach der Kegel den von den Kundigen angenommenen Yogaweg dargelegt dem hienieden nach seinem Heile trachtenden Schiiler.

2. (ii099i)i8.) Nunmehr erklare mir, der ich frage, auch die im Saiikhyam giiltige Satzung nach ihrem ganzen In- begriff, denn alles, was an Wissen in den drei Wei ten vor- handen ist, ist dir ja bekannt.

Bhishma sprach:

3. (11100.) Vernimm denn von mir jene feine Satzung der atmankundigen Saiikhya's, wie sie von Kapila [Hiranyagarbha, d. h. dem personlichen Brahman, unten Vers ii506j und den anderen heiligen Gottherren offenbart worden ist,

4. (11 101.) die Satzung, in welcher keinerlei Irrtiimer vor- kommen, o Mannerstier, und in welcher viele Trefflichkeiten und eine vollstandige Freiheit an Fehlern vorliegt.

5. (11102.) Sie, welche mit Wissenschaft die mangelhaften Reiche der Sinnenwelt durchforschen , o Fiirst, die schwer

Adhyaya 303 (B. 301). 599

zu iiberwindenden menschlichen insgesamt und die Reiche der Pigaca's,

6. (11103.) welche die Reiche des Rajas und die der Yaksha's, die Reiche der Schlangen und die der Gandharven erkennen,

7. (11104.) die Reiche der Manen und der in Tierleibern Verkorperten, die Reiche der Vogel und der Winde, o Fiirst,

8. (11105.) die Reiche der Konigsweisen und Brahman- weisen, der Damonen und der Vigve Devah,

9. (11106.) der Gotterweisen und die Gottherren unter den Yoga's, welche die Reiche der Schopferherren und des Brahman,

10. (11107.) die voile Lange der Lebenszeit in der Welt der Wahrheit gemafs erkennen und das wahre Wesen des Gliicks, o Bester der Redner,

11. (11108.) und den Schmerz, der mit der Zeit stets die nach den Reichen der Sinnenwelt Begehrenden triflFt, der die einem tierischen Dasein oder der Holle Verfallenen peinigt,

12. (11109.) welche alle Vorziige und Mangel des Himmels, 0 Bharata, sowie die Mangel und Vorziige der Vedalehre

13. (11110.) und die Mangel und Vorziige der Yoga-Er- kenntnis und die der Saiikhya-Erkenntnis, o Fiirst,

14. (11111.) welche das Sattvam als zehnfach, das Rajas als neunfaeh, das Tamas als achtfach, die Buddhi als siebenfach,

15. (11112.) das Manas als sechsfach, den Ather als fiinf- fach und hinwiederum die Buddhi als vierfach, das Tamas als dreifach,

16. (11113.) das Rajas als zweifach und das Sattvam als einfach erkennen, welche wahrheitgemafs den Weg des Ver- derbens und den Weg der Erkenntnis erkennen,

17. (11114.) diese mit Erkenntnis und Wissenschaft Aus- geriisteten, mit den Prinzipien Vertrauten, Edlen, diese er- langen die herrliche Erlosung, wie die zarten [Sonnenstrahlen oder Winde, Nil.] den hochsten Ather.

18. (11115.) Dafs das Sehen mit der Gestalt verwandt ist, der Geruchsinn mit dem Geruch, das Ohr mit dem Tone, die Zunge mit dem Geschmack

600 III. Mokshadharma.

19. (11116.) und der Leib mit dem Tastsinn, dafs der Wind auf dem Ather beruht, dafs die Verblendung dem Tamas verwandt ist und die Begierde dem Reichtum,

20. (11117.) dafs Vishnu dem Schreiten, Qakra der Kraft, der Feuergott dem Bauche einwohnt, dafs die Gottin [Erde, Nil.] den Wassern, das Wasser dem Feuer,

21. (11118.) das Feuer dem Winde, der Wind dem Ather, der Ather dem Mahat, das Mahat der Buddhi,

22. (11119.) die Buddhi dem Tamas, das Tamas dem Eajas, das Rajas dem Sattvam, das Sattvam dem Atman,

23. (11120.) der Atman dem gottHchen Herrn Narayana (Vishnu), der Gott dem Erlostsein, die Erlosung keinem andern mehr verwandt ist,

24. (11121.) wer das erkennt und wer begreift, dafs der Leib die Qualitat des Sattvam, umgeben von sechzehn anderen Qualitaten [Nil. erinnert an Pra<?na Up. 6,3, vgl. dazu Sechzig Upanishad's, S. 571], in sich birgt, dafs die eigene Natur (svabhavaj und das Bewufstsein fcetandj in den Leib ein- gegangen sind,

25. (11122.) dafs zwischen ihnen unparteiisch der eine Atman steht, an dem nichts Boses haftet, und als zweites das Werk, o Fiirst, fiir die, welche nach den Sinnendingen trachten,

26. (11123.) dafs die Sinnesorgane und alle Sinnendinge den Atman umlagern, wer begreift, dafs die Erlosung schwer zu erlangen ist und den Veda zur Voraussetzung hat,

27. (11124.) wer Prana, Apana, Samana, Vyana und Udana ihrem Wesen nach kennt, dazu den nach unten stromenden und auch den emporfiihrenden Wind,

28. (11125.) diese sieben Winde und ihre siebenfache Ver- teilung, wer die Schopferherren und Rishi's und ihre vielen herrlichen Wege,

29. (11126.) die sieben Rishi's, die vielen Konigsweisen, o Feindbedranger, die grofsen Gotterweisen und die anderen wie Sonnen leuchtenden Brahmanweisen,

30. (11127.) wer auch die im Laufe der langen Zeit von ihrer Gottherrlichkeit Herabgestiirzten, o Fiirst, und den Unter- gang der grofsen Wesensscharen, o Erdeherr,

Adhyaya 303 (B. 301). 601

31. (11128.) und'auch den schlimmen Weg der Bosewichter, 0 Fiirst, und das Leid der in Yama's Eeich in den Hollen- flufs Gestiirzten

32. (11129.) und den unerfreulichen Lauf durch mancherlei Mutterschofse, das Wohnen in dem unerfreulichen Mutter- schofse, diesem Gefafse voll Blut und Wasser,

33. (11130.) und sodann in der Schleim, Kot und Urin enthaltenden , scharfen Geruch ausstromenden , aus Samen und Blut zusammengeschweifsten, von Mark und Sehnen durchflochtenen,

34. (11131.) von hundert Adern durchzogenen , unreinen Stadt mit den neun Toren, und wer den heilbringenden Atman erkennt und die mannigfaltigen Yoga-Ubungen

35. (11132.) und das tadelnswerte Wesen der tamashaften, von Geniissen umnebelten Menschen und das der sattvahaften Menschen, o Bharatastier,

36. (11133.) tadelnswert im Sinne ^er grofsen, atman- kennenden Sankhyalehrer, und wer die schrecklichen Unfalle des Mondes und der Sonne gesehen hat

37. (11134.) und das Herabfallen der Sterne und den Um- lauf der Sternbilder, und wer die jammerliche Trennung Zu- sammengehoriger erkennt, o Fiirst,

38. (11135.) und das scheufsliche gegenseitige Sichauf- fressen der Wesen und die Torheit im Kindesalter und das traurige Hinschwinden des Leibes

39. (11136.) und den gelegentlichen Einflufs des Sattvam auf Leidenschaft und Verblendung, wer das alles als einer unter Tausenden erkennt, indem er zum Verstandnis der Er- losung gelangt,

40. (11137.) wer begreift, dafs die Erlosung schwer zu er- langen ist und den Veda zur Voraussetzung hat, dafs man hochschatzt, was man nicht hat, und gleichgiiltig wird gegen das, was man hat,

41. (11138.) und die Schlechtigkeit der Sinnendinge, o Fiirst, und die hafslichen Leiber der Verstorbenen, o Kuntisohn,

42. (11139.) das unselige Wohnen in Familien, o Bharata, und die furchtbare Zukunft der Brahmanentoter und der ab- gefallenen.

602 III. Mokshadharma.

43. (11140.) schlimmen, am Branntweintrinken hangenden Brahmanen und den verhangnisvollen Weg der mit der Lehrergattin Verkehrenden,

44. (11141.) und derer, die sich den Miittern gegeniiber nicht gebiihrend betragen, o Yudhishthira, sowie gegeniiber den gotterbevolkerten Welten,

45. (11142.) wer mit solchem Wissen ausgeriistet den Weg der Ubeltater erkennt und die verschiedenen Wege fgataijah !J der in Tierleiber Gefahrenen

46. (11143.) und die mancherlei Ausspriiche des Veda und die Umlaufe der Jahreszeiten und das Schwinden der Jahre, Monate,

47. (11144.) Halbmonate, Tage, das Abnehmen und Zu- nehmen des Mondes vor unseren Augen

48. (11145.) und das Anschwellen und Zuriicktreten der Ozeane und das Verlieren und Wiedergewinnen des Reichtums

49. (11146.) und die Losung der Verbindungen, den Ver- gang ganzer Weltalter, den Einsturz der Berge, das Versiegen der Strome,

50. (11147.) den Verfall der Kasten und die wiederholte Beendigung dieses Verfalls, und wer Alter, Tod, Geburt und Leiden bedenkt,

51. (11 148.) wer die Mangel des Leibes und das Leid, das sie bringen, wie es in Wahrheit ist, den elenden Zustand des Leibes richtig begreift,

52. (11149.) und alle die Mangel, die der Seele anhaften, und die iiblen Diifte, die dem Korper entstromen,

Yudhishthira (ihn unterbrechenJ) sprach:

53. (11150.) Was sind das fiir Mangel, die nach deiner Ansicht aus dem eigenen Leibe entspringen, o unermefslich Tapferer? Diesen Zweifel mogest du mir vollstandig der Wahrheit gemafs losen.

Bhishma sprach:

54. (11 151.) Fiinf Mangel, o Herr, schreiben dem Leibe zu die weisen, wegkundigen, dem Kapila folgenden Sankhya- lehrer. Vernimm sie, o Feindbezwinger.

Adhyaya 303 (B. 301). 603

55. (11152.) Sie sind Lust und Zorn, Furcht, Schlaf und Keuchen als funftes.

56. Diese Mangel zeigen sich in den Leibern aller Ver- korperten. (11153.) Man bekampft den Zorn durch Langmut, die Lust durch Fernhaltung der Wiinsche,

57. den Schlaf durch Pflege des Sattvam, die Furcht durch Besonnenheit (11 154.) und das Keuchen durch Mafsig- keit in der Ernahrung, o Fiirst.

58. Sie, welche das Wesen der Tugend aus hundert Tugen- den, das Wesen der Fehler aus hundert Fehlern (11155.) und das Wesen der mannigfachen Ursachen aus hundert mannig- fachen Ursachen erkennen,

59. sie, welche die Welt ansehen als dem Wasserschaume vergleichbar , von hundert Zauberkiinsten fmciydj des Vishnu umhiillt, (111B6.) einer gemalten Tapete ahnlich, als wertlos wie das Innere eines Schilfrohrs,

60. als einer finstern Grube ahnelnd, den Blasen der Regentropfen vergleichbar, (11157.) der Verganglichkeit ver- fallen, von Gliick verlassen, in Vernichtung endigend, ohn- machtig,

61. in Rajas und Tamas versunken, wie ein Elefant hilf- los im Schlamme, (iii58.) und welche, o Konig, als hochweise Sahkhya-Philosophen die Liebe zu ihren Kindern aufgeben

62. vermoge grofser, alldurchdringender, saiikhyamafsiger Hingebung an die Erkenntnis, 0 Fiirst, (11159.) sie, welche die unschonen Geriiche des Rajas und ebenso die des Tamas,

63. aber auch die reinen Geriiche des Sattvam, weil sie aus Beriihrung entspringen und korperlich sind, (iiieo.) als- bald durch das Schwert der Erkenntnis, durch den Stock der Askese zerteilen, o Bharata,

64. sie werden dadurch instand gesetzt, das furchtbare Gewasser der Leiden, den grofsen See von Sorgen und Kummer, (11161.) in welchem Krankheit und Tod als grofse Krokodile, die Furcht als grofse Schlange,

65. das Tamas als Schildkrote, das Rajas als Fische wohnen, mittels der Erkenntnis zu durchschwimmen (11162.) und diesen See, der die Liebe als Schlamm, das Alter als Klippen, die Erkenntnis als Leuchtturm hat, o Feindbezwinger,

604 in. Mokshadharma.

66. die Werke als Untiefe, Wahrheit und Geliibdetreue als Ufer, (iiics.) Grausamkeit als schnelle, machtige Stromung, mancherlei Geschmacke als Inlialt,

67. mancherlei Freuden als Kleinodien, Schmerz und Herzeleid als Stiirme, (iii64.) Kummer und Begierde als Strudel, schwere Krankheit als nachstellende Elefanten,

68. Knochengerippe als Landungstreppen, schleimige Ab- sonderung als Scliaum, o Feindbezwinger, (iii65.) Freigebig- Iceit als Perlenlager hat, diesen furchtbaren See, dessen Meer- korallen aus Blut bestehen,

69. der Lachen und Schreien als brausende Brandung hat, der durch allerlei Wissenschaften schwer zu iiberschreiten ist, (11166.) der die Flecken geweinter Tranen als Salzgehalt, Verzicht auf die Weltanhanglichkeit als Endpunkt,

70. Kinder und Weiber als Blutegelschwarm , Freunde und Verwandte als Uferstadte, (iiier.) Schonung und Wahr- haftigkeit als Kiisten, Aushauchen des Lebens als Sturmwelle,

71. den Vedanta als Rettungsinsel , Mitleid mit alien Wesen als Schwimmblase , (11168.) Erlosung als schwer er- reichbares Endziel hat, diesen den HoUenrachen in sich bergenden Ozean

72. iiberschreiten die vollendeten Asketen auf dem Schiffe der Erkenntnis, o Bharata, (11 169.) und nachdem sie das schwer iiberwindbare Geborenwerden abgelegt haben, gehen sie in den fleckenlosen Ather ein.

73. Dann fiihrt diese rechtschaffenen Sahkhya's die Sonne empor mit ihren Strahlen, (iii7o.) indem sie sie, wie die Lotos- blume mit ihren Fasern [das Wasser], aus der Sinnenwelt [mit ihren Strahlen] herauszieht, o Fiirst.

74. Daselbst nimmt sie der emporfiihrende Wind in Empfang, (11171.) sie, die leidenschaftfreien, vollendeten, mann- haften, askesereichen Selbstbez winger.

75. Er, der sanfte, kiihle, wohlriechende , lieblich zu fiihlende (11172.) beste aller sieben Winde, 0 Bharata, der in schone Welten hiniiberweht, er fiihrt sie, 0 Kuntisohn, zur hochsten Bahn des Athers,

76. (11173.) der Ather fiihrt sie, 0 Herr der Welt, zur

Adhyaya 303 (B. 301). 605

hochsten Bahn des Rajas, das Rajas fiihrt sie, o Fiirst der Konige, zur hochsten Bahn des Sattvam,

77. (J1174.) das Sattvam fiihrt sie, o du Reiner, zum hochsten Herrn Narayana, und der Herr, reinen Selbstes, fiihrt ihn durch sein Selbst zum hochsten Atman.

78. (11175.) Den hochsten Atman erreicht habend, zu ihm geworden und in ihm sich griindend, fleckenlos werden sie der Unsterbhchkeit teilhaft und kehren nicht mehr zuriick, 0 Herr.

79. (11176.) Das ist, o Prithasohn, der hochste Gang der von den Gegensatzen Befreiten, Hochsinnigen, an Wahrheit und Rechtschaffenheit sich Erfreuenden, mit Mitleid fiir alle Wesen ErfiilUen.

Yudhishthira sprach :

80. (11177.) Wenn nun die Geliibdetreuen den Heiligen als hochste Statte erreicht haben, haben sie dann Erinnerung an das von der Geburt bis zum Tode Durchlebte oder nicht, o Untadliger?

81. (11178.) Was dariiber die AVahrheit ist, das mogest du mir sagen, wie es ist, denn einen andern aufser dir zu fragen, gezi^mt mir nicht, o Kurusohn.

82. (11179.) Bei der Erlosung habe ich dieses grofse Be- denken: Wenn nach dem Eingange zu den vollendeten Rishi's die Selbstbezwinger droben im Besitze des hochsten Bewufst- seins sind,

83. (11180.) dann halte ich die darauf hinstrebende Satzung fiir die vorziighchste , sollte aber einer [in Bewufstlosigkeit] versinken, was hilft ihm dann das hochste Wissen? Nichts Elenderes konnte es geben!

Bhishma sprach :

84. (11 181.) Mit Recht, o Freund, hast du hier eine Frage aufgeworfen, die sehr schwierig ist; auch die Weisen sind bei dieser Frage in Verlegenheit, o Bharatastier.

85. (11 182.) Aber auch hieriiber sollst du die voile Wahr- heit von mir horen und erfahren, worin fiir die hochsinnigen Kapilajiinger das hochste Bewufstsein zu fmden ist.

606 III. Mokshadharma.

86. (11183.) Bei den Verkorperten sind es die Organe in ihrem Korper, welche erkennen, o Furst, sie sind die Organe des Atman, und er, der Unerkennbare, erkennt durch sie.

87. (11184.) Werden sie vom Atman verlassen, so sind sie wie ein holzernes Brett und zergehen ohne Zweifel wie Schaum auf dem Meere.

88. (11185.) Wenn der Verkorperte mitsamt seinen Sinnen in Schlaf versunken ist, o Feindbedranger, dann schweift der feine Atman allerwarts wie der Wind im Luftraum.

89. (11186.) Dann ist er regelrecht sehend oder fiihlend, o Herr, und vollkommen erkennend wie vorher bier [im Wachen], o Bharata.

90. (11187.) Alle Sinnesorgane, jedes auf seinem Gebiete, werden machtlos und verlieren ihre Kraft, wie Schlangen, die des Giftzahns beraubt sind,

91. (11188.) Dann schweift der Atman allenthalben auf feinen Wegen durch die den einzelnen Sinnesorganen ent- sprechenden Gebiete, daran ist kein Zweifek

92. (11189.) Und indem er alle Qualitaten des Sattvam, Rajas und Tamas, der Buddhi, o Bharata,

93. (11190.) und des Manas, des Athers, Windes, o Pflicht- treuer, des Sneha [bier angeblich Feuer, wohl tejo zu lesen],

94. (11 191.) des Wassers und der Erde, o Prithasohn, in- dem er diese alle mitsamt ihren Qualitaten in den Kshetrajfia's (hier: individuellen Seelen) durchdringt, o Yudhishthira,

95. (11 192.) durchdringt \yydti = vydpnoti, Nil.] der Atman den Kshetrajna sowie auch die guten und bosen Werke, und wie Schiller gegen einen hochsinnigen [Lehrer] sind die Sinnesorgane ihm gegeniiber.

96. (11193.) Aber wenn er die Prakriti iiberschritten hat, gelangt er zu dem unverganglichen Atman, dem hochsten Atman des Narayana, dem gegensatzlosen, iiber die Prakriti erhabenen.

97. (11194.) Und, erlost von Gutem und Bosem, zu ihm, dem krankheitlosen , qualitatlosen , hochsten Atman einge- gangen, kehrt er nicht mehr zuriick, o Bharata.

98. (11195.) Und wahrend er noch im Leben verharrt.

Adhy^ya 303 (B. 301). 607

nahen ihm fiir eine Zeitlang noch Manas und Indriya's als dem Lehrer gehorsame [Schiiler].

99. (1119G.) Diese Ruhe kann in kurzer Zeit erlangen, wer in der beschriebenen Weise nach Tugend strebt, die Er- kpnntnis besitzt und der Erlosung sich zuwendet, o Kuntisohn.

100. (11197.) Durch diese Erkenntnis, o Konig, gehen die hochweisen Sankhya's den hochsten Weg, eine Erkenntnis, die dieser gleichkame, gibt es nicht, o Kuntisohn.

101. (11198.) Dariiber bleibe bei dir kein Zweifel, die Saiikhya-Erkenntnis ist die hochste, sie ist jenes als unver- ganglich und unwandelbar bezeichnete, das voile, ewige Brahman,

102. (11199.) das ohne Anfang, Mitte und Ende seiende, gegensatzfreie, schopferische , bestandige, allerhochste und dauernde, von dem die Weisen [in den Upanishad's] reden,

103. (11200.) aus welchem alle Wandlungen von Schopfung und Vergang hervorgehen, welches die heiligen Biicher preisen, die hochsten Weisen kiinden,

104. (11201.) samt alien Brahmanen, Gottern und Kennern der wahren Beruhigung als den brahmanenfreundlichen hochsten Gott den unendlichen, hochsten, unerschiitterlichen.

105. (11202.) Ihn gehen an, ihn riihmen die tugendhaft gesinnten Brahmanen und die dem Yoga voUig hingegebenen Yoga's und die unermefslich einsichtigen Sankhya's.

106. (11203.) Dieses Gestaltlosen Gestaltung ist das Sah- khyam, so lehrt die Schrift, o Kuntisohn, und die Saiikhya- lehre ist der Beweis fiir ihn, o Bharatastier.

107. (11204.) Zwei Arten von Wesen gibt es auf der Erde, o Erdeherr, sie heifsen Bewegliche und Unbewegliche ; das Bewegliche aber steht hoher.

108. (11205.) Das grofse Wissen, namlich alles, was in den grofsen Veden, bei den Sankhya's und im Yoga vorhanden ist, o Konig, das mannigfache Wissen, welches in der alten Uberlieferung fpurdnamj vorliegt, das alles, o Fiirst der Manner, ist im Saiikhyam vereinigt.

109. (11206.) Und auch das, was in den grofsen epi- schen Erzahlungen fitihdsaj vorliegt, und was in den Biichern iiber Lebensklugheit f((rthagcUtramJ die Aner-

608 in. Mokshadharma.

kennung der Weisen findet, o Fiirst, und alle Wissen- schaft, die im Yoga vorhanden ist, all dies Grofse, o Grofs- gesinnter, ist im Saiikhyam vereinigt.

110. (11207.) "Was an Beruhigung sich zeigt und an grofser Kraft, was an subtilem Wissen der Wahrheit entsprechend vorhanden ist, und die feinen, begliickenden Askesen, das alles ist der Wahrheit gemafs im Saiikhyam niedergelegt, o Konig.

111. (11208.) Im ungiinstigern Falle gehen die Saiikhya's zu den Gottern ein, zu ununterbrochenem Gliicke, o Pritha- sohn, und nachdem sie durch Umgang mit ihnen ihren Zweck erreicht haben, kommen sie wiederum als asketische Brahmanen zur Verkorperung.

112. (11209.) Und wenn sie dann ihren Leib verlassen haben, gehen die Saiikhya's zu dem Gotte ein, o Pritha- sohn, wie die Gotter zum Himmel, nachdem sie nur noch um soviel mehr als Brahmanen, o Erdeherr, sich erfreut haben an der verehrungswiirdigen, die Weisen erquicken- den Sankhyalehre.

113. (11210.) Jedenfalls gibt es fiir sie kein Eingehen in die Tierwelt, keinen Niedergang, kein Wohnen in der Behausung der Missetat, fiir diese Brahmanen, welche einer solchen Wissenschaft anhangen, auch wenn sie nicht gerade die ersten darin sind, o Fiirst.

114. (11211.) Die ungeheure, allerhochste , alte, von Hochstrebenden geliebte Saiikhyalehre ist ein grofser Ozean der Eeinheit, getragen aber wird die ganze unermefsliche Sankhyalehre, o Fiirst, von dem hochsinnigen Narayana.

115. (11212.) Dieses verkiindige ich dir als die Wahr- heit, 0 Mannerherr : dieses ganze von alters her bestehende Weltall ist Narayana, er schafft zur Zeit der Schopfung dieses Ganze, und zur Zeit des Weltuntergangs verschlingt er es wieder.

116. (11213). Und wenn er das Ganze in seinen eigenen Leib hineingerafft hat, ruht er auf den Wassern, er, die innere Seele der Welt.

So lautet im Mokshadharma die Daistellung der S&5khyalehre (sdnkhya - kathanam).

Adliyaya 304 (B. 302). 609

Atlliyaya 304 (B. 302).

Vers 11214-11262 (B. 1-49).

Yudhishtbira sprach:

1. (11214.) Was ist das, was das Unvergangliche genannt wird, von dem man nicht wieder zuriickkehrt? Und was ist das, was das Vergangliche genannt wird, von dem man wieder zuriickkehrt ?

2. (11215.) Die Offenbarung des Unverganglichen und des Verganglichen bitte ich, o Feindbedriinger, vernehmen zu diirfen der Wahrheit gemafs, o grofsarmiger Kurusprofs.

3. (11216.) Denn du wirst anerkannt als ein Ozean des Wissens von den mit dem Veda vollvertrauten Brahmanen, von hochbegluckten Rishi's und von hochsinnigen Asketen.

4. (11217.) Nur wenig Tage bleiben dir noch zu leben iibrig, solange die Sonne nach Siiden geht, und wenn der heilige Sonnengott sich nordwarts wendet, wirst du ja den hochsten Gang antreten.

5. (11218.) Wenn du aber zum Heile eingegangen bist, von wem konnen wir uns dann belehren lassen? Du bist die Leuchte des Kurustammes, du leuchtest durch die Fackel deines Wissens.

6. (11219.) Darum wiinsche ich dies von dir zu horen, o Kurusprofs, ich werde nicht satt, o Fiirst der Konige, solchen UnsterbHchkeitstrank zu schliirfen.

Bhishma sprach :

7. (11220.) Dariiber will ich dir eine alte Geschichte be- richten, namlich die Unterredung des Vasishtha mit Karala- janaka.

8. (11221.) Den hohen Vasishtha, der, unter den Rishi's sitzend, wie eine Sonne hervorglanzte, befragte der Konig Janaka nach dem hochsten beseligenden Wissen.

9. (11222.) Ihn, den hochsten, des innern Selbstes kundigen, das Ziel des innern Selbstes kennenden Sohn des Mtra-Varuna (Rigveda 7,33,11), wie er dasafs, begriifste mit zusammen- gelegten Handen

Deusben, AlabAbhilratam. 39

6 10 in. Mokshadharma.

10. (11223.) einstmals der Konig Karalajanaka und richtete an ihn, den Besten der Eishi's, die wohlgesetzte, liebliche, mafsvolle Frage:

11. (11224.) 0 Heiliger, ich wiinsche von dem hochsten, ewigen Brahman zu horen, zu welchem gelangt die Weisen keiner Wiederkehr mehr verfallen,

12. (11225.) ferner auch, was unter jenem Verganglichen zu verstehen ist, durch welches diese Welt der Lebenden vergeht, und was unter dem Unverganglichen , dem seligen, friedvollen, krankheitlosen , zu verstehen ist.

Vasishtha sprach :

13. (11226.) Vernimm, o Erdeschiitzer, wie diese Welt der Lebenden vergeht, vernimm auch das, was unverganglich ist von jeher und solange die Zeit dauert.

14. (11227.) Bin Weltalter ,^1/M^amy' besteht aus zwolftausend [Gotter-] Jahren und eine Weltperiode fJcalpaJ aus vier Welt- altern, und der in tausend Weltperioden ablaufende Zeitraum wird ein Tag des Brahman genannt.

15. (11228.) Ebensolang, o Konig, ist seine Nacht; geht sie zu Ende, so erwacht er und schafft als Erstgeborenen den MaJidn, den unendlich wirkenden (vgl. Manu 1,74),

16. (11229.) den gestalteten, er, der gestaltlose, den all- befassenden, er, der durch sich selbst seiende Qambhu (Qiva), der da ist Atomkleinheit, Leichtigkeit und Allberiihrung, ihn, den Herrn, das ewige Licht.

17. (11230.) Nach allwarts ist es Hand, Fiifse, nach all- warts Augen, Haupt und Mund, nach alien Seiten hin horend, die Welt umfassend steht es da (= ^vet. Up. 3,16, vgl. oben, S. 87).

18. (11231.) Dieser, der heilige Hiranyagarbha, wird auch als die Buddhi bezeichnet, auch als der Mahan in den Yoga- lehren und als der ewige Virinci.

19. (11232.) Und auch in der Saiikhyalehre wird er, der Vielfaltige, gepriesen unter der Benennung als der Mannig- fachgestaltete , Allbeseelende , in der einen Silbe fomj Be- schlossene.

20. (11233.) Er, von dem das Mannigfaltige umhiillt wird,

Adhyaya 304 (B. 302). 61 1

aus dessen Selbst die Dreiwelt geschaffen ist, er wird auch wegen seiner Vielgestaltigkeit als Vigvarupa (der Allgestal- tige) bezeichnet.

21. (11234.) In die Umwandlung iibergehend, schafft er, der Kraftvolle, sicli selbst durch sich selbst als den AhafiMra, den ichbewufsten Scliopferherrn.

22. (11235.) Aus ilim, dem Unentfalteten, ist das Entfaltete hervorgegangen ; als Quelle des Wissens bezeichnen sie ihn und als den Mahan, als Quelle des Nichtwissens heifst er Ahankara.

23. (11236.) Das Ungesetz und das Gesetz sind also aus derselben Quelle entsprungen; als Nichtwissen und Wissen werden sie bezeichnet von denen, welche dem Inhalt der Schriftlehre nachsinnen.

24. (11 237.) Die Schopfung der Elemente fhhutaj aus dem Ahankara wisse als die dritte, o Erdeherr, und als vierte vvisse das, was, von alien Ahankara [-Produkten] stammend, Umwandlung des schon Umgewandelten ist [namlich die Vigesha's].

25. (11238.) Wind, Feuer, Ather, Wasser und Erde nebst Ton, Beriihrung, Sichtbarkeit, Geschmack und Geruch [sind Ahankara - Produkte],

26. (11239.) und in derselben Weise gleichzeitig entstanden wisse die Schar der zehn [Indriya's], und endlich als fiinfte Schopfung, 0 Fiirst der Konige, wisse die ganze Schopfung der Wesen fhhautika) je nach ihren Zwecken.

27. (11240.) Ohr, Haut, Augen, Zunge und Geruchsorgan zufiinft, Rede, Hande und Fiifse, Entleerungs- und Zeugungs- organ,

28. (11241.) diese sind als die Erkenntnisorgane und die Tatorgane gleichzeitig mit dem Manas entstanden, o Erdeherr.

29. (11242.) Diese vierundzwanzigfache Natur der Prinzipien ist in alien Erscheinungen vorhanden, sie erkannt habend, trauern nicht mehr die wahrheitschauenden Brahmanen.

30. (11243.) Dieses den Namen Leib Fiihrende [lies: deha- sanidkhjdnam] kommt alien Verkorperten zu, das soil man wissen, o Bester der Manner, in der Dreiwelt, welche befafst Gotter, Menschen und Damonen,

39*

612 ni. Moksliadharma.

31. (11244.) Yaksha's, Gespenster, Gandharven, Kinnara's, die grofsen Schlangen, himmlische Sanger, Pigaca's, Gotter- weise, Nachtunholde,

32. (11245.) Stechfliegen, Wiirmer, Miicken, Mistkafer, Mause, Hunde, Hundekocher, Antilopen, Candala's, Pulkasa's,

33. (11246.) Elefanten, Eosse, Esel, Tiger, Baume, Rind- vieh, kurz fiir alles, was irgendwo Gestalten tragt, ist dieses die Erscheinungsform.

34. (11247.) Im Wasser, auf dem Lande und im Luftraum hat es nie einen andern Standort fiir die Verkorperten ge- geben, so haben wir es mit Gewifsheit iiberkommen.

35. (11248.) Wegen dieser seiner Beschaffenheit ist alles, was den Namen des Entfalteten tragt, von einem Tage zum andern hinfallig, daher wird der Elementatman (bhutdtmanj als der Hinfallige bezeichnet.

36. (11249.) Darum heifst jenes [andere] das Unvergang- liche, wahrend diese Welt verganglich ist; die Welt ist das in Verblendung Befangene, welches, aus dem Unentfalteten entspringend , das Entfaltete heifst.

37. (11250.) Darum ist schon der Mahan als Erstgeborener ein bestandiges Beispiel der Verganglichkeit. Damit habe ich dir, o Grofskonig, erklart, wonach du mich fragst.

38. (11251.) Der fiinfundzwanzigste ist Vishnu, unwesen- haft, aber als Wesen fsattvamj bezeichnet; weil die Wesen auf ihn sich griinden, nennen ihn die Weisen das Wesen.

39. (11252.) Was er als Sterbliches, Entfaltetes, diese und jene Gestalt Annehmendes geschaffen hat, das beherrscht er als der unentfaltete Vierundzwanzigste, als Gestaltloser ist er der Fiinfundzwanzigste.

40. (11253.) Und ebendieser weilt im Herzen aller Gestalten, ihr Selbst seiend, als absolut, geistig, ewig, alJgestaltig und gestaltlos.

41. (11254.) Vereinigt mit ihr [der Prakriti], welche Schop- fung und Vergang als Eigenschaft tragt, nimmt audi er die Eigenschaft von Schopfung und Vergang an, und das Guna- lose bewegt sich, gunahaft heifsend, immerfort in ihrem Be- reiche.

42. (11255.) So geschieht es, dafs dieser der Schopfung

Adhyaya 304 (B. 302). 613

und des Verganges kundige Mdlian Atmd, sich umwandelnd und prakritihaft werdend, unbewufst zweckmafsig wirkt (abhi- manyati abuddhimdnj.

43. (11256.) Mit Tamas, Sattvam und Rajas behaftet, birgt er sich hienieden bald in diesem, bald in jenem Mutterschofse, und weil er nicht erweckt, in nichterweckte Geschopfe ein- gegangen

44. (11257.) und durch das Wohnen in ihnen verganglich ist, wahnt er, von ihnen nicht verschieden zu sein, spricht: „ich bin, der ich bin" und gibt sich den Guna's hin.

45. (11258.) Vermoge des Tamas geht er in mannigfache tamashafte Existenzen ein, vermoge des Rajas in rajashafte, vermoge des Sattvam in sattvahafte.

46. (11259.) Das sind jene drei weifsen, roten und schwarzen Gestalten [von denen Chand. Up. 6,4; Q\et Up. 4,5 die Rede ist ; vgl. dazu Sechzig Upanishad's, S. 301 A. 1], das sind alle jene Gestalten, welche hienieden aus der Prakriti entspringen.

47. (11260.) Die tamashaften [Existenzen] fahren zur Holle, die rajashaften werden zu Menschen, die sattvahaften gehen zur Gotterwelt und geniefsen Gliickseligkeit.

48. (11261.) Durch ausschliefsliche Schlechtigkeit verfallt man einem tierischen Mutterschofse, durch Gutes und Schlech- tes der Menschwerdung, durch Gutes allein geht man zu den Gottern ein.

49. (11 262.) Auf diese Art erklaren die Weisen das Reich des Unentfalteten fiir das Vergangliche, aber der, welcher der Fiinfundzwanzigste ist, kommt zur Entwicklung durch das Wissen.

So lautet im Mokshadharma

die Unterredung zwischen Vasishtha und Karalajanaka

( Vasinhtha - Kardlajanaka - savitdda).

614 ni. Mokshadharma.

Adhyaya 305 (B. 303).

Vers 11263-11316 (B. 1-54).

Vasishtha sprach:

1. (11263.) Weil er (der Purusha) in dieser Weise nicht erweckt ist, gibt er sich dem Unerweckten hin und wandert aus dem einen Leibe in tausend andere.

2. (11264.) In tausend Tierleiber gelangt er, dann wieder zu Gottergeburten, vermoge seiner Verbindung mit den Guna's und der Herrschaft der Guna's [iiber ihn].

3. (11265.) Aus dem Menschentum geht er zum Himmel, aus dem Himmel zum Menschentum und aus dem Menschen- tum zu dem Orte des Verderbens, fort und fort ohne Ende.

4. (11266.) Wie eine Kaupe ihr Gehause spinnt und sich darin einschliefst, so spinnt er, der ewig Gunalose, sich durch das Fadengespinst der Guna's in den Guna's ein.

5. (11267.) Er, der Gegensatzlose, geht in diesen und jenen Mutterschofsen in die Gegensatze ein. Bei Kopfschmerz, Augen- leiden, Zahnweh, Kehlkopfleiden,

6. (11268.) "Wassersucht, Durstkrankheit , Mandelentziin- dung. Cholera, Aussatz, Brandwunden, Lepra und Epilepsie

7. (11269.) und was es sonst noch fiir mannigfache widrige Zustande gibt, welche, aus der Prakriti entspringend, die Ver- korperten befallen, mit diesen wahnt auch er sich behaftet.

8. (11270.) In tausend Tierleiber gelangt er, dann wieder zu Gottergeburten, und vermoge des Ichwahns halt er sie fur sein eigen und ebenso die guten Werke.

9. (11271.) Mag er reine oder schmutzige Kleider tragen, mag er immer auf dem Boden sitzen oder wie ein .Frosch niederhocken oder den Yogasitz, der der heroische heifst, einnehmen,

10. (11272.) er wird das Tragen von Lumpen, das Liegen oder Stehen im Freien, auf einem Lager von Backsteinen, Dornen

11. (11273.) oder Asche, auf dem Erdboden oder in einem Bette, in der Yogastellung heroischer Art, im Wasser, im Schlamme, auf Pritschen

Adhyaya 305 (B. 303). 615

12. (11274.) und allerlei Lagerstatten , er wird, von Gier iiach Lohn befangen, die Umgiirtung mit Muiijagras und das Nackendgehen, sowie das Tragen von Linnengewandern und schwarzen Antilopenfellen,

13. (11275.) mag er in Hanf oder Schafwolle, in Tigerfelle, Lowenfelle, Tuche,

14. (11276.) Bast, Stachelgeflecht, Seidengespinst, Lumpen oder vieles andere sich kleiden,

15. (11277.) er wird dies alles in seiner Unerwecktheit auf sein Ich beziehen, wie auch die verschiedensten Geniisse und allerlei Kostbarkeiten.

16. (11278.) Er ifst nur einen um den andern Tag, nur einmal am Tage, nur zu jeder vierten, achten oder sechsten Mahlzeit,

17. (11279.) er ifst nur einmal alle sechs, acht, sieben, zehn oder zwolf Tage,

18. (11280.) fastet einen ganzen Monat, nahrt sich von Wurzeln und Friichten, von Wind, Wasser, Olkuchen, saurer Milch, Kuhdiinger,

19. (11281.) Kuhurin, Gemiise, Blumen, Moos, Spiilicht,

20. (11282.) welken Blattern oder Fallobst und iibt sich in allerlei Qualereien aus Streben nach der Vollkommenheit.

21. (11283.) Auch nimmt er seine Zuflucht zur Mondlaufs- bufse und nach Vorschrift zu manchen Aufserlichkeiten, oder betritt den Pfad der vier Lebensstadien oder andere nicht zum Ziele fuhrende Wege,

22. (11284.) oder auch er wird andere Abwege, mancherlei Irrlehren, abgelegene Schattenplatze im Gebirge, Waldquellen,

23. (11285.) einsame Sandbanke, Walder, heilige Gotter- tempel, Teiche,

24. (11286.) entlegene Berghohlen, die [an Behaglichkeit] einem Hause nahekommen, oder besondere Murmelungen und Geliibde,

25. (11287.) allerlei Observanzen, Askesen, Opfer und Zere- monien

26. (11288.) oder das Leben als Kaufmann, Zwiegeborener, Kshatriya, Vaigya, ^'udra und das Almosengeben an Bedriickte, Blinde, Elende,

616 III. Mokshadharma.

27. (11289.) dies alles wird er in seiner Unerwecktheit als auf sein Ich beziiglich ansehen, ebenso die drei Guna's Satt- vam, Rajas und Tamas, und nicht anders steht es mit dem Guten, Niitzlichen und Angenehmen.

28. (11 290.) In dieser Weise zerlegt der Atman durcli den Einflufs der Prakriti sein [einheitliches] Selbst in eine Viel- heit [von Betatigungen] , und man spricht von Svadha-Ruf, Vashat-Ruf, Svaha-Ruf und Verehrungen,

29. (11291.) von Opfern fiir andere, Lehrtatigkeit , Geben und Nehmen, Opfern, Studieren und wer weifs von was sonst noch,

30. (11292.) und mag es sich um Geburt oder Tod, um Disputieren oder Dreinschlagen handeln, kurz alles, was zum Guten oder Bosen ausschlagt, nennt man den Weg der [Ver- geltung nach sich ziehenden] Werke.

31. (11293.) Aber nur die Gottin Prakriti ist es, welche Entstehen und Vergang bewirkt, und am Ende der Tage zieht Er alle ihre Guna's in sich herein [abhyetya = grasitvd, Nil.] und besteht fort als der Eine.

32. (11294.) Wie die Sonne ihre Strahlen von Zeit zu Zeit wieder einzieht, so macht auch er immer wieder das Vorher- gewesene spieleshalber zunichte (ahhimanyate vgl aWiimansye Brih. Up. 1,2,5),

33. (11295.) namlich die mannigfachen , ihre eigene Natur habenden, seinem Herzen lieben Guna's. Und nachdem er wiederum sie, welche Schopfung und Vergang als Wesen besitzt, entfaltet hat,

34. (11296.) und ebenso die Tat, dem Weg der Tat an- hangend, und die drei Guna's, er, der Herr der drei Guna's, so wahnt er, da er den Pfad der Tat betreten hat, von der Tat, sie sei ein Wirkliches.

35. (11 297.) Durch die Prakriti ist diese ganze Welt blind gemacht, o Herr, und alles hienieden ist in mannigfacher Weise von Rajas und Tamas durchtrankt.

36. (11298.) So geschieht es, dafs die Gegensatze des Erden- lebens immer wiederkehren. „Als mir gehorig entstehen sie und auf mich stiirmen sie ein,

37. (11299.) und ich mufs mich aus ihnen alien heraus-

Adhyaya 305 (B. 303). 617

arbeiten", so, o Mannerherr, denkt der Mensch wegen seiner Unerwecktheit, „und ebenso mufs ich fiir meine guten Werke

38. (11300.) Vergeltung im Himmel geniefsen, und waiter werde ich hienieden nochmals die guten und bosen Friichte [meiner Werke] durchzukosten haben.

39. (11301.) Aber mein Gliick mufs ich betreiben, und habe ich es einmal begriindet, so wird meine Gliicksehgkeit in jeder neuen Geburt bis zu Ende durchhalten.

40. (11302.) Freilich wird mich fiir meine hier began genen Werke auch endloses Ungliick treffen, denn es ist schon ein grofses Ungliick, Mensch zu werden, und vollends ein solches ist es, in die Holle zu fahren.

41. (11303.) Doch werde ich aus der Holle mit der Zeit wieder zur Menschwerdung gelangen, aus dem Menschsein zur Gottwerdung, aus dem Gottsein wieder zum menschlichen Dasein

42. (11304.) und aus diesem wieder zur Holle, so gelangt man abwechselnd vom einen zum andern." Wer immerfort in diesem Bewufstsein lebt, vom Atman abgewandt, von den Guna's des Atman umhiillt,

43. (11305.) der geht infolgedessen zum Menschsein, Gott- sein und zur Holle ein, und vom Egoismus umnebelt, wandert er fort und fort um

44. (11306.) in todverfallenen Gestalten tausend und aber- tausend Schopfungsperioden hindurch. Wer in dieser Weise das mit guten und bosen Friichten behaftete Werk betreibt,

45. (11307.) der erlangt die entsprechende Frucht durch Verkorperungen in alien drei Wei ten. Aber nur die Prakriti ist es, welche das gute und bose Friichte tragende Werk voll- bringt, (ii308.) und so ist es auch die den Liisten nachgehende Prakriti, welche die Frucht in alien drei Welten geniefst.

46. Mag einer in der Tierwelt, Menschenwelt oder Gotter- welt weilen, (ii309.) alle diese drei Regionen gehoren der Pra- kriti an, das soil man wissen.

47. Freilich ist die Prakriti unerkennbar, aber wir er- schliefsen sie aus ihren Produkten, (ii3io.) und so glaubt man in seinem Wahne (lies: ahhimdndd), dafs es auch fiir den Purusha ein Merkmal gebe.

618 in. Mokshadharma.

48. Dieser aber eignet sich nur ein fremdes Merkmal an, ein der Prakriti gehoriges, fiir siindlos gehaltenes, (iisii.) be- tritt die Pforten der Siinde [die Sinnesorgane] und schreibt sie infolge des Werkes sich selbst zu.

49. So geschieht es, dafs alle Erkenntnisorgane, Ohr usw., sowie auch die funf Tatorgane, (11312.) Rede usw., sich mit- samt ihren Qualitaten in den Qualitaten [der Objekte] be- tatigen.

50. „lch bin alles das, in mir sind diese Organe", (11313.) so wahnt der Organlose, der Siindlose „ich bin siind- haft".

51. Merkmallos wahnt er, Merkmale zu haben, zeitlos, in der Zeit zu sein, (ii3i4.) sattvalos, sattvahaft zu sein, wesen- los, wesenhaft zu sein,

52. unsterblich ist er und wahnt sich dem Tode verfallen, unwandelbar der Wandelbarkeit, (11 sis.) korperlos der Korper- lichkeit, unerschaffen der Erschaffenheit,

53. er, der Askeselose, wahnt sich askesehaft, der Un- bewegte derBewegung teilhaftig, (11316.) der Werdelose werde- haft, der Furchtlose der Furcht verfallen,

54. der Unvergangliche wahnt sich verganglich, solange ihm die Erweckung fehlt.

So lautet irn Mokshadharma die Unterredung zwischen Vasishtha und Karalajanaka

(Vaiis/itlia -Kardlajanal a - saiiivdda).

Adhyaya 306 (B. 304).

Vers 11317-11327 (B. 1-11).

Vasishtha sprach:

1. (11317.) Weil er somit, nicht erweckt, in nicht erweckte Geschopfe eingegangen ist, mufs er tausend und abertausend dem Vergang verfallene Weltschopfungen durchwandern.

2. (11318.) Einmal in die Behausung geraten, geht er in tausend hinsterbende Behausungen ein als Tier, als Mensch Oder als ein Gott im Himmel.

Adhyaya 306 (B. 304). 619

3. (11319.) Wie der Mond unter den Wesen schwindet er tausendmal immer wieder und wieder wegen seiner Unerweckt- heit, er, solange er ein Unerweckter ist.

4. (11320.) Der fiinfzehnte Teil ist der Ursprung [des Mondes], er als seine Behausung ist erkennbar, aber als un- verganglich mufst du dieses erkennen, den Soma (Mond, Unsterblichkeitstrank), namlich seinen sechzehnten Teil.

5. (11321.) Wie er, wird auch der Unerweckte fort und fort aus dem [fUnfzehnten] Telle neu geboren, ihn erklart man fiir seine Heimstatte, aus der er immer wieder ge- boren wird.

6. (11322.) Aber der sechzehnte Teil ist unerkennbar, er ist als der [wahre] Soma 2u betrachten; dieser wird nicht von den Gottern (den Sinnesorganen) dienstbar gemacht, son- dern macht sie sich dienstbar.

7. (11323.) Ohne ihn je zu verlieren, wird der Mensch immer wieder neu geboren, o bester Fiirst; jener hingegen [der fiinfzehnte Teil] ist seine Prakriti, was iibrig bleibt, wenn sie zuniclite wird, das heifst Erlosung.

8. (11324.) Wenn aber der Mensch den ganzen, aus den sechzehn Teilen bestehenden Leib, der durch die Prakriti sein Geprage erhalt, fiir sein wahres Ich halt, dann bleibt er in der Wanderung befangen.

9. (11325.) Der fiinfundzwanzigste ist der Mahdn Atmd\ well er nicht erweckt ist, und weil er, der Fleckenlose, Reine, sich mit Reinem und Unreinem befafst,

10. (11326.) wird er, der reine Atman, zu einem solchen, zu einem unreinen, o Erdeherr, und weil er mit Unerweckten sich befafst, geht er, der Wache, in die Unerwecktheit ein.

11. (11327.) In diesem Sinne, o Bester der Fiirsten, ist er als ein Unerweckter zu betrachten, und weil er mit der drei- gunahaften Prakriti Gemeinschaft macht, wird auch er drei- gunahaft.

So lautet im Mokshadbarma die Unterredung zwischen Vasishtha und Kar^lajanaka

(Vasishtha - Kardlajanaka - savivdda).

620 in. Mokshadharma.

Adhyaya 307 (B. 305).

Vers 11 328-11 3G7 (B. 1-39).

Janaka sprach:

1. (It 328.) Diese Verbindung der beiden, des Unvergang- lichen und des Verganglichen, ist zu vergleichen, o Heiliger, der Verbindung zwisclien Mann und Weib.

2. (11329.) Es kann aber ohne den Mann hienieden das Weib keine Leibesfrucht empfangen, und ohne das Weib kann der Mann seine Gestalt nicht wieder erneuern.

3. (11330.) Nur durch die Verbindung beider und durch die Stiitzung auf die wechselseitigen Fahigkeiten kann der Mann seine Gestalt wieder erneuern, und ebenso bei alien folgenden Entstehungen.

4. (11331.) Weil sie um der Geschlechtslust willen sich verbinden und sich dabei auf die wechselseitigen Fahigkeiten stiitzen, wird in der Zeit der Empfangnis seine Gestalt neu entwickelt; dieses als Beispiel will ich dir naher erklaren.

5. (11332.) Was nun die Eigenschaften des Vaters und die der Mutter betrifft, so wissen wir, dafs Knochen, Sehnen und Mark vom Vater,

6. (11333.) hingegen Haut, Fleisch und Blut von der Mutter stammen; so wird dies, o Bester der Zwiegeborenen, im Veda und im Lehrsystem erklart.

7. (11334.) Wenn aber einer einen Beweis in seinem Veda findet und die Bestatigung desselben im Lehrsysteme, so ist diese Ubereinstimmung von Veda und Lehrsystem ein fiir alle Zeiten vollgiiltiger Beweis.

8. (11335.) Sofern auch sie nach ihren Fahigkeiten ent- gegengesetzt und einander erganzend sind, so bleiben in der- selben Weise fur alle Zeit mit einander verkniipft die Prakriti und der Purusha.

9. (11336.) Und darum scheint mir, o Heiliger, dafs eine Erlosung nicht moglich ist. Oder gibt es wohl noch irgend- ein treffenderes Beispiel? (11337.) Dann telle es mir der Wahr- heit gemafs mit, denn du bist dir iiber alles klar.

Adhyaya 307 (B. 305). 621

10. Denn audi wir sind erlosungsbediirftig und sehnen uns nach dem Krankheitlosen, (ii338.) Korperlosen, Alterlosen, Ewigen, Ubersinnlichen, Freien.

Vasishtha sprach:

11. (11339.) Was du als Beispiel aus dem Veda und dem Lehrsysteme beigebracht hast, dementsprechend verhalt es sich wirklich, und wie es ist, fassest du es richtig auf.

12. (11340.) Denn du besitzest die Lehre von beiden, vom Veda und vom Lehrsystem, aber du verstehst nicht den Sinn des Lehrbuches der Wahrheit gemafs, o Herr der Manner.

13. (11341.) Denn wem es beim Veda und beim Lehr- system nur darum geht, den Wortlaut auswendig zu wissen, ohne dafs er den Sinn der Worte kennt, fiir den hat auch das Auswendigwissen keinen Wert.

14. (11342.) Der schleppt sich nur mit einer Last, wer den Sinn des Buches nicht kennt. Wer aber den Sinn des Lehrbuches kennt, fiir den ist die Lehre des Buches nicht vergebens.

15. (11343.) Wenn jemand uns nach dem Sinne eines Lehr- buches befragt, so mtissen wir ihn so darlegen konnen, dafs der andere aus der Vernehmung des Inhaltes den Sinn herausfindet.

16. (11344.) Wer so schwerfalhgen Geistes ist, dafs er den Sinn einer Lehre nicht in Versammlungen darlegen kann, wie kann ein so langsamer Geist iiberhaupt imstande sein, die Lehre mit Klarheit auseinanderzusetzen?

17. (11345.) Ein so schwacher Geist wird auch zu einer klaren Darlegung der Sache nicht imstande sein, weil er sich zum Gegenstande des Gelachters macht, selbst wenn er des Atman kundig ware.

18. (11346.) Darum vernimm, o Fiirst der Konige, wie dieses der Wahrheit gemafs aufzufassen ist nach der An- schauung der Sahkhya's und der hochsinnigen Yoga's.

19. (11347.) Dasselbe, was die Yoga's [intuitiv] schauen, wird von den Saiikhya's [durch Reflexion] gewonnen. Das Sahkhyam und der Yoga sind eines; weise ist, wer das begreift.

622 ni. Mokshadharma.

20. (11348.) Haut, Fleisch, Blut, Fett, Galle, Mark und Sehnen, sowie das System der Sinnesorgane, das hast du mir gegeniiber als das Ich bezeichnet.

21. (11349.) Freilich, aus der Substanz entwickelt sich Substanz, aus den Organen das Organ, aus dem Leibe der Leib, aus dem Samen der Same;

22. (11350.) aber dem Organlosen, Samenlosen, Substanz- losen und Korperlosen, wie konnen diesem grofsen Atman Eigenschaften zugeschrieben werden, da er doch eigenschafts- los ist!

23. (113.51.) Qualitaten entstehen immer nur in Qualitaten und gehen wieder in sie zuriick ; in dieser Weise gehen alle Qualitaten nur aus der Prakriti hervor und wieder in sie zuriick.

24. (11352.) Haut, Fleisch, Fett, Galle, Mark, Knochen und Sehnen machen acht mit dem Samen und stammen alle aus der Prakriti, das mufst du verstehen.

25. (11353.) Es gibt nur zweierlei: den Purusha und was nicht Purusha ist. Alles, was aus den drei Merkmalen [Satt- vam, Rajas, Tamas] besteht, wird als prakriti-artig bezeichnet. Aber weder von dem Purusha noch von dem Nicht-Purusha [der Prakriti] kann behauptet werden, dafs sie Merkmale besafsen.

26. (11354.) Was nun die Prakriti betrifft, so wird sie, well selbst merkmallos, erkannt aus den ihren Produlvten an- haftenden Merkmalen, gerade so wie jederzeit aus den Blumen und Friichten die selbst nicht sichtbaren Jahreszeiten.

27. (11355.) In derselben Weise wird das Merkmallose durch Folgerung erkannt. Was hingegen den Fiinfundzwan- zigsten betrifft, o Freund, der mit seinem Wesen in die Merk- male verstrickt ist,

28. (11356.) so ist er in Wahrheit ohne Entstehung und Vergang, unendlich, allschauend, frei von Leiden, und nur infolge des Wahnes wird er fiir eine Qualitat wie andere Qualitaten gehalten.

29. (11357.) Qualitaten kommen nur dem Qualitathaften zu, wie soUte der Qualitatlose zu Qualitaten kommen ! Darum sind davon [von der Qualitatlosigkeit des Purusha] iiberzeugt die, welche das Wesen der Qualitaten verstehen.

Adhyaya 307 (B. 305). 623

30. (11358.) Wenn er [der Purusha] aber von diesen aus der Prakriti stammenden Qualitaten sich loszulosen bemiiht, dann wird er infolge der Befreiung von den Qualitaten jenen Hochsten schauen,

31. (11359.) welcher das ist, was die Saiikhya's und Yoga's allerorten fiir das iiber die Buddhi Erhabene erklaren, das Hochweise, welches erkannt wird, wenn man das Unbewufste, Nichterweckte von sich abtut.

32. (11360.) Als das Unerweckte erklaren sie die Prakriti, als das Qualitatlose den Igvara, und diesen qualitatlosen Igvara als den Ewigen und Obersten.

33. (11361.) Als den nach der Prakriti und ihren Quali- taten Fiinfundzwanzigsten erkennen ihn die Weisen, des Sahkhyam und Yoga Kundigen, nach dem Hochsten Strebenden.

34. (11362.) Wenn sie erweckt sind und, Lebenszustande und Geburt scheuend, das Unentfaltete (die Prakriti) er- kennen und durchschauen , dann weisen sie auf das Sich- gleichbleibende [Brahman] hin.

35. (11363.) Diese Anschauung ist die richtige, unrichtig und ein nicht passendes Gleichnis ist das deine, erstere ge- hort den Erweckten, letzteres den Nichterweckten , beiden voneinander gesondert, an, o Feindbezwinger.

36. (11364.) Meine Darlegung bezog sich auf das gegen- seitige Verhaltnis zwischen Verganglichem und Unvergang- lichem, die Einheit ist das Unvergangliche , die Vielheit das Vergangliche.

37. (11365.) Wenn einer iiber die fiinfundzwanzig imKlaren richtig denkend verfahrt, dann wird ihm die Einheit als rich- tige Anschauung, die Vielheit als falsche Anschauung gelten.

38. (1136G.) Diese Anschauung unterscheidet zwischen dem Realitathaften und dem Realitatlosen ; die ganze Schar der Fiinfundzwanzig erklaren die Weisen fiir das Realitathafte ;

39. (113G7.) Die Anschauung des Realitatlosen erhebt sich iiber alle fiinfundzwanzig, iiber die Schar der Geschopfe und ihr Treiben, iiber das Realitathafte vom Realitathaften empor zum Ewigen.

So lautet im Moksbadharma

die Unterredung zwischen Yasisbtha und Kar&lajanaka

(Vasishtha - Kardlajanaka - samvdda).

624 III. Mokshadharma.

Adhyaya 308 (B. 306).

Vers 113G8-11417 (B. 1-50).

Jauaka spracli:

1. (113G8.) Du hast, 0 Bester der Weisen, iiber die Viel- heit und die Einheit gesprochen, aber ich sehe in dem Auf- schlufs iiber diese beiden etwas, was mir zweifelhaft bleibt.

2. (11369.) Ferner auch verstehe ich gewifs nur wegen der Langsamkeit meines Geistes nicht recht den "Wesens- unterschied zwischen dem Nichterweckten , dem Erweckten und dem Erwachenden.

3. (11370.) Was du sodann als den Grund fiir die Unver- ganghchkeit und VergangHchkeit angefiihrt hast [namhch die Einheit und Vielheit] , auch das ist mir wegen der Schwache meiner Fassungskraft entfallen, o Untadliger.

4. (11371.) Das also mochte ich horen, die Darlegung der Einheit und der Vielheit und den Wesensunterschied zwischen dem Nichterweckten, dem Erweckten und dem Erwachenden,

5. (11372.) ferner den zwischen Wissen und Nichtwissen, sowie zwischen dem Unverganglichen und Verganglichen, 0 Heiliger, endlich auch mochte ich in Vollstandigkeit von dem Sahkhyam und dem Yoga erfahren, worin sie sich unter- scheiden und worin nicht.

Vasishtha sprach:

6. (11373.) Wohlan, ich will dir erklaren, wonach du mich fragst, aufserdem aber vernimm von mir die Praxis des Yoga, o Grofskonig.

7. (11374.) Die hochste Kraft der Yoga's liegt in der zur Yogapraxis gehorigen Meditation; diese Meditation erklaren die Kenner der Wissenschaft fiir zweifach;

8. (11375.) sie besteht in der Konzentration des Manas und in der Atemregulierung, letztere ist qualitathaft , erstere qualitatlos [wohl nirgund zu lesen].

9. (11376.) Wahrend des Harnens und der Kotentleerung und wahrend des Essens, o Mannerherr, in diesen drei Zeiten

Adhyaya 308 (B. 306), 625

soil man den Yoga unterlassen, in der iibrigen Zeit soil ihn betreiben, wer ihn hochschatzt.

10. (11377.) Die Sinnesorgane mitsamt dem Manas von den Sinnendingen abkehrend, soil der Reine den liber das vierundzwanzigste Prinzip [die Prakriti] Erhabenen mit den zehn oder zwolf

11. (11378.) Reizmitteln [sanicodand vgl. unten, Vers 11685), soil er mit Besonnenheit seinen Atman antreiben, den feststelien- den, alterlosen, wie dies von den Weisen vorgeschrieben wird.

12. (11379.) Denn flir sie ist der Atman allezeit erkenn- bar, so ist es uns iiberliefert, denn das Yogagelubde ist nur da fiir einen Menschen von ungeschwachtem Geiste, fiir keinen andern, das steht fest.

13. (11380.) Von aller Weltanhanglichkeit losgelost, mafsig in der Ernahrung und seine Sinne beherrschend, soil ein solcher in der Zeit vor und nacli Mitternacht sein Manas in sich selbst fesseln.

14. (11381.) Nachdem er die Schar der Sinnesorgane durch das Manas und das Manas durch die Buddhi zum Stillstande gebracht hat, 0 Fiirst von Mithila, soil er unbeweglich wie ein Pels,

15. (11382.) unerschiitterlich wie ein Baumstamm, regungs- los wie ein Berg verharren, dann nennen ihn die in ihrem Geiste der Satzungsvorschrift Kundigen einen im Yoga Be- griffenen.

16. (11383.) Dann hort er nicht, dann riecht er nicht, dann schmeckt er nicht und sieht er nicht, dann fiihlt er keine Beriihrung mehr und sein Manas stellt nicht mehr vor,

17. (11384.) dann begehrt er nicht nach irgend etwas und denkt so wenig wie ein Stiick Holz, dann nennen ihn die Weisen einen [mit seiner Korperlichkeit] in die Prakriti Zuriickgekehrten, einen im Yoga Begriffenen.

18. (11385.) Wie eine an windstillem Orte brennende Lampe leuchtet er dann ; frei von seinem Lingam [von Buddhi usw.] und unbewegt strebt er nach oben und nicht nach der Seite hin.

19. (11386.) Dann bekommt er den zu schauen, nach dessen Anblick er als der im Herzen weilende, innere Atman be-

DEtJSSKN, Mahftbh&ratam. 40

626 in. Mokshadharma.

zeichnet wird; als Purusha ist er anzuerkennen, o Freund, von denen, die wie ich denken.

20. (11387.) Wie ein rauchloses siebenflammiges Feuer, wie die strahlenreiche Sonne, wie das Blitzfeuer im Luft- raume, so wird ilim sein Atman in ihm selbst sichtbar.

21. (11388.) Hochsinnige, charaktervoUeWeisen, imSchofse des Brahman ruhende Brahmanen schauen den Ursprung- losen, Unsterblichen

22. (11389.) und bezeichnen ihn als feiner als das Feinste, grofser als das Grofste; es ist jene unwandelbare , in alien Wesen weilende, unsichtbare Wesenheit.

23. (11390.) Aus der Fiille der Buddhi mit der Fackel des Manas wird er geschaut als der "Weltschopfer, wie er dasteht jenseits der grofsen Finsternis, von Finsternis nicht um- fangen.

24. (11391.) Er wird als der Finsternisverscheucher be- zeichnet von den Allwissenden, die den Veda durchstudiert haben, als der Fleckenlose, Finsternislose, Merkmallose , der da der Merkmalfreie heifst.

25. (11392.) Das ist der Yoga der Yogabeflissenen, welch anderes Merkzeichen des Yoga liefse sich geben! So ge- schieht es, dafs sie den Schauenden schauen, den alterlosen, hochsten Atman.

26. (11393.) Damit habe ich dir das Yogasystem der Wahr- heit gemafs dargelegt, nun will ich dir das SaSikhyawissen mitteilen, das System der vollstandigen Aufzahlungen.

27. (11394.) Als das Unentfaltete bezeichnen die oberste Prakriti die, welche die Prakriti verstehen. Aus diesem ist als zweites das grofse Prinzip (Mahat) hervorgegangen , o Bester der Konige,

28. (11395.) aus dem grofsen Prinzip als drittes der Ahaii- kara, wie wir aus der Schrift wissen, aus dem Ahankara die fiinf Elemente, wie die des Sahkhyam kundigen Meister lehren.

29. (11396.) Dieses sind die acht schopferischen Prinzipien (prakritayahj und zu ihnen kommen sechzehn, welche blofs Umwandlungen sind, namlich die fiinf [aus den Elementen stammenden] Vigcsha's fspezifische Qualitaten) sowie die fiinf Sinne [nebst den fiinf Tatorganen und Manas].

Adhyaya 308 (B. 306). 627

30. (11397.) Soviele Prinzipien umfafst das Sankhyam, wie die Weisen sagen, sie, welche der Satzung und Anordnung im Sankhyam kundig sind und immerfort an dem Wege der Sankhyalehre sich erfreuen.

31. (11393.) Woraus etwas entsteht, darin wird es auch wieder zunichte; [die genannten Prinzipien] werden zunichte [liyante mit C.) in umgekehrter Folge als die, in der sie durcli den innern Atman geschaffen werden.

32. (113'j'j.) Fort und fort entstehen in der naturlichen Folge und vergelien in der umgekehrten Folge die Guna's [hier: Prinzipien] in den Guna's wie die Wellen des Ozeans.

33. (11400.) So ist es mit der Schopfung aus der Prakriti und dem Vergang in sie bestellt, o Bester der Konige: zur Einheit wird diese Welt beim Vergang, zur Vielheit, wenn die Prakriti sie aus sich entlafst.

34. (11401.) So ist es zu erkennen, o Fiirst der Konige, von den der Lehre Kundigen : [man mufs unterscheiden] den Vorsteher und das Unentfaltete, dafiir liegt in dem Gesagten der Beweis.

35. (11402.) Jener, der aller Zwecke kundig ist, [schafft] die Einheit und die Vielheit der Prakriti, die Einheit, wenn die Welt vergeht, die Vielheit, wenn er sie aus ihr entwickelt.

36. (11403.) Viele Male befruchtet der Atman die zum Ge- baren bestimmte Prakriti, und ihr als dem Ackerfelde (lislic- tramj steht der Mahan Atma als der fiinfundzwanzigste vor.

37. (11404.) Als Vorsteher, o Fiirst der Konige, wird er bezeichnet von den Besten der Selbstbezwinger ; weil er den Verkorperungen (kshetramj vorsteht, heifst er der Vor- steher, so lehrt die Schrift.

38. (11405.) Als Kshetram (Ort) kennt er das Unentfaltete, darum heifst er Kshetrajna (der Ortskenner) ; in das aus dem Unentfalteten Stammende geht er ein und wird dann als Purusha bezeichnet.

39. (11406.) Ein anderes ist das Kshetram, ein anderer der Kshetrajna; als Kshetram bfezeichnen sie das Unentfaltete, als den, der es erkennt, den Fiinfundzwanzigsten.

40. (11407.) Ein anderes ist das Objekt, ein anderes das Subjekt der Erkenntnis; Erkenntnisobjekt fjndnam!) ist die

40*

628 in. Mokshadharma.

Prakriti, Erkenntnissubjekt fjneya!!J ist der Fiinfundzwan- zigste.

41. (11403.) Als unentfaltet gilt das Kshetram, ebenso das Sattvam, ebenso der Igvara; eine iQvaralose und wesenlose Wesenheit ist jenes Fiinfundzwanzigste.

42. (11409.) Soweit erstreckt sich das Saiikhyawissen, das System der vollstandigen Aufzahlungen, wie es die Sankhya's aufstellen und dabei die Prakriti proklamieren.

43. (11410.) Und nachdem die Sankhya's die vierundzwanzig Wesenheiten nach ihrem Wesen aufgezahlt haben, zu welchen audi die Prakriti gehort, gilt ihnen als nicht wesenhaft der Fiinfundzwanzigste.

44. (11411.) Der Fiinfundzwanzigste, prakritifreien Wesens, ist derjenige, welcher erweckt wird, und wenn er sich selbst erweckt, so wird er absolut und erlost.

45. (11412.) Damit habe ich dir die vollkommene Erkennt- nis der Wahrheit gemafs dargelegt ; wer sie in dieser Weise erkennt, der geht zur Gleichheit [mit dem Hochsten] ein.

46. (11413.) Damit liegt die vollkommene Darlegung vor Augen in betreff der Prakriti, ihrer Guna's, Prinzipien usw., und zwar liegt dies alles so vor Augen fiir die, die von den Guna's frei geworden sind.

47. (11414.) Wer ein solcher ist, fiir den gibt es keine Wiederkehr mehr, fiir ihn, der unverganglich geworden ist, gibt es nur noch das Uniiberbietbare, Hochste, Ewige.

48. (11415.) Die Anderen schauen mit einem auf die Viel- heit gerichteten Geiste, bei ihnen ist die vollkommene Er- kenntnis nicht zu fmden, sie verfallen immer wieder und wieder dem Entfaltetwerden, o Feindbezwinger.

49. (11416.) Weil sie zwar alles dieses hier kennen, aber nicht das All kennen, werden sie dem Entfaltetwerden anheim fallen und in der Knechtschaft des Entfalteten verharren.

50. (11417.) Alles hier wird von der Prakriti befafst, alles das nicht ist der Fiinfundzwanzigste; die, welclie ihn er- kennen, haben keine Furcht mdhr.

So lautet ini Mokshatlharma

die TJnterredung zwiscben Vasisbtba und Kai'&lajanaka

( Vasishtha - Kardiajanaka - smnedda) ,

Adhyaya 309 (B. 307). 629

AdhjAya 309 (B. 307).

Vers 11418-11465 (B. 1-48).

Vasishtha spracli:

1. (11418.) Damit habe icli dir das Saiikhyasystem dar- gelegt, o Bester der Fiirsten, nun lerne von mir das Wissen und das Nichtwissen, eines nach dem andern, kennen.

2. (11419.) Nichtwissen nennen sie die alles Entstehen und Vergehen umfassende Prakriti, das Wissen als von allem Ent- stehen und Vergehen frei, das ist der Fiinfundzwanzigste.

3. (11420.) Das Wissen in seiner Stufenfolge verniram in richtiger Ordnung, wie es als die Einzeldarlegung der Saiikhya- lehre von den Rishi's iiberkommen ist, o Freund.

4. (U421.) Auf alle Tatorgane sich beziehend ist das Wissen von den Erkenntnisorganen, auf die Erkenntnisorgane sich beziehend ist das Wissen von den Vigesha's (spezifischen QuaHtaten),

5. (11422.) das auf diese Vigesha's sich beziehende Wissen ist das Manas, wie die Weisen sagen, das Wissensgebiet des Manas sind die fiinf Elemente.

6. (11423.) Das Wissen von den fiinf Elementen ist der Ahaiikara, das steht fest. Das Wissen vom Ahaiikara ist die Buddhi, o Mannerherr.

7. (11424.) Das Wissen von den Prinzipien ist die Ober- herrin Prakriti als das Unentfaltete, das Wissen mufs man erkennen, o Bester der Manner, und das ist das hochste Gebot.

8. (11425.) Als das Wissen von der Prakriti verkiinden sie den Hochsten, den Fiinfundzwanzigsten , auf alles Wifs- bare bezieht sich das Allwissen, o Fiirst.

9. (11426.) Erkenntnisobjekt fjndnam!) ist die Prakriti, Erkenntnissubjekt (jneyallj ist der Fiinfundzwanzigste [vgl. oben. Vers 11407], somit ist das Erkenntnisobjekt die Prakriti, und der Erkenner fvijndtdj ist der Fiinfundzwanzigste.

10. (11427.) Damit habe ich dir im einzelnen das Wissen nach seinem Sinn und Wesen mitgeteilt; lafs dich nunmehr von mir belehren iiber das Unvergangliche und das Vergang- liche, welche du erwahntest.

630 III. Mokshadharma.

11. (11428.) Beide werden als unverganglich bezeichnet, und beide auch wiederum als nicht unverganglich; die Ur- sache davon will ich dir der Wahrheit gemafs auf Grund der Erkenntnis erklaren :

12. (11429.) Beide sind anzusehen als anfanglos und end- los, beide als Igvara's (Gottherren) ; als Prinzipien werden beide bezeichnet von denen, welche der Erkenntnis hin- gegeben sind.

13. (11430.) Weil sie alles Entstehen und Vergehen in sich befafst, heifst die Prakriti unverganglich; um die Evolutionen fgunaj hervorzubringen , wandelt sie sich immer wieder aufs neue.

14. (11431.) Die Evolutionen, der Mahan und die folgen- den, entstehen die eine aus der andern; andererseits be- zeichnet man auch jenes Fiinfundzwanzigste, sofern es [dem Kshetram] vorsteht, gleichfalls als Kshetram [und mithin als verganglich].

15. (11432.) Wenn namlich einer das Netz der Evolutionen in dem unentfalteten Selbste (der Prakriti) zusammenfafst, dann wird zugleich mit den Evolutionen auch der Fiinfund- zwanzigste latent fpraliyatej.

16. (11433.) Die Evolutionen gehen in die Evolutionen zuriick, und schliefslich bleibt die Prakriti als einziges, und wenn dann auch der Kshetrajna, o Freund, in dem Kshetram latent wird,

17. (11434.) dann gelangt die Prakriti zu ihrer Unver- ganglichkeit, indem sie sich nicht mehr mit Evolutionen be- fafst; zu ihrer Evolutionslosigkeit gelangt sie, o Fiirst der Videha's, indem sie sich nicht mehr in Evolutionen ergeht.

18. (11435.) Ebenso steht es mit dem KshetrajBa (dem Ortskenner), da ihm die Moglichkeit, einen Ort fJcshetramJ zu erkennen, benommen ist. Aber von Natur ist er gunalos, so haben wir es aus der Schrift gelernt.

19. (11436.) Und wenn er verganglich [d. h. individuell] wird, dann vermag er die Prakriti als das allein Gunahafte und sich selbst als gunalos zu erkennen.

20. (11437.) Dann wird er zu einem Reinen, weil er sich von der Prakriti lossagt, wenn er als ein Erweckter zu dem

Adhyaya 309 (B. 307). 631

Bewufstsein gelangt: „ein anderer bin ich und eine andere ist sie."

21. (11438.) Dann gelangt er zu seiner wahren Wesenheit und geht keine Mischung mehr ein, denn im andern Falle zeigt er sich als vermischt mit der Prakriti, o Fiirst der Konige.

22. (11439.) Wenn er aber das ganze aus der Prakriti stammende Netz der Guna's verabscheut und den hochsten Schauenden [den Atman] schaut, dann wird er nicht satt des Schauens.

23. (11440.) Was habe ich bisher gemacht, [so denkt er] der ich diese Zeit hindurch in einer Personhchkeit wie ein Fisch im Netze aus Unwissenheit hienieden gefangen war.

24. (11441.) Aus Betorung nur habe ich mich aus einer Personhchkeit in die andere verstrickt, wie ein Fisch, der [das Netz] fiir freies Wasser halt.

25. (11442.) Wie ein Fisch aus Unwissenheit die Ver- schiedenheit [des Netzes] vom Wasser nicht merkt, so er- kannte ich aus Unwissenheit mich selbst nicht als ein Anders- sein [als vom Korper verschieden].

26. (11443.) Wehe mir Unerwecktem, der ich mich aus einer Personhchkeit in eine andere, wiederum [im Saiisara] versunkene Personhchkeit gestiirzt habe.

27. (11444.) Dieser [Atman] hier ist mein wahrer Ver- wandter, nur mit ihm zu sein ist mir moglich, zur Gleich- heit und Einheit mit ihm gelangt, bin ich erst wirklich, der ich bin.

28. (11445.) Ich sehe schon hienieden die Gleichheit, ich bin seines Wesens, er ist fleckenlos, und es ist offenbar, dafs ich eben ein solcher bin.

29. (11446.) Nur aus der Verblendung des Nichtwissens habe ich mich in die unbewufste, anhangbehaftete [Prakriti] verstrickt, aber nunmehr stehe ich da als ein Anhangloser.

30. (11447.) Durch sie wurde ich Unwissender jene Zeit hindurch geknechtet, wie mag ich bei ihr, der Gebieterin iiber Hohes, Mittleres und Niederes, weilen!

31. (11448.) Wie mag ich aus unerweckter Sinnesart mit ihr, der Gemeinen, ein Zusammenleben hier pflegen! Jetzt bin ich fest in dem, was ich bin.

632 HI. Mokshadharma.

32. (11449.) Ich will nicht mehr mit ihr zusammenwohnen, wenn ich auch eine Zeitlang in dieser Weise als Tor mich von ihr habe betoren lassen, ich, der Unwandelbare, von ihr, der Wandelhaften.

33. (11450.) Und doch war es nicht ihre Schuld, auf meiner Seite liegt die Schuld, der ich an ihr hing und unbedachter- weise ihr nahte.

34. (11451.) Infolgedessen weilte ich, der Gestaltlose, in vielen Gestalten und gestaltet habe ich, der Gestaltlose, mich durch Egoismus blofsgestellt.

35. (11452.) Durch den aus der Prakriti stammenden Egois- mus in diese und jene Mutterschofse eingehend, was hatte ich, der Ichlose, mit der Ichheit in ihnen alien zu schaffen,

36. (11453.) dafs ich in diesen Mutterschofsen verlorenen Bewufstseins weilte? Ich habe nichts mehr zu schaffen mit ihr, die den Ahahkara (Egoismus) zu ihrem Wesen hat

37. (11454.) und die, sich selbst vervielheitlichend , auch mich abermals zu unterjochen strebt; nunmehr bin ich er- weckt, frei von Selbstsucht, frei von Ichbewufstsein.

38. (11455.) Das Ichbewufstsein, welches durch sie von jeher mit dem Egoismus fahankdraj durchdrungen worden ist, habe ich aufgegeben, habe sie hinter mir gelassen und nehme meine Zuflucht zu dem Krankheitlosen.

39. (11456.) Zur Identitat mit ihm werde ich gelangen, nicht mit ihr, der Geistlosen; friedliches Wohnen bei ihm werde mir zuteil, nicht Vereinigung mit ihr.

40. (11457.) So geschieht es, dafs der Fiinfundzwanzigste, durch Innewerdung des Hochsten zur Erweckung gelangt, das Vergangliche aufgibt und sich des Unverganglichen, Krankheitlosen bemachtigt.

41. (11458.) Wer erkennt, wie das Unentfaltete zum Ent- falteten und das Gunalose zum Gunahaften wird, und wer dabei das Gunalose als das Hohere erkennt, der wird zu ihm, o Fiirst von Mithila.

42. (11459.) Damit habe ich dir die auf Wissen gegriindete Darlegung des Unverganglichen und des Verganglichen ge- geben auf Grund der im Veda iiberlieferten Darlegung.

43. (114G0.) Nunmehr will ich dir darlegen, wie es mit dem

Adhyaya 309 (B. 307). 633

Zweifelfreien , schwer Erkennbaren, Erwachten, Fleckenlosen bewandt ist, vernimm auch dies dem Vedaworte gemafs.

44. (11461.) Ich habe dir vom Sankhyam und Yoga ge- sprochen und sie als zwei verschiedene Lehren hingestellt, aber was ich als Sankhyalehre mitteilte, ebendasselbe ist das Yogasystem.

45. (11462.) Als die Erweckung vollbringend wurde die Erkenntnis der Sankhya's, o Erdeherr, hier deutlich mitgeteilt zum Besten der Lernenden.

46. (11463.) Und gewaltig ist diese Lehre, wie die Weisen anerkennen; aber auch fiir dieses System der Yoga's sind im Veda die Vorganger [Plural mit C] zu finden.

47. (11464.) Ja, keine hohere Wesenheit gibt es als den Fiinfundzwanzigsten , o Mannerherr, und dieser wird als die hochste Wesenheit der Wahrheit gemafs von den Saiikhya's dargestellt,

48. (11465.) als der aus der Nichterwecktheit Erwachende und in Wahrheit Erwachte; und ebendiesen Erwachenden und Erweckten verkiinden sie als den Lehrinhalt des Yoga.

So lautet im Moksliadharma

die Unterredung zwischen Vasishtha und Karaiajanaka

C Vasishtha - Kardlajanaka - sainvdda).

Adhyaya 310 (B. 308). Vers 11466-11517 (B. 1-51).

Vasishtha sprach :

1. (11466.) Vernimm nunmehr die Lehre von dem Erweck- ten und dem Unerweckten, sowie die Lehre von den Guna's. Indem Er sich selbst vielfach macht, bringt er alle diese [Gestalten] zur Erscheinung,-

2. (11467.) und indem er sich in dieser Weise umwandelt, ist der des Erwachens Fahige nicht wach; er tragt die Evo- lutionen, schafft sie und zieht sie wieder ein.

3. (11468.) So wandelt er sich ohne Unterlafs spielens- halber, o Mannerherr ; sofern er aber das Unentfaltete erkennt, nennen sie ihn den Erkennenden (Erwachenden).

634 III. Mokshadharma.

4. (11469.) Nicht aber kann das Unentfaltete (die Prakriti) das Gunahafte oder das Gunalose erkennen, darum nennt man dieses Unentfaltete zuweilen auch mit Recht das Un- erweckbare.

5. (11470.) Obgleich aber jenes fiinfundzwanzigste Prinzip das Unentfaltete erkennt, so ist er, obgleich erkennend, doch mit Weltanhanglichkeit behaftet, so lehrt die Schrift; (11471.) durch ihn ist sie (die Prakriti, das Unentfaltete) noch nicht [vollstandig] erkannt worden, so sagen sie im Hinblick auf das Unentfaltete, Unerschiitterliche.

6. Weil er das Unentfaltete erkennt, nennt man ihn aller- dings den Erkennenden, (11472.) ihn, den Fiinfundzwanzigsten, den Mahan Atma, und doch ist er nicht wahrhaft erkennend (erwacht).

7. Nur das Sechsundzwanzigste (vgl. Mandukya- Karika 2,26; Sechzig Upanishad's, S. 586), das fleckenlose, ervveckte, unermefsliche , ewige, (11473.) erkennt fiir und fiir das fiinfundzwanzigste und das vierundzwanzigste Prinzip.

8. Dabei geschieht es, o Glanzreicher, dafs er das seiner Natur nach im Sichtbaren und Unsichtbaren sich ergehende (11474.) Unentfaltete erkennt, er, der das absolute Brahman ist, 0 Freund.

9. Weder den Absoluten noch den Fiinfundzwanzigsten schaut das Vierundzwanzigste. (11475.) Aber wenn er [der Fiinfundzwanzigste], erwachend, von sich selbst weifs: „ich bin ein anderer",

10. dann wird er von der Prakriti frei und durchschaut das Unentfaltete. (11 476.) Und wenn er zu dieser hochsten, fleckenlosen, reinen Erkenntnis erwacht ist,

11. dann gelangt er so, o Konigstiger, als Sechsund- zwanzigster zur Erwecktheit. (11477.) Dann lafst er das Un- entfaltete fahren, welches sich in Schopfung und Vergang bewegt.

12. Als Gunaloser erkennt er die Prakriti als gunahaft und ungeistig (11478.) und wird zum Absoluten, weil er das Unentfaltete durchschaut hat.

13. Mit dem Absoluten eins geworden und erlost, gelangt er zu seinem wahren Selbste. (11479.) Das ist die Wesenheit,

Adhyaya 310 (B. 308). 635

welche man als das Wesenlose, Alterlose, Unsterbliche be- zeichnet.

14. Weil dieses zu seiner wahren Wesenheit gelangt ist, heifst es wesenhaft und auch nicht wesenhaft, o Ehrenspender, (11480.) denn der Wesenheiten zahlen die Weisen nur fiinf- undzwanzig.

15. Er aber ist in Wahrheit nicht wesenhaft, sondern als Erweckter ist er wesenlos; (ii48i.) als solcher streift er alsbald die Wesenheit ab, das ist das Kennzeichen der Erwecktheit.

16. „Ich bin der Sechsundzwanzigste", durch diese Er- kenntnis wird er, der Weise, Alterlose, Unsterbliche, ergriffen, (11482.) und durch die blofse Kraft [dieser Erkenntnis] gelangt er zur Identitat mit ihm, das ist gewifs.

17. Ist er aber durch den wachen Sechsundzwanzigsten erweckt worden, so ist er weiter erkenntnislos, (11483.) denn dieses [Gegeniiberstehen . von Subjekt und Objekt beim Er- kennen] wird noch fiir eine Vielheit erklart nach Anschauung der Sahkhya's und der Schrift.

18. Denn fiir den Fiinfundzwanzigsten, welcher mit dem rein Geistigen zur Einheit zusammenfliefst , (ii484.) besteht diese Einheit erst dann, wenn er nicht mehr durch die Buddhi erkennt.

19. Und ist er erweckt worden (lies: hudhyamdnah), so gelangt er zur Identitat mit jenem Wachen, o Fiirst von Mithila; (ii485.) er, der mit Weltanhanglichkeit behaftet war, wird zu einem von Weltanhanglichkeit Freien, o Mannerherr.

20. Und nachdem er den von Weltanhanglichkeit Freien erlangt hat, den Sechsundzwanzigsten, Ewigen, Allgegen- wartigen, (ii486.) lafst er, selbst allgegenwartig, die Prakriti fahren, indem er erkennt, dafs all dieses

21. Vierundzwanzigfache wertlos ist, wenn man zum Sechsundzwanzigsten erwacht ist. (ii487.) Damit ist dir, o Un- tadliger, von mir der Unerweckte und der Erwachende

22. sowie auch der Erweckte der Wahrheit gemafs und der Schriftanschauung entsprechend dargelegt worden ; (11488.) soviel von der Vielheit und von der Einheit gemafs der Anschauung des Lehrsystems.

23. Wie die der Fliege und des Feigenblattes, so ist die

636 in. Mokshadharma.

Verschiedenheit jener beiden; (ii489.) wie die des Fisches und des Wassers, so ist ihre Verschiedenheit anzusehen.

24. In dieser Weise ist die Verschiedenheit und die Ein- heit beider [des Purusha und der Prakriti] zu erkennen, (11490.) und das heifst ihre Erlosung und wird bewirkt durch das Erkanntwerden der Prakriti.

25. Unter dieser Schar der fiinfundzwanzig, welche in den Korpern weilt, (ii49i.j ist er loszulosen aus dem Bereiche der Prakriti, so wird es gelehrt.

26. Darin besteht seine Erlosung und in nichts anderm, das ist gewifs, (11492.) verschieden ist er und von verschiedener Beschaffenheit, obgleich er sich [mit der Prakriti] verbunden hat.

27. Rein wird er durch das Reine, erweckt durch das Erweckte, (11493.) erlost durch das Erloste, mit. welchem er eins wird, o Mannerstier.

28. Dann ist er befreit von dem trennenden Prinzip, (11494.) und indem er eins wird mit dem erlosenden Prinzip, kommt die Erlosung hienieden zustande.

29. Reines wirkend und rein wird er, unermefsliches Licht ausstrahlend , (11495.) fleckenlos wird er, nachdem er mit dem ewig Fleckenlosen eins geworden ist.

30. Mit dem Absoluten vereinigt, wird er selbst absolut; (11496.) durch das Freie befreit, erlangt er die Freiheit.

31. (11497.) Soweit habe ich dir diese Wahrheit ent- hiillt, o grofser Konig, nach Sinn und Wesen; wer die Selbstlosigkeit als Ziel sich setzt, der wird zu dem ewigen, reinen, uranfanglichen Brahman.

32. (11498.) 0 Konig, dieses Hochste darfst du nie- mandem mitteilen, der nicht im Veda feststeht (lies: fidvedamshthasya); diese erweckungwirkende , fiir den Erkenntnisdurstigen und Geneigten bestimmte Lehre darf einem Neuerungssiichtigen

33. (11499.) nicht mitgeteilt werden und ebensowenig einem Unwahren, Falschen, Unmannlichen, Hinterlistigen Oder einem, der mit seinem gelehrten Wissen andere qualt. Wem es aber mitzuteilen ist, das vernimm:

34. (11500.) Wer reich an Glauben, reich an Tugend ist, niemals seine Freude daran hat, andere zu tadeln,

Adhyaya 310 (B. 308). G37

wer reine Hingebung iibt, stets besonnen, tatig, geduldig und wohlwollend ist,

35. (11501.) von edlem Charakter, das Gesetz liebend, der Nachrede sich enthaltend, wohlbewandert in der Schrift und der Erkenntnis zugetan, wer nichts Boses sehen kann, sondern der Bezahmung und der Ruhe machtig ist, dem darf es mitgeteilt werden.

36. (11502.) Wenn aber einer dieser Tugenden ganz und gar ermangelt, so darf dieses hochste, reine Brah- man ihm nicht mitgeteilt werden; nicht zum Heile wird dem Pflichtlehrer gereichen, was er an einem solchen tut, weil er es einem Unwiirdigen mitgeteilt hat.

37. (11503.) Einem solchen Geliibdelosen darf es nicht mitgeteilt werden, und bote er auch dafiir diese Erde mit alien ihren Schatzen, aber wenn einer bezahmte Sinne hat, so darfst du ihm ohne Bedenken dieses Hochste mit- teilen, o Mannerfiirst.

38. (11504.) 0 Karala, keine Furcht moge dich mehr anwandeln, nachdem du heute dieses hochste Brahman vernommen hast, welches, richtig mitgeteilt, die hochste Lauterung bewirkt, als das Kummerlose, ohne Anfang, Mitte und Ende Seiende,

39. (11505.) das seinem Ursprung nach Unerforschliche, Unsterbliche , o Konig, das Krankheitlose , Furchtlose, Selige. Durchschaue die Verblendung und gib nunmehr alles (sarvam mit C.) auf, nachdem du dieses als Wesen und Inhalt des Wissens erkannt hast.

40. (11506.) Diese ewige Lehre habe ich erhalten von Hiranyagarbha [dem Tiapila rishi, Qvet. Up. 5,2; vgl. Sechzig Upanishad's, S. 304], der sie mir verkiindigte, o Fiirst, nachdem ich ihn, den gewaltig Geistigen, der das ewige Brahman ist, mit Fleifs gnadig gestimmt hatte, gerade so wie ich heute von dir [gnadig gestimmt wurde].

41. (11507.) Und so wie ich von dir befragt worden bin, o Fiirst der Manner, und dir dieses heute mitgeteilt habe, so habe ich von Gott Brahman [d. i. Hiranyagarbha] das grofse Wissen erlangt, o Mannerfiirst, welches das hochste Ziel der Erlosungskundigen bildet.

638 ni. Mokshadharma.

Bhishma spracli:

42. (11508.) Damit ist dir das hochste Brahman verkiindigt worden, von welchem es keine Wiederkehr gibt, der Fiinf- undzwanzigste, o grofser Konig, gemafs der Belehrung durch den hochsten Weisen.

43. (11509.) Jedoch wieder zuriickkehren mufs einer aiicli nach Erlangung der hochsten Erkenntnis, wenn er nicht als ein Erweckter zum Alterlosen, Unsterblichen erwacht ist.

44. (11510.) Dieses Sehgkeit bewirkende, hochste Wissen ist dir der Wahrheit gemafs von mir mitgeteilt worden, o Freund, nachdem ich es von dem Gotterweisen iiberkommen habe, o Fiirst.

45. (11511.) Von Hiranyagarbha empfing es der hochsinnige Weise Vasishtha, und von Vasishtha, dem Tiger der Weisen, hat es Narada erlangt.

46. (11512.) Von Narada habe ich dieses ewige Brahman empfangen; trauere nicht mehr, o Fiirst der Kuru's, nachdem du jene hochste Statte kennen gelernt hast.

47. (11513.) Wer das Verganghche und das Unvergang- Hche gefunden hat, fiir den besteht keine Furcht mehr, o Erdeherr, wohl aber besteht Furcht fiir den, der es nicht kennt, o Fiirst.

48. (11514.) Durch Nichtwissen geistig umnachtet, ver- strickt er sich immer wieder und wieder und gelangt auch nach seinem Tode zu tausend Neugeburten, die einen Tod zur Folge haben.

49. (11515.) Die Gotterwelt oder ein tierisches oder ein menschhches Dasein erlangt er, bis dafs er im Laufe der Zeiten sich von diesem Ozean des Nichtwissens rein macht.

50. (11516.) Denn ein furchtbarer, dunkler, unergriindhcher Ozean des Nichtwissens ist es, in welchem Tag fiir Tag die Wesen versinken, o Bharata.

51. (11517.) Du aber, weil du aus diesem unergriindlichen, dunklen, ewigen Ozean herausgestiegen bist, darum bist du befreit vom Rajas und auch vom Tamas frei, o Erdeherr.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Vasishtha und Kar^lajanaka

(Vasishtha -Kardlajanaka - saiiivdda).

Adhyaya 311 (B. 309). 639

AdhyAya 311 (B. 309).

Vers 11518-11512 (B. 1-25).

Bbishma spracli:

1. (11518.) Ein Solm des Janaka ging in menschenleerer Gegend auf die Jagd ; da sah er im Walde einen Brahmanen- fiirsten, einen Weisen aus dem Geschlechte des Bhrigu.

2. (11519.) Dem dasitzenden Muni nahte er, verehrungs- voll sein Haupt neigend, und nachdem er seine Einwilligung eriangt hatte, befragte ihn der schatzereiche Fiirst folgender- mafsen :

3. (11520.) 0 Heiliger, was ist wohl das Heilsamste nach dem Tode oder schon hienieden fiir den Menschen, der in dem unbestandigen Leibe der Herrschaft der Begierde unter- worfen ist?

4. (11521.) Nachdem der Hochsinnige, Askesereiche so unter Ehrenerweisungen befragt worden war, sprach er zu ihm das folgende heilbringende Wort.

Der Rishi sprach:

5. (11522.) Du wiinschest zu wissen, was hier und im Jenseits dem Geiste erfreulich ist, so lasse doch ab von dem, was den Wesen unerfreulich ist, und bezahme deine Sinne.

6. (11523.) Das Gute ist das Heilsame fur edle Menschen, das Gute ist der Hort der Edlen, aus dem Guten sind die drei Welten mit Beweglichem und Unbeweglichem hervor- gegangen.

7. (11524.) 0 du Genufssiichtiger ! warum strebst du nicht danach, zur Begierdelosigkeit zu gelangen? Den Honig am Abgrunde siehst du Tor, aber den Abgrund siehst du nicht.

8. (11525.) Wie das Wissen sammeln mufs, wer seine Frucht begehrt, so mufs das Gute sammeln, wer seine Frucht begehrt.

9. (11526.) Fiir einen Nichtguten ist, auch wenn er nach dem Guten verlangt, ein reines Werk schwer zu vollbringen, aber fiir einen Guten, wenn er nach dem Guten verlangt, ist auch dieses Schwere leicht zu vollbringen.

640 in. Moksbadharma.

10. (11527.) Wer am Dorfleben seine Lust hat, der bleibt ein Freund des Dorflebens, audi wenn er im Walde wohnt, und wer am Waldleben seine Lust hat, der bleibt ein Freund des Waldlebens, auch wenn er im Dorfe wohnt.

IL (11528.) An das Gute in Gedanken, Worten undWerken fasse Glauben und gib dich ihm hin, indem du dir bei allem Tun und Lassen die Tugend und die Untugend vor Augen stellst.

12. (11529.) Allezeit soil man den Guten reichlich und ohne Murren spenden, was sie erbitten, indem man nach Zeit und Ort richtig verfahrt, treu seinem Geliibde und rein.

13. (11530.) Was man auf gerechte Weise erworben hat, soil man dem Wiirdigen zukommen lassen, man soil es geben ohne Zorn, Reue und Riihmen.

14. (11531.) Wohlwollend, lauter, bezahmt, Wahrheit redend, in Rechtschaifenheit beharrend und durch Geburt und Werke rein, als soldier ist der vedakundige Zwiegeborene ein Wiirdiger.

15. (11532.) Eine in ritueller Weise geheiratete alleinige Gattin wird fiir die Geburt als Ursprung hienieden verlangt; wer als solcher Rig-, Yajur- und Samaveda studiert hat und kundig die sechs Werke [Lernen und Lehren, Opfern fiir sich und andere, Geben und Nehmen] betreibt, der ist ein W^iirdiger.

16. (11533.) Damit ist gesagt, was Pflicht und Nidit-Pflidit jedem einzelnen gegeniiber ist hinsichtlich der Wiirdigkeit, des Werkes, des Ortes und der Zeit.

17. (11534.) Wie man leicht wie im Spiel einen kleinen Staubflecken von seinem Korper wegwischt, einen grofsen aber nur mit Miihe, so ist es auch mit der Reinigung vom Bosen.

18. (11535.) Wie erst nach innerer Reinigung die getrunkene Schmelzbutter recht heilbringend ist, so bringt audi nur dem, der sich vom Bosen gereinigt hat, die Pflichterfiillung nach dem Tode Gliickseligkeit.

19. (11536.) Auf Gesinnung beruhend ist bei alien Wesen das Gute wie das Bose, dem Bosen allezeit abgewandt, soil man sich dem Guten zuwenden.

20. (11537.) Alles, iiberall und an jedem soil man ehren,

Adhyaya 311 (B. 309). C41

wenn es geschielit in Erfiillung der ihm zukommenden Pflicht, und audi wo die Leidenschaft dich fortreifst, moge wider Willen fakdmam) pflichtmafsig gehandelt werden.

21. (11538.) 0 Unbestiindiger, erhebe dich zur Bestandig- keit; o Tor, lafs ab von deiner Torheit, du, der du friedlos bist, gelange zum Frieden, der du unweise bist, handle als Weiser !

22. (11539.) Das Mittel dazu lafst sich durch Energie als Bundesgenossin erlangen ; das Heil hienieden und im Jenseits hat als Wurzel die hochste Bestandigkeit.

23. (11540.) \yegen Unbestandigkeit [d. h. Mangel an Selbst- beherrschung, vgl. Mahabh. I, Adhy. 96] ist der Konigsweise Mahabhisha aus dem Himmel gestiirzt worden, wahrend Yayati, obgleich seine guten Werke verbraucht waren, durch Be- standigkeit den Himmel erlangte [vgl. Mahabh. V, Adhy. 122 (B. 123)].

24. (11B41.) Durch Umgang mit Asketen, Pflichttreuen und Weisen wirst du grofse Einsicht erlangen und des Heiles teilhaftig werden.

Bhishma sprach:

25. (11542.) Nachdem der von Natur gute Fiirst diese Rede des Muni vernommen hatte, wandte er seinen Sinn von der Begierde ab und richtete seinen Geist auf die Pflicht.

So lautet im Moksbadharina die Seleiirung des Janaka (Janala- anu(;dsanam).

Adhyaya 313 (B. 310).

Vers 11543-11568 (B. 1-26).

Yudhishtliira sprach :

1. (11543.) Was jenseits von Gutem und Bosem, frei von allem Zweifel, frei von Geburt und Tod, erhaben iiber Heiliges und Schlechtes,

2. (11544.) selig, ewig und furchtlos, bestandig, unzerstor- bar, unverganglich, rein, beharrlich und unermiidlich ist, das mogest du, o Herr, mir sagen.

Deussen, Mah&bh&Tatam. 41

642 ni. Mokshadharma.

Bhishma sprach:

3. (11545.) Dariiber will icli dir eine alte Geschichte mit- teilen, o Bharata, namlich die Unterredung des Yajnavalkya mit dem Konig Janaka.

4. (11546.) Dem Yajnavalkya, dem Besten der Rishi's, dem Frageloser, legte Konig Janaka, der hochberiihmte Nach- komme des Devarata, eine Frage vor.

Janaka sprach:

5. (11547.) Wieviel Sinnesorgane gibt es, o Brahmanen- rishi, und wieviel schaffende Potenzen, was ist das unentfaltete hochste Brahman, und was ist das noch dariiber Erhabene?

6. (11548.) Auch den Ursprung und Vergang und die Be- rechnung der Zeiten mogest du mir mitteilen, der ich es von deiner Gnade erbitte, o Brahmanenfiirst.

7. (11549.) Aus Unwissenheit frage ich, du bist ja ein Ozean von Wissen ; iiber alles dieses wiinsche ich eine zweifels- freie Belehrung zu empfangen.

Yajnavalkya sprach:

8. (11550.) Vernimm, o Erdbeschiitzer, wonach du mich befragst, die hochste Erkenntnis der Yoga's und derSankhya's in ihrer Besonderheit.

9. (11551.) Zwar ist dir das alles schon bekannt, aber da du mich danach fragst, so mufs ich auf deine Frage antworten, das ist ewige Pflicht.

10. (11552.) Es gibt acht schaffende und sechzehn nur ge- schaffene Potenzen; als die acht schopferischen bezeichnen die Kenner des innern Selbstes:

11. (11553.) das Unentfaltete, den Mahan und den Ahankara, dazu kommen Erde, Wind, Ather, Wasser und Feuer als fiinftes.

12. (11554.) Das also sind die acht schaffenden Potenzen; vernimm nun von mir die nur geschaffenen, es sind Ohr, Haut, Auge, Zunge und Geruchsorgan als fiinftes,

13. (11555.) ferner Ton, Beriihrung, Sichtbarkeit, Geschmack und Geruch, sowie Rede, Hande, FilTse, Entleerungs- und Zeugungsorgan.

Adhyaya 312 (B. 310). 643

14. (11556.) Jene [Ton usw.] sind die spezifischen Quali- taten fvigeshdhj in den fiinf grofsen Elementen fmahdhiddnij , und dann waren da jene Erkenntnisorgane [Ohr usw.] mit ihren spezifischen Qualitaten [Ton usw.], o Fiirst von Mithila.

15. (11557.) Als sechzehnte [nur erschaffene Potenz] be- zeichnen das Manas die, welche die Vorgange im innern Selbste iiberlegen, du und andere Weise, welche der Er- kenntnis der Prinzipien kundig sind.

16. (11558.) Aus dem Unentfalteten entsteht der Mahan Atma, o Fiirst, ihn bezeichnen die Weisen als die erste aus der Prakriti hervorgehende Emanation.

17. (11559.) Aus dem Mahan entspringt der Ahankara, o Mannerherr, dieser heifst die zweite Emanation und wird buddhi-artig [aus der Buddhi, dem Mahan entspringend] genannt.

18. (115G0.) Aus dem Ahankara entspringt das den spezifi- schen QuaUtaten \^gundh, hier = vigeshdh] der Elemente gegen- iiberstehende Manas, dieses wird als die dritte, die aus dem Ahankara stammende Emanation bezeichnet.

19. (11561.) Aus dem Manas entspringen die grofsen Ele- mente {mahdbhiitdh masc. !), o Mannerherr, dieses erklare ich, das sollst du wissen, fur die vierte, aus dem Manas stammende Emanation [im Widerspruch mit Vers ii 557 , wo Manas unter den sechzehn nur erschaffenen Potenzen erscheint].

20. (11562.) Ton, Beriihrung, Sichtbarkeit, Geschmack und Geruch, diese [fiinf Vigesha's] bezeichnen die Kenner der Elemente als die fiinfte, aus den [Maha-]Bhuta's stammende Emanation.

21. (11563.) Ohr, Haut, Auge, Zunge, Geruchsorgan, diese fiinf [Buddhindriya's] gelten als die sechste, das mannigfache Nachdenken [der Buddhi] vermittelnde [somit anscheinend aus ihr entspringende] Emanation.

22. (11564.) Die auf Ohr [usw.] folgende Schar der [Karma-] Indriya's entspringt, o Mannerherr, als die siebente Emana- tion und wird als aindriyaka [den Buddhindriya's sich an- schliefsende] bezeichnet.

23. (11565.) Die Aufwartsstromung und die in die Quere

41*

644 ni. Mokshadharma.

entwickelt sich sodann, o Mannerherr, als eine aclite Ema- nation; diese hat Beziehung auf den moralischen Wandel.

24. (11566.) Die Stromung in die Quere aber entwickelt sich fort zu einer Abwartsstromung, o Mannerherr; diese gleichfalls auf den moralischen Wandel beziigliche Emanation crklaren die Weisen fiir die neunte. [Uber die drei Stro- raungen vgl. unten Anugita, Adhy. 3G 38; Nil. denkt viel- raehr an die Prana's.]

25. (11567.) Das sind die neun Emanationen, o Mannerherr, und die entsprechenden vierundzwanzig Prinzipien nach den Anschauungen der Schrift.

26. (11568.) Weiterhin, o grofser Konig, vernimm von mir die Z either echnung fiir diese Evolutionsreihe fgunaj der Wahr- heit gemafs, wie sie von den hochsinnigen Weisen verkiindigt worden ist.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung des Yajnavalkya mit Janaka (YdjTiavalkxja -Janaka - sainvdda).

Adttyaya 313 (B. 311).

Vers 11569-11589 (B. 1-21).

Yajnavalkj-a sprach ;

1. (11569.) Vernimm denn, o Bester der Manner, die Zeit- berechnung in betreff des Unentfalteten. Fiinftausend Welt- perioden flcalpaj zweimal genommen machen seinen Tag aus,

2. (11570.) ebensolang ist seine Nacht. Ist er erwacht, o Mannerherr, so schafft er zu Anfang die Pflanzen zum Lebensunterhalte aller Verkorperten.

3. (11571.) Darauf schuf er den [personifizierten] Gott Brah- man, der [als Hiranyagarbha] aus einem goldenen Ei ent- sprang; dieses bildet den Korper fiir alle Wesen, so ist es uns iiberliefert worden.

4. (11572.) Nachdem er ein Jahr lang in dem Ei geweilt hatte, trat der grofse Weise aus ihm hervor und fiigte [die Schalen als] die ganze Erde und den Himmel droben zu- saramen, er, der Schopfer [vgl. Chand. Up. 3,19; Manu 1, 12.13J.

Adhy&ya 313 (B. 311). 645

5. (11573.) Als in Himmel und Erde [verkorpert] wird er in den Wesen verkiindigt, und zwischen diesen beiden Schalen bildete der Herr den Luftraum.

6. (11574.) Und was die Zeitrechnung betrifft, so werden hierbei von den Kennern der Veden und Vedaiiga's zehn- tausend Weltperioden , vermindert um ein Viertel, als sein Tag bezeichnet.

7. (11575.) Und fiir ebensolang erklaren seine Nacht die Kenner des innern Selbstes. Alsdann schafft er, der Weise, den Ahaiikara als ein Geschopf von gottlicher Wesenheit,

8. (11576.) sowie vier weitere Sohne [nach Nil. Manas, Buddhi, Ahaiikara, Cittam als vyasliti^ psychische Prinzipien] ; aus seinem Leibe schuf sie vordem der grofse Weise; sie werden als die Vater der Vater [der Mahabhiita's, nach Nil.] von der Schrift bezeichnet, o Bester der Konige.

9. (11577.) Gotter aber sind auch die Sohne dieser Vater [wohl die Vigesha's, nach Nil. die Indriya's], von Gottern sind die Welten erfiillt mitsamt dem Beweglichen und Un- beweglichen, o Bester der Manner, so ist es uns iiberliefert worden.

10. (11578.) An ihrer Spitze aber steht der Ahankara, welcher die Elemente als fiinf schafft, sie sind Erde, Wind, Ather, Wasser und Feuer als fiinftes.

11. (11579.) Auch bei ihm, der die dritte Schopfung voU- bringt, sprechen sie von einer Nacht; sie wahrt fiinftausend Weltperioden und ebensolange sein Tag.

12. (11580.) Ton, Beriihrung, Gestalt, Geschmack und Ge- ruch, diese sind in den fiinf grof sen Elementen ihre spezifischen Qualitaten fvigeshaj,

13. (11581.) mit welchen die Elemente fort und fort erfiillt sind, 0 Erdeherr. Diese wetteifern miteinander, freuen sich iiber das gegenseitige Gedeihen

14. (11582.) und iiberbieten einander, indem sie sich den Vorrang streitig machen, oder auch sich unterdriicken ver- moge der unverganglichen, sie fortreifsenden Guna's,

15. (11583.) und so treiben sie ihr Wesen hienieden, in- dem sie in niedrigen Mutterschofsen weilen. Ihr Tag wahrt dreitausend Weltperioden,

646 III. Mokshadharma.

16. (11584.) und ebensolang ist ihre Nacht. Dies gilt auch von dem Manas, o Mannerherr; das Manas schaltet, o Fiirst der Konige , indem es ganz und gar hinter den Indriya's versteckt bleibt.

17. (11585.) Und doch sind es nicht die Indriya's, welche das Sehen vollbringen, sondern das Manas vollbringt das Sehen. Das Auge sieht die Gestalten vermoge des Manas und nicht vermoge des Auges.

18. (11586.) Wenn das Manas getriibt ist, so sieht das Auge und sieht doch nicht, und ebenso steht es mit dem Sehen aller Sinnesorgane, so lehren es die Weisen.

19. (11587.) Denn die Sinnesorgane sehen nicht, sondern das Manas ist es, welches sieht, und wenn das Manas untatig ist, o Konig, so tritt auch eine Untatigkeit der Sinnesorgane ein.

20. (11588.) Somit ist ein Versagen der Sinnesorgane in Wahrheit ein Versagen des Manas, daher mufs man begreifen, dafs das Wesentliche in den Sinnesorganen das Manas ist.

21. (11589.) Uber alien Sinnesorganen thront als Herr das Manas, und in diesem laufen [mittelbar] auch alle Elemente zusammen.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Janaka und Yijiiavalkya (Janaka - YdjTiavalktja - savwdda).

Adhyaya 314 (B. 313).

Vers 11590-11606 (B. 1-17).

Yajnavalkj'a sprach:

1. (11590.) Die ganze Aufzahlung der Prinzipien sowie die Berechnung der Zeiten ist von mir in richtiger Ordnung mitgeteilt worden. Nun hore auch, was ich iiber die Welt- vernichtung sagen werde,

2. (11591.) und wie er die Kreaturen, nachdem er sie ge- schaffen hat, immer wieder und wieder schafft, er, der anfang- lose und endlose, ewige und unvergangliche Gott Brahman.

3. (11592.) Wenn dieser merkt, dafs der Tag zu Ende geht, wendet er seinen Geist dem nachtlichen Schlafe zu,

Adhyaya 314 (B. 312), 647

dann treibt der Heilige, Unentfaltete den sein Ich verkorpern- den Helden an,

4. (11593.) und er, der hunderttausendstrahlige Aditya (Sonne), von ihm, dem Unentfalteten , angetrieben, zerteilt sein Wesen zwolffach, vergleichbar einem iiberallhin lodern- den Feuer.

5. (11594.) Dann verbrennt er alsbald, o Erdbeschiitzer, mit seiner Glut alle vier Wesensklassen, Lebendgeborene, Ei- geborene, Schweifsgeborene und Sprofsgeborene, o Mannerherr.

6. (11595.) Dann wird in einem Augenblicke die Welt der Pflanzen und der beweglichen Wesen zunichte, und die Erde sieht allenthalben aus wie der Riicken einer Schildkrote.

7. (11596.) Nachdem der unermerslich Machtige die Lebe- wesen verbrannt hat, erfiillt er sogleich die nackte Erde allent- halben mit gewaltigen Wasserfluten.

8. (11597.) Wenn dann das Wasser auf das Weltunter- gangsfeuer trifft, wird es zur Vernichtung gebracht, und nach- dem das Wasser vernichtet ist, o Fiirst der Konige, lodert das grofse Feuer machtig empor.

9. (11598.) Dann geschieht es, dafs dieser iibermachtige, lodernde, glanzvolle Verbrenner aller Wesen mitsamt seinen sieben Flammen in einem Nu von dem unermefslichen,

10. (11599.) heiligen, die acht Weltgegenden erfullenden, gewaltigen Winde verschlungen wird, der mit mafslosem Odem nach oben, unten und alien Seiten dahinbraust.

11. (11600.) Diesen Unwiderstehlichen, Furchtbaren schlingt der Ather in sich hinein, und den larmreichen Ather ver- schlingt wieder das obenanstehende Manas.

12. (11601.) Das Manas verschlingt er, der als Ahaiikara das Selbst der Wesen und ihr Schopfer ist, den Ahaiikara {ahahJidram mit C), der das Vergangene, Gegenwartige und Zukiinftige kennende Mahan Atma.

13. (11602.) Dann geschieht es, dafs auch diesen unver- gleichlichen, allerfiillenden Atman der Schopferherr ^ambhu, welcher Atomkleinheit, Leichtigkeit, Allberiihrung, Gottherr, Licht und unverganglich ist

14. (11603.) nach allwarts ist er Hand, Fiifse, nach all-

648 ni. Mokshadharma.

warts Augen, Haupt und Mund, nach alien Seiten hin horend, die Welt umfassend steht er da (= Qvet Up. 3,16),

15. (11604.) welcher als Herz aller Wesen nur so grofs wie das Glied eines Daumens ist, dafs dieser der unendliche hochsinnige Gottherr den Allerfiillenden verschlingt.

16. (11605.) Dann ist das Wei tall wieder eingegangen in den unzerstorbaren, unverganglichen , unverletzbaren , siindlosen Schopfer des Vergangenen, Gegenwartigen und Zukiinftigen.

17. (11606.) Damit ist dir das Eingehen der Wahrheit ge- mafs dargelegt, o rtirst der Konige; nun vernimm, was [im Korper] sich auf das Selbst, auf die Wesen und auf die Gott- heiten bezieht.

So lautet im Mokshadbarma die Unterredung zwischen Y&jnavalkya und Janaka

( Ydj/iavalki/a - Janaka - sainvdda).

Adhyaya 315 (B. 313).

Vers 11607-11634 (B. 1-28).

Yajnavalkya sprach:

1. (11607.) Die Fiifse sind auf das Selbst beziiglich, das Gehen auf die Wesen, die Schutzgottheit ist Vishnu, wie die wahrheitschauenden Brahmanen lehren.

2. (11608.) Das Entleerungsorgan ist auf das Selbst be- ziiglich, die Entleerung auf die Wesen, die Schutzgottheit ist Mitra, wie die Kenner der Wesenheit sagen.

3. (11609.) Das Zeugungsorgan ist auf das Selbst beziig- lich, das Zeugen auf die Wesen, die Schutzgottheit ist Praja- pati, wie Kenner des Nichtigen sagen.

4. (11610.) Die Hande sind auf das Selbst beziiglich, das Handeln auf die Wesen, die Schutzgottheit ist Indra, wie die Reflexionskundigen erklaren.

5. (11611.) Die Eede ist auf das Selbst beziiglich, das Reden auf die Wesen, die Schutzgottheit ist Agni, wie die Schriftkenner lehren.

6. (11612.) Das Auge ist auf das Selbst beziiglich, die Sichtbarkeit auf die Wesen, die Schutzgottheit ist Surya (die Sonne), wie die Schriftkenner lehren.

Adhyaya 315 (B. 313). 649

7. (11613.) Das Ohr ist auf das Selbst beziiglich, der Ton auf die Wesen, die Schutzgottheiten sind die Himmelsgegen- den, wie die Schriftkenner lehren.

8. (11614.) Die Zunge ist auf das Selbst beziiglich, der Geschmack auf die Wesen, die Schutzgottheiten sind die Wasser, wie die Schriftkenner lehren.

9. (11615.) Das Geruchsorgan ist auf das Selbst beziig- lich, der Geruch auf die Wesen, die Schutzgottheit ist die Erde, wie die Schriftkenner lehren.

10. (11616.) Die Haut ist auf das Selbst beziiglich, die Be- riihrung auf die Wesen, die Schutzgottheit ist der Wind, wie die Wesen skenner sagen.

11. (11617.) Das Manas ist auf das Selbst beziiglich, seine Tatigkeit auf die Wesen, die Schutzgottheit ist der Mond, wie die Kenner der Lehrbiicher sagen.

12. (11618.) Der AhaSikara ist auf das Selbst beziiglich, das Ichbewufstsein auf die Wesen, die Schutzgottheit ist die Buddhi, wie die Wesenskenner sagen.

13. (11619.) Die Buddhi ist auf das Selbst beziiglich, ihre Tatigkeit auf die Wesen, die Schutzgottheit ist der Kshetrajfia, wie die Wahrheitschauenden sagen.

14. (11 620.) Damit ist dir, o Konig, der Umfang ihrer Ent- faltung dargelegt nach Anfang, Mitte und Ende der Wahr- heit gemafs, o Wahrheitskenner.

15. (11621.) Die Prakriti ist es, welche nach Lust und Be- lieben wie zum Spiele ihre Guna's hundertfach und .tausend- fach entfaltet, o grofser Konig.

