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Beiträge
zur
Geschichte der Nationalökonomie
Herausgegeben von
Geh. Hofrat Professor Dr. Karl Diehl
Freibunr i. Br.
Erstes Heft:
Die volkswirtschaftlichen Anschauungen der Scholastik seit Thomas v. Aquin
Von
Dr. Edmund Schreiber
Jena Verlag von Gustav Fischer
1913
Die volkswirtschaftlichen
Anschauungen der Scholastik
seit Thomas v- Aquin
Von
Dr. Edmund Schreiber
Jena Verlag von Gustav Fischer
1913
Alle Rechte vorbehalten
Fürstlich priv. Hofbudidruckerei (F. Mitzlaffl Rudolstadt
Meinem Lehrer Herrn
Geh. Hofrat Prof. Dr. K. Diehl
in Dankbarkeit gewidmet
Zur Einführung.
Es ist eine allgemein bekannte und anerkannte Tatsache, daß es an einer guten Geschichte der Nationalökonomie zurzeit noch fehlt. Die vorhandenen Darstellungen, sowohl die in deutscher Sprache als die in fremden Sprachen erschienenen, sind mehr oder minder unzureichend, und auch die besten unter ihnen weisen große Lücken auf. Dieser Zustand ist teilweise den Verfassern nicht zum Vorwurf zu machen, denn es fehlt noch in großem Maße an den nötigen Vorarbeiten. Die neue Sammlung, deren erstes Heft hiermit der Öffentlichkeit übergeben wird, soll diesem Mangel dadurch abzuhelfen suchen, daß sie Bausteine für eine künftige wissenschaftlich vollständige Geschichte der Nationalökonomie liefern will. Das erste Heft, verfaßt von Dr. Schreiber, behandelt die Scholastik seit Thomas von Aquino, das zweite Heft, verfaßt von Dr. Zielenziger, die alten deutschen Kameralisten. Auch die künftigen Beiträge sollen entweder ganze Epochen oder einzelne besonders markante Autoren hehandeln, die für die ideengeschicht- liche Entwicklung der Nationalökonomie von Wichtigkeit sind. Wenn auch die Sammlung in erster Linie Arbeiten meiner Schüler bzw. von Mitgliedern des von mir geleiteten Seminars enthalten soll, so können doch auch andere Arbeiten Aufnahme finden, soweit -sie quellenmäßige Darstellung und streng wissenschaftliche Objektivität aufweisen.
Freiburg i. B., November 1913.
Karl Diehl.
Vorbemerkungen.
Die wirtschaftlichen Anschauungen des Mittelalters sind in den letzten Jahren in steigendem Maße von Seiten der National- ökonomie Gegenstand wissenschaftlicher Forschung geworden. Die Ursachen dieser Erscheinung liegen wohl zum größten Teil in Problemen, die das moderne Wirtschaftsleben gestellt hat und die zu ihrer Lösung eine Kenntnis des Mittelalters dringend er- fordern.
Einmal zeigen sich manche soziale Strömungen der Gegen- wart in hohem Maße durch das Mittelalter beeinflußt, indem manche Prinzipien, die sie auf moderne Fragen anwenden, von der Scholastik zuerst aufgestellt sind. Es sei hier nur auf den Einfluß hingewiesen, den die thomistische Staats- und Gesellschafts- lehre auf die katholisch -soziale Bewegung ausgeübt hat. Man wird letztere nicht voll verstehen und die Aufgaben, an deren Er- füllung sie arbeitet, nicht voll begreifen können, wenn man nicht auf Thomas von Aquin zurückgeht.
Dazu gesellt sich ein anderes, viel erörtertes Problem: Die wirtschaftliche Inferiorität der katholischen Bevölkerung gegenüber der protestantischen. Hat sie vielleicht darin ihren Grund, daß der Protestantismus gegenüber dem Katholizismus des Mittelalters neue ethische Gesichtspunkte brachte, die dem Individuum eine andere Stellung zum Wirtschaftsleben ermöglichen? Oder ist sie vielleicht dadurch veranlaßt, daß der Katholizismus im Mittelalter einem Wirtschaftsleben gegenüber gestanden hatte, das im Som- bartschen Sinne auf dem Bedarfsdeckungsprinzip aufgebaut war, und daß die dort gebildeten wirtschaftlichen Anschauungen bei der Kontinuität der Entwicklung nicht abgestreift werden konnten, als das kapitalistische Gewinnstreben sich an die Stelle des mittel- alterlichen Standesprinzips setzte, während dem Protestantismus, der jene Verbindung mit dem Mittelalter nicht in dem Maße hatte, von vornherein eine andere Stellung ermöglicht war? Man mag diese
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Fragen beantworten, wie man will, sie werden ohne gründliche Kenntnis der wirtschaftlichen Anschauungen des Mittelalters nicht gelöst werden können.
Aber von diesen Gegenwartsfragen abgesehen, erregt auch vom rein geschichtlichen Standpunkt aus das Mittelalter hohes Interesse. Ich denke hier nicht an die Bedeutung der ökonomischen An- schauungen für das Wirtschaftsleben des Mittelalters selbst; die Wirtschaftsgeschichte wird an ihnen nicht achtlos vorüber gehen können. Ich denke hier vielmehr an die Dogmengeschichte der Nationalökonomie. Man wird freilich von einer Nationalökonomie des Mittelalters im eigentlichen Sinne nicht sprechen können. Aber unzweifelhaft nimmt die Scholastik in der Entwicklung des öko- nomischen Denkens überhaupt eine Stellung ein, die nicht über- sehen werden kann. Und die Geschichte der Nationalökonomie wird gern auch Keime wirtschaftlicher Ideen verzeichnen, die sich mit manchen modernen Fragen berühren, auch wenn man heute weit über jene ersten Spuren hinausgekommen ist. Nicht zuletzt ist von diesem Gesichtspunkte aus eine Erforschung der wirtschaftlichen Anschauungen des Mittelalters unumgänglich.
Zur Erfüllung der Aufgabe, auf die soeben hingewiesen ist, möchte die vorliegende Arbeit einen kleinen Beitrag geben. Sie behandelt die Wert- und Preislehre der Scholastik seit Thomas von Aquin, wobei zugleich dem letzteren seiner überragenden Bedeutung, zumal auch für das ökonomische Denken des Mittel- alters selbst, entsprechend, der Hauptteil der Untersuchung ge- widmet ist. Sie schließt mit der Mitte des 15. Jahrhunderts. Das Ziel, das sie sich stellt, ist das, die Entwicklung der wirtschaft- lichen Anschauungen der Scholastik, soweit sie das genannte Ge- biet berühren, darzustellen. Es mußte daher auch auf den Handels- gewinn, den Zins usw. Rücksicht genommen werden, weil es sich auch hier letzten Endes um Preisprobleme handelt. Der an sich etwas weite Titel der Arbeit — »Die volkswirtschaftlichen An- schauungen der Scholastik seit Thomas von Aquin« — dürfte daher wohl gerechtfertigt sein.
Alles weitere wird sich im Verlaufe der Darstellung selbst ergeben.
Inhaltsangabe.
Seite
Vorbemerkungen v— vi
Inhaltsangabe vn— vm
Erster Teil. Die Lehre vom gerechten Preis bei Thomas
von Aquin i — 121
I. Die Lehre vom gerechten Preis im Altertum . . . 3 — 15
IL Die Lehre vom gerechten Preis bei Thomas von
Aquin 16— 121
Leben und Schriften 16 — 17
A. Allgemeines aus den wirtschaftlichen Anschau- ungen des Thomas von Aquin 18 — 25
a) Eigentumslehre und Standesprinzip 18 — 19
b) Arbeitsteilung 19 — 21
c) Tauschverkehr und Handel in der Stadtwirtschaft 21 — 25
B. Tauschverkehr und Handel unter dem Gesichts- punkte des gerechten Preises 25 — 119
§ 1. Ökonomischer Charakter des einfachen Tausches und
des Handels 25 — 31
§ 2. Die Wertgleichheit als Forderung der Gerechtigkeit . . 31 — 45
§ 3. Der Tausch nach Albertus Magnus 45 — 53
' § 4. Die nähere Ausgestaltung des Prinzips der Wertgleich-
keit 53— 65
§ 5. Die Quellen der thomistischen Wertlehre, insbesondere
ihr Verhältnis zu Aristoteles 66 — 75
§ 6. Der gerechte Preis im Handel 75 — 83
§ 7. Die Lehre vom gerechten Arbeitslohn 83 — 88
§ 8. Gerechter Preis und Zins 88 — 119
C. Schluß
120 — 121
Zweiter Teil, Die Entwicklung der Wertlehre in der
übrigen Scholastik seit Thomas von Aquin . . 123—232
VIII
Abschnitt:
Die allmähliche Ausbildung- der subjek- tiven Wertlehre
§ i.
§ 2-
§ 3- § 4-
Bonaventura
Heinrich von Gent . . Ricardus de Mediavilla Duns Scotus
2.
Abschnitt:
§ 3 § 4
§ 5
Die Auflösung der Lehre vom gerechten Preise; Prinzip der Vertragsfreiheit ....
Aegidius Lessinus
Franciscus de Mayronis und Durandus a. S. Porciano . .
Petrus de Palude
Johannes Buridanus
I. Nicolaus Oresmius, II. Baldus de Ubaldis, Perusinus
Abschnitt: Abwendung vom Prinzip der Vertrags- freiheit
A. Forderung staatlicher Preisfixierung, Rückkaufbarkeit der Renten
§ i. Heinrich von Langenstein
§ 2. Heinrich von Oyta
§ 3. Johannes Gerson
B. Ausgleich von Freiheit und Gebundenheit; Wechsel, Versicherung, Staatsanleihen
§ 1. Johannes Nider
§ 2. § 3- § 4-
Laurentius de Rodulfis Antonin von Florenz . Bernhardin von Siena .
Seite
125 — 160
126 — 131
131— 139 140 — 146 146 — 160
161— 193 161 — 172 172 — 176
176—177 177 — 191 191— 193
194—226 0
194 — 206 196 — 202 202 — 204 204 — 206
206 — 226 207 — 210 211 — 217 217 — 223 223 — 226
Ergebnisse 227—232
A. Personenregister 233 — 235
B. Sachregister 236 — 240
A. Verzeichnis der benutzten Quellenliteratur 241—242
B. Verzeichnis der sonst benutzten Literatur 243—246
Druckfehler und Berichtigungen 247
Erster Teil.
Die Lehre vom gerechten Preis bei Thomas v. Aquin.
Beiträge zur Geschichte der Nationalökonomie. Heft i. Schreiber, Die volkswirtsch. Anschauungen d. Scholastik.
I. Die Lehre vom gerechten Preise im Altertum.
Bevor wir auf die Lehre vom gerechten Preis bei Thomas eingehen, müssen wir einen kurzen Blick in die vorhergehenden Zeiten, zumal des christlichen Altertums werfen.
Das christliche Altertum hat den gerechten Preis der Dinge nicht in tieferer Weise bestimmt. Gewiß wird die Idee der Ge- rechtigkeit im Handel vertreten. Aber wenn von einem gerechten Preise gesprochen wird, so geschieht es doch mehr im Sinne des täglichen Lebens, das wohl von gerechten und ungerechten Preisen spricht, aber doch die zugrundeliegenden Probleme nicht erfaßt. Insbesondere findet sich von einer eigentlichen Wertlehre in der Patristik so gut wie nichts. Aber so unbedeutend auch die Spuren sein mögen, sie sind doch für die Folgezeit von Bedeutung ge- wesen und dürfen daher nicht übergangen werden.
Dieser Mangel an tieferer Auffassung und Begründung der Lehre vom gerechten Preise ist um so bemerkenswerter, als be- reits mehrere Jahrhunderte zuvor Aristoteles in tiefgehender Weise das Wesen der Gerechtigkeit im Tausche erörtert hatte. Aber seine diesbezüglichen Untersuchungen haben auf die patri- stische Literatur keinen Einfluß ausgeübt. Wir können sie deshalb zunächst übergehen und sie später im Zusammenhang mit den thomistischen Kommentaren behandeln, wenn dies auch an sich der historischen Reihenfolge nicht entspricht.
Dagegen zeigt sich die Anschauung des christlichen Alter- tums wesentlich von Plato beeinflußt. Wir müssen daher auf seine Stellung zum gerechten Preise und Handel eingehen1).
Der Staat hat, so äußert sich Plato in der Politeia, seinen Ursprung im Bedürfnis2). Denn der Einzelne kann nicht für sich allein leben, sondern bedarf zur Stillung seiner Bedürfnisse vieler,
x) Über Plato vgl. Pöhlmann, Geschichte des antiken Kommunismus und Sozialismus. I. 1893, S. 184 ff. Ferner Zeller, Philosophie der Griechen II, I, vor allem S. 968 ff. Bäumker, Art. Plato. St. d. G. IV, 159 ff.
2) Pol. 369 C: »Ttoifjoei de avirjv (sc. nöhv). . . f) rffierega xgsia.z
1*
— 4 —
einer Gemeinschaft1). In dieser Gemeinschaft muß Arbeitsteilung herrschen, denn es ist besser, wenn einer nur ein Erzeugnis her- stellt: Es entspricht das der Verschiedenheit der natürlichen An- lagen des Menschen und bietet zudem die Gewähr für bessere Qualität der hergestellten Güter2). Als Glied dieser volkswirt- schaftlichen Arbeitsteilung erscheint auch der Handel. Da sich kaum ein Staat denken läßt, der nicht Zufuhr von außen nötig hätte, weil er nicht alle notwendigen Gebrauchsgegenstände in sich besitzen kann, sind eben Kaufleute nötig, die in verschie- denen Staaten umherziehen und in den eigenen Staat einführen, was dort mangelt3). Damit ferner der mit der Arbeitsteilung innerhalb der Stadt sich ergebende Austausch sich vollziehen kann, ohne daß die einzelnen Produzenten gezwungen sind, selbst auf dem Markte zu erscheinen und so ihrer Tätigkeit entzogen werden, ist der Krämer- oder Kleinhandel erforderlich, dessen Aufgabe also in der Vermittlung des Umsatzes innerhalb des Staates be- steht4).
Die wenigen Bemerkungen zeigen immerhin, daß die volks- wirtschaftliche Bedeutung des Handels von Plato in durchaus richtiger Weise und im Vergleich zu seinen sonstigen wirtschaft- lichen Anschauungen, wie Pöhlmann bemerkt, mit »großer Un- befangenheit«5) gewürdigt wird, wenn aus ihnen auch keineswegs ganz Piatos Stellung zum Handel entnommen werden kann.
Ausführlicher und mehr ins einzelne gehend, äußert er sich jedoch in den Nomoi, der Schilderung seines zweitbesten Staates.
Hier ist er in der sittlichen Beurteilung des Handels seiner Zeit sehr schroff. Die Stellung Piatos zum Wirtschaftsleben über- haupt charakterisiert sich als eine Reaktion gegen den Mammo- nismus und Luxus seiner Tage, gegen das Vorherrschen des Er- werbstriebes, der die Bestrebungen höherer, geistiger und sittlicher Art unterdrückt und so die Gesellschaft in einen Fieberzustand versetzt6): »Xeyo/uev dr] jurjie %qvoov elvai öeiv /xf)re ägyvQov ev rfj nöXei, urjx av yQrjjuartojuov noXvv öid ßavavolag xal roxcov jutjöe ßooxrjjudxcov
1) 1. c. B: »ylyvEzai zocvvr . . nöXig . . . etieiötj zvyiävEi rjfiwv sxaozog ovx avzdgxrjg, äXXa noXXwv ivdetfg.«
2) Pol. 369 D. cf. pol. 370 C: »ix dr) rovrcov n\ti<x> re i'xaoza yiyvezat xal xäXXiov- xai qöov, Szav eig ev xazä tpvotv xal ev xcuqcö oxoXtjv zwv äXXcov äycov, ngäzzfl.*
3) Pol. 370 E. 371 A. B.
4) Pol. 371 CD. 6) a. a. O. S. 221.
«) Vgl. Pöhlmann. a. a. O. S. 218.
— 5 —
moxQ(öv> dXX' öaa yecogyia didcooi xal cpegei xal tovtcov ojioool fj,t] XQV' /bianCojuevov dvayxdoei ä/ueÄeiv, wv evexa 7ie<pvxe xd xQVIuaxa- i<*via ö'eaxi yvyr) xal ocöjua1).«
Diesem Geiste entsprechend verurteilt Plato nichts schärfer als den Handel des Gelderwerbes wegen, d. h. den Handel, wo es dem Kaufmann nicht um die Befriedigung der Bedürfnisse der Volkswirtschaft zu tun ist, sondern lediglich um seine eigene Be- reicherung. Der unersättliche Durst nach Gewinn ist es, der den Handel unehrenhaft macht2).
Zur Fernhaltung dieser Auswüchse werden strenge Forde- rungen aufgestellt: Die Zahl der Kleinhändler soll möglichst be- schränkt sein3). Die Einfuhr von Waren soll nur insofern ge- stattet werden, als es sich um notwendige Bedarfsgegenstände handelt4). Die Staatsgewalt soll einen wahren Wert der Dinge festsetzen in Verbindung mit Sachverständigen aus dem Gewerbe und Handel. Über das Wesen dieses wahren Wertes läßt sich Plato allerdings nicht näher aus5).
Der Händler soll ferner auf dem Markte nur einen Preis nennen und, wenn er diesen nicht erhält, nicht feilschen, sondern seine Ware wieder mit nach Hause nehmen6). Durch alle diese Bestimmungen soll jeder Betrug vom Handel ferngehalten und dem Händler ein mäßiger Gewinn, ein xeqöos /biexgcov1), gesichert werden, der ihm seine Existenz ermöglicht. »Seines spekulativen Charakters völlig entkleidet soll der Handel zu einer Art Amt werden, das seine Aufgabe nur darin zu sehen hat, gewisse volks- wirtschaftliche Funktionen dem Bedürfnisse der Gesamtheit ent- sprechend durchzuführen, und welches sich mit dem begnügt, was ihm die Allgemeinheit für die Ausübung dieser Funktionen wie eine Art Gehalt zuerkennt«8).
\) Leg. 743 D. 2j Leg. 918 D.E. 3) Leg. 919 C. «) Leg. 847.
5) Leg. 921 A. B: »xcu dvaigov/ueva) d sgyov l-vftßovXsvzrjs vö/iog, cbteg zcö tko- kovvzi £vveßovheve fit) nXiovog zifiüv dianeigcöfievov akk' d>; ajzkovozaza zrj$ a^iag, zavzov drj TiQoozdzzEi xal zw dvatgov/nsvco. yiyvaSoxei yaQ 6'ye dtj/uiovgyog zrjv d£iav.« Pohl mann schließt aus der letzten Bemerkung, daß der Handwerker den Preis kenne, Plato habe an den Arbeits- oder Produktionswert gedacht (vgl. a. a. O. S. 224), was möglich, aber keineswegs zwingend ist.
6) Leg. 917 B. u. C.
7) Leg. 920 C. : Die Gesetzesrichter sollen mit Männern aus dem Handel zu- sammentreten und dann: »ideTv Xfjfi/xd zs xal dvakoi/ua zl nozs zcö xanrjkw xegdog noieT zö fiszgiov.t cf. 918 D., wo das »xegdaiveiv zd /uezQia« als richtig hingestellt wird.
8) Pöhlmann, a. a. O. S. 225.
— 6 —
In der Stellung der Kirchenväter zum gerechten Preise und Handel läßt sich eine gewisse Ähnlichkeit nicht verkennen. Ein- mal liegt in manchen Punkten ohne Zweifel ein direktes Anlehnen an Plato vor, wozu noch eine gewisse Ähnlichkeit in für die Stellung zum Wirtschaftsleben grundlegenden Anschauungen zwischen Plato einerseits und Christentum andererseits kommt. Der Vorrang geistiger und vor allem sittlicher Güter vor den mate- riellen, die Notwendigkeit der inneren Losschälung von irdischem Streben, die unbedingte Herrschaft sittlicher Gesetze auch im Wirt- schaftsleben waren im Neuen Testament scharf betont worden1).
Wichtig sollte vor allem die bei Paulus ausgeprägte Idee einer religiös - sozialen Gemeinschaft (xoivcovia) werden, unter deren Gliedern eine relative soziale Gleichheit (loÖTijg) herrschen solle. Es solle weder übermäßig Reiche noch übermäßig Arme geben. Für die innere Regelung solle der Gemeinschaftsgedanke maßgebend sein. »Wir sind zwar viele Glieder, aber ein Leib«2). Nicht minder bedeutungsvoll wurde der Satz, daß die Arbeit als solche ihres Lohnes wert sei — »der Arbeiter ist seines Lohnes wert«, — wie überhaupt das Christentum für die erhöhte Wert- schätzung der Arbeit nicht wenig gewirkt hat3).
Die wirtschaftliche Funktion des Handels wird in der patri- stischenLiteratur4) durchweg vorurteilsfrei gewürdigt 5). Er bildet
x) Vgl. hierzu Sommerlad, Das Wirtschaftsprogramm der Kirche des Mittel- alters, S. 6 ff. Schilling, Reichtum und Eigentum, S. 4 ff. cf. Matth. 6, 24 f. und sonst. i.Thess. 4, 6: »T6 firj vzzeQßatveiv xal nXzovzxxziv iv reo 3iQO.yj.iaxi xöv ädskcpov aviov.«
2) 2. Kor. 8, 4; 14 ff. 1. Kor. 12, 12. Vgl. Schilling, a. a. O. S. 12 ff. Troeltsch, Soziallehren der christlichen Kirchen. Arch. f. S. u. St. XXVI, 299 ff.
3) Luc. 10, 7. Matth. 10, 10. 2. Thess. 3, 10. 1. Tim. 5, 18.
*) Für die Stellung der Kirchenväter zum Handel kommen wesentlich folgende Schriften in Betracht: Schilling, Reichtum und Eigentum, 1908. Derselbe, Die Staats- und Soziallehre des hl. Augustinus, 191 o. Sommerlad: Das Wirtschafts- programm der Kirche des Mittelalters, 1903. Seipel, Die wirtschaftsethischen Lehren der Kirchenväter, 1907. Funk, Kirchengeschichtliche Abhandlungen und Untersuchungen. I — II, 1897, 1899. Brentano, Ethik und Volkswirtschaft in der Geschichte. Rek- toratsrede. 1901. — Die wirtschaftlichen Lehren des christlichen Altertums. Sitzungs- berichte 1902 (München 1903). — Entwicklung der Wertlehre, 1908. Troeltsch, Die Soziallehren der christlichen Kirchen, sowie die weiter unten angeführten Schriften. Wesentlich zugrunde gelegt sind die Schriften von Schilling.
6) z. B. Chrysostomus (in ep. I ad. Cor. hom. 34, 4 [M, LXI, 291]); Gregor v. Nazianz (Or. 43, 34 [M. 36, 544]); Theodoret v. Cyrus (Or. 2 [M. LXXXIII, 584]); Am- brosius (De. Tob. 13 [M. XIV, 776]). Vgl. hierzu die oben angeführten Schriften von Seipel, Schilling, Sommerlad. G. Kopp: Die Stellung der hl. Joh. Chrysostomus zum weltlichen Leben, 1905, S. 40. Über Augustinus siehe weiter unten.
an sich eine berechtigte Art des Erwerbs, und war nach der Synode von Elvira (um 300 n. Chr.) Bischöfen und Geistlichen nicht durchaus verboten1), wenn auch später hinsichtlich der letzteren eine andere kirchliche Praxis eingriff2). Aber er war nur dann gestattet, wenn gewisse strenge ethische Voraussetzungen erfüllt waren. Wie Leo der Große (f 461) bemerkte: »Qualitas lucri negotiantem aut excusat aut arguit, quia est et honestus quaestus et turpis«3). Die geforderten Beschränkungen, die zu- weilen nahezu an eine Verurteilung grenzen, bewegen sich vor allem in zwei Richtungen: Einmal muß der Grundsatz der Ge- rechtigkeit unbedingt gewahrt werden; Anwendung unredlicher Mittel, Ausbeutung des Nächsten zu eigenem Vorteil ist unter keinen Umständen gestattet4). Sodann darf das Streben nach Gewinn das im Handel zum Ausdruck kommt, nicht maßlos sein. Das Streben nach dem größtmöglichen Gewinn wird verworfen : Es liegt vielmehr im ganzen Ideenkreise der Kirchenväter die Forderung nach Beschränkung des Gewinns6).
J) Funk, Abhandlungen II, 63. Vgl. Funk, Historisch-politische Blätter CXXX, 1902, S. 898.
2) Funk, Abhandlungen II, 73 ff. Vgl. Brentano, Die wirtschaftlichen Lehren, S. 173 ff-
3) Ep. 167 (M. LIV, 1206). Eine völlige Ablehnung des Handels findet Brentano als Ausnahme bei Tertullian (Die wirtschaftlichen Lehren des christ. Alter- tums, S. 164), vgl. dagegen Schilling, Reichtum und Eigentum, S. 55 ff. Über das fälschlich dem Chrysostomus zugeschriebene Werk: Opus imperfectum in Matthäum, vgl. Schilling, Erwerb und Eigentum nach dem Opus imperfectum. Theolog. Quartalsschr. 1910, S. 2i4ff. Es findet sich hom. 38 (M. LVI, 839O der Satz: »Nullus Christianus debet esse mercator, aut si voluerit esse, proiciatur de ecclesia dei.« Oder in ähnlicher Fassung: »Qui autem comparat rem, ut illam ipsam integram et immutatam dando lucretur, ille est mercator, qui de templo dei eicitur.« Mag hier der Handel völlig verurteilt sein (wie Schaub, Kampf gegen Zinswucher usw., 1905, S. 1 5 8 f f . annimmt), oder nicht, was Schilling a. a. O. zu erweisen sucht, die Stelle wäre jedenfalls im ersten Falle für die Patristik als solche nicht charakteristisch. Sie ist veiwendet im Decretum Gratiani (c. 11 d. 88), wird aber in der späteren Literatur in einem Sinne gedeutet, daß sie nicht mehr als absolute Ablehnung des Handels erscheint. Siehe hierüber Schaub a. a. O. Später wird die scholastische Auffassung über diese Stelle zu erwähnen sein.
*) S. z. B. Lactantius, Inst. 5, 16; vgl. dazu Schilling, Reichtum und Eigen- tum, S. 73 f.
5) Vgl. die Äußerungen von Tertullian (De idol. c. 11), Irenaeus (cont. haes. IV, 30, 1); Lactantius (Inst. V, 18). Leo der Große verbietet den Pönitenten den Handel wegen der damit verbundenen sittlichen Gefahren: »Verum tarnen poenitenti utilius est dis- pendia pati quam periculis negotiationis obstringi, quia difficile est inter ementis venden- tisque commercium non intervenire peccatum« (an der in Anmerkung 3 zitierten Stelle) ; vgl. Funk, Abhandlungen II, S. 66 f., S. 71. Über manche handelsfeindliche Stim- mungen im christlichen Altertum, vgl. denselben: Historisch politische Blätter, CXXX,
Die Reaktion gegen das Vorherrschen des Erwerbsstrebens hatte Plato zu dem Worte vom »Fieberzustand« der Gesellschaft veranlaßt. Ähnliche Gedanken werden von den Kirchenvätern oft- mals geäußert; zum Teil wird, wie z. B. bei Chrysostomus und Ambrosius, der zitierte Ausspruch Piatos wörtlich wiederholt x). Es hing dies eng mit ihrer Stellung zum Privateigentum und Maß des Besitzes und zu dem Unterschiede von Reich und Arm zu- sammen, welch' letzterer zur Zeit der Kirchenväter nicht weniger scharf war wie zur Zeit Piatos2).
Nun sind die Kirchenväter im allgemeinen keineswegs Gegner des Privateigentums3). Es wird auch ein gewisser Reichtum und standesgemäßer Luxus nicht verworfen, wenn man auch die Ge- samtanschauung dahin kennzeichnen kann, daß ein mittelmäßiger, hinreichender Besitz als wünschenswert bezeichnet wird4). Was darüber hinausgeht, soll als Almosen an die Armen verteilt werden. Ein Gedanke, der oft in einer Form vertreten wird, die an kom- munistische Ideen erinnert oder direkt in solche ausmündet, wie z. B. bei Chrysostomus6). Doch geht man im allgemeinen nicht so weit, daß die Standesunterschiede und der Unterschied von Reich und Arm beseitigt werden sollen 6). Wenn z. B. Lactantius von der all- gemeinen Gleichheit der Menschen spricht, so geschieht dies nicht im Sinne einer Aufhebung der sozialen Unterschiede, sondern im Sinne der Anerkennung des Nächsten als »gleichwertiger Persönlichkeit«7).
S. 898. Klemens v. Alexandrien wiederholt die platonische Forderung, der Kaufmann solle keine zwei Preise nennen (Paed. 3. n [VIII, 656 f]); vgl. Schilling, Reichtum und Eigentum S. 45 f.
*) Vgl. Schilling, a. a. O. S. S.114 u. 136.
2) Vgl. die Schilderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse bei Schilling, S. 27 ff. u. 209.
3) Vgl. die oben angeführten Schriften, wo die Stellung der Kirchenväter zum Eigentum ausführlich erörtert wird; vor allem das Resultat, zu dem Schilling (a. a. O. S. 208) kommt; damit übereinstimmend Troeltsch, a. a. O. S. 332. Über Klemens v. Alexandrien siehe noch Funk, Abhandlungen II, S. 45 ff. Über Klemens v. Rom: Mausbach, Der Kommunismus des hl. Klemens v. Rom. Hist.-pol. Blätter CXVI, 1895, S. 340 ff.).
*) Schilling, a. a. O. S. 208.
6) Vgl. Schilling, a. a. O. S. 109 ff. Die Stellung der Kirchenväter ist keines- wegs eine unbedingt einheitliche, wenn sich auch ein gemeinsamer Grundton nicht ver- kennen läßt. Wir suchen die Anschauungen darzustellen, die man als die herrschenden bezeichnen kann, die vor allem für die Folgezeit maßgebend gewesen sind.
6) Schilling, S. 207 ff. Als Ziel der Berufsarbeit bezeichnet Chrysostomus »die tägliche Nahrung, das ehrliche Auskommen«. Kopp, a. a. O. S. 42.
7) Schilling, a. a. O. S. 72 f.; anders Brentano, Ethik und Volkswirt- schaft, S. 9.
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Wenn so das Streben nach Gewinn in dem Maße des zu- gebilligten Besitzes eine Grenze findet, so dient die scharfe Be- tonung des Prinzipes der Gerechtigkeit in Handel und Wandel zugleich auch demselben Ziele. Handel und Tausch sind nur dann gerechtfertigt, wenn die Tauschkontrahenten sich von jeder Un- redlichkeit fernhalten und wenn ein gerechter Preis bezahlt wird *). Das ist der Grundzug aller Äußerungen der Kirchenväter über den Handel. Freilich wird, wie schon eingangs betont, das Wesen dieses gerechten Preises nirgends näher bestimmt.
Bei der Unmöglichkeit, auf alle Kirchenväter einzugehen, be- schränken wir uns auf eine kurze Skizze der augustinischen An- schauungen2). Augustinus ist auch derjenige Kirchenvater, der auf die Folgezeit bestimmend eingewirkt hat.
Beim unmittelbaren Tausch dürfen die Kontrahenten nicht von dem Wunsche erfüllt sein, möglichst billig einzukaufen bzw. teuer zu verkaufen. In beiden Fällen soll vielmehr der Wille herrschen, den gerechten Preis, das iustum pretium zu zahlen bzw. zu fordern. Eine Übervorteilung soll ausgeschlossen, und nur der Grundsatz der Gerechtigkeit maßgebend sein. Die entgegen- gesetzte Stimmung ist unerlaubt, ein »Vitium«. Augustinus führt als nachzuahmendes Beispiel den Fall an, wo einer ein Buch kaufte, und dem Verkäufer desselben, dem der Wert des Buches unbe- kannt war, gegen dessen Erwarten einen höheren als den ge- forderten Preis, das »iustum pretium« zahlte3). Worin allerdings das iustum pretium besteht, was die Höhe desselben bestimmt, wird an der in Betracht kommenden Stelle in keiner Weise näher erörtert. Unzweifelhaft wird aber hier ein für alle Tauschenden gleicher und für alle maßgebender Wert statuiert.
x) Vgl. Brentano, Die wirtschaftlichen Lehren, S. 178 f.
2) Über Augustinus siehe das oben angeführte Buch von Schilling. Ferner Mausbach, Die Ethik des hl. Augustinus, I und II, 1909 (S. 298, Anmerkung). Weinand, Antike und moderne Gedanken über die Arbeit, dargestellt am Problem der Arbeit beim hl. Augustinus, 191 1, S. 43 ff.
3) De trin. XIII, 3 (M. 42, ioi7f.): Ein Schauspieler erklärte es für einen Wunsch aller Zuschauer: » Vili vultis emere et caro vendere.« Doch braucht dies nach Augustinus nicht der gemeinsame Wunsch aller zu sein: »Sed quoniam revera vitium est, potest quisque adipisci eiusmodi iustitiam vel alicuius alterius vitii, quod huic contrarium est, incurrere pestilentiam, qua huic resistat et vincat. Nam scio ipse ho- minem, cum venalis codex ei fuisset oblatus, pretiique eius ignarum et ideo quiddam exiguum poscentem cerneret venditorem, iustum pretium, quod multo amplius erat, nee opinanti dedisse.« Es ist hier zunächst nur vom Tausche die Rede, nicht vom Handel, wie z. B. Weinand (a. a. O. S. 45 f.) irrtümlicherweise annimmt.
IO —
An einer anderen Stelle sucht Augustinus den Wert der Waren tiefer zu begründen1).
Er spricht hier zunächst davon, daß lebende Dinge vor leb- losen, vernünftige vor unvernünftigen einen Vorrang haben, der in der Ordnung der Natur, dem ordo naturae begründet ist. Dieser Art der Schätzung steht eine andere gänzlich von ihr verschiedene gegenüber, die nicht auf der natürlichen Rangordnung fußt, sondern stattfindet in bezug auf das menschliche Bedürfnis. Das Bedürfen der Menschen bildet den letzten Grund dafür, daß z. B. ein Pferd teuerer bezahlt wird als ein Sklave, obwohl der letztere nach der Rangordnung der Natur bedeutend höher steht: »Est autem alius atque alius pro suo cuiusque usu aestimationis modus, quo fit, ut quaedam sensu carentia quibusdam sentientibus prae- ponamus in tantum, ut si potestas esset, ea prorsus de natura rerum auferre vellemus, sive quem in ea locum habeant ignorantes, sive etiamsi sciamus, nostris ea commodis postponentes. Quis enim non domi suae panem habere quam mures, nummos quam pulices malit? Sed quid mirum, cum ipsorum etiam hominum aestimatione, quorum certe natura tantae est dignitatis, plerumque carius comparetur equus quam servus, gemma quam famula? Ita libertate iudicandi plurimum distat ratio considerantis anecessitate indigentis seu voluptate cupientis, cum ista quid per se ipsum in rerum gradi- bus pendat, necessitas autem quid propter quid expetat, cogitet; et ista quid verum luci mentis appareat, voluptas vero, quid iucun- dum corporis sensibus blandiatur, exquirat.« Unzweifelhaft wird an dieser Stelle die Preisbildung zurückgeführt auf den verschie- denen Grad des menschlichen Bedürfens; es liegt hier der Keim zu einer subjektiven Werttheorie vor. Allerdings hat Augustinus die Bedeutung des hier ausgesprochenen Satzes für die Lehre vom gerechten Preis nicht erörtert. Es handelt sich um eine mehr zu- fällige Äußerung, die freilich in der Folgezeit unzählige Male wiederholt wurde.
Wie stellt sich Augustinus zum Handel? Zunächst ist ihm die volkswirtschaftliche Funktion desselben durchaus bekannt. Sie besteht darin, daß Waren aus Gegenden, wo sie häufig vorhanden sind, dahin geschafft werden, wo Mangel herrscht. Der Handel ge- hört also zu den Erwerbszweigen, die in der menschlichen necessitas et indigentia Grund und Berechtigung finden2). Dementsprechend gehört der Handelsgewinn zu den erlaubten Erwerbseinkünften.
2) De civ. Dei XI, c. 16 (M. 41, 331).
2) En. in. ps. 83,8 (M. 37, 1062) Schilling, a. a. O. S. 249.
So läßt Augustinus einen Kaufmann den Gedanken, daß der Handel sittlich nicht gestattet sei, zurückweisen1): »Ecce ego affero qui- dem ex longinquo merces ad ea loca, in quibus non sunt ea, quae attulero; unde vivam, tanquam mercedem laboris mei peto, ut carius vendam, quam emerim. Unde enim vivam, cum scriptum sit: Dignus est operarius mercede sua (Luc. 10, 7)«2). Der Handels- gewinn erscheint also als berechtigtes Arbeitseinkommen. Natür- lich liegt es im Sinne Augustins, daß auch der Kaufmann streng an die Prinzipien der Gerechtigkeit gebunden ist. Auch der Händler darf nicht von dem Wunsche erfüllt sein »billig einzu- kaufen und teuer zu verkaufen«. Sowohl als Käufer wie als Ver- käufer muß er einen gerechten Preis zahlen bzw. fordern. Da- von zu trennen ist das Streben teuerer zu verkaufen, wie man ge- kauft hat. Das letztere ist gestattet, wenn die Forderungen des iustum pretium beachtet werden, entspricht auch durchaus dem allgemeinen sittlichen Empfinden: »Possem enim dicere«, verteidigt der oben erwähnte Kaufmann sich weiter: »tanto emi, sed tanto vendam; si placet, eme. Non enim istam veritatem audiens emptor repelleretur, et non potius omnes accurrerent, quia plus fidem quam mercem diligerent«.
Die erlaubte Höhe des Handelsgewinnes findet seine Grenze in dem Maße des zugebilligten Besitzes überhaupt. Wenn nun auch Augustin den Gedanken der allgemein-menschlichen Gleich- heit hervorhebt und auf den sozial bedeutungsvollen Gedanken hinweist, daß alle Menschen »socii« sein sollten3), so fordert er doch keineswegs eine absolute Gleichheit des Besitzes und will nicht etwa alle auf den absolut notwendigen Lebensunterhalt, das Existenzminimum beschränken. Das Erwerbsstreben überhaupt soll seine Grenze finden mit der Erlangung des standesgemäßen Einkommens, des »congruens habitus personae hominis, quo habitu non sit inconveniens eis, cum quibus honeste officioseque viven- dum est«4).
Es liegt also der Gedanke vor, daß der Gewinn erlaubt sei, weil die Gesellschaft des Handels bedürfe und deshalb dem Kauf- mann eine wirtschaftliche Existenz ermöglichen müsse. Dies ge- schieht eben in Form des Gewinnes.
J) En. in ps. 70. s. 1, 17 (M. 36, 886 f.). Vgl. dazu Funk, Abhandlung II, S. 68 ff.
2) a. a. O.
3) Ep. 155, 4. 14 (M. 33. 672); vgl. Schilling, a. a. O. S. 217. «) Ep. 130, 6, 12 (M. 33, 498 f.). Schilling, a. a. O. S. 246.
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Doch betont Augustinus häufig die sittlichen Gefahren, die mit dem Handel verknüpft sind. Wenn auch alle Erwerbstätig- keiten Veranlassung geben können, die Gebote der Ethik zu über- treten, so liegt dies doch dem Handel besonders nahe l). Weil das Streben nach Gewinn leicht maßlos ist, die Seele ausschließlich gefangen nimmt2), so daß die Erfüllung höherer Aufgaben un- möglich wird und so zur Habsucht und den daraus sich ergeben- den Sünden führt.
In der Idee, daß jede Ware einen gerechten Wert habe, in der Erfassung der volkswirtschaftlichen Funktion des Handels, in der Rechtfertigung des Gewinnes als Arbeitslohnes vom Standpunkt der Gesellschaft aus, sowie in der Forderung nach Beschränkung des Gewinnes zeigt sich deutlich ein platonischer Einfluß, wenn auch im einzelnen die extrem -anti- kapitalistischen Forderungen des griechischen Philosophen bei Augustinus nicht wiederkehren. Die Verwendung des Gedankens, daß jeder Arbeiter seines Lohnes wert sei, sowie die Warnung vor den sittlichen Gefahren verleihen der augustinischen Lehre vom Handel ein christliches Gepräge.
Wenn auch Augustinus sich von allen Kirchenvätern durch maßvolle Ruhe seiner Ansichten auszeichnet, so entspricht doch seine Stellung zum Handel durchaus den Anschauungen, die in der altkirchlichen Literatur im allgemeinen herrschen und im prak- tischen Leben der altchristlichen Zeit betätigt sind. Jedenfalls ist, wie schon bemerkt, Augustinus für die Folgezeit maßgebend geworden3).
Mit dem, was im Vorstehenden über die Wertlehre der Kir- chenväter gesagt ist, stimmt die von Brentano gegebene Dar- stellung nicht überein4). Nach ihm gehen die Kirchenväter aus von der natürlichen Gleichheit aller Menschen und setzen so einen
x) En in ps. 70, s. 1, 17 (M. 36, 886 f.).
2) De op. Monach. 15, 16 (M. 40, 561): »aliud . . est corpore laborare animo libero sicut opifex, si non sit fraudulentus et avarus et privatae rei avidus; aliud autem ipsum animum occupare curis colligendae sine corporis labore pecuniae, sicut sunt vel negotiatores vel procuratores vel conductores.« cf. serm. 344, 7 (M. 39, 15 17): Hier erscheint der Kaufmann als Beispiel eines habsüchtigen Menschen.
3) Die für die Stellung Augustins zum Handel maßgebende Stelle En. in ps. 70, s. 1, 17 findet sich als Palea im Decretum Gratiani wieder (c. 12, D. 88). Gratian selbst führt als von Augustinus stammend noch den Satz an: »negotiari . . . aliquando licet, aliquando non licet; antequam enim ecclesiasticus quis sit, licet ei negotiari, facto iam non licet« (c. 10. D. 88). Derselbe ist den Quaest. veteris et novi testamenti c. 127 i. f. (M. 35, 2385) entnommen, die jedoch nicht von Augustinus stammen.
*) Vgl. Brentano, Ethik und Volkswirtschaft, S. 8 ff; Die wirtschaftlichen Lehren des christlichen Altertums, S. 178 ff.; Die Entwicklung der Wertlehre, S. 13 ff.
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normalen Menschen voraus mit normalen Bedürfnissen. Die Be- deutung, die einem Gute für die Befriedigung dieses normalen Bedürfnisses zukommt, ist dessen Wert, der also für alle Menschen derselbe ist. Die subjektiven Momente, die abweichend hiervon die Bedeutung, die ein einzelner einem Gute beimißt, beeinflussen, müssen für die Preisbestimmung ausscheiden. »Der konkrete Ge- brauchswert eines Gutes erscheint somit als etwas Gegebenes. Alle subjektiven Wertbestimmungsgründe werden als gleich gesetzt und damit eliminiert, und somit bleibt als einziges wertbestimmendes Moment nur mehr das objektive der Herstellungs oder Be- schaffungskosten«1). Es darf also für ein Gut nur so viel genommen werden, als dem Kostenwert entspricht. Die Kirchenväter sind Vertreter einer objektiven Werttheorie. An einer anderen Stelle wiederholt Brentano dasselbe: »Nur der Handel war gegen den* Vorwurf der Gewinnsucht geschützt und galt daher als erlaubt, bei dem der Händler dem Verkäufer einen gerechten Preis zahlt und beim Wiederverkauf nur so viel zum Einkaufspreis zuschlägt, als zu seinem und seiner Familie Unterhalt absolut notwendig ist. Damit waren die Beschaffungskosten eines Gutes zum Maßstab seines Wertes gemacht, und dabei war es nicht gestattet, die Kosten des Lebensunterhaltes individuell verschieden zu berechnen«2).
Daß die Kirchenväter von der natürlichen Gleichheit aller Menschen ausgehen, in dem Sinne, wie Brentano es hier annimmt, ist nicht richtig, wie schon oben bemerkt wurde. Der gerechte Preis der Kirchenväter ist keineswegs das Ergebnis abstrakter Deduktion aus allgemeinen Prinzipien, sondern eher der Bestim- mung seiner Höhe nach ein vulgärer, aus dem Leben entnommener Gedanke. Es bildet sich auf dem Markte ein mehr oder minder bestimmter Preis, von dem abzuweichen als ungerecht erscheint. Daß die Kirchenväter den Preis der Güter nach den Herstellungs- kosten bestimmt wissen wollen, dafür findet sich in der patristischen Literatur kein Zeugnis. Höchstens könnte man darin einen Ansatz zu einer objektiven Werttheorie sehen, daß z. B. nach Augustinus der Gewinn des Kaufmanns als Arbeitslohn gerechtfertigt wird und auf den standesgemäßen Lebensunterhalt beschränkt erscheint. Der Kaufmann darf also in seinen Preisen die Beschaffungskosten der Ware und seine Arbeit berechnen, also die Herstellungskosten. Aber in dieser Form findet sich der Gedanke bei Augustinus nicht: Er betont nur, daß der Handel volkswirtschaftlich notwendig
J) Die -wirtschaftlichen Lehren des christlichen Altertums, S. 178 f. 2) Entwicklung der Wertlehre, S. 14.
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sei, und daß man damit auch den Gewinn gestatten müsse, ohne den der Händler eben nicht bestehen könne, ganz abgesehen davon, daß von einer Beschränkung des Handelsprofits auf ein für alle gleiches Existenzminimum keine Rede ist. Von einer Wertlehre wird gar nicht gesprochen. Auch vom Standpunkt einer subjek- tiven Werttheorie wäre der gekennzeichnete Rechtfertigungsver- such des Handelsgewinnes durchaus verständlich. Die einzige Spur einer Werttheorie, die bei Augustinus zu finden ist, läßt in ihm eher einen subjektiven Werttheoriker sehen, indem der Wert der Dinge auf das menschliche Bedürfnis zurückgeführt wird. In letzterem Sinne hat Augustinus auch auf das ganze Mittelalter eingewirkt. Gewiß ist es richtig, daß ein normaler Wert ange- nommen wird, indem die subjektiven Wertbestimmungsgründe, so- weit sie ein Abweichen von dem allgemeinen Marktpreis bewirken könnten, von der Beeinflussung des Wertes ausgeschlossen werden. Aber damit liegt noch nicht die Notwendigkeit vor, auf das objek- tive Moment der Herstellungskosten zurückzugreifen. Es könnte doch auch die allgemeine Schätzung wertbestimmend sein, wenn auch die individuellen abweichenden Schätzungen den Preis nicht bestimmen würden. Aber, wie gesagt, kann von einer eigentlichen Werttheorie in der Patristik keine Rede sein.
Das römische Recht kennt im Gegensatz zu den bisher be- handelten Lehren an sich das Ideal eines gerechten Preises, der im Wirtschaftsleben eingehalten werden soll, nicht. Es gilt viel- mehr der Grundsatz unbedingter Freiheit des Kaufvertrages, auch dann, wenn eine Übervorteilung des einen Teiles durch den anderen vorliegt. So sagt Paulus: »Quemadmodum in emendo et ven- dendo naturaliter concessum est, quod pluris sit minoris emere, quod minoris sit, pluris vendere et ita invicem se circumscribere, ita in locationibus quoque et conductionibus iuris est«2).
Eine Modifikation dieses Grundsatzes erfolgte dann dahin, daß unter gewissen Umständen durch das Recht ein bestimmter Preis durchgesetzt werden müsse, wenn z. B. ein Gut die verein- barte Qualität nicht hatte, oder wenn sonst eine Täuschung eines Kontrahenten vorgekommen war. Dann hatte der Richter ein Urteil über den Wert zu fällen, ein »iustum (verum) pretium« zu
:) Kaulla, Der Wertbegriff im römischen Recht. Z. f. g. St. (1902), S. 385 ff. (vgl. die Gesch. Entwicklung der modernen Werttheorien, S. 5 ff.), femer Oertmann, Die Volkswirtschaftslehre des Corpus iuris civilis, S. 37 ff.
2) 1. 22, § 3 D. 19, 2; cf. 1. 16, § 4 D. 4, 4: »Idem Pomponius ait, in pretio emptionis et venditionis naturaliter licere contrahentibus se cir cum venire«.
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bestimmen. Über die Bemessung desselben verlangt Paulus im Anschluß an Sextus Pedius: »Sextus quoque Pedius ait, pretia rerum non ex affectione, nee utilitate singulorum, sed communiter fungi«1). Es wird also hier der Affektionspreis zurückgewiesen und verlangt, daß der Richter einen normalen, für alle gleichen Wert seiner Entscheidung zugrunde lege. Es wird aber nicht davon gesprochen, daß dieser etwa im ganzen Wirtschaftsleben durchgeführt werden solle.
Das Prinzip der Vertragsfreiheit erlitt zur Zeit Diokletians eine Ausnahme2): In dem Falle, wo eine Benachteiligung über die Hälfte des gerechten Preises hinaus stattgefunden hat, ist der Vertrag anfechtbar im Hinblick auf die Ungerechtigkeit des Preises3).
Noch weiter ging das Preisedikt Diokletians, indem hier ein Maximaltarif festgelegt wurde. Dasselbe taten einige spätere römi- sche Kaiser, die eine Beschränkung des Gewinnes des Zwischen- handels zu erreichen suchten4). Diese Tendenz wiederstrebt dem ursprünglichen Geiste des römischen Rechts durchaus.
Das römische Recht gerade in seinem ursprünglichen Geiste hat aber, wie noch zu zeigen sein wird, die scholastische Preis- lehre im Verlaufe ihrer Entwicklung wesentlich beeinflußt.
2) 1. 33 D. 9, 2. Vgl. Kauila, a. a. O. Hiernach Brentano, Entwicklung der Wertlehre, S. ioff.
2) Vgl. Endemann, Studien II, S. 30. Oertmann, a. a. O. S. 40. Kaulla, a. a. O. S. 35 ff.
») 1. 8 C. 4, 44.
«) Kaulla, a. a. O. S. 42 ff.; S. 45.
II. Die Lehre vom gerechten Preis bei Thomas v. Äquin.
Leben und Schriften.
Bezüglich des Lebens, der Schriften und der allgemeinen Be- deutung des Thomas von Aquino, des größten Theologen des Mittelalters, begnügen wir uns mit ganz wenigen einleitenden Be- merkungen, soweit sie zum Verständnis der folgenden Darlegungen unbedingt erforderlich sind1). Thomas wurde 1227 geboren, war zunächst in Paris, dann in Köln Schüler des Albertus Magnus und starb als Mitglied des Dominikaner-Ordens im Jahre 1274.
Die zerstreuten Äußerungen über wirtschaftliche Dinge, die sich in seinen Werken finden, sind in neuerer Zeit Gegenstand eifrigen Studiums gewesen. Vor allem wohl deshalb, weil gewisse Elemente der thomistischen Gesellschafts- und Staatslehre auf manche soziale Strömungen der Gegenwart in bedeutendem Maße eingewirkt haben. So wird demjenigen, der sich mit der Erforschung der modernen sozialen Literatur beschäftigt, der Name Thomas von Aquin ungezählte Male begegnet sein. Auch im Verlaufe unserer Darstellung werden wir wenigstens kurz darauf hinzuweisen haben, daß auch die thomistische Wertlehre der Ausgangspunkt wichtiger Forderungen an das moderne Wirtschaftsleben gewesen ist. Im übrigen gehört eine eingehendere Behandlung dieser Frage nicht in den Rahmen vorliegender Arbeit.
Für die Wertlehre des Thomas v. Aquin kommen als Quelle mehr oder minder alle seine Werke in Betracht. Wir beschränken uns darauf, die im folgenden am meisten benutzten anzuführen, wobei zugleich die Abfassungszeit angegeben wird. Das letztere ist deshalb nötig, weil in manchen Punkten, wie z. B. die Behand- lung der Wucherlehre zeigen wird, mit einer Entwicklung der thomistischen Ansichten zu rechnen ist, die sich naturgemäß ohne Kenntnis der Chronologie seiner Werke nicht ermitteln läßt.
Neben seinen beiden Hauptwerken, der Summa theologica (1265 — 1273) und der Summa contra gentiles (1259 — 1264), die manches hierher Gehörende enthalten, sind vor allem seine Kom-
*) Vgl. zum folgd. Grabmann, Thomas v. Aquin, 1912. Mausbach, Art. Thomas v. Aquin im K. L. XI, 1626 ff. Eine eingehendere literarkritische Behandlung der thomistischen Schriften, soweit sie für seine Rechts- und Wirtschaftslehre in Betracht kommen, siehe bei Kuhlmann, D. Gesetzesbegriff usw. S. 75 ff.
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mentare zu Aristoteles zu berücksichtigen. Thomas gilt als der beste Aristoteleskenner des Mittelalters. Er veranlaßte selbst seinen Ordensgenossen Wilhelm von Moerbecke, eine wortgetreue Über- setzung der aristotelischen Schriften herzustellen, die er dann seinen Erläuterungen zugrunde legte. Gibt noch Albertus Magnus in seinen Kommentaren eine freie Umschreibung des aristotelischen Textes, die er mit eigenen Gedanken durchwebt, so legt Thomas das Hauptgewicht darauf, den Gedankengang des Aristoteles wort- getreu und übersichtlich seinem inneren Zusammenhange nach zur Darstellung zu bringen. Von den auf diese Weise verfaßten Kom- mentaren kommen für uns in Betracht der zur nikomachischen Ethik, der wohl in den Jahren 1261 — 1264 verfaßt ist, sowie der Kommentar zur Politik (1272), von dem jedoch nur die ersten vier Bücher echt sind. In der Art der thomistischen Kommentare liegt es begründet, daß das in ihnen Gesagte nicht ohne weiteres als eigene Meinung des Verfassers angesehen werden kann. Man wird daher im allgemeinen die Kommentare zur Feststellung der Gedanken des Thomas v. Aquin nur dann verwerten können, wenn dieselben Ansichten in seinen selbständigen Schriften wiederkehren, oder sich sonst aus dem Zusammenhang ergibt, daß Thomas den betreffenden Gedanken selbst zustimmt1). Von den übrigen Schriften sind neben dem umfangreichen Sentenzen-Kommentar (1253 — 1255) die Quaestiones quodlibetales (1269 — 1274), sowie die Quaestio dis- putata de Malo (1260 — 1268) zu nennen. Unter der großen Zahl der kleineren Schriften sind besonders wichtig: De regimine prin- cipum, wovon jedoch nur I — II, c. 4 echt sind [1266?]2); sowie de regimine Judaeorum (1263 — 1267?), die in den Ausgaben als opus- cula XXI bzw. XXII sich finden. Das op. LXVII de emptione et venditione, das wichtige Erörterungen über den Kauf auf Kredit enthält, wird im allgemeinen Thomas zugeschrieben, wenn dessen Autorschaft auch nicht unbedingt sicher ist. Unter den thomistischen Kommentaren zum Neuen Testament ist häufiger verwendet die Catena aurea, die in Form einer Zusammenstellung von Väter- Zitaten eine Erläuterung der vier Evangelien bietet, weil aus ihr zu einem guten Teile das Maß der Beeinflussung der thomistischen Gedanken durch die Patristik erschlossen werden kann.
*) Vgl. Maurenbrecher, Thomas v. Aquinos Stellung zum Wirtschaftsleben seiner Zeit, S. 24Ü.; vgl. Kuhlmann, a. a. O. S. 94f., der etwas kritischer ist, aber mit ersterem doch im Prinzip übereinstimmt.
2) Daß wenigstens diese Teile unverfälscht thomistisch sind, betont Kuhlmann, a. a. O. S. 85.
Beiträge zur Geschichte der Nationalökonomie. Heft 1. 2
Schreiber, Die volkswirtsch. Anschauungen d. Scholastik.
Ä. Allgemeines aus den wirtschaftlichen Anschauungen des Thomas v. Aquin.
a) Eigentumslehre und Standesprinzip.
Es ist alsdann ein kurzer Überblick voranzuschicken über einige Anschauungen, die für das Wirtschaftsbild des Aquinaten grundlegend sind, auf die auch im folgenden mehrfach hingewiesen werden muß, zunächst über die thomistische Eigentumslehre1).
Thomas folgt in seiner Eigentumslehre im wesentlichen den Anschauungen der altkirchlichen Zeit. Der natürliche Zweck der Güter ist der, dem Unterhalte, dem Gebrauche aller Menschen zu dienen. Diesem Ziele widerspricht das Privateigentum, soweit man darunter die potestas procurandi et dispensandi versteht, nicht, es dient vielmehr seiner besseren Erreichung. Denn das menschliche Zusammenleben erfordert Privateigentum, weil dann jeder für seinen eigenen Besitz in erhöhtem Grade sorgt und nicht die Nachlässig- keit eintritt, die Kommunismus zur Folge haben würde, und weil unter Herrschaft des Privateigentums das Wirtschaftsleben besser und friedlicher von statten geht.
Jedoch geht die Aufgabe der Güter, allen Menschen zum Unterhalt zu dienen, individuellen Zwecken vor2). Hieraus ergeben sich für die Verteilung der Güter wichtige Prinzipien.
Übermäßiger Reichtum einzelner ist, so betont Thomas, ohne die Armut anderer nicht möglich: »in exterioribus divitiis non potest unus homo superabundare nisi alter deficiat, quia bona tem- poralia non possunt simul possideri a multis«3), und deshalb als dem natürlichen Recht widerstreitend abzulehnen: »res, quas aliqui super- abundanter habent, ex naturali iure debentur pauperum sustenta- tioni«4). »Quoad proprietatem« gehören die Güter zwar einzelnen, »quoad usum« aber allen5).
1) Maurenbrecher, a. a. O. S. 96 ff. Walter, Das Eigentum nach der Lehre des hl. Thoraas v. Aquin, S. 12 ff. Schaub: Eigentumslehre nach Thomas v. Aquin usw., S. 259 ff. v. Hertling, Kleine Schriften, S. 140 ff. Schilling, Reichtum und Eigentum, S. 209 ff. Vgl. auch Walter, Art. Thomas v. Aquin im H. W. St. VII, 1186 sowie den Art. von Endres über Thomas v. Aquin. St d. G. V, 443 ff. Kuhn, Die Probleme usw., S. 67 ff. In den angeführten Schriften zugleich Näheres über die rechtsphilosophische Stellung des Privateigentums bei Thomas, deren Behandlung hier zu weit führen würde.
2) II, II 66, a. 2, a. 7.
3) II, II 118, a. 1, ad 2. *) II, II 66 a., 7 c.
B) II, II 32, a. 5, ad 2. Feugueray, Essai etc., S. 179 ff. sieht in dieser Scheidung mit Recht den Kern der thomistischen Eigentumslehre.
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Soll so der Einzelne nicht übermäßig reich sein, so verlangt Thomas doch andererseits keineswegs Gleichheit des Besitzes. Sein Ideal ist das standesgemäße Auskommen aller. Thomas scheidet nämlich zwischen dem Status individui, worunter er etwa das versteht, was wir heute als Existenzminimum bezeichnen, und dem Status personae. Im Begriff des letzteren liegt das Standesgemäße1). Man soll dem Kreise, dem man zugehört, ent- sprechend leben, wie es die Sitte heischt, »decenter«. Daraus er- gibt sich für Thomas das wichtige Prinzip: »necesse est, quod bonum hominis circa ea (sc. bona exteriora) consistat in quadam mensura, dum scilicet homo secundum aliquam mensuram quaerit habere exteriores divitias, prout sunt necessariae ad vitam eius secundum suam conditionem.« Ein Überschreiten dieses Maßes ist sündhaft2).
Nun erfahren allerdings diese Forderungen gewisse Ab- schwächungen, auf die wenigstens kurz hingewiesen werden muß. Einmal ist der Begriff des standesgemäßen Unterhaltes seinen Grenzen nach etwas flüssig: »Huiusmodi necessarii terminus non est in indivisibili constitutus; sed multis additis non potest diiudi- cari esse ultra tale necessarium, et multis subtractis adhuc rema- net, unde possit convenienter aliquis vitam transigere secundum proprium statum«3). Sodann besteht eine strenge Verpflichtung zum Almosengeben im einzelnen Falle nur dann, wenn auf Seiten des Armen wirkliche Not vorhanden ist, was der Beurteilung des einzelnen überlassen bleibt4). Aber wie Maurenbrecher mit Recht hervorhebt, bedeuten diese Momente keine Aufhebung des allge- meinen Gedankens, daß jeder auf den standesgemäßen Unterhalt sich beschränken solle. Die Idee einer Entwicklung, eines Auf- steigens von Stand zu Stand kennt Thomas nicht6).
Auf die Quellen des thomistischen Standesprinzips wird im Folgenden vielfach hinzuweisen sein.
b) Arbeitsteilung. Der Mensch ist von Natur zum Gemeinschaftsleben bestimmt: Das ist das Grundgesetz der thomistischen Gesellschaftslehre: »Naturale . . est homini, ut sit animal sociale et politicum, in mul-
x) II, II 32, a. 5, c. quodl. VIII, a. 12 vgl. Maurenbrecher, a. a. O. S. 48 ff. Hilgenreiner, Die Erwerbsarbeit usw., S. 537 f.
2) II, II 118, a. 1 c.
3) II, II 32, a. 6 c. Vgl. Hilgenreiner, a. a. O. S. 547 f. *) II, II 32, a. 5.
5) Vgl. Maurenbrecher, a. a. O. S. 50.
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titudine vivens« x). Die »naturalis necessitas« aber, die ihn im letzten Grunde zum Gemeinschaftsleben zwingt, die das tiefste Fundament des Gesellschaftslebens bildet, ist wirtschaftlicher Art.
Während die Natur die Tiere mit dem ausrüstet, was sie an Nahrung und Mitteln zur Verteidigung brauchen, besitzt der Mensch von Natur aus nichts von alledem; er besitzt an Stelle dessen die Vernunft, die ihn in den Stand setzt, sich vermittelst seiner Hände zu erarbeiten, was er zur Befriedigung seiner Bedürfnisse braucht2).
Aber der einzelne Mensch kann sich allein nicht in ge- nügender Weise seinen Lebensunterhalt erwerben. Die Zahl seiner Bedürfnisse ist zu groß, als daß für ihn eine Selbstgenügsamkeit, ein »sufficere per se« möglich wäre. Und daher ist der Mensch von Natur gezwungen, mit anderen zusammenzuleben, um in der Gemeinschaft seinen Bedarf an dem, was zum Leben notwendig' ist, in ausreichendem Maße decken zu können. Hier liegt der tiefere Grund des Satzes: »Naturaliter inditum est homini, ut in societate vivat«3).
Der Vorteil, den das Gemeinschaftsleben mit sich bringt, der ihm eben seine fundamentale Bedeutung verleiht, liegt aber darin, daß es eine Arbeitsteilung, eine Berufsteilung ermöglicht.
Wie bei den Bienen, sagt Thomas v. Aquin, die einen Honig sammeln, die anderen Zellen bauen4), wie im menschlichen Körper zwischen den einzelnen Gliedern eine Teilung der Verrichtungen stattfindet5), so haben wir auch in der Gemeinschaft eine Teilung der Arbeit: Die einen sind Ackerbauer und Viehzüchter, die anderen Schuster, Baumeister usw.6). Die nächstliegende natür- liche Ursache dieser Berufsteilung ist die Verschiedenheit der Neigungen bei den einzelnen Menschen, der letzte Grund aber liegt in der göttlichen Vorsehung, der »divina Providentia, quae ita hominum Status distribuit, ut nihil unquam deesse inveniatur de necessariis ad vitam«7). So findet der einzelne in der Gesell- schaft eine Ergänzung seiner persönlichen Schwäche und Unzu- länglichkeit.
*) De regimine principum I. c. i.
2) 1. c.
3) S. c. G. c. III 134.
4) 1. C.
6) Quodlib. VII, 17.
6) S. c. G. c. III 134.
7) Quodlib. VII, 17; S. c. G. III c. 134. Über die religiöse Wertung der Arbeit bei Thomas v. Aquin, vgl. N. Paulus, Histor. Jahrb. XXXII, S. 727 ff.
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Die gesellschaftliche Arbeitsteilung bringt aber eines mit sich : Die Bedarfsdeckung für den einzelnen innerhalb der Gesellschaft, die auf Privateigentum fundiert ist, ist nur möglich auf dem Wege des Tauschverkehrs: »Der Verkehr ist die Grundlage jeder Be- darfsdeckung geworden«1). Der Austausch der Dinge wächst so gewissermaßen aus dem Wesen der menschlichen Gemeinschaft hervor. Der Zweck des Gesellschaftslebens, die volle und bessere Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse, wird erreicht durch Kauf und Verkauf. Daher der Satz: »Emptio et venditio videtur esse introducta pro communi utilitate utriusque, dum scilicet unus indiget re alterius et e converso«2).
Und wie einerseits das Gemeinschaftsleben den Tauschver- kehr mit sich bringt, so bildet er andererseits wieder ein Band, das die Mitglieder der Gesellschaft untereinander eint. »Societas hominum«, bemerkt Thomas gelegentlich einmal, »maxime con- servatur per hoc, quod homines emendo et vendendo sibi invicem res suas communicant, quibus indigent«3).
c) Tauschverkehr und Handel in der Stadtwirtschaft.
Wir haben die Bedeutung dargelegt, die nach Thomas v. Aquin dem Warenaustausch innerhalb der Gesellschaft zukommt. Gehen wir jetzt weiter.
Die societas, die Thomas v. Aquin vorschwebt, und der im wesentlichen die geschilderte wirtschaftliche Bedeutung zukommt, ist die Stadtgemeinde, die civitas. Sie erscheint ihm als wirtschaft- liche Einheit, sie soll im Kerne die Funktionen erfüllen, die Thomas der menschlichen Gesellschaft im allgemeinen zuschreibt.
Damit ergibt sich eines: Die Selbstgenügsamkeit, die dem Einzelnen nicht zukommt, deren Unmöglichkeit ihn zum Gemein- schaftsleben, das in der civitas seine eigentlichste Verkörperung findet, zwingt, sie muß der Gemeinschaft als solcher zukommen: »Cum autem homini competat in multitudine vivere, quia sibi non sufficit ad necessaria vitae, si solitarius maneat, oportet, quod tanto sit perfectior multitudinis societas, quanto magis, per se sufficiens erit ad necessaria vitae«4). Wenn es selbstverständ- lich ist, daß in einer Stadt alles vorhanden sein muß, was zum Leben nötig ist, so liegt es doch mehr in der Idee der civitas,
J) Maurenbrecher, a. a. O. S. 59. Vgl. ferner Hilgenreiner, a. a. O. S. 1 1 4 f f .
2) II, II q. 77, a. 1 c.
') I, II q. 105, a. 2, ob. 3.
4) De reg. princ. I. c. 1.
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daß dieses »Genügen« ein »Aus-sich-Genügen«, eine »per se suf- ficientia» sei, die nicht auf den Handel, auf Zufuhr von außen, als Quelle ihrer Verwirklichung angewiesen ist. Daher der Satz : »Dignior . . est civitas, si abundantiam rerum habet ex territorio proprio, quam si per mercatores abundet«1).
Der natürliche Zustand der Versorgung einer Stadt ist also der, daß sie alles zum Leben Nötige in eigenem Besitze hat. Aber dieses mehr oder minder große Selbstgenügen baut sich selbst- verständlich auf Arbeitsteilung und Tauschverkehr auf; es wird durch gemeinsame Arbeit aller Bürger hervorgebracht2).
Diesen Tauchverkehr unter den Bürgern der Stadt selbst, haben wir uns als unmittelbaren Austausch zwischen Produzent und Konsument zu denken3), ohne Vermittelung eines eigenen Händlerstandes. Das ist nach der ganzen Wirtschaf tsverfassung des Mittelalters klar und geht deutlich auch aus der Art und Weise hervor, wie Thomas Zufuhr von außen und Händlerstand als entsprechende Begriffe hinstellt und kritisiert. Die Schäden, die der Handel mit sich bringt, erscheinen lediglich als Schäden des interlokalen Austausches4). Die Form des unmittelbaren Tausches wird unten näher zu besprechen sein.
Ein volle Selbstgenügsamkeit ist aber nicht zu erreichen; ohne Zufuhr von außen und ohne Handel auszukommen, ist un- möglich und zwar aus zwei Gründen: Einmal läßt sich kaum ein Ort finden, an dem alles vorhanden wäre, was zum Leben not- wendig ist. In irgendeiner Hinsicht wird stets ein Mangel vor- handen sein und deshalb Zufuhr von außerhalb nötig werden5). Sodann ist häufig der eine oder andere Gegenstand in der Stadt selbst im Überfluß vorhanden, so daß er von den Einwohnern selbst nicht konsumiert werden kann, also verderben müßte, wenn er nicht durch den Handel anderswohin transportiert würde6). Für beide Fälle tritt ein eigener Händlerstand in Erscheinung; der
1) De reg. princ. II. c. 3.
2) Man vgl. Com. in Pol. Arist. III, 1. 5, d (zu Ar. III, 4, 3), wo Thomas den aristotelischen Gedanken, der Nutzen des Zusammenlebens bestände in der Verwirk- lichung des bene vivere, dahin erklärt: »ad quod (sc. bene vivere) unusquisque affert suam partem, sicut videmus in qualibet communitate, quod unus servit communitati de uno officio, alius de alio et sie omnes communiter bene vivunt.« Über das Verhältnis zu Aristoteles vgl. Maurenbrecher 1. c. S. 44.
3) cf. Maurenbrecher, a. a. O. S. 52.
*) De reg. princ. II, c. 3. Übrigens siehe unten. 6) 1. c. e) 1. c.
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interlokale Austausch vollzieht sich unter seiner Vermittlung, nicht unmittelbar. Auch auf das Wesen des Handels wird unten zu- rückzukommen sein:
Natürlich gibt Thomas der Selbstversorgung vor der Ver- sorgung durch den Handel den Vorzug1). Er führt die verschie- densten Gründe dafür an: Die Selbstgenügsamkeit hat den Vorteil größerer Stetigkeit und Sicherheit in der Versorgung mit Lebens- mitteln in Kriegs- und Friedenszeiten; das Leben der Kaufleute verweichlicht und entkräftet; Zerstörung der heimischen Sitte durch Berührung mit fremden Völkern; sittliche Gefahren, die mit dem Handel verknüpft sind. Vor allem findet, wenn die Bürger selbst Handel treiben, im ganzen städtischen Leben eine Umwälzung statt:
»Rursus, si cives ipsi mercationibus fuerint dediti; pandetur pluribus vitiis additus; nam cum negotiatorum Studium maxime ad lucrum tendat, per negotiationis usum cupiditas in cordibus civium traducitur, ex quo convenit, ut in civitate omnia fiant venialia et fide subtracta locus fraudibus aperitur publicoque bono contempto proprio commodo quisque deserviet deficietque virtutis Studium; dum honor, virtutis praemium omnibus defertur; unde necesse erit in tali civitate civilem conversationem corrumpi« 2).
Maurenbrecher möchte hieraus den Schluß ziehen: »Ja, es ist sogar aller Handel, der die Stadt überhaupt berührt, vom Stand- punkt der Stadt aus lediglich Passivhandel; es würde den Ruin der Stadt bedeuten, wenn die Bürger selbst sich an Handels- geschäften beteiligen wollten«3). Die vorliegende Stelle scheint mir keine Berechtigung zu diesem Schlüsse zu enthalten. Thomas beurteilt den Handel überhaupt nicht minder scharf als das Handel- treiben der Bürger selbst, ohne im ersten Falle zu einem ver- werfenden Urteil zu gelangen4).
Gewiß, das ist das Resultat, zu dem Thomas kommt, ver- dient die Selbstgenügsamkeit unbedingt den Vorzug vor der Ver- sorgung durch den Handel. Doch ist letzterer nie völlig zu ent- behren: daher: . . »oportet, quod perfecta civitas moderate mer- cationibus utatur«5).
Zusammenfassend ist über den Tauschverkehr in der Stadt
*) 1. c. cf. Maurenbrecher, Hilgenreiner, a. a. O. u. sonst.
2) De reg. princ. II., c. 3.
s) Maurenbrecher, a. a. O. S. 52, ferner S. 45, Anmerkung 2.
*) Vgl. im folgenden S. 79 ff.
6) De reg. princ. 1. c.
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zu sagen: »Dem . . . Handel kommt nur eine untergeordnete Be- deutung zu: er hat nur die Aufgabe, den mäßigen Verkehr mit anderen Städten zu vermitteln, den man doch nie ganz wird ent- behren können; für den Verkehr innerhalb der Stadt aber, also für den Verkehr, auf dem die ganze Berufsgliederung der städti- schen Gesellschaft sich aufbaut, kommt er überhaupt nicht in Be- tracht: innerhalb der Stadt stehen Produzent und Konsument einander unmittelbar gegenüber«1).