16. (11622.) Wie die Menschen wenige Lichter zu tausend Lichtern vervielf altigen , so vervielfaltigt die Prakriti ihre Guna's fiir den Purusha.

17. (11623.) Giite, Wonne, Uberflufs, Freude, Erhellung, Lust, Reinheit, Gesundheit, Befriedigung, Glaubigkeit,

18. (11624.) Nicht- Jammern , Untatigkeit, Geduld, Festig- keit, Nicht- Schadigung, Gleichmiitigkeit , Wahrhaftigkeit, Schuldlosigkeit, Sanftmut, Schamhaftigkeit, Gesetztheit,

19. (11625.) Reinlichkeit, Gradheit, guter Wandel, Nicht- Liisternheit, Herzensruhe, Nicht-Prahlen mit der vollbrachten Lossagung von Erwiinschtem und Unerwiinschtem,

650 ni. Mokshadharma.

20. (11626.) Zugreifen, wenn es angeboten wird, Neidlosig- keit, Interesse fur andere und Mitleid mit alien Wesen, das sind die Qualitaten des Sattvam.

21. (11627.) Dies ist der Inbegriff der Qualitaten des JRajas: Schongestalt, Herrschlust und Kriegslust, Nicht-Entsagung^ Mitleidlosigkeit, Hingebung an Lust und Schmerz,

22. (11628.) Freude an libler Nachrede und Zanksucht, Selbstsucht, Ungastlichkeit, Sorge, Feindseligkeit,

23. (11629.) Qualerei, Rauberei, Schamlosigkeit, Mangel an Rechtschaffenheit , Zwist, Rauheit, Begierde, Zorn, Un- besonnenheit,

24. (11630.) Stolz, Hafs und Ubermut, das sind die Quali- taten des Rajas. Nun werde ich den Inbegriff der Quali- taten des Tamas verkiindigen, merke auf.

25. (11631.) Verblendung, geistige Verdunkelung, Finster- nis und blinde Finsternis, blinde Finsternis ist Tod, Finster- nis ist Zorn;

26. (11632.) weitere Merkmale des Tamas sind: Wohl- behagen am Essen und dergleichen, Unersattlichkeit im Essen und Trinken,

27. (11633.) Lust an Wohlgeriichen , Kleidern und Ver- gniigungen, an Liegen und Sitzen, am Schlafen bei Tage, an iibermiitiger Rede und unbesonnenen Streichen,

28. (11634.) an Tanz, Musik und Gesang, Glaubigkeit aus Unwissenheit und Abneigung gegen mancherlei Pflichten, das sind die Qualitaten des Tamas.

So lautet im MokshadhaTina die Unterredung zwischen Yajfiavalkya und Janaka ( YdjTiavalkya - Janaka - samvdda).

Adhyaya 316 (B. 314).

Vers 11635-11654 (B. 1-18).

Yajnavalkya sprach:

1. (11635.) Das sind die drei Guna's der Prakriti, o Bester der Manner, welche der ganzen Welt allezeit und unverlier- bar anhaften.

Adhyliya 316 (B. 314). 651

2. (11 636.) Durch sie geschieht es, dafs der Heilige in der Form des Unentfalteten hundertfach, tausendfach, hundert- tausendfach,

3. (11637.) millionenfach sein inneres Selbst durch sich selbst gestaltet. Das Sattvahafte nimmt die oberste Stelle ein, das Rajas-artige die mittlere,

4. (11638.) das Tamas-artige die untere, so lehren es die Kenner des innern Selbstes. Durch gute Werke allein er- langt man den Weg nach oben,

5. (11639.) durch Gutes und Boses ein menschliches Da- sein, durch Ungerechtigkeit den Weg nach unten. Die Paarung dieser drei und das Zusammenwirken des Betreffenden,

6. (11640.) des Sattvam, Rajas und Tamas, vernimm von mir. An dem Sattvam zeigt sich Rajas, am Rajas das Tamas,

7. (11641.) am Tamas das Sattvam und an dem Sattvam das Unentfaltete. Der Unentfaltete [der Purusha, hier als individueller] , nur noch mit dem Sattvam behaftet, erlangt die Gotterwelt,

8. (11642.) mit Rajas und Sattvam behaftet, gelangt er unter die Menschen, mit Rajas und Tamas behaftet, wird er in tierischen Mutterschofsen geboren,

9. (11643.) mit Rajas-artigem, Tamas-artigem und Sattva- haftem verbunden, erlangt er ein menschhches Dasein. Fiir diejenigen aber, welche sich vom Guten und vom Bosen los- gemacht haben, ist der Ort der Hochsinnigen bestimmt,

10. (11644.) jener ewige, unvergangHche, unzerstorbare, unsterbHche, welcher der Aufenthalt der Wissenden ist, der beste, unverletzhche , unerschiitterhche Ort, (ii645.) der iiber- sinnhche, samenlose, von Geburt, Tod und Finsternis freie.

11. Jenes Hochste, in dem Unentfalteten Weilende, nach welchem du mich gefragt hast, o Mannerherr, (ii646.) das ist jener in der Prakriti Weilende, in ihr weilend wird er genannt.

12. Freilich gilt die Prakriti als ungeistig, o Herr, (11647.) aber von Ihm regiert, schafft sie und rafft wieder in sich hinein.

Janaka sprach:

13. (11648.) Anfanglos und endlos sind doch alle beide, 0 Hochsinniger, ungestaltet und unerschutterlich , [in ihren

652 in. Mokshadharma.

Erscheinungen] unwandelbar qualitathaft und [an sich] quali- tatlos.

14. (11649.) Wie kommt es nun, o Manntiger, da beide unerkennbar sind, dafs der eine von ihnen ungeistig und der andere geistig ist, derjenige namlich, der da Kshetrajfia ge- nannt wird?

15. (11650.) Denn du, o Brahmanenfiirst, liegst mit ganzem Herzen der Lehre von der Erlosung ob, und ich mochte diese Lehre von der Erlosung vollstandig und der Wahrheit ge- mafs kennen lernen.

16. (11651.) So mogest du mir denn die Existenz, die Er- losung von ihr und das Verharren ohne sie erklaren, so wie auch die Gottheiten, welche [als Sinnesorgane] in dem Korper Wohnung nehmen.

17. (11652.) Ferner auch die Statte des beim Sterben aus- ziehenden Verkorperten , und auch die Statte, zu der er im Laufe der Zeit gelangt, mogest du mir erklaren.

18. (11653.) Du mogest mir das Sankhyawissen , wie es in Wahrheit ist, und gesondert davon den Yoga mitteilen, und auch iiber unheilvolle Vorzeichen farishtdni) mogest du mir sprechen, o Bester. (ii654.) Denn alles dieses besitzest du so fest wie eine Myrobalanenfrucht in der Hand.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Yajnavalkya und Janaka ( Ydjuavalkija - Janaka - samedda).

Adhyaya 317 (B. 315).

Vers 11655-11674 (B. 1-20).

Yajnavalkya sprach:

1. (11 055.) 0 Freund, der Qualitatlose kann nicht qualitat- haft gemacht werden, o Volkerherr, noch auch der Qualitat- hafte qualitatlos; das lerne von mir der Wahrheit gemafs.

2. (11656.) Denn durch Qualitaten wird einer qualitathaft, der Qualitatlose ist ohne Qualitaten, so baben es die hoch- herzigen, wahrheitschauenden Muni's ausgesprochen.

3. (11657.) Der Unentfaltete [die Prakriti] hat die Guna's als seine Natur und kann nie von den Guna's loskommen.

Adhyaya 317 (B. 315). 653

sondern bringt sie in Gang, und er ist von Natur nicht er- kennend,

4. (11658.) aber wahrend dieser Unentfaltete nicht erkennt, ist der Purusha von Natur erkennend (lies: jnah), denn er ist sich von Ewigkeit her bewufst, dafs es nichts Hoheres gibt als ihn.

5. (11659.) Aus diesem Grunde ist das Unentfaltete [die Prakriti] ungeistig, und daran wird nichts geandert, mag man sie als ewig und unverganglich oder [mit Riicksicht auf ihre Entfaltungen] als verganglich ansehen.

6. (11660.) Solange nun [der Purusha] aus Mangel an rechter Erkenntnis immer wieder und wieder die Schopfung der Qualitaten veranlafst, solange er sich selbst nicht [als verschieden] erkennt, solange wird er auch selbst nicht erlost.

7. (11661.) Weil er die Schopfungen veranlafst, wird auch er angesehen als seinem Wesen nach schaffend, und weil er auch den Yoga veranlafst, wird er gleichfalls angesehen als seinem Wesen nach yogahaft.

8. (11662.) Weil er die schaffenden Prinzipien zur Tatig- keit veranlafst, ist er den schaffenden Prinzipien verwandt.

9. Und weil er die Keime zur Entwicklung bringt, ist er den Keimen verwandt. (ii663.) Aber wahrend die Quali- taten erzeugt werden und wieder vergehen,

10. wird er, sofern er jene verachtet, mit sich identisch ist und sich dessen bewufst wird, fiir absolut (ii664.) erklart von den Selbstbezwingern, Vollendeten, das innere Selbst Kennenden, Leidenschaftfreien. Jenes andere [die Prakriti] ist verganglich und zugleich ewig, sofern es unentfaltet und entfaltet ist, so haben wir's gelernt.

11. (1166.5.) Die Vielheit [der Entfaltungen] bezeichnen als Einheit, sofern sie ein Unentfaltetes ist, diejenigen Menschen, welche von Mitleid fiir alles Lebende erfiillt sind und das absolute Wissen erlangt haben.

12. (11666.) Verschieden [von allem andern] ist der Purusha, wahrend der Unentfaltete [die Prakriti] wandelbar ist und doch auch unwandelbar heifst. Wie mit dem Schilfgras [als Umschliefser] der Halme (vgl. Kath. Up. 6,17), so ist es auch mit diesem beschaffen.

v654 ni. Mokshadharma.

13. (11667.) Ein anderes ist die Fliege und ein anderes das Feigenblatt, auf dem sie sitzt, und die Fliege wird durch die Verbindung mit dem Feigenblatte nicht befleckt [ihrem Wesen nach nicht verandert].

14. (11668.) Ein anderes ist der Fisch und ein anderes ist das Wasser, und der Fisch wird durch die Beriihrung mit dem Wasser nicht irgendwie befleckt.

15. (11669.) Ein anderes ist das Feuer und ein anderes das Kohlenbecken , das mogest du, bitte, immer bedenken, und das Feuer wird nicht durch die Beriihrung mit dem Kohlenbecken befleckt.

16. (11670.) Ein anderes ist das Lotosblatt und ein anderes das "Wasser [auf dem es schwimmt], und auch hier wird das Lotosblatt durch die Beriihrung mit dem Wasser nicht be- fleckt [vgl. Chand. Up. 4,14,3; Maitr. Up. 3,2].

17. (11671.) Bei alien diesen vermogen die Zusammen- wohnung und Einwohnung, wie sie der Wahrheit nach ist, gemeine Menschen niemals zu begreifen.

18. (11672.) Sie, welche dies anders ansehen, als es ist, er- mangeln der richtigen Erkenntnis und werden sicherlich immer wieder und wieder der furchtbaren Holle anheim- f alien.

19. (11673.) In dieser Sahkhyalehre liegt das hochste Nach- denken beschlossen, und die ihr in dieser Weise nachdenken, die Sahkhya's, gehen zur Absolutheit ein.

20. (11674.) Die anderen aber, welche der Wahrheit kundig sind, haben die folgende Anschauung, die ich dir als die An- schauung der Yoga's nunmehr mitteilen will.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Y&juavalkya und Janaka (Ydjnavalki/a - Janaka - sanwdda).

Adhyaya 318 (B. 316). 655

Adhyaya 318 (B. 316).

Vers 11675-11702 (B. 1-27).

Yajnavalkya sprach:

1. (U675.) Die Sankhyalehre habe ich dir mitgeteilt, die Yogalehre vernimm von mir der Wahrheit gemafs, wie sie auf Schriftiiberlieferung und unmittelbarer Anschauung be- ruht, o Bester der Fiirsten.

2. (1167G.) Kein Wissen kommt dem Sarikhyam gleich, keine Kraft kommt dem Yoga gleich; beide verfolgen das- selbe Ziel, beide fiihren iiber die Verganglichkeit hinaus.

3. (11677.) Fiir verschieden halten beide nur Menschen, die am Unverstand sich freuen, wir aber, o Konig, erkennen sie unzweifelhaft als Einheit.

4. (11678.) Denn was die Yoga's schauen, das wird auch von den Sankhya's erkannt; wer Saiikhyam und Yoga als Einheit erkennt, der weifs die Wahrheit.

5. (11679.) Wisse, o Feindbezwinger, als Yoga- [Mittel] die den Rudra als Obersten habenden anderen [Lebensorgane, prdndh^ Brih. Up. 3,9,4] ; dann schweifen sie mit diesem Korper nach den zehn Himmelsrichtungen hinaus.

6. (11680.) Wahrend [der grobe Leib] dahinfallt, o Freund, wird unter Abstreifung desselben der Yogin zu einem, der vermoge des achtfache Vollkommenheit [Atomkleinheit, Leich- tigkeit, Grofse, Allberiihrung, Wunschverwirklichung, All- beherrschung, Schopferkraft, Alldurchdringung] verleihenden Yoga die Welten mit Lust durchschweift, o Untadliger.

7. (11681.) Denn im Veda erklaren die Weisen, dafs der Yoga die acht Vollkommenheiten gewahrt, aber nur dem feinen Leibe sprechen sie diese acht Vollkommenheiten zu, nicht dem groben, o Bester der Manner.

8. (11682.) Als zweifach aber bezeichnen sie die hochste Yogaleistung der Yoga's, namlich der Anschauung des Systems entsprechend als qualitathaft fsaguna = sahija = samprajndtaj und qualitatlos (nirguna = nirhija = asamprajndtaj.

9. (11683.) Der qualitathafte Yoga besteht in der Fesselung

656 in. Mokshadharma.

des Manas nebst Atemregulierung, o Erdeherr, sodann in dcr Konzentration des Manas gleichfalls mit Atemregulierung.

10. (11G84.) Denn die Atemregulierung ist immerhin quali- tathaft. Man mufs aber in qualitatloser Weise das Manas fesseln, indem man die ganze sichtbare Welt und auch die Lebenshauche hinter sich lafst, o Bester der Mithilaherrscher, (11685.) dann entsteht Erhabenheit iiber den Wind. Darum soli man sich mit ihm [und mit der Atemregulierung] niclit mehr befassen.

11. Fiir den ersten Teil der Nacht sind zwolf Antriebe [der Atemregulierung, codandh] vorgeschrieben ; (ugbg.) fiir den mittleren schlaflosen Teil der Nacht gibt es zwolf weitere Antriebe.

12. In dieser Weise ist von dem beruhigten, bezahmten, nur auf das Eine gerichteten, (ii687.) in dem Atman seine Ruhe findenden Wachenden der Atman im Yoga anzuspannen.

13. Indem er fiinffach die Versiindigungen der fiinf Sinnesorgane beseitigt, (iig88.) den Ton, die Gestalt, die Be- riihrung, den Geschmack und den Geruch,

14. indem er das Aufleuchten und das Erloschen gleich- mafsig vermeidet, o Herr von Mithila, (11689.) indem er die ganze Schar der Sinnesorgane im Manas einschliefst,

15. das Manas im Ahaiikara zum Stillstand bringt, o Mannerherr, (ii690.) den Ahaiikara in der Buddhi, die Buddhi in der Prakriti,

16. nachdem er sie in dieser Weise abgefertigt hat, meditiert er den absoluten, (ii69i.) staublosen, fleckenlosen (lies: amalam), ewigen, unendlichen, reinen, unverwundbaren,

17. feststehenden ftasthusliam !J Purusha, den ewig un- teilbaren, nicht alternden, unsterblichen, (iiC92.) den immer- wahrenden, unzerstorbaren Gott, das unvergangliche Brahman.

18. Vernimm nun die Merkmale des dem Yoga Hin- gegebenen, o grofser Konig; (ii693.) das Merkmal seiner Be- ruhigung ist, wie wenn einer friedlich und sanft schlummert,

19. wie wenn eine mit 01 gefiillte Lampe an windstillem Orte brennt (ii694.) mit unentwegt nach oben strebender Flamme, so schildern die Weisen den im Yoga Begriffenen.

20. Wie ein Stein, wenn er von den aus der Wolke

Adhy^ya 318 (B. 316). 657

spriihenden Tropfen getroffen wird, (ii695.) nicht im mindesten durch sie zum Wanken gebracht werden kann, so ist das Merkmal des im Yoga Begriffenen.

21. Durch den Schall von Muscheln und Trommeln, durch allerlei Gesang und Musik, (U696.) wenn sie ertonen, bleibt er unerschiittert, das ist der Anbhck, den der Erloste gewahrt.

22. Wie ein Mann mit einem olgefiillten Gefafse in den Handen (11697.) eine Treppe hehutsam hinaufsteigt, wahrend er von Schwertbewajffneten bedroht wird,

23. aber festen Geistes vergiefst er nicht einen Tropfen aus dem Gefafse aus Furcht vor ihnen, (ii698.) und so steigt er hinauf, wahrend sein Sinn nur auf das Eine gerichtet ist,

24. weil seine Sinne fest und unerschiitterHch bleiben, (11699.) so hat man die Merkmale eines dem Yoga hingegebenen Muni anzusehen.

25. Wer sich ihm hingibt, schaut das Brahman, jenes hochste, unvergangHche, (U700.) welches dasteht wie ein Licht inmitten der grofsen Finsternis.

26. Dadurch gelangt er zum Absoluten nach Verlassen des unbeseelten Korpers (iiioi.) und nach langer Zeit, o Konig, so lehrt es die ewige Schrift.

27. Dieses [wisse als] den Yoga der Yogin's, das ist das wahre Merkmal des Yoga (ii 702.) als solches wissen es, die es erfahren haben, die zum Endziele gelangten Weisen.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Y&jnavalkya und Janaka

(Ydjnavalkya - Janaka - samvdda).

Adhy^ya 319 (B. 317).

Vers 11703-11723 (B. 1-21).

Yajiiavalkya sprach:

1. (11703.) Vernimm nun auch mit Aufmerksamkeit, o Fiirst, was iiber die aus dem Leibe ausziehende Seele zu sagen ist: Durch die Fiifse ausziehend, gelangt einer zur Statte des Vishnu,

Deussen, Mah&bb&raiam. 42

G58 HI. Mokshadharma.

2. (11704.) durch die Unterschenkel zu den gottliclien Vasu's, wie die Schrift lehrt, durch die Kniee zu den gliick- seligen, gottlichen Sadhya's,

3. (11705.) durch das Entleerungsorgan zur Statte des Mitra, durch den Schofs zur Erde, durch die Schenkel zu Prajapati,

4. (11706.) durch die Seiten zu den gotthchen Marut's, durch den Nahel zur Indraschaft, durch die Arme zu Indra, durch die Brust zu Rudra,

5. (11707.) durch den Hals zu dem besten Muni, dem hochsten Nara (Narayana), durch den Mund zu den Vigve Devah, durch das Ohr zu den Himmelsgegenden,

6. (11708.) durch die Nase zu dem Trager der Geriiche (dem Winde), durch die Augen zu Agni, durch die Augen- brauen zu den gotthchen Agvin's, durch die Stirn zu den Manen,

7. (11709.) durch die Schadeldecke zu dem allgegenwartigen Gotte Brahman, dem Erstgeborenen der Gotter; damit habe ich dir, o Herr von Mithila, die Statten fiir das Herausfahren mitgeteilt (vgl. oben Vers 10927).

8. (11710.) Nun will ich dir die von den Weisen fest- gestellten unheilvollen Vorzeichen farishtdnij erldaren, wie sie fiir den Verkorperten , der innerhalb eines Jahres hin- scheiden wird, in Geltung sind.

9. (11711.) Wer die Arundhati [den Stern Alkor im grofsen Baren] , die er sonst sehen konnte, einmal nicht sehen kann, oder ebenso den Polarstern, oder wer den Vollmond nur als Flamme

10. (11712.) und teilweise von rechts her scheinen sieht, der hat nur noch ein Jahr zu leben. Wer sich nicht sieht im fremden Auge, 0 Erdeherr,

11. (11713.) wer in ihm nicht mehr das eine Figur bildende Abbild seiner Selbst bemerkt, auch der hat nur noch ein Jahr zu leben. Wenn iibermafsiger Glanz und iibermafsiges Wissen sich in Unglanz und Unwissen wandelt,

12. (11714.) wenn eine Umkehr der Naturbeschaffenheit eintritt, so ist dies ein Vorzeichen des Todes binnen sechs

AdhyHya 319 (B. 317). 659

Monaten. Wer die Gotter mifsachtet oder sich gegen Brah- manen widerspenstig zeigt,

13. (11715.) bei wem die dunkle Gesichtsfarbe einen fahlen Schein annimmt, fiir den ist dies ein Vorzeichen binnen sechs Monaten. Wer den Mond rissig sieht wie ein Spinnennetz

14. (11 716.) oder ebenso die Sonne, der stirbt binnen sieben Nachten. Wenn ein Mensch einen Leichengeruch wahrnimmt anstatt der Wohlgeriiche,

15. (11717.) wahrend er in einem Gottertempel weilt, so stirbt er binnen sieben Nachten. Schlaffes Herabhangen von Ohr und Nase, Entfarben von Zahn[fleisch] und Augen,

16. (11718.) Schwund des Bewufstseins und Verlust der Warme sind Anzeichen des Todes am selben Tage. "Wenn einem das linke Auge ohne Ursache trant, o Mannerherr,

17. (11719.) und wenn Dampf von seinem Kopfe aufsteigt, so ist das ein Anzeichen des Todes am selben Tage. Diese Vorzeichen sich gegenwartig haltend, moge der atmanhafte Mensch

18. (11720.) Tag und Nacht sich mit dem hochsten Atman eins wissen, indem er die Zeit abwartet, zu welcher hinzu- scheiden ihm bestimmt ist.

19. (11721.) Ist ihm aber das Sterben nicht willkommen, so mag er wiinschen, noch zu leben, moge aber die irdische Tatigkeit nebst alien Geriichen und Geschmacken nieder- halten, o Mannerherr.

20. (11722.) Mit Sankhyalehre und Yogafesselung sich seines Atman bewufst bleibend, o Mannerstier, wird er dann den Tod iiberwinden durch den Yoga, ihm ganz hingegeben mit innerer Seele.

21. (11723.) Dann geht er hin und erlangt die unvergang- liche, vollkommene, geburtlose, selige, unverlierbare, ewige, unerschiitterliche Statte, welche unerreichbar ist fur solche, die unbereiteten Geistes sind.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Y&jnavalkya und Janaka (Ydjnavalkya - Janaka - samvdda).

42*

660 HI. Mokshadharma.

Adhyaya 320 (B. 318). Vers 11724-11836 (B. 1-112).

Yajnavalkya sprach:

1. (11724.) Ich bin von dir, o Fiirst der Manner, gefragt worden nach jenem Hochsten, welches im Verborgenen weilt; vernimm, o Fiirst, mit Aufmerksamkeit, was iiber diese hochst geheimnisvolle Frage zu sagen ist.

2. (11725.) Indem ich demutvoll nach vedischem Gesetze wandelte, sind mir, o Fiirst von Mithila, von Aditya (dem Sonnengott) die Opferspriiche [des weisen Yajurveda, Brih. Up. 6,5,3] veriiehen worden.

3. (11726.) Durch die grofse Glut meines Tapas wurde der glutfrohe Gott verehrt, und so kam es, dafs der allbeherr- schende Sonnengott zu mir, o Untadliger, erfreut dieses Wort sprach:

4. (11727.) Wahle, o Brahmanenweiser, ein Geschenk, wie du es wiinschest, so schwer erlangbar es auch sein mag, ich werde es dir mit freudigem Herzen geben, obgleich raeine Gnade schwer erlangbar ist.

5. (11728.) Da neigte ich mein Haupt und sprach zu dem Obersten der Gliihenden: Opferspriiche, wie sie noch nicht in Gebrauch gewesen sind, wiinsche ich augenblicklich zu erlernen.

6. (11729.) Da sprach der Heilige zu mir: Ich werde sie dir verleihen, die Sarasvati hier wird als Eede in deinen Leib eingehen.

7. (11730.) Und weiter sprach der Heilige zu mir: Offne deinen Mund, und alsbald offnete ich meinen Mund und Saras- vati ging in ihn ein.

8. (11731.) Da geriet ich in Gluthitze und sprang ins Wasser, o Untadliger, aus Unkenntnis und Unwillen gegen den hochherzigen Lichtspender.

9. (11 732.) Da sprach zu mir, der ich in Gluthitze geraten war, der heilige Sonnengott: Ertrage den Brand eine Weile, dann wird er sich abkiihlen.

Adhyaya 320 (B. 318). 661

10. (11733.) Als der heilige Lichtspender mich abgekiihlt sah, sprach er zu mir: Der Veda soil dir zuteil werden mit alien Erganzungen und Anhangen, o Zwiegeborener,

11. (11734.) und das ganze (^atapatham sollst du, o Stier der Brahmanen, der Welt kund machen, und ist das ge- schehen, so wird dein Geist dazu gelangen, nicht mehr wieder- geboren zu werden,

12. (11735.) und du wirst zu der erwunschten, von Sankhya und Yoga erstrebten Statte eingehen. So sprach der heilige Sonnengott und ging zur Riiste.

13. (11736.) Nachdem ich das Gesprochene vernommen hatte und der glanzreiche Gott entschwunden war, ging ich voU Freude nach Hause und gedachte dabei der Sarasvati.

14. (11737.) Da geschah es, dafs die wunderschone, mit Vokalen und Konsonanten geschmiickte und den Omlaut an der Stirn tragende Gottin Sarasvati vor mir erschien.

15. (11738.) Nun rezitierte ich vorschriftsmafsig vor der Sarasvati das Gebiihrende und ebenso vor dem Besten der Gliihenden, indem ich voll Andacht dasafs.

16. (11739.) Und da geschah es, dafs ich das ganze (^ata- patham nebst der Upanishad frahasyamj , den Ausziigen und Nachtragen zu meiner hochsten Freude aufsagen konnte.

17. (11740.) Auch betrieb ich das Studium derselben mit hundert vorziiglichen Schiilern zum Verdrusse meines hoch- sinnigen Oheims [Vaigampayana] und seiner Schiiler.

18. (11741.) Darauf wurde von mir und meinen Schiilern, wie von der mit Strahlen umgebenen Sonne, das Opfer deines hochsinnigen Vaters, o grofser Konig, ausgebreitet.

19. (11742.) Nun beanspruchte ich vor den Augen des Devala von dem uns fiir die Vedarezitation zukommenden Opferlohne die Halfte, woriiber mein Oheim mit mir in Streit geriet,

20. (11743.) aber von Sumantu, Paila, Jaimini, deinem Vater und den iibrigen Weisen wurde mir Recht gegeben.

21. (11744.) Fiinfzehn Opferspriiche waren es [namlich ge- wesen], o Untadliger, welche ich von dem Sonnengotte er- halten hatte; dazu wurde mir ferner von Romaharsha das Puranam mitgeteilt.

662 ' III. Mokshadharma.

22. (11745.) Indem ich. dieses alles als ersten Keim [meinem Werke] zugrunde legte und die Gottin Sarasvati zu Hilfe nahm, gelang es mir, durch die Macht des Sonnengottes, o Mannerfiirst,

23. (11746.) das (^atapatham zu verfassen. So wurde dieses nie vorher Dagewesene von mir gemacht und, wie es von mir gewiinscht worden war, als der rechte Weg (mar gam '.) dargelegt,

24. (11747.) und auch meinen Schiilern das vollstandige Ganze mitsamt den Ausziigen gewahrt. Und alle Schiiler gingen gelautert und hocherfreut von dannen.

25. (11748.) Jene fiinfzehn Ursprossen aber sind als die Wissenschaft vom lichtbringenden Gotte offenbart worden, man moge sie zugrunde legen und folgendes nach Lust als Gegenstand des Wissens iiberdenken [anucintayet mit C):

26. (11749.) Was ist hierin die heilige Wahrheit, was der hochste Gegenstand des Wissens? In Gedanken hieriiber kam einst ein Gandharva zu mir und befragte mich.

27. (11750.) Es war namlich Vigvavasu, o Konig, der des Vedantawissens Kundige, welcher mir vierundzwanzig auf den Veda beziigliche Fragen vorlegte, o Erdeherr,

28. (11751.) und eine fiinfundzwanzigste Frage nach der Anvikshiki (der argumentierenden Wissenschaft). Was ist das All? das Nichtall? die Stute? der Hengst? Mitra? Varuna?

29. (11752.) das Wissen? das Zuwissende? der Nicht- erkenner? der Erkenner? der Ka? der Leidende? der Nicht- leidende? der Sonnenfresser ? die Sonne? die Wissenschaft? die Nichtwissenschaft?

30. (11753.) das Wifsbare? das Nichtwifsbare ? das Un- bewegliche? das Bewegliche? das Urspriingliche ? das Un- vergangliche ? das Vergangliche ? das war die letzte Frage.

31. (11754.) Da sprach ich, o grofser Konig, zu dem konig- lichen, vortreff lichsten , zielbewufsten Gandharven, der diese Reihe der hochsten Fragen an mich gerichtet hatte:

32. (11755.) Warte eine kleine Weile, wahrend ich mir die Sache iiberlege. So sei es, erwiderte der Gandharva und verharrte in Schweigen.

33. (11756.) Nun gedachte ich nochmals der Gottin Saras-

Adhyaya 320 (B. 318). 663

vati, da wurde mittels meines Verstandes die Beantwortung jener Fragen aus mir herausgequirlt, wie Butter aus der Milch.

34. (11757.) Und auch die Upanishad und den Nachtrag, o Herr, quirlte ich mittels meines Verstandes aus mir heraus, indem ich zugleich die Anvikshiki (die argumentierende Wissenschaft) im Auge behielt.

35. (11758.) Was aber jene vierte auf den Zustand nach dem Tode beziigliche Wissenschaft betrifft, welch e noch iiber die fiinfundzwanzig Fragen hinausgeht, so wurde diese, o grofser Konig, dir schon von mir [in Adhyaya 319, oben S. 657 fg.] mitgeteilt.

36. (11759.) Damals also, o grofser Konig, gab ich dem ViQvavasu zur Antwort: Hore die Antwort auf die Fragen, welche du, o Herr, an mich gerichtet hast.

37. (11760.) Wenn du, o Fiirst der Gandharven, nach dem All und Nichtall fragtest, so soil man wissen, dafs das All das hochste Unentfaltete ist, welches [als allverschlingend] Vergangenes und Zukiinftiges in Furcht halt,

38. (11761.) und welches dreigunahaft ist, sofern es die Guna's aus sich gebiert. Das Gegenstiick des All ferner ist der Unteilbare. Unter dem Hengst und der Stute ist ebendasselbe Paar zu verstehen.

39. (11762.) Das Unentfaltete wird auch Prakriti genannt, und unter dem Gunalosen ist der Furusha zu verstehen. In derselben Weise ist unter Mitra der Purusha, unter Varuna die Prakriti zu verstehen.

40. (11763.) Das Wissen [sofern es durch Buddhi, Manas, Indriya's bedingt ist] heifst Prakriti, das Zuwissende ist der Unteilbare ; Nichterkenner und Erkenner ist der Pu- rusha [als gebundener und erloster], darum wird er [als Sub- jekt des Erkennens] der Unteilbare genannt.

41. (11764.) Ferner wurden der Ka, der Leidende und der Nichtleidende genannt; der Ka ist wieder jener Purusha, der Leidende ist die Prakriti, der Nichtleidende ist der Un- teilbare.

42. (11765.) Das Nichtwifsbare ist die Prakriti, das Wifsbare der Purusha. Und wenn du mich weiter nach dem Beweglichen und Unbeweglichen fragtest, so vernimm von mir,

664 ' in. Mokshadharma.

43. (1176G.) dafs unter dem Beweglichen die Prakriti zu verstehen ist als die [materiellej Ursache des Vergehens und Entstehens; der Unbewegliche ist der Purusha als der Veranlasser von Wegraffung und Neuschopfung.

44. (11767.) [Andererseits] ist das Wif share das Unent- faltete und der Nichtwifsbare der Purusha, heide sind un- hewufst, hestandig und unvergangHch.

45. (11768.) Beide werden als ungehoren und ewig he- zeichnet auf Grund der Gewifsheit der Erkenntnis des inneren Selhstes.

46. Weil sie hei ihrem Erzeugen unverganglich hleiht, hezeichnet man sie [die Prakriti] als das Ungehorene und Unerreichhare. (ii769.) Unter dem Unverganglichen ist auch der Purusha zu verstehen, denn fiir ihn gibt es keinen Vergang.

47. Sofern ihre Guna's vergehen, ist die Prakriti [das Vergangliche]; sofern es der Veranlasser ist, [bezeichnen] die Weisen [den Purusha] als den Unverganglichen. (ii770.) Da- mit hast du die argumentierende Wissenschaft, die vierte ist die auf den Zustand nach dem Tode bezugliche.

48. Fiir einen, dem es nur darauf ankommt, in bestan- digem Werkdienste durch sein Werk einen von Wissenschaft begleiteten Reichtum zu erlangen, (ii77i.) fiir den, o ViQva- vasu, haben samtliche Veden nur diesen einen Zweck.

49. Wer aber nicht dasjenige, worin alle Wesen geboren werden und sterben, und woraus sie hervorgegangen sind, (11 772.) als den eigentlichen Zweck des Veda und als das Zu- wissende begreift, o Bester der Gandharven,

50. der, und hatte er auch die Veden mitsamt Vedanga's und Upahga's (Gesch. d. Philos. I, 1, S. 45) durchstudiert, (11773.) versteht nichts von dem wahren Sinn des Veda und ist nur ein Lasttrager des Veda.

51. Wer, um Butter zu gewinnen, Eselsmilch quirlt, o Bester der Gandharven, (11774.) der wird statt Rahm und Butter nur Mist zu sehen bekommen.

52. Ebenso wird der, welcher als Vedakenner das Wissens- werte [den Purusha] und das Nichtwissenswerte [die Prakriti]

Adhyaya 320 (B. 318). 665

nicht herauszufinden weifs, (11775.) als ein blofser Tor nur ein Lasttrager der Wissenschaft sein.

53. Diese beiden mufs man allezeit im Auge behalten mit ungeteilt hingegebenem Geiste, (11 776.) wenn einem Geburt und Tod nicht immer wieder und wieder zuteil werden sollen.

54. Wer das ohne Unterlafs erfolgende Geborenwerden und Sterben iiberdenkt, der wird diese dreifache Wissenschaft [den Werkteil der drei Veden] (11777.) als das VergangUche dahinten lassen und in der unverganghchen Satzung "Wurzel fassen.

55. Wenn er diese fort und fort Tag fiir Tag im Auge behalt, o Kagyapa, (11 778.) dann wird er zur Absolutheit ge- langen und den Sechsundzwanzigsten schauen.

56. Ein anderer ist der Ewige, Unentfaltete, und ein anderer der Fiinfundzwanzigste, (11 779.) von jenem lehren die Guten, dafs beide [Purusha's] ihn als den einzigen anschauen sollen.

57. Darum geben sie sich nicht zufrieden mit jenem Fiinfundzwanzigsten, Unerschiitterlichen, (ii780.) weil siefiirch- ten, dadurch der Geburt und dem Tode zu verfallen, sie, die nach dem Hochsten strebenden Anhanger des Yoga und Saiikhyam.

ViQvavasu sprach:

58. (11781.) Was du, o bester Brahmane, als jenes Fiinf- undzwanzigste [den Jiva, die individuelle Seele] bezeichnetest, existiert das in Wahrheit oder existiert es nicht? Das mogest du, o Herr, mir erklaren.

59. (11782.) Wohl habe ich vernommen [von den Unter- redungenj des Jaigishavya und Asita Devala (oben, S. 327 fg.), des Priesterweisen Paragara und des verstandigen Varsha- ganya,

' 60. (11783.) des Bhrigu (S. 144 fg.), PaficaQikha (S. 270 fg.), Kapila (S. 449 fg.) und Quka (S. 333 fg.), des Gautama, Arshtishena und des hochsinnigen Garga,

61. (11784.) des Narada (S. 405 fg.), Asuri, des verstan- digen Pulastya, des Sanatkumara (oben, S. 1 fg.) und des hochsinnigen Qukra

62. (11785.) und meines Vaters Ka<?yapa (vgl. oben,

666 ni. Mokshadharma.

Vers 11 777), das alles habe ich vordem vernommen und weiter noch [die Reden] des Rudra und des weisen Vigvarupa.

63. (11786.) Von Gottern, Vatern und Daiteya's hinter- einander habe ich alles dieses iiberkommen, und sie erklarten es fiir den ewigen Gegenstand des Wissens.

64. (11787.) Darum mochte ich dieses durch deine Weis- heit auseinandergesetzt wissen, o Brahmane, denn du bist der oberste, bist der selbstvertrauende Kenner der Lehrbiicher, der sehr Weise.

65. (11788.) Es gibt nichts, was dir unbekannt ware, du, o Herr, bist ein Ozean des heiligen Wissens, das erzahlt man sich in der Gotterwelt und in der Vaterwelt, o Brahmane,

66. (11789.) und auch die zur Brahmanwelt eingegangenen grofsen Weisen preisen dich, und Aditya, der Herr der Gliihenden, ist bestandig der Verkiinder deines Ruhmes.

67. (11790.) Das ganze Sankhyawissen ist von dir erlangt worden, o Brahmane, und namentlich auch, 0 Yajnavalkya, die Lehre des Yoga.

68. (11791.) Du bist ohne Zweifel ein Erweckter und kennst das Bewegliche und Unbewegliche, ich wiinsche das Wissen zu vernehmen, welches aus dir quillt wie die Butter aus dem Rahm.

Yajnavalkya sprach:

69. (11792.) 0 Bester der Gandharven, ich erachte dich zwar fiir einen, der schon das Ganze besitzt, aber da du mich befragst, o Konig, so vernimm es, wie es in der Schrift gelehrt wird.

70. (11793.) Die nicht erkennende Prakriti erkennt der Fiinfundzwanzigste , nicht aber erkennt, o Gandharva, die Prakriti den Fiinfundzwanzigsten.

71. (11794.) Vermoge dieses ihres Erkanntwerdens wird die Prakriti das Pradhanam (die Grundwesenheit) genannt von den Saiikhya's und Yoga's, welche die in der Schrift dargelegte Wahrheit erkennen.

72. (11795.) Schauend und auch wieder nicht schauend, schaut allezeit der andere [der Fiinfundzwanzigste], 0 Un- tadliger, er schaut den Sechsundzwanzigsten, den Fiinfund- zwanzigsten und den Vierundzwanzigsten [die Prakriti].

Adhyaya 320 (B. 318). 667

73. (11796.) Aber obgleich er schaut, schaut er doch nicht ihn, der auf ihn herabschaut, sondern er, der Fiinfund- zwanzigste, wahnt, dafs kein anderer iiber ihm stehe.

74. (11797.) Nicht aber sollen sich mit dem Vierund- zwanzigsten befassen die Menschen, welche die Wahrheit schauen. Der Fisch durchstreift das Wasser und bewegt sich durch eigene Bewegungskraft.

75. (11798.) Was von dem Fische gilt, das gilt auch von jenem [Fiinfundzwanzigsten] : Wegen des Anhaftens und Zu- sammenwohnens und wegen des bestandigen Wahnes

76. (11799.) sinkt er unter wahrend der Zeit, wann er die Einheit nicht schaut, und er taucht empor zu der Zeit, wann er von der Identitat durchdrungen ist.

77. (11800.) Wenn der Zwiegeborene erst zu derErkennt- nis gelangt ist: ein anderer bin ich und ein anderer ist er [der Vierundzwanzigste], dann gelangt er zur Absolutheit und schaut den Sechsundzwanzigsten.

78. (11801.) Ein anderer, o Fiirst, ist der Hochste und ein anderer der Fiinfundzwanzigste ; weil letzterer nur der Stand- ort von jenem ist, erkennen die Guten beide nur als einen.

79. (11802.) Darum geben sie sich nicht zufrieden mit jenem Fiinfundzwanzigsten, Unerschiitterlichen, weil sie fiircli- ten, dadurch der Geburt und dem Tode zu verfallen, sie, die Anhanger des Yoga und Sankhyam, o Kapyapa, (ii803.) welche auf den Sechsundzwanzigsten hinblicken in Reinheit und volliger Hingebung [vgl. Vers ii779fg.].

80. Wenn er, zur Absolutheit gelangend, den Sechsund- zwanzigsten schaut, (11804.) dann wird der Weise allwissend und verfallt nicht abermaligem Geborenwerden.

81. Damit ist dir, o Untadliger, von mir der Nichterweckte, der Erwachende (11805.) und der Erweckte der Wahrheit ge- mafs und nach Anschauung der Schrift dargelegt worden,

82. [der Erweckte], welcher nicht mehr unterscheidet zwischen Schauendem und Geschautem, zwischen dem Miifsigen und dem Objekte, o Kagyapa, (118O6.) dem Absoluten und Nicht- absoluten, dem Fiinfundzwanzigsten als Weltanfang und dem, was das Hochste ist.

668 III. Mokshadharma.

Vi^vavasu sprach: 83. (11807.) Da hast du, o Herr, die schone Wahrheit aus- gesprochen, die voile, beseligende, die der Ursprung der Gotter ist; unvergangliches Heil werde dir allezeit zuteil, moge dein Oeist fiir und fiir durch Einsicht in der Einsicht wurzeln!

Yajiiavalkya sprach :

84. (11808.) So sprach der Hochsinnige und stieg zum Himmel empor, glanzend in Schonheit, nachdem er mit grofster Befriedigung mich gegriifst und nach rechts hin umwandelt hatte.

85. (11809.) Dort lehrte er die empfangene Einsicht den Himmelsbewohnern mit Brahman an der Spitze und denen auf der Erde und den in der Tiefe Weilenden, o Mannerfiirst, welche alle in rechter Weise den Heils- weg heschritten.

86. (11810.) Alle Saiikhya's, die sich der Sahkhya- satzung erfreuen, und die Yoga's, die sich der Yoga- satzung erfreuen, und alle anderen Menschen, die nach Erlosung trachten, diesen alien ist diese durch Erkenntnis geschaute Wahrheit zuteil geworden.

87. (11811.) Aus der Erkenntnis entspringt die Erlosung, o Konigslowe, nicht aus der Nichterkenntnis, so lehren sie, o Fiirst der Manner, darum soil man nach der wahren Erkenntnis trachten , dann wird man seinen Atman von Geburt und Tod befreien.

88. (11812.) Mag man diese Erkenntnis von einem Brah- manen empfangen oder von einem Kshatriya oder Vaigya oder selbst von einem gemeinen (^udra, sofort soil man sie jederzeit mit Glaubigkeit annehmen, dem Glaubigen konnen Geburt und Tod nichts mehr anhaben.

89. (11813.) Alle Kasten, die Brahmanen und die von ihnen Abstammenden, alle bekennen jederzeit das Brah- man; als die Wahrheit verkiindige ich durch Brahman- einsicht die Lehre: dieses ganze Weltall ist insgesamt Brahman.

90. (11814.) Aus Brahman's Mund sind die Brahmanen entsprungen, aus seinen Armen die Kshatriya's, aus seinem

Adhyaya 320 (B. 318). 669

Nabel die Vaigya's, aus seinen Fiifsen die (^udra's, alle Kasten sind so und nicht anders anzusehen.

91. (11815.) Wegen ihres Nichtwissens wird ihnen bald diese, bald jene Geburt fiirihre Werke zuteil, o Konig, und wieder gehen alle Kasten ebenso in das Nichtsein iiber, wie sie, der Erkenntnis ermangelnd, in das gemeine Netz der Geburt durch ihr furchtbares Nichtwissen ge- stiirzt worden waren.

92. (11816.) Darum mufs man das Wissen von iiberall- her erfragen, und dafs es bei alien [Kasten] zu finden ist, babe ich dir bereits gesagt. Der Brahmane, welcher es besitzt, und jeder andere, der darin gegriindet ist, dem wird die ewige Erlosung verheifsen, o Fiirst der Manner.

93. (11817.) Wonach du micli gefragt hast, das babe ich dir der Wahrheit gemafs erklart, darum magst du frei von Kummer leben; verfolge, o Konig, diese An- gelegenheit bis zu ihrem andern Ufer, damit ist alles gesagt; moge dir ewiges Heil zuteil werden!

' Bhishma sprach:

94. (11818.) Als der Konig in dieser Art von dem weisen Yajnavalkya belehrt worden war, da wurde er, der Herr von Mithila, von Freude erfullt.

95. (11819.) Nachdem der trefflichste Muni die Umkreisung nach rechts hin entgegengenommen hatte und geschieden war, blieb der mannerbeherrschende Sprofs des Devarata sitzen als ein der Erlosung Kundiger.

96. (11820.) Zehn Millionen Kiihe und Gold verteilte er an die Brahmanen und gab ihnen dazu soviel Edelsteine, wie beide Hande fassen konnten.

97. (11821.) Die Herrschaft iiber die Videha's aber iiber- gab er seinem Sohne, und er, der Fiirst von Mithila, betrieb fortan die Pflichten eines Asketen.

98. (11822.) Und indem er das Saiikhyawissen und die gesamte Yogadisziplin studierte, verschmahte er die gemeine Beschaftigung, iiber Recht und Unrecht zu richten.

99. (11823.) Ewig bin ich, so dachte er, und ergab sich

-670 III. Mokshadharma.

fur immer dem Absoluten, aber Recht und Unrecht, Gutes und Boses, Wahrheit und Unwahrheit,

100. (11824.) Geburt und Tod, das alles erachtete er fiir gemein, o Fiirst der Konige. Denn dafs das alles nur das Unentfaltete und seine Evolutionen angehe, o Mannerfiirst,

101. (11825.) das sehen die Saiikhya's und die Yoga's ein und schopfen die Beweise dafiir aus ihren Lehrbiichern. Denn das Brahman, welches hoher als das Hochste ist, beharrt in Freiheit von Erwiinschtem und Unerwiinschtem.

102. (11826.) Es ist das, welches die Weisen das Ewige, -das Reine nennen, darum werde auch du rein. Was gegeben wird, was man nimmt, was man als Gabe sich gefallen lafst,

103. (11827.) was man schenkt, o Fiirst, und empfangt, -das alles schenkt und empfangt man im Bereiche des Un- entfalteten [der PrakritiJ.

104. (11828.) Aber der Atman gehort nur dem Atman an, welches andere gabe es, das hoher als er ware! So sollst du allezeit denken und dich um nichts anderes kiimmern.

105. (11829.) Nur fiir denjenigen, welcher das Unentfaltete nicht kennt, nicht das Gunahafte, nicht das Gunalose, der mag immerhin in seiner Weisheit Badeplatze besuchen und Opfer darbringen.

106. (11830.) Aber durch kein Vedastudium, keine Askese oder Opfer, o Kurusprofs, kann man die Statte des Unentfal- teten [hier = Purusha] erreichen ; nur wer ihn erkennt, gelangt zur Herrlichkeit.

107. (11831.) In derselben Weise wird einer [je nach dem Grade seiner Erkenntnis] die Statte des Mahan oder die des Ahankara oder andere Statten jenseits des Ahaiikara erlangen.

108. (11832.) Aber nur die, welche das iiber das Unentfaltete [die Prakriti] erhabene Ewige auf Grund der Lehre erkennen, erlangen das von Geburt und Tod Freie, jenes Freie, welches weder seiend noch nichtseiend ist.

109. (11833.) Diese Erkenntnis habe ich vordem von Janaka erhalten, dieser aber erhielt sie, o Konig, von Yajfiavalkya ; die Erkenntnis ist erhaben iiber den Opfer- kultus, durch die Erkenntnis und nicht durch Opfer iiber- windet man alle Schwierigkeiten.

Adhy&ya 320 (B. 318). 67 1

110. (11834.) Die Schwierigkeiten liegen in Geburt und Tod, sie sind nicht blofs stpff licher Art, wie die Wissenden lehren, darum kann man durch Opfer, Askese, Selbst- bezwingung und Geliibde nur einen solchen Himmel er- langen, von dem man wieder herabsinkt.

111. (11835.) Somit mogest du nur das Hochste, Grofse, Reine verehren, die selige Befreiung, die fleckenlose Lau- terung; diese Statte erkennend, o Fiirst, und das Opfer des Wissens als die Wahrheit hochhaltend, wirst du ein Rishi werden.

112. (11836.) Weil jener Yajnavalkya vordem dem Fiirsten Janaka die Upanishad iibermittelte und das in ihr behandelte Ewige, Unvergangliche, darum gelangte er zu der herrlichen , leidlosen Unsterblichkeit.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwiacben Yajnavalkya und Janaka (Ydjfiaealkya -Janaka - samudda).

Adhyaya 331 (B. 319).

Vers 1 1 837-1 1 851 (B. 1-15).

Yudhishthira spracli:

1. (11837.) Wie kann einer, der sich im Besitze grofser iibernatiirlicher Krafte oder reicher Giiter oder langer Lebens- dauer befindet, dem Tode entgehen,

2. (11838.) sei es durch grofse Askese oder Werke oder Schriftgelehrsamkeit ? Oder durch welche Lebensehxiere kapn man Alter und Tod vermeiden?

Bhishma sprach:

3. (11839.) Auch dariiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich des bettelnd umherpilgernden Pancagikha Unterredung mit dem Konige Janaka.

4. (11840.) Janaka, der Konig von Videha, befragte den iiberaus vedakundigen grofsen Weisen PaiicaQikha, der alle Zweifel iiber den Sinn des Gesetzes gelost hatte:

5. (11841.) Durch welches Verbal ten, o Heiliger, kann man

672 in. Mokshadhama. ,

Alter und Tod vermeiden, sei es durch Askese oder durch Einsicht oder durch Werke oder durch Schriftgelehrsamkeit ?

6. (11842.) Auf diese Frage erwiderte dem Videhakonige er, dessen Wissen bis ins Verhorgene drang: Zu vermeiden sind die beiden nicht, und doch ist es nicht unmoghch, sie zu vermeiden.

7. (11843.) Nicht kommen die Tage wieder, nicht die Mo- nate und nicht die Nachte, und der Mensch, ungewifs wie er ist, geht endhch den gewissen Weg.

8. (11844.) AUe Wesen fallen der Vernichtung anhein;; wie durch einen Strom wird man immer weiter fortgerissen, und dem, der fortgerissen wird und untersinkt auf dem schiff- losen Ozean der Zeit,

9. (11845.) in dem Alter und Tod als grofse Krokodile hausen, kommt niemand zu Hilfe, keiner steht ihm zur Seite, und er steht keinem zur Seite

10. (11846.) Nur ein Sichtreffen auf dem Wege ist die Verbindung mit Gattinnen und Verwandten, und noch nie ist einer gewesen, der mit ihnen ewig zusammengewohnt hatte.

11. (11847.) Durch den Zeitgott werden sie wieder und wieder bald mit diesem, bald mit jenem zusammengeweht unter Donnern wie kommende und gehende Wolkenmassen durch den Wind.

12. (11848.) Alter und Tod verschlingen wie Wolfe die Wesen, die starken und die schwachen, die kleinen und die grofsen.

13. (11849.) Aber von ewiger Beschaffenheit ist der in diesen verganglichen Wesen in die Erscheinung tretende fhhidaj Atman. Wie sollte der Freude an dem Entstehen oder Kummer iiber das Vergehen empfmden!

14. (11850.) Woher bin ich gekommen? wer bin ich? wo- hin werde ich gehen? wem gehore ich an? worin bin ich gegriindet? [Da alle diese Fragen den Atman nicht betreffen,] wie solltest du irgend jemandem nachtrauern?

15. (11851.) Wer anders als du geht dem Himmel, wer anders der Holle entgegen ! Darum iibertrete nicht das heilige Gesetz, sondern sei fleifsig im Spenden und Opfern.

So lautet im MokshadhaTma die Unterredung zwischen Panca^ikha und Janaka (Panca^ik/ia-Janaka - sauicdda).

Adhyaya 322 (B. 320). C73

Aclhyaya 322 (B. 320).

Vers 11852-12043 (B. 1-190).

Yudhishthira sprach:

1. (11852.) Wer vermag, auch ohne den Hausvaterstand aufzugeben, die Befreiung von der Buddhi [und den iibrigen Evolutionen der Prakriti] als das Wesen der Erlosung zu erlangen? Das sage mir, o Bester der Konigsweisen unter den Kuru's.

2. (11853.) Wie dieser [individuelle] Atman abgeschiittelt wird, und wie das, was der Atman des Entfalteten [der Korper] heifst, und was das hochste Ziel der Erlosung ist, das sage mir, 0 Grofsvater.

Bhishma sprach :

3. (11854.) Auch dariiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, o Bharata, namlich die Unterredung des Janaka mit der Sulabha.

4. (11855.) Es war einmal ein Konig, der die Frucht der Entsagung genofs, zu Mithila mit Namen Janaka Dharma- dhvaja, so ist es iiberliefert.

5. (11856.) Er, der sich mit dem Veda, mit dem Erlosmigs- gesetz und mit seinem eigenen [Konigs-] Gesetz viele Miihe gegeben hatte, regierte sein Land, indem er seine Sinne in Zucht hielt.

6. (11857.) Von seinem guten Wandel horten andere veda- kundige, weise Manner in der Welt und eiferten ihm nach, o Herr der Manner.

7. (11858.) Nun geschah es, dafs in diesem gerechten Zeit- alter eine der Yogasatzung beflissene Bettelnonne mit Namen Sulabha allein die Welt durchpilgerte.

8. (11859.) Indem sie in dieser Weise die ganzeWelt durch- streifte, horte sie hier und da, wie der Konig von Mithila von Dreistabtragern (Asketen) in betreff der Erlosung ge- riihmt wurde.

9. (11860.) Als sie diese schwer glaubliche Kunde vernahm, zweifelte sie an ihrer Wahrheit, und es stieg in ihr der Wunsch auf, den Janaka kennen zu lernen.

Deussen, Mah4bh&ratam. 43

674 in. Mokshadharma.

10. (11861.) Da streifte sie durch Yogazauberkunst ihre friihere Gestalt ab und nahm eine andere Gestalt von un- vergleichlicher Korperschonheit an.

11. (11862.) Und in einem Augenblick flog leicht wie ein Pfeil die Schonbrauige, Lotosaugige auf die Stadt der Videha's zu.

12. (11863.) Angelangt in dem lieblichen, von vielen Men- schen erfiillten Mithila, nahte sie sich unter dem Vorwande zu betteln dem Fiirsten der Stadt.

13. (11864.) Als der Konig ihre iiberaus jugendliche und schone Gestalt sah, geriet er in Erstaunen und fragte: Wer ist diese, zu wem gehort sie und wo kommt sie her?

14. (11865.) Nachdem er sie willkommen geheifsen hatte, hot er ihr einen vorziiglichen Sitz an, ehrte sie durch Fufs- waschung und erquickte sie durch vortreffliche Speise.

15. (11866.) Als die Bettelnonne mit Vergniigen gegessen hatte, unternahm sie es, den von seinen Raten umgebenen Konig inmitten der aller Auslegungen kundigen Gelehrten anzustacheln,

16. (11867.) und zweifelnd, ob er in seiner Pflichterfiillung der Erlosung teilhaftig geworden war oder nicht, drang die Sulabha vermoge ihrer Yogakunst mit ihrer Wesenheit in die Wesenheit des Konigs ein.

17. (11868.) Mit den Strahlen ihrer Augen fesselte sie seine Augenstrahlen und, um ihn anzustacheln, band sie ihn durch die Bande des Yoga.

18. (11869.) Aber der Konig Janaka lachelte, und um ihre Macht zu iiberwinden, suchte er durch seine Macht die ihre zu fesseln, o Bester der Konige.

19. (11870.) Vernimm nun, welche Unterredung sie, an demselben Orte zusammengekommen , miteinander pflogen, wahrend er den Sonnenschirm und die iibrigen Zeichen der Konigswurde und sie den Dreistab abgelegt hatte.

Janaka sprach:

20. (11871.) Zu welchem Zwecke hast du, o Heilige, diese Pilgerschaft unternommen, wohin willst du gehen, zu wem gehorst du und woher kommst du? So befragte sie der Herr des Landes.

Adbyaya 322 (B. 320). 675

21. (11872.) Wie es mit deiner Schriftkunde, deinem Lebens- alter und deiner Geburtsstellung in Wahrheit steht, ist mir nicht bewufst, darum mogest du iiber diese Dinge bei der Zusammenkunft mit mir Aufschlufs geben.

22. (11873.) Wisse, dafs ich den Sonnenschirm und die iibrigen Abzeichen nicht blofs zum Scheine abgelegt habe; ich wiinsche dich dadurch zu ehren, denn du verdienst es und wirst von mir geehrt.

23. (11874.) Vernimm, von wem ich dieses hervorragende Wissen als einzigem Lehrer desselben ehemals empfangen habe, vernimm von mir auch diese Erlosungslehre.

24. (11875.) Als hochgeschatzter Schiller des aus der Fa- milie des Paragara stammenden alten hochsinnigen Bettel- pilgers Pancagikha

25. (11876.) habe ich in dem Sankhyawissen und im Yoga, sowie auch in der Lebensregel der Konige, in dieser drei- fachen Erlosungslehre meinen Weg gefunden und alle Zweifel gelost.

26. (11877.) Wahrend dieser, umherpilgernd nach der Vor- schrift seines Gesetzes, die vier Regenmonate hindurch ehe- dem bei mir gern verweilte,

27. (11878.) bin ich von ihm, dem obersten Meister der Saiikhyalehre, der ihren Sinn vollkommen und der Wahrheit gemafs erkannt hatte , in jener dreifachen Erlosungslehre unterrichtet und doch nicht zum Aufgeben meiner Konigs- wiirde veranlafst worden.

28. (11879.) Und diesen ganzen dreifachen, zur Erlosung fiihrenden Lebenswandel halte ich frei von Leidenschaft ein als einziger, der auf einer so hohen Stelle steht.

29. (11880.) Aber die hochste Vorschrift dieser Erlosungs- lehre liegt in der Entsagung, und die Entsagung, durch die man erlost wird, entspringt aus der Erkenntnis.

30. (11881.) Vermoge der Erkenntnis legt man sich An- strengung auf, durch die Anstrengung wird Grofses erreicht, und dieses Grofse fiihrt zur Erhabenheit iiber die Gegensatze des Lebens, das ist die Vollendung, die iiber das Leben hinausreicht.

31. (11882.) Diese hochste Erhabenheit iiber die Gegen-

43*

676 ni. Mokshadharma.

satze ist mir aus der Erkenntnis zuteil geworden, indem ich frei von Verblendung und ohne Weltanhanglichkeit hienieden wandle.

32. (11883.) Wie ein durchpfliigtes und wohlbewassertes Feld die Frucht aufspriefsen lafst, so erzeugt das Werk der Menschen ihre abermalige Geburt.

33. (11884.) Und wie der in irgendeiner Schale gerostete Same, auch wenn ihm die Gelegenheit zu spriefsen geboten wird, nicht mehr keimt, weil ihm die Samenkraft fehlt,

34. (11885.) so ist von jenem heiligen, nach der Flamme fgikhdj sich nennenden Bettelpilger die Erkenntnis mir mit- geteilt worden, infolge deren mein der Keimkraft beraubtes Wesen nicht mehr in der Sinnenwelt spriefst.

35. (11886.) Es fiihlt keine Leidenschaft bei irgend etwas, nicht bei Feindlichem, nicht bei Angehorigem, es fiihlt keine Leidenschaft bei all dergleichen wegen der Zwecklosigkeit der Liebe wie des Zornes.

36. (11887.) Mag einer meinen rechten Arm mit Sandel- holzsalbe bestreichen oder mag einer meinen linken Arm ab- hauen, mir gelten beide gleich.

37. (11888.) Ich bin gliicklich, denn ich habe das Ziel er- reicht; mit Gleichmut blicke ich auf Erdklumpen, Steine und Gold; frei von Weltanhanglichkeit, verharre ich in meiner Konigsherrschaft , erhaben iiber die anderen, auch wenn sie als Asketen den Dreistab tragen.

38. (11889.) Der Erlosung gegeniiber wird von verschie- denen Erlosungskundigsten ein dreifacher Standpunkt ein- genommen. Sofern das Wissen iiber die Welt erhebt und auf alle Werke verzichtet,

39. (11890.) preisen die einen Erlosungskundigen den Stand- punkt des Wissens; andere das Geheime schauende Weise riihmen den Standpunkt der Werke;

40. (11891.) aber auf beides vollig zu verzichten, auf die Erkenntnis und auf die Werke, dieser dritte Standpunkt wurde von jenem Hochsinnigen vertreten.

41. (11892.) In ihrem Verbal ten zu Zucht, Selbstzucht, Liebe, Hafs, Umgebung, Hochmut, Trug und Welthang stehen jene da [die Asketen] mit den Familienvatern auf einer Linie.

Adhy^ya 322 (B. 320). 677

42. (11893.) Wenn durch die Erkenntnis irgendeiner der dreistabtragenden oder sonstigen Asketen die Eriosung er- langt, warum soil sie nicht auch den Inhabern von Sonnen- schirmen und anderen koniglichen Abzeichen erreichbar sein, wofern beide auf dem gleichen Grunde stehen!

43. (11894.) Aus welchem Grunde auch immer einer bei einem Werke hienieden einen Zweck verfolgen mag, immer befafst er sich mit diesem Werke so, dafs er in jeder Hin- sicht seinen Zweck im Auge hat.

44. (11895.) Wer aber den Hausvaterstand fiir siindhaft halt und darum zu einem andern Lebensstadium iibergeht, der beweist durch sein Loslassen des einen und Ergreifen des andern, dafs er noch nicht frei von Welthang ist.

45. (11896.) Da ferner der Konig und der Bettelpilger in gleicher Weise Herrschaft im Bestrafen und Belohnen aus- iiben [der eine bei seinen Untertanen, der andere bei seinen Schiilern], warum sollen denn die mit den Konigen auf einer Linie stehenden Bettler den Vorzug der Eriosung haben?

46. (11897.) Obgleich also bei beiden eine Herrscherstellung vorliegt, werden sie durch die Erkenntnis allein von allem Ubel erlost, sofern sie in der hochsten Persbnlichkeit [des Purusha] feststehen.

47. (11898.) Das braune Bettlergewand, die Kahlkopfigkeit, der Dreistab und der Wasserkrug sind nur nebensachliche Abzeichen und helfen nichts zur Eriosung, das ist meine Meinung.

48. (11899.) Wenn nun auch da, wo diese Abzeichen vor- handen sind, nur die Erkenntnis die Eriosung bewirkt, so folgt daraus, dafs fiir die Eriosung vom Leiden diese Ab- zeichen allein ohne Bedeutung sind.

49. (11900.) Wenn man hingegen hinsichtlich der Befreiung vom Leiden auf aufsere Abzeichen iiberhaupt einen Wert legt, warum sollen bei der Gleichheit des Zweckes nicht auch die Konigsabzeichen als Mittel anerkannt werden?

50. (11901.) In der Besitzlosigkeit liegt noch nicht die Er- iosung, in dem Besitze noch nicht die Bindung, beim Besitz wie beim Gegenteil wird der Mensch nur durch die Er-- kenntnis erlost.

678 HI. Moksliadharma.

51. (11902.) Darum wisse, dafs trotz des Guten, Angenehmen und Niitzlichen, trotz des Konigtums und allem Zubehor, trotz dieser Anlasse zur Bindung einer auf dem von der Bindung erlosten Standpunkt stehen kann.

52. (11903.) DieStricke,welclie ausKonigtum und Herrscher- macht geflochten sind, welche an den Boden des Welthanges uns binden, sind von mir durch das am Stein der Erlosung gewetzte Messer der Entsagung durchschnitten worden.

53. (11904.) Auf diesem Wege bin ich zur Erlosung gelangt. Ich nehme Interesse an dir, o Bettelnonne, und darum mochte ich dir sagen, dafs dein Aufseres nicht mit deinem Zwecke in Einklang steht; bore, warum.

54. (11905.) Zartheit, Schonheit, herrliche Gestalt und Jugend, das alles ist dir eigen; ob aber auch Selbst- bezwingung, das ist die Frage.

55. (11906.) Dafs jedenfalls dein Betragen nicht zu diesem deinem Aufzuge stimmt, [ergibt sich daraus, dafs] du, um zu ermitteln, ob ich erlost sei oder nicht, in meinen Wesens- bereich eingedrungen bist.

56. (11907.) Einem Yogin, der noch mit Begierde behaftet ist, ist auch der Dreistab [tridandakam mit C.) nichts nutze. Diese Kegel wird von dir nicht beobachtet, wer aber wirk- lich erlost ist [vimuktasya mit C), der pflegt auf seiner Hut zu sein.

57. (11908.) Da du dich an mich herangedrangt hast, so hore, welcher Ubertretung ich dir schuld gebe, die du eigen- machtig in meinen bisherigen Wesensbereich eingedrungen bist.

58. (11909.) Mit welchem Rechte bist du in mein Reich, in meine Stadt gekommen? auf wessen Veranlassung bist du in mein Herz eingedrungen?

59. (11910.) Du als Brahmanin bist die trefflichste Ver- treterin der obersten Kaste, ich aber bin ein Kshatriya, eine Verbindung zwischen uns beiden ist nicht statthaft, strebe nicht nach Kastenvermischung.

60. (11911.) Du befolgst die Satzung der Erlosung und ich gehore dem Lebensstadium des Hausvaters an, und auch zum zweiten wiirde eine Vermischung dieser Lebensstadien fiir dich sehr iibel sein.

Adhyaya 322 (B. 320). 679

61. (11912.) Ob du zu meinem Familienkreis gehorst oder nicht, das weifs ich nicht von dir und du weifst es nicht von mir; durch dein Eingehen in einen, der demselben Familien- kreise angeliort, wiirde von dir als drittes das Vergehen der Vermischung innerhalb des Familienkreises begangen werden.

62. (11913.) Aber vielleicht lebt dein Gatte und weilt nur irgendwo in der Feme, dann wiirde nach der Vorschrift, dafs man der Gattin eines andern nicht nahen darf, noch als viertes Vergehen eine Verwirrung des Gesetzes eintreten.

63. (11914.) Zu diesen Vergehen hast du dich um eines bestimmten Zweckes willen fortreifsen lassen, sei es aus Un- kenntnis, sei es aus Irrtum.

64. (11915.) Oder hast du dich etwa durch eigene Schuld [von dem Gesetze, welches fordert, dafs ein Weib stets ab- hangig bleibe] emanzipiert, nun, dann ist all dein Vedastudium, soviel du davon haben magst, vergebens gewesen.

65. (11916.) Und dies ist ein neuer, dritter Vorwurf gegen dich, dafs du mein Wesen antastest und dadurch storst; und das ist das Kennzeichen eines schlechten Weibes, welches durch dein unverhiilltes Benehmen an den Tag gekommen ist.

66. (11917.) Und du, indem du zu triumphieren wiinschest, richtest bei deinem Triumphe deine Absicht nicht auf mich allein, sondern du strebst danach, auch iiber diese meine ganze Umgebung zu triumphieren.

67. (11918.) Und in dieser Weise richtest du weiter dein Augenmerk auf diese wiirdigen Manner, um meine Partei niederzuwerfen und deine Partei zu heben.

68. (11919.) Du aber, verblendet durch die aus Ubelwollen gegen mich entsprungene Machtverblendung, schiittest noch immer weiter deine Yogakiinste aus, als Gift und Amritam zugleich.

69. (11 920.) Wenn Mann und Weib, die einander begehren, das Ziel erreichen, so ist das dem Amritam vergleichbar ; wenn aber ein Verliebter das Ziel seiner Wiinsche nicht erlangen kann, so ist das ein Ungliick, welches dem Gifte gleichkommt.

70. (11921.) Weiche nicht ab vom geraden Wege, sei weise und befolge deine Lebensregel, denn deine Neugierde daruber, ob ich erlost bin oder nicht, ist ja befriedigt worden.

680 III. Mokshadharma.

71. (11922.) Nun darfst du aber auch alle deine Geheim- nisse nicht vor mir verbergen {guhitum mit C). Magst du auf eigene Veranlassung oder auf die eines andern Fiirsten hier sein, (11023.) du darfst vor mir nicht die Wahrheit ver- bergen, indem du dich mit falschem Schein umhiillst.

72. Einem Konige darf man nie mit Falschheit begegnen, noch auch einem Brahmanen, (11924.) noch einer mit weib- lichen Tugenden gezierten Frau, denn wer si eh mit einem falschen Schein umgibt, der schadigt.

73. Die Kraft des Konigs besteht in der Herrschaft, die des Brahmankenners im Brahman, (11925.) die grofste Kraft der Frauen besteht in ihrem Begliicktsein mit Schonheit und Jugend.

74. Darum mufs, wer seinen Zweck erreichen will, die durch solche Krafte Machtigen (11926.) mit Geradheit angehen, denn der ungerade Weg fiihrt zum Verderben.

75. Darum mufst du deine Geburt, Schriftgelehrsamkeit, Lebensregel, Macht, Natur (11 927.) und den Zweck deines Her- kommens der Wahrheit gemafs mitteilen.

Bhishma sprach:

76. (11928.) Obgleich mit diesen unfreundlichen, unpassen- den, uniiberlegten Worten vom Konige abgewiesen, liefs sich die Sulabha doch nicht einschiichtern.

77. (11929.) Nachdem aber der Konig seine Rede geendet hatte, begann die lieblich aussehende Sulabha eine noch lieblichere Rede zu halten.

Sulabha sprach:

78. (11930.) Eine von den achtzehn. Rede und Gedanken verderbenden Fehlern freie, inhaltreiche , mit den achtzehn Vorziigen geschmtickte

79. (11931.) Subtilitat, ferner Uberlegtheit und Ord- nung, sowie Klarlieit des Resultates und Motiv, diese fiinf, durch den Zweck bedingten Erfordernisse, o Fiirst, machen eine Rede aus.

80. (11 932.) Von diesen Erfordernissen, der Subtihtat usw., welche in Begriff, Wort und Satz zum Ausdruck kommen, vernimm im einzelnen die Definition.

Adhy^ya 322 (B. 320). 681

81. (ii9.:i3.) Wenn die Erkenntnis je nach den verschie- denen Erkenntnisobjekten sich verschieden gestaltet und der Verstand iiberall dabei tatig ist, so macht das die Subtilitat der Eede aus.

82. (11934.) Wenn man im Hinblick auf einen bestimmten Zweck die Tragweite der Fehler und Vorziige beim Reden sich im einzelnen klar macht, so ist dies als Uberlegtheit anzusehen.

83. (11935.) Von dem, was man sagen will, mufs dies vor- her und jenes nachher gesagt werden ; das nennen die Kenner der Beredsamkeit eine in Ordnung verlaufende Rede.

84. (11936.) Wenn man im einzelnen iiber Gutes, An- genehmes, Niitzliches oder iiber die Erlosung sich verbreitet hat und am Schlusse der Rede sagen kann: „so ist es", so wird das die Klarheit des Resultates genannt.

85. (11937.) Wenn infolge der aus Wunscli und Hafs ent- springenden Affekte eine iiberwiegende Neigung sich einstellt und diese sich im Handeln betatigt, o Fiirst, so wird dieses das Motiv genannt.

86. (11938.) Diese genannten fiinf Erfordernisse, Subtili- tat usw., zu einem Zwecke vereinigt, sollst du als meine Eede, o Fiirst, vernehmen.

87. (11939.) Ich will dir eine sinnreiche, unzweideutige, regelrechte, nicht weitschweifige, milde, zweifelsfreie, vorziig- liche Rede halten,

88. (11940.) eine nicht schwerfallige, nicht der Heiterkeit abgeneigte, wahre, nicht dem Guten, Angenehmen und Niitz- lichen zuwiderlaufende, nicht des Schmuckes entbehrende,

89. (11941.) eine nicht unvollstandige, nicht hafsliche Worte enthaltende, nicht hochfahrende, nicht wegen bildlicher Aus- drucksweise erklarungsbediirftige, nicht der Begriindung ent- behrende, nicht unmotivierte.

90. (11942.) Hingegen werde ich nie in meiner Rede mich von Begierde, Zorn, Furcht, Habsucht und unedlem Klein- mute, noch auch von Schiichternheit , Mitleid und Hochmut beherrschen lassen.

91. (11943.) Wenn Redner, Horer und die vollstandige Rede harmonisch beim Reden zusammenstimmt, o Fiirst, dann tritt der beabsichtigte Sinn zutage.

682 m. Mokshadharma.

92. (11944.) Wenn hingegen der Redner in der Rede Ver- achtung des Horenden bekundet, indem er nur sein Interesse vertritt und dieses fiir das Interesse des andern ausgibt, dann kann die Rede nicht wirken.

93. (11945.) Wenn er aber sein eigenes Interesse ganz ver- leugnet und nur das Interesse des andern vertritt, dann fafst man Mifstrauen gegen ihn, und auch eine solche Rede ist verfehlt.

94. (11946.) Wenn dagegen der Redner das beiderseitige Interesse, das des Horenden und sein eigenes, als in Ein- klang stehend nachweist, ein solcher und kein anderer ist der wahre Redner, o Konig.

95. (11947.) So hore denn, o Konig, diese sachgemafse Auseinandersetzung. Wie Leim und Holz, wie Staub und Wassertropfen

96. (11948.) miteinander verbunden sind, so ist es auch, o Konig, mit der Zusammensetzung der lebenden Wesen in dieser Welt. Ton, Gefiihl, Geschmack, Gesicht und Geruch sind die fiinf Sinne;

97. (11949.) ihre besonderen Wesenheiten sind zu einer Wesenheit verbunden wie Leim und Holz. Aber sie haben durchaus keinen Einflufs aufeinander, das ist klar.

98. (11950.) Jedes einzelne von ihnen hat kein Bewufstsein, weder von sich selbst, noch von dem andern : das Auge weifs nicht, dafs es Auge ist, das Ohr hat keine Kunde von sich selbst.

99. (11951.) Dennoch iiberschreiten sie bei ihrem Wirken nicht ihre Grenzen, obgleich sie kein Bewufstsein davon haben, miteinander verbunden zu sein wie Wasser und Staub.

100. (11952.) Hingegen stehen sie in Beziehung zu anderen Dingen aufser ihnen, namlich zu den Qualitaten; vernimm auch diese von mir. Die Gestalt, das Auge und das Licht wirken als drei Ursachen beim Sehen zusammen.

101. (11953.) Wie in diesem Falle, so wirken auch bei den anderen Erkenntnisobjekten die entsprechenden Ursachen zusammen, und bei diesem Gegensatze zwischen Erkenntnis und Erkenntnisobjekt tritt eine hohere Qualitat in Kraft, welche das Manas heifst.

102. (11954.) Indem sie iiberlegt bei dem Entscheiden iiber Gutes und Boses, tritt hierbei eine zwolfte Qualitat in Kraft,

Adhyaya 322 (B. 320). 683

welche Buddhi heifst (11955.) und nach vorhergegangenem Zweifel liber die Erkenntnisobjekte die Entscheidung trifft.

103. ijber diese zwolfte Qualitat erhebt sich eine andere, welche Sattvam genannt wird (ii956.) und nach welcher der Mensch beurteilt wird als reich an Sattvam oder arm an Sattvam.

104. Ich bin der Tater faham JcartdJ, so spricht eine weitere, vierzehnte Qualitat, [sie heifst Ahaiikara] (11957.) weil sie sagt, dieser Mensch gehort mir und jener gehort mir nicht.

105. Dann folgt, o Konig, eine funfzehnte hohere Quali- tat, (11958.) welche bezeichnet wird als der Inbegriff der Summe der verschiedenen Telle.

106. Dann folgt als sechzehnte eine weitere Qualitat, welche gleichsam ein Aggregat ist [nach Nil. die Avidya], (11959.) auf welche zwei weitere Qualitaten, namlich Prakriti und Vyakti (Entfaltung) sich stiitzen.

107. Lust und Unlust, Alter und Tod, Gewinn und Ver- lust, Liebes und Unliebes, (ii960.) in diesen besteht die neun- zehnte Qualitat, welche diePaarungderGegensatze heifst.

108. Hoher als die neunzehn steht eine weitere Qualitat, welche Kala (die Zeit) genannt wird, (ii96i.) durch sie als die zwanzigste sind Entstehen und Vergang der Wesen bedingt.

109. Dieser zwanzigfache Komplex, dazu die fiinf grofsen Elemente (ii96'2.) und zwei andere zum Vorschein kommende Qualitaten, welche mit dem Charakter des Seienden und Nichtseienden behaftet sind,

110. dieser zwanzigfache Komplex und dazu die sieben erwahnten Qualitaten, (11 963.) ferner Vidhi (moralischer Exi- stenzgrund), Qukram (Eintritt ins Dasein durch Zeugung) und Balam (Betatigung im Dasein) als drei weitere Guna's,

111. das sind alles in allem zusammengezahlt dreifsig Qualitaten; (11 964.) dasjenige, worin diese samtlich sich zu- sammengefunden haben, wird Leib genannt.

112. Manche nehmen an, dafs der Urgrund fprakritij dieser [dreifsig] Bestandteile ein Unoffenbares [avyaktam meta- physisch Reales] ist, (11 965.) andere hingegen von plumperm Verstande sehen den Urgrund derselben in einem Offenbaren [empirisch Realem].

684 in. Mokshadharma.

113. Mag man nun aber ein Unoffenbares oder Offen- bares oder alle beide oder eine Vierheit von Urgriinden an- setzen, (11966.) unter alien Umstanden nehmen die Kenner des innern Selbstes einen Urgrund aller Wesen an.

114. Und dieser unoffenbare Urgrund kommt durch die [dreifsig] Bestandteile zur Offenbarung (ii967.) als ich und du, o Fiirst der Konige, und als alle anderen Verkorperten.

115. Es sind die in der Injektion des Tropfens usw. be- ^tehenden, an das Vorhandensein von Same und Blut ge- kniipften Bedingungen, (ii968.) durch deren Eintreten das entsteht, was man den Keim fkalalamj nennt.

116. Aus dem Keim entsteht die Keimblase fbudbudamj, aus dieser der Fotus fpegij, (ii969.) aus dem Fotus entwickeln sich nach und nach die Glieder, und aus den Gliedern Nagel und Haare.

117. Nach Ablauf des neunten Monats erfolgt fiir das entstandene Wesen, o Fiirst von Mithila, (11970.) die Geburt in der Welt der Namen und Gestalten, je nach dem Ge- schlechtszeichen als Weib oder Mann.

118. Wahrend man die eben geborene Gestalt als kupfer- farbig an Nageln und Fingern wahrnimmt, (11971.) so ist dies an der aus dieser Gestalt sich fortentwickelten Kindgestalt nicht weiter zu bemerken.

119. Aus der Kindheit geht die Jugend, aus der Jugend das Alter hervor, (11972.) und bei dieser stufenweisen Entwick- lung wird das jedesmal Friihere nicht mehr wahrgenommen.

120. An den fiir ihre besonderen Zwecke bestimmten [dreifsig] Bestandteilen fmden von Augenblick zu Augenblick Veranderungen (11 973.) bei alien Wesen statt, welche jedoch wegen ihrer Kleinheit nicht wahrgenommen werden.

121. Weder ihr Vergehen, noch ihre Neubildung ist, o Konig, (11974.) in den verschiedenen Zustanden bemerkbar, so wenig wie die Veranderung der Flamme in einer brennenden Lampe.

122. Da nun diese ganze Welt in einem solchen Pro- zesse begriffen ist, unaufhorlich wie ein tiichtiges Rofs dahin- zustiirmen, (11975.) wer sollte da irgendwoher stammen oder nicht stammen?

Adhyaya 322 (B. 320). 685

123. wem sollte da irgend etwas angehoren oder nicht angehoren? woher sollte irgend etwas kommen oder nicht kommen? (ii976.) welcher Zusammenhang sollte da zwischen den Wesen, ja audi nur zwischen den Gliedern des eigenen Leibes bestehen?

124. Wie das Feuer aus Sonne, Edelstein oder Holz [die von ihm ganz verschieden sind] entspringt, (11977.) so ent- springen die Wesen aus dem Zusammentreffen der [von ihnen ganz verschiedenen dreifsig] Bestandteile.

125. So gut wie du in deinem Selbste durch dein Selbst dein Selbst siehst, (11978.) und wie du hierbei durch dein Selbst das [allgemeine] Selbst siehst, warum solltest du nicht ebenso in einem andern durch dein Selbst das [allgemeine] Selbst sehen!

126. (11979.) Und wenn du in einem fremden Selbste die Identitat [mit dem allgemeinen Selbste] feststellst, warum fragst du mich dann, wer ich sei und wem ich angehore?

127. (11980.) Fur einen, der sich von solchen Gegensatzen, wie: „dies ist mein", „dies ist nicht mein", losgelost hat, o Herr von Mithila, welchen Zweck haben fiir einen solchen die Fragen : Wer bist du, wem gehorst du an, woher kommst du ?

128. (11981.) Wer als Konig im Sieg, Frieden und Krieg mit Feinden, Freunden und Neutralen zu tun hat, welches Merkmal des Erlosten ware wohl bei dem zu finden!

129. (11982.) Wer nicht imstande ist, in den Werken die Dreischar [des Guten, Angenehmen und Niitzlichen] in ihrer siebenfachen Kombination [einzeln, paarweise und zu dreien] zu durchschauen , sondern noch an dieser Dreischar hangt, welches Merkmal des Erlosten ware wohl bei dem zu finden !

130. (fehit In c.) Wer auf Liebes und Unliebes, auf Starkes und Schwaches nicht mit gleichem Blicke sieht, welches Merk- mal des Erlosten ware wohl bei dem zu finden!

131. (11983.) Darum bist du nicht geeignet fiir die Er- losung, der W^ahn, sie zu besitzen, o Fiirst, mufs von deinen Freunden unterdriickt werden nicht geeignet, wie einer, der keine Diat halt, fiir die Arznei.

132. (11984.) Nur der, o Feindbez winger, welcher alle mog- lichen Anlasse zum Welthange samt und senders schon in

686 ni. Mokshadharma.

sich selbst durch sich selbst befriedigt findet [vgl. Chand. Up. 8,3,2], nur der besitzt das Merkmal des Erlosten.

133. (11985.) Diese Anlasse zum Welthange und manche andere schwer bemerkbare, die sich in vier Arten sondern [Schlaf, Sinnengenufs, Nahrung, Kleidung], will ich dir vom Standpunkte der Eriosung aus erklaren.

134. (11986.) Auch wenn einer diese ganze Erde als Allein- herrscher regierte, so miirste ein solcher Konig doch als ein einzelner Mensch in einer bestimmten Stadt Wohnung nehmen.

135. (11987.) Und in dieser Stadt ist es doch nur ein Haus, welches er bewohnen kann, und in dem Hause ist es nur ein Bett, in dem er nachts ruhen kann.

136. (11988.) Und die Halfte dieses Bettes hat schon vor- her die Frau in Besitz genommen. Darum wird er nur unter diesen Einschrankungen des Genusses seiner Macht teilhaftig.

137. (11989.) Ebenso steht es fiir ihn in Sinnengenufs, Nahrung und Kleidung und in den beschrankten Machtmitteln, zu strafen und zu lohnen.

138. (11990.) Immer ist der Konig abhangig, schon in kleinen Sachen ist er nicht frei, und wenn es sich erst um Krieg und Frieden handelt, wie konnte er da unabhangig sein?

139. (11991.) Bei Weibern, Spiel und Erholung zeigt sich iiberall die Abhangigkeit des Konigs, und vollends bei der Beratung im Ministerrat, wo bleibt da seine Unabhangigkeit ?

140. (11992.) Man behauptet wohl, der Konig sei frei, wenn er anderen Befehle gibt, aber er wird gezwungen, gegen seinen Willen zu handeln, indem er dem jedesmaligen Augenblicke gehorcht.

141. (11993.) Er mochte schlafen und kann keinen Schlaf finden wegen der Menschen, die seiner Befehle barren, und hat er sich losgemacht und ist auf seinem Lager entschlummert, so wird er gegen seinen Willen wieder aufgeweckt.

142. (11994.) Bade dich, opfere, trinke, ifs, giefse den Opfer- trank aus, verehre die heiligen Feuer, rede, hore, durch diese Worte wird er wider Willen von anderen zum Handeln ge- bracht.

143. (11995.) In dieser Weise iiberlaufen ihn immerfort die Leute und bedrangen ihn mit Bitten, aber als Hiiter des

Adhyaya 322 (B. 320). 687

Staatsschatzes kann er nicht einmal hochverdiente Manner befriedigen.

144. (11996.) Wenn er schenkt, leert sich seine Schatz- kammer, und sogar Feindschaft zieht er sich durch seine Gaben zu, dann iiberkommen ihn alsbald Verstimmungen, die ihn seiner Herrschaft uberdriissig machen.

145. (11997.) Gegen Weise, Helden und Reiehe, auch wenn sie allein stehen, hegt er Argwohn; und ist er vor diesen sicher, mufs er sich sogar vor denen fiirchten, die ihn be- standig verehren.

146. (11998.) So kann es geschehen, o Konig, dafs die Erwahnten ihm abtriinnig werden, und du kannst dir denken, wie sehr er dann Grund hat, sich vor ihnen zu fiirchten.

147. (11999.) Jeder ist in seinem Hause Konig, denn jeder Hausvater, wenn er in seinem Hause straft oder lohnt, ist, o Janaka, dem Konige vergleichbar.

148. (12000.) Auch der Konig hat Sohne, Gattinnen und die eigene Person, Schatze, Freunde und Vorrate, das alles hat er ebenso wie die anderen, sci es aus diesem oder jenem Grunde.

149. (12001.) Wenn sein Land verwiistet, seine Stadt ab- gebrannt, sein bester Elefant gestorben ist, so wird er bei diesen allgemein menschhchen Ungliicksfallen infolge der irr- tuniHchen Erkenntnis gequalt.

150. (12 002.) Nicht befreit von geistigen Leiden, wie sie aus Liebe, Hafs und Furcht entspringen, von Kopfschmerzen und anderen Krankheiten, die ihn so gut wie andere befallen,

151. (12003.) von diesen und jenen Gegensatzen bedrangt und immerfort in Furcht, hangt er doch an seiner viel an- gefeindeten Herrschaft, die Nachte zahlend (durchwachend).

152. (12004.) Die iiberaus wenig Freude bietende, viel Leiden auferlegende, wertlose, einem Strohfeuer vergleichbare, einer Schaumblase ahnliche

153. (12005.) Konigswurde, wer mochte die annehmen, und wer, der sie erlangt hat, konnte Befriedigung empfinden ! Und wenn du wahnst, dein seien diese Stadt und dieses Reich,

154. (12006.) das Heer, der Schatz und die Minister, ge- horen sie nicht alien, gehoren sie nicht keinem an, o Fiirst?

688 in. Mokshadharma.

Die Bundesgenossen, die Minister, die Stadt, das Reich, das Riciiteramt, die Schatzkammer und der Landesherr,

155. (12007.) welches dieser Gheder verdiente vor den anderen einen Vorzug bei einer Herrschaft, welche wie drei sich gegenseitig stiitzende Stabe durch alle sieben GJieder ihren Bestand hat und auf die Tatigkeit des einen wie des andern angewiesen ist!

156. (12008.) Zu einer Zeit tritt dieses, zur andern jenes GHed hervor, und dasjenige, durch welches jedesmal ein be- stimmter Zweck erreicht wird, wird zur Hauptsache.

157. (12 009.) Dieses aus sieben Gliedern bestehende Aggre- gat und die drei noch hinzukommenden [Zunehmen, Bestehen, Abnehmen nach Nil.], o bester Fiirst, bilden zusammen eine Schar von Zehnen, welche alle ebensogut wie der Konig die Herrschaft geniefsen. (12010.) Und wenn ein Konig sich sehr viel Miihe gibt und Freude an seiner Regierungspflicht hat,

158. so geniefst er doch nur einen Teil unter den Zehnen, im andern Falle noch weniger als ein Zehntel. (12011.) Es gibt keinen Konig, der nicht seinen Besitz mit jenen zehn anderen gemeinsam hatte, wie es ja auch kein Reich gibt, das nicht einen Konig hatte.

159. Ohne das Reich kann die Pflicht nicht bestehen, ohne die Pflicht nicht das Streben nach dem Hochsten. (12012.) Und was fiir den Konig die hochste Pflichtleistung, was fiir Konig und Reich das Lauterungsmittel ist,

160. das wird zustande gebracht durch das Rofsopfer [agvamedhena mit C), bei dem die ganze Erde als Opferlohn weggegeben wird. (12013.) Wie ich hier bin, konnte ich die Geschafte, unter denen ein Konig zu leiden hat, 0 Mithilafiirst,

161. hundertfaltig und tausendfaltig auseinandersetzen. (12014.) Sogar an meinem eigenen Leibe liegt mir nichts, wie kame ich dazu, auch noch in den Wesensbereich eines andern eindringen zu wollen!

162. Mir, die ich in dieser Weise dem Yoga ergeben bin, solltest du einen solchen Vorwurf nicht machen. (12015.) Frei- lich hast du von Paficagikha die ganze Erlosungslehre gehort

163. samt den Mitteln und den Upanishad's, samt den Zutaten und der Vergewisserung. (12016.) Wenn du wirklich

Adhyaya 322 (B. 320). G89

dastehst als einer, der den Welthang abgetan hat und iiber seine Fesseln hinausgelangt ist,

164. wie kommt es dann, dafs du wieder in den Hang zu dem Sonnenschirm und den librigen Abzeichen der Konigs- wiirde verfallen bist? (12017.) Ich glaube, du hast gar nicht gehort, was du gehort hast, oder du hast es falsch gehort,

165. oder du hast nur eine Scheinbelehrung empfangen, (12 018.) jedenfalls zeigst du dich in diesen weltlichen Vor- stellungen befangen

166. und bist durch Hang und Hemmungen gebunden wie ein gewohnHcher Mensch. (12019.) Wenn ich mit meiner Wesenheit in dich eingedrungen bin,

167. was kann dir das schaden, wenn du im vollen Sinne ein Erloster bist? (12020.) Unter alien Menschenklassen gilt dem Asketen als Kegel, in der Abgeschiedenheit zu wohnen ;

168. wenn ich in dein Wesen, von dem du abgeschieden bist, eindrange, wem wiirde ich damit etwas zuleide tun? (12021.) Ubrigens, 0 Untadliger, habe ich dich weder mit Handen noch mit Armen, weder mit Fiifsen noch mit Beinen

169. oder mit anderen Gliedern beriihrt, o Mannerherr. (12022.) Du, der du aus einer grofsen Familie stammst, scham- haft und weitblickend bist, hattest von deinem Throne aus nicht von einer Vereinigung [unserer Leiber] reden sollen, mochte sie nun stattgefunden haben oder nicht.

170. (12023.) Und wo hier diese ehrwiirdigen Brahmanen und andere der hochsten Ehre Wiirdige zugegen sind und, da du auch ihnen ehrwiirdig bist, eine gegenseitige Hoch- achtung sich gebiihrte,

171. (12024.) hattest du dies bedenken und erwagen sollen, was zu sagen ziemlich oder nicht ziemlich ist, und hattest von einer solchen Vereinigung einer Frau mit einem Manne nicht offentlich reden diirfen.

.172. (12025.) Wie der Wassertropfen auf einem Lotosblatte weilt, ohne es zu beriihren, so werde ich auch in dir wohnen, ohne dich zu beriihren, o Mithilafiirst.

173. (12026.) Und wenn ich dich wirklich beruhre und du diese Beriihrung spiirst, wie kann dir dann von jenem Bettel-

Deussen, Mab^bh^Tatam. 44

690 III. Mokshadharma.

monche ein die Keimkraft deines Wesens vernichtendes Wissen zuteil geworden sein? [vgl. Vers ii885.]

174. (12 027.) Den Hausvaterstand hast du verloren und die schwer erreichbare Erlosung hast du doch nicht erlangt, sondern du stehst in der Mitte zwischen beiden wie einer, der aus der Erlosung ein Gewerbe macht.

175. (12028.) Auoh kann, da doch nur eine Verbindung zwischen Sein [Purusha] und Nichtsein [Prakriti] moglich ist, ein Erloster wegen der Einheit und Isohertheit des Purusha mit einem andern Erlosten nicht in Kastenvermischung ver- fallen [vgl. Vers ii9io].

176. (12 029.) Kasten und Lebensstadien entbehren der Isoliertheit, da nur der Wahrheitschauende die Isoliertheit besitzt; das andere ist [in Wahrheit] kein anderes [denn alle Purusha's sind identisch] , mithin kann auch das andere nicht in dem andern wohnen.

177. (12030.) In der Hand ist der Topf, im Topf die Milch, in der Milch die Fliege; nur weil sie voneinander verschieden sind, konnen sich diese als Enthaltendes und Enthaltenes mit- einander verbinden.

178. (12 031.) Aber die Milch ist nicht der Topf und die Fliege ist nicht die Milch, diese Dinge sind immer nur sie selbst, nicht das andere, in dem sie enthalten sind.

179. (12 032.) Da die Lebensstadien und Kasten [vom Purusha] verschieden und iiberdies noch untereinander ver- schieden sind, wie kannst du [beim Purusha] von einer Kasten- vermischung reden?

180. (12033.) Ubrigens bin ich gar nicht aus der hochsten Kaste, bin auch keine Vaigya oder eine, die noch tiefer stiinde, sondern ich bin aus derselben Kaste wie du, o Konig, reinen Ursprungs und unbescholtenen Wandels.

181. (12 034.) Es gab einen Konigsweisen mit Namen Pra- dhana, von dem du sicher schon gehort hast; wisse, dafs ich in dessen Familie geboren bin und Sulabha heifse.

182. (12035.) Drona, Qatagringa, Cakradvara und Parvata liefsen sich mitsamt dem machtigen Indra bei den grofsen Somafeiern meiner Vorfahren sehen.

183. (12036.) In dieser Familie bin ich geboren, und da

Adhyaya 322 (B. 320). 691

sicli kein ebenbiirtiger Gatte fiir mich fand, wurde ich in den Eriosungslehren ausgebildet und betreibe nun alleinstehend •das Einsiedlergeliibde.

184. (12037.) Ich habe mich nicht mit falschem Schein umgeben [vgl. Vers 119-23], bin keine Rauberin fremden Outes und veranlasse keine Verwirrung des Gesetzes [vgl. Vers 11913], sondern halte treu an dem Gesetze, welches mein Geliibde ist.

185. (12038.) Ich halte fest an meinem Gelobnisse, rede nicht ohne Uberlegung und bin auch nicht ohne Absicht hierher in deine Nahe gekommen, o Mannerherr.

186. (12039.) Da ich vernommen hatte, dafs dein Geist der Erlosung hingegeben ist, so bin ich, nach dem Heil ver- langend, hierher gekommen, um auch deine Erlosung kennen zu lernen.

187. (12 040.) Ich sage dieses nicht als eine, die zu einer Partei gehort, sei es der eigenen, sei es der eines andern [oder um zu ermitteln], wer erlost, wer noch im Ringen um die Ruhe und wer ohne Ruhe ist.

188. (12041.) Wie nach altem Brauche der Bettelpilger nur ■eine Nacht in einem leeren Hause zu weilen pflegt, so werde ich in deinem Leibe nur die nachste Nacht zubringen.

189. (12 042.) Nachdem ich durch Ehrenerweisung sowie durch Reden und Bewirtung wohlaufgenommen worden bin, werde ich in guter Hut schlafen und morgen befriedigt von dannen ziehen, o Mithilafiirst.

Bhishma sprach:

190. (12043.) Nachdem der Konig diese wohlbegriindeten und inhaltreichen Worte angehort hatte, fand er nichts weiter mehr, was er hatte erwidern konnen.

So lautet im Moksbadharma die Unterredung zwischen der SulabhA und Janaka (Sulabhd - Janaka - samrdda).

44*

692 in. Mokshadharma.

i Adhyaya 323 (B. 321).

Vers 12044-12137 (B. 1-94).

Yudhishthira sprach:

1. (12044.) Wie geschah es vordem, dafs der Quka, der Vyasasohn, zur Weltverdrossenheit gelangte? Das wiinsche ich zu vernehmen, grofse Wifsbegier erfiillt mich.

2. (12045.) Du mogest mir Klarheit iiber das Unentfaltete, das Entfaltete und die Wesenheit [das Brahman, Nil.], Klar- heit der Erkenntnis verschaffen, o Kurusprofs, sowie iiber die Schopfertatigkeit des ungeborenen Gottes.

Blushma sprach:

3. (12046.) Dem den gewbhnlichen guten Wandel beobach- tenden, vor niemand sich fiirchtenden Sohne erteilte der Vater, nachdem er das ganze Vedastudium mit ihm durch- gemacht hatte, folgende Belehrungen.

Vyasa sprach:

4. (12047.) Wandle, o Sohn, in der Pflicht und tiberwinde mit bezahmten Sinnen allezeit die strengste Kalte und Hitze, Hunger und Durst und Wind.

5. (12 048.) Wahrhaftigkeit, Geradheit, Zornlosigkeit, Un- verdrossenheit, Bezahmung, Askese, Schonung und Menschen- freundlichkeit beobachte, wie sie das Gesetz vorschreibt.

6. (12049.) Beharre in der Wahrheit, liebe die Gerechtig- keit und enthalte dich aller Unredlichkeit, und friste dein Leben nur mit dem, was Gotter und Gaste iibriggelassen haben.

7. (12 050.) Wo dein Leib [verganglich] wie eine Schaum- blase ist, deine Seele [nur voriibergehend] wie ein Vogel in ihm weilt und das Zusammensein mit denen, die man liebt, so kurze Zeit wahrt, wie magst du da der Ruhe pflegen, 0 Sohn?

8. (12051.) Wo unermiidliche, wachsame Feinde [die Be- gierden. Nil.] stets auf der Lauer liegen, um eine Blofse zu erspahen, bist du ein solcher Tor, dafs du nicht Wache haltst?

Adhyaya 323 (B. 321). 698

9. (12052.) Wo die Tage sich zahlen lassen, die Lebens- kraft schwindet und das Leben zernagt wird, wirst du da nicht aufspringen und Rettung suchen?

10. (12053.) Nach dem Diesseitigen streben sie, nach Ge- deihen von Fleisch und Blut, und wo es sich um jenseitige Interessen handelt, schlafen sie, diese rohen Materialisten {ndstikdhj !

11. (12054.) Von geistiger Verblendung umnachtet, murren die Menschen iiber ihre Pflicht ; sie gelien auf Abwegen, und auch wer ihnen folgt, mufs Pein leiden.

12. (12 055.) Hingegen die Zufriedenen, an der Schrift sich Freuenden, Hochherzigen, Gewaltigen, welche auf dem Wege der Pflicht wandeln, die sollen von dir verehrt und befragt werden.

13. (12 056.) Die Meinung dieser Erweckten, Pflichtkundi- gen schatze hoch und halte mit hochster Einsicht dein Manas (cittamj im Zaume, wenn es krumme Wege gehen will.

14. (12057.) Mit einem nur auf den heutigen Tag gerichte- ten Verstande wahnen die Toren furchtlos, das Morgen sei noch fern, geniefsen alles ohne Wahl und sehen nicht, dafs es fiir die Werke dieser Welt eine Vergeltung gibt.

15. (12058.) Besteige die Leiter der Pflicht und erklimme sie Sprosse fiir Sprosse! Merkst du nicht, dafs du dich hier wie eine Seidenraupe eingesponnen hast?

16. (12059.) Den Nihilisten, der den Weg verloren hat und dem Absturz vom Ufer nahe ist, lasse ohne Bedenken links liegen wie ein ausgerissenes Bambusrohr.

17. (12060.) Begierde, Zorn und Tod, den Strom, dessen Wasser die fiinf Sinne sind, und die Strudel der Existenz iiberschreite mit dem Schiff'e der Bestandigkeit.

18. (12061.) Da die Welt vom Tode heimgesucht und vom Alter bedrangt wird, und da die Nicht -Vergeblichen [die Nachte, vgl. Vers G528, oben S. 119] dahinfliehen, so fahre hin- iiber auf der Fahre der Pflicht.

19. (12062.) Da der Tod einen jeden erreicht, mag er stehen oder liegen, wo fande einer Veranlassung zur Heiter- keit, da der Tod ihn ohne Veranlassung vernichtet!

694 III. Mokshadharma.

20. (12 003.) Wahrend einer noch Schatze hauft, wahrend er noch ungesattigt an Liisten ist, packt ihn der Tod und schleppt ihn weg, wie die Wolfin das Lamm.

21. (12064.) Die grofse, mit Pflicht und Erkenntnis ge- nahrte Fackel, deren Flamme du nach und nach gesteigert hast, diese Fackel der Weg geht ins Finstere! sollst du mit Fleifs hochhalten.

22. (12 065.) Herabstiirzend in die Korpernetze wieder und wieder in der Menschenwelt, erringt der Mensch endlich die Brahmanenwiirde, bewahre sie dir, mein Sohn!

23. (120G6.) Dieser Leib gehort einem Brahmanen an und ist nicht geboren zur Lust, sondern zu Plage und Kasteiung hienieden, aber nach dem Tode erwartet ihn unvergleichliche Seligkeit.

24. (12067.) Die Brahmanenwiirde wird erlangt durch viele Askesen, hat man sie erlangt, so soil man sie auch nicht um der hochsten Liiste willen aufs Spiel setzen; allezeit dem Vedastudium, der Askese und der Bezahmung hingegeben, mogest du, nach Frieden verlangend und das Heil vor allem erstrebend, fort und fort an dir arbeiten.

25. (12068.) Aus Verborgenem entspringend, die Minuten als Leib habend, unsichtbaren Wesens, mit den aus Sekunden und Terzen bestehenden Augenblicken als Haaren, die Dammerungszeiten als Schultern [sandhydhsah nach einer Lesart bei Nil.) , die helle und dunkle Monats- halfte als gleichkraftige Augen und die Monate als Glieder habend, stiirmt dahin das Lebensrofs der Menschen.

26. (12 069.) Wenn du dieses siehst, wie es unaufhor- lich rennt und furchtbar schnell lauft, und wenn dein allezeit hienieden um sich schauendes Auge nicht [so blind ist, dafs es] eines fremden Fiihrers bedarf, dann moge dein Geist sich in die Tugend hiillen und des Hochsten inne werden.

27. (12070.) Diejenigen hingegen, welche hienieden, in der Pflichterfiillung wankend , ihren Liisten leben , die werden, unablassig jammernd und an Widerwartiges ge- kettet, zu ihrer Qual [in der Holle] ihren Leib in Schmerz

Adhyaya 323 (B. 321). 695

versenkt fiihlen wegen der zahlreichen Falle, in denen sie ihre Pflicht groblich verletzt haben.

28. (12 071.) Der Konig, welcher allezeit als Wachter iiber Gutes und Boses wohliiberlegend die Gerechtigkeit liber alles schatzt, erwirbt die Welten der Frommen, durchstreift manche Gefilde und geht endlich zu unfafs- barer, unaussprechlicher Seligkeit ein.

29. (12072.) Hunde mit furchtbaren Leibern, Vogel mit eisernen Schnabeln und Scharen von gewaltig beschwing- ten Geiern, welche die Menschen zertleischen und ihr Blut trinken, diese Ungetiime fallen nach dem Tode iiber den her, der das Wort des Lehrers von sich stofst.

30. (12073.) Zehnfach sind von dem Schopfer die Schranken gezogen; wer diese durchbricht und seinen Liisten nachhiingt, der Bosewicht gerat in schweres Un- heil und verliert sich in dem Waldesdickicht des Toten- reiches.

31. (12074.) Ein Mensch, welcher, von heftiger Begierde getrieben, unredlich gegen seine Freunde ist, immerfort an niedertrachtigen Reden sein Gefallen findet und mit anvertrautem Gute Unheil stiftet, ein solcher Bosewicht fahrt in die tiefste Holle und mufs schweres Leid erdulden.

32. (12075.) Hineinstiirzend in den heifsen, grofsen Hollenflufs Vaitarani, den Korper zerfleischt in dem Walde, dessen Blatter Schwerter sind, hingestreckt auf ein Lager von Beilen, schmachtet er unter schweren Leiden in der grofsen Holle.

33. (12076.) Du briistest dich mit grofsen Worten, aber das Hochste erkennst du nicht und achtest nicht auf das von weither den Tod vorbereitende [Alter], solange es nicht da ist.

34. (12077.) Schreite voran, sitze nicht miifsig, eine grofse Gefahr ist im Anzuge, welche dein Gliick furchtbar storen wird, nimm dich zusammen!

35. (12078.) Ist einer erst gestorben, so wird er durch den koniglichen Befehl des Yama fortgefiihrt, im Hinblick auf den Tod gib dir Miihe, die Rechtschaffenheit unter furchtbaren Entsagungen zu iiben.

696 in. Mokshadharma.

36. (12 079.) Bald wird der Herrscher Yama, unbekiimmert um eure Schmerzen, dein Leben nebst Eltern und Verwandten fortraffen, und keiner kann es ihm wehren.

37. (12080.) Bald wird dich der Hauch anwehen, der dem Todesgotte vorangeht, bald wirst du allein fortgefiihrt, be- denke, was zu deinem Ende frommt!

38. (12081.) Wo ist der Todeswind, der dich bald an- wehen wird! Bald werden die Weitgegenden sich um dich drehen, wenn dich die grofse Furcht iiberkommt.

39. (12 082.) Bald, o Sohn, wird deine Vedakenntnis ver- sagen, wenn du in Bestiirzung dahineilst; darum versenke dich in die hochste Meditation.

40. (12 083.) Wenn du dein vordem begangenes Gutes und Boses, als unbesonnenem Tun entflossen, beizeiten iiberdenkst, so brauchst du es nicht zu bereuen, hiite den einzigen Schatz !

41. (12 084.) Bald wird das Alter deinen Leib morsch machen und Kraft und Schonheit der Glieder dir rauben, hiite den einzigen Schatz!

42. (12 085.) Bald fahrt mit der Krankheit als Wagenlenker der Tod herbei und durchbohrt deinen Leib; mit Ernst, da das Leben schwindet, betreibe die grofse Askese!

43. (12086.) Bald werden furchtbare Wolfe, deinen Menschen- leib umheulend, von alien Seiten herbeistiirzen, iibe dich in heiligen Werken!

44. (12087.) Bald wirst du dich einsam von Finsternis um- geben sehen, beeile dich ! Bald wirst du die goldenen Baume auf dem Berggipfel schauen [als Vorzeichen des Todes].

45. (12088.) Bald kann es geschehen, dafs schlechter Um- gang, dafs Feinde unter dem Deckmantel der Freundschaft dich an der rechten Erkenntnis irre machen; bemiihe dich, o Sohn, um das, was das Hochste ist.

46. (12089.) Den Schatz, von dem du nicht zu fiirchten brauchst, dafs dir ein Konig oder Dieb ihn raubt, und der dich nicht beim Tod verlafst, diesen Schatz mogest du dir erwerben [vgl. Ev. Matth. 6,20].

47. (12 090.) Dort wird einer nicht von seinen Werken ge- trennt, nicht werden diese gegenseitig verwechselt; was jedem eigen angehort, das wird dort driiben an ihm vergolten.

Adhyaya 323 (B. 321). 697

48. (12091.) Wovon man driiben leben will, das mufs, o Sohn, hier weggegeben werden. Den Schatz, der unver- ganglich, unverlierbar ist, den mufst du selber dir erwerben.

49. (12092.) Noch ehe du als reicher Mann dein Gersten- gericht gekocht hast, noch ehe dein Gerstengericht gar ist, wirst du eiligst von dannen miissen.

50. (12093.) Nicht Mutter, Sohne und Verwandte, nicht der vertraute liebe Freund wandeln einem nach, wenn man einsam auf dem engen Wege dahinwandelt.

51. (12094.) Nur das vormals begangene gute und bose Werk, nur dieses allein ist von Bedeutung, o Sohn, fiir den ins Jenseits Hiniibergehenden.

52. (12095.) Ganze Haufen von Gold und Edelsteinen, mogen sie auf redlichem oder unredlichem Wege erworben sein, konnen beim Dahinfall des Leibes fiir den Menschen nicht irgend etwas ausrichten. -

53. (12096.) Wenn du ins Jenseits hiniibergehst, so wisse, dafs es fiir dein begangenes und nicht begangenes Werk in der Welt keinen Zeugen [sdJcslii = sdJcshi, Nil. erinnert an Panini 6,1,127] gibt, der deinem eigenen Selbste gleichkame.

54. (12 097.) Wer ins Jenseits hiniibergeht, mufs seinen Leib wie ein Kleid ablegen und dann ist seine Seele fiir das durchdringende Auge der Erkenntnis von iiberallher sicht- bar [vgl. Platon, Gorgias p. 523 E.].

55. (12 098.) Die drei G(3tter des Feuers, der Sonne und des Windes wohnen im irdischen Leibe, und sie sind Zeugen in ihm, welche seine Gerechtigkeit priifen.

56. (12 099.) In den Tagen, in den Nach ten, den allbe- riihrenden, allgegenwartigen , mogen sie enthiillen oder ver- hiillen, beobachte unentwegt deine Pflicht.

57. (12100.) Auf deinem Wege [auf Erden, nicht, wie Nil. will, ins Jenseits], der durch manche Wegelagerer gefahrdet und durch hafsliche, widerwartige Insekten bedroht wird, be- halte dein Werk fest im Auge; dein Werk ist es, welches dich ins Jenseits geleitet.

58. (12101.) Dort werden die Werke nicht miteinander ver- tauscht, daher wird das Vollbrachte als die Frucht, welche aus dem eigenen Werke entspringt, vergolten.

698 III. Mokshadharma.

59. (12102.) Ebenso wie die Scharen der Apsaras im Ver- ein mit den grofsen Weisen als Frucht die Seligkeit ge- niefsen, ebenso eriangen andere das Verdienst ihrer Werke und fahren auf Gotterwagen nach Belieben einher.

60. (12103.) Je nachdem hienieden das Gate vollbracht wurde von arglosen, edelgeborenen, wohlbereiteten Menschen, dementsprechend wird es alsdann an ihnen vergolten.

61. (12104.) Zur Weltgemeinschaft mit Prajapati, Brihas- pati und Indra geht man iiber die Brlicke des Hausvater- gesefzes den hochsten Weg.

62. (12105.) Ich mochte dir viele tausend Male einscharfen: Wer seinen Geist nicht hat verblenden lassen, den leitet dafiir der Gott des Feuers empor.

63. (12106.) Vierundzwanzig Jahre sind verstrichen, du stehst schon da als Fiinfundzwanzigjahriger, sammle dir einen Schatz von Gerechtigkeit, denn deine Jugend flieht!

64. (12107.) Bald taumelt der Tod heran und bereitet eine unerwiinschte {asukhdm mit C.) Somapressung, als ware schon Hand an dich gelegt, springe auf und beeile dich, deine Pflicht zu erfiillen.

65. (12108.) Als letzter und zugleich als erster [d. h. ganz allein] wirst du gehen; da du so deinen Weg gehen mufst, so frage dich, was du an dir und was du an einem andern haben wirst.

66. (12109.) Was von jedem der Guten, die hiniiber mufsten, bei dieser Gefahr als Vorbereitung auf den Hingang gait, hiite den einzigen Schatz!

67. (12110.) Mit Erdreich, Wurzeln und Nachbarstammen rafft der Machtige weg ohne Wahl, und niemand ist, der ihm wehren konnte, sammle dir einen Schatz von Pflicht- erfiillung !

68. (12111.) Diese Belehrung, o Sohn, habe ich dir jetzt hier erteilt, aus eigener Anschauung und Folgerung suche sie dir zu erlautern.

69. (12112.) Wer sich durch sein Werk giitlich tut oder um irgendeines Zweckes willen freigebig ist, der ver- anlafst durch die aus der Verblendung seines Geistes ent-

Adhy&ya 323 (B. 321). 699-

springenden Qualitaten seine Bindung, die er ganz allein verschuldet.*

70. (12113.) Das Schriftstudium erreicht alles, wenn man zugleich gute Werke vollbringt; das ist das Schauen de& wahren Zweckes, eine dankbare Aufgabe, vom Zweck gekront.

71. (12114.) Eine bindende Fessel ist die Liebesfreude des Dorf bewohners , Edelgesinnte durchschneiden sie und ziehen davon, Ubelgesinnte durchschneiden sie nicht [= Vers i2 458]^

72. (12115.) Wozu hilft dir Reichtum, wozu Verwandte, wozu Sohne, o Sohn, da du doch sterben mufst; er- forsche den Atman, der in die Hohle des Herzens ein- gegangen ist, und bedenke, wohin alle deine Vorfahren gegangen sind!

73. (12116.) Was du fiir morgen vor hast, tue heber heute, was fiir den Nachmittag, lieber am Vormittag, denn der Tod wartet nicht darauf, ob du dein Geschaft besorgt hast Oder nicht.

74. (12117.) Das Geleite geben dir nach deiner Auflosung deine Angehorigen und kehren zuriick, nachdem sie den Leih dem Feuer iibergeben haben, die Bekannten und die Freunde.

75. (12118.) Die Unglaubigen, Unbarmherzigen, ArgHstigen iasse getrost Hnks Hegen und strebe unermiidHch nach dem Hochsten.

76. (12119.) Da die Menschenwelt so sehr heimgesucht und iiberdies von der Zeit bedrangt wird, stiitze dich auf grofse Charakterstarke und betreibe mit ganzem Herzen deine Pflicht.

77. (12120.) Der Mensch, welcher dieses Mittel der Er- kenntnis voUstandig begreift und voUstandig seine Pflicht er- fiillt, wird im Jenseits der Sehgkeit teilhaftig.

78. (12121.) Die Trennung vom Leibe gilt den Wissen- den nicht als Tod, auf dem wohleingehaltenen Wege gibt es kein Verderben; nur wer seiner Pflicht lebt, ist ein Weiser, wer von der Pflicht abweicht, ist ein Tor.

* Oder: Wer durch sein Tun sich einen Schatz sammelt oder irgend jemandem sich freigebig erweist, der allein wird durch seine von geistiger Verblendung freien Tugenden mit dem Hochsten verbunden.

700 HI. Mokshadharma.

79. (12122.) Von den beiden auf dem Wege der Werke eingeschlagenen Richtungen erlangt der, welcher sie ein- schlagt, die Frucht je nach seinem Tun: wer schlechte Werke iibt, geht ins Verderben, wer die Pflicht be- obachtet, steigt zur Himmelswelt empor.

80. (12 123.) Hat man als die zum Himmel fiihrende Leiter das schwer zu erlangende Dasein als Mensch erreicht, so soil man sich wohl in acht nelimen, dafs man nicht wieder herabfalle .

81. (12124.) Wer mit seinen Gedanken den Himmelsweg verfolgt und nicht von ihm abweicht, dem, als Vollbringer heiliger Werke, braucht nicht von Sohnen und Verwandten nachgetrauert zu werden.

82. (12125.) Wessen Einsicht nicht verblendet ist, sondern sich auf die Gewifsheit stiitzt, der sichert sich einen Platz im Himmel, fiir den besteht nicht die grofse Furcht.

83. (12126.) Wer schon geboren wurde in einem Biifser- hain und in ihm starb, dessen Pflichterfiillung ist minder wert, weil er Lust und Genufs nicht kennen gelernt hat.

84. (12127.) Wer aber die Geniisse kennt und auf sie ver- zichtet, um mit seinem Leibe Askese zu iiben, fiir den ist nichts unerreichbar, und einen solchen Erfolg schatze ich hoch.