Diese Ideen sind mehr oder weniger der aristotelischen Politik entnommen2), wenn sich auch gewisse Verschiedenheiten nicht verkennen lassen. Vor allem liegen solche in der Auffassung vom Wesen des Staates vor. Während der Gedanke der Selbst- genügsamkeit des Staates, der avraQKEia, bei Aristoteles wesent- lich sittlichen Inhalt hat, — im Staate findet der Mensch seine volle Glückseligkeit, welch' letztere in der Tugend besteht, — und dieser Bedeutung das wirtschaftliche Selbstgenügen untergeordnet erscheint, steht letzteres umgekehrt bei Thomas mehr im Vorder- grunde: Die Notwendigkeit des Staates ist in letzter Linie durch wirtschaftliche Momente bedingt3), so daß im Kommentar zur Politik die Gedanken des Aristoteles über den Staat zuweilen nicht richtig wiedergegeben sind4). Zum Teil hat dies allerdings darin seinen Grund, daß der griechische Begriff nolig in der Über- setzung mit civitas, Stadt, wiedergegeben wird. In der civitas aber spielte sich für Thomas nicht mehr der volle Kreis der menschlichen Betätigungen ab; schon in militärisch -politischem Sinne kennt er eine höhere Einheit, in der der Mensch eine vitae sufficientia findet5); die civitas hatte zu seiner Zeit eine wesentlich wirtschaftliche Aufgabe. Doch liegt ein gewisser Gegensatz hin- sichtlich der Auffassung von der Bedeutung des Staates vor. Doch ist dieser hinsichtlich des Begriffes der Selbstgenügsamkeit keines- wegs ein durchgehender: auch Aristoteles braucht gelegentlich den Begriff avraQxeia vom Staate in rein wirtschaftlichem Sinne6).
Zeigt sich schon hierin deutlich der Unterschied der wirt- schaftlichen Verhältnisse im griechischen Altertum von denen des
J) Maurenbrecher, a. a. S. 52.
2) Pol. 1, c. 1; IV passim Im einzelnen vgl. Maurenbrecher, a. a. O.
3) Maurenbrecher, a. a. O. S. 43, hebt dies sehr hervor.
4) Vgl. Maurenbrecher, a. a. O.
6) De reg. princ. 1, c. 1: »Habetur vitae sufficientia adhuc magis in provincia una propter necessitatem compugnationis et mutui auxilii contra hostes.« Vgl. hierzu Zeiller, L'idee de l'etat dans St. Thomas d'Aquin, S. 56.
a) Ar. Pol. IV. c. 5.
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Mittelalters, so tritt dieser auch sonst unverkennbar zutage. Die ganze Art der Anordnung der Gedanken, die Hervorhebung der Arbeitsteilung innerhalb der civitas können in dieser Weise nur vom Boden der wirtschaftlichen Verhältnisse des Mittelalters völlig verstanden werden. Nicht, als ob Aristoteles den Gedanken der Arbeitsteilung nicht gekannt hätte. Schon Plato hatte ihn scharf hervorgehoben1), und Aristoteles selbst weist bald ausdrücklich darauf hin, bald liegt er seinen Ausführungen zugrunde2).
Und doch wird der Gedanke der Arbeitsteilung bei Thomas bedeutend schärfer betont und bewußt in den Vordergrund ge- stellt. Durchaus, wie es dem Bilde entspricht, das wir uns von der mittelalterlichen Stadt mit ihrer Trennung der einzelnen Hand- werke machen.
Ähnlich steht es mit den Gedanken, die Thomas über den Handel äußert. Auch sie finden sich mehr oder minder bereits bei Aristoteles, und doch zeigt die ganze Art der Darstellung durchaus den Einfluß der wirtschaftlichen Verhältnisse des Mittel- alters, wo wir im Kerne wohl »Stadtwirtschaft« haben, ein Handel aber keineswegs gänzlich ausgeschlossen ist.
B. Tauschverkehr und Handel unter dem Gesichtspunkte des gerechten Preises.
§ 1. Ökonomischer Charakter des einfachen Tausches und des Handels.
Wir haben im vorhergehenden Teile die ökonomische Be- deutung von Tauschverkehr und Handel innerhalb der mensch- lichen Gesellschaft behandelt. Wenn wir jetzt dazu übergehen, beide unter dem ethischen Gesichtspunkte des gerechten Preises zu betrachten, so müssen wir uns zunächst den ökonomischen Vorgang selbst im einzelnen vergegenwärtigen, denn die Bestim- mung des gerechten Preises wächst aus der ökonomischen Struktur, aus dem Wesen von Tauschverkehr und Handel selbst hervor, ja ist damit schon zu einem guten Teile gegeben.
Auch in Darlegung dieser Verhältnisse fußt Thomas völlig auf Aristoteles. Es sind daher zunächst die aristotelischen Ge- danken darzulegen, dann die Übernahme derselben durch Thomas zu verfolgen.
*) S. oben S. 4.
a) Pol. II, 8 (8): Der Gesetzgeber: »3« . . (atj nQoatäxxsiv, rör avrov avXeiv xai oxvxorofieTv.« Vgl. Pol. I, 3 (12 — 14). Nie. Ethik: V, c. 8.
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a) Aristoteles: Im ersten Buche seiner Politik behandelt Aristoteles das Haus als den kleinsten Bestandteil des Staates und widmet insbesondere der wirtschaftlichen Seite desselben eine ein- gehende Betrachtung1). Die hier geäußerten Gedanken lassen sich etwa so zusammenfassen2):
Aristoteles unterscheidet zwischen der Haushaltungskunst {oixov fiixi]) und der Erwerbskunst (iQrltJLaTl0TlxV *• w- S.). Jene hat es mit dem Verwenden und Gebrauchen zu tun, diese mit dem Erwerben. Die Erwerbskunst gliedert sich wieder in die unmittel- baren und mittelbaren Erwerbsarten; zu ersteren gehören alle jene, die wie die Nomaden, Jäger, Fischer, Ackerbauer ihre Nahrung unmittelbar der Natur entnehmen3). Sie sind eng mit der Haus- haltungskunst verwachsen, mag Aristoteles sie nun direkt für einen Teil derselben erklärt haben oder in ihnen nur einen Hilfszweig der Haushaltungskunst erblickt haben, was unter den Erklärern strittig ist4).
Diesem unmittelbar natürlichen Erwerb steht der mittelbare gegenüber: Hier wird die Bedarfsdeckung des Hauses auf dem Wege des Tausches erreicht. Der Tausch ist etwas durchaus natürliches und notwendiges, wenn er auch selbstverständlich in der ersten ursprünglichen Gemeinschaft, dem Hause noch nicht bestand6). Er bleibt auch noch durchaus natürlich und notwendig, als zu seiner leichteren Abwicklung das Geld eingeführt worden war. Die Erfindung des Geldes geht hervor »aus einem unent- behrlichen Bedürfnis des Tausches«6). Der Erwerb wird in diesem Falle für das Haus ein mittelbarer, und zwar nimmt er die Form des Gelderwerbes an. Aristoteles steht auch dieser Erwerbsart keineswegs ablehnend gegenüber; auch sie ist für ihn noch durchaus natürlich. Der Reichtum, der hier erstrebt wird, ist ein durchaus natürlicher: man faßt ihn auf als eine Summe von Bedarfsgegen- ständen, die der Haushaltung als Werkzeuge zur Bedarfsdeckung
1) Pol. I, c. 3. § 1—23.
2) Vgl. F. Onken, D. Staatsl. d. Ar., 2 Bd., 1875, S. 80 ff. Auszug hieraus bei Susemihl, Einleit. Politik, I. Teil, Leipzig 1879. Ferner Maurenbrecher, a. a. O. S. 54 f.
3) 1. c. § 22: »vor allem aber muß .... die Natur selber den erforderlichen Stoff bereits gewähren, denn ihre Sache ist es, dem, was sie erzeugt hat, auch den Unterhalt zu geben. Und daher ist denn der naturgemäße Erwerb für alle Menschen derjenige, welchen sie aus den Früchten der Erde und den Tieren ziehen.
4) Susemihl, Aristoteles Politik. Anmerkung 69 ab. B) cf. Pol. I. c. 3, § 11 ff.
•) I. 3, § 15 (§ 14).
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dienen. Und in diesem Endzwecke findet der Reichtum seine Begrenzung1).
Eng verwandt mit dieser mittelbar-natürlichen Erwerbsart ist eine andere, die sich aus erster entwickelt, der eigentliche Handel [xajirjleia, xajirjlixrf\-)- »Dieser ist ein Werk der Kunst und Übung, aber nicht der Natur« 3). Er ist darauf gerichtet, beim Umsatz der Waren möglichst viel Gewinn zu machen. Zweck des Tausches ist nicht Deckung eines natürlichen Bedürfnisses, sondern Erstreben von Reichtum, der insgeheim in eine Masse von möglichst viel Geld gesetzt wird und kein Maß und keine Grenzen kennt4). »Und so entsteht denn der Glaube, daß die Erwerbskunst es hiermit zu tun habe und im eigentlichen Handelsgeschäft bestehe«5). Aristoteles hält es daher für richtig, diese Art von Erwerbskunst vorzugsweise als Bereicherungskunst zu bezeichnen, als iqi]ixo.tiotim] im engeren Sinne6).
Zwei Erwerbsarten stehen sich also schroff gegenüber: »In etwas anderem besteht der natürliche Reichtum und die natürliche Erwerbskunde, und nur diese letztere ist die zur Haushaltungs- kunde gehörige, während die künstliche im eigentlichen Handels- geschäft besteht, indem sie nicht auf den Vermögenserwerb über- haupt, sondern nur auf den durch den Vermögensumsatz gerichtet ist. Und diese hat es augenscheinlich mit dem Gelde zu tun, denn das Geld ist beim Handel Anfang und Ende«7). Dieses Streben nach Gewinn ist es, was Aristoteles ablehnt. Es ent- springt dem Streben nach sinnlichen Genüssen. Die Kräfte des Menschen werden dabei entgegen ihrer eigentlichen Bestimmung angewandt: Die Tapferkeit ist nicht dazu da, Geld zu erzeugen, sondern Heldenmut zu zeigen8). So sehr also Aristoteles dem Tauschverkehr gerecht wird, wenn er einem natürlichen Bedürfnis dient, so schroff lehnt er ihn ab, wenn er, wie in der Gestalt des eigentlichen Handels, zur Erzielung eines Gewinnes vorgenommen wird9).
*) I. 3, § 8, b. 9. Vgl. hierzu Zmavc, Die Geldtheorie und ihre Stellung usw. Z. f. d. g. St., Bd. 58, S. 75 ff.
2) I, 3 § 15-
3) I, 3 § 10.
«) I, 3 § 15 u. 16.
5) I, 3 § 16.
6) I, 3 § 10.
7) I, 3 § 17: »rö yag vö/iio/ua ozoi%eiov xai jisqü? zfjc dkkayfjg eaxtv.
8) cf. § 19 u. 20.
8) Der Unterschied zwischen dem einfachen Tauschverkehr und dem Handel, der einen Gewinn machen will, ist in scharfer, aber prinzipiell ähnlicher Weise dargelegt
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b) Thomas v. Aquin. Zur Bestimmung der thomistischen Ansichten ist einmal zu prüfen, wie Thomas die aristotelischen Gedanken in seinem Kommentar zur Politik dargestellt und ent- wickelt hat, dann ist die Verwertung derselben in Thomas selb- ständigen Schriften zu untersuchen.
Im Kommentar zur Politik sind die Ausführungen des Aristoteles im allgemeinen richtig wiedergegeben. Nur sind zwei Punkte hervorzuheben:
i. Der aristotelische Begriff yQ^/xariorixt], Erwerbskunde wird bei Thomas regelmäßig wiedergegeben durch ars pecuniativa im Sinne von ars acquirendi pecuniam. Erwerb und Gelderwerb sind nach Thomas identisch1).
Maurenbrecher möchte hierin eine Einwirkung der wirt- schaftlichen Verhältnisse des Mittelalters und ein Abweichen vom aristotelischen Gedankenkreise erblicken: »Es ist augenfällig, wie Thomas in diesen Ausführungen von der von Aristoteles auf- gestellten Wirtschaftslehre sich entfernt. War für diesen jedes Streben nach Gelderwerb unsittlich, weil der natürliche Reichtum des Hauses in seinem lediglich Gebrauchsgüter enthaltenden Besitz dargestellt ist, so ist für Thomas gerade Geldbesitz eine notwendige Voraussetzung für die Existenz der Familie«2). Nach Mauren- brecher denkt Aristoteles an eine Autarkie der Familie3), an einen Zustand der geschlossenen Hauswirtschaft. Nur die Aneignung des naturalen Ertrages des eigenen Besitzes sei für ihn natürlich und notwendig, nicht der verkehrsmäßige Erwerb, der Handels- gewinn4). Hingegen sei das Mittelalter mit seiner städtischen Be- rufsteilung auf den Verkehr als Grundlage seiner Bedarfsdeckung angewiesen.
von Karl Marx (Kapital, i. Bd., S. 113 ff.), der übrigens ausdrücklich Aristoteles zitiert. Marx unterscheidet eine doppelte Form des Tausches ;■ einer vollzieht sich nach der Form : Ware — Geld— Ware, W — G — W. Hier handelt es sich, wenn man einen Tausch- kontrahenten betrachtet, um die Befriedigung eines tatsächlich vorliegenden Bedürfnisses, wobei das Geld die Vermittlerrolle übernimmt. Die andere Form ist die: G — W — G, also die Form des eigentlichen Handels, wo G im zweiten Falle größer sein muß als anfangs, sonst hätte der Tauschprozeß keinen Sinn. Geld erzeugt hier also einen Mehr- wert, erzeugt größeres Geld. Wir haben es also hier mit einer wirtschaftlichen Er- scheinung kapitalistischer Natur zu tun, dem »Kaufmannskapitalismus«. Offenbar wird gerade der letztere von Aristoteles gemeint und als unsittlich verworfen, weil er der Be- stimmung des Geldes, lediglich Tauschmittel zu sein, widerstreitet. x) C. in Ar. Pol. I. 1. VI.— VIII. passim.
2) Maurenbrecher, a. a. O. S. 58.
3) 1. c. S. 59. *) 1. c. S. 54 f.
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Ich halte dies nicht für richtig. Daß Aristoteles den Erwerb durch Tausch für nötig und sittlich zulässig hält, ist oben dargelegt und belegt worden. Von einer »Autarkie« des Hauses kann bei ihm keine Rede sein1). Und wenn Thomas die Erwerbskunde schlechthin als ars pecuniativa faßt, so steht er damit lediglich auf seiten derer, die, wie oben angedeutet, den unmittelbar natürlichen Erwerb zur Hausverwaltung rechnen und diesem den mittelbaren Erwerb durch Tausch gegenüberstellen, der je nachdem ein natür- licher oder widernatürlicher, ein eigentliches Handelsgeschäft, sein kann. Bei dieser Gliederung der aristotelischen Ansichten wird tatsächlich die Erwerbskunst zu einer ars acquirendi pecuniam, sobald der Tausch sich vermittelst des Geldes vollzieht, was nach Aristoteles der Fall ist oder doch erlaubtermaßen sein kann2).
2. Sodann ist auffallend, daß die Ausführungen des Aristoteles über den Handel bei Thomas auf das Geldwechselgeschäft umge- deutet werden, die ars campsoria oder ars nummularia, deren Wesen dahin definiert wird, »quae est permutatio denariorum « 3).
Der Grund hierfür liegt in der Übersetzung, die Thomas seinem Kommentar zugrunde legt: Hier wird anfangs der aristo- telische Begriff xamjkeia richtig mit negotiatio wiedergegeben, während später regelmäßig die damit identischen xamqXixi], xanrjXixov mit ars campsoria oder nummularia übersetzt werden4).
Es dürfte nicht angängig sein, hieraus irgendwie auf Thomas' eigene Ansicht zu schließen5); die berührte Tatsache ist vielmehr
1) Siehe oben S. 25 ff.
2) a. a. O. Zudem ist wohl kaum anzunehmen, daß Aristoteles den Handel seiner wirtschaftlichen Funktion nach für überflüssig hält. Dies tut nicht einmal Plato, den Aristoteles doch an Verständnis für die realen Verhältnisse des Lebens weit über- trifft. Aristoteles verurteilt nur den Handel, wie er ihn tatsächlich geübt sah, und wäre wohl der letzte gewesen, der das Berechtigte an der als Ganzem verurteilten Erscheinung des Wirtschaftslebens verkannt hätte. Nur war er zu sehr Realpolitiker, als daß er sich mit den platonischen Reformplänen hätte befreunden können, wenn er auch dem antikapitalistischen Geiste seines Lehrers treu blieb.
3) C. in Ar. Pol. I. 1. VII. c. cf. VIII. g.: »Et ideo omnibus hominibus est naturalis pecuniativa i. e. aquisitiva ciborum vel denariorum pro cibo ex rebus naturalibus sive ex fructibus et animalibus, quod autem aliquis acquirat pecuniam non ex rebus naturalibus, sed ab ipsis denariis, hoc non est secundum naturam.«
4) Man vgl. folgende Stellen : Aristoteles : »fir/ öt' älXayqc xai xa.7ir}leia.g xo/ni- tovrai rt]v Tgoqctjv.« Übersetzung: »non per commutationem et negotiationem ferunt alimentum.« Ferner: Aristoteles : »dijlov, Sri ovx sazi <pvo£i trjg xgt]fiaTiOTixfjs i) xanrjXda.*. Übersetzung: »palam, quod non est secundum naturam pecuniativae campsoria.« (Ar. I. 3, § 5. C. in Ar. Pol. 1. VI. g.; Ar. I. 3, § 12. C. in Ar. Pol. 1. VII. c).
5) Maurenbrecher, a. a. O. S. 60, zieht aus diesen sowie den bei Aristoteles und Thomas später folgenden Darlegungen des Kreditgeschäftes den Schluß: »Man sieht,
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lediglich auf die fehlerhafte Übersetzung zu setzen, was, wie wir unten sehen werden, aus Thomas selbständigen Schriften her- vorgeht1).
Die thomistischen Ausführungen im Kommentar zur Politik werden infolge der Mängel in der Übersetzung in sich wider- spruchsvoll und unzulänglich. Anfangs, wo die Übersetzung den Begriff negotiatio bringt, schließt auch Thomas sich an dieselbe an und fügt die Bemerkung bei: »worüber unten gehandelt werden wird«, »de qua infra agetur« 2), während tatsächlich nur die Er- örterung über das Geschäft der Geldwechsler folgt3), 4).
In seinen selbständigen Schriften hat Thomas seine eigene Ansicht scharf und klar dargelegt und zwar im engsten Anschluß an Aristoteles, den er wiederholt ausdrücklich nennt. Thomas sagt wörtlich:
»Ut autem Philosophus dicit, duplex est rerum commutatio: una quidem quasi naturalis et necessaria; per quam scilicet fit commutatio rei ad rem vel rerum et denariorum propter neces- sitatem vitae, et talis commutatio non proprie pertinet ad nego- tiatores, sed magis ad oeconomicos vel politicos, qui habent pro- videre vel domui vel civitati de rebus necessariis ad vitam«6).
Hier ist das Wesen des einfachen Tauschverkehrs scharf be- stimmt. Er ist nicht spekulativ, nicht kapitalistisch, das Wesen des Handels besteht nicht in ihm. Er mag sich mit oder ohne Zuhilfenahme des Geldes vollziehen, immer ist der Endzweck des
daß auch für ihn das Geld- und Kreditgeschäft eine wirtschaftliche Bedeutung noch nicht hatte, wenn er natürlich auch weiß, daß es häufig genug vorkommt.« Daß Thomas das Geldgeschäft für erlaubt hält, gerade im Gegensatz zu den von ihm im Kommentar dargelegten vermeintlichen Ansichten des Aristoteles, wird unten darzustellen sein. x) Siehe S. 31.
2) cf. C. in Ar. Pol. I. 1. VI. g.
3) C. in Ar. Pol. I. 1. VII. u. VIII.
4) Albertus Magnus gibt in seinem Kommentar zur Politik (1. I., c. 7. Alberti Magni Opera omnia. Vol. 8., Paris 1891), der nach dem thomistischen verfaßt ist, die Darlegungen des Aristoteles über den Handel ebenfalls als auf die ars campsoria bezüglich wieder, auf Grund derselben Übersetzung: I. c. 7 c. campsoria, id est, quod cambiatur pecunia in pecuniam. Ibidem s. : »Et illa pecuniativa est secundum naturam omnibus, quae est ex fructibus et animalibus (Zitat aus Aristoteles!): pecunia enim ad hoc inventa est, ut inter vendentem et ementem talium fiat commutatio et non est inventa ad hoc, quod pecunia in maiorem pecuniam convertatur; hoc enim non est secundum naturam pecuniae, sed est de pravitate avaritiae humanae.« Es gibt also zwei Arten des Geldtausches: qua scilicet convertitur pecunia in victum et vestitum et alia necessaria (t) und qua scilicet pecunia commutatur in pecuniam ampliorem (g). Letzteres ist die ars campsoria.
6) II, II q. 77, a. 4 c.
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Tauschprozesses die Befriedigung eines tatsächlich vorliegenden Bedürfnisses :
Dann heißt es bei Thomas weiter:
»Alia vero commutationis species est vel denariorum ad de- narios, vel quarumcumque rerum ad denarios non propter res necessarias vitae, sed propter lucrum quaerendum; et haec quidem negotiatio proprie videtur ad negotiatores pertinere, secundum Philosophum« x).
Das Wesen des Handels besteht also darin, daß beim Tausche ein Gewinn, ein lucrum erzielt wird2). Nur der handelt (nego- tiatur), der, wie Thomas später sagt: »ad hoc emit, ut carius vendat«3).
Offenbar unterscheidet Thomas zwei Arten des Handels: Das Geldwechselgeschäft (»denariorum ad denarios«) und den Warenhandel (»quarumcumque rerum ad denarios«). Beide werden unter dem allgemeinen Begriff negotiatio zusammengefaßt. Es liegt hierin eine gewisse Erweiterung der aristotelischen Gedanken, wie sie Thomas in der oben zitierten Übersetzung vorlagen und von ihm in seinem Kommentar entwickelt waren. Er schreibt Aristo- teles nicht nur eine Erörterung des Wechselgeschäftes, sondern auch des eigentlichen Handels zu. Vielleicht fühlte er selbst die Mangelhaftigkeit der Übersetzung und nahm so eine Ergänzung vor. Aristoteles erwähnt allerdings das Geldwechselgeschäft über- haupt nicht4).
§ 2. Die "Wertgleichheit als Forderung der Gerechtigkeit.
Eine klare, ausdrückliche Begriffsbestimmung des Wertes finden wir bei Thomas nicht. Zudem werden die Ausdrücke valor und pretium unterschiedslos für denselben begrifflichen In- halt gebraucht, also zwischen Wert und Preis kein Unterschied an- genommen, was übrigens auch im römischen Recht der Fall ist6). Was macht nun das innere Wesen des Wertes aus?
Thomas kommt ausschließlich darauf zu sprechen, im Zu- sammenhang mit seinen Untersuchungen über das Wesen der Ge- rechtigkeit, die einen Tausch nach Wertgleichheit verlangt. Das
») l. c.
2) cf. ib. »Lucrum . . , quod est negotiationis finis«.
3) II, II q. 77, a. 4, ad 2.
4) Vgl. die Darlegung der aristotelischen Ansichten und des thomistischen Kom- mentars, oben S. 26 ff.
6) Siehe II, II q. 77, a. 1 c. Zum römischen Recht; vgl. Oertmann, a. a. O. S. 38 f.
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Endziel seiner ganzen Betrachtungsweise ret nicht, das Wirtschafts- leben als solches seinem Sein nach zu e#kennen, vielmehr es zu regeln gemäß den Forderungen der Gerechtigkeit. Über die Be- deutung der letzteren für das Wirtschaftsleben wird weiter unten ausführlich zu sprechen sein. Wir müssen hier zunächst die Form des Tausches, wie sie von der Gerechtigkeit gestaltet wird, ein- gehender behandeln.
Die allgemeinen Grundsätze hierfür finden sich an mehreren Stellen der selbständigen Schriften des Aquinaten1). Thomas hat sie ohne wesentliche Abweichungen aus Aristoteles nikomachischer Ethik übernommen2). Näher auf das Wesen des Wertes kommt Thomas fast nur in seinem Kommentar3) zu dem eben genannten Werke des Aristoteles zu sprechen. Nun bieten zwar die thomisti- schen Kommentare nicht ohne weiteres die eigenen Ansichten des Autors. Doch stellen sich die näheren Ausführungen über den Wert so sehr als bloße Erläuterungen und Erweiterungen der von Thomas sonst häufig verwendeten allgemeinen Prinzipien dar, daß wir die Auffassung darüber, die Thomas Aristoteles zuschreibt, auch als eigene Ansicht des Aquinaten in Anspruch nehmen müssen. Das Nähere wird sich in der folgenden Darstellung ergeben.
Im Tausche soll also nach Thomas Gerechtigkeit herrschen. Die Gerechtigkeit im allgemeinen wird definiert: »justitia est ha- bitus, secundum quem aliquis constanti s et perpetua voluntate ius suum unicuique tribuit« 4). Sie beschäftigt sich mit den Handlungen der Menschen, die auf einen anderen bezug nehmen 5). Insofern sie diese regelt, kommt ihr innerhalb der menschlichen Gemeinschaft eine außerordentlich wichtige Aufgabe zu. Thomas führt daher zustimmend das Wort Ciceros an: »Justitiae ea ratio est, qua socie- tas hominum inter ipsos, et vitae communitas continetur« 6).
In der Gemeinschaft sind zwei Arten von Beziehungen vor- handen: Einmal steht der Einzelne als Glied der Gesamtheit aller gegenüber und ist verpflichtet, sein gesamtes Tun mit dem Wohle
2) Besonders kommen in Betracht: II, II 58 f.; II, II 61 f.
2) cf . Aristoteles : Eth. Nie. 1. V, c. 1 ff.
3) Com. in Eth. Nie. Aristotelis lib. V, lect. Iff.
4) II, II q. 58, a. 1 c. Die Definition deckt sich mit der des Aristoteles, wie Thomas weiter ausführt: »Et quasi est eadem definitio, cum ea, quam Philosophus ponit (Ethik IV, c. 5, a. m.), dicens quod: »justitia est habitus, secundum quem aliquis dicitur operativus secundum electionem justi.«
5) cf. II, II q. 58, a. 2, sowie die folgenden Zitate. «) II, II q. 58, a. 2.
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derselben in Übereinstimmung zu bringen. Insofern nun die Ge- rechtigkeit den Gesamtkreis der menschlichen Handlungen auf das bonum commune hinlenkt, schließt sie in gewissem Sinne alle anderen Tugenden in sich, ist sie eine virtus generalis, und insofern diese Forderung im Gesetze niedergelegt ist, wird die Gerechtig- keit selbst auch als justitia legalis bezeichnet1).
Sodann gibt es in der Gemeinschaft Beziehungen, aus denen einer einzelnen Person Rechte erwachsen, sei es der Gemeinschaft oder einer anderen Privatperson gegenüber. Die Feststellung und Gestaltung dieser Rechte ist die Aufgabe der Gerechtigkeit, inso- fern sie eine besondere Tugend, eine virtus particularis ist2).
Diese Beziehungen werden begründet durch äußere Hand- lungen, die einer einer anderen Person zufügt, oder durch Über- tragung von äußeren Dingen, von Gebrauchsgegenständen3).
Stehen sich zwei Personen einander gegenüber, so soll die Handlung der einen oder die Sache, die sie hingibt, dem, was die andere Person fordern kann4), angemessen, gleich sein. Die Ge- rechtigkeit erfordert also ihrem Wesen nach Gleichheit (adaequa- tio5), so daß die Mitte zwischen dem zu Großen und dem zu Kleinen gewahrt bleibt. Das Gerechte selbst ist ein Gleiches6). Diese Gleichheit nimmt nun eine verschiedene Form an, je nach- dem ob dem Einzelnen von Seiten der Gesamtheit etwas geschuldet wird oder von seiten einer anderen Privatperson.
Im ersteren Falle handelt es sich um eine Verteilung von gemeinsamen Gütern, sie wird geregelt durch die justitia distribu- tiva, im letzteren Falle um einen wechselseitigen Austausch von Gütern, wie Kauf, Verkauf usw.; ihn will die justitia commutativa nach ihren Prinzipien gestalten7).
Was dem Einzelnen einem Ganzen gegenüber zusteht, ist nicht für alle dasselbe, vielmehr verschieden nach der Bedeutung, die dem Einzelnen innerhalb der Gemeinschaft zukommt. Die ver- teilende Gerechtigkeit fordert keine aequalitas rei ad rem; sondern es muß, wenn z. B. zwei Personen einem Ganzen gegenüberstehen,
J) 1. c. a. 5 c. cf. Aristoteles Eth. 1. V, c. i.
2) 1. c. a. 7. c.
3) 1. c. a. 8. c.
4) Demgemäß besteht die Gerechtigkeit darin, jedem das Seine zu geben, »pro- prius actus justitiae nihil aliud est quam reddere unicuique quod suum est.« II, II q. 58, a. 11 c.
5) C. in III. 1. Sent. d. 33, q. 3, a. 4, sol. I.
6) 1. c.
7) II, II q. 61, a. 1 c: Vgl. Nik. Ethik V, c. 5—7.
Beiträge zur Geschichte der Nationalökonomie. Heft 1. 3
Schreiber, Die volkswirtsch. Anschauungen d. Scholastik.
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dieses Ganze derart unter sie verteilt werden, daß, wie die Per- sonen zueinander sich verhalten, nach ihrer Bedeutung dem Ganzen gegenüber, so sich auch die Sachen, die ihnen zuerkannt werden, verhalten. Sind A und B die beiden Personen, C und D die ihnen zugeteilten Güter, so müssen nach Gerechtigkeit die Verhältnisse einander gleich sein:
A:B = C:D.
Eine derartige Gleichheit zweier Verhältnisse ist eine geo- metrische Proportion; eine solche liegt der justitia distributiva zugrunde1).
In anderer Form vollzieht sich die justitia commutativa. Ihr Gebiet sind, wie schon dargelegt, die Beziehungen einzelner Privat- personen untereinander, vor allem die wirtschaftlichen Beziehun- gen, wie Kauf und Verkauf, Arbeitsvertrag usw.2). Für uns kommt zunächst lediglich der Tauschverkehr in Betracht.
Wenn im Tausche eine Person einer anderen eine Sache überträgt, so entsteht auf Seiten der ersten Person der zweiten gegenüber eine Forderung nach einer Sache, die der weggege- benen gleich ist3). Eben darin liegt nach Thomas das Wesen des Kaufes und Verkaufes, daß in ihnen zwischen den beiden Tausch- kontrahenten ein contractus non gratuitus4) geschlossen wird. Im Tausche entäußert sich einer des Eigentums an seiner Sache zu- gunsten eines anderen in Rücksicht auf geforderten gleichwertigen Ersatz: »Unus transfert dominium rei suae in alterum propter pretium inde acceptum«5).
Die Tauschkontrahenten stehen sich als gleich gegenüber6). Die Gerechtigkeit erfordert nur eine aequalitas rei ad rem7). Auf keiner Seite darf im Tausche Gewinn oder Verlust entstehen. Das aequale, worin das justum commutativum besteht, ist ein medium inter maius et minus8); d. h. es liegt dem Tausche eine arithmetische Proportion zugrunde. Eine solche besagt die Gleich- heit zweier arithmetischer Verhältnisse, z. B.: 6 — 5 = 5 — 4. Der Vorgang des Tausches stellt sich nach Thomas9) in folgender
!) 1. c. a. 2. c. (Eth. lib. V, c. 6).
2) 1. c. Vgl. noch II, II q. 61, a. 3 c.
3) II, II q. 6l, a. 3 c.
4) II, II q. ioo, a. I, ad 5.
5) C. in Ar. Eth. V, 1. IV. c. cf. Anmerkung 3. «) C. in Ar. Eth. V, 1. VI, d.
7) Man vgl. zu diesem Gedanken sowie zu den folgenden: II, II q. 61. a. 2 c.
8) C. in Ar. Eth. V, 1. VII. a.
9) Vgl. Anmerkung 7.
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Weise dar: Überträgt z. B. der Verkäufer dem Käufer eine Sache, die wir = 5 setzen, der Käufer gibt seinerseits aber nur 4 als Preis zurück, so wären auf seiten des Käufers jetzt 6 vorhanden, nämlich 5 + 1, auf seiten des Verkäufers dagegen nur 4; ersterer würde 1 gewinnen, letzterer 1 verlieren. Damit nun Gerechtig- keit herrsche, muß in diesem Falle die Mitte zwischen Gewinn und Verlust festgestellt werden, d. h. es muß eine Zahl gesucht werden, die ebensoviel von 6 übertroffen wird, wie sie ihrerseits 4 übertrifft; d. h. es muß eine arithmetische Proportion aufgestellt werden, nach der sich in diesem Falle 5 als Mitte ergibt. Der justitia commutativa ist genügt, wenn der Verkäufer 5 wieder- erhält, wie er 5 hingegeben hat.
Die hier wiedergegebenen Gedanken, die fast ausschließlich Thomas selbständigen Schriften entnommen sind, sind im wesent- lichen eine kurze Wiederholung dessen, was in der Nikomachischen Ethik1) ausführlicher dargelegt und im Kommentar zu derselben2) von Thomas selbst erläutert ist. Im letzteren findet sich auch eine Weiterführung des eben entwickelten Prinzips der justitia commutativa und eine Anwendung desselben auf das Wirtschafts- leben. Nachdem Thomas die Ausführungen des Aristoteles über die Gerechtigkeit im Tausche wiedergegeben hat, fährt er nämlich in der Darlegung des aristotelischen Textes fort:
„Ostendit3) quod illud, quod dictum est4) observari oportet in commutatione diversarum artium. Destruerentur enim artes si ille, qui fecit aliquod artificium, non pateretur i. e. non reeiperet pro illo artificio tan tum et tale, quantum et quäle fecit. Ideo oportet commensurari opera unius artificis operibus alterius ad hoc, quod sit justa commutatio." D. h. also: Wenn jemand ein Produkt von bestimmter Quantität und Qualität hergestellt hat und dieses im Tausche hingibt, so verlangt die Gerechtigkeit, daß er ein Arbeitsprodukt von gleicher Quantität und Qualität zurück- erhält. Vergleicht man diesen Gedanken mit dem des Aristoteles, so ist eines bemerkenswert: Aristoteles spricht an der betreffenden Stelle5) von einem Tioietv und naoyeiv beim Tausche im Sinne des
:) cf. i. Ar. Eth. Nie. V, c 5 — 7.
2) cf. C. im Ar. Eth. V, 1. IV ff.
3j sc. Philosophus. Die Stelle steht: C. in Ar. Eth. V, 1. VII e. Es wird Bezug genommen auf Aristoteles : Nie. Eth. V, c. 7 : ean de xal ml rcöv aklarv tsyvöjv tovto. avflQovvTO ya.Q av, et /.itj ijToiet rö noiovv xal oaov xal olov xal xö näoypv maaye zovxo xal xooovxov xal xoiovxov.
4) sc. de justitia commutativa!
6) Vgl. das Zitat in Anm. 3.
3*
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Übertragens eines Gutes und der Annahme desselben. Bei Tho- mas hat der Begriff facere eine von Aristoteles abweichende Fär- bung. Er enthält wenigstens etwas, was bei Aristoteles kaum vorliegen dürfte: Der Begriff facere wird von Thomas nicht nur auf den Tauschakt selbst angewendet, sondern bereits auf den vorhergehenden Produktionsprozess. Er umfaßt i. wesentlich die Arbeit des vorhergehenden Produktionsprozesses, 2. Die Übertra- gung dieses Produktes im Tausche. Das pati soll dementsprechend in der Annahme eines dem übertragenen gleichen Arbeitsproduktes bestehen. Es findet sich bereits hier die Berücksichtigung des objektiven Arbeitsmomentes im Tausche, die, wenn sie auch von der justitia commutativa erfordert wird, doch erst aus einer zwar identischen, aber tiefer gehenden und später darzulegenden Auf- fassung der Gerechtigkeit in ihrer vollen Bedeutung hervorwächst1).
Die Arbeitsprodukte sollen ferner durcheinander gemessen werden. Das eine Gut wird der Preis des andern2). Die Gerech- tigkeit erfordert also, wie Thomas in der Summa ausführt, Gleich- heit des Tauschwertes: »Et ideo, sie vel pretium excedat quanti- tatem valoris rei vel e converso res excedat pretium, tolletur justitiae aequalitas«3).
Soweit erläutert Thomas die Gerechtigkeit im Tauschverkehr im Zusammenhang mit dem Begriff der justitia commutativa. Er will mit seinen Darlegungen im wesentlichen nur das wiederholen, was Aristoteles vor ihm ausgesprochen hatte. Der justitia parti- cularis, die sich bei Thomas in die justitia distributiva und commu- tativa gliedert, entspricht bei Aristoteles 1) xaxa /uegog dixaioovvrj, die in das öiy.aiov diav£[.wjTiybv und iTiavog&MTixdv (zo ev rölg ovvaXXdy juaot dty.aiov, dioodwrixov) zerfällt4). Freilich weicht die Auffassung, die Thomas bei Aristoteles findet, in manchen Punkten ab von
1) Nämlich der Gerechtigkeit als einer Wiedervergeltung. Siehe S. 37 ff. — Nach Trendelenburg (Historische Beiträge z. Philosophie II, 1855, S. 359 ff.) finden sich die Äußerungen des Aristoteles, die auf voriger Seite angeführt sind, und die von Thomas in der angegebenen Weise aufgefaßt werden, hier (Nie. Eth. V, 7) im Zu- sammenhang mit den Untersuchungen über die ausgleichende Gerechtigkeit nicht an rechter Stelle; sie werden c. 8 in derselben Weise wiederholt und sind dort im Zusammen- hang begründet, was bei c. 7 weniger der Fall ist. Die Übersetzung, die Thomas seiner Erklärung zugrunde legt, bringt die Stelle zweimal, c. 7 u. c. 8.
2) II, II q. 77, a. 1 c. : »Quantitas autem rei, quae in usum hominis venit, mensuratur seeundum pretium datum.« Besonders geschieht dies durch das Geld. Thomas fährt daher fort: »ad quod est inventum numisma«.
3) 1. c.
4) cf. Arist. Nie. Eth. V, c. 1 — 7.
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dem Sinne, in dem einige moderne Erklärer dieselben Stellen der Nikomachischen Ethik interpretieren1).
Im weiteren Verlauf seiner Darstellung bringt nun Aristote- les für das Wesen der Gerechtigkeit einen neuen Gesichtspunkt. Im Anschluß an die Phytagoräer führt er aus, die Gerechtigkeit im Tausche bestehe in einer Wiedervergeltung; das Gerechte im Tausche sei ein ävzmejiovdög und zwar ein Wiedervergelten xax ävaXoyiav xal /urj xax loöxiqxa, also nach geometrischer Pro- portion2).
Es gibt nun wohl kaum ein Kapitel in der Nikomachischen Ethik, das der Erklärung solche Schwierigkeiten böte, wie dieses3). Dementsprechend finden sich bei den einzelnen Erklärern durchaus verschiedene Auffassungen. Wir haben hier die thomistischen Ansichten darzulegen und nicht in erster Linie den Sinn des Aristoteles festzustellen. Aristoteles und die verschiedenen Erklä- rungen, die von ihm gegeben werden, sind daher hier nur soweit zu berücksichtigen, als dies zum unmittelbaren Verständnis der Ansichten des Aquinaten erforderlich ist.
Wir werden im Anschluß an den thomistischen Kommentar4) der Reihe nach behandeln: i. Begriff und Form der Wiederver- vergeltung. 2. Verwirklichung der Wiedervergeltung vermittelst des Geldes. 3. Bedeutung des Bedürfnisses im Tausche; Bedürfnis und Geld als Masse der Güter.
1. Begriff und Form der Wiedervergeltung. Der Be- griff der Wiedervergeltung erfordert eine aequalitas actionis et passionis; es gehört zum Wesen des contrapassum, »ut . . aliquis pateretur, secundum, quod fecerat«5) oder, wie Thomas in der theologischen Summe ausführt: » . . hoc, quod dicitur contrapassum, importat aequalem recompensationem passionis ad actionem prae- cedentem«6).
Es ist somit vor allem festzustellen, was Thomas unter den
a) Vgl. unten S. 40 f.
2) Nie. Eth. V, c. 8: »öoxeT de xioi xal xo dvziJiSTtov&dg eivai ouiXcüg dixatov, wojzeq 01 IIv&ayÖQeioi k'qpaoav.« Nachdem Aristoteles dann dargelegt, daß dies nicht in vollem Umfange zutreffe, weder bei der verteilenden noch bei der epanorthotischeD Gerechtigkeit, fährt er fort: »ixXX ev fiev zaig xoivcoviaig xaig akkaxxixalg ovvsxEl T0 *ol°vxov dixaiov tÖ dvxtTisjtov&dg xax' avakoyiav xal fir] xax laöxrjxa.«
3) Zudem ist die textliche Überlieferung des 5. Buches der nikom. Ethik sehr fehlerhaft. Vgl. Trendelenburg, histor. Beiträge zur Phil. III, 1867, S. 413.
4) Com. in Ar. Eth. Nie. V, 1. VIII u. IX.
5) C. in Ar. Eth. V, 1. VIII a.
6) II, II q. 61, a. 4 c.
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Begriffen actio und passio versteht. Am klarsten hat er sich darüber an einer Stelle ausgesprochen, wo er zugleich das Ver- hältnis der Wiedervergeltung zur justitia commutativa darlegt, und die für den ganzen hier vorliegenden Ideenkreis von entschei- dender Bedeutung ist. Es heißt dort1): »Dicit2) ergo, quod in communicationibus commutativis verum est, quod tale est justum, quod continet in se contrapassum , non quidem secundum aequali- tatem, sed secundum proportionalitatem. Videtur autem hoc esse contra id, quod supra dictum est, quod scilicet in commutativa justitia medium accipitur non quidem secundum geometricam pro- portionalitatem, quae consistit in aequalitate proportionis, sed secun- dum arithmeticam, quae consistit in aequalitate quantitatis. Dicen- dum est autem, quod circa justitiam commutativam semper quidem oportet esse aequalitatem rei ad rem, non tarnen actionis et passi- onis, quod importat contrapassum. Sed in hoc oportet adhiberi proportionalitatem ad hoc, quod fiat aequalitas rerum, eo quod actio unius artificis maior est quam actio alterius sicut aedificatio domus quam fabricatio cultelli, unde si aedificator commutaret actionem suam pro actione fabri- cationis, non esset aequalitas rei datae et acceptae: puta domus et cultelli.»
Hiernach ist zunächst soviel klar: Der Begriff actio hat, wie sich oben bereits bei dem entsprechenden Ausdruck facere ergab3), einen durchaus objektiven Inhalt. Das Maß der Leistung der Tauschkontrahenten wird durch den vorhergehenden Produktions- prozeß bestimmt: actio ist der allgemeine Begriff zu den speziellen aedificatio usw. Darüber hinaus besteht die actio im Tausche darin, daß die beiden Tauschkontrahenten ihre eigenen Sachen dem anderen übertragen und demgemäß die passio in der An- nahme des Übertragenen4). Naturgemäß kann im Tausche von einem »Leiden«, einem pati nur in übertragenem Sinne gesprochen werden, wie Thomas bemerkt6).
*) C. in Ar. Eth. V, 1. VIII f.
2) sc. Aristoteles.
3) Vgl. oben S. 36.
4) Vgl. hierzu auch II, II q. 59, a. 3, c. : »actio de sui ratione procedit ab agente; passio autem secundum propriam rationem est ab alio.«
6) Ein Leiden im eigentlichen Sinne liegt zunächst bei Verletzung einer Person z. B. durch Schlagen vor; dann bei einem Bestohlenen im Falle eines Diebstahls »Tertio vero transfertur nomen contrapassi ad voluntarias commutationes, in quibus utrius- que est actio et passio; sed voluntarium diminuit de ratione passionis.« II, II q. 61, a. 4 c.
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Ferner soll im Tausche Gleichheit von Leistung und Gegen- leistung herrschen. Darin besteht eben die Wiedervergeltung, darin besteht aber auch das Wesen der justitia commutativa, wie sich schon oben bei der Behandlung derselben ergab und wie Thomas überdies ausdrücklich hervorhebt.
Um nun diese arithmetische Gleichheit von Leistung und Gegenleistung zu bestimmen, bedarf es einer geometrischen Pro- portion: Daß von den Tauschkontrahenten jeder ein Einheits- produkt seiner Tätigkeit übertragen würde, z. B. ein Baumeister ein Haus, und ein Schuster, der mit ersterem tauschen will, ein Paar Schuhe, würde der Gerechtigkeit nicht entsprechen: »nam plures expensas facit aedificator in una domo quam coriarius in uno calciamento«1). Vielmehr muß zunächst der Unterschied, der zwischen den beiden Personen hinsichtlich ihrer Aufwendungen besteht, bestimmt werden; hierdurch ist dann auch das Wertver- hältnis ihrer Einheitsprodukte bestimmt: Bezeichnet man Bau- meister und Schuster mit A und B, ihre Produkte mit C und D, so muß folgende Proportion aufgestellt werden:
A : B = C : D.
Ist so das Wert Verhältnis zwischen dem Produkte des Bau- meisters und dem des Schusters gefunden, so ist damit zu gleicher Zeit bestimmt, wie viele Schuhe für ein Haus gegeben werden müssen, damit Wertgleichheit erzielt werde. Für den Tausch erscheinen also die Produkte in ihrem Wertverhältnis durch das Verhältnis der zur Produktion nötigen Aufwendungen bestimmt. In bezug hierauf wird Gleichheit von Leistung und Gegenleistung gefordert2). So sagt Thomas in einem etwas anderen Zusammen- hange, aber in demselben Sinne: »Oportet igitur ad hoc, quod sit justa commutatio, ut tanta calciamenta dentur pro una domo vel pro cibo unius hominis — es wird hier von einem Tausche zwischen Baumeister, Schuster und Landmann ge- sprochen — , quantum aedificator vel agricola excedit coriarium in labore et in expensis«3).
In prinzipieller Kürze hat Thomas das Wesen der Wieder- vergeltung und ihr Verhältnis zur justitia commutativa in der theologischen Summe zusammengefaßt:
»Similiter etiam nee in commutationibus voluntariis esset semper aequalis passio, si quis daret rem suam, aeeipiens rem
1) C. in Ar. Eth. V, 1. VIII h.
2) C. in Ar. Eth. Nie. V, 1. VIII h. cf. Ar. Nie. Eth. V, c. 8.
3) 1. c. 1. IX b. Den Text des Aristoteles s. S. 41.
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alterius, quia forte res alterius est multo maior quam sua. Et ideo oportet secundum quandam proportionatam commensurationem adaequare passionem actioni in commutationibus« J).
Daß Thomas das Maß der actio bestimmt sein läßt durch das Maß der Kosten und der Arbeit, ergibt sich, wie oben dar- gelegt, aus den weitergehenden Ausführungen der Nikomachischen Ethik, wie Thomas sie in seinem Kommentar zu derselben inter- pretiert hat.
Es entsteht nun zunächst die wichtige Frage, wie sich die hier entwickelten Gedanken zu denen des Aristoteles verhalten. An dieser Stelle nur soviel:
Was die Auffassung angeht, die Thomas hinsichtlich des Verhältnisses zwischen der justitia commutativa und des contra- passum vertritt, so dürfte eine genauere Untersuchung darüber, ob Thomas die aristotelische Meinung damit richtig wiedergibt, weit über den Zweck vorliegender Arbeit hinausgehen. Bei den modernen Erklärern ist die Frage der aristotelischen Einteilung der Gerechtigkeit durchaus umstritten. Während z. B. Trendelen- burg2) das öly.aiov ijiavog&cüuxöv nicht als eigentliches Gerechtig- keitsprinzip des Tausches gelten lassen will, vielmehr in ihr nur die Form der richterlichen Tätigkeit sieht, die eine vorausgegangene Vertragsverletzung ausgleichen soll, und als eigentliche Tauschge- rechtigkeit lediglich das ävxuiexov&os annimmt, verteidigt Wetz el3) demgegenüber die Ansicht, die auch Thomas einnimmt.
Ungleich wichtiger für den Nationalökonomen ist die andere Frage, die bei einem Vergleich zwischen Thomas und Aristoteles auf zuwerfen ist: findet sich die Auffassung der Tauschgerechtigkeit als einer Wiedervergeltung von Arbeit und Kosten, die Thomas Aristoteles zuschreibt, tatsächlich bei letzterem. Soviel ist jeden- falls klar, daß Aristoteles diesen Gedanken nirgends formell aus- gesprochen hat. Andererseits finden wir bei ihm doch Spuren, die zu einer derartigen Deutung zu berechtigen scheinen. So
*) II, II q. 61, a. 4 c. Zur Erklärung des Begriffes maior vgl. C. in Ar. Eth. V, 1. VIII, f. et h.
2) Trendelenburg, Hist. Beitr. z. Phil. III, 1867, S. 399 ff.; vgl. auch Zell er Gesch. II, 2, 642 f., der gegen Trendelenburg polemisiert, selbst aber keine klare Stellung einnimmt, vielmehr das ävzuzEJiov&ög in der eigentlichen Darstellung der aristo- telischen Lehre ganz ausscheidet.
3) "Wetzel, Die Lehre des Aristoteles von der distributiven Gerechtigkeit und die Scholastik. Anhang: Widerlegung der Ansicht Trendelenburgs über die aristo- telische Einteilung der Gerechtigkeit, S. 1 7 ff.
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spricht er davon, daß im Tausche die beiden Kontrahenten ihre EQya x) austauschen. Er schreibt der Beobachtung der Wiederver- geltung eine grundlegende Bedeutung für die nöhg zu, »tö> ävn- jzoieiv yaQ ävakoyov ov/u/uevei f\ nohg2)«.
Ähnlich legt er die Bedeutung der Gerechtigkeit für die Handwerke (rexvai) dar3). Zu einer xoivoovia, meint er ferner, ge- hörten zwei verschiedene Personen, z. B. ein Arzt und ein Landmann, zwei Ärzte hingegen könnten dieselbe nicht bilden4). Vor allem aber scheint sich jene Berücksichtigung objektiver Faktoren an einer anderen Stelle zu finden, wo er die Proportion des Tausches darlegt: „dei toivvv ojzeq oixodö/uog Jigög oxvtotojuov, xooddi vnodrjfia- ra TiQog olxiav i) TQO<pi]v5).
Ramsauer6) deutet in seinen Anmerkungen zur Nikomachi- schen Ethik wenigstens die Möglichkeit an, den Unterschied, der hier zwischen den tauschenden Personen angenommen wird, als einen Unterschied hinsichtlich der Herstellung ihrer Produkte auf- zufassen: »ut eodem jure dici potuerit öneg olxodo/uia ngög oxvxoxo- juiav«. Er lehnt freilich selbst diese Erklärung ab, und ohne hier ein endgültiges Urteil fällen zu wollen, scheint auch mir die thomi- stische Auffassung kaum richtig zu sein; jedenfalls leuchtet soviel ein, daß die thomistische Deutung wenigstens zu einem Teile ihren Grund im Texte des Aristoteles selbst hat, wobei freilich die Ein- wirkung anderer Faktoren auf die Entstehung derselben noch dahingestellt bleiben muß. Doch um dieser Frage näher treten zu können, müssen wir erst den ganzen Ideenkreis bei Thomas und Aristoteles überblicken.
J) Nie. Eth. V, 8.
2) 1. c.
3) 1. c.
4) 1. c.
5) 1. c.
6) »In hominibus . . . artifieibus vel operariis nil quaeritur nisi ars eorum seu opera vel etiam id, quod illa arte operaque conficitur. Annon id tandem agitur, ut rerum summa diversitas xaxa to jtoiöv inventa ratione aestimandi eam, numeri vel copiae diffe- rentia (iw nöoio) exaequetur? Neque obloquitur Aristoteles.« Ramsauer lehnt freilich diese Auffassung ab. Er fährt nämlich fort: »Atqui rö /lietqeTv illud, unde omnis res pendet, ipse ubique ad res neque ad homines retulit. Quare cavendum est, ne in inter- pretanda eius sententia nimium nominibus: olxodö/uog, oxvxoxoßog, yswgyög . . . tribua- tur« (G. Ram sauer »Aristotelis Ethica Nicomachea.« Leipzig 1878, S. 319/20. Lasson in seiner Übersetzung, S. 247, gibt die freilich nicht übermäßig deutliche Er- klärung: »Das Wertverhältnis zwischen qualifizierten Arbeitskräften kehrt wieder im Preisverhältnis ihrer Erzeugnisse.« Im allgemeinen wird die Stelle jedoch im Sinne einer subjektiven Werttheorie erklärt, was weiter unten gezeigt werden wird.
Wir fahren daher in der Darstellung fort und behandeln 2. Die Verwirklichung der Wiedervergeltung vermittelst
des Geldes.
Über Entstehung und Wesen des Geldes hat sich Aristoteles in seiner Politik ziemlich ausführlich geäußert1), und Thomas hat die aristotelischen Ideen in seinem Kommentar entwickelt2):
Der Tausch erfordert, sobald er allgemeiner geworden ist und insbesondere von größerer örtlicher Ausdehnung, einen Gegen- stand zur Vermittlung der Umsätze. Als solcher dienen die Metalle, wie Eisen, Silber und Gold, die in sich selbst Wert (utilitas) besitzen, insofern sie, wie Thomas hinzufügt, zu Gefäßen und ähnlichen Dingen verwandt werden können, und die ihres hohen spezifischen Wertes wegen sich zu dem besagten Zweck vorzüglich eignen3). Die anfängliche Mühe des Abwägens ersparte dann ein Prägezeichen (character), das das Gewicht des Metalles beglaubigt. Damit aber diese Münze als allgemeines Tauschmittel gelten kann, ist Anerkennung von Seiten des Staates (des rex oder der communitas) nötig; wie entsprechend der Staat ihr auch diese Funktion wieder nehmen kann4).
Diese Funktion des Geldes als Tauschmittel wird nun in der nikomachischen Ethik eingehender besprochen. Im Tausche soll, das war das Ergebnis unserer früheren Darlegungen, eine Wieder- vergeltung von Arbeit und Kosten stattfinden. Damit diese ver- wirklicht werden kann — so geht der thomistische Gedanken- gang weiter — müssen alle Gegenstände, die getauscht werden sollen, irgendwie vergleichbar sein. Es muß festgestellt werden, welches Gut mehr wert ist als das andere: »Et ad hoc inventa est moneta, id est denarius, per quam mensurantur pretia talium rerum«. Das Geld mißt also gewissermaßen die Güter und bestimmt damit deren Preis5). Ist dies geschehen, so findet der Austauch nach
J) Ar. Pol. I., 3 § 13 — 16. Vgl. hierzu Zmavc: Die Geldtheorie und ihre Stellung usw. Z. f. g. St., Bd. 58, S. 56 ff.
2) C. in Ar. Pol. I, 1. VII, f— k.
3) Inhaltlich hiermit übereinstimmend: Aegidius Colonna (Romanus), ein Schüler des Thomas v. A. (vgl. K. L. III, 667 ff.) in seiner für Philipp d. Schönen, dessen Erzieher er war, verfaßten Schrift: De regimine principum: 1. II, p. 3, c. 9.
4) cf. Anm.2.
5) C. i. Ar. Eth. V, 1. IX a.: »Dicit (sc. Arist.) primo, quod ad hoc, quod opera diversorum artificum adaequentur et sie commutari possint, oportet, quod omnia illa, quorum potest esse commutatio, sint aliqualiter adinvicem comparabilia, ut scilicet sciatur, quid eorum plus valeat et quid minus«. Es folgt dann obiges Zitat: »Et sie denarius fit quoddam medium, inquantum scilicet omnia mensurat et superabundantium scilicet et
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Gleichheit statt, und zwar muß der Preis in der Weise festgesetzt werden, daß die Forderung der Gerechtigkeit, die Wiedervergel- tung, von Arbeit und Kosten verwirklicht wird1). Das pretium muß ein justum pretium sein.
3. Bedeutung des Bedürfnisses im Tausche: Bedürfnis und Geld als Maße der Güter.
Nach dem bisher Gesagten läge nun der Gedanke nahe, das, was nach Thomas subjektiv in den Gütern gleichgesetzt werde, sei der objektive Aufwand an Arbeit und Kosten; darauf beruhe die Vermittlungsrolle des Geldes. Doch liegt das Wesen der Funk- tion des Geldes als eines Wertmessers in etwas ganz anderem. Die ratio praedictae commensurationis ist darin begründet, daß alle Güter durch ein bestimmtes Etwas gemessen werden2). Dies ist aber das Bedürfnis: »Hoc autem unum, quod omnia mensurat, secundum rei veritatem est indigentia, quae continet omnia com- mutabilia, inquantum omnia referuntur ad humanam indigentiam. Non enim appretiantur secundum dignitatem naturae ipsorum; alioquin unus mus, quod est animal sensibile, maioris pretii esset, quam una margarita, quae est res inanimata, sed rebus pretia impo- nuntur, secundum quod homines indigent eis ad suum usum«3).
Scharf wird hier die Bedeutung des Bedürfnisses im Tausche hervorgehoben. Sie liegt nach Thomas zunächst darin, daß ohne Vorhandensein eines Bedürfnisses zum Tausche bei den beiden Kontrahenten ein Tausch überhaupt nicht zustande kommen könnte; z. B. ein Besitzer von Getreide und ein Besitzer von Wein werden nur dann zum Tausche kommen, wenn sie wechselseitig ihrer Pro- dukte bedürfen.
Aber hierüber hinaus übt das Bedürfnis auch als Maß einen bestimmenden Einfluß auf die Umsätze aus: Der Preis wird be- stimmt nach dem Maße des Bedürfens: Die Güter werden nicht gleichgesetzt nach ihrer Rangordnung in der Natur, sondern nach ihrer Beziehung zum menschlichen Bedürfnis. — Man sieht, der Gedanke, daß die tatsächliche Gleichsetzung der Güter etwa nach dem Aufwand von Arbeit und Kosten erfolgen könne, liegt hier völlig fern. So kann Thomas einen Beweis für die darge- legte Bedeutung des Bedürfnisses in der Natur des Geldes finden :
defectum, inquantum una res superexcedit aliam, sicut supra dictum est, quod medium justitiae est, quasi dicat, quae mensurat superabundantiam et defectum.« cf. S. 36, Anm. 2.
*) 1. c. !. IX b. cf. S. 39, Anm. 3.
2) 1. c. c.
s) 1. c. Die Stelle geht auf Augustinus zurück. Vgl. oben S. 10.
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Das Geld ist das Maß der Güter nicht von Natur, sondern kraft menschlicher Satzung. Kraft menschlicher Übereinkunft dient es dem Austausch der Gegenstände des Bedürfnisses: »Est enim condictum inter homines, quod afferenti denarium detur id, quo indiget«1). Das Geld ist seinem Wesen nach Vertretungsgut für die Bedürfnisgegenstände. So sagt Thomas einige Abschnitte später: »Oportet enim esse istam virtutem denarii, ut quando ali- quis ipsum affert, statim contingat accipere illud, quo homo indi- get«2). Aus dieser Natur des Geldes, die für Thomas feststeht, folgert er, daß der Preis bestimmt werde nach dem Maße des Bedürfens.
Wenn z. B. ein Besitzer von Wein und ein Besitzer von Ge- treide einander gegenübertreten, so hat ersterer vielleicht an Wein Überfluß, bedarf aber nicht des Getreides, sondern vielleicht eines ganz anderen Gutes, während letzterer den Wein nötig hat. Oder der Weinbesitzer bedarf für den Augenblick des Getreides nicht, voraussichtlich aber in Zukunft. In Zeiten des Naturaltausches käme es in allen diesen Fällen überhaupt nicht zum Tausche. Anders im Zustande der Geldwirtschaft, wo das Geld als Unter- pfand des Bedürfnisses auftritt, als ein fidejussor futurae necessitatis3).
Das Geld hat also für die Zirkulation der Güter eine außer- ordentliche Bedeutung. Aber diese Bedeutung ist ihm verliehen durch menschliche Satzung. Sie kann ihm daher auch wieder ge- nommen werden; es würde damit seinen eigentlichen Nutzen ver- lieren. Die Funktion des Geldes wird ferner erschwert durch die Veränderlichkeit des Geldwertes. Freilich ist letztere geringer als die Wertänderung anderer Güter; wenigstens muß das Geld so eingerichtet werden, daß sein Wert möglichst stabil bleibt4).
Der tatsächliche Vorgang des Tausches ist also der, daß die Güter gemessen werden durch das Bedürfnis. Hierauf ruht gemäß menschlicher Übereinkunft die Funktion des Geldes. Aber indem die Güter in dieser Weise ausgetauscht werden, muß nach Thomas die alte Forderung der Wiedervergeltung von Arbeit und Kosten erfüllt werden. Der Wertunterschied, der zwischen Schuster und Landmann besteht, muß im Austauschverhältnis ihrer Produkte wiederkehren. Vollzöge sich der Tausch nicht in dieser Weise, so würde einer der beiden Tauschkontrahenten mehr gearbeitet haben, als der andere und würde so einen größeren Verlust erleiden:
1) 1. c.
2) 1. c. g.
3) 1. c.
«) 1. e.
»puta, si agricola daret modium tritici pro calciamento, haberet superabundantiam laboris in opere et haberet superabundantiam etiam damni, scilicet plus vellet dare, quam accipere« x).
Soweit legt Thomas die Bedeutung des Bedürfnisses und die Funktion des Geldes im Tausche dar. Auch diese Ausführungen sollen ohne Zweifel nur eine durchaus sinngemäße Wiedergabe der aristotelischen Gedanken sein.
Doch die zunächst auffallende Verbindung der objektiven und subjektiven Momente, insbesondere die Bedeutung der Wieder- vergeltung von Arbeit und Kosten treten uns bei Thomas nicht in voller Klarheit entgegen. Es bleibt hier manches dunkel und zweifelhaft. Wir werden daher zunächst die Ausgestaltung des- selben Ideenkreises bei einem anderen mittelalterlichen Denker, bei Albertus Magnus untersuchen, um uns später wieder Thomas zuzuwenden.
§ 3. Der Tausch nach Albertus Magnus.
Thomas von Aquin hat seinen Kommentar zur Ethik jeden- falls unter Berücksichtigung des Kommentars des Albertus ver- faßt2). Eine Gegenüberstellung der Ansichten beider dürfte des- halb unumgänglich sein, um so mehr als im Kommentar des Albertus, der eine ausführliche Paraphrase des aristotelischen Textes, untermischt mit eigenen Anschauungen, bietet, manche Ge- danken schärfer und ausführlicher entwickelt sind, als im Kom- mentar des Aquinaten, wo jeder Gedanke des Aristoteles für sich betrachtet und dargestellt wird und Thomas seine persönlichen Ansichten völlig zurücktreten läßt.
Wir versuchen gleich die Ansichten des Albertus in syste- matischer Zusammenfassung wieder zu geben.
Das menschliche Gemeinschaftsleben beruht auf der Arbeits- teilung. Nur durch sie kann für alle eine Befriedigung ihrer Be-
x) 1. c. d.
2) Der thomistische Kommentar ist aber nicht nur eine Jugendarbeit, die nur eine Nachschrift der Vorlesungen des Albertus enthielte, sondern ein durchaus selbständiges Werk aus Thomas' späterer Lebenszeit, wie Kuhlmann a. a. O. S. 95 f. gegenüber Maurenbrecher a. a. O. S. 24 nachweist. Ein Hinweis auf Albertus Magnus bei Brants, a. a. O. S. 194 f. Erörterungen über das Wesen des Wertes finden sich in der Scho- lastik vor Albertus Magnus und Thomas v. Aquin so gut wie gar nicht. Nur Alexander Halensis ("j" 1245) unterscheidet in seiner Summe zwischen »res, cuius valor totas est ex artificio« z. B. Binsenmatten; »res, cuius valor est ex materia et artificio« z. B. Holzschränke; und »res, cuius valor totus est ex se ipsa.« (1. c. III, q. 5°> m. 2), was immerhin schon von einer Beschäftigung mit dem Wertproblem zeugt.
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dürfnisse erreicht werden, die den einzelnen, wenn sie nur für sich arbeiten wollten, nicht möglich ist1). Die einzelnen Glieder der Gemeinschaft müssen also ihrer Tätigkeit nach verschieden sein, in gegenseitiger Ergänzung aber für einander arbeiten: sie müssen ihre verschiedenen Arbeitsleistungen austauschen2). Ohne diesen Tausch der Arbeitsleistungen ist ein Gemeinschaftsleben unmöglich; vielmehr: Commutatione . . existente semper manet communicatio 3).
Bei einer solchen commutatio communicativa wird im Wege einer freiwilligen Übereinkunft die Sache des einen gegen die des anderen getauscht (»per contractum voluntarium res unius pro re alterius commutatur« 4); es findet ein Eigentumswechsel statt: »quod unius est, aliquo modo transit ad potestatem alterius«5).
Form und Bedingung dieses Tausches sind näher zu unter- suchen.
Allgemein gesprochen soll im Tausche Gerechtigkeit herrschen und zwar sowohl im Sinne der justitia commutativa wie des justum contrapassum.
Die justitia commutativa besteht in der Mitte zwischen Ge- winn und Verlust: eine Mitte, die bestimmt wird durch das Prinzip der Wertgleichheit6). Der Ausgleich vollzieht sich nach arith- metischer Proportion, deren Wesen schon bei Thomas dargelegt ist7). Die Wertgleichheit besteht aber dann, wenn sowohl auf Seiten des Käufers wie des Verkäufers Gleichheit der labores et expensae hergestellt wird. Der Käufer, der agens in con- tractu emptionis et venditionis, muß mit dem Gegenstande, mit dem er bezahlt, so viel an Arbeit und Kosten übertragen, daß der Verkäufer, der patiens, seine Aufwendungen vergütet erhält. Wäre das nicht der Fall, so würde der Verkäufer zusetzen und bald sein Gewerbe aufgeben, das damit dem Untergang entgegen- ginge8). Die Gerechtigkeit bildet so das Fundament für das Be-
*) Eth. Hb. V, tract. II, c. 9 (31).
2) 1. c.
3) 1. c. c. 10 (36). Ebenda: . . . »commutatione operum non existente communi- catio civium non erit.«
4) 1. c, c. 9 (31).
5) 1. c, cap. 3 (18). 8) 1. c. c. 6 f. (25 ff.).
7) cf. 1. c, c. 5 ff . S. oben S. 34 f.
8) »Talis autem coniectatio medii (sc. nach arithm. Proportion!) in commutatione artium mechanicarum est. Artes enim illae destruerentur utique, nisi faciens, qui per modum agentis se habet in contractu emptionis et venditionis, tantum et tale faceret,
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stehen jeden Gewerbes. Letzteres selbst erfordert seiner wirtschaft- lichen Natur nach einen »gerechten« Tausch.
Der Begriff des Gerechten als einer Wiedervergeltung scheint zunächt völlig dasselbe zu fordern. Jeder der Tauschkontrahenten fordert, »ut tantum et tale recipiat secundum quantitatem et mo- dum, quantum et quäle fecit alteri«1), also im allgemeinen einen Tausch nach Wertgleichheit. Doch ist der Begriff des contra- passum zunächst etwas umfassender. Bei behördlicher Festsetzung des Preises z. B. wird nicht nach Wertgleichheit vergolten, sondern gemäß dem Gesetze, »ad judicatum«; oder bei Privatverträgen, die nicht auf Wertgleichheit, aber ohne betrügerische Absicht ge- schlossen werden, gemäß der Vereinbarung, »ad pactum« 2).
Aber die beiden genannten Fälle sind doch mehr als Aus- nahmen zu betrachten. Im allgemeinen erfordert auch die Wieder- vergeltung, einen Tausch nach Wertgleichheit »ad rei paritatem«3).
Sodann aber gibt, was ungleich bedeutsamer ist, die Auf- fassung der Gerechtigkeit im Tausche als eines contrapssum, Ver- anlassung und Möglichkeit, Wesen und Bedingungen des Tausch- prozesses selbst schärfer zu bestimmen.
Im Tausche soll also Gleiches mit Gleichem vergolten werden. Aber diese Wiedervergeltung soll nicht etwa in der Weise statt- finden, daß dem Verkäufer einer Sache die gleiche Sache zurück- gegeben würde; sie vollzieht sich nicht secundum aequalitatem rei4). Wenn ein Schuster z. B. seine Schuhe tauscht, so will er nicht etwa dieselbe Zahl Schuhe dafür wieder erhalten. In diesem Falle wäre der Tausch sinnlos. Vielmehr treten sich im Tausche Produzenten gegenüber, deren Produkte völlig verschieden sind5).
quantum et quäle patiens passus est, hoc est vendens, qui per modum patientis se habet in artificiati, quod operatus est laboribus et expensis, commutatione. Si enim lectorum factor pro lecto non tantum et tale accipiat, quantum et quäle posuit in expensis, lec- tum de caetero non faciet: et sie destruetur ars, quae lectorum factrix est. Similiter autem est in aliis artibus.« 1. c. c. J (28). !) 1. c, c. 8 (31).
2) L c, c. 9 (31).
3) 1. c.
4) 1. c, c. 9 (31) »non per aequalitatem rerum commutatarum . . .!« Man vgl. hierzu Karl Marx, Kapital I (3), S. 8: »Wie Rock und Leinwand qualitativ ver- schiedene Gebrauchswerte und so sind die ihr Dasein vermittelnden Arbeiten qualitativ ver- schieden — Schneiderei und "Weberei. Wären jene Dinge nicht qualitativ verschiedene Gebrauchswerte und daher Produkte qualitativ verschiedener nützlicher Arbeiten, so könnten sie sich überhaupt nicht als Waren gegenübertreten. Rock tauscht sich nicht aus gegen Rock, derselbe Gebrauchswert nicht gegen denselben Gebrauchswert.«
6) 1. c.
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Das liegt ja, wie wir oben sahen, im Wesen des Tausches, der die durch die Arbeitsteilung getrennten Wirtschaften wieder zu- sammenführen soll1). Ganz verschiedene Dinge müssen also ein- ander gleich gesetzt werden. Der Wiedervergeltung liegt also eine Proportion zugrunde; sie fordert eine aequalitas proportionis2).
Da die Darstellung derselben bei Albertus in mancher Hin- sicht geeignet ist, das über Thomas Gesagte zu verdeutlichen, wollen wir sie, selbst auf die Gefahr einiges dort bereits Erörterte zu wiederholen, etwas ausführlicher wiederzugeben versuchen.
Albertus legt den Vorgang des Tausches in folgender Weise dar: Ein Baumeister und ein Schuster wollen ihre Produkte tauschen. Dann läßt sich ihr Tausch in der Figur eines Quadrates darstellen. Der Baumeister sei A, der Schuster B, das Haus, dessen der Schuster bedarf, C, und eine dem Werte des Hauses entsprechende Zahl Schuhe D. Demgemäß sei ein Quadrat ge- zeichnet A B C D.
(Baumeister) A
(Haus) C
B (Schuster)
D (Schuhe)
In diesem bedeutet die Linie AB die beiden Tauschkontra- henten, die zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse aufeinander an- gewiesen sind. Das Haus C ist die Arbeit des Baumeisters A und hängt insofern von ihm ab, was A C darstellt. Entsprechendes versinnbildet die Linie B C. Die gegenseitige Austauschbarkeit von C und D wird durch C D angedeutet.
Dann findet die Wiedervergeltung nicht gemäß den Seiten des Quadrates statt: A gibt nicht C hin und bekommt C wieder und B erhält entsprechend nicht D zurück. Der Tausch vollzieht sich vielmehr nach den Diagonalen des Quadrates: A bekommt D für die Hingabe von C, B demgemäß (für D) C. Der Tausch wird also durch die beiden sich kreuzenden Diagonalen AD und BC dargestellt. Wir haben es also mit vier Größen zu tun, die so gruppiert wTerden müssen, daß das Verhältnis von A und D gleich dem von B und C wird3). Diese proportionale Gleichheit besteht
x) S. oben S. 45 f.
2) 1. c.
3) Der Begriff der Wiedervergeltung nach Proportion ist bei Thomas schärfer entwickelt. Nach Albertus besteht die Proportion eigentlich nur darin, daß die vier Größen im Tausche angeordnet werden, wie die Glieder einer geometrischen Proportion. Daß ihr "Wertverhältnis selbst durch die Proportion bestimmt wird, ist nicht klar ersichtlich.
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aber in der Gleichheit von Arbeit und Kosten, die unter Zugrunde- legung obiger Proportion gleichgemacht werden müssen. »Secun- dum hanc igitur descriptionem aedificatorem a coriario oportet accipere opus eius et vice versa aedificatorem retribuere coriario, quod secundum contrapassum iustum est ipsius coriarii : quia aliter in laboribus et expensis non respondebit.« Die Beachtung der Wertgleichheit im Sinne der dargelegten Proportion bildet das Fundament des Tausches und damit des Gemeinschaftslebens über- haupt, wie Albertus an derselben Stelle ausführt1).
Das aber, was den Tausch überhaupt erst ermöglicht, was die dargelegte Proportion erst zustande bringt, ist das Bedürfnis der beiden Tauschkontrahenten nach den gegenseitigen Gütern. Würde der Baumeister nicht der Schuhe bedürfen, und der Schuster nicht des Hauses, so wäre an einen Tausch nicht zu denken2). Das Bedürfnis erscheint so zunächst als die »causa commutationis« 3). In der gegenseitigen Befriedigung ihrer Bedürfnisse sehen die Tauschkontrahenten Ende und Zweck des Tausches: »In utroque . . ex utroque suppleta est indigentia: et hoc vocatur figura propor- tionalitatis« 4) ; das ist Ende und Form des Tausches.