85. (12128.) Tausende von Miittern und Vatern, Hunderte von Sohnen und Weibern werden uns noch angehoren und haben uns schon angehort; wem konnten sie, wem konnten wir in Wahrheit angehoren!

86. (12129.) Ich bin allein, keiner gehort mir und keinem andern gehore ich an ; ich sehe ihn nicht, dem ich angehoren konnte, ich sehe ihn nicht, der mir angehoren konnte.

87. (12130.) Du hast nichts mit ihnen, sie haben nichts mit dir zu tun; diese Wesen entstehen durch ihre eigenen Werke, und auch du wirst den Weg deiner Werke gehen.

88. (12131.) In dieser Welt gehoren nur dem Reichen seine Angehorigen wirklich an, die Angehorigen des Armen sind es schon bei seinen Lebzeiten nicht mehr.

89. (12132.) Der Mensch hauft um des Weibes willen hose Werke auf, dafiir mufs er Fein erdulden im Jenseits und schon hienieden.

Adhyaya 323 (B. 321). 701

90. (12133.) Man sieht die Welt der Lebenden dem Ruin verfallen durch ihre eigenen Taten, darum, o Sohn, befolge alles, was dir anbefohlen wurde.

91. (12134.) Wer diese Anschauung sich aneignet und auf diese Welt der Werke hinblickt {prapagyatd mit C), der wird sich guter Werke befleifsigen, wofern er nach jener Welt begehrt.

92. (12135.) Durch das in Monaten und Jahreszeiten umlaufende, Nacht und Tag als Brennholz habende, als Zeuge der auf den eigenen Werken beruhenden Frucht gegenwartige Sonnenfeuer macht die Zeit mit Gewalt die Wesen miirbe.

93. (12136.) Wozu niitzt ein Reichtum, wenn man ihn nicht gibt und nimmt, wozu ein Heer, wenn es den Feind nicht besiegt, wozu ein Vedastudium, wenn es nicht zur Pflichterfiillung anleitet, wozu der Atman, wenn er nicht die Sinne ziigelt und beherrscht!

Bhishma sprach:

94. (12137.) Nachdem er dieses heilsame, von Dvaipayana gesprochene Wort gehort hatte, nahm Quka Abschied von seinem Vater, der ihm den Weg zur Erlosung gewiesen hatte.

So laiitet im Mokshadharma die lauternde Belehrung (pdvaka - adhijaijanarii).

Adhyaya 324 (B. 323).

Vers 12138-12157 (B. 1-20).

Dieser Abschnitt ist, von einigen wenig erheblichen Varianten ab- gesehen, identisch mit Adhyaya 181, oben S. 142—144.

702 III. Mokshadharma.

Adhyaya 335 (B. 333).

Vers 12158-12186 (B. 1-29).

Yudhishthira sprach:

1. (12158.) Wie wurde dem Vyasa der pflichttreue, askese- machtige ^uka geboren und wie erlangte er die hochste Vollendung? Das erzahle mir, o Grofsvater.

2. (12159.) Und wer war jene, in welcher der askesereiche Vyasa den (^uka zeugte? Denn wir kennen seine Mutter nicht und nicht die urspriingliche Geburt des Hochsinnigen.

3. (12160.) Und wie richtete sich, obgleich er noch ein Knabe war, sein Geist auf das verborgene Wissen, wie solches keinem andern, keinem zweiten hier in dieser Welt je zuteil geworden ist?

4. (12161.) Dieses wunsche ich ausfiihrlich zu vernehmen, Hochsinniger, denn wenn ich dir zuhore, ist das herrhchste Amritam kein Genufs mehr fiir mich.

5. (12162.) Darum mogest du die Hochsinnigkeit, Hin- gebung an den Atman und Erkenntnis des Quka der Reihe nach darlegen, o Grofsvater, der Wahrheit gemafs.

Bhishma sprach:

6. (12163.) Nicht durch langes Leben, nicht durch graue Haare, durch Reichtum oder Verwandte sind die Rishi's zur Pflichterfiillung gelangt, sondern wer des Veda kundig ist, der gilt fiir grofs unter uns.

7. (12164.) Alles, wonach du mich fragst, o Pandusohn, wurzelt in der Askese, und diese Askese wird gewirkt durch Ziigelung der Sinne und nicht anders.

8. (12 165.) Durch Anhanglichkeit an die Sinne verf allt der Mensch in Siinde, durch Ziigelung der Sinne erlangt er die Vollendung.

9. (12166.) Mit tausend Agvamedha - Opfern und hundert Vajapeyafeiern wird nicht soviel erreicht wie durch den kleinsten Teil des Yoga.

10. (12167.) Nun will ich dir die Geburt des (^uka mit- teilen, die Frucht seines Yoga und seinen hochsten Werde-

Adhyaya 325 (B. 323). 703

gang, der schwer zu verstehen ist fiir die, welche unbereiteten Geistes sind.

11. (12168.) Es geschah einstmals, dafsaufdem mit einem Walde von Karnikarablumen bestandenen Gipfel des Berges Meru Mahadeva (Qiva), von seinen furchtbaren Geisterscharen umgeben, lustwandelte.

12. (12169.) Und auch die Tochter des Konigs der Berge [des Himalaya], die Gottin [Uma] war dort zugegen. Dort aber iibte damals Krishna Dvaipayana seine gottliche Askese.

13. (12170.) Durch den Toga in sich selbst versunken und der Yogapflicht einzig hingegeben, fesselte er [sein Manas] und iibte Askese, um einen Sohn zu erlangen, o Bester der Kuru's.

14. (12171.) Und er sprach: Moge mir ein Sohn zuteil werden, o Herr, welcher mit der Starke von Feuer, Erde, Wasser, Wind und Ather begabt ist.

15. (12172.) Und der hochsten Askese ergeben, umwarb er den fiir Unbereitete unnahbaren Gott durch den Yoga mit seiner Bitte.

16. (12173.) VomWindelebend, stand der Gewaltigehundert Jahre lang da, um Mahadeva, den vielgestaltigen Gatten der Uma, gnadig zu stimmen.

17. (12174.) Auch nahten dem Herrn der Welt mit ihm Brahman weise und allerlei Konigsweise, die Welthiiter und Sadhya's nebst den Vasu's,

18. (12175.) die Aditya's und Rudra's, Sonne und Mond, die Vasu's und Marut's, die Meere und die Fliisse,

19. (12176.) die AQvin's, die gottlichen Gandharven, sowie Narada und Parvata, der Gandharva Vigvavasu, die Siddha's und die Apsaras.

20. (12177.) Unter ihnen erglanzte der grofse Gott Rudra (Qiva), indem er einen schonen, aus Karnikarablumen ge- flochtenen Kranz trug wie der Mond seinen Lichtglanz.

21. (12178.) In diesem himmlischen, lieblichen, von Gottern und Gotterweisen wimmelnden Walde gab sich der Rishi unentwegt dem hochsten Yoga hin, um einen Sohn zu er- langen.

704 in. Mokshadharma.

22. (12179.) Aber seine Lebenskraft nahm nicht ab und Mattigkeit iiberkam ihn nicht; es war wie ein Wunder fiir alle drei Welten.

23. (12180.) Die Haarflechten erschienen an ihm, dem mit unermefslicher Kraft dem Yoga Hingegebenen, leuchtend an Glanz gleich Feuerflammen.

24. (12181.) Das hat mir der heilige Markandeya bezeugt, als er mir hier immerfort Gottergeschichten erzahlte.

25. (12182.) Damals also erglanzten die durch jene Askese entflammten Haarflechten des hochsinnigen Krishna (Dvai- payana) in der Farbe des Feuers, o Freund.

26. (12183.) Infolge dieser grofsen Askese und Frommig- keit, 0 Bharata, wurde Mahegvara gnadig gestimmt und fafste in seinem Geiste einen Entschlufs,

27. (12184.) und lachelnd sprach der heilige, dreimutter- hafte Gott zu ihm: 0 Dvaipayana, ein Sohn, wie du ihn dir wiinschest, soil dir geschenkt werden.

28. (12185.) So rein wie Feuer, Wind, Erde, Wasser und Ather soil dein grofser Sohn sein.

29. (12 186.) Und mit solchem Charakter, Verstande, Selbste und innerem Halte ausgestattet, wird dein Sohn mit seiner Kraft die drei Welten erfiillen und Ruhm in ihnen erlangen.

So lautet im Mokshadbarma die Entstehung des Quka ((,'uka-utpatti).

Adhyaya 326 (B. 324).

Vers 12187-12214 (B. 1-27).

Bhishma sprach:

1. (12187.) Nachdem der Sohn der Satyavati (Vyasa) von dem Gotte diese herrliche Gewahrung seines Wunsches er- halten hatte, ergriff er, um Feuer zu machen, die beiden Reib- holzer faranij und rieb sie aneinander.

2. (12188.) Hierbei erblickte der heilige Rishi eine Apsaras mit Namen Ghritaci, welche vermoge des ihr eigenen Glanzes eine herrliche Gestalt zur Schau trug, o Konig.

Adhyaya 326 (B. 324). 705

3. (12189.) Als der heilige Vyasa in jenem Haine diese Apsaras sah, o Yudhishthira , da wurde der Weise plotzlich von Begierde verwirrt.

4. (12190.) Als die Ghritaci sah, wie Vyasa in seinem Geiste von Begierde erschiittert war, verwandelte sie sich in ein Papageienweibchen (qhMJ und naherte sich ihm.

5. (12191.) Als er nun sah, dafs die Apsaras sich in eine fremde Gestalt gehiillt hatte, wurde er iibermannt von Liebes- brunst, die seinen ganzen Leib durchzog.

6. (12192.) Mit grofser Festigkeit suchte Vyasa den Liebes- drang zu bekampfen, aber der Muni war nicht imstande, sein stiirmisches Verlangen zu bemeistern.

7. (12193.) Indem das Unvermeidliche geschah, wurde er von der Schonheit der Ghritaci fortgerissen. V^ahrend nun der Muni sich mit aller Macht durch Feuerreiben im Zaume zu halten suchte,

8. (12194.) geschah es, dafs sein Sperma plotzlich auf das Reibholz fiel. Aber mit unentwegtem Geiste fuhr trotzdem der Beste der Zwiegeborenen,

9. (12195.) der Brahmanenweise fort, das Holz zu reiben, da wurde ihm daraus der Quka (der Papagei) geboren, o Konig, aus dem zerriebenen Sperma (QukramJ wurde ihm Quka ge- boren, der askesereiche,

10. (12196.) der grofse Rishi, der machtige Yogin, ent- sprungen aus dem Reibholze als Mutterschofs. Wie das bei der Opferhandlung entflammte Feuer erglanzt und den Opfer- trank emportragt,

11. (12197.) so wurde, ihm an Gestalt gleich, von Glanz flammend, ^uka geboren, indem er, o Kurusprofs, die un- vergleichliche Gestalt und Farbe (Kaste) seines Vaters an sich trug.

12. (12198.) Und bereiteten Selbstes erglanzte er wie eine rauchlose Flamme. Aber die Gahga, die Beste der Strome, auf den Gipfel des Meru, o Mannerherr,

13. (12199.) in leibhaftiger Gestalt sich begebend, labte ihn durch ihr Wasser. Und vom Himmel herunter, o Kuru- sprofs, kam der Stab und das schwarze Antilopenfell [wie sie der Brahmanenschiiler tragt]

Detjssen, Mab&bh&rataiQ. 45

706 HI. Mokshadharma.

14. (12 200.) auf die Erde geflogen, o Fiirst der Konige, zum Besten des hochsinnigen Quka. Gandharven stimmten ihren Gesang an, Apsarasen tanzten

15. (12 201.) und weitschallende gottliche Trommeln warden geriihrt, und der Gandharve Vigvavasu nebst Tumburu und Narada

16. (12202.) sowie die Gandharven Haha und Huhu jubelten iiber die Geburt des Quka. Dorthin kamen auch die Welt- hiiter mit Qakra (Indra) an der Spitze,

17. (12203.) die Gotter und Gotterweisen und ebenso die Brahmanenweisen. Der Wind liefs himmlische Blumen von mancherlei Art herabregnen

18. (12204.) und die ganze Welt des Beweglichen und Un- beweglichen war voll Freude. Sodann geschah es, dafs der hochsinnige Glanzreiche (^iva) selbst, von seiner gottlichen Gattin begleitet, voll Freude ihn,

19. (12205.) den kaum geborenen Sohn des Muni, nach der Vorschrift bei einem Lehrer einfuhrte, und dafs Qakra, der Herr der Gotter, ihm einen himmlischen, wunderbar gestalteten

20. (12 206.) Wasserkrug [wie ihn die Asketen tragen] und himmlische Kleider aus Liebe spendete, o Herr. Aber Schwane und Pfauen und Wasservogel zu Tausenden

21. (12 207.) nebst Papageien und Hahern umkreisten ihn von rechts her, o Bharata. Nachdem der Glanzvolle, Reib- holzentsprossene fdraneyaj diese gottliche Geburt erlangt hatte,

22. (12208.) blieb er dort wohnen, weise, seinem Geliibde treu und gesammelten Geistes. Kaum dafs er geboren war, nahmen auch schon die Veden nebst den Upanishad's fraha- syamj und den Ausziigen

23. (12 209.) ebenso wie in seinem Vater auch in ihm Wohnung. Den Brihaspati aber wahlte er, der der Veden, Vedanga's und Kommentare Kundige,

24. (12210.) zu seinem Lehrer, o grofser Konig, indem er seiner Pflicht eingedenk war. Nachdem er mit ihm die samtlichen Veden nebst Upanishad's und Ausziigen durch- gegangen hatte,

25. (12 211.) sowie vollstandig die Itihasa's (epischen Ge- dichte) und die Lehrbiicher fiir Konige, o Herr, und nachdem

Adhyaya 326 (B. 324). 707

er ihm, als seinem Lehrer, die Dakshina (das Honorar) ent- richtet hatte, kehrte der grofse Muni zuriick

26. (12 212.) und unternahm als Brahmacarin mit Hin- gebung gewaltige Askese. Obgleich noch ein Knabe, wurde der Askesereiche doch von Gottern und Rishi's

27. (12 213.) um seines Wissens und seiner Askese willen aufgesucht und geehrt. Aber sein Geist, o Mannerherr, be- gniigte sich nicht mit den drei Lebensstadien, (12214.) wie sie im Hausvaterstande wurzeln, sondern strebte auf die Erlosungs- lehre bin.

So lautet im Moksbadharma die Entstehung des Quka

(Quka - utpatti) .

Adhyaya 327 (B. 335).

Vers 12215-12259 (B. 1-44).

Bhishma sprach:

1. (12215.) Nachdem er die Erlosung iiberdacht hatte, be- gab sich Quka zu seinem Vater, und nachdem er ihn als seinen Meister begriifst hatte, sprach er, nach Heil verlangend, mit Bescheidenheit :

2. (12216.) Du, o Heiliger, bist der Erlosungslehre kundig, so sage mir, wie meinem Geiste die hochste Beruhigung zu- teil werden kann, 0 Herr.

3. (12 217.) Als der hochste Weise das Wort des Sohnes vernommen hatte, sprach er zu ihm: Studiere die Erlosung und ihre mannigfachen Satzungen.

4. (12218.) Auf die Empfehlung des Vaters bin bemachtigte sich Quka, der Beste der Gesetzestrager, des ganzen Yoga- kanons und der Kapilalehre, o Bharata.

5. (12 219.) Als nun Vyasa sah, dafs sein Sohn mit brah- mischer Herrlichkeit geschmiickt, dem Brahman an Kraft gleich und der Erlosungslehre kundig war,

6. (12220.) da sprach er zu ihm: Gehe hin zu Janaka, dem Konige von Mithila; er, der Herr von Mithila, wird dir den ganzen Sinn der Erlosung eroffnen.

45*

708 III. Mokshadharma.

7. (12 221.) Aufdie Empfehlung des Vaters hin entschlofs er sich, nach Mithila zu gehen, o Fiirst, um nach der Grundlage des Gesetzes und dem hochsten Wege der Erlosung zu fragen.

8. (12 222.) Und weiter sprach zu ihm der menschenfreund- liche [Vater]: Gehe deinen Weg in Demut, wende nicht deine Yogamacht an, um durch die Luft zu fliegen.

9. (12 223.) Gehe in Schlichtheit und trachte nicht nach Genlissen, gehe nicht den vielerlei Dingen nach, denn sie fesseln dich an das Leben.

10. (12 224.) Eigenmachtig mufst du nicht handeln, wenn du hei jenem Opferherrn und Konige hist, sondern im Ge- horsam gegen ihn verharren, dann wird er deine Zweifel losen.

11. (12 225.) Dieser in der Pflicht bewanderte und der Erlosungslehre kundige Konig ist mein Opferherr, und was er dir sagt, das kannst du ohne Bedenken tun.

12. (12226.) Nach diesen Worten wanderte der pflichttreue Muni nach Mithila. Er ging zu Fufs, obgleich er durch die Luft iiber Land und Meer hatte fliegen konnen.

13. (12227.) Er mufste iiber Berge steigen, Flufsfurten und Teiche durchwaten und durch Walder und Dickichte dringen, wo es von wilden Tieren wimmelte.

14. (12 228.) Die Gebiete der beiden Berge Meru und Hari sowie ferner das Gebiet des Himalaya durchmafs er nach- einander und gelangte so in das Gebiet der Bharata's {hhdra- tam varsham, d. i. Indien).

15. (12 229.) Nachdem er viele von Chinesen (CinaJ und Hunnen fHtmaJ bewohnte Lander gesehen hatte, kam der grofse Muni in unser Land Arydvarta (Hindostan).

16. (12 230.) Die Worte seines Vaters befolgend und ihren Sinn iiberdenkend, nahm er seinen Weg [in gerader Linie], wie der Vogel in der Luft fliegt.

17. (12 231.) Liebliche Ortschaften und iippige Stadte mit mancherlei Kostbarkeiten sah er und sah sie doch nicht.

18. (12232.) Auch reizende Garten und Gottertempel mit geweihten Schatzen liefs er auf seinem Wege hinter sich.

19. (12233.) So gelangte er in kurzer Zeit ins Land der Videha's, welche von einem gerechten Konige, dem hoch- sinnigen Janaka, beherrscht wurden.

Adhyaya 327 (B. 325). 709

20. (12 234.) Da sah er viele in Essen und Trinken schwel- gende Dorfer, bliihende Ortschaften und Weideplatze, die von vielen Rinderherden belebt waren.

21. (12 235.) Da war an Reis und Gerste Uberflufs, da tummelten sich Ganse und Wasservogel, da prangten hundert- fach Lotosteiche in ihrer Schonheit.

22. (12 236.) Er durchschritt das Land der Videha's mit seinen reichen Bewohnern und kam zu dem lieblichen, bluhen- den Parke von Mithila.

23. (12 237.) Da wimmelte es von Elefanten, Rossen und Wagen, von Mannern und Frauen; er sah sie und sah sie doch nicht, sondern ging unentwegt fiirbafs.

24. (12 238.) Seine Last im Geiste tragend und an seine Aufgabe denkend, betrat er, in sich selbst ruhend und heitern Geistes, die Stadt Mithila.

25. (12239.) Am Burgtor angekommen, wollte er ohne Be- denken eintreten, aber die Torhiiter wiesen ihn mit rauhen Worten zuriick.

26. (12 240.) Quka jedoch bheb, ohne in Zorn zu geraten, stehen, und obgleich er diirch die Hitze und die Wanderung ermiidet und von Hunger und Durst gequalt war,

27. (12241.) so zeigte er doch keine Mattigkeit oder Schlaff- heit und ging auch nicht aus der gliihenden Sonne. Aber einer der Torhiiter empfand Reue,

28. (12 242.) und indem er den (^uka dastehen sah, herrHch wie die Sonne im Zenith, ehrte er ihn, wie es sich gebiihrt, begriifste ihn mit zusammengelegten Handen

29. (12243.) und liefs ihn in die zweite Umzaunung des Konigspalastes ein. Dort setzte sich ^uka nieder, o Freund, und meditierte iiber die Erlosung,

30. (12 244.) gleichgiiltig gegen Schatten und Sonnenglut und immer gleich an Glanz. Da trat nach einer Weile ein Minister des Konigs mit zusammengelegten Handen ihm ent- gegen

31. (12 245.) und geleitete ihn in die dritte Umzaunung des Konigspalastes. Darauf lud der Minister den ^uka ein, in den an das Frauengemach anstofsenden, dem Lustwalde des Kubera vergleichbaren.

710 in. Mokshadharma.

32. (12 246.) Spielplatze mit schon verteilten Wasserlaufen enthaltenden, lieblichen, mit bliihenden Baumen geschmiick- ten, unvergleichlichen Frauenlusthain einzutreten.

33. (12 247.) Dort bot er ihm einen Sitz an und entfernte sich. Da geschah es, dafs schonbekleidete , schonhiiftige, zarte , freundlichblickende,

34. (12 248.) durchsichtige rote Gewander tragende, von Goldschmuck funkelnde, des Plauderns und Kosens kundige, in Tanz und Gesang geiibte,

35. (12 249.) unter Lacheln schmeichelnde , an Schonheit den Apsaras vergleichbare , in Liebeskiinsten erfahrene, in alien Herzensangelegenheiten bewanderte,

36. (12 250.) herrliche Haremsmadchen, fiinfzig an der Zahl, auf ihn zueilten. Sie brachten Fufswasser und alles weitere herbei, iiberhauften ihn mit den hochsten Ehrenbezeigungen

37. (12 251.) und labten ihn mit kostlichen, der Jahreszeit entsprechenden Speisen. Nachdem er gespeist hatte, o Freund, fiihrten sie ihn in dem zum Frauengemach gehorigen Hain herum

38. (12 252.) und zeigten ihm alle seine lieblichen Einzel- heiten, o Bharata, indem sie dabei reizend spielten, lachten und sangen.

39. (12253.) So umschwarmten sein hohes Wesen die wesens- kundigen Madchen, aber der Reingesinnte, Reibholzentsprossene hielt unbeirrt an seiner Aufgabe fest,

40. (12 254.) und als Herr seiner Sinne und Meister iiber den Zorn regte er sich nicht auf und ziirnte audi nicht. Nun wurde ihm ein himmlisches, gotterwiirdiges, mit Juwelen geschmiicktes Ruhebett,

41. (12 255.) das mit kostbaren Teppichen belegt war, von jenen herrlichen Madchen dargeboten. Aber Quka, nachdem er sich nur die FilTse gewaschen und das Dammerungsgebet verrichtet hatte,

42. (12 256.) liefs sich auf einem reinen Sitze nieder und iiberdachte seine Aufgabe. Den ersten Teil der Nacht ver- brachte er in hingegebener Meditation,

43. (12257.) und um Mitternacht gab der Herrhche sich dem Schlafe hin, wie es Vorschrift ist. Nach einiger Zeit

Adhyaya 327 (B. 325). 711

stand er dann auf, vollzog sofort seine Waschungen (12258.) und gab sich dann, von den Madchen umringt, mit Bedacht der Meditation bin.

44. Auf diese Weise wurde von dem Krisbnasobne un- entwegt der ganze Tag (12259.) und die folgende Nacbt am Hofe des Konigs zugebracbt, o Bbarata.

So lautet im Mokshadharma die Entstehung des Quka (Quka-utpatti).

Adhyaya 338 (B. 326).

Vers 12260-12311 (B. 1-51).

Bhishma sprach:

1. (12 260.) Da gescbab es, dafs der Konig Janaka, von seinen Ministern umgeben, o Bbarata, unter Vortritt des Haus- priesters und des ganzen Harems,

2. (12 261.) einen Sessel und mancberlei Kostbarkeiten vor- ausschickend und auf seinem Haupte die Gastspende tragend, dem Sobne seines Lebrers sich nabte.

3. (12 262.) Darauf wurde der mit vielen Juwelen ge- scbmiickte, mit kostbaren Teppichen iiberdeckte, hocbst er- freuHcbe und pracbtige Sitz

4. (12 263.) aus den Handen des Hauspriesters von dem Fiirsten entgegengenommen und dem ^uka, dem Sobne seines Lebrers, als bochste Ebrenbezeigung dargeboten.

5. (12 264.) Nacbdem der Krisbnasobn sicb auf demselben niedergelassen batte, ehrte der Konig ibn nach der Gesetzes- vorscbrift, bot ibm zunacbst das Fufswasser dar und iibergab ibm die Gastspende und eine Kub.

6. (12265.) Er aber nabm diese von Spriicben begleitete Ebrenbezeigung in vorscbriftsmafsiger Weise entgegen, und nacbdem der Beste der Brabmanen diese Ebrenbezeigung von Janaka entgegengenommen

7. (12 26G.) und die Scbenkung der Kub genebmigt batte, fragte der gewaltige (^uka, um den Konig zu ebren, ibn nach seinem bestandigen Wohlergehen

712 III. Mokshadharma.

8. (12 267.) und nach dem Befinden seines Gefolges, o Fiirst der Konige. Auf seine Aufforderung nahm der Konig mit seiner Begleitung Platz.

9. (12 268.) Aber der Konig, edel an Gesinnung wie an Abstammung, legte, auf der Erde sitzend, die Hande zu- sammen, erkundigte sich bei dem Vyasasohn nach seinem bestandigen Wohlergehen, (12 269.) und sodann befragte ihn der Erdeherr nach dem Zwecke seines Kommens.

^uka sprach:

10. (12 270.) Mein Vater sprach zu mir: Heil sei dir! Als der Erlosung, des Guten und des Niitzhchen kundig, ist der Konig der Videha's, Janaka, beriihmt, und er ist mein Opferherr.

11. (12271.) Zu ihm begib dich eiligst, wenn du in deinem Herzen einen Zweifel dariiber hegst, was zu tun und zu lassen ist, er wird dir den Zweifel losen.

12. (12 272.) So bin ich denn auf den Befehl meines Vaters hierhergekommen , um dich zu befragen; darum mogest du, o Bester der Gesetzestrager , mir dementsprechend folgendes beantworten :

13. (12 273.) Was hat ein Brahmane hienieden zu tun, von welcher Art ist das Wesen der Erlosung und wie kann die Erlosung erlangt werden, durch Wissen oder durch Askese?

Janaka sprach:

14. (12 274.) Was ein Brahmane hienieden von der Geburt an zu tun hat, das vernimm. Nachdem er bei einem Lehrer eingefiihrt worden ist, soil er vor allem den Veda studieren.

15. (12 275.) In Askese, gutem Betragen gegen den Lehrer und Keuschheit beharrend, o Herr, soil er ohne Murren seine Schuld an die Gotter und Vater abtragen.

16. (12276.) Hat er aber den Veda mit Fleifs studiert, das Honorar entrichtet und die Entlassung vom Lehrer erhalten, dann soil der Zwiegeborene heimkehren.

17. (12277.) Nachdem er heimgekehrt ist, soil er im Haus- vaterstande, sich mit der eigenen Gattin begniigend, leben und der Vorschrift gemafs die Opferfeuer ohne Murren pflegen.

Adhyaya 328 (B. 326). 713

18. (12 278.) Nachdem er sodann Sohne und Enkel erlangt hat, soil er in das Lebensstadium des Waldeinsiedlers iiber- gelien, ebenjene Feuer nach der Vorschrift ehren und Gast- freundschaft iiben.

19. (12 279.) Nachdem er pflichtgetreu im Walde der Vor- schrift gemafs die Feuer in seinen Leib aufgenommen hat, soil er, erhaben iiber die Gegensatze und frei von Leiden- schaft, im Brahmanlebensstadium verweilen.

^uka sprach:

20. (12 280.) Wenn nun Erkenntnis und Wissenschaft er- worben und im Herzen fiir immer die Freiheit von den Gegen- satzen des Lebens erreicht worden ist, ist es dann noch notwendig, in den drei Lebensstadien zu verharren?

21. (12 281.) Danach frage ich dich, das mogest du, o Herr, mir sagen, dem wahren Sinne des Veda gemafs erklare es mir, 0 Mannerherr.

Janaka sprach:

22. (12282.) Die Eriosung kann nicht ohne Erkenntnis und Wissenschaft erlangt werden, die Wissenschaft aber ist, wie die Schrift lehrt, nur zu erlangen durch Verbindung mit einem Lehrer.

23. (12 283.) Der Lehrer ist der Fahrmann, und das Wissen ist das Schiff, beides kann nur der, welcher die Erkenntnis erlangt, seinen Zweck erreicht hat und hiniibergefahren ist, hinter sich lassen.

24. (12 284.) Damit die Welten nicht verfallen, damit die Werke nicht verfallen, ist die in den vier Lebensstadien ein- geschniirte Pflicht von den Alton geiibt worden.

25. (12 285.) Durch diese Hingabe an die Stufenreihe der Werke durch viele Geburten hindurch gelangt man dazu, das gute und das bose Werk von sich zu tun und das hie- nieden zu ergreifen, was die Eriosung heifst.

26. (12 286.) Wenn aber durch viele Geburten im Sansara die Organe zubereitet worden sind, kann einer, der reinen Geistes ist, die Eriosung schon im ersten Lebensstadium er- langen.

714 in. Mokshadharma.

27. (12287.) Hat aber einer diese erreicht, so fragt sich, welchen Zweck die drei iibrigen Lebensstadien noch haben konnen fiir einen, der eriost, wahrheitschauend, weise und nach dem Hochsten strebend ist.

28. (12 288.) Man mufs allezeit die aus Rajas und Tamas entspringenden Fehler vermeiden und auf dem Wege des Satt- vam durch seinen Atman zum Schauen des Atman gelangen.

29. (12 289.) Wenn einer sich selbst in alien Wesen und alle Wesen in sich selbst sieht, so wird er so wenig in der Welt befleckt wie ein Wasservogel im Wasser.

30. (12290.) Wie ein Vogel aus der Niederung emporfliegt und die Unendlichkeit droben erreicht, so gelangt, verzichtend und vom Korper befreit, der iiber die Gegensatze Erhabene zum Frieden.

31. (12 291.) Dariiber vernimm die Gesange, welche ehe- mals vom Konige Yayati gesungen wurden und welche von Zwiegeborenen , die der Erlosungslehre kundig sind, im Ge- dachtnisse aufbewahrt werden.

32. (12 292.) „In dem Atman und sonst nirgendwo wohnt das Licht ; als gemeinsam alien Geschopfen kann es unmittelbar geschaut werden von einem, dessen Geist sich darein vertieft.

33. (12 293.J Vor wem sich kein anderer fiirchtet und wer sich vor keinem andern fiirchtet, wer nicht liebt und nicht hafst, der geht in das Brahman ein.

34. (12294.) Wenn einer* kein hoses Wesen gegen irgend jemand zeigt in Werken, Gedanken oder Worten, der geht in das Brahman ein.

35. (12 295.) Wer seinen Atman im Geiste wohlriistet und den blindmachenden Neid fahren lafst, wer Begierde und Ver- blendung fahren lafst, der erlangt die Brahmanschaft.

36. (12 296.) Wer beim Horen und Sehen alien Wesen gegeniiber seinen Gleichmut bewahrt und iiber die Gegen- satze erhaben ist, der geht in das Brahman ein.

37. (12 297.) Wer auf Lob und Tadel mit Gleichmut blickt, auf Gold und Eisen, Lust und Leid,

38. (12 298.) Kalte und Warme, Nutzen und Schaden, Liebes und Unliebes, Leben und Sterben, der geht in das Brah- man ein.

Adhyaya 328 (B. 326). 715

39. (12 299.) Wie die Schildkrote die Glieder, welche sie ausgestreckt hatte, wieder in sich hereinzieht, so soil der Bhikshu die Sinnesorgane durch sein Manas in sich herein- ziehen.

40. (12300.) Wie ein von Dunkel umhiilltes Kleid mit Hilfe einer Lampe gesehen wird, so kann man mit der Lampe der Buddhi den Atman schauen."

41. (12301.) Alles dieses sehe ich in dir verwirklicht, 0 Bester der Verstandigen , und was sonst noch zu wissen iibrig ist, das weifst du, o Herr, der Wahrheit gemals.

42. (12 302.) Ich weifs von dir, o Brahman weiser, dafs du iiber die Sinnendinge hinausgelangt bist dank der Gnade deines Lehrers und deiner eigenen Lernbegierde.

43. (12303.) Und durch desselben Lehrers Gnade ist auch mir ein gottliches Wissen mitgeteilt worden, darum weifs ich das liber dich, o grofser Muni.

44. (12 304.) Uniibertrefflich ist dein Wissen und uniiber- trefflich dein Wandel; uniibertrefflich ist auch deine Gott- herrlichkeit, du aber bist dir dessen nicht bewufst.

45. (12305.) Wegen deiner Jugend oder deines Zweifels oder deiner Furcht, die Erlosung nicht zu erlangen, bist du, obgleich dir die Wissenschaft zuteil geworden ist, dir nicht bewufst, das Ziel erreicht zu haben.

46. (12 306.) Wem von einem wie mir mit reiner Entschlossen- heit seine Zweifel gehoben worden sind, der spaltet die Knoten seines Herzens und erreicht das Ziel.

47. (12307.) Du bist des Wissens teilhaftig, festen Geistes und frei von Begierde; ohne eine solche Bemiihung, o Brah- mane, kann keiner jenes Hochste erreichen.

48. (12308.) Du machst keinen Unterschied zwischen Lust und Schmerz, bist ohne Begehrlichkeit, tragst kein Verlangen nach Tanz und Gesang, und keine Leidenschaft steigt in dir auf.

49. (12309). Du hangst nicht mehr an Verwandten, du fiirchtest dich nicht mehr vor Gefahren, und ich sehe, o du Gliicklicher , dafs dir Erdklumpen, Steine und Gold gleich- viel gelten.

50. (12 310.) Ich sehe es und alle anderen Einsichtigen

716 in. Mokshadharma.

sehen es, dafs du den hochsten, unverganglichen , leidlosen Weg betreten hast.

51. (12311.) Die Frucht, welche einem Brahmanen hienieden zuteil wird, und von welcher Art die Erlosung ist, dariiber bist du unterrichtet, o Brahmane. Was hast du weiter noch zu fragen?

So lautet im Mokshadharma die Entstehung dee (^uka (Quka-utpatti).

Adhyaya 329 (B. 327).

Vers 12312-12364 (B. 1-53).

Bhishma sprach:

1. (12312.) Nachdem Quka diese Rede vernommen hatte, ging er bereiteten Geistes, voll Zuversicht, sein Selbst durch sein Selbst befestigend und sein Selbst durch sein Selbst schauend,

2. (12313.) nach Erfiillung seiner Aufgabe, heiter, beruhigt, schweigend und mit gehobenem Haupte hinauf zu dem Schnee- gebirge, dem Sturm wind vergleichbar.

3. (12314.) Zur selben Zeit begab es sich, dafs auch der Gotterweise Narada hinaufsteigen wollte, um den von seligen Scharen und himmlischen Sangern bewohnten Himalaya zu besuchen,

4. (12315.) den Himalaya, welcher belebt ist von lieblich singenden Apsarasscharen, von Kinnara's zu Tausenden und Bhringaraja's,

5. (12316.) von Tauchervogeln , Bachstelzen und bunt- farbigen Hiihnerarten,

6. von buntschillernden, durch hundertfache Kekarufe auf- fallenden Pfauen, (i23i7.) von Flamingoscharen und schwarzen Kuckucken ;

7. dort thront allezeit der Konig der Vogel, Garutmant (Garuda), (12318.) dorthin kommen die vier weltbehiitenden Gotter und die Scharen der Rishi's

8. immerfort zusammen, um das Beste der Welt zu be- raten, (12319.) wo auch von dem hochsinnigen Vishnu zur Erlangung eines Sohnes Askese geiibt wurde.

Adhy^ya 329 (B. 327). 717

9. Dort war es auch, wo von Kumara (Skanda) einst in seiner Kindheit die Himmelsbewohner verhohnt worden waren. (12320.) Skanda hatte namlich seinen Speer in die Erde ge- stofsen und mit Verachtung aller drei Welten

10. daselbst hohnend dieses Wort den Wesen zugerufen : (12 321.) Wenn irgendeiner lebt, der mir iiberlegen ist oder die Brahmanen mehr liebt als ich,

11. wenn in den drei Welten ein zweiter sich findet, der an Heiligkeit und Tapferkeit mir gleichkommt, (12322.) so moge er versuchen, diesen Speer herauszuziehen oder auch nur zu erschiittern.

12. Als sie dies horten, gerieten die Welten in Aufregung und fragten sich : Wer wird den Speer herausziehen ? (12323.) Als aber der heilige Vishnu die ganze Schar der Gotter mitsamt den Damonen und Kobolden

13. bestiirzt an Sinnen und Geist infolge der Verhohnung erblickte, (12324.) da fragte er sich, was wohl hier Gutes ge- wirkt werden konne.

14. Und indem er die Verhohnung nicht ertrug, blickte er auf den Feuersohn (Skanda) hin, (12325.) packte mit reiner Seele den flammenden Speer,

15. und es gelang ihm, dem hochsten Purusha, mit der linken Hand den Speer ins Wanken zu bringen. (12 326.) Als aber der Speer von dem gewaltigen Vishnu erschiittert wor- den war,

16. da bebte die ganze Erde mit ihren Gebirgen und Waldungen. (12327.) Wohl hatte er den Speer herausreifsen konnen, aber er bewegte ihn nur,

17. denn der Ubermachtige achtete die Verwegenheit des Konigs Skanda. (12328.) Nachdem der HeiHge den Speer be- wegt hatte, sprach er zu Prahrada dieses Wort:

18. Sieh da die Heldenkraft des Kumara, kein anderer wird so etwas fertig bringen. (12329.) Der aber ertrug diese Rede nicht, und iiberzeugt, den Speer herausziehen zu konnen,

19. packte er ihn, vermochte aber nicht, ihn zu bewegen. (12330.) Einen machtigen Schrei ausstofsend, brach er ohn- machtig auf dem Gipfel des Berges zusammen

718 ni. Mokshadharma.

20. und zitternd stiirzte er, der Sohn des HiranyakaQipu, zu Boden. (12331.) Ebendort war es auch gewesen, wo, nach der nordlichen Himmelsgegend gelangend, an einem Abhange des Konigs der Berge

21. der den Stier im Banner Fiihrende (Qiva) bestandig eine schwer zu iiberwaltigende Askese iibte, o Freund, (12 332.) er, in dessen von flammendem Feuer umgebene Ein- siedelei

22. mit Namen Sonnenberg schwer einzudringen ist von solchen, welche unbereiteten Geistes sind. (12333.) Dorthin zu gehen ist nicht moglich fiir Halbgotter, Kobolde und Damonen,

23. zu der zehn Meilen weit sich erstreckenden, von Feuerlohe umgebenen Einsiedelei. (12334.) Der heilige Feuer- gott selbst flammte dort in seiner Starke,

24. um alle Hindernisse fernzuhalten von dem weisen Mahadeva, (12335.) welcher tausend Gotterjahre hindurch auf einem Fufse stand,

25. von dem geliibdemachtigen Mahadeva, welcher die Gotter in seiner Askese beunruhigte. (12336.) Anderseits pflegte in der ostlichen Gegend des weisen Konigs der Berge

26. an einem abgesonderten Abhange der askesereiche Paragarasohn (12337.) Vyasa seinen Schiilern den Veda zu lehren,

27. dem hochbegliickten Sumantu, dem Vaigampayana, (12 338.) dem hochweisen Jaimini und dem askesereichen Paila.

28. Dort also, wo, von diesen Schiilern umgeben, der askesereiche Vyasa sals, (12339.) erblickte den lieblichen, vor- ziiglichen Ort der Einsiedelei seines Vaters

29. der reingesinnte Reibholzentsprossene, wie die Sonne am Himmel erglanzend. (12340.) Aber auch Vyasa erblickte den wie lohendes Feuer umstrahlten,

30. der Sonne an Glanz gleichen Sohn, wie er heran- kam, (12 341.) ohne sich um die Baume, Felsen und Sinnen- dinge zu kiimmern, in den Yoga vertieft, hochsinnig, einem von der Sehne abgeschossenen Pfeile vergleichbar.

31. (12 342.) Der Sohn naherte sich und erfafste die Fiifse

Adhyaya 329 (B. 327). 719

des Vaters, er, der grofse Muni, wahrend er die anderen nach Belieben begriifste.

32. (12343.) Darauf erzahlte ^uka mit freudigem Herzen seinem Vater alles bis ins kleinste, wie er sich mit dem Konige Janaka unterredet hatte.

33. (12344.) "Wie er zu tun pflegte, unterwies der gewaltige Vyasa seine Schiiler und seinen Sohn und lebte auf dem Riicken des Himalaya, der hochweise Sohn des Paragara.

34. (12 345.) Nun begab es sich einstmals, dafs ihn seine Schiiler umstanden, mit dem Vedastudium ausgeriistet, be- ruhigten Geistes, mit bezahmten Sinnen,

35. (12346.) fest in den Veden und Vedaiiga's gewurzelt und askesereich. Da sprachen die Schiiler mit zusammen- gelegten Handen zu Vyasa, ihrem Lehrer.

Die Schiiler sprachen:

36. (12 347.) Mit grofser Kraft ausgestattet und herrlich emporgediehen, bitten wir nunmehr dich, unsern Lehrer, uns eine Gnade zu erweisen.

37. (12 348.) Diese ihre Rede vernommen habend, sprach zu ilmen der Brahmanweise : Sprecht es aus, ihr Kalblein, welche Liebe ich euch erweisen soil.

38. (12 349.) Dieses Wort des Lehrers horten die Schiiler mit frohem Herzen, und abermals, die Hande zusammen- legend und mit dem Haupte vor dem Lehrer sich ver- neigend,

39. (12 350.) sprachen sie, o Konig, alle im Verein dieses gewaltige Wort: Wenn der Lehrer mit uns zufrieden ist, so sind wir begliickt, o bester Muni.

40. (12 351.) Aber wir alle bitten, dafs uns von dem grofsen Rishi eine Gunst gewahrt werde: Mochte durch dich aufser uns kein sechster Schiiler zum Ruhm gelangen, dies erweise uns als Gnade.

4L (12 352.) Wir Schiiler sind unserer schon vier und der Sohn des Lehrers ist der fiinfte. Mochten die Veden in unserm Kreise verbleiben, das ist der Wunsch, um dessen Erfiillung wir bitten.

720 III. Mokshadharma.

42. (12333.) Als Vyasa, der des Veda nach Inhalt und Be- deutung kundige und iiber das Wesen des Jenseits medi- tierende, weise Sohn des Para^ara, die Rede seiner Schiiler vernommen hatte,

43. (12354.) sprach der Pflichtkundige zu seinen Schiilern das pflichtgetreue, beseligende Wort : Das heilige Wort mufs allezeit einem Brahmanen, wenn er es zu horen begehrt, mit- geteilt werden,

44. (12355.) sofern er nach der bestandigen Wohnung in der Brahmanwelt Verlangen tragt ; ihr sollt zu vielen werden, dieser Veda soil sich verbreiten.

45. (12 356.) Aber keinem diirft ihr ihn mitteilen, der nicht ein Schiiler, der nicht geliibdetreu, der nicht bereiteten Geistes ist; dieses alles miifst ihr als die Bedingungen der Schiiler- schaft der Wahrheit gemafs erkennen;

46. (12357.) nun und nimmer darf die Wissenschaft einem solchen mitgeteilt werden, der unbedachten Wandels ist. Denn wie man das Gold auf seine Reinheit hin durch Erhitzung, Schneiden und Reiben am Probierstein

47. (12358.) priift, so mufs man die Schiiler auf ihre Ab- kunft, Fahigkeit und was sonst dazu gehort priifen. Nie diirft ihr die Schiiler zu einer unwiirdigen oder gefahrlichen Arbeit verwenden.

48. (12359.) Je nach dem Verstandnisse , je nach dem Studium wird die Wissenschaft fruchtbar sein; jeder mufs die Schwierigkeiten iiberwinden, und jeder soil auch seine Freude daran haben.

49. (12360.) Allen vier Kasten soil man den Veda mitteilen, in erster Linie aber den Brahmanen. So steht es mit dem Studium des Veda, als grofse Aufgabe haben wir es iiberkommen.

50. (12361.) Die Veden sind von dem durch sich selbst Seienden geschaffen worden, damit man die Gotter mit ihnen preise. Wer aber in seiner Verblendung einen Brahmanen schmaht, der den Veda durchstudiert hat,

51. (12362.) der geht unzweifelhaft ins Verderben, weil er es auf einen Brahmanen abgesehen hat. Wer unbefugter- weise den Veda erklart und wer unbefugterweise iiber ihn Fragen stellt,

Adhy&ya 329 (B. 327). 721

52. (i23Ga.) von denen geht ersterer ins Verderben und letzterer macht sich verhafst. Alles dies sei euch anbefohlen als Vorschrift, wie der Veda zu lehren ist;

53. (12 364.) seid hilfreich euren Schiilern, das haltet fest in eurem Herzen.

So lautet im MokshadbaTraa das Treiben des Quka

((^ula - kritijain).

Adhyaya 330 (B. 328).

Vers 12365-12421 (B. 1-57).

Bhishma sprach:

1. (12365.) Nachdem die herrlichen Schiiler des Vyasa dieses Wort des Lehrers gehort batten, umarmten sie ein- ander freudigen Herzens:

2. (12 366.) „Was der Heilige zu uns gesprochen hat, das ist als verbindlich fiir Gegenwart und Zukunft in unserm Geiste festgewurzelt, und danach werden wir handeln."

3. (12 367.) Nachdem sie sich wiederholt freudigen Geistes in dieser Weise raiteinander besprochen batten, redeten die Redekundigen abermals ihren Lehrer an:

4. (12 368.) Es ist uns erwiinscht, o grofser Muni, aus diesem Gebirge in die Welt herabzusteigen und fiir die Ver- breitung der Veden zu wirken, wenn es dir, o Herr, gefallt.

5. (12369.) Nachdem der Paragarasohn die Rede seiner Schiiler angehort hatte, sprach er darauf das heilsame, zum Guten und Niitzlichen mahnende Wort:

6. (12370.) Ihr mogt euch zur Erde oder zur Gotterwelt hin- wenden, wenn es euch gefallt, jedenfalls miifst ihr behutsam wandeln, denn das heilige Vedawort ist leicht zu entstellen.

7. (12371.) Von dem wahrheitliebenden Lehrer verabschiedet, umkreisten sie den Vyasa nach rechts, griifsten ihn durch Neigung des Hauptes und machten sich auf den Weg.

8. (12 372.) In die Ebene hinabgestiegen , richteten sie so- dann das Vierpriesteropfer ein und waren fiir Brahmanen, Rajanya's und Vaigya's als Opferpriester tatig.

Deusskn, Mah&bbilTatain. 46

722 III. Mokshadharma.

9. (12 373.) Allezeit von den Zwiegeborenen geehrt, lebten sie frohlich als Hausvater und batten ihre Freude am Opfern fur andere und am Lehren des Veda, gliicklich und in der Welt beriihmt.

10. (12374.) Nachdem die Schiiler hinabgestiegen waren, blieb Vyasa mit seinem Sohne schweigend, meditierend und gedankenreich. an einsamer Statte sitzen.

11. (12375.) Da besuchte ihn in seiner Einsiedelei der askesereiche Narada und sprach zu passender Zeit mit lieb- lich tonender Stimme:

12. (12376.) Ei, ei, du Brahmanenweiser aus Vasishtha's Stamm! man hort hier gar nicht mehr das heilige Wort er- tonen; warum sitzest du allein meditierend und schweigsam da wie einer, der in Gedanken versunken ist?

13. (12377.) Dieser Berg hat jetzt, wo er nicht mehr von heiHger Rede widerhallt, seine Schonheit eingebiifst wie der Mond, wenn er durch Staub und Finsternis verdunkelt wird.

14. (12 378.) Nicht glanzt er mehr wie vordem, und er, der doch von Gottem und Rishi's besucht wird, gleicht einer Be- hausung wilder Barbaren, seitdem das Vedawort nicht mehr auf ihm erschallt.

15. (12 379.) Rishi's, Gotter und machtige Gandharven, des Vedaklanges entbehrend, glanzen nicht mehr wie vordem.

16. (12 380.) Das Wort des Narada vernommen habend, erwiderte Krishna Dvaipayana: 0 grofser Rishi, was du mir gesagt hast, du, der Vedareden Kundiger,

17. (12381.) das entspricht meinem Wunsche, und du hast ganz recht, es mir zu sagen. Allweise, allschauend und iiberall umherspiirend,

18. (12 382.) hast du in deinem Geiste alles gegenwartig, was in den drei Welten vor sich geht. Darum sprich dich aus, 0 Brahmanenweiser, und sage, was ich dir zuliebe tun soil.

19. (12383.) Lafs horen, o Brahmanenweiser, was ich unter- nehmen soil; seitdem ich meiner Schiller beraubt bin, werde ich meiner nicht mehr recht froh.

Adhyaya 330 (B. 328). 723

NS.rada spracb:

20. (12384.) Das Nichtstudiertwerden ist eine Schmach fiir den Veda, keine Geliibde zu haben eine Schmach fiir den Brahmanen; Auslander sind die Schmach des Landes, Neu- gierde ist die Schmach der Weiber.

21. (12 385.) 0 Herr, studiere zusammen mit deinem ver- standigen Sohne die Veden, dann wirst du durch den Schall der heiligen Rede den Triibsinn abschiitteln , der dich aus Furcht vor den Kobolden befangt.

Bhishma spracli:

22. (12 386.) Nachdem der iiberaus pflichtkundige Vyasa das Wort des Narada gehort hatte, sprach er freudig: So sei es! und gelobte sich fest, die Veden eifrig zu treiben.

23. (12 387.) Darauf gab er sich mit seinem Sohne (^uka dem Studium des Veda hin und erfiillte mit seinem lauten, kunstgerechten Vortrage gleichsam die Welt.

24. (12 388.) Einstmals, als die beiden gerade studierten und mancherlei Satzungen vortrugen, wehte ein sehr starker Wind, der von einem Seesturme herriihrte.

25. (12 389.) Dabei kann nicht studiert werden, sprach Vyasa und hemmte den Eifer seines Sohnes ; Quka horte auf, und von Wifsbegierde erfiillt,

26. (12 390.) fragte er seinen Vater: 0 Brahmane, woher ist dieser Wind entstanden? Du mogest mir, o Herr, das ganze Wesen des Windes erklaren.

27. (12391.) Nachdem er dieses Wort des (^uka vernommen hatte, sprach der gleichfalls liber diese Veranlassung der Studienunterbrechung hochst erstaunte Vyasa folgendermafsen :

28. (12392.) Ein himmHsches Auge ist dir geworden, und dein Geist ist aus sich selbst fleckenlos, von Tamas und Rajas bist du frei und stehst fest im Sattvam.

29. (12393.) Wie einer sein Bild im Spiegel, so siehst du dein Selbst durch dein Selbst; erwage in deinem Selbste die Veden und iiberdenke sie mit deinem Geiste.

30. (12 394.) Wer auf dem Gotterwege geht, gelangt zu Vishnu, der Vaterweg aber ist tamas-artig ; diese beiden Wege

46*

724 in. Mokshadharma.

bestehen nach dem Tode fiir den, der zum Himmel, und fiir den, der niederwarts geht.

31. (12395.) Auf der Erde und im Luftraume, wo immer die Winde umherstreichen mogen, da gibt es folgende sieben Windpfade, diese vernimm der Reihe nach.*

32. (12 396.) Da oben wohnen die machtigen, gewaltigen, gottlichen Scharen der Sadhya's, diese batten einen schwer iiberwindlichen Sohn, der hiefs Sanidna (der Allhauch).

33. (12397.) Sein Sohn ist der Uddna (Aufhauch), dessen Sohn der Vydna (Zwischenhauch) ; von ihm stammt der Ajidna (Einhauch), und von diesem weiter der Prdna (Aushauch).

34. (12 398.) Der schwer zu bewaltigende, feindbedrangende Prana aber hatte keine Nachkommen. Nun will ich dir die besonderen Verrichtungen dieser Winde der Wahrheit gemafs erklaren.

35. (12 399.) Der Wind ist es, welcher die Tatigkeit der lebenden Wesen alliiberall und bei jedem in Gang bringt, und weil alle Wesen aushauchen, darum wird er Prana (der Aus- hauch) genannt

36. (12400.) Die aus Dunst und Hitze geborenen Wolken- massen treibt derjenige Wind an, welcher der erste auf dem ersten Pfade ist und welcher den Namen FravaJta (der An- treiber) fiihrt.

37. (12401.) Im Luftraume Feuchtigkeit aufnehmend und durch die Blitze sehr glanzend geworden, weht sausend und brausend der zweite Wind, welcher Avaha (der Hertreiber) heifst.

38. (12402.) Derjenige Wind, welcher fort und fort den Aufgang des Mondes und der Sterne bewirkt, und den, sofern er innerhalb des Korpers auftritt, die Weisen den Udana (Auf- hauch) nennen [mit C],

39. (12403.) der Wind, welcher aus den vier Ozeanen das Wasser entnimmt, es emporfiihrt und es fiir die Wolken im Luftraume mit sich forttragt, dieser Wind,

* Vers 36 schliefst sich unmittelbar au Vers 31. Vers 32—35 unter- brechen den Zusammenhang und scheinen ein eingeschobenes Fragment einer von den fiiuf Prana's handelndeu Stelle zu sein.

Adhyaya 303 (B. 328). 725

40. (12 404.) welcher die Wolken mit Wasser versorgt und sie dem Regengotte iiberliefert, dieser iiberaus starke ist der dritte Wind und heifst Udvaha (Emportreiber).

41. (12405.) Derjenige Wind, durch welchen die einzelnen Wolken vielfach zusammengetrieben , fortgefiihrt und, wenn sie anfangen den Regen zu entlassen, zu dichten Regen- wolken werden,

42. (12406.) durch den sie aneinander geschlagen und zer- brochen werden, so dafs die Tone der donnernden entstehen, durch den die zum Heil entstandenen Wolken zu Regen- wolken werden,

43. (12407.) der auch die Gotterwagen hoherer Wesen im Luftraume fortfiihrt, dieser Berge zerreifsende Wind ist der vierte und heifst Samvaha (Zusammentreiber).

44. (12408.) Der stiirmische, rauhe, durch die Berge briillende Wind, durch welchen die zerrissenen und wieder vereinigten Wolken zu Gewitter wolken werden,

45. (12409.) der vom Himmel her donnernd furchtbar sich erhebt und dahinfahrt, dieser sehr stiirmische Wind ist der fiinfte und wird Vivaha (Zertreiber) genannt.

46. (12410.) Der Wind, in welchem die freischwebenden himmlischen Gewasser im Luftraume dahinziehen, auf welchen sich stiitzend, das reine Wasser der Himmelsgaiiga sich halt,

47. (12411.) und in welchem, von fernher gehemmt, als ein- strahlig die Sonne erscheint, sie, welche doch der Mutter- schofs von tausend Strahlen ist und die Erde mit Licht erfiillt,

48. (12412.) der Wind, durch den der Mond wachst und nach seinem Schwinden die Scheibe wieder fiillt, dieser sieg- reichste ist der sechste und heifst Parivaha (Umtreiber).

49. (12413.) Der Wind, welcher die Lebensgeister aller Lebenden zu ihrer Zeit austreibt, auf dessen Pfade beide sich bewegen, der Todesgott und des Vivasvant Sohn (Yama),

50. (12 414.) der den mit ruhigem Geiste richtig Forschen- den, 0 ihr Kenner der innern Seele! den an Meditation und Studium sich Erfreuenden zur Unsterblichkeit verhilft,

51. (12 415.) von welchem getragen die zehntausend Sohne des Schopferherrn Daksha im Sturme an das Ende der Welt gelangt sind,

726 ni. Mokshadharma.

52. (12416.) von welchem der Erschaffene weggerafft dahin- geht und nicht wiederkommt, dieser hochste, schwer zu iiber- windende Wind heifst Pardvaha (Wegtreiber).

53. (12 417.) So steht es mit diesen hochst wunderbaren "Winden, den Sohnen der Aditi ; unermiidlich wehen sie, alles durchziehend, alles tragend.

54. (12418.) Aber das ist ein grofses Wunder, dafs dieser trefflichste der Berge durch jenen iiber die Mafsen wehenden Wind mit Gewalt erschiittert wurde.

55. (12419.) Dieser Wind ist der Odem des Vishnu; wenn dieser, stiirmisch erregt, sich gewaltsam erhebt, o Freund, dann erzittert die ganze Welt.

56. (12420.) Darum studieren die Brahman wisser den Veda nicht bei starkem Winde, denn in Windfurcht vor dem Winde rezitiert, fiihlt sich das heilige Wort gequalt.

57. (12421.) Nachdem der machtige Sohn des Paraqara dies Wort gesprochen hatte, rief er seinem Sohne zu: „Stu- diere!" und stieg zur Himmelsgaiiga hinauf.

So lautet im Mokshadharma die Entstehung des Qxika,

((j'uka-iitpatH),

Adhyaya 331 (B. 339).

Vers 12422-12481 (B. 1-59).

Bhishma sprach:

1. (12422.) In dieser Zeit des Alleinseins kam Narada herbei, um dem mit dem Studium des Veda beschaftigten (^uka liber den Inhalt des Veda Fragen vorzulegen.

2. (12423.) Als aber (^uka den Gotterweisen Narada heran- kommen sah, verehrte er ihn zunachst durch die Gastspende auf die im Veda vorgeschriebene Weise.

3. (12424.) Da sprach Narada freudig und liebevoll: Sage mir, o Bester der Gesetzestrager, mit welcher Heilsgabe ich dich begliicken kann, mein Lieber.

4. (12 425.) Als (,'uka das Wort des Narada vernommen, o Bharata, sprach er zu ihm : Was in dieser Welt zum Heile dient, damit mogest du mich beschenken.

Adhyaya 331 (B. 329). 727

Narada sprach:

5. (12426.) Zu den nach der Wahrheit forschenden und in ihrem Geiste bereiteten alien Weisen hat der heilige Sanat- kumara das folgende Wort gesprochen:

6. (12427.) Kein Auge koramt der Wissenschaft gleich, keine Askese der Wahrheit, kein Ungluck kommt der Leiden- schaft, kein Gltick der Entsagung gleich (= Vers 6557).

7. (12428.) Abwendung von bosem Tun, bestandige Kein- heit des Charakters, edles Betragen und geziemendes Be- tragen, darin liegt das hochste Heil.

8. (12429.) Wer das Ungluck hat, Mensch geworden zu sein und daran hangt, der ist ein Tor; nicht vermag er sich vom Leid zu befreien, Kleben an der Welt heifst Leiden.

9. (12430.) Die Erkenntnis des Weltanhanglichen geht irre und befestigt ihn in dem Netze der Verblendung; wer aber vom Netze der Verblendung umstrickt ist, der gerat in Leiden hienieden und im Jenseits.

10. (12431.) Mit alien Mitteln soil man die Niederhaltung der Begierde und des Zornes erstreben, wenn man nach dem Heil trachtet, denn diese beiden stehen auf der Lauer, um das Heil zu morden.

11. (12 432.) Allezeit soil man seine Askese vor Zorn be- hiiten und sein Gliick vor Ubermut, seine Wissenschaft soil man vor Hochmut und Geringschatzung bewahren und sich selbst vor Unbesonnenheit.

12. (12433.) Wohlwollen ist die hochste Pflicht, Geduld ist die hochste Starke, das Atmanwissen ist das hochste Wissen, aber nichts Hoheres gibt es als die Wahrheit.

13. (12434.) Das Beste ist, immer die Wahrheit zu sagen, wer die Wahrheit sagt, der redet zum Guten; das absolut Gute fiir die Wesen ist nach meiner Meinung die Wahrheit.

14. (12435.) Wer auf alle Unternehmungen verzichtet, ohne Wiinsche und ohne Anhang lebt, wer verzichtet auf dies alles, der ist weise, der ist gelehrt.

15. (12436.) Wer durch die Sinnendinge wandelt mit Sinnen, die dem Atman gehorsam sind, ohne Anhanglichkeit, beruhigten Geistes, unentwegt und gesammelt.

728 III. Mokshadharma.

16. (12437.) wer bei allem, was sein Selbst umgibt, mag es ihm angehoren oder nicht, sich bewufst bleibt, dafs er das nicht ist, der ist erlost und erlangt in kurzer Zeit das hochste Heil.

17. (12 438.) Wer im Verkehr mit den Wesen nicht sieht, nicht fiihlt, nicht redet, der, o Muni, erlangt das hochste Heil.

18. (12439.) Man schadige kein Wesen und beharre auf dem Wege der Freundlichkeit ; nachdem man einmal in dieses Dasein geraten ist, lebe man in Feindschaft mit niemandem.

19. (12410.) Besitzlosigkeit, Zufriedenheit , Wunschlosig- keit, Unwankelmiitigkeit, das erklart man fiir das hochste Gliick dessen, der sein Selbst erkennt, sein Selbst beherrscht.

20. (12441.) Gib auf, was dir angehort, und beharre, o Freund, in Bezahmung der Sinne, gewinne den Standpunkt der Freiheit von Kummer und Furcht hier und im Jenseits.

21. (12442.) Wer frei von Lockungen ist, hat keinen Kummer, man meide, was die Seele verlockt; wenn du den Lockungen widerstehst, o Teurer, wirst du von Leid und Qual erlost werden.

22. (12443.) Von dem askesetreuen, bezahmten, sich selbst im Zaume haltenden Muni, der das noch Uniiberwundene zu iiberwinden strebt, mufs in der Sinnenwelt ohne Sinnenlust beharrt werden.

23. (12 444.) Der Brahmane, welcher nicht mehr in die Fesseln der Guna's verstrickt ist, sondern an dem einsamen Wandel allezeit sein Geniige hat, der wird in kurzer Zeit zu uniiberbietbarer Seligkeit gelangen.

24. (12445.) Wer unter den an den Gegensatzen sich freuen- den Wesen als Muni seine Freude an der Einsamkeit hat, den wisse als einen Erkenntnisgesattigten , und wer an Er- kenntnis gesattigt ist, der leidet nicht mehr.

25. (12446.) Durch gute Werke erlangt man das Gott- sein, durch gemischte eine Geburt als Mensch, durch bose Werke verfallt man einer Geburt als Tier, man mag wollen oder nicht.

26. (12 447.) Dabei wird das Geschopf fort und fort von Tod, Alter und Schmerz bestiirmt und im Sansara miirbe ge- macht; siehst du das nicht ein?

Adhy^ya 331 (B. 329). 729

27. (12 44S.) Du, der du das Nichtgute fiir gut haltst, das Vergangliche fiir bestandig, das Wertlose fiir wertvoll, warum siehst du das nicht ein?

28. (12 449.) Dafs du von vielen von dir selbst gesponnenen Stricken der Verblendung umgarnt bist, wie eine Seiden- raupe, die sich selbst einspinnt, siehst du das nicht ein?

29. (12450.) Lafs das Angehorige fahren; in Schuld ver- wickelt, was angehort; wird ja doch auch die Seidenraupe gebunden durch das, was ihr angehort.

30. (12451.) An Kindern, Weibern und FamiHe hangend, ermatten die Menschen, wie alte Waldelefanten, wenn sie in ein Meer von Schlamm geraten sind.

31. (12 452.) Wie Fische in einem grofsen Netze gefangen und aufs Trockene gezogen werden, so lassen sich die Men- schen in dem Netze der WeltHebe fangen und geraten da- durch in grofses Leid.

32. (12453.) Famihe, Kinder, Weiber, Leib und Vermbgen wisse alles als dir fremd und unbestandig. Was ist dein? Das gute und bose Werk!

33. (124,54.) Da du alles dahinten lassen und fortziehen mufst, du magst wollen oder nicht, warum klammerst du dich an Wertloses an und suchst nicht das, was wertvoll ist?

34. (12455.) Den Weg ohne Ende, ohne Kuheplatze und ohne Wegekost, den richtungslosen, durch Dunkel und Dickicht fiihrenden, wirst du den allein gehen?

35. (12456.) Kein Mensch wird dir folgen, wenn du ihn angetreten hast, nur das gute und bose Werk wird dich auf deinem Wege geleiten.

3G. (12 457.) Wissenschaft , Werke, Reinheit und viel- umfassende Erkenntnis, dem mufst du um des Zweckes willen nachtrachten ; wer den Zweck erreicht hat, wird erlost.

37. (12458.) Eine bindende Fessel ist die Liebesfreude des Dorfbewohners, Edelgesinnte durchschneiden sie und ziehen davon, Ubelgesinnte durchschneiden sie nicht [= Vers 12114].

38. (12459.) [Es gibt einen Flufs:] Gestalt ist sein Ufer, Manas seine Stromung, der Tastsinn seine Insel, der Ge- schmack sein Gefalle, der Geruch sein Schlamm, das Gehor sein Wasser, der Weg zum Himmel ist schwer auf ihm zu finden,

730 ni. Mokshadharma.

39. (12460.) aber mit der Geduld als Ruder, der Wahrheit als Ballast, Festigkeit in der Pflicht als Zugseil, mit der Frei- gebigkeit als schnellem Segelwinde mufs man zu Schiffe diesen Flufs liberschreiten.

40. (12 461.) Wirf ab Gutes und Boses, Wahrheit und Un- wahrheit, und wenn du beides, Wahrheit und Unwahrheit, abgeworfen hast, wirf auch den ab, durch den du sie ab- geworfen hast.

41. (12462.) Wirf ab das Gute, weil du wunschlos, das Bose, weil du begierdelos geworden bist, die Wahrheit und Unwahrheit, weil dir die Erkenntnis zuteil wurde, die Er- kenntnis, weil du des Hochsten gewifs bist.

42. (12463.) Das Haus, dessen Saulen die Knochen, dessen Bander die Sehnen, dessen Mortel Fleisch und Blut sind, das hautiiberzogene, iibelriechende, von Kot und Urin erfiillte,

43. (12464.) in welchem Alter und Kummer hausen und qualvolle Krankheiten sich tummeln, das unreine, vergang- liche, das dir zur Wohnung geworden ist, verlasse.

44. (1246.5.) Dieses Wei tall, alles Lebende und was an Nichtlebendem vorhanden ist, auch alles, was aus den grofsen Elementen besteht, ferner das Grofse [der Mahan], welches sich auf das Hochste stiitzt,

45. (12466.) dazu die fiinf Elemente nebst Tamas, Sattvam und Rajas, das ist der siebzehnfache Haufen, welcher Avyaktam (Prakriti) heifst.

46. (12 467.) Fiigt man hierzu noch alle [fiinf] Sinnes- objekte nebst den entfalteten und unentfalteten Wesenheiten, so kommt [noch willktirlicher ist die Verteilung bei Nil] die aus allem Entfalteten und Unentfalteten sich zusammensetzende vierundzwanzigfache Schar heraus.

47. (12468.) Mit allem diesem ist er verbunden, der da der Purusha genannt wird, auch ist da noch die Dreischar [des Guten, Niitzlichen, Angenehmen] nebst Lust und Leid, Leben und Tod,

48. (12469.) wer das alles der Wahrheit nach kennt, der kennt das Entstehen und Vergehen, man mufs es in seiner Abfolge begreifen, und was sonst noch an Wifsbarem vor- handen ist.

Adhyaya 331 (B. 329). 731

49. (12470.) Alles, was durch die Sinnesorgane aufgefafst wird, heifst das Entfaltete, soviel ist klar; unter dem Un- entfalteten ist das iiber die Sinne Hinausliegende , nur aus Merkmalen flingaj Erschliefsbare zu verstehen.

50. (12471.) An der Bezahmung der Sinne erquickt sich der Mensch wie an Wasserquellen, indem er den Atman in der Welt und die Welt in dem Atman schaut.

51. (12472.) Die Kraft dessen, welcher auf Grund der Er- kenntnis das Hochste und Tiefste durchdringt, ist unver- ganglich, indem er allezeit alle Wesen in alien ihren Zu- standen durchschaut.

52. (12473.) Die Verbindung mit allem Seienden ist nicht auf unlauterem Wege zu erlangen, sondern nur von dem, welcher durch die Erkenntnis sich iiber die mannigfachen, aus Verblendung entspringenden Anfechtungen erhebt.

53. (12474.) Wenn das Licht der Erkenntnis in der Welt leuchtet, so wird dadurch der Gang der Welt nicht gestort. Von dem anfang- und endlosen, im Atman weilenden, unver- ganglichen Wesen

54. (12 475.) lehrt der erhabene Pfadfinder, dafs es taten- los und gestaltlos ist. Aber ein Mensch, welcher bald durch diese, bald durch jene selbstbegangenen Werke in bestandi- ges Leid verstrickt wird,

55. (12476.) der wird, um dem Leid zu wehren, vielfach seine Mitmenschen schadigen. Dann greift er immerfort nach vielen neuen Tatigkeiten

56. (12477.) und wird von ihnen wieder aufs neue gequalt, dem Kranken gleich, der eine unwirksame Arznei einnimmt. Von Betorung verblendet und unaufhorlich in Schmerzen, wird er durch nur vermeintliche Liiste [lies: sainjnitaih]

57. (12478.) geschlagen und von seinen eigenen Werken wie von einem Quirlstabe gequirlt. Dann bleibt er hienieden gebunden [und erlangt] vermoge des Aufspriefsens seiner Werke den ihm zukommenden Mutterschofs ;

58. (12 479.) so durchlauft er wie ein Rad den Sansara unter vielen Schmerzen. Du aber, befreit von den Fesseln und abgewendet vom Werke,

732 HI. Mokshadharma.

59. (12480.) werde ein Allwisser, Allsieger in der Voll- endung, vom Dasein gelost. Indem sie eine neue Bindung fernhielten durch Yogazucht und durch die Kraft der Askese, (12 481.) haben viele die Vollendung erlangt, die unstorbare, welche der Aufgang des Gliickes ist.

So lautet im Mokshadharma die Unterredung zwischen Quka und Narada (Quka - Ndrada - samvdda).

Adhyaya 333 (B. 330).

Vers 12482-12511 (B. 1-30).

Narada sprach:

1. (12 482.) Wer zur Abwehr des Leidens die leidfreie, be- ruhigende, beseligende Lehre anhort, der erlangt die Erkennt- nis, und hat er diese erlangt, so gedeiht sein Gliick.

2. (12 483.) Tausend Anlasse zum Leid und hundert An- lasse zur Furcht liberfallen Tag fiir Tag den Toren, aber nicht den Weisen.

3. (12484.) Darum sollst du, um die Vernichtung des Leidens zu fordern, auf meine Erzahlung achten. Wenn die Buddhi im Gehorsam verharrt, dann erlangt man die Ver- nichtung des Leides.

4. (12 485.) Durch Verbindung mit Unliebem und Getrennt- sein von Liebem [vgl. die erste der vier heiligen Wahrheiten des Buddhismus] verbinden sich die kurzsichtigen Menschen mit geistigen Leiden.

5. (12486.) Ist man iiber die Substanzen hinausgelangt, so soil man sich auch um ihre Qualitaten nicht mehr kiimmern, denn solange man diesen noch Beachtung schenkt, wird das Band des Welthanges nicht gelost.

6. (12487.) Man erkenne die Mangel des Gegenstandes, auf den sich die Begierde richtet, man iiberzeuge sich, dafs er voir von Unerwunschtem ist, und die Leiden schaft wird sich schnell abkiihlen.

7. (12 488.) Kein Nutzen, kein Gutes und kein Ruhm [kommt dabei heraus] , wenn man Vergangenem nachtrauert ; ebenso-

Adhy&ya 332 (B. 330). 733

gut mag man an Nichtvorhandenes sich hangen, denn auch das kommt einem nicht wieder.

8. (12489.) Mit den Eigenschaften der Dinge treten die Wesen in Verbindung und trennen sich wieder von ihnen, alle wie sie da sind; nicht fiir einen allein besteht dieser Anlafs zum Kummer.

9. (12 490.) Wer einem Vergangenen, mag es gestorben oder verloren sein, nachtrauert, der hauft Schmerz auf Schmerz und verdoppelt nur sein Ungemach,

10. (12491.) Keine Trane wird vergiefsen, wer mit Erkennt- nis [begabt ist], wenn er den Lauf der Welt betrachtet. Wer alles richtig ansieht, fiir den ist kein Anlafs, Tranen zu ver- giefsen.

11. (12 492.) Wenn ein Schmerz, ein korperlicher oder geistiger, auf einen Menschen eindringt, so soil er das, was er durch Bemiihungen nicht andern kann, auch nicht weiter bedenken.

12. (12493.) Das rechte Heilmittel des Schmerzes besteht darin, nicht an ihn zu denken; denn griibelt man ihm nach, so schwindet er nicht, sondern wachst nur noch mehr an.

13. (12494.) Geistigen Schmerz heilt man durch die Er- kenntnis, wie korperlichen durch Arznei, soviel vermag die Erkenntnis; man sei nicht den Toren gleich.

14. (12 495.) Verganglich ist Jugend, Schonheit, Leben, Vermogen, Gesundheit und Freundesumgang ; der Weise moge nicht danach gierig sein.

15. (12496.) Nicht das ganze Land, sondern nur der ein- zelne vermag Schmerz zu empfinden; sieht man daher einen Ausweg, so soil man nicht klagen, sondern handeln.

16. (12497.) Der Schmerz iiberwiegt im Leben die Lust, daran ist kein Zweifel, denn das Hangen an den Sinnen- dingen beruht auf Tauschung, und das Sterben ist un- erwiinscht.

17. (12498.) Der Mensch, welcher beides, Leid und Lust, hinter sich lafst, der geht zu dem unendlichen Brahman ein, den betrauern weise Menschen nicht.

18. (12 499.) Reichtum geht verloren unter Schmerzen, und ihn zu behiiten ist auch keine Lust, erworben aber

734 ni. Mokshadharma.

wird er mit Miihe, darum trauere man nicht um seinen Verlust.

19. (12 500.) Die Menschen kommen abwechselnd bald in diese, bald in jene Vermogenslage, und ungesattigt gehen sie zugrunde, nur der Weise gelangt zur Befriedigung.

20. (12501.) Auf Reichtum folgt allezeit Verlust, auf Er- hohungen Erniedrigung, auf Verbindungen Trennung, auf das Leben der Tod.

21. (12502.) Der Durst nach Besitz hat kein Ende, Zu- friedenheit ist das grofste Gliick, darum sehen die Weisen die Zufriedenheit als ihren Reichtum an.

22. (12503.) In einem Augenblicke schwindet die Lebens- kraft hin und hat keinen Bestand; unsere Leiber sind ver- ganglich, was ist da Unvergangliches zu finden!

23. (12 504.) Wer in den Wesen die Realitat iiberdenkt und das iiber den Verstand Erhabene in ihnen erkennt, der trauert nicht, wenn er dahingehen mufs, weil er das hochste Ziel im Auge hat.

24. (12 505.) Noch ist er dabei, zu sammeln, noch sind seine Begierden nicht gesattigt, da, wie der Tiger ein Stiick Vieh raubt, holt ihn der Tod (= Vers 654i, vgl. Vers 9945b).

25. (12506.) Darum sehe man sich um nach einem Mittel, welches vom Leiden Erlosung bringt, ergreife es, ohne zu klagen, und erlbst, verharre man frei von Leidenschaft.

26. (12507.) Bei Tonen, Gefiihlen, Gestalten, Geriichen und Geschmacken gibt es fiir Reich und Arm nichts iiber den augenblicklichen Genufs hinaus.

27. (12 508.) Ehe die Wesen zusammengebracht werden, stehen sie nicht unter der Herrschaft des Schmerzes ; miissen sie sich wieder trennen, so soil man nicht trauern, der Natur- ordnung sich fiigend.

28. (12509.) Durch Festigkeit soil man Geschlechtslust und Efslust ziigeln, Hande und Fiifse durch das Auge, Auge und Ohr durch das Manas, Manas und Rede durch die Wissenschaft.

29. (12 510.) Seine Teilnahme beim Lobe wie beim Gegen- teil soil man zuriickhalten und ohne Hoffart dahinwandeln, dann ist man gliicklich, ist man ein Weiser.

Adhyaya 332 (B. 330). 735

30. (12 511.) Am innern Atman sich freuend, ruhig da- sitzend, ohne Anteilnahme, ohne Versuchung, wer so dahin- lebt mit seinem Atman als einzigem Gefahrten, der ist wahr- haft gliicklich.

So lautet im Mokshadharma der Flug des fjuka ((^iika - abhipatanam).

Adhyaya 333 (B. 331).

Vers 12512-12576 (B. 1-65).

N&rada sprach :

1. (12 512.) Wenn ein Umschwung vom Gliick zum Un- gliick eintritt, so hilft dagegen keine Kenntnis, kein richtiges Verbal ten und keine Tapferkeit.

2. (12 513.) Aus sich selbst heraus soil man sich an- strengen, wer sich anstrengt, verzagt nicht; aus Alter, Tod und Krankheit rette man seinen Atman als seinen Freund.

3. (12 514.) Krankheiten, geistige und korperliche, brechen den Leib, wie scharfgespitzte Pfeile, abgeschossen von sicher zielenden Bogenschiitzen.

4. (12 515.) Wer von Leiden schaf ten geschiittelt und er- mattet nicht aufhort, das Leben zu begehren, dessen Leib wird auch gegen seinen Willen zur Vernichtung hinweg- gerafft.

5. (12516.) Es fliefsen dahin und kommen nimmer wieder, den Stromen der Fliisse vergleichbar, das Leben der Men- schen fortreifsend, die Tage und Nachte.

6. (12 517.) Dieser Wechsel der hellen und der dunklen Monatshalften macht unaufhorlich die' Menschen, nachdem sie geboren sind, altern und halt keinen Augenblick inne.

7. (12 518.) Lust und Leid der Menschen macht altern jener nicht alternde Sonnengott, welcher untergeht und immer wieder aufgeht.

8. (12519.) Wegraffend die immer neuen,unvorhergesehenen, freudvoUen und leidvollen Zustande der Menschen, rollen die Nachte dahin.

736 in. Mokshadharma.

9. (12 520.) Was einer inimer an Wiinschen begehren mag, das wiirde er erlangen, stande es nicht in einer hohern Hand, die Frucht seiner Werke iiber den Menschen zu verhansen.

10. (12521.) Aber selbstbezahmte , wackere, verstandige Menschen bleiben frei von dieser Frucht, weil sie auf alle Werke verzichtet haben.

11. (12 522.) Andere torichte, kraftlose, gemeine Menschen sind, auch wenn sie keine Wiinsche aufsern, doch von alien Begierden erfullt.

12. (12523.) Mancherauch, der immer bereit war, die Wesen zu schadigen und alle Welt zu betriigen, wird alt in seinen Liisten.

13. (12 524.) Manchem, der trage dasitzt, naht das Gliick; ein anderer befleifsigt sich der Werke und erlangt doch nicht, was ihm nicht beschieden war.

14. (12 525.) Du mufst begreifen, dafs die Siinde dem Menschen von seiner Entstehung an einwohnt; es kann ge- schehen, dafs der von der einen aufgeregte Same in eine andere gelangt.

15. (12526.) 1st er in den Mutterschofs gelangt, so kann ein Embryo entstehen oder auch nicht, indem seine Entwick- lung der einer Mangobliite gleicht [welche bald fruchtbringend ist, bald nicht].

16. (12 527.) Einige verlangen nach einem Sohne, indem sie ihr Geschlecht fortzupflanzen wiinschen, aber obgleich sie sich zum Gelingen alle Miihe geben, entsteht doch kein Embryo.

17. (12 528.) Solchen hingegen, welche vor einem Embryo zuriickschrecken wie vor einer erziirnten Giftschlange , wird ein langlebender Sohn geboren. Wie war es moglich, dafs er entstand, [unerwartet] als ware ein Toter wiedergekommen?

18. (12529.) Und wiederanderenBemitleidenswerten, welche, nach einem Sohne verlangend, den Gottern opfern und Askese iiben, werden nach zehnmonatlichem Weilen im Mutterleibe Sohne geboren, welche ein Schandfleck ihrer Familie sind.

19. (12 530.) Andere werden in Reichtum an Geld und Korn, in grofse, von den Vatern aufgespeicherte Fiille hinein-

Adhy^ya 333 (B. 331). 737

geboren, nachdem sie schon unter diesen giinstigen Vor- bedingungen empfangen worden waren.

20. (12531.) Wenn sie in geschlechtlicher Verbindung sich vereinigt haben, so entsteht ein Embryo im Mutterleibe, un- erwartet wie ein Unfall.

21. (12 532.) Siehst du, wie bei Hemmung des Lebens als- bald in andere Leiber [hineinf ahrt] , der von seinem bisherigen Sitze fbijam) losgerissene, verkorperte, lebende, Fleisch und Schleim Durchwaltende,

22. (12 533.) wie dieser, wenn er in dem einen Leibe ver- brannt wird, wieder in einen andern Leib hineinf ahrt, wie er, wenn der Leib zugrunde geht, mit zugrunde geht, einem Schiffe gleieh, das an ein anderes gebunden ist,

23. (12534.) und begreifst du, durch welche Bemiihungen er endlich, durch die Begattung als ungeistiger Samentropfen in den Mutterleib hineingelegt, als Embryo wieder zu neuem Leben erwacht?

24. (12535.) Wo doch Speise und Trank, wo doch die ge- nossene Nahrung verdaut wird, wie kommt es, dafs in eben- demselben Leibe der Embryo nicht ebensogut wie die Nahrung verdaut wird?

25. (12536.) Fiir Kot und Harn wird der Weg im Leibe durch die eigene Natur geregelt; ob man sie behalt oder entleert, dazu wird keiner gezwungen.

26. (12 537.) Hingegen von den Embryos entgleiten die einen dem Mutterleibe und werden geboren, wahrend bei an- deren, wenn die Zeit der Geburt herannaht, Vernichtung eintritt.

27. (12538.) Vermoge dieser Verbindung mit einem Mutter- schofse wird derjenige, welcher den Samen in ihn einlafst fparimucyatej und irgendeine Nachkommenschaft erzielt, aufs neue an die Gegensatze des Lebens gekettet.

28. (12 539.) Nur die fiinf Elemente sind es, welche in dem erzeugten (lies: sutasya) und angeborenen [Korper] bis zum siebenten oder gar neunten Lebensstadium durchhalten, dann aber beim Ende des Lebens nicht mehr verharren.

29. (12 540.) Es gibt keine Mittel, die Menschen aufrecht zu erhalten, daran ist kein Zweifel; von Krankheiten werden sie getroffen, wie das Kleinwild vom Jager.

Deussen, Mahftbhiratam. 47

738 ni. Mokshadharma.

30. (12 541.) Und werden sie von Krankheiten getroffen, so mogen sie noch soviel Geld ausgeben, die Arzte, so sehr sie sich anstrengen, sind nicht imstande, ihr Leiden zu beseitigen.

31. (12 542.) Und auch sie selbst, die iiberklugen, geschick- ten Arzte mit den Arzneien, die sie zusammenbringen, werden von Krankheiten heimgesucht, wie das Wild vom Jager.

32. (12 543.) Und obgleich sie Elixiere und allerlei Butter- tranke schlilrfen, werden sie doch vom Greisenalter gebrochen, wie Baume von gewaltigen Elefanten.

33. (12 544.) Wer behandelt arztlich auf dieser Welt das Wild und die Vogel, die Raubtiere und die armen Land- streicher? Da heifst es gewohnlich, sie sind nicht krank.

34. (12 545.) Werden doch sogar furchtbare, uniiberwind- liche, gewaltige Konige von Krankheiten beschlichen und fortgerafft, wie ein Stiick Vieh von einer Raubtierherde.

35. (12 546.) So geschieht es, dafs die Menschen, ohne Bundesgenossen und von Torheit und Leiden liberflutet, fort- gerissen werden wie von einem iibermachtigen Strome, in den sie jahlings gestiirzt wurden.

36. (12547.) Nicht durch Reichtum, nicht durch Herrschaft, nicht durch furchtbare Askese konnen die Menschen ihrer Natur entfliehen, an die sie gebunden sind.

37. (12548.) Sie wurden nicht sterben noch altern, sie wurden alle nach allem begehren, wurden nichts Unerwiinsch- tes erleben, wenn ihre Anstrengungen erfolgreich waren.

38. (12549.) Ein jeder ist bestrebt, hoher und hoher iiber seine Mitmenschen zu steigen, und gibt sich dazu alle Miihe, aber es gelingt ihm nicht.

39. (12 550.) Menschen, welche von Herrschaftsdiinkel be- rauscht, ja welche von Rauschtranken trunken sind, werden von besonnenen, treuherzigen [agatJidh mit C), tapferen und wackeren Leuten verehrt.

40. (12 551.) Bei einigen wendet sich ihre Notlage, ehe sie von ihnen recht erkannt wurde, bei anderen hingegen ist nichts zu finden, was ihnen eigen ware.

41. (12 552.) Eine grofse Verschiedenheit der Frucht zeigt sich infolge ihrer Abhangigkeit von friiheren Werken: die einen tragen die Sanfte und die anderen sitzen darin.

Adhyaya 333 (B. 331). 739

42. (12 55a.) Alle streben nach Wohlstand, aber nur wenige bringen es zu Wagen und Dienerschaft ; manche Menschen entbehren des Weibes, wo doch alle moglichen Weiber hundert- fach vorhanden sind.

43. (12 554.) Unter den Wesen, die sich in den Gegen- satzen des Lebens ergehen, miissen die Menschen dahin- scheiden, jeder einzelne fur sich; siehe diese Welt als die Fremde an, dann wirst du nicht der Verblendung hienieden verfallen.

44. (12555.) Wirf ab Gutes und Boses, beides, Wahrheit und Un wahrheit, und wenn du beides, Wahrheit und Un- wahrheit, abgeworfen hast, wirf auch den ab, durch den du sie abgeworfen hast (= Vers i246i).

45. (12 556.) Damit habe ich dir, o Bester der Rishi's, das hochste Geheimnis mitgeteilt, durch welches die Gotter sich liber die Menschenwelt erhoben haben und zum Himmel ein- gegangen sind.

46. (12557.) Nachdem der hochst verstandige Quka diese Rede des Narada vernommen hatte, iiberdachte sie der Weise in seinem Geiste und gelangte doch noch nicht zur Gewifsheit.

47. (12558.) Mit Kindern und Weibern hat man grofse Plage und beim Studium der Wissenschaft grofse Miihe; welches ist die ewige Statte, wo wenig Plage und grofses Gliick zu finden ist?

48. (12 559.) Nachdem er sodann eine Weile iiber das ge- wisse Ziel des Atman nachgedacht und als Kenner des Hochsten und Tiefsten den hochsten Heilsweg der Pflicht erwogen hatte,

49. (12 560.) [fragte er sich:] Wie kann ich ohne Zusammen- hang mit dem Irdischen den hochsten Weg wandeln, von welchem ich nicht wieder zuriickzukehren brauche in den Ozean der mannigfachen Geburten?

50. (12 561.) Ich sehne mich nach der hochsten Realitat, nach dem Ziele, von welchem man nicht wieder zuriickkehrt, nachdem ich alien Welthang aufgegeben und im Geiste Ge- wifsheit erlangt habe.

51. (12562.) Ich will dorthin gehen, wo meine Seele die Ruhe findet, dorthin, wo ich unzerstorbar, unverganglich, ewig sein werde.

47*

740 HI. Mokshadliarma.

52. (12 563.) Aber nicht ohne vollige Hingebung ist es mog- lich, jenes hochste Ziel zu erreichen, denn es geht nicht an, dafs der Erweckte noch an Werke gebunden bleibe.

53. (12564.) Darum will ich, der Hingebung mich zu- wendend, diesen mir als Haus dienenden Korper verlassen und, zum Winde geworden, eingehen in die Glanzfiille der Sonne.

54. (12 565.) Denn sie kommt nicht zum Vergehen , wie es dem Soma [Trank, auch Mond; vgl. System des Vedanta, S. 393 A.] durch die Gotterscharen geschieht; erschiittert stiirzt er [der Mond, ahnlich den auf ihm weilenden Seelen] zur Erde herab und steigt wiederum empor.

55. (12 566.) Denn immerfort schwindet der Soma (Mond) und wird wiederum gefiillt; da ich dieses weifs, so verlange ich nicht nach diesem immer wiederholten Schwinden und Schwellen.

56. (12567.) Aber die Sonne erwarmt mit ihren gewaltigen Strahlen die Welten, dabei zieht sie von alien Seiten Kraft in sich hinein und beharrt immerwahrend in voller Scheibe.

57. (12568.) Darum ziehe ich es vor, zu der glutentflammten Sonne zu gehen, in ihr werde ich als ein schwer Bezwing- barer mit zweifelsfreier innerer Seele wohnen.

58. (12569.) Und in der Sonnenstatte werde ich nach Ab- werfung dieses Leibes mit Rishi's im Verein die schwer zu ertragende Sonnenglut durchwandeln.

59. (12 570.) Ich nehme jetzt Abschied von Baumen und Elefanten, von dem weiten Gebirge, den Weltgegenden und dem Himmelszelt, von Gottern, Damonen und Gandharven, von Pi(?aca's, Schlangen und Kobolden.

60. (12571.) Denn jetzt werde ich sicherlich eingehen in alle Wesen der Welt, und alio Gotter mitsamt den grofsen Rishi's sollen die Kraft meines Yoga schauen.

61. (12 572.) Darauf verabschiedete er sich von dem welt- beriihmten Weisen Narada, und von ihm entlassen, ging er zu seinem Vater.

62. (12573.) Da begriifste Quka den hochsinnigen Muni Krishna Dvaipayana, umwandelte ihn nach rechts hin und nahm von dem weisen Krishna Abschied.

Adhy£iya 333 (B. 331). 741

63. (12,'>74.) Nachdem der Eishi das Wort des (^'uka vernommen hatte, erwiderte ihm voll Freude der hoch- sinnige Vater: Ach, du mein Sohn, bleibe noch eine Weile, dafs ich mein Auge an dir weiden kann.

64. (12575.) ^uka aber, frei von Riicksichtnahme, Anhang- lichkeit und Zweifel, dachte nur an die Erlosung und richtete seine Absicht darauf, zu gehen.

65. (12 576.) Und so verliefs der Beste der Muni's seinen Vater und begab sich auf den machtigen, von seligen Scharen bewohnten Bergriicken des Kailasa.

So lautet im Mokshadharma der Aufstieg des Quka ((^uka - abhigamanarn ).

Aclhyaya 334 (B. 332).

Vers 12577-12607 (B. 1-31).

Bliislima sprach:

1. (12 577.) Nachdem der Sohn des Vyasa den Berggipfel erstiegen hatte, o Bharata, setzte er sich an einem ebenen, abgesonderten , von Graswuchs freien Orte nieder.

2. (12 578.) Darauf brachte er sich in die richtige Stellung, wie Lehrbuch und Gesetz sie vorschreibt, alle GHeder von den Fiifsen an der Reihe nach, er, der der rechten Reihen- folge Kundige.

3. (12579.) Darauf setzte sich der Weise, nachdem die Sonne schon vor einiger Zeit aufgegangen war, mit dem Ge- sichte nach Osten nieder, indem er Fiifse und Hande an sich zog, wie einer, der sich in der Zucht halt.

4. (12580.) Da gab es keine Vogelschwarme, kein Gerausch und keine Fernsicht, wo der weise Sohn des Vyasa sich zum Yoga anschickte.

5. (12 581.) Nun sah er sich selbst von alien Verbindungen gelost, und es lachte ein Lachen darauf Quka, indem er sich jenem Hochsten zuwendete.

6. (12582.) Und indem er wiederum dem Yoga sich hin- gab, um den Weg der Erlosung zu finden, erhob er sich als grofser Yogameister iiber den Luftraum hinaus.

742 ni. Mokshadharma.

7. (12 583.) Darauf umkreiste er nach rechts hin den Gotter- weisen Narada und machte dem hochsten Eishi seine Yoga- kraft kund.

Quka sprach:

8. (12 584.) Ich habe den Weg gefunden, ich habe ihn be- treten! Heil sei dir, o Askesereicher ! Durch deine Gnade, o Glanzvoller, werde ich den ersehnten Gang gehen.

9. (12 585.) Nachdem Quka, der Sohn des Dvaipayana, so- dann von Narada entlassen worden war, griifste er ihn, wandte sich wieder dem Yoga zu und erhob sich in den Ather,

10. (12 586.) und emporgeflogen vom Gipfel des Kailasa, strebte er weiter zum Himmel hinauf, die Luft durch wandelnd, herrhch, als Wind, mit grofser Sicherheit.

11. (12587.) Als der Beste der Zwiegeborenen emporstieg, dem Vogel Garuda an Glanz vergleichbar, da sahen ihn alle Wesen dahinfahren, geschwind wie der Gedanke oder der Wind.

12. (12 588.) Mit Klarheit alle drei Welten durchdenkend, trat er die weite Reise an, dem Feuer und der Sonne an Glanz vergleichbar.

13. (12 589.) Wie er dahinzog, einheitlichen Sinnes, ge- sammelt und ohne Furcht, schauten ihn alle Wesen, die be- weglichen und die unbeweglichen.

14. (12590.) Nach Vermogen und Branch verehrten sie ihn, wahrend die Himmelsbewohner ihn mit himmlischem Blumen- regen iiberschiitteten.

15. (12 591.) Ihn sehend waren in Verwunderung alle Scharen der Gandharven und Apsaras, und die zur Vollendung ein- gegangenen Rishi's gerieten in hochstes Erstaunen:

16. (12 592.) Wer ist der durch die Luft Fliegende, so hiefs es, der durch Askese die Vollendung erreicht hat? Sein Korper ist nach unten, sein Angesicht nach oben gerichtet, und seine Augen funkeln.

17. (12593.) Da blickte der hochst Pflichttreue, in den drei Welten Beriihmte zur Sonne empor und zog dahin, nach Osten gewandt und schweigend.

18. (12594.) Den ganzen Himmelsraum aber erfullten iiberall mit Jubelgeschrei die Scharen der Apsaras, als sie ihn plotz- lich heranfliegen sahen.

Adhyaya 334 (B. 332). 743

19. (12 595.) Erschiitterten Geistes und auf das hochste er- staunt, o Konig, waren sie alle von Pancacuda (der Fiinf- zopfigen) an, die Augen weit aufreifsend.

20. (12 596.) Was ist das fiir ein gottliches Wesen, das den hochsten Weg eingeschlagen hat, riefen sie, es wan- delt hin mit grofser Sicherheit und ohne Begierde, als ware es erlost.

21. (12 597.) Darauf gelangte er zu dem Berge, der da heifst Malaya, der von Urvagi und Purvacitti immer be- sucht wird.

22. (12 598.) Die gerieten iiber diesen Sohn des Brahmanen- weisen in grofstes Erstaunen und sprachen : Welch eine Kon- zentration des Geistes bei diesem am Vedastudium sich er- freuenden Zwiegeborenen !

23. (12 599.) Wie der Mond steigt er in kurzer Zeit am Himmel empor, und diese unvergleichliche Weisheit hat er durch Gehorsam gegen seinen Vater erlangt.

24. (12 600.) Wie ist es moglich, dafs dieser dem Vater ergebene, askesefeste, vom Vater innig geliebte Sohn von seinem Vater, der nichts anderes kannte als ihn, entlassen wurde !

25. (12 601.) Als der hochst pflichtkundige (^uka dieses Wort der Urva<ji vernommen hatte, blickte er nach alien Seiten hin, aufser sich geraten iiber dieses Wort.

26. (12 602.) Er liefs seinen Blick durch den Luftraum und iiber die Erde mit ihren Gebirgen, Waldern und Dickichten schweifen, iiber Seen und Fliisse.

27. (12 603.) Da blickten alle Gottheiten zu dem Sohne des Dvaipayana empor, indem sie von iiberallher aus hochster Verehrung die hohlen Hande zusammenlegten.

28. (12 604.) Und der hochst pflichtkundige Quka sprach zu ihnen das Wort: „Sollte mein Vater mir nachkommen und rufen: (^uka, wo bist du!

29. (12605.) dann sollt ihr alle miteinander ihm Ant- wort geben, diese Bitte sollt ihr mir alle aus Liebe zu mir erfiillen."

30. (12606.) Als sie das Wort des Quka vernommen batten,

744 III. Mokshadharma.

da geschah es, dafs alle Himmelsgegenden nebst Wal- dern, Ozeanen, Fliissen und Bergen von alien Seiten ihm er- widerten :

31. (12 607.) Wie du befiehlst, o Brahmane, wohlan, so soil es sein; wenn der Kislii ruft, werden wir ihm antworten.

So lautct im Mokshadharma der Flug des Quka (Quka - aO/iipatanam).

Adhyaya 335 (B. 333).

Vers 12608-12649 (B. 1-42).

Bhishma sprach:

1. (12 608.) Nachdem Quka, der askesereiche, grofse Weise, dieses Wort gesprochen hatte, ging er in die Vollendung ein, indem er die vierfachen Fehler hinter sich liefs [nach Nil. die Saiikhyakarika 23.44^-45 erwahnten: Nicht-Pflichterfiillung, Nichtwissen, Nichtentsagung und Nicht-Gottherrlichkeit].

2. (12 609.) Und nachdem er auch das achtfache Tamas [Saiikhyakarika 48] und das [entsprechend den fiinf Elementen, Nil.] fiinffache Rajas aufgegeben hatte, gab der Weise auch das Sattvam auf; es war wie ein Wunder.

3. (12 610.) Darauf fafste er an jener ewigen, gunalosen, merkmalfreien Statte in dem Brahman festen Fufs, lodernd wie eine rauchlose Flamme.

4. (12 611.) Feuerregen, Brennen der Himmelsgegenden und Erdbeben zeigten sich in diesem Augenblick; es war wie ein Wunder.

5. (12 612.) Die Baume liefsen ihre Zweige, die Berge ihre Gipfel fallen, und durch das Rasen der Windsbraut wurde das Himalayagebirge gleichsam zerrissen.

6. (12 613.) Nicht leuchtete die Sonne, nicht flammte das Feuer, es wogten Teiche, Fliisse und Meere.

7. (12 614.) Indra liefs wohlschmeckendes, wohlriechendes Wasser herabregnen, und. es wehte ein himmlische Diifte fuhrender, reiner Wind.

8. (12 615.) Die beiden mit Hornern geschmiickten , hoch- sten, himmlischen Bildungen des Himalaya und des Meru,

Adhyaya 335 (B. 333). 745

die ineinander iibergehenden, weifsen und gelben, von Silber und Gold glanzenden, schonen,

9. (12 616.) welche sich hundert Meilen in der Breite und Hohe ausdehnen, o Bharata, wurden in ihrem Glanze von ihm geschaut, als er der nordlichen Gegend zueilte.

10. (12 617.) Ohne Bedenken flog (^uka gegen sie an, worauf die beiden Berggipfel plotzlich als gespalten

11. (12618.) sich zeigten, o grofser Konig ; es war wie ein Wunder. Alsbald flog er zwischen den beiden Berggipfeln hindurch,

12. (12 619.) und der hochste Berg hemmte ihn nicht in seinem Fluge. Da erhob sich im Himmel ein grofser Larm unter alien Himmelsbewohnern

13. (12 620.) und unter Gandharven und Rishi's und alien, die auf dem Berge wohnen, als sie sahen, wie der Berg sich spaltete und Quka hindurchflog.

14. (12621.) Bravo, bravo! erschoU es da von alien Seiten, o Bharata, und er wurde verehrt von den Gottern, Gandharven und Rishi's,

15. (12 622.) von den Scharen der Yaksha's, Rakshasa's und Vidyadhara's und von iiberallher wurde der Luftraum mit himmlischen Blumen erfiillt,

16. (12623.) o grofser Konig, wahrend Quka ihn durchflog. Dann zog er hoch dahin iiber der Mandakini, dem lieblichen Himmelsstrome,

17. (12 624.) und der Pflichttreue blickte auf sie herab mit ihren bliihenden Baumen und Waldern. In ihr platscherten lustige Scharen von Apsaras,

18. (12 625.) welche nackend und unkorperlich auf den korperlosen Quka hinblickten. Aber auch der Vater, den Sohn fortziehen sehend, hatte, von Sehnsucht erfiillt,

19. (12626.) den nordlichen Weg eingeschlagen und war dem Sohne von hinten gefolgt. Aber ^uka hatte den ober- halb des Windes durch den Atlier fiihrenden Weg einge- schlagen,

20. (12627.) und seine Hoheit zeigend, war er zu Brahman geworden. Aber der askesemachtige Vyasa hatte sich er- hoben und einen andern grofsen Yogaweg eingeschlagen,

746 III. Mokshadharma.

21. (12 628.) war in einem Augenblicke zu der Abfliege- stelle des Quka gelangt und hatte gesehen, wie ^uka den Berggipfel spaltete und hindurchflog.

22. (12G29.) Und noch priesen die Eishi's jene Grofstat des Sohnes, da wurde ihm mit langgezogenem Tone: Quka, wo bist du! nachgerufen

23. (12 630.) vom Vater selbst, der mit dem lauten Rufe die drei Welten widerhallen machte. Aber Quka, allgegen- wartig geworden, allbeseelend, allblickend,

24. (12 631.) antwortete, indem er, der Pflichttreue, weithin den Ruf hhoh [hier, o Herr] erschallen liefs. Als er nun so den einsilbigen Laut hlioh ausstiefs,

25. (12 632.) liefs die ganze Welt des Unbeweglichen und Beweglichen ihn laut widerhallen. Von da an bis auf den heutigen Tag pflegt es zu geschehen, dafs auf Worte, wenn sie einzeln ausgerufen werden

26. (12 633.) vor Berghohlen oder Bergflachen, diese ant- worten wie damals (^uka. Nachdem in dieser Weise Quka damals, [in alien Wesen] verborgen, seine Macht gezeigt hatte,

27. (12634.) liefs er die Tone und die iibrigen Qualitaten fahren und ging ein zu der hochsten Statte. Als Vyasa die Herrlichkeit seines unermefslich kraftigen Sohnes ge- sehen hatte,

28. (12635.) setzte er sich auf einem Bergvorsprung nieder und gedachte seines Sohnes. Als aber die am Gestade der Mandakini spielenden Scharen der Apsaras

29. (12 636.) dieses Weisen ansichtig wurden, gerieten sie alle in sinnlose Bestiirzung. Einige duckten sich im Wasser, andere fliichteten hinter die Biische,

30. (12 637.) noch andere griffon zu ihren Kleidern beim Anblicke jenes trefflichsten Muni's. Als der Muni hieran erkannte, dafs sein Sohn erlost sei,

31. (12 638.) er selbst aber noch gebunden, da war er er- freut und zugleich beschamt.

32. Da trat zu ihm der von Gottern und Gandharven umgebene, von Scharen grofser Rishi's verehrte, (12 639.) den Pinaka in der Hand tragende heilige (^^ahkara (^iva),

Adhyaya 335 (B. 333). 747

33. und Mahadeva sprach in besanftigendem Tone dieses Wort zu dem (12 64o.) durch Kummer iiber den Sohn gequalten Krishna Dvaipayana:

34. Ein dem Feuer, der Erde, dem Wasser, Wind und Ather (i2 64i.) an Kraft ahnlicher Sohn ist durch dich einet- mals [oben, Vers 12171] von mir erbeten worden.

35. Ein Sohn von dieser Beschaffenheit ist dir geboren worden; er ist durch deine Askese (12642.) und durch meine Gnade gemacht worden zu einem Reinen, aus Brahmankraft Bestehenden.

36. Dieser ist den hochsten Weg gegangen, der fiir Un- bezahmte schwer zu betreten ist (12643.) und sogar fiir Gotter; o Brahmanenweiser, wie kommst du dazu, den zu beklagen?

37. Solange die Berge stehen, solange die Meere brausen, (12 644.) solange wird dein Ruhm und der deines Sohnes un- vergangUch sein.

38. Auch sollst du ein deinem Sohne ahnhches, nie von dir weichendes Abbild (12 645.) in dieser Welt durch meine Gnade immerfort schauen, o grofser Muni.

39. Da kehrte, von dem heiligen Rudra (Qiva) selbst beschwichtigt, o Bharata, (12 646.) der Muni nach Hause zu- riick, indem er mit grofster Freude das Abbild schaute.

40. Damit habe ich dir, o Bharatastier, die Geburt und den Lebensgang des Quka, (12 647.) nach welchem du mich gefragt hattest, ausfiihrlich berichtet.

41. Das alles hat mir, o Konig, vordem der Gotterweise Narada (12 648.) und der grofse Yogin Vyasa in Gesprachen nach und nach mitgeteilt.

42. Wer diese heilige, mit den Erlosungslehren zusammen- hangende Erzahlung (12649.) behalt und dabei immer nach Be- ruhigung strebt, der wird den hochsten Gang gehen.

So lautet im Mokshadharma der Schlufs des ^'ukafluges ({'uka utpatana - samdpti).

748 III- Mokshadharma.

Adliyaya 336 (B. 334).

Vers 12650-12695 (B. 1-45).

Yudhishthira sprach:

1. (12 650.) Wer als Hausvater oder Brahmanschiiler, als Waldeinsiedler oder Bettelpilger die Vollendung zu erreichen wunscht, welche Gottheit mufs der verehren?

2. (12 651.) Wodurch sichert er sich den Himmel? Wo- durch die hochste Seligkeit? Nach welcher Vorschrift soil er das den Gottern und Vatern gebiihrende Opfer darbringen?

3. (12 652.) Welchen Weg geht der Erloste und worin be- steht die Erlosung? Und was kann einer, der zum Himmel gelangt ist, dazu tun, dafs er nicht wieder herabfallt?

4. (12 653.) Wer ist der Gott der Gotter und wer der Vater der Vater? Und was noch hoher als dieser ist, das sage mir, o Grofsvater.

Bhishma sprach :

5. (12 654.) Nach einer verborgenen Sache fragst du, o du Fragekundiger, Untadliger, und durch bloises Nachdenken, und wahrete es hundert Jahre, kann man diese Frage nicht losen,

6. (12655.) wenn nicht der Gott Gnade verleiht, o Konig; oder auch durch die heilige Uberlieferung der Wissenschaft kann diese geheimnisvolle Lehre dir dargelegt werden, o Feindetoter.

7. (12 656.) Nun erzahlt man sich auch hieriiber folgende alte Geschichte, namlich die Unterredung des Weisen Narada mit dem Gotte Narayana.

8. (12 657.) Denn der allbeseelende, ewige Narayana wurde geboren als Sohn des Dharma viergestaltig so hat es mir mein Vater berichtet

9. (12 658.) ehedem im Weltalter Kritam wahrend einer Weltperiode des [Manu] Svayambhuva als Nara, Narayana, Hari und Krishna Svayambhuva.

10. (12 659.) Von diesen iibten die beiden unsterblichen Narayana und Nara Askese, nachdem sie auf einem goldenen Wagen sich zu der Einsiedelei Badari begeben hatten,

Adhyftya 336 (B. 334). 749

11. (12 6G0.) einem achtradrigen, mit Geistern bespannten, herzerfreuenden. Dort weilten die beiden uranfanglichen Herren der Welt, abgemagert und zu einem Adernetze zu- sammengeschrumpft,

12. (12 6G1.) vermoge ihrer gliihenden Askese selbst von den Gottern schwer anzuschauen, und nur der durfte die beiden Gotter anblicken, dem sie diese Gnade erwiesen.

13. (12662.) Nun geschah es, dafs mit ihrer Erlaubnis, im Herzen von Liebe getrieben, von dem Gipfel des grofsen Merugebirges herabsteigend in die Gegend Gandhamadana (die Duftberauschende},

14. (12 663.) die sehr weit ausgedehnte, Narada alle Welten durchstreifte und in schnellem Gange in diese Gegend zur Einsiedelei Badari gelangte, o Konig,

15. (12 664.) wahrend jene beiden ihre taglichen Ubungen abhielten. Da regte sich in ihm die Neugierde: „Das ist also die ganze Statte, auf der die Welten gegriindet sind,

16. (12665.) mit alien Gottern, Damonen und Gandharven, mit Kinnara's und den grofsen Schlangen. Was urspriing- lich eine Gestalt war, die ist zu vieren geworden,

17. (12 666.) indem sich die Familie des Dharma ausbreitete. Wegen seiner Gerechtigkeit fdharmdtj durch diese begliickt, o wie ist er doch gesegnet, dieser Dharma durch diese Gotter hier,

18. (12 667.) durch Nara und Narayana nebst Krishna und Hari! Was nun Krishna und Hari betrifft, so sind sie wohl gerade mit einer andern Sache beschaftigt.

19. (12668.) Aber die beiden anderen Dharmasprofslinge (oder : Pflichtstarken) sind hicr in der Askese begriffen ; sind sie doch beide die hochste Statte, wie konnen sie da mit taglichen Ubungen sich befassen?

20. (12 669.) Sie, die herrlichen Vater aller Wesen und die Gottheit selbst, welche Gottheit mogen sie verehren oder welche Vater, die Hochsinnigen?"

21. (12 670.) So iiberlegte er in seinem Geiste, und von Liebe zu Narayana getrieben, liefs er sich plotzlich vor den beiden Gottern sehen.

750 III. Mokshadharma.

22. (12 671.) Nachdem die beiden der Pflicht gegen Gotter und Manen geniigt hatten, blickten sie zu ihm auf und zollten ihm die Verehrung, wie sie der Kanon als Sitte vorschreibt.

23. (12 672.) Als er diesen der Vorschrift gemafs sich ent- faltenden, noch nicht dagewesenen, hochst wunderbaren Vor- gang sah, nahm der heilige Weise Narada hocherfreut neben ihnen Platz.

24. (12 673.) Und zu Narayana mit beruhigtem Gemiite auf- blickend, bezeigte er dem grofsen Gott seine Verehrung und sprach zu ihm das folgende Wort.

Narada sprach:

25. (12 674.) In den Veden und Purana's mit ihren An- hangen und Nebenanhangen wirst du besungen als der un- geborene, ewige Schopfer, als Weltmutter, als das hochste Unsterbliche.

26. (12 675.) In dir ist die ganze Welt der Lebenden mit Vergangenem und Zukiinftigem gegriindet, und alle vier Lebensstadien , o Gott, wie sie im Hausvaterstande wurzeln,

27. (1267G.) verehren dich Tag fiir Tag in deinen mannig- fachen Gestalten. Du bist Vater und Mutter des Alls, bist der ewige Lehrer der Welt; (12 677.) wer kann denn der Gott Oder Ahne sein, den du hier verehrst? Das verstehe ich nicht.

Der Heilige sprach :

28. (12 678.) Das, was ich dir sagen soil, ist nicht erlaubt zu sagen, ist das ewige Geheimnis des Atman, aber dir, o Brahmane, um der Liebe willen, die du fiir mich hegst, will ich es der Wahrheit gemafs verkiindigen,

29. (12 679.) jenes Verborgene, Unerkennbare, Unoffenbare, Unwandelbare, Ewige, welches fiber Sinne und Sinnendinge und alle Wesen erhaben ist.

30. (12680.) Denn dieses ist es, welches die innere Seele (antardtmanj der Wesen und der Kshdrajna genannt wird; als erhaben iiber die drei Guna's und als Furnsha wird es bezeichnet.

31. (12 681.) Aus diesem, o Bester der Zwiegeborenen , ist das Unentfaltete, Dreigunahafte entsprungen, welches als jene

Adhyaya 336 (B. 334). 751

unvergangliche, unentfaltete Frakriii in die Zustande des Entfalteten eingegangen ist.

32.(12 682.) Sie wisse als unsern Mutterschofs. Aberjener, welcher als seinem Wesen nach seiend und nicht seiend von uns verehrt wird, der ist es, welchem unser Gotter- und Manendienst gilt.

33. (12 683.) Es gibt ja keinen andern Gott oder Ahnen, der grofser ware als er, denn er ist unser Atman, das soil man wissen, darum verehren wir ihn.

34. (12 684.) Von ihm, o Brahmane, ist jene Ordnung zum Heile der Welt verkiindigt worden, und sein Befehl fordert, dafs den Gottern und Manen gedient werde.

35. (12685.) Brahman, Sthanu, Manu, Daksha, Bhrigu, Dharma und Yama, Marici, Angiras und Atri, Pulastya, Pu- laha, Kratu,

36. (12 686.) Vasishtha und Parameshthin , Vivasvant und Soma, der Kardama Genannte, sowie Krodha, Arvak und Krita*,

37. (12 687.) diese einundzwanzig sind zu Schopferherren geworden, indem sie die ewige Weltordnung dieses Gottes ehrten.

38. (12 688.) Und weil sie bestandig die von ihm verordnete Pflicht gegen Gotter und Manen der Wahrheit gemaXs er- kannten, erlangten die Besten der Zwiegeborenen alles, was durch den Atman erlangt werden kann.

39. (12 689.) Auch alle im Himmel wohnenden Seelen ver- ehren ebendiese [Gotter und Manen] und gehen durch seine Gnade den Weg, der zu der von ihm verheifsenen Frucht fiihrt.

40. (12 690.) Diejenigen, welche von den siebzehn Quali- taten [der elf Indriya's und fiinf Prana's nebst Manas und Buddhi, Nil.] und ihren Werken befreit sind [und von denen] die fiinfzehn Teile [Brih. Up. 1,5,14—15] verlassen wurden, die sind erlost, das ist gewifs.

41. (12691.) Aber als das Ziel der Erlosten wird der Kshe- trajna bezeichnet, denn er ist allgunahaft und zugleich guna- los, so wird's gelehrt.

* Die beiden letzten Naraen nach der Lesart im Vacaspatyam uud Qabdakalpadruma s. v. prajapati.

752 in. Mokshadharma.

42. (12692.) Geschaut wird er durch Hingebung an die Erkenntnis, und auch wir beide sind aus ihm hervorgegarigen ; jenen Atman haben wir als solchen erkannt und verehren ihn, den Ewigen.

43. (12 693.) Er wird von den Veden und von den ver- schiedene Satzungen befolgenden Lebensstadien geliebt und verehrt, und alsbald verleiht er ihnen dafiir die Erreichung des Zieles.

44. (12 694.) Die aber, welche von ihm in der Welt be- gnadet wurden und zur volligen Hingebung an ihn gelangt sind, erlangen als iibermafsigen Lohn dieses, dafs sie in ihn eingehen.

45. (12 695.) Damit ist die geheimnisvolle Unterweisung dir, 0 Narada, aus Liebe und Verehrung fiir dich, o Brah- manenweiser, mitgeteilt und von dir mit Liebe entgegen- genommen worden.

So lautet im Moksbadharma die Geschichte vom X^r&yana (Ndrdyaniyam) .

AdhyAya 337 (B. 335).

Vers 12696-12751 (B. 1-55).

Bhishma sprach:

1. (12 696.) Nachdem der Beste der Zweifiifsler diese Rede Narayana's, des hochsten Purusha, vernommen hatte, sprach er zu dem Besten der Zweifiifsler, Narayana, dem Horte des Heiles der Welt.

Narada sprach:

2. (12 697.) Der Zweck, um dessentwillen du, der du aus dem Atman hervorgegangen hist, deine Geburt im Hause des Dharma als eine vierfache gewirkt hast, dieser Zweck moge zum Besten der Welt verwirklicht werden. Noch heute gehe ich hin, um deinen ersten Ursprung zu schauen.

3. (12698.) Ich beweise allezeit den Lehrern meine Ehr- furcht, ich habe noch nie das Geheimnis eines andern

Adhyaya 337 (B. 335). 753

verraten, icli habe die Veden studiert, o unbefleckter Weltenherr, Askese geiibt und niemals die Unwahrheit gesprochen.

4. (12 699.) Ich habe, wie es die heilige Uberlieferung vorschreibt, die vier [Tore des Leibes, oben, S. 455fg.] bewacht, ich bin allezeit gleichmafsig in meinem Ver- halten gegen Feind und Freund und ich war allezeit jenem Urgotte ergeben und habe mit ausschliefslicher Liebe das Unversiegbare erwahlt.

5. (12 700.) Und da durch diese Vorziige mein Charakter gelautert ist, warum sollte es mir nicht beschieden sein, den unendlichen Gottherrn zu schauen ! Nachdem Na- rayana, der ewige Hiiter der Gerechtigkeit, dieses Wort des von Parameshthin (Brahman) Entsprossenen ver- nommen hatte,

6. (12 701.) sprach er zu Narada, nachdem er ihn mit den von ihm selbst vorgeschriebenen Brauchen geehrt hatte: „So gehe!" Und der Sohn des Parameshthin, von ihm entlassen, zoUte dem uranfanglichen Weisen seine Verehrung,

7. (12 702.) erhob sich vermoge seiner hochsten Yoga- kraft in die Liifte und liefs sich nieder in einem Nu auf dem Gipfel des Meru. Dort verweilte der Muni eine Weile, auf einem Vorsprung des Berggipfels Platz nehmend.

8. (12 703.) Indem er nun seine Blicke nach Nordwesten richtete, genofs er eine wunderbare Aussicht von be- riihmter Schonheit ; namlich im Norden des Milchmeeres liegt eine grofse Insel, welche unter dem Namen Qveta- dvipa (die weifse Insel) beriihmt ist.

9. (12 704.) Diese Insel liegt nach Beschreibung der Weisen zweiunddreilsigtausend Meilen jenseits des Meru. Da leben, frei von Sinnesorganen , ohne Nahrung, ohne Augenblinzeln, lieblichen Wohlgeruch ausstromend,

10. (12 705.) weifse Manner, von alien Siinden fern, bosen Menschen [durch ihren Anblick] das Augenlicht raubend, diamanthart an Knochen und Korper, gleich- gultig gegen Ehrung und Verachtung, von himmlischer Gestaltung und glanzend in kerniger Kraft.

Deusben, Maha,bh4ratam. ^g

754 ni. Mokshadharma.

11. (12 706.) Ihre Haupter sind wie Sonnenschirme ge- bildet, ihre Rede gleicht dem rauschenden Regenstrome, alls sind sie mit vier Hoden ausgestattet und mit Fiifsen wie Lotosblatter, mit sechzig weifsen Zahnen und acht Eckzahnen, mit ihren Zungen den Sonnenstrahlen gleich nach alien Seiten ziingelnd,

12. (12 707.) mit Liebe den Gott verehrend, dessen Schopfung das All ist, aus welchem alle Welten ent- sprungen sind, dessen Ausbreitungen die Veden und ihre Gesetze, alle beruhigten Weisen und Gotter sind.

Yudhishthira sprach :

13. (12 708.) Wie sind diese Manner, frei von Sinnesorganen, ohne Nahrung, ohne Augenblinzeln und von lieblichem Wohl- geruch, entstanden, und welches ist ihr letztes Ziel?

14. (12 709.) Und ist es so, dafs diejenigen Menschen, 0 Bester der Bharata's, welche hienieden erlost werden, wohl ebenjene Merkmale an sich tragen werden wie die Bewohner von Qvetadvipa?

15. (12 710.) Urn dieser Ungewifsheit willen lose mir den Zweifel, denn ich verlange sehr danach; du bist ja eine Schatzkammer aller Erzahlungen, und zu dir nehmen wir unsere Zuflucht.

Bhishma sprach:

16. (12 711.) Sehr lang, o Konig, ist diese Geschichte, wie ich si,e von meinem Vater vernommen babe und dir jetzt wiedererzahlen soil; wahrlich, es ist die wertvollste aller Er- zahlungen !

17. (12 712.) Es war einmal ein Konig mit Namen Upari- cara, ein Beherrscher der Erde, der beriihmt war als Freund des Akhandala (Indra) und Verehrer des Hari Narayana,

18. (12 713.) pflichtkundig stets seinem Vater ergeben und stets unveranderlich. Dieser hatte vordem als eine Gnaden- gabe des Narayana die Weltherrschaft erlangt.

19. (12 714.) Als Anhanger der vor Zeiten aus dem Munde des Sonnengottes ausgegangenen Satvatalehre verehrte er den Herrn der Gotter (Narayana), mit dem Reste seines Opfers die Manen,

Adhyaya 337 (B. 335). 755

20. (12 715.) mit dem Reste des Manenopfers die Brah- manen, indem er auch seinen Leuten davon mitteilte. Rest- speise essend, die Wahrheit hochhaltend und alle Wesen schonend,

21. (12 716.) verehrte er mit ganzem Herzen den Gottergott Janardana (Vishnu), den ewigen Weltschopfer, der ohne An- fang, Mitte und Ende ist.

22. (12 717.) Ihn, der Verehrung gegen Narayana iibte, den Bezwinger der Feinde, hatte der Gotterkonig (Indra) selbst zum Genossen seines Sitzes und Lagers erwahlt.

23. (12 718.) Mein Reich und mein Vermogen, mein Weib und mein Elefant, alles das, so sprach er, ist dem Bhagavan (dem heih'gen Narayana) geweiht.

24. (12 719.) Mochte es sich um Wunschopfer oder Gelegen- heitsopfer handeln, o Konig, alle die hohen Opferwerke voll- brachte er mit Hingebung, indem er die Satvatalehre befolgte.

25. (12 720.) In dem Hause dieses hochsinnigen Konigs ge- nossen die vornehmsten Kenner der Paficaratralehre die Ehre, von dem, was dem Bhagavan dargebraclit wurde, als erste zu kosten.

26. (12 721.) Bei diesem feindbezwingenden und das Reich mit Gerechtigkeit regierenden Konig gab es keine unwahre Rede und keinen bosen Gedanken,

27. (12 722.) und auch in Werken vollbrachte er nicht das mindeste Bose (paramdnu mit C). Vordem namlich hatten die sieben Weisen gelebt, welche Citragikhandin's (Bunt- schbpfe) heifsen.

28. (12 723.) Von diesen wurde mit einmiitigem Sinne ein vorziigliches Gesetzbuch verkiindigt, welches, auf dem grofsen Berge Meru entstanden und an die vier Veden sich an- schliefsend,

29. (12 724.) als uniibertrefflich und fiir die Welt das Ge- setz gebend, aus ihren sieben Miindern ausgestromt war. Marici, Atri und Aiigiras, Pulastya, Pulaha, Kratu (12725.) und der kraftvolle Vasishtha, das sind die Citragikhandin's.

30. Dieses sind die sieben weltschaffenden Wesen und [Manu] Svayambhuva ist der achte; (12726.) von ihnen wird die Welt getragen, aus ihnen ist der Gesetzeskanon ausgestromt.

48*

756 in. Mokshadharma.

31. Diese Weisen, konzentrierten Geistes, bezahmt, der Selbstbeherrschung sich erfreuend, (12727.) des Vergangenen, Gegenwartigen und Zukunftigen kundig und die wahrhafte Satzung als das Hochste schatzend,

32. haben, im Geiste erwagend : dies ist das Beste, dies ist das Brahman, dies ist das hochste Heil, (12 728.) die Welten und sodann das Gesetz geschaffen.

33. In diesem wurde das Gute, Niitzhche und Angenehme und sodann die Erlosung besprochen, (12729.) sowie auch die mannigfachen Bestimmungen, die im Himmel und auf Erden gelten.

34. Damit waren sie alle in Gemeinschaft mit den Rishi's tausend gottliche Jahre durch beschaftigt, (12730.) wahrend sie durch Askese den Gott Hari, den machtigen Narayana, ver- ehrten.

35. Da geschah es, dafs auf Befehl des Narayana die Gottin [der Eede] Sarasvati (12731.) in alle diese Rishi's der Welt zum Heile hineinfuhr.

36. Darauf wurde sie, die in der ersten Schopfung ge- borene, von den askesekundigen Rishi's (12732.) in Wort, In- halt und Begriindung richtig zur Anwendung gebracht.

37. Zuerst wurde sodann das mit dem Omlaut geschmiickte fertige Werk (12733.) von den Rishi's dort vorgetragen, wo jener mitleidreiche Gott ihnen zuhorte.

38. Da wurde der heilige, nicht in einem bestimmten Korper erscheinende (12 734.) hochste Purusha gnadig gestimmt und sprach unsichtbar zu alien diesen Rishi's:

39. Vollendet ist dieses hochste, aus hunderttausend Qloka's bestehende Werk, (12 735.) welches fiir das Gesetz des ganzen Weltlaufs die Quelle ist,

40. und aus welchem fiir Tun und Lassen nur solches sich ergeben wird, was vom (12736.) Yajur-, Rig- und Sama- veda sowie von den Liedern des Atharvan und Angiras gut- geheifsen wird.

41. Nach der Richtschnur des Veda ist ja von mir durch meine Gnade Gott Brahman, (12737.) aus meinem Zorne Rudra geschaffen worden, ferner ihr Brahmanen als weltschaffende Wesen,

Adhyaya 337 (B. 335). 757

42. sowie auch Sonne und Mond, Wind, Erde, Wasser und Feuer, (12 738.) dazu alle Scharen der Gestirne und was sonst noch Wesen heifst.

43. So wie alle Brahmanlehrer je nach ihrer Eigentiim- lichkeit ihres Amtes walten (12739.) und alle ein Vorbild sind, soil auch dieses liochste Lehrbuch

44. eine Richtschnur sein, das ist mein Wille. (12740.) Aus ihm wird seine Gesetze Manu Svayambhuva selbst verkiindigen,

45. und auch Uganas und Brihaspati, wenn sie erst ge- boren sein werden, (12741.) sollen das aus eurem Geiste ent- sprungene Gesetzbuch verkiindigen.

46. Nachdem die Gesetzvorschriften des Svayambhuva (Manu) und das Lehrbuch des Uganas verfafst sein werden (12 742.) und auch die Lehre des Brihaspati in Umlauf gesetzt sein wird,

47. soil dieses von eucli verfafste Lehrbuch ein Konig namens Vasu [d. i. Uparicara, oben. Vers 12712] (12743.) von Brihaspati erhalten, 0 ihr besten Zwiegeborenen.

48. Denn dieser Konig wird von den Guten geehrt und mir treu ergeben sein, (12 744.) und er wird nach diesem Lehr- buche alle Opferwerke in der Welt vollziehen.

49. Denn dieses euer Gesetzbuch wird unter alien Ge- setzbiichern das hochste heifsen, (12745.) es wird dem Niitz- lichen und dem Guten dienen und wird auch die hochste Geheimlehre enthalten.

50. Durch seine Verbreitung werdet ihr zu Wissenden werden, (12746.) und jener grofse Konig Vasu wird mit Gliick begnadet sein.

51. Wird aber die Zeit dieses Konigs um sein, dann wird dieses ewige Gesetzbuch (12 747.) verschwinden. Das alles habe ich euch voraus gesagt.

52. Nachdem der unsichtbare, hochste Purusha diese Rede gehalten hatte, (12 748.) nahm er Abschied von alien diesen Rishi's und ging in eine andere Gegend.

53. Darauf wurde von diesen W^eltvatern, indem sie den Nutzen der ganzen Welt bedachten, (12 749.) dieses Gesetzbuch als eine ewige Quelle der Pflicht verbreitet.

54. Als nun im ersten Weltalter (Kritam) aus dem Stamme

758 ni. Mokshadharma.

des Aiigiras Brihaspati geboren war, (12750.) da verpflanzten sie das Lehrbuch nebst Anhang und Upanishad in ihn

55. und gingen, um Askese zu iiben, in eine ihnen er- wiinschte Gegend voll Zuversicht, (12751.) die Trager aller Welten, die Verkiindiger aller Gesetze.

So lautet im Mokshadharma die Geschichte vom N^rayana

(Ndrdyaniyani).

Adhyaya 338 (B. 336).

Vers 12752-12817 (B. 1-65).

Bhishma sprach :

1. (12 752.) Als nun nach Ablauf einer grofsen Zeitperiode der Sohn des Aiigiras (Brihaspati) geboren wurde, da waren die Gotter voll Freude dariiber, dafs ihnen ein gottlicher Purohita (Hauspriester) geboren war.

2. (12 753.) Brihat, Brahma, Mahat (das Starke, das Brah- man, das Grofse), diese Worte bedeuten das namliche, und mit den durch sie bezeichneten Eigenschaften, o Konig, war Brihaspati ausgeriistet.

3. (12 754.) Sein erster Schiller wurde der Konig Vasu Uparicara, und nachdem dieser das von den Citragikhandin's [oben, Vers 12 725] stammende Gesetzbuch gehorig studiert hatte,

4. (12 755.) wurde dieser Konig Vasu damals wie ein Gott geehrt und beherrschte die Erde, wie Akhandala (Indra) den Himmel.

5. (12 756.) Dieser hochherzige Konig veranstaltete ein grofses Rofsopfer, bei welchem sein Lehrer Brihaspati als Hotarpriester waltete.

6. (12 757.) Drei Sohne des Prajapati, die grofsen Rishi's Ekata, Dvita und Trita, waren Beisitzer des Opfers,

7. (12 7B8.) dazu Dhanusha, Raibhya, Arvavasu, Paravasu, der Rishi Medhatithi und der grofse Rishi Tandya,

8. (12 759.) der hochbegliickte Rishi (^anti und jener, der Vedagiras heifst, und der beste der Rishi's, Kapila, der als Vater des Qalihotra gilt,

Adhyaya 338 (B. 336). 759

9. (12 760.) der erste Katha und Taittiri, der altere Bruder des Vaigampayana , Kanva und Devahotra, das waren die sechzehn Opferpriester.

10. (12 761.) Alles Zubehor zu diesem grofsen Opfer war zusammengebracht worden, o Konig, aber kein Tier wurde geschlachtet, darauf hatte der Konig bestanden,

11. (12 762.) er, welcher dem Schadigen abgeneigt, rein, von Gemeinheit fern, wunschlos und um seiner Werke willen preiswiirdig war. Nur an waldigen Orten gewachsen war, was dabei als Opferanteil verwendet wurde.

12. (12 763.) Darura hatte an ihm seine Freude der heilige, uranfangliche Gottergott und liefs sich leibhaftig vor ihm sehen, er, der von keinem andern gesehen werden konnte.

13. (12 764.) Er roch den Duft seines Anteils und ergriff selbst den Opferkuchen; so wurde von dem Gotte Hari- medhas (Narayana) sein Opferanteil unsichtbar entgegen- genommen.

14. (12 765.) Dariiber geriet Brihaspati in Zorn, erhob in seiner Erregung den Opferloffel, und indem er ihn in der Luft hin und her schwang, brach er vor Wut in Tranen aus.

15. (12766.) Und er sprach zu Uparicara: Von mir ist dieser Opferanteil dargeboten worden, und er war von dem Gotte selbst vor meinen Augen entgegenzunehmen, daran ist doch kein Zweifel.

Yudhishthira sprach:

16. (12 767.) Die dargebotenen Opferan telle pflegen doch von den Gottern sichtbar entgegengenommen zu werden, warum nahm denn nicht auch der machtige Hari sichtbare Gestalt an?

Bhishma sprach:

17. (12 768.) Da suchte der grofse Konig Vasu den aufser sich geratenen Muni zu besanftigen, und alle Beisitzer be- miihten sich mit ihm.

18. (12 769.) Und sie sprachen ruhig zu ihm: Du solltest nicht in Zorn geraten, es ist im Kritazeitalter nicht Sitte, dafs [man sich wie] du vom Zorne hinreifsen lafst faci- Jcrithas !J.

760 III. Mokshadharma.

19. (12 770.) Nicht angebracht ist der Zorn bei jenem Gotte, dem du seinen Opferanteil dargeboten hast, es ist nicht moghch, dafs er von dir oder von uns gesehen werde, o Brihaspati.

20. (12 771.) Nur der kann ihn sehen, dem er es als Gnade verleiht. Und weiter sprachen Ekata, Dvita und Trita [die Anhanger der] Citragikhandin's :

21. (12 772.) Wir hier, die wir uns riihmen, geistige Sohne des Gottes Brahman zu sein,' sind einstmals um unseres Seelenheiles willen nach der nordlichen Gegend gewandert.

22. (12 773.) Nachdem wir tausend Jahre uns kasteit hatten und zur hochsten Askese fortgeschritten waren, beharrlich auf einem Fufse stehend, Holzstammen gleich, in Meditation versunken

23. (12 774.) auf der nordlichen Seite des Mem am Gestade des Milchmeeres, das war namlich die Gegend, wo wir unsere furchtbare Askese iibten,

24. (12 775.) da fragten wir uns, wie wir wohl den Gott (Vishnu) in seiner Wesensform als Narayana zu sehen be- kommen konnten, den liebenswerten, gabenspendenden, diesen ewigen Gott der Gotter,

25. (12 776.) mit einem Worte, wie wir den Narayana sehen konnten. Da, als wir das Schlufsbad unseres Geliibdes nahmen, sprach zu uns eine korperlose Stimme

26. (12 777.) in lieblichem, tiefem Tone zu unserm Ent^ ziicken, o Herr : 0 Brahmanen, ihr habt cure Askese mit be- ruhigter Seele gut geiibt,

27. (12 778.) und jetzt forscht ihr mit frommem Sinne da- nach, wie ihr den Herrn zu sehen bekommen konnt. In der nordlichen Gegend des Milchmeeres liegt die herrliche Insel (^vetadvipa,

28. (12 779.) dort leben Manner, glanzvoU wie der Mond, welche nichts Hoheres kennen als Narayana; ihm, dem hochsten Purusha, sind diese frommen Manner mit alleiniger Liebe ergeben.

29. (12 780.) Ihm, dem tausendstrahligen , ewigen Gotte, nahen sie frei von Sinnesorganen, ohne Nahrung, ohne Augen- blinzeln und von lieblichem Wohlgeruch;

Adhyaya 338 (B. 336). 761

30. (12 781.) ihm allein ergeben sind diese Bewohner von Qvetadvipa. Dorthin wendet euch, ihr Muni's, dort wird meine Wesenheit offenbart.

31. (12 782.) Nachdem wir alle diese korperlose Stimme vernommen hatten, sind sie (wir) auf dem beschriebenen Wege in jene Gegend gegangen.

32. (12 783.) Als wir aber nach der giofsen weifsen Insel gelangt waren, ihn in Gedanken tragend, ihn zu sehen ver- langend, da war der Ausblick uns verschlossen,

33. (12 784.) und wir konnten den Purusha nicht schauen, denn unsere Augen waren durch seinen Glanz geblendet. Da wurde es uns durch die Hingebung an den Gott klar,

34. (12 785.) dafs man nicht so ohne weiteres und ohne vorher hinreichend Askese geiibt zu haben, den Gott schauen kann. Nachdem wir darauf nochmals ungesaumt hundert Jahre lang grofse Askese unternommen hatten,

35. (12 786.) sahen wir am Schlusse unseres Geliibdes schone weifse Manner, wie der Mond glanzend, mit alien Vor- ziigen ausgestattet,

36. (12 787.) welche, o Brahmane, immerfort mit zusammen- gelegten Handen, nach Norden und Osten schauend, mur- melten. Diese Murmelung aber wurde nur als eine geistige von diesen Hochsinnigen vollzogen,

37. (12 788.) denn an einer solchen geistigen Konzentration hat Hari seine Freude. Der Glanz, wie er der Sonne eigen ist, o Tiger unter den Muni's, wenn ein Weltalter zu Ende geht,

38. (12 789.) ein soldier Glanz umstrahlte jeden einzelnen von diesen Mannern. Da erkannten wir, dafs diese Insel eine Wohnstatte des Glanzes ist;

39. (12 790.) keiner iiberbot dort den andern, alle waren von gleichem Glanze. Da wurde der gleichzeitig von tausend Sonnen ausstrahlende Glanz

40. (12 791.) wiederum plotzhch von uns gesehen, o Brihas- pati, und jene Manner liefen allesamt eilends auf ihn zu

41. (12 792.) und riefen mit zusammengelegten Handen freudig aus: „Dir sei Verehrung!" Sodann horten wir ein grofses Getone ihres Redens.

42. (12 793.) Denn das ist die Spende, welche von diesen

762 III. Mokshadharma.

Mannern dem Gotte dargebracht wird. Wir aber, durch seinen Glanz plotzlich der Sinne beraubt,

43. (12 794.) sahen gar nichts, geschlagen an Augen, Kraft und Sinn. Da verbreitete sich ein Ton und wurde deutlich von uns vernommen:

44. (12 795.) „Du bist Sieger, o Lotosaugiger, Verehrung sei dir, o Allbildner, Verehrung sei dir, o Struppiger, o erst- geborener, grofser Purusha!"

45. (12 796.) Dieser Ton wurde, richtig nach Aussprache und Betonung, von uns vernommen, wahrend in dieser Zeit ein reiner, mit Wohlgeriichen erfiillter Wind

46. (12 797.) himmlische Blumen und opferwiirdige Krauter herbeifiihrte. Von diesen, die Zeiten der fiinf [taglichen Opfer, pancalidla; nach einer Fufsnote in B. : das Paiicaratram] kennen- den, ihm einzig ergebenen Mannern wurde Hari verehrt

47. (12 798.) in Gedanken, Worten und Werken, die in hochster Liebe gegen ihn wurzelten. Ohne Zweifel war der Gott dorthin gekommen, als von ihnen diese Gebete er- schollen,

48. (12 799.) wir aber, durch seine Zauberkunst fmdydj ver- blendet, waren nicht imstande, ihn zu sehen. Als endHch der Wind sich legte und die Darbringung vollendet war,

49. (12800.) wurde unser Geist, o Bester der Aiigiras, von Sorge erfiillt. Denn unter diesen tausend edelgeborenen Mannern

50. (12801.) wiirdigte uns keiner eines Gedankens oder auch nur eines Bhckes, sondern jene Munischaren hielten sich fiir sich, nur einer Liebe sich hingebend,

51. (12 802.) und bewiesen uns keine Liebe, nur von der Liebe zu Brahman beseelt. Da geschah es, dafs uns, die wir sehr ermiidet und durch die Askese abgemagert waren,

52. (12803.) ein in sich ruhendes korperloses Wesen an- redete.

Der Gott sprach: (12804.) „Die von alien Sinnesorganen freien weifsen Manner sind von euch gesehen worden,

53. und von diesen besten Zwiegeborenen , die ihr ge- schaut habt, ist der Gott geschaut worden. (12805) Nun ent-

Adhy^ya 338 (B. 336). 763

fernt euch von hier alle, ihr Muni's, wie ihr gekommen seid, ungesaumt,

54. der Gott kann unter keinen Umstanden von einem ge- schaut werden, der ihm nicht in Liebe ergeben ist, (128O6.) und nur solche, welche nach langer Zeit zu seiner Alleinverehrung gelangt sind,

55. konnen den Heiligen, in seinem Strahlenkranze schwer zu Erkennenden schauen. (12807.) Aber doch wartet euer eine grofse Aufgabe, ihr Besten der Brahmanen:

56. Wenn kiinftighin das Kritaweltalter vorbei und in ein anderes iibergegangen sein wird, (128O8.) wenn in der gegenwartigen Manuperiode das Tretazeitalter eingetreten sein wird, o Brahmanen,

57. dann sollt ihr zur Vollbringung der Aufgabe der Gotter Mithelfer sein." (12809.) Nachdem wir diese wunder- bare, amritagleiche Rede gehort batten,

58. gelangten wir alsbald durch seine Gnade in das ge- wiinschte Land. (12810.) So konnte denn trotz grofser Askese, trotz Gotter- und Manenopfer

59. der Gott von uns nicht geschaut werden, wie kannst du ihn da sehen wollen [o Brihaspati] ? (12811.) Er ist Narayana, das grofse Wesen, der Allschopfer, der Geniefser des Gotter- und Manenopfers,

60. ohne Anfang und Ende, unoffenbar, verehrt von Gottern und Damonen. (12812.) So wurde durch die Er- zahlung des Ekata und die Beistimmung des Dvita und Trita

61. sowie durch die iibrigen Opfergenossen der hoch- sinnige Brihaspati begiitigt, (12 sis.) vollendete das Opfer und verehrte die Gottheit.

62. Aber der Konig Vasu, obgleich er dieses Opfer dar- gebracht hatte und seinen Untertanen Schutz verhehen hatte, (12814.) wurde spater aus dem Himmel [in den er gelangt war] durch einen Fluch der Brahmanen herabgestiirzt und fuhr in die Erde hinein.

63. Aber dieser Konig, 0 Konigstiger, hielt nichtsdesto- weniger fest an Wahrheit und Gerechtigkeit, (12815.) und ob- gleich er im Tnnern der Erde hauste, war und blieb er ein treuer Anhanger des Gesetzes.

764 III. Mokshadharma.

64. Und well er den Narayana aufs hochste ehrte und die Narayanamurmelung murmelte, (128I6.) wurde er durch dessen Gnade wieder emporgehoben

65. und stieg vom Erdboden flugs hinauf zu der Statte des Brahman, (12 sir.) indem er alsbald das hochste, ewige Ziel erreichte.

So lautet im Mokshadharma die Geechichte vom Narayana (Ndrdyaniyain).

Adhyaya 339 (B. 337).

Vers 12818-12860 (B. 1-41).

Yudhishthira sprach:

1. (12818.) Da doch der grofse Konig Vasu dem Heihgen [Narayana] so iiberaus ergeben war, wie kam es da, dafs er herabstiirzte und in eine unterirdische Hohle geriet?

Bhishma sprach:

2. (12 819.) Auch dariiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich den Wortwechsel zwischen den Kishi's und den dreifsig Gottern.

3. (12 820.) Die Gotter sprachen zu den Besten der Zwie- geborenen: Geopfert werden mufs ein Bock, und unter dem Bock ist ein Ziegenbock und kein anderes Tier zu verstehen, das steht fest. Die Eishi's sprachen:

4. (12 821.) Korner miissen beim Opfer dargebracht werden, das ist die vedische Vorschrift. Korner sind zu verstehen, wenn von einem Bock [aja^ konnte auch „unaufgekeimt" heifsen] dort die Rede ist. Einen Bock darf man unter keinen Umstanden toten.

5. (12822.) Das ist kein Brauch guter Menschen, o Gotter, dafs ein Tier geschlachtet wird; wir leben in dem besten, im Kritazeitalter, wie diirfte da ein Tier geschlachtet werden !

Bhishma sprach:

6. (12823.) Wahrend sich in dieser Weise die Rishi's mit den weisen Gottern stritten, kam des Weges daher Vasu, der Beste der Konige, der in diese Gegend gelangt war,

Adhyaya 339 (B. 337). 765

7. (12824.) der gliickliche, indem er durch die Luft flog mit seinem ganzen Heere und seinen Wagen. Als die Rishi's den Vasu sahen, wie er plotzlich durch die Luft daher- gefahren kam,

8. (12825.) da sprachen die Zwiegeborenen zu den Gottern: Dieser soil den Streit entscheiden. Er ist opfereifrig und ein frei- gebiger Herr, edel und am Wohle aller Wesen sich freuend.

9. (12826.) Wie konnte er, der grofse Vasu, etwas Falsches sagen? Nachdem die Rishi's und Goiter darin iiberein- gekommen waren,

10. (12827.) traten sie alle an den Vasu heran und frag- ten ihn: 0 Konig, was soil man opfern, einen Bock oder Pflanzenstoffe ?

11. (12828.) Diese Streitfrage lose uns, du, o Herr, sollst unser Schiedsrichter sein. Da legte Vasu seine hohlen Hande zusammen und fragte :

12. (12829.) Wer von euch hegt welchen Wunsch? Sagt mir die Wahrheit, ihr Besten der Zwiegeborenen!

Die Rishi's sprachen: (12830.) Unsere Partei behauptet, dafs man nur Korner opfern darf, o Konig,

13. die Gotter aber nehmen Partei fiir das Tieropfer; du, 0 Konig, sollst zwischen uns entscheiden.

Bhishma sprach: (12831.) Als aber Vasu die Meinung der Gotter vernahm, schlug er sich auf ihre Seite

14. und sein Schiedsspruch lautete: „Ein Ziegenbock mufs geopfert werden." (12832.) Da gerieten alle die sonne- glanzenden Rishi's in Zorn

15. und sprachen zu dem auf seinem Wagen stehenden Vasu, der den Schiedsspruch parteiisch fiir die Gotter gefallt hatte: (12833.) Weil du die Partei der Gotter ergriffen hast, darum sollst du vom Himmel herunterstiirzen.

16. Von jetzt an, o Konig, wird dir der Weg durch die Liifte benommen sein; (12834.) von unserm Fluche getroffen, wirst du die Erde spalten und in sie hineinfahren.

766 in. Mokshadharma.

17. Da geschah es in demselben Augenblicke, dafs der Konig Uparicara (12835.) alsbald herabstiirzte und in eine Hohle unter der Erde geriet, o Konig.

18. Aber auf Befehl des Narayana blieb die Erinnerung an ihn soweit lebendig, (12836.) dafs alle Gotter insgesamt auf die Befreiung des Vasu von seinem Fluche

19. mit Sorgfalt bedacht waren, um dem Konige eine Wohltat zu erweisen; (12837.) denn dieser hochsinnige Konig, sprachen sie, hat um unsertwillen den Fluch auf sich geladen ;

20. darum, ihr Himmelsbewohner, miissen wir alle ihm einen Gegendienst erweisen. (12838.) So im Geiste sich ent- scheidend, waren die Gotter schnell entschlossen

21. und sprachen freudigen Geistes zu dem Konige Upari- cara: (12 839.) Dem brahmanhaften Gotte bist du ergeben, und er, Hari, der Meister der Gotter und Damonen,

22. wird gewifs, weil er an dir seine Freude hat, die Losung des Fluches bewirken; (i2840.) anderseits mufs freilich auch die Achtung vor den hochsinnigen Rishi's gewahrt werden,

23. und es ist nicht moglich, dafs ihre Askese unfrucht- bar bleibe, (i2 84i.) kraft deren du so plotzlich aus dem Luft- raum in die Erde hinabgestiirzt bist.

24. Immerhin konnen wir dir folgende Milderung ge- wahren, o Bester der Konige: (12842.) Wahrend du vermoge des Fluches deine Zeit absitzen wirst, o Untadliger,

25. in deiner Hohle unter der Erde, diese ganze Zeit sollst du (12843.) die von achtsamen Brahmanen beim Opfer rich tig dargebrachte Spende, welche vasor dhdrd (Gabenstrom, Vasu- spende) heifst, erhalten.

26. Das sollst du durch unsere Fiirsorge erlangen, damit dich kein Hinwelken iiberkomme. (12844.) Denn du wirst in deinem Erdloche weder Hunger noch Durst leiden,

27. wenn du die vasor dhdrd trinkst und dich durch ihre Kraft starkst. (1284,').) Dann wird jener Gott [Narayana], durch unsere Gabe an dich erfreut, dich in die Brahman- welt emporgeleiten.

28. Nachdem alle die Himmelsbewohner dem Konige dieses Geschenk verliehen hatten, (12846.) gingen die Gotter nach Hause und ebenso die askesereichen Rishi's.

Adhyaya 339 (B. 337). 767

29. Darauf zollte Vasu dem Vishvaksena (dem allumschiitz- ten Narayana) seine Verehrung, o Bharata, (12847.) indem er unaufhorlich die aus dem Munde des Narayana hervor- gegangene Murmelung betete.

30. Auch wurden, o Feindbezwinger, die fiinf taglichen Opfer zu ihren fiinf Zeiten (12 848.) dem Gotterherrn Hari von Vasu, wahrend er in der Erdholile weilto, dargebracht.

31. Da freute sich Hari Narayana dariiber, dafs er so fromm war (12849.) und dafs er keinen andern Gott verehrte, sondern mit bezahmtem Selbste ihm allein ergeben war.

32. Und er, der gabenspendende, heilige Vishnu, sprach zu dem ihn begleitenden trefflichsten Vogel, (12 850.) dem iiberaus schnellen Garuda, was er vollbracht zu sehen wiinschte:

33. 0 du machtiger Bester der Vogel, achte auf mein Wort. (12 851.) Ein allbeherrschender Konig mit Namen Vasu, pflichttreu und von scharfem Geliibde,

34. ist durch den Zorn der Brahmanen in die Erde ge- bannt worden. (12852.) Den Bralimanenfiirsten ist jetzt die geniigende Achtung erwiesen worden. Nunmehr gehe du, o Bester der Vogel,

35. auf meinen Befehl, 0 Garuda, zu dem in der Erd- hohle Verborgenen (12853.) und mache sofort den unter der Erde wandelnden besten Fiirsten wieder zu einem Luft wanderer!

36. Da entfaltete der windschnelle Garuda seine Fliigel (12 854.) und gelangte in die Hohle unter der Erde, wo der Konig safs.

37. Den rifs der Vinatasohn jahlings in die Hohe, (12855.) flog mit ihm im Nu zum Ather empor und liefs ihn da los.

38. In diesem Augenblicke wurde der Konig wieder zu einem Uparicara (in der" Hohe Wandelnden), (1285G.) und mit seinem Leibe ging er, der Beste der Fiirsten, in die Brahman- welt ein.

39. So mufste, o Kuntisohn, von diesem Konige, weil er sich auf Geheifs der Gotter im Reden versiindigt hatte, (12 857.) trotz seines hohen Sinnes vermoge des Fluches der Brahmanen der Weg unter die Erde gegangen werden.

768 III. Mokshadharma.

40. Weil er aber allein den Gottherrn Hari, den Purusha, verehrte, (12 858.) ist er alsbald von seinem Fluche befreit worden und hat die Brahmanwelt erlangt.

Bhishma spracli [weiter]:

41. (12859.) Damit habe ich dir alles erzahlt, wie jene Menschen beschaffen waren und wie der Weise Narada [zu ihnen] nach Qvetadvipa gelangt war. (12860.) Das will ich dir alles [noch genauer] mitteilen; vernimm es mit ungeteil- ter Aufmerksamkeit, o Konig.

So lautet im Mokshadharma die Geschichte vom Nftrayana (Sdrdyaniyam).

Adhyaya 340 (B. 338).

Vers 12861-12864 (B. 1-3).

Bhishma sprach:

1. (12861.) Als der heilige Weise Narada die grofse weifse Insel ((^vetadvipa) erreicht hatte, sah er jene weifsen, wie der Mond glanzenden Manner.

2. (12862.) Er verehrte sie durch Verneigung und wurde von ihnen geistig verehrt; nach dem Schauen begehrend, der Murmelung ergeben, durch alle harten Ubungen hin- durchgegangen und beharrlich,

3. (12863.) unternahm es der Brahmane konzentrierten Geistes, mit emporgestreckten Armen und voll Sammlung, dem Allumfassenden, Gunalosen und zugleich Gunahaften ein Loblied zu singen.

Narada sprach :

(12864. Prosa.) Verohrung sei dir, o Gottherr der Gotter, Werkloser, Gunaloser, Weltauge, Kshetrajna, hochster Pu- rusha, Unendlicher, Purusha, grofser Purusha, hochster Purusha, Dreigunahafter, Urstoff, Unsterblicher, Unsterblich- heif sender, Unendlichheif sender, Himmelsraum, Ewiger, der du Seiendes und Nichtseiendes, Entfaltetes und Unentfaltetes bist, Wahrheitsstatte, Urgott, Gabenspender, Schopfer, guter

Adhy^ya 310 (B. 338). 769

Schopfer, Waldesherr, grofser Schopfer, Nahrungsherr, Rede- herr, Weltherr, Geistesherr, Himmelsherr, Windesherr, Wasser- herr, Erdeherr, Weltgegendenherr, Urwohnstatt, Verborgener, Brahmanpriester, Brahmanverkorperter, Grofsfiirstlicher, Vier- grofsfiirst, Glanzender, Hellglanzender, Siebenopferteilegeniefser, Yamaliebender , Yamasehrliebender , Yamamuttergenannter, Tushitagottheit, Grofstushitagottheit, Vex-nichter, Erschaffener, Unerschaffener , Willkiirlicher , Untadliger, Unermefslicher, Willkiirlicher , Unwillkiirlicher , Opfer, Grofsopfer, Opfer- ursprung, Opferwiege, Opfersprofs, Opferherz, Opfergeprie- sener, Opferteilgenierser, Fiinfopferhafter, Fiinfzeiteinteilungs- schaffer, Paficaratrahafter, Vaikuntha, Unbesiegbarer, Geistiger, Namengenannter, Hochstherr, Wohlgebadeter, Schwan, hoch- ster Schwan, grofser Schwan, Hochheiliger, Sankhya-Yoga, Sankhyagestal tiger, im Amritam Weilender, Goldweilender, Gottweilender, Kugagrasweilender, Brahmanweilender, Lotos- weilender, Allherr, Allumschiitzter , du bist Weltzusammen- hang, Weltnatur, dein Mund ist Feuer, du bist das Vadava- rachenfeuer, bist Opfergufs, Wagenlenker, bist der Vashatruf, der Omlaut, die Askese, das Manas, der Mond, das durch AnbHck geweihte Opferschmalz , die Sonne, der Weltelefant, o Glanz der Pole, Glanz der Zwischenpole, Rofshaupt (vgl. unten, Vers 12923), du bist Erstgeniefser des Trisuparnagebets, Kastenerhalter, o Fiinffeuerhafter, Dreinaciketahafter, Behalter der sechs Vedanga's, Morgenhchthed-, Bestliedsanger, Sang- geliibdehalter, du bist die Atharvagirasupanishad, o du der fiinf grofsen Lehrbiicher Inbegriff, Lehrer der Wasserschaum- trinker, Valakhilya, Vaikhanasa, Yogabestandiger, Reflexions- bestandiger, der Weltalter Anfang, Mitte und Ende, Akhandala, Pracinagarbha , Kaugika, Vielgepriesener , Vielangerufener, AUschopfer, Allgestal tiger, Unendlichstrebender, UnendHch- geniefsender , UnendHcher, ohne Anfang, ohne Mitte, ver- borgener Mitte, verborgenen Endes, Geliibdestatte, Ozean- bewohnender, Glanzstatte, Askesestatte , Bezahmungsstatte, Schonheitsstatte, Ruhmstatte, Gliicksstatte, Allstatte, o Vasu- deva, AUgewinner, Falbrossiger, Falbrofsopferer, Grofsopfer- anteilrauber , Gabenspender, Lustspender, Reichtumspender, Falbrofsopferer, Zwang, Selbstzwang, Grofszwang, Geplagter,

Beussek, Mah&bb&.ratani. 49

770 in. Mokshadharma.

Zerplagter, Sehrgeplagter , Allgeplagter , Selbstzwangtrager, Fehltrittfreier, Lernfleif siger , Prignileibentsprungener , Veda- werkeifriger, Ungeborener , Allziel, Allschauer, Unfafsbarer, Unerschiitterlicher, Grof sentfalteter, Grofsheitverkorperter, Lau- terung, Grofslauterung, Goldener, Grorser, Vermutbarer, Un- erkennbarer, Brahmanenerster, Wesensschopfer, Wesenver- nichter, Grofsblendwerktrager, Citragikhandin, Gabenspender, Gpferkuchenanteilnehmer, Festlichgefeierter, Durstfreier, Zwei- felfreier, Allwartsgewandter, Ungestalteter, Brahmanengestal- teter, Brahmanenfreund, Allgestaltiger, Grofsgestaltiger, Ver- wandter, Verehrerfreund , o heiliger Gott, dich verehre ich, dich begehre ich zu schauen, dem einzigen Anblick Ver- ehrung, Verehrung!

So lautet im Mokshadharma der Preis des grofsen Purusha (Mahdpurusha - stava).

Adhyaya 341 (B. 339).

Vers 12865-13006 (B. 1-141).

Bhlshma sprach:

1. (12865.) Als der heilige Gott auf diese Weise mit seinen geheimnisvoUen und wahrhaften Namen gepriesen worden war, liefs der AUgestaltige sich vor dem weisen Narada sehen.

2. (12866.) Einerseits war der Herr reiner als der Mond an Glanz, anderseits war er mit dem Monde gar nicht zu vergleichen, teils glich er dem Feuer an Aussehen, teils dem Feueraltar an Gestalt,

3. (12867.) teils dem Gefieder des Papageien, teils einem Bergkristall , hier wie schwarze Augensalbe, dort wie Gold glanzend,

4 (12868.) stellenweise glich er einem Korallenzweige, und wiederum erschien er weifsfarbig, hier glanzte er wie Gold- farbe, dort ahnelte er dem Beryllstein,

5. (12869.) dann wieder schillerte er wie schwarzer Beryll und stellenweise wie ein Smaragd, teils war sein Aussehen dem Hals des Pfauen, teils einer Perlenschnur gleich.

Adhyaya 341 (B. 339). 771

6. (12870.) Diese mannigfachen Farben trug an seinem Aufsern der Ewige ; tausendaugig war der Selige, mit hundert Hauptern, tausend Fiifsen,

7. (12 871.) tausend Bauchen und Armen und stellenweise wieder unsichtbar. Aus seinem Munde strorate der Omlaut, und ihm folgte die Savitri;

8. (12872.) aus seinen iibrigen Miindern liefs er die vier Veden in ihrer Fiille ausgehen und sang, der Gott, das Aranyakam, er, der gewaltige Hari Narayana.

9. (12873.) Ein Opferbett, ein Wasserkrug und weifse Edel- steine, ein Schuhepaar und Kugagras, Antilopenfell und hol- zerner Stab und dazu loderndes Feuer,

10. (12874.) das alles wurde von dem Gottherrn als Herrn des Opfers in seinen Handen getragen. Da begann Narada, der Beste der Zwiegeborenen, mit ruhigem Geiste den Heitern

11. (12875.) zu verehren, den hochsten Gott, schweigend und vor ihm geneigt. Zu ihm, der sein Haupt neigte, sprach der ewige Urvater der Gotter.

Der Heilige sprach:

12. (12 876.) Ekata, Dvita und Trita, die drei grofsen Wesen, kamen einst in dieses Land mit dem Verlangen, mich zu schauen.

13. (12877.) Aber sie bekamen mich nicht zu sehen, und keiner wird mich zu sehen bekommen aufser dem, weloher mir vor alien anderen Verehrern ergeben ist, du aber bist mir mehr zugetan [uttamah mit C.) als alle anderen.

14. (12878.) Jene meine hochsten [vier] Erscheinungs- formen wurden in dem Hause des Dharma geboren [oben, Vers 12 657 fg.], die mogest du immerfort verehren; ziehe hin, wie du gekommen bist.

15. (12 879.) Aber, o Brahmane, wahle noch eine Gabe, die du von mir zu erlangen wiinschest, ich, der Allgestaltige, Ewige, wie ich heute hier vor dir stehe, bin dir gnadig gesinnt.

Narada sprach :

16. (12880.) Heute habe ich die Frucht meiner Askese, meiner Bezwingung und Selbstbezwingung erlangt, da du, o Heiliger, dich von mir hast sehen lassen.

49*

772 III. Mokshadharma.

17. (12881.) All mein Leben ist es nur mein Wunsch ge- wesen, dich, den Ewigen, zu schauen, o Heiliger, den All- schauenden, den Lowen, den allgestaltigen grofsen Gebieter.

Bhishma sprach:

18. (12882.) Nachdem er sich in dieser Weise vor dem Narada Parameshthin gezeigt hatte, sprach er weiter das Wort : Mache dich auf, Narada, und zogere nicht.

19. (12883.) Denn diese meine wie der Mond glanzenden Verehrer hier, welche ohne Sinnesorgane und ohne Nahrung leben, konnten voll einziger Hingebung ihre Gedanken auf mich richten, und ich mochte nicht, dafs sie dabei auf ein Hindernis stiefsen.

20. (12 884.) Von jeher waren sie vollendet, gliickselig und mir einzig ergeben, und frei von Tamas und Rajas, werden sie gewifslich zu mir eingehen.

21. (12 885.) Er, der nicht zu sehen ist mit dem Auge, nicht zu betasten durch Beriihrung, nicht zu riechen durch den Geruch und auch dem Geschmack unerreichbar,

22. (12886.) dem die Guna's, Sattvam, Rajas und Tamas nicht anhaften, der da als allgegenwartiger Zuschauer und Weltatman gepriesen wird,

23. (12 887.) der nicht vergeht, wenn die Korper der Wesens- scharen vergehen, der Ungeborene, Ewige, Unvergangliche, Gunalose, Unteilbare,

24. (12888.) welcher iiber die zweimal zwolf Prinzipien hinaus als der Fiinfundzwanzigste geriihmt wird als taten- loser, nur durch die Erkenntnis zu schauender Purusha,

25. (12889.) in welchen eingehend die Besten der Zwie- geborenen hienieden zur Erlosung gelangen, der bin ich, als Vasudeva zu erkennen, als der ewige, hochste Atman.

26. (12890.) Schaue, o Narada, die Grofse und Majestat dieses Gottes, der niemals durch gute oder bose Werke be- fleckt wird.

27. (12 891.) Sattvam, Rajas und Tamas nennt man Guna's (Faktoren, Konstituenten), weil sie in alien Korpern vorhanden sind und sich betatigen.

Adhyaya 341 (B. 339). 773

28. (12892.) Diese Guna's geniefst der Kshetrajfia, wird. aber nicht von ihnen genossen, der Gunalose, Gunageniefsende, Gunaschopfer, Gunabeherrscher.

29. (12893.) Die Erde, dieser Standort der Lebewelt, o Gotter-Rishi, zergeht im Wasser, das Wasser im Feuer, das Feuer im Winde,

30. (12894.) der Wind zergeht im Ather, der Ather im Manas, das Manas als hochstes Element zergeht im Un- entfalteten,

31. (12895.) das Unentfaltete, o Brahmane, zergeht im tat- losen Purusha, iiber ihm gibt es keinen Hohern, iiber dem ewigen Purusha.

32. (12 896.) Denn kein Wesen in der Welt, sei es beweg- lich oder unbeweglich, gibt es, welches ewig ware, aufser jenem einen Purusha, dem ewigen Vasudeva.

33. (12897.) Denn der hochgewaltige Vasudeva ist die Seele aller Wesen. Erde, Wind, Ather, Wasser und Feuer als fiinftes,

34. (12898.) diese hohen Wesenheiten bilden in ihrer Ver- einigung das, was man den Leib nennt. Sodann geht in diesen ein, o Brahmane, leichten Schrittes der Unsichtbare,

35. (12899.) und nachdem er geboren, ist er es, der den Leib bewegt. Freilich kann es keinen Leib geben ohne das Aggregat der Elemente,

36. (12900.) aber ohne den Jiva (die individuelle Seele), o Brahmane, konnten die Winde [die fiinf Prana's] den Leib nicht bewegen. Dieser Jiva wird [nach Krishna's alterm Bruder Balarama] Qesha oder Sankarshana genannt.

37. (12901.) Von ihm stammt er, welcher durch seine Werke es erlangte, eine Inkarnation von Sanatkumara zu sein (vgl. Mhbh. I, 67,52 = I, 2786), und dieser, in welchem alle Ele- mente zergehen und zunichte werden (oben. Vers 12894),

38. (12902.) der wird als das Manas in alien Wesen [nach Krishna's Sohn] Pradyumna genannt. Aus ihm ist der ent- sprungen, welcher Tater, Ursache und Wirkung ist;

39. (12 903.) dieser, aus welchem die ganze Welt des Be- weglichen und Unbeweglichen hervorgeht, wird [nach Krishna's Enkel] Aniruddha, der in alien Werken entfaltete Gott, genannt.

774 HI. Mokshadharma.

40. (12 904.) Also der heilige Vasudeva, der seinem Wesen nach gunalose Kshetrajna, der, o Fiirst der Konige, ist zu wissen als der Jiva, als der machtige Saiikarshana.

41. (12 905.) Von Saiikarshana stammt der Pradyumna Ge- nannte, welcher das Manas ist, und von Pradyumna stammt Aniruddha, und dieser Gott ist der Ahaiikara.

42. (12 906.) Aus mir, o Narada, entspringt die ganze Welt, das Unbewegliche und Bewegliche, das Unvergangliche und Vergangliche, das Seiende und Nichtseiende.

43. (12 907.) Zu mir eingehend, werden hienieden erlost die, welctie mir ergeben sind, denn ich bin zu wissen als der Purusha, der Tatenlose, der Fiinfundzwanzigste,

44. (12 908.) der von Guna's und Teilen Freie, iiber Gegen- satze und Anhangendes Erhabene. Aber das bleibt fiir dich unerkennbar und wird nur als Erscheinung gesehen.

45. (12909.) Wenn ich wollte, so konnte ich augenblick- lich verschwinden, denn ich bin Herr und Meister der Welt; nur als ein Scheinbild fmdydj habe ich geschaffen, was du von mir siehst, o Narada.

46. (12 910.) Sofern ich die Eigenschaften aller Wesen an mir trage, kannst du mich nicht erkennen, aber die Vierheit meiner Erscheinungen habe ich deutlich erklart.

47. (12911.) Ich bin es, der der Jiva heifst, in mir ist der Jiva beschlossen, aber dein Verstandnis reichte nicht aus, um sagen zu konnen: Ich habe den Jiva gesehen.

48. (12912.) Ich bin allgegenwartig, o Brahmane, bin in der Schar der Wesen die innere Seele, ich vergehe nicht, wenn die Korper der Wesensscharen vergehen.

49. (12913.) Jene gliickseligen, vollendeten Manner freilich waren mir einzig ergeben, und sie, o Muni, werden, frei von Tamas und Rajas, zu mir eingehen.

50. (12 914.) Hiranyagarbha, der Weltanfang, der mit seinen vier Angesichtern in dem Unaussprechlichen \anirukta, vgl. Taitt. Up. 2,4 Anfang] weilende Gott Brahman, dieser ewige Gott iiberdenkt [als mein Intellekt] meine mannigfachen Zwecke;

51. (12915.) aus meiner Stirn, aus meinem Zorne ist Gott Rudra hervorgegangen ; siehe, wie die elf Rudra's in meiner rechten Seite

Adhyaya 341 (B. 339). 775

52. (12 916.) und die zwolf Aditya's in meiner linken Seite wohnen, siehe, wie ich vorn an mir trage die acht Vasu's, die Hochsten der Gotter,

53. (12917.) wie Nasatya und Dasra, die Gotterarzte, meinen Riicken bilden, siehe in mir alle Schopferherren und alle Eishi's,

54. (12 918.) die Veden und die Opfer Iiundertfach nebst dem Amritatranke und den Krautern, siehe in mir die Askesen, Selbstbezahmungen und die einzelnen Zuchtiibungen,

55. (12 919.) die achtfache Gottherrlichkeit [der acht Siddhi's] gestalthaft in mir, dem Einen, weilen, ferner Gliick, Schon- heit und Ruhm und die Erde mit ihren Berggipfeln,

56. (12920.) siehe in mir wohnen Sarasvati, die Mutter der Veden, und den im Ather weilenden Polarstern, den Besten der Sterne,

57. (12 921.) die wasserreichen Ozeane, Seen und Fliisse und die vier Klassen von Manen (vgl. oben, Vers 965o) ver- korpert [murtimantah als Ace!) in mir

58. (12922.) und jene drei gestaltlosen Guna's, wie sie in mir wohnen. Wenn auch von dem Opfer an die Gotter das Opfer an die Manen verschieden ist, o Muni,

59. (12923.) so bin ich doch von Uranfang her der einzige Vater der Gotter wie der Manen. Ich, zu dem Rofshaupte geworden in dem nordwesthchen Ozean,

60. (12 924.) trinke das wohldargebrachte Gotteropfer und das mit Glauben gespendete Manenopfer. Von mir ist vor- dem Gott Brahman geschaffen worden, und mir zu Ehren hat er selbst ein Opfer geopfert.

61. (12925.) Und iiber dasselbe erfreut, verheh ich ihm herrhche Gaben, namHch dafs er am Anfang der Weltperiode mein Sohn und der Aufseher der Welt,

62. (12 926.) sowie auch zum Ahahkara [dem Prinzip der Individuation] wurde, so dafs dieses Wort synonym mit Brahman ist, und ich sprach zu ihm: „Die von dir gesetzten [individuellen] Schranken soil niemand je iiber schreiten,

63. (12927.) und du, o Brahman, sollst der Gabenspender aller um Gaben Flehenden sein. Von Gottern, Damonen und Eishi's, 0 Askesereicher,

776 III. Mokshadharma.

64. (12 928.) sowie von den Vatern, o Machtiger, allezeit Geliibdefester , und von den mannigfaltigen Wesen sollst du Verehrung geniefsen."

65. (12 929.) „Und ich [so erwiderte er mir] will allezeit beim Opfer an die Gotter ein offener Bekenner des Bhagavan sein; dir, o Heiliger, will ich gehorsam sein und von dir mich lenken lassen wie ein Sohn."

66. (12 930.) Diese und andere glanzende Gaben verlieh ich dem unermefslich kraftvollen Gott Brahman und zog mich freudig in die Passivitat fnivrittij zuriick.

67. (12 931.) Denn als Ausloschung fnirvdnamj aller Pflich- ten ist die Passivitat das Hochste, daher, wer sich der Pas- sivitat ergibt, als ein durch und durch Beseligter fnirvrita) dahinwandelt.

68. (12 932.) Als den mit dem Wissen erfiillten, in der Sonne weilenden, gesammelten Kapila bezeichnen ihn die in der Sahkhyalehre festen Meister,

69. (12 933.) als der heilige Hiranyagarbha wird er im Veda gepriesen (vgl. (^vet. Up. 5,2). Ich bin es, der am Yoga sich freut, 0 Brahmane, und der in den Yogalehrbiichern [als Igvara] gefeiert wird.

70. (12934.) Ich bin es, der zur Entfaltung gelangt und doch ewig im Himmel beharrt, der am Ende von tausend Weltaltern die Welt wiederum in sich hereinraffen wird.

71. (12 935.) Und nachdem ich alle Wesen, die beweglichen und unbeweglichen , in mein Selbst zuriickgenommen habe, werde ich als der allein mit meinem Wissen Fortbestehende die Welt wiederum ausbreiten.

72. (12 936.) Alsdann werde ich die ganze Welt wiederum durch mein Wissen erschaffen. Was aber in mir die vierte Gestalt [Vasudeva] ist, die schuf den unverganglichen ^esha,

73. (12 937.) denn er ist es, welcher Sahkarshana genannt wird, und dieser erzeugte den Pradyumna, und aus Pradyumna ging ich hervor als Aniruddha, immer wieder und wieder als meine Schopfung.

74. (12 938.) Aus Aniruddha entspringt weiter Gott Brahman, indem er aus dem in dessen Nabel wurzelnden Lotos hervor-

Adhy^ya 341 (B. 339). 777

tritt, aus Gott Brahman endlich entstehen alle Wesen, die beweglichen und die unbeweglichen.

75. (12939.) Das, wisse, ist die Schopfung, welche immer wieder und wieder zu Anfang eines Kalpa erfolgt, wie Auf- gang und Untergang der Sonne im Himmelsraume.

76. (12 940.) Denn wenn die Zeit um ist, dann wird er, der unermefslich Glanzende, durch seine Kraft, dann werde ich durch meine Kraft zum Heile aller Wesen die Erde,

77. (12 941.) die in alien ihren Teilen von Wesen erfiillte, die ozeanumgiirtete, nachdem sie versunken war, wieder zu ihrer Stelle emporwiihlen, indem ich die Gestalt des Ebers annehme.

78. (12 942.) Weiter werde ich den auf seine Kraft stolzen Daityafiirsten Hiranyaksha toten, und wiederum werde ich, die Gestalt eines Mannlowen annehmend, den Hiranyaka<?ipu,

79. (12 943.) den opferstorenden Ditisprofs, den Gottern zuliehe zerreifsen. Ferner wird als Sohn des Virocana ein grofser Damon, der gewaltige Bali,

80. (12944.) uniiberwindlich fiir alle Wei ten, Gotter, Da- monen und Kobolde, gehoren werden, und dieser wird den Qakra (Indra) vom Throne stiirzen.

81. (12 945.) Dann wird der Gatte der Qaci dariiber nieder- geschlagen sein, dafs ihm die Dreiwelt von jenem geraubt wurde; ich aber werde von Kagyapa in der Gottin Aditi als zwolfter Aditya (Aditisohn) erzeugt werden.

82. (12 946.) Dann werde ich dem unermefslichen (^akra sein Reich wiedergeben und auch die Gotter in ihre Stellungen wieder einsetzen, o Narada;

83. (12 947.) den Bali aber werde ich zu einem Bewohner der Unterwelt machen, ihn, den vorziiglichen Bali, den von alien Gottern unbesiegbaren Danava.

84. (12 948.) Weiter werde ich im Tretazeitalter als ein Sprofs der Familie des Bhrigu geboren werden als Rama [Paragurama, Sohn des Jamadagni] und die Kshatriya's mit ihren machtigen Heeren und Wagen ausrotten.

85. (12 949.) Sodann aber werde ich, wenn die Dammerungs- zeit zwischen den Zeitaltern Treta und Dvapara eingetreten sein wird, als der Weltherr Rama, der Sohn der Dagaratha, geboren werden.

778 ni. Mokshadharma.

86. (12 950.) Dann werden Ekata und Dvita wegen derMifs- handlung des Trita in einer Mifsgestalt als Affen wiedergeboren worden sein, sie, die beiden Kishi's und Sohne des Prajapati,

87. (12 951.) und die von ihnen geborenen Nachkommen werden als machtige, mannhafte, dem Qakra an Tapferkeit gleiche Affen leben.

88. (12 952.) Diese werden in meinem Kampfe fiir die Gotter meine Gehilfen sein, o Zwiegeborener ; dann werde ich den furchtbaren Oberherrn der Kobolde, den Schandfleck der Fa- milie des Pulastya,

89. (12 953.) den scheufslichen Ravana, diesen Dorn der Welt, mit seiner ganzen Bande ausreifsen. Wenn dann weiter die Dammerung zwischen dem Zeitalter Dvapara und Kali zu Ende geht,

90. (12 954.) wird zur Vernichtung des Kansa meine Ge- burt in Mathura stattfmden. Dort werde ich viele Danava's, die ein Dorn fiir die Gotter waren, toten.

91. (12 955.) Dann werde ich KuQasthali als die Stadt Dvaraka zu meinem Wohnsitze machen, und in dieser Stadt wohnend, werde ich den Beleidiger der Aditi,

92. (12 956.) den erdgeborenen Naraka sowie auch Muru und den Damonen Pitha toten, und ihre mit vielen Kostbar- keiten angefiillte herrliche Stadt Pragjyotisham

93. (12 957.) nach Kugasthali verpflanzen, nachdem ich den obersten Damon niedergeschlagen habe. Weiter werde ich MaheQvara (C'iva) und Mahasena (Skanda), welche aus Wohl- wollen fiir den Bana

94. (12 958.) sich gegen mich erhoben hatten, diese beiden von aller Welt verehrten Gottheiten besiegen und dann den tausendarmigen Bana, den Sohn des Bali, iiberwinden.

95. (12 959.) Darauf werde ich alle Bewohner von Saubha [der Luftstadt] vernichten. Was ferner den beriihmten, mit der Kraft des Garga [seines Vaters] ausgeriisteten Kalaya- vana betrifft,

96. (12 960.) so wird auch dessen Vernichtung auf meine Veranlassung erfolgen, o Bester der Zwiegeborenen. Ferner wird da der machtige, viele Konige in Gefangenschaft haltende Jarasandha,

Adhyaya 341 (B. 339). 779

97. (12961.) der Damon, als iibermiitiger Erdbeherrscher in Girivraja wohnen, und durch den Anschlag meines Geistes wird seine Totung [durch Bhima] erfolgen.

98. (12 9G2.) Auch werde ich den (^iqupala toten beim Opfer des Dharmasohnes (Yudhishthira), bei dem alle mach- tigen Konige der Erde versammelt sein werden.

99. (12 963.) Nur [Arjuna], der Sohn des Vasava (Indra), allein wird mein trefflicher Heifer dabei sein, den Yudhishthira aber mitsamt seinen Briidern werde ich in seiner Herrschaft befestigen,

100. (12 964.) Dann werden die Leute sagen: die Helden Nara und Narayana, die Gottherren, haben sich erhoben und verderben die Kshatriya's zum Besten der "Welt!

101. (12 965.) Nachdem ich die Erde in erwiinschter Weise von dieser Last befreit haben werde, werde ich iiber alle Vor- nehmsten der Satvata's [der Leute des Krishna] und auch iiber die Stadt Dvaraka, o Bester,

102. (12 966.) eine furchtbare Vernichtung hereinbrechen lassen, indem ich mich in die Erkenntnis des Atman ver- senke. So werde ich, nachdem ich als Trager der vier Ge- stalten unermefsliche Taten

103. (12967.) vollbracht haben werde, in meine eigenen, von Brahman bereiteten Welten eingehen, Hansa [Schwan, hier wohl Brahman als Erstgeborener der Schopfung, vgl. oben, Adhy. 301, S. 587 fg.], o Bester der Zwiegeborenen, Schildkrote, Fisch,

104. (12968.) Eber, Mannlowe, Zwerg und [Paragu-] Rama, Rama, Sohn des Dagaratha, Satvatafiirst (Krishna) und Kalki [sind meine Verkorperungen]

105. (12 969.) eingehen, wenn die Vedaiiberlieferung ver- loren und von mir wieder in mich zuriickgenommen sein wird, wenn meine mitsamt den Veden und alien heiligen Schriften vormals im Kritazeitalter erfolgten Verkorperungen

106. (12 970.) verschwunden sein und nur noch hier und da in alten Erzahlungen erwahnt werden mogen, wenn jene meine zahlreichen hochsten Verkorperungen verschwunden

107. (12971.) und, nachdem sie ihre Aufgabe in der Welt erfiillt haben, wieder zu ihrem Ursprung zuriickgekehrt sein

780 ni. Mokshadharma.

werden. Wahrlich, ein solches Schauen meiner Wesenfieit ist nie einem Brahmanen zuteil geworden,

108. (12 972.) wie es dir heute gewahrt wurde, weil dein Oeist nur auf mich allein gerichtet war. Dies ist dir alles von mir erzahlt worden, o Brahmane, um deiner Liebe willen zu mir,

109. (12973.) das Vergangene und Zukiinftige mit seinen Geheimnissen, o Bester.

Bhishma sprach: (12 974.) Nachdem der heilige, allgestaltige, ewige Gott in dieser Weise

110. diese ganze Kede gesprochen hatte, verschwand er ebendaselbst. (12975.) Der glanzvolle Narada aber, nach Er- langung der ersehnten Gnade

111. eilte zur Einsiedelei Badari (oben, Vers 12659), um den Nara und Narayana zu besuchen. (12 976.) Und diese hochst geheimnisvolle, mit den vierVeden inEinklang stehende,

112. mittels Saiikhya-Yoga gemachte, von ihm Pan- caratram benannte (12977.) und aus dem Munde des Narayana ausgestromte Lehre verkiindigte Narada weiter

113. in der Wohnung des Gottes Brahman, o Freund, entsprechend dem, was er geschaut und vernommen hatte.

Yudhishthira sprach: (12978.) Diese wunderbare Herrlichkeit jenes Weisen [des Gottes Narayana],

114. war diese dem Gotte Brahman unbekannt, so dafs er sie erst von Narada horen mufste? (12979.) Der heihge Ur- vater ist doch von jenem Gotte gar nicht verschieden,

115. wie soUte er da die Herrlichkeit des unermefsHch Kraftigen nicht kennen?

Bhishma sprach: (12 980.) Hunderte und Tausende von Weltperioden

116. sind schon verstrichen, o Fiirst der Konige, mit ihren Schopfungen und Vernichtungen. (i2 98i.) Gott Brahman ist es, welcher am Anfang der Schopfung die Erschaffung der Geschopfe bewirkt.

Adhyaya 341 (B. 339). 781

117. Gewifs kennt er den Vorziiglichsten der Gotter, o Konig, der, noch weit iiber ihn selbst erhaben, (12982.) der hochste Atman, Gottherr und sein eigener Urheber ist.

118. Aber den anderen in der Brahmanwohnung ver- sammelten Scharen der VoUendeten, (12983.) denen verkiindigte Narada dieses mit dem Veda iibereinstimmende Puranam.

119. Von diesen im Geiste Bereiteten hat es Surya (der Sonnengott) vernommen, (12934.) und dieser, o Konig, hat es sodann seinen Anhangern mitgeteilt.

120. Denn den sechsundsechzigtausend im Geiste be- reiteten Rishi's, (12 985.) welche als Begleiter des welterleuch- tenden Surya erschaffen worden waren,

121. alien diesen Bereiteten hat es der Sonnengott mit- geteilt. (12 986.) Und von diesen hochsinnigen, das Gefolge des Surya bildenden Rishi's, o Freund,

122. wurde dieses AUerhochste den auf dem Meru ver- sammelten Gottern vorgetragen. (12987.) Von den Gottern hat es der Brahmane Asita vernommen,

123. und dieser beste Muni hat es unseren Vorfahren mit- geteilt, (12988.) mir hat es mein Vater (^antanu mitgeteilt,

124. und ich, der ich es von ihm vernommen, habe es dir erzahlt, 0 Bharata. (12989.) Alle Gotter aber oder Muni's, welche dieses Paranam gehort haben,

125. alle diese verehren den hochsten Atman allerwarts. (12 990.) Diese dem Veda gleichkommende Erzahlung, wie wir sie, 0 Fiirst, durch Uberlieferung iiberkommen haben,

126. darfst du unter keinen Umstanden einem mitteilen, der nicht dem Vasudeva ergeben ist. (12991.) Aus alien den Hunderten von anderen Geschichten,

127. welche du von mir gehort hast, ist diese Geschichte als Quintessenz herausgezogen worden. (12992.) Und wie von Gottern und Damonen einstens das Amritam durch Quirlung herausgeholt wurde,

128. so wurde das Amritam dieser Erzahlung einstmals von Brahmanen herausgeholt. (12993.) Wer aber immerfort diese Geschichte rezitiert oder anhort,

129. mit einziger Liebe [dem Narayana] ergeben, ge- sammelt und in Gemeinschaft mit solchen, die ihm ergeben

782 ni. Mokshadharma.

sind, (12994.). der wird zu der grorsen weifsen Insel gelangen, zu einem jener mondglanzenden Manner werden

130. und zu dem tausendstrahligen Gott eingehen, daran ist kein Zweifel. (12995.) Der Leidende wird von seiner Krank- heit befreit, wenn er diese Geschichte von Anfang an gehort hat,

131. der Wifsbegierige erlangt, was er wiinscht, und der Fromme geht den Weg der Frommen. (12996.) Und auch du, o Konig, mogest immer fort und fort den hochsten Purusha preisen,

132. denn er ist Vater, Mutter und Lehrer der ganzen Welt, (12 997.) ihm hange in Liebe an, dem brahmanhaften, heiligen, ewigen Gotte,

133. dem hochweisen Heimsucher der Menschen, 0 Yudhishthira , du mit den grofsen Armen!

VaiQamp^yana sprach: (12 998.) Nachdem der gerechte Fiirst (Yudhishthira), o Ja- namejaya, diese vorziigliche Erzahlung gehort hatte,

134. da wurden er und seine Briider alle treue Anhanger des Narayana (12999.) und sprachen, 0 Bharata: „Dieser heilige Purusha hat den Sieg davongetragen ! "

135. Er aber, welcher, allezeit dem Murmeln ergeben und die heilige Rede iibend, (isooo.) unser bester Lehrer ist, der Weise Krishna Dvaipayana,

136. liefs die hochste Murmelung ertonen zum Lobe des Narayana, (13001.) stieg ungesaumt aus dem Ather zu dem Milchmeere, dem Behalter des Amritam, herab,

137. zollte dem Gottherrn seine Verehrung und begab sich wieder zu seiner Einsiedelei.

Bhishma sprach: (13002.) Alles dieses ist dir mitgeteilt worden, das von Narada Ausgesprochene und von mir Wieder erzahlte,

138. wie es von Geschlecht zu Geschlecht iiberliefert und von meinem Vater erzahlt worden ist.

Sauti sprach: (13003.) Das alles habe ich euch erzahlt, wie es von Vai- ^ampayana vorgetragen wurde.

Adhyaya 341 (B. 339). 783

139. Janamejaya aber, als er es von ihm gehort hatte, verfuhr ganz dieser Vorschrift gemafs. (13004.) Ihr aber alle, ihr Askesereichen, Geliibdetreuen,

140. die ihr alle als vorziigliche Vedakenner den Nai- mishawald bewohnt (i3005.) und als vorziigliche Brahmanen zu dem grofsen Opferfeste -des Qaunaka euch versammelt habt,

141. ihr sollt mit euren wohlausgefiihrten Opfern den ewigen, hochsten Herrn verehren. (i3 006.) Dies von Geschlecht zu Geschlecht Uberlieferte ist mir von dem Vater [Vai<?am- payana] vordem erzahlt worden.

So lautet im Mokshadbarma die G-eschichte vom Nar^yana (Ndrdyaniyam).

Adhyaya 343 (B. 340).

Vers 13007-13128 (B. 1-119).

^aunaka sprach:

1. (13007.) Wie kommt es, dafs jener heilige Gott [Na- rayana], der doch bei den Opfern als Herr den ersten Anteil nimmt, der bestandig das Opfer aufrecht halt und Veda's nebst Vedanga's kennt,

2. (13008.) dafs dieser Herr der Bhagavata's zugleich voll Geduld der Satzung der Passivitat (nivrittij huldigte und selbst die Satzungen der Passivitat vorgeschrieben hat, er, der heilige Herr?

3. (13009.) Und wie konnte er die Gotter darin bestarken, als des Opferanteils wiirdige bei den Satzungen der Aktivitat fpravrittij zu verharren, wahrend er andere veranlafst, mit weltabgekehrtem Sinne der Passivitat zu huldigen?

4. (13 010.) Diesen tiefgreifenden bestandigen Z weifel mogest du uns, o Sauti, losen, denn von dir sind ja die auf die Satzungen bezuglichen Narayana - Geschichten vernommen worden.

Sauti sprach:

5. (13011.) Ich will dir, o Bester der (^aunaka's, erzahlen, woriiber ehedem [Vaigampayana] der Schiller des weisen Vyasa vom Konige Janamejaya befragt wurde.

784 in. Mokshadharma.

6. (13012.) Nachdem er von der Herrlichkeit des in den Verkorperten weilenden hochsten Atman vernommen hatte, sprach der sehr verstandige Janamejaya zu Vaigampayana.

Janamejaya sprach :

7. (13013.) Alle Wei ten mit Gott Brahman, Gottern, Da- monen und Menschen hangen offenbar allenthalben an den Opferwerken, well sie Gliick versprechen.

8. (13014.) 0 Brahmane, du hast erklart, dafs die Eriosung als ein Erioschen (nirvdnam) die hochste Sehgkeit sei, und wir haben gehort, dafs diejenigen, welche hienieden erlost und von Gutem und Bosem frei geworden sind,

9. (13015.) zu dem tausendstrahhgen Gotte schon hienieden eingehen werden. Das ist die ewige, schwer zu befolgende Erlosungssatzung,

10. (13 016.) und diese ist von den Gottern verlassen worden, um Gotter- und Manenopfer zu geniefsen. Wie ist es aber moghch, dafs Brahman, Rudra und der balatotende, mach- tige Qakra,

11. (13017.) dafs der Sonnengott, der Sternenherr, Vayu, Agni und Varuna, der Ather und die beiden Welten und alle iibrigen Himmelsbewohner

12. (13018.) nicht die ihnen bevorstehende Vernichtung voraussehen und daher nicht den festen, unverganglichen, ewigen Weg [der Eriosung] betreten,

13. (13 019.) sondern innerhalb der durch das Gesetz eng gezogenen Zeitschranken der Aktivitat frohnen? Grofs ist in der Tat bei der Beschranktheit der Zeit der Irrtum derer, welche den Werken huldigen.

14. (13020.) Diesen Zweifel, o Brahmane, der mir wie ein Stachel im Herzen sitzt, lose mir durch Mitteilung der Erzahlungen dariiber, denn ich trage danach grofses Ver- langen.

15. (13021.) Wie konnen, o Zwiegeborener, die Gotter bei den Opfern als Nehmer eines Anteils gel ten, und welchen Zweck hat es, dafs die Bewohner der drei Himmel, o Brah- mane, bei der heiligen Feier verehrt werden?

Adhy^ya 342 (B. 340). 785

16. (13022.) Und sie [die Goiter], die bei den Opfern ihren Anteil dahinnehmen, o Bester der Zwiegeborenen, wenn diese grofse Opfer darbringen, wem geben denn sie einen Anteil daran ?

Vaigarapayana sprach :

17. (13023.) Ei! das ist eine geheimnisvolle Sache, nach der du mich fragst, o Mannerfiirst , und keinem, der nicht Askese geiibt, den Veda studiert hat

18. (13024.) und mit den Purana's bekannt ist, kann sie ohne weiteres mitgeteilt werden. Wohlan denn, ich will dir erzahlen, welche Frage ich einst meinem Lehrer vorlegte,

19. (13 025.) dem grofsen Weisen Krishna Dvaipayana, dem Vyasa, der auch Vedavyasa (Vedaordner) genannt wird. Da waren namlich Sumantu, Jaimini, der geliibdefeste Paila,

20. (13026.) dazu ich als vierter Schuler und zu fiinft Quka (oben. Vers 12337 fg.). Allen diesen um ihn gescharten fiinf Schiilern, die bezahmt,

21. (13027.) von reinem Wandel, des Zornes und der Sinne Meister waren, lehrte er die [vier] Veden und das Mahabha- ratam als fiinften [vgl. Chand. Up. 7,1,4].

22. (13 028.) Als diese auf dem lieblichen, von Vollendeten und himmlischen Sangern bewohnten vortrefflichen Berg Meru den Veda trieben, entstand bei ihnen einstmals ein Zweifel.

23. (13029.) Es war derselbe, wegen dessen du fragst, der von Vyasa mit seinen Schiilern besprochen wurde; auch ich horte ihn das dariiber sagen, was ich dir heute mitteilen werde, 0 Bharata.

24. (13030.) Damals an twortete auf die Rede seiner Schuler der alle Verdunkelung des Wissens verscheuchende Sohn des Paragara, der gliickselige Vyasa, folgendermafsen :

25. (13031.) Grofse, furchtbare Askese ist von mir geiibt worden, um das Vergangene, Gegenwartige und Zukiinftige zu erkennen, o ihr Besten.

26. (13032.) Als ich diese Askese geiibt und meine Sinne iiberwunden hatte, wurde mir durch die Gnade des Narayana am Gestade des Milchmeeres

27. (13033.) dieses die drei Zeiten umfassende Wissen offenbart, nach dem ich Verlangen getragen hatte. Das hort

Deubsek, Mahd,bh^Tatani. 50

786 in. Mokshadharma.

von mir, ich will euren grofsen Zweifel aufklaren, wie es sich geziemt.

28. (13034.) Denn mit dem Auge der Erkenntnis habe ich es geschaut, wie es sich am Anfange der gegenwartigen Weltperiode begeben hat. Er, den die Kenner des Sankhyam und Yoga als den hochsten Atman bezeichnen,

29. (13035.) der legt sich auf Grund seiner Taten den Namen des hochsten Purusha bei. Von ihm wurde das Un- entfaltete erzeugt, welches die Weisen als das Pradhanam (die Prakriti) kennen,

30. (13036.) Aus dem Unentfalteten ist auf Veranlassung des t(?vara zum Zwecke der Weltschopfung das Entfaltete hervorgegangen, namlich Aniruddha, welcher in der Welt be- kannt ist als der Mahan Atma (das grofse Selbst).

31. (13037.) Dieser, indem er, in eine [weitere] Entfaltung eingehend, den Urvater schuf, wird [als solcher] der Ahan- kara genannt, denn dieser ist mit alien Kraften ausgestattet.

32. (13038.) Aus dem Ahaiikara sind fiinffach die grofsen Elemente, Erde, Wind, Ather, Wasser und Feuer als fiinftes hervorgegangen.

33. (13039.) Und nachdem er die grofsen Elemente hervor- gebracht hatte, schuf er weiter die entsprechenden Guna's [die Vigesha's, ihre spezifischen Qualitaten]; zugleich aber gingen aus den Elementen hervor gestalthafte Wesenheiten, hore, welche es sind:

34. (13040.) Marici, Angiras, Atri, Pulastya, Pulaha, Kratu, der hochsinnige Vasishtha und Manu Svayambhuva.

35. (13041.) Diese sind zu wissen als acht schopferische Wesenheiten, in welchen die Welten begriindet sind. Als mit Veda und Vedahga ausgeriistet, als mit Opfer und Opfer- zubehor versehen,

36. (13042.) hat sie zum Heile der Welt der Urvater der Welt, Brahman, erschaffen. Aus diesen acht schopferischen Wesenheiten ist die ganze Welt des Lebenden hier ent- standen.

37. (13043.) Der aus Zorn geborene Rudra schuf zehn weitere aus sich selbst; diese elf Rudra's gelten als erschaffene Geister fpurushdhj.

Adhy^ya 342 (B. 340). 787

38. (13044.) Diese Rudra's sowie die Prakriti [die acht schopferischen Wesenheiten] und alle Gotterweisen, nachdem sie entstanden waren, wandten sich um des Heiles der Welt willen an Gott Brahman [mit den Worten] :

39. (13045.) 0 Heiliger, erschaffen sind wir, und zwar von dir, dem Ubermachtigen, aber mit welchem Amte hat sich jeder von uns zu befassen, o Urvater?

40. (13046.) Wie ist das Amt, welches von dir als be- stimmten Zwecken dienendes anvertraut worden ist, von dem Betreffenden als einem mit Personlichkeit fahanMraJ ausge- statteten Tater zu verwalten?

41. (13047.) Bezeichne die Funktionen desjenigen, der den Zweck des Amtes zu versorgen hat. Auf diese Worte der Gotter erwiderte ihnen folgendes der grofse Gott.

Gott Brahman sprach:

42. (13048.) Mit Recht, ihr Gotter, bin ich von euch er- innert worden, Heil sei euch ! Auch mich hat schon die Sorge beschaftigt, welche euch bewegt.

43. (13049.) Wie lafst sich die Versorgung der ganzenDrei- welt bewerkstelligen ? Wie machen wirs, dafs keine Er- schopfung der Kraft auf eurer oder meiner Seite eintritt?

44. (13050.) Darum wollen wir alle unsere Zuflucht nehmen zu dem grofsen Purusha, dem Unentfalteten, dem Weltauge ; der wird uns sagen, was das Rechte ist.

45. (13051.) Darauf gingen die weisen Rishi's zusammen mit dem Gotte Brahman zu dem nordlichen Ufer des Milch- meeres in Sorge um das Heil der Welt.

46. (13052.) Dort betrieben sie die von Gott Brahman empfohlene und im Veda angeordnete Askese, es war jene furchtbarste der Selbstpeinigungen, welche Mahaniyama (die grofse Selbstzucht) heifst.

47. (13 053.) Emporgerichtet waren Blick und Arme, auf einen Punkt des Manas konzentriert, auf einem Fufse standen alle, unbeweglich wie Holzstiicke, in Meditation versunken.

48. (13054.) Nachdem sie so ein Tausend gottlicher Jahre furchtbare Askese geiibt hatten, da vernahmen sie eine lieb- liche, mit Worten des Veda und Vedanga gezierte Stimme.

50*

788 in. Mokshadharma.

Der Heilige sprach :

49. (13055.) "Wohlan denn, Brahman und ihr anderen Gotter und ihr askesereichen Rishi's, euch alien entbiete ich meinen Willkommensgrufs und kiinde euch das hochste Wort.

50. (13 056.) Bekannt ist euch mein Zweck, er ist das grofse Heil der Welt, durch die Aktivitat [des Opferns] mufs die Starkung eurer Lebenskrafte gewirkt werden.

51. (13057.) Ihr habt, o Gotter, um mich giinstig zu stimmen, grofse Askese geiibt, und ihr sollt die hochste Frucht dieser Askese geniefsen, o ihr Hochwiirdigen.

52. (13 058.) Hier der Gott Brahman, der Lehrer der Welt, der grofse Urvater der Welten, und ihr, o ihr hochsten Weisen, sollt mich mit Opfern in Hingebung verehren.

53. (13059.) Und bei diesen Opfern sollt ihr allezeit An- teile fiir mich bereitstellen, dann werde ich euch Gelingen verleihen in euren Am tern, o ihr Gottherren.

Vaigampayana sprach:

54. (13060.) Als sie dieses Wort des Gottes der Gotter ver- nommen batten, da straubten sich ihre Haare vor Freude, und alle die weisen Gotter nebst Gott Brahman und den grofsen Rishi's

55. (13061.) veranstalteten auf die im Veda gebotene Weise dem Vishnu ein Opfer. Bei diesem Opferfeste war Gott Brah- man selbst bestandig damit beschaftigt, ihm einen Opferanteil darzubieten,

56. (13062.) und alle Gotter und Gotter -Rishi's boten ein jeder seinen Anteil dar, und entsprechend den Gesetzen des Kritazeitalters waren diese Anteile von hochster Vortreff- lichkeit.

57. (13063.) Und sie verehrten den sonnenfarbigen, finsternis- jenseitigen Purusha als den grofsen, allgegenwartigen Gott, den machtigen, gabenspendenden Herrn.

58. (13064.) Da sprach der gabenspendende Gott, der in sich selbst ruhende Mahegvara, zu alien diesen vor ihm stehen- den Unsterblichen mit korperloser Stimme folgendes Wort:

59. (13065.) Der Anteil, wie ihn jeder von euch darbrachte.

Adhy&ya 342 (B. 340). 789

ist zu mir gelangt, ich bin zufrieden und verleihe euch hier- mit als Frucht, dafs es an euch vergolten werde.

60. (13066.) Und dieses ist die Vergeltung, die euch durch meine Gnade zuteil werden soil: nicht nur ihr selbst sollt durch Opfer, die von vollkommenen, vortrefflichen Dakshina's begleitet sind, als Veranstalter von Opfern

61. (13 067.) von Wei taker zu Weltalter die Frucht eurer Aktivitat genielsen, sondern die, welche in alien Welten Opfer darbringen werden, ihr Gotter,

62. (13068.) alle diese Menschen werden euch die im Veda angeordneten Opferanteile darbringen. Jeder, der mir bei die- sem grofsen Opferfeste einen Anteil irgendwie dargebracht hat,

63. (13069.) der soil dementsprechend in dem Opferleitfaden des Veda fvcdasidrej als eines Opferanteils wiirdig von mir erklart werden. Ihr sollt die Welten gedeihen machen, indem ihr euren Opferanteil als Frucht wohlgefallig entgegennehmt

64. (13,070.) und dafiir alle diejenigen Zwecke in der Welt besorgt, zu denen ihr geschaffen und berufen seid. Alle unter- nommenen Werke aber, welche eine Frucht der Aktivitat im Gefolge haben,

65. (13071.) die sollen cure Kraft starken, damit ihr im- stande seid, die Welten zu erhalten. Denn ihr sollt durch die Opfer der Menschen bei alien Darbringungen geehrt werden

66. (13072.) und dafiir wiederum mich ehren, das ist die Ehrung, die mir von euch gebiihrt. Zu diesem Zwecke sind die Veden geschaffen worden und die Opfer mitsamt den Opferkrautern ;

67. (13073.) durch diese, wenn sie richtig angewendet werden, werden die Gotter auf Erden erfreut. Diese eure Erschaffung ist als eine mit der Eigenschaft der Aktivitat ausgestattete

68. (13074.) von mir bewerkstelligt worden, o beste Gotter, und soil bis zum Ende der Weltperiode Bestand haben. Darum, ihr Gottherren, besorgt euren Aufgaben entsprechend das Heil der Welt.

69. (13075.) Marici, Angiras, Atri, Pulastya, Pulaha, Kratu und Vasishtha, diese sieben sind als geistige [Sohne von Gott Brahman, oben Vers 13042] erschaffen worden.

790 in. Mokshadharma.

70. (13 076.) Diese als beste Vedakenner und Vedalehrer Geschaffenen sind zu Schopferherren eingesetzt worden um der Satzung der Aktivitat willen;

71. (13077.) sie ist als der ewige Weg fiir die Werkfrommen ojffenbart worden. Der Herr, welcher die Welt geschaffen hat, heifst Aniruddha.

72. (13 078.) Hingegen Sana, Sanatsujata, Sanaka, Sanan- dana, Sanatkumara, Kapila und Sanatana als siebenter,

73. (13079.) welche geistige Sohne des Gottes Brahman heifsen, haben kraft des von ihnen selbst errungenen "Wissens die Satzung der Passivitat sich zu eigen gemacht.

74. (13080.) Diese vorziiglichenYogakenner und der Saiikhya- wissenschaft Kundige haben als Lehrer in den Gesetzbiichern die Satzung der Erlosung verbreitet.

75. (13 081.) Derjenige, aus welchem, als dem Unentfalteten, ich als der dreigunahafte Mahan vormals hervorgegangen bin, der hat noch einen Hohern iiber sich, der mit dem Namen Kshetrajna bezeichnet wird (vgl. oben. Vers i3035fg.).

76. (13082.) Ich aber bin der Weg der Werkfrommen, welcher die Wiederkehr [zum Erdendasein] als schlimme Folge nach sich zieht fpunardvritti-durlahliahj , denn jeder Mensch, welcher sich je nach seiner Naturbeschaffenheit diesem oder jenem hingibt,

77. (13083.) sei es der Aktivitat oder der Passivitat, er- langt die entsprechende grofse Frucht. Der Gott Brahman hier, der Lehrer der Welt und machtige Urheber alles Lebenden,

78. (13084.) er, der euch Vater, Mutter und Grofsvater ist, wird von mir belehrt werden, er, der Gabenspender aller Wesen.

79. (13 085.) Und sein leiblicher Sohn Rudra, der aus seiner Stirn entsprungen ist, wird wieder von Gott Brahman belehrt werden, er, der machtige Trager aller Wesen.

80. (13086.) Und nun geht an eure Geschafte und besorgt sie, wie es sich gehort; mogen alsbald die Werke in alien Wei ten gedeihen.

81. (13087.) Mogen von euch die Werke und die Wege

Adhyaya 342 (B. 340). 791

der Lebenden vorgezeichnet werden, sowie ihre der Zeit nach bestimmten Lebenslangen hienieden, o ihr besten Gotter!

82. (13088.) Das gegenwartige , Kritam genannte Zeitalter ist als die beste Zeit angebrochen; in diesem Zeitalter diirfen beim Opfer keine Tiere getotet werden, nicht ist es anders.

83. (13089.) In ihm wird die Gerechtigkeit vierfiifsig sein, o ihr Gotter [vgl. oben, S. 334 fg.]. Dann folgt das Zeit- alter Treta, in welchem die dreifache Wissenschaft (der drei Veden) gelten wird.

84. (13090.) In diesem Zeitalter werden die Tiere beim Opfer geweiht und getotet werden, und der vierte Fufs der Gerechtigkeit wird nicht mehr vorhanden sein.

85. (13091.) Dann wird ein gemischtes Zeitalter mit Namen Dvapara folgen, in welchem der Gerechtigkeit zwei Fiifse entzogen sein werden.

86. (13092.) Wenn dann weiter das Zeitalter Tishya unter dem Vortritte des Kali gekommen sein wird, dann wird die Gerechtigkeit, auf einem Fufse stehend, nur hier und dort noch zu fmden sein.

87. (13093.) Da sprachen zu dem so redenden Meister die Gotter und Gotterweisen : Wenn die Gerechtigkeit, auf einem Fufse stehend, nur hier und dort noch zu finden sein wird,

88. (13094.) wie soUen wir uns dann verhalten? 0 Heiliger, das sage uns.

Der Heilige sprach: (13095.) Wo die Veden, Opfer, Askese, Wahrheit, Be- zahmung

89. und Nicht-Totung mitsamt der Gerechtigkeit in Ehren stehen werden, o ihr besten Gotter, (i3096.) das ist das Land, in dem ihr weilen sollt, dann wird euch die Ungerechtigkeit auch nicht im geringsten beriihren.

Vy§isa sprach:

90. (13097.) Als die Gotter und die Scharen der Weisen in dieser Art von dem Heiligen belehrt worden waren, zollten sie dem Heiligen ihre Verehrung und gingen, wohin es ihnen gefiel.

91. (13 098.) Nachdem die Bewohner der drei Himmel ge-

792 III. Moksbadharma.

gangen waren, verweilte Gott Brahman allein noch, um den Heiligen zu schauen, welcher in der Erscheinungsform des Aniruddha dastand.

92. (13099.) Da liefs sich der Gott vor ihm sehen, indem er als das grofse Rofshaupt erschien, Veda und Vedanga's rezitierend, den Wasserkrug und Dreistab [des Asketen] tragend.

93. (13100.) Nachdem dem Gotte Brahman, dem machtigen Schopfer der Welt, der unermefshche, gewaltige Gott in Ge- stalt des Kofshauptes zum Heile der Welt erschienen war,

94. (13101.) verneigte sich Brahman vor dem Gabenspender mit dem Haupte und blieb vor ihm mit zusammengelegten Handen stehen, und nachdem er den Heiligen umarmt hatte, vernahm er von ihm das folgende Wort.

Der Heilige sprach:

95. (13102.) Uberdenke nach der Vorschrift den ganzen Gang der Weltaufgaben, du bist ja der Schopfer aller Wesen, der Herr und Lehrer der Welt.

96. (13103.) Nachdem ich die Last der Welt auf dich ge- legt habe, werde ich ihres Bestehens ohne Schwierigkeit sicher sein. Und sollte, o Gott, die Aufgabe dir einmal zu schwer werden,

97. (13104.) dann werde ich erscheinen und die Erkenntnis des Atman lehren. So sprach der Rofshaupttragende und verschwand.

98. (13105.) Und auch Gott Brahman, von ihm belehrt, kehrte alsbald in seine Welt zurtick. Daher kommt es, o Hoch- begliickter, dafs der Ewige, Lotosnablige (Vishnu)

99. (13106.) als Erstgeniefser bei den Opfern und als Trager der Opfer fiir alle Zukunft gilt. Obgleich er der Satzung der Passivitat als dem Wege der das unvergangliche Gesetz Befolgenden zugetan ist, (i3i07.) hat er doch die Satzungen der Aktivitat verordnet, als er die Mannigfaltigkeit der Dinge schuf.

100.* (13108.) Er ist Anfang, Mitte und Ende der Wesen, er ist Schopfer und Schopfung, ist Wirker und Wirkung;

* Metrum: Bhujangaprayatam.

Adhyaya 342 (B. 340). 793

am Ende der Weltalter schlaft er ein und vernichtet die Welten, am Anfang der Weltalter erwacht er und schafft die Welten wieder.

101. (13109.) Ihm zollt Verehrung, dem Gotte, dem guna- losen, hochsinnigen, ungeborenen, allgestaltigen, der aller Himmlischen Wohnstatt ist,

102. (13110.) dem Oberherrn der grofsen Elemente, dem Herrn der Rudra's, Aditya's, Vasu's,

103. (13111.) Agvins, Marut's, dem Oberherrn der Veden und Opfer und Herrn der Vedaiiga's,

104. (13112.) dem allezeit Ozeanbewohnenden, dem Hari, dem Munjagrashaarigen, dem Beruhigten, dem die Erlosungs- satzungen fiir alle Wesen Verkiindenden,

105. (13113.) dem Herrn der Askesen, Krafte und Herr- lichkeiten, dem ewigen Herrn der Reden und der Fliisse,

106. (13114.) dem Muschelhaarigen, dem Eber, dem Ein- horn, dem Einsichtsvollen, dem Leuchtenden, dem Rofshaupte, dem Viergestaltigen immerdar,

107. (13115.) dem Verborgenen, durch Erkenntnis zu Schauen- den, dem Unverganglichen und Verganglichen. Er, der Gott, waltet allgegenwartig, ewig,

108. (13 iiG.) er ist jenes hochste Brahman, durch der Er- kenntnis Auge anzuschauen, und so habe ich es einstens mit dem Auge der Erkenntnis geschaut

109. (13117.) und euch auf eure Frage der Wahrheit ge- mafs alles berichtet. 0 ihr Schiiler, handelt nach meinen Worten, verehrt Hari, den Herrn, (i3ii8.) besingt ihn in Veda- tonen und huldigt ihm, wie sich's gebiihrt.

VaiQampayana sprach:

110. (13119.) So sprach der weise Vedavyasa zu uns, seinen Schiilern alien, und zu seinem der hochsten Pflichten kundigen Sohne Quka.

111. (13120.) Und er, unser Lehrer, im Vereine mit uns, o Volkerherr, pries Ihn mit Versen, die aus alien vier Veden geschopft waren.

112. (13121.) Damit habe ich dir alles erklart, woriiber du mich befragt hast und wie es mir, o Konig fJaname-

794 in. Mokshadharma.

jaya], vordem mein Lehrer Dvaipayana (Vyasa) mitge- teilt hat.

113. (13122.) Wer nun diese Rede immerfort anhort und wer sie weiterverkiindigt, dem Heiligen Verehrung zollt und gesammelten Geistes ist,

114. (13123.) der wirdgesund, verstandig, stark und schon; ist er leidend, so wird er von seiner Krankheit befreit, ist er gebunden, von seinen Banden.

115. (13124.) Wer Wiinsche hegt, wird sie erlangen und ein hohes Alter erreichen; als Brahmane wird er ein Kenner aller Veden, als Kshatriya siegreich sein,

116. (13125.) als Vaigya zu grofsem Reichtum gelangen, als Qudra wird er gliicklich leben; der Sohnlose wird einen Sohn, die Jungfrau den gewiinschten Gatten erhalten.

117. (13126.) Die Kreifsende wird befreit werden, die Schwangere einen Sohn gebaren, die Unfruchtbare wird Nach- kommenschaft haben, gedeihlich in Kindern und Enkeln.

118. (13127.) In Frieden wird seine Strafse ziehen, wer dieses hier unterwegs hersagt, und jeder Wunsch, den er hegen mag, der wird sich sicherlich erfiillen.

119. (13128.) Wer diese klare, dem grofsen Rishi von dem hochsinnigen, hochsten Purusha offenbarte Rede und jene Zusammenkunft der Rishi' s und Himmelsbewohner mit frommem Sinne vernimmt, der wird zu grofsem Gliicke gelangen.

So lautet im Mokshadharma die Geschichte vom N4r^yana

(Ndrdyaniyam).

Adhyaya 343 (B. 341).

Vers 13129-13187 (B. 1-59).

Janamejaya sprach :

1. (13129.) Die Bedeutung der verschiedenen Namen, mit welchen Vyasa und seine Schiller jenen Madhutoter gepriesen haben, die mogest du mir, o Heiliger,

2. (13130.) dem Horbegierigen erklaren, die Namen des

Adhyaya 343 (B. 341). 795

Schopferherrn Hari, welche gehort habend ich rein von Flecken sein werde wie der Mond im Herbste.

Vai^ampayana sprach :

3. (13131.) Vernimm, o Konig, wie Hari, der Herr, mit gnadigem Geiste dem Phalguna (Arjuna) die auf seinen Eigen- schaften und Taten beruhende Bedeutung seiner Namen erklarte.

4. (13132.) Uber die beriihmten Namen des hochsinnigen Kegava (Krishna) befragte, o Konig, den Kegava der feind- liche Helden totende Phalguna.

Arjuna sprach:

5. (13133.) 0 Heihger, Herr des Vergangenen und Kiinf- tigen, ewiger Schopfer aller Wesen, Heimstatt der Welt und Herr der Lebenden, der du alien Wesen Frieden schenkst,

6. (13134.) jene deine Namen, welche erwahnt werden von grofsen Weisen in den Veden und Parana's, und die wegen deiner Werke dir beigelegten Geheimnamen,

7. (13135.) deren Bedeutung mochte ich von dir, o Kegava, vernehmen, denn kein anderer als du, o Herr, diirfte imstande sein, die Bedeutung dieser Namen darzulegen.

Der Heilige sprach:

8. (13136.) Im Rigveda und Yajurveda, in den Atharva- hymnen und Samanliedern, in dem Puranam [= Brahmanam] nebst angehangter Upanishad und im Jyotisham (Vedakalender), o Arjuna,

9. (13137.) im Sahkhyam und im Yogakanon, sowie im Ayurveda (der vedischen Heilkunde) werden von den grofsen Rishi's viele meiner Namen erwahnt.

10. (13 138.) Einige dieser Namen beziehen sich auf meine Eigenschaften , andere auf meine Taten; die Erklarung der auf meine Taten beziiglichen vernimm mit Aufmerksamkeit, o Untadliger,

11. (13139.) wie ich sie dir mitteilen werde, o Freund, denn von jeher giltst du als mein zweites Ich. Verehrung sei jenem Uberherrlichen, dem hochsten Selbste aller Verkorperten,

796 HI. Mokshadharma.

12. (13140.) dem Narayana, dem Allseienden, dem Guna- losen und Gunahaften, aus dessen Gnade Gott Brahman, aus dessen Zorn Rudra entsprossen ist,

13. (13141.) Er, der der Mutterschofs alles Seienden, des Unbeweglichen und Beweglichen ist, jenes mit achtzehn Vor- ziigen Ausgestattete, das ist das Sattvam [die wahre Realitat], o Bester der Sattvahaften.

14. (13142.) Er ist meine hochste Urnatur, welche durch den Yoga beide Wei ten tragt, die gerechte, wahre, unsterb- liche, uniiberwindhche, welche der Atman der Welten heifst.

15. (13143.) Aus ihm gehen alle Umwandlungen der Schopfung und des Verganges hervor, aus ihm Askese, Opfer, Opferer, der alte Purusha und die Viraj,

16. (13144.) er heifst Aniruddha, ist Ursprung und Ver- gang der Welt. Als die Nacht des Brahman zu Ende ging, da ist durch dieses unermefslich Kraftvollen

17. (13145.) Gnade hervorgegangen , o Lotosaugiger, eine Lotosblume, und aus dieser, durch seine Gnade geboren, ent- stand jener Gott Brahman.

18. (13146.) Und ebenso ist, als der Tag [des Brahman] sich zum Ende neigte, aus der Stirn jenes in Zorn geratenen Gottes ein Sohn hervorgegangen, Rudra, der Zerstorer der Welt.

19. (13147.) Diese beiden besten Gotter, wie sie aus der Gnade und dem Zorn entstanden sind, bewirken auf dem von ihm [Aniruddha] gewiesenen Wege die Schopfung und Ver- nichtung der Welt,

20. (13148.) aber dabei sind sie, welche alien Lebenden ihre Gaben verleihen, ein blofses Werkzeug [des Aniruddha]. Muschelhaarig, flechtentragend, kahlkopfig, auf Leichenstatten hausend

21. (13149.) und scharfe Geliibde befolgend, ist Rudra, ein Yogin von furchtbarer Strenge, der Zerstorer von Daksha's Opfer, der Blender von Bhaga's Augen,

22. (13150.) als identisch mit dem Narayana zu wissen, von Weltalter zu Weltalter, o Pandusprofs, und wenn er, der Gottergott Mahegvara, verehrt wird,

23. (13151.) so wird damit, o Prithasohn, zugleich der

Adhj-aya 343 (B. 341). 797

machtige Gott Narayana verehrt. Denn ich bin das Selbst aller Welten, o Pandusprofs,

24. (13152.) darum verehre ich als erster den Rudra als mein eigenes Selbst. Denn wiirde ich nicht den Herrn, den gabenspendenden Qiva ehren,

25. (13153.) so wiirde keiner mein Selbst ehren, das ist meine Meinung, der ich geehrten Selbstes bin. Nach dem von mir aufgestellten Vorbilde richtet sich die Welt;

26. (13154.) die Vorbilder sind ja in Ehren zu halten. Darum verehre ich ihn; wer ihn erkennt, der erkennt mich, wer ihm nachfolgt, folgt mir nach.

27. (13155.) Rudra und Narayana als ein Wesen in zwei Formen wandeln, o Kuntisohn, in der Welt, indem sie in alien Werken zur Offenbarung kommen.

28. (13156.) Keiner kann mir etwas schenken, o Liebling der Pandava's; obgleich ich so in meinem Geiste denke, habe ich doch den Rudra, den Herrn, den alten,

29. (13157.) als Sohn mir gefallen lassen, weil ich damit nur mein Selbst durch mein Selbst entgegennahm. Vishnu beugt sich vor keinem Wesen, auch vor keinem Gotte,

30. (13158.) aufser vor sich selbst, darum kann ich vor dem Rudra mich beugen. Alle Gotter, auch Brahman, Rudra und Indra, alle Rishi's

31. (13159.) verehren den Besten der Gotter, den Gott Hari Narayana. Als alles Zukiinftigen, Gegenwartigen und Ver- gangenen

32. (13160.) hochster Lenker, o Bharata, ist Vishnu immer- dar zu preisen und zu verehren. Verehre den Vishnu, der die Opfergabe verleiht, der Schutz verleiht; Verehrung ihm!

33. (13161.) Verehre, o Kuntisohn, den Gabenspender, den Geniefser des Gotter- und Manenopfers, Verehrung ihm ! Vier Arten meiner Verehrer gibt es, das ist mir bekannt.

34. (13162.) Die Besten unter ihnen sind die, welche mir allein und keinem andern Gotte dienen; fiir diese, welche die Opferwerke ohne Wiinsche vollbringen, bin ich die Zuflucht.

35. (13163.) Aber die iibrigen drei Arten meiner Ver- ehrer sind nach Lohn begehrend; diese alle verfehlen das Rechte, und nur der Erweckte hat das beste Teil erwahlt

798 in. Mokshadharma.

36. (13164.) Aber auch diejenigen, welche dem Gott Brah- man, dem Qitikantha (Blauhals, Qiva) und den iibrigen Gottern in einem solchen erweckten Wandel anhangen, werden zu mir eingehen, der ich das Hochste bin.

37. (13165.) Damit, o Prithasohn, habe ich dir den Unter- schied in der Art meiner Verehrung dargelegt. Du und ich, o Kuntisohn, wir sind als Nara und Narayana bekannt,

38. (13166.) und wir haben nur menschhche Gestalt an- genommen, um die Welt zu entlasten. Ich kenne die Ver- tiefung in das eigene Selbst, ich weifs, wer ich bin und warum ich so heifse, o Bharata.

39. (13167.) Als die Satzung der Passivitat und als die [entgegengesetzte] zum Gliick fiihrende heifse ich [Ndt'dyana] der Menschen Weg fnardndm ayanamj.

40. (13168.) Die Wasser werden genannt ndrdh, denn die Wasser sind Kinder des Nara ; weil sie einst mein Aufenthalt waren, darum heifse ich Narayana (vgl. Manu I, 10).

41. (13169.) Nachdem ich entstanden bin, iiberdecke ich die ganze Welt wie die Sonne mit ihren Strahlen und werde darum als die Wohnstatte (adhivdsaj aller Wesen Vdsudeva genannt.

42. (13170.) Als das Endziel aller Wesen und ihr Ursprung, o Bharata, und weil mein iiberragender Glanz sich ausbreitet iiber Himmel und Erde, o Prithasohn,

43. (13171.) und iiber die Wesen auch zu ihrer Endzeit, heifse ich, dies wiinschend fish-J, o Bharata, sowie auch wegen des Ausschreitens , o Prithasohn, Vishnu.

44. (13172.) Weil die Menschen, nach Vollendung durch Bezahmung {damaj trachtend, nach mir Verlangen tragen, der ich Himmel, Erde und Luftraum bin, darum heifse ich Bdmodara*

45. (13173.) Prigni (buntscheckig) heifst die Nahrung, der Veda, das Wasser und das Amritam; alle diese sind mein Erzeugnis fgarhhaj, darum heifse ich Prignigarhha [eigent- lich: der von Prigni (hier = Devaki) Erzeugte].

* Eigentlich „der Leibumstrickte", Beiname Krishna's, von einem Erlebnis in seiner Kindheit herriihrend.

Adhyaya 343 (B. 341). 799

46. (13174.) Einst riefen dieWeisen mich an und sprachen: Den Trita, der in den Brunnen gestiirzt worden ist, o Prigni- garbha, den Trita, der von Ekata und Dvita hinabgestiirzt wurde, errette du.

47. (13175.) So gelang es dem Trita, dem uralten Sohne des Brahman und besten Weisen, aus dem Brunnen zu ent- kommen, weil Prignigarbha herbeigerufen worden war.

48. (13176.) Die Strahlen, welche an der die Welt er- leuchtenden Sonne, am Feuer oder auch am Monde er- glanzen, die werden meine Haare (hegaj genannt;

49. (13177.) darum haben allweise, beste Brahmanen mich Kegava (den VoUhaarigen) genannt. Einstmals war von dem hochsinnigen Utathya in seiner Gattin ein Embryo er- zeugt worden.

50. (13178.) Wahrend nun Utathya vermoge eines gott- lichen Zaubers verschwunden war, besuchte Brihaspati [sein jiingerer Bruder, Mahabh. I, 4i8o] die Gattin dieses Hoch- sinnigen.

51. (13179.) Da geschah es, o Kuntisohn, dafs zu diesem besten Rishi, welcher zur Begattung geschritten war, der schon aus den fiinf Elementen gebildete Embryo sprach:

52. (13180.) „Ich bin zuerst gekommen, o Gabenspender, und du darfst der Mutter nicht zusetzen." Als dies Brihaspati horte, wurde er zornig und sprach einen Fluch aus:

53. (13181.) „Weil ich, zur Begattung hergekommen, von dir gehindert wurde, darum wirst du kraft meines Fluches blind geboren werden, das ist gewifs."

54. (13182.) Und weil er durch den Fluch des hochsten Rishi lange Finsternis fdirgham tamasj zu leiden hatte, darum wurde dieser Rishi vordem DirgJiatamas benannt.

55. (13183.) Aber da er die ewigen Veden mit Vedaiiga's und Upaiiga's innehatte, wendete er jenen meinen geheimnis- vollen Namen an

56. (13184.) und rief nach der Vorschrift hintereinander wieder und wieder: Kegava!''^ Da wurde er sehend und hiefs fortan Gotama.

57. (13185.) So heilbringend ist mein Name Kegava fiir alle Gotter und fiir die hochsinnigen Rishi's.

800 III. Mokshadharma.

58. (13186.) Indem das Feuer sich mit dem Soma verbindet, gelangt es mit ihm zur Wesenseinheit, darum heifst es von der ganzen Welt des Beweglichen und Unbeweglichen , dafs sie aus Feuer und Soma [Verzehrer und Verzehrtem] bestehe (vgl. Brih. Up. 1,4,6).

59. (13187. Prosa.) Auch im Puranam steht ja schon, Agni und Soma seien eines Wesens, und die Gotter hatten Agni als Mund; auch heifst es, dafs sie wegen ihrer Wesensein- heit, einander erganzend, die Welten tragen.

So lautet im Mokshadharma die Geschichte vom Narilyana (Ndrdyaiityam).

Adhyaya 344 (B. 343).

Vers 13188-13303 (B. 1-141).*

Arjuna sprach:

1. (13188.) Wie ist es moglich, dafs Agni und Soma sich vordem zur Wesenseinheit entwickelt haben? Dariiber habe ich Zweifel, den lose, o Madhutoter.

Der Heilige sprach:

2. (13189.) Wohlan, o Pandusohn, ich will dir dariiber eine alte Begebenheit erzahlen, welche durch meine eigene Energie veranlafst wurde; vernimm sie, o Prithasohn, mit ungeteiltem Geiste.

3. (13190.) Zur Zeit der grofsen Weltflut, als eintausend Perioden von vier Weltaltern verstrichen waren, alles Seiende latent geworden war und die Vernichtung alles Bewegliche und Unbewegliche ergriffen hatte, (I3i9i.) als blinde Finsternis ohne Licht, Boden und Wind, als die Welt in Gestalt eines einzigen Wassermeeres,

4. als das zweitlose Brahmanwesen nur unter dem Namen der [Ur-]Wasser bestand,

5. (13192.) als es nicht Tag noch Nacht, nicht Seiendes noch Nichtseiendes, nicht Entfaltetes noch Unentfaltetes gab,

* Vers 3-15 und 20-65 Prosa.

Adhyaya SU (B. 3^2). 801

6. als die Welt in diesem Zustande war, da ist aus der auf.Naray ana's Qualitaten sich stUtzenden, nicht alternden, unsterblichen, nicht wahrnehmenden und nicht wahrgenom- menen, unentstandenen, nicht schadigenden , der Zierde der mannigfachen Entwicklungen entbehrenden, nicht feindhchen, unverganghchen , unsterbhchen, alterlosen, gestaltlosen , all- gegenwiirtigen , allschaffenden Finsternis der ewige, unver- ganghche Purusha als Hari in die Erscheinung getreten.

7. (13193.) Dariiber ist audi folgendes Zeugnis:

8. „Nicht Tag war, nicht Nacht war, nicht Seiendes noch Nichtseiendes war, nur Finsternis war einstmals die allgestal- tige Welt." Namlich es war die Nacht der allgestaltigen Welt, so ist der Sinn des Wortes [Finsternis] zu fassen.

9. (13194.) Als nun der aus dieser Finsternis stammende Purusha, der aus Brahman geborene, aus dem Brahman in die Erscheinung trat, da schuf dieser Purusha, um die Ge- schopfe zu schaffen, aus seinen beiden Augen Agni und Soma. Als darauf die Wesensscharen geschaffen wurden, erschien der Rangordnung der Geschopfe gemafs das Brahman und das Kshatram. Der Soma ist das Brahman und das Brah- man sind die Brahmanen, der Agni ist das Kshatram (die Kshatriyakaste), das Brahman aber ist starker als das Ksha- tram. Fragt ihr, warum? Diese Uberlegenheit ist ein Vorzug, der aller Welt klar vor Augen liegt. Namlich so: (is 195.) Es ist vordem kein hoheres Wesen entstanden als die Brahmanen. In einem flammenden Feuer opfert, wer in dem Munde eines Brahmanen opfert; da dem so ist, sage ich: die Wesen- schopfung ist durch das Brahman (die Brahmanen) gemacht worden, und indem dieses die Wesen stiitzt, wird die Drei- welt in ihrem Bestande erhalten. Und dariiber gibt es auch den Ausspruch eines Hymnus:

10. „Bei alien Opferungen bist als Priester Agni du be- stimmt fiir Gottfer, Menschen und die Welt" [frei nach Rig- veda 6,16,1].

11. Und dieses Zeugnis besagt: Du Agni bist bei alien Opferungen der Priester und als solcher bist du von Gottern und Menschen fiir die Welt bestimmt worden.

12. (13196.) Denn Agni ist bei den Opferungen der Priester,

Deussen, MahAbh&ratam. 51

802 III. Mokshadharma.

der Vollbringer, und dieser Agni ist das Brahman [die Brah- manen, oben freilich hiefs es, sie seien der Soma].

13. Denn ohne Mantra's ist keine Darbringung moglich, so wie ohne einen Menschen kein Tapas moghch ist. Die Opfergabe ist bei Gottern, Menschen und Rishi's nur eine den Mantra (Hymnus) begleitende Verehrung; darum wird der Hymnus : „[Bei alien Opferungen] bist als Priester [Agni] du [bestimmt]" verwendet. (13197.) Und was alle mensch- lichen Opferamter betrifft, so bleibt das Opfern dem Brah- manen vorbehalten und geziemt nicht den Kshatriya's und Vaigya's, obgleich auch sie Zwiegeborene sind. Darum fiihren die Brahmanen als Agni die Opfer zu den Gottern empor. (13 198.) Diese Opfer sattigen die Gotter, und die Gotter bringen dafilr die Erde zum Gedeihen, denn so steht es auch in dem ^atapatham, dem vorziiglichsten Brahmanam;

14. (13199.) wenn das Feuer entflammt ist, dann opfert nur der, welcher als ein Wissender durch Vermittlung eines Brahmanen die Opfergabe darbringt.

15. So steht es denn fest, dafs die wissenden Brahmanen, zu Agni geworden, den Agni gedeihen machen, (13200.) und indem sie als x\gni, als Vishnu alle Wesen durchdringen, halten sie alles Leben aufrecht.

16. Hieriiber gibt es auch die von Sanatkumara ge- sungenen Verse : (13201.) Gott Brahman, der Anfanglose, schuf vordem das All, ohne es von sich zu sondern fniravaskritamj ; aus Brahman entsprungen, eilen die Unsterblichen mit Brah- manjubel zum Himmel empor.

17. (13 202.) Der Brahmanen Gedanken, Worte, "Werke, Glaube und Askese tragen die Erde und den Himmel, und das Amritam ihrer Rede ist das Tragband fgaihyaj.

18. (13203.) Keine Gerechtigkeit geht liber die Wahrheit, kein Lehrer iiber die Mutter, nichts geht iiber die Brahmanen, wo es sich um unser zeitliches oder ewiges Wohl handelt.

19. (13204.) Bei denen ziehen nicht Ochsen und nicht Pferde, quirlt nicht das Butterfafs, wenn man es fiillte, die miissen sttirzen und zu Raubern werden, in deren Reich Brahmanen Hunger leiden.

Adhyaya 344 (B. 342). 803

20. (13 205.) und die Brahmanen sind nach dem Zeugnisse der Veden, Purana's und Itihasa's aus dem Munde des Na- rayana geschaffen, sind allbeseelend, allwirkend und allseiend.

21. Denn die Brahmanen sind zur Zeit, als jener gaben- spendende Gottergott [als Schopfer das asketische] Schweigen iibte, zuerst entstanden, und aus den Brahmanen erst die iibrigen Kasten.

22. Und so sind die Brahmanen ausgezeichnet vor alien Gottern und Damonen, welche von mir als Brah- man vordem aus mir selbst als Gotter, Damonen und grofse Rishi's geschaffen, als besondere Wesenklassen eingesetzt und in Zucht gehalten wurden.

23. So wurde Indra aus Anlafs der Verge waltigung der Ahalya von [ihrem Gatten] Gautama blondbartig gemacht, und auf Veranlassung des Kaugika wurde Indra seiner Hoden beraubt und mit Widderhoden verselien.

24. (13 206.) Und als der Stadtezerstorer Indra seinen Donnerkeil geziickt hatte, um die Agvin's vom Somatranke abzuhalten, wurden seine Arme von Cyavana gelahmt (vgl. Mahabh. Ill, Adhy. 124).

25. Von Daksha, welcher iiber die Storung seines Opfers in Zorn geraten war, wurde, nachdem er sich noch weiter durch Askese gekraftigt hatte, die Stirn Rudra's durch ein drittes Auge verunstaltet. [Anders verlauft die Geschichte oben, S. 521 fg.]

26. Als Rudra eine Weihe angetreten hatte, raufte sich UQanas, um damit den Dreiburgzerstorer (Rudra) zu ver- letzen, seine Haarflechten aus dem Kopfe aus und schleuderte sie gegen ihn; aus ihnen kamen Schlangen hervor, und von diesen Schlangen gepeinigt, erlangte er seine Blauhalsigkeit, und auch schon in einem friihern Weltalter des Manu Svayam- bhuva hatte er auch die Blauhalsigkeit erlangt, weil Narayana ihn mit den Handen gewiirgt hatte (vgl. unten, Vers I3 273fg.).

27. Als einst Brihaspati, der Aiigirassprofs, dazu schritt, das Amritam zu bereiten, und Wasser schopfen wollte, da geschah es, dafs die Wasser sich ihm ungnadig erwiesen. Da ziirnte Brihaspati den Wassern: „Weil ihr, da ich euch schopfen wollte, euch unrein zeigtet und euch mir ungnadig

51*

804 III. Mokshadharma.

erwieset, darum soil er [der Ozean] von heute an durch grofse Fische, Delphine, Schildkroten und [allerlei] Tiere unrein sein." (is 207.) Und von Stund an wimmelten die Wasser des Meeres von Seeungeheuern.