Aber weiter: das Bedürfnis ist den Kontrahenten nicht nur die causa ihres Tausches. Sie nehmen jedes auszutauschende Gut nicht als solches, dem Grade seiner Wesenheit nach betrachtet — ein Gedanke, der bei Thomas klarer entwickelt ist, weshalb wir auf die dortigen Darlegungen verweisen — , sondern nach seiner Beziehung zum menschlichen Bedürfnis, »secundum relationem ad usum, hoc est, secundum quod valet in usu supplere indigentiam« 5). Sie messen6) die Güter auch nach dem Maße ihres Bedürfens; das Bedürfnis erscheint im Tausche als die wahre mensura commu- tabilium. Wenn ein Tausch zustande kommt, so ist auf beiden Seiten ein gleich starkes Bedürfnis vorhanden. Ohne diese Gleich- heit wäre ein Tausch undenkbar. Wenn z. B. von zwei Tausch-
x) 1. c. »non salvatur aequalitas proportionis, qua non salvata, civitas non com- manet: quia non retribuitur in laboribus et expensis.«
2) 1. c. c. io (34).
3) 1. c. c. 9 (31).
4) 1. c. c. 10 (33).
5) 1. c.
6) 1. c. (32): »Proportionata autem non erunt, nisi aliquo uno mensurentur quem- admodum prius dictum est, quia in se proportionalia non sunt. Oportet ergo uno aliquo omnia commensurari commutabilia (33). Hoc autem unum quidem secundum veri- tatem in omnibus acceptum est, quod dicimus opus sive indigentiam. Hoc autem quidam vo- cant usum vel utilitatem: hoc enim opus continet omnia, ut permaneant et sint in civitate.«
Beiträge zur Geschichte der Nationalökonomie. Heft I. 4
Schreiber, Die volkswirtsch. Anschauungen d. Scholastik.
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kontrahenten der eine den Gegenstand des andern unbedingt nötig hätte, der andere aber des Produktes des ersteren weniger bedürfte, so würden sie ihre Sachen nicht tauschen oder wenigstens nicht nach Wertgleichheit tauschen: »vel non esset eadem, de qua diximus, (sc. commutatio) quod res in rem commutatur secundum valorem«1), was wohl in folgender Weise zu verstehen ist: Ein Haus sei hinsichtlich der Beschaffungskosten 5 Betten gleichwertig. Dann wäre zu einem gerechten Tausche erforderlich, dass das Bedürfnis des Bettfabrikanten nach dem Hause und das des Baumeisters nach 5 Betten gleich stark wären. Sonst käme es nicht zum Tausche.
Läge z. B. der Fall so, daß der Baumeister 6 Betten für sein Haus begehrte, so würde entweder der Bettfabrikant auf das Haus verzichten oder, wenn er desselben dringend bedürfte, den verlangten Preis zahlen, aber von Wertgleichheit könnte dann keine Rede sein. Allerdings würde in diesem Falle der Tausch zustande kommen, aber auf die Dauer wäre ein solcher Zustand, wo der Bettfabrikant seine Aufwendungen nicht vergütet erhielte, son- dern zusetzen müßte, undenkbar, wie schon dargelegt wurde a).
Damit ist die Stellung des Bedürfnisses gekennzeichnet. Die indigentia humana — opus, usus, utilitas3) sind die sonstigen Be- zeichnungen, die Albertus noch kennt — ist das Bindemittel der menschlichen Gemeinschaft und des Tausches, den es veranlaßt und regelt, den es aber so bestimmen muß, daß gemäß der For- derung der Gerechtigkeit Arbeit und Kosten in gleichem Maße wiedervergolten werden und damit das Fundament der Arbeits- teilung gewahrt bleibt.
Diesem Doppelcharakter des Tausches entsprechend bezeichnet der Begriff valor bei Albertus ganz verschiedene Dinge. Abge- sehen davon, daß Albertus schon in der Bedeutung eines Gutes für das menschliche Bedürfnis ohne Rücksicht auf den Tausch ein valere sieht4), besitzt auch der Begriff valor im Sinne unseres Tauschwertes einen ganz verschiedenen Inhalt; einmal erscheint letzterer bestimmt durch das objektive Moment der Kosten6), bald aber auch durch das subjektive Moment des Bedürfens. Auch der
a) 1. c. (33)
2) Vgl. S. 46.
3) Vgl. Anm. 6 d. vor. S.
4) Vgl. das Zitat auf d. vor. Seite.
5) Eth. 1. V, tr. II, c. IX (31). In talibus (scilicet artificibus) nihil prohibet opus unius melius esse in valore quam opus alterius et magnam habere differentiam secundum labores et expensam.
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Gebrauchswert ist ja für den Tausch von außerordentlicher Be- deutung; findet doch im Tausche eine comparatio der Güter »ad valorem secundum usum indigentiae« x) statt.
Durch die Einführung des Geldes werden Form und Be- dingungen des Tausches nicht wesentlich geändert. Das Geld selbst hat Wert, der, wenn auch weniger als der der übrigen Dinge, schwankt2).
Das Geld hat im Tausche die Funktionen eines Wertmessers3), allgemeinen Tauschmittels und Wertaufbewahrungsmittels4), Funk- tionen, die ihm freilich nicht von Natur zukommen, sondern durch menschliche Satzung festgelegt sind5).
Auch dem Tausche, der sich vermittelst des Geldes vollzieht, liegt die oben dargelegte Proportion zugrunde6). Zwar tauschen die Kontrahenten ihre Produkte nicht mehr aus, indem sie un- mittelbar ihre Bedürfnisse nach denselben wechselseitig befriedigen. Schuster und Landmann tauschen nicht mehr Schuhe gegen Ge- treide. Beide verkaufen ihre Waren gegen Geld: im Hinblick auf einen einzelnen bestimmten Landmann und Schuster kommt der proportionale Tausch der Produkte vielleicht gar nicht zustande. Aber doch ruht die Proportion, wenn man die Gemeinschaft als Ganzes betrachtet, innerhalb derselben in dem Gesamtkreis ihrer Bedürfnisbefriedigung, so daß der proportionale Tausch im Hin- blick darauf zustande kommt, »secundum urbanitatis indigentiam«. Auch hier muß dann wieder die Forderung der Gerechtigkeit, die Gleichheit von Arbeit und Kosten verlangt, erfüllt werden7).
*) 1. c. i. f. Vgl. den Anfang des folgenden Kapitels, wo derselbe Gedanke wiederholt wird.
2) 1. c, c. X (35).
3) 1. c, c. X (32).
4) 1- c. (35).
5) 1. c. (37): »Unura ergo aliquid erit mensurans omnia (sc. numisma) relata ad umim (sc. indigentiam): et cum non possit unum ex natura, oportet, quod sit unum ex suppositione et legis institutione.« An anderer Stelle (33) wird das Geld mit der Elle, dem Scheffel usw. verglichen, die ihre Eigenschaft als Maße ebenfalls menschlicher Einrichtung verdanken.
6) 1. c. (33): »Sicut scilicet agricola ad cibum, sie coriarius ad calceamentum secundum urbanitatis indigentiam et sicut agricola ad coriarium, sie eibus ad calceamen- tum secundum eundem indigentiae modum. Et sicut agricola cum eibo ad communi- cationem se habet, sie coriarius cum calceamento: utrumque enim est secundum commu- tationem indigentiae sive operis, quod opus vel utilitas vocatur. Et secundum diametros sicut agricola cum calceamento, sie coriarius cum eibo; in utroque enim ex utroque suppleta est indigentia et hoc vocatur figura proportionalitatis.« Der etwas unklare Begriff urbanitatis indigentia ist vielleicht in der oben dargelegten Weise zu erklären. Möglicherweise ist aber auch an den Marktpreis gedacht.
7) cf. 1. c. (32). Es wird hier zunächst von der Gleichsetzung von Schuhen mit einem Hause bzw. Getreide vermittelst des Geldes gesprochen Albertus führt
4«
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Ein näherer Vergleich der Ansichten des Albertus Magnus mit den von Thomas vertretenen würde im einzelnen manche Ver- schiedenheiten der Auffassung ergeben. Was aber die Werttheorie, speziell die eigentümliche Verbindung des objektiven und subjek- tiven Momentes, worauf es hier allein ankommt, betrifft, so stimmen hierin die beiden Denker völlig überein.
Mir scheint sich daher als Ergebnis unserer etwas weitläufigen Untersuchung folgendes herauszustellen:
i . Das unmittelbare Maß der Güter ist das für alle gleiche Be- dürfnis. Nach Gleichheit der Bedürfnisse zweier Tauschkontrahenten erfolgt im Tausche die tatsächliche Gleichsetzung, muß sie erfolgen, wenn Gerechtigkeit herrschen soll.
2. Aber dieses subjektive Moment des Bedürfens ist kein willkürliches, ist nicht in das Belieben der Tauschenden gestellt. Der Tausch findet innerhalb einer Gemeinschaft statt, die auf Ar- beitsteilung gegründet ist. Er muß sich daher so vollziehen, daß dieses Fundament der Arbeitsteilung bestehen bleiben kann, und damit eine Fortdauer der Gemeinschaft überhaupt ermöglicht wird. D. h. jeder, der für die Gemeinschaft produziert, muß seine Auf- wendungen an Arbeit und Kosten vergütet erhalten. So wäre es z. B.. einfach undenkbar, daß ein Schuster mit der Herstellung von Schuhen fortführe, wenn er dabei zusetzen müßte. Die Wieder- vergeltung von Arbeit und Kosten erscheint als das notwendige Korrelat der Arbeitsteilung; besonders bei Albertus kommt dies zum Ausdruck. Die Idee des objektiven Wertes, der das gesell- schaftliche Substrat des subjektiven bildet, ist erwachsen aus einer tief sozialen Auffassung des Gemeinschaftslebens: Die Bürger sollen in gleichem Maße für einander arbeiten und damit eine Ergänzung ihrer eigenen verschiedenartigen und in sich unzureichenden Tätig- keiten, d. h. eben ein Gemeinschaftsleben ermöglichen. Ihr tieferer Sinn ist kein anderer als der: »multitudo artificum sibi invicem sub- serviens commanere facit civitatem«1). Weiter: Die Preise der Waren müssen so bestimmt werden, daß der Produzent außer den Kosten, die er für Herstellung der Waren aufgewandt hat, noch seine Arbeit vergütet erhält. Nun weist allerdings Thomas an der Stelle, wo er das Prinzip der Wiedervergeltung von Arbeit
dann fort: »In tali autem proportione oportet, quod sicut aedificator se habet ad cori- arium in laboribus et expensis sui operis secundum excessum, tot et tanta calceamenta per additionem numismatis commutentur ad domum vel cibum habendum: ad domum quidem, si comparatur ad aedificatorem, ad cibum, si comparatur ad agricolam.« a) Alb. Mag. 1. c. 9 (31).
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und Kosten entwickelt, nicht ausdrücklich darauf hin, aber wir können doch aus seinen allgemeinen wirtschaftlichen Anschauungen darauf schließen, daß er unter der Vergütung der Arbeit nichts anderes als den standesgemäßen Unterhalt begreift. Denn wie in der Einleitung gezeigt wurde, ist darauf der Umfang des Be- sitzes sowie das Maß wirtschaftlichen Strebens beschränkt. In dem thomistischen Wertgesetze kommt also nichts anderes zum Ausdruck, als daß jeder, der an der Produktion beteiligt ist, seinen standesgemäßen Lebensunterhalt gewinnen soll. In dem gleichen Anrechte hierauf besteht der »abstrakt gesellschaftliche« Charakter der qualitativ verschiedenen Arbeiten.
§ 4. Die nähere Ausgestaltung des Prinzips der "Wertgleichheit.
Die bisherigen Erörterungen haben über die Grundsätze des Tausch verkehrs im allgemeinen Klarheit gebracht. Es handelt sich jetzt darum, das dort Gesagte tiefer zu begründen und weiter auszubauen.
Als Wertmaß trat uns oben die Beziehung der Güter zum menschlichen Bedürfnis entgegen. Diese Anschauung hängt mit dem Grundcharakter der thomistischen Philosophie zusammen.
Wie alles, was tätig ist, durch bestimmte Zwecke zu seinem Streben veranlaßt wird1), so geht auch der Mensch in seinem wirt- schaftlichen Handeln bestimmten Zwecken nach. Und insofern materielle Dinge den Gegenstand menschlichen Strebens ausmachen, insofern sind die Güter, bona im eigentlichen Sinne. Denn wie Thomas im Anschluß an Aristoteles sagt: »Bonum est, quod omnia appetunt«2). Ein Gut bringt die Stillung eines Strebens, eine »terminatio appetitus« mit sich3).
Der Grund aber für das Streben des Menschen nach materi- ellen Gütern liegt darin, daß sie, worauf das Wesen des »bonum« überhaupt beruht4), der menschlichen Natur angemessen sind, und menschlicher Vervollkommnung dienen. Und zwar dienen die wirt- schaftlichen Güter zur Hebung gewisser Mängel, die von Natur im Menschen vorhanden sind 5), vor allem zur Erhaltung des körper-
*) S. c. g. III., 2. »Oportet igitur, quod omne agens in agendo intendat finem.«
2) I, 5 a. 1. c. ; »Ratio enim boni in hoc consistit, quod sit aliquid appetibile. Unde Philosophus dicit, quod: »bonum est, quod omnia appetunt.« (Eth I, c. I.)«
8) I, 5. a. 6. c: »bonum est aliquid, inquantum est appetibile et terminus motus appetitus.« Vgl. Stökl: Gesch. d. Philosophie des Mittelalters. II. 655 ff.
4) S. c. g. III., 3. »Id autem, ad quod agens determinate tendit, oportet esse conveniens ei, non enim tenderet in ipsum nisi propter aliquam convenientiam ad ipsum. Quod autem conveniens est alicui, est illi bonum.« De verit, q. 21., a. 2. »Ratio boni in hoc consistit, quod aliquid sit in profectionem alterius per modum finis.«
B) I. II., q. 2. a. 1. c. Vgl. S. c. g. III, 134.
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liehen Lebens1) und, wie dieses wieder die Grundlage für das höhere geistige und sittliche Leben des Menschen bildet2), so stellt der Besitz sachlicher Güter für den Menschen eine unbedingte Not- wendigkeit dar hinsichtlich seiner ganzen Betätigung für die Auf- rechterhaltung des menschlichen Lebens überhaupt, insofern dieses eben äußerer Dinge bedarf3). Und somit liegt die eigentliche Be- deutung der wirtschaftlichen Güter darin, daß sie den Menschen durch Stillung seiner Bedürfnisse Vorteil und Nutzen gewähren4). Diese Bedürfnisse können wichtiger und weniger wichtig sein: Thomas unterscheidet unbedingt notwendige und weniger not- wendige, Existenz- und standesgemäße Bedürfnisse5).
Der Mensch erstrebt also die wirtschaftlichen Güter nicht um ihrer selbst willen; sie sind der körperlichen Gesundheit, vor allem aber dem geistigen und sittlichen Handeln untergeordnet6). Sie gehören nicht zur Art des bonum honestum, sind nicht die endlichen Gegenstände menschlichen Strebens; sie gehören auch nicht zur Art des bonum delectabile, d. h. sie bilden nicht die Gegenstände, in denen der Mensch schließlich ruht und sich er- götzt, sondern sie sind bona utilia, sie werden als Mittel zu dem dargelegten anderen Zwecke erstrebt7).
In der Bedürfnisbefriedigung liegt also der eigentliche Wert der Güter. Bona in diesem Sinne sind zunächst solche Dinge, die dem angegebenen Zwecke unmittelbar dienen, mögen sie beim einzelnen Befriedigungsakte ihrer Substanz nach ganz verbraucht, oder nur abgenutzt, gebraucht werden8). Bona sind ferner solche
J) I. II., 59. a. 3. c. Über die Stellung des Menschen zur materiellen Güter- welt, s. Schaub, a. a. O. S. 3 14 ff.
2) Cg. III., 141: »Cum enim omnia exteriora ad interiora ordinentur, corpus autem ad animam, intantum exteriora et corporalia bona sunt homini bona, inquantum ad bonum rationis proficiunt.«
3) I. IL, q. 4. a. 7.
4) Cg. III. 127. cf. I, IL q. 2. a. 1. c.
5) Quodl. IV., a. 24: aliquid ad finem ordinatur dupliciter. Uno modo ut ne- cessarium ad finem, sine quo finis esse non potest sicut eibus ad vitam corporis obser- vandam. Alio modo sicut necessarium ad finem, sine quo ad finem non ita bene perveniri potest, sicut equus ordinatur ad iter.« IL IL, q. 32, a. 6. c: »Necessarium dupliciter dicitur: uno modo, sine quo aliquid esse non potest . . . Alio modo dicitur aliquid esse necessarium, sine quo non potest convenienter vita transigi seeundum conditionem et statum propriae personae et aliarum personarum, quarum cura ei ineumbit.« Vgl. hierzu S. 18 f.
6) Vgl. Anmerkg. 2.
7) cf. I, q. 5, a. 6. c.
8) Quodl. III, a. 19: »rerum in usum hominis venientium quaedam sunt quarum usus non et ipsius rei consumptio, et si contingat rem deteriorari vel consumi per usum, hoc est per aeeidens, sicut domus, vestis, liber, equus et huiusmodi« — »Quaedam vero res sunt, quarum usus nihil est aliud quam consumptio ipsarum rerum.«
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Güter, die im Gegensatz zu Konsumtivgütern nur mittelbar der Bedürfnisbefriedig'img dienen, sei es, daß sie als Produktivgüter verwendet werden 1), sei es, daß sie als Metallgeld, als künstlicher Reichtum (divitiae artificiales), i. G. zum natürlichen (div. naturales) der in Gegenständen des Konsums besteht, eine Erleichterung des Tausch Verkehres bezwecken2), der eben seinerseits wieder seineVeran- lassung und Rechtfertigung in dem Ziele besserer Bedürfnis- befriedigung findet.
Durch diese Auffassung der Güter als »instrumenta deser- vientia beatitudini«, welch' letztere in den höheren Werten des geistigen und sittlichen Lebens liegt3), gewinnt Thomas ähnlich wie Aristoteles eine ethische Begrenzung für das Maß wirtschaft- lichen Strebens. Wie die Mittel überhaupt nach dem zu erreichen- den Ziel bemessen werden, so soll das Streben nach materiellen Gütern durch das Ziel derselben, die Aufrechterhaltung des mensch- lichen Lebens, > secundum conditionem et decentiam« beschränkt sein. Schon Aristoteles hatte als Beispiel die Verwendung der Medizin nach der damit zu erzielenden Gesundheit angeführt4). Freilich stimmen die tatsächlichen Verhältnisse mit dieser Forde- rung sehr oft nicht überein, indem das Streben nach Reichtum, zumal seit Einführung des Geldtausches praktisch meist unbegrenzt ist5).
Dieses subjektive Moment des Bedürfnisses ist nun weiterhin, wie für die ganze Ausgestaltung der Produktion, so für das Zu- standekommen und die Art der Zirkulation, des Tausches, maß- gebend. Daß die necessitas oder indigentia es ist, welche den Tauschverkehr beherrscht, ist bereits oben eingehend dargelegt worden6). Indem nun aber die durch das Bedürfnis bestimmten Güter ihrem eigentlichen Wesen und Werte nach getauscht werden7), — der valor, die bonitas der Dinge tritt gerade beim Tausche sicht-
a) C. i. Ar. Pol. I, 2 (f.)
2) II, II q. 187, a. 7, ad 5. Vgl. Aristoteles Pol. I, 3, § 12, cf. II, II q. 117, a. 3. c.
3) I, II q. 4, a. 7. c.
4) Arist. Pol. I, 3, § 17; cf. III, q. 52 a 2 ad 3; II, II q. 1, a. 1. c.
5) I, II q. 2, a. I. ad3. »Appetitus naturalium divitiarum non est infinitus, quia secundum certam mensuram sufficiunt naturae, sed appetitus divitiarum artificialium est infinitus, quia deservit concupiscentiae inordinatae.«
6) S. oben S. 43 f., vgl. S. 49 ff.
7) Com. in Ar. Pol. I, 1 VII, b: »Est enim uniuscuiusque rei duplex usus . . . unus eorum est proprius usus rei, alius autem non est proprius, sed communis, sicut duplex est usus calciamenti, unus quidem proprius, scilicet calceatio, alius communis, scilicet commutatio . . sed quamvis commutatio non sit proprius usus calciamenti, est tarnen usus eius per se et non secundum accidens, quia ille, qui commutat ipsum, utitur eo
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bar in Erscheinung — bedeutet der Austausch hinsichtlich der weggegebenen Güter zwar nicht den »usus proprius« derselben, wohl aber einen »usus per se«; die Verwendung der Güter ist nicht äußerlich und zufällig, kein »usus per accidens«1).
Das Maß des Bedürfens ist nun keineswegs unter allen Umständen gleich, vielmehr nach Zeit und Ort wesentlichen Schwan- kungen unterworfen. »Pretium rei est mutatum secundum diver- sitatem loci vel temporis«2). Interessant dafür, in welchem Maße Thomas eine Wertänderung für möglich hält, ist eine Stelle im Sentenzenkommentar3). Petrus Lombardus spricht über den Be- griff des Wuchers und zitiert zustimmend den Satz des Hiero- nymus, daß es z. B. Wucher sei, wenn jemand zu bestimmtem Zeitpunkt 10 Scheffel Getreide hingäbe und nach bestimmter Zeit sich 15 wiedergeben lasse. Thomas schließt sich dem durchaus an, fügt aber einschränkend hinzu : es wäre möglich, daß an jenem späteren Zeitpunkt der Wert des Getreides so weit gestiegen wäre, daß die früheren 10 Scheffel jetzt den Wert von 15 hätten, dann liege kein Wucher vor.
Für die Bestimmung der Wertgröße sind folgende Momente namhaft zu machen4):
1 . Für die Tatsache und Höhe des Wertes kommen vor allen Dingen die objektiven Eigenschaften der Güter in Betracht, die sie befähigen, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. Käufer und Verkäufer müssen über die » . . rei . . qualitates . . per quas redditur humanis usibus apta«5) unterrichtet sein; sie müssen die »conditiones rei« kennen, »secundum quas est bona et utilis«6). Ein Fehler in den objektiven Eigenschaften eines Gutes macht dieses weniger
secundum valorem suum.« Die Beziehung auf die Werttheorie kommt bei Aristoteles nicht zum Ausdruck (Arist. Pol. I, 8). Vgl. hierüber Zmavc: »Die Werttheorie bei Aristoteles und Thomas v. Aquin.« Arch. f. Ph., 1899, S. 411 ff. a) S. d. vor. Anmerkung.
2) II, II q. 77, a. 4, ad. 2.
3) Comm. in III lib. Sent. d. 37, q. 1, a. 6. Das Zitat ist aus Hieronymus (sup. Ezech. c. 18); cf. in lob. 28, b. 2: »pretia lapidum non sunt eadem nee in omnibus locis nee in omnibus temporibus.«
4) Vgl. Schaub, a. a. O. S. 178 ff., Pesch: St. a. M-L. XLI 1891, S. 48 Anmerkung 3, Walter, a. a. O. S. 46 ff. Es fehlt in den genannten Schriften meist an einer tieferen Verarbeitung der mehr oder minder vollständig angeführten einzelnen Momente.
5) II, II q. 77, a. 2, ad 3. c) I. c. a. 3, ad 2.
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wertvoll1). Der höhere Wert des echten Goldes und Silbers gegen- über dem von Alchimisten nachgemachten beruht zum Teil darauf : »cum sint aliquae utilitates auri et argenti veri, secundum naturalem operationem ipsorum, quae non conveniunt auro per alchimiam sophisticato«2).
2. Ist die abstrakte Art der Bedürfnisse, die Skala der Bedürfnis- gattungen3) würde man heute sagen, in Betracht zu ziehen. Brot befriedigt wichtigere Bedürfnisse wie Edelsteine. Und wenn gleich- wohl für gewöhnlich die letzteren im Werte höher stehen, so liegt dies daran, daß dieses Moment der Wichtigkeit, meist durch andere Faktoren überkompensiert wird, was nach deren Beseitigung, z. B. in Zeiten der Hungersnot, klar zutage tritt4). Die Wirkung dieser anderen Momente wird gleich zu erörtern sein.
3. Die Art und Weise, wie diese abstrakten Bedürfnisgattungen befriedigt werden, bedingt einen Unterschied im Werte der Güter. Gold und Silber werden in ihrer Werthöhe nicht nur dadurch bestimmt, daß sie z. B. das Bedürfnis des Menschen nach Gefäßen überhaupt stillen, sondern vor allem dadurch, daß sie diese Auf- gabe in besonders vollkommener Aufgabe erfüllen. »Propter dignitatem et puritatem substantiae ipsorum«5).
4. Wesentlich sind Angebot und Nachfrage, die »diversitas copiae et inopiae«6) für die Stärke des Bedürfnisses maßgebend. Das Gold ist zumal auch deshalb wertvoll, weil es selten ist7). Das Brot steigt im Werte, weil an ihm Mangel vorhanden ist, »in tempore necessitatis«8). Auf dieser Tatsache beruhen vor allem die örtlichen Preisverschiedenheiten, indem die Güter dort, wo sie häufig sind, geringere Werte darstellen, als dort, wo sie weniger häufig sind9). Verstärkte Zufuhr zum Markt führt zu Minderungen des Preises; ja, schon die Erwartung einer so begründeten Preis-
*) Ein Käufer erleidet Schaden: ». . . si propter . . . vitium res quae vendenda proponitur, minoris sit pretii, ipse (sei. d. Verkäufer) vero propter hiusmodi vitium nihil de pretio subtrahat«, 1. c. c. cf. quodl. II, a. 10: »si ergo vitium rei venditae faciat rem minus valere, quam pretium impositum a venditore.«
2) II, II q. 77, a. 2, ad 1.
3) Vgl. z. B. Böhm-Bawerk: Grundz. d. Theor. d. subj. Güterw. J. f. N. u. St. N F., Bd. 13, S. 12 f.
4) Quodl. I, a. 14: »et aliqua preciosa margarita est carior uno pane; et tarnen in aliquo casu famis panis praeeligeretur.«
5) II, II q. 77, a. 2, ad 1. •) 1. c. ad 2.
7) c. l Pol. 1, 1. vnf.
8) Quodl. I, a. 14.
9) IL II q. 77, a. 2, ad 2.
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Senkung dehnt letztere Erscheinung auch auf die Gegenwart aus1). Daher muß derjenige, der Rinder, Pferde usw. mit Gewinn ver- kaufen will, wissen, ob dieselbe infolge Überflusses oder Mangels billig oder teuer sind2). Ein zu großer Überfluß an bestimmten Dingen kann zu völliger Nutzlosigkeit derselben führen: »sicut de fistula apparet, quoniam si sint maiores aut plures, quam possint moveri a fistulante, nocent aut non proficiunt«3).
5. Arbeit und Kosten sind insofern wertbildend, als durch sie die objektiven Eigenschaften der Güter, die letztere für die Bedürfnisbefriedigung verwendbar machen, verbessert werden: sie führen zunächst zu einer »melioratio rei« und damit zu einer Wert- steigerung4). Von dieser immerhin dürftigen Bemerkung abgesehen hat aber Thomas den Zusammenhang der subjektiven Bewertung der Güter mit den zu ihrer Herstellung erforderlichen Kosten nicht näher untersucht.
6. Ein sicherer Besitz hat einen höheren Wert als ein unsicherer. Wem die Möglichkeit eines Gewinnes genommen ist, verliert nicht die ganze Höhe des möglicherweise erreichten Wertes, sondern weniger: »minus est habere aliquid virtute quam habere actu«. Dieses liegt in der Unsicherheit begründet5).
7. Die Bedürfnisse einzelner Personen denselben Gütern gegen- über sind der Größe nach verschieden; der Wert ist nicht etwas Abstraktes, für alle Menschen Gleichförmiges, vielmehr etwas indi- viduell Relatives. So erörtert Thomas den Ausnahmefall, daß beim Tausche dem Empfänger der Ware ein besonderer Nutzen erwächst, und zwar »ex conditione ementis«, oder umgekehrt der Verkäufer einen besonders großen Schaden erleidet6).
Und zwar beruht diese individuelle Verschiedenheit z. T. auf den im Vorstehenden angeführten, den Wert beeinflussenden Mo- menten. Insbesondere bestimmt das Maß des Besitzes die persönliche Wertschätzung der Güter. So zitiert Thomas zustimmend die Stelle
*) II, II q. 77, a. 3, ad 4; ob. 4.
2) »oportet autem eum, qui ex bis vult lucrari pecuniam, esse expertum, quae eorum sint maxime cara et in quibus locis, quia alia istorum in aliis regionibus abundant, ut seil, emat in loco, ubi abundant, et vendat in loco, ubi sunt cara«. C. in Ar. pol. I, 1, IX b.
3) C. in Ar. Pol. VII 1, if; vgl. Kraus, Die arist. Werttheorie, Z. f. St., 61 (1905), S. 582 f. Allerdings stammt das 7. Buch von einem Schüler des Thomas v. A. Kuhn a. a. O. S. 96 ff. s. o. S. 17.
4) 1. c, a 4, ad 1 : »si enim rem in melius mutatam carius vendat, videtur prae- mium sui laboris aeeipere.« cf. ib., ad 2.
5) II, II q. 62, a. 4 c.
6) II, II q. 77. a. 1. c.
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bei Ambrosius, wo dieser bei seinen Ausführungen über die Frei- gebigkeit an die Erzählung vom Scherflein der armen Witwe anknüpft und bemerkt: »Denique duo aera viduae illius muneribus praetulit (Luc. XXI, 3) (seil. Dominus) quia totum illa, quod habuit contulit, Uli autem ex abundantia partem ex iguam contulerunt. Affectus igitur divitem collationem aut pauperem facit et pretium rebus imponit«1). Die Größe eines Almosens bemißt sich nicht nach der quantitativen Menge des Gegebenen, son- dern nach dem »habitus dantis«, wie Thomas im Anschluß an Aristoteles sagt'2). Ein Almosen wird, heißt es an anderer Stelle, »ex parte dantis« dann groß genannt: ». . . cum scilicet aliquis ali- quid dat, quod est multum seeundum proportionem propriae facul- tatis«3).
Die Bedürfnisse der einzelnen sind ferner verschieden dem Stande nach, den die einzelnen in der Gesellschaft einnehmen. Leute von vornehmem Stande bedürfen, wenn sie in Not sind, ebenso dringend kostbare Kleider und Speisen als Almosen, als Leute von geringerem Stande in gleicher Lage weniger wertvolle Dinge4).
Ferner sind ethische Anschauungen von großem Einfluß auf die verschiedenen Schätzungen der einzelnen. Wer der oben er- wähnten ethischen Lehre genügt und die wirtschaftlichen Güter als Mittel zu höheren Zwecken ansieht und ihr Maß hiernach begrenzt, indem er das darüber Hinausgehende für überflüssig und schädlich hält5), schätzt die Güter anders wie andere Menschen, die ihrer »coneupiscentia« 6) keine Schranke auferlegen, welch letzteres übrigens meistens der Fall ist, wie Thomas hervorhebt: »in exte- rioribus bonis, quae communiter homines maxime cupiunt« 7). Aber von dem an erster Stelle erwähnten Ausnahmefall abgesehen,
*) Ambrosius, de offic. ministr., I. c. 30 (149). (Migne S. L. XVI, 72). cf. Thomas II, II. 117, a. 1. ad 3.
2) L c. Similiter etiam nihil prohibet, aliquos virtuosos, licet sint pauperes, esse liberales. Unde Philosophus dicit (Nie. Eth. IV, 1), >Secundum substantiam, id est, facultatem, divitiarum, liberalitas dicitur: non enim consistit in multitudine datorum, sed in dantis habitu.« Zu Arist. vgl. Kraus, a. a. O. S. 581 f.
3) II, II q. 32, a. 10, c.
4) 1. c. ad. 3. »cui (seil, dem Almosenempfänger) non est danda eleemosyna, ut inde luxurietur, sed ut inde sustentetur, circa quod tarnen est discretio adhibenda propter diversas conditiones hominum, quorum quidam delicatius nutriti indigent delicatis eibis aut vestibus.«
5) cf. Cg. III, 129: »Et autem aliqua mensura determinata seeundum quam usus praedietarum rerum humanae vitae est conveniens; quae quidem mensura, si praetermit- tatur, fit homini noeivum, sicut apparet in sumptione inordinata eiborum.«
6) I, II q. 2, a. I. ad 3. cf. S. 55, Anm. 5.
7) II, II q. 117, a. 6, ad 3.
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handelt es sich bei den angeführten Stellen über die individuell ver- schiedene Schätzung der einzelnen Menschen doch mehr um Äuße- rungen, die auf die Wertlehre nicht unmittelbar Bezug nehmen. Eine Verschiedenheit des Wertes nach den einzelnen Individuen, als allgemeine Erscheinung eine individuelle Subjektivität des Wertes, die auf die Gestaltung des Tausches von Einfluß wäre, kennt Thomas nicht. Hierüber weiteres im Folgenden.
8. Der Einzelne steht mit dem Besitz seiner Güter nicht für sich allein da, sondern innerhalb der menschlichen Gemeinschaft, die in ihrer Gesamtheit nur dann eine Befriedigung ihrer Bedürf- nisse erreicht, wenn ihre einzelnen Glieder im Tausche ihre Güter zur Verfügung stellen x). Wenn daher ein bestimmtes Gut für den Besitzer in seiner Isolierung vielleicht völlig nutzlos ist, so ist es damit noch nicht wertlos innerhalb der Gemeinschaft. Dann ge- winnt dies Gut vielmehr den Wert, den es in der Gemeinschaft hat, auch für den einzelnen Besitzer, indem dieser es gegen für ihn persönlich wertvolle Güter austauschen kann : ». . usus rei, etsi non competat venditori, potest tarnen esse con- v e n i e n s a 1 i i s « 2). Die einzelnen Güter gewinnen dann Geld- charakter, den Begriff Geld im allerweitesten Sinne genommen: »Ea vero, quae emittenda sunt ab uno nomine in alium, sunt bona possessa, quae nomine pecuniae significantur« 3). Dann aber ist es für den Wert nicht mehr das individuelle Bedürfnis des ein- zelnen in Betracht zu ziehen, sondern die gesellschaftliche Schätzung; für den Preis wird bestimmend das »forum commune«4). Es bildet sich so ein allgemeiner Wert, ein »Wert« der Dinge schlechthin, der für den Tausch maßgebend ist5). Diese vertiefte Auffassung
1) Siehe oben S. 19 ff.
2) II, II q. 77, a. 3, c.
3) II, II q. 117, a. 2, c.
4) Com. in III, 1. Sent. d. 37, q. 1. a. 6. cf. S. 62. Ferner Op. 67. (De emptione et venditione ad tempus): »Si mercatores, . .plus vendant pannos, quam debeant secun- dum commune forum, non est dubium, esse usuram.« Vgl. hierzu Schaub, a. a. O. S. 206: »Zweitens geschieht die Schätzung meistens durch eine größere Zahl von Ur- teilenden. Dadurch werden die Fehler der Einzelnen bis zu einem gewissen Grade be- richtigt, und nach Ort und Zeit gewisse objektive Anhaltspunkte für die Bewertung ge- wonnen.« Die Bedeutung des »forum commune« liegt nicht in der »Berichtigung« von Fehlern Einzelner ; in dem Sinne gibt es hinsichtlich der Wertschätzung der Güter kein Richtig oder Unrichtig; sondern darin, daß auf dem Markte an die Stelle der indivi- duellen Schätzungen die gesellschaftliche, durch das Bedürfnis der Gemeinschaft be- stimmte tritt.
5) Dies ist der II, II 77, a. 1. c. genannte valor der Dinge. Vgl. i. F.
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und Begründnng des normalen Wertes trotz individuell zunächst verschiedener Wertschätzungen findet sich vor Thomas nicht.
Halten wir einen Augenblick inne und untersuchen wir die Bedeutung der angeführten Einzelbestimmungen hinsichtlich des Wertes für die Lehre vom justum pretium! Wie verhalten sich die einzelnen dargelegten Momente zum Prinzip der aequalitas valoris? Sind sie im Tausche geltungsberechtigt oder nicht?
Die Forderungen des »justum pretium« insofern sie die Be- deutung des Bedürfnisses im Tausche betreffen, lassen sich in zwei Gruppen auflösen:
i. Der Tausch vollzieht sich faktisch nach Gleichheit der Bedürfnisse. Wir haben bereits oben darauf hingewiesen1) und hier die einzelnen Momente untersucht, die die Stärke des Bedürfens bestimmen. Die Forderung des justum pretium nimmt diese Be- stimmungen als Tatsachen hin und hat ihnen gegenüber nur die eine Aufgabe, dafür zu sorgen, daß sie sich im Tausche nach Meinung beider oder wenigstens einer der beiden Tauschkontra- henten vollziehende Gleichheit der gewechselten Güter nicht auf einem Irrtum beruhe über eines der Momente, von denen die Stärke des Bedürfens abhängt, und nicht durch unredliche Mittel des Käufers oder Verkäufers erzielt werde. Ein dreifacher Mangel kann in dieser Hinsicht einen Tauschkontrakt objektiv und eventuell im Falle des absichtlichen Betruges, auch subjektiv ungerecht machen: a) ein »defectus secundum speciem« rei. Dieser liegt z. B. vor, wenn unechtes Gold oder mit Wasser vermischter Wein als echt bzw. rein verkauft werden; b) ein »defectus secundum quan- titatem« z. B. bei Verwendung eines falschen Gewichtes oder sonstigen Maßes; c) ein »defectus ex parte qualitatis«, wenn z. B. ein krankes Pferd als gesund verkauft wird2).
Ein Fehler an einer Sache braucht natürlich nur soweit im Preise berücksichtigt zu werden, als er eine Wertverminderung des Gegenstandes bedingt. Er braucht vom Verkäufer nicht unter allen Umständen angegeben zu werden, sondern kann durch still-
x) Siehe oben S. 52.
2) 1. c. a 2 c. Außer den im Text angeführten Bestimmungen vgl. ebenda: »Et in omnibus talibus non solum aliquis peccat injustam venditionem faciendo, sed etiam ad resti- tutionem tenetur. Bei unabsichtlichem Irrtum begeht der Verkäufer zwar subjektiv kein Unrecht . . . Tenetur tarnen, cum ad eius notitiam pervenerit, damnum, recompensare emptori. Et quod dictum est de venditore, etiam intelligendum est ex parte emptoris. Contingit enim quandoque venditorem credere rem suam esse minus pretiosam quantum ad speciem, sicut si aliquis vendat aurum loco auricalchi, et tunc emptor, si id cognoscat, iniuste emit et ad restitutionem tenetur. Et eadem ratio est de defectu qualitatis et quantitatis«.
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schweigende Herabsetzung des Preises ausgeglichen werden1). Doch muß im allgemeinen dem Käufer ein voller Überblick über die Sache zustehen2).
Von den eben genannten Bestimmungen der Tauschgerech- tigkeit sind diejenigen zu trennen, die mit dem oben dargelegten Ersatz der individuellen Wertschätzungen durch die gesellschaft- lichen Schätzungen zusammenhängen. Der Marktpreis, eine an sich rein tätsächliche Erscheinung, ist zugleich auch derjenige Wert eines Dinges, der an sich als gerecht erscheint und dem- gemäß beim Tausch einzuhalten ist3). So sagt vielleicht noch klarer Albertus Magnus »Justum autem pretium est, quod secun- dum aestimatiomem fori illius temporis potest valere res vendita«4).
Aber gleichwohl bleiben Fälle denkbar, wo ein Verkäufer durch die Veräußerung einer Sache auf Grund besonderer Verhältnisse — also ein Ausnahmefall — einen Schaden erleiden würde, der größer wäre, als dem gesellschaftlichen Werte derselben entspräche, und umgekehrt könnte ein Käufer durch den Kauf eines Gegenstandes einen über dessen Wert hinausgehenden individuellen Nutzen er- zielen. Nach Thomas gilt dann folgender Grundsatz: Der Ver- käufer darf den höheren Wert, den ein Gut für ihn persönlich hat, im Preise berechnen; er verkauft dann etwas, was ihm eigentüm- lich zugehört, worüber ihm Verfügungsgewalt zusteht. Dagegen darf der Verkäufer den besonderen Nutzen des Käufers nicht in Anschlag bringen; denn dieser bildet nicht sein Eigentum. Im ersteren Fall findet der Tausch nach Gleichheit der Bedürfnisse statt, indem auch der Käufer ein stärkeres als das gesellschaftliche
*) Quod II, a. 10: »Si ergo vitium rei venditae faciat rem minus valere quam pretium impositum a venditore, injusta erit venditio; unde peccat occultans vitium. Si autem non faciat rem minus valere quam pretium impositum, quia forte venditor minus pretium imponit propter vitium, tunc non peccat tacens vitium, quia venditio non est injusta et forto esset sibi damnosum, si vitium diceret, quia emptor vellet habere rem etiam pio minori pretio quam valeret.«
2) II, II q. 77, a. 3, ad 1: »Judicium non potest fieri nisi de re manifesta . . . Unde si vitia rei, quae vendenda proponitur, sint occulta, nisi per venditorem manifestentur, non sufficienter committitur emptori Judicium.«
3) II, II q. 77, a. 1. c. »Et ideo, si vel pretium excedat quantitatem valoiis rei, vel e converso res excedat pretium, tolletur iustitiae aequalitas. Et ideo carius ven- dere vel vilius emere rem quam valeat, est secundum se iniustum et illicitum«, cf. S. 36.
4) Sent. IV d. 16, a 46. Albertus Magnus stützt sich wohl seinerseits wieder auf Alexander Halensis, der verlangt hatte, daß der Handel betrieben werde: »iusta existi- matione rei et commercii prout communiter venditur in illa civitate vel loco, in quo negociari contingit.« (S. th. III q. 50, m. 1).
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Bedürfniss empfindet; im zweiten hat der Käufer einen besonderen Vorteil1).
Indem aber die gesellschaftliche Schätzung, der Marktpreis, maßgebend wird, wird das Fundament geschaffen für die Ver- wirklichung jener Idee, die bei der Erörterung des Tauschprozesses in der nicomachischen Ethik durchaus im Vordergrunde steht und die den Zentralpunkt der thomistischen Wertlehre ausmacht: Die Idee der Wiedervergeltung von Arbeit und Kosten2).
Die Güter erscheinen also vom Standpunkte der Gesellschaft aus als Produkte, deren Wert nach den Kosten bestimmt ist. Hiernach werden sie zueinander in Verhältnis gesetzt und dann nach Gleichheit des Aufwandes ausgetauscht3). Die subjektive Werttheorie geht, wie wir oben sahen, von der Stellung des ein- zelnen zu den Gütern aus und zeigt dann die Gestaltung der individuellen Schätzung im Kreise der Gesellschaft. Anders die objektive Werttheorie: Sie geht zunächst vom Standpunkte der Gemeinschaft aus; sie erscheint als notwendiger Ausdruck des gesellschaftlichen Lebens der Menschen überhaupt, das auf Arbeits- teilung gegründet ist.
Hier ist jedoch ein wesentlicher Mangel der thomistischen Wertlehre hervorzuheben: Die angegebene Parallelität erscheint als notwendig und durch die Aufrechterhaltung der Arbeitsteilung bedingt. Wie sie aber des näheren möglich sein soll, wie sich der nähere Zusammenhang zwischen den objektiven und subjekti- ven Momenten gestaltet, läßt Thomas ununtersucht, obwohl doch gerade dies für die Vereinheitlichung seiner Wertlehre von grund-
1) 1. c. Abweichend jedoch de Mal. XIII, 4 ad 14.
2) S. 37 ff. S. 46 ff.
3) Ich halte es nicht für richtig, wenn, wie dies z. B. von Pesch (St. a. M.-L. XLI 48 ff.) geschieht, Arbeit und Kosten nur als ein Moment neben vielen anderen, die auf die Stärke des Bedürfens einwirken, aufgefaßt werden. Gesellschaftlich erscheinen die Güter als in ihrem Werte lediglich durch die aufgewendeten Kosten bestimmt. Ein Tausch nach Gleichheit der Bedürfnisse wäre »gesellschaftlich« noch nicht gerecht. Freilich widersprechen kleine Modifikationen des vom Standpunkte der Gesellschaft aus lediglich in Betracht kommenden Tauschwertes durch andere Momente dem Gesellschafts- prinzip der Wiedervergeltung der Kosten nicht. Subjektiver und objektiver Wert laufen einander parallel. Der objektive Inhalt des Marktpreises sind Arbeit und Kosten: sie machen das sozial -bedeutungsvolle des Preises aus, worüber weiter unten. Dasselbe gilt von Biederlack, »Zur Gesellschafts- und Wirtschaftslehre des hl. Thomas.« Zeitschr. f. Kathol. Theol., XX, s. 1876, S. 578 ff. Vgl. desselben Soziale Frage. 3. Aufl. S. 91 f. Auf Pesch fußt Walter, a. a. O. S. 46 ff., ähnlich Schaub, a. a. O. S. 194 ff.
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legender Bedeutung gewesen wäre1). Jedenfalls erscheinen die Kosten keineswegs nur insofern von Einfluß, als sie eine Verän- derung der menschlichen Schätzung bedingen, so daß man von einer subjektiven Werttheorie, die auch objektive Momente berück- sichtigt, sprechen könnte. Vielmehr stehen die objektiven Momente für Thomas durchaus im Vordergrunde, und sein Gedanke ist wohl der, daß die subjektiven Schätzungen unter der Herrschaft der Kosten stehen und nur die Aufgabe haben, der Durchsetzung des Prinzips der Wiedervergeltung von Arbeit und Kosten zu dienen.
Die objektive Werttheorie enthält ein Sollen vom Stand- punkte der Gesellschaft aus. Sie bedingt natürlich keinen absolut festen Wert der Güter. Individuell abweichende Wertschätzungen bleiben bis zu einem gewissen Grade durchaus gerechtfertigt. Kann doch überhaupt der gerechte Preis der Güter nicht unbedingt fest erfaßt werden: »iustum pretium rerum non est punctualiter determinatum, sed magis in quadam aestimatione consistit; ita quod modica additio vel minutio non videtur tollere aequalitatem iusti- tiae«2). So kann es vom Standpunkte der Gesellschaft aus hin- gehen, wenn das bürgerliche Recht im Falle der Verletzung der Tauschgerechtigkeit erst dann zur Restitution zwingt, wenn ein »defectus ultra dimidiam iusti pretii quantitatem« vorliegt, wenn auch eine Ungerechtigkeit schon weit eher vorhanden ist, nur nicht gestraft wird, wie es z. B. im römischen Rechte bestimmt ist3). Kleine Schwankungen im Preise der Güter können unter Umständen gerechtfertigt sein; sie müssen freilich in ihrer Größe dem gesellschaftlichen Grundprinzip der Wiedervergeltung von Arbeit und Kosten untergeordnet bleiben.
Damit ist im Grunde schon hingewiesen auf die ungeheure Bedeutung, die Thomas der Lehre vom iustum pretium und damit
i) Vgl. S. 58.
2) II, II q. 77, a. 1, ad 1.
3) 1. 8. C. 4, 44, vgl. S. 15. Ein Tausch darf nicht rückgängig gemacht werden : »nisi minus dimidia iusti pretii, quod fuerat tempore venditionis, darum esset.« Thomas II, II q. 77, a. I, ad 1: »Et ideo lex humana non potuit prohibere quidquid est contra virtutem ; sed ei sufficit, ut prohibeat ea, quae destruunt hominum convictum, alia vero habeat quasi licita, non quia ea approbat, sed quia ea non punit. Sic ergo habet quasi licitum, poenam non inducens, si absque fraude venditor rem suam supervendat, aut emptor vilius emat nisi sit nimius excessus, quia tunc etiam lex humana cogit ad restituendum ; puta si aliquis sit deceptus ultra dimidiam iusti pretii quantitatem.« Es ist aber zu beachten, daß das Gerechtigkeitsprinzip als solches weitergeht, als hier im Rechte be- stimmt ist. Das Recht bringt das iustum pretium wohl im Kerne, aber nicht voll zur Ausführung.
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seiner Wertlehre zuweist. Wir haben es, wenn wir den vollen Kreis der dargelegten Gedanken überblicken, mit Forderungen naturrechtlichen Inhalts zu tun.
Hier müssen wir kurz auf die thomistische Rechtslehre hin- weisen. Dieselbe ist bereits bei Gelegenheit des Streites um den Charakter der thomistischen Eigentumslehre eingehender behandelt. Wir können uns daher kurz fassen.
Thomas1) unterscheidet zwischen dem ius naturale, dem ius gentium und dem ius positivum. Im Naturrecht sind die Bestim- mungen enthalten, die sich unmittelbar, aus der Natur des Men- schen ergeben, wie sie vernünftigen und unvernünftigen Wesen gemeinsam ist. Dahin gehört z. B. die Forderung des Gemein- schaftslebens für den Menschen, die schlechthin naturnotwendig ist. Dieses Naturrecht kann nun im positiven Recht vom Menschen in doppelter Weise ausgestaltet werden: Einmal sind aus demselben notwendige Folgerungen zu ziehen. Diese machen den Inhalt des ius gentium aus: es enthält Normen, die notwendig sind, im Hin- blick auf ihre Folgen für das soziale Gemeinschaftsleben. Die Ausführung der Rechtsprinzipien zu näherer Bestimmtheit gehört dem ius civile an2). Inhaltlich gehört das ius gentium noch zum Naturrecht, zu dem Thomas selbst es an anderen Stellen rechnet3).
Zu diesen also inhaltlich naturrechtlichen Forderungen des ius gentium gehören auch die Forderungen des gerechten Preises: »Nam ad ius gentium pertinent ea, quae derivantur ex lege naturae sicut conclusiones ex principiis, ut justae emptiones, . yenditiones et alia huiusmodi, sine quibus homines ad invicem convivere non pos- sunt; quod est de lege naturae, quia homo est naturaliter animal sociale«4).
Wenn wir an die Begründung des Prinzips der Wiedervergel- tung- von Arbeit und Kosten denken, so werden wir vor allem diesem den hier im allgemeinen dem justum pretium zugesprochenen naturrechtlichen Charakter beilegen dürfen6).
*) Vgl. zum Folgenden: Cathrein: »Das jus gentium im Römischen Recht und beim hl. Thomas. Philos. Jahrb. II (1889) S. 374 ff. Femer: Walter a. a. O., S. 23fr. Schaub a. a. O., S. 259 ff. Kuhn a. a. O., bes. S. 35 f.
2; I, II q. 95, a. 4, c. II, II q. 57, a. 3, c.
3) Vgl. hierzu Cathrein: a. a. O.
*) I, II q. 95, a. 4, c.
5; An anderer Stelle hat Thomas einen etwas anderen Begriff des justum naturale.
11, II 57, a. 2, c. : »jus sive justum est aliquod opus adaequatum alteri secundum aliquem
aequalitatis modum. Dupliciter autem potest alicui homini esse aliquid adaequatum: uno
quidem modo ex ipsa natura rei, puta cum aliquis tantum dat, ut tantumdem recipiat,
Beiträge zur Geschichte der Nationalökonomie. Heft 1. 5
Schreiber, Die volkswirtsch. Anschauungen d. Scholastik.
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§ 5. Die Quellen der thomistischen Wertlehre, insbesondere ihr Verhältnis zu Aristoteles.
Im Vorangehenden ist die thomistische Wertlehre zur Dar- stellung gelangt. Es bleibt jetzt die Aufgabe die dogmengeschicht- liche Stellung derselben insbesondere ihr Verhältnis zur aristote- lischen Wertlehre zu untersuchen1).
Ohne Zweifel ist der allgemeine Ideengang bei Thomas von Aquin und Aristoteles derselbe. Die aristotelischen Anschauungen über Wesen und Einteilung der Gerechtigkeit sind von Thomas einfach übernommen. Vielleicht ist hier und dort eine Stelle falsch und unrichtig erklärt. Jedenfalls handelt es sich dann um Fragen, die mit vorliegender Arbeit nur in losem Zusammenhange stehen und für das Verhältnis von Aristoteles und Thomas von Aquin, wie wir es hier darzustellen haben, ohne Bedeutung sind; der allgemeine Ideengang hinsichtlich des gerechten Preises trägt bei Thomas ein spezifisch aristotelisches Gepräge.
Dagegen muß eine Frage eingehender behandelt werden, die im Mittelpunkt der Lehre vom gerechten Preise steht. Wir fanden bei Thomas die eigentümliche Verbindung von objektiven und subjektiven Momenten im Tausche. Geht diese auf Ari- stoteles zurück oder tritt sie bei Albertus Magnus und Thomas von Aquin ursprünglich auf oder versuchen hier die beiden Scholastiker den Ideenkreis früherer Zeiten mit dem des Aristoteles zu vereinigen?
Xun sind, worauf wir schon oben hingewiesen haben, die Stellen im 5. Buche der nicomachischen Ethik, die von der Wert- lehre handeln, nicht durchaus klar. Auch heute noch werden sie von den verschiedenen Erklärern verschieden erklärt2).
Ohne nun die Frage endgültig entscheiden zu wollen, scheint mir Aristoteles an den bezeichneten Stellen lediglich vom Bedürfnis als Wertmaß der Güter zu sprechen. Wir haben bereits oben
et hoc vocatur jus naturale. Alio modo aliquid est adaequatum vel commensuratum alten ex condicto sive ex communi placito.« Das letztere ist das jus positivum. Hiernach würde also die Tauschgerechtigkeit unmittelbar dem justum naturale angehören.
x) Zur aristotelischen Wertlehre s. vor allem: Kaulla: Die Lehre vom gerechten Preis usw. Z. f. ges. St. 1904, S. 582 ff. Brentano: Entwicklung d. Wertlehre. Sitzungsb. d. k. b. Ak. d. W., München 1908, S. 8 ff. O. Kraus: Die aristotelische Werttheorie in ihren Beziehungen zu den Lehren der modernen Psychologenschule. Z. f. g. St. 1905, S. 573 ff. Johann Zmavc: Die Werttheorie bei Aristoteles u. Thomas von Aquin. Archiv f. Philosophie (Geschichte) 1899. S. 407 ff., sowie die weiter unten angeführte Literatur.
2) Vgl. oben S. 40 f., vgl. im Folgenden.
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darauf hingewiesen, daß manche Ausdrücke Veranlassung geben könnten, bei Aristoteles eine Berücksichtigung objektiver Faktoren zu finden x). Aber wenn man diese Stellen im Zusammenhang erwägt, wonach bei den Erörterungen über den Tausch dem Be- dürfnis eine zentrale Stellung zugewiesen ist, so lassen sich die- selben ohne Zweifel restlos und ungezwungen in rein subjektivem Sinne erklären. Und eben deshalb scheint mir die Einführung objektiver Momente in die Erklärung des Aristoteles nicht gerecht- fertigt zu sein.
Aristoteles spricht zunächst davon, daß die Wieder Vergeltung nach geometrischer Proportion erfolge und Ähnlichkeit habe mit dem Kreuzen der Diagonalen eines Parallelogramms und fährt dann fort: »Ist nun zunächst das nach Proportion Gleiche fest- gestellt und findet danach der Entgelt statt, so ist dieser Vorgang der von uns bezeichnete. Mangelt es daran, so findet keine Gleichheit statt, und der Austausch läßt sich nicht aufrecht erhalten. Denn da hindert nichts, daß das Erzeugnis des einen das des anderen an Wert übertreffe. Es muß also Gleichheit zwischen beiden ausdrücklich hergestellt werden«2).
Es muß also Gleichheit zwischen den verschiedenen Pro- dukten hergestellt werden: »de! ovv xavxa loaoftfjvai«. Oder wie es gleich darauf von den verschiedenen Tauschkontrahenten heißt: »dXXd xovxovg dei loao&rivai«. 3).
Alle Tauschgegenstände werden nun durch das Geld gemessen und vermittels desselben einander gleichgesetzt und zwar muß die Gleichsetzung in bestimmter Weise erfolgen: -»dei xoivvv öjieq ol- xodojuog jzqÖq oxvxoxö/uov xooaöi vjiodrjjuaxa Jioög oixiav rj XQO<pr]v« 4). Das Geld ist aber nur Vertreter eines anderen Maßes; es ist entstanden als ein »vjidXXay /ua xrjg %Qeia<;«. In Wirklichkeit werden die Güter nach ihrer Beziehung zum menschlichen Be- dürfnis einander gleichgesetzt: „Sei äga evi xivi ndvxa juexqeio$cu. rovxo de l'oxc xfj juev aXrjfteiq fj xQ£^ai *] ^o.vxa övve%ei". Werden die Güter in dieser Weise gemessen und mit einander verglichen, dann kann die Forderung gerechter Wiedervergeltung erfüllt werden: »eoxai drj ävxuiEJiov&ög , oxav ioaofifj, ojoxe öjieq yEcogyög Jigog oxvxoxöfjiov, xb EQyov xo xov oxvxoxö/uov Jigög xö xov y£cooyov«&).
x) Vgl. oben S. 40 f.
2) Nie. Ethik V, 8 (Übersetzung von Lasson, S. 105).
3) 1. c.
4) 1. c. 6) 1. c.
5*
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Es wird also hier von einem Unterschied zwischen den beiden Tauschkontrahenten gesprochen, der das Austauschverhältnis ihrer Produkte bestimmen soll. Würdigt man diese Stelle im Zusammen- hang, so kann doch wohl nur die Erklärung richtig sein, die Kaulla1) und andere derselben gegeben haben: Das Produkt des Landmanns befriedigt ein Bedürfnis von bestimmter Größe, ebenso das Produkt des Schusters. Treten sich nun Landmann und Schuster einander zum Tausche gegenüber, so hat der Landmann ein bestimmtes Bedürfnis nach Schuhwerk, der Schuster ein be- stimmtes Bedürfnis nach Getreide. Setze ich nun das Verlangen des Landmanns nach Schuhen der Stärke nach = i, so ist vielleicht das des Schusters nach einem Scheffel Getreide doppelt so stark, = 2. Dann muß dieser Unterschied zwischen der Bedürfnisstärke der beiden Tauschkontrahenten, der schlechthin als der Unterschied zwischen Schuster und Landmann erscheint, im Austauschverhältnis ihrer Produkte wiederkehren, d. h. es müssen 2 Paar Schuhe gegen einen Scheffel Getreide gegeben werden. Die Tausch- gegenstände mögen also an sich verschieden und insofern genau genommen unvergleichbar sein: Im Hinblick darauf, daß Menschen ihrer bedürfen, bilden sie eine gewisse Einheit, die eine Ver- gleichung zuläßt2).
Auf die Frage, welche Momente im einzelnen das Bedürfnis nach den Gütern bestimmen, geht Aristoteles an der betreffenden Stelle in der nicomachischen Ethik nicht näher ein. Eingehender kommt er darauf in anderen Werken, so vor allem in der Pvhetorik zu sprechen. Er will hier zeigen, woher ein Redner beim An-
*) Kaulla: Die Lehre vom gerechten Preis usw. Z. f. g., St. 1904, S. 585: Es wird Aristoteles zitiert: »Die Vergeltung wird eine verhältnismäßige sein, wenn eine Gleichheit vorhanden ist, so daß, wie z. B. der Landmann (seil, zu seinem Bedürfnis nach Schuhwerk) zum Schuster (seil, zu dessen Bedürfnis nach landwirtschaftlichen Er- zeugnissen) sich verhält, so die Arbeit des Schusters (im Wert) zu der des Landmanns sich verhält.« Ähnlich Brentano a. a. O., S. 9.
2) Nie. Eth. 1. c. Atfj fisv ovv äXtj&eiq. ddvvarov ra roaovtov öiacpioorra ov/nfistga ycvio&at, nQog Sk rtpi yoelav hbsyszai ixavcog.« Karl Marx (Kapitel I, 4, S. 26 f.) und im Anschluß an ihn Hohoff (Monatsschr. f. Christ. Sozialref. XV, 1893, S. 28gff. u. S. 303 ff.) erklären diese Stelle dahin, daß, nachdem Aristoteles zunächst das Be- dürfnis, dann das Geld als gemeinsames "Wertmaß bezeichnet habe, er nun stutze und diese Gleichsetzung als etwas der wahren Natur der Dinge Fremdes, also nur als »Not- behelf für das praktische Bedürfnis« ansehe. Die wahre Gleichheit der Tauschgegen- stände, die menschliche Arbeit, habe Arist. nicht entdecken können, jedoch die Unzu- länglichkeit der subjektiven Werttheorie gefühlt. Die Unrichtigkeit dieser Erklärung hebt mit Recht Zmavc a. a. O., S. 415 hervor.
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und Abraten seine Beweisgründe zu nehmen habe1), und erörtert zu diesem Zwecke den Begriff des Gutes und die Gründe, die die Menschen bestimmen, irgendwelche Güter höher als andere zu schätzen. Im Zusammenhang hiermit äussert er manche Gedanken, die für seine Wertlehre von Wichtigkeit sind. Außerdem kommen noch gelegentliche Äußerungen in anderen Werken in Betracht2). Wir beschränken uns auf die Hervorhebung des für uns Wichtigen.
Zunächst erscheint auch hier das menschliche Bedürfnis als entscheidend für das Wesen der wirtschaftlichen Güter.
Ein Gut ist dasjenige, erklärt Aristoteles, wonach alle Wesen streben, durch dessen Besitz man sich wohl und zufrieden fühlt, oder das, was diesen Zustand hervorzubringen oder zu erhalten imstande ist. Ein Gut in diesem Sinne ist auch der Reichtum, der Besitz äußerer Güter3). Diese Güter lassen Abstufungen zu nach dem Grade, in welchem sie uns Befriedigung gewähren: »Das Lustvollere ist ein grösseres Gut, als das geringere Lust Gewährende« 4). Das ist ein höheres Gut, »dessen Entbehrung fühlbarer ist« 5). Damit ist gegeben, daß das Gut, das dem End- zweck der Bedürfnisbefriedigung näher steht als ein anderes, an sich ein größeres Gut ist6).
Die abstrakte Nützlichkeit und die Seltenheit eines Gutes sind dann des näheren die Faktoren, die den Güterwert bestimmen.
Dem subjektiven Momente des Bedürfens untergeordnet ist auch durchaus der Einfluß der Kosten und Aufwendungen. Sie erscheinen nicht wie bei Thomas als selbständige, an sich den Wert bestimmende Momente. So hebt Aristoteles hervor: Etwas, worauf wir viele Mühe und Kosten verwendet haben, erscheint uns schon deshalb als Gut: »Auch das, worauf man viele Mühe oder Kosten verwendet hat; denn das erscheint schon als ein Gut und wird als ein solches zum Endzweck gemacht und zwar zum Endzweck von Vielem; der Endzweck ist aber immer ein Gut«7).
Hohe Kosten und Seltenheit als wertbildende Momente fallen nach Aristoteles häufig zusammen und bedingen sich gegenseitig. Worauf er in folgenden Sätzen hinweist: »Sodann ist das Seltenere
*) Vgl. Rhetor. I, c. 7, i. f.
2) Vgl. des näheren Kraus: Die aristotelische Werttheorie. S. 573 ff.
3) Rhet. I, c. 6.
4) 1. c, c. 7. 6) 1. c.
6) 1. c.
') Rhet. I, c. 6.
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ein größeres Gut als das Häufigere; z. B. Gold ein größeres als Eisen, obgleich es minder ist; denn der Erwerb desselben ist etwas höheres, weil er schwieriger ist«. . . . Im Allgemeinen wird das »Schwerere höher geschätzt als das Leichtere; denn es ist seltener« x). Zur Erklärung der Begriffe schwer und leicht ist eine Stelle aus dem vorhergehenden Kapitel heranzuziehen: »Leicht ist, was ohne Beschwerde oder in kurzer Zeit vollbracht wird; denn das Schwere wird als solches bezeichnet entweder durch die Beschwerlichkeit oder die Größe des Zeitaufwandes« 2).
Dies sind im wesentlichen die Bestimmungen, die für die Wertlehre des Aristoteles in Betracht kommen. Sie erinnern zuweilen an die Sätze der modernen Grenznutzentheorie3). Freilich hat Aristoteles ihre Bedeutung für den Tausch der Güter und das in diesem zu verwirklichende Gerechtigkeitsprinzip nicht erörtert.
Vergleicht man nun die aristotelischen Gedanken mit der thomistischen Wertlehre, so ergeben sich wichtige Gesichtspunkte.
Zunächst müssen wir die Erklärung der Gerechtigkeit im Tausche im objektiven Sinne als unrichtig ansehen: Thomas er- klärt den Unterschied, der zwischen den Tauschkontrahenten be- stehen soll, als einen Unterschied hinsichtlich der von beiden auf- gewendeten Arbeit und Kosten, sich hierin seinem Lehrer Albertus Magnus anschließend. Freilich ist diese unrichtige Erklärung durch den dunkeln und unklaren Text des Aristoteles selbst zum großen Teil veranlaßt und entschuldigt. Auch moderne Erklärer interpretieren zum Teil noch die betreffenden Stellen in ähnlichem oder demselben Sinne. Bereits oben ist hierüber gesprochen worden4).
Aber trotz der damit gegebenen prinzipiellen Verschieden- heit kann man die thomistische Wertlehre noch insofern als durch- aus aristotelisch bezeichnen, als die mittelalterlichen Erörterungen über den Wert, wie über wirtschaftliche Dinge überhaupt sich emporgerankt haben an Aristoteles: »Dem Philosophen« meinten Albertus Magnus und Thomas auch in ihrer Wertlehre und in den Bestimmungen hinsichtlich der Tauschgerechtigkeit zu folgen, wenn sie ihn auch tatsächlich unrichtig erklärt haben. Eine ge-
x) Rhet. I, c. 7.
2) Rhet. I, c. 6: y>QÖ.8ia 8e oaa r) ävev Xtuirjg 1} iv öXlym xgovcp. ro yag yaXenov ogiCetai fj Xvzifl tj jzXrj&si %QÖvov.« Unter Xvjirj kann man mit Kraus a. a. O., S. 589 wohl soviel wie »Opfer« überhaupt verstehen.
3; Vgl. Kraus a. a. O., S. 573 ff., wo interessante Parallelen aufgedeckt sind.
*) Vgl. oben S. 40 f.
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wisse Weiterführung aristotelischer Gedanken wird man bei ihnen allerdings zugeben müssen; denn schon, wenn man die Erklärung der Wiedervergeltung im objektiven Sinne, wie Thomas sie gibt, im Prinzip für richtig halten wollte, so bedeutete doch die Auf- lösung des Unterschiedes zwischen den Tauschenden in einen solchen von Arbeit und Kosten eine Ausgestaltung1).
Der Kommentar zur Ethik enthält mehr als eine einfache Wiederholung aristotelischer Gedanken, er will eben ein tieferes und volleres Verständnis des Stagiriten ermöglichen und bietet deshalb manches Eigene und Selbständige. Freilich wird in vorliegendem Falle der Sinn des Aristoteles nicht richtig erfaßt.
Nun scheint mir aber die letztere Tatsache mit dem bloßen Hinweis auf die Schwierigkeit des Verständnisses der nikomachi- schen Ethik nicht genügend erklärt zu sein. Wir haben es viel- mehr ohne Zweifel bei der thomistischen Wertlehre auch mit Ge- danken zu tun, die ihren letzten Ursprung in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Mittelalters haben. Allerdings tritt dieses Mo- ment bei dem straffen, sich streng an den Text des Aristoteles haltenden Text der thomistischen Kommentare etwas zurück. Anders bei Albertus Magnus, der ausführlich und unter häufigen Digressionen die aristotelischen Gedanken umschreibt'2). Die mittel- alterliche civitas erscheint hier mit ihrer berufsmäßigen, arbeits- teiligen Produktion als Ausgangs- und Mittelpunkt der Betrach- tung. Die Bürger sollen im gleichen Maße für einander arbeiten. Die Wiedervergeltung nach Arbeit und Kosten, also Ersatz der Aufwendungen und Vergeltung der persönlichen Arbeit mit dem standesgemäßen Lebensunterhalt ist das Prinzip, ohne das die un- umgänglich notwendige Arbeitsteilung innerhalb der Stadt nicht aufrecht erhalten bleiben kann3). Thomas gibt derselben Idee naturrechtliche Form4). Kurz, es sind Gedanken, die man allen- falls im Keime bei Aristoteles finden kann, die aber letzten Endes
l) Zmavc a. a. O., S. 422. Kraus a. a. O., S. 589, Anmerkung 2: nimmt an, daß Thomas die in der Rhetorik entwickelten Gedanken über die Bedeutung der Kosten für die Schätzung der Güter (S. ob. S. 69 f.) zur Kommentierung der nikomachischcn Ethik benützt habe. Doch weisen weder Albertus Magnus noch Thomas darauf hin. Zudem ist der Charakter der beiden Stellen so verschieden, daß man sie zu ihrer gegen- seitigen Interpretierung kaum verwenden kann, selbst dann, wenn man wie Kraus 'a. a. O., S. 591) bei Aristoteles den Gedanken einer Wiedervergeltung von Arbeit u. Kosten findet. Vgl. zudem S. 59, 63 f.
2^ Vgl. oben S. 45 ff.
3 Vgl. oben S. 5 2 f.
4) Vgl. oben S. 65.
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doch von außen hineingelegt sind, und die in dieser Ausprägung und Form nur vom Boden der wirtschaftlichen Verhältnisse des Mittelalters aus begriffen und verstanden werden können. Der Gedanke, der die mittelalterliche Stadtwirtschaft beherrscht, der zumal auch in der Zunftverfassung zur Ausgestaltung kommt, ist der, daß in der civitas jedem seine Existenz ermöglicht sein müsse. Die herrschende Motivrichtung des mittelalterlichen Wirtschafts- lebens ist, wie Sombart betont, das Bedarfdeckungsprinzip1); es fehlt der kapitalistische Geist, für den der Reichtum Selbstzweck und die Aussicht auf Gewinn maßgebend ist. Das Streben des Handwerkers, der für das Mittelalter typisch ist'2), charakterisiert Sombart dahin: »ein standesgemäßes Auskommen strebt er an, nicht weniger, aber vor allem auch nicht mehr. Seine gewerb- liche Arbeit soll ihm die materielle Basis für seine Existenz: seine »Nahrung« verschaffen, das Handwerk soll seinen Mann nähren«3). Die thomistische Wertlehre, die, wie früher gezeigt, jedem den standesgemäßen Unterhalt garantieren will, ist nichts anderes als der adaequate Ausdruck der wirtschaftlichen Zustände des Mittelalters.
So kam es unter Führung des Aristoteles, der freilich aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Mittelalters heraus verstanden und erklärt wurde, zum ersten Mal seit der Patristik zu einer inneren Fortentwicklung der Wertlehre. Die thomistische Wert- lehre mit ihrem objektiven Charakter ist freilich von der bei Augustinus im Keime vorliegenden subjektiven Theorie durchaus verschieden und stellt keine innere Ausgestaltung derselben dar. Freilich kommen in anderer Weise in dem Prinzip der Wieder- vergeltung von Arbeit und Kosten augustinische Ideen zur Gel- tung. Augustinus hatte von einer sozialen Auffassung des Ge- meinschaftslebens ausgehend unter Anwendung des paulinischen Grundsatzes, daß jeder Arbeiter seines Lohnes wert sei, den Handels- gewinn als gesellschaftlichen Arbeitslohn gerechtfertigt. Die Höhe des Einkommens sollte dem Stande angemessen sein. Die allge- meinen Grundsätze, die Augustinus hier auf den Handel anwendet, kehren in der thomistischen Wertlehre wieder, indem auch letzterer der Gedanke zugrunde liegt, daß die Gesellschaft dem, der für sie arbeitet, ein standesgemäßes Auskommen sichern müsse. Aller- dings waren die Ideale Augustins in den wirtschaftlichen Zu-
a) Der moderne Kapitalismus I, S. 6if.
2) a. a. O., S. 71.
3) a. a. O., S. 86.
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ständen, die Thomas umgaben, in weitgehendem Maße ver- wirklicht1).
Noch nach einer anderen Richtung hin führt ein Blick auf die mittelalterliche Stadtwirtschaft, wie sie aus Thomas selbst sich uns gezeigt hat, zu einem tieferen Verständnis seiner Wert- lehre. Die Stadt Wirtschaft erscheint als Wirtschaft des direkten Austausches zwischen Produzent und Konsument. Auch Bücher schildert sie in derselben Weise2). Unter diesen Verhältnissen ist die Preisbildung eine ganz andere als etwa heute. Auf dem mittelalterlichen Markte bildet sich tatsächlich für die einzelnen Produkte ein bestimmter Marktpreis, den die Tauschkontrahenten als gerecht ansehen, und dessen Nichteinhaltung als Übervorteilung empfunden wird. Wenn Thomas daher als allgemeine Norm die Einhaltung dieses normalen, durchschnittlichen Wertes der Waren verlangt, so ist auch das als Spiegelbild der allgemeinen Preis- bildung verständlich; ebenso wie die früher erörterte Behandlung der Ausnahmefälle von dieser allgemeinen Regel, die für unser mo- dernes Empfinden ganz unbegreiflich ist, verständlich wird, wenn wir uns den kleinbürgerlichen Rahmen der mittelalterlichen Preis- bildung vergegenwärtigen. Thomas konnte also auch hier die augustinische Lehre von dem normalen, gerechten Preis vertreten, ohne mit der Wirklichkeit in Widerspruch zu kommen. Er konnte endlich auch, was für sein Verhältnis zu Aristoteles bedeutsam ist, sich dessen Forderung anschließen, daß der Wert der zu tau- schenden Güter gleich sein müsse, wenn der Tausch nach Gerech- tigkeit vor sich gehen solle. Denn die Durchführung des Äquiva- lenzprinzips im Tausche ist bei Annahme eines allgemeingültigen, normalen Wertes leicht möglich.