28. Vigvarupa, der Sohn des Tvashtar, war der Haus- priester der Gotter. (13208.) Als Schwestersohn der Asura's aber gab er den Gottern vor alien Augen einen Opferanteil und den Asura's nur heimlich.

29. Da baten die Asura's mit Hiranyakagipu an der Spitze ihre Schwester, die Mutter des Vigvarupa, um eine Gunst: (13 209.) „Du, Schwester! dein Sohn da vom Tvashtar, der dreikopfige Vigvarupa, hat als Hauspriester der Gotter den Gottern ihren Opferanteil vor aller Augen gegeben, uns aber nur heimlich, und nun gedeihen die Gotter, und wir nehmen ab; darum sollst du ihn dazu anhalten, dafs er auch uns zufriedenstellt."

30. Da sprach zu ViQvarupa, der sich in den Nandana- wald begeben hatte, seine Mutter : „Mein Sohn, warum fdrderst du die Partei der Gegner und schadigst die Partei deiner Oheime? Das mufst du nicht tun!" Da iiberlegte Vigvarupa, dafs er dem Befehl seiner Mutter nicht ungehorsam sein diirfe, verneigte sich vor dem [anwesenden] Hiranyakagipu und ging von dannen.

31. Darum wurde Hiranyakagipu von Vasishtha, dem Sohne des Hiranyagarbha , verflucht: (13210.) Weil du [an meiner Statt] einen andern Priester [den Vigvarupa] erwahlt hast, darum soil dein Opfer nicht gelingen, und du sollst von einer ndch nicht dagewesenen Art von Wesen [dem Mannlowen] getotet werden." Und infolge dieses Fluches ist HiranyakaQipu getotet worden.

32. (13211.) Nun ergab sich Vigvarupa, um die Partei seiner Mutter zu starken, iibermafsiger Askese. Da beauftragte Indra viele schone Apsarasen, ihn in seinem Geliibde zu storen. Als ViQvarupa diese sah, wurde sein Geist verwirrt, und es dauerte nicht lange, da hing er sein Herz an jene Apsarasen. Als die Apsarasen sahen, dafs er sein Herz an sie gehangt hatte, sprachen sie: „Jetzt konnen wir hingehen, woher wir ge- kommen sind."

Adhyaya 344 (B. 342). 805

33. Zu ihnen sprach der Sohn des Tvashtar: „Wohin wollt ihr gehen? Bleibt doch! bei mir sollt ihr's gut haben." Sie aber entgegneten ihm : „Wir Apsarasen sind Gotterweiber und Ziehen es von jeher vor, bei dem machtigen Indra, dem gabenspendenden Gotte, zu weilen."

34. Da sprach Vigvarupa zu ihnen : „Von heute ab sollen Indra und alle Gotter nicht mehr sein!" Da murmelte er Mantra's, durch diese Mantra's erstarkte der Dreikopfige, und mit dem einen Munde trank er den in alien Welten von den werkfrommen Zwiegeborenen bei den Opfern gebiihrend dargebrachten Soma aus, mit dem andern afs er alle Opfer- speise, und mit dem dritten woUte er die Gotter nebst Indra verschlingen. Als aber Indra sah, wie Vigvarupa an alien Gliedern durch das Somatrinken erstarkt war, da geriet er mit alien Gottern in Sorge,

35. und die Gotter mit Indra an der Spitze gingen zu Gott Brahman (13212.) und sprachen: „Von Vigvarupa wird der bei alien Opfern wohldargebrachte Soma getrunken, und wir gehen leer aus, die Partei der Asura's gedeiht, und wir nehmen ab, darum mogest du ungesaumt anordnen, was zu unserm Heile dient."

36. Zu ihnen sprach Gott Brahman : „Ein Kishi aus dem Stamme des Bhrigu mit Namen Dadhica iibt Askese, den bittet um eine Gunst und richtet es so ein, dafs er euch als Gunst gewahrt, euch seinen Leib zu iiberlassen; aus seinen Knochen verfertigt den Donnerkeil."

37. Da gingen die Gotter dorthin, wo der heilige Kishi Dadhica seine Askese iibte. Dort angekommen, sprachen die Gotter mit Indra an der Spitze zu ihm: „0 Heiliger, moge deine Askese gliicklich und ungestort sein!"

38. (13 213.) Ihnen erwiderte Dadhica: „Seid willkommen! sagt, was ihr begehrt! was ihr auch sagen mogt, ich werde es tun."

39. Sie sprachen zu ihm: „Du mogest, o Heiliger, zum Heile der Welt deinen Leib aufgeben."

40. Da geschah es, dafs Dadhica ihrem Wunsche gemafs, ohne aus der Fassung zu geraten und als grofser Yogin Lust

806 III. Mokshadharma.

und Schmerz fiir gleich achtend, sich konzentrierte und seinen Leib aufgab.

41. Nach dessen Eingang zum hochsten Atman sammelte der Schopfer seine Gebeine und machte daraus den Donner- keil. Mit diesem unzerbrechlichen , unwiderstehlichen, von Brahman aus Gebeinen gebildeten, von Vishnu beseeUen Donnerkeil totete Indra den Vigvarupa, schlug ihm seine Kopfe ab, und gleich darauf wurde auch der bei der Zer- malmung der Knochen des Vigvarupa aus diesem Tvashtar- sohn entstandene feindhche Vritra von Indra erschlagen.

42. Angesichts dieses zweifachen Brahmanenmordes Hefs Indra aus Furcht seine Gotterherrschaft im Stiche und fliich- tete zu einer wassergeborenen , kiihlenden, im See Manasa wachsenden Lotosblume, machte sich kraft seines gottherr- hchen Yoga atomklein und verkroch sich in das Knollen- gewebe der Lotosblume.

43. (13 214.) Als nun der Herr der Dreiwelt und Gatte der Qaci aus Furcht vor den Folgen des Brahmanenmordes ver- schwunden war, war die Welt ohne Herrscher; Rajas und Tamas iiberfielen die Gotter, die Hymnen der grofsen Rishi's waren nicht mehr in TJbung, die Kobolde zeigten sich offent- lich, der Veda geriet in Verfall und die ohne Indra kraft- losen Wei ten waren leicht zu iiberwinden.

44. Da salbten die Gotter und Rishi's einen Sohn des Ayus mit Namen Nahusha zum Gotterkonig, und Nahusha, geschmiickt mit fiinfhundert seine Stirn umfunkelnden Lich- tern, welche jeden andern Glanz verdunkelten, iibernahm die Regierung des Dreihimmels.

45. Da kamen die Wei ten wieder in ihre natiirliche Ver- fassung, waren wohlgefestigt und gediehen.

46. Da sprach Nahusha: „Alles, was ehedem (Jakra ge- nofs, ist mir zugefallen, nur nicht die Qaci." So sagte er, begab sich zur (^aci und sprach zu ihr: „0 Holde! Icli bin jetzt Indra, der Fiirst der Gotter, liebe mich !" Ihm erwiderte die Qaci: „Du, von Natur ein Freund der Gesetzlichkeit und aus dem Mondgeschlechte entsprungen, solltest nicht nach der Gattin eines andern trachten."

Adhyaya 344 (B. 342). 807

47. Nahusha versetzte: „Ich habe die Stellung des India in Besitz genommen, und ich habe Anspruch auf alle Kleinodien im Reiche des Indra, dabei ist kein Unrecht, und auch du hast dem Indra angehort." Sie erwiderte: „rch habe ein Ge- liibde auf mich genommen, welches noch nicht vollendet ist; nach dessen Schlufsbad werde ich zu dir kommen, also in einigen Tagen." So von der Qslci beschieden, ging er von dannen.

48. Da wandte sich Qaci, von Schmerz und Kummer gequalt, nach dem Gatten sich sehnend und von Furcht vor dem Nahusha ergriffen, an den Brihaspati, und dieser, als er sie so aufgeregt sah, verfiel in Nachdenken, und erkennend, dafs sie die Sache ihres Gatten iiber alles hochhielt, sprach er zu ihr: (13215.) „Da du deinem Geliibde und deiner Askese so treu bist, so magst du die gabenspendende Gottin Upa- gruti [Erhorung, vgl. die Parallele Mahabh. V, Vers 426] an- rufen, die wird dir den Indra zeigen." Da rief sie, in grofser Selbstbezahmung beharrend, mit Mantra's die gabenspendende Gottin UpaQiuti an. Da erschien der Qaci die Upagruti und sprach zu ihr : „Hier bin ich, auf deinen Ruf herbeigekommen, welchen Wunsch soil ich dir erfiillen?" Qaci neigte ihr Haupt und sprach: „0 Heilige, du bist wahr und gerecht, lafs mich meinen Gatten sehen!" Da fiihrte die Upa(?ruti sie zum See Manasa (13216.) und liefs sie dort den Indra sehen, wie er in dem Knollengewebe einer Lotosblume versteckt war.

49. Als Indra seine Gattin abgemagert und welk vor sich sah, dachte er voll Kummer: „Ach, welch ein Leid ist iiber mich gekommen, da meine Gattin, von Schmerz gequalt, bis hierher gekommen ist, um mich, den Verlorenen, zu suchen." Und Indra sprach zu ihr: „Wie geht es dir?" Sie antwortete: „Nahusha fordert mich auf, seine Gattin zu werden, und ich habe ihm eine Frist gesetzt." Indra entgegnete: „Gehe und sprich zu Nahusha: In einer noch nicht dagewesenen Weise soUst du mich heimfiihren, auf einem Wagen sitzend, der von Rishi's gezogen wird. Indra hatte grofse, herzerfreuende Wagen, auf denen ich gefahren bin, du mufst auf einem neuen zu mir kommen." Nach diesen Worten ging sie freudig von dannen, und Indra kroch wieder in seinen LotosknoUen hinein.

808 III. Mokshadharma.

50. Als Nahusha die Indragattin herbeikommen sah, sprach er zu ihr: „Die gesetzte Frist ist um." Qaci ant- wortete ihm, wie Qakra (Indra) ihr geraten hatte. Da bestieg Nahusha einen mit grofsen Rishi's bespannten Wagen und fuhr zur Qaci.

51. Da sah der Sohn des Mitra-Varuna, der topfgeborene, grofse Rishi Agastya, wie diese grofsen Rishi's von Nahusha entwiirdigt wurden, und er trat ihn [Nahusha den Agastya, vgl. Mahabh. Ill, 12525. XIII, 4794] mit den Fiifsen. Da sprach er zu Nahusha : „Du, der du dich zu dieser Untat hast verleiten lassen, sollst in die Erde fahren und als Schlange leben, solange Erde und Berge stehen." Kaum hatte der grofse Rishi dieses Wort gesprochen, da stiirzte jener vom Wagen herab.

52. Und abermals war die Dreiwelt ohne Beherrscher. (13217.) Da gingen die Gotter und Rishi's den heihgen Vishnu wegen des Indra um Hilfe an und sprachen zu ihm : „0 Hei- liger, den Indra, auf dem der Fluch der Brahmanentotung lastet, mogest du retten." Da sprach der Gabenspender zu ihnen: „Der (^akra mufs ein [mir] dem Vishnu geweihtes Rofsopfer darbringen, dann wird er seine Stellung wieder- erlangen." Als darauf die Gotter und Rishi's den Indra nicht fmden konnten, sprachen sie zur Qaci: „Gehe, o Holde, und bringe den Indra her!" Da begab sie sich wiederum zu jenem See, und Indra stieg aus dem See heraus und ging zu Brihaspati. Da brachte Brihaspati ein grofses Rofsopfer im Namen des Qakra dar, und indem er ein scheckiges, opferwiirdiges Rofs frei weiden liefs und es dann zum Siihne- mittel machte, setzte Brihaspati den Indra, den Herrn der Marut's, wieder in seine Stelle ein.

53. So wurde der von Gottern und Rishi's gepriesene, den Dreihimmel bewohnende Gotterkonig von seiner Schuld befreit, die Brahmavadhya aber (die Siinde des Brahmanen- mordes) verteilte er auf vier Sitze, auf die Weiber, das Feuer, die Baume und die Kiihe. (13218.) So geschah es, dafs Indra, gestarkt durch Brahmankraft und -macht, die Feinde nieder- schlug und seine Stellung behauptete,

54. Als einst der grofse Rishi Bharadvaja zur Himmels- ganga gegangen war, um Wasser zu schopfen, kam ihm der

Adhy^ya SU (B. 342). 809

seine drei Schritte machende Vishnu zu nahe und wurde von Bharadvaja mit der nassen Faust auf die Brust geschlagen, so dafs er ein Mai auf der Brust davontrug.

55. Von dem grofsen Rishi Bhrigu wurde Agni durch einen Fluch dazu verurteilt, alles zu verzehren.

56. Aditi hatte einstmals fiir die Gotter eine Speise ge- kocht, (13 219.) indem sie dachte: diese Speise genossen habend, werden sie die Damonen iiberwinden. Nun kam Budha nach Beendigung seines Fastengeliibdes hinzu und sprach zur Aditi : „Gib mir zu essen!" Aditi aber sagte sich, dafs die Gotter zuerst davon essen miifsten und kein anderer, und gab ihm nichts. Wegen dieser Verweigerung der Bettelspeise ziirnte Budha, der ein Brahmane war, und sprach iiber die Aditi den Fluch aus, dafs in ihrem Leibe eine Zerbrechung des den Namen Ei fiihrenden Vivasvant behufs seiner zweiten Geburt [die ihm als Vogel zukam] stattfmden werde. Infolge- dessen wurde das Ei fandaj in der Mutter Aditi zerstort fmdritaj ^ und Vivasvant, als Mdrtanda (Sonnenvogel) ge- boren, wurde ein Gott der Totenspende.

57. Daksha hatte sechzig Tochter, von den en gab er dreizehn dem Kagyapa zur Ehe, zehn dem Dharma, zehn dem Manu und siebenundzwanzig dem Monde. Unter diesen sieben- undzwanzig, welche gleichberechtigt waren und nach den Nakshatra's [Mondhausern, vgl. Sechzig Upanishad's, S. 340 A.] benannt waren, war Soma (der Mond) besonders verliebt in die Rohini. Dariiber waren die iibrigen Gattinnen eifersiichtig, gingen zu ihrem Vater und brachten die Sache zur Anzeige : „0 Heiliger, wir sind doch alle gleich an Wiirde, aber Soma liebt die Rohini mehr als uns." Er sprach: „Dafur soil ihn die Auszehrung befallen." Infolge dieses Fluches des Daksha befiel den Konig Soma die Auszehrung. Von der Auszehrung befallen, ging er zu Daksha; der sprach zu ihm: „Du bist nicht gerecht fsamo/'' daher haben ihn die Rishi' s Soma genannt (13220.) „darum schwindest du durch Auszehrung hin. Im westlichen Ozean ist der heilige Badeplatz Hiranya- saras (Goldsee). Dorthin gehe und bade dich." Damit ging Soma, begab sich zu dem heiligen Badeplatz Hiranyasaras und vollzog Waschungen. (13 221.) Indem er badete, befreite

810 HI. Mokshadharma.

er sich von seinem Ubel. Und weil Soma an diesem heiligen Badeplatze seinen Glanz wieder erhalten hatte, wurde seit jener Zeit dieser heilige Badeplatz Prabhasam (Glanz) genannt.

58. Aber infolge des Finches nimmt auch heute noch der Mond ab bis zur Neumondsnacht, und auch wenn er zur Vollmondsnacht gelangt ist, zeigt er seine Gestalt als iiber- deckt mit einem Wolkenstreifen , nimmt ein wolkenahnliches Aussehen an und seine Fleckenlosigkeit wird durch das Hasenzeichen [unsern Mann im Monde] getriibt.

59. Sthulagiras, der grofse Rishi, betrieb in der nord- ostlichen Gegend des Meru seine Askese. Da kam ein alle Diifte mit sich fiihrender reiner Wind und beriihrte mit seinem Wehen den Korper des von Askese Erhitzten, so dafs er, der durch die Askese gequalt und abgemagert war, durch die Fachelung des Windes in seinem Herzen sehr erquickt wurde. (13222.) Als nun die Baume sahen, wie er durch die Fache- lung des Windes erfreut war, da entfalteten auch sie vor ihm alsbald die Schonheit ihrer Bliiten. Darum verfluchte er sie und sprach : „Von nun an sollt ihr nicht zu jeder Zeit Bliiten tragen."

60. Narayana war einst um des Heiles der Welt willen zu einem grofsen Rishi mit Namen Vadavamukha (Stuten- mund) geworden. Als dieser auf dem Meru Askese iibte, rief er den Ozean an [ihn zu kiihlen], dieser aber wollte nicht kommen. Da wurden von dem Ungehaltenen, von Korper- hitze Gequalten die Wasser des Ozeans schwerfliissig gemacht, indem auch der Ozean in einen der Schweifsabsonderung [des Rishi] ahnlichen Zustand der Salzigkeit versetzt wurde.

61. Und der Rishi sprach zu ihm: „Untrinkbar sollst du sein, und nur dann, wenn ich als Vadavamukha [ein mythi- sches Feuer auf dem Meeresgrunde] dein Wasser trinken will, soil es siifs schmecken. Darum trinkt auch heute noch der [von Narayana] abhangige Vadavamukha das Wasser aus dem Ozean.

62. Rudra liebte ein Madchen, die Uma, Tochter des Gebirges Himalaya. (13223.) Da kam der grofse Rishi Bhrigu zum Himalaya und sprach: „Gib mir das Madchen zur Frau." Himalaya sprach : „Rudra ist fiir sie zum Gemahl ausersehen."

Adhyaya 344 (B. 342). 811

Da sprach Bhrigu : ,,\Veil ich von dir, nachdem ich meine Nei- gung auf die Wahl des Madchens gerichtet hatte, verschmaht worden bin, darum sollst du keine Perlen in dir enthalten."

63. Und bis auf den heutigen Tag ist das Wort des Rishi in Giiltigkeit geblieben. So grofs ist die Macht der Brahmanen!

64. Und der Kshatriya hat nur durch die Gnade der Brahmanen die ewige, unvergangHche Erde als Gattin er- langt und genossen.

65. Was aber die Agni und Soma seiende Brahmanen- kaste betrifft, so wird durch sie die ganze Welt der Leben- den getragen.

66. (13 224.) Es heifst ja: Sonne und Mond sind seine Augen, die Sonnenstrahlen seine Haare ("kegdhj, die Welt er- weckend und erwarmend, steht er von ihr gesondert da.

67. (13225.) Weil durch dieses Erwecken und Erwarmen der Welt vermittelst dieser von Agni und Soma gewirkten Werke Freude fJiarshanamJ entsteht, o Pandusprofs, (13226.) werde ich HrisMJcega genannt, ich, der Herr, der Gabenspender, der Forderer der Welt.

68. Weil ich aus Anlafs des zur Labung Dargebrachten bei den Opfern meinen Anteil nehme fJiareJ, (13 227.) und weil meine Farbe ein herrliches Gelbgriin (harij ist, darum werde ich Hari genannt.

69. Als die beste Zuflucht fdhdmanj der Wesen und als das wohldurchdachte Recht fritamj (13228.) werde ich von den Priestern Tag fiir Tag als Ritadhdman gefeiert.

70. Weil ich einstens die versunkene und verborgene Erde [auch go^ die Kuh, genannt] wiedergewann (avindamj^ (13 229.) darum werde ich von Gottern mit Hymnen als Govinda gepriesen.

71. Weil einer, der seine Haare verliert, Qipivishta heifst, (13 230.) und weil alles Vorhandene von ihm [dem Vishnu mit seinen Haaren, d. h. Strahlen] durchdrungen (dvishtamj ist, darum heifst er Qipivislita.

72. Der Rishi Yaska hat mich mit Hingebung bei vielen Opfern besungen (i323i.) als (^ipivishta, darum trage ich diesen geheimnisvollen Namen.

812 III. Mokshadharma.

73. Und weil der hochsinnige Rishi Yaska mich als ^ipivishta gepriesen hat, (13232.) hat er durch meine Gnade das in der Tiefe versunkene Niruktam erhalten,

74. Weil ich nie geboren wurde oder geboren werde, oder je werde geboren werden, (13233.) da ich der Kshetrajfia aller Wesen bin, darum werde ich Aja (der Ungeborene) genannt.

75. Niemals ist von mir etwas Gemeines oder Unreines ausgesprochen worden, (13234.) die rechtschaffene Tochter Brah- man's, die wahrhafte fsatyaj Gottin Sarasvati, weilt in mir;

76. auch ist, o Kuntisohn, das Seiende fsatj und das Nichtseiende fasatj von mir in meinem Selbste geborgen, (13 235.) in der Lotosblume als dem Sitze fsadanamj des Gottes Brahman, darum kennen mich die Rishi's als Satya (den Wahrhaftigen).

77. Von der Wahrheit fsattvamj bin ich von jeher nicht abgewichen, die Wahrheit, wisse, ist von mir geschaffen; (13 236.) werde ich hienieden geboren, so ist die uranfangliche Wahrheit in mir gegenwartig, 0 Gutgewinner.

78. Wunschlosen Werken hingegeben und nicht befleckt an meiner Wahrheit, (13237.) so werde ich durch das Satvata- wissen erkannt von den Satvant's, darum heifse ich Sdtvata.

79. Weil ich, o Prithasohn, die Erde pfliige (krisJidmiJ als der grofse Eiserne fhdrshndyasaj, (13 238.) und weil ich an Farbe schwarz fkrishnaj bin, darum heifse ich "Krishna^ o Arjuna.

80. Weil durch mich die Erde mit dem Wasser, der Luftraum mit dem Winde (13239.) und der Wind mit dem Feuer gemischt wird [im Pancikaranam], darum heifse ich Vaikuntha. [Mit vi, Vogel, soil auf Wind, Feuer, Wasser an- gespielt, mit ku die Erde, mit tha der Ather bezeichnet sein, Nil.].

81. Das Nirvanam ist das hochste Brahman und wird als die hochste Satzung bezeichnet; (13240.) weil ich an ihm von jeher unerschiitterlich facyutaj festgehalten habe, heifse ich wegen dieses Tuns Acyuta.

82. Beide, die Erde und der Luftraum, erstrecken sich nach allerwarts; (13241.) weil ich beide trage, werde ich mit Fug als AdhoksJiaja (unter der Weltachse geboren)

Adhyaya 341 (B. 342). 813

83. erklart; die Vedawissenden [vidushah Nom. !) und den Sinn der Vedaworte Uberdenkenden, (13 242.) sie besingen mich an der Opferstatte als Adhohshaja.

84. Dieses wird von den hochsten Eishi's einstimmig aus- gesprochen, (13243.) dafs es keinen andern Adhokshaja in der Welt gibt, als den heiligen Herrn Narayana.

85. Weil die Schmelzbutter fgJiritamJ meines Glanzes (arcisj das Leben der Geschopfe erhalt, (13244.) darum werde ich von tiefsinnigen Vedakennern Ghritdrcis genannt.

86. Drei (trij Grundstoffe (dhdtuj gibt es [im Menschen], welche auf seinen [vormaligen] Werken beruhen : (13245.) Galle, Schleim und Wind; das wird das Aggregat genannt.

87. Durch diese wird der Mensch erhalten, und wenn diese vergehen, vergeht er. (13 246.) Darum nennen mich die Kenner der vedischen Heilkunde Tridhdtu.

88. Als mannhaft (vrishaj wird das heilige Recht in der Welt bezeichnet, o Bharata, (13247.) darum, das sollst du wissen, heilse ich in der Wortsammlung Naighantukam, der hochste Vrislia.

89. Auch der Affe (hapij, der Eber, der Beste und das Recht werden mannhaft fvrisJiaJ genannt, (13248.) darum hat der Schopferherr Kagyapa mich VrishdJcapi (den Mannaffen) genannt.

90. * (13 249.) Keinen Anfang, keine Mitte und kein Ende kennen an mir jemals weder Gotter noch Damonen; denn als der Anfanglose, Mittelose, Endlose, werde ich besungen als der machtige Herr und das Auge der Welt.

91. (13250.) Weil ich nur reine fgucij Worte hienieden ver- nehme ("grty, 0 Gutgewinner, und keine schlechten annehme^ darum heifse ich Qucigravas.

92. (13251.) Weil ich als der heilbringende Eber mit dem einen Hauzahn {ehagringaj ehedem diese Erde aufgewiihlt habe, darum heifse ich Ehagringa.

93. (13 252.) Auch war ich damals in der Gestalt des Ebers mit drei Hockern versehen ftrikaliudaj, daher wurde ich wegen dieser Gestaltung meines Korpers TriTiokud genannt.

* Metrum: Bhujangaprayatam.

814 III. Mokshadharma.

94. (13 253.) Was von den die Kapilalehre mit Verstandnis durchdenkenden Virnica genannt wird, dieser Weltschbpfer bin ich, weil ich durch meine Gedanken die ganze Welt her- vorgebracht habe.

95. (13 254.) Als den ewigen, in der Sonne weilenden Wissenschaftstrager [den Hiranyagarbha] nennen mich die zur Gewifsheit durchgedrungenen Saiikhyalehrer Kapila.

96. (13 255.) Als der, welcher als der glanzvolle Hiranya- garbha im Veda gepriesen und allezeit von den Yoga's ver- ehrt wird, als dieser werde ich in der Welt gefeiert.

97. (13 256.) Mich bezeichnen Vedakenner als den einund- zwanzigtausend [Verse] umfassenden Rigveda, mich als den in tausend Qakha's (Vedaschulen) verbreiteten Samaveda.

98. (13 257.) Mich auch besingen'jene mir ergebenen seltenen Brahmanen in ihrem Aranyakam. Als die sechsundfiinfzig und acht und siebenunddreifsig

99. (13258.) Qakha's in dem dem Adhvaryu angehorenden Yajurveda werde ich gefeiert. Als den fiinf Kalpa's um- fassenden und durch Zauberkiinste verstarkten Atharvaveda

100. (13 259.) verwenden mich auch die der Atharvalieder kundigen Priester. Alle die verschiedenen Qakha's und alle in den Qakha's gebrauchlichen Lieder

101. (13 260.) nach Akzenten und Aussprache der Laute, diese alle wisse als von mir geschaffen. Und jenes gaben- verleihende Rofshaupt, o Prithasohn, welches aufsteigt [aus dem Milchmeere]

102. (13 261.) in der nordhchen Gegend, das bin ich, der Kenner der Einteilung [der vedischen Hymnen] nach Wort- reihen {kramaj und Silben. Auf dem von Varna [nach Nil. Vamadeva, wohl == Qiva] gewiesenen Wege wurde durch meine Gnade von dem hochsinnigen

103. (13 262.) Pancala der Kramapatha empfangen als Ge- schenk jenes ewigen Wesens [des Rofshauptes] ; er, der in dem Geschlecht der Babhravya's glanzte, hat zuerst den Kramapatha durchgefiihrt,

104. (13263.) nachdem er ihn von Narayana erhalten hatte nach Erlangung des hochsten Yoga, so dafs er den Kramapatha verbreitete und auch die ^iksha verbreiten liefs, er, der Galava.

Adhyaya 344 (B. 342). 815

105. (13264.) Ferner auch der glorreiche Konig Brahma- datta Kandarika [nach Nil. ; Harivanga 1256 fg. sind es zwei Personen], nachdem er das Leiden durch Geburt und Tod immer wieder und wieder iiberdacht hatte,

106. (13 265.) sieben Geburten hindurch, gelangte wegen seiner Vorziiglichkeit zu der Gliickseligkeit der Yoga's. Einst- mals wurde ich auf einen besondern Anlafs bin beriihmt, o Prithasprofs, als der Sohn

107. (13 266.) des Dharma, deshalb heifse ich, o Kurutiger, Dharmaja. Nara und Narayana [in denen beiden ich ver- korpert war] iibten vordem unverganghche Askese,

108. (13 267.) indem sie den Weg der Pflicht einhielten auf dem Berge Gandhamadana (duftberauschend). Um diese Zeit fand auch das Opfer des Daksha statt (oben, S. 511 fg.).

109. (13268.) Dabei hatte Daksha dem Rudra keinen An- teil bestimmt, o Bharata, weshalb dieser auf Anstiften des Dadhici das Opfer des Daksha storte,

110. (13 269.) indem er im Zorn wiederholt seinen gliihen- den Wurfspiefs schleuderte, welcher das Opfer des Daksha mit allem Zubehor in Asche verwandelte.

111. (13 270.) Nun kam der Wurfspiefs plotzlich auf uns zu in die Badari-Einsiedelei geflogen und traf mit machtigem Anprall die Brust des Narayana, o Prithasohn.

112. (13271.) Darauf nahmen die Haupthaare fhe^aj des Narayana infolge der Glut des Wurfspiefses die Farbe des Munjagrases an; darum heifse ich MtmjaJccga (muiijagras- haarig).

113. (13 272.) Dieser mit machtigem Sausen geschleuderte Wurfspiefs kehrte, von Narayana zuriickgeschnellt, in die Hand des Qahkara (Qiva) zuriick.

114. (13 273.) Da rannte Rudra gegen jene beiden in Askese begriffenen Rishi's an, aber ihn, wie er heranstiirmte, packte am Halse mit der Hand

115. (13274.) Narayana, der allbeseelende, darum fiihrt (^^iva den Namen Qitikantha (Blauhals, vgl. oben. Vers 13206). Nun raufte Nara, um den Rudra niederzuschlagen, einen Halm aus

116. (13275.) und besprach ihn alsbald mit Mantra's, da ward er zu einer grofsen Axt fparaguj. Diese schleuderte er

816 III. Moksliadharma.

mit solcher Gewalt gegen den Rudra, dafs sie in Stucke (IdiandamJ brach,

117. (13 276.) darum heifse ich Khandaparagu, weil die Axt in Stiicke gebrochen war.

Arjuna sprach:

(13277.) 0 Varshneya, wer hat bei diesem Kampfe, welcher die Dreiwelt hatte vernichten konnen,

118. den Sieg davongetragen ? Das berichte mir, o Heim- sucher der Menschen.

Der Heilige sprach:

(13 278.) Als diese beiden, Rudra und Narayana, im Kampfe handgemein geworden waren,

119. da gerieten jahlings alle Welten insgesamt in Ver- wirrung: (13 279.) das Feuer wollte bei den Opferfesten die wohldargebrachte Opferspeise nicht verzehren,

120. die im Geiste bereiteten Rishi's konnten sich nicht auf die Veden besinnen, (13280.) Rajas und Tamas drangen in die Gotter ein,

121. die Erde erbebte, der Himmel zerbarst, (13281.) die Sterne verloren ihren Glanz, Gott Brahman geriet auf seinem Sitze ins Schwanken,

122. der Ozean vertrocknete und der Himalaya zerrifs. (13282.) Auf diese Anzeichen bin, o Pandusprofs,

123. begab sich Gott Brahman, von den Gotterscharen und den hochsinnigen Rishi's umgeben, (13 283.) alsbald in jene Gegend, wo der Kampf tobte.

124. Und mit ausgestreckten hohlen Handen sprach der Vierangesichtige, im Unaussprechlichen Weilende (13284.) zu Rudra das Wort: Heil moge den Welten widerfahren!

125. Strecke die Waffen, o Allherr, aus Liebe fiir das Wohl der Welt. (13 285.) Denn was jenes Unvergangliche, Un- offenbare, Gottherrliche, Weltbildende,

126. Allerhochste, Wirkende, Gegensatzfreie ist, was sie auch als den Nichtwirkenden bezeichnen, (13286.) das erscheint, zur Entfaltung gelangt, als diese eine schone Gestalt.

127. Als Nara und Narayana, welche im Hause des

Adhyaya 3-44 (B. 342). 817

Dharma geboren wurden (13 287.) als grofser Askese teilhaftige, Starke Geliibde befolgende, beste Gotter, entfaltet es sich.

128. Ich bin aus ihrer Gnade geboren bei einem be- stimmten Anlafs, (13 288.) und du, o Freund, bist aus ihrem Zorne entstanden in einer friihern Schopfungsperiode zu ewiger Dauer.

129. Mit mir im Verein, o Gabenspender, mit den Gottern und den grofsen Rishi's (13289.) sohne dich alsbald mit jenem aus, und Friede moge sogleich den Welten werden.

130. Nach diesen Worten des Gottes Brahman liefs Rudra ab von dem Feuer seines Zornes, (13290.) sohnte sich mit dem machtigen Gotte Narayana aus und begab sich in den Schutz des uranf anglichen, liebenswerten, gabenspendenden Gottherrn.

131. (13291.) Da wurde der gabenspendende, iiber den Zorn erhabene, seine Sinne beherrschende Gott von Freude erfiillt, als er mit dem Rudra wieder einig geworden war,

132. (13292.) und von den Rishi's, von Gott Brahman und von den Gottern hochgeehrt, sprach zu dem gottlichen Herr- scher (Rudra) der Herrscher der Welt, Hari :

13P*^ (13 293.) Wer dich kennt, der kennt mich, wer dir anhangt, der hangt mir an. Kein Unterschied ist zwischen uns beiden, mogest du nie anders denken.

133. (13 294.) Von nun an soil das Abzeichen (Jrivatsa als Mai deines Speeres an mir zu sehen sein, und du sollst, von meiner Hand gezeichnet, den Namen Crikantha (Schonhals) tragen.

Der Heilige [Krishna als der Erzahler] sprach:

134. (13 295.) Nachdem sie in dieser Weise sich gegen- seitig gezeichnet batten und nachdem die beiden Rishi's (Nara und Narayana) mit Rudra einen unvergleichlichen Freund- schaftsbund geschlossen batten,

135. (13296.) entliefsen sie die Himmelsbewohner und gaben sich wieder mit ungeteiltem Geiste der Askese bin. Damit babe ich dir, o Prithasohn, den Sieg des Narayana im Kampfe erzahlt,

136. (13297.) und auch die geheimnisvollen , unsagbaren Namen, o Bharata, welche ihm von den Rishi's beigelegt worden sind, habe ich dir mitgeteilt.

Detjsseh, Mahabh&ratam. 52

818 ni. Mokshadharma.

137. (13298.) So durchwandle ich in mancherlei Gestalten die Erde hier sowie die Brahmanwelt , o Kuntisohn, und die Goloha (Welt der Kiihe, Krishna's Himmel) genannte ewige Statte.

138. (13 299.) Von mir bist du [o Arjuna] im Kampfe be- schiitzt worden und hast den grofsen Sieg errungen. Aber jener, der *dir voranzog, als der Kampf entbrannt war,

139. (13300.) das ist Rudra, der muschelhaarige Gottergott, das sollst du wissen, o Kuntisohn; er wird auch Kala (die vernichtende Zeit) genannt und ist aus meinem Zorn ent- sprungen, wie ich dir erzahlt habe.

140. (13 301.) Von ihm sind die Feinde getotet worden, welche du vordem erschlagen hast ; ihn, den unermefslich machtigen Gottergott, den Gemahl der Uma, (13302.) verehre als Gott mit Hingebung, den Herrn des Alls, den unverganghchen Hara.

141. Und ihm, von dem ich dir wiederholt erklart habe, dafs er aus meinem Zorn entsprungen ist, (13303.) gehort die Macht an, nach dem, was du vorher gehort hast, o Gutgewinner.

So lautet im Mokshadharma die Geachichte vom Narayana (Ndrdyaniyam).

Adhyaya 345 (B. 343).

Vers 13304-13370 (B. l-dT).

Qaunaka sprach ;

1. (13 304.) 0 Sauti, da hast du eine grofse Geschichte er- zahlt, bei deren Anhoren alle die Muni's in die hochste Ver- wunderung versetzt worden sind.

2. (13 305.) Das Durchmachen aller Lebensstadien, das Baden in alien heiligen Badeplatzen ist nicht so frucht- bringend, o Sauti, wie die Erzahlung vom Narayana.

3. (13306.) Wir sind gelautert worden an alien Gliedern, nachdem wir von Anfang an diese auf Narayana beziigliche heilige, von allem Bosen befreiende Erzahlung angehort haben.

4. (13307.) Schwer zu schauen ist der heilige, von aller Welt verehrte Gott von alien Gottern nebst Gott Brahman und von den grofsen Rishi's.

Adhy&ya 345 (B. 343). 819

5. (13308.) Und dafs Narada den Gott Hari Narayana ge- schaut hat, wahrlich, das ist eine besondere Gnadenbezeigung jenes Gottes, o Sohn des Suta.

6. (13309.) Dafs aber Narada, nachdem er den Herrn der Welt in Gestalt des Aniruddha gesehen hatte, wieder zuriick- geeilt ist, um die beiden trefflichen Gotter

7. (13310.) Nara und Narayana zu schauen, davon teile mir die Ursache mit.

Sauti sprach: (13311.) Als jenes Opfer des Konigs [Janamejaya] , des Sohnes des Parikshit, stattfand,

8. und wahrend die iibrigen Zeremonien vorschrifts- mafsig vonstatten gingen, o (^aunaka, (13312.) geschah es, dafs den machtigen Vyasa, den vedafesten Weisen Krishna Dvai- payana,

9. der Fiirst der Konige [Janamejaya] befragte, ihn, den Urgrofsvater seines Grofsvaters.

Janamejaya sprach : (13313.) Als der Gotterweise Narada aus (^vetadvipa zu- riickkehrte

10. und das Wort des heiligen Gottes iiberdachte, was hat er da weiter unternommen? (13314.) Als er in die Ein- siedelei Badari zuriickgekehrt war und dort die beiden Rishi's [Nara und Narayana] angetroffen hatte,

11. wie lange Zeit blieb er da bei ihnen, und wonach hat er sie noch gefragt? (13315.) Denn aus der ausfiihrlichen, hunderttausend Verse umfassenden Erzahlung von den Bha- rata's (aus dem Mahabharatam)

12. hat man durch Quirlung dieses unvergleichlichen Ozeans des Wissens mit dem Quirlstabe des Geistes (13316.) wie Butter aus der Milch, wie Sandelholz aus dem Malayagebirge,

13. wie das Aranyakam [mit seiner Upanishad] aus den Veden, wie das Amritam der Arzneien aus den Krautern, (13317.) das Amritam dieser Erzahlung herausgequirlt, 0 Brah- mane,

14. namlich die Erzahlung vom Narayana, welche du,

52*

820 in. Mokshadharma.

o Hort der Askese, mitgeteilt hast. (13318.) Er, der heilige Gott, ist der Herr, ist der Bildner des Selbstes aller Wesen.

15. 0 wie grofs ist die Kraft des Narayana, die schwer zu schauende, 0 Bester der Zwiegeborenen, (13319.) in welche am Ende des Kalpa eingehen alle Gotter mit Brahman an der Spitze,

16. die Rishi's und Gandharven mit allem Beweglichen und UnbewegHchen. (13320.) Kein hoheres Lauterungsmittel als ihn gibt es im Himmel und hienieden, so glaube ich.

17. Ja, wahriich, das Durchmachen aller Lebensstadien, das Baden in alien heiligen Badeplatzen (13321.) ist nicht so fruchtbringend wie die Erzahlung vom Narayana.

18. In jeder Weise sind wir gelautert worden, die wir diese Erzahlung von Anfang an angehort haben, (13322.) die Erzahlung von Hari, dem Herrn des Alls, welche alle Siinde tilgt.

19. Nichts Wunderbares ist es, was mein Vorfahr, der Gutgewinner Arjuna, damals ausrichtete, (13 323.) da er den Vasudeva als Gefahrten hatte, als er den hochsten Sieg errang.

20. Und nichts in alien drei Welten war unerreichbar fur ihn, so glaube ich, (13324.) weil Vishnu, der Herr der drei Welten, ihm Beistand leistete.

21. Und alle meine Vorfahren waren gliicklich, o Brah- mane, (13325.) welchen der Heimsucher der Menschen (Vishnu) zum Wohl und Heil verholfen hat.

22. Der von der Welt verehrte heilige Gott kann durch Askese wohl geschaut werden, (13326.) er, den sie vor Augen geschaut haben, das Mai Qrivatsa als Zierde tragend.

23. Aber gliicklicher als diese alle ist Narada, der Sohn des Parameshthin, (13327.) und ich weifs, dafs dieser Narada, der unvergangliche Weise, eine nicht geringe Macht besitzt,

24. von welchem, als er nach Qvetadvipa gekommen war, Hari selbst sich schauen liefs; (13328.) nur auf der Gnade des Gottes beruht ein solches leibhaftiges Schauen desselben.

25. Dafs Narada aber, nachdem er damals den Gott in der Erscheinungsform des Aniruddha gesehen hatte, (13329.) wieder zu der Einsiedelei Badari zuriickeilte,

Adhyaya 345 (B. 343). 821

26. um den Nara und Narayana zu sehen, welcher Grund hat ihn dazu veranlafst, o Muni? (13330.) Und als nun Narada, der Sohn des Parameshthin , von (^vetadvipa zuriickgekehrt

27. und zur Einsiedelei Badari gelangt, mit jenen beiden Rishi's zusammengetroffen war, (13331.) wie lange Zeit weilte er damals dort, und welche Fragen stellte er?

28. Und als jener Hochsinnige von ^vetadvipa zuriick- gekehrt war, (13332.) was sprachen da zu ihm die hochsinnigen Rishi's Nara und Narayana?

29. Das alles mogest du mir der Wahrheit gemafs er- zahlen.

Vai5amp&,yana spracli: (13333.) Verehrung sei jenem heiligen, unermefslich starken Vyasa,

30. durch dessen Gnade ich instand gesetzt worden bin, diese Erzahlung von Narayana mitzuteilen. (13334.) Nachdem er also zu der grofsen weifsen Insel gekommen war und dort den ewigen Hari geschaut hatte,

31. kehrte Narada zuriick, o Konig, und gelangte schnell zum Meru. (13335.) Wahrend er in seinem Herzen die Last dessen bewegte, was ihm der hochste Atman gesagt hatte,

32. bemachtigte sich alsbald seines Geistes eine grofse Erregung, o Konig. (13 336.) Als er von der langen Reise wohl- behalten zuriickgelangt war,

33. begab er sich von dem Meru weiter zu dem Berge Gandhamadana (13337.) und stieg eilend aus der Luft herab zu der geraumigen Einsiedelei Badari.

34. Dort erblickte er die beiden alten G otter, die besten Rishi's, (13 338.) wie sie machtige Askese iibten, im Atman fest und grofsen Geliibdes,

35. an Glanz der die ganze Welt bestrahlenden Sonne iiberlegen, (13339.) mit dem Male Qrivatsa geziert, verehrungs- wiirdig, Haarflechtenkranze tragend.

36. Ihre Fiifse und Hande waren mit Schwimmhauten versehen [als Abzeichen ihrer Gottlichkeit], ihre Sohlen trugen das Zeichen des Diskus, (13340.) durch breite Brust, lange Arme und vier Hoden zeichneten sie sich aus,

37. durch sechzig Zahne und acht Eckzahne, ihre Stimme

822 III. Mokshadharma.

glich dem Regengeprassel ; (i334i.) schonmundig, breitgestirnt, schonbrauig, schon an Kinnbacken und Nase waren sie;

38. Sonnenschirmen ahnlich waren die Haupter der beiden Gotter; (is 342.) so war das Aussehen der beiden, welche den Namen der grofsen Purusha's fiihren.

39. Bei ihrem Anblicke freute sich Narada, und von ihnen mit Ehrerbietung empfangen, (13343.) willkommen geheifsen und nach seinem Befmden befragt,

40. wurde er nachdenklich , als er die beiden hochsten Purusha's betrachtete. (13344.) Jenen versammelten, von alien "Wesen verehrten Mannern,

41. die ich in Qvetadvipa gesehen habe, gleichen an Aus- sehen diese beiden besten Rishi's; (13345.) so dachte er bei sich, umkreiste sie von rechts her

42. und setzte sich auf einem schonen Sitze aus KuQa- gras nieder. (13346.) Nachdem die beiden als Gefafse der Askese, des Ruhmes und der Kraft erscheinenden

43. Rishi's, von Ruhe und Bezahmung erfiillt, ihre Morgen- andacht beendet hatten, (13 347.) ehrten sie gesammelten Geistes den Narada mit Fufswasser und Gastspende,

44. erfiillten die taglichen Pflichten gegen den Gast und liefsen sich auf ihren Sitzen nieder. (13348.) Und wie sie so dasafsen, strahlte die ganze Gegend

45. wie die Opferstatte von den Opferfeuern, wenn sie durch einen Buttergufs hoch emporflammen. (13349.) Da rich- tete Narayana die Rede an Narada,

46. welcher, ermiidet und durch die Gastspende gelabt, sich behaglich niedergelassen hatte.

Nara und Narayana sprachen: (13 350.) Weilt auch jetzt noch der heilige, ewige, hochste Atman,

47. der Urquell unser beider, in Qvetadvipa, und hast du ihn dort gesehen?

Narada sprach:

(13351.) Wohl habe ich ihn gesehen, den seligen, all- gestaltigen, ewigen Purusha,

Adhyaya 345 (B. 343). 823

48. in welchem alle Welten ruhen mitsamt den Gottern und den Rishi's, (13352.) und auch heute sehe ich ihn, indem ich euch, ihr Ewigen, betrachte.

49. Denn die Merkmale, mit welchen der verborgen- gestaltige Hari geziert war, (13353.) dieselben Merkmale tragt auch ihr beiden in sichtbarer Gestalt an euch.

50. Schon dort sah ich euch neben jenem Gotte stehen, (13354.) und bin nun hierhergekommen, nachdem mich jener hochste Atman entlassen hat.

51. Wer konnte aber auch an Kraft, Ruhm und Schon- heit (13 355.) in den drei Welten jenem vergleichbar sein aufser euch beiden Sohnen des Dharma!

52. Er hat mir die vollstandige Satzung mitgeteilt, welche den Namen des Kshetrajna an sich tragt, (13356.) und auch seine Verkorperungen hat er mir aufgezahlt, in denen er kiinftig in der Welt erscheinen wird.

53. Jene weifsen, ohne die fiinf Sinnesorgane lebenden Manner, (13357.) welche alle erweckt und dem hochsten Purusha ergeben sind,

54. diese preisen allezeit den Gott, und er hat seine Freude in Gemeinschaft mit ihnen. (13 358.) Denn der von seinen Freunden verehrte und den Zwiegeborenen holde, hei- lige (hhagavdnj ^ hochste Atman

55. freut sich, wenn er gepriesen wird, und ist stets ein Freund der ihm ergebenen Bhagavata's. (13359.) Der all- geniefsende, allgegenwartige Gott Madhava, der Liebling seiner Verehrer,

56. dieser an Kraft und Glanz Ubermachtige ist Tater und Ursache und Wirkung zugleich. (133G0.) Er, der Hoch- beriihmte, ist der Grund und das Gesetz und das Wesen.

57. Wenn er sich zur Askese anschickt, dann strahlt noch heller als Qvetadvipa (1336I.) sein Glanz, der durch eigenes Licht leuchtet, wie es heifst (Brih. Up. 4,3,6).

58. Das ist der Friede, welcher von ihm bereiteten Geistes den drei Welten verliehen wurde; (13 362.) mit dieser schonen Erkenntnis hat er sein beharrendes Gelubde angetreten.

59. Nicht scheint dann die Sonne, nicht strahlt dann

824 in. Mokshadharma.

der Mond, (13 363.) nicht weht der Wind, wenn der Gotterherr seine schwere Askese iibt.

60. Auf einem Altar, acht Spannen hoch, erhebt sich iiber die Erde der Allschopfer, (13364.) er, der Gott, auf einem Fufse stehend, mit emporgereckten Armen, mit emporgericli- tetem Angesicht,

61. die Veden nebst Vedanga's durchgehend, so iibt er seine schwer zu vollbringende Askese. (13 365.) Was Gott Brahman und die Rishi's sind und was der Herr der Herden (^iva) selbst ist,

62. und die iibrigen besten Gotter, die Daitya's, Danava's und Rakshasa's, (13 366.) die Schlangen, Vogel und Gandharven, die Vollendeten und die Konigsweisen,

63. diese alle bringen das vorschriftsmafsig gespendete Gotter- und Manenopfer dar, und (13367.) das alles [naht] den Fiifsen des Gottes, wenn er [Askese iibend] dasteht.

64. Und alle Opfergaben, welche von allein ihm Ergebenen dargebracht werden, (13 368.) die alle nimmt der Gott selbst durch Neigen des Hauptes in Empfang.

65. Und kein anderer wird als ihm lieber von Erweck- ten, Hochsinnigen (13369.) gewufst in den drei Wei ten [als der ihm allein Hingegebene] ; darum bin ich zu dieser alleinigen Hingebung an ihn gelangt

66. und bin, von dem Hochsinnigen entlassen, hierher zuriickgekehrt. (13 370.) In dieser Weise hat der heilige Gott Hari selbst zu mir geredet,

67. und ihm allein ergeben, will ich immerdar in eurer Nahe verbleiben.

So lautet im Mokshadharma die Geschichte vom Nar^yana (Ndrdyaniyam).

Adhyaya 346 (B. 344).

Vers 13371-13398 (B. 1-27).

Nara und Narayana sprachen: 1. (13371.) Gluckhch bist du, begnadet bist du, dafs du den Herrn selbst geschaut hast, denn ihn hat noch keiner ge- sehen, nicht einmal der Lotosgeborene (Gott Brahman) selber.

Adhyaya 346 (B. 344). 825

2. (13 372.) Verborgenen Ursprungs und schwer zu schauen ist der heilige, hochste Purusha, o Narada, dieses unser Wort spricht die Wahrheit.

3. (13 373.) Keiner ist ihm lieber in der Welt als wer ihm ergeben ist, darum hat er dir sich selbst gezeigt, o Bester der Zwiegeborenen.

4. (13 374.) Denn der Ort, an welchem von dem hochsten Atman Askese geiibt wird, kann sonst von niemandem be- treten werden aufser uns beiden, o Bester der Zwiegeborenen.

5. (13375.) Denn so grofs der Glanz von tausend vereinigten Sonnen ist, so grofs ist der Glanz jener Statte, die er selbst bestrahlt.

6. (13 376.) Aus diesem Gotte, o Brahmane, als Herrn der Welt stammt das Weltall, stammt die Geduld der Geduldigen, o Bester, mit welcher die Erde ausgestattet ist.

7. (13 377.) Aus diesem, das Wohl aller Wesen wollenden Gotte stammt der Geschmack, mit ihm wurden die Wasser verbunden und erlangten zugleich die Fliissigkeit.

8. (13378.) Aus ihm ist ferner entstanden das Element, welches die Glut und das Licht als Eigenschaften an sich tragt, mit diesem wird die Sonne ausgestattet, darum strahlt sie im Weltraume.

9. (13 379.) Aus diesem Gotte, dem hochsten Purusha, stammt die Eigenschaft der Beriihrung, mit welcher der Wind ausgestattet wurde, darum durchbraust er die Welt.

10. (13380.) Aus ihm, dem Herrn und Meister aller Wei ten, stammt auch der Ton, mit welchem der Ather ausgestattet wurde, darum hat er keine Schranken.

11. (13381.) Aus diesem Gotte stammt das alle Wesen durchdringende Manas, mit ihm ist der Mond verbunden, der daher die Fahigkeit der Aufhellung besitzt.

12. (13 382.) Hervorbringerin alles Seienden wird jene Statte im Veda genannt, in welcher, von der Wissenschaft begleitet, der heilige Geniefser des Gotter- und Manenopfers weilt.

13. (13 383.) Die nun, welche in dieser Welt fleckenlos, frei von Gutem und Bosem leben, fiir diese den Weg des Friedens Gehenden, o Bester der Zwiegeborenen,

826 HI, Mokshadharma.

14. (13 384.) ist der die Finsternis in aller Welt ver- scheuchende Sonnengott die Eingangspforte. Nachdem dort ihr ganzer Korper von der Sonne verzehrt ist, gehen sie un- sichtbar fur jeden iiberall

15. (13385.) und atomklein geworden zu jenem Gotte ein. Und auch von ihm entlassen, nachdem sie in ihm, dem Ani- ruddha, geweilt hatten,

16. (13386.) gehen sie, zum Manas geworden, in Pradyumna ein; und auch von Pradyumna freigelassen, gehen sie sodann in den Jiva, d. i. Sankarshana, ein,

17. (13 387.) sie, die vorziigHchsten Brahman en, die Sah- khya's mitsamt den Bhagavata's. Und sodann gehen sie, von dem Dreigunawerk befreit, unmittelbar in den hochsten Atman ein,

18. (13388.) die Besten der Zwiegeborenen zu dem guna- losen Kshetrajfia. Dieser Kshetrajna ist in Wahrheit Vasu- deva, der Befasser (dvdsaj des Weltalls.

19. (13389.) Und zu diesem Vasudeva gehen ein die, welche gesammelten Geistes, bezahmt, ihre Sinne beherrschend und zur alleinigen Hingebung an ihn gelangt sind.

20. (13 390.) Auch wir beiden, die wir, o Bester der Zwie- geborenen, in dem Hause des Dharma geboren sind, haben uns in diese hebliche, geraumige Einsiedelei zuriickgezogen und furchtbare Askese geiibt.

21. (13391.) Was aber die kiinftigen, von den Gottern ge- Hebten Verkorperungen dieses Gottes in den drei Welten betrifft, so geschieht es um ihres Besten willen [dafs wir diese Askese iiben], o Zwiegeborener.

22. (13 392.) Aber auch von uns beiden, die wir nach wie vor an unsere eigene Satzung gebunden sind, o Bester der Zwiegeborenen, und ein in jedem Sinne beschwerhches , un- vergleichhches Geliibde ununterbrochen betreiben,

23. (13 393.) auch von uns hist du in (^vetadvipa gesehen worden, o Askesereicher, wie du dem HeiHgen nahtest und ihm deinen Wunsch vortrugst.

24. (13 394.) Denn alles ist uns bewufst in dieser Dreiwelt des Beweghchen und Unbeweghchen , das Zuklinftige, Ver- gangene und Gegenwartige, das Gute wie das Bose, (13395.) [und

Adhyaya 346 (B. 344). 827

SO wissen wir auch, dafs] jener Gottergott dir alles mitgeteilt hat, o grofser Muni.

Vai^ampayana sprach:

25. (13 396.) Nachdem Narada dieses Wort der beiden in furchtbarer Askese Begriffenen gehort hatte, fing er an, mit zusammengelegten Handen und dem Narayana einzig ergeben,

26. (13397.) der Vorschrift gemafs viele auf den Narayana beziigliche Mantra's zu murmeln, und so verblieb er tausend Gotterjahre in der Einsiedelei des Nara und Narayana,

27. (13398.) er, der hochmachtige, heilige Weise Narada, indem er jenen Gott verehrte wie auch beide, den Nara und Narayana.

So lautet im Mokshadharma die Geschichte vom N&r&yana

(Ndrdyaniyam).

Adhyaya 347 (B. 345).

Vers 13399-13426 (B. 1-28).

Vaigampayana sprach:

1. (13 399.) Nun geschah es einstmals wahrend dieser Zeit, dafs Narada, der Sohn des Parameshthin , nachdem er das Gotteropfer regelrecht dargebracht hatte, sodann das Opfer an die Vater vornahm.

2. (13400.) Da sprach zu ihm der alteste Sohn des Dharma, der Herr, das "Wort: Wer ist es, dem du, o Bester der Zwie- geborenen, opferst, wenn du ein Opfer fiir die Gotter oder Vater darbringst?

3. (13401.) Das sage mir, o Bester der Verstandigen, ent- sprechend der heihgen Uberheferung [die du dabei befolgst]. Welches ist das Werk, das du betreibst, und welche Frucht erstrebst du dabei?

Narada sprach:

4. (13402.) Schon ehedem hast du mir gesagt, dafs man den Gottern opfern miisse; das Opfer an die Gotter ist das hochste, ist der ewige, hochste Atman selbst.

828 HI. Mokshadharma.

5. (13403.) Darum, in dieser Weise belehrt, verehre ich. durch mein Opfer den unverganglichen Vaikuntha. Aus ihm ist vordem entsprossen Gott Brahman, der Urvater der Welt.

6. (13404.) Diesen erzeugte erfreut der Allerhochste als meinen Vater, und ich bin der aus seinem Wunsche geborene Sohn, der Erstgewiinschte.

7. (13405.) Den Vatern aber opfere ich, o Outer, auf den Befehl des Narayana, so sehr ist dieser HeiHge fiir mich Vater, Mutter und Grofsvater,

8. (13 406.) und bei den Opfern an die Vater wird daher allezeit der Herr der Welt verehrt. Audi besagt eine andere gottliche Schriftiiberlieferung, dafs die Vater ihren Sohnen geopfert hatten;

9. (13 407.) namlich als die Vedaiiberlieferung vergessen worden war, wurde sie ihnen von den Sohnen wieder gelehrt, und so stiegen die mantraspendenden Sohne zum Range der Vater auf.

10. (13408.) Gewifs habt ihr beiden, deren Geist bereitet ist, von den Gottern die Geschichte vernommen, wie die Sohne und die Vater sich abwechselnd gegenseitig verehrt haben,

11. (13409.) indem sie auf die vorher mit Kugagras be- streute Erde drei Pinda's (Klofse) legten. Aber wie kommt es wohl, dafs die Vater auch den Namen Pinda erhalten haben?

Nara und Narayana sprachen:

12. (13410.) Einstmals war diese ozeanumgiirtete Erde ver- sunken, da hat sie Govinda, indem er die Gestalt eines Ebers annahm, alsbald wieder heraufgeholt.

13. (13411.) Nachdem aber der hochste Purusha die Erde wdeder an ihrem Orte befestigt hatte, wollte er, der sich bei der Anstrengung um des Heiles der Welt willen mit Wasser- schlamm beschmutzt hatte,

14. (13412.) da die Sonne im Verlaufe des Tages gerade ihren [heifsesten] Stand zur Mittagszeit erreicht hatte, drei an seinen Hauern hangengebliebene Klofse fpindaj mit Gewalt abschiitteln.

15. (13 413.) Er schleuderte sie auf die Erde, die er vorher mit Kugagras bestreut hatte, o Narada, und in ihrer Form

Adhyaya 347 (B. 345). 829

brachte er, auf sich selbst Bezug nehmend, das Vateropfer dar, wie es die Vorschrift erheischt.

16. (13414.) Und nachdem der Herr die drei Klofse nach seinem eigenen Brauche zubereitet hatte mit 01 enthaltenden Sesamkornern, die aus der Erhitzung seines eigenen Leibes entsprungen waren,

17. (13415.) weihte der Gottherr sie als Darbringung und vollbrachte es selbst, mit dem Angesicht nach Osten gewandt. Und um eine Satzung aufzurichten , sprach er sodann das folgende Wort.

Vrishakapi (oben, Vers 13247 fg.) sprach:

18. (13416.) Als ich als Weltschopfer mich selbst dazu anschickte, die Vater (pitarah als Ace.) zu schaffen, da warden von mir alsbald, wahrend ich (tasya mit C.) iiber die hochsten Satzungen der den Vatern darzubringenden Opfer nachdachte,

19. (13417.) diese Klofse von meinen Hauern nach Siiden hin abgeschiittelt, und indem sie zur Erde fielen, entstanden dadurch die Viiter.

20. (13418.) Ohne feste Formen sind die drei Klofse; und so sollen auch die ewigen, von mir geschaffenen Vater (Manen) diesen Klofsen an Gestalt gleich sein.

21. (13419.) Und als der [abgeschiedene] Vater, Grofsvater und Urgrofsvater bin ich zu verstehen, der ich in den drei Klofsen weile.

22. (13420.) Keinen Hohern gibt es als mich, welcher andere konnte also von mir verehrt werden oder mein Vater in der Welt sein! Ich bin ja der Grofsvater

23. (13421.) und der Vater des Grofsvaters, bin der letzte Urgrund. Nachdem der Gottergott als Vrishakapi dieses Wort gesprochen hatte,

24. (13422.) legte er die Klofse mit Zubehor auf dem Eber- berge nieder, o Brahmane, zollte sich selbst [als in den Klofsen befindlich] Verehrung und verschwand.

25. (13423.) Das ist also seine Einsetzung, o Brahmane, dafs die Vater unter dem Namen der Klofse immerdar Ver- ehrung empfangen, dem Worte des Vrishakapi entsprechend.

26. (13424.) Wer nun den Vatern, Gottern, Lehrern,

830 ni. Mokshadharma.

Gasten, Kiihen, Brahmanenobersten und der Mutter Erde Ver- ehrung zollt

27. (13425.) in Werken, Gedanken oder Worten, der ver- ehrt damit den Vishnu selbst. Er, der Heilige, ist in allem Seienden verkorpert,

28. (13426.) ein und derselbe in alien Wesen, er, der iiber Lust und Leid erhabene, grofse, grofswesenhafte , allwesen- hafte Narayana, so lehrt die Schrift.

So lautet im Mokshadharma die Geschichte vom Narayana (Ndrdyantyam) .

Adhyaya 348 (B. 346).

Vers 13427-13448 (B. 1-22).

Vaigampaj'ana sprach :

1. (13427.) Als Narada diese von Nara und Narayana aus- gehende Rede vernommen hatte, da kam er, voll Liebe er- fiillt, zur absoluten Alleinverehrung dieses Gottes.

2. (13428.) Nachdem er somit tausend Jahre in der Einsiedelei des Nara und Narayana geweilt, die Erzahlung von dem Heiligen gehort und den unverganglichen Hari selbst geschaut hatte,

3. (13429.) kehrte er alsbald zum Himalaya zuriick, wo seine eigene Einsiedelei stand. Und sie, die beriihmten Asketen und Weisen Nara und Narayana,

4. (13430.) fuhren fort, in ihrer lieblichen Einsiedelei die hochste Askese zu iiben. Aber auch du [o Janamejaya], un- ermefslich tapferer Nachkomme der Pandava's,

5. (13431.) bist nunmehr in deinem Geiste gelautert worden, weil du diese Erzahlung von Anfang an vernommen hast. Eiir den gibt es nicht jene Welt und nicht diese, o bester Fiirst,

6. (13432.) welcher in Werken, Gedanken oder Worten dem ewigen Vishnu feind ist. Dessen Vater versinken in die Holle fiir ewige Zeiten,

7. (13433.) welcher den Besten der Gotter, den Gott Hari Narayana hafst. Wie konnte aber irgend jemandem der Atman (das Selbst) der Welt hassenswert erscheinen!

Adhyaya 348 (B. 346). 831

8. (13434). Als dieser Atman aber, o Manntiger, ist Vishnu anzuerkennen , das steht fest. Jener Weise [Vyasa], der Sohn der Gandhavati, der uiiser Lehrer ist,

9. (13435.) von dem ist jene hochste, ewige Majestat [des Vishnu] verkiindet worden, von ihm habe ich sie vernommen und dir, o Untadhger, mitgeteilt.

10. (13436.) Narada aber ist es, welcher diese Lehre mit ihren Mysterien und sonstigem Zubehor .unmittelbar von dem Herrn der Welt Narayana erlangt hat, o Fiirst.

11. (13437.) Das ist die grofse Lehre, und sie, mit kurzen Vorschriften versehen, ist dir schon vordem, o Bester der Fiirsten, mitgeteilt worden in der Harigita (wohl = Bhaga- vadgita).

12. (13438.) Aber den Vyasa, den Krishna Dvaipayana sollst du wissen als den auf Erden wandelnden Narayana, denn wer anders als dieser, o Manntiger, konnte der Verfasser des Mahdbhdratam sein,

13. (13439.) und wer anders aufser ihm, dem Herrn, konnte die mannigfachen Satzungen verkiindigt haben!

14. Nun mag das grofse Opfer vor sich gehen, wie es von dir vorbereitet worden ist, (13440.) denn du hast ja das Rofsopfer vorbereitet und das Gesetz nach seiner Wahrheit kennen gelernt.

Sauti sprach:

15. (13 441.) Nachdem der beste Fiirst [Janamejaya] diese Erzahlung angehort hatte, voilzog er alle zur Vollbringung des Opfers erforderlichen Brauche.

16. (13 442.) Dir aber, o Qaunaka, ist diese Geschichte vom Narayana heute hier auf deine Frage von mir im Kreise der Bewohner des Naimishawaldes erzahlt worden,

17. (13443.) wie sie einst Narada dem Lehrer der Rishi's und Panda va's [wohl Vyasa, nach Nil. Brihaspati] mitgeteilt hat, wahrend Krishna und Bhishma zuhorten.

18.* (13 444.) Er [Narayana] ist ja der hochste Weise, Herr der Menschen und der Welt, Trager selbst der breiten Erde und der Schrift und Zucht Behalter, Hort

* Tiber die Metra von 18-22 vgl. Hopkins, The Great Epic, p. 353.

832 in. Mokshadharma.

des Friedens und des Zwanges, hoch die Zucht und Selbstzucht schatzend, Zwiegeborene folgen ihm, und auch dir als Zuflucht diene Hari, der unsterblich Gute.

19. (13445.) Er, der Toter der Damonen, der Behalter der Askesen, derBefasser grofsen Ruhmes, Kaitabha's und Madhu's Toter, Pflichtgetreuen Weg und Zuflucht, er, der Opferanteilnehmer , moge dir auch Schutz verleihen.

20. (13 446.) Dreigunahaft, dreigunalos, vier der Gestalten zeigend, teilnehmend an der Frucht bei Werk und Opfer, er moge unbesiegt und unerschiittert verleihen allezeit den rechten Gang, der bin zum Atman, fiihrt die frommen Rishi's.

21. (13447.) Vor ihm, dem Zuschauer der Welt, dem ewigen Purusha, dem alten, dem sonnenfarbenen Herrn und Heifer, verneigt euch vielfach mit vereintem Geiste, vor ihm, dem Rishi, dem sogar sich neigte vordem der Erstgeborene der Wasser.

22. (13448.) Er ist die Wiege ja der Welt, die Statte der Unsterblichkeit , verborgene Zuflucht, unerschiitterlicher Ort, von Sahkhya's und von Yogin's hochgehalten (dhritam mit C.) und von im Geist Bezahmten wird dies Ewige.

So lautet im Mokshadharma die Geschichte vom NarAyana (Ndrdijaniyam).

Adhyaya 349 (B. 347).

Vers 13449-13546 (B. 1-96).

^aunaka sprach:

1. (13449.) Vernommen haben wir nunmehr die Majestat jenes heiligen, hochsten Atman und die Geburt des Nara und Narayana in dem Hause des Dharma

2. (13450.) und die von dem grofsen Eber vordem ver- anlafste Entstehung der Pinda's ; ferner auch, wer in irgend- einer Weise fiir die Aktivitat oder Passivitat bestimmt ist.

3. (13451.) Und ebenso haben wir von dir, o untadHger Brahmane, vernommen die Erzahlung von dem im grofsen nordostlichen Ozean weilenden Vishnu, dem Geniefser des Gotter- und Manenopfers.

Adhyaya 349 (B. 347). 833

4. (13452.) Aber jenes grofse Rofshaupt, von dem du vor- her erzahltest, ist ja auch von dem heiligen Gott Brahman Parameshthin gesehen worden.

5. (13453.) Was hat nun, als er diese vom welttragenden Hari vordem geschaffene Gestalt und Gewalt erblickte, wie sie unter den grofsen Dingen noch nicht dagewesen war, o Bester der Weisen,

6. (13454.) als er jenen besten Gott, den wunderbaren, unermefslich kraftigen, heihgen Rofshaupttrager erbhckte, was hat da Gott Brahman getan, o Muni?

7. (13455.) Uber diesen Gegenstand unseres Zweifels sprich uns, o Brahmane, iiber jene aus Erkenntnis entsprungene Schopfung des grofsen Purusha, o du Hochweiser.

8. (13456.) Wir fiihlen uns gelautert durch dich, o Brah- mane, wenn du uns eine heihge Geschichte vortragst.

Sauti sprach :

(13457.) Ich will dir die ganze alte, mit dem Veda im Einklang stehende Geschichte erzahlen,

9. wie sie der heilige Vyasa [schiiler] vor dem Konig [Janamejaya] , dem Sohne des Parikshit , vorgetragen hat. (13458.) Nachdem namlich der Konig von dem Gotte Hari- medhas in der Gestalt des Rofshauptes hatte erzahlen horen,

10. da stieg ihm ein Zweifel auf, und er brachte folgende Frage vor.

Janamejaya sprach:

(13459.) Da Gott Brahman den Gott rait dem Rofshaupte gesehen hat,

11. so mogest du mir, o Bester, erklaren, zu welchem Zwecke jenes [Rofshaupt] entstanden ist.

VaiQampa.yana sprach:

(13460.) 0 Fiirst, alles was hier auf der Welt an Korper- lichem vorhanden ist,

12. das alles ist von den fiinf Elementen gebildet, wie sie der Herr ausgesonnen hat. (i346i.) Denn der Herr ist es, der die Welt schuf, der machtige Narayana als Viraj,

Deussen, Mahabharatam. 53

834 in. Mokshadharma.

13. er, das innere Selbst der Wesen, der Gabenspender, der Gunahafte und Gunalose. (13462.) Vernimm aber jetzt, o Bester der Fiirsten, wie die Wesen samt und senders zu- grunde gehen.

14. Als sich die Erde vordem in Wasser und in dem einen Ozean aufloste, (13463.) als dann das Wasser zu Feuer und das Feuer zu Wind wurde,

15. der Wind im Ather sich aufloste und der Ather im Manas, (13464.) als das Manas in das Entfaltete einging und das Entfaltete in das Unentfaltete

16. und das Unentfaltete in den Purusha und nur der Purusha iiberall vorhanden war, (13465.) da war alles eine Finsternis und nichts war zu erkennen.

17. Den aus der Finsternis als das Brahman Entstandenen, in der Finsternis Wurzelnden, Unsterblichen, (13466.) ihn, der die Gestalt als Purusha annahm, welohe von ihm den Namen Allmacht tragt,

18. Aniruddha wird er genannt ihn nennt man auch das Pradhanam. (13467.) Dieses, soil man wissen, ist das Drei- gunahafte, Unentfaltete, o Bester der Manner.

19. Die Wissenschaft als Gefahrtin habend, hatte der allumschiitzte, machtige Gott Hari (13 468.) sich auf den Wassern gelagert, dem Yogaschlummer hingegeben,

20. indem er die mannigfache, aus vielen Kraften ent- springende Schopfung der Welt iiberdachte. (13469.) Indem er die Schopfung iiberdachte, erinnerte er sich an seine grofse Selbstkraft ;

21. dadurch entstand der Ahankara (das Ichbewufstsein), und dieser ist Gott Brahman mit vier Angesichtern, (13 470.) der heilige Hiranyagarbha, der Urvater aller Welten.

22. Da geschah es, dafs der aus Aniruddha Entsprungene, Lotosaugige, (i3 47i.) Glanzreiche, Ewige, in der tausendblatt- rigen Lotosblume sitzend,

23. der Herr, einem Wunder vergleichbar, die aus Wasser bestehenden Welten schaute (13472.) und sich anschickte, die Scharen der Wesen zu schaffen, er, der im Sattvam stehende Parameshthin.

24. Vorher aber schon hatten sich auf dem sonnengleich

Adhyaya 349 (B. 347). 835

strahlenden Blatte der Lotosblume (13473.) zwei von Narayana geschaffene, kraftiiberlegene Wassertropfen angesetzt.

25. Diese beiden erblickte der anfang- und endlose, un- wandelbare Heilige. (13474.) Der eine Tropfen war an leuch- tendem Glanze dem Honig fmadhuj vergleichbar ;

26. dieser wurde aus dem Tamas geboren als [der Da- mon] Madhu auf Befehl des Narayana. (13475.) Der andere Tropfen, zahe fTcathinaJ und aus dem Rajas geboren, wurde zum Damon Kaitabha.

27. Diese beiden stiirmten heran, iiberlegen, mit den Guna's des Tamas und Rajas erfiillt, (13 476.) gewalttatig, keulenschwingend, und klommen an dem Lotosstengel empor.

28. Da sahen sie, wie im Kelche der Lotosblume der unermefslich glanzende Gott Brahman safs (13477.) und als erstes die vier Veden in schoner Leibhaftigkeit schuf.

29. Als die beiden leibhaftigen , hochsten Damonen die Veden sahen, (13478,) bemachtigten sie sich alsbald der Veden vor den Augen des Gottes Brahman.

30. Und die beiden trefflichsten Damonen packten die ewigen Veden (13479.) und tauchten mit ihnen schleunigst in dem nordostlichen Ozean zur Unterwelt nieder.

31. Als ihm so die Veden entrissen waren, geriet Gott Brahman in Verzweiflung (13480.) und sprach, der Veden be- raubt, zu dem Herrn das Wort.

Gott Brahman sprach :

32. (13481.) Die Veden sind mein hochstes Auge, die Veden meine hochste Kraft, die Veden sind meine hochste Statte, die Veden mein hochstes Heiligtum.

33. (13482.) Alle meine Veden sind mir hier von zwei Damonen mit Gewalt weggenommen worden; nun sind die Wei ten fiir mich verfinstert, da sie der Veden beraubt sind.

34. (13483.) Wie kann ich ohne die Veden die treffliche Weltschopfung vollbringen! 0 welch ein grofses Leid hat mich durch den Verlust der Veden getroffen

35. (13484.) und brennt mit Heftigkeit mein kummervolles Herz! Wer wird mich jetzt aus dem Ozean des Leides heraus- ziehen, in den ich versunken bin,

53*

836 III. Mokshadharma.

36. (13485.) und die verlorenen Veden wiederbringen ! Wer hat mich lieb genug dazu? Indem Gott Brahman so jammerte, o Bester der Fiirsten,

37. (13486.) kam ihm der Gedanke, o Bester der Denker, dem Hari ein Loblied zu singen, und mit zusammengelegten, vorgestreckten Handen trug der Herr die hochste Murme- lung vor.

Gott Brahman sprach:

38. (13487.) Om! Verehrung dir, o Brahmanherz , Ver- ehrung dir, der du vor mir geboren bist, Weltenerster, Bester der Wesen, machtiger Behalter des Sahkhyam und Yoga,

39. (13488.) Schopfer des Entfalteten und Unentfalteten, Unausdenkbarer , der du den Weg des Friedens wandelst, Allgeniefser , inneres Selbst aller Wesen, Nichtmutterschofs- entsprungener ! (13489.) Ich bin durch deine Gnade geboren als Statte und Schopfer der Welt.

40. Meine erste Geburt aus dir, welche die Zwiegeborenen preisen, war aus deinem Geiste; (13490.) meine zweite uranfang- Hche Geburt geschah aus deinen Augen.

41. Durch deine Gnade erfolgte meine dritte grofse Ge- burt aus deiner Rede, (13491.) und aus deinen Ohren war meine vierte Geburt, o Machtiger.

42. Zu den Agvin's [Ndsatya als Schutzgottern des Ge- ruchs, Nil.J in Beziehung stehend ist meine folgende Geburt aus dir. (13492.) Aus dem [Welt-] Ei ist meine sechste Geburt von dir erschaffen worden.

43. Und diese meine Geburt aus dem Lotos ist die siebente, 0 Herr. (13493.) In jeder einzelnen Schopfung bin ich dein Sohn, o du Dreigunaloser,

44. dein erstgeborener, lotosaugig, aus dem obersten Guna, dem Sattvam, gebildet. (13494.) Du freilich bist der Herr, die Urnatur, die Werkfessel, der durch sich selbst Seiende,

45. ich aber bin von dir geschaffen worden, nicht alternd, den Veda als Auge habend, (13495.) und nun ist mir mein Auge, der Veda, geraubt worden und ich bin blind ! Erwache

46. und gib mir meine Augen wieder, lieb bin ich dir, lieb bist du mir. (13496.) Als der heilige, allwarts blickende Purusha in dieser Weise gepriesen wurde,

Adhyaya 349 (B. 347). 837

47. da gab er den Yogaschlummer auf und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Angelegenheit des Veda; (13497.) und durch Anwendung seiner Herrschermacht nahm er eine neue Erscheinungsform an,

48. und indem er in einem Korper mit schonen Niistern wie der Mond erglanzte, (13498.) verwandelte sich der Herr in ein schones Rofshaupt zur Bergung der Veden.

49. Sein Haupt war der Himmel mit Mondhausern und Sternen, (13499.) seine Haare waren lang und kamen an Glanz den Sonnenstrahlen gleich.

50. Seine Ohren waren Luftraum und Unterwelt, seine Stirn war die Wesen erhaltende Erde, (i3 5oo.) Gaiiga und Sarasvati waren seine Hiiften, die beiden Ozeane seine Brauen,

51. Sonne und Mond seine Augen, die Dammerung seine Nase, (13501.) der Omlaut war sein gestaltendes Prinzip {sanslidraj^ der Blitz seine Zunge,

52. seine Zahne waren die als Somatrinker bekannten Vater, (13502.) die Kuhwelt und die Brahmanwelt waren die Lippen des hochsinnigen Rofshauptes,

53. sein Hals war die gunalosende Zeitnacht [nach dem Weltuntergang]. (13503.) Nachdem Narayana sich zu diesem mannigfache Gestalten zeigenden Rofshaupte gemacht hatte,

54. verschwand der machtige Allherr und ging in die Unterwelt ein. (13504.) In die Unterwelt gelangt, gab er sich dem hochsten Yoga hin,

55. und indem er die in der Qiksha gelehrte Aussprache benutzte, liefs er den Udgitha ertonen. (13505.) Dieser Ton mit seinem Nachhall, nach alien Seiten liebhch sich verbreitend,

56. durchdrang das Innere der Erde, mit den Reizen aller Wesen ausgestattet und schon. (13506.) Darauf nahmen die beiden Damonen den Veden das Versprechen ab [ihnen ge- horsam zu sein],

57. brachten sie in der Unterwelt in Gewahrsam und rannten dahin, woher der Ton kam. (13507.) Wahrend dieser Zeit, o Konig, bemachtigte sich der rofshauptgestaltete Gott

58. Hari der samtlichen in die Unterwelt verschleppten Veden (13508.) und gab sie dem Gott Brahman zuriick. Darauf begab er sich wieder in seine alte Lage,

838 III. Mokshadharma.

59. nachdem er das Rofshaupt in den nordostlichen Ozean versetzt hatte. (13509.) So vollbrachte der Rofshaupt- gestaltete die Bergung der Veden.

60. Aber die beiden Damonen Madhu und Kaitabha, nachdem sie dort nichts gesehen batten, (issio.) stiirmten in Eile zuriick und sahen,

61. dafs die Stelle, wo sie die Veden verwahrt batten, leer war. (I3 5ii.) Da gerieten die gewaltig Starken in die grofste Wut

62. und fuhren schleunigst aus der Rasa (Unterwelt) ge- nannten Behausung heraus; (13512.) da saben sie den Purusha, den macbtigen Anfangsscbopfer,

63. weifs, von reinem Ausseben wie der Mond, in der Erscheinungsform des Aniruddba, (13513.) unermefsHcb tapfer, wie er sicb dem Yogascblummer iiberlassen hatte

64. auf dem seiner Grofse entsprechenden, auf dem Wasser schwimmenden , (13514.) aus den Windungen seiner Schlange gebildeten Lager, welches von einem Kranze lodern- der Flammen umgeben war.

65. Als sie ihn nun in fleckenlosem Sattvam und leuch- tendem Glanze (13515.) daliegen saben, da bracben die beiden Damonenfiirsten in ein grofses Gelachter aus

66. und sprachen, von Rajas und Tamas besessen: (13 516.) Da liegt ja der weifse Purusha und bat sich dem Schlafe iiberlassen!

67. Der ist es also gewesen, der uns die Veden aus der Unterwelt gestohlen hat! (13517.) Von wem stammt er und wer ist er eigeiitlich? Und was hat er auf den Schlangen- windungen zu schlafen?

68. Durch solche Ausrufe weckten sie den Hari auf. (13518.) Als der weise, hochste Purusha sie voll Kampflust sab,

69. da mafs er die beiden Damonenfiirsten mit den Blicken und entscblofs sicb zu kampfen. (13519.) Nun ent- brannte ein Kampf zwischen den beiden und dem Narayana,

70. und die beiden Rajas und Tamas im Leibe haben- den Madhu und Kaitabha (13B20.) wurden, um die dem Gotte Brahman angetane Schmach zu rachen, von Madbusudana (dem Madhutoter) erschlagen.

Adhyaya 349 (B. 347). 839

71. Dadurch aber, dafs er sie totete und ihnen den Veda wieder entrissen hatte, (13521.) still te der hochste Purusha alsbald das Leid des Gottes Brahman.

72. Darauf schuf unter Hari's Beistand und mit Hilfe der Veden Gott Brahman (13522.) die gesamten Welten mit allem Unbeweglichen und Beweglichen.

73. Gott Hari aber, nachdem er dem Urvater die hochste, weltschaffende Einsicht eingeflofst hatte, (13523.) verschwand und zog sich wieder dorthin zuriick, woher er gekommen war.

74. Nach der Totung der beiden Danava's und der Her- vorbringung des Rofshauptes (13 524.) nahm Hari nochmals dessen Gestalt an, um die Satzung der Aktivitat zu befdrdern.

75. So hatte also der hochbegliickte Hari die Gestalt als Rofshaupt angenommen, (13525.) welche an ihm als eine uralte, gabenspendende, gottliche gepriesen wird.

76. Wenn nun ein Brahmane diese Erzahlung bestandig anhort und behalt, (13526.) so wird sein Vedastudium niemals in Verfall geraten.

77. Diesen rofshaupttragenden Gott hatte durch furcht- bare Askese fiir sich gewonnen (13527.) Pancala, da empfing er auf dem von dem Gott gewiesenen Wege den Kramapatha.

78. So war es mit dem Rofshaupte, o Konig, und damit habe ich dir (13528.) seine alte, mit dem Veda in Einklang stehende Geschichte erzahlt, nach der du mich gefragt hast.

79. Welcher Art auch immer die Erscheinungsform sein mag, die der Gott, indem er sich irgendwo eine Aufgabe setzt, anzunehmen wiinscht, (13529.) die nimmt er an, indem er sich selbst durch sich selbst umwandelt.

80. Er ist das herrliche Gefafs des Veda, er ist der Askese Gefafs, (13530.) er ist Yoga und Sankhyam, das uranfangliche Brahman, der machtige Hari (mit C),

81. Narayana ist das Endziel des Veda, Narayana das Wesen des Opfers, (13531.) Narayana ist das Endziel der Askese und das Endziel des Weges.

82. Narayana ist das Endziel der Wahrheit, Narayana das Endziel des Rechts, (13.532.) Narayana ist das Endziel der Pflicht, welche eine Wiederkehr ausschliefst [punaravritti- durlahhah, anders oben, Vers 13082).

840 III. Mokshadharma.

83. Aber auch die Pflicht, welche Aktivitat fordert, ist ihrem Wesen nach Narayana. (13533.) Dem Narayana gehort in der Erde der beste Geruch an;

84 der Geschmack als Qualitat des Wassers, o Konig, ist seinem Wesen nach Narayana; (13534.) und auch die herr- Hche Sichtbarkeit des Feuers ist Narayana ihrem Wesen nach;

85. auch die Beriihrung als Quahtat des Windes ist ihrem Wesen nach Narayana; (13535.) und auch der aus dem Ather entspringende Ton gehort dem Narayana an.

86. Und auch das die Quahtat des Unentfalteten tragende Manas entspringt aus ihm; (13536.) Narayana ist der Gebieter der Zeit, und der Gang der Gestirne ist er.

87. Narayana ist Herr des Ruhmes, ist Herr der Gottinnen des Gliickes und der Schonheit; (is 537.) Narayana ist das hochste Ziel des Sankhyam und das Wesen des Yoga.

88. Er, der Purusha, ist die wahre Ursache fiir alles, was als Ursache sowohl die Prakriti (13538.) als auch die eigene Natur, die Werke und das Schicksal hat.

89. Er ist Standort, Tater und auch das Werkzeug, (13539.) sowie die mannigfache Betatigung und das Schicksal als fiinftes.

90. Und so ist Hari die Summe der fiinf Ursachen und ihr tragender Grund allerwarts. (13540.) Wer mit iiberallhin dringenden Mitteln die Wahrheit zu erkennen sucht,

91. fur den ist die Wahrheit er allein, der grofse Yogin, Hari Narayana, der Herr. (13541.) Was Brahman und die Welten, was die hochsinnigen Rishi's,

92. die Saiikhya's, Yogin's, Selbstbezahmer und Selbst- erkenner (13542.) ausdenken mogen, das durchschaut Kegava, aber sie durchschauen nicht, was er denkt.

93. Fiir alle, welche in alien Welten den Gottern und Manen Opfer bringen, (13543.) Gaben spenden und grofse Askese iiben,

94. fiir diese alle ist Vishnu in seiner Majestat der tragende Grund. (13544.) Weil er die Heimstatt fdvdsaj aller Wesen ist, wird er Vasudeva genannt.

95. (13545.) Er ist der ewige, hochste, grofse Weise, ist Machtentfaltung , ist der Gunafreie, der doch mit

Adhyaya 349 (B. 347). 841

Guna's sich alsbald verbindet, wie jenachdem die Zeit mit Jahreszeiten.

96. (13546.) Von ihm, dem Hochgesinnten, findet nie- raand, wohin er geht, woher er ist gekommen ; die grofsen Weisen, die das Wissen pflegen, schauen ihn als ewigen Geist, als Gunalosen.

So lautet im Mokshadharma die Geschichte vom Narayana

(Ndrdyaniyam).

Adhyaya 350 (B. 348). Vers 13547-13636 (B. 1-88).

Janamejaya sprach:

1. (13 547.) 0 wie sehr liebt doch der heilige Hari alle Ekantin's (ihm allein Ergebenen)! Wie nimmt doch der Heihge die von ihnen vorschriftsmafsig dargebrachte Ver- ehrung gern entgegen!

2. (13 548.) Sie, welche in der Welt frei von Gutem und Bosem sind, wie eine Flamme, deren Brennholz verbrannt ist [frei von Ranch] , gehen ihren Weg, wie du ihn mir als iiber- lieferten mitgeteilt hast.

3. (13 549.) Erst bei dem vierten Gange gelangen [durch Aniruddha, Pradyumna und Sahkarshana hindurchj jene [anderen Menschen] zum hochsten Purusha, aber die ihm einzig ergebenen Menschen fekdntinah) gelangen [sogleich] zur hochsten Statte.

4. (13 550.) Gewifs ist dieser Weg der Ekantin's der beste, und Narayana liebt es, wenn einer, ohne die drei vorherigen Wege zu gehen, zu ihm , dem unverganglichen Hari gelangt.

5. (13551.) Von dem Wege der Brahmanen, welche mit ge- biihrendem Eifer die Veden nebst Upanishad's vorschrifts- mafsig rezitieren, und auch von dem Weg derer, welche sich die Askese zur Pflicht machen,

6. (13 562.) verschieden ist der Weg der Manner, welche ihm einzig ergeben sind, das weifs ich; aber von welchem Gotte Oder Rishi ist diese Lehre mitgeteilt worden?

842 HI. Mokshadharma.

7. (13 553.) Welches ist der Wandel der einzig ihm Er- gebenen, und wann ist er gelehrt worden, o Machtiger? Diesen Zweifel lose mir, denn hochste Wifsbegierde erfullt mich.

Vaiganipayana sprach:

8. (13 554.) Als die Heere der Kuru's und Pandava's in Schlachtordnung aufgestellt waren, und als Arjuna von Ver- zagtheit befallen wurde (oben, S. 35 fg.), da wurde von dem Heiligen selbst besungen

9. (13 555.) der Abweg und der Weg, wie ich dir schon friiher erzahlte. GeheimnisvoU ist ja diese Lehre und schwer erkennbar fiir solche, welche unbereiteten Geistes sind.

10. (13556.) In Einklang mit dem Samaveda wurde vor- dem im Zeitalter Kritam diese Lehre geschaffen und wird noch aufrecht erhalten von ihm selbst, o Konig, von dem Gotte Narayana.

11. (13 557.) Nach dieser Sache, o grofser Konig, wurde von dem Prithasohne (?) der hochbegliickte Narada im Kreise der Rishi's befragt, wahrend Krishna und Bhishma zuhorten [vgl. Vers 13443, anders unten. Vers iseiij,

12. (13558.) und mir (mama mit C.) wurde sie von meinem Lehrer mitgeteilt, o Bester der Fiirsten ; vernimm sie so, wie sie damals von Narada erzahlt wurde.

13. (13 559.) Als, o Erdeherr, die Geburt des Gottes Brah- man aus dem Manas des Narayana, aus dessen Munde er- folgte, damals hat Narayana selbst

14. (13560.) nach dieser Satzung das Gotter- und Manen- opfer geschaffen, und diese Satzung erlernten von ihm die schaumernahrten Eishi's.

15. (13 561.) Von diesen schaumtrinkenden Rishi's haben die Vaikhanasa's diese Satzung iiberkommen, und von den Vaikhanasa's empfing sie Soma. Dann ist sie wieder ver- schwunden.

16. (13562.) Als sodann die zweite Geburt des Gottes Brah- man aus den Augen [Narayana's] erfolgte, da [tadd mit C.) lernte der Urvater (Gott Brahman) die Satzung von Soma.

17. (13 563.) Der Narayanahafte gab sie weiter dem Rudra,

Adhy^ya 350 (B. 348). 843

o Konig; der im Yoga beharrliche Rudra hat dann vordem im Weltalter Kritam, o Furst,

18. (13564.) diese Satzung alien Valakhilya-Rishi's iiber- mittelt; und abermals verschwand sie durch die Zauberkraft jenes Gottes.

19. (13565.) Als sodann die dritte grofse Geburt des Gottes Brahman aus der Rede [Narayana's] erfolgte, ist dieSe Satzung aus Narayana selbst entstanden, o Fiirst.

20. (13566.) Sie erlangte ein Rishi mit Namen Suparna von dem hochsten Purusha vermoge seiner Askese, Bezah- mung und Selbstbezwingung.

21. (13567.) Weil Suparna diese hochste Satzung dreimal [taglich] durchging, darum wird dieses Geliibde der Trisu- parna-Ritus genannt,

22. (13568.) und dieses im Rigveda [10,114, 3-5J vor- kommende Geliibde ist schwer zu vollbringen. Von Suparna wurde diese ewige Satzung iibernommen

23. (13569.) durch den das Leben der Welt tragenden Wind- gott, dem er es mitteilte, o Bester der Zweifiifsler. Vom Windgotte erlangten sie die von Uberbleibseln lebenden Rishi's,

24. (13 570.) und von ihnen erlangte der grofse Ozean diese hochste Satzung. Darauf verschwand abermals die von Na- rayana eingesetzte Satzung.

25. (13571.) Als wiederum die Schopfung des hochsinnigen Gottes Brahman aus dem Ohre [Narayana's] stattfand, o Mann- tiger, was da geschah, das vernimm von mir.

26. (13572.) Als Hari Narayana selbst seinen Geist darauf richtete, die Welt zu schaffen, da erdachte er einen mach- tigen Purusha, der die Weltschopfung vollbringen sollte.

27. (13573.) Da ging, indem er daran dachte, aus seinen Ohren ein Purusha hervor, namlich der die Schopfung der Wesen vollbringende Gott Brahman. Zu diesem sprach der Herr der Welt:

28. (13 574.) 0 Sohn, schaffe alle Geschopfe aus deinem Munde wie aus deinen Fiifsen, ich werde dir dazu Gliick, Kraft und Energie verleihen, o Geliibdetreuer;

29. (13 575.) auch nimm von mir eine Satzung entgegen.

844 ni. Mokshadharma.

welche den Namen Sdtvata fiihrt; mit dieser erschaffe und stiitze das Kritaweltalter nach der Vorschrift.

30. (13 576.) Da zollte Gott Brahman dem Gotte Hari- medhas seine Verehrung und nahm von ihm die vorziigliche Satzung nebst zugehoriger Geheimlehre und Ausziigen in Empfang.

31. (i'3 577.) Und nachdem Narayana dem unermefslich kraftigen Gotte Brahman die von einem Aranyakam begleitete, seinem Munde entstromende Lehre mitgeteilt hatte,

32. (13578.) ging er mit den Worten: „Du sollst der Schopfer der Satzungen fiir die Weltalter sein" zu der jen- seits der Finsternis gelegenen Statte, in welcher das Unent- faltete ruht und die den Namen „Werk ohne Wiinsche" tragt.

33. (13579.) Darauf schufder gabenverleihende Gott Brah- man, der Urvater der Welt, die samtlichen Welten mit allem UnbewegHchen und BewegHchen.

34. (13580.) Zunachst nun entstand das Weltalter Kritam als ein glxickliches, denn in ihm bestand die Satvatasatzung, sich durch alle Welten verbreitend.

35. (13581.) Mit dieser uranfanglichen Satzung verehrte Gott Brahman, der Weltschopfer, den Gotterherrn Hari, den machtigen Narayana.

36. (13582.) Und um die Satzung zu festigen, lehrte er sie dem Manu Svarocisha aus Wohlwollen fiir die Welten.

37. (13 583.) Svarocisha aber, der machtigeHerr der ganzen Welt, belehrte vor Zeiten mit gesammeltem Geiste seinen ■eigenen Sohn (^ankhapada, o Fiirst.

38. (13584.) Qankhapada belehrte weiter seinen leiblichen Sohn, den Hitter der Weltgegenden Suvarnabha, (13 585.) Und wiederum verschwand die Satzung, als das Zeitalter Treta anbrach.

39. Und als weiterhin die Geburt des Gottes Brahman unter Beistand der AQvin's [als Schutzgotter der Nase] statt- fand, o bester Fiirst, (13 586.) hat der machtige Gott Hari Na- rayana selbst diese Satzung

40. verkiindigt, er, der lotosaugige Gott. Von Gott Brahman, vor dessen Augen dies geschah, (13 587.) hat sie weiter •erlernt der heilige Sanatkumara.

Adhyaya 350 (B. 348). 845

41. Von Sanatkumara aber hat der Schopferherr Virana (13 588.) am Anfang eines [abermaligen] Zeitalters diese Satzung gelernt, o Kurutiger.

42. Virana aber, nachdem er sie erlernt hatte, iiberlieferte sie dem Weisen Raibhya, (13 589.) und Raibhya hat sie seinem reinen, geliibdetreuen, frommen Sohne

43. mit Namen Kukshi iibergeben, dem pflichtkundigen Hiiter der Weltgegenden. (i3 590.) Dann aber verschwand aber- mals die aus dem Munde des Narayana hervorgegangene Satzung.

44. Weiter wurde bei seiner Geburt aus dem Ei dem aus Hari entsprossenen Gott Brahman (13591.) wiederum diese Satzung aus dem Munde des Narayana mitgeteilt.

45. Gott Brahman nahm die Satzung entgegen, o Konig, verwendete sie nach der Vorschrift (13592.) und lehrte sie den Muni's, o Fiirst, die da Barhishadah heifsen.

46. Von den Barhishadah gelangte die Satzung zu einem des Samaveda kundigen Brahmanen, (13593.) dem beriihmten Jyeshtha, denn dem Hari gehort das Jyeshthasaman - Ge- liibde an.

47. Von Jyeshtha gelangte die Satzung zum Konige Avi- karapana, (13594.) dann aber verschwand sie wieder, o mach- tiger Konig, diese Satzung des Hari.

48. Als aber die siebente Geburt des Gottes Brahman aus der Lotosblume stattfand, o Konig, (13 595.) da lehrte Na- rayana selbst diese Satzung

49. dem reinen, Welten tragenden Urvater zu Anfang des [folgenden] Zeitalters. (13596.) Der Urvater iiberlieferte weiter diese Satzung vor Zeiten dem Daksha.

50. Weiter iibergab sie Daksha seinem altesten Tochter- sohn, o bester Fiirst, (13597.) namlich dem Aditya, dem altesten Bruder des Savitar, und von diesem empfing sie Vivasvant.

51. Vivasvant iiberlieferte sie zu Anfang des Weltalters Treta dem Manu, (13593.) und Manu gab sie zum Gedeihen der Welt weiter an seinen Sohn Ikshvaku.

52. Von Ikshvaku wurde sie iiber die ganze Welt ver- breitet und besteht in ihr, (13599.) aber am Weltende wird sie wieder zu Narayana zuriickkehren , o Fiirst.

846 ni. Mokshadharma.

53. Und auch dir, o Bester der Fiirsten, ist diese Satzung der Selbstbezahmer vordem (iseoo.) mitgeteilt worden in der Harigita (vgl. oben, Vers 13437 und i3554fg.), zusammengefafst in kurzer Vorschrift.

54. Narada aber empfing aufs beste mitsamt Geheim- lehren und Ausziigen (iseoi.) diese Satzung unmittelbar von Narayana, dem Herrn der Welt, o Fiirst.

55. So steht es, o Konig, mit dieser grofsen, uranfang- lichen, ewigen Satzung, (1:3 602.) und sie, schwer erkennbar und schwer befolgbar wie sie ist, wird allezeit von den Satvata's beobachtet.

56. Durch die Erkenntnis dieser Satzung, wenn sie richtig durch die Tat verwirklicht wird (13603.) und von dem Gesetze der Nicht-Totung begleitet ist, wird Hari, der Herr, erfreut,

57. mag er in einer Erscheinungsform oder auch in zweien <13604.) oder in dreien oder in alien vieren [als Aniruddha, Pradyumna, Sankarshana und Vasudeva] angeschaut werden.

58. Hari ist als Kshetrajna, selbstlos, ohne Teile, (13 605.) als Jiva in alien Wesen, erhaben liber die fiinf Elemente und die Guna's,

59. und auch als das die fiinf Sinne bewegende Manas wird er gefeiert, o Konig. (13 6O6.) Er, der Weise, ist die Welt- ordnung und der Schopfer der Welt,

60. Nicht-Tater und zugleich Tater, die Wirkung und auch -die Ursache (13 607.) nach seinem Belieben spielend, o Konig, als der ewige Purusha.

61. Diese Satzung der alleinigen Hingebung an ihn ist dir, o bester Konig, mitgeteilt worden (13 608.) von mir dank der Gnade meines Lehrers, schwer erkennbar wie sie ist fiir solche, welche unbereiteten Geistes sind.

62. Manner, die ihm allein ergeben sind feMntinJ, sind nicht leicht in grofserer Zahl zu finden, o Fiirst. (13609.) Ja, ware die Welt voll von solchen ihm allein Ergebenen, o Kuru- sprofs,

63. von solchen Nicht-Schadigenden, Atmankundigen, am Wohle aller Wesen sich Erfreuenden, (iseio.) dann ware das Zeitalter Kritam wieder da mit seinen ohne Wunsch nach Lohn geiibten Werken.

Adhyaya 350 (B. 348). 847

64. Das ist es, o Volkerherr, was mein Lehrer, der heilige Vyasa, (I3 6ii.) der pflichtkundige Beste der Brahmanen, dem gerechten Konige (Yudhishthira) erzahlt hat

65. im Kreise der Kishi's, o Konig, wahrend Krishna und Bhishma zuhorten [anders oben, Vers 13557] ; (i3 6i2.) diesem namUch hatte vordem der grofse Asket Narada Belehrung erteilt

66. iiber den allerhochsten Gott, das Brahman, den weifsen, mondglanzenden, unerschiitterhchen , (13 613.) zu welchem die- jenigen eingehen, die ihn allein verehren, die dem Narayana ganz ergeben sind.

Janamejaya spracli:

67. (13 614.) Wie kommt es, dafs diese vielverzweigte, von den Erweckten gepflegte Satzung von anderen, mancherlei Geliibde befolgenden Brahmanen nicht angenommen wird?

Vai^amp^yana sprach:

68. (13 615.) 0 Konig, drei Naturen bestehen bei denen, welche an die LeibHchkeit gefesselt sind, die sattvahafte, rajashafte und tamashafte, o Bharata.

69. (13616.) Unter alien, die an den Korper gefesselt sind, o Kurusprof sling, ist der beste Mensch der sattvahafte, 0 Mann- tiger, und ihm ist die Erlosung gewifs.

70. (13 617.) Schon hienieden erkennt er den brahman- weisesten Purusha; die Erlosung hat Narayana als Gipfel, darum heifst sie sattvahaft.

71. (13 618.) Den hochsten Purusha iiberdenkend, erlangt das Ersehnte der, welcher mit alleiniger Liebe immerdar dem Narayana als Hochstem anhangt.

72. (13 619.) Nach ihm sehnen sich alle nach Erlosung trachtenden Selbstbezwinger, und ihnen verleiht Stillung des Durstes (trishndj und Frieden der Gott Hari.

73. (13 620.) Denn der Mensch, welchen bei seiner Geburt Madhusudana anblickt, der ist ein Sattvahafter und ihm ist die Erlosung gewifs.

74. (13 621.) Seine Satzung, mit alleiniger Hingebung be- folgt, ist gleichwertig mit Saiikhyam und Yoga; in der den

848 ni. Mokshadharma.

Narayana als Wesen habenden Erlosung eriangen sie das hochste Ziel.

75. (13 622.) Nur der Mensch kann ein Erweckter werden, welchen Narayana gnadig anblickt, aber durch eigenen Wunsch, o Konig, kann keiner ein Erweckter werden.

76. (13 623.) Wo hingegen die rajashafte und tamashafte Natur [dem Sattvam] beigemischt fvydmigra) ist, ein en solchen Menschen, wenn er geboren wird, o Volkerherr,

77. (13624.) als ein mit den Merkmalen der Aktivitat Be- hafteter, blickt Gott Hari nicht selbst an, sondern Gott Brah- man, der Urvater der Welten, blickt ihn an bei seiner Geburt,

78. (13 625.) weil er von Eajas und Tamas in seinem Geiste iiberschwemmt ist. Gotter und Rishi's freilich wurzeln im Sattvam, o bester Fiirst,

79. (13 626.) diejenigen aber, welche dieses feinen Sattvam ganz entbehren, werden Anhanger des Verganglichen (vaiJid- riJcaJ genannt.

Janamejaya sprach:

(13 627.) Wie ist es aber moglich, dafs ein solcher An- hanger des Verganglichen zu dem hochsten Purusha gelangt ?

80. Erklare mir alles, wie du es geschaut hast, und auch was sich daraus ergibt, der Reihe nach.

Vaigampayana sprach: (13 628.) Zu dem iiberaus feinen, der Wesenheit teilhaften, der drei Laute fa -]- u -{- m =^ omj teilhaften

81. Purusha geht ein der Purusha, wenn er als Fiinf- undzwanzigster rein von Werken ist. (13 629.) In dieser Er- kenntnis stimmen das Sahkhya-Yogasystem und das [die Upanishad einschliefsende] Aranyakam des Veda

82. sowie die Pancaratralehre zusammen als gegenseitig sich erganzende Teile. (i3 63o.) Das ist die Satzung der Ekan- tin's, die in Narayana das Hochste sehen.

83. (13 631.) Wie Wasserfluten aus dem Ozean hervor- brechen, o Konig, und wieder in ihn zuriickstromen, so gehen die grofsen Wasserfluten der Erkenntnis wieder in Narayana [als ihren Ursprung] zuriick (vgl. Chand. Up. 6,10,1)!

Adhyltya 350 (B. 348). 849

84. (13 632.) Damit habe ich dir, o Kurusprofs, die Satvata- satzung erklart, befolge sie nach der Vorschrift, soweit du kannst, o Bharata.

85. (13(;33.) Denn in dieser Weise hat der hochbegliickte Narada meinem Lehrer den unverganglichen , ihm allein huldigenden Wandel der weisen Selbstbezwinger verkiindigt.

86. (13 634.) Vyasa aber hat diese Satzung aus Liebe dem weisen Sohne des Dharma (Yudhishthira) iibediefert, und ebendiese habe ich dir mitgeteilt, wie ich sie von meinem Lehrer iiberkommen habe.

87. (13635.) So steht es mit dieser Satzung, o bester Fiirst, welche schwer zu befolgen ist; denn wie du so leben auch die anderen hienieden in Verblendung.

88. (13 636.) Denn Krishna ist es, der diese Wei ten bildete und in Verblendung stiirzte, der sie wieder in sich zuriick- rafft und die Ursache ihrer Neuentstehung ist, o Volkerherr.

So lautet im Mokshadbaima in der Geschichte vom Nar&yana das 'Weseii der ihm alleiii Ergebenen

(Ndrdyantye ekdntikabhdva).

Adhyaya 351 (B. 349).

Vers 13637-13712 (B. 1-74).

Janamejaya sprach:

1. (13637.) Das Sankhyam, der Yoga, das Pancaratram und das Aranyakam des Veda, diese Wissenschaften, o Brah- manweiser, sind in der Welt im Umlaufe.

2. (13 638.) Haben diese nun eine gemeinsame Grundlage oder besondere Grundlagen, o Muni? Uber diese Frage be- lehre mich und iiber das, was sich daraus ergibt, der Reihe nach.

Vai^ampayana sprach : 3. (13 639.) Ihm, dem vielerfahrenen , hochsten, nach dem Hochsten strebenden, grofsen Rishi, den durch Hin- gebung ihrer selbst mitten auf der Insel die Satyavati als Sohn dem Paragara gebar, ihm, der die Finsternis des Nichtwissens verscheucht, sei Verehrung!

Deubsen, Mah&bbftTatam. 54

850 III. Mokshadharma.

4. (13 640.) Ihn, den grofsen Rishi, riihmen sie als Ursprung des Urvaters, als sechste Verkorperung des Narayana, mit heiliger Machtfiille ausgeriistet, aus einem Telle des Narayana entsprungen, als einzigen Sohn auf der Insel geboren und als grofsen Behalter des Veda.

5. (13 641.) Ihn, den hochsinnigen Vyasa, hat am An- fang der Zeiten der grofsmachtige, hochstrebende Nara- yana als seinen Sohn hervorgebracht, als den ewigen, alien, grofsen Behalter des heiligen Vedawortes.

Janamejaya sprach:

6. (13 642.) Vordem wurde in betreff seines Ursprungs von dir, o Bester der Zwiegeborenen, erzahlt, dafs Vasishtha als Sohn den Qakti hatte und dafs Paragara der Sohn des Qakti war,

7. (13 643.) und dafs der Weise Krishna Dvaipayana der Sohn des Paragara sei; und jetzt behauptest du, er sei ein Sohn des Narayana.

8. (13644.) Handelt es sich dabei um eine vormalige Ge- burt des unermefslich kraftigen Vyasa? Dann erzahle mir, o du Hochweiser, von jener seiner Geburt aus dem Narayana.

Vaigampayana sprach:

9. (13 645.) Als den Inhalt des Veda zu erkennen ver- langend, in Heiligkeit und Askese, mein Lehrer, in der Er- kenntnis beharrend, am Fufse des Himalaya safs

10. (13 646.) und, von Askese miide, rait Weisheit die Erzahlung von den Bharata's verfafste, da waren wir, ihn aufs hochste schatzend und ihm Gehorsam leistend, seine Schiller,

11. (13 647.) namlich Sumantu, Jaimini, der geliibdetreue Paila und ich als vierter, sowie auch (^uka, der eigene Sohn des Vyasa.

12. (13648.) Von diesen fiinf vortreflPIichen Schiilern um- geben, erglanzte am Fufse des Himalaya, wie der von seinen Geisterscharen umgebene Herr der Geister ((^iva), der hei- lige Vyasa,

13. (13 649.) indem er den Veda samt Vedanga's und den Inhalt der Bharata-Erzahlungen allseitig in seinem Geiste be-

Adhyaya 351 (B. 349). 851

wegte. Wir aber ehrten mit Hingebung seine geistige Kon- zentration und Bezahmung.

14. (13 650.) Wahrend einer Pause in den Unterredungen mit ihm befragten wir den Besten der Zwiegeborenen nach dem Sinne des Veda, dem Sinne der Bharata-Erzahlungen und so auch nach seiner Geburt aus Narayana.

15. (13 651.) Und nachdem der Wesenskundige uns iiber den Sinn des Veda und der Bharata-Erzahlungen belehrt hatte, fing er folgendermafsen an von seiner Geburt aus Narayana zu reden.

16. (13 652.) Vernehmt, ihr Brahmanen, die folgende, hochst vortreff liche , heilige Geschichte, welche sich zur Urzeit be- geben hat und durch Askese von mir in Erfahrung gebracht wurde.

17. (13 653.) Als die siebente, mit dem Lotos anhebende Wesensschopfung herannahte, da liefs Narayana, der iiber Gutes und Boses erhabene grofse Yogin,

18. (13 654.) der unermefsHch glanzende, zuerst aus seinem Nabel den Gott Brahman hervorgehen. Als dieser in die Erscheinung getreten war, sprach zu ihm Narayana das Wort :

19. (13655.) Aus meinem Nabel bist du geboren als der machtige Wesenschopfer ; so schaffe denn, o Brahman, die mannigfachen Wesen, die ungeistigen wie die geistigen.

20. (13 656.) Auf diese Worte senkte Gott Brahman mit sorgeerfulltem Geiste sein Antlitz, verneigte sich vor dem gabenspendenden Gotte, dem machtigen Hari, und sprach:

21. (13657.) Welche Kraft hatte ich, die Geschopfe zu schaffen, o Gottherr, Verehrung sei dir! mir fehlt die notige Einsicht, o Gott, bestimme, was geschehen soil.

22. (13658.) Nach diesen Worten zog sich der Heilige in die Verborgenheit zuriick und erdachte die Buddhi (die Weis- heit), er, der Beste aller Buddhibegabten.

23. (13659.) In leibhaftiger Gestalt stellte sich darauf die Buddhi dem machtigen Hari vor, und er, der iiber Aufgaben Erhabene, gab ihr eine Aufgabe auf,

24. (13660.) indem der unvergangliche , machtige Gott zu der im Yoga der Gottherrlichkeit stehenden, zielbewufsten, vortreff lichen Buddhi also sprach:

54*

852 ni. Mokshadharma.

25. (13 661.) „Gehe ein in den Gott Brahman, damit der Zweck der Weltschopfung erreicht werde." Und auf Befehl des Herrn ging die Buddhi alsbald in jenen ein.

26. (13662.) Als Hari ihn mit der Buddhi ausgestattet sah, sprach er abermals zu ihm das Wort: „Schaffe die mannig- fachen Geschopfe!"

27. (13 663.) „So sei es!" sprach jener und verneigte sich dem Befehl des Hari entsprechend mit dem Haupte, worauf der HeiHge in die Verborgenheit zuriickging,

28. (13 664.) alsbald jenen dem Gotte zukommenden Zu- stand annahm und, zu seiner Natur zuriickkehrend, zur Ein- heitlichkeit gelangte.

29. (13 665.) Da aber kam ihm wieder ein anderer Gedanke : „Geschaffen sind von dem hochsten Gotte Brahman diese mannigfachen Wesen,

30. (13 666.) aber von den Scharen der Daitya's, Danava's, Gandharva's und Kakshasa's erfullt, ist die Erde da zu einer iiberladenen und gequalten geworden.

31. (13 667.) Auch werden die Daitya's, Danava's und Kakshasa's auf der Erde zahlreich und stark werden und durch Askese ihre hochsten Wiinsche verwirklichen.

32. (13668.) Dann aber werden sicherlich durch sie alle, wenn sie durch Erreichung ihrer Wiinsche stolz geworden sind, die Gotterscharen und die askesereichen Eishi's be- drangt werden.

33. (13669.) Daher ist es erforderlich, dafs ich eine Ent- lastung bewirke, indem ich auf der Erde in verschiedenen Formen der Reihe nach erscheine,

34. (13 670.) um die Bosen niederzuhalten und die Guten zu fordern. Dann wird diese gequalte, wackere Erde im- stande sein, sich zu halten.

35. (13 671.) Denn von mir als einer in der Unterwelt hausenden Schlange wird sie getragen werden und von'^mir gestiitzt wird sie imstande sein, die ganze Welt der Lebenden, Bewegliches und Unbewegliches , zu tragen.

36. (13 672.) Somit will ich die Rettung der Erde voll- bringen, indem ich in die Existenz eingehe." Nachdem der

Adhyaya 351 (B. 349). 853

heilige Madhusudana in dieser Weise mit sich selbst zu Rate gegangen war,

37. (13673.) schuf er zum Zwecke seines Entstehens in einer Verkorperung mancherlei Gestalten: den Eber, den Mannlowen, den Zwerg und einen Menschen,

38. (13 674.) in der Absicht, durch diese die bosen Feinde der Gotter zu toten. Nachdem er die Welt geschaffen hatte, liefs er, indem er sie von dem Laute hhoh widerhallen machte,

39. (13 675.) die Rede fsarasvatij aus seinem Munde aus- gehen; daraus entstand Sarasvata, der aus seiner Rede ge- borene, gewaltige Sohn, der auch Apantaratamas heifst,

40. (13676.) des Vergangenen, Gegenwartigen und Zukiinf- tigen kundig, Wahres redend und seine Geliibde haltend. Zu diesem, der sich mit dem Haupte verneigte, sprach der ewige Ursprung der Gotter:

41. (13677.) 0 Bester der Verstandigen, der Mitteilung des Veda [durch mich] sollst du dein Ohr leihen! Befolge also mein Wort dem Befehle gemafs, o Muni.

42. (13 678.) Darauf wurden von diesem Rishi die Veden in ihre Teile zerlegt in der Weltperiode des Manu Svayam- bhuva. Da freute sich der heilige Hari iiber das von jenem verrichtete Werk,

43. (13 679.) iiber seine wohlgeiibte Askese, Bezahmung und Selbstbezahmung. „Auch in kiinftigen Manuperioden, o Sohn, sollst du in derselben Weise verfahren,

44. (13 680.) dann wirst du unerschiitterlich und immerdar uniiberwindlich sein, o Brahmane. Weiter aber, wenn das Zeitalter Tishya (Kali) herangekommen sein wird, dann werden Nachkommen des Bharata, welche Kuru's heifsen,

45. (13681.) als hochsinnige Konige in der Welt beriihmt leben. Bei diesen von dir Erzeugten wird ein Familienzwist ausbrechen,

46. (13 682.) welcher zur gegenseitigen Ausrottung fiihren wird, dich ausgenommen, o Bester der Zwiegeborenen. Auch in diesem Zeitalter wirst du, durch Askese gefordert, die verschiedenen Veden in ihre Teile zerlegen.

47. (13 683.) Da das angebrochene Zeitalter ein dunkles sein wird, so wirst auch du als dunkelfarbig geboren werden.

854 III. Mokshadharma.

Als Vollbringer vieler Pflichten und Hervorbringer der Wissen- schaft

48. (13 684.) wirst du zwar an Askese reich, aber doch nicht frei von Leidenschaft sein; hingegen soil dein Sohn frei von Leidenschaft sein und zum hochsten Atman werden (13685.) durch die Gnade Mahegvara's; dies Wort wird nicht unerfullt bleiben.

49. (13 686.) Er, den die Brahmanen als einen geistigen Sohn des Urvaters , als mit hochster Weisheit begabt preisen, Vasishtha, dieses hochste Gefafs der Askese, dessen Glanz den der Sonne iiberstrahlt,

50. (13687.) wird als Nachkommen einen grofsen Weisen, den hochmachtigen Paragara, haben, und dieser treff- lichste Behalter des Veda, diese gewaltige Wohnstatte der Askese wird dein Vater sein.

51. (13688.) Als Jungfernsohn wirst du von diesem Rishi von einem deinem Vater sich hingebenden Madchen ge- boren werden.

52. (13 689.) Alle Zweifel in betreif vergangener, gegen- wartiger oder kiinftiger Dinge werden sich dir losen. Denn alle vordem gewesenen Wechselfalle der Tausende von Welt- perioden

53. (13 690.) wirst du, von mir belehrt, um deiner Askese willen schauen. Und ebenso wirst du die Wechselfalle vieler Tausend [kiinftiger] Weltalter schauen,

54. (13691.) und auch mich, den anfanglos und endlos in der Welt waltenden Diskusbewehrten , soUst du durch das Denken an mich schauen, o Muni. Dies Wort wird nicht unerfiillt bleiben.