Bezüglich der Bedeutung des Bedürfnisses im Tausche konnte Thomas mit Recht Aristoteles folgen. Sowohl die allgemeinen Anschauungen über das Wesen der wirtschaftlichen Güter, wie auch die Bestimmungen bezüglich der Schätzungen derselben im einzelnen tragen ein spezifisch aristotelisches Gepräge. Thomas selbst macht in den bei Behandlung seiner Wertlehre angeführten Äußerungen vielfach auf Aristoteles als seine Quelle aufmerksam3). Freilich ergibt eine genauere Vergleichung, daß der überraschende Tiefblick des Stagiriten hinsichtlich der psychologischen Vorgänge
J) Die Übereinstimmung des mittelalterlichen Wirtschaftslebens mit den Forde- rungen der Patristik hervorgehoben bei: Troeltsch, Archiv XXVII, S. 60 ff.
2) Entstehung der Volkswirtschaft, S. 135 ff.
3) Vgl. s. 53 ff.
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bei der Bewertung der Güter von Thomas nicht erreicht wird; daß er jedoch selbständig eine tiefere Begründung des durch- schnittlichen, normalen Wertes der Güter zu geben versucht, ist bereits früher hervorgehoben worden1).
In diesem Zusammenhange ist nun noch auf eines hinzuweisen. An der Stelle, wo er die für die Stellung des Bedürfens im Tausche in Betracht kommenden aristotelischen Äußerungen wiedergibt, schiebt er den oben genannten Gedanken Augustins ein, daß wir im Tausche die Güter nicht nach ihrer natürlichen Rangordnung betrachten, sondern nach ihrer Bedeutung für das menschliche Bedürfnis. Auch bei Albertus Magnus wird dieselbe Stelle an- geführt 2). Freilich führen beide in ihren Kommentaren sie nicht ausdrücklich auf Augustinus zurück. Wo Thomas jedoch in der Summa von der subjektiven Wertlehre spricht, zitiert er nicht Aristoteles, sondern jetzt ausdrücklich Augustinus3). In diesem Punkte also traf, so scheint es, die Autorität Augustins mit der des Stagiriten zusammen, ein etwas äußerlicher Ausgleich, der aber für das methodische Vorgehen charakteristisch ist, das Thomas bei inneren Verschiedenheiten der augustinischen und aristotelischen Gedankenwelten zwecks Herstellung- einer Synthese einzuschlagen pflegt4).
Die thomistische Wertlehre trägt den Charakter der mittel- alterlichen Philosophie überhaupt. Sie gleicht dieser in ihrer receptiven Art, indem sie ausgebaut wird unter reichlicher Ver- wendung des in früheren Zeiten Geschaffenen. Sie gleicht der Philosophie des 13. Jahrhunderts in der eigentümlichen Verbindung aristotelischer und augustinischer Gedanken, wie ja Thomas eben- sosehr an dem Kirchenvater, wie an dem griechischen Philosophen orientiert ist6). Freilich hatte Albertus Magnus schon wesentlich vorgearbeitet, so daß das Verdienst, das speziell Thomas zuzu- schreiben ist, verhältnismäßig gering ist. Und wie man endlich der mittelalterlichen Philosophie keineswegs alle Originalität ab- sprechen kann, so wird man auch hier Albertus Magnus und
*) S. oben S. 60 f.
2) S. oben S. 43 sowie S. 49.
3) II, II q. 77, a. 2, ad 3.
4) Vgl. hierzu im allgemeinen: v. Hertling, Augustinus - Zitate bei Thomas v. Aquin. S. 558.
5) De Wulf: Histoire de la philosophie medievale, S. 423: »Enfin il a etabli une etroite fusion de l'aristotelisme avec un groupe important de doctrines reprises de S. Augustin «.
Thomas von Aquin eine gewisse Selbständigkeit nicht abstreiten dürfen. Dafür spricht schon die Tatsache, daß ihre Wertlehre wohl in erster Linie aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Mittelalters erwachsen ist.
§ 6. Der gerechte Preis im Handel.
Bereits früher ist über die Bedeutung gesprochen, die Thomas der wirtschaftlichen Funktion des Handels beilegt1). Wir hatten sodann gesehen, daß die Tätigkeit des Händlers sich in der Weise vollzieht, daß durch Kauf und Wiederverkauf einer Ware ein Gewinn erzielt wird2).
Wir kommen jetzt zu der Frage: ist dieser Gewinn sittlich erlaubt? Darf der Kaufmann einen Gewinn berechnen, ohne gegen die Grundsätze der Gerechtigkeit zu verstoßen? Schließt nicht vielleicht die Idee des justum pretium den Handelsgewinn aus?
Die aristotelischen Gedanken bewegen sich entschieden in letzterer Richtung3). Es ist oben gezeigt, daß Thomas in der Erfassung der wirtschaftlichen Struktur des Handels durchaus auf Aristoteles fußt. Doch folgt er ihm in der sittlichen Beurteilung desselben nicht. Hier schließt sich Thomas vielmehr an Augustinus an. Es ist früher darauf hingewiesen, wie dieser von der wirt- schaftlichen Bedeutung des Handels ausgehend, den Handelsgewinn gewissermaßen als »gesellschaftlichen Arbeitslohn« rechtfertigt4). Dieser augustinische Gedanke ist für die Folgezeit richtunggebend gewesen.
Er trat Thomas einmal aus Augustinus selbst entgegen; dann war aber auch die ganze bisherige Beurteilung des Handels in der Scholastik vor Thomas von denselben Prinzipien getragen gewesen.
Alexander Halensis(f 1245) kann hier in gewisser Beziehung als typisch gelten5). Auf Augustinus sich stützend, nimmt er zu dem bekannten Worte aus Pseudo-Chrysostomus Stellung, daß der Kaufmann sündige, der, um zu gewinnen, eine Sache unverändert weiter verkaufe. Er verlangt einmal, daß der Händler von einer »necessaria et pia causa« geleitet werde, also zwecks Beschaffung des Lebensunterhaltes für sich und seine Familie Handel treibe,
1) Vgl. S. 22 ff.
2) Vgl. S. 31.
3) Vgl. S. 26 f. sowie S. 29, Anm. 2.
4) Vgl. S. ioff.
s) Vgl. zum Folgenden Summa theologica III, q. 50, m. I.
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sowie daß er auf den Nutzen des Staates sehe, »cui conferunt negociationes«. Im übrigen sei ein höherer Verkaufs- als Einkaufs- preis gestattet im Hinblick auf die Arbeit des Transportes und die Mühe und Sorge, die mit der Übernahme der Gefahr der Aufspeicherung der Waren verbunden sei. In beiden Fällen ver- kaufe der Händler die Sache nicht mehr, »ut integram et inmu- tatam vendendo lucretur«. Die Waren seien vielmehr verändert, auch wenn sie der Substanz nach dieselben geblieben wären. Ferner wird vom Kaufmann Einhaltung des gerechten Preises verlangt1). Zumal letztere Bestimmung, bemerkt jedoch Alexander, werde häufig nicht eingehalten, so daß der Handel kaum ohne Sünde betrieben werden könne2). Die prinzipielle Anerkennung des Handels wird jedoch hiermit keineswegs aufgehoben.
Diese im Kerne augustinische Beurteilung des Handels — augustinisch in der Einreihung desselben in das soziale Ganze, in der Rechtfertignng des Gewinnes als Arbeitslohnes — erfuhr auch unter dem Einflüsse aristotelischer Gedanken keine wesentlichen Veränderungen.
Die Auseinandersetzung mit Aristoteles beginnt bereits bei Albertus Magnus. Der Handelsgewinn hat, so hebt er gelegentlich hervor, Ähnlichkeit mit dem Zins: »Si autem spes facit usuram, tunc negotiator videtur usurarius, quia sperat accipere ultra sortem«. Und doch besteht zwischen Handels- und Zinsgeschäft ein tief- gehender Unterschied; letzteres ist nach natürlichem und gött- lichem Rechte verboten, ersteres dagegen gestattet3).
Für die Rechtfertigung4) des Handels ist wieder der Gesichts- punkt entscheidend, daß derselbe für die menschliche Gesellschaft durch Ausgleichung des Mangels hier und des Überflusses dort unentbehrlich und von großem Nutzen ist. Vom Boden dieser wirtschaftlichen Tatsache aus erfolgt die ethische Beurteilung: »Adhuc negotiationes utiles sunt toti terrae asportando abundantia in terra aliqua et reportando deficientia: nihil autem utilitati commu- nitatis deserviens est peccatum. Ergo negotiationes tales non sunt peccatum : non ergo generaliter dicere debuit de negotiatione, quod esset peccatum«.
Wenn daher ein Handelsgeschäft als unerlaubt zu bezeichnen ist, so liegt das nicht am Handel als solchem, sondern an äußeren
1) Die Bestimmung desselben s. S. 62, Anm. 4.
2) 1. c, m. 2.
3) Sent. III, 37; a. 13.
*■) Vgl. zum Folgenden Sent. IV, 16 a. 46.
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Umständen1). Als derartige äußere Umstände möchte Albertus als für seine Zeit (»temporibus modernis«) besonders wichtig folgende namhaft machen: i. Momente, die in der Person des Handel- treibenden begründet sind: Ein Geistlicher oder Mönch darf sich nicht mit Handelsgeschäften befassen2). 2. Umstände, die einen Handel als zeitlich unerlaubt erscheinen lassen: Das Handeln an Festtagen ist verboten. Ferner darf dann kein Handel getrieben werden, wenn dadurch wahrscheinlich eine Teuerung hervorgerufen würde; wenn z. B. jemand alles Getreide gleich nach der Ernte aufkaufen wollte, um dann den Preis steigern zu können. 3. Der Handelsgewinn ist, und darauf kommt es hier an, nur dann erlaubt, wenn bei Kauf und Verkauf einer Ware das justum pretium bezahlt und berechnet wird. Dieses justum pretium bestimmt, wie früher dargelegt, Albertus Magnus dahin: »Justum autem pretium est quod secundum aestimationem fori illius temporis potest valere res vendita.« Der erlaubte Handelsgewinn bedeutet also keine Über- schreitung des gerechten Preises.
Wenn aber Kauf und Verkauf, die beiden commutationes, die ein Kaufmann vornimmt, sich nach den Grundsätzen der Ge- rechtigkeit vollziehen, so gilt vom Handel das, was vom Tausche überhaupt gilt, daß er das Zusammenleben der Bürger, die civi- litas, nicht nur nicht stört, sondern im Gegenteil begründet und stärkt. Und wenn es das Streben der Moral ist, das menschliche Zusammenleben zu ermöglichen, so kann vom moralischen Stand- punkt aus um so weniger gegen den Handel eingewendet werden.
Den angeführten Gedanken über die Wirkung des Tausches innerhalb der menschlichen Gesellschaft entnimmt Albertus Magnus der Ethik des Aristoteles. Er geht jedoch weiter als letzterer und wendet ihn auch auf den Handel an, den Aristoteles in der Politik, die Albertus allerdings noch nicht verwertet, verwirft. In bemerkenswerter Weise aber werden hier schon Augustinus und Aristoteles verschmolzen: Man sieht, auch bei Aristoteles finden sich gewisse Prinzipien, aus denen heraus der Handel ge- rechtfertigt werden konnte.
Hatte die Auseinandersetzung der augustinischen Anschauung vom Handel mit der des Aristoteles bei Albertus Magnus begonnen,
J) Das folgende bietet Alexander Halensis bereits in ähnlicher Zusammenstellung, nur fügt derselbe noch hinzu, der Handel könne unerlaubt sein: ex circumstantia con- sortii: »cum scilicet carius venditur res transeuntibus quam manentibus.« S. Th. III,. q. 50, m. 1.
2) Vgl. c. 3, C. 14, q. 4. Hier wird den Geistlichen der Handel verboten.
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so wird dieselbe von Thomas vollendet und zum Abschluß ge- bracht, indem er die grundlegenden Ausführungen der aristo- telischen Politik heranzieht.
Im Grunde ist die Stellung, die Thomas zum Handelsgewinn einnimmt, der der früheren Scholastik ähnlich. Der Kern seiner Ausführungen ist wieder der augustinische Gedanke, daß der Handel für die menschliche Gesellschaft nutzbringend ist und die menschliche Gesellschaft deshalb dem Kaufmann eine wirtschaft- liche Existenz ermöglichen muß. Der Handelsgewinn erscheint wieder als »gesellschaftlicher Arbeitslohn«. Der Handel ist erlaubt, sagt Thomas, »cum aliquis negotiationi intendit propter publicam utilitatem, ne scilicet res necessariae ad vitam patriae desint, et lucrum expetit non quasi finem, sed quasi Stipendium laboris« 1).
An einer anderen Stelle heißt es ähnlich: »illa, sine quibus non potest respublica conservari, non sunt vitia, sed magis ad virtutem ordinata.« Zu diesen unentbehrlichen Erwerbszweigen gehöre auch der Handel: »per quam necessaria populo procurantur« 2).
Der Handelsgewinn hebt die Gerechtigkeit des Preises nicht auf. Freilich könnte es so scheinen; denn die Erzielung eines Gewinnes ist mit dem Gedanken unvereinbar, daß ein Gut als solches einen bestimmten gerechten Preis besitze, einen normalen Wert habe, so wendet Thomas selbst ein. Beim Handel haben wir es mit 2 Preisen zu tun, die derselben Ware beigelegt werden. Der Gewinn scheint nur erzielt werden zu können, wenn eine Ware zu billig eingekauft und zu teuer verkauft wird3).
Doch bereits oben ist darauf hingewiesen worden, daß Thomas einen unveränderlichen abstrakten Wert nicht kennt. Der Markt- preis ist vielmehr nach Ort und Zeit verschieden4). Und wenn ein Händler durch Ausnützung dieser Verschiedenheiten einen Gewinn erzielt, so ist dies durchaus gestattet.
Der Handelsgewinn ferner ist nach dem eben gebrachten Zitat im letzten Grunde Arbeitslohn, und wenn im Tausche nach dem Wertgesetz eine Wiedervergeltung von Arbeit und Kosten statt- finden soll, wenn die Güter ausgetauscht werden sollen nach den verhältnismäßigen Kosten, dann darf auch der Kaufmann für seine Mühewaltung einen Lohn berechnen, der als Wieder- erstattung seiner Arbeit erscheint. Und insofern der Handels-
J) II, II q. 77, a. 4. c. Vgl. S. 21 ff.
2) Sent. IV, 16, q. 4, a. 2. 3.
3) II, II q. 77, a. 4. ob. 2.
4) Vgl. oben S. 56 sowie die folgende Anmerkung.
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gewinn als Arbeitslohn erscheint, steht er im Einklang mit dem Wertgesetz, er wird gerechtfertigt aus dem Gesichtspunkt der Wertlehre heraus. Es liegt hier eine bedeutungsvolle Anwendung der Grundsätze des iustum pretium vor. Wenn es gestattet ist, schon dann, wenn jemand durch Zufall veranlaßt wird, ein ge- kauftes Gut wieder zu verkaufen, ohne an den früheren Preis ge- bunden zu sein, einen höheren zu fordern, wenn der Preis sich inzwischen verändert hat, oder der Transport mit Gefahren ver- bunden war, für die ein Entgelt beansprucht werden darf, so darf mit noch größerem Rechte im Hinblick auf die volkswirtschaft- liche Unentbehrlichkeit des Handels der Händler einen höheren Verkaufs- als Einkaufspreis berechnen1).
Der Handelsgewinn kann also an sich nicht abgelehnt werden. Ob im einzelnen Falle der Kaufmann in erlaubter oder unerlaubter Weise Gewinn bezieht, muß nach anderen Umständen beurteilt werden. Der Handel wird zunächst nur dann erlaubt sein, wenn der Kaufmann sich fernhält von Übervorteilung des Nächsten2). Bei Einkauf und Verkauf bleibt er an das iustum pretium gebunden. Der Gewinn insbesondere soll sich in mäßigen Grenzen halten. Thomas billigt dem Kaufmann nur ein moderatum lucrum zu3), ähnlich wie schon Plato nur ein xegöog justqiov gestatten wollte. Der Handel soll nicht zu übermäßiger Bereicherung führen.
Dazu kommt vor allem ein anderer Gesichtspunkt. Im Handel verkörpert sich das Streben nach Gewinn. Freilich ist letzteres nicht allein mit dem Handel verknüpft; es findet sich auch z. B. beim Handwerker, der einen Gegenstand kauft, um ihn verarbeitet teuerer mit möglichst viel Gewinn zu verkaufen4). Aber im letz- teren Fall hat der erzielte höhere Preis doch weniger Gewinn-
*) 1. c. ad 2: »Ad secundum dicendum, quod non quicumque carius vendit aliquid quam emerit, negotiatur, sed solum qui ad hoc emit, ut carius vendat. Si autem emit rem, non ut vendat, sed ut teneat et postmodum propter aliquam causam eam vendere velit, üon est negotiatio, quamvis carius vendat. Potest enim hoc licite facere, vei quia in aliquo rem melioravit, vel quia pretium rei est mutatum secundum diversitatem loci vel temporis vel propter periculum, cui se exponit transferendo rem de loco ad locum vel etiam ferri faciendo. Et secundum hoc nee emptio nee venditio est iniusta.«
2) cf. Quodlib. II, a. io, c. Sent. IV, 16, q. 4. 3. Als Bedingungen, unter denen der Handel erlaubt ist, werden hier aufgeführt: »quod . . . negotiator non habeat con- ditionem in se, quae ipsum ab officio hoc prohibeat sicut clericis et monachis non licet negotiari, quamvis liceat propria vendere, et quod tempore debito mercationes faciant, non diebus festivis et tempore, quo caristiam inducere possit, tale officium exercetur et modus debitus, ut sine fraude fiat et secundum licitum contractum.«
3) II, II q. 77, a. 4 c.
4) II, II 141, a. 6, ad I: »aedificatoris finis quandoque est lucrum.«
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Charakter1). Vielmehr tritt gerade beim Handel das Gewinnstreben besonders deutlich hervor. Diesem Streben nach Gewinn steht Thomas nicht besonders wohlwollend gegenüber2). Der Handel sagt er, »iuste vituperatur, quia quantum est de se, deservit cupi- ditati lucri, quae terminum nescit, sed in infinitum tendit. Et ideo negotiatio secundum se considerata quandam turpidinem habet«, soweit schließt sich Thomas fast wörtlich an Aristoteles an. Er weist aber dessen gegen den Handel gerichtete Schlußfolge- rungen sogleich zurück, indem er seinen Worten hinzufügt: »in- quantum non importat de sui ratione finem honestum vel neces- sarium«3). Entscheidend für die Erlaubtheit einer Gewinnerzielung ist ihm also der innere Zweck, den der Händler verfolgt. Die äußere wirtschaftliche Tatsache des Gewinnerzielens ist etwas ethisch Indifferentes: »lucrum tarnen, quod est negotiationis finis, etsi in sui ratione non importet aliquid honestum vel necessarium, nihil tarnen importat in sui ratione vitiosum vel virtuti contrarium«4). Das Streben nach Gewinn um des Gewinnes willen ist unerlaubt. Der Kaufmann darf den Gewinn nicht als Endzweck, als finis »ultimus« setzen5). Er muß seinem Streben einen andern Zweck unterlegen, der im Gegensatze zum ersteren ein finis honestus vel necessarius ist. So wenn der Händler den Unterhalt seiner Familie oder den Unterhalt von Armen erzielen will oder, wenn ihn die Absicht leitet, seinem Vaterlande durch Herbeischaffung der Lebensmittel zu dienen6). Aristoteles hat recht, so können wir sagen, wenn er das grenzenlose Streben nach Gewinn um des Gewinnes willen verwirft, aber unrecht ist es, diese Gesinnung jedem Händler not- wendig zuzuschreiben. Die äußere Tatsache der Gewinnerzielung kann sehr wTohl aus einer andern innern Absicht hervorgehen.
x) II, II q. 77, a. 4, ad i : »si enim rem in melius mutatam carius vendat, videtur praemium sui laboris accipere.«
2) Vgl. zum folgenden: Hilgenreiner, Die Erwerbsarbeit usw., S. 142 f., Walter, a. a. O. S. 6of., Schaub, Eigentumslehre, S. 415, Baumann, a. a. O. S. 194 ff.
3) IT, II q. 77, a. 4 c.
4) 1. c.
5) 1. c, ad 1.
6) 1. c. : »unde nihil prohibet, lucrum ordinari ad aliquem finem necessarium vel etiam honestum; et sie negotiatio licita reddetur. Sicut cum aliquis lucrum moderatum, quod negotiando quaerit, ordinat ad domus suae sustentationem vel etiam ad subvenien- dum indigentibus vel etiam cum aliquis negotiationi intendit propter publicam utilitatem, ne scilicet res necessariae ad vitam patriae desint, et lucrum expetit non quasi finem, sed quasi Stipendium laboris«, vgl. S. 78.
Wenn Brentano in seinen früher angeführten Schriften in diesem Punkte die mittelalterliche und moderne Auffassung vom Wirtschaftsleben einander gegenüberstellt, daß nämlich das Mittel- alter das Streben nach Gewinn verworfen habe, die moderne Nationalökonomie es einfach als Tatsache hinnehme, so ist dies sicher richtig. Es besteht ein tiefgehender Unterschied zwischen der thomistischen Ethik und dem modernen kapitalistischen Geiste.
Aber dieses Ablehnen des grenzenlosen Gewinnstrebens und die Beschränkung des Händlers auf den standesgemäßen Lebens- unterhalt entspricht bei Thomas in etwa den wirtschaftlichen Zu- ständen. Mochten die bezeichneten Ideen in der altkirchlichen Zeit aus einer Reaktion des Christentums gegen das entartete kapitalistische Wirtschaftsleben entstanden sein, so hatten sich für Thomas die wirtschaftlichen Verhältnisse dem dort vorgezeichneten Bilde in bedeutendem Maße angepaßt.
Vielleicht hat Sombart das Bild des mittelalterlichen Handels etwas verzeichnet. Ganz unrecht dürfte ihm jedenfalls nicht zu geben sein, wenn er betont, daß der Handel während des euro- päischen Mittelalters ein durchaus handwerksmäßiges Gepräge getragen habe1), daß dem Händler nichts ferner gelegen habe wie Gewinnstreben, daß vielmehr seine ganze Tätigkeit von der Idee der Nahrung beherrscht gewesen sei2). Es mag sich im Handel zu jeder Zeit ein gewisses kapitalistisches Gewinnstreben gefunden haben, und die Zersetzung des mittelalterlichen Wirtschaftslebens, soweit es auf dem Prinzip der Bedarfsdeckung aufgebaut war, gerade aus dem Handel heraus erfolgt sein, indem einzelne durch den Handel zu größerem Reichtum gelangten, den sie dann kapitalistisch verwerten konnten 3). Ja, es wäre aus diesem Gesichts- punkte heraus ein Mißtrauen dem Handel gegenüber um so mehr verständlich, als derselbe in gewissem Sinne ein fremdartiges Moment im Wirtschaftsleben war. Aber sicher entsprachen die tatsächlichen Verhältnisse in vielen Fällen dem gewünschten Ideal, und im übrigen werden wir es auch aus rein wirtschaftlichen Erwägungen heraus verstehen können, wenn die Forderung erhoben wurde, den Handel organisch in das Wirtschaftsleben einzufügen, ihn nach dem Bilde des .Handwerks' zu formen.
Thomas erwartet vom Streben nach Gewinn keine Harmonie
J) Der moderne Kapitalismus, I, S. 165.
2) a. a. O. S. 174.
3) Vgl. die Kritik der Sombartschen Theorie bei Strieder: Zur Genesis des modernen Kapitalismus, 1904, S. 37 ff.
Beiträge zur Geschichte der Nationalökonomie. Heft 1. 6
Schreiber, Die volkswirtsch. Anschauungen d. Scholastik.
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des Wirtschaftslebens. Es ist bereits oben die Stelle angeführt worden, wo er die Wirkungen des Erwerbstriebes, der cupiditas lucri, für die menschliche Gesellschaft schildert. Das Erwachen des Handelsgeistes führt zu einer Zersetzung des Zusammenlebens, der einzelne folgt lediglich seinen Interessen, ohne an das Gemeinwohl zu denken; Laster, Betrug finden Eingang, »ut omnia fiant venialia« 1).
Hiermit hängt es zusammen, daß den Geistlichen der Handel verboten sein soll. Dem Gewinnstreben haftet eine species mali an. Es führt leicht zu sündhaften Geschäften2). Der Handel ist mit dem geistlichen Stande, der eine Ausnahmestellung einnimmt, un- vereinbar, weil er den Geist zu sehr in Anspruch nimmt, so daß vor lauter irdischer Sorge der eigentliche Beruf vernachlässigt würde3).
Hinsichtlich der Stellung zum Handel bedeutet Thomas den Abschluß der vorangegangenen Entwicklung. In der Auffassung des Handels seiner wirtschaftlichen Seite nach schließt er sich wesentlich an Aristoteles an. Auch der patristischen Zeit, besonders Augustinus werden hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Funktion des Handels wichtige Gesichtspunkte entnommen. In der sittlichen Beurteilung weicht er von Aristoteles ab, kommt ihm freilich wenigstens insofern entgegen, als er dem Handelsgewinn eine gewisse species mali4) zuschreibt. Die Verschiedenheit zwischen der An- erkennung des Handels hier und seiner Ablehnung dort wird damit allerdings nicht überbrückt. In der Beschränkung des Handels- gewinnes auf den standesgemäßen Lebensunterhalt kommt Augustins Ideal zum Ausdruck, wie auch die prinzipielle Auffassung des Gewinnes als Arbeitslohnes augustinischen Ideen entspringt.
Finden sich in der patristischen Zeit Äußerungen, die den Handel völlig ablehnen, oder doch abzulehnen scheinen, so werden diese bei Thomas dadurch überwunden, daß er sie dahin deutet, sie bezögen sich nur auf den Handel, dessen letztes Ziel im Gewinn bestände. Dies geschieht z. B. mit dem oben berührten Satze aus dem Op. imperf., das auch von Thomas irrtümlicher- weise dem Chrysostomus beigelegt wird5). In allem waren freilich die Scholastiker vor Thomas, wie Alexander Halensis,
x) De reg. princ. II, c. 3, vgl. oben S. 23.
2) Vgl. Sent. IV, 16, q. 4, a. 2, 3, wo der Handel zu den Erwerbszweigen gezählt wird: »quae habent peccatum annexum, quamvis quandoque sine peccato exerceri possunt«.
3) II, II q. 77, a. 4, ad. 3. Ferner Quodl. VII, a. 12: saecularia esse negotia, quae fiunt causa pecuniae coli igen dae sine opere manuali, ut per mercationem et huiusmodi, a quibus servi Dei se debent penitus abstinere«.
4) Vgl. Anmerkung 3.
5) II, II q. y/t a. 4, ad. I. vgl. ib. ob. 1.
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Albertus Magnus ihm bereits mehr oder weniger vorausgegangen. Thomas überragt sie jedoch darin, daß er die aristotelischen Gedanken tiefer auffaßt und eine volle Auseinandersetzung der- selben mit dem alten augustinischen Ideenkreise herbeiführt, was speziell Albertus Magnus zwar angebahnt, aber in noch mehr äußerlicher und unvollkommener Weise getan hatte1).
§ 7. Die Lehre vom gerechten Arbeitslohn.
Über die Höhe des gerechten Lohnes ist im Vorstehenden schon nach einer Seite hin gehandelt worden. Indem für den Tausch Wieder- vergeltung von Arbeit und Kosten gefordert wird, wird zugleich damit verlangt, daß der betreffende Produzent oder Händler außer dem Ersatz seiner Kosten noch eine Vergütung für seine Arbeit erhalten solle. Die Höhe derselben beläuft sich, wie gezeigt ist, auf den standesgemäßen Lebensunterhalt. Der Lohn wird in dem Preise der Waren bezahlt und ist so ein notwendiger Bestandtteil des Wertes.
Eine ganz besondere Bedeutung erhält aber die Lehre vom Lohn dann, wenn es sich um einen Lohnvertrag handelt. Hier wird der einzelne nicht in der Weise betrachtet, daß er innerhalb der Gesellschaft arbeitend für seine Arbeit ein bestimmtes Ein- kommen erhält, das er durch Verkauf seines Arbeitsproduktes gewinnt; sondern hier wird die Arbeit selbst zur Ware, nach deren gerechtem Preis gefragt wird2). Es handelt sich um den Lohnvertrag zwischen 2 Personen: Einer überläßt einem andern seine Arbeitskraft gegen Entgelt.
Ein Lohnvertrag kann bei ökonomisch ganz verschieden gestellten Ständen vorliegen. Vor allem kommen die Arbeiter, wie Tagelöhner usw. in Betracht. Ihre ökonomische Lage charak- terisiert Thomas mit den Worten: »Mercenarii, qui locant operas suas, pauperes sunt, de laboribus suis victum quaerentes quoti- dianum«3). Sie sind also auf das Existenzminimum beschränkt.
1) Dieselben Bestimmungen, wie für den Handel, gelten auch für das Geschäft der campsores (vgl. S. 31). Freilich beachtet Thomas in der Summa in seiner weiteren Darstellung nur den Warenhandel. Auf die eigenartige Natur des Geldwechselgeschäftes kommt er nur im Kommentar zur Politik zu sprechen: Hiernach ist dasselbe erwachsen aus der zufälligen Beobachtung: »quod ex aliquibus terris in alias aliqui denarios trans- feientes, carius eos expenderint, quam acceperint.« Wie also der Kaufmann durch Aus- nützung der Verschiedenheit der Warenpreise an den einzelnen Orten seinen Gewinn er- zielt, so der Wechsler durch Ausnützung der Kursverschiedenheiten der Münzen. (C. i. Ar. Pol. I. 1 VII g.)
2) Über die Lehre vom gerechten Lohn handelt vor allem Hilgenreiner, a. a. O. S. 1 39 ff. Vgl. ferner Kostanecki: Arbeit und Armut (Freiburg 1909) passim.
3) I, II, 105, a. 2, ad. 6. Über das Verhältnis von Arbeit und Armut vgl. Kostanecki, a. a. O. passim.
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Ihnen gegenüber stehen die anderen Klassen, wie Aerzte, Advokaten usw., die ebenfalls von ihren Arbeitsleistungen leben. Die Existenz derselben ist möglich durch die Arbeitsteilung; sie leben dann von der wirtschaftlichen Arbeit anderer. Dies ist aber nur berechtigt, wTenn sie ihre Dienste für die Gesamtheit ver- wenden. Thomas unterscheidet sich hier von Aristoteles, der den Gelderwerb aus geistiger Arbeit als unsittlich ablehnt 1). Übrigens nimmt bereits Augustinus eine freiere Stellung ein 2). Die ökono- mische Lage dieser Klassen ist selbstverständlich eine ganz andere wie die der gewöhnlichen Handarbeiter.
Die vertragsmäßige Natur dieses Arbeitsverhältnisses hebt Thomas deutlich hervor; »pactum intervenit inter operantem et eum, cui operatur« 3). Es handelt sich näherhin um einen Tausch- vorgang zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer, in welchem ersterer dem letzteren zahlt, was seine Arbeit wert ist: . . . »commutatio proprie est, quando ex mutuis operibus fit aliquid alicui debitum, sicut ex hoc, quod unus laboravit in vinea alterius, alter constituitur sibi debitor in tanto, quantum valet labor eius, et in his dirigit commutativa iustitia« 4).
Die Arbeit erscheint also als etwas, was einen bestimmten Wert hat: wie für jede andere Ware wird für die Arbeit ein Preis gezahlt, und eben letzteres ist der Lohn: »Id enim merces dicitur, quod alicui recompensatur pro retributione operis vel laboris quasi quoddam pretium ipsius« 5). Und wenn im Tauschvertrage ein justum pretium gefordert wird, so gilt dasselbe vom Lohn- vertrage: es gibt auch einen gerechten Preis der Arbeit. So fährt Thomas an derselben Stelle fort: »Unde sicut reddere iustum pretium pro re accepta ab aliquo est actus iustitiae, ita etiam recompensare mercedem operis vel laboris est actus iustitiae«.
Näherhin hat der Arbeitsvertrag den Charakter eines Miet- vertrages, einer locatio et conductio. Das Wesen des Mietvertrages — es wird später darauf zurückzukommen sein, — besteht darin, daß der Eigentümer einer Sache unter Festhaltung des Eigentums an derselben einem anderen die Nutznießung überläßt. Es handelt
2) Vgl. Aristoteles, pol. i, 3 (§ 19). Ferner Thomas: S. c. g. III, 15; Quod. VII, 18; Sent III, 37, a. 5 q. 2, ad. 2. und sonst häufig. Siehe hierzu des Näheren Maurenbrecher, a. a. O. S. 36.
2) Ep. 153. (M. XXXIII, 663 f.).
3) Op. XIX, c. 7.
4) Sent III, 33, 3, a. 4.
6) I, II, 114, 1. c. Vgl. Hilgenreiner, a. a. O. S. 141 f.
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sich also um Dinge, die wie Häuser, Acker, usw. dauernder Nutzung fähig sind: Die Substanz des Hauses bleibt, abgesehen von etwaiger Abnutzung, bestehen; sie wird dem Vermieter zurückgegeben. Hiervon getrennt wird der Nutzen vertragsmäßig überlassen und ihm ein bestimmter Preis zugesprochen1).
Der Lohnvertrag hat nun, sagt Thomas, wohl im Anschluß an das römische Recht2) Ähnlichkeit mit einer locatio: Jemand überläßt einem andern gegen Entgelt die Nutzung seiner Arbeits- kraft. Ja, Arbeitskraft und vermietbare Dinge werden direkt miteinander verglichen: »sicut aliquis mercenarius locat operas suas, ita etiam aliqui locant domum vel quaecumque alia huiusmodi« 3).
In diesem Sinne spricht Thomas sowohl von den höheren Berufen, daß sie eine locatio ihrer Arbeitskraft vornehmen, als auch von den »mercenarii, qui operas suas locant«4).
Von seiten der Arbeitgeber entspricht der Vermietung die conductio: »Manifestum est autem, quod obsequium hominis ad ali- quam utilitatem ordinatur, quae potest pretio pecuniae aestimarit unde et pecuniaria mercede ministri conducuntur« 5).
Die Gerechtigkeit des Lohnes besteht wie beim Tausch in der Gleichheit von Leistung und Gegenleistung6).
Die Bestimmungen, die Thomas über die Höhe des Lohnes gibt, sind spärlich. Doch finden sich einige wichtige Prinzipien.
Der Begriff der Gleichheit der Wiedervergeltung im Arbeits- vertrage schließt zunächst ein, daß der Lohn, dem verchiedenen Wert der einzelnen Arbeiten entsprechend, verschieden bemessen sein muß: »Merces proportionatur merito, cum in retributione mer- cedis aequalitas iustitiae observetur« 7). Die leitende Arbeit ist dem- gemäß höher zu entlohnen als die ausführende, trotz der geringeren körperlichen Arbeit im ersteren Falle. So ist z. B. beim Bau eines Hauses dem Baumeister höherer Lohn zu zahlen, als den Hand- arbeitern, die sich nur mit dem Behauen der Steine und dem Anfertigen des Bauholzes befassen8).
1) Vgl. II, II, 78 a. 1. c.
2) Vgl. z. B. 1. 38. D. 19, 2: »Qui operas suas locavit, totius temporis mercedem accipere debet«.
3) I, II, 105, a. 2. ob. 6.
4) Vgl. z. B. De reg. princ. I, 10. Quod. VIII. a. 11. Vgl. oben S. 83, Anra. 4.
5) U, II, 100, a. 5. c.
8) Vgl. i. vor. III, 49, a. 6. c.
7) S. c. g. III, 149. Cf. I. ad. Cor. c. III. 1. 2. »maior labor maiorem mercedem meretur.«
8) Quodl. I, a. 14.
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Die absolute Höhe des Lohnes ergibt sich aus dem ganzen Zwecke der Arbeit. Soll letztere dem Erwerb des Lebensunter- haltes dienen, so ist damit schon gesagt, daß eben jener Lebens- unterhalt der gerechte Lohn der Arbeit sei. In diesem Sinne sagt Thomas: »ius naturale habet, quod homo vivat de labore suo. Dignus est enim operarius mercede sua. Hoc enim concessum est homini a creatore. In sudore etc. Gen. 3«1).
Lebensunterhalt und Lohn werden geradezu gleichgesetzt: Den Geistlichen wird Unterhalt geschuldet »quasi merces«2). Die Leistung der Arbeit gibt ein unbedingtes Recht auf Unterhalt : » . . . constat quod militi cuilibet et plantatori vineae et pastori gregis debetur victus ex suo opere propter hoc, quod in opere laborant«3).
Nun ist selbstverständlich der Lebensunterhalt nicht für alle Menschen gleich. Ein Arzt z. B. stellt höhere Ansprüche als ein Tagelöhner. Und so kommt in die Bestimmung des gerechten Lohnes wieder der Standesbegriff hinein : es erscheint also für jeden Beruf der Lohn als gerecht, der eine standesgemäße Lebenshal- tung sichert. Es kommt also auf die Stellung an, die dem Berufe im Rahmen der Gesellschaft zukommt. So erklärt Thomas z. B. das pretium der Tätigkeit des Arztes für gerechtfertigt: »dum ta- rnen moderate accipiant considerata conditione personarum et ne- gotiorum et laboris et consuetudine patriae«4). Von den anderen Bedingungen abgesehen, ist also vor allem die consuetudo patriae maßgebend. Fordern daher z. B. Advokaten mehr als ihnen zu- gebilligt ist, so bedeutet dies einen Verstoß gegen die Gerechtig- keit: »Si autem per improbitatem aliquid immoderate extorqueant, peccant contra iustitiam«5). Der Lebensunterhalt, den die Tage- löhner für ihre Arbeit bekommen, beschränkt sich nach der früher zitierten Stelle auf den täglichen Bedarf, den victus quotidianus. Freilich ist damit wenig Bestimmtes gesagt. Thomas lobt im Anschlüsse daran die Forderung des alten Testamentes, den Ar-
1) Quod. XII. a. 30.
2) Op. XIX. c. 7.
3) 1. c.
4) II, II, 71. a. 4. c.
5) 1. c. Ähnliche Äußerungen finden sich z. B. bei Hostiensis: De poenit. et remiss. 32 (1784b) oder bei Vincentius Bellov. Spec. doctrinale X, 88 (9451). Ersterer fügt noch hinzu, die Advokaten könnten auch durch Preisunterbietung sündigen: »quia ubi est copia advocatorum, ut aliis lucrum subtrahant, qui boni sunt, parvissimo salario sunt contenti tanqam viles et abiecti«.
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beitern den Lohn sogleich auszuzahlen: »Ideo lex provide ordinavit, ut statim eis merces solveretur, ne victus eis deficeret« 1).
Gerade die Behandlung des Lohnes der arbeitenden Klassen ist für unser Empfinden ziemlich dürftig. Dies hat wohl darin seinen Grund, daß ein Arbeiterstand in unserem Sinne in der damaligen Zeit höchstens in sehr geringem Umfange existierte und seine Lage im Rahmen der Gesellschaft nicht so war, daß ein zu erörterndes Problem sich ergeben hätte. Übrigens ist mit der Einbeziehung des Lohnes in den Ideenkreis der Lehre vom gerechten Preis ein sozial bedeutungsvolles Prinzip ausgesprochen, wie sich zeigen wird.
Die Stellung, die Thomas zur Sklaverei einnimmt, kann in diesem Zusammenhange nicht behandelt werden2).
Der Arbeit wird also ein bestimmter valor zugesprochen und ein iustum pretium derselben gefordert. Dieses nötigt uns, die Lehre vom Lohn im Rahmen der allgemeinen Wertlehre zu be- trachten. Der Wert der Waren bemißt sich, wie wir sahen, nach der Summe von Arbeit und Kosten, die zu ihrer Herstellung er- forderlich sind. Ebenso bemißt sich der Wert der Arbeit, die Höhe des Lohnes, nach objektiven Faktoren, dem Lebensunterhalt, also nach ihren Produktionskosten. Oben war ferner gezeigt worden, daß von der Befolgung des Wertgesetzes die Aufrecht- erhaltung der Arbeitsteilung im Organismus der Volkswirtschaft, sowie die Erreichung des standesgemäßen Einkommens für den Einzelnen erwartet wird. Von der Zahlung des gerechten Lohnes verspricht sich Thomas dasselbe. Es handelt sich also um einen speziellen Fall des allgemeinen Wertgesetzes, indem im Grunde nur dasselbe Prinzip aufgestellt wird, ohne dessen Befolgung die Existenz der arbeitenden Klassen nicht denkbar ist. So betrachtet, liegt im thomistischen Lohngesetz nichts anderes vor, als eine Weiterführung des paulinischen Gedankens, daß jeder Arbeiter seines Lohnes, d. h. seines Lebensunterhaltes, wert sei. Die Gesell- schaft muß dem, der für sie arbeitet, ein standesgemäßes Ein- kommen gewähren.
Die bedeutendste Quelle der thomistischen Lohnlehre ist damit schon namhaft gemacht worden. In der Stellung zu den liberalen Berufen wirken augustinische Ideen nach. Daß speziell auf die Bildung der Begriffe das römische Recht von weittragendem
*) Vgl. oben. S. 83 Anm. 4.
2) Vgl. hierzu außer Maurenbecher: Zeiller: L' idee de 1' etat dans St. Thomas d'Aquin. S. 44 ff.
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Einfluß gewesen ist, ist bereits bemerkt worden. Der Einfluß des Aristoteles zeigt sich in Forderung und Fassung der Wertgleichheit. Die thomistische Lohnlehre ist also aus den verschiedensten Faktoren zusammengesetzt, und das Maß dessen, was Thomas selbständig geleistet hat, ist verhältnismäßig gering. Immerhin gibt er noch mehr, als die spätere Scholastik über den gerechten Lohn lehrt, die dieser Frage kaum Beachtung schenkt.
§ 8. Gerechter Preis und Zins.
In der Entwicklung der Wucherlehre bedeutet Thomas einen gewissen Abschnitt; die Ideen der vorausgegangenen Epoche wer- den von ihm zusammengefaßt und in ihrer speziell thomistischen Form haben sie dem Denken der Folgezeit ihren Stempel aufge- prägt1). Ein kurzer Hinweis auf die Quellen und die Entwick- lung der christlichen Wucherlehre überhaupt ist deshalb un- umgänglich.
Von entscheidender Bedeutung sind die Wucherbestimmungen des alten Testaments gewesen2). Die älteste Form des Zinsverbotes findet sich Ex. 22, 25: »Si pecuniam mutuam dederis populo meo pauperi, qui habitat tecum, non urgebis eum quasi exactor nee usuris opprimes«. Später tritt es in schärferer Fassung auf, indem es nicht nur auf Darlehen an Arme bezogen, sondern auf das Dar- lehen überhaupt ausgedehnt, und zum Darlehnsverkehr mit frem- den Stämmen Stellung genommen wird. Dies geschieht Deut. 23, igf. : »Non foenerabis fratri tuo ad usuram pecuniam, nee fruges nee quamlibet aliam rem, sed alieno. Fratri autem tuo absque usura id, quo indiget, commodabis«. Bemerkenswert ist hier vor allem die Erlaubnis, von Fremden Zins zu nehmen, was von der alt- christlichen Zeit bis in unsere Tage hinein zu den verschiedensten
*) Vgl. Endemann, Studien I, S. l6f.
2) Das Folgende nach Hejcl: Das alttestemantliche Zins verbot im Lichte der ethnologischen Jurisprudenz, sowie des altorientalischen Zinswesens. (Bibl. Studien, herausg. von Bardenhewer XII. 4) 1907. Die Zitierung des A. T. nach der Vulgata dürfte in diesem Zusammenhange gerechtfertigt sein. Vgl. F. Schneider: Das kirch- liche Zins verbot und die Kuriale Praxis im 13. Jahrh. Festsch. für H. Finke 1904, S. 129 — 167. Über die Stellung des A. T. vergleiche ferner die betreffenden Artikel in Herzogs Realencyclopädie f. prot. Theol. und in Wetzer und Weite's Kirchen- lexikon. Eine kritische Besprechung der neueren Literatur über das Zinsverbot gibt Wuttke, Festgabe für Schmoller.
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Erklärungsversuchen Anlaß gegeben hat1). Eine weitere Ent- wicklung ist Lev. 25, 35 — 362) festzustellen, indem hier nicht nur das Zinsverbot wiederholt wird, sondern, wie Hejcl wahrscheinlich gemacht hat3), auch eine bestimmte Umgehungsform desselben, die Konventionalstrafe bei Zahlungsverzug, als unerlaubt bezeichnet wird. In den späteren alttestamentlichen Schriften wird der Ge- danke der Sündhaftigkeit des Zinsnehmens oft hervorgehoben4).
Aus dem neuen Testamente5) wurden, abgesehen von dem Gedanken, daß das neue Testament keine Aufhebung, sondern eine Erfüllung des Alten sei, womit es nahegelegt war, die alt- testamentliche Vorschrift, die in der Liebe der Stammesbrüder untereinander ihre Quelle hatte, im neuen Testamente in erhöhter Geltung zu lassen6), vor allem zwei Stellen für die Begründung der Wucherlehre wichtig: Math. 5.42, wo lediglich von der Bereit- willigkeit, ein Darlehen zu geben, gesprochen wird7), und sodann die bekannte Stelle Luc. 6. 35: »Mutuum date nihil inde sperantes«. Doch werden die letzteren Worte in späterer Zeit nicht einheitlich erklärt, wie sich im folgenden ergeben wird.
Die kirchliche Praxis der ersten Jahrhunderte8) stand einer gewissen Schwierigkeit gegenüber: nach dem weltlichen Rechte war das Zinsnehmen gestattet und ohne Zweifel hatten sich weite Kreise damit als einer zu Recht bestehenden Institution abgefunden. Die Kirche trug diesen Verhältnissen Rechnung indem sie nur den Geistlichen schlechthin das Zinsnehmen verbot und mit bald schär- feren, bald milderen Strafen belegte. Dagegen wird das Zins- nehmen der Laien im allgemeinen — von einigen wenigen Synodal- beschlüssen abgesehen — nicht unter Strafe gestellt, wenn es auch sonst oft getadelt wird.
Die Kirchenväter9) sind sich in der Verwerfung des Zinses
') Hejcl, a. a. O. S. 74. Siehe desselben Erklärung unter Zuhilfenahme ethnolo- gischer Gesichtspunkte 75 ff.
2) »Si attenuatus fuerit f rater tuus et infirmus manu, et susceperis eum quasi advenam et peregrinum et vixerit tecum: ne accipias usuras ab eo, nee amplius quam dedisti«.
3) a. a. O. S. 77 ff. S. 92.
4) z. B. Ps. 15. 5; Ez 18. 8; vgl. Hejcl, a. a. O. S. 90; 92.
6) Vgl. Schneider, a. a. O. S. 134. •) Vgl. Math. V, 17.
7) »Qui petit a te, da ei et volenti mutuari a te, ne avertaris«.
8) Funk: Gesch. d. kirchl. Zinsverb. S. 7 f f .
9) Vgl. Funk, a. a. O. S. 2 ff. Ferner Seipel, a. a. O. S. 162 ff, sowie die oben angeführten Schriften von Schilling, Sommerlad. Ferner Ratzinger: Die Volkswirtschaft in ihren sittlichen Grundlagen. Wichtig auch Schaub: Der Kampf gegen den ungerechten Preis usw.
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einig. Bei aller Verschiedenheit im einzelnen, sind die vor- gebrachten Gründe doch im allgemeinen dieselben. An erster Stelle steht der Hinweis auf das alte Testament: die in Betracht kommenden Stellen, die in fast allen Schriften wiederkehren, sind bereits oben angeführt. Dagegen wird das neue Testament nirgends zur direkten Begründung des Zinsverbotes angeführt; speziell die erwähnte Lucasstelle wird regelmäßig in dem Sinne erklärt, daß dort nicht der Verzicht auf das Zinsnehmen gefordert, sondern von unentgeltlichem Darleihen ohne Hoffnung auf Rückzahlung des Kapitals gesprochen werde.
Schon Tertullian, der jede foeneris redundantia als Wucher bezeichnet, verwendet das neue Testament in diesem Sinne: »Prius igitur fuit, ut fructum foeneris eradicaret, quo facilius assuefaceret hominem ipsi quoque foenori, si forte, perdendo, cuius fructum didicisset amittere. Hanc enim dicimus operam Legis fuisse procu- rantis Evangelio« 1). Und ähnlich deutet Ambrosius, für den Wucher ist: »quodcumque sorti accedit«, in seinem Buche de Tobia, das wohl die ausführlichste Behandlung der Wucherfrage in der patristischen Literatur enthält, die Lucasstelle dahin: »Date mutuum iis, a quibus non speratis vos, quod datum fuerit, recepturos« 2). Das neue Testament erscheint ihm als die Vollendung des Alten; in diesem Sinne benutzt er Math. 5, 17 zur Begründung des Zins- verbotes: »audistis foeneratores, quid Lex dicat, de qua dixit dominus: non veni Legem solvere, sed adimplere« 3). In derselben Weise bedient sich Hieronymus der neutestamentlichen Schriften, um den Wucher, die omnis rei superabundantia, als unerlaubt hinzustellen4).
Daneben finden sich gelegentliche Hinweise auf die gleiche Überzeugung des heidnischen Altertums. So zitiert Ambrosius die bei Cicero (De off. I, II) angeführten Worte Catos »quid est foenerare? Hominem inquit occidere«5).
Am wichtigsten sind aber für die Ablehung des Zinses soziale Erwägungen, die das Bild der trostlosen wirtschaftlichen Zustände des ausgehenden Römerreiches wiederspiegeln und nur aus letzteren verstanden werden können. So betont Lactantius die im Zins-
*) Adv. Marc. IV, c. 17 (M. II, 398 f.).
2) De Tob. c. 16 (M. XIV, 780). Die Begriffsbestimmung des Wuchers findet sich c. 14. (778); auch: C. 14. q. 3. c. 3.
3) 1. c. (M. XIV, 777.) Vgl. hierzu, sowie zum folgenden Schilling Reicht, u. Eigent. S. 137 ff.
4) Super. Ez. VI, c. 18. (XXV, 176). cf. C. 14. q. 3 c. 2.
5) De Tob. c. 14 (M. XIV. 777).
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nehmen liegende Unmenschlichkeit; »Quod qui facit, insidiatur quodammodo, ut ex alterius necessitate praedatur«. Und ähnlich läßt sich Ambrosius an verschiedenen Stellen aus1). Dieser Vor- wurf der Ausbeutung wird auch ausgedehnt auf das sogenannte Produktivdarlehen, wie es vor allem im Handel vorkommt: Entweder geschehe dem Kaufmann Unrecht, oder letzterer werde zu Betrü- gereien veranlaßt, indem er ungerechte Preise fordere: »Inde ille fraudem facit in mercium pretio, unde tibi solvit usuram«2). Und Basilius hält den wenigen, die aus einem Darlehen Vorteil ziehen, die große Menge jener entgegen, die es zu wirtschaftlichem Ruin führe. Der Reiche bedarf eines Darlehens nicht, der Arme soll arbeiten und kein Darlehen aufnehmen3). Augustinus tadelt aus demselben Geiste heraus, das weltliche Gesetz, das das Zins- nehmen, die Ars nequitiae4), gestattet: »quid dicam de usuris, quas etiam leges et judices reddi jubent? An cruclelior est, qui subtrahit aliquid vel eripit diviti, quam qui trucidat pauperem foenere. Haec atque huiusmodi male utique possidentur, et vellem restituerentur, sed non est, quo judice repetantur« 5).
Den sozialen Erwägungen tritt der Hinweis auf die Un- fruchtbarkeit des Geldes zur Seite. Schon Basilius bedient sich dieses Argumentes6), indem er die Entstehung des Zinses mit dem Gebären der Tiere vergleicht. Und schärfer noch wird es von Gregor von Nyssa betont: Das Zinsnehmen, heißt es bei letzterem, ist wider die Natur, jiagd cpvoiv; der Zins wird genommen von un- fruchtbaren Stoffen: tüv äyovcov vl&v1). Thomas zitiert in seiner Catena in lateinischer Übersetzung dieselbe Stelle: »Debet autem homo vitare damnosam sollicitudinem, ne quaerat ab inope divi- tiarum augmenta, aeris et auri, metallorum sterilium, exigens fruc- tum«8). Im Op. im per f. in Math, werden Pachtzins und Mietzins
!) Inst. VI, 18 (M. 6, 699) Schilling, a. a. O. S. 77. Sommerlad, a. a. O. S. 114. Ferner de Tob. c. 3 ff. (M. XIV, 763 ff.).
2) 1. c. 14. (M. XIV, 778). Daß mit der Auffassung also, die Kirchen- väter hätten nur das Konsumtivdarlehen im Auge, ihre Stellungnahme nicht erschöpft ist, bemerkt mit Recht Ratzinger, a. a. O. S. 120 f. Daselbst eingehendere Nachweise.
3) Hom. In ps. 14 (M. 29, 272 f.) Schilling, a. a. O. S. 91 f. Zitiert wird dieselbe Stelle von Thomas Cat. aur. sec. Luc. VI, h.
4) En. i. ps. 128, 6. (M. 37, 1692).
5) Ep. 153, 6. 25 (M. 33, 665). Die Stelle findet sich C. 14. q. 4 c. 11.
8j Hom. In ps. 14 (M. XXIX, 273 ff.) vgl. Schilling, Reicht, u. Eigent. S. 91 f.
7) Contra usur. (M. S. G. XXXXVI, 441).
8) Sec. Luc. Vi, h.
der Geldleihe gegenübergestellt und drei Verschiedenheiten hervor- gehoben. Das Geld werde nur als Tauschmittel gebraucht, eine eigentliche Nutzung desselben fände nicht statt; »pecunia non ad aliquem usum disposita est nisi ad emendum« beim Verkauf des Nutzens eines Ackers werde Gewinn gegen Gewinn getauscht: »ex pecunia reposita nullum usum capis«. Endlich wird darauf hingewiesen, daß bei verpachteten Gegenständen Amortisation statt- fände, beim Gelde dagegen nicht1). Das Op. imperf. wurde im Mittelalter dem Chrysostomus zugeschrieben und die zitierte Stelle gegen Ende des 12. Jahrhunderts als Palea in das Decretum Grati- ani eingeschoben2).
Die zuletzt angeführten Argumente berühren sich etwas mit dem von Aristoteles Pol. 1, 3 (§ 23) über das Zinsgeschäft Ge- sagten. Das verzinsliche Darlehen ist ihm verhaßt: »weil dieses unmittelbar aus dem Gelde selber den Erwerb zieht und nicht aus dem, wofür das Geld doch allein erfunden ist. Denn nur zur Erleichterung des Tausches kam es auf, der Zins aber vermehrt es an sich selber, und daher denn auch der griechische Name »Zins« so viel als Junges bedeutet, denn das Junge pflegt seinem Erzeuger ähnlich zu sein, und so ist der Zins wieder Geld vom Gelde und diese Art von Erwerbskunst ist demnach die wieder- natürlichste von allen«3). Vielleicht sind die Kirchenväter unmittel- bar von Aristoteles beeinflußt, vielleicht waren auch die genannten Ideen, möglicherweise unter Einwirkung der Aristotelischen Politik mehr oder minder allgemeine Anschauungen der damaligen Zeit4).
Überblickt man die Gesamtheit der patristischen Lehren, so wird man mit Ratzinger die Bekämpfung der Ausbeutung der Not des Nächsten, sowie die Ablehnung des rein lukrativen, arbeitslosen Erwerbs als ihre Haupteigentümlichkeiten bezeichnen können5). Sie stellen die Reaktion gegen ein relativ hochentwickeltes Wirt-, schaftsieben dar.
Nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches haben wir im Abendlande eine Rückehr zu naturalwirtschaftlichen Zu- ständen. Geldvorrat und Geldverkehr sind auf ein Minimum
x) Hom. 38 (M. 46, 840). Zitiert ist nach dem etwas abweichenden Dec. Grat.
2) Die Stelle steht c. n D. 88, § 3, 4. Vgl. Schaub, a. a. O. S. 139, Anm. 2. ferner Schilling, Erwerb und Eigentum. S. 229L
3) Pol. I, 3. Übersetzung von Susemihl.
4) Die Begründung des Zinsverbotes, die das Op. imperf. gibt, steht mit ihrer Gegenüberstellung von Geld und vermietbaren Dingen immerhin in der alten Literatur einzig dar.
5) a. a. O. S. 223 f.
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beschränkt1). Praktische Bekämpfung und theoretische Erörterung des Wuchers treten demgemäß zurück. So bleibt es bis in das 12. Jahrhundert, von einer kurzen Unterbrechung zur Zeit Karls des Großen, abgesehen, mag dieselbe nun in den spezifischen wirt- schaftlichen Verhältnissen des Karolingischen Reiches ihren Grund haben oder eine durch konkrete Bedürfnisse nicht motivierte Er- scheinung sein und nur als Glied der allgemeinen Renaissance des Altertums am Hofe Karls verständlich werden2).
Seit Beginn des \z. Jahrhunderts ändern sich die wirtschaft- lichen Verhältnisse. Geld und Darlehn s verkehr nehmen zu. Damit wird das Wucherproblem von neuem aufgeworfen. Die kirchliche Gesetzgebung verbot den Wucher wieder, indem sie die alten Bestimmungen erneuerte3). Es war natürlich, daß man auch in der Begründung des Zinsverbotes auf das christliche Altertum zurückgriff.
Waren freilich die Kirchenväter mehr darauf ausgegangen den Zins, der eine das Wirtschaftsleben beherrschende Erscheinung bildete, praktisch zu bekämpfen, was ein Hervortreten sozialer und moralisierender, dagegen ein Zurücktreten rationaler Momente für die Begründung des Zinsverbotes mit sich brachte, so ist der Scholastik, für die der Zins etwas Fremdes, im Gegensatz zum bisherigen Wirtschaftsleben neu Aufkommendes ist, eine syste- matisch-theoretische Durchdringung des Zinsproblems die Haupt- sache, ihrem allgemeinen Ziele, eine rationale Ausgestaltung und allseitige Begründung der überkommenen christlichen Lehre zu liefern, entsprechend. Die Weiterbildung der Keime einer ratio- nalen Begründung des Zinsverbotes, die von der Patristik hinterlassen waren, ist die Hauptaufgabe der scholastischen Wucherlehre, die daher der Verschiedenheit der Aufgabe entsprechend ein anderes Gepräge zeigt als die patristische trotz innerer wesentlicher Über- einstimmung.
Es wurde schon erwähnt, daß um diese Zeit die zitierte Stelle aus dem Op. imperf. in das Gratianische Dekret eingeschoben wurde. Dieselbe wurde die Grundlage der theoretischen Recht- fertigung des Zinsverbotes. Zugleich vollziehen sich andere wich- tige Wandlungen im Geistesleben: das tiefere Studium des römischen
J) Schneider, Das kirchliche Zinsverbot S. 138 ff. ; weitere Literatur ebenda.
2) Die erstere Ansicht vertreten von Schaub, a. a. O. S. 33 ff-, gegen Schneider, a. a. O. S. I39f.; vgl. hierzu Schneider, Neue Theorien über das kirchliche Zinsverbot. Vierteljahrsschr. f. soz. und Wirtschaftsgesch. 1907.
3) Funk, Gesch. S. 1 7 ff. Vor allem Lessei, a. a. O. S. 9 ff.
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Rechts, sowie später das Bekanntwerden des Aristoteles. Beide Faktoren werden für die Ausbildung der scholastischen Wucher- lehre gleich bedeutungsvoll. Die theoretische Begründung des Wucherverbots erhält damit eine breitere Basis: die verschiedenen Beweise aus der Gegenüberstellung der vermietbaren und unver- mietbaren Gegenstände und der bei letzteren erfolgten Eigentums- übertragung, sowie aus der Unfruchtbarkeit des Geldes, dem Verkauf der Zeit kommen allmählich auf1). Raimund von Pennaforte, Wilhelm v. Auxerre, Alexander Halensis, Vincenz v. Beauvais sind die wichtigsten Namen dieser Epoche. Die Stellung der einzelnen Autoren zum Zins zu verfolgen, gehört nicht zu den Aufgaben dieser Arbeit; ebensowenig ist hier die Geschichte der kirchlichen Gesetzgebung zu behandeln. Thomas bedeutet einen gewissen Abschluß der Entwicklung. Auf seine unmittelbaren Vorgänger wird nur soweit zurückzugreifen sein, als dies zum besseren Ver- ständnis und zur schärferen Heraushebung seiner Gedanken nötig ist. Vor allem werden wir Albertus Magnus im folgenden häufiger zum Vergleiche heranziehen. Hier dürfte soviel genügen, daß Thomas weniger schöpferisch, als vielmehr ordnend, systemati- sierend und ausbauend tätig gewesen ist. Wir wenden uns nun- mehr ihm zu2).
i. Die autoritäre Begründung des Zinsverbotes bei Thomas v. Aquin.
Der Darlehnsverkehr hat nach Thomas zinslos zu sein, d. h. der Entleiher darf nur den Wert seines Kapitals zurückfordern, nicht mehr3). DieBegründung des Zinsverbotes ist zunächst autoritärer Natur.
*) Lessei, a. a. O. S. 13 ff.
2) Für die thomistische Wucherlehre kommen vor allem in Betracht: Funk, a. a. O. S. 35; Lessei, a. a. O. S. 33 ff. Sowie die zitierten Schriften von Schaub und Walter über die Eigentumslehre des Thomas v. A. ; ferner Baumann: Die Staatslehre des hl. Thomas v. Aquin. S. 196 ff.
3) Eine formelle Definition des Zinses (usura) gibt Thomas nicht (vgl. L es sei, a. a. O. S. 34), schließt sich aber materiell an seine Vorgänger an, die ihrerseits in allen wesentlichen Punkten übereinstimmen. So heißt es c. 3. C. 14 q. 3 mit Berufung auf Ambosius: »Quodcumque sorti accedit, usura est«. Die Scholastiker schließen sich meistens hieran an. (Vgl. Lessei, a. a. O. S. 10 f.) Am klarsten und der späteren thomistischen Anschauung am nächsten kommend, sieht Heinrich v. Segusio, Hostiensis, als usura an: »quodcumque solutioni rei mutuatae accedit ipsius rei usus gratia« (Aurea Summa 1. V. De usuris. n. 1. [i6i2f.]). Danach ist das Zins- verbot auf das Darlehen beschränkt und die usura der Preis für die Nutzung des dar- geliehenen Gegenstandes. Hiermit stimmt Thomas völlig überein, wenn er als Ver- gütung im Darlehen tadelt: »pretium usus, quod usura dicitur«, oder wenn er ebenda
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Und zwar stützt sich Thomas vor allem auf das alte Testament1). Im Mittelpunkt seiner Erörterungen steht die schon erwähnte Stelle Deut. 23, 19, nach der den Juden das Zinsnehmen von den Stammesangehörigeu verboten, dagegen den Fremden gegenüber erlaubt ist. Diese Stelle dient direkt zur Begründung des absolu- ten für alle geltenden Zinsverbote. Wenn den Juden verboten war, von den Brüdern Zins zu nehmen, so hat dasselbe Gebot im neuen Testament allgemeine Geltung: »debemus enim omnem hominem habere quasi proximum et fratrem praecipue in statu Evangelii, ad quod omnes vocantur«. Das Nichtgelten des Zinsverbotes Fremden gegenüber erscheint als eine Unvollkommenheit des alten Testamentes, die zur Verhütung größerer Übel, nämlich des Zins- nehmens von den eigenen Stammesangehörigen, den Juden gestattet war »non quasi licitum, sed quasi permissum«2). Es wird so in eine Linie gestellt mit dem libellus repudii. Oder es wird eine andere Deutung versucht: unter den Fremden seien die Völker zu verstehen, die das den Juden nach göttlichem Rechte zustehende gelobte Land widerrechtlich noch im Besitz gehabt hätten. Die Erlaubnis des Zinsnehmens habe den Zweck gehabt, die Juden in den Besitz des ihnen rechtlich Zustehenden zu bringen. Albertus Magnus hatte freilich diesen schon älteren Erklärungsversuch in seinem Sentenzenkommentar zurückgewiesen3). Ferner weist Thomas, wie schon Hieronymus getan4), daraufhin, daß das Zins- verbot im alten Testament eine Entwicklung im Sinne absoluterer Geltung erfahren habe: an den Stellen Ps. 15, 5; Ez. 18 usw. werde das Zinsnehmen schlechthin verboten: »Sed postmodum per pro- phetas admoniti sunt, ut totaliter ab usuris abstinerent»5). So verwendet Thomas in Übereinstimmung mit der kirchlichen Tra-
sagt: »secundum se illicitum est, pro usu pecuniae mutuatae accipere pretium, quod dicitur usura« (II, II, 78 a. i. c). Das Nähere wird sich im Laufe der Darstellung selbst ergeben.
x) S. th. II, II q. 78 a. I. Ob. 2; ad 2. Sent. III, 37, q. I. a. 6. ob. I; ad I. De malo XIII, 4 ob. I ; ad I.
2) 1. c. cf. de. Malo 1. c.
3) Sent. III, 37 a. 13: Albertus Magnus bringt zunächst den von uns bei Thomas an erster Stelle angeführten Gesichtspunkt, dann den, daß die Juden den Kananäern gegenüber ein Anrecht auf das gelobte Land gehabt hätten und daß ihnen deshalb das Zinsnehmen gestattet wäre, sagt aber zu letzterem: ». . . tarnen, quia malum exemplum esset, reputo primam solutionem meliorem«.
4) In ez. VI, 18, vgl. S. 90, Anm. 4.
5) De mal. XIII, 4 ad. i; cf. II, II 78 a. 1 ad. 2.
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dition das alte Testament für die autoritäre Begründung des Zins- verbotes1).
Hinsichtlich der Stellung, die Thomas zum neuen Testamente einnimmt2), ist vor allem bemerkenswert, daß er die bekannte Lucas- stelle nicht ohne weiteres zur Begründung des Zinsverbotes ver- wendet, wenn er auch selbst darauf hinweist, daß es sonst vielfach geschehe: »in quo prohibetur usura, ut multi exponunt«3). Er findet vielmehr in den Worten: »Mutuum date nihil inde sperantes« eine gewisse Schwierigkeit, die sie nicht ohne weiteres zur Begrün- dung des Zinsverbotes geeignet erscheinen lassen.
Dem Zusammenhange nach, in dem die Worte Lucas 6, 35 stehen, so wendet Thomas selbst ein, scheinen sie mehr ein con- silium, denn eine strenge, alle verpflichtende Vorschrift zu enthalten. Die Nichtbefolgung eines Rates aber sei an sich noch nicht sünd- haft; also könne man ohne gegen das neue Testament zu verstoßen, wenn man ihm auch nicht ganz nachkomme, Zinsen nehmen4). Von den verschiedenen Lösungen dieses Einwandes, die Thomas anführt, übergehen wir die ersten, die noch eine direkte Beziehung der Lucasstelle auf den Zins bestehen lassen und betrachten nur die von Thomas angeregte dritte andere Möglichkeit. Die Stelle bei Lucas könne dahin aufgefaßt werden, daß dort überhaupt nicht von der Hoffnung auf Wucherzins gesprochen werde. Der Sinn der Worte sei vielmehr der: der Darleiher solle für die gute Tat, die er verrichte, nicht irdischen Lohn von seiten der Menschen erwarten, sondern seine Hoffnung einzig auf Gott setzen5). Hier- mit würde aber eine direkte Bezugnahme der Lucasstelle auf den Zins wegfallen, wenn auch das Wucherverbot sich indirekt aus
*) Ambrosius (de Tob. 15. M. 14, 779) (vgl: c. 12. C. 14. q. 4) erklärt die Erlaubnis vom Fremden Zins zu nehmen dahin: »Cui merito nocere desideras, cui jure inferuntur arma, huic legitime indicantur usurae ... ab hoc usuram exige, quem non sit crimen occidere, . . . ergo ubi jus belli, ibi etiam jus usurae. Frater autem tuus omnis, fidei primum, deinde romani juris et populus«. Thomas nimmt hierzu nicht Stellung. Albertus (sent III, 37 a. 13 ad. 3) erklärt, in zweifellos unrichtiger Weise: »Ambrosius loquitur per ypothesim impossibilis, quia impossibile est, quod alicui nocere possumus desiderare: ergo impossibile est, quod ab aliquo accipiamus usuras«.
2) II, II 78 a. 1 ob. 1; 4; ad. 1; 4 de Malo XIII, 4 ob. 3; ad. 3. Sent. III, 37 q- 1 a. 6.
3) De Malo 1. c. *) II, II 78 1. c.
5j De Mal. 1. c. : »Vel potest dici, quod non loquitur ibi de spe usurarii lucri, sed de spe, quae ponitur in homine; non enim debemus bona nostra facere sperantes ab homine retributionem, sed solo a Deo«. cf. II, II 78 1. c.
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dem Geist der Stelle vielleicht noch ableiten ließe1). Im Sentenzen- kommentar, seinem Jugendwerk, verwendet Thomas noch schlecht- hin die Lucasstelle als autoritäre Begründung des Zinsverbotes2) in Übereinstimmung mit der früheren Scholastik, wie z. B. auch Albertus in seinem Kommentar zu Petrus Lombardus auf Lucas 6, 35 Bezug nimmt3). In seinen späteren Werken jedoch sucht Thomas das Zinsverbot nicht mehr unmittelbar aus dem neuen Testamente zu belegen, läßt letzteres vielmehr ersichtlich zurück- treten infolge exegetischer Schwierigkeiten, die er nicht ganz zu lösen vermag. Vielleicht haben wir hier eine Entwicklung in den thomistischen Anschauungen festzustellen.
Auf die Kirchenväter beruft Thomas sich oft. Gregor von Nyssa, Basilius, Hieronymus, Ambrosius, Augustinus werden an verschiedenen Stellen seiner Werke zitiert4). Daß sie auf Thomas nicht nur durch die Tatsache der Ablehnung, sondern auch durch die Art der Begründung des Zinsverbotes tiefgehenden Einfluß gehabt haben, wird im folgenden zu zeigen sein.
Ebenso wird die Bedeutung, die Aristoteles für die Ausbil- dung der thomistischen Wucherlehre gehabt hat, sich aus der späteren Darstellung ergeben. Dazu war Thomas selbstverständlich die kirchliche Gesetzgebung bekannt, auf die er überdies gelegent- lich hinweist5). Vom römischen Rechte zunächst abgesehen, stimm- ten Vergangenheit und Gegenwart, wie Thomas sie kannte, im Verbot des Zinsnehmens überein.
x) Zur Erklärung der immerhin etwas unklaren Stelle kann vielleicht Alex. Hai. herangezogen werden. Dieser hält es für erlaubt, daß der Gläubiger sich ausbedingt, daß der Schuldner ihn umgekehrten Falles gleichfalls mit einem unverzinslichen Dar- lehen unterstütze, fügt aber hinzu: »tarnen si hac inten tione tradit sibi mutuum non est meritorium, quia non ponit Deum finem. Ideo dicit Dominus: Date mutuum nihil inde sperantes: scilicet ab nomine, sed a Deo retributionem« (III, q. 36 m. 1. ad. 4). im Hinblick auf diese Stelle, die Thomas vielleicht vorgeschwebt hat, wäre dann der Sinn der thomistischen Erwiderung folgender: Die Lucasstelle bezieht sich nicht auf das Zinsverbot, sie enthält nur den Rat, bei Gewährung eines Darlehens auch von solchen Motiven abzusehen, die noch nicht der Gerechtigkeit widersprechen, vielleicht von der Hoffnung auf irgendeine Dankbarkeit von Seiten des Schuldners. — Die Aus- bedingung der remutuatio lehnt Thomas als sündhaft ab. — Das Darlehen wäre von der Lucasstelle dann als Akt des Wohltuns aufgefaßt; daß das Zinsnehmen direk sündhaft sei, würde sich dann wohl nicht mehr ganz stringent daraus folgern lassen.
2) 1. c.
3) Sent. III, 37 a. 13.
4) Vgl. vor allem Cat. aur. sec. lue. 6, h. Teilweise ist schon früher darauf hingewiesen worden.
5) cf. II, II 78 a. 3 ob. 2.
Beiträge zur Geschichte der Nationalökonomie. Heft I. 7
Schreiber, Die yolkswirtsch. Anschauungen d. Scholastik.
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Die vorstehendenden Erörterungen haben an sich gewiß wenig mit dem speziellen Gesichtspunkt des gerechten Preises zu tun, unter dem hier die thomistische Wucherlehre zu betrachten ist. Sie waren aber doch nötig, weil der Hinweis auf die Tradition, unter deren Einfluß Thomas steht, zum vollen Verständnis unum- gänglich ist: die Tradition war für ihn und die spätere Scholastik maßgebend. Ihr Einfluß konnte leicht auch dann noch nachwirken, wenn die Betrachtung der wirtschaftlichen Verhältnisse in mancher Hinsicht eine andere Stellung nahelegte.
Für Thomas selbst steht allerdings unmittelbar die rationelle Begründung des Zinsverbotes im Vordergrunde: das Zinsnehmen ist unerlaubt, weil es der Natur des Darlehens widerstreitet und vor der Einsicht der menschlichen Vernunft nicht standhalten kann. Eben deshalb wird es auch allseitig verurteilt und bekämpft1). Thomas konnte an den relativ einheitlichen Gedankenkomplex an- knüpfen, den die früheren scholastischen Philosophen bei ihrem Bestreben, das Wucherverbot vor der Vernunft zu rechtfertigen, bereits geschaffen hatten.
2. Die rationale Begründung des Zinsverbotes.
a) Allgemeines. Beim Mutuum handelt es sich dem Kerne nach um eine commutatio, die auf Grund eines Vertrages der zwischen zwei Personen, dem debitor und dem creditor geschlossen wird, vor sich geht. Dieser Tatsache entsprechend, daß es sich um einen Tauschvertrag im weiteren Sinne handelt, sind dieselben Grundsätze der Gerechtigkeit in Anwendung zu bringen, wie für den Tausch schlechthin. Es muß also gefunden werden, was nach dem Prinzip der iustitia commutativa jedem zusteht, d. h. mit anderen Worten, es muß das justum pretium für den im Darlehen vorsich- gehenden Tausch bestimmt werden2).
Wird nun aber der wirtschaftliche Vorgang, der sich im Dar- lehen vollzieht, daraufhin untersucht, was in ihm der Darleiher leistet, und dementsprechend als Gegenleistung rechtlich fordern kann, so ergibt sich folgendes: die Leistung des Gläubigers bemißt sich ausschließlich nach der Höhe der von ihm dargeliehenen Summe. Und wenn die Gerechtigkeit Gleichheit von Leistung und Gegen- leistung verlangt, so hat er nur ein Recht auf den gleichen Betrag,
nicht mehr. So sagt Thomas vom Gläubiger: » recompen-
sationem potest accipere eius, quod fecit, sed non amplius debet
x) De Mal. q. XIII a. 4 c.
2) 1. c. vgl. ferner die späteren Darlegungen.
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exigere. Recompensatur autem ei secundum aequalitatem justitiae, si tantum ei reddatur, quantum mutuavit«1). Ein darüber hinaus- gehender Zins, er bestehe in Geld oder Geldeswert, widerspricht der Gerechtigkeit, sobald der Darleiher ihn vertragsmäßig fordert2). Das Darlehen kann in Geld oder in Dingen, die demselben in bestimmter später zu behandelnder Weise gleichstehen, gewährt sein. Doch erörtert Thomas in erster Linie das Gelddarlehen.
b) Die Funktion des Geldes. Eine bestimmte Vorstellung vom Wesen des Geldes bildet den Ausgangspunkt der thomistischen Wucherlehre: wie früher dargestellt, unterscheidet Thomas zwei Arten von wirtschaftlichen Gütern, wenn dieselben in ihrer Bedeu- tung für die menschliche Bedürfnisbefriedigung betrachtet werden: Verbrauchs- und Nutzungsgüter; letzteres sind solche, die wie ein Haus oder ein Acker einen dauernden Nutzen abwerfen, erstere dagegen werden in den einzelnen Akten der Bedürfnisbefriedigung verbraucht. Wenn ich z. B. Wein konsumiere, so ist damit eine Zerstörung der Substanz des Weines verbunden. Der Wein bildet also keine dauernde Nutzquelle3).
Zu den Dingen, »quarum usus est ipsarum consumptio«, ge- hört nun auch das Geld, freilich in besonderer Weise: andere Güter nämlich sind in sich nützlich, insofern sie unmittelbar der mensch- lichen Bedürfnisbefriedigung dienen. Dies ist beim Gelde nicht der Fall: es stillt nicht unmittelbar ein menschliches Bedürfnis, sondern mißt den Nutzen anderer Güter, es ist eine »mensura utilitatis aliarum rerum«. Diese Eigenschaft Maß zu sein, liegt aber nicht im Gelde selbst — etwas kann nicht aus sich selbst Maß sein — , sondern sie setzt andere Güter voraus, die durch das Geld gemessen werden. Indem jemand da ist, der andere Güter in Beziehung zum Gelde setzt, sie gegen Geld tauscht, erhält letzteres seinen Charakter als Maß. An sich ist es nutzlos: daß das Geld in sich
*) II, II 78 a. 1 ad. 5.
2) 1. c. a. 2 c. : »Omne illud pro pecunia habetur, cuius pretium potest pecu- nia mensurari: et ideo sicut si aliquis pro pecunia mutuata vel quacumque alia re, quae ipso usu consumitur, pecuniam accipit ex pacto tacito vel expresso, peccat contra justitiam, ut dictum est; ita etiam quicumque ex pacto tacito vel expresso quodcumque aliud acceperit, cuius pretium pecunia mensurari potest, simile peccatum incurrit«. Der Überschußbegriff ist bei Thomas, wie Lessei, a. a. O. S. 35, 64 hervorhebt, schärfer formuliert als bei seinen Vorgängern dank der Verwendung der aristotelischen Begriffs- bestimmung des Geldes, die, wie Thomas selbst angibt, der Nik. Eth. (IV, c. 1) ent- nommen ist. Übrigens braucht auch das römische Recht das Wort pecunia im Sinne von Vermögensobjekt überhaupt. Vgl. Oertmann, a. a. O. S. 88 ff.
3) S. o. S. 54.
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wieder aus nutzbaren Stoffen, wie Gold und Silber, besteht, was den Grund der Möglichkeit der Funktion des Geldes bildet, ist ein hiervon scharf zu trennender Gesichtspunkt1). Das Geld als solches ist, wie gesagt, an sich nutzlos. Es ist nur Form und erst in Beziehung zu anderen Gütern gesetzt, gewährt es Nutzen, indem es dieselben mißt und repräsentiert.
Der Nutzen des Geldes kann also nur realisiert werden im Tausche. Gewiß kann das Geld auch in anderer Weise verwendet werden: ich kann es z. B. ausstellen und als Seltenheit sehen lassen2). Aber hier kommt es nicht seiner eigentümlichen Bedeutung nach
zur Geltung: »pecunia secundum Philosophum prin-
cipaliter est inventa ad commutationes faciendas«3). Und in dem- selben Sinne sagt Thomas an anderer Stelle: »Proprius usus pecuniae est, ut expendatur pro commutatione aliarum rerum«4).
Ein Tausch der Dinge ist aber in gewissem Sinne gleich- bedeutend mit einem Verbrauche derselben. Das gilt von allen anderen Gütern6) ebenso wie vom Gelde. Thomas begründet diesen Satz mit den Worten: »Commutatio autem est usus quasi consumens substantiam rei commutatae, inquantum facit eam ab- esse ab eo, qui commutat6).
Der Nutzen des Geldes ist also ein ganz bestimmter: wie der Nutzen des Weines, Getreides usw. ist er beschränkt auf den Akt der Konsumtion, d. h. er ist mit dem Tausche beendet. Das Geld bildet keine dauernde Quelle wirtschaftlichen Nutzens:
»usus pecuniae non est aliud, quam eius substantia7)«.
Eine Kritik dieser Anschauungen dürfte nicht nötig sein. Das Geld wird hier lediglich im Sinne eines konkreten Einzeldinges, nach seiner äußeren Erscheinung, als Münze betrachtet8).
Nun konnte aber auch im Mittelalter die Möglichkeit pro- duktiver Verwendung des Geldes nicht verborgen bleiben. Wie stellt sich Thomas hierzu?
Daß das Geld als Mittel des Erwerbs benutzt werden kann, ist ihm ein durchaus geläufiger Gedanke. Der Ausdruck »lucrari
a) Übersehen von Hohoff, Die Wertlehre des hl. Thomas v. Aquin, a. a. CK
2) II, II 78 a. 1. ad 6.
3) 1. c. c.
*) De Mal. XIII, 4 c.
5) II, II 78 a. 1, ad 6 wird dies z. B. an den vasa argentea erläutert.
6) De Mal. XIII, 4 ad. 15. cf. II, II 78 a. 1 c.
7) De Mal. 1. c. c.
8) Vgl. Ashley, a. a. O. II, S. 425.
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de pecunia« kehrt häufig wieder1). Die Bedeutung des Geldes für den Handwerker oder Kaufmann wird betont'2), und speziell beim Darlehen wird anerkannt, daß dem Gläubiger ein Nutzen, ein commodum, eine utilitas zuwachsen kann, ein Nutzen, der den des Geldes in dem eben angegebenen Sinne unter Umständen weit übertrifft3). Das Geld ist nach Thomas zwar in gewissem Sinne die Wurzel (radix) des Erwerbs, jedoch nur ratione materiae, die Ursache des Gewinnes als causa instrumentalis. Hinter ihm steht aber dasjenige, was den Gewinn eigentlich erzeugt und pro- duktiv tätig ist, das ist die menschliche Arbeit. Letztere ist die causa activa des Gewinnes und damit die causa principalis des- selben. Die Tätigkeit des Menschen gebärt den Gewinn, sie ist gewissermaßen seine Nahrung, sein nutrimentum. Wenn dem Gelde also auch eine gewisse Bedeutung zukommt, so ist dieselbe hinsichtlich der Gewinnerzielung doch beschränkt auf den in der Hingabe im Tausch bestehenden Verbrauch. Erwächst mithin dem Gläubiger durch das Darlehen ein Nutzen über den im ange- gebenen Sinne begrenzten des Geldes hinaus, so ist dieser Ertrag Ertrag der menschlichen Arbeit. So sagt Thomas ausdrücklich im Sentenzenkommentar: »Quidquid autem de utilitate contingit ei, cui mutuum dedi ultra mensuram mutui ex pecunia mutuata, hoc est ex industria eius, qui sagaciter pecunia usus est«4).
Diese Vorstellung von der Funktion des Geldes zieht sich durch Thomas sämtliche Schriften, soweit sie für seine Wucher- lehre in Betracht kommen. Nur in den Quaestiones quodlibetales ist die Formulierung desselben Gedankens insofern eine etwas andere, als dort der Begriff radix auf die causa activa beschränkt und daher dem Gelde abgesprochen wird5). In den anderen Schriften wird er gleichmäßig auf das Geld und die menschliche Arbeit angewandt und dann geschieden zwischen der radix ratione materiae und ratione causae activae. Sachlich besteht kein Unter- schied. Nur kommt im letzteren Falle die Anerkennung der »Produktivität« des Geldes noch deutlicher zur Geltung.
Das Geld, das ist das Ergebnis, ist seinem Wesen nach eine unfruchtbare Sache, eine »res, quae non fructificat«6).
*) z. B. II, II 62, a. 4 ob. 2.
2) Sent. III, 37 q. 1 a. 6 ob. 2 »constat, quod ille, qui alicui pecuniam mutuat, aliquod commodum ei facit«. Vgl. ferner die folgenden Darlegungen. ») II, II 78 a. 3. 4) 1. c. ad. 4. 8) Quodl. III. a. 19. 6) II, II 61 a. 3 c.
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Die Vorstellung von der Unfruchtbarkeit des Geldes ist alt. Schon von Aristoteles wird sie vertreten. Bei den Kirchenvätern sind wir ihr zu wiederholten Malen begegnet. Unweifelhaft hat das Mittelalter sie zuerst aus der patristischen Literatur über- nommen. Nach Bekanntwerden des Aristoteles findet sie dann in dessen Anschauungen eine erwünschte Bestätigung. Thomas faßt auch hier die gesamten Ideen zusammen und bildet sie syste- matisch durch, indem er sie zu gleicher Zeit mit der dem römischen Recht entnommenen Vorstellung von der Konsumtion des Geldes im Tausche verbindet1). Ebenso ist der Gedanke, daß der bei Verwendung des Geldes erzielte Mehrertrag nicht wesentlich dem Gelde zu danken sei, bereits vor Thomas vertreten worden2). Letz- terer formuliert ihn freilich in weit klarerer Weise, als dies vor ihm geschehen war. Wir dürfen darin wohl einen Einfluß der all- mählich schärfer hervortretenden wirtschaftlichen Bedeutung des Kreditverkehrs erkennen, die eine genauere Präzisierung des Be- griffes der Unfruchtbarkeit des Geldes erforderte3).
Die Stellung, die Thomas zum Darlehensvertrage einnimmt, ist mit der dargestellten Geldtheorie bereits bestimmt. Es ergeben
') § 2 J. II, 4 heißt es vom Gelde: »ipso usu assidua permutatione quo- dammodo extinguitur«. Näheres bei O er t mann, a. a. O. S. 96.
2) L es sei, a. a. O. S. 16. Vgl. d. folg. Anm.
3) Die Anschauung, daß das Geld nur im Tausche Nutzen stiften könne, nur als Tauschmittel zu betrachten sei, liegt ja der Bekämpfung des Zinses als deren eigent- licher Kern zugrunde und ist darum so alt, wie das Zinsverbot überhaupt. Immerhin bildet Thomas den Gedanken in eigenartiger Weise weiter, wie ein Blick auf seine scholastischen Vorgänger zeigt. Raymundus (Sum. de poenit. 1. 2. t. 7. § 5) bringt lediglich die früher erörterte Stelle aus dem Op. imperf., dazu einen ähnlich lautenden Satz aus Gregorius (?), dessen Ursprung ich nicht näher habe nachweisen können. Es heißt hier: »usus pecuniae nullum fructum vel utilitatem parit utenti«. An Raymundus schließt sich Vincentius Bellov. in seinem Specul. doctrin. an (X, c. 104. S. 961). Hostiensis bringt bereits den Gedanken, daß das Geld im Tausche »konsumiert« werde (Summa 1. V. De usur. 1. (Sp. 1613). Am klarsten äußert sich Alex. Hai.: »pecunia concessa ad usuram numquam excedit pretium sive valorem suum ... de natura enim sua non habet usum aliquem, de quo fructificare possit«. (IV. q. 110. m. 3 ad. 4.) Der Tatsache, daß mit dem Gelde sich ein Mehrertrag erzielen läßt, wird wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Nur Wilhelm von Auxerre (Summa 1. III. De poen. et rem. 6) bemerkt, der Mehrertrag sei seinem Wesen nach (ex se) nicht dem Gelde zu danken, sondern höchstens accidentell »per accidens«. Albertus Magnus bringt nur den Gedanken, daß das Geld im Gegensatz zu den vermietbaren Dingen unfruchtbar sei (Sent. III, 37. 13). Thomas faßt das Problem tiefer, indem er die aristotelischen Anschauung vom Gelde, sowie die römischrechtliche Idee von der Konsumtion des Geldes im Tausche zur Durchbildung der überkommenen Gedanken verwendet. Das Problem des mit dem Gelde erzielten Mehrertrages behandelt er zuerst in tiefer und der Form nach durchaus origineller Weise.
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sich aus letzterer eine Reihe juristisch und wirtschaftlich gleich- bedeutender Folgen.
c) Das Zinsverbot als Konsequenz der thomistischen Geldtheorie.
a) Juristische Unmöglichkeit des Zinses.
Zunächst ist darin ein wichtiger rechtlicher Unterschied zwischen der Leihe von nutzbaren Dingen und der Leihe von Geld begründet: vermiete ich z. B. einem anderen ein Haus, so geschieht es in der Weise, daß ich mir die Zurückgabe des Hauses ausbedinge; nur den Nutzen, der sich sinnenfällig aus dem Objekte ergibt, verkaufe ich; das Haus selbst bleibt in meinem Eigentum. Die locatio ist so ihrem Kerne nach nichts anderes als ein Tausch- geschäft: der Nutzen eines Gegenstandes, der im Eigentum des Entleihers bleibt, wird gegen Geld getauscht1).
Beim Gelddarlehen aber ist der Vorgang ein wesentlich anderer: übergebe ich einem anderen Geld, so bedingt der Ge- brauch desselben von seiten des Entleihers zugleich dessen Ver- brauch. Das Geld wird, wie oben gezeigt, seiner Substanz nach vernichtet. Damit ist aber gesagt, daß dem Entleiher ein Eigen- tumsrecht an dem entliehenen Gelde zustehen muß: »cuicumque conceditur usus, ex hoc ipso conceditur res, et propter hoc in talibus per mutuum transfertur dominium2)«. Das Darlehen ist nichts anderes als ein Tausch zweier verschiedener Summen von Münzen. Der Unterschied vom Tausche liegt nur darin, daß Leistung und Gegenleistung zeitlich auseinanderfallen. Diese Zwischenzeit verändert aber für Thomas den Tausch vertrag" nicht
a) II, II 78 a. 1 c. cf. de mal. XIII, 4 c. In diesem Zusammenhange sei noch auf einen Punkt hingewiesen, in dem bei Thomas eine Fortbildung der scholastischen Wucherlehre zu erkennen ist. Die frühere Scholastik bringt in der Regel, um die Zinslosigkeit des Darlehens zu begründen bei der Gegenüberstellung von Mietvertrag und Darlehen auch den Gesichtspunkt: bei vermieteten Gegenständen fände eine Abnutzung statt, für die der Zins einen Ersatz biete; beim Gelde sei dies jedoch nicht der Fall. Schon das Op. imperf. argumentiert in dieser Weise: »ager vel domus utendo veterascit. Pecunia autem, cum fuerit mutuata, nee minuitur nee veterascit«. Ähnlich heißt es in dem S. 102 Anm. 3 erwähnten Zitat aus Gregorius, das Raym. u. Vincent, bringen. Gof- fredus de Trano sagt ähnlich: »res locata usu deterior redditur, quod in mutuo non con- tingit« (De usur. n. 29. (S. 214). Alex. Halensis steht auf demselben Standpunkt (cf. III, 36 m. 1. ad. 8). Alb. Magnus bezeichnet das Argument bereits als »non ge- neraliter necessario verum« (Sent. III, 37. a. 13). Thomas lehnt es jedoch bereits im Sentenzenkommentar (III, 37. q. 1. a. 6. c.) und ähnlich quodl. III. a. 19 c. als völlig unrichtig und nicht zum eigentlichen Zinsproblem gehörig ab (vgl. auch De mal. 13. 4. c). Er bringt also den Scheidungsprozeß zwischen dem Rohzins, der auch eine Amorti- sationsquote enthält, und dem reinen Zins zum Abschluß. Vgl. auch Lessei, a. a. O. S. 40-
2) II, II 78 a. 1 c. und sonst.
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grundlegend. Er weist kaum darauf hin, in Übereinstimmung mit den Anschauungen relativ noch wenig entwickelter Wirtschafts- perioden, für die die Zeit zwischen Leistung und Gegenleistung von geringerer Bedeutung ist1).
Der Gedanke, daß im Darlehen eine Eigentumsübertragung stattfindet, ist dem römischen Recht entnommen2).
Diese juristische Erfassung des Darlehens beruht auf der oben geschilderten Auffassung von der Natur des Geldes. Der Vorgang wird sofort ein anderer, wenn das Geld entgegen seiner eigentlichen Bestimmung verwendet wird, wenn es z. B. aus- gestellt oder als Pfand hinterlegt wird. Dann liefert es tatsächlich einen Nutzen, der unter Zurückbehaltung des Eigentumsrechtes verkauft werden kann. In diesem Falle aber handelt es sich nicht mehr um ein mutuum, sondern um eine locatio, wie umgekehrt es keine locatio, sondern ein Darlehensvertrag wäre, wenn jemand, z. B. einen Schuh, leihen würde, damit dieser ihn als Tauschmittel gegen andere Dinge benutze3). Dieser Vorgang wäre ohne Eigen- tumsübertragung nicht denkbar. Der wirtschaftliche Inhalt des Vertrages entscheidet also in jedem Falle über die juristische Form desselben.
Schon für die rein juristische Betrachtung ergibt sich aber damit schon die Unmöglichkeit des Zinses: das dargeliehene Geld ist nicht mehr Eigentum des Verleihers; es ist juristisch undenkbar, ihm das Recht zubilligen zu wollen, Nutzen aus einer Sache zu ziehen, die ihm nicht mehr gehört. So sagt Thomas: »Pro usu pecuniae, quae fit alterius ex hoc ipso, quod mutuatur, aliquid accipere nihil aliud est, quam accipere aliquid ab aliquo pro usu rei propriae«4).
Diese mehr formal-juristische Begründung für die Uner- laubtheit des Zinsnehmens — vor Thomas wohl das Hauptar- gument der Scholastik für die Zinslosigkeit des Darlehens, — be- zeichnet Thomas in seinem Sentenzenkommentar noch als satis probabilis5). Sie steht hier für ihn noch im Vordergründe gegen- über anderen Argumenten. In seinen späteren Schriften tritt sie
x) Vgl. Lessei, a. a. O. S. 18.
2) Albertus sagt ähnlich: »dicitur mutuum quasi de meo factum tuum. Nisi enim de meo fieret tuum, tu tuam voluntatem et utilitatem de mutuo facere non posses«. In Ev. Luc. IV, 35. Auch das etymologische Wortspiel ist aus dem römischen Recht entnommen. Vgl. z. B. 1. 2 § 2 D. 12, 1. Über die Auffassung der früheren Scholastik vgl. S. 105. Anmerk. 1.
3) z. B. II, II, 78, a. 1 ad 6.
4) Sent. 1. c.
5) 1. c. Vgl. Lessei, a. a. O. S. 38.
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dagegen völlig zurück. Hier argumentiert er in der Weise, daß er auf den wirtschaftlichen Vorgang, der sich im Darlehen voll- zieht, die Prinzipien der Gerechtigkeit anwendet und aus ihnen die Ungerechtigkeit des Zinses folgert. Im Sentenzenkommentar findet sich hingegen diese spätere Begründung noch nicht. Es ist also hier eine bedeutsame Entwicklung der thomistischen Wucherlehre festzustellen J).
ß) Der Zins im Widerspruch mit der justitia com- mutativa.
Worin das Wesen der Gerechtigkeit im Tausche besteht, ist früher erörtert worden: sie erfordert Wertgleichheit, Gleichheit von Leistung und Gegenleistung. Im Darlehensverkehr wird also dann Gerechtigkeit herrschen, wenn der Gläubiger das Gleiche an Wert zurückerhält, wie er dargeliehen hat. Die Höhe dessen aber, was der Darleiher leistet, ergibt sich aus dem bisher Gesagten mit logischer Konsequenz: sie beschränkt sich auf den im Gelde lie- genden Nutzen, der mit der Substanz, dem Werte des Geldes identisch ist. So sagt Thomas: »non autem aliquis plus accepit, quam ipsam quantitatem pecuniae, quia eius usus, qui est pecuniae consumptivus, non est aliud quam ipsa pecunia. Et ideo non debet ad plus obligari quam ad restituendum pecuniam«2). Wird mehr gefordert, so liegt eine Ungerechtigkeit vor: »Beneficium mutui non est amplius quam pecunia mutuata, unde si plus exigitur, exigitur plus quam debitum et ideo est injusta exactio«3). Der Schuldner muß sich also verpflichten, den Wert dessen zurück-
x) Ein Vergleich der thomistischen Ansichten mit denen der scholastischen Vor- läufer zeigt Thomas noch völlig im Kreise der letzteren, z. B. bemerkt Hostiensis: »ratio enim naturalis, quod pro mutuo non possit exigi ultra sortem, haec videtur esse, quia res mutuata transit in dominium recipientis ... et suum est periculum, unde contra naturam est, quod rem propriam sibi locem: si enim petam a te 10, quia cum pecunia tua lucraris, numquid tibi apparebo furiosus?« (Sum. De usur. 8. (S. 1623). Ähnlich heißt es bei Goffredo (1. c. n. 1; 2 [S. 212]). Alex. Hai. erklärt: »contra ius naturale' est, ut aliquis percipiat emolumentum de usu rei, quae non est sua« (III, 36 m. 1. ad. 8). Albertus erklärt über dies juristische Argument: »Et haec omnibus solutionibus probabilior videtur mihi«. Auch in dem Jugendwerke des Aquinaten, dem Sentenzenkommentar, ist diese Beweisführung noch ausschlaggebend. Später verschiebt er aber den Schwerpunkt der Argumentation, indem er nunmehr die aristotelische Idee der justitia commutativa mit aller Schärfe auf den Darlehnsverkehr anwendet und Gleichheit von Leistung und Gegenleistung fordert. Man kann insofern in Thomas späteren Schriften von einem »Aristotelismus« seiner Wucherlehre sprechen, durch den er seine scholastischen Vorläufer überragt. Über ein mit der Eigentumsübertragung zusammenhängendes Argument der Summa vgl. unten S. III. Anm. 1.
2) De mal. 1. c. ad. 5.
3) Sent. III, 1. c. ad. 2. cf. quodl. V, a. 17.
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zuzahlen, was er erhalten hat. Geschieht dies, dann ist der For- derung des justum pretium im Darlehensverkehr genügt.
Die Ungerechtigkeit des Zinses ergibt sich also einmal aus dem positiven Nachweise dessen, was gerecht ist. Sodann aber noch durch weitere Überlegungen.
a) Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß Thomas im Darlehen einen Tausch von Geld gegen Geld sieht. Bedingt sich nun der Gläubiger einen Zins aus, so ist dies nichts anderes, als ein Verkauf von Geld gegen Mehrgeld, was natürlich eine Ungerechtigkeit in sich schließt. In diesem Sinne sagt Thomas in der Summa: »pecunia non potest vendi pro pecunia ampliori, quam sit quantitas pecuniae mutuatae, quae restituenda est1).
b) Im Sentenzenkommentar findet sich ein ähnlicher Gedanke, jedoch in etwas anderer Fassung, indem er hier verknüpft wird mit der Vorstellung vom Gelde als einem Maße aller Dinge. Der Gläubiger entleiht eine bestimmte Quantität der mensura utilitatis, der Schuldner gibt eine andere von gleicher Größe zurück. Würde anders verfahren, so bedeutete dies eine Veränderung und Ver- fälschung des Maßes: »unde accipere maiorem pecuniam pro minori nihil aliud esse videtur, quam diversificare mensuram in accipiendo et dando«2). Diese Einkleidungsformel des Gedankens von der Ungerechtigkeit des Wuchers findet sich vor Thomas nicht3). Sie hat, wie leicht ersichtlich, und, wie Thomas selbst hervorhebt, ihre Quelle in der aristotelischen Geldtheorie. Die spätere Scholastik hat diesen Gesichtspunkt nicht verwertet; auch bei Thomas hat sowohl dieses als auch das vorige Argument nur eine untergeord- nete Bedeutung.
c) Die Ungerechtigkeit des Zinsnehmens ergibt sich aber auch aus einem anderen Gesichtspunkt, der mit dem Vergleich des Darlehens mit der Vermietung enger zusammenhängt. Auch für das mittelalterliche Denken zeigen der Pacht- oder Mietzins und der Leihzins eine gewisse Verwandtschaft, wenn es sie auch grundverschieden beurteilt. Bei der locatio wird der Gebrauch, der Nutzen eines Gegenstandes gegen Geld verkauft. Leiht jemand Geld auf Zins aus, so wird damit ein äußerlich ähnlicher Vorgang geschaffen. Der Gläubiger verlangt eine doppelte Vergütung',
*) II, II 78 a. 2, ad. 4. cf. ib. 4. Übrigens zieht schon Alex. Hai. dieselbe Folge aus seiner Anschauung vom Gelde, indem er bezüglich desselben äußert: »Est enim ordinata ad aequalem commutationem (IV. q. 110 m. 3. ad. 4.).
2) Sent. III, 37, 1, 6 c.
3) Lessei, a. a. O. S. 47.
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zunächst die Rückzahlung des Kapitals, darüber hinaus aber dann noch einen Preis für die überlassene Nutzung des Geldes. Der Preis dieses stipulierten Nutzens ist eben die usura, welchem Worte eine tadelnde Bedeutung innewohnt: »Dicitur enim usura ab usu, eo scilicet, quod pro usu pecuniae pretium quoddam acci- pitur, quasi ipse usus pecuniae mutuatae vendatur«1). Der Zins- nehmer verlangt, wie bereits betont, eine doppelte Vergütung. Nun liegt es aber in der Natur des Geldes, daß Sache und Nutzung des- selben nicht voneinander getrennt werden können. Mit der recompen- satio rei ist zugleich die recompensatio usus verbunden. Handelt der Gläubiger anders, so verkauft er dasselbe zweimal oder rich- tiger, er verkauft etwas, was gar nicht vorhanden ist: »quia ergo usus rei est inseparabilis ab ipsa re, quicumque vendit usum talium rerum retinendo sibi obligationem ad sortem reddendam, mani- festum est, quod idem vendit bis«2). An anderer Stelle äußert sich Thomas in ähnlicher Weise3). Ein Zins für ein Gelddarlehen wäre dasselbe, wie wenn jemand einem anderen Wein liehe und sich dann dessen Substanz und Benutzung bezahlen lassen wollte. So sagt Thomas in der Summa: »Si quis ergo seorsum vellet ven- dere vinum et vellet seorsum vendere usum vini, venderet eandem rem bis vel venderet id, quod non est«4). Diese Form des Beweises für die Zinslosigkeit des Darlehens war nahe gelegt durch das römische Recht, das an manchen Stellen den Zins als fructus des Geldes auffaßt, oder von einem ususfructus des Geldes spricht5). Hieraus erhellt, daß der Zins seiner inneren Natur nach un- gerecht ist. Weil er zwischen den beiden Tauschkontrahenten Un- gleichheit hervorruft6). Damit ist bereits ein anderer Punkt be- rührt. Das Recht enthält seinem Inhalte nach die Forderung der Gleichheit zwischen zwei Personen. Ergibt sich diese Gleichheit unmittelbar aus der Natur des unter Rechtsnormen zu bringenden Vorganges ex ipsa natura rei: »puta cum aliquis tantum dat, ut tantumdem recipiat«, sagt Thomas — so ist die sich ergebende Forderung eine solche des Naturrechts7).
*) De mal. XIII, 4, c.
2) Quodl. III, a. 19.
3) De mal. XIII, 4, c.
4) II, II 78 a. 1 c. cf. op. IV, de 70 praecepto.
5) Vgl. z. B. 1. 34 D. 22, 1. Hier sagt Ulpian: >usurae vicem fructuum obtinent et merito non debent a fructibus separari«. Vgl. Oertmann, a. a. O. S. 147. Vgl. auch S. 114 Anmerk. 2.
«) II, II 78 a. 1 c. 7) II, II 57, a. 2 c.
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Es ist nun im Vorhergehenden bereits gezeigt worden, daß das Zinsnehmen nicht etwa unerlaubt ist infolge positiven gött- lichen oder menschlichen Gebotes, sondern die Ungerechtigkeit des Zinsnehmens folgt mit logischer Konsequenz aus der Natur des Darlehens selbst. Es ist gegen die »ratio naturalis« x) es ist »secundum se iniustum«2); mit anderen Worten, das Verbot des Zinsnehmens ist eine Forderung des Naturrechtes. Demgemäß erklärt Thomas, es sei: »manifeste contra rationem justitiae naturalis«3).
Dieses Argument für das Wucherverbot von Thomas ist das eigentlich thomistische4). Es ist leicht ersichtlich, daß hier Momente zu einer Einheit verbunden sind, die bereits vor Thomas vorhanden waren. Die Anschauungen über die Natur des Geldes und des Darlehens, wie sie vom römischen Recht, den Kirchen- vätern, Aristoteles vertreten werden, sind hier vereint mit der aristotelischen Auffassung vom Wesen der Gerechtigkeit. Zweifel- los enthält es die schärfste Ausprägung der scholastischen Wucher- lehre. Thomas selbst legt ihm die größte Bedeutung bei, wie sich aus der häufigen Wiederholung gerade dieses Argumentes ergibt. Im Sentenzenkommentar findet es sich allerdings noch nicht. Seine Ausbildung fällt also in Thomas spätere Lebenszeit. Die Scholastik nach ihm bedient sich häufig gerade dieses Argu- mentes5).
y) Der Zins als Aneignung fremder Arbeit. Zins und Wertgesetz.
Es ist also bisher gezeigt worden, worin nach Thomas die
*) Quo dl. III, a. 19 mit Berufung auf Aristoteles Politik.
2) Vgl. Anm. 6 d. vor. S.
3) De mal. XIII, 4 c. cf. quodl. III, 19. Albertus Magnus äußert sich ganz ähnlich. "Vgl. Sent. III, 37 a. 13.
4) Lessei, a. a. O. S. 39. Daß in der Summa jedoch auch andere, als der in Frage stehende Gesichtspunkt für die Unerlaubtheit des Wuchers geltend gemacht werden, und dies nicht, wie L es sei annimmt, der einzige ist, dürfte die Darstellung gezeigt haben und noch des weiteren zeigen.
6) "Wörtlich wird die thomistische Wucherlehre wiedergegeben im Speculum morale, III, d. 11, p. 7 (S. 1295 ff.). Hinzugefügt sind hier noch moralisierende Be- trachtungen über die Schlechtigkeit des Wuchers (S. 1299 ff.). Auch bedient sich der Verfasser des Argumentes von der Unverkäuflichkeit der Zeit (S. 1301), das sich bei Thomas nicht findet. Auch ÄgidiusColonna Romanus bringt neben dem aristotelischen Gedanken, daß das Geld nicht wie lebende Wesen Junge erzeugen könne, vor allem die thomistische Begründung des Zinsverbotes, teilweise in wörtlicher Wiederholung. Das Zinsnehmen, heißt es weiter, widerstreite dem Naturrecht, deshalb sei es auch von der stattlichen Gewalt zu verbieten. De reg. prine. 1. II. p. 3. c. II.
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Gerechtigkeit im Darlehen besteht. Der Wucher ist ungerecht, weil durch ihn eine Ungleichheit konstituiert wird. Doch ist die Untersuchung noch nicht zu Ende. Die bisherigen Argumente waren mehr negativer Natur, insofern sie zeigten, daß im Zins- nehmen ein ungerechter Mehrwert liegt. Es entsteht nun natur- gemäß die Frage: was bildet die Substanz dieses Mehrwertes, wo- her stammt derselbe? Die Frage hängt zusammen mit der nach dem eigentlich ökonomischen Inhalt des Zinsverbotes und nach seiner Bedeutung für den wirtschaftlichen Organismus, die ihm nach den thomistischen Anschauungen zukommt. Das Zinsverbot hat sich bisher als spezieller Fall des allgemeinen Wertgesetzes erwiesen, es ergibt sich aus dem Prinzip der Wertgleichheit im Tausche. Die Verwendung dieses Prinzips wird im folgenden eine tiefere Begründung erfahren.
In welchem Sinne das Geld produktiv ist, hat sich oben ergeben: Der Überschuß über den Nutzen seines unmittelbaren Verbrauchs stellt sich dar als Ergebnis menschlicher Arbeit, er ist behaftet mit einem persönlichen Momente. Läßt sich nun der Darleiher einen Zins geben, so bedeutet dies nichts anderes, als daß er die Arbeit des Schuldners ausbeutet, indem er sich einen Teil seines Arbeitsertrages aneignet. Dies ist aber offenbar un- sittlich. So sagt Thomas in prinzipieller Kürze: »industriam autem eius sibi vendere non debeo«1).
Insbesondere ist für Thomas folgender Gesichtspunkt maß- gebend: Der Gewinn gebührt dem Entleiher deshalb, weil er die Gefahr des Unternehmens, in dem das Geld verwendet wird, trägt. Die Übernahme des Risikos ist ebenfalls wirtschaftliche Arbeit, die mit Recht Anspruch auf Gewinn als ihren Lohn machen kann. Von der Gefahr aber, die mit der Verwendung des Geldes in einem Unternehmen verknüpft ist, ist der Darleiher völlig ge- trennt, .denn die entliehene Summe ist nicht mehr sein Eigentum. Das Unternehmen mag gelingen oder nicht, ihm steht der An- spruch auf die gleiche Summe Geldes zu. Das Zinsnehmen be- deutet eine Ausbeutung der Tätigkeit des Schuldners. So sagt Thomas: »ille, cui pecunia mutuatur, sub suo periculo tenet eam et tenetur eam restituere integre, unde non debet amplius exigere ille, qui mutuavit«2).
Dieselbe Stellungnahme zeigt sich in einem anderen Fall: hat jemand unerlaubter Weise Zinsen genommen, so ist er zur
a) Sent. III, 37, i a. 6 ad 4. 2) II, II 78 a. 2 ad 5.
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Restitution verpflichtet. Es liegt dann tatsächlich eine Art Dar- lehen vor, indem der unrechtmäßige Besitzer der Zinsen gewisser- maßen Geld geliehen hat von dem, der ihm den Zins zahlte1). Die zu leistende Restitution umfaßt aber nach Thomas nur die Rückgabe des Kapitals, d. h. der gegebenen Zinsen, nicht etwa auch den Gewinn, der inzwischen mit dem Gelde erzielt wurde. Der letztere verdankt seinen Ursprung der Arbeit des unrecht- mäßigen Besitzers und steht deshalb ihm zu. »Non tenetur« heißt es in der Summa, »homo ad restitutionem, nisi id, quod accepit, quia id, quod de tali re est acquisitum, non est fructus huiusmodi rei, sed humanae industriae«2).
Es kommt hier derselbe Gedanke zum Ausdruck, den Thomas hinsichtlich des einfachen Tausches aufstellt. Das Zinsnehmen widerspricht dem allgemeinen Prinzip, daß das Fundament der Arbeitsteilung bildet: der Wiedervergeltung von Arbeit und Kosten. Es widerspricht der Idee, die den volkswirtschaftlichen Organismus durchdringen sollen: daß nämlich die einzelnen Glieder füreinander in gleichem Maße arbeiten sollen. Albertus Magnus hebt den- selben Gedanken hervor3). Für den Zins fehlt also der Rechts- grund der Arbeit, er wird als Aneignung fremder Arbeit ab- gelehnt.
Daß dieser Gesichtspunkt eine zentrale Stellung in der thomi- stischen Wucherlehre einnimmt, zeigt die Erörterung des Gesell- schaftsvertrages. In diesem bleibt der Kapitalist Eigentümer des Geldes, daß er für das Unternehmen hergibt; dies zieht aber die wirtschaftliche Folge nach sich, daß er das Risiko des Unter- nehmens mitträgt. Gerade das, dessen Fehlen im Darlehen den Zins unerlaubt macht, ist hier verwirklicht: der Besitzer des Geldes nimmt in gewissem Sinne teil an der Arbeit des Kaufmanns oder Handwerkers. Er darf deshalb als Gegenleistung der Höhe des eingezahlten Geldes entsprechend, die eben das Maß seiner Leistung bestimmt4), Anspruch auf Anteilnahme am Gewinn erheben. Dieser Gewinnanteil hat dann ein gewisses persönliches Moment und wird deshalb von Thomas durchaus gestattet6). Die thomi- stische Stellung zum Gesellschaftsvertrage soll also nicht etwa eine Ausnahme vom Zinsverbot in sich schließen, sondern sich aus
*) Vgl. hierzu quodl. III, a. 19.
2) II, II, 78, a. 3. c.
3) Albertus Magnus in Ev. Luc. IV, 35. Vgl. Lessei, a. a. O. S. 42 f.
4) Cf. In Eth. Nie. V, 1. 1. Zum Gesellschaftsvertrage vgl. Endemann, Studien I, S. 346. Über den Zusammenhang mit dem römischen Recht daselbst S. 334.
6) II, II 78, 1. c.
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denselben Prinzipien ergeben, die für die Behandlung des Dar- lehens maßgebend sind1).
Der Zusammenhang zwischen der thomistischen Wert- und Wucherlehre ist aber noch nach einer anderen Seite zu betrachten. Der Zweck der geforderten Wiedervergeltung von Arbeit und Kosten geht darauf hinaus, den Tausch in seiner volkswirtschaft-
*) Unter der societas quaedam versteht Thomas möglicherweise die sog. Commenda, eine im frühen Mittelalter zumal in den italienischen Städten gebräuchliche Gesellschafts- form. Über letztere vgl. Silberschmidt: »Die Commenda in ihrer frühesten Ent- wicklung bis zum 13. Jahrhunderte. Hiernach Schaub: Der Kampf usw. S. 159 f. Vgl. auch Endemann, a. a. O. I, S. 361 ff. Daß Thomas das Tragen des Risikos als wirtschaftliche Arbeit auffaßt, die ein besonderes Entgelt verdient, ist bereits bei Erörterung des Handelsgewinnes betont (S. 79). Gleichwohl ist die Rechtfertigung des Gesellschaftsunternehmens ungenügend und steht in gewissem Sinne im Gegensatz zu der sonst von Thomas eingehaltenen Argumentation. II, II 78. a. 2. ad. 5 heißt es: »ille, qui mutuat pecuniam, transfert dominium pecuniae in eum, cui mutuat; unde ille, cui pecunia mutuatur, sub suo periculo tenet eam et tenetur restituiere integre: unde non debet amplius exigere ille, qui mutuavit. Sed ille, qui committit pecuniam suam vel mercatori vel artifici per modum societatis cuiusdam, non transfert dominium pecuniae suae in illum, sed remanet eius; ita quod cum periculo ipsius mercator de ea negotiatur vel artifex operatur; et ideo sie licite potest partem lucri inde provenientis expetere tanquam de re sua«. Der Darlehenszins wird hier deshalb als unerlaubt erklärt, weil infolge der Eigentumsübertragung im Mutuum der Gläubiger von jedem Risiko befreit sei, und der Gesellschaftsvertrag hierzu in Gegensatz gestellt. Thomas bringt hier eine Begründung des Zinsverbotes, die sich schon in der erwähnten Stelle bei Gregorius findet und auch von Goffredo v. Tr. und Alex. Hai. bei der Gegen- überstellung des Miet- und Darlehenszinses gebracht wird. Der Vermieter eines Gegen- standes dürfe ein Entgelt beanspruchen, weil er Eigentum und damit Risiko behalte, was im Darlehen nicht der Fall sei, eine Auffassung, die auf einer unklaren Erfassung des Wesens des Zinses beruht. (De usur. 2. [212] S. th. III, 36 m. 1 ad. 8). Eine größere Bedeutung hat dies Argument in der Scholastik nicht gehabt. Auch Thomas bringt es nur im Zusammenhang mit der Behandlung des Gesellschaftsvertrages. Die letztere ist also ungenügend, insofern als ein Gedanke verwendet wird, der sonst bei Behandlung des Zinses völlig zurücktritt. Zudem dürfte es kaum ausreichend sein, den Gewinn, den ein Kapitalist aus einem Unternehmen bezieht, lediglich als Prämie für das Risiko, das er infolge der Rückbehaltung des Eigentumsrechtes an der einge- zahlten Geldsumme übernimmt, aufzufassen. Thomas steht hier unter dem Einfluß der Tradition, dem er sich nicht zu entziehen vermag. So sagt z. B. schon Goffredo r. Tr. : »Vis autem dare pecuniam naviganti vel eunti ad nundinas seu alii mercatori sine peccato: pone tu pecuniam et alius operam personalem et pecuniam tantam vel minorem: plerumque enim, quod pecuniae deest, opera supplet ... et communicetis pericula, lucra et damna« (1. c. n. 29. [214^]). Ähnlich Hostiensis vgl. Lessei, a. a. O. S. 31. Zudem ist die Auffassung, daß der Gesellschafter Eigentümer des Geldes bleibe, schwerlich mit den sonstigen thomistischen Anschauungen vom Gelde vereinbar. Denn auch im Gesellschaftsunternehmen muß das Geld verausgabt werden. Es kann also dem Kommittenten nur ein Forderungsrecht, kein Eigentum verbleiben, wie schon häufig hervorgehoben ist. Vgl. L es sei, a. a. O. S. 61.
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lieh unentbehrlichen Funktion auf eine dauernd sichere Basis zu stellen. Wir können vermuten, daß die Anwendung der Prin- zipien des gerechten Preises auf den Darlehensverkehr, der ja nur eine andere Form der commutatio ist, hinsichtlich desselben einen ähnlichen Zweck verfolge. Es ist zu dem Zwecke zunächst die Bedeutung festzustellen, die nach Thomas dem Darlehensverkehr im volkswirtschaftlichen Organismus zufällt. Wenn hierüber Thomas sich auch nicht ausdrücklich äußert, so kann man doch aus manchen Stellen dahingehende Schlüsse ziehen.
Es fehlt bei Thomas vollständig der Gedanke, daß die Kreditgewährung für den normalen Verlauf des Wirtschaftslebens notwendig sei. Es geht dies deutlich hervor aus der Art und Weise, wie Thomas die Stellung des Schuldners im Darlehensver- kehr behandelt. Diese war für ihn zumal unter moraltheologischem Gesichtspunkt zu erörtern. Wurde das Zinsnehmen als sündhaft hingestellt, so konnte leicht der Gedanke aufkommen, auch das Zinsgeben sei ungerecht, weil der Schuldner Veranlassung und Möglichkeit zur Sünde gäbe1). Die Stellung, die Thomas zu dieser Frage einnimmt, ist wichtig; er hält das Zinsgeben unter be- stimmten Verhältnissen für sittlich erlaubt. Jener rigoristischen Anschauung gegenüber, die es als sündhaft ablehnt, weist er zu- nächst auf die »contraria consuetudo multorum bonorum« hin, die sich am Zinsgeben nicht stoßen 2). Der Schuldner, erklärt er weiterhin, befindet sich in einer necessitas3). Letzterer Begriff ist keineswegs ein engbegrenzter. Es kann ein Darlehen absque magna necessitate aufgenommen werden4). Unter dem necessarium v ersteht Thomas einmal dasjenige, ohne welches eine Existenz unmöglich ist, wie z. B. die Nahrung; dann aber auch dasjenige, was zum standesgemäßen Lebensunterhalt gehört5). In einer von beiden Beziehungen leidet der Darlehensnehmer stets Mangel: »semper autem ille, qui mutuum aeeipit, patitur necessitatem vel primo vel seeundo modo«6).
Sieht sich nun jemand veranlaßt, ein Darlehen aufzunehmen,
M II, II 78 a. 4 ob. 1.
2) de mal. 1. c. ob. 17.
3) II, II, 78 a. 4 c. und sonst.
4) De mal. 1. c. ob. 8.
B) Siehe oben S. 18 f., S. 54.
6) De mal. 1. c. ad. 8. Albert Magnus wagt (III, 37 a. 15) den Umfang der necessitas nicht näher zu bestimmen, überläßt es vielmehr dem Gewissen des Einzelnen und der Entscheidung der Obrigkeit, wann die Aufnahme eines verzinslichen Darlehens gerechtfertigt sei.
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so ist der Gläubiger zwar an sich verpflichtet, es ihm zinslos zu geben. Es ist aber der Fall denkbar, daß er hierzu nicht bereit ist. Dann darf der Entleiher, vorausgesetzt, daß er sich in der gekennzeichneten Zwangslage befindet, Zinszahlung versprechen, jedoch nur unter der Bedingung, daß der Gläubiger bereits zum Zinsnehmen entschlossen ist und nicht etwa erst durch den Schuld- ner dazu veranlaßt wird1). Der Darlehensnehmer will dann nicht das Zinsgeben, sondern nur die »mutuatio, quae est bona«2). Er zahlt den Zins nicht schlechthin freiwillig, sondern »quasi coactus necessitate« s). Die Schuld liegt einzig auf seiten des Gläubigers: »qui licet ei non inferat violentiam absolutam, infert ei tarnen quandam violentiam mixtam«: diese Gewalttätigkeit liegt eben in der Ausnützung der Notlage des Schuldners4). Es wäre unerlaubt, wenn jemand ohne in Not zu sein, ein verzinsliches Darlehen aufnehmen wollte5).
Die Gestattung der Zinszahlung in Not hat natürlich nur dann Sinn, wenn das Darlehen trotz der Verpflichtung zur Zins- zahlung dem Schuldner noch Nutzen gewährt. Daß dies der Fall sein kann, ist Thomas durchaus bekannt. So hebt er den großen Vorteil hervor, die »multae commoditates, quas interdum aliqui consequuntur ex pecunia mutuata, licet sub usuris«6).
Man sieht deutlich, daß Thomas dem Darlehnsverkehr immerhin eine wichtige wirtschaftliche Funktion zuerkennt: es erscheint ihm berechtigt für den, der sich in Not befindet, sei es im absoluten Sinne oder in dem Sinne, daß er das standesgemäße Einkommen nicht genießt. Die Kreditgewährung soll also der Heilung anormaler Zustände, die im volkswirtschaftlichen Orga- nismus zutagetreten, dienen. Die Erlaubnis des Zinsgebens von seiten des Schuldners hat in der volkswirtschaftlichen Unent- behrlichkeit des Darlehens ihren Grund.
Es dürfte klar sein, daß die Theorie, die das Verständnis des mittelalterlichen Zinsverbotes fördern wollte durch den Hin- weis darauf, der Kreditverkehr habe im Mittelalter wesentlich kon- sumtiven, nicht produktiven Zwecken gedient, aus den thomi-
*) II, II 78 l. c.
2) ib. ad. 1.
3) Sent. III, 37 1 a. 6 ad. 6. De mal. 1. c. ad. 9. Vgl. Albertus Magnus Sent. 111, 37 a. 13 ad. 1.
4) De mal. 1. c. ad. 7.
5) ib. ad. 18. G) Ib. ad. 6.
Beitrüge zur Geschiebte der Nationalökonomie. Heft I. 8
Schreiber, Die volkswirtsch. Anschauungen d. Scholastik.
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stischen Gedankengängen keine Bestätigung, vielmehr eher eine Zurückweisung erfährt.
Die geschilderten Vorstellungen von der Bedeutung des Kreditverkehrs sind auch für die Stellung entscheidend, die Thomas zur weltlichen Gesetzgebung, teilweise im Anschluß an seine scholastischen Vorläufer einnimmt1). Thomas weist zunächst darauf hin, daß das römische Recht, das Zinsnehmen zwar gestatte, aber nicht in dem Sinne, als ob es voll innerlich berechtigt sei. Auch nach dem bürgerlichen Rechte gehöre das Geld zu den Dingen, »quae ipso usu consumuntur«, die deshalb keine wirtschaft- liche Nutznießung gestatteten. Für die Einrichtung einer Nutz- nießung seien lediglich bestimmte Zweckmäßigkeitsrücksichten maß- gebend2).
Die gewaltsame Unterdrückung alles sittlich unerlaubten, erklärt Thomas, könne für die menschliche Gesellschaft die Ver- hinderung wesentlicher Vorteile mit sich bringen, ja bedeutenden Schaden zur Folge haben. Und so erlaube das bürgerliche Recht das Zinsnehmen »dispensative«, »non quasi existimans eas esse secundum justitiam, sed ne impedirentur utilitates multorum«3;.
Diese Erörterungen bleiben völlig unverständlich, wenn nicht angenommen wird, daß Thomas von der wirtschaftlichen Bedeu- tung des Darlehens überzeugt war und es im volkswirtschaftlichen Organismus für notwendig erachtete. Der Kredit, der ihm vor- schwebte, kann mit Keller als Notkredit bezeichnet werden. Er soll der Hebung der necessitas, d. h. eben der besseren Erreichung des Zieles dienen, daß das Ziel der wirtschaftlichen Arbeit ist, nämlich der Erlangung des standesgemäßen Einkommens, die in dem Fall, wo ein Darlehen begehrt wird, durch irgendwelche anormalen Verhältnisse als nicht möglich erscheint4;.
*) Vgl. z. B. Alex. Hai. III, q. 66 m. 3 ad. 4. Albertus Magnus 111, 37 a. 13: »Dare autem ad usurarn multum confert ad bonura statum temporalem illum et ideo Imperator permittit et reges similiter«.
2) II, II, 78 a. 1 ad. 3. Er nimmt hier Bezug auf § 2 J. 2, 4, wo es vom Senate heißt, er habe »per cautionem« einen »quasi ususfructus« des Geldes festgesetzt. Man hat in späterer Zeit im Sinne des römischen Rechts die Zinsen als fructus civiles bezeichnet. Auch das römische Recht verkennt die Produktivität des Kapitals und sieht letzten Endes nur die Willensübereinstimmung über den Credit als Grund des Zinses an. Der Zins ist also tatsächlich nur geduldet, obwohl er im übrigen nicht wohlwollend beurteilt wird. Senatoren war z. B. das Zinsnehmen verboten. Vgl. Oertmann, a. a. O. S. 148 ff., S. 75.
3j 1. c. f. De mal. 1. c. ad. 6.
4) Unternehmung und Mehrwert (191 2), S. 24 ff., ohne daß damit den übrigen Ausführungen, auf die hier nicht eingegangen werden kann, zugestimmt werden soll.
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Diese Funktion des Darlehensverkehrs soll durch die Durch- dringung mit den Forderungen des gerechten Preises geschützt und bewahrt werden. Freilich wird sie durch das Zinsnehmen im Einzelfalle nicht gestört, wie ja auch ein Tausch, der nicht den Prinzipien der Gerechtigkeit entspricht, nicht gleich den ganzen Organismus der Arbeitsteilung zerstört. Wie aber der Tausch, wenn anders er auf dauernder Grundlage ruhen will, seiner ganzen Idee nach die Einhaltung des gerechten Preises fordert, in der- selben Weise verlangt auch der wirtschaftliche Inhalt des Dar- lehens, das ja nichts anderes als ein Tausch ist, die Zinslosigkeit desselben, weil nur letztere der Wiedervergeltung von Arbeit und Kosten entspricht. Die Basierung des Kreditverkehrs auf die Forderungen des gerechten Preises bietet zugleich die Gewähr dafür, daß derselbe seine volkswirtschaftliche Funktion, die Er- möglichung des standesgemäßen Einkommens, in geregelter Weise erfüllt, wie es seiner inneren Natur entspricht. Das ist offenbar der tiefere Sinn der thomistischen Wucherlehre, die durch die Einreihung in den Gesamtideenkreis des gerechten Preises eine bedeutsame Vertiefung erfährt.
Das Zinsverbot entspricht auch insofern den wirtschaftlichen Verhältnissen, die Thomas vor Augen hatte, als der Zins eine Durchbrechung des Ideals bedeutet, daß jeder durch Arbeit seinen Unterhalt sich erwerben soll. Mit Recht sagt Sombart: »Es kommt doch wohl in jenem Rechtssatze des Zinsverbotes nichts anderes zum Ausdruck, als die prinzipielle Anerkenntnis des dem hand- werksmäßig organisierten Wirtschaftsleben adäquaten Wirtschafts- prinzips der Bedarfsdeckung durch Werkschaffung«1). Das Wirt- schaftsleben selbst verlangte seiner innern Natur nach Schutz gegen den rein lukrativen Erwerb, gegen den Kapitalismus. So tadelt Thomas es an den Juden, daß sie »ociose viventes solis usuris ditentur« und hält es für besser, sie zum Erwerb des Lebensunter- haltes durch Arbeit zu zwingen2).
Der Wertlehre liegt die Idee zugrunde, daß der Arbeit ein standesgemäßer Unterhalt gebühre. Wenn dem nicht genügt ist, soll das Darlehen korrigieren. Diesen Vorgang benutzt der Wucherer, um ohne Arbeit vermittels seines Überflusses ein über- standesgemäßes Einkommen zu erzielen. Das widerstreitet dem in der Wertlehre niedergelegten Organisationsprinzip der Ge- sellschaft.
1) Der moderne Kapitalismus I. S. 184.
2) Op. XXI.
8*
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3. Die bisherigen Erörterungen haben sich lediglich mit dem Schutze des Schuldners beschäftigt. Nun ergibt sich aber zuweilen die Notwendigkeit, auch die Rechte des Gläubigers zu schützen. Bei Thomas geschieht dies einmal durch Einschärfung der Restitutionspflicht des Schuldners, sowie durch Hinweis auf die für letzteren bestehende Pflicht der Dankbarkeit. Vor allem aber wird der Darleiher gegen eigenen Schaden geschützt durch die sogenannten Zinstitel, die an sich organische Bestandteile des Zinsverbotes sind, allerdings wohl auch häufig zur Umgehung des Zinsverbotes verwendet wurden. Thomas hat sich mit der Theorie der Zinstitel eingehender beschäftigt, als die Scholastik vor ihm1). Freilich ist die diesbezügliche Lehre auch bei ihm noch relativ unentwickelt. Von einer Scheidung verschiedener Zinstitel, wie sie später gebräuchlich wurde2), ist bei ihm noch kaum, wenigstens nicht formell die Rede.
Man kann vom Gläubiger nicht verlangen, daß er sich durch Gewährung des Darlehens selbst einen Schaden zuzieht, während dem Schuldner ein Vorteil erwächst. Nun ist es aber wirtschaft- lich möglich, daß der Gläubiger zwar einen Schaden, der Schuldner aber durch Benutzung des entliehenen Kapitals einen Gewinn er- zielt, der größer ist, als der genannte Schaden, so daß der Schuldner diesen ersetzen und darüber hinaus noch genügenden Gewinn erzielen kann3). Es ist in dem Falle wünschenswert, den Gläubiger, trotz des Verlustes, den er erleidet, zum Darleihen zu veranlassen. Freilich muß ihm dann ein Anspruch auf Schadenersatz gewährt werden.
Für den Schaden, der dem Gläubiger erwachsen kann, ge- braucht Thomas das Wort damnum, das jeden Nachteil der irgend- wie entstehen kann, umfaßt. Dieser Schaden kann in zwei Formen auftreten. Einmal kann dem Gläubiger durch die Darlehensge- währung ein Teil seines tatsächlichen Besitzes entzogen werden: ein damnum, »per quod subtrahitur sibi aliquid, quod debet habere«. Andererseits wird ihm die abstrakte Möglichkeit, einen Gewinn mit seinem Gelde zu machen, genommen; dies ist ein damnum, »quod consideratur in hoc, quod de pecunia non lucratur«4).
Ein eigengearteter Schaden ist das »interesse« das nicht von vornherein feststeht, sondern sich zwischen der Leihe und Rück-
!) Vgl. Lessei, a. a. O. S. i8ff., 48ff., S. 66f.
2) Vgl. Funk, Gesch. d. Kirchl. Zinsverb. S. 40ff. Derselbe, Zins- und Wucher S. 78 ff. Endemann Studien II, S. 24611. '') II, II 78 a. 2 ad. 1. 4) 1. c.
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gäbe des Kapitals ergibt, also erst bei Beendigung des Darlehens- geschäftes in seiner Höhe festgestellt werden kann1). Auch hier sind zwei Möglichkeiten zu unterscheiden: der Gläubiger wird geschädigt im Hinblick darauf, daß ihm die abstrakte Gewinn- möglichkeit genommen war; oder er erleidet in dem Sinne Nach- teil, daß ihm etwas, was er bereits hatte, entzogen wurde2;. Für die abstrakte Möglichkeit des Gewinnes darf auf keinen Fall Er- satz gefordert werden, weder gleich bei Abschluß des Vertrages, noch später bei Rückgabe des Kapitals wegen völliger Unsicherheit desselben3). Der tatsächliche Schaden zeigt sich, wie erwähnt stets darin, daß dem Gläubiger etwas entzogen ist »de hoc, quod habebat«. Dieses »habere« kann nun wieder doppelter Art sein: ein »habere actu« und ein »habere virtute«4): im mutuum kann der Darleiher etwas von seinem tatsächlichen augenblicklichen Besitz einbüßen oder es kann ihm die Möglichkeit genommen werden, einen an sich sicheren Gewinn zu realisieren. Dasselbe gilt hinsichtlich des Interesses, wo für das »damnum rei jam habitae« ebenfalls die beiden angegebenen Möglichkeiten anzunehmen sind. In beiden Fällen muß der Schuldner den Schaden ersetzen nach Maßgabe des Wertes5), wobei freilich zu bedenken ist, daß für die Entziehung des Besitzes im ersten Sinne eine recompensatio ex aequo stattfinden muß, des virtuellen Besitzes dagegen unter Berücksichtigung des Satzes, daß »minus est habere aliquid actu quam virtute«, die Wiedererstattung demgemäß erfolgen muß: »secundum conditionem personarum et negotiorum«6).
Freilich ist hier eine Ausnahme zu machen, wo es sich um das Interesse handelt, also um einen Schaden, der nicht vorher
*) De mal. 1. c. ob. 14; »duplex est interesse; quoddam quidem ex eo, quod aliquid non adest, quia scilicet aliquis non acquisivit, quod acquirere potuisset . . . Aliud est interesse ex eo, quod aliquid abest, quia scilicit aliquid subtractum est alicui de hoc, quod habebat«. Man beachte acquisivit, potuisset, Ausdrücke, die zu der im Text gegebenen Deutung berechtigen. Vgl. ferner ib. Ad. 14: »debebat enim ille, qui pecuniam mutuavit, sibi cavisse, ne detrimentum incurreret«. Quodl. III, a. 19 c. »damna et interesse« setzt einen Unterschied zwischen beiden Begriffen voraus. Die Darstellung von Lessei, a. a. O. ist ziemlich unklar; die Scheidung zwischen damnum und interesse wird nicht genügend durchgeführt. Ferner wird nicht beachtet, daß zwischen dem Gewinn, der eine res habita ist (vgl. im folgenden) und der abstrakten Gewinnmöglichkeit zu scheiden ist.
2) Siehe d. vor. Anm.
3) J I, II 78 1. c. : »quia non debet vendere id, quod nondum habet et potest impediri multipliciter ab habendo«.
4) 11, II 62 a. 4 c.
5) Vgl. Anm. 3.
6) Vgl. Anm. 4.
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bestimmt ist, sondern sich zwischen Leihe und Rückgabe des Kapitals herausstellt; hier ist zu scheiden, je nach dem ob der Schuldner das Kapital »infra tempus deputatum« zurückgegeben oder »ultra statu tum terminum« behalten hat1). Im ersteren Falle trifft die Schuld an dem eingetretenen Verlust lediglich den Gläubiger, der sich bei Abschluß des Vertrages hiergegen hätte sichern müssen und für seine eigene Nachlässigkeit nicht den Schuldner aufkommen lassen darf 2 ':. Anderenfalls tritt Restitu- tionspflicht ein. Unter Berücksichtigung der angegebenen Ein- schränkungen kennt also Thomas im Sinne der späteren Termino- logie das damnum emergens; das lucrum cessans, je nachdem, ob man in ihm bereits eine res habita erblicken kann oder nicht3. Die im vorhergehenden dargelegte Schadenersatzpflicht des Schuld- ners fügt sich durchaus harmonisch in das Gesamtbild der thomi- stischen Wucherlehre ein. Sie bildet nicht etwa eine Ausnahme von dem allgemeinen Wucherverbote, wie Thomas ausdrücklich hervorhebt4).
4. Zum Schluß ist noch kurz hinzuweisen auf die Verträge, die zwar nicht Darlehensverträge sind, in denen sich aber doch, wie Thomas sagt, eine gewisse »ratio mutui« findet«5).
Es sind die folgenden:
1. Die exspectatio pretii solvendi6). Sie liegt dann vor, wenn der Verkäufer seine Ware dem Käufer eher übergibt, als dieser zahlt. Es handelt sich hier um einfaches Tauschge- schäft, das mit dem Darlehen insofern Ähnlichkeit besitzt, als Leistung und Gegenleistung zeitlich auseinanderfallen. Wie aber im Darlehen die Zeit nicht in Anschlag gebracht werden darf, so auch in diesem Falle. Ein »augere pretium pro dilatione«7) wäre Wucher, ein »quasi pretium mutui, quod pertinet ad rationem usurae«8).
*) De mal. 1. c. ad. 14.
2) 1. c.
a) Man kann also Funk, Zins und Wucher, S. "8 f. sowie Schaub, die Eigentumslehre usw., S. 362 beistimmen, wenn sie den Zinstitel des lucrum cessans wenigstens implicite bei Thomas anerkannt sehen.
4) II, II, 78 a. 2 ad. 1.
5) Ib. ob. 7. Vgl. Lessei, a. a. O. S. 26 ff. S. 561.
6) 1. c. ad. 7. Über die diesbezüglichen Bestimmungen des kanonischen Rechts vgl. Endemann, Studien II, S. 4; Grundsätze S. 9. Einige Bemerkungen über Thomas, Studien II, S. 48.
7) Ib. ob. 7. Über das Verhältnis von ob. 7 und ad. 7 vgl. Lessei, a. a. O. S. 58 f.
8) 1. c.
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2. Die anticipatio solutionis1). Sie ist das Gegenstück zu dem vorigen Vertrage. Der Verkäufer übergibt eine Ware erst später, während vertragsmäßig die Zahlung des Käufers früher erfolgt. Es gilt hiervon dasselbe, wie von dem eben genannten Vertrag: Der Käufer muß auch dann den gerechten Preis zahlen und darf »pro acceleratione pretii< 2) keine Verringerung desselben fordern.
3. Hiervon zu scheiden ist ein ähnlicher Fall3): der Käufer ist verpflichtet, später bei Übergabe der Ware einen bestimmten Preis zu entrichten. Der Verkäufer wünscht jedoch entgegen seinem rechtlichen Anspruch aus irgendwelchen Gründen frühere Zahlung. Dann darf letzterer zur Erreichung seines Zweckes etwas von dem ausgemachten Preise ablassen. Thomas sieht in diesem Abzüge kein pretium mutui : weder Käufer noch Verkäufer wird geschädigt. Ersterer nicht, weil er weniger zahlt als er mußte, letzterer nicht, weil ihm durch die frühere Zahlung ein Vorteil erwächst, indem er z. B. das Geld zu neuen Geschäften verwenden kann; er darf an diesem Vorteil den Käufer durch Verringerung des Preises teilnehmen lassen, wenn auch letzterer nicht berechtigt ist, einen Nachlaß vom Preise zu fordern. Diese Bestimmung steht durchaus im Einklang mit den oben bei Behand- lung der Wertgleichheit im Tausche erörterten Affektionspreisen4).
Auch die Unentgeltlichkeit der Kreditgeschäfte ist nur ver- ständlich, wenn man sich den kleinstädtischen, antikapitalistischen Charakter des mittelalterlichen Wirtschaftslebens vergegenwärtigt.
!) 1. C.
2) 1. c. ob. 7.
3) 1. c. Zur Erklärung ist das op. 67 benutzt worden, wo der in Betracht kommende Fall, wenn auch mit gewissen Bedenken, für erlaubt erklärt wird. — Ebendort wird es den Kaufleuten erlaubt, innerhalb des Marktpreises bei Stundung der Zahlung eine Preiserhöhung vorzunehmen: »si autem non plusquam valent, plus tarnen, quam acciperent, si eis statim solveretur, non est usura«. Diese Ideen finden sich allerdings erst in späterer Zeit in der Scholastik wieder, so daß ihr Vorkommen bei Thomas — die Echtheit des op. 67 vorausgesetzt — immerhin auffallend ist.
4) Lessei, a. a. O. sieht in den auf diesen Fall bezüglichen Worten eine weitere Beurteilung der anticipatio solutionis: der Diskontnehmer sündige zwar, der Diskontgeber dagegen nicht. Im Texte ist dies als ganz neuer Fall behandelt, in dem nicht nur der Verkäufer von der Wuchersünde freigesprochen, sondern das Geschäft als solches als nicht wucherisch hingestellt wird. Die Summa spricht klar vielleicht weder für das eine noch für das andere. Doch setzt die Deutung Lesseis voraus, daß der Verkäufer unter einem Zwange von Seiten des Käufers handelt, was aus Thomas' Worten kaum geschlossen werden kann.
C. Schluß.
Im Vorstehenden ist die thomistische Wertlehre zur Dar- stellung gelangt. Was Thomas selbständig geleistet hat, ist ver- hältnismäßig gering. Er ist mehr receptiv als produktiv. Daß hier und dort Verbesserungen und Weiterführungen alter Gedanken vorliegen, ist mehrfach erwähnt worden. Vor allem fanden wir in der Wucherlehre in mancher Hinsicht ein selbständiges Vor- gehen. Wesentlich Neues hat Thomas jedoch nicht geschaffen. Daß er aber gleichwohl in allen Dingen die wirtschaftlichen Ver- hältnisse seinerzeit vor Augen hatte, ist an mehreren Stellen zu zeigen versucht. Seine Wertlehre ist nur vom mittelalterlichen Boden aus verständlich, und in der Wiederspiegelung des mittel- alterlichen Wirtschaftslebens liegt ihre Bedeutung. Man kann in Thomas immerhin einen charakteristischen Vertreter der objektiven Wertlehre des Mittelalters sehen1).
Daß die thomistische Wertlehre für die heutigen Verhält- nisse, wo wir ein kapitalistisches Wirtschaftsleben haben, ihre Bedeutung verloren hat, braucht kaum erwähnt zu werden. Es ist dies schon mit dem Nachweis gegeben, daß sie dem Boden I der mittelalterlich wirtschaftlichen Verhältnisse entsprungen ist. Für die Idee eines standesgemäßen Einkommens haben wir kein Verständnis mehr, und an die Stelle ruhigen Beharrens ist das Streben nach ruhelosem wirtschaftlichen Fortschritt getreten. Der modernen Preisbildung ein iustum pretium im thomistischen Sinne aufzwängen zu wollen, wäre ein vergebliches Bemühen. Ein all- gemeiner Marktpreis, der alle verpflichten soll, ist ebenso undenkbar, wie es unmöglich ist, an die Stelle der modernen Volkswirtschaft mit ihrer freien Konkurrenz wieder die mittelalterliche Stadtwirt- schaft zu setzen. Und was die Forderung der Wertgleichheit im Tausche angeht, so bietet, wie wir noch sehen werden, die spätere
2) Es geht entschieden zu weit, wenn Brants, a. a. O. S. 69 mit Rücksicht auf Thomas v. Aquin bemerkt: »il n'y a point de vrai analyse de la valeur«. Allerdings gibt Thomas keine geschlossen-systematische Darstellung seiner Wertlehre.
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Entwicklung der scholastischen Wertlehre die beste Kritik, indem sie an die Stelle derselben das Prinzip setzt, daß das Preisgut von dem Käufer weniger hoch geschätzt wird, als das zu kaufende Gut, was schließlich überhaupt zu einer Preisgabe der Idee des gerechten Preises führt.
Und wie so die thomistische Wertlehre sich mit den wirt- schaftlichen Verhältnissen überlebt hat, so wird auch die Wucher- lehre trotz ihrer naturrechtlichen Färbung kaum noch Anhänger finden.
Ganz unverständlich ist es aber, wie man bei Thomas sozia- listische Gedanken hat sehen können. Die sozialistische Wertlehre, wie sie bei Proudhon, Rodbertus usw. vertreten ist, erblickt in der Arbeit die Quelle des Güterwertes und knüpft daran die Forderung eines natürlichen Rechtes auf den vollen Arbeitsertrag. Thomas räumt der Arbeit nur ein Recht auf den standesgemäßen Lebensunterhalt ein. Zu den Problemen, die sich in moderner Zeit aus dem Verhältnis von Kapital und Arbeit ergeben haben, nimmt er in keiner Weise Stellung. Höchstens könnte man auf seine Behandlung des Gesellschaftsvertrages hinweisen, um zu zeigen, daß Thomas sozialistische Gedanken im modernen Sinne völlig fern gelegen haben. Schon die bloße Tragung der Gefahr sieht er als Arbeit an. Auch der Händler darf für sein Risiko einen Gewinn beanspruchen. Daß die rein körperliche Arbeit also allein den Wert der Ware bestimme, wie Rodbertus annimmt, liegt ihm völlig fern. Und wenn man endlich auch hier die Unterschiede zwischen dem mittelalterlichen und dem modernen Wirtschaftsleben beachtet, so wird man auch in der Ablehnung des Zinses keine sozialistischen Gedanken sehen können1).
Eine Gleichstellung mit der marxistischen Wertlehre ist schon um dessen Willen unmöglich, weil bei Marx die ethisch- naturrechtliche Färbung der objektiven Wertlehre fehlt. Marx hat aus seiner Wertlehre nie sozialistische Schlüsse gezogen2).
x) Hoho ff sieht bei Thomas eine sozialistische Wertlehre; vgl. seinen mehrfach angeführten Aufsatz: Die Wertlehre d. hl. Th. v. A. Dieselben Gedanken kehren wieder: Die Bedeutung der Marxschen Kapitalkritik. Hohoff selbst ist infolgedessen »Marxist«!
2) Vgl. Diehl, Soziahvissensch. Erläuterungen zu Ricardos Grundsätzen der Volks- wirtschaft I, S. 143.
Zweiter Teil
Die Entwicklung der Wertlehre in der übrigen Scholastik seit Thomas v. Aquin
Erster Abschnitt.
Die allmähliche Ausbildung der subjektiven Wertlehre.
Die hier behandelte Periode schließt sich zeitlich unmittelbar an die vorhergehende an, ja in dem an erster Stelle behandelten Bonaventura läuft sie derselben parallel. Sie schließt mit dem Tode des Duns Scotus in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahr- hunderts. Die folgende Darstellung wird zu zeigen haben, daß es gerechtfertigt ist, diese Zeitspanne als einen besonderen Abschnitt abzugrenzen.
Die geistigen Faktoren, die die Entwicklung des ökonomi- schen Denkens in dieser Periode bestimmen, sind dieselben wie in der vorigen. Auch in den wirtschaftlichen Verhältnissen tritt keine wesentliche Änderung ein; nur werden wir ein allmähliches weiteres Aufblühen des Wirtschaftslebens anzunehmen haben, das sich vor allem in einer Ausdehnung des Handels äußert.