55. (13 692.) Dein Ruhm aber, o du Sattvareicher, wird un- vergleichlich sein. Weiterhin wird (^anaigcara (Saturn), der Sohn der Sonne, als ein grofser Manu geboren werden,

56. (13693.) und auch in der Periode dieses Manu sollst du als Oberster der Scharen dieses Manu geboren werden, 0 Teurer, durch meine Gnade, so ist es beschlossen.

57. (13 694.) Alles, was in der Welt geschieht, erfolgt auf meine Veranlassung ; mag einer diesen oder jenen Wunsch hegen, ich bifi es, der ihm seinen Willen verleiht."

Adhyaya 351 (B. 349). 855

58. (13 695.) Nachdem der Herr diese Worte zu dem Eishi Sarasvata Apantaratama (sic!) gesprochen hatte, sagte er: Du kannst nun gehen! (13 696.) So bin denn ich [Vyasa] durch die Gnade dieses Gottes Harimedhas

59. zunachst als Apantaratamas auf Befehl des Hari ins Leben getreten (13 697.) und wiederum bin ich geboren worden als der beriihmte Nachkomme des Vasishtha.

60. Damit babe ich euch meine friihere Geburt erklart, (13698.) wie sie durch die Gnade des Narayana und als ein Teil des Narayana selbst stattgefunden hat.

61. Denn von mir ist sehr grofse, hochst furchtbare Askese vordem geiibt worden (13 699.) unter tiefster Versenkung, o ihr Besten der Verstandigen.

62. Damit babe ich euch, meine lieben Sohne, alles er- klart, wonach ihr mich gefragt habt, (13700.) meine vergangene und meine kiinftige Geburt, aus Liebe zu euch, die ihr an mir hangt.

Vaiijampayana sprach :

63. (13 701.) Damit, o Konig, babe ich dir die friiheren Geburten unseres Lehrers, des makellosen Vyasa, nach denen du mich fragtest, erzahlt. Hore nun weiter.

64. (13 702.) Das Sankhyam, der Yoga, das Pancaratram, die Veden und das Pa^upatam, diese Wissenschaften, o Konigs- weiser, behandeln mancherlei Gegenstande.

65. (13 703.) Als Urheber des Sankhyam gilt der hochste Rishi Kapila, als Einfiibrer des Yoga Hiranyagarbha und kein anderer Weiser der Vorzeit.

66. (13 704.) Apantaratamas hingegen wird als der Lehrer der Veden bezeichnet ; diesen Weisen nennen einige Pracina- garbha.

67. (13 705.) Der Gatte der Urha bin wiederum, der Herr der Geister, ^rikantha, der Sohn Brahman's, Qiva war es, welcber gesammelten Geistes das PaQupatam offenbarte.

68. (13 706.) Der Einfiibrer des gesamten Pancaratram ist der Heilige selbst, und iiberhaupt ist fiir alle diese Wissen- schaften, o bester Fiirst,

69. (13 707.) wie auch ihre Uberlieferung und Lehre sein

856 ni. Mokshadharma.

mag, der herrliche Narayana die Grundlage. Die in der Finsternis Befangenen freilich kennen ihn nicht, o Volkerherr,

70. (13 708.) aber alle die einsichtigen Urheber der Lehr- biicher preisen ihn, den weisen Narayana, als die Grundlage und keinen andern, so sage ich.

71. (13709.) Bei alien, die frei von Zweifel sind, wohnt immerdar Hari, aber bei den zweifelbehafteten Disputierern wohnt Madhava nicht.

72. (13 710.) Was aber die Kenner des Paficaratram , die Hochsten in dieser Rangordnung, betrifft, welche mit alleiniger Liebe ihm nahen, die gehen sicherlich zu Hari ein.

73. (13 711.) Das Sankhyam und der Yoga sind beide ewig und ebenso alle Veden samt und sonders, o Konig ;

von alien ihren Rishi's aber wird bekannt, dafs Narayana dieses alte Ganze ist.

74. (13 712.) Und alles, was an guten und bosen Werken hervortritt und in alien Welten sich entwickelt, das stammt von diesem Rishi her, mag es im Himmel, im Luftraum, auf der Erde oder in den Wassern vor sich gehen, so soil man wissen.

So lautet im Moksbadbarma die Entstebungsgeschicbte des Dvaipftyana (Doaipdyana - utpatti) .

Adhyaya 353 (B. 350).

Vers 13713-13739 (B. 1-27).

Janamejaya sprach:

1. (13 713.) 0 Brahmane, gibt es viele Purusha's oder nur einen? Und welcher unter alien ist der beste Purusha, welcher ist als ihr Ursprung zu betrachten?

VaiQampayana sprach:

2. (13 714.) In der Welt gibt es viele Purusha's nach der Betrachtungsweise des Sankhyam und Yoga, und das heifsen sie nicht gut, o Kurusprofs, dafs es nur einen Purusha gabe.

Adhy&ya 352 (B. 350). 857

3. (13 715.) Da [in Wahrheit aber] die vielen Purusha's nur einen Ursprung haben, so will ich dir diesen allbefassenden, kraftiiberlegenen Purusha erklaren,

4. (13 716.) nachdem ich meine Verehrung meinem Lehrer Vyasa bezeigt habe, dem Atmankenner, dem askesereichen, bezahmten, zu verehrenden hochsten Rishi.

5. (13 717.) Denn diese Verherrlichung des Purusha, welche in alien Veden, o Fiirst, als das Rechte und Wahre verkiindigt wird, ist von jenem Rishilowen durchdacht word en.

6. (13 718.) In Darlegung und Bestreitung sind von Rishi' s wie Kapila und anderen, indem sie die innere Seele iiber- dachten, die Lehrsatze aufgestellt worden, o Bharata.

7. (13 719.) In Kiirze aber will ich dir das, was Vyasa iiber die Einheit des Purusha gelehrt hat, mitteilen dank der Gnade des unermefslich Kraftvollen.

8. (13 720.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich die Unterredung des Tryambaka (C'iva) mit Gott Brahman , o Volkerherr.

9. (13 721.) In der Mitte des Milchmeeres erhebt sich wie Gold glanzend der herrliche Berg Vaijayanta, o Fiirst.

10. (13 722.) Diesen Berg Vaijayanta besucht bestandig von seinem Strahlensitze aus der Gott [Brahman], um in der Einsamkeit das Wesen des innern Selbstes zu iiber- denken.

11. (13 723.) Als einstmals der weise Gott mit den vier An- gesichtern dort safs, kam zufallig Qiva herbei, der aus seiner Stirn entsprungene Sohn.

12. (13 724.) Als grofser Yogin durch die Luft fahrend, liefs sich damals der dreiaugige Herr alsbald aus dem Luftraume herab auf den Gipfel des Berges.

13. (13 725.) Erfreut trat er vor jenen und verehrte ihn zu seinen Fiifsen. Als Brahman ihn zu seinen Fiifsen sah, rich- tete er ihn mit der linken Hand auf,

14. (13 726.) und er, der einige, machtige Prajapati, der heilige, sprach zu seinem ihn nach langer Zeit wieder be- suchenden Sohne.

858 III. Mokshadharma.

Der Urvater sprach:

15. (13 727.) Willkommen, o Grofsarmiger ! Zur guten Stunde bist du mir genaht! Steht es immer noch gut bei dir, o Sohn, um Studium und Askese?

16. (13 728.) Du bist ja allezeit ein gewaltiger Asket, darum stelle ich dir immer diese Frage.

Rudra sprach:

17. (13 729.) Durch deine Gnade, o Heiliger, steht es gut bei mir mit Studium und Askese und ebenso um das be- standige Wohlergehen der ganzen Welt.

18. (13 730.) Schon lange habe ich dich auf deinem Strahlen- sitze beobachtet und bin nun zu diesem Berge gekommen, der von deinen Fufsen betreten wird.

19. (13 731.) Dein Wandel in der Einsamkeit hat meine Neugierde erregt, es mufs keine geringe Ursache sein, die dich dazu veranlafst, o Urvater.

20. (13 732.) Wie kommt es, dafs du deinen herrHchen Sitz, auf dem es nicht Hunger noch Durst gibt, der von Gottern und Damonen bewohnt, von unermefslich glanzenden Eishi's,

21. (13733.) von Gandharven und Apsaras immerfort be- sucht wird, dafs du diesen herrlichen Berg verlassen hast, um dich hier in die Einsamkeit zuriickzuziehen ?

Gott Brahman sprach:

22. (13 734.) Der vortreffhche Berg Vaijayanta wird immer wieder von mir aufgesucht, weil ich hier mit ungeteiltem Geiste nachdenken kann iiber den allerwarts strahlenden fviratj Purusha.

Rudra sprach:

23. (13 735.) Viele Purusha's sind von dir, dem Durchsich- selbstseienden , geschaffen worden, o Brahman, und neue werden immer noch geschaffen, und dabei soil es nur einen allwarts strahlenden Purusha geben!

24. (13 736.) Wer ist denn dieser eine hochste Purusha, 0 Brahman, iiber den du nachdenkst? Lose mir diesen Zweifel, danach trage ich grofses Verlangen.

Adhyaya 352 (B. 350). 859

Gott Brahman sprach:

25. (13737.) 0 Sohn, allerdings gibt es die vielen Purusha's, welche von dir erwahnt wurden; in diesem Sinne ist jene Einheit als aufgehoben anzusehen und auch wiederum als nicht aufgehoben.

26. (13 738.) Ich will dir aber den Bereich jenes einen Purusha erklaren, inwiefern er als der einzige Ursprung der vielen Purusha's zu bezeichnen ist.

27. (13 739.) Denn darauf beruht es, dafs in jenen hochsten, allergrofsten , ewigen, allbefassenden , gunalosen Purusha die gunalos gewordenen (Purusha's) eingehen.

So lautet im Moksbadbarma

in der Gescbicbto vom Narftyana die Unterredung zwiscben Gott Brabm^n nnd Budra

(Ndrdyantye Brahma- Rudra- samvdda).

Adhyaya 353 (B. 351).

Vers 13740-13763 (B. 1—23).

Gott Brahman sprach:

1. (13 740.) Vernimm, o Sohn, inwiefern jener eine Purusha als der ewige, unvergangliche , unzerstorbare , unermefsliche, allgegenwartige bezeichnet wird.

2. (13 741.) Dieser Purusha kann nicht von dir geschaut werden, o Bester, noch auch von mir oder von anderen, so- fern sie gunahaft sind. Nur von Gunafreien kann der AU- befassende mit dem Auge der Erkenntnis geschaut werden.

3. (13 742.) Korperlos wohnt Er in alien Korpern, und ob- gleich er in den Korpern wohnt, wird er doch nicht durch die Werke befleckt.

4. (13 743.) Er ist meine innere Seele und die deine und aller, die das Merkmal der Korperlichkeit an sich tragen, er ist der Zuschauer (sakshinj in alien und kann daher von keinem irgendwo geschaut werden.

5. (13 744.) Alliiberall ist sein Haupt, alliiberall seine Arme und Fiifse, Augen und Nase, als einziger weilt er in den Fel- dern fJcshetraJ, nach freiem Willen waltend, wie es ihm beliebt.

860 ni. Mokshadharma.

6. (13 74B.) Die Felder (hsJietraJ sind die Leiber, und der Same in ihnen ist das Gute und Bose, diese Felder erkennt jener yogabeflissene Atman, darum wird er der Kshetrajfia genannt.

7. (13 746.) Sein Kommen und Gehen in den Wesen ist fiir keinen erkennbar. Durch Sankhyamethode und stufenweise gesteigerten Yoga

8. (13 747.) iiberdenke ich seinen Gang, aber sein hochstes Ziel kenne ich nicht. Aber soweit meine Erkenntnis reicht, will ich dir den ewigen Purusha erklaren.

9. (13 748.) Er hat Einheit und hat Grofse, er heifst der eine Purusha, er, der Eine und Ewige, wird der grofse Purusha genannt.

10. (13 749.) Er, der Eine, wird als das opferverzehrende Feuer an vielen Orten entziindet, er, der Eine, ist als Sonne die einzige Quelle der Glut, er, der Eine, weht als der Wind vielfach in der Welt, er, der Eine, ist als der grofse Ozean die Wiege der Gewasser; (13750.) er ist der eine, allgestaltige , gunalose Purusha, zu ihm, dem Gunalosen, gehen die Erlosten ein.

11. (13 751.) Aufgebend alles Gunahafte, aufgebend das gute und bose Werk, beide hinter sich lassend, die Wahrheit und die Unwahrheit, so wird der Mensch von den Guna's befreit.

12. (13 752.) Wer ihn erkennt als unausdenkbar, geheimen Wesens, in seiner Vierfaltigkeit [als Aniruddha, Pradyumna, Sankarshana, Vasudeva], und wer in Demut wandelt, der ge- langt zu dem lichten Purusha.

13. (13 753.) In dieser Weise lehren manche Gelehrten von diesem Atman, dafs er der hochste Atman sei, und andere Forscher erklaren ihn fiir den einzigen Atman.

14. (13 754.) Sofern er der hochste Atman ist, wird er als der ewig Gunafreie geschildert, und er ist Narayana, das soil man wissen, denn dieser ist der allbeseelende Purusha.

15. (13 755.) Er wird nicht von den Werkfriichten befleckt, wie das Lotosblatt nicht von dem Wasser, aber als Werk- behafteter ist er ein anderer, der Erlosung und Bindung unterworfen.

Adhyaya 353 (B. 351). 861

16. (13 756.) Als solcher ist er mit dem siebzehnfachen Aggregate behaftet, und insofern ist dir der Purusha als in sich vielf altig nach seinen einzelnen Teilen geschildert worden.

17. (13 757.) Er ist das, was man als die ganze hochste Befassung des Weltgewebes erkennen, mufs, er ist der Erkennbare und der Erkenner, der Denker und das Denk- bare, der Verzehrer und das Verzenrbare, Riecher und Riechbares, Fiihler und Fiihlbares,

18. (13 758.) Seher und Sichtbares, Horer und Horbares, Erkenner und Erkennbares, das Gunahafte und das Guna- lose; er ist auch das, was als das allbefassende Pradha- nam (die Prakriti), das bestandige, ewige, unvergang- liche, bezeichnet wird.

19. (13759.) Sofern er die erste Schopfung des Schopfers erzeugt, insofern nennen ihn die Brahmanen Aniruddha; und auch was in der Welt das lobliche vedische, mit Wiinschen behaftete Werk ist, (i3 760.) auch das mufs ihm zu Ehren dargebracht werden.

20. Alle Gotter und wohlberuhigten Muni's spenden ihm vor dem Altare den Opferanteil. (i3 76i,) Ich, der Gott Brahman, der erste Herr der Geschopfe, bin von ihm geboren, und du bist wiederum von mir erzeugt worden;

21. von mir auch stammt die Welt des Beweglichen und Unbeweglichen , o Sohn, mitsamt den Veden und den Upanishad's frahasyamj.

22. (13 762.) In seinen vier Erscheinungsformen treibt der Purusha sein Spiel, wie er will. Und ebenso wird der Heilige durch sein eigenes Erkennen zu einem Erweckten.

23. (13 763.) Damit habe ich dir, o Sohn, erklart, wonach du fragtest, wie es in der Sankhyalehre und im Yoga aus- gefiihrt worden ist.

So lautet im MokshadhaTma der Schlufs der Geschichte vom N&r&yana (Ndrdyantyam samdptam).

862 III. Mokshadharma.

Adhyaya 354 (B. 353).

Vers 13764-11774 (B. 1-11).

Yudhishthira sprach :

1. (13 764.) Die schonen Pflichten, welche sich auf die Er- losungslehre beziehen, sind von dir, o Grofsvater, dargelegt worden. Nun sollst du mir, o Herr, die hochste Pflicht der die Lebensstadien Befolgenden nennen.

Bhishma sprach:

2. (13765.) Allbefassend ist die Pflicht. Der Himmel ist der grofse Lohn fiir die Wahrheit. Viele Eingangspforten hat die Pflicht, keine Bemiihung um sie ist ohne Frucht,

3. (13 766.) und wenn einer sich fiir einen Zweig derselben entschieden hat, so pflegt er nur diesen und keinen andern zu schatzen, o Bester der Bharata's.

4. (13 767.) So vernimm denn, o Manntiger, von mir folgende Geschichte, welche vormals von dem grofsen Weisen Narada dem Qakra (Indra) erzahlt wurde.

5. (13 768.) Der grofse Kishi, der vollendete, von den drei Welten geehrte Narada, durchwandert nacheinander die Welten ungehemmt wie der Wind, o Konig.

6. (13 769.) Einstmals, o grofser Bogenschiitze, gelangte er zu der Wohnung des Gotterkonigs, und von dem grofsen Indra gasthch aufgenommen, blieb er in seiner Nahe.

7. (13 770.) Indem er nun behaglich dasafs, fragte ihn der Gatte der Qaci : 0 grofser Rishi, ist dir irgend etwas Wunder- bares begegnet, o Untadhger,

8. (13 771.) dieweil du doch, o Brahmanenpriester, die drei Welten mit allem Beweglichen und Unbeweglichen immer- fort als ein Vollendeter, teilnehmend gleichwie ein Zuschauer, durchstreifst ?

9. (13 772.) Es gibt ja nichts in der Welt, was dir, o Gotter- weiser, unbekannt ware. Wenn du etwas gehort, erlebt oder gesehen hast, so erzahle es mir.

10. (13 773.) Da, o Konig, erzahlte Narada, der Beste der

Adhyaya 354 (B. 352). 863

Redner, dem dasitzenden Gotterfiirsten auf sein Ansuchen eine grofse Geschichte.

11. (13 774.) Wie und auf welche Weise der Beste der Zwiegeborenen jenem auf seine Frage die Geschichte erzahlt hat, so sollst auch du sie von mir zu horen bekomnien.

So lautet im Mokahadharma die Erzablung vom Ahrenleser (unchavritti - updkhydnam).

Adhyaya 355 (B. 353).

Vers 13775-13783 (B. 1-9).

Bhishma spracli:

1. (13 775.) Es lebte einmal, o Bester der Manner, in der treffhchen Stadt Mahapadmam, am rechten Ufer der Ganga, gesammelten Geistes,

2. (13 776.) leutselig, aus der Famihe des Soma, im Veda beschlagen, von Zweifeln frei, in der Pflicht beharrend, ohne Zorn, allezeit zufrieden, mit bezahraten Sinnen,

3. (13 777.) an Askese und Studium seine Freude habend, wahrhaft, von den Guten geehrt, mit rechtlich selbsterworbenem Reichtum und gutem Charakter ausgestattet,

4. (13 778.) in einer an Verwandten und Bekannten reichen, einer Vereinigung von Tugenden vergleichbaren grofsen und beriihmten Famihe, einer ausgezeichneten Lebensfiihrung sich befleifsigend [ein Brahmane].

5. (13 779.) Er hatte viele Sohne, betrieb grofse Opfer- werke, indem er die Famihenpflicht treu erfiillte, o Konig, und beharrhch war in pflichtmafsigem Wandel.

6. (13 780.) Die vom Veda vorgeschriebene Pflicht, sowie die von den Lehrbiichern geforderte und auch die von den Weisen geiibte, diese dreifache Pflicht iiberdachte er in seinem Geiste.

7. (13 781.) Was erwachst mir daraus, dafs ich das Gute iibe, was habe ich damit erreicht und was ist mein hochstes Ziel? Mit solchen Fragen qualt er sich immerfort und kommt dariiber nicht ins Klare.

864 III. Moksliadharma.

8. (13 782.) Indem er sich so abqualte und sich der hochsten Pflichterfiillung beflifs, kam einstmals ein Gast zu ihm, ein wohlgesammelter Brahmane.

9. (13 783.) Den nahm er gastlich auf in zeremonieller Weise, und als dieser, ermiidet, behaglich dasafs, sprach er zu ihm folgendermafsen.

So lautet im Hoksfaadharma die Erzahlung vom Ahrenlesex (unchaeritti - updkhydnani).

Adhyaya 356 (B. 354).

Vers 13784-13799 (B. 1-16).

Der Brahmane sprach:

1. (13 784.) Ich fiihle mich zu dir hingezogen durch die Lieblichkeit deiner Rede, o Untadliger; du bist mir ein Freund geworden. Ich mufs dir etwas sagen; hore mich an.

2. (13 785.) Nachdem ich, o Brahmane, die Pflicht des Haus- vaters, welche Nachkommenschaft fordert, erfiillt habe, mochte ich gern die hochste Pflicht vollbringen. Welcher Weg fiihrt dazu, o Zwiegeborener ?

3. (13 786.) Dem Atman zugewendet, sehne ich mich danach, in dem Atman allein festgewurzelt zu sein, und wiinsche es doch wieder nicht, weil ich in den allgemein menschlichen Fesseln fgunaj gebunden bin.

4. (13 787.) Ehe noch dieses auf die Erzielung von Nach- kommenschaft gerichtete Lebensalter verstrichen ist, mochte ich mich mit Wegekost fiir die Reise in die andere Welt versehen.

5. (13 788.) In dieser Weltflut befangen, trachte ich nach dem jenseitigen Ufer, und die Sorge beschaftigt mich, woher ich das aus Pflichterfiillung bestehende Schifi" erlangen kann.

6. (13 789.) Wenn ich wahrnehme, wie in der Welt auch sattvahafte (gute) Wesen, nachdem sie sich zusammen- gefunden haben, auseinandergesprengt werden, wenn ich sehe, wie iiber den allwarts verbreiteten Menschen ein heuchlerischer Heiligenschein schwebt,

Adhyaya 356 (B. 354). 865

7. (13790.) und wenn ich sogar sehen mufs, wie die Selbstbezwinger an fremden Tiiren betteln gehen, dann gerat mein Geist nicht mehr in Erregung bei einer Gelegenheit zum Genusse; darum mogest du, o Gast- freund, vermoge deiner auf die Kraft der Erkenntnis sich stutzenden Pflicht auch mich zur Pflichterfullung anleiten.

8. (13 791.) Als der Gast diese Worte des die Pflicht zur Sprache bringenden Brahmanen horte, da sprach der Ver- standige mit sanfter Stimme das milde Wort.

Der Gast sprach:

9. (13 792.) Audi ich bin hieriiber nicht im klaren, auch mich erfiillt dasselbe Verlangen wie dich, und doch kann ich nicht zur Gewifsheit gelangen fiber die vielen Wege, die zum Himmel fiihren sollen.

10. (13 793.) Einige riihmen die Erlosungslehre, andere Brahmanen den Lohn der Opferwerke, einige fufsen darauf, dafs sie Waldeinsiedler, andere, dafs sie Hausvater sind,

11. (13 794.) manche stiitzen sich auf die Konigspflicht, manche hoffen auf die Frucht des Atmanwissens , andere empfehlen den Gehorsam gegen die Lehrer, und wieder andere das Geliibde des Schweigens,

12. (13 795.) manche sind fiir ihren Gehorsam gegen Vater und Mutter zum Himmel gelangt, andere durch Schonung der Wesen, und wieder andere durch Aufrichtigkeit,

13. (13 796.) viele boten im Kampfe dem Feinde die Brust und gelangten erschlagen zum Himmel, andere suchten die Vollendung durch das Geliibde des Ahrenlesens und schlugen diesen Weg zum Himmel ein,

14. (13 797.) manche Edlen ergaben sich dem Studium, das Vedageliibde befolgend, und sind als Weise, Zufriedene, Be- zahmte zum Himmel gelangt,

15. (13 798.) wieder andere hielten fest an der Rechtschaffen- heit, liefsen sich von den Ungerechten unterdriicken und stiegen als Gerechte mit reiner Seele zum Riicken des Him- mels empor.

Deussen, Mah&bh^ratam. 55

866 in. Mokshadharma.

16. (13 799.) Da so mannigfache Himmelswelten durch die Pforten der Pflicht offenstehen, so wird auch mein Oeist hin und her getrieben, wie ein Wolkenstreifen durch den Wind.

So lautet im Mokshadharma die Erzahlung vom Ahrenleser (uiichavritti - updkhydnani).

Adhyaya 357 (B. 355).

Vers 13800-13810 (B. 1-11).

Der Gast sprach [weiter]:

1. (13 800.) 0 Brahmane, ich will dir die Unterweisung in folgerechter Weise iibermitteln, wie sie mein Lehrer mir mit- geteilt hat; verniram von mir den wahren Sachverhalt.

2. (13801.) Wo einstmals in einer friihern Weltperiode das Rad der Pflicht ins Rollen gebracht wurde, da liegt im Naimishawalde am Ufer der Gomati eine nach den Naga's (Schlangen) benannte Stadt.

3. (13 802.) Dort war von den vereinigten dreifsig [Gottern] geopfert worden, o Stier der Zwiegeborenen, und dort war auch dem besten Konige Mandhatar die Uberwindung des Indra gelungen.

4. (13803.) Dort hat ein pflichtkundiger, grofser Schlangen- genius seinen Wohnsitz aufgeschlagen, ein grofser Naga, welcher Padmanabha oder auch Padma genannt wird.

5. (13804.) In Worten, Werken und Gedanken, o Stier der Zwiegeborenen, auf dem dreifachen Pfade [des Opfers, der Erkenntnis und der Verehrung, Nil.] beharrend, macht er sich die Wesen holdgesinnt.

6. (13805.) Mit Begiitigung, Erregung von Zwietracht [unter den Feinden], Schenken und Strafen, mit diesen vier Mitteln regiert er, beobachtend und erwagend, die Ungerechten und die Gerechten,

7. (13806.) Ihn besuche fatikramyaj und befrage ihn in vorschriftsmafsiger Weise nach dem, was du wissen willst.

Adhyaya 357 (B. 355). 867

Er wird dir aufrichtig die Belehrung iiber die hochste Pflicht geben.

8. (13807.) Denn dieser Naga ist alien Gasten freundlich gesinnt, mit Weisheit und Gelehrsamkeit begabt und mit alien wiinschenswerten, unvergleichlichen Tugenden ge- schmiickt.

9. (13808.) Er ist von Natur immer zu Waschungen ge- neigt, immer am Studium sich erfreuend, in Askese und Be- zahmung geiibt und von edlem Lebenswandel,

10. (13809.) opferfreudig , freigebig, nachsichtig, von vor- trefflichem Benehmen, wahrheitliebend , nicht mifsgiinstig, charaktervoll, Herr seiner Sinne,

11. (13810.) Restspeise essend, leutselig im Reden, wohlgesinnt, rechtschaffen, vornehm, des Geleisteten und Nichtgeleisteten eingedenk, keine Feindschaft hegend, auf das Wohl der Wesen bedacht, von einer Familie so rein wie die Wasserfluten der Gaiiga.

So lautet im Mokehadbarma die Erz^hlung vom Ahrenleser (uiichavritti - updkhydnam).

Adhyaya 358 (B. 356).

Vers 13811-13821 (B. 1-11).

Der Brahmane sprach:

1. (13811.) Eine schwere Last lag auf mir, und ich fiihle mich jetzt bedeutend erleichtert, nachdem ich diese hochstes Vertrauen einflofsenden Worte von dir vernommen habe.

2. (13812.) Wie fiir den vom Wandem Ermatteten das Lager, wie fiir den vom Stehen Ermiideten der Sitz, wie fiir den Durstigen der Trank, fiir den Hungrigen die Nahrung,

3. (13813.) fiir einen Gast die rechtzeitige Erlangung der von ihm erbetenen Speise, wie fiir einen alten Mann ein eigener Sohn, nach dem die Sehnsucht in ihm lange be- standen hat,

55*

868 in. Mokshadharma.

4. (13814.) wie das Wiedersehen mit einem lieben Freunde, den man im Geiste herbeigewiinscht hat, so erfrischend ist fiir mich das von dir gesprochene Wort.

5. (13815.) Wie einer, der den Blick nach oben richtet, schaue ich und iiberlege ich, denn von einer verstandigen Kede ausgehend ist die Unterweisung, die du mir ge- geben hast.

6. (13 816.) Gewifs werde ich nach dem handeln, was du, 0 Herr, mir anratst. Diese Nacht, o Guter, verweile bei mir,

7. (13817.) erst morgen friih magst du erquickt nach be- haglichem Verweilen weiterziehen , denn schon hat jener heilige Sonnengott mit matteren Strahlen sein Haupt gesenkt.

Bhlshma sprach:

8. (13818.) Nachdem der Gast von jenem gastfreundhch aufgenommen war, o Feindetoter, verbrachte er die folgende Nacht bei dem Zwiegeborenen.

9. (13819.) Wahrend die beiden sich iiber das vierte Lebens- stadium und was damit zusammenhangt unterhielten , ver- strich die ganze Nacht, als ware sie ein Tag, in angenehmer Weise.

10. (13820.) Als der Tag anbrach, wurde der Gast von dem Brahmanen, der danach verlangte, seine Absicht aus- zufiihren, nach besten Kraften geehrt.

11. (13 821.) Darauf begab sich der rechtschaffene Brah- mane, nachdem er alle seine Geschafte richtig besorgt und von seinen Leuten Abschied genommen hatte, als- bald mit wohlgefestigter Absicht zu der ihm bezeichneten Behausung des Schlangenfursten.

So lautet im Mokshadharma die Erzahlung vom Ahrenleeer (uiicliacritti - updkhydnam).

Adhyaya 359 (B. 357). 869

Adhyaya 359 (B. 357).

Vers 13822-13834 (B. 1-13).

Bhlsbma sprach:

1. (13822.) Nachdem er der Reihe nach an mancherlei Waldern, Furten und Gewassern voriibergekommen war, be- gegnete er einem Muni.

2. (13823.) Den befragte der Brahmane in hoflicher Weise nach dem von jenem Weisen ihm beschriebenen Naga, und nachdem er Antwort bekommen hatte, ging er hin.

3. (13824.) Als der Verstandige der Unterweisung gemafs zu der Behausung des Naga gelangt war, sagte er mit an- mutiger Wortwendung: Hier bin ich, o Herr!

4. (13 825.) Da hefs sich auf dieses Wort die anmutige, pflichtergebene, ihrem Gatten getreue Gattin des Naga vor dem Brahmanen sehen.

5. (13826.) Diese, ihre Pflicht hochhaltend, erwies ihm die gebiihrende Ehrung, hiefs ihn willkommen und sprach: „Was soil ich tun?"

Der Brahmane sprach :

6. (13827.) Als milder Wanderer bin ich durch das freund- liche Wort der Herrin geehrt worden ;• ich wiinsche den gott- lichen, trefflichsten Naga zu sehen, o Herrin.

7. (13828.) Das ist mein eigentlicher Zweck, das ist mein hochster Wunsch, in dieser Angelegenheit bin ich heute zu der Schlangenwohnung gekommen.

Die Gattin des N^ga sprach:

8. (13829.) Mein Gatte ist fiir einen Monat abwesend, um den Wagen des Sonnengottes zu ziehen, mufs aber in sieben bis acht Tagen sicher wieder hier erscheinen.

9. (13830.) Damit moge dir der Anlafs fur die Abwesen- heit meines Gatten bekannt sein; sage mir, was ich sonst noch fiir dich tun kann.

870 in. Mokshadharma.

Der Brahmane sprach:

10. (13831.) Nur aus jener Absicht bin ich hierherge- kommen, o gute Frau, und will nun in dem grofsen Walde dort verweilen und seine Ankunft erwarten, o Herrin.

11. (13832.) Sobald er zuriickgekehrt sein wird, moge ihm unfehlbar meine Ankunft hier gemeldet werden, und der gliick- lich Zuriickgekehrte moge mein Wort durch dich iibermittelt erhalten.

12. (13833.) Inzwischen werde ich dort auf jener schonen Sandbank der Gomati wohnen, indem ich fiir die von dir ge- nannte Zeit meine Nahrung einschranke.

13. (13834.) Nachdem der Weise der Schlangenfrau diese Weisung zu wiederholten Malen erteilt hatte, begab sich der Brahmanenstier auf jene Sandbank des Flusses.

So lautet im Mokghadharma die Erzahlung vom Ahrenleser (unchavritti - updkhydnam).

Adhyaya 360 (B. 358).

Vers 13835-13847 (B. 1-13).

Bhishma sprach:

1. (13 835.) Als nun aber jener asketische, vortreffliche Brahmane dort verweilte, ohne Nahrung zu sich zu nehmen, da wurden die Schlangenleute besorgt.

2. (13836.) Alle Angehorigen des Naga, seine Briider, Kinder und Gattin taten sich zusammen und begaben sich zu dem Brahmanen.

3. (13 837.) Da sahen sie den Zwiegeborenen auf der ab- geschiedenen Sandbank seinem Geliibde treu dasitzen, ohne Nahrung und mit Murmelung beschaftigt.

4. (13 838.) Alle Angehorigen des gastlichen [Naga] be- gaben sich zu ihm hiniiber, verehrten den Brahmanen zu wiederholten Malen und sprachen zu ihm das offene Wort:

5. (13 839.) Nun sind es schon sechs Tage, o Askesereicher,

AdhySiya 360 (B. 358). 871

dafs du hier angekommen bist, und du redest nicht im min- desten davon, zu essen, o Freund der Pflicht.

6. (13 840.) Du bist zu uns gekommen, darum suchen wir dich hier auf ; wir mussen fiir ihn die Pflicht der Gastfreund- schaft iiben, denn wir gehoren alle zu seiner Famihe.

7. (13841.) Fine Wurzel oder eine Frucht, ein Blatt oder etwas Milch, o Bester der Zwiegeborencxi, oder etwas Speise solltest du um der Ernahrung willen geniefsen, o Brahmane.

8. (13842.) Dadurch, dafs du, in diesem Walde wohnend, die Nahrung verweigerst, fiihlt sich diese ganze Gesellschaft, jung und alt, beschwert von dem Bewufstsein, ihre Pflicht zu vernachlassigen.

9. (13 843.) Unter uns gibt es keinen Embryototer, keinen, der bei einem eingetretenen Unfalle nicht das Rechte tate, keinen in der ganzen Familie, der essen mochte, ehe Gotter, Gaste und Angehorige gespeist haben.

Der Brahmane sprach :

10. (13844.) Infolge cures Anerbietens nehme ich die Speise als genossen an fiir die Zeit von zehn weniger zwei Nachteh bis zur Riickkunft des Naga.

11. (13 845.) Sollte aber nach Verlauf von acht Nachten der Schlangenherr nicht zuriick sein, so werde ich Nahrung zu mir nehmen, denn auf ihn zielt mein Geliibde hin.

12. (13 846.) Ihr braucht euch nicht zu beunruhigen, geht nur wie ihr gekommen seid, auf ihn zielt alles, was ich tue, und darin diirft ihr mich nicht storen.

13. (13847.) So wurden die Schlangenleute von dem Brah- manen verabschiedet und gingen unverrichteter Sache wieder nach Hause, o Mannerstier.

So lautet im Mokshadharma die Erzahlung voin AhrenleBcr

(uTtchavfitti - updkliydnarii ) .

872 in. Mokshadharma.

Adhyaya 361 (B. 359).

Vers 13848-13863 (B. 1-16).

Bhishma sprach:

1. (13848.) Als nun lange Zeit verstrichen war, kam der Schlangenherr nach Hause zuriick, nachdem er seine Auf- gabe erfiillt hatte und vom Sonnengotte entlassen worden war.

2. (13 849.) Ihm kam die Gattin mit der Fufswaschung und anderen Leistungen entgegen, und als die Gute zu ihm heran- trat, da fragte sie der Schlangenherr:

3. (13850.) Bist du auch, o Schone, fleifsig gewesen in Ehrung der Gotter und Gaste in der Weise, wie ich sie dir vordem empfahl, und wie sie gleichfalls durch den Brauch vorgeschrieben ist?

4. (13851.) Du bist doch nicht, wahrend ich die Geschafte des Gottes besorgte, nach Weiberart lassig geworden und hast dich wahrend der Trennung von mir iiber die Schranken der Pflicht hinweggesetzt, o Schonhiiftige ?

Die Gattin des Naga sprach :

5. (13852.) Sache der Schiiler ist Gehorsam gegen den Lehrer, der Brahmanen Auswendigwissen des Veda, des Dieners der Befehl des Herrn, des Konigs die Regierung der Leute.

6. (13853.) Die Pflicht des Kshatriya ist es, alle Wesen zu schiitzen, des VaiQya, zum Opfer mitzuwirken und Gastfreund- schaft zu iiben.

7. (13 854.) Die Aufgabe des (^udra ist es, den Brahmanen, Kshatriya's und VaiQya's zu gehorchen, die des Hausvaters, o Schlangenfiirst, fiir das Wohl aller Wesen zu sorgen.

8. (13 855.) Bestandige Beschrankung der Ernahrung und jenachdem Beobachtung eines Geliibdes [wie Keuschheit, Schweigen usw.] ist die Pflicht der Sinnesorgane im einzelnen, weil auch sie der Pflicht unterworfen sind.

9. (13856.) Wem gehore ich an? woher stamme ich? wer bin ich, und wer gehort mir an ? In diesem Bewufstsein soil, wer auf die rechten Mittel halt, im Erlosungsstadium leben.

Adhyaya 361 (B. 359). 873

10. (13857.) Treue gegen den Gatten ist die hochste Pflicht der Gattin, das weifs ich durch deine Unterweisung und auch schon durch die Sache selbst.

11. (13858.) Da ich somit meine Pflicht kenne und du als ein in der Pflicht Beharrhcher mir zur Seite stehst, wie konnte ich da vom rechten Wege abweichen und auf einen Ahweg mich veriieren!

12. (13859.) Die Beobachtung der Pflicht gegen die Gotter, o Hochbegliickter, wird von mir nicht versaumt, und mit der guten Aufnahme der Gaste bin ich unermiidlich beschaftigt.

13. (13860.) Es sind heute sieben oder acht Tage, dafs ein Brahmane hierhergekommen ist, aber was er will, sagt er mir nicht, sondern wiinscht dich selbst zu sprechen.

14. (13 861.) Inzwischen sitzt er, nach deinem Anblick ver- langend, auf einer Sandbank der Gomati und beschaftigt sich mit Beten als Brahmane mit scharfem Geliibde.

15. (13862.) Ich bin aber von ihm, o Schlangenfiirst , an- gewiesen worden und mufste es ihm versprechen, dich, den Besten der Schlangenherren, nach deiner Ankunft zu ihm zu bringen.

16. (13863.) Nachdem du dies von mir gehort hast, o sehr Weiser, mufst du dich zu ihm begeben und ihm deinen An- blick gewahren, o Schlangenherr.

So lautet im Mokshadharma die Erziihlung vom Ahrenleser

(unchavfitti - npdkhydnam) .

Adhyaya 362 (B. 360).

Vers 13864-13883 (B. 1-20).

Der Kaga sprach:

1. (13864.) Wer ist es, den du da fur einen Brahmanen angesehen hast? Ist es blofs ein der Brahmanenkaste an- gehoriger Mensch oder vielleicht ein Gott, o heiter Lachelnde ?

2. (13 865.) Welcher Mensch, o Herrliche, kann danach verlangen oder ist imstande, mich zu sehen? Wer kann

874 III. Mokshadharma.

hoffen, mich zu sehen, und dies in Form eines Befehls aus- sprechen ?

3. (13 866.) Sind nicht, o Liebliche, unter den Scharen der Gotter und Damonen und unter den Gotter-Eishi's die Schlangen als Nachkommen der Surasa (lies: sauraseyds) von grofser Kraft und Schnelligkeit ?

4. (13 867.) Wir Schleichenden miissen verehrt werden als Gabenspender, und siiid besonders fiir die Menschen nicht zu sehen, so denke ich.

Die Gattin des Naga sprach:

5. (13 868.) An seiner Schlichtheit sehe ich, dafs er kein Gott ist, o Windesser; sonst sehe ich nur das Eine an ihm, namlich dafs er vol! Ehrerbietung ist, o du Zorniger.

6. (13869.) Er begehrt nach irgendeiner Sache, und wie der wasserdurstige , regenfrohe Catakavogel nach Regen, so verlangt er nach deinem Anblick.

7. (13870.) Moge er doch nicht dadurch, dafs er deines Anblicks verlustig geht, auf ein Hindernis treffen; keiner, der gleich dir in einer edlen Familie geboren ist, kann bei einem solchen Anlasse ruhig zusehen.

8. (13871.) Darum mufst du den dir angeborenen Zorn beiseite lassen und den Mann aufsuchen; wenn du heute seine Hoffnung nicht tauschest, so brauchst du dir hinterher keine Gewissensbisse zu machen.

9. (13 872.) Wer es -versaumt, einem Hoffenden seine Tranen zu trocknen, der, und ware er ein Konig oder ein Konigs- sohn, macht sich einer Embryototung schuldig.

10. (13873.) Dem Schweigen wird die Erkenntnis zum Lohne, durch Freigebigkeit erlangt man grofsen Euhm, die Beredsamkeit, wenn einer die Wahrheit redet, wird sogar im Jenseits geehrt.

11. (13874.) Wer Land verschenkt, erlangt ein Ziel, das dem Durchmachen der Lebensstadien gleichkommt ; wer zur Erlangung eines geziemenden Zweckes Hilfe leistet, erlangt dafiir auch dessen Frucht.

12. (13875.) Wer mit Bewufstsein eine nicht mit Welthang

Adhyaya 362 (B. 360). 875

verflochtene Handlung zum Heile seiner Seele vollbringt, der fahrt nicht zur Holle, das weifs jeder Pflichtkundige.

Der N&,ga sprach :

13. (13876.) Mein Stolz beruht nicht auf Diinkelhaftigkeit, sondern meine edle Abstammung ist daran schuld, dafs er so grofs ist. Aber jetzt ist der aus meinem Willen ent- sprungene Zorn, o Gute, durch das Feuer deiner Rede ver- brannt worden.

14. (13877.) Auch ich, o Gute, sehe keine schlimmere Ver- blendung als den Zorn, durch sein Ubermafs kommen [ydnti mit C.) wir Schlangenherren ins Gerede der Leute.

15. (13878.) Weil er sich vom Zorne hinreifsen liefs, wurde der Zehnkopfige (Ravana), der Widersacher des Gottes Qakra, von Rama im Kampfe getotet.

16. (13879.) Fiir den Raub des in der innern Wohnung befindlichen Kalbes [der Opferkuh] wurden von Rama, als er davon horte, die in Gewalttatigkeit und Zorn entbrannten Sohne des Kartavirya erschlagen,

17. (13880.) Und von demselben Rama, dem Sohne des Jamadagni, wurde der dem Tausendaugigen (Indra) vergleich- bare, gewaltige Kartavirya um seines Zornes willen im Kampfe erschlagen (vgl. Mahabh. Ill, Adhy. 116 fg.; XII, Adhy. 49).

18. (13881.) Darum habe ich jenen Feind der Askese, jenen Zerstorer des Heils, meinen Zorn, niedergekampft, nachdem ich deine Rede vernommen habe.

19. (13882.) Und ich preise mich besonders gliicklich, o du Getreue, dafs eine so tugendhafte Gattin wie du, o Grofs- augige, mir angehort.

20. (13883.) Ich gehe jetzt dorthin, wo jener Zwiegeborene weilt, er wird mir sein Anliegen vollstandig vortragen und nach Erreichung seines Zweckes von dannen ziehen.

So lautet im Mokshadharma die ETziihlang yom Ahrenleaer

(uTichavritti - updkhydnam).

876 ni- Mokshadharma.

Adhyaya 363 (B. 361).

Vers 13884-13899 (B. 1-16).

Bhishma sprach:

1. (13 884.) Darauf begab sich der Schlangenherr zu dem Brahmanen, indem er auf ihn seine Gedanken richtete und iiberlegte, welchen Zweck er wohl haben mochte.

2. (13885.) Nachdem der verstandige Schlangenfiirst ihn erreicht hatte fatiJcramyaJ, o Mannerherr, sprach er, der von Natur Pflichthebende , das freundhche Wort:

3. (13886.) 0 Freund, sei ruhig, ich will zu dir reden, zurne nicht ; um welcher Sache willen bist du hierhergekommen und was ist dein Begehr?

4. (13887.) Indem ich vor dich trete, frage ich aus Liebe zu dir, 0 Zwiegeborener, wer ist es, den du an dem abge- schiedenen Ufer der Gomati verehrst?

Der Brahmane sprach :

5. (13 888.) Wisse, dafs ich Dharmaranya heifse und hier- hergekommen bin, um den Naga Padmanabha zu sehen, o Bester der Zwiegeborenen, darin liegt mein Zweck.

6. (13889.) Als ich ihn nicht antraf, habe ich von seinen Leuten gehort, dafs er fortgegangen sei, und ich harre auf ihn wie der Pfliiger auf den Regen,

7. (13 890.) Inzwischen beschaftige ich mich, dem Yoga hingegeben und ohne Ungemach, mit einer Gebetsiibung, die von ihm Beschwerden fernhalten und sein Heil befdrdern soil.

Der Kaga sprach :

8. (13891.) 0, da hast du eine edle Beschaftigung , gut bist du und ein Freund der Guten, du bist untadlig, o Gliick- licher, weil du mit Liebe an deinen Nachsten denkst.

9. (13892.) Ich, wie du mich hier siehst, bin jener Naga, o Brahmanenweiser, sage mir nach deinem Belieben, was ich dir Angenehmes erweisen soil.

10. (13893.) Von mein en Leuten habe ich gehort, dafs du angekommen bist, darum bin ich selbst gekommen, um dich zu sehen, o Brahmane.

Adhyftya 363 (B. 361). 877

11. (13894.) Da du hierhergekommen bist, soUst du nicht fortgehen, ohne deinen Zweck erreicht zu haben ; mache mich, o Bester der Brahmanen, vertrauensvoll mit deiner Sache bekannt.

12. (13895.) Wir alle sind durch deine Tugend ganz und gar gewonnen worden, well du, dein eigenes Wohlsein bei- seite lassend, zu meinen Gunsten dich bemiihst.

Der Brahmane sprach :

13. (13896.) 0 Hochbegliickter, ich bin hierhergekommen voll Sehnsucht dich zu sehen, ich mochte dich befragen iiber eine Sache, in der ich mir nicht zu helfen weifs, o Schlangenherr.

14. (13897.) Obgleich ich, im Atman stehend, nach dem Ziele des Atman forsche, verehre ich doch nur den hoch- weisen Atman, sofern er, des festen Standortes ermangelnd, noch mit dem wankelmiitigen Cittam (Manas) behaftet ist.

15. (13898.) Du, der du mir erschienen bist mit den tugendhaften , ruhmgeborenen Strahlen, welche, den Be- riihrungen der Mondstrahlen gleich, herzerfreuhch dein Wesen offenbaren,

16. (13899.) du, o Windesser, mogest mir eine Frage, die in mir aufgetaucht ist, losen! Sodann will ich dir meine Sache mitteilen, und du sollst sie horen.

So lautet im Mokshadharma die Erzahlung vom Abrenleser

(uTichanritti - updkhydnam).

Adhyaya 364 (B. 362).

Vers 13900-13917 (B. 1-18).

Der Brahmane sprach:

1. (13900.) Du, o Herr, pflegst ja, wenn die Reihe an dich kommt, zu gehen, um den einradrigen Wagen des Sonnen- gottes zu Ziehen; wenn du dort irgend etwas Wunderbares zu sehen bekommen hast, so mogest du mir da von Kunde geben.

878 III. Mokshadharma.

Der Naga sprach :

2. (13901.) Der Schauplatz mannigfacher Wunder ist der heilige Sonnengott, aus welchem alle die Entstandenen her- vorgehen, die in den drei Welten geehrt werden,

3. (13902.) in dessen tausend Strahlen, wie die Vogel in den Zweigen, die vollendeten Muni's samt den Gottern Zu- jflucht und Wohnung finden,

4. (13 903.) aus welchem ausgehend, auf die Sonnenstrahlen sich stiitzend, der grofse Windgott dort im Luftraume her- vorbricht, welch grofseres Wunder konnte es geben als das !

5. (13 904.) Diesen [Windgott] zerteilend aus Wohlwollen fiir die Geschopfe, o Brahmanenrishi, lafst er in der Regen- zeit das Wasser stromen; welch grofseres Wunder konnte es geben als das!

6. (13 905.) Mitten in dessen Scheibe stehend, entflammt sich der grofse Atman mit hochstem Glanze und iiberschaut die Welten; welch grofseres Wunder konnte es geben als das!

7. (13 906.) Er heifst der Glanzende, und doch tragt er in Gestalt eines dunklen Strahles das Wasser im Luftraume und ergiefst es zur Regenzeit; welch grofseres Wunder konnte es geben als das!

8. (13907.) Und wiederum halt er acht Monate hindurch das ausgegossene W^asser mit reinem Strahle in sich zuriick zu seiner Zeit; welch grofseres Wunder konnte es geben als das!

9. (13 908.) In dessen unvergleichlichem Glanze der Atman selbst weilt, durch den der Same und diese Erde mit Beweg- lichem und Unbeweglichem erhalten wird,

10. (13909.) in dem der grofsarmige, gottliche, ewige, hochste Purusha ohne Anfang und Ende weilt ; welch grofseres Wunder konnte es geben als das!

11. (13910.) Aber als Wunder aller Wunder vernimm dies eine von mir, was ich vom Standort der Sonne aus in dem reinen Ather geschaut habe.

12. (13 911.) Einstmals zur Mittagszeit, wahrend die Sonne die Welten bestrahlte, wurde von iiberallher ein der Sonne gleichkommender Schein gesehen,

13. (13912.) welcher, alle Welten mit seinem selbstleuch-

AdhySiya 364 (B. 362). 879

tenden Glanz durchglanzend , den Himmelsraum gleichsam spaltete und auf die Sonne zueilte.

14. (13913.) Wie ein aufflammender Opfergufs verbreitete er Licht mit seinen Strahlen, unbeschreiblich an Schonheit, einer zweiten Sonne vergleichbar.

15. (13 914.) Als er herangekommen war, reichte ihm der Sonnengott die Hande, und er, dem diese Ehre gebiihrte, reichte dem Sonnengotte die rechte Hand.

16. (13 915.) Sodann zerteilte er den Himmelsraum, ging in die Sonnenscheibe ein und an Glanz mit ihr eins geworden, ward er augenblicklich zur Sonne.

17. (13 916.) Da entstand, als der Lichtglanz der beiden sich vereinigt hatte, in uns ein Zweifel dariiber, wer von beiden eigentlich der Sonnengott sei, der auf dem Wagen Fahrende oder der zu ihm Herbeigekommene,

18. (13 917.) und, in diesem Zweifel befangen, fragten wir den Sonnengott, wer der sei, welcher wie eine zweite Sonne zum Himmel aufgestiegen war.

So lautet im Mokshadharma die Erzahlung vom Ahxenleser (uTichacritti - updkhydnant).

Adliyaya 365 (B. 363).

Vers 13918-13924 (B. 1-6).

Der Sonnengott sprach:

1. (13 918.) Es ist nicht der dem Winde befreundete Gott (des Feuers), auch kein Damon oder ein Schlangenfurst, es ist ein Muni, welcher zum Himmel emporgestiegen ist, weil er durch das Geliibde des Ahrenlesens die Vollendung er- reicht hat.

2. (13919.) Von Wurzeln und Friichten lebend, von ab- gefallenen Blattern sich nahrend, Wasser trinkend und Wind trinkend war dieser gesammelte Brahmane.

3. (13920.) Von diesem wurde Bhava ((^iva) durch Samhita- verse gepriesen ; durch diese auf die Himmelspforte gerichtete Bemiihung ist er zum Dreihimmel emporgestiegen.

4. (13921.) Ohne Umgang und ohne V^iinsche, allezeit vom

880 HI. Mokshadharma.

Ahrenlesen lebend, war dieser Brahmane stets um das Wohl aller Wesen bemiiht, o ihr Schlangenherren.

5. (13922.) Nicht Gotter, nicht Gandharven, nicht Damonen Oder Schlangen stehen hoher als die Wesen, die dieses hochste Ziel erreicht haben.

[Der Naga sprach:]

6. (13 923.) Dieses und von dieser Art ist das Wunder, welches ich da droben gesehen habe, namlich der vollendete Mensch, welcher, nachdem er zur Vollendung gelangt ist, (13 924.) mit der Sonne vereint, die Erde umkreist, o Brahmane.

So lautet im MokRhadharma die Erzahlung vom Ahrenleser (unchavritti - updkhydnaiit).

Adhyaya 366 (B. 364).

Vers 13925-13934 (B. 1-10).

Der Brahmane sprach :

1. (13925.) Ein Wunder ist es, daran ist kein Zweifel! 0 Schlangenherr, ich bin hocherfreut, und durch dein treffendes, mir gespendetes Wort ist mir der Weg gewiesen worden.

2. (13 926.) Heil sei dir! Ich will jetzt gehen, o du Guter, Bester der Schlangenherren, gedenke meiner, indem du zu mir schickst und meine Dienste in Anspruch nimmst.

Der Naga sprach:

3. (13 927.) Wohin willst du denn schon gehen, o Herr, ehe du noch iiber die Angelegenheit, die dir am Herzen liegt, gesprochen hast? Sprich doch, o Zwiegeborener, iiber die Angelegenheit, um derentwillen du hierhergekommen hist.

4. (13 928.) Ist aber, ausgesprochen oder nicht, deine An- gelegenheit erledigt, so magst du dich von mir verabschieden, o Brahmanenstier, und von mir entlassen von dannen gehen, o Geliibdetreuer.

Adhy&ya 3G6 (B. 364). 881

5. (13 929.) Denn als mein Freund darfst du nicht, kaum dafs du mich gesehen hast, mich wieder verlassen und fort- gehen, o Brahmanenweiser, wie einer, der blofs bis zur Wurzel des Baumes gelangt ist [und nicht zu seinen Friichten].

6. (13930.) [Als Freund] lebe ich in dir, o Bester der Bruh- manen, und du in mir, alle meine Leute gehoren dir an, welches Bedenken besteht bei dir gegen mich, o Untadliger?

Der Brahmane sprach :

7. (13 931.) Es ist, wie du sagst, o hochweiser, atman- kundiger Schlangenherr, die Gotter selbst sind dir nicht iiberlegen in jedem Sinne wie es auch sei.

8. (13932.) Du bist es und ich bin es, und was ich bin, bist auch du, in ihm, der mich und dich und die Wesen, uns alle immerdar umfafst.

9. (13 933.) Es bestand bei mir ein Zweifel, o Schlangen- herr, in betreff der Ansammlung eines Schatzes guter Werke, jetzt aber bin ich entschlossen , o Guter, das Geliibde des Ahrenlesens auf mich zu nehmen als das, was zum Ziele fiihrt.

10. (13934.) Diese Gewifsheit ist mir geworden, o Guter, ich habe den hochsten Antrieb mir zu eigen gemacht. Ich griifse dich, Heil sei dir ! Mein Zweck ist erreicht, o Schlangenherr.

So lautet im Mokehadharma die Erzahlung vom Ahrenleser (unchavritti - updkhydnani).

Adhyaya 367 (B. 365).

Vers 13935-13943 (B. 1-9).

Bhishma sprach:

1. (13935.) Nachdem dem Brahmanen die Gewifsheit ge- worden war, nahm er Abschied von dem Besten der Schlangen- herren und begab sich, um die Weihe zu erlangen, zu Cya- vana, dem Bhrigusprofs,

2. (13 936.) Nachdem er von ihm die Weihe erhalten hatte, widmete er sich der Pflicht und erzahlte ihm seine Geschichte, o Konig.

Betjbsen, Mahftbh&ratam. 5o

882 in. Mokshadharma.

3. (13 937.) Von dem Bhrigusohne wurde dann weiter in dem Hause des Janaka diese heilige Geschichte dem hoch- sinnigen Narada mitgeteilt, o Fiirst der Konige.

4. (13 938.) Von dem nicht an Werken hangenden Narada wurde sie, als man ihn darum fragte, in dem Hause des Gotter- fiirsten (Indra) weitererzahit, o Bester der Bharata's.

5. (13939.) Aber von dem Gotterfiirsien wurde einstmals diese schone Geschichte weiter in einer Versammlung alien preiswerten Brahmanen mitgeteilt, o Erdeherr.

6. (13 940.) Und als jener furchtbare Kampf zwischen mir und Rama stattgefunden hatte (Mahabh. V, Adhy. 179 fg.), wurde diese Erzahlung mir von den Vasu's berichtet, o Konig.

7. (13 941.) Auf deine Frage habe ich dir der Wahrheit gemafs diese reine, heilige Geschichte iibermittelt , o Bester der Gesetzestrager,

8. (13942.) und erklart, worin jene hochste Satzung be- steht, nach der du mich fragtest, o Bharata. Jener Brah- mane war weise und in der Erfiillung seiner Pflicht frei von Wiinschen.

9. (13 943. Metrum: Aparavaktram.) Nachdem er VOn dem

Schlangenherrn in dem, was er zu tun hatte, unterwiesen worden war, zog er nach erlangter Gewifsheit, stark in Zucht und Selbstzucht, in den Wald, indem er sich nur von dem nahrte, was das Geliibde des Ahrenlesens ge- stattet.

So lautet im Mokshadharma die Erzahlung vom Ahrenleser (u n chavfitti -updkhydn anij .

IV.

ANUGlTA.

Mahabharatam Buch XIV, Adhyaya 16—51, Vers 407—1477, C. (=Biich XIV, Adhyaya 16-51, B.).

56^

Adhyaya 16 (B. 16).

Vers 407-453 (B. 1-46).

Janamejaya sprach:

1. (407.) Als der Vollhaarige (Krishna) und Arjuna, die Hochherzigen, nach Besiegung der Feinde dort in dem Palaste weilten, welches war die Unterredung, o Brahmane, die sich zwischen beiden entspann?

Vaigampayana sprach:

2. (408.) Nachdem der Sohn der Pritha die vollstandige Herrschaft erlangt hatte, lebte er in Gemeinschaft mit Krishna in jenem himmlischen Palaste von Freude erfiillt.

3. (409.) Daselbst begab es sich einmal, o Fiirst, dafs die beiden, von ihren Leuten gefolgt, zufallig in ein Gemach des Palastes gelangten, welches einem Gemach des Himmels glich.

4. (410.) Da nun betrachtete der von Krishna begleitete Sohn des Pandu, Arjuna, voll Freude den herrlichen Palast und sprach dieses Wort:

5. (411.) 0 Grofsarmiger , als damals der Kampf begann, da lernte ich deine Herrlichkeit kennen, o Sohn der Devaki, und jene deine gottliche Gestalt [oben, S. 77 fg.].

. 6. (412.) Was du, o Ileiliger, damals zu mir aus Freund- schaft gesprochen, o Vollhaariger, das alles, o Manntiger, ist mir vermoge der Hinfalligkeit meines Geistes verloren ge- gangen.

7. (413.) Aber ich empfinde immer wieder und wieder ein Verlangen nach jenen Dingen, und es wird nun nicht mehr lange dauern, bis du nach Dvaraka aufbrechen wirst, o Ma- dhava.

886 IV. Anugita.

Vai^ampayaua sprach :

8. (414.) Als der herrliche Krishna also von dem unter dem Gestirn Phalguni Geborenen (Arjuna) angeredet wurde, da umarmte er ihn und erwiderte, er, der Beste der Kedner, dieses Wort:

Vasudeva (Krishna) sprach:

9. (415.) Ich habe dir das Geheimnis verkiindet, ich habe dich belehrt iiber die immerwahrende, aus deiner Natur [als Kshatriya] entspringende Pflicht und iiber die ewigen Welten.

10. (416.) Dafs du aus Unverstand das nicht begriffen hast, das ist mir im hochsten Grade unerwiinscht, denn nicht noch einmal wieder wird mir heute die Riickerinnerung daran mog- lich sein. «

11. (417.) Sicherlich, es fehlt dir an Glauben, denn du bist torichten Sinnes, o Pandusohn, und es ist mir nicht moglich, dir alles noch einmal zu wiederholen, o Gutgewinner.

12. (418.1 Jene Lehre war vollstandig hinreichend, um die Statte des Brahman zu erlangen; es ist mir nicht moglich, dir noch einmal das alles in derselben Weise zu wiederholen.

13. (419.) Jenes hochste Brahman hatte ich dir verkiindigt, weil ich im Yoga versenkt war. Aber es gibt eine alte Er- zahlung iiber diesen Gegenstand, die will ich dir mitteilen,

14. (420.) so dafs du, zu dieser Erkenntnis gelangend, den hochsten Weg gehen kannst. Vernimm also von mir, o Bester der Gesetzestrager, alles, was ich dir sagen werde.

15. (421.) Ein gewisser Brahmane, o Feindiiberwinder, kam herab aus der Himmelswelt und der Brahmanwelt, und dieser gewaltige Mann wurde von uns mit Verehrung empfangen.

16. (422.) Und als er von uns befragt wurde, was er da antwortete, o Stier der Bharata's, nach himmlischer Satzung, o Prithasohn, das vernimm, ohne dagegen Bedenken zu hegen.

Der Brahmane sprach:

17. (423.) Das, warum du mich befragst, in betreff der Lehre von der Erlosung fmokshadharmaj, o Krishna, und was imstande ist, die Verblendung zu heben, das, o Herr, will ich aus Mitleid mit den Wesen

Adhyiya 16 (B. 16). 887

18. (424.) dir verkiindigen der Wahrheit gemafs, o Madhu- sudana, vernimm es mit Aufmerksamkeit, o Madhava, wie ich es dir sage.

19. (425.) Ein gewisser an Askese reicher Brahmane namens Kagyapa, der Pflichten sehr kundig, besuchte einen gewissen Zwiegeborenen, welcher die heilige Uberlieferung der Satzungen kannte

20. (426.) und liber das Gehen und Kommen [der Wesen] vielfaches Erkennen und Wissen bis auf den Grund erfafst hatte, welcher iiber Wesen und Zweck der Welt unterrichtet war und die Bedeutung von Lust und Schmerz erkannt hatte,

21. (42.7.) welcher das Wesen von Geburt und Tod kannte, das Bose und das Gute zu unterscheiden wufste und die Wan- derung der infolge ihrer Werke zu einer hohen oder niedrigen Stelle gelangenden Seelen durchschaute,

22. (428.) welcher dahinwandelte wie ein Erloster, voll- endet, beruhigt, mit bezahmten Sinnen, und von brahniischer kSchonheit strahlte, wohin er auch immer sich begeben mochte.

23. (429.) Da nun Kagyapa der Wahrheit gemafs iiber diesen erfahren hatte, dafs er es vermochte, unsichtbar zu wandeln und demgemafs mit unsichtbaren Wesen, mit Voll- endeten und Cakradhara's [vielleicht: himmlischen Musikern] Verkehr zu pflegen,

24. (430.) mit ihnen sich insgeheim zu unterreden und zusammenzusitzen, sowie auch nach Belieben und ungehemmt wie der Wind umherzuschweifen,

25. (431.) so nahte sich ihm der Weise, Beste der Brah- manen, und nach der Lehre begehrend, warf sich der an Askese und Meditation Reiche zu seinen Fiifsen nieder, (432.) wie es sich geziemt, indem er die grofse Wunderkraft des Mannes erkannte.

26. (433.) Und mit Erstaunen die Wunderkraft erkannt habend, erfreute Kagyapa jenen hochsten Brahmanen als seinen Lehrer mit grofser Huldigung.

27. Auch war dieses alles angemessen und in Uberein- stimmung mit der Schriftlehre und dem guten Lebenswandel, (434.) denn er erfreute ihn durch seine Liebe, wie es einem Lehrer gegeniiber Branch ist, o Feindbezwinger.

IV. Aiiugita.

28. Jener aber, erfreut und giinstig gestimmt, redete zu ihm, der von seinem Schiiler begleitet war, die Rede, (435.) welche du, 0 Janardana (Krishna), in betreff der hochsten Vollendung von mir vernehmen mogest.

Der Vollendete sprach :

29. (436.) Durch mannigfache Werke, o Freund, sowie durch blofse reine Hingebungen erlangen die Sterblichen so- wohl den Weg zu dieser Welt als auch ein Verweilen in der Gotterwelt.

30. (437.) Aber nirgendwo wird ihnen ewiges Gliick zu- teil und nirgendwo eine bleibende Statte; immer wieder und wieder erfolgt ein Herabfallen aus der grofsen, schwer er- rungenen Stellung.

31. (438.) Unschone und fiir mich schlimme Wege wurden, weil ich Ubles tat, erlangt von mir, da ich von Lust und Zorn iiberwaltigt und von Durst ftrishnaj verblendet war.

32. (439.) Immer aufs neue wiederholt sich das Sterben und immer wieder aufs neue das Geborenwerden; mancherlei Speisen habe ich schon genossen, mancherlei Mutterbriiste schon getrunken.

33. (440.) Mannigfache Mutter habe ich schon gehabt und vielerlei Vater ; die verschiedensten Freuden und Leiden habe ich erfahren, o Untadliger.

34. (441.) Vielfach schon ist mir widerfahren, von Lieben getrennt zu werden und mit Unlieben vereinigt zu sein [vgl. die erste heilige Wahrheit des Buddhismus], vielfach schon Verlust des Vermogens, nachdem ich es mit Miihe erworben hatte,

35. (442.) sowie auch sehr peinliche Demiitigungen von seiten des Konigs und seiner Leute, und iiberaus herbe Schmerzen an Leib und Geist.

36. (443.) Erlitten habe ich furchtbare Erniedrigungen, Ermordungen und herbe Fesselungen, sowie auch Herab- stiirzung in die Holle und Ziichtigungen in der Behausung des Yama.

37. (444.) Auch habe ich fort und fort Alter und Krank- heit und vielfaches Mifsgeschick in dieser Welt heftig erleiden

Adhy&ya 16 (B. 16). 889

miissen, welches aus den Gegensatzen [Kalte und Warme usw,] entsprang.

38. (445.) Darum habe ich endlich aus Uberdrufs und in- dem ich meine Zuflucht zu dem Gestaltlosen nahm, dem Welt- getriebe entsagt, nachdem ich schwer von Leiden gequalt worden war.

39. (446.) Und so habe ich nach dem, was ich in dieser Welt auskostete, diesen Weg hier eingeschlagen ; darauf wurde mir durch die Gnade des Atman die gegenwartige Vollkommenheit zuteil.

40. (447.) Ich werde nicht wieder hierher zuriickkehren, ich betrachte die Wei ten und die gliicklichen Wege meiner selbst, die ich bis zur Vollkommenheit von der Schopfung der Kreaturen an durchwandert habe.

41. (448.) Auf diese Weise habe ich, o Bester der Zwie- geborenen, die hochste Vollendung erreicht; hinfort werde ich wieder zu dem gehen, was hoher als diese Welt ist,

42. (449.) zu der verborgenen Statte des Brahman, daran mogest du nicht zweifeln; ich werde nicht wieder, o Bedranger der Feinde, hierher in die Welt der Sterblichen zuriickkehren.

43. (4.')0.) Ich bin zufrieden mit dir, o grofser Weiser, sage, was ich dir tun soil; was du begehrtest, da du zu mir kamst, dafiir ist jetzt die Zeit gekommen,

44. (Ji>i.) und ich billige das, um dessentwillen du zu mir gekommen bist; aber bald werde ich hiniibergehen ; darum habe ich dir diese Anregung gegeben.

45. (452.) Ich bin sehr erfreut iiber dein Verhalten, o du Verstandiger. Frage nur, was zu deinem Besten dient, ich will dir sagen, was du zu wissen wiinschest.

46. (453.) Ich schatze deine Einsicht hoch und erkenne sie sehr an, weil ich von dir entdeckt worden bin, denn du bist weise, o Kagyapa.

So lautet in der Anugtt& der erste Adhy&ya.

890 IV. Anugita.

Adhyaya 17 (B. 17).

Vers 454-496 (B. 1-42).

Vasudeva (Krishna) sprach :

1. (454.) Da umschlang er (Kagyapa) seine [des Voll- endeten] Fiifse und legte ihm schwer zu losende Fragen vor, und er, der Beste der Lehrmeister, verkiindigte ihm diese Lehren,

Ka^yapa sprach :

2. (455.) Wie fallt der Korper dahin, und wie ersteht er wieder, und wie wird man, umwandernd, aus dem schlimmen Wanderungsumlaufe eriost ?

3. (456.) Und wie geschieht es, dafs der Atman die Natur (Prakriti) loslafst und diesen Leib aufgibt? Und wie vermag er, nachdem er von seinem Leibe befreit ist, in einen andern einzugehen ?

4. (457.) Und wie konnen an einem Menschen die guten und bosen Werke, welche er begangen hat, vergolten werden, und wo befindet sich sein Werk, nachdem er korperlos ge- geworden ist?

Der Brahmane sprach [zu Krishna]:

5. (458.) Nachdem der Vollendete in dieser Weise auf- gefordert worden war, beantwortete er diese Fragen der Reihe nach, o Varshneya; das vernimm, wie ich es dir erzahle.

Der Vollendete sprach [zu Kagyapa] :

6. (459.) Wenn die Werke, die ein Mensch als Leben und Ruhm fordernde wahrend der Innehabung eines bestimmten Korpers betrieben hat, wenn diese vollstandig abgetan sind,

7. (460.) dann legt er sich, da nun sein Selbst von der Vernichtung des Lebens iiberwaltigt wird, auf entgegengesetzte [dem Leben schadhche] Handlungen, und auch sein Verstand lafst ihn im Stich, wenn der Untergang bevorsteht.

8. (461.) Und wahrend er [ehedem] in dieser Weise seine Natur und seine Kraft und die rechte Zeit wohl verstanden hatte, so gestattet er sich jetzt, wo er nicht mehr Herr seiner selbst ist, Dinge, die ihm [seinem Wohlsein] zuwider sind.

Adhy^ya 17 (B. 17). 891

9. (462.) Wenn er sich dann alles mogliche erlaubt, was ihm sehr schadlich ist, wenn er [zum Beispiel] iibermafsig ifst Oder aber ganz und gar nichts ifst,

10. (463.) wenn er Speisen, Fleisch und Getranke geniefst, die verdorben sind oder sich nicht miteinander vertragen, Oder wenn er Schwerverdauliches allzu reichlich geniefst, oder ehe er noch vollstandig verdaut hat,

11. (464.) oder wenn er in Korperanstrengungen oder im [geschlechtHchen] Drauflosgehen nicht Mafs halt, oder ge- wohnheitsmafsig im Eifer der Arbeit den natiirlichen Drang zuriickhalt,

12. (465.) oder wenn er einFreund scharfgewurzter Speisen und des Schlafens am Tage ist und dadurch, ehe noch seine Zeit reif und gekommen ist, selbsttatig die Korpersafte (doshaj in Storung versetzt,

13. (466.) dann zieht er sich durch die Storung seiner Korpersafte eine Krankheit zu, die zum Tode fiihrt, oder auch er entschliefst sich zu widerwartigen Handlungen, z. B. indem er sich aufhangt.

14. (467.) Durch diese Ursachen verfallt bei einem leben- den Wesen der Korper und sodann auch das Leben; dies lasse dir erklaren und behalte es, wie es sich geziemt.

15. (468.) Wenn in dem Korper die Warme gestort wird, indem sie aufgeregt wird durch scharfe Windstromungen, so durchzieht sie den Leib und behindert alle [fiinf] Lebenshauche.

16. (469.) Wenn nun die Warme in dem Korper aufgeregt und iibermafsig stark wird, so dringt sie ein in die der Seele als Sitz dienenden letalen Partien fmarmanj, das wisse der Wahrheit gemafs.

17. (470.) Alsdann macht sich die schmerzempfindende Seele alsbald von dem hinfalligen [Korper] los, und das Lebe- wesen verlafst seinen Korper, nachdem die letalen Partien verletzt worden sind,

18. (471.) und die Seele wird von den Schmerzen iiber- waltigt, das wisse, o Bester der Brahmanen; und so leben alle Kreaturen fortwahrend in der Angst vor dem Geboren- werden und Sterben.

19. (472.) Man sieht sie, wie sie ihre Leiber verlassen,

892 IV. Anugita.

o Stier unter den Zwiegeborenen, und wie sie beim Eingang in einen Mutterschofs aufs neue in die Glieder hineinkriechen.

20. (473.) Einen derartigen Schmerz empfmdet der Mensch auch wiederum, wenn er sich die Glieder bricht, oder auch er erfahrt ihn als Nafswerden durch das Wasser.

21. (474.) Und so wie der Lebenshauch das Entstandensein in den fiinf Elementen unterstiitzt, so geschieht es auch, dafs er im Korper von der Kalte aufgeregt und durch einen scharfen Luftzug in Wallung gebracht,

22. (475.) dafs er, der in den fiinf Elementen sein Be- stehen in Aushauch und Einhauch hatte, nunmehr nach oben hin steigt und aus den ungliicklichen Geschopfen entweicht;

23. (476.) und so verlafst er den Korper, und der Mensch wird gesehen, wie er ohne Odem ist; und wenn er in dieser Weise ohne Warme, ohne Odem, ohne Schonheit, seines Be- wufstseins beraubt,

24. (477.) von dem Brahman [der Seele] verlassen, da- liegt, so wird der Mensch ein Leichnam genannt. Und durch die Stromungen [die Sinnesorgane, ^vet. Up. 1,5], durch welche der Leibestrager die Sinnendinge erkennt,

25. (478.) durch diese erkennt er nicht mehr die aus der Ernahrung entsprungenen Lebensorgane [er erkennt seinen Leib nicht mehr]; denn derjenige, der dabei im Leibe sich betatigt, ist nur der ewige Jiva (die individuelle Seele).

26. (479.) Ferner: alles, was irgendwo im Leibe von der Art ist, dafs es fiir die Zusammensetzung des Korpers wesent- lich ist, das, wisse, ist eine letale Stelle fmarmanj; denn dies ist zu ersehen aus dem Schriftkanon.

27. (480.) Wenn nun diese letalen Stellen verletzt werden, so bedrangt von ihnen aus jener [der Lebenshauch] das Herz, dringt in dasselbe ein und verschliefst alsbald das Sattvam [die geistige Kraft, das Manas] des betreffenden Wesens; (481.) dann geschieht es, dafs dieses Wesen, obgleich mit Be- wufstsein begabt, doch nichts mehr erkennt.

28. Dann wird sein Bewufstsein vom Tamas umhiillt, nachdem schon die letalen Telle davon umhiillt worden waren, (482.) und die individuelle Seele ist ohne festen Stand und wird vom Winde hin und her bewegt.

Adhy&ya 17 (B. 17). 893

29. Dann stofst die Seele heftig jenes furchtbare Rocheln aus, (483.) und indem sie auszieht, macht sie alsbald den be- wufstlosen Korper erzittern.

30. Dann geschieht es, dafs die Seele aus ihrem Kor- per herausgetrieben und von ihren Werken umhiillt wird, (484.) beiderseits, sowohl von den guten und heiligen, als auch von den bosen.

31. Brahmanen, welche mil Erkenntnis begabt sind und, wie es sich gehort, Gewifsheit aus der Schrift geschopft haben, (485.) erkennen an bestimmten Zeichen den, welcher Gutes getan hat, und den andern.

32. Wie einen im Dunkel hier oder da verschwindenden Leuchtkafer (486.) diejenigen, welche gute Augen haben, noch erkennen, so ist es auch mit denen, welche das Auge des Geistes besitzen.

33. Die Vollendeten schauen mit gottlichem Auge die Seele in dieser Lage, (487.) sowohl wenn sie aus dem Korper fallt, als auch wenn sie, um geboren zu werden, in einen Mutterschofs eingeht.

34. Eine dreifache Statte der Seele gibt es, wie schon hienieden aus der Schrift zu ersehen ist. (488.) Diese Erde, auf der Kreaturen wohnen, ist das Land der Werke.

35. Und sodann, je nachdem sie Gutes oder Boses ge- tan haben, empfangen die Verkorperten [den LohnJ dafiir; (489.) schon hienieden empfangen sie hohe und niedrige Ver- geltung fiir ihre eigenen Werke.

36. Diejenigen, welche hier bose Werke tun, gelangen fiir ihre Werke in die Holle; (490.) dies ist der schlimme Weg nach unten, auf dem die Menschen gepeinigt [wortlich: ge- braten] werden; aus ihr [der Holle] ist es sehr schwer los- zukommen, und man mufs seine Seele sorgfaltig vor ihr behiiten.

37. (491.) Hingegen die Statten, an welchen die Seelen weilen, die nach oben gegangen sind, diese, wie sie schon hienieden uns verkiindigt werden, vernimm von mir der Wahr- heit gemafs.

38. (492.) So mogest du, nachdem du die zuverlassige Er- kenntnis vernommen hast, die Gewifsheit in betreff der Werke

894 IV. Anugita.

erfahren. Alle die Gestalten der Gestirne und jene Mond- scheibe dort,

39. (493.) wie auch die Welt, in welcher mit eigenem Olanze die Sonnenscheibe strahlt, diese alle wisse als die Statten der Menschen, welche heilige "Werke geiibt liaben.

40. (494.) Aber nachdem ihre Werke verbraucht sind, miissen sie alle immer wieder aufs neue herabsinken ; auch ist dort oben im Himmel eine Unterscheidung zwischen Niedrigem, Hohem und Mittlerem;

41. (495.) und auch darum ist dort keine voile Befriedi- gung, weil man ein glanzenderes Gliick vor Augen sieht. Damit habe ich dir alle jene Wege im einzelnen erklart.

42. (496.) Nunmehr aber will ich dir das Eingehen in einen Mutterleib erklaren; und auch dies vernimm von mir, wie ich es dir darlege, mit Aufmerksamkeit, o Brahmane.

So lautet in der AnugltS, der zweite Adhyaya.

Adhyaya 18 (B. 18).

Vers 497-531 (B. 1-35).

Der [vollendete] Brahmane sprach:

1. (497.) Fiir gute und hose Werke gibt es keinen Ver- gang; sie kommen zur Reife, indem man in den ihnen jedes- mal entsprechenden Korper eingeht.

2. (498.) Wie ein Fruchtbaum, der zeugungskraftig ist, viele Friichte hervorbringt, so wird von einem reinen Gemiite (manasj eine grofse Menge verdienstlicher Werke hervor- gebracht.

3. (499.) In derselben Weise wird das Bose durch ein boses Gemiit bewirkt, denn die Seele verfahrt in der Weise, dafs sie das Gemiit [wie ein Filrst seinen Purohita] beauf- tragt fpurodhdyqj , das Werk zu tun.

4. (500.) Wie nun ein Mensch, mit seinem Werke beladen und in Lust und Zorn gehiillt, in einen Mutterschofs eingeht, auch dies vernimm, wie ich es dir beantworte.

5. (501.) Der [mannliche] Same, mit dem [weiblichen] Blute vermischt, gelangt in den Uterus des Weibes und

Adhy&ya 18 (B. 18). 895

erhalt dort einen aus seinen Werken entstehenden Leib, sei es einen schonen oder niehtschonen.

6. (502.) Und wegen seiner Subtilitat und seines unoff'en- baren Wesens hangt er [der Purusha, die Seele] nirgendwo [an den Korperelementen] fest [vgl. asango hy ayam purushah, Brih. Up. 4,3,15] ; darum wird er, wenn er als Brahmane sein Verlangen erreicht hat, zu jenem ewigen Brahman.

7. (503.) Dieses [Brahman] ist der Same aller Wesen, durch dieses leben alle Kreaturen; dieses, als individuelle Seele alle Glieder des Embryo Stiick fiir Stiick erfiillt habend,

8. (504.) erhalt sie aufrecht vermittelst des Bewufstseins, sofort seinen Standort in den Lebensorganen nehmend; als- dann versetzt der mit dem Geistigen ausgestattete Embryo die Glieder in Zuckungen.

9. (505.) Wie der sich ergiefsende Flufs des [geschmolzenen] Eisens die bestimmte Form der Statue ausfiillt, so, wisse, ist das Eingehen der Seele in den Embryo.

10. (506.) Wie die Feuersglut, in einen Eisenklumpen ein- gehend, ihn durch und durch erhitzt, so ist, das sollst du wissen, das Eindringen der Seele in den Embryo.

11. (507.) Und wie die Lampe leuchtet, welche in einem Zimmer brennt, in eben dieser Weise erleuchtet das Bewufst- sein die Leiber.

12. (508.) Alle Werke, die einer vollbringt, seien sie gut oder hose, alles, was in einer friihern Verkorperung begangen wurde, das wird unfehlbar abgebiifst.

13. (509.) Damit wird es abgetragen, aber zugleich sammelt sich wiederum anderes Werk an, bis dafs einer zur Erkennt- nis derjenigen Pflicht kommt, welche in der Hingebung an die Erlosung besteht.

14. (510.) Nun will ich dir das Werk verkiinden, durch welches einer selig wird, und wie er es wird, wahrend er in abwechselnden Geburten immer wiederkehrt, o Bester.

15. (511.) Freigebigkeit, Geliibde, vorschriftsmafsiges Leben als Brahmanschiiler, Behalten des heiligen Wortes, Bezah- mung, Beruhigtsein und Mitleid mit den Wesen,

16. (512.) Selbstbeherrschung, Freiheit von Ubelwollen, Vermeidung des Sichvergreifens an fremdem Gute, Nicht-

896 IV. Anugita.

begehen von Ubeltaten auch nur in Gedanken gegen irgend welche Wesen auf der Welt,

17. (513.) Gehorsam gegen Mutter und Vater, Ehren- erweisung gegen Gotter und Gaste, Ehrung des Lehrers, Mit- leid, Reinheit, bestandige Beherrschung der Sinne

18. (514.) und Beforderung edier Handlungen dies wird der Lebenswandel der Guten genannt; aus ihm entspringt die Gerechtigkeit, welche die Wesen in alle Ewigkeit beschiitzt.

19. (B15.) Daher wird man sie immer bei den Guten sehen, bei ihnen hat sie ihren bestandigen Standort, ihr Wandel zeigt an, was Gerechtigkeit ist, in welcher sie ruhig und fest beharren.

20. (516.) Ihnen ist dieses Werk anvertraut, namlich diese ewige Gerechtigkeit; wer ihr sich zuwendet, der wird sich nicht auf einen Abweg verlieren.

21. (517.) Hierdurch wird die Welt aufrecht erhalten, wenn sie von den Wegen der Pflicht abirrt; aber ein dem Yoga Ergebener, ein Erloster zeichnet sich auch noch vor jenen aus.

22. (518.) Wenn aber einer der Pflicht gemafs einen guten Wandel iibt, wo und wie es immer sein mag, ein solcher wird erst nach langer Zeit iiber den Safisara hinausgefiihrt.

23. (519.) In dieser Weise gelangt ein Mensch allemal zu dem friiher begangenen Werke, und dieses ist die ganze Ursache, um derentwillen einer in verwandelter Gestalt hier- her zuriickkehrt.

24. (520.) Aber durch wen ist es zu Anfang angeordnet worden, dafs einer [als Siihne fiir friihere Werke] einen Korper annehmen mufs? Dariiber besteht in der Welt Zweifel; das will ich dir nunmehr erklaren.

25. (521.) Als der Urvater aller Welt sich selbst einen Leib geschaffen hatte, da liefs er, der Gott Brahman, die drei Welten aus sich hervorgehen, alles Unbewegliche und Be- wegliche.

26. (522.) Darauf entliefs er aus sich das Pradhanam [die Urnatur, d. h. doch wohl seinen eigenen Leib] als die Prakriti [die Urmaterie] der zu verkorpernden Seelen, von welcher diese ganze Welt erfiillt ist, und die man gemeiniglich fiir das Hochste ansieht.

Adhy&ya 18 (B. 18). 897

27. (523.) Diese wird bezeichnet als das Veranderliche ("ksharamj, das andere aber ist das Unsterbliche, Unverander- liche. Als eine Verbindung von den dreien [d. h. von den drei Guna's, aus denen die Prakriti besteht, vgl. auch mithuna, Sankhya-Karika 12], fiir jedes Einzelwesen in besonderer Weise, hat er alles,

28. (524.) hat er alle Wesen gescliaifen, nachdem er als Schopfer (Prajapati) vorher zum Vorschein gekommen war [vgl. Manu 1,6—7 prddur dsit, udbabhau], sowie audi die Pflanzen; so lehrt es die althergebrachte Sehrift.

29. (.525.) Aber fiir jenes [Annehmen eines Korpers] ver- ordnete der Weltvater eine Zeitgrenze und ebenso die Um- wanderung unter den Wesen und die immer neue Wiederkehr.

30. (526.) Was ich dir als ein weiser Mann, der den Atman in einer friihern Geburt erkannt hat, sagen werde, das ist alles der Wahrheit gemafs.

31. (527.) Wer erkennt, wie Lust und Schmerz ganz und gar verganglich sind, und dafs der Korper eine unreine An- sammlung, und dafs sein Untergang durch die Werke be- dingt ist,

32. (528.) und wer bedenkt, dafs alle Lust im Grunde doch Leid ist, der wird den furchtbaren Ozean des Sansara iiber- schreiten, so schwer das ist.

33. (529.) Er, der mit Geburt, Tod und Krankheit behaftet ist, aber die [Illusion der] Materie durchschaut, er erkennt in alien geistigen Wesen ein und dasselbe Geistige.

34. (530.) Dann wird er der ganzen Welt uberdriissig und erforscht die hbchste Statte. Hieriiber will ich dir, o Bester, der Wahrheit gemafs Belehrung geben.

35. (531.) Und was die hochste Erkenntnis von jenem Ewigen, Unverganglichen ist, das, o Brahmane, sollst du, wie ich es dir sagen werde, vollstandig vernehmen.

So lautet in der Anugita dor dritte Adhy&ya.

Dbussen, Mah&bhAratam. t 57

898 IV. Anugita.

Adhyaya 19 (B. 19).

Vers 532-598 (B. 1-66).

Der [voUeadete] Brahmane sprach :

1. (532.) Wer beharrt, in das einzige Ziel vertieft, schwei- gend, nicht denkend woran es audi immer sei, und alles Friihere hinter sich lassend, der ist iiber die Bindung hinaus- geschritten.

2. (533.) Wer alien Freund ist, alles duldend, der Ruhe ergeben, die Sinne besiegt habend, frei von Furcht und Zorn und Herr seiner selbst, der Mann wird erlost.

3. (534.) Wer alle Wesen wie sich selbst behandelt, be- zahmt, rein, ohne Stolz und Hinterlist ist, der ist von allem erlost.

4. (535.) Wer bei beidem, Leben und Tod, bei Freude und Schmerz, bei Gewinn und Verlust, bei Liebem und Unliebern gleichmiitig bleibt, auch der wird erlost.

5. (536.) Nicht begehrt er nach irgend etwas, nicht ver- achtet er irgendwas, er ist frei von den Gegensatzen [z. B. Liebe und Hafs] und in seiner Seele ohne Leidenschaft; ein solcher ist in jedem Sinne erlost.

6. (537.) Wer ohne Freunde, ohne Verwandte, ohne Nach- kommenschaft ist, wo es auch immer sein mag, wer das Gute, Niitzliche und Angenehme hat fahren lassen und frei von Be- gierde ist, wird erlost.

7. (538.) Wer nicht mehr am Guten, nicht mehr am Bosen hangt, von dem friiher Aufgehauften [Verdienste der guten Werke] sich frei macht, durch Aufreibung der Stoffe seines Korpers seine Seele beruhigt hat und von den Gegensatzen sich losgesagt hat, der wird erlost.

8. (539.) Wer ohne Werke, ohne Begierde hinblickt auf die vergangliche W^elt, wie sie, dem Feigenbaum [d. h. der Vielheit seiner Zweige, Kath. Up. 6,1] vergleichbar, immerfort an Geburt, Tod und Alter gebunden ist,

9. (540.) wer mit dem Bewufstsein der Leidenschaftslosig- keit immerfort auf seine Fehler achtet, der vollbringt die

Adhy&ya 19 (B. 19). 899

Befreiung seiner Seele von der Bindung, man kann wohl sagen, in kurzer Zeit.

10. (541.) Wer den unriechbaren, unschmeckbaren, unfiihl- baren, unhorbaren, unfafsbaren, unsichtbaren, unerkennbaren Atman schaut, der wird erlosi.

11. (542.) Wer den von den Qualitaten der fiinf Elemente freien, gestaltlos-ursachlosen, gunalosen Geniefser der Guna's schaut, der wird erlost.

12. (543.) Durch die Erkenntnis alle Wiinsche, die korper- lichen wie die geistigen, aufgebend, erlangt er nach und nach das Nirvanam (das Erloschen) wie das Feuer, dessen Brenp- holz verbrannt ist.

13. (544.) Wer frei von alien Nachwirkungen [der friihern Geburt], frei von den Gegensatzen, frei von allem Anhang [Familie usw.] ist und durch die Schar der Sinne mittels Askese hindurchgeht, der ist erlost.

14. (545.) Wenn er von alien Nachwirkungen befreit ist, alsdann erlangt er das ewige, hochste, ruhige, unbewegliche, bestandige, unvergangliche Brahman.

15. (546.) Weiterhin nun will ich dir die uniibertreffliche Wissenschaft des Yoga mitteilen und wie, dieser sich hin- gebend, die Yogin's den vollkommenen Atman schauen.

16. (547.) Uber diesen will ich dir die Unterweisung mit- teilen, wie es sich gehort; dies vernimm von mir, durch welche Pforten, sich selbst in sich selbst eindringen lassend, man das Ewige erschaut.

17. (548.) Die Sinnesorgane in sich hineinziehend , soil man das Manas in sich selbst feststellen, und nachdem man vorher scharfe Askese geiibt hat, den zur Erlosung fiihren- den Yoga betreiben.

18. (549.) Dann moge der Asket in dauernder Hingebung die Yogawissenschaft betreiben, indem er als Weiser an Verstand, als Brahmane das [hochste] Selbst in seinem Selbste schaut.

19. (550.) Wenn er dann als ein solcher Tiichtiger es vermag, sich selbst in sich selbst zu vertiefen, dann wird er, einzig dessen beflissen, das [hochste] Selbst in seinem Selbste schauen.

57*

900 IV. Anugita.

20. (551.) Bezahmt, immerfort hingegeben, Herr seiner selbst und die Sinne im Zaume haltend, so wird er, welcher sich vollig hingegeben hat, durch sein Selbst das Selbst schauen.

21. (552.) Denn so wie ein Mann im Traume, wenn er einen [im Wachen] gesehen hat, hinschaut und sagt: „Er ist es", ebenso sieht der in rechter Weise Hingegebene den Atman, als ware er eine korperliche Gestalt.

22. (553.) Und wie einer den Halm aus dem Schilf heraus- zieht und vorzeigt, so zieht auch der Yogin aus seinem Leibe den Atman heraus und schaut ihn an (Kath. Up. 6,17).

23. (554.) Das Schilf, so erklart man dies, ist der Leib, der Halm trifft zu auf den Atman; dieses uniibertreffliche Gleichnis ist von Yogakennern verkiindigt worden.

24. (B55.) Denn wenn der Verkorperte vollstandig sein im Yoga begriffenes Selbst schaut, dann gibt es fiir ihn hienieden keinen Herrn mehr, und ware er der Gebieter aller drei Welten.

25. (556.) Andere und wieder andere Gestalten, in die geht er ein nach Wunsch, und ob er schon wiederkehrt zu Alter und Tod, so harmt er sich doch nicht und freut sich auch nicht.

26. (557.) Auch das Gottsein der Gotter weifs der dem Yoga Hingegebene, Machtige sich zu verschaffen; und das unvergangliche Brahman erlangt er, nachdem er den nicht- bestandigen Leib verlassen hat.

27. (558.) Und wenn auch die Wesen zugrunde gehen, so ergreift ihn doch keine Furcht, und wenn die Wesen gequalt werden, so erleidet er doch keine Qual von irgend jemandem.

28. (559.) Durch fiirchterliche Schmerzen, Leiden und Be- angstigungen, wie sie aus dem Hangen und Kleben [am Da- sein] hervorgehen, bleibt der dem Yoga Hingegebene uner- schiittert, ohne Begierde und ruhigen Herzens.

29. (560.) Ihn durchbohren keine Geschosse, fur ihn gibt es keinen Tod ; es gibt nichts irgend auf der Welt, was gliick- licher ware als er.

30. (561.) Sein Selbst vollig dahingegeben habend, steht er fest gewurzelt in dem [hochsten] Selbste; Alter und Schmerz haben sich von ihm abgewandt, und so kann er ruhig schlafen.

Adhy&ya 19 (B. 19). 901

31. (562.) Nach seinem Belieben fahrt er ein in die Korper, indem er seinen menschlichen Leib verlafst, aber Uberdrufs wird ihn in keiner Weise iiberkommen, indem er [das Da- sein in fremden Leibern] geniefst.

32. (563.) Wenn er in volliger Hingebung sein Selbst nur in dem [hochsten] Selbste sieht, dann empfindet er keinen Neid, auch nicht einmal dem Gott Indra gegeniiber.

33. (564.) Wie aber einer, der sich dessen einzig be- fleifsigt, den Yoga erlangt, das vernimm. Uberdacht habend die friiher gesehene Gegend [die Aufsenwelt], nimmt er seinen Wohnsitz in einer Stadt [dem eigenen Innern],

34. (565.) und im Innern dieser Stadt mufs man das Manas feststellen, nicht aufserhalb derselben. Und wenn er, im Innern der Stadt verbleibend, in einer ihrer Wohnungen weilt, (566.) so soil man in dieser Wohnung das Manas mitsamt alien aufseren und inneren [Organen, lies: ahhyantaram] einschliefsen.

35. Und wahrend der Zeit, in welcher er, das All iiber- denkend, in dieser Wohnung weilt, (567.) wahrend dieser Zeit ist sein Manas in keiner Weise von aufsen her [beeinflufst ; tasmin mit B., sonst nach C.].

36. Und indem man die Schar der Sinnesorgane bandigt, so dafs sie lautlos in dem menschenleeren Walde verharrt, (568.) soil man den ganzen innern Korper unabgelenkt iiber- denken,

37. die Zahne, den Gaumen, die Zunge, die Kehle mit- samt dem Halse, (569.) und auch das Herz soil man iiber- denken und ebenso die Adernverbindung des Herzens.

38. So wurde von mir zu jenem verstandigen Schiiler gesprochen, o Madhusudana, (570.) da fragte er mich wiederum nach jener schwer zu erklarenden Erlosungslehre.

39. Wie wird die immer wieder und wieder genossene Nahrung in den Eingeweiden verdaut, (571.) wie geht sie in den Zustand des Saftes, und wie weiter in den Zustand des Blutes iiber?

40. Ferner, wie kommt es, dafs Fleisch, Fett, Sehnen und Knochen in dem Weibe wachsen, (572.) und wie, dafs alle diese Korper der Verkorperten

41. wachsen, wenn man wachst, und wie wachst zugleich

902 IV. Anugita.

jemandes Kraft, (573.) und wie vollzieht sich der Abgang hin- dernder Stoffe und der Ausscheidungen je nach ihrer Art?

42. Oder wie kommt es, dafs einer einatmet und wieder ausatmet, (574.) und welchen Ort des Korpers einnehmend weilt der Atman in unserem Selbst?

43. Und wie kann die individuelle Seele, indem sie sich bewegt, den Leib in Bewegung setzen, (575.) und in einen [Korper] von welcher Farbe (Kaste) bettet sie abermals einen wie beschaffenen ein?

44. Das mogest du mir der Wahrheit gemafs erklaren, 0 Heiliger, Siindloser. (576.) Mit diesen Worten wurde ich von jenem Brahmanen befragt, o Madhava,

45. und ich antwortete ihm, o Grofsarmiger, der Schrift- offenbarung gemafs, o Feindbezwinger. (577.) Wie einer, der einen Schatz in seiner Schatzkammer niedergelegt hat, auf den Schatz aufmerksam bleiben mufs,

46. so soil man das Manas in dem Korper einschliefsen, sich der Ausgangspforten wohl versichern (578.) und in sich den Atman aufsuchen, indem man die Lassigkeit meidet.

47. Wenn man sich in dieser Weise immerfort in Be- reitschaft halt, so wird man mit freudigem Geiste in kurzer Zeit vielleicht schon (579.) in Besitz jenes Brahman gelangen, welches geschaut habend man auch des Pradhanam (der Prakriti) kundig wird.

48. Nicht mit dem Auge ist Er zu erfassen und nicht mit alien Sinnesorganen, (58o.) sondern mit dem Manas als Leuchte wird der grofse Atman fmahdn dtmdj geschaut.

49. Nach allwarts ist er umgeben von Handen und Fiifsen, nach allwarts ist er Augen, Haupt und Mund, (ssi.) nach alien Seiten hin horend, die Welt umfassend steht er da (Qvet. Up. 3,16, frei).

50. Die (individuelle) Seele schaut sich selbst, wie sie aus dem Korper herausgetreten ist. (582.) Und indem sie diesen ihren eigenen [Atman] in dem Korper loslost und zur Tragerin des absoluten Brahman wird,

51. schaut sie sich selbst an im Geiste gleichsam lachelnd. (583.) Und indem sie in dieser Weise jenes Brahman zu ihrem

Adhy&ya 19 (B. 19). 903

Stutzpunkt gemacht hat, gelangt sie darauf zur Erlosung in mir [sofern ich der hochste Atman bin].

52. Dieses ganze Geheimnis habe ich dir mitgeteilt, o Bester der Zwiegeborenen. (584.) Ich sage dir Lebewohl, ich mufs aufbrechen, ziehe hin, o Brahmane, wie es dir gefallt.

53. Nachdem in dieser Weise, o Krishna, jener askese- reiche Schiller damals von mir belehrt worden war, (.585.) ging er, wohin es ihm gefiel, der Brahmane mit scharfem GelUbde.

Vasudeva (Krishna) sprach:

54. (586.) Nachdem in dieser Weise damals, o Sohn der Pritha, jener Beste der Zwiegeborenen die Rede gesprochen hatte, gab er sich vollig der Erlosungslehre hin und ver- schwand daselbst vor meinen Augen.

55. (587.) Hast du wohl jetzt, o Sohn der Pritha, dieses mit ungeteilter Aufmerksamkeit angehort? Denn auch da- mals schon, als du dich auf deinem Streitwagen befandest, hast du ja das alles gehort.

56. (588.) Denn freihch ist dies nicht leicht zu fassen, o Sohn der Pritha, wie ich denke, von einem zerstreuten Manne, der noch nicht sein Bewufstsein bereitet hat durch ein gelautertes Innere.

57. (.589.) Jetzt ist dies ausgesprochen worden, o Stier der Bharata's, was auch fiir die Gotter ein grofses Geheimnis ist; und dieses ist doch gewifs noch niemals, o Sohn der Pritha, von einem Menschen vernommen worden.

58. (590.) Denn kein anderer Mensch aufser dir, o Un- tadliger, ist wiirdig, dieses zu horen, und auch jetzt ist es nicht wohl zu fassen von einem ungesammelten Gemiite.

59. (591.) Denn die Gotterwelt, o Sohn der Kunti, wird von den Opferbringern in ihrem Bestande geschiitzt, und es ist den Gottern nicht erwiinscht, dafs das Menschengeschlecht [durch Eingang in die Erlosung] schwinde.*

60. (592.) Denn das, o Prithasohn, ist der hochste Gang,

* Qankara zu Brih. Up. 1,4,10 p. 234,0 liest: martyair upari-vartanam, mit anderer Wendung des Gedankeus.

904 IV. Anugita.

was jenes ewige Brahman ist, in welchem man nach Ver- lassen des Korpers ewig selig die Unsterblichkeit erlangt.

61. (593.) Die, welche dieser Lehre sich zuwenden, auch wenn sie einem schlechten Mutterschofse entsprossen, auch wenn sie Weiber, Vaigya's oder Qudra's sind, auch diese gehen den h(3chsten Weg.

62. (594.) Um wieviel mehr die Brahmanen, o Sohn der Pritha, und Kshatriya's, wenn sie eifrig die Schrift studieren, an ihrer Pflicht Freude haben und allezeit die Brahmanwelt fiir das Hochste halten!

63. (595) Und dieses ist mit Griinden bewiesen worden; auch gibt es Mittel, um es zu vollbringen; die Frucht aber des Vollbringens (hes: siddhiphalam) ist die Erlosung und die vollige Beseitigung des Leidens.

64. (596.) Uber dieses hinaus gibt es kein Gliick, von welcher Art es auch sein moge, o Stier der Bharata's. Wer verstandig ist und glaubig und tapfer, o Pandusohn,

65. (597.) welcher Mensch durch diese Mittel zum Ver- zichten auf die wertlosen Werte der Welt veranlafst wird, der findet alsbald den hochsten Weg.

66. (598.) Soviel ist dariiber zu sagen ; es gibt nichts, was dariiber hinaus noch als Ziel gelten konnte; wenn einer sich sechs Monate lang immerfort des Yoga beflissen hat, so wird bei ihm der Yoga gedeihlich fortschreiten.

So lautet in der Anugita der vierto Adhy^ya.

Adhyaya 30 (B. 20).

Vers 599-627 (B. 1-28).

Vasudeva sprach:

1. (599.) Auch hieriiber erzahlt man sich diese alte Ge- schichte, o Sohn der Pritha, von der Unterredung, welche zwischen zwei Ehegatten gepflogen worden war, o Stier der Bharata's.

2. (600.) Als einen gewissen Brahmanen, der an das End- ziel der Erkenntnis und Wissenschaft gelangt war, die Brah-

Adhyftya 20 (B. 20). 905

manenfrau in der Einsamkeit sitzen sah, da sprach sie, die Gattin, zu ihrem Gatten:

3. (601.) In welche Welt werde ich gelangen, die ich zu dir, meinem Gatten, meine Zuflucht genommen habe, der du das Opferwerk aufgegeben hast und nun dasitzest wie ein Tolpel und unansehnlich ?

4. (602.) Die Frauen erlangen die von ihren Gatten er- rungenen Wei ten, wie die Schrift uns sagt. Ich habe dich als Gatten erlangt; welchen Weg werde ich wohl gehen?

5. (603.) Nachdem er so angeredet war, sprach er mit ruhigem Geiste und gleichsam lachelnd : 0 Holde, nicht bin ich ungehalten iiber diese deine Rede, o Untadlige.

6. (604.) Greifbar und sichtbar oder real ist das, was fiir ein Werk gehalten wird; bei diesem als ihrem Werke bleiben die Werkvollbringer stehen und nennen es Werk.

7. (605.) Nur in der Verblendung befestigen sie sich durch ihr Werk, sie, die der Erkenntnis entbehren, und das Unter- lassen von Werken wird in dieser Welt auch nicht eine Stunde lang festgehalten.

8. (606.) In Taten, Gedanken und Worten bleibt das Werk, sei es ein gutes, sei es ein boses, von der Geburt an bis zur Trennung von dem Leibe hin unter den Wesen in tlbung.

9. (607.) Aber wahrend die Wege, auf denen sichtbare Stoffe geopfert werden, von den Damonen Angriffe erfahren, so habe ich fiir sie [die Wesen] durch meinen Atraan einen im Atman beruhenden festen Stiitzpunkt ersehen.

10. (608.) Wo jenes von den Gegensatzen freie Brahman, wo der [wahre] Soma und das Opferfeuer ist, dort verkehrt der Weise bestandig, indem er [sich als Brahman wissend] die Wesen tragt,

11. (609.) dort, wo die Brahmanen und die iibrigen in Hingebung jenes Unvergangliche verehren, dort, wo die Wissenden, ihrem Geliibde Treuen mit beruhigtem Selbste und bezahmten Sinnen weilen.

12. (610.) Nicht' ist es durch den Geruchsinn zu riechen, nicht ist es durch die Zunge zu schmecken, noch auch durch den Tastsinn zu betasten, aber mit dem Manas wird es erkannt.

13. (611.) Nicht konnen sich die Augen seiner bemachtigen,

906 IV. Anugita.

und es ist erhaben iiber alles, was man irgend horen mag, ist ohne Geruch, ohne Geschmack und Fiihlbarkeit, die Un- sichtbarkeit und Unhorbarkeit hat es als Merkmal.

14. (612.) Es ist dasjenige, von welchem das Gewebe der Schopfung ausgeht und in welchem es gegriindet ist; der Aushauch, der Einhauch, der Allhauch, der Zwischenhauch und der Aufhauch,

15. (613.) sie alle gehen von ihm aus und in dasselbe ein, in ihm bewegen sich zwischen Allhauch und Zwischenhauch der Aushauch und der Einhauch.

16. (614.) Wenn dieses sich verbirgt, so verbergen sich auch der Allhauch und der Zwischenhauch, und zwischen Einhauch und Aushauch nimmt der Aufhauch, sie durch- dringend, seine Stelle; (6i5.) daher kommt es, dafs der Aus- hauch und Einhauch den Menschen, auch wahrend er schlaft, nicht verlafst.

17. Weil die [iibrigen] Lebenshauche durch ihn regiert werden, darum heifst er der Aufhauch; (6i6.) durch diesen [als den beherrschenden Lebenshauch] geschieht es, dafs die Brahmanlehrer sich der auf das Ich hinzielenden Askese zu- wenden,

18. Unter diesen [Lebenshauchen], welche wechselseitig voneinander zehren und alle den Kbrper durchstreichen, (617.) strahlt in ihrer Mitte von innen her das Feuer VaiQva- nara [das Verdauungsfeuer als Lebensprinzip und Symbol des Atman, Brih. Up. 5,9] in sieben Richtungen:

19. Geruch und Geschmack, Auge, Tastsinn und Ohr als fiinftes, (6i8.) ferner Manas und Buddhi, das sind die sieben Zungen des Vaigvanarafeuers.

20. Das Riechbare und das Sichtbare, das Trinkbare, Fiihlbare und Horbare, (6i9.) ferner das Verstehbare und Er- kennbare, das sind die sieben Brennholzer fiir mein Ich.

21. Der Riechende, der Schmeckende, der Sehende, der Fiihlende und der Horende als fiinfter, (620.) ferner der Ver- stehende und der Erkennende, das sind die sieben obersten Opferpriester.

22. Was ferner die Objekte des Riechens, Schmeckens, Sehens , Fiihlens und Horens (62i.) sowie des Verstehens und

Adhyfty^ 20 (B. 20). 907

Erkennens betrifft, so wisse, o Holde, dafs sie allemal da- durch zustande kommen, dafs

23. die sieben Opferpriester, die die Opfergaben [die Data der Perzeption] siebenfach in die sieben Feuer [die sieben vom Atman auslaufenden Organe der Perzeption], (622.) wie es sich geziemt, werfen und dadurch als Weise [Priester] die genannten Objekte an der ilmen zukommenden Statte [der Aufsenwelt] erzeugen.

24. Die Erde, die Luft, der Ather, das Wasser und das Feuer zu fiinft (623.) sowie Manas und Buddhi, diese sieben werden dabei als die Statten bezeichnet.

25. Namlich die zur Opfergabe gewordenen Qualitaten der Dinge gehen dabei alle ein in die aus dem [Atman-] Feuer entspringende Qualitat [der Aperzeption], (624.) und nachdem sie dort innerlich gewohnt haben, werden sie an den ihnen zukommenden Statten [der Aufsenwelt] geboren.

26. Dort, in dem Erzeuger der Elemente [d. h. in dem Atmanfeuer], werden sie beim Untergange eingeschlossen, (625.) und aus diesem wiederum entsteht der Geruch, entsteht der Geschmack,

27. aus diesem entsteht auch die Gestalt und das Tast- bare, (626.) aus diesem auch der Ton, die tJberlegung [als Objekt des Manas] und die Uberzeugung [als Objekt der Buddhi], so ist diese ihre Geburt siebenfach.

28. (627.) In dieser Weise ist es von den Altvordern be- griffen worden (Kaush. Up. 3). Durch drei vollstandige Opfer- giisse werden die ganz vollstandigen [drei Welten] durch das Feuer [des Atman] eingefiillt.

So lautet in der Anugitft der fUnfte Adhyftya.

Adhyaya 31 (B. 31).

Vers 628-G.54 (B. 1-26).

Der Brahmane sprach : 1. (628.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte. Vernimm nunmehr, o Liebliche, welches die Einsetzung der zehn Opferpriester ist.

S08 IV. Ansgita.

2. (629.) Das Ohr, die Haut, die Augen, die Zunge und die Nase, die Fiifse, die Hande, das Zeugungsorgan , das Entleerungsorgan und die Rede (lies: pdyur vdg iti), dies sind, o Schone, die zehn Opferpriesterheiten.

3. (630.) Der Ton und das Gefiihl, das Gesicht und der Geschmack, der Geruch, die Rede, das Greifen, das Gehen und die Entleerung des Samens sowie die von Harn und Kot, das sind die zehn Opfergaben.

4. (631.) Die Gottheiten der Himmelsgegenden, des Windes, der Sonne, des Mondes, der Erde und des Feuers nebst Vishnu, Indra, Prajapati und Mitra, das sind, o Schone, die zehn Opferfeuer.

5. (632.) Zehn Sinne sind als Opferpriesterheiten und zehn [Stoffe der Wahrnehmung als] Opfergaben, o Holde; Sinnesobjekte aber heifsen die Brennholzer, welche in den zehn Opferfeuern [in den genannten Naturgbttern] geopfert werden.

6. (633.) Das Denken ist der Opferloffel und der [beim Opfer gespendete] Reichtum; die Erkenntnis ist die beste Opferseihe. Diese ganze Welt war [zum Zweck dieses Opfers] richtig eingeteilt, wie die Schrift lehrt (Rigveda 10,90,6).

7. (634.) Dabei bezieht sich Denken und Erkennen auf alles Erkennbare; in dem Korper aber, welcher der Trager des feinen Leibes fretahgariram = suJcshmagariramJ ist, ist der Erkenner der Trager dieses Leibes.

8. (635.) Dieser Trager des Leibes [der Erkenner] ist das Garhapatyafeuer, aus ihm wird das andere Feuer abge- leitet; das Manas hingegen ist das Ahavaniyafeuer, in dieses wird die Opfergabe [der Stoff der Sinneswahrnehmung] ge- worfen.

9. (636.) Aus jenem [dem Erkenner, d. h. dem Atman] ist hervorgegangen der Herr der Rede [das ewige, weltschaffende Vedawort] ; auf ihn [auf das Vedawort] blickt das Manas [der weltschaffende Wille] hin , und die Gestalt [der Aufsendinge] entsteht; das Manas lauft hinter dem Buchstaben [des Veda] her [d. h. die Dinge werden im Hinblick auf das ewige Veda- wort geschaffen].

Adhy^a ^1 (B. 21). 909

Die Brahmauin sprach:

10. (637.) Wie kommt es, dafs die Rede zuerst und das Manas hinterdrein entstanden ist, da doch die Rede das iiber- nimmt, was vom Manas vorher gedacht worden ist?

11. (638.) Ferner: durch welche Tatigkeit des Erkennens erlangt die Mati (das Manas) den Gedanken und erlangt ihn doch nicht in dem erhohten Zustande [des Tiefschlafes und des Yoga], wer hinder! alsdann das Manas?

Der Brahmane sprach:

12. (639.) Der Apana hindert es, indem er es iibermeistert ; dadurch versenkt er das Manas in das Apanasein ; dies wird als der Weg gelehrt, welchen das Manas [im Tiefschlafe und Yoga] geht; darum bhckt das Manas [auf das Vedawort] hin. [Das Manas funktioniert intermittierend , wahrend das Vedawort ewig ist.]

13. (640.) Was aber deine [erste] Frage betrifft, in der du mich nach dem Verbal tnis zwischen Rede und Manas be- fragtest, so will ich dir die Geschichte von dem Rangstreite dieser beiden erzahlen (lies: vartayisliyami).

14. (641.) Beide, die Rede und das Manas, gingen zum Bhutatman (zur individuellen Seele) und befragten ihn : Sage, wer von uns beiden der Beste ist, lose uns diesen Zweifel, o Herr.

15. (642.) Das Manas, so antwortete der Erhabene. Da sprach Sarasvati (die Rede) : Aber ich bin doch fiir dich die Wunschkuh; so sprach die Rede zu ihm.

Der Brahmane sprach [als Vertreter des Manas]:

16. (643.) Das Unbewegliche und das Bewegliche, diese beiden wisse als zwei mir eigene Arten des Manas; das Un- bewegliche ist mir [als dem Manas] beigeordnet, das Beweg- liche gehort in deinen Bereich [du, die Rede, bist das Manas in Bewegung].

17. (644.) Alles, was in diesen Bereich gehort, sei es ein Vedaspruch, sei es ein Laut oder ein Akzent, das ist das Manas als Bewegliches, darum bist du, o Rede, die Geehrtere ;

18. (645.) sowie auch darum, weil dir die Meditation zu-

910 IV. Anugita.

kommt; darum komrae ich aus freien Stiicken zu dir, du Holde, und indem ich mich dem Aushauche anschliefse, werde ich [mit deiner Hilfe], o Saras vati, aussprechen [was ich als Manas denke].

19. (646.) [Hier scheint der Brahmanengatte wieder das Wort zu nehmen.] Ehemals hatte die Gottin Rede ihren be- standigen Standort zwischen Prana [hier Einhauch] und Apana [hier Aushauch], und wenn sie sich aufserte, so geschah es, o gliickliche Gattin, indem sie ohne den Einhauch [also nur sehr schwach] aushauchte. (647.) Da lief sie [hilfesuchend] zu Prajapati und sprach: Sei mir gnadig, o du Erhahene!

20. Da trat der Prana in die Erscheinung, welcher die Rede [wenn sie erschopft war] wiederum kraftigte ; (648.) daher kommt es, dafs die Rede niemals spricht, wenn sie sich an den Aushauch anschliefst.

21. Sie aufsert sich allezeit, sei es in lauter, sei es in lautloser Weise, (649.) und auch von diesen beiden steht die lautlose Rede hoher als die laute.

22. Wie eine Milchkuh lafst sie die Dinge und ihren Wohlgeschmack ausstromen, die iiberaus reiche; (650.) denn immerfort stromt sie, das Brahman verkiindigend, fiir und fiir.

23. Die Gottin der Rede ist wegen ihrer himmlischen Macht eine himmlische Milchkuh, o du Frau mit dem heitern Lacheln. (65i.) Siehe da den Unterschied der beiden Subtilen [Rede und Manas] in ihrem Dahinstromen.

Die Brahmanin sprach:

24. (6.52.) Damals, als noch keine Worte entstanden waren und sie [die vorweltliche Vedarede] sich getrieben fiihlte von dem Verlangen zu reden, was hat wohl damals die Gottin Rede zuerst gesprochen?

Der Brahmane sprach: 25. (653.) „Sie, welche durch den Prana (Einhauch). in dem Korper geboren wird und vom Prana in den Apana (Aushauch) eingeht, wenn diese, zum Udana (Aufhauch) geworden, den Korper verlassen hat, so erfiillt sie durch den Vyana (Zwischenhauch) den ganzen Himmel,

Adhy^ya 21 (B. 21). 911

26. (654.) und alsdann hat sie ihren Standort in dieser Welt [nicht mehr in einem individuellen Leibe, sondern in kosmischem Sinne] im Samana (Allhauch)." Das sind die Worte, welche die Gottin der Rede [ihr kosmisches Wesen offenbarend] vordem gesproehen hat. Somit hat das Manas die Unbeweglichkeit als Merkmal und die Gottin Rede die Beweghchkeit.

So lautet in der AnugltA der sechste Adhy&ya.

Adhyaya 33 (B. 23). Vers 655-683 (B. 1-29).

Der Brahmane sprach:

1. (655.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, o Schone, von der Art, wie die Einsetzung der sieben Opferpriester war.

2. (656.) Die Nase, das Auge, die Zunge, die Haut und das Ohr als fiinftes, das Manas und die Buddhi, das sind die sieben Opferpriester, welche ihren besondern Sitz haben.

3. (657.) Da sie an schwer wahrnehmbarer Statte weilen, so konnen sie sich gegenseitig nicht sehen; diese sieben Opferpriester sollst du, o Schone, nach ihrer eigentiimlichen Natur kennen lernen.