Ausführlicher werden in der Scholastik seit Heinrich von Gent Rentenverträge behandelt und die Erlaubtheit ihres Kaufes bzw. Verkaufes erörtert. Doch fehlt es noch an einer klaren Terminologie, sodaß es häufig kaum möglich ist, ein genaues Bild von den behandelten Verträgen zu gewinnen. Es kommen Renten- käufe und -verkaufe auf eine bestimmte Reihe von Jahren oder auf Lebenszeit oder sogenannte ewige Rente (census haeredi- tarius) vor. Es handelt sich teilweise um Renten, die auf ein be- stimmtes Grundstück fundiert sind, oder deren Grundlage das ge- samte Vermögen des Rentenschuldners bildet. Auch bezüglich der Entstehung der Renten liegen mannigfache Unterschiede vor: Über- tragung eines Grundstückes von seiten des Eigentümers unter Vorbehalt des Obereigentums, dessen wesentlichen Inhalt die Rente bildet — die für das mittelalterliche Wirtschaftsleben so bedeutungs- volle Form der Leihe (census reservativus); Überlassung einer Geld- summe, die als Kaufpreis einer Rente erscheint, mag dieselbe schon bestehen (Zinskauf) oder neu errichtet werden (der eigent- liche Rentenkauf, census constitutivus). Alle diese Unterschiede, die in der späteren Literatur für die Stellung zu den einzelnen
I2Ö
Vertragsarten von außerordentlicher Bedeutung werden, liegen hier bereits vor, treten aber nicht klar zutage, so daß es, wie be- tont, häufig schwierig ist, zu ermitteln, welche Vertragsart im Sinne der späteren Terminologie behandelt wird1).
Der allmählichen kapitalistischen Entwicklung des mittel- alterlichen Wirtschaftslebens entsprechend, wurde der eigentliche Rentenkauf am wichtigsten. Derselbe besteht in der Zahlung einer Geldsumme, wogegen der Empfänger derselben an seinem Grund- stücke einen dinglichen Zins bestellt. Das belastete Grundstück bleibt Eigentum des Schuldners. Der Rentenkauf ist aus den Be- dürfnissen des mittelalterlichen Wirtschaftslebens heraus entstanden, zuerst in den Städten seit dem 12. Jahrhundert, wo einerseits die aufblühenden Gewerbe und vor allem der Handel der Benutzung fremder Kapitalien bedurften, und wo andererseits Bedürfnis nach der Anlage erworbener Kapitalien bestand. Der Rentenvertrag war wenigstens anfangs von beiden Seiten unkündbar; es handelt sich also um einen census haereditarius.
Juristisch ist der Rentenkauf vom Darlehen verschieden: Das Kapital ist nicht zurückzuzahlen, sondern bildet den Kauf- preis für die ewige Rente. Die Rente ruht ferner auf dem Grund- stücke, ist eine dingliche, keine persönliche Last. Die juristischen Verschiedenheiten ermöglichten der kanonistischen Literatur eine grundsätzlich andere Stellungnahme, als sie zum Darlehen einnahm.
§ 1. Bonaventura.
I. Bedeutung und Leben2). Die Stellung, die Johannes Fidanza, mit seinem kirchlichen Namen Bonaventura genannt, in der Entwicklung des mittelalterlichen Geisteslebens einnimmt, ist in erster Linie für die Geschichte der Mystik bedeutungsvoll. Gleichwohl dürfen seine Leistungen auf dem Gebiete der Scholastik nicht unterschätzt werden; man zählt ihn vielmehr zu deren größten Vertretern.
1221 zu Bagnarea im Kirchenstaate geboren, wurde er Mit- glied des Franziskanerordens, war ein Schüler des Alexander v. Haies, und starb 1274 in Lyon.
x) Vgl. die diesbezügliche Bemerkung von Funk, Gesch. des kirchl. Zinsverbots, S. 45 Anm. 3. Zu den Rentenverträgen vgl. Loening, Art. Rentenkauf und Renten- schuld H. W. d. St. V, S. in ff.: v. He ekel, Art. Rentenkauf W. d. V. II, S. 680 ff.; Ashley, a. a. O., II, S. 436 ff. ; Endemann, Studien II, S. 104 ff.; Bruder, Studien S. 15 ff.
2) K. L. II, ioijff.; R. E. III, 282ff; Hurter II, 32off.; Überweg-Heinze H, 279 ff.
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Bonaventuras Äußerungen über wirtschaftliche Dinge sind im Gegensatz zu Thomas von Aquin äußerst spärlich. Am ein- fachsten dürfte dies aus der mystischen Richtung seines Geistes zu erklären sein, sowie daraus, daß er die Schriften des Aristoteles, die für Thomas den Quell seiner wirtschaftlichen Anschauungen gebildet hatten, noch nicht verwertet. Insofern ist er also noch vorthom istisch. Ausführlicher kommt er nur auf Arbeit, Armut, Betteln usw. in den Schriften zu sprechen, in denen er das Ideal seines Ordens gegen Angriffe verteidigte; die aber für unsere Zwecke kaum etwas enthalten. Im übrigen sind wir zum größten Teile auf mehr oder minder zufällige Äußerungen angewiesen, die aber manche wichtige Prinzipien enthalten, die ihn weit über Thomas hinausheben. Häufiger wird sonst noch die Frage des Wuchers behandelt, ohne daß indessen die thomistische Begründung des Zinsverbotes erreicht würde. Man wird sich hüten müssen, aus den meist zufällig geäußerten Gedanken zuweitgehende Schlüsse ziehen zu wollen.
IL Das Eigentum. Der Besitz der Güter ist eine wesent- lich greistiee Funktion , indem allein durch den menschlichen Willen Eigentum begründet wird1). Während vor dem Sünden- falle Gemeineigentum als Naturgesetz bestand, ist jetzt das Privat- eigentum ein dictamen naturae; es hat die Verhinderung der con- tentiones et lites unter den Menschen, zum Zwecke2). Den Be- eriff des Naturgesetzes bestimmt Bonaventura unter Berufung auf verschiedene augustinische Schriften dahin: »Lex naturalis est im- pressio facta in anima a lege aeterna; lex autem aeterna est illa, qua incommutabili permanente cetera ordinantur« 3). Für den in äußerster Not Befindlichen hört das Privateigentum auf4;.
III. Wert lehre. Der Tausch erscheint als notwendig, weil sonst dem einzelnen eine volle Befriedigung seiner Bedürfnisse nicht möglich wäre5). Über die Gerechtigkeit und Wertgleichheit im Tausche äußert sich Bonaventur nicht. Immerhin finden sich einige Äußerungen zur Wertlehre, auf Grund deren man ihn als Anhänger einer subjektiven Wertlehre bezeichnen kann. So betont er: »cupiditas hominum valorem rebus imposuit vel opinio, quia si opinio hominum vellet, stannum plus valeret sicut aurum vel argen-
J) Apol. Paup. c. XL, 9 (VIII, S. 313).
2) Sent. II, 44, 2 ad IV (II, S. 1009).
3) De perf. Evang. q. IV, a. 1. (V, S. 181).
4) Apol. Paup. c. X, 13 (VIII, S. 309).
5) Determin. Quaest. P. II, q. 14 (VIII, S. 367).
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tum « l). Jeder, heißt es an einer anderen Stelle, erwartet vom Tausche Gewinn : das Gut, das man zu erlangen hofft, wird höher geschätzt, als das, welches man hingibt: »carius habetur illud, quod emitur, quam pretium, quo emitur«2). Es ist hiermit ein Prinzip aufgestellt, das für die spätere Entwicklung der Lehre vom gerechten Preise von großer Bedeutung geworden ist. Bona- ventura selbst untersucht diese Frage nicht. In einem anderen Zusammenhange erörtert er die Bedeutung der Kosten für den Preis: »in terra sterili et saxosa agricola plus laborat etsi fructus paucior, sed precium maius, etquae difficilius elaborantur, saepe cariusvenduntur«3). Die Betonung der Arbeit als preis- bildenden Momentes trägt aber ersichtlich einen subjektiven Cha- rakter. Die Kosten erscheinen nicht als die Grundlage des Preises schlechthin.
IV. Der Handel. Wenn Bonaventura auch das Ideal seines Ordens, die volle Armut des einzelnen und der Kommunität, das Leben von milden Gaben der Gläubigen mit Eifer verteidigt, so will er dies doch keineswegs als allgemeingültiges Ideal hinstellen. Er betont vielmehr die Notwendigkeit und Verdienstlichkeit wirt- schaftlicher Arbeit für die menschliche Gesellschaft. Auch hebt er, wie schon Thomas, die Bedeutung der körperlichen Arbeit für das sittliche Leben hervor, wenn er auch die rein geistige Arbeit höher schätzt4). Ein näheres Eingehen auf diese Fragen ist hier nicht möglich.
Den Handel rechnet Bonaventura nicht zur körperlichen Arbeit; er bezeichnet ihn vielmehr als opus civile, das von der körperlichen Handarbeit einerseits und den opera spiritualia anderer- seits verschieden ist5). An anderer Stelle rechnet er den Handel jedoch zu den opera servilia oder mechanica, von denen man sich am Sonntage zu enthalten hat6).
h Serm. de Temp. Fer. II, pr. Pascha (IX, S. 288).
2) Sent, III, 32 q. 5 ad. 1 (III, S. 705 ff.). In diesem Prinzip sieht Böhm- Bawerk das Grundgesetz der Preisbildung (vgl. Grundzüge der Theorie des Subjekt. Güterwerts. J. f. N. u. St., N. F., Bd. 13, S. 489 ff.; Positive Theorie des Kapitals, S- 35/ ff.). Vgl. auch Menger, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, S. 173 ff.; hier wendet er sich gegen das Äquivalenzprinzip. Dasselbe ist also schon vor der öster- reichischen Schule überwunden gewesen.
3) De sex aliis Seraph, c. V, 10 (VIII, S. 140).
4) Vgl. z. B.: Apol Paup. c. VII, 20 (VIII, S. 279); De perf. Evang. q. II, a 3 (V, S. 162 f.); Expos, sup. Reg. Frat. Min. c. V, 1 (VII, S. 419) und sonst häufig.
5) De perf. Evang. q. 2, a 3 (V, S. 161).
6) De dec. praecep. IV, 9 (V, S. 521).
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Der Kaufmann erstrebt in erster Linie für sich Bereicherung: »habet indigentiam pretii et potius intendit in mercando se ipsum ditare quam alienam inopiam relevare«1). Daneben betont Bonaventura die wirtschaftliche Notwendigkeit des Handels für die menschliche Gesellschaft, ohne den »multae terrae non possent vivere«2).
Der Handel an sich ist etwas ethisch Indifferentes3); er kann je nach der Art, wie er ausgeübt wird, als sittlich gut oder schlecht zu beurteilen sein. Gegen eine Betreibung des Handels, wie sie dem Zwecke desselben entspricht, ist nichts einzuwenden. Freilich liegt die Gefahr des Mißbrauches sehr nahe4), indem der Kaufmann leicht seine Kunden an Gewicht, Zahl oder Maß betrügt. Bona- ventura fügt das scharfe Urteil hinzu: »et de hoc rarissime eva- dunt mercatores« 5). Er sieht also den Handel an sich als erlaubt an, steht aber der praktischen Ausübung desselben nicht wohl- wollend gegenüber. Vielleicht wirken hier die Anschauungen der Patristik nach, deren Stellung zum Handel im allgemeinen von ähnlichen ethischen Erwägungen bestimmt ist. Über die Höhe des erlaubten Handelsgewinnes äußert sich Bonaventura nicht.
V. Das Darlehen. Die Darlegungen Bonaventuras über das Darlehen sind nur kurz, und häufig sind seine Anschauungen mehr angedeutet als ausgeführt6). Wucher liegt nach ihm dann vor, wenn der Gläubiger aus dem Darlehen Gewinn erzielen will. Um die Unerlaubtheit desselben darzutun, beruft er sich neben dem alten Testament auch auf die bekannte Lucasstelle. Aber wie Thomas erklärt er: »Quidam dicunt, quod usura sit mala, quia prohibita, sed certe est prohibita, quia mala.« Die Gründe, die er zum Erweis der Unerlaubtheit des Zinsnehmens vorbringt, sind im allgemeinen denen ähnlich, die wir bei den Vorgängern von Thomas von Aquin angetroffen haben.
Er stellt das Verleihen von Geld und anderen nutzbaren Gegenständen gegenüber und betont, daß bei letzteren nicht wie bei ersteren eine Eigentumsübertragung stattfindet: »Et huius Signum est, quia non tenetur illam eandem numero reddere, sed Uli consimilem«; womit wohl die juristische Unmöglichkeit des
J) Sent. IIT, 32 q. 5 ad. 4 (III, S. 706).
2) Sent. IV, 16 p. I, dub. 15 (IV, S. 402).
3) In Ev. Luc. 19, 20 (VII, S. 479).
4) Sent. IV, 16 p. I dub. 15 (IV, S. 402).
5) De dec praecept. 18 (V, S. 528).
6j Vgl. zum Folgenden: In Ev. Luc. c. VI, 80 ff. (VII, S. 157), ferner de dec. praecep. 19 (V, S. 528). Sent III, 37. d. 7 (III, 836).
Beiträge zur Geschichte der Nationalökonomie. Heft 1. 9
Schreiber, Die volkswirtsch. Anschauungen d. Scholastik.
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Zinses dargetan werden soll. Übrigens ein deutlicher Beweis, daß das Geld rein nach seiner äußeren Erscheinung im Sinne von Geldstücken betrachtet wird. Beim Gelde ferner finde durch den Gebrauch keine Abnutzung statt, als deren Ersatz etwa ein Überschuß über das Kapital zu zahlen wäre. Das Geld ist nur fruchtbar in Verbindung mit der menschlichen Arbeit: »tota ratio utilitatis est ex parte utentis.« Ebenfalls vor Thomas war uns schon der Gedanke begegnet, daß die ganze Gefahr, die mit der Verbindung des Darlehns verbunden sei, den Schuldner treffe, nicht den Gläubiger. Thomas verwendet die umgekehrte Tatsache zur Rechtfertigung des Gewinnes aus der Sozietät.
Eigenartig ist ein anderer Gedanke, der freilich schon vor Bonaventura vereinzelt aufgetreten war, sich aber bei Thomas nicht findet1): zwischen dem Darleihen und der Rückzahlung des Geldes liegt ein bestimmter Zeitraum, als dessen Vergütung der Zins aufgefaßt werden könnte. Bonaventura wendet sich hiergegen mit der Argumentation, daß die Zeit Gemeineigentum sei: »id, quod venditur, est commune, scilicet tempus.« Im Zins liege also eine »appropriatio communitatis« vor und damit eine »perversio ordinis«. Es ist dies ein Gedanke, der später noch häufig wiederholt wurde.
Das Darlehen erscheint Bonaventura als eine Unterstützung des Nächsten, der sich in Xot befindet. Er weist darauf hin, daß der Begriff »Not« den verschiedenen Verhältnissen der einzelnen Menschen entsprechend verschieden angenommen werden müsse. Nur das Vorliegen einer Bedürftigkeit rechtfertige das Zinszahlen von seiten des Schuldners, weil er dieses dann nicht freiwillig tue, sondern wenigstens in gewissem Sinne gezwungen, indem er eben sonst auf die Unterstützung durch das Darlehen verzichten müßte. Bonaventura tadelt es aber, das, wozu man ex amore proximi ver- pflichtet sei, zum Gelderwerb zu benutzen2).
VI. Rückblick: Wie betont, sind Bonaventuras Äußerungen speziell über die Wertlehre nur gelegentlich und unzusammen- hängend; gleichwohl zeugen sie von scharfer Beobachtung der ihn umgebenden wirtschaftlichen Verhältnissen. Bei ihm wird, soweit ich sehe, zuerst erkannt, daß der Tausch vom Gewinnprinzip beherrscht ist, und daß das Streben des Händlers in erster Linie
x) So sagt Wilhelm v. Auxerre in seiner Summa vom Wucherer, er ver- kaufe das, »quod de necessitate est omnium creaturarum commune«. (Fol. 225b.) Vgl. Lessei, a. a. O. S. 17 f. Vgl. auch oben S. 108, Anm. 5.
2) Sent III, 37, dub. 7. (III, 835 ff.); cf. Sent. IV, 15 q. 1 (IV, S. 371). Vgl. die auf S. 129 Anmerkung 6 angegebenen Stellen.
auf Gewinn gerichtet ist. Es sind, wie nochmals hervorgehoben sei, zufällige Bemerkungen, und man wird Bonaventuras Stellung zur Lehre vom gerechten Preise nicht daraus bestimmen können. Aber gleichwohl ist damit das Moment berührt, an das die weitere Entwicklung der Wertlehre in erster Linie anknüpfen konnte.
Zunächst haben wir uns freilich einem Scholastiker zuzuwenden, der die Ideen des normalen Wertes und des Äquivalenzprinzips, wie Thomas sie vertrat, am schroffsten zur Ausbildung brachte, Heinrich v. Gent.
§ 2. Heinrich von Gent.
I. Leben und Schriften1). Über das Leben Heinrichs von Gent besteht in vieler Beziehung Unklarheit. Wahrscheinlich wurde er um 12 17 geboren; er starb 1293. In der Hochscholastik nimmt er eine bedeutende Stellung ein. Von seinen Zeitgenossen wurde er als Dr. solemnis gefeiert. Von seinen Werken kommen für uns in Betracht vor allem die Ouodlibeta, der Niederschlag- seiner in Paris in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren seit 1256 gehaltenen Disputationen; daneben, freilich in bedeutend geringerem Maße seine Summa quaestionum ordinariarum, die wohl zu derselben Zeit entstanden ist. Sein Wirken ist also unmittelbar in die Jahre nach dem Tode des Thomas von Aquin und Bonaventura anzu- setzen. Seine wirtschaftlichen Anschauungen sind in mancher Hin- sicht von hohem Interesse.
IL Eigentum: Hinsichtlich der Frage des Privateigentums steht Heinrich von Gent ganz auf demselben Boden, wie seine Vorgänger: Wäre auch das Gemeineigentum an sich besser und wünschenswert, so ist doch das Privateigentum für den gegen- wärtigen Zustand nicht zu entbehren2). Wir können die näheren Ausführungen, da sie nichts Neues bieten, überschlagen. Dasselbe gilt von seinen Anschauungen bezüglich des standesgemäßen Be- sitzes3), die ebenfalls von den thomistischen Gedanken nicht ver- schieden sind. Wir gehen daher gleich zur Behandlung seiner Wert- und Preislehre über.
III. Tausch und Wert: Das Bestehen des Privateigentums und die Tatsache, daß jeder einzelne zur Befriedigung seiner Be- dürfnisse auf die Unterstützung der anderen angewiesen ist, machen den Tausch notwendig4).
x) Cf. Hurter II, S. 396 ff. R. E. VII, 602. K. L. V, 1704 ff.
2) Vgl. z. B. Quod IV, q. 20 (S. 197 b ff).
8) Vgl. z. B. IV, 26 (S. 21 ib f).
4) Quod. I, 40 (S. 42b). Quod VI, 22 (S. 367).
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Der Tausch hat nach Wertgleichheit vor sich zu gehen. Be- züglich seiner Anschauung vom Werte folgt Heinrich völlig den von Augustinus vorgezeichneten Richtlinien. Die von diesem für Tausch und Wertgleichheit aufgestellten Prinzipien sind in keiner Weise fortgebildet, werden vielmehr im alten Sinne nur in ausge- dehnterem Maße für die Beurteilung der einzelnen Vertragsarten verwendet. Wie Augustinus jedes billig einkaufen und teuer ver- kaufen als sündhaft verwarf, so fordert auch Heinrich v. Gent absolute Wertgleichheit im Tausche. Käufer und Verkäufer sollen sich verhalten wie zwei Wagschalen, die nach möglichster Aus- gleichung streben; es ist nicht gestattet über die Gleichheit hinaus zu nehmen1). Er stützt sich hierbei auf Augustinus De Trin. 13,3 2).
Der Wert der Güter wird bestimmt, wie ebenfalls wohl in Anlehnung an Augustinus ausgeführt wird, durch den Nutzen, den sie dem Menschen gewähren3). Der Wert ist nach Ort und Zeit verschieden, besonders ist die vorhandene Menge von Einfluß. Er kann erhöht werden durch menschliche Arbeit usw.4). Immer aber erscheint der Wert unter gegebenen Verhältnissen als fest bestimmt5). Dieser normale Wert liegt allen weiteren Ausführungen bei Heinrich von Gent zugrunde. Die Gleichheit dieses festen Wertes ist für den Tausch anzustreben und naturrechtliche Forderung der aequitas naturalis: »quae stat in medio indivisibili secundum naturam inter emptum et venditum, sicut lingua librae stat perpendiculariter inter brachia librae aequaliter ponderantia« 6). Freilich können wir diese Gleichheit, wie sie an sich erfordert wird, nicht einhalten: ex parte nostra ist jenes medium divisibile, weil wir den wahren Wert der Güter nicht absolut genau zu schätzen vermögen7). Die Tauschkontrahenten sind aber verpflichtet, demselben möglichst nahe zu kommen. Die Bestimmung des römischen Rechtes, die einen Vertrag erst dann für ungültig erklärt, wenn eine Übervor-
a) I, 40 (S. 42 b): »aequale debet esse omnino in valore datum et receptum hinc et inde et in hoc ambo debent esse iudices tanquam duo brachia librae et animatae iustitiae, ut qui in pondere pretii sentiat se plus recepisse de eo, quod est alterius, res- cindat et reddat ei de suo, quousque fiat aequale, et sie Stent quasi brachiis librae ele- vatis et depressis aequaliter.« Vgl. ferner: VI, 22 (S. 367). VIII, 24 (Bd. II, S. 46 b).
2) I, 40 (S. 42 b).
3) VI, 22 (S. 367).
4) Hierüber im folgenden.
5) Hein. v. G. betont z. B., daß wenn jemand Schafe zum gerechten Preise ge- kauft hat, es nicht gestattet ist, dieselben sofort teurer zu verkaufen, weil der Preis noch derselbe ist. VI, 22 (S. 367).
6) II, 15 (S. 68 b).
7) 1 c.
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teilung über die Hälfte des gerechten Preises hinaus stattgefunden hat, mag für das positive Recht passend sein, die natürliche Ge- rechtigkeit begnügt sich damit nicht1). Diese verlangt eine mög- lichst genaue Einhaltung der natürlichen Gleichheit. Andernfalls kann nur eine invincibilis ignorantia die Tauschenden vor Begehung einer Sünde schützen2). So ist der Zweck des »Handelns« der, dem gerechten Preise möglichst nahe zu kommen3). Und dem Satze: Tantum res valet, quantum vendi potest stellt er den anderen Satz gegenüber, eine bestimmte Sache bemesse ihren Wert darnach »quantum vendi debet«. Jenes »Können« des ersten Satzes sei als ein Können im Sinne der Gerechtigkeit, soweit letztere nicht ver- letzt werde, aufzufassen. Eine Übervorteilung könne ihren Grund nur darin haben, daß z. B. der Käufer den wahren Wert nicht kenne oder darin, daß der Verkäufer die Not des Käufers aus- beuten wolle4). Bei voller Freiheit der Entschließung und klarer Kenntnis des Wertes einer Sache würde keiner mehr geben wollen, als er empfängt5). Man sieht: Die ethische Bindung des Tausches ist hier in schroffster Weise durchgeführt. Das Äquivalenzprinzip ist mit dem Gedanken eines Gewinnes unvereinbar.
Wie schon erwähnt ist die Wertlehre für die übrigen wirt- schaftlichen Anschauungen Heinrichs entscheidend. Dies zeigt sich zunächst in seiner Behandlung des Tausches verschiedener Münzen gegeneinander.
Die Lehre vom Gelde enthält gegenüber der früheren Zeit eine gewisse Weiterführung und Vertiefung. Als Erfordernisse des Geldes werden die materia preciosa et utilis sowie das nötige Ge- wicht, als dessen Garantie der Stempel erscheint, bezeichnet. Der Wert des Geldes beruht auf denselben Faktoren wie der Wert der anderen Dinge. Im Tausche freilich fungiert es als abstraktes Wertäquivalent, oder wie Heinrich sagt: »Habet, inquantum num- mus est, cursum suum habens, rationem pretii, non substantiae, ut per pretium nummorum adaequentur pretia rerum venalium«6).
a) I.e., ferner II!, 28 (S. 138): Die vom römischen Rechte geforderte Gerechtig- keit ist »inchoata et imperfecta«. -) III, 28 (S. 138).
3) 1. c. Unde popter hoc permittuntur placitationes inter ementes et vendentes, ut scilicet venditor rem' appreciet plus et emptor offerat minus, quousque venditore auferente de appreciato et emente apponente ad oblatum sine omni coactione et deeep- tione deveniatur ad aliquod medium, in quo ambo consentiunt et putant esse medium et p.equale.«
4) I, 40 (S. 42 b.) cf. XIV, 14 (II, S. 357 bf.).
5) II, 15 (S. 68 b).
6) VI, 22 (S. 367).
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Bei einem Tausche von Geld gegen Geld muß daher an sich nach Gleichheit der Preise getauscht werden, wenn nicht besondere Umstände eine höhere Forderung rechtfertigen1). Die Erörterung dieser einzelnen Fälle führt Heinrich zu manchen wichtigen neuen Aufschlüssen über das Geldwesen2). Wenn in einem Lande durch staatliche Zulassung oder Anordnung mehrere Münzsorten um- laufen, so kann das Wertverhältnis so festgesetzt werden, daß dem Gewichte nach die eine Münze mehr wert sein müßte, als dem pretium institutum entspricht. Dann darf der Besitzer diese höher- wertige Münze aus dem Verkehr ziehen und das »pondus super- excrescens« verkaufen und zwar in »forma ponderis« und nur in dem Falle »nisi specialiter et publice a principe fuerit interdictum vel ex natura institutionis numismatis per impressionem characteris de iure communi sit interdictum, quemadmodum interdicta est decopatio nummorum.«
Wäre das Wertverhältnis hingegen gerecht festgesetzt, so wäre eine Mehrforderung nur berechtigt, wenn eine besondere Mühe- waltung vorgelegen hätte. Der Wechslerstand hat mithin ein Recht auf Existenz.
Eine Münze hingegen, die am Tauschorte nicht umläuft, ist eine Ware wie alle anderen Dinge auch, kein pretium, sondern eine »res apprecianda«. Sie kann daher nach ihrem inneren Metallwerte gekauft bzw. verkauft werden, und wenn sie an ihrem Ursprung's- orte einen höheren Kurswert hat, so kann der Käufer sie dorthin bringen und zu einem höheren Werte »in usum ponere«. Der er- zielte Gewinn ist eine Belohnung seiner Tätigkeit, seiner Industria. Der Gewinn des Wechslers aus der Kursverschiedenheit der Münzen wird also hier als »Arbeitslohn« aufgefaßt
Heinrich besitzt in mancher Hinsicht tiefere Kenntnisse des Geldwesens als Thomas. So ist es ihm z. B. bekannt, daß ver- schiedenwertige Münzen im Umlauf seien und die höherwertigen aus dem Verkehr gezogen werden können. Freilich beschäftigt ihn nicht das Problem als solches, sondern er sucht nach einer ethischen Normierung des Vorganges.
Doch die letzten Erörterungen über den Gewinn des Wechslers haben uns bereits zum Handel hingeführt.
IV. Der Stellung zum Handel3) liegt bei Heinrich von Gent das bekannteWort aus (Pseudo-) Chrysostomus zugrunde, daß der-
*) 1. C.
2) Vgl. zum folgenden: 1. c. (S. 367 b.).
3) Vgl. zum folgenden: I, q. 40 (8.42b ff.).
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jenige, der eine Ware unverändert weiter verkaufe, sündige. Hieran anschließend erklärt er nur den Mehrwert für gerechtfertigt, der durch eine zwischen Kauf und Verkauf stattgefundene Wert erhö hu ng erzielt ist. Eine solche Werterhöhung kann in verschiedener Weise vor sich gehen: durch Zusetzung körperlicher Arbeit, oder wrenn der Kaufmann die Ware von einem Orte, wo sie infolge größerer Menge weniger wert ist, nach einem Platze bringt, wo er einen höheren Preis erzielen kann, oder wenn er eine Ware zu einer Zeit, wo sie billig ist, aufkauft und zu einer anderen Zeit, wo sie teuerer ist, verkauft. Ferner ist ein teuerer Verkauf erlaubt, wenn z. B. ein Händler eine Ware, die auf dem Markte an sich zu ge- ring bewertet ist, ihrem wahren Wert nach erkennt; er darf dann die Ware zum Marktpreis kaufen und mit einem Aufschlag so- gleich wieder verkaufen, weil durch seine Tätigkeit der Wert der Ware allgemein erhöht ist — eine durchaus organische Ausge- staltung des Äquivalenzprinzips, nicht etwa eine Durchbrechung oder Lockerung desselben1). Also nur dann ist der Handel er- laubt, wenn er zu einer Werterhöhung der Waren geführt hat, sei es ratione substantiae, loci, temporis oder ementis. Auch er ist also an die Forderung des gerechten Preises streng gebunden. Im übrigen ist der Gewinn auch nur dann erlaubt, wenn er nicht als Selbstzweck erstrebt wird, sondern wenn die Kaufleute darauf ausgehen, »ut ... de lncro vivant«2).
In der Nichtbeachtung des gerechten Preises liegt die Gefahr des Handels: »Unde, cum pauci sint mercatores, qui cum tanto studio servandae aequitatis vendant et emant, summe periculosa est venditionis et emptionis negotiatio«3).
Die Ausführungen über den Handel sind nichts anderes als die scholastische Wirtschaftsethik in ihrer vollen Konsequenz; sie sind aber ein getreues Spiegelbild der früher geschilderten anti- kapitalistischen Motivrichtungen des mittelalterlichen Wirtschafts- lebens und daher unverständlich, wenn sie nicht ergänzt werden durch einen Blick auf die Verhältnisse des mittelalterlichen Marktes, die Heinrich von Gent vorgeschwebt haben mögen.
V. Wucherlehre. Das Mutuum ist unter Bezugnahme auf Luk. VI, 35 seiner Natur nach ein unentgeltlicher Vertrag: Jede Hoffnung auf Gewinn ist daher in ihm unerlaubt4). Ein Darlehen
1) Der Betreffende hat dem eigentlichen Zweck des Handelns, der Feststellung des natürlichen Wertes gedient. Vgl. S. 132 f.
2) 1- c. (S. 43).
:<) 1. c. (S. 42 b).
*) Quod. VIII, q. 24 (II, S. 46 b f.) und sonst.
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liegt nun überall dort vor, wo das Geld nicht seiner eigentlichen Natur entsprechend als medium emptionis et venditionis, sondern tanquam extremum dient, wo also Geld gegen Geld getauscht wird 1). In allen derartigen Verträgen ist jede Hoffnung auf Ge- winn wucherisch, mag der Mehrwert in Geld oder in anderen Dingen bestehen 2). Der Grund hierfür liegt nicht allein in einem positiven kirchlichem Verbote, wie wohl Juden und Legisten be- haupten3), die ersteren zur Rechtfertigung ihres Tuns, letztere im Anschluß an das römische Recht4), sondern das Zins verbot ist in der Natur der Sache begründet. Heinrich von Gent beweist dies vor allem dadurch, daß beim Gelde Gebrauch und Verbrauch identisch seien, daß daher nicht wie bei nutzbaren Gegenständen Substanz und Nutzung getrennt verkauft werden könnten. Auch das Zitat aus (Pseudo-)Chrysostomus5) kehrt wieder. Eine Eigentumsüber- tragung am erwucherten Gelde lehnt Heinrich ab. Daher ist ge- schäftlicher Verkehr mit solchen, von denen bekannt ist, daß sie nichts als zu Unrecht erworbenes Geld besitzen, nicht gestattet, wenn sie durch Ausgabe ihres Geldes in ihrer Restitutionsfähigkeit geschädigt werden6).
Diese Lehre wird zunächst auf den Kreditkauf angewendet7): Bei Stundung der Zahlung ist der Preis anzustreben, den die Ware im Augenblick der Zahlung haben wird. Erwartet nun der Ver- käufer z. B. eine Preissteigerung, so darf er bei Abschluß des Ver- trages sich einen höheren Preis ausbedingen, als die betreffende Ware zur Zeit des Abschlusses hat: Er muß sich aber bemühen, möglichst genau den Wert in der späteren Zeit zu schätzen. Hat er dann tatsächlich etwas mehr gefordert, so sündigt er zwar nicht, muß aber — auch hier wird nur eine allerdings schroffe Konse- quenz aus der Wertlehre gezogen — bei Erkenntnis seines Irrtums den Überschuß zurückgeben, ebenso wie im umgekehrten Falle der Käufer aufzulegen hätte. Eine Mehrforderung wegen der Zahlungsverschiebung als solcher ist nicht gestattet.
!) l. C.
2) III, q. 28 (S. 138 f.). Es wird hier betont, daß ein Darlehen auch in anderen Dingen gewährt werden kann als in Geld, was aber in den weiteren Ausfüh- rungen kaum beachtet wird.
3) I, q. 39 (S. 40 b). VI, q. 26 (S. 374b).
4) Möglicherweise ist hier an den Glossator Accursius v. Bologna (1182 — 1260) gedacht, der auf das römische Recht sich stützte und einen Zins an sich für erlaubt er- klärte. Vgl. Ashley, a. a. O. I, 152.
5) I, q. 39 (S. 40).
6) IV, q. 27 (S. 212 f.).
7) Vgl. zum folgenden III, q. 28 (S. 139 f.).
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Ähnliches gilt z. B. bei Verabredung des Pachtzinses auf längere Zeit: Ändert sich der Wert der Nutzung eines bestimmten Hauses, so muß der zu zahlende Preis dieser Veränderung ange- paßt werden.
VI. Rentenverträge: Zum ersten Male in der Scholastik behandelt Heinrich von Gent ausführlicher den Rentenkauf1). Funk2) hat in seinen diesbezüglichen Äußerungen eine Wand- lung angenommen im Sinne einer allmählichen Milderung seiner Forderungen: Während er zuerst den Renten vertrag an sich über haupt verworfen habe, habe er ihn später wenigstens in einigen Formen gestattet Eine solche Entwicklung dürfte kaum vorliegen, was sich schon daraus ergibt, daß sich Heinrich noch an der Stelle, wo nach Funk bereits die Änderung vorliegen soll, auf seine früheren Ansichten beruft und mit seinen dortigen Darlegungen verbindet. Zu dem stimmen die einzelnen Ausführungen durch- aus zueinander.
Für unerlaubt3) erklärt Heinrich den Erwerb einer Geldrente unmittelbar gegen Geld, wenn dieselbe neu konstituiert wird und nicht bereits vorher bestanden hat; — er verwirft also den eigent- lichen Rentenkauf — , durchaus konsequent, wenn wir uns ver- gegenwärtigen, daß er überall dort ein Mutuum sieht, wo Geld gegen Geld getauscht wird, und für diesen Fall jede Hoffnung auf einen Gewinn verbietet. Wenn die Juristen, betont er, in diesem Vertrage einen einfachen Kauf- und Verkaufvertrag erblickten und ihn deshalb für erlaubt erklären wollten, so sei damit das wahre Wesen desselben nicht erfaßt, wie es sich bei Betrachtung- des Theologen und Philosophen ergäbe; für diese läge ohne Zweifel ein Mutuum vor: Denn der Erwerb einer Geldrente unmittelbar gegen Geld ist von einem Darlehen in keiner Weise verschieden:
1) Aus der Zeit vor H. v. G. seien von denen, die rentenartige Verträge er- örtern, genannt: Goffredo v. Tr., der den Fall bespricht, daß von Klöstern oder Kirchen Besitzungen auf Lebenszeit erworben werden. Er weist die Ansicht derjenigen zurück, die diese Verträge für erlaubt erklären im Hinblick auf das in ihnen vorliegende incertura: »Sed puto contrarium eo, quod homines sperant vivere et sie taliter contra - hentes credunt se amplius pereepturos de possessionum proventibus quam sit peeunia quam dederumt. Et sicut in prineipio dictum est: sola spe contrahitur vitium usurarum (1. c. n. 30, S. 214b). Hostiensis weist dies zurück, nur Gleichwertigkeit sei nötig. Ebenso sei das Vorgehen derjenigen erlaubt: »qui oves vendunt vel donant et tradunt monasteriis sub hoc pacto, quod pro quolibet ove reeipiant in anno duos solidos. (1. c. 8, Sp. 1626.) Vgl. Endemann, Studien II, S. 109 f.
2) Geschichte d. kirchl. Zinsverbotes S. 42 ff.
3) I, q. 39 (S. 40b f.); vgl. ferner II, q. 15 (S. 68 ff.); VIII, q. 24 (II, S. 46b f.); XII, q. 21 (II, S. 258b f.); an letzterer Stelle Hinweis auf I, q. 39.
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ob ich einem anderen eine Summe Geldes leihe und nach Ablauf einer bestimmten Zeit Geld und Zinsen zurückfordere, oder ob ich eine Rente erwerbe und in bestimmten Raten allmählich ultra sortem erhalte, ist nichts wesentlich Verschiedenes; höchstens ist die letztere Form für den Schuldner noch drückender. Die Hoff- nung auf einen Gewinn, die im Darlehen die Wurzel des Wuchers ist, ist von einem derartigen Vertrage nicht zu trennen : Bei Kauf einer Rente auf Lebenszeit hofft der Käufer solange zu leben, daß er einen Gewinn erzielt, und der Käufer erwartet das Gegen- teil, von den ewigen Renten ganz zu schweigen1). Die Ungewißheit für Käufer und Verkäufer kann nicht als Entschuldigungsgrund dienen, weil sie die Hoffnung auf einen Gewinn nicht aufhebt. Auch ein Darlehen kann in der Form gewährt werden, daß der Gläubiger nach Jahresfrist Kapital und Zinsen zurückerhält, daß aber, wenn er in der Zwischenzeit stirbt, beides dem Schuldner verbleiben soll. Wie der letztere Vertrag wucherisch sei, so auch der erstere. Einen von anderer Seite angeführten Grund gegen die Erlaubtheit eines derartigen Rentenkaufes weist Heinrich zurück: Daß der Verkäufer der Rente möglicherweise den Tod des Käufers wünsche, mache den Vertrag an sich noch nicht unerlaubt.
In anderen Fällen dagegen hält Heinrich den Rentenkauf bzw. Verkauf für erlaubt2); z. B. in der Weise, daß jemand ein Grundstück kauft und dieses gegen eine jährliche Rente in Leihe oder Erbleihe gibt [haereditarie concedere2)], oder dadurch, daß jemand einer Kirche oder einer Gemeinde seinen Besitz übergibt und sich dafür auf Lebenszeit eine Rente vorbehält, oder dadurch, daß ein Fürst seinen Dienstleuten eine Rente aussetzt, mag dieselbe auf eine bestimmte nutzbare Sache basiert sein, oder auf das Ver- mögen (bursa) des Königs schlechthin. In allen diesen Fällen ist es gleichgültig, ob die Rente auf Lebenszeit oder für immer er- worben oder gewährt wird. Nur wird natürlich bei einer ewigen Rente unter sonst gleichen Verhältnissen die jährliche Quote geringer sein.
Aber Heinrich geht noch einen bedeutenden Schritt weiter: In allen Fällen, wo so eine Rente erlaubter Weise konstituiert ist, kann der Besitzer derselben gegen eine bestimmte Geldsumme sie weiter verkaufen: es wird dann nicht Geld gegen Geld getauscht,
J) VIII, q. 24.
-) Vgl. zum folgenden: VIII, q. 24; XII, q. 21,
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sondern mit Geld das ius percipiendi, also an sich eine unkörper- liche Sache erworben, sodaß in diesem Falle kein Verstoß gegen das Wesen des Geldes, das als Tauschmittel dienen soll, und kein Mutuum vorliegt. Eine Unterscheidung, die, wie wir noch sehen werden, in der späteren Scholastik wiederkehrt. Auch der Zins- kauf ist also berechtigt. Eine tiefere werttheoretische Durchdrin- gung der Renten vertrage ist nicht versucht.
VII. Rückblick. Fassen wir die Ergebnisse zusammen, so hat rein äußerlich betrachtet das Gebiet der behandelten Vertrags- arten an Ausdehnung gewonnen. Neu treten die Rentenverträge in die scholastische Literatur ein. Bezüglich der Anschauungen vom Gelde haben wir eine Weiterentwicklung festgestellt. Im übrigen sind die althergebrachten Anschauungen nicht weiter ge- führt. Sie werden im einzelnen etwas rigoristisch durchgeführt. Heinrich selbst erwähnt, daß nicht nur seine Anschauungen über den Rentenkauf, sondern auch seine Lehre vom Handel Wider- spruch gefunden habe1). Das erstere erscheint uns leicht begreif- lich, wenn wir daran denken, daß weite Kreise mehr oder minder an einer Aufrechterhaltung der von Heinrich verbotenen Renten- käufe interessiert waren. Heinrich selbst erwähnt, daß sie von staatlicher und kirchlicher Seite, wie von Klöstern, Beghinen, viel- fach angewendet wurden 2).
Was bezüglich seiner Stellung zum Handel Anlaß zum Wider- spruch bot, bleibt unklar. Wenn wir jedoch die spätere Entwick- lung der scholastischen Wirtschaftslehre uns vergegenwärtigen, so können wir vielleicht vermuten, daß die schroffe, jeden Gewinn ausschließende Durchführung des Äquivalenzprinzips Anstoß erregte. Heinrich selbst weist gelegentlich unwillkürlich darauf hin, daß hier ein ungelöstes Problem ruhte: Er stellt einmal das Mutuum, in dem jeder Gewinn verboten sei, dem Kauf und Verkauf gegen- über, in dem eine Verletzung der Wertgleichheit verboten sei, führt also den Gegensatz nicht konsequent durch3). So sind in seinen Gedanken gewisse Lücken und Unklarheiten, die zum Wider- spruch herausfordern und nach Ergänzung und Vertiefung ver- langen. An den bezeichneten Punkten setzt die weitere Ent- wicklung ein.
i) II, q. 15 (S. 68 f.).
2) I, q. 39 (S. 40b); II, q. 15 (S. 68 f.); VIII, q. 24 (II, S. 46b).
3) VIII, q. 24 (II, S. 46 b). Man vgl. hiermit den Satz aus Avicenna, der Sum. quaest. ordin. p. I, a. 39 q. I. ad I (S. 244) zitiert wird: >Intendens est minoris esse, quam quod intenditur.«
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§ 3. Ricardus de Mediavilla.
I. Leben, Bedeutung und Schriften1): Ricardus de Media- villa (Heinrich von Middletown) ist wie Heinrich von Gent ein Zeit- genosse des Thomas von Aquin. Weder sein Geburts- noch Sterbe- jahr lassen sich sicher ermitteln. Wahrscheinlich starb er in den Jahren 1300 bis 1307. Er war Mitglied des Franziskanerordens, stand aber in seinen theologischen und philosophischen Anschau- ungen Thomas von Aquin nahe. Die wichtigeren, für uns in Be- tracht kommenden Schriften des Doctor solidus oder fundatissimus, wie das Mittelalter ihn nannte, sind sein Kommentar zu den Sen- tenzen des Petrus Lombardus, sowie ein Reihe Quodlibeta. Für die Entwicklung der Wertlehre ist er von größter Wichtigkeit.
IL Privateigentum und Notwendigkeit des Tausches: Die Notwendigkeit2) des Gemeinschaftslebens für die Menschen ergibt sich aus deren Bedürfnis nach gegenseitiger Aushilfe und Unterstützung, zumal in wirtschaftlichen Dingen. Die wechselseitige Unterstützungspflicht greift aber über die Grenzen des eigenen Landes hinaus: »omnes homines secundum rectum dictamen naturae debent subvenire sibi invicem in contractibus suis inquantum sunt viventes sub uno principe, qui princeps Deus est«3). Es hat dies in der wirtschaftlichen Tatsache seinen Grund, daß die einen Länder an Gütern Überfluß haben, an denen die anderen Mangel leiden, und umgekehrt4).
Die Stellung zur Eigentumsordnung ist wie überall von natur- rechtlichen Erwägungen bestimmt: Es ist die naturgesetzliche Be- stimmung der irdischen Güter, der Menschheit als solcher zum Unterhalt zu dienen. Das Privateigentum erscheint im Hinblick auf den durch dasselbe gewährleisteten besseren und friedlicheren Verlauf des wirtschaftlichen Lebens als dem ius naturae »consona pro statu naturae lapsae«. Freilich hört im Falle äußerster Not für den einzelnen das Privateigentum auf5).
III. Wert und Wertgleichheit. Mit Bestehen des Privat- eigentums ergibt sich die Notwendigkeit des Austausches. Über das Wesen des Wertes hat Ricardus sich nirgends ausführlicher geäußert, er gibt nur eine Reihe einzelner Angaben, die insofern
J) K. L. X. 1180 f. Überweg -Heinze II, S. 327 ff. Hurter II, 467 ff. ein kurzer Hinweis auf R. d. M. findet sich bei Pesch: Lehrb. II, S. 52, Anmerkung 1.
2) Sent. IV, 26, a. 1, q. 1.
3) Quod. II, 23, a. 1.
4) 1. c.
5) Sent. III, 37, 3, 4; Sent IV, 15, 5, 4.
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ein gewisses subjektives Gepräge tragen, als die Verschiedenheit des Wertes der einzelnen Waren nach Ort und Zeit und nach der Schätzung der einzelnen Tauschenden hervorgehoben wird und als bestimmend hierfür regelmäßig der größere oder geringere Vor- rat der in Betracht kommenden Güter erscheint: »aliquid esset mo- dicum diviti, quod esset multum pauperi« x).
Aber gleichwohl erscheint die Vorstellung eines normalen durchschnittlichen Wertes als herrschend: Die vom Naturrecht ge- forderte reale Gleichheit der getauschten Dinge geht auf den Wert an sich. Dieser Gedanke eines festen Wertes wird auch durch den Hinweis auf den weiten Spielraum des gerechten Preises nicht aufgehoben2). Für bestimmte Orte und Zeiten gilt ein bestimmter Preis als gerecht.
Mit dieser Auffassung der Wertgleichheit verbindet sich nun bei Ricardus eine andere Vorstellung: nämlich die, daß jeder im Tausche gewinnen will. DieFrage, »quomodoiustaemercationes, in quibus tantum dat emens, quantum accipiat, sunt lucrativae« bildet den Kernpunkt seiner Preislehre3). Sie war, wie oben ge- zeigt, bereits durch die Erörterungen seiner Vorgänger über das iustum pretium brennend geworden.
Ricardus weist zunächst zur Lösung des gestellten Problems auf den auswärtigen Handel hin: Wenn von zwei Ländern das eine an Wein Überfluß hat und an Getreide Mangel, so werden dort die Preise für Wein niedrig, für Getreide dagegen hoch stehen; für das andere Land, das an Getreide Überfluß hat und an Wein Mangel, gilt das Umgekehrte. Nun kann ein Kaufmann aus dem ersten Lande in das zweite gehen und hier zu dem dort geltenden Preise Getreide kaufen und dasselbe in dem eigenen Lande zu dem dort geltenden Preise verkaufen. Dann ist hier wie dort der gerechte Preis bezahlt und doch ein Vorteil erzielt. Ein Kauf- mann aus dem zweiten Lande könnte im ersten Wein kaufen und denselben in seiner Heimat verkaufen und so, ohne Verletzung des gerechten Preises in der gleichen Weise einen Gewinn erzielen4). »Vides ergo«, so schließt Ricardus, »quando possent esse iustae in se mercationes lucrativae propter mutuam indigentiam in diversis partibus mundi«5).
1) Quod. II, q. 29.
2) Quod. II, q. 23, a. 3 ; ib. a. 7, dub. I ; Sent. III, 23, a. 3, q. 4.
3) Quod. II, q. 23, a. 1.
4) Quod. II, 23, a. I; ib. a. 7, dub. I.
5) 1. C.
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Was für den Verkehr zwischen verschiedenen Ländern gilt, gilt in ähnlicher Weise auch für den Tausch verkehr innerhalb des eigenen Landes: Wenn jemand z. B. an Wein Überfluß besitzt und an Getreide Mangel und ein anderer umgekehrt, so kann der erstere seinen Wein verkaufen zu dem geltenden Preise und mit dem erhaltenen Gelde wieder zum herrschenden Preise Getreide kaufen ; der andere kann entsprechend verfahren : beide haben dann einen Gewinn gemacht: »Ille autem, qui pro re, quae non est sibi necessaria, acquirit rem sibi necessariam, lucratur, quamvis illae res ex parte sua sint aequivalentes«1). Das einzutauschende Gut gewährt dem Käufer einen höheren Nutzen als das vorher von ihm besessene. In diesem Sinne wiederholt Ricardus das Prinzip seiner Lösung an einer anderen Stelle: »servata iustitia potest esse commutatio lucrativa tarn ementi quam vendenti, quia pecunia, quam vendens recepit pro equo vendito sibi est utilior quam esset equus, et equus utilior est ementi quam pecunia, quam pro equo dedit, quoniam vendens plus indiget pecunia, quam equo et emens plus indiget equo quam pecunia«2).
Der Gedanke, daß die Wertgleichheit eine Gleichheit der normalen Werte verlange, ist also hier organisch mit dem andern verschmolzen, daß der Tausch vom Gewinnprinzip beherrscht ist.
Über die Anschauungen Richards vom Gelde sind schon einige Andeutungen gemacht. Er sieht im Gelde das »precium, mensura et medium in emptionibus et venditionibus«, das daher weder gekauft noch verkauft werden kann 3). Näher hat sich Ricardus nicht damit befaßt. Auch über seine Stellung zum Handel ist aus dem früher Gesagten einiges zu entnehmen: jedenfalls ist der Handel, der von den Wertunterschieden der Waren in den einzelnen Ländern profitiert, erlaubt. Näher hat sich Ricardus auch hiermit nicht befaßt.
IV. Rentenartige Verträge: Zu den Tausch- bzw. Kauf- und Verkaufsverträgen im weiteren Sinne gehören auch noch gewisse rentenartige Verträge, auf die im folgenden kurz hinge- gewiesen sei. Ricardus behandelt zunächst
a) die emptio praedii ad vitam4). Dieser Vertrag ist nur er- laubt, wenn in Hinsicht auf das Alter des Käufers, seinen Gesund- heitszustand, überhaupt seine Lebenserwartung, sowie im Hinblick
1) 1. c.
2) Sent. III, 33, a. 3, q. 4.
3) Quod. II, 23, a. 6.
4) Quod. n, 23, a. 3.
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auf den wahrscheinlichen Ertrag des Landgutes und die zur Er- zielung desselben nötigen Aufwendungen und Kosten weder Käufer noch Verkäufer in bedeutendem Maße im Vorteil zu sein scheint.
b) Die emptio pecuniae ad vitam1): Gegen Zahlung einer be- stimmten Geldsumme erwirbt der Käufer das Recht auf eine jähr- lich bis zu seinem Lebensende zu zahlende Geldsumme (redditus); und zwar ist die Rente fundiert: »super bonis ipsius vendentis«2). Abweichend von Heinrich von Gent, der den Erwerb einer neu zu bildenden Rente unmittelbar gegen Geld verworfen hatte, betont Ricardus, daß auch ein derartiger Rentenvertrag ein wahrer Kauf bzw. Verkaufsertrag sei, nicht etwa ein Mutuum: Es werde hier nicht Geld gegen Geld getauscht, sondern das ius percipiendi käuf- lich erworben. Ricardus erwähnt folgenden Fall, der die näheren Bedingungen dieses Vertrages zeigt: Männer und Frauen kaufen sich eine Rente unter der Bedingung, daß sie innerhalb einer Zeit von acht Jahren das eingezahlte Kapital zurückerhalten. Ricardus weist darauf hin, daß die Erlaubtheit dieses Vertrages strittig sei. Er selbst erklärt ihn für erlaubt, indem er auf den früheren Ver- trag zurückgreift: Ich kann mir ein Landgut auf Lebenszeit kaufen, kann dieses für Zeit meines Lebens an einen anderen übertragen mit der Verpflichtung, mir jährlich eine bestimmte Rente zu zahlen. Auch die Erlaubtheit dieses Vertrages setzt annähernde Wert- gleichheit zwischen Käufer und Verkäufer voraus. Werde z. B. der Vertrag, wie es häufig geschehe, in der Weise geschlossen, daß 25jährige Männer und Frauen gegen eine bestimmte Geld- summe eine Rente erwürben von der Höhe, daß sie in einer Zeit von acht Jahren das Kapital zurückerhielten, so sei dies nur dann erlaubt, wenn die betreffenden Personen so krank wären, oder in solchen Lebensgefahren schwebten, daß ihre wahrscheinliche Lebens- dauer sich nur auf acht Jahre beliefe. Im allgemeinen sei daher diese Form »salvo meliori iudicio« nicht erlaubt.
c) Die emptio haereditariae terrae3). Dieser Kauf auf ewige Zeiten entspricht dem Kauf eines Landgutes auf Lebenszeit. Er ist gestattet, wenn für beide Teile, Käufer wie Verkäufer, die Gleichheit hinsichtlich der Möglichkeit zu gewinnen oder zu ver- lieren gewahrt ist.
*) Quod. II, 23, a. 4; ib. a. 7, dub. 2. Der Erwerb einer Geldrente wird 1. c. a. 6 als »contractus bursalis« bezeichnet.
2) 1. c. a. 6.
3) Quod. II, 23, a. 5.
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d) Die emptio haereditariae pecuniae1) (emptio haereditarii redditus, contractus bursalis), also der Kauf einer ewigen Geldrente. Analog dem Kauf einer Geldrente auf Lebenszeit wird auch die Erlaubtheit dieses Kontraktes gestützt auf die Erlaubtheit des vorigen Vertrages: Man könnte ein Landgut auf ewige Zeiten kaufen, dieses einem anderen für immer übergeben und ihm die Verpflichtung auferlegen, eine jährliche Rente von bestimmter Höhe zu zahlen. Das Prinzip der Wertgleichheit gilt auch hier, macht aber Ricardus ersichtlich Schwierigkeiten: Wenn ein anderer gegen Zahlung eines einmaligen Kapitales für immer, auch für seine Nachkommen, die Verpflichtung übernimmt, eine Rente zu zahlen, so könnte es scheinen, daß dieser Vertrag offensichtlich zugunsten des Rentenkäufers wäre; einer einmaligen Zahlung steht eine unbegrenzt wachsende Summe gegenüber. Ricardus sucht die Schwierigkeit durch den Hinweis darauf zu lösen, daß hier nicht darauf gesehen werde, was der erste Käufer erhalte und was dessen Nachkommen und sofort, sondern darauf, welchen Wert die Gesamtrente für den ersten Bezieher habe und da gelte der Satz, »ius naturale dictat, quod res sit amabilis magis in seipso, quam in filio et magis in filio quam in nepote et in nepote magis quam in pronepote« 2). So käme für den ersten Käufer eine Begrenzung des Wertes zustande und könne die Wertgleich- heit gewahrt werden3).
V. Darlehen und Wucher. Zwischen Darlehen und Kauf bzw. Verkaufsvertrag besteht ein grundlegender Unterschied. Beim Kauf und Verkaufsvertrag gehen die Kontrahenten, wie früher gezeigt, von der Absicht aus, einen Gewinn zu machen. Beim Darlehen ist hingegen die Absicht einen Gewinn zu erzielen uner- laubt4), wenn diese Absicht der Hauptbewegungsgrund zur Ge- währung des Darlehens ist; sonst ist die Hoffnung auf einen frei- willig von Seiten des Schuldners geschenkten Zins erlaubt5). Die naturrechtliche Unentgeltlichkeit des Darlehens wird im Anschluß an Thomas bewiesen6). Im Mutuum seien Gebrauch und Ver-
!j 1. c. a. 6; a. 7, dub. 3. Sent. IV, 15, 5, q. 5.
2) 1. c.
3) Es ist hiermit, wenn auch unklar, die Bedeutung der Zeit für die mensch- liche Schätzung anerkannt.
4) Quod. II, 23, a. 2 : »mutuum est aliquid translatum ab aliquo in alterius do- minium et possessionem obligans recipientem ad aequalia mutuanti. Et est de natura istius contractus, quod sit gratuitus.«
5) Quod. II, 23, not. 1.
6) Sent. IV, 15, 5, q. 5.
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brauch der Dinge identisch. Der Mehrertrag, der mit dem Gelde (ex pecunia) erzielt wird, wird gewonnen »per industriam et laborem vel fortunam«1). Hieraus wird dann in fast sozialistisch klingender Weise gefolgert: »homo dominus est sui laboris et industriae«2). Auch der Hinweis auf die Lucasstelle fehlt nicht. Die Aufnahme eines verzinslichen Darlehens ist nur im Falle der Not gestattet. Not liegt nach Ricardus dann vor, »quando homo notabiliter dam- nificaretur vel notabilem penuriam pateretur«. Ohne Zweifel spielt hier wieder die Vorstellung des standesgemäßen Unterhaltes hinein, die auch sonst bei Ricardus sich häufig findet3).
Von Zinstiteln4) kennt Ricardus folgende: i. die Konven- tionalstrafe; sie ist erlaubt, wenn sie nicht zur Umgehung des Zinsverbotes verwendet wird5). 2. Der Zinstitel des interesse: Als Beispiel wird der Fall angeführt, daß z. B. durch verspätete Zahlung des Schuldners dem Gläubiger ein Schaden erwächst. 3. Der Zins- titel der Gefahr: im Falle, daß die Möglichkeit des Verlustes für Kapital und Gewinn besteht, darf der Gläubiger etwas über das Kapital hinaus fordern. Es scheint im letzteren Falle an ein gemeinsames Handelsunternehmen gedacht zu sein6); die Stelle ist jedenfalls nicht ganz klar.
VI. Rückblick. Die Bedeutung Richards liegt vor allem in der Durchführung des Gewinnprinzips im Tausche: Er verbindet, wie gezeigt, diesen Gedanken mit dem alten der absoluten Wert- gleichheit. Gewiß ist die Durchführung des Gedankens mangel- haft; vor allem führt der allgemeine, normale Wert eine etwas merkwürdige Existenz, wo doch die Einzelnen den Wert der Güter durchaus individuell verschieden bestimmen. Aber geschichtlich ist der Versuch von allergrößter Bedeutung : Es war damit für die •Folgezeit das Problem entschieden gestellt, an das die Weiterent- wicklung der Wertlehre anknüpfen konnte. Werttheoretisch ist interessant seine Stellungnahme zum Kauf einer ewigen Rente un- mittelbar gegen Geld. Es gelingt ihm diese Art des Rentenkaufes organisch in seine übrigen Ideen einzugliedern durch Anwendung des erwähnten Wertprinzips, was Heinrich von Gent, wie gezeigt,
!) Sent. IV, 15, 5, q. 5. ad 1.
2) 1. c. q. 6.
3) 1. c. q. 5. ad. 2. cf. Quod, III, 20; Sent. IV, 15, 5. q. 4.
4) Sent. IV, 15. 5. q. 5.
5) Die Konventionalstrafe wird bei Thomas nicht behandelt, ist aber der Scho- lastik vor ihm durchaus bekannt. Vgl. z. B. Hostiensis 1. c. n. 1 (Sp. 1613), Goffred. v. Tr. (1. c. n. 3 [S. 212]). Näheres bei Lessei a. a. O. S. 20 f.
6) Vgl. Lessei a. a. O. S. 56 f.
Beitrage zur Geschichte der Nationalökonomie. Heft 1. 10
Schreiber, Die volkswirtsch. Anschauungen d. Scholastik.
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noch nicht hatte erreichen können. Es war damit der Scholastik der Weg gebahnt, der zur Erkenntnis der werttheoretischen Be- deutung der Zeit führen konnte.
§ 4. Duns Scotus.
I. Bedeutung im allgemeinen, Leben und Schriften x). Duns Scotus ist neben Albertus Magnus und Thomas v. Aquin der bedeutendste Scholastiker des Mittelalters. Sein theologisches wie philosophisches System ist von einem gewissen Gegensatz gegen das thomistische getragen. Bei unbedingter Festhaltung des über- kommenen Glaubens steht er im übrigen der Tradition vorurteils- frei mit kritischem Blick gegenüber. In verstärktem Maße weist er auf Augustinus zurück, während Aristoteles und seine schola- stischen Vorläufer von ihm scharf kritisiert werden. Wegen der Schärfe seines Geistes erhielt er den Ehrennamen eines Doctor subtilis.
Das Geburtsjahr des Duns Scotus ist nicht sicher zu ermitteln, dürfte aber wohl mit Recht in die Jahre 1265 oder 1266 zu ver- legen sein. Er starb als Mitglied des Franziskanerordens, der auch die Mehrzahl der Anhänger der an Duns Scotus sich an- schließenden und nach ihm benannten scotistischen Schule stellte, am 8. November 1308 in Köln.
Neben mehreren Werken meist logischen, grammatischen und metaphysischen Inhalts sind seine Hauptschriften und kommen für uns ausschließlich in Betracht: Das Opus Oxoniense, wohl in den Jahren 1301 bis 1304 verfaßt in Form eines Kommentars zu den Sentenzen des Petrus Lombardus, ferner die Reportata, ebenfalls ein Sentenzenkommentar, der aber kürzer und zeitlich nach jenem ersten abgefaßt ist. Sie sind eine Nachschrift seiner in Paris ge- haltenen Vorlesungen; Seeberg charakterisiert das Verhältnis der beiden Sentenzenkommentare als das »eines Kollegheftes zu einem größeren Werke«2).
Duns Scotus' Äußerungen über wirtschaftliche Dinge bieten materiell im Verhältnis zur früheren Zeit wenig Neues. Gleichwohl sind sie ausgezeichnet durch Klarheit und Unvoreingenommenheit des Blickes, größere Selbständigkeit gegenüber gewissen traditio- nellen Anschauungen und klare systematische Formulierung.
IL Die Eigentumsordnung. Über die Lehre vom gerechten Preise handelt Duns Scotus dort, wo er von der Restitutionspflicht
J) Über Duns Scotus siehe Seeberg: Artikel in R. E. V. S. 62 ff. Ferner K. L. X., 2127 ff. Hurter II, 453 ff. Überweg-Heinze II, S. 320 ff. 2) a. a. O. S. 64.
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spricht. Die Idee der Gerechtigkeit im Tausche setzt das Privat- eigentum voraus; letzteres ist das »fundamentum omnis iniustitiae in contrectando rem alienam«. Als Grundlegung einer Theorie vom gerechten Preise muß daher zunächst die Eigentumsordnung behandelt werden1): Um so mehr dürfte dies gerechtfertigt sein, als die scotistische Eigentumslehre wohl die ausführlichste der Scholastik überhaupt ist.
Als naturgesetzliches Ziel jeder Eigentumsordnung, sie sei Kommunismus oder Privateigentum, bezeichnet Duns Scotus die Gewährleistung der »pacifica et congrua conveisatio« der mensch- lichen Gesellschaft und der Erlangung der »necessaria sustentatio« des einzelnen. Vor dem Sündenfalle nun und im Hinblick auf die menschliche Xatur als solche, wenn von deren sündhaften Neigungen abgesehen wird, wird dieses Ziel in wirksamster Weise durch Ge- meineigentum erreicht: es fehlen alle Triebe zu widerrechtlicher Aneignung, jeder deckt seinen augenblicklichen Bedarf und nur diesen. In diesem Sinne spricht Duns Scotus von einem natur- gesetzlichen Kommunismus und sagt von der lex naturae: »ipsa autem determinavit in natura humana hoc, quod omnia essent communia«2).
Im Hinblick jedoch auf die menschliche Natur, wie sie jetzt ist, ist jenes praeceptum legis naturae widerrufen worden (revo- catum est post lapsum)3). Jetzt erfordert die Erreichung des oben dargelegten Zweckes der Eigentumsordnung als vernunftgemäßes Mittel das Privateigentum: der einzelne würde sich sonst über seinen Bedarf hinaus Güter aneignen und würde vor gewaltsamem Kampfe, der den Sieg des Stärkeren zur Folge hätte, nicht zurück- schrecken; die Bedarfsdeckung des Schwächeren würde daher ge- fährdet sein. Damit ist die Rechtmäßigkeit des Privateigentums gegeben; im Hinblick auf das Naturgesetz ist also die »licentia appropriandi et distinguendi communia« an sich gewährt: Das Privat- eigentum ist eine Folgerung aus dem Naturgesetz. Doch ist mit dem Nachweis der Rechtmäßigkeit des Privateigentums als solchem noch nicht der Nachweis der Rechtmäßigkeit der konkreten Eigen- tumsordnung, der actualis distinctio dominiorum, insbesondere noch nicht der Rechtmäßigkeit der ersten historischen Begründung des Privateigentums, der prima distinctio, gegeben. Letztere kann
*) Sent. IV, 15. q. 2 (3 — 8). (XVIIL, 256 ff)., Rep. IV. 15. seh. I. (7 — 12) (XXIV, 233 ff.).
2) Sent. 1. c. (XVIII, 265).
3) Sent. 1. c. (XVIII, 258).
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ihren Grund nur in einem positiven menschlichen, gerechten Gesetz haben. Damit ein Gesetz gerecht sei, ist neben der Angemessen- heit desselben für das allgemeine Wohl der Erlaß von Seiten einer zuständigen Autorität erforderlich. Die Berechtigung zwingende Vorschriften zu erlassen, besitzt einmal der Vater nach dem Natur- rechte seinen Kindern gegenüber, dann das staatliche Oberhaupt, sei es in einer Einzelperson oder in einer Mehrheit solcher dargestellt. Die Rechtmäßigkeit seiner Autorität hängt, wie Duns Scotus suppo- niert, ab: »ex communi consensu et electione ipsius communitatis« x).
Ist so die Staatsgewalt rechtmäßig, so ist es auch die von ihr als Gesetz erlassene Eigentumsordnung. Duns Scotus nimmt folgende juristischen Konstruktionen vor: entweder habe Noe seinen Nachkommen nach der Sündflut die einzelnen Länder zugeteilt, oder die Menschen selbst hätten eine Teilung vereinbart, wofür an das Beispiel von Abraham und Lot erinnert wird. Oder man habe sich dahin geeinigt, und möglicherweise ein ausdrückliches Gesetz erlassen: »quod res tunc non occupata, esset primo occupantis.« Der Satz also: »Quod nullius est, occupanti conceditur« ist, wie Duns Scotus übrigens an einer anderen Stelle noch ausdrücklich hervorhebt, nicht »stricte« naturrechtlichen, sondern positivrecht- lichen Ursprungs2); eine Anschauung, die in der Scholastik ver- einzelt dasteht, während man sonst wohl die scotistische Eigen- tumslehre als typisch mittelalterlich ansehen kann.
III. Tausch und Wertlehre. Hat der einzelne ein Recht auf sein Eigentum, so kann er dieses Recht auch an einen anderen abtreten. Wie er durch einen Willensakt die Dinge besitzt, kann er durch einen Willensakt sie auch auf andere übertragen3).
Dies findet vor allem im Tausche statt. Derselbe ist durch das Prinzip der Entgeltlichkeit charakterisiert und z. B. von Schen- kungen unterschieden, »transferens expectat aliquid aequivalens ei, quod transfert« 4).
Die Gesamtheit der Tauschvorgänge läßt sich nun nach ver- schiedenen Gesichtspunkten einteilen:
a) Duns Scotus unterscheidet einmal solche Tauschverträge, in denen volle Eigentumsübertragung an den getauschten Dingen stattfindet, von solchen, in denen nur ein Recht der Nutznießung
J) 1. c. (XVIII, 266).
2) 1. c. (XVIII, 271). cf. 1. c. (XVIII, 265). Ferner Rep. 1. c. seh. 1. (12). (XXIV, 235 f.).
3) Sent. IV., 15, q. 2. (11), (XVIII, 277) cf. Rep. 1. c. seh. 2. (13) (XXIV, 236) «) 1. c. (12) (XVIII, 282).
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eingeräumt wird1). Als Arten der ersteren werden bezeichnet: i. Der unmittelbare Austausch von Nutzgegenständen (permutatio) ; 2. Kauf und Verkauf (emptio et venditio); dadurch von ersterem unterschieden, daß hier Geld gegen Nutzgegenstand, bzw. Nutz- gegenstand gegen Geld getauscht wird. Das Geld dient der Er- leichterung des Tausches: »ad hoc ponitur numisma, ut sit medium faciliter commutandi.« 3. Das Darlehen (mutuum). In demselben findet ein Tausch von Geld gegen Geld statt: »numismatis pro numismate commutatio.« Diese Auffassung trat uns bereits früher entgegen. Ebenfalls ein Tausch von Geld gegen Geld ist das cambium, das Geldwechselgeschäft. Es wird in den Reportata unmittelbar dem Mutuum koordiniert'2). Als Verträge, in denen nur das Nutzungsrecht an den getauschten Gütern übertragen wird, erwähnt Duns Scotus nur kurz die accommodatio und die locatio und conductio, die in ihrem Unterschiede dem zwischen dem un- mittelbaren und dem durch Geld vermittelten Tausche entsprechen.
b) Nach dem Zwecke des Tausches unterscheidet Duns Scotus, offenbar im Anschluß an Aristoteles, die commutatio oeconomica und die »commutatio negotiativa«3); erstere hat die unmittelbare Deckung eines Bedürfnisses zum Ziel, während bei letzterer ge- kauft wird, um mit Gewinn wieder zu verkaufen; »commutans intendit mercari de re, quam acquirit, quia emit, non ut utatur, sed ut vendat et hoc carius«; er fährt dann fort: »et haec negotiativa dicitur pecuniaria vel lucrativa«. Mit den letzten Worten wird deutlich das Gewinnstreben des Händlers betont.
c) Endlich scheidet Duns Scotus zwischen einem Vertrage, der für die Gegenwart abgeschlossen wird, wo Leistung oder Gegen- leistung der Vereinbarung und den Absichten der Vertrag- schließenden entsprechend augenblicklich stattfinden soll, einer »commutatio statim facta«, einer »commutatio pro praesenti« und den- jenigen Verträgen, bei denen der Termin der Erfüllung, vor allem der Termin der Zahlungsleistung der Zukunft angehört. Zu ersterer Gruppe gehören im allgemeinen die oben angeführten Vertragsarten, wie Kauf, Verkauf, Darlehen, Verpachtung, bei denen Zahlung gleich nach beendeter Leistung erfolgt; zu letzterer gewisse Arten später zu erörternder Kreditgeschäfte4).
*) Vgl. zum folgenden: Sent. 1. c. (12); (XVIII, 282); Rep. 1. c. seh. 2 (18) (XXIV, 238).
2) Rep. 1. c.
3) Sent. 1. c. (22); (XVIII, 317).
4) Sent. 1. c. (I9f.); (XVIII, 293 f.).
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Es dürfte ohne weiteres ersichtlich sein, daß Duns Scotus mit dieser Systematisierung kaum über das von der Zeit vor ihm Ge- leistete hinausgekommen ist. Seine Wertlehre zeigt jedoch gewisse Eigenheiten1).
Es ist nach ihm eine Forderung des natürlichen Sittengesetzes: »Hoc facias alii, quod tibi vis fieri«. Auf den Tausch angewendet, fordert dieser Satz Gerechtigkeit, näherhin Wertgleichheit; denn die Gerechtigkeit im Tausche, die justitia commutativa, verlangt äußere Gleichheit der Dinge. Dies gilt im allgemeinen gesagt von allen erwähnten Arten des Tauschvertrages, wenn sich auch bei der Durchführung im einzelnen gewisse Verschiedenheiten ergeben.
Wir behandeln zunächst den unmittelbaren Austausch, sowie den Kauf und Verkauf, bei denen sich die Fragen des justum pretium am einfachsten gestalten:
Duns Scotus faßt die Bedingungen der Gerechtigkeit des Preises in diesen Fällen dahin zusammen: »quod domini rerum juste eas permutant, si sine fraude servent aequalitatem valoris in commutatis secundum rectam rationem«.
Einmal hat also vom Tausche jeglicher Betrug fernzubleiben. Derselbe kann, wie Duns Scotus der Tradition gemäß ausführt, in der Substanz der getauschten Dinge liegen, wenn z. B. unechtes Gold statt echten Goldes gezahlt wird, oder in der Quantität, d. h. wenn nicht das versprochene Maß, Gewicht oder die versprochene Anzahl geliefert wird, oder endlich, wenn eine schlechtere als die vereinbarte Qualität übergeben wird; hält der Verkäufer diese Be- dingungen nicht ein, so fügt er unerlaubterweise dem Käufer Schaden zu. Letzterer hat eben unter für ihn günstigeren Be- dingungen den Tauschvertrag abgeschlossen.
Die folgende hierüber hinausgehende Bedingung ist für uns ungleich wichtiger: sie verlangt Wertgleichheit. Was versteht nun Duns Scotus unter dem Werte der Dinge. Die für seine Wert- lehre entscheidende Stelle lautet: »Sequitur in illa regula, quod aequalitas valoris est servanda. Hoc probatur per Augustinum. 13. Trin. c. 3: »Vili velle emere et care velle vendere, revera vitium est.« Et hoc intelligendo de re vili et cara quantum ad usum, quia frequenter res, quae in se est nobilior in esse naturali, minus est utilis usui hominum: et per hoc minus pretiosa secundum Augustinum de Civ. 1. 2. c. 16: Melior est in domo panis quam mus, cum tarnen omne vivum nobilius sit simpliciter non vivo in
*) Vgl. hierzu Sent. 1. c. (13—15); (XVIII, 282 ff.). Rep. 1. c. seh. 2. (i9ff.) (XXIV, 238 f.).
esse naturae. Et propter hoc additur secundum rectam rationem, attendentem scilicet naturam rei in comparatione ad usum humanuni, propter quem fit commutatio ista«. Seit Thomas v. Aquin finden wir hier zum ersten Male wieder eine etwas ausführlichere Erör- terung des Wertes als solchen: sie schließt sich eng an Augustinus an, während Aristoteles überhaupt nicht erwähnt wird. Das subjektive Moment des Bedürfens erscheint als Grundlage des Wertes und beherrscht damit den Tausch. Duns Scotus steht hiermit im Gegen- satze zu Albertus Magnus und Thomas v. Aquin, die freilich auch die Bedeutung des Bedürfnisses für den Tausch nicht übersehen hatten, aber die in der Gleichheit des Wertes bestehende Gerech- tigkeit des Preises vermeintlich an Aristoteles sich anschließend auf die objektiven Faktoren von Arbeit und Kosten funda- mentierten.
Im Tausche wird also eine res utilis gegen eine andere, gleiche res utilis getauscht1). Worin besteht nun näherhin diese Wert- gleichheit? Nennen wir zwecks besseren Verständnisses die beiden Tauschenden A und B, die ihnen gehörenden Güter C und D. Wenn dann A dem B sein Gut C übergibt und D dafür wieder empfängt, so setzt A sein Gut C nicht etwa dem anderen Gute D gleich, sondern letzteres wird höher geschätzt als das eigene Be- sitztum ; sonst würde A nicht zum Tausche schreiten wollen ; von B gilt das Entsprechende: beide Kontrahenten erwarten vom Tausche Vorteil. In geistreicher Weise findet Duns Scotus dies in dem Worte »contractus« ausgesprochen: »Alia translatio . . ., ubi transferens exspectat aliquid aequivalens ei, quod transfert, dicitur proprie contractus, quia ibi simul trahuntur voluntates partium ; trahitur enim iste ad transferendum in illum a commodo, quod ex- pectat transferendum in se«2). Eine bewußte Ausgleichung des Äquivalenz- und Gewinnprinzips finden wir bei Duns Scotus nicht; beide stehen anscheinend unvermittelt nebeneinander. Ist die Lösung des Problems vielleicht dieselbe wie bei Ricardus de Media- villa? Man könnte versucht sein, dies anzunehmen. Bei näherem Zusehen zeigt es sich jedoch, daß Scotus etwas anders denkt.
Schon Heinrich v. Gent und Ricardus de Mediavilla nahmen eine latitudo des gerechten Preises an; aber dies in dem Sinne, daß an sich ein absolut fester Punkt der Wertgleichheit bestünde, dessen Erreichung Pflicht der Kontrahenten sei; nur infolge mensch- licher Unvollkommenheit könne das Ziel nicht ganz erreicht werden,
x) Sent. 1. c. (12); (XVIII, 282). 2) 1. c.
und eben deshalb sei ein gewisser Spielraum anzunehmen. Oder jene latitudo hatte den Sinn gehabt, daß der Preis einer Ware etwas hin- und herschwanke; an sich aber sei für den Einzelfall ein einziger Punkt innerhalb jenes Rahmens gerecht.
Diese Gedankengänge lehnt Duns Scotus ab: »Ista . . aequalitas . . non consistit in indivisibili, sicut dicit quidam Doctor, motus ex hoc, quia iustitia habet . . . medium rei . . ., immo in isto medio . . . est magna latitudo et intra illam latitudinem non attin- gendo indivisibilem punctum aequivalentiae rei et rei: quia quoad hoc, quasi impossibile esset commutantem attingere: et in quocunque gradu circa extrema fiat, iuste fit« 1).
Von diesem Gedanken ausgehend kommt nun Duns Scotus zu einer etwas anderen Fassung des Prinzips der Gerechtigkeit im Tausche. Es bleibt den Kontrahenten überlassen : »ut pensata mutua necessitate reputent sibi mutuo dare aequivalens hinc, inde et acci- pere: durum est enim inter homines esse contractus, in quibus contra- hentes non intendant aliquid de illa indivisibili iustitia remittere sibi mutuo, ut pro tanto omnem contractum concomitetur aliqua donatio« 2).
Hier wird zum ersten Male in der Scholastik ein verstärkter Nachdruck auf die freie Vereinbarung der Kontrahenten gelegt. Es laufen bei Duns Scotus zwei Theorien nebeneinander her: ein- mal erfordert die Gerechtigkeit im Tausche Gleichheit eines für alle maßgebenden, normalen Wertes. Aber indem dieser normale Wert etwas versubjektiviert wird, legt sich das andere Prinzip nahe, das die Gerechtigkeit dann erreicht sieht, wenn die Kon- trahenten in den Preis frei einwilligen.
Der »normale« Wert wird etwas verflüchtigt und damit das Gewinnstreben in tieferer Weise anerkannt und ihm mehr Freiheit zur Betätigung gewährt. Der Zweck des »Handels« ist nicht mehr der, den einzig gerechten Preis zu finden. Die Vereinigung des Äquivalenzprinzips mit dem Gewinnprinzip ist nicht mehr so einfach und klar, wie bei Ricardus de Mediavilla.
Die Stellungnahme zum Affektionspreis3) ist ähnlich, wie bei Thomas v. Aquin. Es liegen zwei Möglichkeiten vor: Der Besitzer eines Gutes bedarf desselben sehr, legt ihm also einen anormal hohen Wert bei. Ein anderer wünscht dies Gut zu kaufen. Dann darf der Verkäufer sich schadlos halten, d. h. über den normalen Wert des Gutes hinaus fordern.
*) l. c. (15); (XVm, 283 f.).
2 l. c.
3j 1. c (16); (XVIII, 288). cf. Rep. seh. 2. (21 f.); (XXIV, 235).
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Der normale Wert wird also in diesem Falle vernachlässigt. Aber die beiden Tauschkontrahenten werden gleichwohl zufrieden sein. Der Verkäufer würde sich sonst nicht zur Hergabe des Gutes entschließen; und daß der Käufer mit dem erlangten Vorteil ein- verstanden ist, ergibt sich schon aus der »magna instantia«, mit der er, wie Duns Scotus supponiert, den Verkäufer zum Tausche zu bewegen sucht: Das auf beiden Seiten befriedigte Bedürfnis ist gleich.
Anders aber im umgekehrten Fall: wenn der Käufer einem Gute eine anormal hohe Schätzung entgegenbringt. Dann gilt für mich, der ich verkaufe, der Satz: »nee res mea est in se pretiosior nee mihi melior, et ideo non debet mihi maius pretium apportare.« In diesem Falle verlangt die Gerechtigkeit des Preises die Beob- achtung des normalen Wertes. Dagegen erlangt der Käufer ein: »maius commodum« als der Verkäufer. Die Stellungnahme des Duns Scotus ist hier etwas schärfer wie die des Thomas v. Aquin, der, wie oben gezeigt, von der honestas des Käufers eine höhere Zahlung erwartet.
Vom kritischen Standpunkte aus wird man zunächst das dogmengeschichtlich Bedeutsame hervorheben müssen, das in der neuen Fassung des Prinzipes der Wertgleichheit liegt, indem dem Gewinnprinzip verstärkter Einfluß verstattet und der Satz tiefer durchgeführt wird, daß jeder am Tausche gewinnen will. Freilich hatte Bonaventura dasselbe Prinzip schon erkannt und Ricardus de Mediavilla es im Tausche durchzuführen versucht. Aber bei Duns Scotus besteht, wie gezeigt, das Neue darin, daß das Gewinn- prinzip nicht mehr harmonisch mit dem Gedanken der absoluten Wertgleichheit verbunden wird, der normale Wert wird vielmehr erschüttert und neben dem Äquivalenzprinzip der Nachdruck auf die Zufriedenstellung der Tauschkontrahenten gelegt. Der scoti- stischen Wertlehre fehlt also der einheitliche Charakter; sie will eine Synthese zweier Gedankenreihen bieten.
Kauf und Verkauf unterscheiden sich, wie oben erwähnt, vom unmittelbaren Austausch durch die Zuhilfenahme des Geldes1). Über den Zweck, den letzteres im Tausche zu erfüllen hat, ist bereits gesprochen worden. Das Geld besteht aus einem nützlichen Metall: »peeunia«, sagt Duns Scotus, »habet aliquem usum utilem ex propria natura, utpote ad videndum, ornandum. . .« Der Wert des Geldes beruht also auf denselben Grundlagen, wie der Wert der anderen Dinge d. h. er wird durch subjektive Schätzungen be-
x) Vgl. z. Folgend. Sent. 1. c. (16); (XVIII, 289}; ib (19); (293).
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stimmt. Der gerechte Preis wird beim Geldtausche daher in der- selben Weise festgestellt, wie beim unmittelbaren Austausche. Den Unterschied beider kennzeichnet Duns Scotus dahin: »ibi ita oportet ex una parte considerare numisma, sicut hie rem permutatam.«
Ebenfalls auf menschlicher Schätzung beruht der Wert der Nutzung eines Gegenstandes1).
IV. Der Handel2). Die Stellung, die Duns Scotus zum Handel einnimmt, ist in mehrfacher Beziehung bemerkenswert. Worin er das Wesen desselben sieht, ist bereits dargelegt worden.
Die Bedeutung des Handels für die Volkswirtschaft sieht Duns Scotus in zwei Dingen: einmal kauft der Händler Waren zusammen, speichert sie auf und sorgt dafür, daß sie jederzeit dem Käufer zur Verfügung stehen. Sodann sorgt er dafür, daß Waren, die im Staate fehlen, — er spricht von einer Respublica, nicht mehr von einer civitas, womit die eigentümlich mittelalterliche Färbung, wie sie bei Thomas sich zeigte, etwas zurücktritt — aus dem Aus- lande herbeigeschafft werden. Fast mit einer gewissen Wärme wird die industria, diligentia und sollicitudo des Kaufmanns her- vorgehoben, der die Waren, an denen Mangel besteht, ausfindig machen und unter großen Gefahren zu Wasser und zu Lande her- beischaffen muß. So bezeichnet Duns Scotus den Handel als ein ehrenhaftes und nutzbringendes »servitium communitatis«. Durch die Tätigkeit des Handels wird eine Werterhöhung der Waren erzielt, worüber sich Duns Scotus allerdings nicht näher ausläßt.
Der Kaufmann darf daher mit Recht einen Mehrwert fordern, der eben wegen der Bedeutsamkeit seiner Leistungen sich nicht auf das Existenzminimum beschränken darf. Duns Scotus billigt also dem Kaufmannsstande ein hohes Einkommen zu3).
Die Berechtigung desselben erhellt aus seiner Unentbehrlich- keit für den Staat: »Sed si esset bonus legislator in patria indigente, deberet locare pro pretio magno huiusmodi mercatores ... et non tantum eis et familiae sustentationem necessariam invenire, sed etiam industriam, peritiam et pericula omnia locare; ergo etiam hoc possunt ipsi in vendendo.«
!) Sent. 1. c. (16); (XVIII, 289).
2) Sent. 1. c. (22 f.); (XVIII, 317); vgl. Keller a. a. O. S. 32, 62.
3) 1. c. »ergo potest iuste ultra sustentationem necessariam pro se et familia sua ad istam necessitatem deputata reeipere pretium correspondens industriae suae; et ultra hoc tertio aliquid correspondens periculis suis.« Hiermit soll aber keineswegs das Standes- prinzip aufgehoben werden, wie es wohl scheinen könnte. Es geht dies aus der häufigen Betonung desselben in anderem Zusammenhange hervor. Cf . Rep. IV, dist. XV ; seh. 4 (34) (XXIV, 244).
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Je freimütiger Duns Scotus in der Anerkennung des Handels an sich, wenn er die angegebenen Funktionen und Bedingungen erfüllt, ist, um so schärfer verurteilt er die Ausschreitungen der Händler, die weder beim Einkauf noch beim Verkauf die Beding- ungen des gerechten Preises beachten und innerhalb der Volks- wirtschaft als unproduktive Schmarotzer zu betrachten sind: »pro- hibent immediatam commutationem volentium emere vel commutare oeconomice; et per consequens faciunt quodlibet venale vel usuale carius ementi, quam deberet esse, et vilius vendenti et sie damnificant utramque partem.« Ebenso tadelt es Duns Scotus, wenn der Handel zu übermäßiger Bereicherung der Kaufleute führt, so daß ihr Ein- kommen nicht mehr als Lohn ihrer Mühen angesehen werden kann.
Hatten noch die Vorgänger des Duns Scotus, z. B. Thomas v. Aquin, mit manchen ungünstigen Urteilen über den Handel zu kämpfen, die zwar nicht zu einer Verurteilung des Handels führten, aber doch die volle Anerkennung seiner Bedeutung in etwa hemmten, so steht Duns Scotus dieser Tradition völlig unbefangen gegenüber; ja er kommt mit keinem Worte auf sie zu sprechen. In dem warmen Lobe des Handels liegt fast etwas wie ein be- wußter, stiller Gegensatz, der wohl die Folge seiner freieren Würdi- gung des Gewinnstrebens ist. Es muß allerdings daran erinnert werden, daß Duns Scotus in den ersten Jahren des 1 4. Jahrhunderts schrieb, als der Aufschwung des wirtschaftlichen Lebens seit seinem Anfange im 11. und 12. Jahrhundert bereits weitere Fortschritte gemacht hatte. Die Rechtfertigung des Handelsgewinnes, der als gesellschaftlicher Arbeitslohn erscheint, könnte an die thomistische Wertlehre erinnern, die ja, wie gezeigt, darauf hinausläuft, jedem für das Wirtschaftsleben nötigen Gliede ein standesgemäßes Ein- kommen zu sichern, indem Thomas vielleicht von der Auffassung des Handelsgewinnes als Arbeitslohn ausgehend zur Aufstellung seines den ganzen Tausch beherrschenden Wertgesetzes kam. Doch ist letzterer Ausbau bei Duns Scotus nicht vollzogen. Zudem trägt seine Begründung des Handelsgewinnes in der Betonung der geistigen Unternehmerarbeit, in der Höhe des zugebilligten Ein- kommens, in der durch den Handel bewirkten melioratio rerum usw. einen mehr der subjektiven Werttheorie angemessenen Charakter.
V. Das Darlehen. In der Stellungnahme zum Darlehens- vertrage steht Duns Scotus völlig auf dem Boden der traditionellen Anschauungen, ja urteilt in mancher Hinsicht noch schärfer als diese1).
1) Vgl. zum folgenden: Sent. 1. c. (17 — 19) (XVI II, 292 ff.); Rep. 1. c. seh. 2 (23—27) (XXIV, 240 ff.).
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Außer im alten Testamente sieht er an der bekannten Lucas- stelle des neuen Testamentes das Zinsverbot ausgesprochen. Wie seine Vorgänger erblickt er im Mutuum die Übertragung des Eigentums an einer Geldsumme verbunden mit der Verpflichtung zur Zurückzahlung einer gleichwertigen Summe.
Die Gleichwertigkeit ist beim Gelde im allgemeinen leicht festzustellen. Das Mutuum ist nichts anderes als ein Tausch zweier verschiedener Geldsummen. Bonaventura gibt, wie oben erwähnt, diesem Gedanken in besonders sinnenfälliger Weise Ausdruck.
Wirtschaftlich ist für Duns Scotus das Darlehen ein Akt des Wohltuns aus Mitleid; der Darleiher erweist seinem Nächsten, der sich in Not befindet, eine misericordia. Der Gedanke, daß das Darlehen eine andere Funktion erfüllen könnte, liegt gänzlich fern. In der Begründung des Zinsverbotes wendet sich Duns Scotus zunächst gegen die Meinung eines quidam, der den Zins deshalb für unerlaubt erkläre: »quia usus pecuniae est eius con- sumptio« x).
Seine eigenen Gründe sind die folgenden: Im Darlehen findet eine Eigentumsübertragung statt: »in mutui datione trans- fertur dominium : hoc enim sonat vocabulum mutuo, do tibi meum.« Der Darleiher kann dann konsequenter Weise für eine Sache, die nicht mehr sein Eigentum ist, nichts über die bloße Rückerstattung
1) Duns Scotus wendet sich hier gegen die thomistische Begründung des Zins- verbotes : Thomas v. Aquin, Ricardus v. Mediavilla usw. hatten in der Weise argumentiert, daß beim Gelde Gebrauch, gedacht war hier an den principalis usus, die Verwendung im Tausche, und Verbrauch zusammenfiele. Das Geld könne daher nicht übertragen werden, ohne daß zugleich das Eigentum an demselben abgetreten werde; eine Verpachtung könne daher nicht stattfinden, weil es unmöglich sei, unter Zurückhaltung des Eigentums die Nutzung am Gelde besonders abzutreten. Der Zins sei ein doppelter Verkauf der- selben Sache.
Er war nun von Seiten der Gegner des franziskanischen Armutsideals der spitz- findige Einwand gemacht worden, daß der Orden Geld verwende, daß er dies aber nicht könne, ohne das Eigentum daran zu besitzen ; von einer vollen Armut könne daher keine Rede sein. (Vgl. z. B. Bonaventura: Apol. Paup. c. XI [VIII, 312, 1 f.].) Nicolaus III statuierte 1279 das Eigentum der römischen Kirche an allen den Franziskanern zum Gebrauch oder Verbrauch überlassenen Dingen; also eine Trennung von dominium und usus. (Vgl. Scherer, Handbuch d. Kirchenrechts II, 738) (c. 3 in VI", 5, 12).
Hierauf beruft sich Duns Scotus, und von der Möglichkeit einer Trennung von Eigentum und usus ausgehend, behauptet er die Möglichkeit einer locatio des Geldes: »Pecunia quantum ad suum naturalem usum, qui est quoddam pulchrum ad videndum et tangendum vel ordinandum aliquid, potest locari.« (Rep. 1. c.)
Er selbst geht dann von der juristischen Tatsache einer Eigentumsübertragung im Mutuum aus. Die etwas sophistischen Distinctionen sind für die Begründung des Zins- verbotes nicht von sonderlicher Bedeutung.
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hinaus fordern. Andernfalls verkauft er etwas, was nicht ihm gehört, »pro non suo recipit sive vendit non suum.«
Aber selbst, wenn diese Eigentumsübertragung nicht statt- fände, wäre ein Überschuß über das Kapital hinaus noch ungerecht. Denn, wenn auch dem Gelde für Produktion und Erwerb, beson- ders für den Handel, Bedeutung beizumessen ist, insofern als mit dem Gelde sich ein höherer Ertrag erzielen läßt, so liefert doch das Geld nicht diesen Mehrertrag, wie ein Baum z. B. neue Früchte hervorbringt, sondern »tantum provenit aliquis fructus ex industria alterius, scilicet utentis«; und er fügt hinzu »industria autem huius non est eius, qui concedit«. Auf einen Ertrag aber aus der Arbeit und Umsichtigkeit des Schuldners hat der Gläubiger keinen Anspruch.
In Übereinstimmung hiermit steht der für die Restitutionspflicht wichtige Satz des Duns Scotus1), daß Wucherer nur die Höhe des erwucherten Geldes zurückzugeben haben, nicht darüber hinaus noch etwa einen Zins, was allerdings nach dem Vorausgehenden als selbstverständlich erscheinen wird. Bereits Thomas von Aquin hatte dasselbe betont. Bemerkenswerterweise macht aber Duns Scotus darauf aufmerksam, daß dies im praktischen Leben leicht zu einer Ausdehnung des Wuchers führen könnte, indem manche erst durch Wucher Reichtum erwürben, dann mit diesem Geld erlaubte Gewinne erzielten und schließlich nur das unerlaubt er- worbene Wuchergeld zu restituieren brauchten. Deutlich tritt in diesen Worten zutage, daß Duns Scotus dem Gelde immerhin eine gewisse Produktivität zuerkennt, wenn es diese auch nur in Ver- bindung mit und in Kraft der humana industria besitzt.
Das Argument von der Unverkäuflichkeit der Zeit, das z. B. Bonaventura vorbringt, wird von Duns Scotus im Sentenzenkommen- tar auf das Darlehen nicht angewendet und offenbar absichtlich nicht; denn in anderem Zusammenhange wird es uns später be- gegnen. Zum Verständnis dieser Erscheinung braucht nur an früher Gesagtes erinnert zu werden. Das Mutuum ist für Duns •Scotus ein contractus pro praesenti: Leistung und Gegenleistung erfolgen gleichzeitig; sobald die Leistung, die allerdings längere Zeit in Anspruch nimmt, erfüllt ist, erfolgt die Gegenleistung. Das Mutuum ist ebenso wie die Verpachtung eine commutatio statim facta.
Sent. 1. c. (31)
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Ein unberechtigter Verkauf des allgemeinen Gutes der Zeit kann also gar nicht in Frage kommen1).
VI. Die Zinstitel. Jeder Überschuß über das Kapital hinaus ist Wucher; nur in wenigen Fällen ist auf Grund besonderer Verhältnisse ein superfluum super capitale gestattet2).
a) Duns Scotus kennt einmal den Zinstitel der Conventional- strafe (poena Conventionalis) bei Zahlungsverzug, der von vorneherein ausbedungen werden darf. Er warnt vor einer Benutzung dieses Zinstitels zum Zwecke der Umgehung des Wucherverbotes. Wann dieses der Fall sei, könne leicht daran erkannt werden, ob der Darleiher lieber Einhaltung des vereinbarten Rückzahlungstermins wünscht oder Verpassung desselben3).
b) Der Zinstitel des interesse: Unter demselben versteht Duns Scotus offenbar den Schaden, der dem Gläubiger durch Zahlungs- verzug des Schuldners entsteht; der Schuldner ist zum Ersatz ver- pflichtet, mag ein besonderer Vertrag vorliegen oder nicht.
c) Die Risikoprämie. Mit Berufung auf das kanonische Recht, das für den Handel (Kreditkauf) im Falle der Unsicherheit einen höheren Preis billigt, gestattet Duns Scotus auch im Darlehen, wenn die Rückzahlung" zweifelhaft ist, einen entsprechenden Ersatz.
d) Auffallend ist, daß unter den bisher genannten Zinstiteln der des damnum emergens fehlt, d. h. der Ersatz des Schadens, der durch Gewährung des Darlehens entsteht. Duns Scotus scheint ihn an einer Stelle abzulehnen, wenn er vom Gläubiger sagt: »si non vult damnificari, pecuniam sibi necessariam reservet, quia nullus eum necessitat ad faciendam misericordiam proximo; sed
x) In den Rep. 1. c. seh. 2 (22) (XXIV, 239), wo ein höherer Verkauf einer Sache deshalb, weil der Käufer besonderen Vorteil erlangt, als unerlaubt hingestellt wird , heißt es : »Patet in usurariis , qui vendunt non damnum , sed necessitatem alterius, et tempus, quorum neutrum est illorum.« Man wird in dieser im Zu- sammenhange zufälligen Betonung des Zeitverkaufes im Wucher nur einen Widerspruch gegen den Sentenzenkommentar sehen können, wenn man nicht die etwas gekünstelte Annahme machen will, daß hier an den Kreditkauf gedacht wird.
2) Sent. 1. c. (18 f.). — Rep. 1. c. seh. 2. (26 f.) (XVIII, 293 f.) (XXIV, 240 f.)
3) Sent. 1. c. : »verbi gratia, ego indigeo peeunia mea ad mercandum, concedo tarnen tibi ad certum diem, adiieiens poenam conditionalem, quod nisi tali die solvas, quia multum damnificabor, solves postea tantum ultra. Haec poena adieeta licita est: quia licet me servare indemnem sie paemonendo illum, cum quo contraho.« Der Sinn der Stelle ist offenbar der, daß bei Vereinbarung der Strafe ein berechtigtes Interesse des Gläubigers an rechtzeitiger Zahlung vorliegen muß. Nicht wird dieser Zinstitel nur »als Kompensation des durch Zahlungsverzug wirklich entstehenden Schadens« aufgefaßt, wie Funk: »Über die ökon. Ansch. usw.« S. 159 annimmt. Es wäre doch dann die Aufstellung eines besonderen Zinstitels nicht berechtigt.
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si vult misericordiam facere, ex lege divina necessitatur, ut non faciat eam vitiatam« 1). Doch will Duns Scotus hier die Meinung der- jenigen zurückweisen, die ganz allgemein einen Zins für erlaubt halten »quia licet unicuique in contractibus se servare indemnem.« Es dürfte bei diesem Schaden wohl mehr an das Entbehren des Geldes und ähnliches gedacht sein, nicht an eine positive Schädi- gung. In den Reportata hingegen heißt es ganz allgemein, der Schuldner sei dem Gläubiger gegenüber verpflichtet, »ut conservet eum indemnem«, so daß wir hierin wohl den Zinstitel des damnum emergens anerkannt sehen können2).
VII. Verkauf auf Kredit. Zum Schluß sind noch einige Verträge zu behandeln, die das Gemeinsame haben, daß der Händler den Verkauf seiner Ware nicht für den gegenwärtigen Zeitpunkt, sondern für einen späteren Termin beabsichtigt, sei es, daß dieser von vornherein für ihn feststeht, sei es, daß er eine Marktlage abwarten will, wo er möglicherweise höheren Preis und Gewinn erzielt. Der Käufer dagegen wünscht sofortige Lieferung der Ware, dagegen Kreditierung des Kaufpreises. Auf letzterer Grund- lage wird dann der Vertrag abgeschlossen. Es liegt also von Seiten des Kaufmanns ein Verkauf auf Kredit vor. Die Verwirklichung des Geschäftes ist für die Zukunft vereinbart.
Duns Scotus stellt für diese Fälle zwei Regeln auf3): einmal darf die Zeitdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung an sich keine Erhöhung des Kaufpreises mit sich bringen. Der Kaufmann darf die Zeit nicht verkaufen »quia tempus non est suum«. Ferner fordert Duns Scotus, daß der Preis im Hinblick auf die Möglich- keit eines Gewinnes oder Verlustes nicht einseitig zugunsten des Händlers festgesetzt werde.
Auf Grund dieser allgemeinen Prinzipien nimmt Duns Scotus alsdann zu einigen speziellen Fällen Stellung, auf die auch hier kurz hingewiesen sein möge.
a) Wenn der Verkäufer sofortigen Verkauf seiner Ware beab- sichtigt, jedoch später Zahlung erhält, dann muß der Preis so bemessen sein, daß er im Hinblick auf die Preis Verhältnisse im Augenblick der Ablieferung der Ware als gerecht bezeichnet werden kann. Eine Mehrforderung wegen Stundung der Zahlung ist nicht zulässig.
*) Sent. 1. c. (26).
2) 1. c. Funk a. a. O. S. 165 meint, im »interesse« seien die Zinstitel des lucrum cessans und damnum emergens zusammengefaßt. Nach dem Zusammenhang ist jedoch nur an den Fall des Zahlungsverzugs gedacht.
3) Sent. 1. c. (201.) (XVIII, 303 f.).
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b) Wird die Zahlung für einen späteren Termin vereinbart, wo der Kaufmann auf hohe Preise hofft, so kann der Preis gleich festgesetzt werden oder der Zukunft überlassen bleiben. Bei so- fortiger Festsetzung hat der Verkäufer das Recht, über das augen- blickliche iustum pretium hinaus »ratione dubii« etwas mehr zu fordern, weil der Wert des Gutes an dem fraglichen Termin un- sicher ist; jedoch kein »ita immoderatum pretium, quin tempore solutionis verisimiliter quandoque plus, quandoque minus valeat res vendita.« Im anderen Falle kann der Preis vereinbart werden, den das Gut am Zahlungstermin haben wird oder an einem Tage vorher, wo jedoch der Preis wahrscheinlich geringer sein wird, als an dem Termine selbst. In beiden Fällen wären die Bedingungen für den Käufer sehr günstig. Dagegen erklärt Duns Scotus einen Vertrag" von der Art für unstatthaft, daß der Verkäufer den höchsten Preis fordert, den das verkaufte Gut bis zum Zahlungs- termin gehabt hat. Dies wäre usura. »quia ponit se vel partem suam quoad lucrum ut in pluribus in tuto et illum, cum quo contrahit, ad damnum.« Zudem würde sich dabei der Verkäufer in einer Weise sichern, die ihm bei tatsächlich späterem Verkauf seines Gutes, wenn er keinen Verkauf auf Kredit vornähme, un- möglich wäre. Später müßte er an einem bestimmten Termine verkaufen, müßte sich aber der Möglichkeit aussetzen, nicht den Augenblick günstigster Preislage abgewartet zu haben.
VIII. Abschließende Bemerkungen. Der kritische Geist, der das ganze scotistische System durchzieht, spiegelt sich in seinen wirtschaftlichen Anschauungen wieder. In einigen Punkten bei der Lehre vom Eigentum, Handel, Wucher, hat sich dies gezeigt; vor allem aber in der prinzipiellen Fassung des iustum pretium, indem die Durchführung des Gewinnprinzips im Tausche zu einer gewissen Erschütterung der alten Auffassung vom Werte führt. Das Nähere ist bereits gezeigt worden. Die Besonderheiten der scotistischen Anschauungen mögen teilweise in einem etwas über- mäßigen Streben nach Kritik ihren Grund haben; zum Teil haben sie aber auch ihren Grund in der Beobachtung" der realen Ver- hältnisse des Wirtschaftslebens. Vor allem von seiner Wertlehre und seiner Stellung zum Handel dürfte dies gelten.
Im folgenden werden uns die Wirkungen des Auftretens des Duns Scotus beschäftigen.
Zweiter Abschnitt.
Die Auflösung der Lehre vom gerechten Preise; Prinzip der Vertragsfreiheit.
§ 1. Aegidius Lessinus.
I. Aegidius Lessinus1) war ein Dominikaner, der in der Nähe von Paris in einem Kloster lebte. Die Datierung seines Lebens ist unsicher. Er ist ein Schüler des Thomas v. Aquin. Wenn seine wirtschaftlichen Anschauungen an dieser Stelle behandelt werden, so geschieht es im Hinblick darauf, daß sie über Duns Scotus hinaus einen derartigen Fortschritt bedeuten, daß sie zum mindesten sachlich in diesem Zusammenhange zu erörtern sind, auch wenn vom rein chronologischen Standpunkte die Recht- mäßigkeit dieser Anordnung sich nicht nachweisen läßt.
Von seinen Schriften ist ganz nur ein ziemlich umfangreicher Traktat »De usuris« erhalten, der eine Zeitlang Thomas v. Aquin zugeschrieben wurde und deshalb in der Ausgabe seiner Opuscula als Op. 73 wiederholt gedruckt ist. Der Verfasser steht an Schärfe des Denkens weit hinter Thomas zurück. Die Darstellung ist nicht immer ganz klar, hier und dort reichlich weitschweifig, so- daß es zuweilen schwer ist, aus seinen Erörterungen den wahren Sinn herauszufinden. Gleichwohl sind seine wirtschaftlichen An- schauungen von größter Wichtigkeit, sodaß es unrecht wäre, etwa diesen Traktat so zu vernachlässigen, wie es bisher meist geschehen ist.
IL Wertlehre: Wir behandeln zunächst seine Wertlehre. Dieselbe trägt einen ausgesprochen subjektiven Charakter. Aegidius geht davon aus, daß es der Zweck der wirtschaftlichen Güter sei, den Menschen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu dienen2); und je nach dem Maße, wie sie diesem Zwecke gerecht werden, bemißt sich ihr Wert: ». . . requiritur, quod commensuratio ipsarum rerum fieri debeat in magis et minus habere in valore, secundum
*) K. L. I. 254 f. Hurter II. 386.
2) Op. 73, c. 3. Beiträge zur Geschichte der Nationalökonomie. Heft 1. 11
Schreiber, Die volkswirtsch. Anschauungen d. Scholastik.
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quod magis et minus habent de utilitate et necessitate ad vitam humanam«1). Näherhin unterscheidet Aegidius zwischen einem doppelten Wert: einem valor »secundum rationem substantiae« und einem valor »secundum rationem usus vel fructus«. Unter ersterem versteht er den durchschnittlichen, normalen, einem Dinge an sich inhärenten Wert, in Abstraktion von dem Nutzen und der Bedeutung eines Gutes für den Menschen unter bestimmten Verhältnissen; der Nachdruck liegt auf der Substanz der Dinge. Letzteres ist der tatsächliche, im Augenblick vorhandene Wert, dessen Größe sich nach der Bedeutung des Gutes für einen be- stimmten Menschen unter bestimmten Verhältnissen bemißt. Er ist schwankend und veränderlich, während ersterer seiner Natur nach sich mehr gleichbleibt: »ex fructu rerum et usu ipsarum accidit, quod valor ipsarum naturaliter inter homines augetur et minuitur« 8).
Wenn nun Aegidius auch betont, daß der Substanzwert an sich unveränderlich sei, so darf dies doch nicht dahin verstanden werden, als ob nun dieser Wert für alle Zeiten derselbe bleibe, etwa gleich Nützlichkeit zu nehmen sei. Aus dem eben ange- führten Worten könnte man freilich schließen, daß die Veränder- lichkeit des Wertes lediglich auf den Nutzwert gegründet würde. Dem widerspricht aber, daß Aegidius erklärt, im Darlehen dürfe nur auf den Substanzwert gesehen werden, und doch eine Ver- änderung im Werte des dargeliehenen Kapitals in weitgehendem Maße berücksichtigt3). Der Substanzwert ist vielmehr einfach der Wert, den eine Sache an sich nach allgemeiner Schätzung hat, der also unter bestimmten Verhältnissen als fest erscheint, also gleich dem Nutzen für das menschliche Leben ist4); im Gegensatz zum Nutzwert, d. h. zu der Bedeutung, die jemand unter kon- kreten Verhältnissen einem bestimmten Gute beilegt nach dem Nutzen, den er aus demselben zu erlangen hofft.
Der Wert der Güter kann aus vielerlei Gründen verschieden und Schwankungen unterworfen sein. Maßgebend hierfür ist die Natur der Dinge selbst, die Lage der Personen, die den Gütern gegenübertreten, sowie Ort und Zeit; letztere zumal insofern, als sie auf die vorhandene Menge des betreffenden Gutes von Ein-
x) 1. c. c. IX, p. I. cf. c. X: »unaquaeque rei aestimatio iusta dependet ab utilitate vel necessitate ipsius rei.«
2) 1. c.
3) Vgl. z. B. c. VIII.
*) Vgl. c. X, sowie im Folgenden.
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fluß sind, und dadurch die subjektiven Schätzungen bestimmen, so z. B. ist das Getreide im Herbst unmittelbar nach der Ernte billiger als im Frühjahr1).
Auf dem subjektiven Prinzip des menschlichen Bedürfens beruhen auch die anderen werttheoretischen Gesetze, die Aegidius aufstellt, und über deren Verwendung im einzelnen später zu handeln ist; wie der Gedanke, daß ein vollendetes Gut einen höheren Wert besitzt als ein unvollendetes3).
Insbesondere wird der Einfluß der Zeit auf die Wert- schätzung der Güter hervorgehoben: »etiam res futurae per tempora non sunt tantae extimationis, sicut eaedem collectae in instanti nee tantam utilitatem inferunt possidentibus, propter quod oportet, quod sint minoris extimationis seeundum justitiam«3). Gegenwärtige Güter werden höher bewertet, als dieselben Güter, wenn sie erst in späterer Zeit nach und nach in einzelnen Raten dem Besitzer zufallen. Ein Satz, in dem wenigstens im Keime ein Prinzip ent- halten ist, aus dem in neuerer Zeit Boehm-Bawerk die Erscheinung des Zinses zu erklären versucht hat4). Aegidius wendet denselben allerdings, wie wir noch sehen werden, auf den Darlehenszins nicht an.
III. Das Prinzip der Vertragsfreiheit: Auf Grund seiner Wertlehre nimmt nun Aegidius zum Tauschvertrage Stellung. Der Tausch ist beherrscht vom Gewinnprinzip: »de natura huius contractus potest quis sperare ultra id, quod datur«6). Für Kauf und Verkauf ist nicht der normale Substanzwert maß- gebend, dessen Gleichsetzung im Tausche etwa anzustreben wäre, sondern für jeden der beiden Kontrahenten ist seine persönliche Schätzung bestimmend, die er einem Gute entgegenbringt: Das Maß des Nutzens, das er vom Tausche erwartet, ist für sein Ver- halten maßgebend. So stellt Aegidius den Satz auf: »tan tum res extimatur juste, quantum ad utilitatem possidentis
a) c. IX. p. i. cf. c. VIII.
2) c. VIII. i. f.
3) c. IX. p. 2. Im römischen Rechte finden sich ähnliche Sätze, in denen der Einfluß der Zeit auf die Wertschätzung betont wird, z.B. 1. 12. § 1. D. L. 16.: »minus solvit, qui tardius solvit, nam et tempore minus solvitur.« Weitere Stellen bei Oert- mann a. a. O. S. H2f. Bei dem verschiedenen Charakter der Stellen dürfte eine un- mittelbare Beeinflussung durch das römische Recht bei Aeg. kaum anzunehmen sein. Der von Oertmann a. a. O. den Kanonisten gemachte Vorwurf, sie hätten die Be- deutung der Zeit für die Wertschätzung übersehen, ist also unberechtigt.
4) Vgl. Positive Theorie d. Kapitals, S. 426 ff. Über das Darlehen S. 486 ff. 6) c. IX. p. 1.
11*
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refertur et tantum juste valet, quantum sine fraude vendi potest«1).
Schon der Wortlaut des Satzes verlangt einen Vergleich mit Heinrich von Gent: letzterer lehnt das römisch-rechtliche Prinzip der Vertragsfreiheit ab und verlangt möglichste Einhaltung des normalen Wertes der Güter; ein fest bestimmter Wert erscheint als gerecht. Dieser Inhalt der Lehre vom gerechten Preis ist bei Aegidius gefallen. Er kennt zwar noch den abstrakten Substanz- wert, aber für den Tausch kommt demselben keine Bedeutung zu. Die Vereinbarung des Preises wird der libera voluntas2) der Kon- trahenten überlassen. Ein Überschuß des gezahlten Preises über den normalen Wert hinaus ist an sich nicht ungerecht. Die Ge- rechtigkeit im Tausche besteht zunächst darin, daß beide Parteien sich von betrügerischen Manipulationen, die zu einer Täuschung über den Wert der Güter führen könnten, fernhalten. Bezweckt aber ist mit dem Prinzip der Freiheit, daß das Ziel des Tausches, die Er- reichung eines Gewinnes, verwirklicht wird. So rechtfertigt Aegidius eine Vertragsart: »quia uterque talia facit pro utilitate sua propria«. Für die Erzielung eines Gewinnes aber sorgen die Kontrahenten in der Regel selbst. Und so kommt Aegidius dazu, als entscheidend für die Gerechtigkeit eines Vertrages den »freien Willen« der Tauschenden anzusehen und daher den Satz aufzu- stellen: »omnis translatio facta libera voluntate dominorum iuste fit«3). Hiermit ist noch ein wesentlicher Schritt über Duns Scotus hinaus getan.
Der Einfluß dieser Auffassung vom Tausche zeigt sich unver- kennbar in der Stellung, die Aegidius zum Geldwechselgeschäft einnimmt. Er bringt zwar noch die früheren Gründe zur Recht- fertigung dieses Geschäftes, daß dem Wechsler ein Arbeitslohn gebühre usw., aber neu gegenüber der früheren Zeit und ein Aus- fluß seiner Wertlehre ist der Gedanke, daß die »ars necessaria et licita« deswegen erlaubt sei: »quia dicit actum iustitiae et libertatis per ampliorem utilitatem dati apud accipientem a campsore quam accepti ab ipso«4). Das Geldwechsel- geschäft findet seine Berechtigung in dem Nutzen und Gewinn,
*) 1. c.
2) 1. c.
3) 1. c. vgl. den ähnlichen Satz: »quidquid emens vel vendens amplius accipiant quam dederint, iuste accipiunt et ut suum factum libera voluntate dominorum«.
*) c. XIII; ib.: »Ideo illud, quod plus accipi videtur, transit in dominium acci- pientis per simplicem voluntatem dantis«.
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den derjenige, der sich Geld wechseln läßt, von der Umwechslung seines Geldes erzielt.
IV. Das Darlehen: Das Darlehen ist nach Aegidius Lessi- nus seinem Wesen nach unentgeltlich: »mutuum gratuitum fieri debet de natura mutui«1). Diesem Wesen des Darlehens wider- streitet es, wenn der Gläubiger daraus Gewinn erzielen will: Mutuum date nihil inde sperantes. Und der Darlehenswucher ist nichts anderes als die Hoffnung auf Gewinn in diesem seiner Natur nach unentgeltlichen Vertrag2).
Mit dem Gesagten ist bereits der Unterschied zwischen Kauf und Verkauf einerseits und dem Darlehen andererseits gegeben; erstere sind beherrscht von dem Streben nach Gewinn, was bei letzterem ausgeschlossen ist. Bei ersterem dürfen beide Parteien die zu tauschenden Güter nach dem Nutzen schätzen, den sie ihnen gewähren, und sind in der Festsetzung des Preises völlig frei; bei letzterem ist dies nicht gestattet, hier wird vielmehr Gleichheit des Substanzwertes gefordert. Der Gläubiger darf nur so viel zurückfordern an Wert, wie er ausgeliehen hat, und sich nicht etwa durch den Nutzen bestimmen lassen, den der Schuldner von den dargeliehenen Gütern erwartet. Fordert er mehr, so liegt Wucher vor3).
Der Wucher kann seiner Materie nach in allem bestehen, was durch Zahl, Maß oder Gewicht bestimmbar ist. Er kann in den Formen des einfachen Zinses oder Zinseszinses erhoben werden. Besondere Arten sind die centesima (100% des geliehenen Kapitals) und die emiola [50 %] 4).
Die Verwerflichkeit des Zinses ergibt sich, abgesehen davon, daß er dem Wesen des Darlehens widerstreitet5), noch aus fol- genden Gründen: a) das Zinsnehmen geht hervor aus der Sucht nach grenzenlosem Erwerb, indem das Geld nicht seiner Natur gemäß als Vermittler des Tausches gebraucht wird, sondern, um mit ihm wieder Gewinn zu erzielen, ein Gedanke, der, wie bekannt, auf Aristoteles zurückgeht6), b) Der Wucher ist arbeitsloses Ein- kommen. Es liegt in ihm eine Aneignung fremder Arbeit vor:
!) c. III, cf. c. VII; c. XIV; c. XV, und sonst.
2) c. XIV.
3) c. IX, p. I: »Et ideo nihil ultra valorem rei sperare debet mutilans ex usu rei mutuatae, quia ratione substantiae transfertur mutuum et non ratione usus.«
4) c. II.
5) c. III. cf. c. IV. 8) c. IV. cf. c. XX.
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Der mit dem Gelde erzielte Mehrertrag stammt »ex propria opera- tione et sollertia« des Gebrauchers1), c) Dem Wucher liegt eine pretentio aequalitatis zugrunde, eine ficta aequalitas: Der Zins wird festgesetzt nach der Dauer des Ausleihens des Kapitals. Es wird also die Zeit verkauft, die ein allgemeines Gut ist — »a Deo datur aequaliter«2) — und den Wert der Waren — hier ist an den Substanzwert zu denken — an sich nicht beeinflußt3). Der Zins widerstreitet also göttlichem und natürlichem Recht4).
Es sei noch kurz darauf hingewiesen — eine Frage, die weit- läufig behandelt wird — , daß die Verpflichtung des Schuldners das Gleiche zurückzuzahlen, was er empfangen hat, sich auf den Wert der Güter bezieht. Ändert sich dieser in der Zeit zwischen Leistung und Gegenleistung, so kann der Gläubiger unter Um- ständen ein größeres Quantum verlangen, das dem hingegebenen Quantum an Wert entspricht5). Der Gläubiger kann auf diese Weise z. B. dem Schaden einer Geldentwertung, mag dieselbe in einem positiven Gesetz oder in der Natur des Geldes ihren Grund haben, entgehen : Er leiht dem Schuldner eine bestimmte Geldsumme und verpflichtet ihn das Gleiche an Wert zurückzuzahlen und zwar gemessen an einer anderen Münzsorte. Tritt nun beim dargeliehenen Gelde aus irgendwelchen Ursachen eine Entwertung ein, so erhält der Gläubiger in diesem Falle nominell mehr zurück als er hin- gegeben hat6).
Im übrigen hat es weder Zweck noch Interesse die verschie- denen Möglichkeiten, die Aegidius im Hinblick auf etwaige Wert- veränderungen des ausgeliehenen Kapitals aufwirft und löst, im einzelnen zu verfolgen. Sie sind im allgemeinen von dem Be- streben beeinflußt, dem wirtschaftlichen Verkehr das Maß an Freiheit zu gewähren, das ohne Aufhebung des Zinsverbotes noch möglich ist.
*) c. XX cf. c. IV: »Constat autem, quod nee labore aliquo fit recompensatio in contractu vel acquisitione usurae, quia tantum lucratur fenerator dormiens sicut vigilans et in diebus solemnibus sicut in feriis communibus.«
2) c. IV. cf. c. VI; c. VIII; c. XIV.
3) c. VIII. cf. c. IX, p. I: Die Zeit ist auf den Wert der Dinge von Einfluß, insofern sie der Natur der Dinge nach eine Veränderung bewirkt; so ist z. B. das Ge- treide der Jahreszeit nach von verschiedenem Wert, »potest etiam in contractibus tempus considerari, ut nihil conferens vel auferens de valore rei ex natura temporis, sed tantum consideratur ut mensura durationis extrinseca.«
4) z. B. c. XV.
5) c. VI und sonst.
6) c. XIV.
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Die Theorie der Zinstitel ist nicht weiter entwickelt1). Das- selbe ist bezüglich der Frage der Eigentumsübertragung am er- wucherten Gelde zu sagen: Aegidius beschränkt sich auf die Fest- stellung, daß nach menschlichem Rechte eine Eigentumsübertragung stattfände, während dies nach göttlichem und natürlichem Rechte nicht der Fall sei2).
V. Kauf und Verkauf auf Kredit: Die Anschauungen, die Aegidius bezüglich der Preisfestsetzung für die Fälle, wo Leistung und Gegenleistung zeitlich auseinanderfallen, vertritt, sind im Kerne die althergebrachten ; gleichwohl tragen auch sie in gewissem Sinne eine neue Färbung, insofern als in verstärktem Maße die freie Vereinbarung der Kontrahenten betont wird.
Wenn wir uns daran erinnern, daß das Mittelalter die For- derungen des Darlehensverkehrs auch auf alle die Fälle ausdehnt, wo die Zahlung zeitlich vor Empfang der Ware erfolgt, oder um- gekehrt eine Stundung des Kaufpreises stattfindet, indem in allen diesen Fällen ein Tausch von Geld gegen Geld und damit etwas dem Mutuum Ähnliches erblickt wurde, so werden wir uns nicht wundern, daß das, was beim Darlehen als Wucher bezeichnet wurde, auch hier als unerlaubt hingestellt wird. Auch in diesen Kreditgeschäften muß daher der Substanzwert zugrunde gelegt werden. Zahlt daher der Käufer früher als er die Ware empfängt, so darf er wegen dieser früheren Zahlung allein »causa temporis« einen Preisnachlaß nicht fordern und umgekehrt darf der Ver- käufer bei Kreditierung des Preises »propter credentiam ipsam« keine Preiserhöhung vornehmen. Die Zeit verändert eben den (Substanz-) Wert der Dinge an sich nicht3).
Das hindert aber nicht, daß aus vielerlei anderen Gründen eine Preisänderung vorgenommen werden kann4): Bei früherer Zahlung darf der Käufer einen vom Verkäufer »gratis et libera- liter« gewährten Preisnachlaß annehmen; eine Bestimmung, womit den früheren Erörterungen wohl die praktische Bedeutung zum größten Teile genommen ist, indem letzten Endes alles der freien Vereinbarung der Kontrahenten überlassen ist. Auch darf der Käufer einen geringeren Preis für die Waren zahlen, wenn ihm durch die frühere Zahlung ein Schaden erwächst.
*) c. VI; c. VII.
2) c. V. cf. c. XX. Vgl. überhaupt die Restitutionslehre, die in den Kapiteln XVII — XXI gegeben wird.
3) c. VIII, cf. c. X.
*) Vgl. zum Folgenden die in der vorigen Anmerkung angegebenen Stellen.
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Eine Kreditierung des Kaufpreises kann aus verschiedenen Gründen stattfinden: sie kann mit der Natur des betreffenden Geschäftes gegeben sein, oder vom Verkäufer freiwillig gewährt werden, oder in der Armut des Käufers ihren Grund haben. Ab- gesehen davon, daß in letzterem Falle eine Preiserhöhung gestattet ist im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die der Verkäufer mit der Erlangung seines Geldes wegen der Zahlungsunfähigkeit des Käufers haben wird, ist in allen anderen Fällen eine Preiserhöhung dann gerechtfertigt, wenn der allgemeine Preis der Waren aus irgendwelchen Gründen sich in der Zwischenzeit verändert hat; insbesondere darf der Händler, der eine Ware zu einem späteren Termin zu verkaufen beabsichtigt, wo »der Nutzen derselben für das menschliche Leben«, also der Substanzwert ein höherer ist, bei früheren Verkäufen den Preis stunden und erhöhen; eine Be- stimmung, die vor allem für den mittelalterlichen Getreidehandel von größter Bedeutung war, indem der Händler im Herbst nach der Ernte zu billigem Preise kaufte und im Frühjahr teuerer ver- kaufte. Es war ihm so bei etwaigen früheren Verkäufen der Gewinn gesichert. Den teilweise zu sehr ins einzelne gehenden Erörterungen brauchen wir hier nicht zu folgen.
VI. Das Gesellschaftsunternehmen1): Die Sozietät wird in ähnlicher Weise behandelt, wie dies schon von Thomas geschehen war: Der Geldgeber bleibt Eigentümer des eingezahlten Kapitals und nimmt an der Gefahr des Unternehmens teil. Aegidius faßt das Gesellschaftsverhältnis mehr als das Verhältnis eines Herrn zu seinem Diener auf. Er betont, der Kapitalist könne Gewinn er- hoffen: »quia tunc commissa est pecunia vel res alia sicut servo et ministro, qui de re domini negotiatur ad utilitatem domini sui«. Entscheidend für den Charakter des Gesellschaftsunternehmens ist die Eigentumsvorbehaltung; denn letztere nimmt dem Vertrage die Eigenschaft des Darlehens und gestattet so die Hoffnung auf Gewinn. Gewährung eines Darlehens mit Risikoübernahme recht- fertigt einen Zins nicht: »Et quia in mutuis vitium usurae annexum est: ex eo, quod fiant spe lucri . . . ideo, quia dubium et periculum de sua natura non tollunt hanc vitiositatem a mutuo, quando fit spe lucri, nee dubium nee periculum excusare possunt vitium usurae«2).
VII. Rentenartige Verträge. Die Ausführungen hierüber bieten in vielen Punkten nichts Neues. Wir können uns daher
J) Vgl. zum Folgenden c. XI.
2) c. VI. Mit Berufung auf c. 19 X. V, 19.
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sehr kurz fassen. Aegidius selbst behandelt nur wenige Fälle von Rentenverträgen.
Zunächst wird die Frage erörtert, ob es gestattet sei, von einer Kirche oder einem Kloster gegen Zahlung einer einmaligen Geld- summe bestimmte Besitzungen oder Renten auf Lebenszeit zu er- werben1). Aegidius tritt für die Erlaubtheit derartiger Verträge ein, zunächst vom Standpunkte des Eigentumsrechtes aus: die Ver- käufer in diesen Verträgen könnten frei über ihr Eigentum verfügen, könnten mithin auch Besitzungen und Renten auf Lebens- zeit verkaufen; ein neuer Beweis für den mehr liberal-individuali- stischen Zug, der das ganze System der wirtschaftlichen Anschau- ungen des Aegidius durchzieht2). Er betont ferner, daß hier ein Kauf bzw. Verkauf vorliege, daß deshalb beide Parteien Gewinn erstreben dürfen: Die Güter würden »ad utilitatem possidentis« ge- schätzt, und wenn auf beiden Seiten freie Einwilligung vorliege, so mache schon der freie Wille beider Parteien den Vertrag er- laubt. Zudem sei es wegen der Ungewißheit der Lebensdauer des Käufers zweifelhaft, wer den größeren Vorteil ziehen werde, und ein solches dubium mache die Bedingungen des Vertrages für beide Parteien gleich3). Von einem Darlehen, betont er, sei ein derartiger Vertrag grundsätzlich verschieden: Der Gewinn, den Käufer und Verkäufer hier erstreben, hängen mit der gekauften Sache selbst zusammen, sei de natura sortis, und falle nicht wie beim Mutuum der Zins äußerlich hinzu4). Der Zins im Darlehen ferner werde nicht freiwillig gewährt, wie ein etwaiger Überschuß bei einem solchen Vertrage. Das Geld erzeuge nicht wie beim Mutuum wieder Geld, das Kapital bleibe nicht unangetastet, was im Begriff der Zeugung liege, sondern werde allmählich aufge- braucht, indem der Käufer einer Rente nicht das Recht habe, das gezahlte Kapital zurückzuverlangen.
*) "Vgl. zum Folgenden c. IX, p. 1.
2) 1. c. : »Dicimus etiam quarto, quod verus dominus rei sicut potest dare vel vendere proprietatem rei vel usum seu fructus alicuius possessionis simpliciter quantum
"ad omne tempus, sie potest dare vel vendere quantum ad tempus determinatum vel particulare: Omnia ista probantur per veram rationem dominii.«
3) "Vgl. hierzu noch c. VI.
4) Der Begriff sors wird von Aeg. gleich »res iuste possessa vel debita alicui personae« bestimmt und erklärt: »hoc .... dicitur sorti aeeidere, quod non pertinet ad proprietatem sortis.« cf. c. VIII. Auf den Ertrag eines Ackers z. B. hat sich daher der Käufer desselben ein Recht erworben, das ihm auch dann nicht verloren geht, wenn er über den Kaufpreis gewinnt. So gehört auch der etwaige Mehrgewinn aus dem Rentenkauf zu dem, worauf der Käufer einen rechtlichen Anspruch hat.
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Die zweite Frage, die Aegidius aufwirft, ist die folgende1): Es bezieht z. B. jemand aus einer Pfarrei oder einer sonstigen Quelle ein jährliches Einkommen, eine Rente. Nun verkauft er dieselbe auf eine bestimmte Reihe von Jahren zu einem geringeren Preise als die einzelnen Posten der jährlichen Rente zusammen addiert ergeben. Auch dieser Vertrag wird als erlaubt bezeichnet: Aegidius geht von der Auffassung des Kaufs und Verkaufs aus, die das Streben nach Gewinn zulassen: der Verkäufer erwartet von der Geldsumme, die er sofort bekommt, einen größeren Vor- teil als ihm die jährliche Rente bringen könnte. Deswegen willigt er frei in den Vertrag ein, was diesen schon an sich erlaubt macht. Vor allem stützt sich Aegidius auf das oben erwähnte werttheo- retische Prinzip, daß eine zukünftige Geldsumme, die erst nach und nach zusammenkomme, geringer bewertet werde als dieselbe Summe, wenn sie augenblicklich gegenwärtig ist2). Der Über- schuß hat deshalb nichts Bedenkliches und gehört zum Inhalt des Vertrages. Der Käufer der Rente erwirbt den ganzen Ertrag während der bestimmten Zeit. Der Gewinn ist daher mit der sors innerlich verbunden und steht nicht nur in einem äußerlichen zufälligen Zusammenhange.
VIII. Rückblick. Bei Aegidius kommt zuerst die etwas mehr liberale Gesinnung, deren allmähliche Entwicklung im vorigen Ab- schnitt dargestellt ist, zur Entfaltung. Sie äußert sich in einer Aufgabe der alten Lehre vom justum pretium; die Vereinbarung des Preises wird unter Voraussetzung des Gewinnprinzips der freien Vereinbarung überlassen, ein Gesichtspunkt, der, wie wir sahen, z. B. bei den Rentenverträgen mit Geschick verwertet ist. Von größter Bedeutung ist ferner die Scheidung zwischen dem Werte secundum rationem substantiae und secundum rationem usus et fructus, die wie gezeigt, eine Aufrechterhaltung der Zinslosigkeit des Darlehens und der übrigen Kreditverträge möglich macht. Das Darlehen nimmt so eine völlig isolierte, von den Tauschver- trägen gänzlich verschiedene Stellung ein.
Natürlich ist die Idee der Freiheit der Vereinbarung des Preises bei Aegidius verschieden von den modernen Gedanken des Indivi- dualismus, der den inneren Kräften eines kapitalistischen Wirtschafts- lebens freien Lauf lassen will. Die Verurteilung des kapitalistischen Gewinnstrebens bei Aegidius kommt deutlich in seiner Lehre vom
1) Vgl. zum folgenden c. IX, p. 2.
2) Vgl. oben S. 163 cf. ib.: »pluris valoris extimatur res aliqua praesens et collecta quam futura et divisa.«
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turpe hierum zum Ausdruck. Es ist hierunter jener Gewinn ver- standen, der zwar nicht direkt ungerecht, aber gleichwohl zu ver- abscheuen ist. Der Tausch ist nach Aegidius nur berechtigt »propter necessitatem vitae humanae, quae de se finita est in suis indi- gentiis«1). In diese Grenze ist also auch das Gewinnstreben gebannt. Die Überschreitung derselben ist eben das turpe lucrum, das dann vorliegt, wenn ein Geschäft abgeschlossen wird: »non propter finem debitum humanae vitae, sed propter avaritiam, cuius non est finis« 2). Daher wird denn auch z. B. eine kapitalistische Ausnützung des Rentenkaufes verurteilt. »Vitium autem turpis lucri .... tunc in ipso ineidit, quando aliquis dives sibi sufficiens ad vitam et seeundum rei naturam et personae et seeundum statum personae tales redditus emit, ut divitior fiat et plures divitias sine iusta et pia necessitate acquirat«3). Dem Gewinnprinzip im Tausche stellt sich also das mittelalterliche Bedarfdeckungsprinzip einschränkend zur Seite.
Es mag immerhin die Weitschweifigkeit und gelegentliche Undeutlichkeit der Ausführungen des Aegidius zu tadeln sein. In- haltlich gehören seine Ideen zu den fortgeschrittensten des Mittel- alters überhaupt. Sie kommen jedenfalls den Forderungen des aufblühenden Wirtschaftslebens in einer Weise entgegen, wie es bei den übrigen Denkern des Mittelalters selten zu finden ist.
Anmerkungsweise seien verschiedene Werke genannt, denen für die Entwicklung der mittelalterlichen Wertlehre kaum Bedeutung zukommt.
i. Die Summa Astesana, von einem unbekannten Franzis- kaner des 14. Jahrhunderts um 13 17 verfaßt (vgl. K. L. I, 1523 f.). Sie ist eine zum größten Teil wörtliche Kompilation aus Albertus, Thomas, Scotus, Ricardus usw. Die einzelnen Lehren über Tausch, Handel, Rentenkauf usw. können daher übergangen werden. Die verschiedenen Anschauungen über den Wert werden unausgeglichen nebeneinander vorgebracht. Einmal wird Gleichheit des Markt- preises im Tausche gefordert (z. B. P. I, 1. 3, a. 5, q. 3). An anderer Stelle heißt es vom Wechselgeschäft: »Et servatur ibi iustitia simi- lis illi, quae est in emptione et venditione, quia fit ibi recompen- satio seeundum ampliorem utilitatem dati apud reeipientem a camp- sore quam reeepti ab eo«. Der Kursgewinn des Wechslers beruht vor allem darauf, daß der Wert des Geldes in doppelter Weise
x) c. IV.
2) c. IX, p. I.
3) 1. c.
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bestimmt sein kann: »secundum materiam« und »secundum legem positivam«. Das Auseinanderfallen beider kann vom Wechsler ausgenutzt werden (P. I. 1. 3, a. 5).
2. Walter Burleigh (Burlaeus) (1275 — 1337, Schüler des Scotus vgl. K. L. II, 1542 f; Stöckl, Geschichte II, 1042 f) verfaßte einen Kommentar zur nikomachischen Ethik, der offenbar von Thomas abhängig ist. Die Wiedervergeltung erfordert Gleichheit der beiderseitigen Aufwendungen (cf. 1. V. c. 5. t. 1. pH, [S. 83]).
3. Thomas von Strassburg1) (gest. 1357), Verfasser eines Sentenzenkommentars. Es finden sich bei ihm höchstens gelegent- liche Bemerkungen, so wenn er betont, daß der Preis bestimmt werde im Hinblick »ad materiam et ad opus artificis« 2). Den Handel billigt er3). Die Frage des Zinses wird kaum erörtert. Nur erklärt er, daß der Gläubiger im Falle, daß ihm durch Zahlungs- verzug des Schuldners ein Schaden erwachse, vollen Ersatz bean- spruchen dürfe, wenn dieser Schaden klar sei: wenn z. B. der Gläubiger selbst zur Fortführung seines Geschäftes ein verzinsliches Darlehen hat aufnehmen müssen. Für den bloßen Entgang eines möglichen Gewinnes soll Ersatz geleistet werden nach den Schätzungen eines »fidelis et iustus mercator«4).
§ 2. Franciscus de Mayronis und Durandus a. S. Poreiano.
Es sind alsdann zwei Denker zu erwähnen, die, von dem allge- meinen kritischen Zeitgeiste getragen, in manchen Punkten an den herkömmlichen Anschauungen über den Wucher gerüttelt haben.
1. Zunächst ist hier ein unmittelbarer Schüler des Duns Scotus zu nennen; Franciscus de Mayronis [f 1327]5). Inder Behand- lung des Eigentums, des Handels, des Wechselgeschäftes und Rentenkaufes bringt er kaum etwas Neues6). Der Forderung der Wertgleichheit scheint er die Annahme eines allgemein gültigen Marktpreises zugrunde zu legen7). Freilich wird im übrigen die Subjektivität des Wertes stark betont, indem er das Wesen der
*) K. L. XI, i689f.
2) Sent. 4 d. 25 a. 4 ad 5.
a) 1. c. d. 16, a. 3.
*) 1. c. d. 15, a. 4. q. 4.
5) Vgl. K. L. VIII, 11 17 f.
6) Über das Eigentum vgl. Sent. IV. d. 16. q. i. i. (fol. 29b): Der platonische Staat erscheint als vollkommen; M. bemerkt aber bezüglich der Menschen nach dem Sündenfall: »sicut erant imperfecti, necesse fuit, ut haberent politiam imperfectam.« Über die übrigen Geschäftsarten vgl. 1. c. q. 4 (fol. 30 b f.).
7) 1. c. q. 3 (fol. 30b), cf. I, 2 (fol. 29b).
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Tauschgerechtigkeit nicht mehr, wie Aristoteles, in einer realen Gleichheit der äußeren Dinge, sondern in einem »medium in ratione« sieht, eben im Hinblick auf den subjektiven, im Menschen gelegenen Charakter des Wertes. Das subjektive menschliche Bedürfen ist also wertbestimmend1).
Von seiner Wertlehre ist auch seine Stellung zum Zinsv erbot getragen2). Nicht als ob er die Berechtigung desselben bezweifelt hätte. Dazu war der Einfluß von Tradition und Kirchenlehre zu mächtig. Das Zinsverbot ist ihm vielmehr von Gott gegeben. Der Staat darf es daher seinerseits nicht als zulässig erklären. Nur lehnt Mayronis die bisher übliche naturrechtliche Begründung der Zinslosigkeit des Darlehens ab.
Sieht man die Gerechtigkeit im Tausche dann erfüllt, wenn beide Kontrahenten Nutzen haben, so bleibt das Zinsverbot un- verständlich: »modo usurarius dat 10 pro 12, mercator lucratur sie, quod reddit et vivit de peeunia«. Ein verzinsliches Darlehen kann also beiden Teilen von größtem Vorteil sein.
Aus demselben Gedanken heraus wird das Argument von der Unfruchtbarkeit des Geldes verworfen: Das Geld darf nicht in der Weise betrachtet werden, daß es rein für sich genommen nicht fruchttragend sei, sondern der Nutzen des Geldes müsse im Hinblick auf die soziale Funktion desselben geschätzt werden. Dann quelle aber aus dem Gelde ein hoher Nutzen3); und es sei unverständlich, daß der Zins nicht gestattet sein sollte: »quia salus et utilitas est rei publicae«.
Das Argument von der Unverkäuflichkeit der Zeit wird mit dem Bemerken abgetan, daß man dann auch den Mietvertrag ab- lehnen müsse. Unklar bleibt der Grund für die Zurückweisung des Gedankens, daß der Zins als Aneignung fremden Arbeits- ertrages verurteilt werden müsse4).
Auch theologische Gründe für den nicht naturrechtlichen Charakter des Zinsverbots werden beigebracht: Das alte Testament habe Ausnahmen von Zinsverbot gekannt. Eine Dispensation von
!) Sent. III, d. 37, q. 2 (fol. i8bf.) cf. IV, 16. I, 2.
2) Vgl. zum folgenden: 1. c. IV, l6, q. 3.
3) 1. c. : ». . peeunia sterilis est et ideo non debet reddere fruetum, ut plus reci- piant, quam mutuatum fuit .... Rendo: usus rei in politia attenditur ad utilitatein rei publicae, unde in se res non dieuntur steriles, sed ut cadunt in usu, quo peeunia est multum utilis.«
*) 1. c. : »Alia ratio de industria humana: Contra, advocati reeipiunt ex industria sua multa et licita.« Soll gesagt sein, die Gläubiger düiften für die mit dem Ausleihen usw. verbundenen Mühen ein Entgelt beanspruchen?
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naturrechtlichen Bestimmungen aber sei nicht denkbar. So kommt Mayronis zu dem Ergebnis: »non apparet ratio demonstrationis, quod sit illicita«.
Die einzige Begründung des Zinsverbotes liegt also in einem positiven göttlichen Gebot. In einem andern Zusammenhange, wo es sich nicht unmittelbar um das Darlehen handelt, sucht Mayronis das Zinsverbot dem menschlichen Verständnis dadurch näher zu bringen, daß er als den natürlichen Sinn desselben den Ge- danken bezeichnet, der Reiche müsse mit seinem Überfluß den Armen, der sich in Not befinde, unterstützen. Daß mit dieser »ratio naturalis« keine neue, andere naturrechtliche Begründung der Unent- geltlichkeit des Darlehens gegeben werden soll, dürfte klar sein *).
Die Ausführungen des Mayronis sind von einem überraschenden Verständnis des ihn umgebenden Wirtschaftslebens getragen. Teil- weise mag allerdings eine gewisse Freude am Kritisieren mit- wirken. Wie Duns Scotus in Theologie und Philosophie eine »kritische« Richtung inaugurierte, so auch auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Anschauungen.
IL Durandus a. S. Porciano2) wurde gegen Ende des 13. Jahrhunderts in St. Pourcain geboren und starb 1332. Anfangs in Theologie und Philosophie Anhänger des Thomas von Aquin erneuerte er später, freilich nicht in konsequenter Durchführung, den Nominalismus. Auch sonst nimmt er in vielen Einzelfragen eine selbständige Stellung ein. Von seinen Schriften kommt für uns nur sein Sentenzenkommentar in Betracht.
Was Veranlassung gibt, ihn in diesem Zusammenhange zu behandeln, ist seine Stellung zum Zins, die von scharfer Beobachtung des wirtschaftlichen Lebens zeugt3). Zwar schließt er sich in der Verteidigung der Zinslosigkeit des Darlehens durchaus an seine Vorgänger an, äußert aber im übrigen einen Gedanken, von dem aus eine Überwindung des Zinsverbotes ohne große Mühe möglich gewesen wäre. Er geht von der wirtschaftlichen Notwendigkeit des Darlehens aus: In jedem Staate wären viele, die ein Bedürfnis nach Darlehen hätten, und wenn sie ein solches nicht erhielten, schwer geschädigt würden, was auch dem Staate selbst zu schwerem
x) 1. c. : »Sed quid de illis, qui expectant tempus caristiae, pauperes veniunt, ut emant; ipse non vult vendere; tunc dicunt, quod tan tum dabunt, quantum tunc valebit. Dicitur, quod fieri potest, licet sit inhumanum, et tenetur illis statim tradere, quod super- fluit, necessitatem patienti. Et haec ratio naturalis contra usuram: his, qui necessitatem patiuntur. Tarnen contractus non est illicitus.«
2) K. L. IV, 43 ff.
*) Vgl. zum folgenden Sent. III, d. 37, q. 2, a. 1; ib. a. 2.
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Nachteil gereichen könnte. Zudem könnten die Kommunitäten selbst zur Erfüllung ihrer schwierigen und kostspieligen Aufgaben das Darlehen nicht entbehren. Durch das Darleihen von Geld werde also eine wichtige volkswirtschaftliche Funktion erfüllt, und diejenigen, die ihr Vermögen zu diesem Zwecke hergäben, leisteten dem Staate einen Dienst, verrichteten Arbeit im volkswirtschaft- lichen Sinne. Und als Lohn dieser Arbeit gebührt den Entleihern eine Vergütung, ein Zins: »ergo servientes, et se ac sua exponentes pro tali servitio exhibendo rei publicae a singularibus personis merentur mercedem ex tali labore et servitio.« Ein Zins, der so als Arbeitslohn »tanquam Stipendium laboris seu servitii ipsius mutuantis« erscheint, würde von Durandus nicht abgelehnt werden; er denkt sich die Zahlung desselben etwa in der Form, daß den Schuldnern von seiten der staatlichen Autorität zugunsten der Gläubiger, die vom Staate mit der Darlehensgewährung eigens beauftragt sind, ein »salarium annuatim taxandum« auferlegt wird. Er fügt noch hinzu, daß er von etwas derartigem weder gelesen noch gehört habe1).
Wenn Durandus so die wirtschaftliche Bedeutung des Darlehens ahnt und die Möglichkeit annimmt, daß unter Um- ständen von seiten des Staates ein Zins festgesetzt werden könnte, so will er damit das Ideal des mittelalterlichen Wirt- schaftslebens: Die Erlangung des standesgemäßen Unterhaltes aller nicht aufgeben. Nur bis zu dieser Grenze ist von seiten des Schuldners die Aufnahme eines verzinslichen Darlehens erlaubt. Und Durandus tadelt die cupiditas augendi pecunias der Kaufleute, die hierüber hinaus verzinsliche Darlehen aufnehmen, in der Hoff- nung, mehr zu gewinnen, als sie an Zinsen zahlen müssen2). Seine übrigen Anschauungen sind von geringerem Interesse: er tadelt den Handel, der eine Teuerung herbeiführt3), tadelt das Almosen- geben um jeden Preis und verlangt, daß denen fürder kein Almosen mehr gewährt würde, die dadurch zur Trägheit mit allen ihren Gefahren verleitet würden4).
*) *Sed istum modum nee legi nee audivi alieubi statutum vel ordinatum.« — Brants a. a. O. S. 159 sieht bei Durandus den Plan einer Leihanstalt, eines »office de pret«. Dies ist wohl kaum anzunehmen. Durandus spricht nur von der staatlichen Regelung des von zahlreichen Privatpersonen besorgten Leihverkehrs. Vgl. die im Text angeführte Stelle. Der Gedanke erinnert an die modernen Theorien, die den Zins als Arbeitsentgelt auffassen.
») 1. c. q. 4.
3) Sent. IV, d. 16, q. 5.
4) ib. d. 15. q. 8. a. 3.
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Das Bedeutungsvollste aus den Ansichten des Durandus ist natürlich seine neue Fassung des Zinsproblems, indem er die Mög- lichkeit behauptet, daß ein Zins unter Umständen vom Staate fest- gesetzt werden könnte. Es handelt sich hier um die naturgemäße Rückwirkung des aufblühenden Wirtschaftslebens, daß dem Be- obachter die Bedeutung der Kapitalsübertragungen vor Augen führte. Sie zeugt aber auch von einer gewissen Beweglichkeit in den wirtschaftlichen Anschauungen der Scholastik und von dem ernsten Streben über die althergebrachten Theorien hinaus das Wirtschaftsleben kennen zu lernen und seinen Forderungen gerecht zu werden.
§ 3. Petrus de Palude.
Paludanus, berühmter Theologe und Dominikaner [zwischen 1275 und 1280 geboren; gestorben 1342 in Paris1)] gibt in seinem Kommentar zum dritten und vierten Buche der Sentenzen einige Äußerungen über wirtschaftliche Dinge, die aber nur zufälliger Natur sind und unter denen sich kaum ein Zusammenhang her- stellen läßt, die aber gleichwohl von Bedeutung sind.
Er verlangt absolute Gleichheit der zu tauschenden Dinge »in ordine tarnen ad usum contrahentium«2). Er scheint hier also den Wert im Augustinischen Sinne zu fassen. An anderer Stelle betont er, daß der Preis der Waren an demselben Orte und zur selben Zeit von verschiedenen Menschen verschieden geschätzt wird 3), untersucht aber die Bedeutung dieser Schätzungen für den Tausch nicht. Der Vereinbarung der Kontrahenten räumt er an anderer Stelle eine gewisse Freiheit ein: »in justitia commutativa potest dari alteri plus de lucro et minus de damno sine injustitia; immo hoc erit liberalitatis, dum tarnen ex consensu sine errore utriusque procedat«4). Er wendet sich aber dagegen, daß die bedürftige Lage eines einzelnen (miserabilis indigentia, indigentia particularis) von Seiten des andern Kontrahenten zu einer Preiserhöhung beim Verkauf bzw. einer Preiserniedrigung beim Kauf benutzt wird. Nur ein allgemein höheres Bedürfnis (indigentia communis) rechtfertige eine Preis- erhöhung, wobei unter dem allgemeinen Bedürfnis aber nicht etwa das Bedürfnis der gesamten Gemeinschaft verstanden zu werden braucht, sondern nur das einer Mehrheit von Personen im Gegen-
*) K. L. IX. 1 321 ff.