Die Brahmanin sprach:

4. (658.) Wie kommt es, dafs sie, an schwer wahrnehm- barer Statte befindlich, sich gegenseitig nicht sehen? Und wie ist ihre eigentiimliche Natur, o Erhabener? Das sage mir, o Herr.

Der Brahmane sprach :

5. (659.) Wer ihre Qualitat nicht kennt, der kennt sie auch selbst nicht, und wer ihre Qualitat kennt, dem sind auch sie bekannt; sie selbst aber kennen gegenseitig ihre Qualitaten in keiner Weise.

6. (660.) Zunge, Auge, Ohr, Haut (lies: tvan), Manas und Buddhi erkennen nicht die Geriiche, sondern die Nase er- kennt sie.

912 IV. Anugita.

7. (661.) Nase, Auge, Ohr, Haut, Manas und Buddhi er- kennen nicht die Geschmacke, sondern die Zunge erkennt sie.

8. (662.) Nase, Zunge, Ohr, Haut, Manas und Buddhi er- kennen nicht die Gestalten, sondern das Auge erkennt sie.

9. (663.) Nase, Zunge, Auge, Ohr, Manas und Buddhi er- kennen nicht die Gefiihle, sondern die Haut erkennt sie.

10. (664.) Nase, Zunge, Auge, Haut, Manas und Buddhi erkennen nicht die Tone, sondern das Ohr erkennt sie.

11. (665.) Nase, Zunge, Auge, Haut, Ohr und Buddhi er- kennen nicht die Uberlegung, sondern das Manas erkennt sie.

12. (666.) Nase, Zunge, Auge, Haut, Ohr und Manas er- kennen nicht die Entscheidung, sondern die Buddhi erkennt sie.

13. (667.) Auch hieriiher erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namHch den Rangstreit der Sinnesorgane mit dem Manas, o Holde.

Das Manas sprach:

14. (668.) Ohne mich kann die Nase den Geruch nicht riechen, die Zunge den Geschmack nicht empfmden, das Auge die Gestalt nicht erfassen, die Haut das Gefiihl nicht wahr- nehmen,

15. (669.) und auch das Ohr vernimmt in keiner Weise den Ton, wenn es von mir verlassen ist; ich bin das vor- ziighchste unter alien Wesen fur und fiir.

16. (670.) Wie verodete Behausungen, wie Feuer, deren Glut erloschen ist, so erglanzen die Sinnesorgane nimmer- mehr, wenn sie von mir verlassen sind.

17. (671.) Wie trocknes Holz, das noch feucht ist [nicht die Flamme annimmt], so konnen auch mit angestrengten Sinnesorganen alle Geschopfe ohne mich die Objekte der Qualitaten nicht ergreifen.

Die Sinnesorgane sprachen:

18. (672.) Das ware richtig, so wie du es meinst, wenn du ohne uns die Geniisse, welche unsere Objekte sind, ge- nielsen konntest.

19. (673.) Wenn es ein Genufs ist, noch weiter zu leben, wenn wir erloschen sind, dann wollen wir einraumen, dafs

Adhyaya 22 (B. 22). 913

du wirklich die Geniisse [ohne uns] zu geniefsen vermagst, so wie du es meinst.

20. (674.) Oder auch [wir wollen es einraumen], wenn bei unserm Erioschen unter Fortbestehen der Sinnesobjekte du durch dein blofses Vorstellen die Geniisse je nach den Ob- jekten geniefsen konntest.

21. (675.) Oder glaubst du vielleicht, dafs du in jedem Falle deinen Zweck in bezug auf unsere Gegenstande erreichen kannst, so versuche es doch und ergreife die Gestalt mit der Nase, ergreife den Geschmack mit dem Auge,

22. (676.) ergreife mit dem Ohr die Geriiche, ergreife die Gefuhle mit der Zunge, ergreife mit der Haut den Ton oder mit der Buddhi das Gefiihl.

23. (677.) Wer stark ist, der unterliegt ja keinem Zwang; gezwungen zu werden ist das Los der Schwacheren ; versuche doch die Geniisse zu ergreifen, ohne uns den Vortritt zu lassen, und du hast nicht notig (lies: arhasi), nur zu geniefsen, was wir dir iibriglassen.

24. (678.) Ja, wie ein Schiller zum Lehrer gehen mufs, um den Veda zu lernen, und erst nachdem er ihn erlernt hat, seine Vorschriften befolgen kann,

25. (679.) so kannst auch du die Sinnesobjekte erst er- kennen, nachdem wir sie dir gezeigt haben, die kiinftigen so gut wie die vergangenen, die im Traume so gut wie im Wachen.

26. (680.) Und auch bei Geschopfen, welche ihren Verstand fmanasj verloren haben oder nur geringe Einsicht besitzen, bleibt doch das Leben erhalten, indem das dazu Notige ge- tan wird als unsere Angelegenheit [ohne dich].

27. (681.) Und wenn einer auch viele Vorstellungen [des Manas] besafse und sich in Traumen [durch das Manas] wiegte, so miifste er doch schliefslich, vom Hunger gequalt, zu den [von uns verschafften] Sinnendingen seine Zuflucht nehmen.

28. (682.) Wer sich einschliefsen wollte wie in ein tiir- loses [also schutzloses] Haus in die [blofs ideellen] Ge- niisse des Vorstellens, ohne dafs sie mit den Sinnen- dingen verkniipft waren (lies: amhaddhdn), der wiirde

Deitsbek, Mah&bhAxatam. 58

914 IV. Anugita.

schliefslich damit zur Ruhe kommen, dafs sein Leben erloschte, wie ein brennendes Feuer, dessen Brennholz verbraucht ist.

29. (683.) Zugegeben, dafs jeder von uns nur auf seine eigene Qualitat beschrankt ist, zugegeben auch, dafs wir unsere gegenseitigen Qualitaten nicht wahrnehmen , so steht doch fest, dafs du ohne uns nicht wahrnehmen kannst und dafs, ohne dafs du soweit uns zur Hilfe nimmst, ein Genufs dir nicht zuteil werden kann.

So lantet in der Anugita der siebente Adhyiiya.

Adhyaya 33 (B. 23).

Vers 684-710 (B. 1-24).

Der Brahmane sprach:

1. (684.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte. Vernimm nunmehr, o Liebhche, welches die Ein- setzung der fiinf Opferpriester ist.

2. (685.) Der Prana und der Apana, der Udana, der Sa- mana und der Vyana, von diesen wissen die Weisen, dafs sie fiinf Opferpriester und zugleich die hochste Macht sind.

Die Brahraanin sprach:

3. (086.) Von Natur aus gibt es sieben Opferpriester, dies war bisher meine Meinung; inwiefern hingegen fiinf Opfer- priester das hochste Dasein ausmachen sollen, das erklare mir.

Der Brahmane sprach:

4. (687.) Der durch den Prana zusammengebrachte Wind wird weiterhin zum Apana; der im Apana zusammengebrachte Wind wird weiterhin zum Vyana.

5. (688.) Der durch den Vyana zusammengebrachte Wind wird weiterhin zum Udana; der im Udana zusammengebrachte Wind wird sonach zum Samana.

6. (689.) Diese Prana's befragten in der Vorzeit den vor ihnen entstandenen Urvater (den Gott Brahman) : Wer unter

Adhyaya 23 (B. 23). 915

uns der Beste ist, das sage uns an; der [welchen du dafiir erklarst] soil unter uns der Beste sein.

Der Gott Brahman sprach:

7. (690.) Derjenige, bei dessen Untergang alle Prana's in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen und bei dessen Hervortreten sie wieder hervortreten , der ist der Beste. Nun geht, wohin es euch beliebt.

Der Prana sprach:

8. (691.) Ich bin es, bei dessen Untergang alle Prana's in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen, und bei meinem Hervortreten treten sie wieder hervor; ich bin also der Beste; seht nur einmal, wie ich untergehe.

Der Brahmaue sprach :

9. (692.) Da ging der Prana unter und trat darauf wieder hervor. Da sprachen der Samana und der Udana zu ihm, o Schone, das folgende Wort:

10. (693.) Du weilst doch nicht in diesem Leibe, so dafs du ihn ganz durchdringst, wie wir es tun ; du bist also nicht der Beste von uns, o Prana, denn nur der Apana ist dir untertan. (694.) Nachdem der Prana wieder hervorgetreten war, sprach zu ihm der Apana.

Der Ap&,na sprach:

11. (695.) Ich bin es, bei dessen Untergang alle Prana's in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen, und bei meinem Hervortreten treten sie wieder hervor; ich bin also der Beste; seht nur einmal, wie ich untergehe.

Der Brahmane sprach :

12. (696.) Als er so sprach, da sagten zu ihm der Vyana und der Udana: 0 Apana, du bist nicht der Beste, sondern nur der Prana ist dir untertan.

13. (697.) Nachdem der Apana wieder hervorgetreten war, sprach zu ihm der Vyana : Ich bin der Beste von alien, ver- nehmt aus welchem Grunde.

58*

916 IV. Anugita.

14. (698.) Ich bin es, bei dessen Untergang alle Prana's in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen, und bei meinem Hervortreten treten sie wieder hervor; ich bin also der Beste; seht nur einmal, wie ich untergehe.

Der Brahmane sprach :

15. (699.) Da ging der Vyana unter und trat darauf wieder hervor. Da sprachen zu ihm der Prana, der Apana, der Udana und der Samana:

16. (700.) Du bist nicht der Beste von uns, o Vyana, son- dern nur der Samana ist dir untertan. Nachdem der Vyana wieder hervorgetreten war, sprach der Samana: (70i.) Ich bin der Beste von alien, vernehmt aus welchem Grunde.

17. (702.) Ich bin es, bei dessen Untergang alle Prana's in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen, und bei meinem Hervortreten treten sie wieder hervor; ich bin also der Beste; seht nur einmal, wie ich untergehe. 18. (703.) Nachdem der Samana wieder hervorgetreten war, sprach zu ihm der Udana: Ich bin der Beste von alien, ver- nehmt aus welchem Grunde.

19. (704.) Ich bin es, bei dessen Untergang alle Prana's in dem Leibe der lebenden Wesen untergehen, und bei meinem Hervortreten treten sie wieder hervor; ich bin also der Beste; seht nur einmal, wie ich untergehe.

20. (705.) Da ging der Udana unter und trat darauf wieder hervor. Da sprachen zu ihm der Prana, der Apana, der Sa- mana und der Vyana : (706.) 0 Udana, du bist nicht der Beste, sondern nur der Vyana ist dir untertan.

Der Brahmane sprach:

21. (707.) Da sprach zu ihnen der Gott Brahman, zu alien zusammen, der Prajapati : Ihr seid alle die Besten oder auch nicht die Besten, denn ihr seid alle voneinander abhangig.

22. (708.) Ihr seid alle die Besten, ein jeder in seinem Bereich, aber ihr seid auch alle voneinander abhangig. Also sprach zu ihnen alien zusammen der Prajapati.

23. (709.) Jeder einzelne von euch, o ihr fiinf Winde, in seiner Besonderheit ist selbstandig und auch nicht selbstandig

Adhyaya 23 (B. 23). 917

denn es ist nur mein eigenes und einziges Selbst, welches auch in eurer Vielheit wahrgenommen wird.

24. (710.) Als Freunde voneinander und euch gegenseitig fdrdernd, sollt ihr euch gegenseitig unterstiitzen. Lebt wohl, geht hin, Heil moge euch zuteil werden!

So lautet in der Anugit& der achte Adhy&ya.

Adhyaya 34 (B. 34).

Vers 711-727 (B. 1-17).

Der Brahmane sprach:

1. (711.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namhch die Unterredung zwischen den Weisen Narada und Devamata.

Devamata sprach:

2. (712.) Wenn ein Geschopf entsteht, was entwickelt sich dann zuerst in ihm, der Prana, der Apana, der Samana, der Vyana oder der Udana?

Narada sprach :

3. (713.) Zu demjenigen [Prana], durch den das Geschopf entsteht, gesellt sich ein von ihm verschiedener als erster [vor den iibrigen] hinzu, denn man mufs wissen, dafs es eine Zweiheit von Prana's ist, welche in die Quere, nach oben und nach unten wirkt.

Devamata sprach:

4. (714.) Welches ist der Prana, durch den das Geschopf entsteht, und welches ist der von ihm verschiedene, der sich zuerst zu ihm gesellt? Und sage mir, welches die Zweiheit von Prana's ist, die in die Quere, und diejenige, welche nach oben und nach unten wirkt.

NS.rada sprach:

5. (715.) Durch die Vorstellung wird die Geschlechtslust rege, sie wird auch rege durch den Ton, auch wird sie rege

918 IV. Anugita.

durch den Geschmack, und sie wird auch rege durch die Gestalt.

6. (716.) Aus dem [mannlichen] Samen, wenn er sich mit dem [weiblichen] Blute vermischt, entwickelt sich zuerst der Prana, und nachdem der Samen durch den Prana umgewan- delt ist, entwickelt sich aus ihm der Apana.

7. (717.) Er entsteht auch aus dem Samen und entsteht auch aus der Fliissigkeit [des Blutes]. Dieses ist die Form des Udana, namhch die Geschlechtslust bei der Begattung.

8. (718.) Aus der Lust geht hervor der Same, aus der Lust (lies: Jcdmdt) geht auch hervor das Blut, Same aber und Blut waren gleicherweise hervorgebracht worden durch den Samana [der die Nahrung verdaut] und den Vyana [der den Nahrungssaft assimiliert].

9. (719.) Der Prana und der Apana, das ist die Zweiheit, welche nach oben und nach unten geht, der Vyana und der Samana, diese beiden heifsen die in die Quere gehende Ver- zweiheitlichung.

10. (720.) „Agni fiirwahr ist alle Gottheiten", das ist (Ait. Br. 1,1) die Lehre des Veda (lies: vedasya), aus welchem das Wissen des Brahmanen entspringt, das von Verstandnis be- gleitet ist.

11. (721.) Von diesem sehr glanzenden [Agni, Feuer] ist der Ranch das Tamas, und seine Asche ist das Rajas; aus ihm entspringt alles, wenn die Opfergabe hineingeworfen wird.

12. (722.) Aus dem Sattvam [der Flamme dieses Feuers] entspringen Samana und Vyana; so wissen es die, welche das Opfer verstehen ; der Prana und der Apana sind die beiden Buttergiisse, zwischen ihnen flammt das Feuer.

13. (723.) Dieses ist die Form des Udana, in welcher die Brahmanen das Hochste erkennen; warum diese [im Gegen- satze zu den gepaarten Prana' s] zweiheitlos ist, das vernimm von mir, der ich es dir verkiinden will,

14. (724.) Tag und Nacht bilden die Zweiheit, in deren Mitte [bei Tagesanbruch] das Opferfeuer flammt; dieses ist die Form des Udana, in welcher die Brahmanen das Hochste erkennen.

15. (725.) Das Seiende und das Nichtseiende bilden die

Adhyaya 24 (B. 24). 919

«

Zweiheit, in deren Mitte das [als Brahman iiber beide er- habene] Opferfeuer flammt; dieses ist die Form des Udana, in welcher die Brahmanen das Hochste erkennen.

16. (726.) Nach oben flammen der Samana und der Vyana; durch letztern wird das Opferwerk [wie das Verdauungswerk im Korper] ausgebreitet [vyasyate als Erklarung von vydna\; zum dritten aber [nachdem es emporgefiihrt und ausgebreitet wurde] wird es von dem Samana wiederum zum Stillstande gebracht.

17. (727.) Dem Zwecke der Ruhe dient die Meditation [dhydnam statt des unverstandlichen vydnam], und die Ruhe ist das Eine, das ewige Brahman; dieses ist die Form des Udana, in welcher die Brahmanen das Hochste erkennen.

So lautet in der AnugitS, der neunte Adhyaya.

Adhyaya 25 (B. 25). Vers 728-745 (B. 1-17).

Der Brahmane sprach:

1. (728.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich wie in dieser Welt die Einrichtung der vier Opferpriester eingerichtet wurde.

2. (729.) Von diesen allem wird die Einrichtung, wie sie vorschriftsmafsig geschah, iiberliefert ; hore von mir, o Holde, wie ich dir dieses wunderbare Geheimnis mitteile.

3. (730.) Das Organ, die Tat, der Tater und die Br- io sung, das sind, o du Liebliche, die vier Opferpriester, von denen diese Welt erfiillt ist.

4. (731.) Auch das, was sie als Verursacher tiusrichten, vernimm alles vollstandig. Die Nase, die Zunge, das Auge, die Haut und das Ohr als fiinftes, (732.) das Manas und die Buddhi, diese sieben soil man wissen als die Ursachen [der Erkenntnis] der Qualitaten [das Organ als Ursache].

5. Der Geruch, der Geschmack, die Gestalt, der Ton und die Beruhrung als fiinftes, (733.) ferner das zu Erkennende und das zu Verstehende, diese sieben sind die Tat als Ursache.

920 IV. Anugita.

6. Der Riechende, der Schmeckende, der Sehende, der Redende [vaJdd, besser: sprashtd^ der BeriihrendeJ und der Horende als fiinfter, (734) der Erkennende und der Verstehende, diese sieben sind der Tater als Ursache, das soil man wissen,

7. sowie auch, dafs diese sieben, an den Qualitaten haf- tend, die ihnen entsprechende gute oder bose Qualitat ge- niefsen, (735.) dafs ich selbst aber qualitatlos und unendlich bin. Diese sieben [in dieser Weise als Nicht-Ich erkannt] sind die Erlosung als Ursache.

8. Fiir diejenigen, welche wissen und die Stellung jedes einzelnen, wie es sich gehort, begreifen, (736.) werden jene Qualitaten zu Gottern, welche fort und fort die Opfergabe geniefsen. [Wie beim Pranagnihotram das Essen, so werden hier auch das Sehen, Horen usw, als ein den Gottern der Sinnesorgane dargebrachtes Opfer aufgefafst.]

9. Hingegen der Nichtwissende, wenn er die Speise ge- niefst, hat es durch Egoismus verrichtet, (737.) und indem er nur um seiner selbst willen die Speise bereiten lafst, wird er durch Egoismus vernichtet.

10. Ihn vernichtet das Essen des Verbotenen und das Trinken des Berauschenden ; (738.) er vernichtet die Speise, und die Speise ihn ; vernichtend wird er wiederum vernichtet.

11. Aber der dieses Wissende, wenn er die Nahrung ver- nichtet, erschafft sie als Gottschopfer wieder, (739.) und durch die Ernahrung wird bei ihm auch nicht die kleinste Uber- tretung begangen.

12. Alles, was durch das Manas erkannt, durch die Rede gesprochen, (740.) durch das Ohr gehort, durch das Auge gesehen,

13. durch den Tastsinn gefiihlt und durch die Nase ge- rochen wird, (741.) alle diese mit Einrechnung des Manas sechs Opfergaben von alien Seiten her in sich aufnehmend,

14. strahlt das alle Qualitaten tragende und in meinen Leib eingegangene Feuer [der Atman]. (742.) Das Yogaopfer ist bei mir im Gauge, welches durch sein Entstehen das Feuer der Erkenntnis verleiht, dieses Feuer, welches den Prana als

Adhyftya 25 (B. 25). 921

Lobgesang, den Apana als Rezitation und den Verzicht auf alles als schonen Opferlohn hat.

15. (743.) Der Tater [der Ahankara] und der Einwilliger [das Manas] sind der Priester Brahman, der Atman [nach dem Kommentar die Buddhi] ist Hotar, Adhvaryu und Udga- tar; die Wahrheit ist der Pragastar, das Tad [das Brahman] ist das Qastram und die Erlosung ist der Opferlohn bei diesem Opfer.

16. (744.) Auch Verse rezitieren bei diesem Opfer die deij Narayana Kennenden zu Ehren des Gottes Narayana, darum dafs sie vordem die Opfertiere [angeblich die Sinnesorgane] gefunden [als von Atman verschieden erkannt] haben.

17. (745.) Auch Samanlieder singen sie dabei und erzahlen eine Geschichte zur Erlauterung. Diesen Gott Narayana, o du Schiichterne, erkenne als die Seele der ganzen Welt.

So lautet in der Anugita der zehnte AdhyAya.

Adhyaya 36 (B. 36).

Vers 746 -763 (B. 1-18).

Der Brahmane sprach:

1. (746.) Ein Gebieter ist, es gibt keinen andern Ge- bieter; ihn, der im Herzen wohnt, rufe ich an; von ihm getrieben, wie das Wasser von einem Abhange, so wie ich angetrieben bin, fahre ich hin.

2. (747.) Ein Lehrer ist, es gibt keinen andern aufser ihm; ihn, der im Herzen wohnt, rufe ich an; von ihm als Lehrer unterwiesen wurden immerdar in der Welt sogar alle die verhafsten Schlangen.

3. (748.) Ein Freund ist, es gibt keinen andern aufser ihm; ihn, der im Herzen wohnt, rufe ich an; von ihm unterwiesen, sind befreundet die Verwandten, erglanzen am Himmel, o Sohn der Pritha, die sieben Rishi's [das Siebengestirn des Grofsen Baren].

4. (749.) Ein Lernender ist, es gibt keinen andern aufser ihm; ihn, der im Herzen wohnt, rufe ich an; bei ihm als

922 IV. Anugita.

Lehrer hat die Lehrerschule durchgemacht der Gott Indra (Chand. Up. 8,7—12} und ist dadurch zur Unsterblichkeit in alien Welten gelangt (Chand. Up. 8,12,6),

5. (750.) Ein Hassender ist, es gibt keinen andern aufser ihm ; ihn, der im Herzen wohnt, rufe ich an ; von ihm als Lehrer unterwiesen wurden immerdar in der Welt sogar alle die verhafsten Schlangen.

6. (751.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich das Zusammenkommen der Schlangen und der Gotter-Eishi's bei Prajapati.

7. (752.) Die Gotter-Kishi's, die Schlangen und die Da- monen befragten den Prajapati, indem sie, ihn verehrend, sich nahten: Sage, was fur uns das Beste ist.

8. (753.) Zu ihnen, da sie ihn gemeinsam befragten nach dem, was fiir sie das Beste sei, sprach der Heilige: Om, diese eine Silbe ist das Brahman! Nachdem sie das gehort, liefen sie nach alien Richtungen auseinander.

9. (754.) Unter ihnen, die herbeigelaufen waren, um sich zu belehren, hatte sich bei den Schlangen aber die Neigung zu beifsen schon vorher entwickelt,

10. (755.) wahrend hingegen bei den Damonen sich die ihnen angeborene Neigung zum Truge entwickelt hatte, und hinwiederum die Gotter sich fiir das Geben und Nehmen, die grofsen Eishi's aber fiir die Selbstbezahmung entschie- den hatten.

11. (756.) Zu einem und demselben Lehrer hatten sie sich begeben, und durch eines und dasselbe Wort waren sie ge- heiligt worden, und doch entschieden sie sich alle fiir etwas Verschiedenes, die Schlangen, die Gotter-Eishi's und die Damonen.

12. (757.) Es hort einer, was ihm gesagt wurde, und fafst es auf, je nachdem es ist [es ihm zusagt], und auch wenn er dann noch weiter fragen wollte, einen andern Lehrer [als ihn selbst, je nachdem er das Gesagte aufnimmt] gibt es nicht,

13. (758.) und nach dessen [also seiner eigenen] Zustim- mung richtet sich dann weiterhin das Tun; man hat den Lehrer und den Lernenden und Horenden, ja auch den Feind im eigenen Herzen und aus diesem kommend.

Adhyaya 26 (B. 26). 923

14. (759.) [Nicht die Belehrung ist das Entscheidende, sondern :] Wenn man mit einem schlechten Menschen im Leben verkehrt, so wird man einen schlechten Wandel fiihren, und wenn man mit einem guten Menschen verkehrt, so wird man einen guten Wandel fiihren.

15. (760.) Aber nach Willkiir lebend seiner Lust gemafs ist der, welcher dem Sinnengenusse huldigt; und ein heiliges Leben fiihrt (ein Brahmacarin ist) der immerdar, welcher an der Uberwindung seiner Sinne seine Freude hat.

16. (761.) Wer aber alle Geliibde und Werke von sich tut, nur in Brahman steht und, zu Brahman geworden, in der Welt dahinwandelt, der fiihrt ein wahrhaft heiliges Leben (ist ein wahrer Brahmacarin).

17. (762.) Fiir ihn ist Brahman das Brennholz, Brahman das Feuer, Brahman das Zusammenleben [mit den anderen Schiilern], Brahman das Wasser und Brahman der Lehrer, er ist in Brahman aufgehend.

18. (763.) Das ist es, was die Weisen als den verborgenen heiligen Wandel (das verborgene Brahmacaryam) erkannten und erkannt habend befolgten, von ihrer eigenen Seele fkshe- trajnaj unterwiesen.

So lautet in der Anag!t& der elfte Adhy&ya.

Adhyaya 37 (B. 21),

Vers 764-787 (B. 1-24).

Der Brahmane sprach :

1. (764.) Wiinsche sind seine stechenden Miicken, Leid und Lust sind seine Kalte und Glut, die Nacht der Verblen- dung ist seine Dunkelheit, Begierde und Krankheit sind sein schleichendes Gewiirm,

2. (765.) die Sinnendinge sind der einzige gefahrliche Pfad, der hindurchfiihrt , Begierde und Zorn sind sein hemmendes Gestriipp, das' ist das grofse Dickicht, durch welches ich durchgedrungen und in diesen grofsen Wald gelangt bin.

924 IV. Anugita.

Die Brahmanin sprach: ,

3. (766.) Wo ist dieser Wald, o grofser Weiser, welches sind seine Baume und seine Gewasser, seine Berge und Hiigel, und auf welchem Wege erreichbar ist dieser Wald?

Der Brahmane sprach:

4. (767.) Dieses eine [das Wohnen in dem Walde] ist keine Vereinsamung , und kein anderes Gliick kommt ihm gleich; jenes andere [das Wohnen in der Welt] ist keine Nicht- vereinsamung, und es gibt kein grofseres Leid als dieses.

5. (768.) Dieser Wald ist von allem das Kleinste und von allem das Grofste, er ist von allem das Feinste, und kein anderes Gliick kommt ihm gleich.

6. (769.) Die Zwiegeborenen , die in diesen Wald einge- gangen sind, fiihlen keinen Kummer mehr und keine Freude mehr, sie furchten sich vor niemandem, und niemand fiirchtet sich vor ihnen mehr.

7. (770.) In diesem Walde gibt es sieben grofse Baume, sieben Friichte und sieben Gaste, sieben Einsiedeleien, sieben Meditationen und sieben Weihen; so ist dieser Wald beschaffen.

8. (771.) Es sind himmlische Bliiten und Friichte von fiinferlei Farbe, welche von den Baumen hervorgebracht werden, die diesen Wald erfiillen.

9. (772.) Von schoner Farbe, von zweifacher Farbe sind die Bliiten und Friichte, welche von den Baumen hervorgebracht werden, die diesen Wald erfiillen.

10. (773.) Von schonem Geruch, von zweifacher Farbe sind die Bliiten und Friichte, welche von den Baumen hervor- gebracht werden, die diesen Wald erfiillen.

11. (774.) Von schonem Geruch und einfacher Farbe sind die Bliiten und Friichte, welche von den Baumen hervor- gebracht werden, die diesen Wald erfiillen.

12. (775.) Zahlreich und von unbestimmter Farbe sind die Bliiten und Friichte, welche von zwei grofsen Baumen her- vorgebracht werden, die diesen Wald erfiillen.

13. (776.) Das eine Feuer, welches in diesem Walde brennt, ist der wohlgesinnte Brahmane, und seine fiinf

Adhyftya 27 (B. 27). 925

Sinne sind das Brennholz; als Befreiungen von ihnen er- weisen sich fruchtbar die sieben Weihen. Die Guna's sind die Friichte, und die Gaste sind die, welche die Friichte essen.

14. (777.) Die Gastfreundschaft nehmen entgegen hier und da in dem Walde grofse Weisen; nachdem sie geehrt worden und verschwunden sind, erglanzt ihnen oin anderer Wald,

15. (778.) dessen Baume Weisheit, dessen Frucht die Er- losung, und der mit Gemiitsruhe als Schatten ausgestattet ist; seine Einsiedelei [lies: dgrama] ist die Erkenntnis, sein Gewasser ist die Zufriedenheit und seine Sonne ist die innere Seele.

16. (779.) Fiir die Guten, welche diesen Wald erlangen, gibt es weiter keine Furcht mehr. Nach oben, nach unten und in die Quere ist das Ende dieses Waldes nicht zu er- reichen.

17. (780.) Sieben Frauen hingegen wohnen Tag fiir Tag dort [in dem erstgenannten Walde], nach unten blickend, glanzvoll, zeugungskraftig ; sie [die fiinf Sinne, Manas und Buddhi] benehmen den Geschopfen alien Ge- schmack fiir das Hohere sowie die Realitat und die Ver- ganglichkeit [die ihre Objekte sind, den Geschmack fiir das Hohere benehmen].

18. (781.) Dort hinwiederum [in dem himmlischen Walde] haben ihre Stelle und dort ziehen herauf die vollendeten sieben Sieben -Rishi's [das Siebengestirn ] mitsamt denen, welche von Vasishtha [dem Stern ^ im Grofsen Baren] an- gefiihrt werden.

19. (782.) Ihm, dessen Kraft vollkommen ist, gehort Ruhm, Glanz, Gliick und Sieg, ihm folgen die librigen sieben Sterne als ihrer Sonne.

20. (783.) Auch Berge sind daselbst mit Hiigeln im Verein sowie Strome und Fliisse, welche das Wasser fiihren, das aus Brahman quillt.

21. (784.) Die Vereinigung aber dieser Strome findet statt an dem geheimen Orte der drei Opferfeuer; von diesem aus gehen die, welche sich an ihrem Atman ersattigt haben, ge- raden Weges zum Urvater hin.

926 IV. Anugita.

22. (785.) Wenig sich nahrend, nach ihrem guten Geliibde sich nahrend und ihre Siinde durch Askese verbrennend, so gehen sie in ihrem Atman in den Atman ein und verehren zugleich [exoterisch] den Gott Brahman.

23. (786.) Und auch die Geistesruhe preisen an diesem Wissenswalde, die ihn kennen, und indem sie auf diesen Wald [Hes: aranyam] zustreben, wird er ihnen zuteil je nach ihrer Einsicht.

24. (787.) Von dieser Art ist dieser heilige Wald, den die Brahmanen kennen, und wenn sie ihn kennen, so streben sie ihm zu, indem ihre eigene Seele ihnen den Weg zeigt.

So lautet in der Anugita der zwoHte Adhyiiya.

Adhyaya 38 (B. 2S).

Vers 788-816 (B. 1-28).

Der Brahmane sprach:

1. (788.) Ich bin es nicht, der die Geriiche riecht, die Geschmacke empfindet, die Gestalt sieht und beriihrt, auch bin ich es nicht, der die mannigfachen Tone hort oder irgendeine Vorstellung fafst.

2. (789.) Es ist die Natur fsvabhava = prakritij, welche nach den erwiinschten Dingen trachtet, und es ist die Natur, welche alles Hassenswerte hafst; und auch das- jenige, wodurch Prana und Apana entstehen und Liebe und Hafs in die Leiber der Geschopfe pflanzen, das ist die Natur.

3. (790.) Auch noch andere Eigenschaften als diese, welche jenen Geschopfen bestandig anhaften, werden [von den Yogin's] erkannt als der im Korper weilende natiirliche Atman fbhiitdtmanj ; in ihm habe ich meinen Sitz und bin doch in keiner Weise. mit Lust und Zorn, mit Alter und Tod behaftet.

4. (791.) Ich aber begehre nicht mehr nach irgend- einer Lust und verabscheue nicht mehr irgendein Ubel, und durch die Naturbeschaffenheiten werde ich so wenig befleckt, wie der Wassertropfen durch die Lotosblume.

Adhy&ya 28 (B. 28). 927

5. (792.) Und diesem Ewigen, welches in mir bemerkt wird, haften viele ewige Naturbeschaffenheiten [lies: svahhdvdh] an, aber das Netz der Geniisse klebt nicht an meinen Werken, wie das Strahlennetz der Sonne nicht am Himmel.

6. (793.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Geschichte, namlich die Unterredung zwischen einem Adhvaryu (Priester des Yajurveda) und einem Yati (Asketen) ; das ver- nimm, o du Riihmliche.

7. (794.) Ein Asket, der dabeisafs und zusah, wie bei einem Opfer das Opfertier geweiht wurde, sprach zu dem Adhvaryu in tadelnder Weise : Dieses ist eine hinsd [Schadi- gung eines lebenden Wesens].

8. (795.) Zu ihm sprach der Adhvaryu: Dieser Bock geht nicht zugrunde, vielmehr wird dieses Geschopf der Seligkeit teilhaftig, wenn anders die betreffende Schriftstelle dieses verheifst.

9. (796.) Der Teil von ihm, welcher erdartig ist, geht wieder zur Erde, und alles, was an ihm aus Wasser geworden ist, das geht in das Wasser ein.

10. (797.) Sein Auge geht zur Sonne, sein Ohr zu den Himmelsgegenden und sein Lebenshauch zum Himmel. Da ich dabei nach der heiligen Vorschrift verfahre, so trifft mich kein Vorwurf irgendwelcher Art.

Der Yati sprach:

11. (798.) Wenn du glaubst, dafs diesem Bocke die Tren- nung vom Leben zur Seligkeit gereicht, so geschieht also das Opfer dem Bocke zuliebe; was fiir einen Zweck kannst denn du fiir dich dabei verfolgen?

12. (799.) Ist dem aber so, dann diirfte dir auch der Bruder des Bockes zustimmen sowie sein Vater, seine Mutter und sein Freund; besprich dich mit ihnen, indem du diesen Bock zu ihnen bringst, besonders da er noch von anderen ab- hangig ist.

13. (800.) Darum miissen sie ihre Zustimmung geben, du mufst sie deshalb aufsuchen; hast du dich erst ihrer Ein- willigung versichert, so lafst sich die Sache weiter iiberlegen.

928 IV. Anugita.

14. (801.) Ubrigens werden ja die Lebensorgane dieses Bockes an die ihnen zukommende Statte befordert, und nur der Korper bleibt ohne Bewegung zuriick, so denke ich.

15. (802.) Der Korper aber ohne Bewufstsein ist doch nur dem Brennholze vergleichbar, und die, welche aus der Totung einen Vorteil ziehen wollen, haben das mit dem Namen Opfer- tier bezeichnete Brennholz [ohne das dazu erforderliche Feuer].

16. (803.) Nichtschadigung ist [die oberste] aller Pflichten, so lautet das Gebot der Altvordern; nur dasjenige Werk darf vollbracht werden, welches ohne Schadigung geschehen kann, das wissen wir,

17. (804.) Man darf nicht schadigen, das ist meine Be- hauptung, und wenn ich [um sie zu erweisen] noch weiter reden soil, so konnte ich das Werk, welches von dir aus- gefiihrt werden soil, in vielen Beziehungen tadeln.

18. (805.) Kein Wesen zu schadigen, das ist der Grund- satz, der uns unter alien Umstanden einleuchtet; wir handeln aber nach dem, was uns vor Augen liegt, und was dariiber hinaus liegt, achten wir nicht.

Der Adhvaryu sprach:

19. (806.) Du geniefsest von der Erde die Qualitaten der Geriiche, du trinkst die aus dem Wasser stammenden Ge- schmacke, du siehst die den Lichtern angehorige Gestalt, du fiihlst die vom Winde kommenden Qualitaten,

20. (807.) du horst die aus dem Ather geborenen Tone, und du bildest die Vorstellung mit Hilfe des Manas; alle diese Wesen sind belebt, wie du weifst,

21. (808.) und du horst gar nicht auf [lies: anivritto], von ihrem Leben zu nehmen, du lebst fort und fort in Hinsa (Schadigung lebender Wesen}. Es gibt gar kein Existieren ohne Hinsa, oder wie denkst du dariiber, o Zwiegeborener?

Der Yati sprach :

22. (809.) Das Unvergangliche und das Vergangliche machen die zwiefache Existenz des Atman aus. Das Unver- gangliche ist seine wahre Wesenheit, das Vergangliche wird seine Natur fsvahhdva = prakritij genannt.

Adby&ya 28 (B. 28). 929

23. (810.) Lebenshauch, Zunge, Manas, Sattvam nebst Rajas bilden die Natur [lies : svabhdvo] ; wer von alien diesen Wesenheiten erlost, frei von den Gegensatzen des Lebens [Lust und Leid, Hitze und Kalte usw.] und frei von Wiin- schen ist,

24. (811.) wer alle Wesen fiir gleich achtet, ohne Ichheit ist und sein Selbst iiberwunden hat, d'^r ist vollstandig er- lost, und keine Furcht wandelt ihn an, wo es auch sei.

Der Adhvaryu sprach :

25. (812.) Nur mit dem [empirisch] Eealen haben wir auf dieser Welt zusammen zu leben, o Bester der Weisen; gerade dadurch, dafs ich deine Meinung gehort habe, leuchtet meine Meinung mir als die richtige ein.

26. (813.) Ich bin, o Heiliger, mit deiner Denkungsart ein- verstanden, und trotzdem sage ich : (8i4.) Mich, indem ich die vom Veda vorgeschriebene Satzung ausfiihre, trifft keine Schuld, o Zwiegehorener.

Der Brahmane sprach :

27. (815.) Inlblge dieser Argumentation verhielt sich der Yati von da an schweigend, und der Adhvaryu schritt un- beirrt in der grofsen Opferhandlung weiter.

28. (816.) So haben die Brahmanen in dieser Frage eine solche gar feine Freisprechung von Schuld erkannt, und nachdem sie dieselbe erkannt durch ihren die Wahrheit er- kennenden Geist fKshetrajnaJ, verfahren sie dementsprechend.

So lautet in der Anugita der dreizehnto AdhyAya.

Adhyaya 39 (B. 39).

Vers 817-838 (B. 1-22).

Der Brahmane sprach:

1. (817.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Ge- schichte, namlich die Unterredung zwischen Kartavirya und Samudra (dem Ozean), o Holde.

Deubbkn, Mab&bh&ratam. 59

930 IV. Anugita;

2. (818.) Arjuna Kartavirya war ein Konig mit tausend Armen, von welchem die meerumgiirtete Erde mit seinem Bogen erobert worden war.

3. (819.) Einstmals, als er, stolz auf seine Kraft, am Ufer des Ozeans wandelte, iiberschiittete er mit Hunderten von Pfeilen den Ozean, wie wir vernommen haben.

4. (820.) Ihn verehrte der Ozean mit gefalteten Handen und sprach : Schiefse deine Pfeile nicht ab, o Held, sage was ich dir tun soil.

5. (821.) Die Geschopfe, deren Zuflucht ich bin, werden durch die von dir abgeschossenen grofsen Pfeile getotet, o Tiger unter den Fiirsten ; lasse sie in Frieden, o Machtiger.

Arjuna sprach:

6. (822.) Wenn es irgendwo einen mir im Kampfe eben- biirtigen Bogentrager gibt, den sage mir an, damit er es mit mir im Kampfe aufnehme.

Der Ozean sprach:

7. (823.) Wenn du, o Konig, von dem grofsen Rishi Ja- madagni gehort hast, so wisse, dafs er einen Sohn hat, der wiirdig ist, mit dir einen Waffengang in gehoriger Weise zu machen.

8. (824.) Da ging der Konig fort, von grofsem Grimm er- fiillt, gelangte zu der bezeichneten Einsiedelei und wandte sich an Rama,

9. (825.) Da beging er Feindseligkeiten gegen Rama und seine Leute und erregte dadurch den Verdrufs des hoch- herzigen Rama.

10. (826.) Da entflammte die Kraft des unermefslich kraf- tigen Rama, und er, o Lotosaugige, der die Heere der Feinde verbrannte,

11. (827.) Rama, erfafste darauf die Axt und fallte mit Macht jenen Tausendarmigen wie einen Baum mit vielen Zweigen.

12. (828.) Als sie ihn erschlagen und niedergestiirzt sahen, scharten sich alle seine Leute zusammen, ergriffen Schwerter und Speere und umstiirmten den Bhrigusprofs.

Adhyaya 29 (B. 29). 931

13. (829.) Da ergriff Rama seinen Bogen, sprang eilig auf seinen Streitwagen und, indem er das Heer des Fiirsten mit einem Regen von Pfeilen iiberschiittete, blies er es aus- einander.

14. (830.) Da geschah es, dafs eine Anzahl Kshatriya's, von Furcht vor dera Jamadagnisohne gequalt, in die Berg- schluchten fliichteten wie Antilopen, die der Lowe verfolgt.

15. (831.) Weil diese aus Furcht vor ihm die ihnen ob- liegende Pflicht nicht erfiillten, sanken ihre Nachkommen in- folge ihres Getrenntlebens von den Brahmanen zum Stande der Elenden (Vrishala's = Qiidra's) herab.

16. (832.) So geschah es, dafs diese als Dravida's, Abhira's, Pundra's und ^'abara's in den Stand der Elenden ((^udra's) gerieten wegen der Unterlassung der Pflicht, die sie als Ksha- triya's hatten.

17. (833.) Weiterhin wurden die mit den Kshatriyafrauen nach Totung ihrer Manner von den Brahmanen fdvijaj er- zeugten Kshatriya's immer wieder und wieder vom Jama- dagnisohne ausgerottet.

18. (834.) Am Ende von einundzwanzig dieser Menschen- opferungen geschah es, dafs eine korperlose, himmlische, milde, in der ganzen Welt vernehmbare Stimme zu Rama sprach :

19. (835.) Rama! Rama! lasse ab! Welches Verdienst siehst du darin, o Freund, diese Kshatriyaburschen immer wieder und wieder ums Leben zu bringen?

20. (836.) Und ebenso sprachen sodann zu dem Hoch- herzigen seine Vorvater mit Ricika [dem Grofsvater des Rama] an der Spitze und sagten: Lasse ab, du Vortrefflicher !

21. (837.) Aber Rama, der die Ermordung seines Vaters [durch die Sohne des Kartavirya] nicht vergessen konnte, sprach zu diesen Rishi's: Euer Gnaden diirfen mich hieran nicht hindern.

Die Ahnen sprachen:

22. (838.) Du darfst, o Bester der Sieger, nicht diese Ksha- triyaburschen toten, denn es geziemt sich nicht, dafs du, der du ein Brahmane bist, die Fiirsten totest.

So lautet in der Anugttft der vierzehnte Adhy&ya.

.59*

932 IV. Anugita.

Aclhyaya 30 (B. 30).

Vers 839-872 (B. 1-33).

Die Ahnen sprachen:

1. (839.) Auch hieriiber erzahit man sich folgende alte Ge- schichte, und wenn du dies gehort haben wirst, so mufst du danach handeln, o Bester der Brahmanen.

2. (840.) Es war einmal ein Konigs-Rishi mit Namen Alarka, von grofser Askese, pflichtkundig, die Wahrheit redend, hoch- •herzig und sehr fasten Geliibdes.

3. (841.) Der hatte mit seinem Bogen diese meerumgiirtete Erde erobert, und nachdem er dieses schwere "Werk voll- bracht hatte, richtete er seinen Geist auf eine feine Sache.

4. (842.) Wahrend er an den Wurzeln eines Baumes ver- weilte, richtete sich sein Gedanke, indem er sein grofses Werk aufgab, auf eine feine Sache, o du Hochsinniger.

Alarka sprach :

5. (843.) Ein Heer hat sich gegen mich erhoben aus meinem Manas ; besiege ich das Manas, so ist mein Sieg vollkommen ; auf andere Gegner [als die bisherigen] will ich meine Pfeile richten, denn ich bin von Feinden rings umgeben.

6. (844.) Gegen dieses Ding, welches durch seine Flatter- haftigkeit alle Menschen zu zerstreuen strebt, gegen mein Manas will ich die Pfeile mit scharfer Spitze losschiefsen.

Das Manas sprach:

7. (845.) 0 Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn sie zertrennt sind, so mufst du sterben,

8. (846.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, sprach er mit Bedacht das folgende Wort.

Alarka sprach:

9. (847.) Wenn der Geruchsinn manche Geriiche riecht, so wird man von Begierde nach ihnen ergriffen; darum will ich die scharfen Pfeile gegen den Geruchsinn losschiefsen.

Adhyaya 30 (B. 30). 933

Der Geruchsinn spracli :

10. (848.) 0 Alarka, diese Pfeile werden raich keineswegs durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn sie zertrennt sind, so mufst du sterben.

11. (849.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, spracli er mit Bedacht das folgende Wort.

Alarka spracb:

12. (850.) Wenn diese Zunge die siifsen Geschmacke schmeckt, so wird man von Begierde nach ihnen ergriffen; darum will ich die scharfen Pfeile gegen die Zunge losschiefsen.

Die Zunge sprach:

13. (851.) 0 Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn sie zertrennt sind, so mufst du sterben.

14. (852.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, sprach er mit Bedacht das folgende Wort.

Alarka sprach:

15. (853.) Wenn die Haut manche Gefiihle fiihlt, so wird man von Begierde nach ihnen ergriffen; darum will ich die Haut mit manchen befiederten Pfeilen durchlochern.

Die Haut sprach:

16. (854.) 0 Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn sie zertrennt sind, so mufst du sterben.

17. (855.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, sprach er mit Bedacht das folgende Wort.

Alarka sprach:

18. (856.) Wenn das Ohr manche Tone hort, so wird man von Begierde nach ihnen ergriffen ; darum will ich die scharfen Pfeile gegen das Ohr losschiefsen.

934 IV. Anugit^.

Das Ohr sprach:

19. (857.) 0 Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und in- folge davon mufst du dein Leben lassen.

20. (858.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, sprach er mit Bedacht das folgende Wort.

Alarka sprach:

21. (859.) Wenn das Auge manche Gestalten sieht, so wird man von Begierde nach ihnen ergriffen; darum will ich das Auge mit den scharfen Pfeilen toten.

Das Auge sprach:

22. (860.) 0 Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn sie zertrennt sind, so mufst du sterben.

23. (861.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den Garaus machen kannst. Als er dies vernommen hatte, sprach er mit Bedacht das folgende Wort.

Alarka sprach:

24. (862.) Diese Buddhi trifft durch ihre Erkenntnis Ent- scheidungen in vielfacher Weise; darum will ich die scharfen Pfeile gegen die Buddhi losschiefsen.

Die Buddhi sprach:

25. (863.) 0 Alarka, diese Pfeile werden mich keineswegs durchbohren, sondern nur deine Gelenke zertrennen, und wenn sie zertrennt sind, so mufst du sterben. (864.) Ersinne andere Pfeile, durch die du mir den Garaus machen kannst.

Der Brahmane sprach [richtiger: die Ahnen sprachen]:

26. (865.) Darauf gab sich Alarka ebendort einer furcht- baren, schwer zu vollbringenden Askese hin, aber auch so er- langte er nicht den Pfeil, der durch seine Kraft jenen sieben [Sinnesorganen] iiberlegen war.

27. (866.) Dann aber sammelte der Gewaltige vollstandig

Adhy&ya 30 (B. 30). 935

seinen Geist und dachte nach, und nachdem er, Alarka, lange Zeit nachgedacht hatte, o Bester der Brahmanen,

28. (867.) so fand er, der Vorziiglichste der Verstandigen, kein hoheres Gut als den Yoga, und indem er seinen Sinn einzig darauf richtete und unentwegt dem Yoga nachhing,

29. (868.) schlug der Held alsbald mit diesem einzigen Pfeile die Sinnesorgane nieder, und mittels des Yoga in den Atman eindringend, gelangte er zur hochsten Vollendung.

30. (869.) Und mit Stolz sprach er, der Konigs-Rishi, den Iblgenden Spruch: 0 welches Elend, dafs wir alien diesen Aufsendingen nachstrebten,

31. (870.) dafs wir vordem, von Durst nach Geniissen er- fiillt, unsere Konigswiirde hoch schatzten! Erst spater habe ich begriffen, dafs es kein hoheres Gliick als den Yoga gibt.

32. (871.) Darum, o Rama, gewahre auch du Verzeihung und tote die Kshatriya's nicht; wende dich vielraehr gewalti- ger Askese zu; dann wirst du erlangen, was das Beste ist.

33. (872.) Als die Grofsvater also zu dem Sohne des Ja- madagni gesprochen hatten, da wandte er sich der gewalti- gen Askese zu, und durch sie ging der iiberaus Gliickliche in die schwer zu erreichende Vollendung ein.

So lautet in der AnugitA der fi'mfzehnte Adhyaya

Adhy^ya 31 (B. 31).

Vers 873-886 (B. 1-13).

Der Brahniane sprach :

1. (873.) Fiirwahr, es gibt drei Feinde auf der Welt, welche, den drei Guna's entsprechend, als neunfach aufgezahlt werden. Freude, Liebe und Wonne, das sind die drei Qualitaten des Sattvam.

2. (874.) Durst, Zorn und Ungestvim, diese gelten als die Qualitaten des Rajas, Ermiidung, Tragheit und Vollendung, das sind die drei Qualitaten des Tamas.

3. (875.) Indem der Charakterfeste diese mit Scharen von Pfeilen unermiidlich niederkampft, ist er imstande, sie als

936 IV. Anugita.

Feinde zu iiberwinden, mit beruhigtem Selbste und mit be- zahmten Sinnen.

4. (876.) In bezug hierauf riihmen Kenner der Vorzeit die Verse, welche einstmals von dem Konige Ambarisha, als er zur Ruhe gelangt war, gesungen wurden.

5. (877.) Als namlich seine Fehler sich machtig erhoben und seine guten Eigenschaften zuriickgedrangt wurden, da ergriff der hochberiihmte Ambarisha die Herrschaft mit Un- gestiim.

6. (878.) Nachdem er aber dann seiner Fehler Herr ge- worden war und seine guten Eigenschaften zu Ehren gebracht hatte, da gelangte er zu grofser VoUendung und rezitierte folgende Verse:

7. (879.) Zum grofsten Teile sind meine Fehler besiegt und alle meine Feinde niedergekampf't worden; nur ein Fehler, der grofste von alien, bleibt noch zu bekampfen und ist noch nicht von mir iiberwunden worden;

8. (880.) so lange meine Person mit diesem behaftet bleibt, kann sie nicht zur Begierdelosigkeit fvaitrishnyamj gelangen ; so lange der Mensch mit Durst ftrishndj behaftet ist, lauft er Gemeinem nach und ist nicht weise.

9. (881.) Sie, mit welcher behaftet hieiiieden der Mensch treibt, was er nicht sollte, die Begierde flohhaj^ mlifst ihr mit scharfen Schwertern ausrotten [lies: niJcp'ntata] und immer wieder ausrotten.

10. (882.) Denn aus der Begierde entspringt der Durst, und aus ihm entwickelt sich die Sorge; die Begierde will er- langen, und was sie erlangt, das sind zumeist die Qualitaten des Rajas; (883.) hat man aber erst diese angenommen, so erlangt man meistenteils auch die Qualitaten des Tamas.

11. (884.) Und durch diese Qualitaten kniipft sich neu des Korpers Bindung; immer wieder und wieder wird er geboren und strebt nach Werken. Geht der Lebenslauf zu Ende, wird sein Leib von ihm getrennt und zerstreut, so mufs er wieder durch neuen Lebenslauf zu neuem Tode eilen.

12. (885.) Darum soil man die Begierde ganz durch- schauen und, mit J'estigkeit sie ziigelnd, sich ein Reich

Adhy&ya 31 (B. 31). 937

im Atman griinden; dieses ist das wahre Reich, kein

anderes gibt es hienieden, und der Atman ist der Konig,

wenn er nach Gebiihr erkannt ist.

13. (886.) So wurde von dem Konig Ambarisha, dem ruhm- begabten, dieser Spruch gesprochen; die Oberherrschaft hat er sich errungen, indem er die Begierde ausgerottet.

So lautet iu der Anugtta der secbzebnte Adhydya.

Adhyaya 32 (B. 32).

Vers 887-912 (B. 1-26).

Der Brahmane sprach :

1. (887.) Auch hieriiber erzahlt man sich folgende alte Ge- schichte, namlich die Unterredung eines Brahmanen mit dem Konige Janaka, o du Holde.

2. (888.) Zu einem Brahmanen, der in irgend eine Verschuldung geraten war, sprach der Konig Janaka, um ihn zu strafen: Du darfst nicht mehr in meinem Reiche wohnen.

3. (889.) So angeredet, sprach der Brahmane zu dem Besten der Konige: Zeige mir, o Konig, dein Reich an, und wie weit es sich in deiner Gewalt befmdet.

4. (890.) Ich, der ich hier stehe, will, o Herr, in dem Reiche eines andern Konigs wohnen, ich will nach deinem Worte tun, dem Gesetze gemafs, o Landesherr.

5. (891.) Als nun aber der Konig so von dem herrlichen Brahmanen angeredet wurde, da stiefs er plotzlich einen heifsen Seufzer aus und erwiderte nicht s.

6. (892.) Als nun der unermefslich machtige Konig in Ge- danken versunken dasafs, da iiberfiel ihn eine Bestiirzung, dem Damon Rahu vergleichbar, der die glanzende Sonne iiberfallt.

7. (893.) Als sodann der Konig wieder aufatmete [lies: samdgvasya] und seine Bestiirzung gewichen war, sprach er alsbald zu dem Brahmanen das Wort.

938 IV. Anugita.

Janaka sprach:

8. (894.) In der von meinem Vater und Grofsvater iiber- kommenen Herrschaft, in dem meinem Willen unterworfenen Lands kann ich kein Reich erblicken, wenn ich an die [ganze] Erde denke.

9. (895.) Und als ich, in der ganzen Erde nicht mein Reich sehend, meine Aufmerksamkeit auf Mithila richtete, und auch in dieser Stadt es nicht erbhckte, richtete ich meine Auf- merksamkeit auf meine FamiHe.

10. (896.) Und als ich auch in ihr nicht ein [mir volhg angehoriges] Reich erbUcken konnte, da iiberkam mich Be- stiirzung. Als aber dann die Bestiirzung wich, kehrte mir das klare Bewufstsein zuriick.

11. (897.) Nunmehr glaube ich, dafs ich iiberhaupt kein Reich habe, oder dafs mein Reich allumfassend ist: auch mein eigener Leib ist nicht mein, oder auch die ganze Erde ist mein,

12. (898.) und wie sie mir gehort, so auch den anderen, so denke ich, o Bester der Brahmanen (vgl. Mahabh. XII, 750 und 6470 S. 112); bewohne sie, soweit du vermagst, und ge- niefse sie, soweit du sie bewohnst.

Der Brahmane sprach:

13. (899.) In der von deinem Vater und Grofsvater iiber- kommenen Herrschaft, in dem deinem Willen unterworfenen Lande, sage, was hast du im Sinn, wenn du dein Eigentums- recht ablehnst,

14. (900.) und was meinst du damit, dafs dein Reich all- umfassend ist, so dafs du gar kein Reich als dir gehorend an- erkennst, und doch behauptest, dafs dein Reich allumfassend sei.

Janaka sprach :

15. (901.) Als verganglich sind die Zustande aller Dinge in dieser Welt bekannt, und darum habe ich nichts gefunden, was so ware, dafs ich sagen konnte: Es ist mein.

16. (902.) Und auch der Veda sagt [wo? wiifsten wir ebensowenig zu sagen wie Nilakantha, der auf Iqa-Up. 1 ver- weifst]: „Wem gehort dieses?" und „W^em ist etwas eigen?"

Adhyaya 32 (B. 32). 939

Indem ich nachdachte, habe ich iiichts gefunden, was so ware, dafs icli sagen konnte: Es ist mein.

17. (903.) Das hatte ich im Sinn, wenn ich mein Eigen- tumsrecht auf irgend etwas ahlehnte ; hore nun auch, wie ich es meine, dafs mein Reich iiberall sei.

18. (904.) Fur mich verlange ich nicht nach den Geriichen, auch wenn sie in meine Nase steigen; dadurch hahe ich die Erde [das Element des Geruches] besiegt; sie befindet sich fiir immer in meiner Gewalt.

19. (905.) Fiir mich verlange ich nicht nach den Ge- schmacken, auch wenn sie in meinem Munde sind; dadurch habe ich das Wasser [das Element des Geschmackes] be- siegt; es befindet sich fiir immer in meiner Gewalt.

20. (906.) Fiir mich verlange ich nichf nach der Gestalt und dem Lichte des Auges ; dadurch habe ich das Licht be- siegt; es befindet sich fiir immer in meiner Gewalt.

21. (907.) Fiir mich verlange ich auch nicht nach den Gefiihlen, welche meine Haut beriihren ; dadurch habe ich den Wind besiegt; er befindet sich fiir immer in meiner Gewalt.

22. (908.) Fiir mich verlange ich nicht nach den Tonen, auch wenn sie in mein Ohr dringen; dadurch habe ich die Tone besiegt; sie befinden sich fiir immer in meiner Gewalt.

23. (909.) Fiir mich verlange ich fiir immer nicht nach dem Manas in meinem eigenen Manas [als dem Organ des Verlangens]; dadurch habe ich das Manas besiegt; es be- findet sich in meiner Gewalt.

24. (910.) Fiir die Gotter, die Vater, die Wesen und die Gaste, fur diese dienen alle die erwahnten Anstrengungen [meiner Sinnesorgane].

25. (911.) Da sprach der Brahmane zu Janaka mit Lacheln : Wisse, dafs ich heute hierhergekommen bin als der Gott Dharma, um dich auf die Probe zu stellen.

26. (912.) Du bist fiir dieses zu Brahman fuhrende, un- widerstehliche, unriicklaufige, mit Sattvam als Radkranz um- gebene Rad der einzige Beweger.

So lautet in der Anugit4 der siebzehnte Adhyilya.

940 IV. Anugita.

Aclhyaya 33 (B. 33).

Vers 913-921 (B. 1-8).

Der Brahmane sprach :

1. (913.) Nicht so ist mein Wandel in der Welt, dafs du mich, o Schlichterne, durch dein verstandiges Fragen in Angst versetzen konntest; ich bin ein Brahmane, ich bin erlost, bin ein Waldeinsiedler, und ebensosehr bin ich einer, der die Hausvaterpflicht erfiillt hat, seinem Geliibde treu.

2. (914.) Und ich bin nicht so, wie du mich siehst, be- haftet mit Gutem und Bosem ; von mir ist diese ganze Welt durchdrungen und alles, was auf Erden lebt.

3. (915.) Fiir alle Geschopfe in dieser Welt, bewegliche und unbewegliche, bin ich der Vernichter, wie das Feuer der des Holzes.

4. (916.) Mein Reich erstreckt sich iiber die ganze Erde, ja iiber den dreifachen Himmel; dieses weifs mein Bewufst- sein, und mein Bewufstsein ist mein Reichtum.

5. (917.) Es gibt nur einen Weg der Brahmanen, auf welchem gehen, die solches wissen, sei es im Hausvaterstand, im Einsiedlerstand, in der Schiilerschaft bei einem Lehrer oder als Bettler (d. h. Sannyasin).

6. (918.) In mannigfaltigen , auf dasselbe Ziel gerichteten Erscheinungsformen wird die eine Erkenntnis verehrt von solchen, welche, in Lebensstadien von verschiedenen Er- scheinungsformen weilend, die Erkenntnis besitzen, welche Beruhigung gibt.

7. (919.) Sie alle streben dem einen Zustande zu, wie die Fliisse dem Ozean; durch Erkenntnis wird dieser Weg be- treten, nicht wird er betreten durch den Korper. (920.) Anfang und Ende habend sind die Werke, die Korperlichkeit aber ist durch die Werke bedingt.

8. Darum, o du Gliickliche, brauchst du keine Befiirch- tung in betreff der andern Welt zu hegen; (921.) da du an der Liebe zu jenem Zustande deine Freude hast, so wirst du in meinen Atman eingehen.

So lautet iu der Anugita der achtzehnte Adhyaya.

Adhyaya 34 (B. 34). 941

Adhyaya 34 (B. 34).

Vers 922-933 (B. 1-12).

Die Brahmanin sprach:

1. (922.) Das ist nicht zu begreifen, solange man kleinen Geistes, unbereiteten Geistes ist; und mein Denken ist viel- faltig und klein, ist eng und zerfahren.

2. (923.) Darum sage mir das Mittel, durch welches diese Einsicht erreicht wird; die Ursache mochte ich von dir er- fahren, aus welcher diese Erkenntnis hervorgeht.

Der Brahmane sprach :

3. (924.) Die Brahmanin wisse als das Reibholz, ihr Lehrer ist das obere Reibholz; Askese und Vedastudium versetzen es in Drehung, und das Feuer der Erkenntnis geht daraus hervor.

Die Brahmanin sprach :

4. (925.) Wenn es ein Kennzeichen des Brahman gibt, welches Kshetrajna (das Subjekt des Erkennens) heifst, wo finde ich dieses Kennzeichen des Brahman, durch welches es ergriffen werden kann?

Der Brahmane sprach :

5. (926.) Er [der KshetrajBa, das Subjekt des Erkennens, das Brahman] ist ohne Kennzeichen, ohne Qualitaten, und keine Ursache desselben ist zu ersehen; aber ich will dir ein Mittel angeben, durch welches er erkannt oder auch nicht erkannt werden kann.

6. (927.) Ein vollstandiges Mittel ist gefunden worden, durch welches er gesehen wird wie von Bienen [welche emsig nach dem Honig suchen] ; dies Mittel ist die Erkenntnis durch gute Werke [sie lantern und erhellen den Geist]; zwar ist es [das Brahman] kein Gegenstand der Erkenntnis, aber doch kommt man ihm nahe durch die [ihm beigelegten] intellek- tuellen Merkmale,

7. (928.) Allerdings sind die Vorschriften, dies zu tun und jenes zu lassen, nicht anwendbar, wo es sich um Erliisungs-

942 IV. Anugita.

fragen handelt, bei denen vielmehr eine Erkenntnis des sehen- den und horenden Atman [des Subjekts des Erkennens] ent- stehen mufs;

8. (929.) aber doch tut man wohl, soviel Erkenntniselemente wie moglich zu sammeln, undeutliche und deutliche, hundert- fach und tausendfach,

9. (930.) welche sich samtlich auf vielerlei Objekte be- ziehen, samtlich auf die Wahrnehmung sich griinden; denn auch bei fleifsiger Betreibung desjenigen, aus welchem das Hochste nicht erkannt wird, kann es einem zuteil werden.

Der Heilige (Krishna) sprach:

10. (931.) Darauf geschah es, dafs in dieser Brahmanen- frau unter Vernichtung des Kshetrajna durch die Tatigkeit des Kshetrajna selbst die iiber die Kshetrajna's hinausfiihrende Erkenntnis sich entwickelte.

Arjuna sprach:

11. (932.) Wo ist wohl jene Brahmanin, o Krishna, und wo ist jener gewaltige Brahmane, durch welche diese Voll- endung erreicht wurde? Diese bei den zeige mir an, o Un- erschiitterlicher.

Der Heilige sprach:

12. (933.) So wisse denn, dafs jener Brahmane mein eigenes Manas und jene Brahmanin meine eigene Buddhi ist, der Kshe- trajfia aber, von dem die Kede war, der bin ich selbst, o Ge- winner der Giiter.

So lautet in der Anugita der neunzehnte Adhy4ya.

Adhyaya 35 (B. 35).

Vers 934-986 (B. 1-50).

Arjuna sprach:

1. (934.) Das Brahman, welches das hochste Objekt der Erkenntnis ist, das wolle mir erklaren; denn durch deine Gnade erfreut sich mein Geist an dem Geheimnisvollen.

Adhyaya 35 (B. 35). 943

VS,sudeva (Krishuaj sprach:

2. (935.) Auch hieriiber erzahit man sich folgende alte Geschichte, namlich die Unterredung eines Schiilers mit seinem Lehrer in betreff der Erlosung.

3. (936.) Einen Brahmanen, welcher dasafs als Lehrer mit gescharftem Geliibde, befragte, o Feindbedranger, ein gewisser verstandiger Schiiler nach dem, was wohl das hochste Gut sei.

4. (937.) Ich bin dir genaht, o Heiliger, einzig beflissen, das hochste Gut zu erreichen; mit geneigtem Haupte bitte ich dich, o Brahmane, mir zu sagen, was ich als solches er- klaren kann.

5. (938.) Zu diesem Schiiler, als er also sagte, o Sohn der Pritha, sprach der Lehrer : Ich will dir alles verkiindigen, woriiber du zweifeln magst, o Zwiegeborener.

6. (939.) Von seinem Lehrer so angeredet, o Bester der Kuru's, hore, o Hochverstandiger, das, was [lies: yat tat\ er, der Liebling des Lehrers, mit zusammengelegten Handen fragte.

Der Schiiler sprach :

7. (940.) Woher bin ich und woher du? Erklare mir diese Realitat, welche die hochste ist; woraus sind sie entstanden, die unbeweglichen und die beweglichen Wesen?

8. (941.) Wodurch leben die Wesen, und welches ist ihr hochstes Lebensalter? Was ist die Realitat, o Brahmane, und was ist Askese? Und welches sind die Guna's, welche von tiichtigen Mannern verkiindigt worden sind?

9. (942.) Welches diirften die gliicklichen Wege sein, was ist Lust und was ist Ubeltat? Diese Fragen, o Heiliger, mogest du mir der Wahrheit gemafs, o du Pflichttreuer,

10. (943.) erklaren, o Brahmanenweiser, wie es sich hier- bei verhalt der Wahrheit nach. Denn kein anderer aufser dir vermag diese Fragen zu beantworten.

n. (944.) Sprich, o Bester der Pflichtkundigen ! Ich empfinde die grofste Wifsbegierde ; denn du wirst in aller Welt gefeiert als erfahren in der Erlosung, dem Guten und dem Niitzlichen.

944 IV. Aiiugita,

12. (945.) Keinen gibt es aufser dir, der alle diese Zweifel losen konnte; wir aber fiirchten uns vor dem Sansara und verlangen nach der Erlosung.

Vasudeva (Krishna) sprach:

13. (946.) Diesem ihn angehenden und geziemend be- fragenden Schiiler, dem tugendhaften , beruhigten, liebge- wordenen,

14. (947.) wie ein Schatten anhanglichen, bezahmten, streb- samen, in Brahmanwandel beharrenden, beantwortete diese Fragen, o Prithasohn, der weise, in seinem Geliibde feste (948.) Lehrer, o Bester aus dem Kurustamme, samt und sen- ders, o Feindbezwinger.

Der Lehrer sprach :

15. (949.) Diese ganze vom Brahman offenbarte, von vor- ziiglichen Weisen gepflegte, auf die Vedalehre sich stiitzende, die Wahrheit iiber die Realitat enthiillende,

16. (950.) hochste Erkenntnis ist uns bewufst als Entsagung und aufserste Askese; wer aber die un widerlegliche , durch diese Erkenntnis erlangte Realitat mit Gewifsheit erkennt, (951.) namlich den in alien Wesen weilenden Atman, von dem gilt, dafs er allgegenwartig ist.

17. Wer, dieses wissend, den Einheitsstand und den Einzelstand [der Wesen] sohaut (952.) sowie ihre Einheit und Mannigfaltigkeit, der wird von Leiden frei.

18. Wer nicht das Geringste mehr begehrt, nicht das Geringste mehr beabsichtigt, (953.) der ist, schon wahrend er in dieser Welt weilt, zur Brahmanwerdung geeignet.

19. Wer das Wesen der Prakriti fpradhdnamj und ihrer Guna's begreift, wer ihre Verteilung in alien Wesen kennt, (954.) der wird als ein von Selbstsucht und vom Ahaiikara Freier erlost; daran ist nicht zu zweifeln.

20. Ein grofser [Baum] ist: er erwachst aus dem Un- offenbaren (avyaktam =^ prakritij als Samen; die Buddhi ist sein Stamm, (955.) der grofse Ahaiikara ist sein Astwerk, die Indriya's sind seine Zweige und Hohlungen,

Adhyaya 35 (B. 35). , 945

21. seine Zerteilungen {vigeshaj sind die grofsen Elemente (mahdhhiHa, Ather, Wind, Feuer, Wasser, Erde), seine Ver- zweigungen sind ihre besonderen Eigenschaften (vigesha^ Ton, Gefiihl, Farbe, Geschmack, Geruch), (95g.) immer treibt er Blatter, immer Bliiten, immer bringt er schone Friichte hervor;

22. er ist der aus Brahman als Samen erwachsene, ewige Beleber aller Wesen. (957.) Wer dieses weifs und die genann- ten Prinzipien ftattvaj mit der Erkenntnis als vorziiglichem Schwerte abhaut, der erlangt Unsterblichkeit und wird frei von Tod und Geburt.

23. (958.) Den alles Vergangene, Gegenwartige und Zu- kiinftige befassenden, die Gewifsheit des Guten, Angenehmen und Niitzlichen gewahrenden, den Scharen der Seligen be- kannten, vorweltlichen , ewigen,

24. (959.) hochsten Ort will ich dir jetzt verkiindigen, du sehr Verstandiger , welchen erkannt habend hienieden die Weisen schon bier zur Vollendung gelangen.

25. (960.) Einstmals kamen, nach Erkenntnis verlangend, zueinander die Weisen Prajapati und Bharadvaja, Gautama und Bhargava,

26. (961.) Vasishtha, Kagyapa, Vigvamitra und Atri, Da Sie alle Wege durchlaufen batten und ihrer Werke miide waren,

27. (962.) stellten diese Zwiegeborenen den alten Weisen Aiigirasa an ihre Spitze und kamen, um in dem Hause des Brahman den siindlosen Gott Brahman zu besuchen.

28. (963.) Vor ihm, dem Hochherzigen, welcher zufrieden dasafs, verneigten sich die grofsen Weisen und befragten ihn in gehorsamer Weise nach jener hochsten Gliickseligkeit.

29. (964.) Wie wird durch Betreiben der Werke Gutes erlangt, wie wird man erlost von der Siinde, welche Wege fiihren uns zum Heile, was ist die Wahrheit und was die bose Tat?

30. (965.) Und welches sind die beiden Wege, die man durch Werke erlangt, und wie erlangen die Wesen Vergang und Erlosung, Entstehen und Untergang?

31. (966.) Als er so von den Besten der Muni's angeredet wurde, was da der Urvater antwortete, das will ich dir ver- kiinden ; vernimm es, o S chiller, wie es iiberliefert worden ist.

Dbubsbn, Mah&bh&ratam. 60

946 IV. Aimgita.

Der Gott Brahmau sprach:

32. (967.) Aus dem Satyam (der Eealitiit, der Wahrheit) sind die Wesen entstanden, die unbeweglichen und die be- weglichen, und durch das Tapas [des Schopfers] leben sie, das wisset, o ihr Geliibdetreuen.

33. (968.) Uber diesen ihren Ursprung hinausschreitend, leben sie jetzt auf Grund ihres eigenen Werkes [in einer friihern Geburt]; das Satyam aber, mit Qualitaten verbunden, bestimmt sich zu dem fiinf Merkmale Habenden [zu den Ele- menten].

34. (969.) Das Satyam ist Brahman, das Satyam ist Tapas, das Satyam ist auch Prajapati; aus Satyam sind die Wesen entstanden, Satyam ist die aus den Wesen bestehende Welt der Lebenden.

35. (970.) Darum halten die aus Satyam bestehenden Brah- manen den Yoga immer als das Hochste, iiberwindend Zorn und Leiden, sich selbst bezwingend und die Pflicht iibend.

36. (971.) Sie, welche sich gegenseitig in Zucht halten, die Vedakundigen, welche die Briicke der Gerechtigkeit spannen, diese will ich euch verkiindigen, die ewigen Erhalter der Welt.

37. (972.) Ferner die vierfache Wissenschaft [vom Guten, Niitzlichen, Angenehmen und von der Erlosung], sowie die Kasten und die in den vier Lebensstadien Weilenden ins- besondere. Das eine Gesetz mit seinen vier Fiifsen (vgl. oben, S. 334) erklaren die Weisen fiir ewig.

38. (973.) Den Weg will ich euch verkiinden, o Zwie- geborene, den seligen, zur Ruhe flihrenden, den zur Brahman- werdung vorgeschriebenen , von den Weisen der Vorzeit be- tretenen.

39. (974.) Ihr, die ihr hier zu mir redet, sollt jetzt von mir diesen schwer zu findenden, hochsten Weg erfahren, 0 ihr Gliicklichen, und vollstandig den hochsten Ort.

40. (975.) Das Lebensstadium des Brahmacarin gilt als der erste Schritt, das des Hausvaters ist der zweite, das des W^ald- einsiedlers folgt zunachst; (976.) was darauf folgt und dieinnere Seele betrifft, das soil man wissen als den hochsten Schritt.

41. Das Licht, der Ather, die Sonne, der Wind, Indra

Adhyaya 35 (B. 35). 947

und Prajapati, (977.) solange einer die innere Seele nicht versteht, solange kennt er auch diese nicht.

42. Das Mittel, sie zu verstehen, will ich euch verkiindigen; vernehmt es von vorn an. (978.) Die von den an Friichten, Wurzein und Wind sich nahrenden und im Walde wohnenden Muni's geiibte

43. Waldeinsiedlerschaft wird fiir die drei zwiegeborenen Kasten vorgeschrieben. (979.) Hingegen wird fiir alle [vier] Kasten die Hausvaterschaft verordnet.

44. Die Pflicht hat als Merkmal den „Glauben", so ver- kiinden die Weisen [Chand. Up. 5,10,1; Brih. Up. 6,2,15], (980.) mit diesem Worte werden euch die Wege des Devayana gepriesen, welche von Guten und Weisen betreten werden und durch die Werke als Briicke zur Pflicht iiberleiten.

45. (981.) Wer aber, verschieden von diesen, mit scharfem Geliibde der Pflicht [des Opferns] obliegt, der bekommt [auf dem Pitriyana] nach langer Zeit immer wieder Entstehung und Vergang der Wesen zu schauen.

46. (982.) Weiter nun will ich dir mit einer der W^ahr- heit entsprechenden Begriindung die Prinzipien nennen, ent- sprechend ihrer Einteilung, wie sie alle miteinander, in den Objekten verkorpert, sich vorfinden.

47. (983.) Der Mahan Atma, sowie das Avyaktam und der Ahankara, die elf Indriya's und die fiinf Mahabhuta's,

48. (984.) sowie die Vigesha's (spezifischen Qualitaten) der fiinf Elemente, das ist die ewige Emanation; als vierund- zwanzig und eins, als soviel wird die Zahl der Prinzipien gelehrt.

49. (98.5.) Wer nun Entstehen und Vergehen aller dieser Prinzipien versteht, der allein unter alien Wesen ist weise und gerat nicht in Betorung.

50. (986.) Wer nach der Wahrheit alle die Prinzipien, alle die Eigenschaften und alle Gotter kennt, der schiittelt die Siinde ab und lost die Bindung, der geht ein in alle reinen Welten.

So lautet in der Anugltft der zwauzigste Adhy&ya.

60^

948 IV. Anugita.

Adhyaya 36 (B. 36).

Vers 987-1022 (B. 1-36).

Der Gott Brahman sprach:

1. (987.) Jenes Unoffenbare, Unerschopf liche , Alldurch- dringende, Teste, Bestandige soil man wissen als die Stadt mit neun Toren, als aus den drei Guna's und den fiinf Ele- menten bestehend,

2. (988.) als von den elf [Sinnesorganen] umgeben, als das Manas zum Unterscheider, die Buddhi zur Beherrscherin habend; somit ist jenes Hochste elffach [aus drei Guna's, fiinf Elementen, Sinnesorganen, Manas und Buddhi bestehend].

3. (989.) In ihm befinden sich drei Stromungen, welche immer wieder und wieder anschwellen; diese drei Flufsarme treten in Wirksamkeit , ihrem Wesen nach aus den Guna's bestehend.

4. (990.) Tamas, Rajas und Sattvam, das ist, was man die Guna's nennt; sie paaren sich alle miteinander und sie leben alle voneinander [vgl. Sahkhya-Karika 12],

5. (991.) sie unterstiitzen sich gegenseitig, richten sich nacheinander und sind miteinander verflochten; das sind die aus den fiinf Elementen bestehenden drei Guna's.

6. (992.) Das Tamas paart sich mit dem Sattvam, das Sattvam mit dem Rajas, das Rajas mit dem Sattvam und das Sattvam mit dem Tamas.

7. (993.) Wo das Tamas unterdriickt wird, da entwickelt sich das Rajas ; wo das Rajas unterdriickt wird, da entwickelt sich das Sattvam.

8. (994.) Nachtartig nach seinem Wesen ist das Tamas; es hat drei Eigenschaften und wird Verblendung genannt, auch hat es die Ungerechtigkeit als Merkmal und ist auf bose Handlungen beschrankt. [Der folgende Halbvers nur in B.] Diese tamas -artige Natur aber erstreckt sich auch [in die anderen hinein].

9. (995.) Das Rajas ist seinem Wesen nach Wirkung und Umwandlungen veranlassend, in alien Wesen sich entwickelnd, sichtbar werdend und Entstehung als Merkmal habend.

Adhyaya 36 (B. 36). 949

10. (996.) Helligkeit in alien Wesen, Leichtigkeit und Glaubigkeit, das ist hingegen die Natur des Sattvam; die Leichtigkeit ist mit dem Guten verwandt.

11. (997.) Das Wesen dieser Guna's wird erklart werden nebst den Griinden fiir dieses Wesen sowohl im allgemeinen als auch im besondern; vernehmt es der Wahrheit gemafs.

12. (998.) Verblendung, Nichtwissen, Geiz, Unentschieden- heit im Handeln, Schlaf, Steifheit, Feigheit, Habsucht, aus freien Stiicken Bemangelung der Wohltaten,

13. (999.) Vergefslichkeit, Unreife, Nihilismus, Vielgeschaf- tigkeit, Urteilslosigkeit und Blindheit, das ist das Verhalten, welches aus dem letzten Guna entspringt.

14. (1000.) Einbildung, dafs man etwas tut, wo man nichts tut, dafs man etwas wisse, wo man nichts weifs, Unfreund- lichkeit. Mangel an Beweglichkeit , Unglaube, verwirrte Ge- miitsverfassung,

15. (1001.) Mangel an Geradheit, Unbesonnenheit, boses Tun, Gedankenlosigkeit , Schwerf alligkeit , Mattherzigkeit, Mangel an Selbstbeherrschung, Niedertrachtigkeit,

16. (1002.) alle diese werden als Eigenschaften genannt, welche aus dem Tamas entspringen, und was man sonst noch an Naturbeschaffenheiten aufzahlen mag, welche in dieser Welt [schonenderweise] als Naturell bezeichnet werden.

17. (1003.) Alle diese Eigenschaften des Tamas finden sich hier und dort als eingewurzelt vor. Das bestandige Fiihren von iibler Nachrede gegen Gotter, Brahmanen und Veden,

18. (1004.) der Geiz, der Hochmut, die Verblendung, der Zorn, die Unduldsamkeit und die Selbstsucht, diese, wo sie bei den Wesen vorkommen, sind anzusehen als die Wirkung des Tamas.

19. (1005.) Alle ungeregelten Unternehmungen , alles un- geregelte Geben und ungeregelte Essen, das alles gilt als Wirkung des Tamas.

20. (1006.) Mafsloses Reden, Mangel an Ausdauer, Egois- mus, Hochmut und Unglaube sind anzusehen als Wirkung des Tamas.

21. (1007.) Alle, welche auf der Welt von dieser Art sind,

950 IV. Aimgita.

alle Ubeltater und schrankendurchbrechende Menschen, diese alle werden als tamas-artig betrachtet.

22. (1008.) Ihre [kiinftigen] Geburten will ich dir ver- kiindigen, wie sie fiir die Ubeltater bestimmt sind, welche ein Dasein niedriger Art oder in der Holle erleiden und in Tiere oder in die Holle fahren werden.

23. (1009.) Unbewegliche Wesen (Pflanzen), Vieh und Zug- tiere, fleischfressende Tiere und alles, was da beifst und kriecht und fliegt und tlattert,

24. (1010.) die Arten der Eigeborenen und alle Vierfiifsler, die Verriickten, Tauben, Stummen und an schlimmen Krank- heiten Leidenden,

25. (1011.) diese Unglucklichen sind versenkt in das Ta- mas und haben den Charakter, der durch ihre Werke ver- dient wurde; Abwartsstromende kbnnen sie heifsen, in Tamas versenkt und von Tamasart.

26. (1012.) Nun will ich dir weiter erklaren, wie diese- [in Tamas Versunkenen] sich emporarbeiten und hoher steigen konnen, und wie sie durch heihge Werke gliickselige Welten erlangen mogen.

27. (1013.) Wenn sie eine andere Richtung einschlagen, so konnen sie hinauswachsen iiber das Werk und, von Brah- manen, die auf ihre Werke verzichtet haben und nach dem Schonen trachten,

28. (1014.) gelautert, emporsteigen und, nach Weltgemein- schaft mit ihnen strebend, in den Himinel der Gotter eingehen, wie es die Offenbarung des Veda lehrt.

29. (1015.) Und wiederum, wenn sie eine andere Richtung einschlagen und in der Vollbringung ihrer Werke sich klug erweisen, dann fallen sie unter das Gesetz der Wiederkunft und werden wieder auf der Erde zu Menschen.

30. (1016.) Dann konnen sie in einen schlechten Mutter- schofs geraten als Candala's, Stumme und Stammelnde und nach und nach immer hohere Kasten erlangen.

31. (1017.) Aber audi wenn sie die Geburt als C'udra's und sonstige [Folgen von] tamas- artigen Qualitaten iiber- schritten haben und in die mittlere Stromung gelangt sind, befinden sie sich immer noch in der Qualitat des Tamas.

Adhyaya 36 (B. 36). 951

32. (1018.) Denn alles Hangen an Liisten ist grofse Ver- blendung fmahdmohaj^ so wird es gelehrt, und auch die Rishi's, Muni's und Gotter unterliegen dieser Verblendung, solange sie noch nach Lust begehren.

33. (1019.) Finsternis ftamasj, Verblendung fmohaj, grofse Verblendung fmahdmohaj und Verfmsterung (tamisra), die da Zorn heifst, denn blinde Verfinsterung (andhatamisraj ist der Tod Verfmsterung wird der Zorn genannt [vgl. Sankhya- Karika 48],

34. (1020.) nach Farbe, Qualitat, Ursprung und Wesen ist das alles als Tamas euch erklart worden nach der Vorschrift, o Brahmanen.

35. (1021.) Wer ist es nun, der dies richtig versteht, wer ist, der es richtig sieht? Das ist das wahre Merkmal des Tamas, dafs einer in dem Nichtrealen das Reale sieht.

36. (1022.) Damit sind die mannigfachen Qualitaten des Tamas aufgezahlt und das nach oben und nach unten sich erstreckende Tamas gebiihrend besprochen worden; der Mann, welcher alle diese Qualitaten immer- fort erkennt, der wird von alien Qualitaten des Tamas erlost.

So lautct in der AmigltS, der einundzwanzigste Adhyiya.

Aclhyaya 37 (B. 37).

Vers 1023-1041 (B. 1-18).

Der Gott Brahman sprach:

1. (1023.) Nun will ich euch das Rajas der Wahrheit ge- mafs erklaren, o ihr Besten; vernehmt es, o ihr Gliicklichen, sowie die aus dem Rajas sich entwickelnden Eigenschaften.

2. (1024.) Qual, Schongestalt, Anstrengung, Lust und Schmerz, Kalte und Hitze, Herrschaft, Krieg und Frieden, Rasonieren, Lnzufriedenheit und Ausdauer,

3. (1025.) Gewalt, Heroismus, Verwegenheit, Zorn, Streit und Zank, Neid, Begehrlichkeit, Klatschsucht, Kampf, Egois- mus, Beschiitzung,

952 IV. Anugita.

4. (1026.) Mord, Gefangenschaft und Not, Kauf und Ver- kauf, von den Rufen: „Schneide, brich, spalte!" begleitetes Abschneiden der Feindesriistung,

5. (1027.) Gewalttat, Grausamkeit , Beschimpfung , Hin- weisung auf die Schwachen anderer, Weltsinn und Sorge, Selbstsucht , Beschiitzung,

6. (1028.) falsche Rede, falsches Spenden, Zweifel, Schmah- sucht, Tadeln, Loben und Preisen, Ubermacht und Ver- gewaltigung,

7. (1029.) Pflege, Gehorsam, Bedienung, Durst, Unter- stiitzung, Strategik und Politik, Unbesonnenheit, Tadelsucht und Begiinstigung,

8. (1030.) ferner alle Vorkehrungen , welche in der Welt im einzelnen getroffen werden in bezug auf Manner, Weiber, Wesen, Sachen und Wohnungen,

9. (1031.) Qual und Mifstrauen, Geliibde und Verpflichtungen sowie alle auf einem Wunsche beruhenden und seine Erfullung nach sich ziehenden Werke von mannigfacher Art,

10. (1032.) die Ausrufe svahd ! (Heil), namas ! (Verehrung), svadhd! (Labung), vashat! (Spende), beides, Opfernlassen und Lehren, sowie Opfern und Lernen,

11. (1033.) Schenken und Annehmen, Siihnung, gliickliche Vorzeichen und die aus diesem Guna entspringende Neigung, sich dieses oder jenes zuzueignen,

12. (1034.) Nachstellung, Tauschung, Herabsetzung und Ehrenerweisung, Diebstahl, Schadigung, Ekel, Reue, Wach- samkeit,

13. (1035.) Trug, Stolz und Leidenschaft, Verehrung, Liebe und Freude, Spiel, Gerede der Leute und Liaisons mit Weibern,

14. (1036.) Gelegenheiten zum Tanzen, Musizieren und Singen, wo sie immer vorkommen alle diese Beschaffen- heiten, o ihr Brahmanen, werden erwahnt als aus dem Rajas entspringend.

15. (1037.) Die Menschen, welche auf der Welt an die vergangenen, gegenwartigen und kiinftigen Moglichkeiten denken, welche immerfort an der Dreischar des Guten, Niitz- lichen und Angenehmen sich freuen,

16. (1038.) in Liisten sich bewegen und an der Erfiillung

Adhy£lya 37 (B. 37). 953

aller Liiste ihr Gefallen fmden, Herwartsstromende konnen sie heifsen, die Menschen, welche vom Rajas umhiillt sind. 17. (1039.) Sie freuen sich, immer wieder und wieder in dieser Welt geboren zu werden ; darum streben sie nach dem Dasein nach dem Tode und zugleich nach einem Wieder- kommen in diese Welt ; (1040.) darum schenken sie und nehmen Geschenke und opfern den Manen und Gottern.

18. (1041.) Damit sind die mannigfachen Qualitaten des Rajas aufgezahlt und das sich aus ihnen Entwickelnde gebiihrend besprochen worden; der Mann, welcher alle diese Qualitaten immerfort erkennt, der wird von alien Qualitaten des Rajas erlost.

So lautet in der Anugita der zweiundzwanzigste Adhy^ya.

Adhyaya 38 (B. 38).

Vers 1042-1057 (B. 1-15).

Der Gott Brahmaa sprach:

1. (1042.) Weiterhin will ich den dritten Guna, den hochsten, erklaren, der zum Heile aller Wesen in der Welt dient und das untadlige Gesetz der Guten bildet.

2. (1043.) Wonne, Freude, Uberflufs, Helligkeit und Lust, Fassung, Haltung, Zufriedenheit, Glaube,

3. (1044.) Geduld, Festigkeit, Schonung, Gleichmiitigkeit, Wahrhaftigkeit, Geradheit, Nichtziirnen, Nichtmurren, Rein- heit, Tiichtigkeit, Tapferkeit,

4. (1045.) zweckloses Erkennen, zweckloses Handeln, zweck- loser Kultus, zweckloses Bemiihen wer so sich seiner Pflicht hingibt, der erlangt im Jenseits die Unendlichkeit.

5. (1046.) Selbstlos, ichbewufstseinslos, hoffnungslos, gleich- miitig in alien Dingen, frei von Begierde, so ist beschaffen die ewige Satzung der Guten.

6. (1047.) Vertrauen, Schamhaftigkeit, Ausdauer, Freigebig- keit, Reinheit, Unermiidhchkeit , Nichtubelwollen , Nichtver- blendung, Mitleid mit den Wesen, Nichtangeberei,

954 IV. Aiiugita.

7. (1048.) Freudigkeit, Zufriedenheit, Stolz, Ziicht, gutes Betragen, Reinheit im Erstreben der Ruhe, lichtvolle Ein- sicht , Versohnlichkeit,

8. (1049.) Gleichgiiltigkeit, Keuschheit, Verzichten auf alles, Selbstlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, unverkiirzte Pflicht- erfiillung,

9. (1050.) umsonst geben, umsonst opfern, umsonst stu- dieren, umsonst Geliibde erfiillen, umsonst annehmen, umsonst die Pflicht erfiillen, umsonst Askese iiben

10. (1051.) alle, welche so beschaffen sind in dieser Welt und sich auf das Sattvam stiitzen als Brahmanen und in Brahman's Schofs Sitzende, die sind weise und von richtiger Einsicht.

11. (10B2.) Schon als Menschen alles Bose hinter sich lassend und von Kummer befreit, erlangen diese Weisen den Himmel und schaffen sich dort Verkorperungen [nach Be- lieben].

12. (1053.) Schopferkraft, Beherrschung der Wesen, Leich- tigkeit [und die iibrigen Siddhi's] verschaff'en sich auf ihren Wunsch diese Hochherzigen, gleichwie Gotter alle drei Himmel durchziehend ;

13. (1054.) Aufwartsstrbmende konnen sie heifsen, und Gotter, die ihre Gestalt wandeln, werden sie genannt, da sie sich vermoge ihrer Natur verwandeln konnen, nachdem sie zum Himmel gelangt sind, in dieses und jenes.

14. (1055.) Was sie immer wiinschen mogen, das alles verschaffen sie sich bald so, bald so. Damit habe ich euch, o Brahmanenstiere, mitgeteilt, was sich aus dem Sattvam entwickelt. (i056.) Wer dies verstanden hat, der empfangt von Rechts wegen alles, was er wiinschen mag.

15. (1057.) Damit sind die Qualitaten des Sattvam im einzelnen aufgezahlt und das sich aus ihnen Entwickelnde gebiihrend besprochen worden; der Mann, der alle diese Qualitaten immerfort erkennt, der geniefst die Qualitaten und ist doch nicht an die Qualitaten gebunden.

So lautet in der Anugita der dreiundzwanzigste Adhyaya.

Adhy&ya 39 (B. 39). 955

Aclhyaya 39 (B. 39).

Vers 1058-1083 (B. 1-25).

Der Gott Brahman sprach:

1. (1058.) Es ist nicht moglich, die Guna's, einen jeden in seiner Besonderheit , zu erklaren, denn ungetrennt treten auf das Rajas, Sattvam und Tamas.

2. (1059.) Denn sie farben aneinander ab, und sie leben fiir die gegenseitigen Zwecke, stiitzen sich alle gegenseitig und richten sich nacheinander,

3. (1060.) Soweit das Sattvam sich erstreckt, reicht auch das Rajas, daran ist kein Zweifel; soweit das Tamas und das Sattvam sich erstrecken, soweit wird auch das Rajas anerkannt.

4. (1061.) Miteinander verbunden gehen sie ihren Weg; als Gefahrten in Gesellschaft wandelnd und in Gemeinschaft ihre Punktionen iibend, wirken sie als Ursachen und nicht als Ursachen.

5. (1062.) Von ihnen, welche zusammenwirken, indem sie iibereinander hinausreichen und sich iibertreffen, soil erklart werden, inwiefern sie iiberall einander unterlegen und iiber- legen sind.

6. (10C3.) Wo das Tamas iiberwiegt, da findet ein Ein- gehen in tierische Existenzen statt; in ihnen ist das Rajas nur in geringem Mafse vorhanden und in noch geringerm das Sattvam.

7. (1004.) Wo das Rajas iiberwiegt, da findet ein Eingehen in die mittlere Stromung statt; in ihr ist das Tamas nur in geringem Mafse vorhanden und in noch geringerm das Sattvam.

8. (1065.) Wo das Sattvam iiberwiegt, da findet ein Ein- gehen in die Aufwartsstromung statt; in ihr ist das Tamas nur in geringem Mafse vorhanden und in noch geringerm das Rajas.

9. (1066.) Das Sattvam ist fiir die Sinnesorgane die in sie sich umwandelnde und ihnen das Licht spendende Quelle, denn es gibt keine andere Eigenschaft, welche hoher ware als das Sattvam.

956 IV. Anugita.

10. (1067.) Nach aufwarts gehen die im Sattvam Stehenden, in der Mitte befinden sich die Rajashaften, und ab warts gehen die mit dem untersten Guna behafteten, tamashaften Menschen.

11. (1068.) Das Tamas ist dem Qudra, das Rajas dem Ksha- triya eigen, das Sattvam als Hochstes dem Brahmanen; so treten in den drei Kasten die drei Guna's auseinander.

12. (1069.) Schon von weitem zeigt sich, dafs Tamas, Satt- vam und Rajas, obgleich sie in Verbindung miteinander zu- sammengehen, doch in ihrer Verschiedenheit bestehen, wie sie uns iiberhefert worden ist.

13. (1070.) Aber auch durch die Sonne, wenn sie sie auf- gehen sehen, werden die Ubeltater in Furcht versetzt, und die Wanderer werden von ihrer Hitze gequalt und empfinden Schmerz.

14. (1071.) Zwar ist die Sonne iiberwiegend Sattvam, aber die [von ihr in Schrecken versetzten] Ubeltater sind Tamas, und die [gleichfalls von der Sonne herriihrende] Hitze und Qual der Wanderer ist als eine Eigenschaft des Rajas zu be- trachten.

15. (1072.) Als Erhellung ist die Sonne Sattvam, ihr Er- hitzen ist eine Eigenschaft des Rajas und ihre Verfinsterung beim Durchgang durch die Knoten ist als Tamas anzusehen.

16. (1073.) In dieser Weise kehren bei alien Himmels- lichtern alle drei Guna's wieder und treten abwechselnd auf bald hier, bald dort, bald so, bald so.

17. (1074.) Bei pflanzlichen Wesen herrscht das auch in das tierische Dasein hiniiberreichende Tamas ; vermoge des Rajas aber wandeln sich diese Wesen um [zu hoheren Formen], und die in ihnen enthaltenen ohgen [sich anschmiegenden] Bestandteile stammen aus dem Sattvam.

18. (1075.) Dreifach [aus Sattvam, Rajas, Tamas bestehend] ist der Tag, das soil man wissen, und dreifach ist die Nacht, sind die Monate, Halbmonate, Jahre, Jahreszeiten und Dam- merungen.

19. (1076.) Dreifach werden "die Gaben gegeben, dreifach geht das Opfer vonstatten, dreifach sind die Wei ten, dreifach die Gotter, dreifach ist die Wissenschaft und dreifach der Weg [ins Jenseits].

Adhy&ya 39 (B. 39). 957

20. (1077.) Das Vergangene, Gegenwartige und Zukiinftige, das Gute, Niitzliche und Angenehme, der Prana, Apana und Udana, alles dies ist aus den drei Guna's bestehend.

21. (1078.) Abwechselnd treten sie hervor, bald hier, bald dort, bald so, bald so; alles was auf dieser Welt ist, alles das sind die drei Guna's.

22. (1079.) Die drei Guna's iiben ihre Funktionen, sie selbst aber bleiben ewig unoffenbar, das Sattvam, Rajas und Tamas, das ist die ewige Gunaschopfung.

23. (1080.) Das Tamas, das Unentfaltete, die selige Wohn- statte [des Sattvam], das Rajas, die ewige Wiege, Entstehen, Sichwandeln und Vergehen, das Pradhanam (die Urnatur), Ursprung und Vergang,

24. (1081.) das Unvermehrbare und Unverminderbare, Un- erschiitterliche, Unbewegliche, Seiende und Nichtseiende, dieses alles ist das aus den drei Guna's bestehende Unentfaltete; (1082.) seine Namen miissen gekannt werden von Mannern, die liber das innere Selbst nachdenken.

25. (1083.) Wer alle Namen und Eigenschaften des Un- entfalteten und die zur Absolutheit fuhrenden Wege kennt, der wird, wenn er des Leibes ledig ist und das Wesen der Einteilungen des Unentfalteten versteht, von alien Guna's erlost und frei von Leiden.

So lautet in der Anuglta der viernndzwanzigste Adhy4ya.

Adhyaya 40 (B. 40).

Vers 1084-1096 (B. 1-13).

Der Gott Brahman sprach:

1. (1084.) Aus dem Unentfalteten favyaklamj ist zuerst hervorgegangen der Mahan Atma (die grofse Seele, die Welt- seele), der grofse Weisheit Besitzende; er wird als der An- fang aller Bestimmungen (gunaj und als die erste Emanation bezeichnet.

2. (108B.) Der Mahan Atma ist Weisheit, ist Vishnu, der Siegreiche, und (^ambhu (Qiva), der Gewaltige; er ist Buddhi

958 IV. Anugita.

(Bewufstsein) , Erkenntnis und Wahrnehmung, er ist auch Ruhm, Starke und Erinnerung.

3. (1086.) Mit diesen synonym gebrauchten Worten wird der Mahan Atma aufgezeigt; der weise Brahmane, welcher ihn erkennt, gerat nicht in Verblendung.

4. (1087.) Nach allwarts ist er Hand, Fiifse, nach allwarts Augen, Haupt und Mund, nach alien Seiten hin horend, die Welt durchdringend steht er da (Qvet. Up. 3,16).

5. (1088.) Als Purusha von grofser Macht zeigt er sich klar in eines jeden Herzen, als Atomfeinheit , Leichtigkeit, Allberiihrung, als Gottherr, Licht, als Ewiger.

6: (1089.) Durch ihn sind mit Bewufstsein fbuddhi) begabt die Welten und alle, die an wahrem Sein sich freuen, die Meditierenden, immer des Yoga Beflissenen, dem Versprechen Treuen, die Sinne Bandigenden,

7. (1090.) und alle, welche reich an Erkenntnis, ohne Be- gierde und frei von Zorn, beruhigten Herzens, standhaft, selbstlos und ohne Ichbewufstsein sind.

8. (1091.) Alle diese, nachdem sie erlost sind, gehen in seine Grofsheit ein, und auch der, welcher den heiligen, hochsten Weg des Mahan Atma kennt,

9. (1092.) namlich, dafs aus dem Ahaiikara die fiinf grofsen Elemente hervorgehen, Erde, Wind, Ather, Wasser und Licht als fiinftes,

10. (1093.) und dafs die Wesen in diese fiinf grofsen Ele- mente verstrickt sind. Diese [die Wissenden], obgleich sich befassend mit Tonen, Gefuhlen, Gestalten, Geschmacken und Geriichen,

11. (1094.) sind beim Untergang der grofsen Elemente, und wenn die Vernichtung bevorsteht, unter alien Lebenden die Weisen, [wahrend fiir die iibrigen] eine grofse Frucht entsteht.

12. (1095.) Aber er, der Weise, verfallt in alien Welten [die er bewohnt] nicht in Verblendung, sondern er wird zu Vishnu, wird zu dem iiber die Urschopfung herrschenden Svayambhu.

13. (1096.) Wer in dieser Weise den in der Hohle des Herzens wohnenden Herrn kennt, den hochsten, alten.

Adhyaya 40 (B. 40). 959

allgestaltigen Purusha, den Goldfarbigen, der die hochste Zuflucht der Weisen ist, der besteht als Weiser, als iiber alle Weisheit Erhabener.

So lautet in der Anugiti dor fUnfundzwanzigste Adhyiya.

Adhyaya 41 (B. 41).

Vers 1097-1101 (B. 1-5).

Der Gott Brahman sprach :

1. (1097.) Jener zuerst entstandene Mahan wird weiterhin, wenn er sich zu dem Bewufstsein, ein Ich zu sein, fort- entwickelt, Ahankara genannt und heifst die zweite Emanation.

2. (1098.) Der Ahankara ist [einerseits] der Ursprung der Eiemente und ist schon Produkt eines Produkts [namlich des Mahan] ; vermoge des [in ihm enthaltenen] Tejas (= Kajas) und sofern er die Geistigkeit [des Purusha] in sich befafst, wird er zur Schopfung der Geschopfe, d. h. zu Prajapati.

3. (1099.) Er ist als Ursprung der Gotter ein Gott und als Ursprung des Manas der Schopfer der drei Welten; er fiihrt seinen Namen davon, dafs er in dem Bewufstsein des Ich auf das ganze Weltall seine Absicht richtet.

4. (1100.) Diese ewige Welt aber wird denen zuteil, welche als Muni's sich an der Erkenntnis der innern Seele sattigen, ihr Selbst zubereiten und in Vedastudium und Opfer zur Voll- kommenheit gelangt sind.

5. (1101.) Dem vermittelst des Ahankara jene Guna's an sich Raffenden [Purusha] schafft er [der Ahankara] als Ursprung der Eiemente [die Welten], und als Schopfer der Wesen bringt er, das Produkt-Produkt, diese ganze Welt in Bewegung und belebt sie vermoge des ihm inne- wohnenden Tejas (Rajas).

So lautet in der Aniigita der sechsundzwanzigstc Adhy&ya.

960. IV. Anugita.

Adhyaya 43 (B. 43).

Vers 1102-1169 (B. 1-67).

Uer Gott Brahmau sprach :

1. (1102.) Aus dem Ahankara sind erzeugt worden die fiinf grofsen Elemente, die Erde, der Wind, der Ather, die Wasser und das Licht als fiinftes.

2. (1103.) In diese fiinf grofsen Elemente sind die Wesen verstrickt, namlich in Tone, Gefiihle, Gestalten und in die Ver- richtungen des Schmeckens und Fiihlens (vgl. oben, Vers 1093).

3. (1104.) Beim Untergang der grofsen Elemente, und wenn die Vernichtung bevorsteht, [sind nicht verstrickt] unter alien Lebenden die Weisen, [wahrend fiir die iibrigen] eine grofse Furcht verkiindigt wird.

4. (1105.) Dann lost sich jedes Element in dasjenige Ele- ment auf, woraus es entstanden ist [Erde in Wasser, Wasser in Feuer, Feuer in Wind, Wind in Ather], sie losen sich auf in der umgekehrten Ordnung, als wie sie auseinander ent- standen sind.

5. (1106.) Wenn dann jedes unbewegliche und bewegliche Wesen sich auflost, dann sind es die Weisen, Gedenkenden, welche sich nimmermehr auflosen.

6. (1107.) Aber Ton, Gefiihl, Gestalt, Geschmack und Ge- ruch als fiinfter, diese Tatigkeiten, welche immer blofse Organe sind, sind verganglich und werden Verblendung genannt.

7. (1108.) Durch Begierde und Zeugung entstanden, ohne Unterschied [aus den fiinf Elementen bestehend], ohne Reali tat, als Aggregate von Fleisch und Blut voneinander zehrend,

8. (1109.) werden sie aufserliche Selbste genannt und sind elend und erbarmlich lebend. Ferner der Prana und Apana, der Udana, Samana und Vyana,

9. (1110.) diese bestimmten fiinf Winde gehoren schon dem innern Selbst an; zusammen mit Rede, Manas und Buddhi bilden sie die achtwesenhafte Welt.

10. (1111.) Haut, Geruch, Gehor, Gesicht, Geschmack und Rede, wer diese im Zaume halt und sein Manas rein und seine Buddhi|nicht abirrend hat.

Adhy&ya 42 (B. 42). 961

11. (1112.) bei wem diese acht Feuer nicht fort und fort den Geist verbrennen, der geht ein zu jenem lautern Brah- man; iiber den hinaus gibt es nichts Hoheres.

12. (1113.) Nun will ich die elfe, welche man die Sinnes- organe nennt und welche aus dem Ahankara erzeugt sind, euch, o Brahmanen, im einzelnen erklaren.

13. (1114.) Das Ohr, die Haut, die Augen, die Zunge und die Nase als fiinftes, die Fiifse, das Entleerungs- und Zeugungsorgan, die Hande und die Rede als zehntes,

14. (1115.) das ist die Schar der Sinnesorgane , und das Manas ist das elfte; diese Schar mufs man zuerst iiberwinden, dann. kommt das Brahman zur Erscheinung.

15. (1116.) IJnter ihnen zahlt man fiinf Erkenntnisorgane und fiinf Tatorgane; namlich fiinf, das Ohr usw. , gibt es, welche ihrem Wesen nach mit Erkenntnis verbunden sind,

16. (1117.) hingegen sind da die anderen, welche kein Unterscheidungsvermogen besitzen, aber mit einer Tatigkeit verbunden sind ; zu beiden Arten gehort das Manas ; aber die Buddhi ist die zwolfte.

17. (1118.) Damit sind diese elf Sinnesorgane der Reihe nach aufgezahlt; die Weisen halten ihre Aufgabe fiir voll- endet, wenn sie diese kennen.

18. (1119.) Weiterhin will ich jedes Organ nach seinen verschiedenen Beziehungen erklaren. Zuerst entstanden ist der Ather; in bezug auf das Selbst heifst er das Ohr,

19. (1120.) in bezug auf die Dinge der Ton, in bezug auf die Gottheit die [Gottheiten der] Himmelsgegenden. Das zweite Element ist der Wind ; in bezug auf das Selbst heifst er die Haut,

20. (1121.) in bezug auf die Dinge das Gefiihlte, in bezug auf die Gottheit der Blitz. Das dritte Element heifst das Licht; in bezug auf das Selbst heifst es Auge,

21. (1122.) in bezug auf die Dinge die Gestalt, in bezug auf die Gottheit die Sonne. Das vierte Element ist das Wasser; in bezug auf das Selbst heifst es Zunge,

22. (1123.) in bezug auf die Dinge der Geschmack, in bezug auf die Gottheit der Soma (Mond). Die Erde ist das fiinfte Element; in bezug auf das Selbst heifst sie die Nase,

I)£T7gEEir, MahAbh&ratam. Q^

962 IV. Amigita.

23. (1124.) in bezug auf die Dinge der Geruch, in bezug auf die Gottheit der Vayu (Wind). Damit ist von den fiinf Elementen ihre Beziehung zu den dreien erkl^rt.

24. (1125.) Weiterhin will ich jedes [Tat-] Organ nach seinen verschiedenen Beziehungen erklaren. In bezug auf das Selbst wird das erste von den Brahmanen, welche die Wahr- heit schauen, die Fiifse genannt;

25. (1126.) in bezug auf die Dinge heifst es das zu Be- tretende, in bezug auf die Gottheit der Vishnu. Das Ent- leerungsorgan heifst in bezug auf das Selbst der nach unten gehende Apana,

26. (1127.) in bezug auf die Dinge die Entleerung, in bezug auf die Gottheit der Mitra. Das Zeugungsorgan heifst in bezug auf das Selbst der Erzeuger aller Wesen,

27. (1128.) in bezug auf die Dinge der Same, in bezug auf die Gottheit der Prajapati. Die Hande werden so ge- nannt in bezug auf das Selbst von Menschen, welche wissen, was sich auf das Selbst bezieht,

28. (1129.) in bezug auf die Dinge heifsen sie Handlungen, in bezug auf die Gottheit der Qsikra. (Indra). Die von hier zunachst folgende ist in bezug auf das Selbst die alle Gotter preisende Rede,

29. (1130.) in bezug auf die Dinge das Gesprochene, in bezug auf die Gottheit der Vahni (das Feuer). Das Manas, welches das Wesen der fiinf Elemente auskundschaftet, heifst so in bezug auf das Selbst,

30. (1131.) in bezug auf die Dinge heifst es Saiikalpa (Vor- stellung, Wille), in bezug auf die Gottheit heifst es der Can- dramas (Mond). Der Ahahkara, der den ganzen Sansara be- wirkt, heifst so in bezug auf das Selbst,

31. (1132.) in bezug auf die Dinge heifst er die Ichbeziehung fabhimdnaj, in bezug auf die Gottheit der Rudra, Die Buddhi, welche die sechs Sinnesorgane [Manas und Erkenntnissinne] durchwaltet, heifst so in bezug auf das Selbst,

32. (1133.) in bezug auf die Dinge das Erkennbare, in bezug auf die Gottheit der Gott Brahman. Drei Orte gibt es fiir die Wesen, ein vierter ist nicht vorhanden:

33. (1134.) das feste Land, das Wasser und der Ather.

Adhy^ya 42 (B. 42). 963

Vierfach ist die Entstehung der Wesen, als Eigeborene, Sprofs- geborene, Schweifsgeborene fsamsvedajaj und Eihautgeborene.

34. (1135.) In dieser Weise wird als vierfach die Geburt der Wesenschar erkannt. Noch andere Wesen nebst den Vogeln

35. (1136.) soil man als Eigeborene wissen, sowie auch alle kriechenden Tiere. Schweifsgeborene heifsen die Wiirmer und andere Geschopfe nach ihrer Ordnung;

36. (1137.) dieses wird die zweite Geburt und auch die geringere genannt. Diejenigen Wesen aber, welche geboren werden, indem sie im Verlaufe der Zeit die Erde durchbrechen,

37. (1138.) werden Sprofsgeborene genannt von den besten Br^hmanen. Die Zweifiifsler und die Vielfiifsler, welche wage- rechten Gang haben,

38. (1139.) heifsen Eihautgeborene und sind auch von mancherlei Art, o ihr Besten. Zweifach ist aber weiter die ewige Zugangspforte zu Brahman,

39. (1140.) namlich Askese und heiliges Werk; so lehren es die Wissenden. Mannigfach ist das Werk ; Opferwerk und Geschenke bei seiner Feier,

40. (1141.) sowie auch heilige Belehrung der Jugend ; das ist das Gebot der Alton. Wer dieses nach der Vorschrift weifs und ihm ergeben ist, der ist, o Brahmanenstiere,

41. (1142.) erlost von allem Bosen; darum sollt ihr es wohl merken. Der Ather ist als erster entstanden; in bezug auf das Selbst heifst er das Ohr,

42. (1143 = 1120.) in bezug auf die Dinge der Ton, in bezug auf die Gottheit die [Gottheiten der] Himmelsgegenden. Das zweite Element ist der Wind ; in bezug auf das Selbst heifst er die Haut,

43. (1144 = 1121.) in bezug auf die Dinge das Gefiihlte, in bezug auf die Gottheit der Blitz. Das dritte Element heifst das Licht; in bezug auf das Selbst gilt es als das Auge,

44. (1145 = 1122.) in bezug auf die Dinge als die Gestalt, in bezug auf die Gottheit als die Sonne. Das vierte Element ist das Wasser; in bezug auf das Selbst gilt es als die Zunge,

45. (1146 vgi. 1123.) in bezug auf die Dinge als der Mond, in bezug auf die Gottheit als das Wasser. Entsprechend ist die Lehre in bezug auf das Selbst [sowie auf die Dinge und

61*

964 IV. Anuglta.

die Gottheit bei den iibrigen]; sie ist euch schon von mir mitgeteilt worden [oben, Vers 1123—1133].

46. (1147.) Denn die Erkenntnis davon habt ihr, o Pflicht- kundige, hier vernommen von denen, welche Kenntnis haben von den Sinnesorganen , den Sinnesobjekten und den funf grofsen Elementen. (ii48.) Dieses alles nehme man in sich auf und iiberlege es in seinem Geist.

47. Wenn der Geist voUstandig erlischt, so ist kein an- genehmes Dasein moglich, (1149.) ein solches kommt nur den mit Erkenntnis begabten Wesen zu, wie die Weisen lehren

48. Nun aber will ich euch verkiindigen jene ein ver- borgenes Dasein bewirkende, selige (ii5o.) Einkehr, welche in der Mitte aller Wesen erfolgt durch milde oder rauhe Mittel.

49. Das Verhalten, welchem Tugend nicht mehr fiir Tugend gilt, welches ohne Anhanglichkeit , einsam und frei von den Unterschieden ist, (ii5i.) dieses ganz in Brahman auf- gehende Verhalten nennt man das auf die einzige Statte ge- richtete Gliick.

50. Der als Weiser die Begierden von iiberallher in sich zuriickzieht wie die Schildkrote ihre Glieder, (1152.) ein solcher leidenschaftsloser und nach alien Seiten freier Mann ist immerfort gliicklich;

51. die Begierden in sein Inneres zuriickdrangend , den Durst (trishndj vernichtend, absorbiert (1153.) und gegen alle Wesen wohlwollend und freundlich, wird er tauglich zum Brahmansein.

52. Durch Niederhaltung aller nach den Dingen trachten- den Sinnesorgane (1154.) wird in dem Muni, indem er die Wohnstatten der Menschen meidet, das Feuer des eigenen Selbstes entziindet.

53. So wie das durch Brennholz entflammte Feuer mit grofsem Scheine aufleuchtet, (1155.) so wird durch Nieder- haltung der Sinnesorgane der grofse Atman (mahdn dtmdj aufleuchten.

54. Wenn einer alle Wesen mit ruhigem Selbste in seinem eigenen Herzen schaut, (1156.) dann „dient er sich selbst als Licht" (Brih. Up. 4,3,6) und gelangt aus dem Verborgenen zu dem allerhochsten Verborgenen.

Adhy^ya 42 (B. 42). 965

55. Seine Sichtbarkeit ist Feuer, sein Fliefsendes ist Wasser, seine Fiihlbarkeit ist Wind, (ii57.) sein scheufsliches Schmutztragendes ist Erde und sein Horbares ist Ather;

56. von Krankheit und Leid ist er erfiillt, von den fiinf Strompforten [den fiinf Sinnen] umgeben, (ii58.) aus den fiinf Elementen zusammengeflochten , mit neun Toren, von zwei Gottern [der hochsten und der individuellen Seele] bewohnt,

57. unsauber, unansehnlich, dreigunahaft, dreigrundstoff- haft [Schleim, Galle, Wind], (ii59.) beriihrungssiichtig und vol! Torheit, das ist der Leib, das ist gewifs.

58. Uberall in dieser Welt schwer zu behandeln und die Intelligenz fsattvam) als Stiitze habend, (iieo.) rollt der Leib in dieser Welt auf dem Wagen der Zeit dahin.

59. Diesen furchtbaren, unergriindlichen, grofsen Ozean, der da heifst Verblendung, (iiei.) soil man abtun, soil man vernichten und die unsterbliche Welt in sich zum Erwachen bringen (vgl. unten. Vers 1243).

60. Begierde, Zorn, Furcht, Habsucht, Tticke und Un- wahrheit, (1162.) diese alle wirft er durch Unterwerfung der Sinnesorgane ab, obgleich sie schwer abzuwerfen sind.

61. Wer diese, die Dreigunahaften, Fiinfelementhaften in der Welt iiberwunden hat, (lies.) dessen Statte ist im Himmel, dem wird Unendlichkeit zuteil.

62. Ihn, der die fiinf Sinne als grofse Ufer, der den Drang des Manas als machtige Stromung hat, (ii64.) den Flufs, der sich zum See der Verblendung ausbreitet, soil man durchschwimmen und beides iiberwinden, die Begierde und den Zorn.

63. Dann schaut man, befreit von alien Gebrechen, jenes Hochste, (1165.) sein Manas in seinem Manas einschliefsend und das Selbst in seinem Selbste schauend.

64. In alien Wesen allwissend, findet er in seinem Selbste das Selbst, (1166.) indem er sich in eines oder in viele wandelt, bald hier, bald dort.

65. Dann durchschaut er vollig die (jrestalten, so wie man mit einer Fackel hundert Fackeln entziindet, (ii67.) dann ist er Vishnu und Mitra, Varuna, Agni und Prajapati;

66. dann ist er Schopfer und Ordner, der Herr, der All-

966 IV. Anugita.

gegenwartige , (lies.) dann wird er als das Herz aller Krea-

turen, als der grofse Atman erstrahlen;

67. (1169.) dann werden ihm Brahmanenscharen, Gotter, Damonen, Halbgotter, Unholde, Manen und Vogel, Ko- boldscharen, Gespensterscharen und alle grofsen Weisen fur und fur lobsingen.

So lautet in der Anugita der siebenundzwanzigste Adhy^ya.

AdhyAya 43 (B. 43).

Vers 1170-1211 (B. 1-42).

Der Gott Brahman sprach:

1. (1170.) Der mittlere Guna [Rajas] ist vertreten unter den Menschen als der Rajanya, der Kshatriya, unter den Zug- tieren als der Elefant, unter den Waldbewohnern als der Lowe,

2. (1171.) unter alien Haustieren als das Schaf, unter den Hohlenbewohnern als die Schlange, unter den Kiihen als der Stier, unter den Weibern als der Mann.

3. (1172.) Der Nyagrodhabaum, der Jambubaum, der Pip- pala, der Qalmali, der Qingapabaum und der Mesha<?rmga, sowie die Rohre und Schilfe,

4. (1173.) diese sind die Konige unter den Baumen, daran ist kein Zweifel. Der Himalaya, der Pariyatra, der Sahya, der Vindhya und der Trikiitavan,

5. (1174.) der Qveta, der Nila, der Bhasa und der Berg Koshthavan, der Guruskandha, der Mahendra und der Berg Malyavan,

6. (1175.) diese sind die Konige unter den Bergen; ebenso sind es die Maruts unter den Gotterscharen , die Sonne ist der Fiirst unter den Planeten, der Mond unter den Sternen;

7. (1176.) Yama ist der Fiirst unter den Abgeschiedenen, der Ozean unter den Fliissen; Varuna gilt als Konig der Wasser, Indra als Konig der Winde.

8. (1177.) Die Sonne ist der Fiirst unter den Glutkorpern, der Mond unter den Ilimmelslichtern, das Feuer ist fiir immer der Herr der Elemente, Brihaspati der Brahmanen,

Adhyaya 43 (B. 43). 967

9. (1178.) Soma ist der Herr der Pflanzen, Vishnu der Oberste unter den Starken, Tvashtar (der Bildner) ist der Oberherr der Gestalten, der Beherrscher der Tiere ist Qiva;

10. (1179.) holier als die Weihen steht das Opfer, hoher als die Gotter Maghavan (Indra) ; an der Spitze der Himmels- gegenden steht die nordhche, an der der Brahmanen der machtige Konig Soma.

11. (1180.) Kubera ist der Herr aller Schatze, Purandara (Indra) aller Gottheiten; diese Schopfung ist der Oberherr iiber die Elemente und Prajapati iiber die Geschopfe.

12. (1181.) Aber der Oberherr aller Wesen bin ich, der aus Brahman bestehende Grofse, und es gibt kein hoheres Wesen als mich oder auch als Vishnu [der mit mir identisch ist].

13. (1182.) Der Oberkonig aller Konige ist Vishnu, der aus Brahman bestehende Grofse; erkennet seine Gottherrlich- keit, erkennet ihn als den Schopfer, den Unerschaffenen, als Hari.

14. (1183.) Uber Menschen, Kinnara's, Yaksha's, Gan- dharva's, Schlangen, Rakshas, Gotter, Danava's, Naga's, iiber diese alle ist er der Herr.

15. (1184.) Aber liber alle, denen die Verehrer der Ge- schlechtslust nachstellen, ist Herrin die schonaugige Mahe- Qvari, Mahadevi, denn sie ist es,. welche Parvati genannt wird.

16. (1185.) Sie, die Gottin Uma, die Schone, ist die hochste unter den Frauen, das sollt ihr wissen, aber unter den [iibri- gen] Weibern sind es die an Schatzen der Liebesfreuden reichen Apsaras.

17. (1186.) Konige sind Freunde des Rechts, aber die Briicke des Rechts sind die [den Veda lehrenden Brahmanen] ; darum soil der Konig bemiiht sein, die Brahmanen zu be- schiitzen.

18. (1187.) Denn Konige, in deren Reich die Guten Not leiden, gehen aller ihrer Vorziige verlustig und geraten nach dem Tode auf Abwege.

19. (1188.) Aber Konige, in deren Reich die Guten Schutz finden, haben Freude in dieser Welt und geniefsen nach dem Tode Gluckseligkeit.

20. (1189.) Das ist es, was die Hochherzigen erlangen,

968 IV. Anugita.

das sollt ihr wissen, o Beste der Brahmanen. Weiter will ich verkiindigen, welches das bestimmte Merkmal der Ge- rechtigkeit ist.

21. (1190.) Nichtschadigung ist die hochste Gerechtigkeit; Schadigung ist das Merkmal der Ungerechtigkeit. Das Merk- mal der Gotter ist das Licht, das Merkmal der Menschen das Werk.

22. (1191.) Der Ather hat als Merkmal den Ton, der Wind als Merkmal das Gefiihl; das Merkmal der Lichtelemente ist die Sichtbarkeit ; das Wasser hat als Merkmal den Geschmack.

23. (1192.) Die Tragerin aller Wesen, die Erde, hat als Merkmal den Geruch; die aus Vokalen und Konsonanten sich gestaltende Bharati (Rede) hat als Merkmal den Schall.

24. (1193.) Das Merkmal des Manas ist die Wahrnehmung, die Wahrnehmung hat die Erkenntnis als Merkmal ; und die durch das Manas wahrgenommenen Objekte werden determi- niert durch die Buddhi;

25. (1194.) denn fiir die Buddhi ist charakteristisch das Determinieren, so dafs kein Zweifel mehr bleibt. Meditieren ist ein Merkmal des Manas, Im iibrigen ist es das Merkmal eines guten Menschen, im Verborgenen zu leben.

26. (1195.) Das Merkmal des Yoga ist Tatigkeit [Prana- yama usw.] ; die Erkenntnis ist das Merkmal der Entsagung ; darum soil der Weise die Erkenntnis ins Auge fassen und sodann entsagen.

27. (1196.) Der mit Erkenntnis ausgeriistete Entsagende erlangt das hochste Ziel; die Gegensatze iiberschreitend, er- langt er es, indem er Finsternis, Tod und Alter hinter sich lafst,

28. (1197.) Was mit der Charakteristik der Gerechtigkeit zusammenhangt, habe ich euch nach der Vorschrift mitgeteilt. Weiterhin werde ich vollstandig darlegen, wie die Eigen- schaften [der Elemente] perzipiert werden.

29. (1198.) Was zunachst den der Erde angehorigen Ge- ruch betrifft, so wird er perzipiert durch die Nase, und der in der Nase wohnende Windgott wird zur Erkenntnis des Geruches verwendet.

30. (1199.) Die Essenz des Wassers ist immer der Ge- schmack, er wird perzipiert durch die Zunge, und der in der

Adhyaya 43 (B. 43). 969

Zunge wohnende Soma (Mondgott) wird zur Erkenntnis des Geschmackes verwendet.

31. (1200.) Die Qualitat des Lichtes ist die Sichtbarkeit; sie wird perzipiert durch das Auge, und der allezeit im Auge wohnende Sonnengott wird zur Erkenntnis der Sichtbarkeit verwendet.

32. (1201.) Dem Winde ist allezeit angehorig das Gefiihl, und es wird perzipiert durch die Haut, und der allezeit in der Haut wohnende Windgott wird beim Fiihlen verwendet.

33. (1202.) Die Qualitat des Athers ist jene bekannte und wird perzipiert durch das Ohr, und die Gottheiten der Himmels- gegenden, welche samtlich im Ohre wohnen, werden genannt als helfend bei der Erkenntnis des Tones.

34. (1203.) Die Qualitat des Manas ist die Wahrnehmung, und sie wird perzipiert durch das Bewufstsein, und die im Herzen wohnende geistige Essenz wird verwendet bei der Er- kenntnis des Manas.

35. (1204.) Die Buddhi wird an dem Determinieren [er- kannt] und der Mahan am Erkennen ; durch ihr determinieren- des Perzipieren wird das Undeutliche zum Deutlichen, so dafs kein Zweifel bleibt.

36. (1205.) Ohne Merkmal wird perzipiert der bestandige, seiner Natur nach gunalose Kshetrajna (das Subjekt des Er- kennens); darum ist der Kshetrajna ohne Merkmal und hat als Kennzeichen nur das Bewufstsein.

37. (1206.) Das Avyaktam (die Prakriti) wird als Kshetram [Wohnsitz des Kshetrajfia] bezeichnet und als das, aus wel- chem die Guna's hervortreten und worein sie wieder zuriick- gehen; wenn ich mich in dasselbe aufgelost haben werde, dann werde ich es bestandig sehen, horen und erkennen.

38. (1207.) Dieses [Kshetram] erkennt der Purusha, darum wird er Kshetrajfia genannt; und auch die Entwicklung der Guna's, wie sie vor sich geht, schaut der Kshetrajfia voll- standig.

39. (1208.) Anfang, Mitte', Niedergang und Ende erfahrt das Ungeistige, indem es geschaffen wird ; die Guna's konnen den Atman nicht erkennen, obgleich sie immer wieder und wieder geschaffen werden.

970 IV. Aimgita.

40. (1209.) Keiner findet die Wahrheit, sondern der Kshe- trajfia ist es, der sie findet, sie, die Grofse, Allerhochste, welche iiber Guna's und Gunaprodukte erhaben ist.

41. (1210.) Darum soil der des Rechten Kundige die Guna's und sogar das Sattvam hinter sich lassen und frei von Siinde und iiber die Guna's erhaben in den Kshetrajfia eingehen.

42. (1211.) Frei von den Gegensatzen, vom Verehren und vom Svaha-rufen, wird er zum unerschiitterlichen , heimat- losen Kshetrajfia, welcher der hochste Herr ist.

So lautet in der Auugita der aohtundzwanzigste Adhy&ya.

Adhyaya 44 (B. 44).

Vers 1212-1233 (B. 1-22).

Der Gott Brahman sprach:

1. (1212.) Was Anfang, Mitte und Ende hat und ein Mittel besitzt, durch das es perzipiert wird, und was auch mit dem Merkmal eines Namens verbunden ist, das alles will ich der Wahrheit gemafs erklaren.

2. (1213.) Der Tag ist der Anfang, und ihm folgt die Nacht. Die Monate haben die helle Monatshalfte als Anfang. Die Sternbilder beginnen mit dem Sternbilde Qravana (Aquila), die Jahreszeiten mit dem QiQira [der kalten Jahreszeit, Mitte Januar bis Mitte Marz].

3. (1214.) Die Erde ist der Ursprung (Anfang) der Ge- riiche, das Wasser der Geschmacke, das Licht, die Sonne, der Gestalten, der Wind der Gefiihle,

4. (1215.) und der Ather ist der Ursprung des Tones. Das ist die Qualitat, wie sie von jedem Element hervorgebracht wird. Weiter will ich den letzten Ursprung der Wesen erklaren.

5. (1216.) Die Sonne ist der Ursprung der Lichter, das Feuer (die Warme) der Ursprung der Wesen, die Savitri [die Sonnenstrophe, Rigveda 3,62,10] aller Wissenschaften, Praja- pati aller Gotter.

6. (1217.) Der heilige Laut Om ist der Ursprung aller

Adhyaya 44 (B. 44). 971

Veden, der Aushauch aller Worte; alles was in dieser Welt vedisches Gebot ist, wird unter dem Worte Savitri befafst.

7. (1218.) Die Gayatri ist der Anfang der Versmafse, die Schopfung der Anfang der Geschopfe ; die Kiihe sind der An- fang der Vierfiifsler, die Brahmanen der Menschen.

8. (1219.) Der Adler ist der erste unter den Vogeln, das Opfer die hochste unter den Verehrungen, das edelste unter alien kriechenden Tieren ist die Schlange, o Beste der Brahmanen.

9. (1220.) Das erste aller Weltalter ist ohne Zweifel das Kritam, unter alien Kleinodien steht das Gold, unter alien Pflanzen die Gerste am hochsten.

10. (1221.) Unter allem Efsbaren und Geniefsbaren gilt als Hochstes die [Reis-] Speise , und unter allem Fliissigen und Trinkbaren das Beste ist das Wasser.

11. (1222.) Aber unter alien pflanzlichen Wesen ohne Aus- nahme steht obenan der Plaksha (Feigenbaum) als ewig ge- heiligter Wohnsitz des Brahman.

12. (1223.) Ich iiberrage alle Prajapati's (Schopfer) ohne Zweifel, mich aber Vishnu; als der Unausdenkbare, Durch- sichselbstseiende wird er gefeiert.

13. (1224.) Von alien Bergen gilt der grofse Meru als Erst- geborener, iiber Himmelsgegenden und Zwischengegenden er- haben steht als erste die ostliche Himmelsgegend da.

14. (1225.) Ebenso gilt die auf drei Wegen [Himmel, Erde und Unterwelt] fliefsende Gaiiga als die Erstgeborene unter den Fliissen, aber unter alien Gewassern und Wasserbehaltern als Erstgeborener gilt der Ozean.

15. (1226.) Unter Gottern, Damonen, Geistern, Kobolden, Schlangen, Unholden, Menschen, Halbmenschen und Halb- gottern ist tgvara (Qiva) der Hochste.

16. (1227.) Aber der Ursprung der ganzen Welt ist Vishnu, der aus Brahman bestehende Grofse; hoher als er ist kein Wesen in dieser ganzen dreifachen Welt.

17. (1228.) Unter alien Lebensstadien steht ohne Zweifel der Stand des Hausvaters obenan; der Ursprung der Welten und ebenso das Ende von allem ist das Avyaktam (Prakriti).

18. (i'J29.) Das Ende der Tage ist der Sonnenuntergang, das

972 IV. Anugita.

Ende der Nacht der Sonnenaufgang; das Ende derLust ist immer Leid, das Ende des Leides ist immer Lust (vgl. oben, S. 113).

19. (1230.) Alle Anhaufungen endigen mit Vernichtung, alle Erhebungen mit Herabstiirzen ; Verbindung endet mit Trennung, das Leben mit dem Tode.

20. (1231.) Alles Entstandene endet mit Vergang, allem Geborenen ist der Tod gewifs; nicht dauernd ist in dieser Welt stets das Unbewegliche und das Bewegliche.

21. (1232.) Opfer, Schenken, Askese, Vedastudium, Ge- liibde und Observanzen, alles dieses geht zu Ende, aber ein Ende der Erkenntnis gibt es nicht.

22. (1233.) Darum soil man durch reines Erkennen sein Selbst beruhigen, seine Sinne bezahmen; dann wird man ohne Selbstsucht, ohne Ichbewufstsein und erlost von allem Ubel werden.

So lautet in der Anugita der neunundzwanzigste Adhyaya.

Adhyaya 45 (B. 45).

Vers 1234-1258 (B. 1-25).

Der Gott Brahmau sprach:

1. (1234.) Die Buddhi ist sein Kernstiick, das Manas ist sein Speichenwerk, die Schar der Sinnesorgane ist sein Rad- kranz, die grofsen Elemente sind seine Felgen [die Schulter- stiicke des Radkranzes], die Griindung des Haushaltes ist sein Reifen;

2. (1235.) mit Alter und Kummer ist es behaftet, in Krank- heit und Leidenschaft sein Dasein fristend, in Raum und Zeit hinrollend, von Ermiidung und Anstrengung knarrend;

3. (1236.) Tag und Nacht umstauben es, Kalte und Hitze umkreisen es, die Zustande von Lust und Leid umschlingen es, Hunger und Durst umnageln es;

4. (1237.) durch Schatten und Glut zerkratzt, im Schliefsen und Offnen der Augen erzitternd, von dem furchtbaren Wasser der Verblendung bespritzt, rollt es dahin ohne Bewufstsein.

5. (1238.) Monate und Halbmonate zahlen seine Um- drehungen, so rollt es holpernd durch die Welt, aufgehalten

Adhy^ya 45 (B. 45). 973

durch den Schlamm des Tamas, fortgetrieben durch den Drang des Rajas;

6. (1239.) vom grofsen Ahankara in Glut versetzt, von den Guna's in Drehung erhalten, erleidet es den Widerstand hemmender Unlust und roUt hin in krampfendem Schmerze;

7. (1240.) an Tatigkeit und Ursache gekettet, von Leiden- schaften aufgehalten, lang hinrollend, von Begierde und Hab- sucht geschlittelt, in mannigfachem Nichtwissen sein Dasein fristend,

8. (1241.) von Furcht und Verblendung umhiillt, bewirkt es Verwirrung der Wesen, bewegt sich durch Liiste und Freuden, verstrickt sich in Begierde und Zorn;

9. (1242.) das ist das vom Mahan bis zu den Vigesha's (spezifische Quahtaten) sich erstreckende , unaufhaltsame, ewig neu entstehende, wie die Wiinsche schnell und von den Wiinschen gehatschelt dahinrollende Rad der Zeit.

10. (1243.) Dieses an die Gegensatze gebundene und des Geistigen ermangelnde Rad der Zeit soil man abtun, soil man vernichten und die unsterbliche Welt in sich zum Er- wachen bringen (vgl. oben, Vers iiei).

11. (1244.) Wer sich die Bewegung und den Stillstand des Rades der Zeit der Wahrheit gemafs immerfort zum Be- wufstsein bringt, der Mann bleibt unter den Wesen ohne Verblendung.

12. (1245.) Befreit von alien Einpragungen fsamsMraJ, er- lost von alien Gegensatzen, befreit von alien Ubeln, erlangt er das hochste Ziel.

13. (1246.) Der Hausvater, der Brahmanschiiler, der Wald- einsiedler und der Bettler [d. h. der Sannyasin], das sind die vier Lebensstadien ; sie alle haben ihre Wurzel im Stadium des Hausvaters.

14. (1247.) Alle heiligen Lehren, welche in dieser Welt anbefohlen werden, diese zu Ende durchzufiihren ist das Beste, ihre Anbefehlung ist eine ewige.

15. (1248.) Durch Weihen zuerst zubereitet und das Ge- Itibde gehorig befolgend, moge der Wahrheitswisser in einem durch Tugend ausgezeichneten Lebenslaufe verharren.

974 IV. Anugita.

16. (1249.) Mit der eigenen Gattin sich immer begniigend, den Wandel der Guten fuhrend und seine Sinne bezahmend, soil er hienieden die fiinf grofsen Opfer [fiir die Gotter, Eishi's, Manen, Menschen und Tiere] im Glauben darbringen,

17. (1250.) essend, was Gotter und Gaste iibriglassen, an den Vedawerken sich erfreuend und Opfer und Spenden iibend nach Kraft und mit Lust.

18. (1251.) Nicht hastig mit Handen und Fiifsen, nicht hastig mit den Augen ist der Muni, noch auch hastig mit Rede und Gliedern, so ist der Kreis, in dem sich der Gute bewegt.

19. (1252.) Immer trage er die heilige Opferschnur und ein weifses Kleid mit reinem Geliibde, bestandig in Bezahmung und Geben, weile er immer in Gesellschaft der Guten.

20. (1253.) Geschlechtsglied und Bauch im Zaume haltend, freundlich und den Wandel der Guten befolgend, trage er den Bambusstab und den Wasserkrug.

21. (1254.) Studieren und Lehren betreibe er, sowie das Opfern fiir sich und andere, das Geben und das Nehmen, diese sechsfache Tatigkeit soil er iiben.

22. (1255.) Drei Tatigkeiten, das soil man wissen, dienen zu der Brahmanen Lebensunterhalt : das Opfern fur andere und das Lehren, diese beiden und das Annehmen der Gaben von einem, der rein ist.

23. (1256.) Ferner was die iibrigen drei Werke betrifft, namlich Geben, Studieren und Opfern, so liegen ihm diese als Pflicht ob.

24. (1257.) In diesen drei Werken soil der Pflichtkundige behutsam sich iiben; bezahmt, freundlich, geduldig und bei alien Wesen gleichmiitig soil der Muni sein.

25. (1258.) Wenn der Brahmane alles dieses nach Kraften und in reiner Absicht ausiibt, dann wird er als ein diesem hingegebener und sein Geliibde scharf ausiibender Hausvater den Himmel erwerben.

So lautet in der Anngitd. der dxeifsigste Adby&ya.

Adhyaya 46 (B. 46). 975

Adhytiya 46 (B. 46).

Vers 1259-1316 (B. 1-58).

Der Gott Brahman sprach:

1. (1259.) Wenn er so auf dem vorher beschriebenen Wege der Vorschrift gemafs nach Kraften studiert und ebenso die Keuschheit beobachtet hat,

2. (1260.) an seiner Pflicht sich erfreuend, weise, alle Sinne bezahmend, schweigsam, hingegeben dem, was dem Lehrer lieb und niitzlich ist, Wahrlieit und Recht als das Hochste schatzend und rein,

3. (12G1.) moge er mit Erlaubnis des Lehrers die Nahrung zu sich nehmen, ohne sie zu tadeln, von Opfergaben und Er- betteltem sich nahrend, stehend, sitzend und wandelnd [wie es der Lehrer befiehlt],

4. (1262.) zweimal am Tage im Feuer opfernd, sich rein haltend und gesammelt. Er moge allezeit den Stab aus Bilva- holz oder Palagaholz tragen.

5. (1263.) Aus Leinwand, Baumwolle oder aus einem Anti- lopenfelle gefertigt, ganz gelbhch oder rot oder wie es sonst der Zwiegeborene tragt, sei das Gewand.

6. (1264.) Sein Giirtel sei aus Munjagras, er trage die Haarflechte und habe immer Wasser zur Hand ; mit der Opfer- schnur sei er umgiirtet, dem Studium ergeben, nicht begehr- hch, treu in seinem Geliibde.

7. (1265.) Allezeit mit reinem Wasser Erfreuung der Gott- heiten bewirkend und in seinem Charakter bestandig, so ist der Brahmacarin des Lobes wiirdig.

8. (1266.) In derselben Weise hingegeben, erobert die Himmelswelten der seine Sinne iiberwunden habende Wald- einsiedler (vdnaprasthaj \ er wandert nicht mehr um in Wieder- geburten, nachdem er die hochste Statte errungen hat.

9. (1267.) Geheiligt durch alle Sakramente und ebenso [wie der Brahman schiiler] Keuschheit beobachtend, moge er das Dorf verlassen und im Walde als Einsiedler heimatlos wohnen.

10. (1268.) Sich kleidend in Tierfelle oder Gewander aus Baumbast, moge er abends und morgens die Waschungen

976 IV. Anugita.

vollziehen, fiir immer im Walde seinen Aufenthalt nehmen und das Dorf nicht mehr betreten.

11. (1269.) Die Gaste zur Essenszeit ehrend, gewahre er ihnen auch Unterkunft, wahrend er selbst sich mit Friichten, abgefallenen Blattern, Wurzeln und Hirse behilft.

12. (1270.) Er halte sich an das vorhandene Wasser, den Wind und alias, was im Walde vorkommt, und geniefse es eins nach dem andern, seiner Weihe entsprechend und ohne es miide zu werden.

13. (1271.) Mit Wurzeln, Friichten und Erbetteltem moge er den Gast ehren, der ihn besucht; was er zu essen hat, das Erbettelte, davon gebe er mit, allezeit unermiidlich.

14. (1272.) Er esse allezeit erst nach den Gottern und den Gasten, indem er das Keden unterdriickt, wenig essend, doch ohne darein seinen Ehrgeiz zu setzen, auf die Gotter ver- trauend.

15. (1273.) Bezahmt, wohlwollend, geduldig, Haare und Bart wachsen lassend, opfernd und fleifsig im Studieren, Wahrheit und Gerechtigkeit vor allem schatzend,

16. (1274.) rein am Leibe und allezeit wacker, bestandig im Walde lebend, gesammelten Geistes, diesem sich hin- gebend, wird der Waldeinsiedler seine Sinne ilberwinden und den Himmel erwerben.

17. (1275.) Als Hausvater und als Brahmanschiiler oder auch als Waldeinsiedler moge, wer die Erlosung zu erlangen wiinscht, der vollkommensten Lebensweise sich befleifsigen.

18. (1276.) Allen Wesen Furchtlosigkeit gewahrend, moge er in Untatigkeit verharren, an alien Wesen sich freuend, wohlwollend, alle Sinne bezahmend und schweigsam.

19. (1277.) Unerbetenes , Unbereitetes , wie es sich gerade trifft, erlangt er, Almosen sammelnd, indem er dies des Vor- mittags tut, bei Leuten, wo es nicht mehr raucht und die schon gegessen haben.

20. (1278.) Erst nachdem die Teller aufgeraumt sind, soil der Erlosungskundige um Almosen bitten; er soil sich nicht freuen, wenn er es erhalt, und nicht ungehalten sein, wenn er nichts erhalt. [Der folgende Halbvers nur in B.] Er soil

Adhyaya 46 (B. 4B). 977

nicht im Ubermafs Almosen fordern, da er imr sein Leben erhalten will.

21. (1279.) Um sein Leben zu erhalten, soil er mit ruhigem Gemiite betteln, indem er die Zeit abwartet. Er soil nicht mit anderen zusammen betteln und er soil nicht essen unter Ehrenbezeigungen.

22. (1280.) Denn als Bettler soil er es vermeiden, Ehren- bezeigungen zu empfangen. Wenn die genossenen Speisen bitter oder herb oder scharf schmecken,

23. (1281.) so soli er den Geschraack nicht beachten, wenn er ifst, und ebensowenig den siifsen Geschmack. Nur soviel, um zu leben, soil er essen, nicht mehr als hinreicht, das Leben zu unterhalten.

24. (1282.) Ohne andere Wesen zu beeintrachtigen , soil der Erlosungskundige nach seinem Lebensunterhalt streben. Auch soil er, wenn er bettelt, niemals andere [lies: ant/ad] Speise fordern [als die, welche man ihm gibt].

25. (1283.) Er soil sich nicht mit seiner Frommigkeit briisten, sondern ohne Leidenschaft in der Einsamkeit wan- dern; eine leere Behausung, einen Wald, die Wurzel eines Baumes oder einen Flufs

26. (1284.) soil er als Obdach aufsuchen oder auch eine Berghohle. Im Sommer soil er nur eine Nacht durch Be- sucher eines Dorfes sein, aber wahrend der Regenzeit mag er an demselben Orte verbleiben.

27. (1285.) Sein Weg wird ihm durch die Sonne gezeigt. Die Erde soil er durchschweifen wie ein Insekt. Zur Schonung der Wesen soil er, auf die Erde blickend, wandern.

28. (1286.) Er soil keine Vorrate ansammeln und keine Lieblingsorte haben ; sondern mit reinem Wasser soil er, der Erlosungskundige, allezeit die Pflicht ausiiben.

29. (1287.) Waschen soil sich der Mensch stets mit frisch- geschopftem Wasser; Nichtschadigung, Keuschheit, Wahr- haftigkeit, Geradheit,

30. (1288.) Zornfreiheit , Nichtmurren, Bezahmung allezeit und Nichthinterbringen, diesen acht Geliibden soil er immer treu bleiben, seine Sinne bezahmend.

31. (1289.) Immer soil er ein nicht boshaftes, nicht tiickisches,

Deubsbn, Mahd,bhfl,ratam. 62

978 IV. Amigita.

nicht krumme Wege gehendes Betragen einhalten; als Nah- rung soil er sich den dargebotenen Imbifs schmecken lassen ohne Neid.

32. (1290.) Nur um sich zu erhalten, soil er essen, und nur soviel, wie zu seinem Lebensunterhalte dient; so moge er sich nahren von dem rechtmafsig Empfangenen und nicht seinen Llisten nachhangen.

33. (1291.) Was iiber Ernahrung und Bedeckung hinaus- reicht, das soil er unter keinen Umstanden annehmen; soviel, als er zur Nahrung bedarf, mag er annehmen, und nicht mehr.

34. (1292.) Fiir andere soil er nichts annehmen, noch auch ihnen etwas mitgeben, nur dafs er als verstandiger Mann immer abgibt, wo er ein Wesen im Elend sieht.

35. (1293.) Er soil nicht nehmen, was anderen gehort, noch auch zugreifen, ohne aufgefordert zu sein; in keinem Falle darf er, wenn er etwas genossen hat, wiederum danach Ver- langen tragen.

36. (1294.) Erde und Wasser (dpas als Ace), Nahrungs- mittel, Blatter, Blumen und Friichte mag er nehmen, soweit sie nicht eingezaunt sind und frei wachsen, wenn er sie braucht.

37. (1295.) Er soil nicht von einem Kunstgewerbe leben, noch auch nach Gold trachten; er soil nicht hassen und seine Belehrung nicht aufdrangen, sondern ohne Zuriistung leben.

38. (1296.) Er soil essen, was kraft seines Glaubens ge- reinigt ist, soil Zeichendeutungen meiden, wohlgemut leben, ohne an etwas zu hangen und ohne sich bemerkbar zu machen, bei wem es auch sei.

39. (1297.) Alles, was mit Wiinschen verbunden ist, und alles, was mit Schadigungen verbunden ist, sowie alle Ver- anstaltuhgen , die Menschen zu regieren, soil er nicht be- treiben, noch auch betreiben lassen.

40. (1298.) Sich alien Verbal tnissen enthebend, soil er leichtgeschiirzt umherschweifen, gleichmiitig gegeniiber alien Wesen, den unbeweglichen wie den beweglichen.

41. (1299.) Er soil keinen andern erzittern machen und auch vor keinem erzittern, alien Wesen Vertrauen einflofsend, dann wird er ein hochster Kenner der Erlosung genannt.

Adhy^ya -tO (B. 46). 979

42. (1300.) Fiir die Zukunft soil er nicht sorgen, iiber das Vergangene nicht griibeln und das Gegenwartige nicht achten, unbekiimmert um die Zeit und ruhigen Gemiits.

43. (1301.) Nicht mit Blicken, nicht mit Gedanken, nicht mit Worten soil er irgendwo verletzen, nicht offen und nicht heimlich soil er irgend etwas tun, was verletzen konnte.

44. (1302.) Die Sinnesorgane von iibexallher in sich herein- ziehend, wie die Schildkrote ihre Glieder, die Sinne, das Manas und die Buddhi vernichtet habend, verharrt ohne Streben der aller Wesenheit Kundige.

45. (i3o;5.) Frei von Gegensatzen, von Verehrungefi und von Heilsrufen, selbstlos, ohne Ichbewufstsein , ohne Erwerb und Besitz, des Atman teilhaft,

46. (1304.) ohne Wiinsche, ohne Qualitaten, beruhigt, ohne Anhiinglichkeit und ohne Abhangigkeit, an den Atman sich haltend und die Wesenheit erkennend, wird er erlost, daran ist kein Zweifel.

47. (1305.) Jenes, welches ohne Fiifse, Hande und Riicken, ohne Kopf und ohne Bauch ist, Ihn, der frei von Qualitaten und Werken, absolut, fleckenlos und bestandig ist,

48. (1306.) jenes, welches ohne Geruch, Geschmack und Geflihl, ohne Gestalt und Ton ist, jenes Nachfolge Verdienende, Nichtanhangende und Fleischlose,

49. (1307.) das Sorgenfreie, Unvergangliche, Himmlische, iiberall Heimische, den in alien Wesen wohnenden Atman, wer diesen sieht, der ist unsterblich.

50. (1308.) Zu ihm dringen nicht die Buddhi, nicht die Sinne, nicht die Gottheiten, nicht Veden, Opfer und Welten, nicht Askese, noch auch Geliibde,

51. (1309.) zu ihm, dessen nicht durch Merkmale ergreif- bare Erlangung den Wissenden vorbehalten blieb ; darum wird nur der, welcher seine merkmallose Beschaffenheit kennt, das Wesen seiner Beschaffenheit erreichen.

52. (1310.) Hingegeben der hauslichen Pflicht, soil der Weise einen Wandel des Wissens beobachten; nicht toricht wandle er dahin, als ware er toricht, doch ohne seiner Pflicht Unehre zu machen.

53. (1311.) Selbst auf die Gefahr hin, dafs die anderen

62*

980 IV. Anugita.

ihn bestandig verachten, wandle er in dieser Weise ruhig dahin, doch ohne die Satzung der Guten zu tadeln.

54. (1312.) Wer diesen Wandel sich angeeignet hat, der wird ein vollkommener Muni genannt, wenn er dabei Sinne und Sinnendinge sowie die fiinf grolsen Elemente

55. (1313.) nebst Manas, Buddhi [lies : buddhim], Ahankara, Avyaktam und Purusha, dieses alles, wie es sich gehort, durch- zahlt, weil ihm die Prinzipien zur Gewifsheit geworden sind.

56. (1314.) Alsdann erlangt er den Himrnel, erlost von alien Banden. Indem er, der Prinzipienkundige , dieselben in dem genannten Umfange durchzahlt, moge er sie, wenn das Ende naht,

57. (1315.) meditieren, feststehend in dem einen Ziele; dann wird er erlost, keiner Stiitzen mehr bediirftig, frei von allem, was ihm anhing, wie der Wind in dem Weltraume,

58. (1316.) und frei von Hiillen {koga, cf. Taitt. Up. 2) und ohne Bedrangnis, erlangt er sodann jenes Hochste.

So lautet in der Anugita der einunddreirsigste Adhyaya.

Adhyaya 47 (B. 47).

Vers 1317-1333 (B. 1-17).

Der Gott Brahman sprach:

1. (1317.) Als Askese haben bezeichnet die Entsagung die Alten, deren Aussagen Gewifsheit sind; und die Brahmanen, die im Schofse des Brahman weilen, wissen, dafs die Er- kenntnis als hochstes Ziel das Brahman hat.

2. (1318.) Uberaus entfernt nach seinem Wesen ist das Brahman ; es beruht auf dem "Wissen des Veda ; ohne Gegen- satze ist es und ohne Eigenschaften, ewig, von unausdenk- barer Natur und das Allerhochste.

3. (1319.) Durch die Erkenntnis und durch die Askese schauen die Weisen jenes Hochste, sie, welche gereinigten Geistes und gelautert, frei von Leidenschaften und flecken- los sind.

4. (1320.) Durch die Askese gehen den ruhigen Weg zum

Adhyaya 47 (B. 47). 981

hochsten Herrn die Menschen, welche allezeit sich an der Entsagung freuen, und die, welche des Brahman kundig sind.

5. (1321.) Die Askese ist eine Leuchte, so sagt man, ist der rechte Wandel, der die Pflicht erfiillt, aber die Erkenntnis fiirwahr ist die hochste Entsagung und der Gipfel der Askese, das soil man wissen.

6. (1322.) Wer aber die keiner Stiitze bediirfende Erkenntnis vermoge der Gewifsheit iiber die Prinzipien besitzt, wer den in alien Wesen weilenden Atman kennt, der gilt fiir allgegen- wartig.

7. (1323.) Wer als ein Wissender das Einwohnen in den Wesen und das Getrenntwohnen [des Brahman] von ihnen sieht, und ebenso seine Einheit und seine Vielf altigkeit , der wird von Leiden erlost.

8. (1324.) Wer nichts mehr begehrt und nichts mehr ver- achtet, der ist schon wahrend er in dieser Welt weilt zur Brahmanwerdung tauglich.

9. (1325.) Wer die Prakriti, die Guna's und die Prinzipien kennt, wer die Prakriti in alien Wesen weifs, der ist selbst- los, ohne Ichbewufstsein und wird erlost, daran ist kein Zweifel.

10. (1326.) Ohne Gegensatze, ohne Verehrung und ohne Svadharuf geht er ruhevoll zu dem Gunalosen, Ewigen, Gegen- satzlosen ein.

11. (1327.) Aufgebend alles, was aus den Guna's besteht, und das gute wie das bose Werk aufgebend, beides, das Wahre und das Unwahre, wird der Mensch erlost, daran ist kein Zweifel.

12. (1328.) Entspringend aus der Prakriti als Wurzel, die Buddhi als Stamm habend, grofs, den grofsen Ahaiikara als Ast habend, die Sinnesorgane als Zweige und Hohlungen habend,

13. (1329.) iibertrifft er, durch die grofsen Elemente machtig entfaltet, alle Baume, stets voll Blatter, stets voll Bliiten, gute und schlechte Friichte hervorbringend

14. (1330.) und alien Wesen den Lebensunterhalt gewah- rend, das ist der ewige Brahmanbaum. Der Weise haut diesen Baum ab und spaltet ihn mit der Erkenntnis der Prin- zipien als Axt;

982 IV. Aimgita.

15. (1331.) er lost sich von den Stricken der Weltanhang- lichkeit, welche aus Geburt, Tod und Alter stammen, und selbstlos und ohne Ichbewufstsein wird er erlost, daran ist kein Zweifel.

16. (1332.) Jene beiden ewigen Vogel [vielleicht Buddhi und Ahankara] sind alle beide miteinander ungeistig; aber der andere, welcher hoher als diese beiden ist, der wird ge- nannt der Geistige.

17. (1333.) Der [wegen seiner Behaftung mit den Guna's] ungeistige innere Atman [of. Mai tr. Up. 3,2; Sechzig Upa- nishad's, S. 323], nachdem er von der ganzen Anzahl der Wesenheiten befreit ist, wird das iiber die Wesen- heiten Erhabene inne. Er, der als Ortskenner jene ganze Anzahl erkannte, iiberschreitet dann die Guna's und wird von allem Ubel erlost.

So lautet in der Anugitii der zweiunddrcifsigete Adhyaya.

Adhyaya 48 (B. 48).

Vers 1334-1347 (B. 1-13).

Der Gott Brahman sprach:

1. (1334.) Einige glauben, dafs der aus Brahman bestehende Baum, einige, dafs der grofse Brahman wald, einige, dafs das Brahman und das Unentfaltete, einige, dafs das hochste Leid- lose, (1335.) dafs alles dies aus dem Unentfalteten entstehe und wieder vergehe.

2. Derjenige, welcher, und ware es auch nur beim letzten Aushauche, zur Zeit des Endes gleichmiitig auf alles blickt (1336.) und sich auf den Atman zuriickzieht , der ist reif fiir die Unsterblichkeit.

3. Wenn er, und ware es nur fur einen Augenblick, seinen Atman in dem Atman befafst, (1337.) so geht er durch die Gnade des Atman zu dem ewigen Endziele der Wissenden ein;

4. indem er dabei durch die Kegelungen des Atmens die Lebenshauche wieder und wieder bandigt, (1.338.) sei es durch zehn Oder zwolf solcher Regelungen, geht er ein in das, was hoher als das Vierundzwanzigste ist.

Adhy£lya 48 (B. 48). 983

5. Wer auf diese Weise vorher seinen Atman zur Ruhe gebracht hat, der erreicht alles, was er wiinscht; (1339.) sein Sattvam, das [iibrige] Unentfaltete uberragend, ist geeignet, ihm die Unsterblichkeit zu schaffen.

6. Es gibt nichts anderes, was hoher ware als das Satt- vam, als solches riihmen es hienieden die, welche es kennen ; (1340.) durch Folgerung erkennen wir den Purusha, der sich auf das Sattvam stiitzt.

7. Nicht kann man auf andere Weise zum Purusha ge- langen, o ihr Besten der Zwiegeborenen. (1341.) Geduld, Festig- keit und Nichtschadigung , Gleichmiitigkeit , Wahrhaftigkeit, Geradheit, Erkenntnis, Freigebigkeit und Entsagung, diese geUen als die Funktionen des Sattvam.

8. (1342.) Durch eben jene Folgerung erkennen die Weisen, dafs es ein Sattvam und einen Purusha [als verschieden] gibt, daran ist kein Zweifel.

9. (1343.) Einige Gelehrte, die in der Erkenntnis wohl- bewandert sind, behaupten die Einheit des Kshetrajna [Purusha] und des Sattvam; aber das geht nicht an;

10. (1344.) denn das Sattvam ist von jenem verschieden, daran ist nicht zu zweifeln, und man mufs ihre gesonderte Existenz anerkennen, sowie auch, dafs dieselbe in Wahrheit durch Verwandtschaft verbunden ist.

11. (1345.) In dieser Weise ist ihre Einheit und Verschieden- heit nach der Lehrmeinung der Kenner anzunehmen, wie man ja auch zwischen der Fliege und dem Blatte des Feigenbaumes eine Einheit und zugleich eine Verschiedenheit wahrnimmt.

12. (1346.) Es ist, wie der Fisch von dem Wasser ver- schieden ist und doch eine Verbindung zwischen beiden be- steht, oder wie die Verbindung der Wassertropfen auf dem Blatte der Lotosblume mit diesem.

Der Lelirer sprach :

13. (1347.) Nachdem jene Brahmanen sich in dieser Weise mit dem Urvater der Welt besprochen batten, gerieten die Besten der Muni's abermals in einen Zweifel und fragten wie folgt.

So lautet in der Anugita der dreiunddreifsigste Adhyftya.

984 IV. Anugita.

Aclhyaya 49 (B. 49).

Vers 1348-1365 (B. 1-17).

Die Rishi's sprachen:

1. (1348.) Welche von den Pflichten gilt hier wohl fiir die am meisten zu befolgende? Im Widerspruch gleichsam sehen wir den mannigfachen Weg der Pflicht.

2. (1349.) Einige behaupten, sie bestehe liber den Leib hinaus, andere sagen, dafs dem nicht so sei; einige halten die ganze Pflicht fiir zweifelhaft, andere fiir unzweifelhaft.

3. (1350.) Sie sei unverganglich oder sie sei verganglich, behaupten manche, sie sei nicht real oder sie sei real, meinen wieder andere. Sie sei einfach oder sie sei zweifach, be- haupten manche, und wieder einige, sie sei beides zugleich.

4. (1351.) Und auch von Brahmanen, welche das Brahman kennen und die Wahrheit schauen, meinen einige, sie sei ein- fach, andere, sie sei mehrfach, und wieder andere behaupten ihre Vielfachheit.

5. (1352.) Einige behaupten, dafs beide, Raum und Zeit, real sind, andere leugnen es; einige tragen Haarflechten und Ziegenfelle, andere gehen kahlkopfig und unbekleidet.

6. (1353.) Man brauche sich nicht zu baden, lehren die einen, man miisse sich baden, die anderen, und so behaupten auch Brahmanen (lies: eva), welche das Brahman kennen und die Wahrheit schauen.

7. (1354.) Einige sind der Meinung, man miisse essen, andere freuen sich am Fasten; einige empfehlen die Werke, andere die Untatigkeit.

8. (1355.) [Einige behaupten, dafs beide, Raum und Zeit, real sind, andere leugnen es ; diese Wiederholung aus Vers 5 nur in C] Einige riihmen die Erlosung, andere die Geniisse von mancherlei Art; (1356.) einige trachten nach Reichtum, andere nach Besitzlosigkeit ; einige sind fiir die Befassung mit Objekten der Verehrung fiipdsyasddhanamj , andere ver- werfen dieses.

9. (1357.) Einige halten fest an der Nichtschadigung, andere legen den grofsten Wert auf die Totung [von Tieren beim

Adhyiya 49 (B. 49). 985

Opfern] ; einige halten auf religioses Verdienst oder auf Ehre, andere behaupten, dafs es nichts damit sei.

10. (1358.) Einige haben ihre Freude an der [metaphysi- schen] Realitat, andere bleiben beim Bezweifeln derselben stehen; wieder andere lassen, die einen aus dem Leiden, die anderen aus der Lust, die Meditation entspringen.

IL (1359.) Einige Brahmanen empfehlen das Opfern, andere das Almosengeben, wieder andere die Askese und noch andere das Studium.

12. (1360.) Einige behaupten, dafs die wahre Wissenschaft in der Entsagung bestehe, andere finden sie in der Natur und griibeln nach liber die Elemente; einige loben alles und andere nicht alles.

13. (1361.) Da in dieser Weise die Pflicht verschieden auf- gestellt und vielfach in abweichender Weise gelehrt wird, so kommen wir zu keiner Gewifsheit und sind verwirrt, 0 Bester der Gotter.

14. (1362.) „Dies ist das Beste!" „Nein, dies ist das Beste!" mit solchen Behauptungen stehen sich die Leute gegeniiber, und jeder schatzt jedesmal dasjenige als Pflicht, woran er gerade sein Gefallen findet.

15. (1363.) Darum ist unsere Erkenntnis unsicher und unser Denken nach vielen Richtungen getrieben, und wir wiinschen dies erklart zu haben, was das Beste ist, o du Guter.

16. (1364.) Aber auch das Geheimnis, was noch dariiber hinaus besteht, sollst du, o Herr, uns erklaren, namlich durch welche Ursache die Verbindung des Sattvam mit dem Kshe- trajna (der Seele) bedingt ist.

17. (1365.) Nachdem der Weltenschopfer in dieser Weise von jenen Brahmanen angeredet worden war, teilte es ihnen der Pflichtbeseelte, Weise der Wahrheit gemafs mit.

So lautct in der Anugitik dor vicrunddreifsigste Adhyftya.

986 IV. Anugita.

Adhyaya 50 (B. 50).

Vers 1366-1423 (B. 1-56).

Der Gott Brahmau sprach :

1. (1366.) Wohlan, ich will euch verkiindigen, o ihrBesten, wonach ihr mich fragt. Vernehmt denn, was von einem Lehrer zu seinem Schiiler, der ihm genaht war, einstmals gesagt wurde.

2. (1367.) Vernehmt es hier vollstandig und haltet durch- aus daran fest. Nichtschadigung aller Wesen, das ist das grofse, das hochste Gebot.

3. (1368.) Und dieses ist das unerschiitterliche Ziel, das Hochste, was als Pflicht bezeichnet wird: die Erkenntnis ist das hochstfe Gut; so sagten die Alten, welche die Wahrheit schauten.

4. (1369.) Darum wird man durch reine Erkenntnis von alien Siinden erlost. Aber alle, welche die Totung [beim Opfer] hochschatzen und welche das Leben eines Nihilisten fiihren, (1370.) behaftet mit Begierde und Verblendung, die fahren zur Holle.

5. Die aber, welche unermiidlich die mit Wiinschen ver- bundenen Opferwerke vollbringen, (i37i.) die freuen sich in dieser Welt, in der sie immer wieder geboren werden.

6. Die aber, welche glaubig und weise die Werke so vollbringen, (1372.) dafs sie dabei eine wiinschelose Hingebung iiben, die sind verstandig und sehen das Richtige.

7. Weiter nun will ich euch verkiindigen, wie zwischen dem Sattvam und dem Kshetrajfia (1373.) die Verbindung und die Trennung erfolgt, das vernehmt, o ihr Besten.

8. Das Objekt- und das Subjektsein, das wird die Ver- bindung genannt; (1374.) das Subjekt ist immer nur der Purusha, und das Sattvam wird das Objekt genannt.

9. So, wie es in der obigen Weise (Vers 1345 fg.) an der Miicke und dem Feigenblatte erlautert wurde, U375.) hat das Sattvam als Objekt des Genusses keine Erkenntnis und ist allezeit ohne Bewufstsein; wer aber so [mit Bewufstsein be- gabt] ist, der erkennt sowohl den, welcher geniefst, als auch den, welcher genossen wird.

Adhyaya 50 (B. 50). 987

10. (1376.) Das Sattvam ist alJezeit mit den Gegensatzen behaftet, so sagen die Weisen ; ohne Gegensatze, ohne Telle, ewig und seinem Wesen nach frei von Guna's ist der Kshe- trajfia.

11. (1377.) Dieser weilt iiberall in gleicher Weise, dem Erkennen nachgehend, und geniefst allezeit das Sattvam, wie ein Lotosblatt das Wasser.

12. (1378.) Obgleich er, der Weise, mit alien Guna's ver- flochten ist, wird er doch von ihnen niclit befleckt, wie der bewegliche Wassertropfen , der auf einem Lotosblatte sich befindet.

13. (1379.) So ist auch der Purusha nicht gebunden, daran ist kein Zweifel, und das Sattvam dient nur als substantielles Objekt fiir den Purusha, das ist gewifs.

14. (1380.) Wie zwischen einem materiellen Objekte und dem, der es bearbeitet, so ist die Verbindung zwischen jenen beiden. Wie man eine Lampe nimmt und mit ihr im Dunkeln geht, (1381.) so gehen die, welche nach dem Hochsten trach- ten, mit dem Sattvam als Lampe.

15. Solange das 01 fdravyamj und der Docht fgunaj be- stehen, solange leuchtet die Lampe; (1382.) vergehen aber 01 und Docht, so geht auch das Licht verloren.

16. In ahnlicher Weise ist der Guna Sattvam offenbar, und der Purusha ist nicht oifenbar ; (i383.) das, o Brahmanen, sollt ihr wissen; wohlan, ich will euch noch mehr sagen.

17. Auch durch tausend [Belehrungen] gelangt der Tor nicht zur Einsicht; (1384.) auch durch den vierten Teil [einer Belehrung] gelangt der Verstandige zu gliicklichem Gedeihen.

18. So mul's auch die Vollbringung der Pflicht durch das rechte Mittel erkannt werden, (i385.) und der Weise, welcher dieses Mittel kennt, erlangt unendliches Gliick.

19. Wie etwa ein Mann, der eine Reise unternimmt ohne Wegzehrung, (1386.) nur mit grofser Beschwerde vorwarts- kommt, ja w^ohl gar unterwegs zugrunde geht,

20. so mufs man bei den Handlungen iiberlegen, ob sie fruchtbringend sind oder nicht; (1387.) fiir einen Menschen aber ist die Einsicht in Gutes und Boses fiir seine Seele das allerheilsamste.

988 IV. Anugita.

21. Und wie einer einen weiten Weg, den er nicht vor- her kannte, (1388.) unbedachterweise zu Fufs unternimmt, so ist der, welcher der Einsicht in das wahre Wesen entbehrt.

22. Aber wie einer, der ebendenselben Weg mit einem schnell dahinrollenden Wagen, (i389.) der von Pferden gezogen wird, durchlauft, so ist die Fahrt der Verstandigen.

23. Er will einen hohen Berg besteigen und beachtet nicht die Beschaffenheit des Bodens; (i39o.) siehe, wie er, auf seinem Wagen hinauffahrend, sich abqualt, der Unverstandige;

24. aber jener andere fahrt auf dem Wagen nur soweit der Fahrweg reicht, (I39i.) und wo die Wagenspuren auf- horen, da verlafst er, der Weise, den Wagen und geht zu Fufs.

25. Und so wird der Weise, der die Ordnung der Prin- zipien und des Yoga kennt, (1392.) der sie vollig durchschaut und die Guna's versteht, von dem Hohen zu Hoherm und immer Hoherm sich aufscliwingen.

26. So wie einer sich in den furchtbaren Ozean stiirzt, ohne Schiff (1393.) und nur mit Hilfe seiner Arme, und in seiner Verblendung unzweifelhaft dem Untergange zustrebt,

27. und wie hingegen der Weise, der den Unterschied begreift, ein Schiff mit guten Rudern benutzt, (1394.) ohne Er- miidung auf dem Wasser hinfahrt und schnell das Meer durchschifft,

28. aber nach seiner Durchschiffung zum jenseitigen Ufer gelangt und dort das Schiff [seine empirische Daseinsform] frei von Ichheit aufgibt, (1395.) das ist in der vorher be- sprochenen Weise zu erklaren wie bei dem Wagen und dem Fufsganger.

29. Wer aber aus Haftung [an dem Irdischen], etwa wie der Fischer an seinem Boote, in Verblendung gerat, (i396.) der wird vom Egoismus iiberwaltigt und bleibt in ihm befangen.

30. Es ist ja nicht moglich, ein Schiff zu besteigen und mit ihm auf dem festen Lande zu fahren, (1397.) und ebenso- wenig kann man einen Wagen besteigen und mit ihm auf dem Wasser vorwartskommen.

31. Ebenso werden mannigfache Werke vollbracht, welche sich bald auf diesen, bald auf jenen Gegenstand beziehen,

Adhyaya 50 (B. 50). 989

(1398.) imd wie das Werk in der Welt vollbracht worden ist, so kommt es ihnen [den Tatern] heim.

32. Das, was als geruchlos, geschmacklos , gestaltlos, unfiihlbar und unhorbar (1399.) die Weisen durch ihre Einsicht erkennen, das nennen sie Substanz [Pradhanam = Prakritij.

33. Hierbei ist das Unentfaltete [die Prakriti] die Sub- stanz, und cine Modifikation fgunaj des Unentfalteten ist der Mahan. (i4oo.) Ferner von dem Mahan als Substanz ist eine Modifikation der Ahankara.

34. Aus dem Ahankara aber entspringt eine Modifikation, welche zu den grofsen Elementen wird; (I40i.) namlich als Modifikationen der einzelnen Elemente gelten dann weiter die Sinnendinge.

35. Hierbei dient das Unentfaltete als Same und ist seiner Natur nach erzeugend. (1402.) Weiter dient der Mahan Atma als Same und ist auch erzeugt; so ist es uns iiberliefert.

36. Und wiederum dient der Ahankara als Same und auch er ist erzeugt. (i403.) Aber auch die fiinf grofsen Ele- mente dienen als Same und sind auch erzeugt.

37. Als Same dienend sind sie [alle die vorgenannten : Prakriti, Mahan, Ahankara, Mahabhutani] und sind zugleich erzeugt. (1404.) Die Unterschiede fvigeshdhj der grofsen Ele- mente werden an ihnen als unterscheidende Merkmale fvigesha- namj wahrgenommen. [Namlich:]

38. Hierbei hat der Ather eine Qualitat fgunaj, der Wind zwei Qualitaten, (1405.) das Feuer drei Qualitaten, das Wasser vier Qualitaten.

39. Fiinf Qualitaten hat die Erde, welche von dem Be- weglichen und Unbeweglichen erfiillt ist, (1406.) die Gottin, welche alle Wesen schafft und [in ihren Lebenslaufen] die guten und bosen Werke zur Offenbarung bringt.

40. Ton, Gefiihl, Sichtbarkeit, Geschmack und Geruch als fiinfter, (1407.) diese soil man wissen als die fiinf Quali- taten der Erde, o ihr Besten der Zwiegeborenen.

41. Der Geruch gehort immer nur der Erde an; er ist aber von vielerlei Art; (i408.) ich will euch ausfiihrlich die vielen Qualitaten dieses Geruches mitteilen.

42. Angenehmer und unangenehmer Geruch, siifser, saurer

990 IV. Anugita.

und stechender, (1409.) durchdringender , stickiger, milder, scharfer und reiner,

.43. als soldier ist zehnfach anzunehmen der Geruch, welcher der Erde angehort. (uio.) Ton, Gefiihl, Sichtbarkeit und Geschmack (lies : 7'asa) sind die Qualitaten des Wassers ;

44. die Wissenschaft vom Geschmack aber will ich mit- teilen; der Geschmack aber ist von vielerlei Art, (uii.) als siifser, saurer, stechender, bitterer, herber und salziger;

45. in dieser Weise ist der dem Wasser angehorige Ge- schmack von sechsfacher Verbreitung. (1412.) Ton, Gefiihl und Sichtbarkeit, diese drei Qualitaten hat das Feuer.

46. Die Eigenschaft des Feuers ist die Sichtbarkeit, die Sichtbarkeit aber ist von vielerlei Art, (i4i3.) als weifs, schwarz, rot, blau, gelb und rotlichgelb,

47. als kurz, lang, diinn, dick, viereckig und rund. (1414.) In dieser Weise ist die dem Feuer angehorige Sicht- barkeit von zwolffacher Verbreitung.

48. Dies soil man erkennen, wie es von den alten, pflicht- kundigen, wahrheitredenden Brahmanen gelehrt worden ist. (1415.) Ton und Gefiihl, durch diese beiden wird der Wind als zwei Qualitaten habend gelehrt.

49. Die Eigenschaft des Windes ist das Gefiihl, das Ge- fiihl aber ist von vielerlei Art, (1416.) als rau, kalt und warm, zart und geschmeidig,

50. als steif, schliipfrig, glatt, schleimig, hart und weich. (1417.) In dieser Weise ist die dem Winde angehorige Qualitat von zwolffacher Verbreitung [nur elf waren genannt] gelehrt worden

51. der Kegel gemafs von vollkommenen, pflichtkundigen, wahrheitschauenden Brahmanen.

52. (1418.) Der Ather hat nur eine Qualitat, und als diese gilt die des Tones; die vielen Qualitaten des Tones will ich ausfiihrlich mitteilen.

53. (1419.) Sie sind Tonika, Sekunde, Terz, Quart, Quinte, ferner Sexte und Septime, (1420.) angenehmer Ton und un- angenehmer und ein solcher, der aus Teilen zusammengesetzt ist [ein Akkord].

54. In dieser Weise ist der aus dem Ather entspringende

Adhyaya 50 (B. 50). 991

Ton als zehnfach zu verstehen. (1421.) Der Ather ist das oberste Element, iiber ihm steht der Ahankara,

55. iiber dem Ahankara die Buddhi, iiber der Buddhi der Atman, (1422.) iiber diesem das Unentfaltete, iiber dem Unentfalteten der Purusha.

56. Wer diese Bangs tufe der Wesen kennt und zugleich die Reihenfolge aller ihrer Funktionen, (1423.) der wird zum Selbste aller gewordenen Selbste und geht ein zu dem un- verganglichen Selbste.

So lautet in der Anugtt^ der fUnfunddreifsigsto Adhyiya.

Arthyaya 51 (B. 51).

Vers 1424-1477 (B. 1-52).

Der Gott Brahman sprach:

1. (1424.) So wie das Manas der Beherrscher jener liinf Elemente ist und wie beim Vergehen und Entstehen das Manas der Element -Atman ist,

2. (1425.) so ist das Manas auch allezeit der Lenker der grofsen Elemente ; die Buddhi proklamiert die Herrschaft, und der, der sie iibt, wird der Kshetrajna genannt.

3. (1426.) Das Manas schirrt die Sinnesorgane an, wie gute Pferde der Wagenlenker; die Sinnesorgane, das Manas und auch die Buddhi werden allezeit vereinigt unter der Herr- schaft des Kshetrajfia.

4. (1427.) Auf diesen von grofsen Pferden gezogenen und von der Buddhi gelenkten Wagen steigt jener Element-Atman und fahrt nach iiberall bin.

5. (1428.) Durch die Schar der Sinnesorgane gezogen, das Manas als Wagenlenker und die Buddhi als Ziigel habend, so besteht immerdar der grofse, brahmanartige Wagen.

6. (1429.) Wer in dieser Weise als Wissender allezeit den brahmanartigen Wagen kennt, der unter alien Wesen ist weise und verfallt nicht in Verblendung.

7. (1430.) Vom Unentfalteten an bis zu den Vigesha's sich erstreckend, alles Unbewegliche und Bewegliche befassend,

992 IV. Auugita.

einen Anblick gewahrend gleich dem Glanze der Sonne und des Mondes, mit Planeten und Sternbildern geziert,

8. (1431.) iiberall mit Flufsnetzen und Bergketten ausge- schmiickt und allerwarts durch mancherlei Gewasser ver- schonert,

9. (1432.) alle Wesen ernahrend und alles, was Odem hat, erhaltend, so ist der ewige Brahmanwald und in ihm wandelt der Kshetrajna.

10. (1433.) Alle Wesen, wie sie in dieser Welt sind, be- wegliche und unbewegliche, diese sind es, welche zuerst zu- grunde gelien, und nach ihnen die aus den Elementen stam- menden Eigenschaften, (1434.) und nach den Eigenschaften die fiinf Elemente, so ist die Stufenfolge der Wesen.

11. Gotter, Menschen, Gandharva's, Piqaca's, Damonen und Rakshasa's, (1435.) sie alle sind durch ihre eigene Natur geschaffen, nicht durch Tatigkeiten oder die Verursachung [eines Schopfers].

12. Auch jene weisen Weltschopfer werden hienieden immer wieder und wieder geboren, (1436.) und die, welche von ihnen in jenen fiinf grofsen Elementen erzeugt werden, die gehen mit der Zeit wieder zugrunde, wie die Wellen in dem Ozean.

13. (1437.) Aber von den selbst auch entstandenen Welt- schopfern stammen die grofsen Geschopfe allenthalben. Aber nur wer von alien fiinf Elementen sich befreit hat, geht den hochsten Gang.

14. (1438.) Der Herr, der Schopfer, hat diese ganze Welt durch sein Manas erschaffen; aber auch durch das Tapas sind die Weisen zu den Gottern hinaufgelangt.

15. (1439.) Und durch die Stufenfolge des Tapas werden die, welche nur Friichte und Wurzeln essen, nachdem sie durch ihr Tapas zur Vollkommenheit gelangt sind, schon hienieden die Dreiwelt im Zustande der Meditation schauen.

16. (1440.) Auch Heilkrauter, Arzneien und mancherlei Wissenschaften allerwarts werden durch das Tapas zustande gebracht, denn ein solches Mittel hat als Wurzel das Tapas.

17. (1441.) Alles, was schwer zu erlangen, schwer zu lehren, schwer zu bezwingen, schwer zurechtzubringen ist, das alles

Adhy&ya 51 (B. 51). 993

ist durch Tapas vollbringbar, denn das Tapas ist schwer zu iiberbieten.

18. (1442.) Der Branntweintrinker, der Brahmanenmorder, der Dieb, der Toter der Leibesfrucht, der Beflecker des Bettes des Lehrers, sie alle werden durch wohlentziindetes Tapas von ihrer Siiiide erlost.

19. (1443.) Menschen, Vater, Gotter, Haustiere, Waldfiere und Vogel und was sonst noch an Wesen, beweglichen und unbeweglichen , vorhanden ist,

20. (1444.) sie alle schatzen Tapas als Hochstes, sie alle erlangen durch Tapas stets die Vollendung, und auch die mit grofsen Wunderkraften ausgeriisteten Gotter sind nur durch das Tapas zum Himmel gelangt.

21. (1445.) Diejenigen, welche unermiidlich von Wiinschen begleitete Opferwerke vollbringen und mit Ichbewufstsein be- haftet sind, gelangen nur bis zu Prajapati.

22. (1446.) Die aber, welche durch eine reine Hingebung an die Meditation selbstlos und ohne Ichbewufstsein sind, diese Hochsinnigen erlangen die grofse, die hochste Welt.

23. (1447.) Hingebung an die Meditation iibend und alle- zeit beruhigten Geistes, gehen in das Unentfaltete mit seiner Fiille von Freuden die vollkommenen Atmankenner ein.

24. (1448.) Und von der Hingebung an die Meditation aus- gehend, gelangen sie, frei von Selbstsucht und Ichbewufst- sein, schon hienieden zu dem Unentfalteten , der hochsten Welt der Grofsen.

25. (1449.) Und aus dem Unentfalteten wiederum geboren und zum Bewufstsein der Gleichheit [mit alien Wesen] ge- langend, wird Er, von Tamas und Rajas befreit und nur dem reinen Sattvam hingegeben,

26. (1450.) erlost von allem Bosen, die Welt samt und senders abstreifend, und das ist der Kshetrajna, das soil man wissen; wer diesen weifs, der ist vedafest.

27. (1451.) Von einer Erkenntnis zur andern vordringend, moge der Weise dasitzen voll Selbstbeherrschung, dann wird er sicherlich zu dem, was er erkennt, zu jenem geheimnis- vollen Ewigen.

Deussen, Mab&bbdratam. G3

994 IV. Anugita.

28. (1452.) Alles, von dem Unentfalteten an bis herab zu den Vigesha's, hat als Merkmal das Nichtwissen, als solches sollt ihr diese Welt wissen, und dafs ihr Charakter durch die Guna's bedingt ist.

29. (1453.) Zwei Silben bedeuten den Tod, drei Silben das ewige Brahman, mama (mein) bedeutet den Tod, na mama (nicht mein) das Ewige.

30. (1454.) Manche Menschen, die sich eines tragen Denkens erfreuen, preisen das Werk ; aber die hochherzigen Alten preisen das Werk nicht.

31. (1455.) Durch das Werk entsteht der Mensch mit seinem Korper, mit seinen sechzehn Teilen [cf. Chand. Up. 6,7,1 ; (^vet. Up. 5,14; Mund. Up. 3,2,7; Pragna Up. 6 und unsere einleiten- den Bemerkungen dazu Sechzig Upanishad's, S. 571] ; aber das Wissen schliirft den Purusha, das ist der Trank derer, welche Amritam geniefsen.

32. (1456.) Darum kleben nicht mehr an den Werken alle die, welche das jenseitige Ufer schauen ; aus Wissen bestehend ist jener Purusha, nicht aber aus Werken bestehend.

33. (1457.) Wer dieses weifs, wer den unsterblichen, ewigen, unfafsbaren, immerwahrenden, unverganglichen, freien, unver- flochtenen Atman kennt, der ist nicht mehr sterblich.

34. (1458.) Wer den uranf anglichen, unerschaffenen, ewigen, unzweifelnden Atman erlangt, den unangreif baren , Amritam essenden, (1459.) der wird unangreif bar und unsterblich und steht aus diesen Griinden fest.

35. Alle Lebenseindriicke iiberwaltigend und sich selbst in sich selbst ergreifend, (1460.) erkennt er jenes schone Brah- man, iiber welches hinaus nichts mehr zu wissen bleibt.

36. Und wenn sein Sattvam erst zur Ruhe kommt, er- langt auch er die voile Ruhe; (I46i.) das Kennzeichen der Ruhe aber ist, dafs er [das Dasein] wie einen Traum betrachtet.

37. Dieses ist der Weg der Erlosten, die festgewurzelt im Wissen sind, (1462.) und alle Begebenheiten , wie sie da sind, sie sehen sie an als dem Veranderlichen angehorig.

38. Dieses ist der Weg der Leidenschaftslosen , dieses ist die ewige Satzung, (1463.) dies ist, was die Erkennenden erlangen, dies ist das untadlige Verhalten.

Adhyaya 51 (B. 51). 995

39. Wer gleichmiitig gegen alle Wesen, wer ohne Be- gierde und ohne Wunsch ist, (1464.) wer uberall ein und das- selbe sieht, der kann diesen Weg gehen.

40. Dies alles ist euch von mir erklart worden, o ihr Besten der Brahmanenweisen, (i465.) und dementsprechend un- gesaumt richtet euren Wandel ein, dann werdet ihr die VoU- kommenheit erlangen.

Der Guru sprach:

41. (1466.) Nachdem jene Muni's in dieser Weise von Gott Brahman als Lehrer belehrt worden waren, handelten die Hochherzigen demgemafs und erlangten infolgedessen die Himmelswelt.

42. (1467.) Und auch du, o Gliicklicher, mogest dich nach dieser von mir mitgeteilten Rede des Gottes Brahman voll- standig richten, o du Geistigreiner , dann wirst du die Voll- endung erlangen.

Vasudeva (Krishna) sprach:

43. (1468.) Das ist die Eede, durch welche damals jener Schiller von seinem Lehrer belehrt wurde; er erfiillte voll- standig die hochste Pflicht, o Sohn der Kunti, und erlangte darauf die Eriosung.

44. (1469.) Und nachdem sodann der Schiiler das Ziel er- reicht hatte, so gelangte er, o Sprofs der Kurufamilie, zu jener Statte, wo man kein Leid mehr empfindet.

Arjuna sprach:

45. (1470.) Wer war denn jener Brahmane, o Krishna, und wer war jener Schiller von ihm, o Menschenbedranger ? Wenn es mir geziemt, dieses zu horen, so sage es mir an, o Herr.

V&sudeva sprach:

46. (1471.) Ich selbst [d. h. der Atman] war der Lehrer, o Grofsarmiger , und das Manas sollst du als jenen meinen Schiiler wissen. Und aus Liebe zu dir habe ich dir jenes Geheimnis mitgeteilt, o Gutgewinner.

63*

996 IV. Anugita.

47. (1472.) "Wenn deine Liebe allezeit mir zugewandt ist, o Sprofs der Kurufamilie, dann mogest du, nachdem du in betreff des Atman dieses vernommen hast, vollig danach leben, 0 Geliibdetreuer.

48. (1473.) Dann wirst du, o Feindbedranger, nachdem du diesem Gesetze geraafs vollstandig gelebt hast, von allem Bosen befreit, die absolute Erlosung erlangen.

49. (1474.) Schon vormals habe ich dir dieses mitgeteilt, als die Zeit des Kampfes bevorstand, darum, o Grorsarmiger, nimm es dir zu Herzen.

50. (1475.) Aber es ist schon lange her, o Bester der Bharata's, dafs ich meinen Herrn Vater gesehen habe; ihn mochte ich mit deiner Erlaubnis besuchen, o du unter dem Phalgunigestirn Geborener.

Vai^ampayana sprach :

51. (1476.) Zu Krishna, als er dieses Wort gesprochen hatte, versetzte er, der Gutgewinner: Noch heute, o Krishna, gehen wir zusammen zu der nach den Elefanten benannten Stadt [Hastinapuram].

52. (1477.) Dort wirst du mit dem gesetzestreuen Konige Yudhishthira zusammenkommen , und nachdem du dich von dem Konige verabschiedet hast, magst du nach deiner Vater- stadt wandern.

So lautet in der Anugit^ der sechsunddreifsigste Adhyaya.

INDEX

BEMERKENSWERTER NAMEN UND BEGRIFFE.

(Die Zahlen verweisen auf die Seiten des Werkes.)

A.

Abhauen von Baumen bei Mondwech-

sel verboten 506. Abschreckungstheorie 447 fg. Abwartsstromende (avdksrotas) durch

Tamas 950. Abzeichen wertlos 677. dcdra 177 fg. dgrama's (Lebensstadien), vier 170 fg.

173 fg. 343. 463 fg. 712 fg. 946;

Lebensrichtungen 542 fg. A^vattha 92 fg.

Agvatthaman, Sohn Drona's 33. Adern 259.

adhydtman (das innere Selbst) 180 fg. Agastya, der Rishi, von Nahusha ge-

tretea 808. Agni, Feuer, Gott des Feuers. Ahalya von Indra vergewaltigt 803. ahankdra (der Ichmacher), Ichbewufst-

sein, Egoismus, psychisch und kos-

misch 48. 145 fg. 611. 774. 775;

= Brahman 834; = Prajapati 959. ahihsd (Nichtschadigung) 927 fg. 986;

vgl. Opfer. Airdvana (Airdvata), Elefant Indra's ^ 291. 307. Ajagara, unterredet sich mit Prahr&,da

132 fg. Akkumulationstheorie 337. 989; vgl.

Mischungstheorie.

Aktivitat und Passivitat (pravritti und nivritti) 776. 783 fg. 788 'fg. 790. 792. 839. 840. 848. 984. 994.

Alarka als Bekampfer des innern Feindes 932 fg.

Allegorien 347 fg. 350 fg. 393. 400 fg. 538. 597. 603 fg. 694. 729 fg. 730. 923 fg. 944 fg. 965. 972 fg. 981. 992.

AUgegenwart durcb Atmanerkenntnis 944. 981.

Almosen 9 fg. usw.

Alte Jungfern 691.

dmdgaya 156.

Amritam, Unsterblichkeitstrank (vgl. Ambrosia und Nektar der Griechen) 74 usw. usw.

Angehorigkeit 548.

Auhanglichkeit an die Welt (saflga) 44. 46. 47. 48. 52. 56 usw.

Aniruddha (Sohn Pradyumna's, Enkel Krishna's), vierter Vyftha (s. d.) des Vishnu, dem Ahankara entsprechend 773. 786; Vater des Gottes Brah- man 776.

dnvikshiki 662. 663.

Apdna (nach unten gehend) 962 ; vgl. Prana's.

Aranyaka% Anhange der Brahmana's des Veda, in der Kegel die Upani- shad's einschliefsend 771.

998

Index bemerkenswerter Namen und Begriffe.

Arjuna,dritterSohndesPan(}u, Stamm-

vater des Abhimanyu, Parikshit,

Janamejaya 33 fg. usw. ; Arjuna und

Krishna identifiziert mit Nara und

NS,rayana 798. Arjuna Kartavirya 929 fg. Arundhati (Stern) 658. Arzte, Polemik gegen sie 738. dsanam 59. Asita Devala 74 (das Komma ist zu

tilgen) 327 fg. 478 fg. Askese (tapas) 12 fg. 98. 267. 284 fg. ^ 570. 992 fg.

Asuri (Lehrer des Panca^ikha) 271. Atemhemmung (prdndydma) 53. AtharvaQiras-Upanishad 769. Atharvan 16. Atman (das Selbst, die Seele) 43. 48.

979. 994 usw. ; sieben Atman's 337. Aiigenbrauenpunkt 57. 67. 212. Auslander, als Schmach des Landes

723. Avatdra'^ (die Verkorperungen des

Vishnu, ihre Zahl schwankt) 779.

853. " Avyaktam (das Unentfaltete, Unoffen-

bare) = Prakriti (s. d.) 65. 730. 957.

969 usw. Ayurveda (vedische Heilkunde) 795.

B.

Badari (Einsiedelei des Nara und

Narayana) 748. 749. 780. 819. 821. balam (Kraft) als sechstes Tatorgan

480. Bali (Damon) 137. 290 fg. 307 fg. 777. Bana, Sohn des Bali 778. Begattung, wahrend der Periode ver-

boten 507. Beispielsammlungen aus der Ge-

schichte 344 fg. usw. Bergnamen 966. Bescholtene Gewerbe 566. Besitzlosigkeit geriihmt 123 fg. usw. Bestattung, ruhmliche 581. Bhagavata's 783. 823. 826; vgl. Ekan-

tin's, Pancaratra's und S&tvata's.

Bhagavadgita 842; vgl. Harigita.

Bharadvaja 144 fg. 809.

Bharata, Staramvater der Kuru's; Bharata's, die Nachkommen des B. ; Bharata, ein Nachkomme des B.

Bhdratam varsham (Land der Bhara- ta's, Indien) 708.

bhdvdh (Zustande) 64. 73.

bhikshu 379 fg.

Bhima (zweiter Sohn des Pan4*i) 33 fg.

Bhishma (Sohn des Qantanu von der GaiSga) 33 fg. usw.; sein Sterben beim Nordgang der Sonne 609.

Bhrigu 144 fg.

bhuta's, s. Elemente.

Bhutdtman {Eleraent-Atmani) 181. 214. 222. 224. 360. 361. 399. 579. 612. 909. 926. 991.

Bodhya 130 fg.

Boses, sein Ursprung 49.

Brahmacdrin 19 fg. 370 fg. 975.

brahmacaryam (Brahmanwandel) 19. 258. 921.

Brahman neutr. (das weltschopferische Prinzip) = Prakriti 89; brahman und kshatram 801 fg. ; vgl. Wort- brahman.

Brahman masc. (das personifizierte brahman, im Mahabh. Sohn des Vishnu) 775. 776 ; seine sieben Ge- burten 836. 842 fg.

Brahmanen, ihre Macht 803 fg.; der wahre Brahmane 9.

Brahmanenmord , s. Brahmavadhyd.

Brahman's Tag und Nacht 68.

brahmasutra 86.

Brahmavadhyd (Brahmahatyd) 503 fg. 505 fg. 806. 808.

Brihaspati 521 ; sein Gesetzbuch 757.

Buddhi (Erkenntnis) im System = Mahdn, Mahdn Atmd (selten Ma- hat sc. tattvam) 103. 386 fg. 388 fg. ; kosmisch und psychisch 182 fg. ; unterschieden vom Mahan 969 ; im Korper allgegenwartig 535 ; als Weis- heit des Narayana, weltschaifendes Prinzip 851.

Index bemerkenswerter Namen imd Begriffe.

999

Buddhismus, heilige Wahrheiten 888; Buddhisten 273 fg.

C.

^aci (Gemahlin des Indra) 806 fg.

gaivya 33.

g&kha's (Vedaschulen) 814.

Qakra, Beiname Indra's.

Cakradhara's 887.

Qambhu (Qiva) als Weltschopfer 610 ;

= Atman 647. Qampaka 122.

Candala's (Unterart der Qftdra's) 140. gariram 337 ; vgl. Leib. Qatapatha-Brdhmanam 661. 662. 802. ^aunaka, sein Opfer 783. Cekitana 33.

cetand (Bewufstsein) 277. 537. Chinesen (cma) 708. ^i^upala 779. Qikhanda's 508 Anm. Qikhandin 34.

Qikshd (Phonetik) 814. 837. Cirak^riu (der langsam Handelnde)

437 fg. CitraQikhandin's, aufgezahlt 755. Cittam (Manas) 279. 342. 383. 693.

876; vom Manas unterschieden 480. Qiva (vgl. Eudra und Qambhu)^ Ge-

mahl der Umd (Pdrvati), neben

Vishnu und Brahman die dritte

oberste Gottheit 553 fg. 703 fg. ; mit

Vishnu identisch 817 ; =Kala818;

seine Blauhalsigkeit 803. 815. qraddhd 434 fg. gravanaphalam 106 usw. gri (Glucksgottin) 298 fg. 318 fg. grivatsa 809. 817. gruti, die heilige Uberlieferung des

Veda, in Anpassung an okziden-

tale Anschauungen durch „Schrift"

iibersetzt. gudra 3. 575 usw.; milde zu behan-

deln 563 fg.; als Lehrer 668; Er-

losung auch fiir ihn 904. guka (SohnVyasa's) 126. 333 fg. 692 fg.

702 fg.

gukra (Planet Venus, Same) 555. 562. gunahgepa 562.

Qvetadvipa 735 fg. 760 fg. 768 fg. 782. 817. 820 fg.

D.

Dadhica, seine Knochen 805.

Dadhici 516 fg. 815.

Daksha (ein Praj&pati) 234. 510 fg.

515 fg. 803. 809 fg. 815. 845 ; = Ka

238. Damonische Menschen 95 fg. D&nava's 241 usw. Devaydna (Gotterweg) 121. 947 ; mifs-

verstanden 68 fg. 579. 609. dhdrdna's (Fesselungen des Manas

im Yoga) 351. 595. 597. Dharma, in Gestalt der Gazelle 473. Dhrishtadyumna 34. Dhrishtaketu 33. Dhritarashtra (Sohn des Vicitravirya

und des Vy^sa von der Ambika,

blinder Konig der Kuru's) 3 fg.

33 fg. Dialektik, getadelt 141. 384. 856. Dirghatamas, seine Geschichte 799. Diti, Tochter Daksha's 234. 242. Draupadi (Gattin der fiinf Pandava's);

ihre Sohne 33 fg. Drona 35. Drupada (Vater der Draupadi) 33 fg.;

sein Sohn (Dhrishtadyumna) 33. Duryodhana (Sohn des Dhritarashtra)

33. 35. Dyumatsena 445 fg. Dva,para, s. Yugam. Dvaraka (Stadt des Krishna) 778.

779. 885.

E.

Echo, seine Entstehung 746. Egoismus des Hausvaters 569. Ekdntin's (die dem Vishnu allein Er-

gebenen) 841 ; selten zu finden 846;

Verschwinden uud Wiederaufkom-

men ihrer Lehre 842 fg. ; vgl. Bh&ga-

vata's.

1000

Index bemerkenswerter Namen und Besrriffe.

Ekata, Dvita, Trita 758 fg. 771. 778.

799. Eleinente (bhiitdni, mahdbhutdni) 145.

149. 150. 181. 385 fg. 960; als Wel-

tenstofF 478 fg. ; iin Leibe 479 ; ihre

Qualitaten 181. 402; Elemente, Or-

gane, Objekte und Schutzgottheiten

961 fg. 963. 968 fg. Embryologie 684 fg. 736 fg. 895. 918. Entsagung 14. 85. 100 fg. usw. ; E. und

Erkenntnis 968. 980 fg. Erfordernisse der Rede, fiinf 680 fg. Erkenntnistheoretisches 480 ; vier Pra-

mana's 194. Erlosung 898 fg. 981 ; als Befreiuug

des Purusha von der Prakriti 631 fg. ;

audi fiir den ^udra 904. Eschatologisches 209. 826. 893 fg. 993;

Gang zur Sonne nach dem Tode 740;

den Organen entsprechende Statten

nach dem Tode 658. Etymologien der Namen Vishnu's

798 fg. 811 fg.; von Vasudeva 840. Evolutiqnsstufen 246 fg. 611. 626 fg.

642. 990 fg. ; vgl. Prinzipien. Extreme, geriihmt 114.

F.

Farben der Zustaade der Seele 493 fg.

497 fg. Fastenbufse (kricchra) 258. Fehler 95.

Fieber 502 fg. 513 fg. Fleischesseu 134. 140. 178. 323. Fliege und Feigenblatt, Fisch und

Wasser (Purusha und Prakriti)

635 fg. 983 u. 6. Freigebigkeit, empfohlen 561 fg. Freiheit, die wahre 550. Freundschaft 24.

G.

GS,lava 542 fg.

Gandiva (Bogeu des Arjuna) 36.

Gaiiga 318 u. 6.

Gafigadvara 511. 515.

Geben 98 fg.

Gebetsmurmeln 189 fg. 192. 193 fg. 195 fg. 210 fg.

Geburtsstunde, Stern dabei 141.

Gegensatze der Lehrmeinungen 984 fg.

Gerechtigkeit, vierfiifsig 334. 791. 946.

Geruch usw., eingeteilt 990.

Geschlechtslust 120. 322.

Gesellschaft, schlechte und gute 545 fg.

Gesetz als Erfindung der Schwacheu 414.

Gewissen 559.

Ghritaci (Apsaras) 704 fg.

Glaube 65. 97 u. 6.

Gleichmiitigkeit 59. 91 fg. usw.

Gluck 10.

Gnade 265.

Gotteraufzahluug 238 fg.

Gottheiten als Opferfeuer 908.

Gotterweg, s. Devayana.

Grihastha (vgl. dgrama's) 372 fg. 453 fg.

guda (Verdauungskaual) 155.

Guha (= Skanda, Kriegsgott) 584.

Guna (Faktor, Qualitiit). Die drei Gwwrt's (Sattvam, Rajas, Tamas), aus denen die Prakriti besteht, sind die Faktoren, deren Produkte alle Evolutionen der Prakriti sind; oft abgeblafst „Qualitaten" 42. 46. 48. 51. 64. 87. 88. 90 fg. 182 fg. 253. 278 fg. 387. 536 fg. ; aus dem Atman stammend 538; als weifs, rot, schwarz 613. 645. 649 fg. ; als Feinde zu iiberwinden 935 fg. ; sich paarend 948. 955 ; ihr Wirken an der Sonne erlautert 956; als Prinzipien 627. 630. 644; = Vi^esha's 643. 786; Fesseln 864; vgl. Erlosung.

H.

Haha und Huhu (Gandharven) 515.

706. Hara = ^iva. Hari = Vishnu. Hari (Bergname) 708. Harigita (vgl. Bhagavadgita) 831. 846. Harita 486.

Index bemerkenswerter Namen uad Begriffe.

1001

Hausvaterstaud s. Grihastha.

Hemmuisse des Yoga, funf 363. 477.

Herz 388.

Herzensknoten 587.

Himalaya 174. 222.

Himmel 8; keine Befriedigung ge- wahrend 894.

Hiranyagarbha ( Erstgeborener der Schopfung, Urquell der Weisheit; = Brahman) 644; = Buddhi, Mah&n, Virinci 610; Urheber des Saiikliyam 637; Urheber des Yoga 855.

HiranyakaQipu (ein Damon) 804.

Holien, symbolisch 194. 210.

Hunnen [huna) 708.

I.

Identitat der Wesen 56 fg.

Igvara (der „Herr", der personliche

Gott) 50; auf Egoismus beruheud

253. 383. 630. Ikshvaku (Stammvater der Sonuen-

dj'nastie, Sohn des Manu Vaivas-

vata) 50. Indra (Konig der Gotter) 137 fg. ; seine

Flucht und Riickkehr 806 fg. indriya's (die fiinf Sinnesorgane und

funf Tatorgaue) 278. 961; zu be-

siegen 940; als Lampe 538; kenuen

sich gegenseitig nicht 912; als zehn

Opferpriester 908; als sieben Opfer-

priester 911. 914.

J.

Jaigishavya 327 fg.

Jajali 418 fg.

Jamadagni 930 fg.

Jauaka (Konig von Mithila) 47. 130.

270 fg. 937; legt wegen Erkenntnis

seine Herrschaft nieder 669; J.

Dharmadhvaja 673 fg. ; vgl. Karala-

janaka. Janamejaya, Konig, Nachkomme des

Arjuna, dem Vaigampayaua beim

grofsen Schlangenopfer das Maha-

bharatam erzahlt.

Janardaua (.Meuschenqualer, Beiuame

Vishnu-Krishna's) 36 fg. Jarasandha 778. Jiva (individuelle Seele; ihr entspricht

Sankarshana, s. d.) 156 fg. 158 fg.

368. 773. 892. jndna-dtman (Erkenntnis - Selbst) =

Purusha 248. Jyeshthasdman-Geliihde 845. Jyotisham (Vedakalender) 795.

K.

Ka (Beiname Prajapati's) 662. 663.

Ka(;i (Benares) 33 fg.

Ka^yapa (Kagyapa) 137 fg. 234 fg. 238.

Kala (die Zeit als zerstorende Gott- heit) 293 fg. 309 fg. ; Rad der Zeit 973; vgl. Zeitalter, Zeit.

Kalayavana 778.

Kali, s. Yugam.

Kalpa (Weltperiode von einer Welt- schopfung bis zur entsprechenden Weltvernichtung reichend) 70 u. 6. 493; vgl. Weltschopfung , Weltver- nichtung, Yugam.

Kama (Begierde) 127 fg.

Kaiisa (Konig von Mathura, von Krishna erschlagen) 778.

Kapila, nrspr. = Hiranyagarbha, dem personlichen Brahman 598. 776. 814 (von Hiranyagarbha unter- schieden 855); als Urquell der Weisheit mythischer Urheber des Sankhyasystems 75. 270. 271. 449. 857; seine Lehre 707; K. usw. als geistige Sohne Brahman's 790.

Karalajanaka 609.

Karna (Heerfiihrer) 33.

Kasten fvarnfl , jafij 162 fg. 164 fg.; ihre Pflichten 104. 563 fg. 566 fg. 575; ihre Schopfung 235; ihre Ver- mengang 37; Mischkasten 573; auf- gehoben 72; vgl. Brahmanen, Ksha- triya, Vai(;ya, ^ddra.

Kau^ika 803.

A7efa's 114.

Konigtum, seine Schattenseiten 686 fg.

1002

Index bemerkenswerter Namen und Begriffe.

Kosmographisches 146 fg.

Korperteile voa Vater und Mutter 620; vgl. Leib.

Korperfeuer 161.

Kramapatha (eine besondere Methode, den Veda zu rezitieren) 814.

Krahe und Palmfrucht 126.

Kripa 33.

Krishna (Vasudeva), Sohn des Vasu- deva und der Devaki, Bruder des Balarama, schon im Mahabharatam eine Inkarnation Vishnu's 33. 35 fg. 233. 243. 245. 885 fg. usw.; seine Geburt in Mathura 778; ihm feind- liche Stamme 236.

Krishna Dvaip&yana, s. Vya,sa.

Kritam, s. Yugam.

Kshatriya (Kriegerkaste = kshatram, Eajanya) 9 usw.; Pflichten 41. 577; von Rama ausgerottet 931.

Kshetrajna („Ortskenner", Subjekt des Erkennens, das hochste Prinzip = Purusha) 86 fg. 161. 181 fg. 250. 267. 271. 280. 350. 353. 368. 383. 387. 389. 390. 477. 480. 535. 536. 537. 538. 627. 630. 652. 773. 774. 790. 812. 941. 942. 969 fg. 982. 993; individuell gefafst 606; = antardtman 750. 751; mit Vasu- deva identifiziert 826. 846. 860. 923, 929; Kshetrajna und Sattvam (vgl. Purusha und Prakriti) 983. 986 fg. ; Gleichnisse daruber 987 fg. ; Kshetrajna, Buddhi, Manas, Siune 991; vgl. sdkshin.

Kshetram („Ort", der Leib) 86 fg. u. o.

Ku^alin 559.

Kii(;asthali (Stadt) 778.

Kuhgewinner {govinda = Krishna) 36. 39 u. 0.

Kun4adhara 466 fg.

Kuntibhoja 33.

Kuru, Stamm vater der Kuru's und Pandava's.

Kuruiand 33.

Kunti = Pritha, Mutter des Yudhish- thira, Bhima und Arjuna 84 fg. u. o.

L.

Laster 13 fg. 23. 24 usw.

Lebensstadien, s. dgrama's.

Lehrbiicher 542.

Leib 578; geschildert 601; pessi- mistisch 730. 965; als Aggregat der Elemente 360. 534 fg. ; Pforten, vier 590; seine dreifsig Qualitaten 683 der feine Leib (vgl. Lingam) 655. 908; vgl. Korperteile, Korperfeuer.

letale Stellen (marman) 891 fg.

Lingam (der feine Leib, s. d.) 27. 297. 625; = Korper 220. 223.

Literaturkreis 215; vgl. Aranyakam, Brahmasutra's, Qatapatbabrahma- nam, Puranam, Vedasutram, Wissen- schaften, Yajnavalkya.

Lockiger {guddkega = Arjuna) 35. 39 usw.

Lust und Schmerz 113 u. o.

M.

Madhava (Krishna) 34. 36 u. o.

Madhu (Damon) 234; und Kaitabha 835 fg.

MadhusGdana (Madhutoter = Krishna) 36. 38 usw.

Mahabharatam, als fiinfter Veda 785; von Vyasa verfafst 831 ; besteht aus hunderttausend Versen 819.

mahdbhutdni, s. Elemente.

Mahdn, Mahdn Atmd (in der Begel = Buddhi, s. d.) 145. 390. 481. 610. (verganglich 612.) 790. 902. 957 fg. 964. 966. 988; hoher als jndnam und buddhi 225-, = Purusha 248 ; als fiinfundzwanzigstes Prinzip (s. d.) 619. 627. 634.

Mahdniyama (eine Askese) 787.

Manas als Regierer der Erkenntnis- organe dem Verstand, als Lenker der Tatorgane dem (bewufsten) Willen entsprechend 60 fg. 773; beim Yoga 188. 212; weltschaffend 249; als Zustand der Buddhi 536; als Organ des Sehens usw. 646; als Zentralorgan 682; mit den In-

Index bemerkenswerter Namen und Begriffe.

1003

driya's sich gegenseitig bedingend

912 fg.; mit Buddhi 968; mit Ahan-

kara und Buddhi 968. Mdnasa 145 fg. 148. 161. Manenklassen 454. 775. Manibhadra 467 fg. MaBki 125 fg. 137. Manovaha, eine Ader 259 fg. Manu 50. 73; sein Gesetzbuch 757;

M. Svarocisha 844. Mannlowe 804; vgl. Vishnu. Martanda, Geburt aus der Aditi 809. Materialismus 272 fg. Maya 10. 50. 64. 106. 140. 774; von

Vishnu ausgehend 255. Meditation 6 u. o. Menschsein, erfreulich 580; ein Un-

gluck 617. 727. Mem 148. 509. Mischkasten, s. Kasten. Mischungstheorie 397; vgl. Akkumu-

lationstheorie. Mithim (vgl. Janaka) 130. 483. Mitleid 261. 308. 316. Moralisches 640 fg. 872 fg. 974; vgl.

Sitten, Stromungen, Tugenden. Muni (Schweiger, Einsiedler) 18. 43.

58 usw. Mutter, gepriesen 440.

Nahrung und Schlaf 59 fg.

Nahusha (alter Konig, Sohn des Ayus, Vater des Yay&ti, Stammvater der Kuru's und Yadu's, zu denen Krishna gehort) 130. 427. 449. 806 fg.

Naighantukam 813.

nakshatra''s (Sternbilder, Mondhauser) 809.

Nakula (vierter Sohn des Pandu) 34.

Namensammlungen 311. 376 fg.

Namuci 137. 303 fg.

Nandin (Diener Q'iva's) 510. 512. 534.

Narada (mythischer Weiser) 74. 177. 330 fg. 405 fg. 516. 748 fg. 831.

Nar^yana (Name Vishnu's, besonders

im monotheistischen Sinne) 266.

270. 748 fg. 781. 919. Nastika (Nihilist) 273 u. o. Niruktam 812. Nirvdnam (Erloschen, Seligkeit) 45.

57. 59. 166. 174. 187. 189. 776.

784. 812. 899.

O.

Objekte als Opfergaben 908.

Om-Laut 64. 67 u. o.

0/M, Tat, Sat 99.

Opfer, umgedeutet 52 fg.; Polemik dagegen 429 fg.; ohne Wiinsche darzubringen 797; ohne Tiertotung auszufuhren 436 fg. 451 fg. 473. 759. 764. 791; Opfertier zum Him- mel eingehend 927; vgl. AhinsS,.

Organe, s. Indriya's.

P.

PaQupata's (Anhanger ^iva's) 533. 855.

Paderastie 324.

Vsikvkq&ya. 156.

Panca^ikha (alter Sankhyalehrer,

Schiller des Asuri) 270 fg. 671 fg.

675. 688. Pancala (Verfasser des Kramapatha,

s. d.) 839. Pa,ncaratralehre (PancarJitralehre) 755.

762. 780. 848. 855 fg.; vgl. BhSiga-

vata's. pancikaranam 812; vgl. Mischungs- theorie. P&ndava's (Sohne des Pindu: Yu-

(ihishthira, Bhlma, Arjuna, Nakula

und Sahadeva) 33. 34 usw. Par&?ara (Vater des Vyisa) 556 fg. Passivitat, s. Aktivitat. Perzeption als Opfer 906 fg. Pflanzen beseelt 151. Pflicht 413 fg. 416 fg. ; gegeu die Eltern

438 fg. Pinaka, Etymologie 553. Pinda's, ihr Ursprung 828 fg. Pifigaia, (Iletare) 117. Pitriy&,na (Vaterweg) 947; mifsver-

standen 68 fg.; vgl. Devay&na.

1004

Index bemerkcDswerter Namen und Begriffe.

Pradyumna (dritter Vyuha, s. d.); vgl. Aniruddha.

Pradestinatioa 896 fg.

Pradhdnam, s. Prakriti.

Prahrada 132 fg. 137." 286 fg. 717.

Prajapati (Personifikation des schopfe- rischen Prinzips) 46; einundzwaa- zig 751.

Prakriti { = Pradhdnam =Avyaktam, s. d.), die erkenntnislose Urnatur aus den drei Guna's besteheud 46. 48. 50. 86 fg. ,246 usw.; achtfach 63; P. und Purusha 88. 651 u. 6.; aus Brahman entsprungeu 896; aus dem Purusha 78G.

Pram&na's, s. Erkenntnistheoretisches.

Prana's (die fiinf Lebenshauche, die OrganederNutrition) : Prana, Apana, Vyana, Udana, Samana 152. 155. 256. 724. 906. 917. 960; P. und Ap&na (s. d.) 910; ihr Rangstreit 915 fg.; als Opferpriester 914.

Pranagnihotram 53.

Pritha, s. Kunti.

Prinzipien (der Sankhyalehre) , fiinf- undzwanzig 49 fg. 947; vierund- zwanzig 611; elf 398; das vierund- zwanzigste Prinzip 666 fg. ; der Funfundzwanzigste 612. 622. 623. 628. 629. 630. 633. 634 fg. 638. 665. 666 fg. 772. 774. 848. 982; der Sechsundzwanzigste 634 fg. 665. 666 fg.; vgl. Evolutionsstufen.

Psychischer Organismus 86.

Pulkasa's 140.

Pupillenbild 658.

Puranam 238; vedisches 661; = Bra,h- manam 795.

Purujit 33.

Purusha (= Kshetrajna, das reine Subjekt des Erkennens) 56. 66 fg. 86 fg. 94. 209; seine Vielheit und Einheit 856 fg. 859 fg. ; Identitat aller Purusha's 690; P. und Prakriti (vgl. Kshetrajiia und Sattvam) als Mann und Weib 620; widerlegt 623; beide voUig verschieden 636.

654; beide = Vishnu 834. 861; als iQvara 623; vgl. sdkshin.

R.

Rajas (Leidenschaft, was Unlust be-

reitet, s. Guna) 49. 61; arvdksrotas

951 fg. Rama (Sohn des Jamadagni) 875.

930 fg. Rangstreit zwischen Manas und Rede

909 fg. Rantideva 562. Rasa (Unterwelt) 838. Eathantaram 500. 517. Ratselfragen 591 fg. Raum und Zeit nicht real 984. Raumya's (Damonen) 518. Raupe ihr Gehause spinneud 614. Ravana und die Affen 778. Reizmittel beim Yoga, sarncodand

625; codand 656. rhetorische Regeln 681 fg. Rishi's, sieben 234. 237. Rofshaupt 769. 775. 792. 814. 833.

837 fg. Rudra (alterer Name fiir ^iva, s. d.),

sein Ursprung 774. 790. 796; mit

Isarayana identisch 797.

S.

Sadhya's („die zu Verehrenden", eine Gotterklasse) 587 fg.

Sahadeva, funfter Sohn des Pandu 34.

sdkshin (Zuschauer, Subjekt des Er- kennens) 387. 536; vgl. Kshetrajna, Purusha.

Samaiiga 539 fg.

Same 259 fg.

samkalpa (Funktion des Manas) 342.

samskdra (Einpragungen von einer friihern Geburt her haftender Ein- drucke) 973.

Sanatkumara 490 fg. 510. 727. 844.

Sanatsujata 3 fg.

Sanjaya 33 fg.

Sankarshana (Bruder Krishna's), zwei- ter Vyuha (s. d.) Vishnu's, dem

Index bemerkenswerter Nameu und Begrifife.

1005

Jiva eutsprechend (vgl. Pradyumna, Aniruddha) 234 u. 6.

Sankhyam (von saiikhyd, Reflexion), die an die Atmaulehre der Upani- shad's sich anschliefsende Re- flexionsphilosophie (im Gegen- satze zum Yoga, der reflexionslosen Vertiefung in das Selbst, den Atman), spater Name eines philo- sophischen Systems 41. 46. 55. 88. 101; Sankhyam und Yoga 190. 593. 633. 655; Sankhyatraditiou 637 fg. ; Saiikhya-Auhauger nach dem Tode 604 fg.

Sanuyasin (vierter dgrama) 58. 376. 377 fg. u. 6.

Sarasvata Apantaratamas als friibere Existenzform des Vyasa 835. 855.

Sarasvati (Gottiu der Rede) 149. 756.

Sattvam (erster der drei Guna's, was Lust erregt) 683; (urdhvasrotas) 953 fg. 983; = Manas 892; im Gegensatze zu den Guna's 360; ahulich wie Lingam 399; als Ver- treter der Prakriti 537. 983. 986 fg.

sdttviJca, vydmiqra, vaikdrika 847 fg.

Satvata's (eigentlich das Volk des Krishna, dann Name einer mouo- tbeistisch-vishnuitischeu Sekte; vgl. Bhagavata's) 779. 812. 844. 846. 849; ihre Lehre 754. 755.

Satyakasprofs (Yuyudhana) 34.

Satyam (Wahrheit, Kealitat) 166. 946.

Satyavant 445 fg.

Saubha (die Luftstadt) 778.

Sauti erzahlt dem ^'aunaka das von Vai^ampayana (s. d.) ihm tiber- lieferte Mahabharatani.

S&,vitri (die Sonnengottiu) 473.

Schildkrote und Glieder 44. 116. 964.

Schicksal 114. 143; Tat, Natur, Schick- sal 338. 357.

Schlaf 606.

Schmerz 257.

Schopfung 7.

schopferische Wesenheiten, acht, Ma- rici usw. 786.

Schrift, 8. (I'ruti,

Schutzgottheiten der Organe 648 fg.

Schwan {hahsa = Brahman) 587 fg.

Schweigen 11.

Seeleuwanderung 614. 638. 888.

950 u. o.; vgl. Vergeltung, Wieder-

geburt, Selbstmord 891. Selbstzucht 282 usw. Senajit 112 fg. Siddhi's (die durch den Yoga erlang-

baren acht iibernatttrlichen Krafte)

954. Sinnesorgane, s. Indriya's. Sitten , gute und schlechte 322 fg. ^

vgl. Moralisches. Smriti (die Tradition im Gegensatz

zu ^ruti, s. d.) 244 u. 6. Soma (Opfertrank, Mond) 809 fg. ;

s. Teil. Somadattasohn (Bhurigravas) 34. Sterbestunde 66 fg. 982; vgl. Tod. Sterne als abgeschiedene Seelen 463. Strafen, Abmessung derselben 446 fg.;

nach dem Tode 695. Stromungen, drei moralische 643 fg.

948 fg. Struppiger {hrisMkeqa = Krishna)

34. 35. 39 usw. Subhadrasohn (Abhimanyu) 33 fg. Subjektivitat der Auffassung des Lehr-

stoffs 922. Sulabha 673 fg. Surasa 873.

Surya, Sonne, Sonnengott. svabhdva (die eigene Natur) 221. 386.

390; = Prakriti 56. 287 fg. 926.

928. 944; vgl'. Schicksal. Syftmaragmi 449 fg.

T.

Tag und Nacht des Brahman 644;

des Brahman 645; des Ahankara

645; der Elemente, Vigesha's und

des Manas 645 fg. Tamas (Finsternis) dritter der drei

Guna's, alles befassend, was weder

1006

Index bemerkenswerter Namen und Begriffe.

Lust Doch Unlust bereitet, gleich- gultig lafst 90 fg.; (avdksrotas) 949 fg. usw. ; vgl. Guna's.

Tapas, s. Askese.

Teil der Mondscheibe, sechzehnter, unverganglich 619.

Tieropfer, s. Opfer.

Tishya = Kali 263 fg. 853.

Traum 263 fg. 399. 480. 994.

trishnd (Durst, Begierde) 14. 90. 113.

' 116. 117. 126. 130. 139. 269. 274. 288. 463. 477. 482. 541. 596. 847. 888. 936. 964.

Trisuparna-Ritus 843.

Tugenden, aufgezahlt 10. 13. 15. 23. 86 fg. 94 fg. 129. 895 fg. ; vgl. Moralisches.

Tuladhara 418 fg.

Tochter 374.

Tod, ist nicht 3 fg. 5. 119 fg. 404 fg. 577 fg.; auf dem Schlachtfelde 577; Vorzeichen desTodes 696; schmah- licher 579; erst nach Abbiifsung der Werke 890 fg.; Todesstrafe mifsbilligt 445 fg.; Todeswind 696; vgl. Sterbestunde.

Tone der Tonleiter 154.

U.

IjQanas 488 fg. 552 fg. 803; sein Ge-

setzbuch 757. Uma (Gemahlin giva's) 511 fg. 517 fg.

810 fg.; ihre Beinamen 967. Umgang, sein Einflufs 590. Uuentfaltet : Tcshetram, sattvam, tgvara

628. Unsterblichkeit 39 fg. u. o. ; Unsterb-

lichkeitstrank, s. Amritam. Uparicara (Vasu) 754 fg. 758 fg.

764 fg. Upa^ruti (Gottiu der Erhorung)

807. Urelemente, acht 479. Urgesclilechter, vier 574. Urmaterie, Urnatur, s. Prakriti. Uttamaujas 33.

Vadavamukha (Narayana) 810. Vaigampayana (Schiiler des Vyasa) erzahlt dem Janamejaya beim* grofsen Schlangenopfer das MahS,- bharatam 4 fg. u. 6. VaiQvanarafeuer 906. Vaigya, die dritte Kaste, s. d. Vaikhanasa 376. Vaitarani (Hollenflufs) 695. Vajapeya-Opfer 532. Vanaprastha, Waldeinsiedler^ dritter

A^rama (s. d.) 375 fg. u. 6. Vasishtha 500. asor dhara 766. Vasudeva 64 u. o. ; s. Krishna, Vyuha's. Vayu als Psychopompos 412. Veda, von den Damoneu geraubt 835; Veda und Lehrsystem 620; Veda- polemik 230 fg. 254. 394. 430. 449 fg. 670; s. Q'ruti. Vedanga's (Hilfsschriften des Veda, vgl. Qiksha, Jyotisham, Niruktam) 195 u. 0. Vedanta (= Upanishad, spater Name

eines Systems) 94 u. o. Vedasutram 789. Vergeltung 557. Verwandtenheirat getadelt 679. ViQesha'& (Unterschiede, im Mahabh. die spezifischen Qualitaten der Ele- mente) 611. 626. 629. 643. 645. 945. 973. 989. 991. 994; vishmja = vigesha 247. Vigvarupa als Gotterfeind 804 fg. Vigvavasu (ein Gandharva) 662. Vidarbha's (Volksname) 472. Vidura 3 fg. Vikarna 34. Virabhadra 518. Viraj 796. Virata 33 fg.

Vishnu (urspriinglich der „wirkende" Sonnengott), im Mahabh. meist die oberste Gottheit, identifiziert mit Narayana, Krishna (Vasudeva),

Index bemerkenswerter Namen und Begriffe.

1007

Kshetrajna und gelegentlich mit ^iva 817; mit ihm kampfend 816. 269. 490 fg.; als Zwerg 235; als Eber 242; alsEber, Mannlowe (804), Aditya, Para^u-Rama, Rama 777; als Vrishakapi 813. 829; = Jiva 846; = Purusha und Prakriti 834. 861; vgl. Vyuha's.

Vivasvant 50.

Vorzeichen , unheilvolle 658 fg. ; vgl. Tod.

Vollhaariger {kegava Krishna) 36. 43. 45 usw.

Vrishakapi, 8. Vishnu.

Vrishni 37.

Vi-itra 488 fg. 498 fg. 806.

Vyasa (Krishna Dvaipa,yana) , Sobn des Paragara von der Satyavati (Gandhavati), Vater des (^uka, Ver- fasser des Mahabharatam (s. d.) 74. 333 fg. 703 fg. ; seine menschliche Genealogie 850; seine fruhere Existenzform s. Sarasvata Apantara- tamas ; seine Schuler (VaiQamp^yana, Jaimini, Paila, Sumantu und Quka) 718. 785. 850.

Vyuha\, die vier Entfaltungen des Vishnu als Vasudeva (kshetrajna), Sank'arshana (jiva) , Pradyumna (manas), Aniruddha (ahankdra) 826. 846. 860.

W.

Wahrnehmung 273. Wahrheit 202 fg. Waldeinsiedler, s. Vanaprastha. Wallfahrten, uberflussig 433. Wasser, seine Verunreinigung ver-

boten 507. Weiber, verachtet 255 fg. 380. 700.

905; zum Yoga berufen 366. 894;

zum Studium zugelassen 533. weifse Manner (Bewohner von Qveta-

dvipa) 823. Weltschopfung 145 fg.; Weltvernich-

tung646fg. 773. 834.960; vgl. i/ugraw.

Werke 215 fg. 557.

Wiedergeburt 91 fg.; vgl. Seelen-

wanderung. Winde,sieben 600. 724 fg.; dersiebente

604. Wissenschaften 246. Wortbrahman 62. 339. 350. 356. 365. Wunder, bei Quka's Flug 744 fg.

Y.

Yajnavalkya belehrt den Janaka 642 fg. ; empfangt von der Sonne den weifsen Yajurveda 660.

Yama (Hollenfurst) 5. 409.

Yaska (Verfasser desNiruktam) 811 fg.

Yayati 714.

Yoga (Anspannung) , 1. die Methode, durch Verinnerlichung (Vertiefung in das eigene Selbst) mit dem Atman (Brahman) eins zu werden; 2. die Yogapraxis, spater Name eines philo- sophischen Systems ; 3. Yoga = Yogin (Anhanger des Yoga) 41. 43. 55. 58 fg. 187 fg. 212. 242. 899. 935 qualitathaft und qualitatlos 655 fg. Yogakraft 593 fg.; Yogamacht 708 Yogapraxis 67. 624 fg. 655. 741 Yogaverzuckung 625 ; Yogavoll- kommenheiten, acht 655; Yoga- zauberkunst 674; Theismus des Y. 592 ; Yoga bezw. Yogin 46. 52. 57. 58. 59 fg. ; wo er hineinfahren kann 597; seine Nahrung und Kleidung 596. 615.

Yudh§,manyu 33.

Yudhishthira (altester Sohn desPandu) 34 u. 0.

yugam 236. 448; und kalpa 610.

Z.

Zeit, ihr Rad 973; ihre Einteilung

333 fg. ; vgl. Kala. Zeugung 894 fg. Zorn 116. Zweckloses Tun das hochste 953.

ZITATEN-INDEX.

Bigveda :

1,154,5

3,62,10

6,16,1

7,33,11

10,90,3

10,90,6

10,90,12

10,90,15

10,114,3-5

10,190

27 970 801 609 497 908 573 451 843 258

Aitareya - Brahmanam :

1,1 918

7,13 374

7,13 fg. 562

Aitareya-Upanisliad :

1,3,13 fg. 493

2,1 fg. 439. 572

Eaushitaki-Upanishad :

3 907

PancavinQa-

Brahmanam :

16.3.3 ' 450

Chandogya-Upanishad :

3,11,1 302

3.11.4 384 3,14,1 400 3,19 644 4,14,3 654 5,3-10 69

5,10,1

5,19 fg.

6,1,3

6,3,2

6,4

6,4,1

6,7,1

6,10,1

7,1,4

7,8,1

7,25,2

8,1,1

8,3,2

8,6,6

8,7 fg.

8,12,6

8,13

8,15

43

947

53. 430

22. 25

381

613

352

994

848

785

342

.47.185.396

30

304. 686

579

4. 493. 922

922

6

370

Kena-Upanishad :

29 268

Taittirij a-Upanishad :

2 297. 382. 980

2,4 774

2,8 27

Eatbaka-Upanishad :

2.6 5

2.7 41 2,15 67

2.18 40. 482

2.19 40. 294 3,10 49. 388

3,10 fg. 225. 383

3,12 161

4,14-15 29

5,15 93

6,1. 26. 92. 898

6.7 49 6,9 26. 28

6.15 587

6.16 579

6.17 19. 37. 354. 653. 900.

('vetaqvatara-

Upanishad :

1,5 271. 892

2.8 350

3.16 87. 362. 522. 610. 648. 902. 958.

3.17 87 4,5 613 5,2 75. 637. 776 5,14 994

Maitrajanija-

Upanishad :

1,4 134

3.2 654. 982

3.3 220 6,22 62. 339

Vajasaneyi-Saiuhita :

31,18 21. 22. 87

32,2 268

Zitaten- Index.

1009

Brihadaranyaka-

Upauishad :

1,2,5

616

1,3,7

281

1,4,6

800

1,4,10

903 A.

1,5,14

368

1,5,14-15

751

2,4,12

276

3,5

21

369

3,7

29

3,9,4

655

4,3,6

823

964

4,3,13

224

4,3,15

895

4,4,7

393

4,4,16

87

4,4,22

122

539

4,4,23

348

5,1

27

5,9

906

6,1,14

451

6,2

69

6,2,15

947

6,4,4-5

258

6,5,3

660

tQa-Upanishad

:

1

938

4

297

Atharvaveda:

11,4,21

27

11,8,32

523

Mundaka-Upanishad :

1,1,5 195

2,2,8 54. 305. 391 3,1,4 47

3.2.7 994

3.2.8 280

PraQua-Upanishad :

6 994

6,3 600

Man^ukya-Karika :

Yog-a-Sutrani:

1,41 588

2,3 114

2,30.32 627

2,26

634

Brabuia-Sutrani :

1,2,32

57

Brahmabindn-

gankarazu3,2,10

131

Upanishad :

12

219

Yedantasara :

§ 99 Bohtl.

156

Manu:

§124

397

1,6,7

897

1,10 1,12.13

798 644

Bbagavata-Puranam ;

1,29

337

11,9,2

131

1,65 fg.

334 fg.

1,74

610

Panini :

2,87

358

6,1,127

697

4,7-9.55

372 374

4,179-185

6,2

375

Platon :

6,18.22-23

376

Gorgiasp.523E.

697

11,213

258

Phaedonp.eOB.

113

Harivan^a :

506 fg.

334 fg.

Ev. Mattbaei:

Sankhya-Earika :

5,23

590

12

897. 948

5,29

115

23. 44-45.48

744

6,20

696

48

951

10,14

172

Sankbya-Sutrani :

Ev. Jobannis :

4,5

131

4,14

430

4,9

132

8,57-58

50

7

4,11

131

14,20

72

4,12

131

4,13

131

Galaterbrief:

4,14

131

3,28

72

Dbussen, Mah&bh&Tatam.

64

1010

Stammtafel.

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Von demselben Verfasser sind erschienen:

Commentatio de Platonis Sophfstae compositione ac doctrina. Bonn, Marcus, 18^9, 1 M. 20 Pf.

Das System des Ved^nta nach den Brahma- Sutra's des Badarayana und dem Kommentare des Qaiikara iiber dieselben als ein Kompendium der Dogmatik des Brah- manismus vom Standpunkte des (^'ankara aus. Leipzig, F.A.Brockhaus, 1883. Zweite Auflage 1906. 8. Geh. 12M. Geb. 14 M.

Die Sutra's des Vedanta oder die ^ariraka-Mimansa des Badarayana nebst dem vollstandigen Commentare des (^aii- kara. Aus dem Sanskrit iibersetzt. Leipzig, F. A. Brock- haus, 1887. 18 M.

On the philosophy of the Vedanta in its relations to Occidental Metaphysics, an address delivered before the Bombay Branch of the Royal Asiatic Society, the 25*»» February 1893. Bombay 1893. One Ana. Leipzig, F. A. Brockhaus. 10 Pf.

Zur Erinnerung an Gustav Glogau. Gedachtnisrede, gehalten an der Christian - Albrechts - Universitat am 11. Mai 1895. Kiel, Lipsius & Tischer, 1895. 50 Pf.

tJber die Notwendigkeit , beim mathematisch-natur- wissenschaftlichen Doktorexamen die obligatorische Prii- fung in der Philosophic beizubehalten. Kiel, Lipsius & Tischer, 1897. 50 Pf.

Jacob Bohme. Uber sein Leben und seine Philosophic. Rede, gehalten (in kiirzerer Fassung) zu Kiel am 8. Mai 1897. Kiel, Lipsius & Tischer, 1897. 50 Pf.

Sechzig Upanishad's des Veda, aus dem Sanskrit iiber- setzt und mit Einleitungen und Anmerkungen versehen. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1897. Zweite Auflage 1905. Geh. 20 M. Geb. 22 M.

AUgemeine Geschiclite der Philosophie mit beson- derer Beriicksichtigung der Religionen (2 Bande in 6 Ab- teilungen).

Erster Band, erste Abteilung: AUgemeine Einleitung und Philosophie des Veda bis auf die Upanishad's. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1894. Zweite Auflage 1906. Geh. 7 M.

Erster Band, zweite Abteilung: Die Philosophie der Upa- nishad's. Leipzig, F. A. Brockhaus , 1899. Geh. 9 M.

Erinnerungen an Friedrich. Nietzsche. Mit einem Portrat und drei Brief en in Faksimile. Leipzig, F. A. Brock- haus, 1901. Geh. 2 M. 50 Pf. Geb. 3 M. 50 Pf.

Die Elemente der Metaphysik. Als Leitfaden zum Gebrauche bei Vorlesungen sowie zum Selbststudium zu- sammengestellt. Dritte, durch eine Vorbetrachtung Uber das Wesen des Ideal ismus vermehrte Auflage. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1902. Geh. 5 M. Geb. 6 M. (Englisch, London, Macmillan & Co., 1894. Fran- zosisch, Paris, Perrin et Cie., 1899.)

Outlines of Indian Philosophy. Bombay 1902. (Indian Antiquary.)

Discours de la Methode pour bien etudier I'histoire de la philosophie et chercher la verite dans les syst^mes. Paris, Armand Collin, 1902.

Der kategorische Imperativ. Rede. Zweite Auflage. Kiel , Lipsius & Tischer, 1903. 50 Pf.

Erinnerungen an Indien. Mit einer Karte und sechzehn Abbildungen. Kiel u. Leipzig, Lipsius & Tischer, 1904. Geh. 5 M. Geb. 6 M.

K^

PK 3635

1906 cop. 2

Mahabhars ta . German

Vier phiiosophische Texte des Mahabharatam

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