2) HI, 33- q- 4- a. 4.
3) III, 37. q. 2. a. 2. c. 3.
*) s. Anm. 2, sowie die folgende Anm.
satz zur Notlage eines einzelnen1). Bei Verletzung der Wertgleich- heit muß Restitution eintreten. Auch für Rentenverträge auf bestimmte Zeit ist erforderlich, daß keiner den andern zu über- vorteilen scheint2).
Der Wert des Geldes wird durch drei Faktoren bestimmt: pondus, auctoritas, usus. Er ist im gegebenen Augenblicke für alle gleich. Paludanus steht infolgedessen dem Geldvvechselgeschäft mit schweren Bedenken gegenüber, weil hier ein Gewinn nur mög- lich sei unter Verletzung der Wertgleichheit. Nur im Hinblick darauf, daß die Kirche das Geldwechselgeschäft nicht verurteile, hält auch Paludanus dasselbe für erlaubt3).
Die Unerlaubtheit des Wuchers wird mit den üblichen Be- weisen dargetan. Die Stellung des zinszahlenden Schuldners wird etwas anders als gewöhnlich beurteilt: indem Paludanus die Meinung ablehnt, daß der Schuldner den Zins gezwungen übertrage und deshalb nicht sündige. Der Schuldner, wird erklärt, willigt in die Tatsache der Übertragung des Geldes ein, nicht jedoch darin, daß der Wucherer die Übertragung auf Grund des Darlehens fordere. Beim Wucher findet daher eine Eigentumsübertragung statt, freilich ist der Wucherer gleichwohl zur Rückzahlung verpflichtet4).
Paludanus ist vor allen Dingen deshalb zu erwähnen, weil manche seiner Ansichten über den Wert der Güter auf den im Folgenden zu behandelnden Buridanus eingewirkt haben.
§ 3. Johannes Buridanus. I. Leben und Allgemeines: Johannes Buridanus5) wurde um 1300 in Bethune in der Grafschaft Artois geboren, war in Paris ein Schüler Occams und lehrte später daselbst Philosophie. Er starb etwa 1358. Er hat nur philosophische Schriften hinter- lassen, die sich meist mit der Erklärung des Aristoteles befassen. Für uns kommen seine Ouästionen zur Politik, nikomachischen Ethik und Metaphysik in Betracht. Buridanus' wirtschaftliche An- schauungen haben in neuerer Zeit vielfach Beachtung gefunden; so ist von Kaulla und Altmann6) vor allem die Bedeutung seiner Wert- und Geldlehre betont worden.
!) IV. 5. q. 3. a. 3. c. 4.
2) IV. 16. q. 2. a. 4. c. 3; ib. 15. q. 3, a. 5. c. 3.
3) III. 37. q. 2. a. 2. c. 3. Weiteres über das Geldwesen: III. 33. q. 4. a. 5.
4) IV. 15. q. 2. a. 5; ib. q. 3 a. 5. c. 2.
5) K. L. II 1536 ff. R. E. III, 570 f. Sowie die im Folgenden zitierte Literatur.
6) Kaulla: Der Lehrer des Oresmius (Buridanus). Z. f. g. St. Einzelnes in seinem früher zitierten Aufsatze über die Lehre vom gerechten Preis in der Scholastik, S. 597 f.,
Beiträge zur Geschichte der Nationalökonomie. Heft 1. 12
Schreiber, Die volkswirtsch. Anschauungen d. Scholastik.
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Buridanus bedeutet in vieler Hinsicht den Höhepunkt des ökonomischen Denkens des Mittelalters überhaupt. Nicht als hätte er grundlegende neue Gedanken gebracht; seine wirtschaftlichen Anschauungen sind in allem eine organische Weiterentwicklung dessen, was die Scholastik von ihm bereits geleistet hatte. Aber was ihn auszeichnet, ist die scharfe Beobachtung des wirtschaft- lichen Lebens sowie ein feines Verständnis für die psychologischen Vorgänge beim Tausche, was ihn befähigt, die überkommenen wirtschaftlichen Anschauungen in vieler Hinsicht zu klären und weiter zu entwickeln.
Deutlich spiegelt sich in Buridans Schriften das gesteigerte wirtschaftliche Leben seiner Zeit wieder, so wenn er erklärt: »viventes in urbe magis solent convivere et colloqui gratiose quam rurales«1). Und angesichts des Wachstums der Bevölkerung denkt er an die Möglichkeit, daß die Nahrungsmittel nicht mehr zum Unterhalt ausreichen könnten, für welchen Fall Enthaltung von der Ehe eintreten müßte2). Häufig betont er die Bedeutung der äußeren Güter für das geistige und sittliche Leben der Menschen 3). Es spricht zum mindesten für eine etwas freundlichere Beurteilung auch des überstandesgemäßen Reichtums, wenn er den tadelt, der »ultra sibi necessaria et ultra Status sui exigentiam divitias abun- dantes immensum« besitzt und davon keine Almosen spendet4). Immerhin finden sich aber auch Äußerungen, die im altherge- brachten Geiste gehalten sind und das Bedarfsdeckungsprinzip be- tonen. So wenn er erklärt, daß die Sorge für zeitliche Güter er- laubt sei, wenn sie geschehe »propter vitae necessitatem«, daß sie hingegen unerlaubt sei, wenn der Mensch »excessive et superflue credit deficere et credit numquam satis habere et propter hoc toto suo conatu quaerit divitias«5). An einer anderen Stelle6) hingegen wirft er die Frage auf, ob die staatliche Gewalt jemandem ein »abundare in possessione, quantum potest« gestatten dürfe und
sowie in seiner Geschichte der Werttheorien. Ferner Altmann: Studien z. Lehre v. Geld- wert. S. 14 ff. Vgl. dessen Art. im H. W. St. III, 357. *) Eth. IV. q. 16 (S. 86).
2) Eth. III, q. 30 (S. 68): »Et iterum potest tanta esse populi multitudo, quod si ulterius excresceret multum, non esset terra sufficiens ministare cibum hominibus, propter quod illo tempore ius et ordo permittit, immo requirit, ut non omnes fecundentur specialiter, cum non liceat homines interficere sicut boves.« Vgl. Brants a. a. O. S. 239.
3) Vgl. z. B. Eth. I. 16 (S. 14 b ff.) u. sonst. *) Eth. IV. q. 4 (S. 72 b).
6) Pol. V. q. 2 (S. 249).
6) Pol. II. q. 2 (S. 96, 98 f.).
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entscheidet sie dahin, daß ein sittlich guter Mensch, der für das Gemeinwohl sorge, und nicht »ultra modum et debitum ordinem« Besitz erstrebe, nicht an Bereicherung gehindert werden dürfe, weil von ihm für die Gesamtheit Nutzen zu erwarten sei. Man wird immerhin aus diesen Worten, wenn auch nicht auf eine völlige Preisgabe des mittelalterlichen Standesideals, so doch auf eine gewisse Erschütterung desselben schließen können.
II. Die Notwendigkeit des gesellschaftlichen Lebens wird vor allem im Hinblick auf die Befriedigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse betont: dieselben sind von so großem Umfange, daß ein Einzelner sie nicht voll befriedigen, vielmehr ohne Gemein- schaftsleben und die damit ermöglichte Arbeitsteilung nicht auskommen kann. Die letztere begründet Buridanus damit, daß ein Einzelner nur in wenigen speziellen Arbeiten bewandert sein könne, was eine vielfältige Ergänzung nötig mache1). Eine volle Bedürfnisbefriedigung gehöre aber zum Wesen der menschlichen Gemeinschaft2).
Bezüglich des Privateigentums bringt Buridanus keine neuen Gedanken: Das Privateigentum ist ihm eine naturrechtliche In- stitution. Das Gemeineigentum lehnt er ab, weil das Fehlen des eigenen Interesses zur Nachlässigkeit führe, und zu Zwistigkeiten Anlaß gebe bezüglich der Verfügungsgewalt über die Güter, weil es ferner die Freude an der eigenen Arbeit aufhebe, zur Unmäßig- keit in allen Genüssen reize und die Tugend der Freigebigkeit unmöglich mache. Dies alles würde den Ruin des Staates mit sich brinoren. Hinsichtlich des Eigentums sollten daher die Güter getrennt sein, in bezug auf den Gebrauch aber allen gehören3). Im Falle der Not höre das Privateigentum auf, weil in diesem Falle die höhere naturgesetzliche Aufgabe der Güter, allen Menschen zum Unterhalt zu dienen, vorgehe4).
x) Eth. IV. q. 16: »Magnum enim est homini et difficile, si sit bonus textor, quod ipse cum plurimis sibi deservientibus artibus, quarara exercere non posset opera, possit nos vestire. Et alteri multum est, si domum aedificare sciat et possit, alteri navigare aut capere pisces. Alii si ferrum fabricare sciat multa ceteris artibus instru- menta necessaria ministrans, alteri, si agrum colere sciat et possit intendere et sie de diversis innumerabilibus artibus induci posset, sine quibus hominum indigentia naturalis repleri non posset; oportet ergo, quod tanta sit hominum communicatio tarn domestica quam civilis, quod hominum indigentiae naturales invicem suppleantur.«
2) Pol. L, 3 (S. 12): »quilibet congregatio hominum sufficiens ad vitae necessaria et ad bene vivere, regulata certis legibus, uni prineipi subdita, est civitas.«
3) Vgl. Pol. IL, 2 (S. 91 ff.).
«) Vgl. z. B. Pul. II., 3 (S. 105) u. sonst.
12*
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Hinsichtlich des zubilligenden Maßes an Eigentum fordert Buridanus, daß nicht alle schlechthin das Gleiche besitzen, sondern jeder solle soviel besitzen, wie er verdient1). Im Interesse der bürgerlichen Eintracht wünscht er das Vorherrschen eines mittleren Besitzstandes2). Seine diesbezüglichen Anschauungen sind also nichts anderes als eine Wiederholung der thomistischen Eigen- tumslehre.
III. Auch hinsichtlich der Wertlehre steht Buridanus auf dem Boden der vorangegangenen Zeit; nur schreitet er in mancher Hinsicht zu einer tieferen Erfassung und Begründung der alten Anschauungen fort.
Der grundlegende Satz seiner Wertlehre ist der, daß die Güter im Tausche gemessen werden durch das menschliche Be- dürfnis: »Indigentia human a est mensura naturalis commutabilium«. Genau genommen ist für den Wert bestimmend die tatsächliche Bedürfnisbefriedigung, die uns die Güter gewähren, das »supple- mentum indigentiae humanae«, das aber in seiner Größe wieder von dem Maße des Bedürfens abhängt, wie der Wein, der zur Füllung eines Fasses nötig ist, an sich seiner Quantität nach be- stimmt wird durch die tatsächlich eingefüllte Menge, die aber wieder durch die Größe des Fasses bedingt ist. Man kann also kurzer Hand sagen, daß die Güter gemessen werden durch das menschliche Bedürfnis3).
Buridanus sucht diesen Satz durch verschiedene Beweise zu erhärten, die teils aprioristischer, teils aposterioristischer Natur sind: Er geht einmal davon aus, daß der Zweck der Güter der sei, dem menschlichen Bedürfnis zu dienen; nach dem Zwecke aber sei die bonitas, oder was dasselbe sei, der valor der Dinge zu bemessen, denn »alles Gute ist gut um seines Endzweckes willen«. Mithin bemesse sich auch der Wert oder die Güte der zu tauschenden Güter nach ihrem Endzwecke, also nach dem Maße, in dem sie das menschliche Bedürfnis befriedigen 4). Ferner sei es aus der täglichen Erfahrung bekannt, daß z. B. der Wein zu den Zeiten, wo er selten ist, teuerer wird, weil dann unser Be- dürfnis nach demselben steigt. Der Wert der Güter und unser Bedürfnis nach ihnen stehen also in einem ursächlichen Zusammen-
J) Pol. II. q. 2 (S. 92 f.).
2) Pol. IV. q. 17 (S. 221).
3) Eth. V. q. 16 (S. 106). Vgl. ferner ib. IV., 6 (S. 76); V., 13 (S. 103 b); V., 14 f. (S. 103 b ff.); Pol. I., 11 (S. 55); ib. I, 12 (S. 63); I, 15 (S. 79).
*) 1. c.
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hange, wenn letzteres sich ändert, ändert sich auch ersterer1). Und endlich bringt Buridanus an vielen Stellen den bekannten augustinischen Gedanken, daß im Tausche die Güter nicht nach ihrer natürlichen Rangordnung betrachtet werden, sondern danach, daß sie zu unserem Gebrauche, also zur Befriedigung unserer Be- dürfnisse dienen2).
Nun ist aber über das Wesen des Bedürfens noch einiges zu sagen. Das »Bedürfnis« ist nicht etwa als objektive Notwendig- keit eines Gutes für das menschliche Leben zu nehmen. Dem widerspricht, betont Buridanus, die tägliche Erfahrung, die zeigt, daß reine Luxusgegenstände häufig sehr teuer sind; sondern das Bedürfen — darauf geht die buridanische Argumentation hinaus — ist ein psychologisches Moment, das mit jener objektiven Not- wendigkeit eines Gutes nicht zusammenfällt: Auch der Reiche, der alles zum Leben Notwendige besitzt, bedarf noch der Luxusgegen- stände, und er empfindet dieses Bedürfnis vielleicht ebenso stark wie ein Armer das Bedürfnis nach dem notwendigen Lebensunter- halt. In beiden Fällen ist das Bedürfen nach Buridanus ein wert- bestimmender Faktor. So erklärt er: »non solum indigentia ne- cessarii mensurat apud egenos commutabilia, sed etiam indigentia excessus apud divites«3).
Daran anschließend untersucht Buridanus die Art und Weise näher, wie die Güter durch das menschlische Bedürfnis gemessen werden. Zugrunde liegt seinen Ausführungen der aristotelische Gedanke, daß ein Ding ein anderes seiner Größe nach nur be- stimmen kann, wenn es von derselben Art ist, wie das zu messende. Buridanus unterscheidet nun zwei Arten des Messens: Einmal messen wir ein Gut in der Weise, daß wir von einer unteilbaren Maßeinheit ausgehend, dieselbe so oft vervielfältigen, bis wir die Größe des zu messenden erreicht haben. Letzteres ist derselben Art wie die angenommene Einheit und stellt nur ein Vielfältiges derselben dar. So wird das Gewicht eines Gegenstandes als ein Vielfaches der Gewichtseinheit ausgedrückt. Es liegt also eine rein quantitative Gleichsetzung vor.
Hiervon zu scheiden ist eine andere Art des Messens, wo der zu bestimmende Gegenstand von dem Maße verschieden ist: Wenn z. B. eine Bewegung durch die Zeit gemessen wird, so ist die erste Art des Messens nicht anwendbar, sondern es kann nur
1) l. c.
2) 1. c.
3j 1. c. Vgl. ferner ib. V., 23 (S. III).
in folgender Weise vorgegangen werden: Eine bestimmte Be- wegung vollzieht sich in einer bestimmten Zeit; eine zweite in der doppelten Zeit. Dann ist die zweite Bewegung doppelt so groß wie die erste. Es wird also nur das Größenverhältnis zweier Dinge ermittelt; es wird gemessen »secundum similitudinem pro- portionis«. In dieser Weise bestimmt das menschliche Bedürfnis den Güterwert. Ist das Bedürfnis ein bestimmtes, so ist der Güterwert ein bestimmter; verändert sich ersteres, so verändert sich propor- tional letzterer; einem Steigen des einen entspricht ein Steigen des andern und einem Fallen des ersteren ein Fallen des letzteren. Es braucht also bei dieser Art des Messens keine Gleichheit der Art nach zwischen Maß und gemessenem Gegenstande vorzuliegen, weil nicht nach quantitativer Gleichsetzung gemessen wird, so daß kein Verstoß gegen die obengenannte Forderung des Aristoteles vorliegt, weil eine ganz andere Art des Messens angewendet wird1).
Buridanus betont die Verschiedenheit des Wertes der Güter je nachdem, ob sie in größerer oder geringerer Menge vorhanden sind. Daraus ergeben sich zunächst Verschiedenheiten des Wertes nach Ort und Zeit, was nicht näher besprochen zu werden braucht, und sodann Verschiedenheiten nach den einzelnen Personen, indem z. B. ein Reicher das Getreide weniger hoch schätzt als ein Armer, der dessen dringend bedarf2).
Dies gibt Buridanus nun Veranlassung zu einer Unterscheidung, die uns schon bei Paludanus begegnet war: Er scheidet zwischen dem Werte der Güter, der durch die »indigentia communis« und dem Werte, der durch die »indigentiae particulares« gebildet wird. Ersterem liegt die Tatsache zugrunde, daß in einer Gemeinschaft zu gewisser Zeit einer bestimmten Art von Gütern ein bestimmter Preis, ein Marktpreis zukommt: »rei venalis«, erklärt Buridanus, »mensura est communis indigentia humana. Ob hoc enim videmus aliquo tempore quartam vini esse maioris pretii quam alio tempore duae quartae«3). Es wird hier festgestellt, daß es einen allgemeinen Marktpreis gibt, der sich aus den Schätzungen der Gemeinschaft ergibt.
Dem für alle gleichen Preis der Güter stehen, wie gesagt, die indigentiae particulares gegenüber, die ersteren bilden, frei-
x) Eth. V, 16. Inwiefern das Maß im ersten Sinne unteilbar sein muß, erklärt Buridanus in Meth X, q. i.: »si in panno sint decem ulnae precise, ita quod non plures quam decem, tunc quaelibet earum est ulna et non est quantitative divisibilis in plura, quorum quodlibet sit ulna.«
2) Vgl. im Folgenden.
3) Eth. IX, i (S. 191).
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lieh selbst voneinander verschieden sind. Buridanus erklärt: »ad hanc communem mensuram addunt vel diminuunt indigentiae par- ticulares commutantium.« Und er erklärt dies durch folgendes Beispiel: »Abundans enim in frumento non daret tantum pro modio frumenti quantum daret indigens frumento et abundans in peeunia. Ergo res eadem et eodem tempore apud abundantem est minoris pretii et apud indigentem est maioris« l). Die Schätzungen der einzelnen weichen also von der im Marktpreis zum Ausdruck kommenden allgemein gleichen »Bewertung« der Güter ab.
Mit den ersteren steht das Gewinnprinzip im Tausche im engsten Zusammenhang. Buridanus erklärt: »oportet utrumque lucrare saltem seeundum opiniones ipsorum« und er erläutert dies weiter dahin, daß derjenige, der sein Pferd verkauft, von dem er- haltenen Gelde Gewinn erwartet; der Käufer hofft seinerseits von dem Pferde größeren Nutzen zu gewinnen, als das Geld ihm hätte gewähren können. Ahnlich betont er, daß diejenigen, die ihre Arbeitskraft vermieten, den Lohn höher schätzen als ihre Arbeit2).
Nun ergibt sich das schwierige Problem: Wie ist bei in- dividuell verschiedenen Schätzungen ein Marktpreis möglich? Zu- sammenhängende Äußerungen liegen hierüber kaum vor; wir müssen daher versuchen, aus den einzelnen zerstreuten, schwer zu vereinigenden Sätzen ein abschließendes Bild zu gewinnen.
An der Stelle, die hier zunächst zu erwähnen ist, nimmt Buridanus den Fall an, daß ein Faß Wein und ein Scheffel Ge- treide dem Geldpreis nach gleich teuer sein. Wenn nun diese beiden ausgetauscht werden von zwei Personen, von denen die eine an Getreide Mangel hat, dagegen an Wein Überfluß und bei der andern das Umgekehrte der Fall ist, dann würde der Fall eintreten, daß »quamvis simpliciter isti ambo aequalis pretii tribuant et retribuant, tarnen utrique seeundum suam aestimationem plus tribuitur, quia pluris aestimamus, quo plus indigemus« 3). Es handelt sich um die Feststellung der Tatsache, die Ricardus zur Konstruktion des gerechten Preises verwendet hatte: Die Kon- trahenten tauschen tatsächlich nach Gleichheit des Preises, nach Wertgleichheit: beide geben demselben Gute denselben Preis; für
*) Eth. IX, I. cf. ib. (S. 190): »si pauperi daretur denarius et diviti florenus, denarius esset pauperi utilior, quam diviti florenus: eo quod pauper ob indigentiara multum iuvatur denario, dives autem forte nihil iuvatur floreno, quia non indiget.«
2) Eth. IX, 1 (S. 191): »indigentes enim peeunia maioris pretii aestimant decem libras quam suum laborem vel suam oecupationem annualcm.«
3) 1. c. (S. 190 b).
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beide aber ist die zugrundeliegende Bewertung der Güter ver- schieden.
Eine tiefere Begründung dieser Erscheinung wird an einer anderen Stelle zu geben versucht: Buridanus macht folgenden Einwand: Wenn das Bedürfnis den Wert der Güter bestimmte, so müßte der Reiche sein Brot zu billigerem Preise kaufen als der Arme, weil sein Bedürfnis nach demselben geringer ist, und beim Armen müßte das Umgekehrte der Fall sein. Buridanus erwidert in folgender Weise darauf: »indigentia istius hominis vel illius non mensurat valorem commutabilium, sed indigentia communis eorum, qui inter se commutare possunt. Vel dicendum, quod pauper quoad ea, quibus abundat, multo pluri pretio emit ea, quibus indiget, quam dives: plus enim apponeret de labore corporali pro uno sex- tario frumenti, quam dives pro viginti: sed plus pecuniae non apponeret eo, quod indiget ea sicut frumento; universaliter enim indiget exterioribus bonis«1).
Zunächst kann dem ganzen Zusammenhange nach keine Rede davon sein, daß Buridanus etwa beabsichtigte, hier einen gerechten Preis zu konstruieren2). Er will vielmehr einfach eine kausale Erklärung der Tatsache geben, daß Reiche und Arme das Brot zu demselben Preise kaufen, obwohl ihr Bedürfnis danach ver- schieden ist. Hierfür gibt er nun verschiedene Möglichkeiten an, was schon allein zeigt, daß die Stelle nicht in ethischem Sinne gemeint sein kann. Er weist zunächst darauf hin, daß nicht die Schätzung des Reichen allein den Preis bestimmen könne, sondern die »indigentia communis eorum, qui inter se commutare possunt«. Der Preis ist das Ergebnis einer Mehrzahl von Schätzungen, und zwar aller derer, die für den Tausch in Betracht kommen. Die Bewertung eines einzelnen ist darauf nicht von bestimmendem Einfluß. Mit dem Ausdruck indigentia communis soll also allein die Tatsache konstatiert werden, daß den verschiedenen in- dividuellen Schätzungen ein für alle gleicher Preis, ein Marktpreis entspringt. Diese Erklärung zeugt von feiner Beobachtung der wirtschaftlichen Vorgänge, und auch wir können sie kaum als absolut falsch hinstellen, wenn sie natürlich das Problem auch keineswegs erschöpft. Buridanus versucht dann noch eine andere Erklärung: Der Arme bedarf des Geldes eben so sehr, wie des Getreides; wenn er also ebensoviel zahlt wie der Reiche, so gibt
:) Eth. V, 16 (S. 106).
2) Wie Kaulla und Altmann in ihren angeführten Schriften annehmen. Ähnlich Erants a. a. O., S. 70.
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er tatsächlich mehr, wenigstens seiner Schätzung nach. Er würde, sagt Buridanus, mehr Arbeit für ein Sechstel Getreide aufwenden als der Reiche für 20. Die höhere Schätzung des Armen, soll damit gesagt sein, liegt tatsächlich vor, auch wenn sie im Preise äußerlich nicht zum Ausdruck kommt; die Schätzung des Armen und Reichen dem Preisgute gegenüber, ist ebenso verschieden, wie die . Bewertung der zu tauschenden Güter. Der Preis, der äußerlich als gleich erscheint, ist im Grunde doch für alle ver- schieden.
Soweit die tatsächlichen Vorgänge der Preisbildung. Wie denkt sich Buridanus nun die ethische Normierung des Tausches?
Die Idee der Gerechtigkeit erfordert Wertgleichheit, zwar nicht in eigentlichem Sinne Gleichheit der äußeren Dinge, sondern Gleichheit »quoad nos«, weil die »humana indigentia« den Wert bestimmt. Und weil hierdurch auch die Dinge selbst in ihrem Wertverhältnis festgelegt sind, kann man im Gerechten auch ein »aequale secundum rem« erblicken1) und die Forderung aufstellen: »res commutandae debent esse aequales, si iusta debeat fieri com- mutatio« 2).
Der Tausch muß ferner ein Vorgang sein, der aus dem freien Willen der Kontrahenten hervorgeht. Zu einer »commutatio volun- taria« aber ist erforderlich, daß beiden Teilen (»utrique parti«) der Tausch überhaupt sowie die nähere Art und Weise gefällt, und daß nicht etwa ein Umstand verheimlicht sei »qua existente manifesta non placeret aut res aut modus«3). Das Wesen des Tausches be- steht nach Buridanus in einem »pactum secundum communem consensum et expressum de habendo certum quid et certae quanti- tatis pro certo quo et certae quantitatis«4).
Mit dem freiwilligen »communis consensus« ist gegeben, daß beide Kontrahenten demselben Gute denselben Preis beilegen müssen. Ein Tausch ist undenkbar, wenn sie den Preis einer Ware verschieden hoch ansetzen wollten, vorausgesetzt, daß beide frei handeln können. Gleichheit des Preises als ethische Forderung und Freiheit der Vereinbarung bilden keine Gegensätze, sondern erstere ist Folge der letzteren; es ist allem genügt: »quando utra- que pars consentit«5).
») Eth. V, 13 (S. 103).
2) Eth. V, 11 (S. 102); cf. Pol. I, 15 (S. 79).
3) Eth. V, 10 (S. 101).
4) Eth. IX, 1 (S. 191).
5) Pol. V, 21 (S. 304).
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Bei dem gleichen Preise, den die Kontrahenten einem Gute beilegen, handelt es sich, wie früher gezeigt, im allgemeinen um den Marktpreis. Derselbe ist aber nicht etwa Gegenstand einer ethischen Forderung: Die Idee eines allgemeingültigen Normal- preises, dem dann eine gewisse »latitudo« zukäme, kennt Buri- danus nicht. Seine Preislehre ist vielmehr beherrscht von dem Gedanken des »communis consensus«. Die Grundbedingung ist die: »oportet aestimationem vendentis et ementis convenire« x).
Bei Feststellung des Preises gehen Käufer und Verkäufer ausschließlich von ihren individuell durchaus verschiedenen Be- wertungen aus. Und diese individuellen Schätzungen dürfen sich frei betätigen. Dies ist auch der innere Grund, weshalb ein Ge- winn im Tausche der Gerechtigkeit nicht widerstreitet: »Sciendum est, cum non contingat, iniustum pati voluntarie . . ., quod in volun- tariis commutationibus . . . nullum accidit lucrum aut damnum contra
iustitiam immo sie in commutationibus est vera mercatura,
seeundum quam communiter utraque pars aeeipit, quod magis est utile sibi« 2;.
Und weiterhin wird ausdrücklich der Tausch als gerecht be- zeichnet, der auf Grund persönlicher Schätzung frei abgeschlossen wird: Jeder veräußert seine Sache gegen die, die ihm gefällt: »Si igitur rem suam sie alienat, ipse seeundum suam aestimationem non damnificatur, sed lucratur; igitur non iniustum patitur, quoniam commutabilia sunt apprecia- bilia seeundum aestimationes commutantium iuxta eorum indigentias, non solum iuxta indigentias necessariorum, sed etiam iuxta indigentias superfluorum appetituum«3). Dem gerechten Preise wird also nicht etwa ein durchschnittliches normales Bedürfnis zugrunde gelegt, sondern bei freier Be- tätigung der persönlich-individuellen Schätzungen kann keine Ungerechtigkeit vorliegen4).
Freilich ist die in der Idee des »communis consensus« liegende Anerkennung des Prinzips der Vertragsfreiheit nicht im liberal- individualistischen Sinne zu nehmen. Buridanus betont vielmehr scharf die Einfügung der Preisbildung in das soziale Ganze: die Preisbildung dürfe nicht dem individuellen Interesse einzelner dienen, sie müsse sich vollziehen »seeundum utilitatem et necessi-
*) Eth. ix, i (S. 190).
2) Eth. V, 10 (S. 101).
3) Eth. V, 23 (S. in), cf. ib. V, 14 (S. 104b).
4) Vgl. Pol. I, 16 (S. 83), wer tauscht, muß »prudens et cautus« sein.
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tatem totius communitatis«, nicht etwa »penes necessitatem ementis vel vendentis«. Das Wohl der Gesamtheit muß also die Richt- schnur für die Preisbildung sein: »Ex illo dicunt aliqui, quod magnum est in politia, quando indigens aliqua re emit illam pluri pretio, quam valet vel institutum sit«1). Mit der Betonung der sozialen Funktion des Wertes hängt es zusammen, wenn Buri- danus darauf hinweist, daß es nicht denkbar sei, daß z. B. ein Haus gegen ein Kleid getauscht werde, weil der Baumeister viel- leicht ein Jahr zum Bau des Hauses brauche und, wenn er dafür nur ein Kleid erhielte, während dieser Zeit der Nahrung entbehren müsse2). Die Preisbildung hat also noch die Aufgabe, der Arbeit ihren Unterhalt zu sichern. Thomas hatte diesen Gedanken, der sich bei Buridanus nur gelegentlich findet, zur Grundlage seiner Wertlehre gemacht. iVhnliche Gedanken wirken nach, wenn Buri- danus den Gewinn des Wechslers, der bei seinem Handeln das allgemeine Wohl zu fördern beabsichtigt, für erlaubt erklärt, weil er »omnibus compensatis, scilicet labore et expensis non recipit plus quam dat«3). Oder wenn er der überlieferten Behandlung des Handels folgend, nur dann einen teueren Verkauf als Einkauf für berechtigt erklärt, wenn inzwischen eine »Werterhöhung« stattge- funden hat: »inspiciendo laborem meliorantem illam rem«4).
Buridanus führt in gewissem Sinne das Problem weiter, das Ricardus gestellt hatte: Die Kontrahenten, forderte letzterer, müssen nach G.leichheit des allgemeingültigen Marktpreises tauschen; nebenher laufen ihre individuell verschiedenen Wertschätzungen. Buridanus zeigt, wie sich aus den einzelnen Bewertungen ein Tausch nach Gleichheit des Preises ergibt und wie dieser Preis für alle tatsächlich mehr oder minder derselbe ist. Wenn auch nicht formell, so führt er doch materiell die bereits bei Ricardus im Keim vorhandene Scheidung zwischen Wert und Preis kon- sequenter durch. Aus dieser Weiterführung ergeben sich aber auch zugleich charakteristische Unterschiede.
Die Schätzungen sind individuell verschieden, ein normales, •durchschnittliches Bedürfnis, das Ricardus noch in unklarer und widerspruchsvoller Weise angenommen hatte, existiert nicht. Die individuellen Schätzungen dürfen sich frei betätigen und der durch sie zustandegekommene Tausch ist gerecht. Daneben stehen die
1) Pol. I, 15 (S. 79); ib I, 11 (S. 55).
2) Eth. V, 15 (S. 105).
3) Pol. I, 15 (S. 81). «) Pol. I, 15 (S. 82).
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ethischen Bedingungen für die Preisgerechtigkeit. Freilich wird das Problem von Wert und Preis nicht zusammenhängend erörtert und wenn auch im vorstehenden ein Ausgleich versucht ist, so soll damit nicht gesagt sein, daß er bei Buridanus völlig vollzogen sei oder auch nur sich ganz klar und ungezwungen vollziehen lasse; neben Äußerungen, in denen klar die Idee des communis consensus betont wird, stehen andere, die noch mehr im Sinne der Hochscholastik gehalten sind. Gleichwohl glauben wir, die Idee des communis consensus als die herrschende Grundidee hin- stellen zu dürfen und gezeigt zu haben, daß die übrigen Gedanken, wie z. B. der der »Wertgleichheit« sich hiermit wenigstens in etwa vereinigen lassen.
IV. Bezüglich der übrigen wirtschaftlichen Anschauungen des Buridanus können wir uns sehr kurz fassen.
Bemerkenswert ist zunächst die Anwendung der Wertlehre auf die Theorie des Geldes1). Der Wert des Geldes, betont Buridanus, wird durch das menschliche Bedürfnis bestimmt, durch die Schätzung, die dem in der Münze enthaltenen Metall ent- gegengebracht wird: »oportet . . . , quod valor peeuniae indigentia humana mensuretur. Licet enim forte non indigeamus ad nostras necessitates auro vel argento: tarnen divites indigent eis ad ex- cessus suos«. Und interessanterweise wird dieser Satz begründet durch den Hinweis auf die empirische Tatsache, daß der Preis des Barrenmetalles dem Geldwerte annähernd gleich sei: »propter quod videmus, quod aurum et argentum in massa tanti valoris sunt vel quasi tanti, sicut in moneta«.
Die Erkenntnis dieses Satzes setzt nun Buridanus in den Stand, die traditionelle Geldtheorie zu vertiefen und aus ihr eine Unklarheit zu beseitigen. Als für den Geldwert entscheidend hatten Thomas, Heinrich v. Gent usw. im Anschluß an Aristoteles neben der »materia utilis« auch die staatliche Gesetzgebung be- zeichnet und hierfür den Begriff des valor impositus geprägt2). Demgegenüber betont Buridanus, daß letzterer für die Grundlage eines Münzsystems nicht in Betracht komme: »quoniam si nulla esset modo peeunia et rex aliquam de novo fabricaret . . . eius non esset imponere, quantum valeret denarius vel obolus«. Doch bei Vorhandensein einer andern Münze ist eine vom Metallgehalt abweichende gesetzliche Wertfixierung denkbar: »verum est tarnen,
x) Vgl. z. Folg.: Eth. V, 17 (S. 106 f.); Pol. I, 11 (S. 50 ff.). Vgl. die ange- führten Schriften von Kaulla und Altmann, ferner Brants a. a. O., S. 180 f. 2) Vgl. S. 133 f; S. 172; S. 177.
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quod iam aliqua currente moneta, si rex aliam fabricarct, posset ei in ordine ad praecedentem pretium instituere: v. gr. dicere, quod novus denarius pro tribus ponatur et capiatur«. Ein Aus- einanderfallen des Metallgehaltes und des Nominalwertes ist nur entschuldigt, wenn es im allgemeinen Interesse liegt, z. B. in Kriegszeiten.
Aus dem Gesagten ergeben sich die Erfordernisse des Geldes. Die Materie desselben muß von hohem spezifischen Werte, dauerhaft und in kleine Stücke teilbar sein; letzteres, da- mit die Armen ihre meist geringwertigen Sachen kaufen können. Ein behördlicher Stempel muß Garantie für ein bestimmtes Gewicht und Schutz gegen Verfälschungen bieten. Dies sind zugleich die Grundbedingungen für die Erfüllung der Funktionen des Geldes, Wertübertrager durch Raum und Zeit zu sein. Die eigentliche Aufgabe des Geldes, die die übrigen Funktionen in anti- kapitalistischem Sinne begrenzt, ist, daß »homo per monetam possit habere, illa, quae sunt necessaria vitae«. Daher ist es ein Mißbrauch: »ordinäre monetas ad alium finem, quam ad commu- tationem bonorum naturalium«.
Die Entstehung des Geldes wird im Anschluß an Aristoteles geschildert; Buridanus läßt freilich einige selbständige Beob- achtungen einfließen, so wenn er z. B. sagt, das Geld sei nötig zur Entlöhnung der x\rbeiter, weil die Reichen ihnen nicht alle nötigen Naturalien liefern könnten. Des weiteren betont er, daß der Besitz von Geld eine Gemeinschaft nicht wahrhaft reich mache, der wahre Reichtum bestehe nur in Gebrauchsgütern1).
Die weiteren Anschauungen Buridans über das Geldwesen, Geldveränderungen usw. können wir hier übergehen. Über das Geldwechselgeschäft ist bereits gehandelt worden.
Die Wucherlehre weicht in mancher Hinsicht von der des Aegidius Lessinus ab. Letzterer hatte den einfachen Tausch vom Darlehen, auf das er den Begriff des Wuchers fast völlig be- schränkt hatte, dadurch abgegrenzt, daß er für jenen das Gewinn- prinzip gelten ließ, es aber für letzteres ablehnte, was dann die charakteristische Gestaltung seiner Wertlehre bedingte. Buridanus bestimmt den Begriff des Wuchers viel weiter2): »Usura«, erklärt er, »est ex pacto secreto vel manifesto recipientem obligare ultra sortem i. e. pretium«. Der Wucher kommt nur in Dingen vor, bei denen Eigentum und Nutzung nicht getrennt übertragen werden,
l) Pol. III, 21 (S. 163 ff.) und sonst. *) Pol. I, 12 (S. 59).
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sondern gleichzeitig. Letzteres ist in den verschiedensten Verträgen der Fall, wie Kauf und Verkauf, Darlehen usw. Demgemäß kann der Wucher, d. h. die Annahme eines Entgelts für die Nutzung eines Dinges, die nicht mehr im Eigentum des Gebers ist, in allen Vertragsarten in gleicher Weise vorkommen1). Die Abgrenzung gegen das Prinzip der Vertragsfreiheit im Tauschvertrage geschieht durch den Hinweis darauf, daß die Kontrahenten zwar freie Ver- einbarung treffen dürfen, aber nicht über Dinge, die nicht ihnen gehören: »hoc addito, quod neuter in pretium ponat illud, cuius ipse non est dominus«2).
Vor allen Dingen kommt der Wucher im Darlehen vor, wo Leistung und Gegenleistung nach quantitativer Gleichheit stattzu- finden haben3). In der Begründung der Unerlaubtheit des Zins- nehmens bringt Buridanus kaum etwas Neues: er betont, daß es der Unterstützungspflicht den Armen gegenüber, sowie dem Geiste der Freigebigkeit widerstreitet, und sodann, daß es ungerecht sei, wofür vor allem der Gedanke des Zeitverkaufes vorgebracht wird, sowie die thomistische Beweisführung, daß im Gelde Eigentum und Nutzung nicht getrennt werden können, daß daher der Zins ein doppelter Verkauf derselben Sache sei.
Besonders ausführlich behandelt Buridanus die Frage, ob der Wucher von Seiten des Staates zuzulassen sei4): Er hebt die ver- heerenden sozialen Wirkungen des Wuchers hervor, indem der- selbe zu einer Verarmung des Schuldners und zur Ungleichheit des Besitzes unter den Bürgern führe, betont aber, daß unter Um- ständen ein vollständiges Verbot noch schlimmere Folgen haben könnte, indem z. B. die Armen zum Stehlen veranlaßt würden usw. Sei letzteres zu befürchten, so sei der Wucher zu ge- statten. Im übrigen bietet die Wucherlehre gegenüber der früheren Zeit nichts Neues. Erwähnt sei nur noch, daß Buridan es ablehnt, den Zinstitel des entgehenden Gewinnes ganz allgemein für alle Kaufleute und Wechsler anzuerkennen, die: »indigerent continue lucrari de sua pecunia ad vitae necessitatem et Status honestatem servandam«6). Dasselbe gilt von seiner Stellung zum Kauf oder Verkauf auf Kredit, zum Gesellschaftsvertrage usw. Der Renten- kauf wird gelegentlich erwähnt, aber nicht näher behandelt6).
1) 1. c. vgl. ferner Pol. I, 13, i. f. (S. 71 ff.), wo einzelne Beispiele aufgeführt werden.
2) Eth. V, 10 (S. 101).
3) Vgl. z. Folg. Eth. IV, 6 (S. 75 ff.); Pol. I, 12 f. (S. 57 ff.). «) Pol. I, 13 (S. 65 ff.).
5) Eth. IV, 6 (S. 75 f.).
6) Pol. I, 13 i. f. (S. 72).
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V. Rückblick. Die wirtschaftlichen Anschauungen Buridans sind der Niederschlag der außerordentlichen Steigerung des wirt- schaftlichen Verkehrs im 14. Jahrhundert. Hierauf dürfte zum großen Teil der Fortschritt, den wir bei Buridanus gegenüber der früheren Zeit finden, zurückzuführen sein. Freilich muß daneben noch eins betont werden: Buridanus war mehr Philosoph als Theologe : Die rein sittliche Würdigung des Wirtschaftslebens, die in der früheren Zeit, so verständlich sie bei Theologen und Mora- listen sein mag, doch oft den Fortschritt des ökonomischen Denkens gehemmt hatte, man denke z. B. an die Geldlehre Heinrichs von Gent, tritt bei ihm mehr zurück. Ihn interessiert in steigendem Maße die empirische Beobachtung der wirtschaftlichen Vorgänge selbst, was bei den letzteren nicht der Fall war.
Dies tritt vor allem in seiner Wertlehre zutage; die Prinzipien derselben sind keineswegs von Buridanus geschaffen worden. Wir haben im vorigen ihre allmähliche Entwicklung verfolgt. Aber das Neue liegt darin, daß er die alten Anschauungen tiefer zu be- gründen sucht, sich den Vorgängen der Preisbildung selbst zu- wendet und letztere weit mehr als es bisher geschehen war, kausal zu erklären versucht.
In der Betonung des Gewinnprinzips und der Freiheit der Preisbildung steht er, wenn auch weniger klar, auf demselben Boden wie Aegidius Lessinus. Der Bruch der Scholastik mit der früheren Lehre vom gerechten Preise hängt sicher teilweise zu- sammen mit dem tieferen Studium des römischen Rechts. Teilweise aber auch kommt die Scholastik dieser Periode den Forderungen des aufsteigenden Wirtschaftslebens, das eben größerer Freiheit zur Entfaltung bedurfte, entgegen. Andererseits ermöglichte erst ein gewisser Grad der wirtschaftlichen Entwicklung ein volleres Ver- ständnis des römischen Rechts, das eben selbst auf dem Boden hochentwickelter wirtschaftlicher Verhältnisse erwachsen war. Es sind so wohl geistige und wirtschaftliche Faktoren von gleichem Einfluß gewesen.
Im nächsten Abschnitt werden wir die rückläufige Bewegung der Lehre vom gerechten Preis zu betrachten haben.
§ 4. I. Nicolaus Oresmius (gest. 1382). Nicolaus Oresmius ist bekannt durch seine Abhandlung über das Geldwesen1). Die Ausbeute für die Werttheorie ist äußerst
1) Über seine Geldlehre vergleiche vor allem Röscher: ein großer National- ökonom des 14. Jahrh. Z. f. g. St. Bd. XIX (1863), S. 305 ff. Vgl. ferner Brants
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gering, sodaß wir uns mit einem kurzen Hinweis auf ihn be- gnügen können. Als Bestimmungsgründe des Preises der Edel- metalle bezeichnet er die Seltenheit und Anstrengung der Be- schaffung. Im Hinblick auf beide Faktoren ist das Gold seiner Natur nach teuerer als das Silber: »Nam secundum hoc, quod aurum est de natura sua pretiosius et rarius argento et ad inveni- endum vel habendum difficilius, ipsum aurum aequalis ponderis debet praevalere in certa proportione , sicut forsan esset viginti ad unum«1). Diesem natürlichen Wertverhältnis der Edelmetalle entsprechend muß das Wertverhältnis zwischen Gold- und Silber- münze festgesetzt werden.
Seine weiteren Anschauungen über das Geldwesen kommen für uns nicht in Betracht. Hervorgehoben sei nur noch, daß er dem Geldwechselgeschäft sehr wenig wohlwollend gegenüber- steht, es sei eine vilis negotiatio, wegen der sittlichen Gefahren, die damit verbunden seien. Zur Begründung seiner Anschauung beruft er sich auf das Wort des Aristoteles, daß Geld nicht Geld erzeugen dürfe*2).
II. Baldus de Ubaldis, Perusinus.
Ebenso kurz können wir über den Kanonisten Baldus Peru- sinus (13 19 — 1400) hinweggehen3).
Er betont, daß der Wert des Geldes nicht mit seiner Substanz identisch sei: letztere könne unverändert bleiben, während ersterer
a. a. O., S. 190 ff., sowie Altmann, Studien, S. 24 ff. Die weitere Literatur bei letzterem, sowie bei Meitzel, Art. Oresmius. H. W. d. St. VI, S. 946 f.
*) c. X. (Ausg. v. Wolowski, S. 105); cf. c. II (S. 95). Von einer eigent- lichen Wertlehre kann also bei Oresmius nicht gesprochen werden, er gibt vielmehr nur die Faktoren an, die den Preis der Edelmetalle bestimmen. Kaulla, Lehrer d. Ores. a. a. O., S. 458, gibt obigen Satz wieder: »Oresmius begnügt sich dabei mit dem Hinweis auf die Tatsache . . ., daß Gold aus dem Grunde mehr gelte als Silber, weil es von Natur kostbarer (!), ferner seltener und schwerer zu erlangen sei als dieses. Er vermeidet es, tiefer zu begründen, worauf der hohe Wert des Edelmetalls seinerseits beruhe.« Kaulla legt auf das »von Natur kostbarer« besonderen Nachdruck, wie aus dem gesperrten Druck und dem Ausrufungszeichen erhält. Der lateinische Text berechtigt m. E. zu dieser Auffassung nicht. Wenn man der im Texte vertretenen Auffassung, daß der höhere Wert des Goldes in den durch natürliche Verhältnisse be- dingten Schwierigkeiten der Produktion und der vorhandenen Menge desselben verur- sacht sei, nicht beipflichten will, so könnte man höchstens so interpretieren, daß das Gold deshalb teuerer sei als Silber, weil es »seiner Natur nach« kostbarer, d. h. ein edleres Metall als Silber sei.
2) c. XVII f. (S. 117 ff.), cf. c. XVI (S. 116); c. XXI (S. 124). Röscher a. a. O., S. 313.
3) Schulte II, S. 275 ff. Hurter II, S. 704 ff.
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steige und falle. Maßgebend sei vielmehr, daß dem Gelde gegenüber ein »interesse« des gesamten Volkes vorliege1). Als Erfordernisse des Geldes werden bezeichnet: »quantitas, materia, publica forma«. Grundlegend ist das Metall, die staatliche Autorität allein kann kein Geld schaffen. Das Geldwesen darf fiskalischen Interessen nicht dienstbar gemacht werden2). Während für die Bewertung fremden Geldes im Inland allein die Qualität des Metalles in Be- tracht kommt, kann im Hinblick auf die Prägekosten der Wert des einheimischen Geldes etwas höher angenommen werden, als allein dem Metallgehalt entspricht: durch die Prägung wird der Nutzen des Metalles erhöht. Die staatliche Autorität verdient daher ein »praemium«3).
Vom Wucher befürchtet Baldus eine Beförderung der Hab- sucht und eine Auflösung der »vincula societatis humanae«4), nicht ganz mit Unrecht, denn der Zins bedeutet eine Durchbrechung der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung-.
!) Super decretalibus : De iureiur. c. Quanto n. 9 (S. 206 b).
2) 1. c. n. 4.
3) 1. c. n. 11.
4) 1. c. De vit. et. hon. der. c. Cler. n. 13 (S. 256 b).
Beiträge zur Geschichte der Nationalökonomie. Heft 1. 13
Schreiber, Die volkswirtsch. Anschauungen d. Scholastik.
Dritter Abschnitt.
Abwendung vom Prinzip der Vertragsfreiheit.
Ä. Forderung staatlicher Preisfixierung, Rück- kaufbarkeit der Renten.
Wir haben in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters eine steigende Entwicklung des Wirtschaftslebens in kapitalistischem Sinne, die sich vor allem in der Ansammlung größeren Reichtums in den Händen einzelner äußert, die von dem Bestreben erfüllt sind, ihren Besitz gewinnbringend zu verwerten 1). Dies zieht aber die wichtigsten Folgen nach sich: Einmal bedeutet es eine Durch- brechung des alten Standesideals, indem an die Stelle des Be- darfdeckungsprinzips das Streben nach Gewinn tritt2). Vor allem im Handel geht diese Entwicklung vor sich. Damit wurden aber die alten Formen des Kapitalverkehrs ungenügend: der steigende Reichtum verlangte nach neuen Anlagemöglichkeiten. Zu einem guten Teile fand das Kapital wohl seine Befriedigung im ver- zinslichen Darlehen, also in einer offenen oder verschleierten Um- gehung des Zinsverbotes; zum Teil wurden andere Kreditgeschäfte dem Verlangen nach gewinnbringender Kapitalanlage angepaßt, was vor allem durch Mobilisierung des Rentenkaufs geschah. Die alte Form der unkündbaren, ewigen Rente genügte nicht mehr, und man führte deshalb die Einrichtung der rückkaufbaren Rente ein. Häufig wurde von seiten des Staates die Bildung ewiger Renten überhaupt verboten, zunächst wohl, um eine Über- schuldung der Grundstücke zu verhindern3). Diese Entwicklung bedeutete nichts anderes als eine Auflösung des alten Wirtschafts- lebens; der mobilisierte Rentenkauf ist eine der frühesten Formen des modernen Kapitals.
*) Sombart: Der moderne Kapitalismus I (S. 398 ff.). Strieder: Zur Genesis des mod. Kapital. (S. 29).
2) Sombart a. a. O. (S. 383).
3) Neumann a. a. O. (S. 233 ff.). Vgl. Inama-Sternegg III, 2 (S. 468 ff.). Bruder, Studien (S. 30 ff.).
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Parallel hiermit geht eine andere Erscheinung: Die Ent- wicklung der Preise während des Mittelalters läßt sich im all- gemeinen dahin charakterisieren, daß wir bis in die Mitte des 1 4. Jahrhunderts ein ziemlich bedeutendes Steigen derselben festzu- stellen haben, woran sich eine Zeit großer Schwankungen schließt. Der nähere Verlauf und die näheren Ursachen dieser Entwicklung sind hier nicht zu erörtern1).
Schon früher waren staatliche Preisfixierungen nicht allzu selten gewesen, aber gerade seit dem 1 4. Jahrhundert können wir von einer immer weiter umsichgreifenden behördlichen Preistaxie- rung sprechen2), die wohl zum Teil durch die berührten Erschei- nungen in der Preisbildung veranlaßt ist, zum Teil aber auch von dem Wunsche getragen wird, den Gewinn im Tausch und Handel zu begrenzen, um so das mittelalterliche Ideal des standesgemäßen Auskommens aller durchzuführen. Selbstverständlich lassen sich für diese Entwicklung keine genauen Zahlenangaben machen. Sie erfolgte hier früher, dort später, und auch für ein einzelnes Land lassen sich keine genau begrenzten Zahlen angeben.
Von diesen Vorgängen im Wirtschaftsleben wird die scho- lastische Doktrin in weitgehendem Maße beeinflußt3). Der vorige Abschnitt hat gezeigt, daß die Scholastik den Forderungen des Wirtschaftslebens nach größerer Freiheit nicht ablehnend gegen- übergestanden hatte. Die wirtschaftliche Entwicklung aber, die die dort genannten Vertreter vor Augen hatten, dürfte kaum die Schranken des mittelalterlichen Wirtschaftslebens überschritten haben. Selbst Buridanus lehnt noch jegliches Gewinnstreben über den standesgemäßen Unterhalt hinaus ab, obwohl auch hierin sich bei ihm nicht die Schärfe der früheren Zeit findet. Jetzt, wo der Gang des Wirtschaftslebens eine etwas andere Richtung einzu- schlagen scheint, zeigt sich in der scholastischen Literatur eine gewisse Reaktion. Sie lehnt nicht nur die vorige Freiheit der Preisbildung ab, sondern tritt auch für staatliche Preisfixierung ein, macht also in gewissem Sinne die Wandlungen der städtischen Wirtschaftspolitik mit. Zugleich ist die Rückkaufbarkeit der Renten zu behandeln.
Diese Periode, in der in die scholastische Wert- und Preis- lehre manche neuen Momente eintreten, hebt mit Heinrich von Langenstein an.
1) Inama-Sternegg III, 2 (S. 463).
2) a. a. O. S. III, 1 (S. 303 ff.).
3) Vgl. den Hinweis a. a. O. (S. 310).
13*
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§ 1. Heinrich von Langenstein.
I. Heinrich von Langenstein wurde 1325 geboren. Nachdem er in Paris studiert und daselbst längere Zeit gelehrt hatte, wurde er 1383 an die damals neu gegründete theologische Fakultät der Wiener Universität berufen. Er starb 1397. In die Zeit seines Wiener Aufenthaltes1) fällt die Abfassung des »Tractatus bipartitus de contractibus emptionis et venditionis«, der für die Entwicklung der Wert- und Preislehre von allergrößter Bedeutung ist2).
Die genannte Abhandlung ist hervorgegangen aus den speziellen Verhältnissen des Wiener Wirtschaftslebens: In WTien verordnete Herzog Rudolf IV. 1360 in übereilter und schroffer Weise die obligatorische Ablösung der Renten3). Schon dies rief auf Seiten der Kirchen und Klöster, für die eine ewige Rente mehr zu passen schien als die unsichere, stets kündbare Rente, große Mißstimmung hervor. Dazu kam noch ein anderes. Im Laufe der Jahre war der Rentenzinsfuß allmählich gesunken, und Rudolf IV. nahm hierauf Rücksicht, indem er die Renten mit dem achtfachen ihres Betrages für ablösbar erklärte, was gegen- über dem früheren Rentenpreise eine wesentliche Herabsetzung bedeutete. Auch dies brachte natürlich mancherlei Unzuträglich- keiten mit sich4). Auf beide Bestimmungen nimmt Heinrich in seiner Abhandlung häufig Bezug. Besonders ist er unzufrieden mit der Ausdehnung derselben auf Kirchen und Klöster, tadelt jedoch auch die Rentengesetzgebung, soweit sie sich auf Laien bezog. Aber die in seinem Traktat sich zeigende Unzufriedenheit mit den Verhältnissen des Wirtschaftslebens kann aus diesen speziellen Faktoren wohl kaum ganz erklärt werden, schon des- halb nicht, weil die Abhandlung mindestens 20 Jahre nach Erlaß jener Rentengesetzgebung abgefaßt wurde, — es zeugt immerhin für den tiefgreifenden Einfluß der letzteren, daß nach so vielen Jahren die Verstimmung noch nachwirken konnte. Man muß vielmehr zum Verständnis der Ansichten Heinrichs wohl auf die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse hinweisen. In dem
a) Näherhin in die Zeit 1383 — 1390. Vgl. Bruder, Studien (S. 70).
2) Aschbach: Geschichte der Wiener Universität I (S. 366 ff.); besonders S. 397 ff. ; über seine wirtschaftlichen Anschauungen vgl. Röscher: Gesch. (S. 18 ff.). Ende mann, Studien II passim; Kaulla, Lehre vom gerechten Preis a. a. O. S. 598 f.). Bruder, Studien passim, wo noch eine ungedruckte »epistola de con- tractibus« benutzt ist.
3) Über die Motive der Gesetzgebung vgl. Bruder a. a. O. (S. 38 ff.).
4) Inama-Sternegg a. a. O. III, 2 (S. 469 f.).
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Erlaß jener Rentengesetzgebung haben wir ein sicheres Anzeichen dafür, daß die Entwicklung des Kapitalismus in Wien einen ziem- lichen Umfang angenommen haben mußte. Und eben hiergegen wendet sich Heinrich von Langensein, wie im Folgenden zu zeigen sein wird.
II. Heinrich wendet sich zunächst in schärfster Form gegen jegliches Gewinnstreben über den standesgemäßen Unterhalt hinaus. Gleich im Eingange seiner Abhandlung zitiert er das Wort der Bibel, daß der Mensch im Schweiße seines Angesichts sein Brot essen solle, und tadelt daher diejenigen, die dieses Ge- bot nicht beachten1), vielmehr »laboribus dimissis solum student contractibus ditari« 2). Häufig kehren die Klagen wieder über die Menschen, deren Gott das Geld sei, über die »supercrescens nimia hominum cupiditas« sowie darüber, daß »omnes lucrari volunt de pecuniis et rebus suis«3).
Der Einzelne darf, betont er demgegenüber, nur so viel er- werben, als zu einem standesgemäßen Leben nötig ist, und nur aus drei Gründen dürfe mehr erstrebt werden: Zur Verrichtung mildtätiger Werke, zur Sicherung gegen zukünftige Notfälle, sowie um den Erben durch Hinterlassung eines Vermögens ein standes- gemäßes Auskommen zu ermöglichen. Aber alles dieses hält sich, wie man sieht, durchaus im Rahmen des Bedarfdeckungsprinzips, und Heinrich fügt hinzu: »Unde, qui quantum ad ista satis habet et nihilominus indesinenter laborat divitias acquirere vel ut altiorem statum adquirat vel post sine laboribus habeat abundanter aut ut filii eius abundent vel magni fiant, omnis talis damnabili agitatur ava- ritia, voluptate vel superbia«4). Diese Stelle ist äußerst bezeichnend: jedes Streben über den eigenen Stand hinaus wird als unsittlich verurteilt. Es handelt sich um nichts anderes, als um eine Ver- teidigung des wirtschaftlichen Ideals des Mittelalters gegenüber der eindringenden kapitalistischen Zersetzung,
Heinrich von Langenstein fordert keineswegs Gleichheit des Besitzes; er erklärt es vielmehr für gut, daß in der menschlichen Gesellschaft Reiche und Arme weilen: beide könnten sich gegen- seitig unterstützen, indem der Reiche sich durch Almosen ewigen Lohn erwerbe und der Arme von seiner Not befreit werde, was wieder zu einem festeren Zusammenschluß der Bürger unter-
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I, |
c. 1 |
2) |
I, |
47- |
3) |
I, |
48. |
4) |
I, |
12. |
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einander führe1). Aber Hand in Hand hiermit gehen die steten Klagen über die Abnahme der christlichen Liebesgesinnung, über die Ausbeutung der Armen durch die Reichen. Mit dieser antikapita- listischen Tendenz ist der Grundton der ganzen Abhandlung gegeben.
III. Von dem gekennzeichneten Ideengange aus ist es nur konsequent, wenn die Freiheit der Preisbildung abgelehnt wird. Denn ohne letztere ist ein Gewinnstreben undenkbar. Heinrich betont daher: »relinquere rerum pretium in arbitrio ven- dentium est relaxare frenum cupiditati, quae fere omnes venditores agitat in excessum lucri«. Daher kämen die Benachteiligungen der Armen und die Bereicherung einzelner weniger Kaufleute auf Kosten aller derer, die Arbeit verrichteten2). Der Tausch soll demgegenüber nach Wertgleichheit vor sich gehen, und zwar solle der Marktpreis oder der sonst übliche Preis zugrunde gelegt werden (valor forensis vel usualis seu consuetudinalis). Der Marktpreis wird gebildet durch das menschliche Bedürfnis (quantitas indi- gentiae humanae). In der Begründung dieses Satzes schließt sich Heinrich von Langenstein nahezu wörtlich an Buridanus an, frei- lich ohne ihn zu zitieren3).
Übrigens kommen beide von demselben Prinzip aus zu ganz anderen Konsequenzen: war Buridanus für freie Preisbildung ein-, getreten, so verlangt Heinrich staatliche Preisfixierung. Er geht dabei von dem Gedanken aus, daß für jede Ware unter be- stimmten Verhältnissen ein bestimmter gerechter Preis existiere, der, wenn auch nicht »ad punctualem praecisionem«, so doch »ad rationabilem et congruentem politiae quantificationem« bestimmbar sei. Er beruft sich hierfür auf das römische Recht: Denn die Bestimmung desselben, daß ein Kaufvertrag ungültig sei, wenn eine Täuschung über die Hälfte des gerechten Preises hinaus statt- gefunden habe, setze voraus, daß letzterer bestimmbar sei. Es werden daher diejenigen Behörden getadelt, die die Preisbildung der freien Vereinbarung der Kontrahenten überlassen4).
Zwecks näherer Bestimmung, wie der Staat diese Preis- fixierung vorzunehmen habe, unterscheidet nun Heinrich zwischen Bedürfnissen der Natur, des Standes und solchen, die hierüber hinausgehen. Die letzteren werden verurteilt. Die übermäßige Genußsucht wird unter den Ursachen einer Teuerung aufgezählt
x) I, 3 f. und sonst.
2) I, IL
3) *> 5 vgl- Kaulla, Lehrer d. Oresm. (S. 461).
4) I, 10.
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und staatliches Eingreifen dagegen gefordert. Er scheidet ferner zwischen der Extensität eines Bedürfnisses und der Intensität des- selben. Erstere ist bestimmt durch die Menge der Bedürfenden: so gibt es gewisse Dinge, die alle benötigen, andere sind nur für einzelne Stände notwendig usw. Die Intensität bestimmt sich nach der Menge der vorhandenen Güter: Eine Sache die im Überfluß vorhanden ist, erregt nur ein geringes Bedürfnis; fehlt dagegen ein Gut überhaupt, so wird es sehr hoch bewertet1).
Hieraus ist zu entnehmen, worauf der Staat bei Fixierung der Preise zu achten hat: Die Behörde, erklärt Heinrich, müsse die Menge der vorhandenen Güter schätzen, wobei vor allen Dingen geprüft werden müsse, ob der Überfluß oder Mangel durch natürliche Verhältnisse bedingt sei oder nicht. Auch seien die zu erwartenden Ernteergebnisse zu berücksichtigen. Dann müßte der Bedarf der Stadt in Betracht gezogen w*erden: es könne leicht ermittelt werden, wieviel die einzelnen Handwerker an Material und Instrumenten brauchten, was die einzelnen Stände für ihren Lebensunterhalt benötigten usw. Das Bedürfnis also, von dem die Preisfixierung ausgehen soll, ist das standesgemäße: »Indigentia ergo dicit carentiam rerum cum necessitate vel per- tinentia earum ad naturam vel statum aut artem vel officium ho- minis« 2).
Der ganze EndzwTeck der Preisbestimmung läuft also darauf hinaus, jedem einzelnen den standesgemäßen Lebensunterhalt zu sichern. Der Wert soll bestimmt werden, erklärt Heinrich, »prout omnibus convenit statibus«3) und gegen Schluß der ganzen Ab- handlung heißt es noch einmal, der Nutzen der Preisfixierung sei der, »ut quilibet compet enter suo statui habere possit vitae neces- saria« 4).
Unterlasse der Staat, als dessen Aufgabe es direkt bezeichnet wird, jedem den standesgemäßen Unterhalt zu beschaffen5), seine Pflicht, so müsse der Einzelne selbständig vorgehen. Er solle dann darauf achten : »pro quanto res suas vendendo statum suam conti- nuare possit et se in ipso competenter nutrire et secundum hoc im- pensis et laboribus rationabiliter aestimatis mensuret pretium ope-
!) l. C.
2I 1. c. cf. I, ii; II, 12 und sonst.
3) I, ii-
4) n, 38.
5) J, 9; als Ziel des Staatslenkers wird bezeichnet die »sufficientia necessariorum secundum statum cuiuslibet«.
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rum suorum« x). Es wird hiermit im Grunde die thomistische Wert- lehre von der Wiedervergeltung von Arbeit und Kosten wiederholt.
Die Wertlehre Langensteins ist, wie schon betont wurde, einmal eine Reaktion aus den wirtschaftlichen Verhältnissen her- aus, sie verteidigt das mittelalterliche Wirtschaftsideal gegen die Zersetzung durch die Anfänge einer kapitalistischen Entwicklung; sie ist aber auch eine Reaktion gegen die Entwicklung, die die scholastische Wertlehre genommen hatte. Von Thomas von Aquin an hatten wir die allmähliche Zersetzung festgestellt, bis sie bei Heinrich von Langenstein zu Thomas von Aquin zurückkehrt. Heinrich von Langenstein unterscheidet sich aber von Thomas einmal dadurch, daß er sich in reaktionärer Weise gegen gewisse Tendenzen im Wirtschaftsleben wendet; sodann durch Folgendes: In der ganzen früheren Scholastik war von einer Forderung staatlicher Preisfixierung keine Rede2). Bei Heinrich von Langen- stein begegnet sie uns zum erstenmal: letzten Endes übrigens ver- ständlich, denn von der freien Entwicklung des wirtschaftlichen Ver- kehrs konnte er kaum die Verwirklichung seines Ideals erwarten; wie immer in ähnlichen Fällen wurde daher die Staatshilfe zur Rettung der alten Zustände angerufen.
IV. Die übrigen wirtschaftlichen Anschauungen sind von geringerem Interesse. In der Wucherlehre3) steht Hein- rich völlig auf dem alten Boden, abgesehen von den unaufhörlichen Klagen über die Umgehung des Zinsverbotes, die sich in der früheren Zeit in der Weise nicht finden. Er geht sogar so weit, daß er eine vollständige Abschaffung des Darlehens für möglich erklärt, weil dann jeder um so angestrengter arbeiten würde4). Scharf wird inbesondere der Zinstitel des hierum cessans eingeschränkt, weil derselbe praktisch eine völlige Aufhebung des Zinsverbotes bedeute5). Heftig wendet sich Heinrich gegen die jüdischen und christlichen Wucherer0). Ein wirtschaftlicher Verkehr darf mit Wucherern, die nichts als erwuchertes Geld besitzen, nur dann unterhalten werden, wenn die Restitutionsfähigkeit derselben da-
*) Ii 12.
2) Erwähnt wird z. B. bei Buridanus ein pretium institutum als tatsächlich be- stehend. — Plato erhebt ähnliche Forderungen wie H. v. L. (vgl. S. 5), ohne daß je- doch eine Abhängigkeit anzunehmen wäre.
3 Cf. I, 13; I, 21 ff. und sonst.
4) I, 49-
5) I, 23.
6) Über Juden und Lombarden, Kavertschen usw. vgl. Inama-Sternegg
a. a. O. (S. 47; ff.).
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durch nicht geschmälert wird1). Bei Verkauf auf Kredit muß der Preis vereinbart werden, den die Waren zur Zeit der Zahlung wahr- scheinlich haben werden. Aber wegen der steten Gefahr der Wucher- sünde rät Heinrich, sich von solchenVerträgen überhaupt zu enthalten2).
Auch bezüglich des Rentenkaufes können wir uns mit wenigen Bemerkungen begnügen : Der Rentenkauf erscheint durch- aus eingegliedert in die übrigen volkswirtschaftlichen Ideale Hein- richs. Er ist nur solchen gestattet, die aus Alter oder Krankheit nicht mehr arbeiten können, oder wenn er als Einkommensquelle für staatliche oder kirchliche Beamte usw. dienen soll. Von ersteren Fällen abgesehen, ist er also nur dann erlaubt, wenn mit höherwertiger Arbeit vergolten wird »dummodo aliorum labores fideliter recompensent operibus eorum statibus debitis« 3).
Eine kapitalistische Verwertung des Rentenkaufes wird also abgelehnt.
Die Rente kann fundiert werden auf bewegliche und un- bewegliche Gegenstände, wenn nur dieselben einen Ertrag ab- werfen, daher z. B. nicht auf Geld. Die Rente ist also eine dingliche Last; hiernach bestimmt sich auch der gerechte Preis derselben: »Census annalis redditur injustus, si non fuerit notabiliter minor utilitate, quam res ferre potest per annum, demptis ab eadem expensis pro conservatione rei vel pro deductione ipsius ad fructum«4).
Nicht wohlwollend steht er der Rückkaufbark ei t der Renten gegenüber5). Vor allem, weil sie dann zur Umgehung des Zins- verbotes benutzt werden könnten. Wenn der Staat jedoch aus zwingenden Gründen die Kündbarkeit der Renten einführe, um eine übermäßige Belastung der Grundstücke zu verhindern, sei dies gestattet, es dürfe jedoch der für diese Fälle festgesetzte Preis um deswillen nicht geringer sein; denn das Recht des Rück- kaufes habe mit dem Wert der Sache nichts zu tun, und für die Armen, die meistenteils die Renten verkauften, sei es unter allen Umständen von Nachteil : Denn einmal kämen die Reichen billiger zu ihren Renten, und andererseits würden die Armen in der Hoffnung, die Renten ablösen zu können, zu vermehrten Renten- verkäufen veranlaßt.
\> T, 37. I, 25 ff. -) I, 41, cf. I, 45.
3) II, 2, cf. II, 1 ; II, 3 : Hier ist er vor allem dagegen, daß »plebei fortes laboribus apti«; Renten erwerben. *) II, \i. 5) II, 10 ff. ; ib. 17 ff. ; und sonst.
202
Auch die Renten auf Lebenszeit oder bestimmte Zeit sieht Heinrich nicht besonders gerne1). Zumal wendet er sich gegen die Argumentation, daß diese Verträge als Ausfluß des Eigentums- rechtes zu gestatten seien, eine Anschauung, die, wie oben ge- zeigt, Aegidius Lessinus in mehr individualistischer Fassung des Eigentums vertreten hatte.
Die übrigen Erörterungen über das Rentenwesen betreffen speziell die Rentengesetzgebung Rudolfs IV. und bieten für uns wenig Interessantes. Den staatlich seit längerer Zeit eingeführten Preis für rückkaufbare Renten erklärt Heinrich im Hinblick auf die gegebenen wirtschaftlichen Verhältnisse für ungerecht2).
V. In jeder Hinsicht finden wir bei Heinrich von Langen- stein mehr oder minder rigoristische Anschauungen. Bezüglich der Wert- und Preislehre ist der reaktionäre Charakter bereits hervorgehoben worden. Die Rentenlehre ist scharf antikapitalistisch. Auch Endemann findet bei ihm eine ziemlich ängstliche Be- schränkung des Rentengeschäftes3). Aber durch die Unterordnung desselben unter das Bedarfsdeckungsprinzip bringt er am klarsten und schärfsten das scholastische Wirtschaftsideal zum Ausdruck.
§ 2. Heinrieh von Oyta.
I. Heinrich von Oyta4) war ein Freund und Amtsgenosse Heinrichs von Langenstein. Er dozierte seit 1385 in Wien, wo er 1397 starb. In die Zeit seines Wriener Aufenthalts5) fällt seine Abhandlung: »de contractibus« , die sich fast ausschließlich mit dem Rentenkaufe beschäftigt.
Bezüglich der Wertlehre6) beruft er sich auf Augustinus und Thomas von Aquin. Im Anschluß an ersteren führt er aus, daß der Wert durch das Bedürfnis bestimmt werde, und zwar sei der Grad des Bedürfens zu bemessen: »ex communi cursu et consuetudine patriae«. Dieser normale Wert, führt er, auf die thomistische Summe sich stützend, weiter aus, müsse an sich die
^ 11, 12; ib. 26 ff.
2) Vgl. z. B. II, 38. Die Rente muß eine dingliche Last sein. Daher ist der Vertrag unerlaubt: .quo aliquis certa pecunia ab alio recepta obligat se illli ad dandum annuatim tot solidos, quamdiu vixerit, quia hoc est directe personam censualem facere, non habendo respectum nee ad eius laborem nee ad rem aliquam ipsius.« H. v. L. ver- wirft also den census personalis. II, 32.
3) Studien II (S. 110).
4) Aschbach, Geschichte der Wiener Universität I (S. 402 ff.); über seine wirt- schaftlichen Anschauungen S. Röscher, Gesch. (S. 21).
5) Vgl. Dub. ; f.
6) Dub. 3.
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Grundlage der Wertgleichheit bilden, abgesehen von den Fällen, wo per accidens der Verkäufer besonders scharf durch den Ver- kauf geschädigt werde und der Käufer einen besonderen Vorteil erlange. Dann müsse die Wertgleichheit genommen werden »se- cundum discretam et rationabilem aestimationem contrahentium vel alicuius boni viri utriusque, scilicet vendentis et ementis, dam- num cavere et utilitatem procurare volentis«. Das, was die Scho- lastik seit Thomas von Aquin in der Behandlung des Wertes ge- leistet hatte, wird hier völlig übergangen.
In der Behandlung des Rentenvertrages ist er viel leiden- schaftsloser als Heinrich von Langenstein, wenn auch seine An- schauungen im Kerne nicht allzusehr von denen des letztge- nannten abweichen. Nur solchen Personen darf der Kauf von Renten gestattet werden, die für den Staat nützliche Arbeit leisten. Er tritt dafür ein, daß auch die Form des census realis erlaubt sei, wo Renten auf die persönliche Arbeitskraft eines Menschen fundiert werden, wenn nur dem letzteren nach Abzug der jähr- lichen Rente noch ein standesgemäßer Lebensunterhalt übrig bleibt1). Ein Vertrag der nicht mehr wesentlich von einem ver- zinslichen Darlehen unterschieden ist. Heinrich von Langenstein nimmt in diesem Punkte eine unklare Stellung ein2). Auch beim Kaufe einer ewigen Rente, betont er weiter, sei Wertgleichheit möglich, der Wert dürfe nicht bemessen werden nach der Summe der einzelnen Rentenzahlungen, sondern »secundum gradus utili- tatis, quam ex earum usu habent contrahentes«, wofür wieder der Marktpreis maßgebend sei. Daß man nicht auf die einzelnen Rentenzahlungen sehen dürfe, erhelle schon daraus, daß von dem- selben Standpunkte aus der Verkauf eines Ackers für eine be- stimmte Geldsumme unstatthaft sei, weil der Besitzer im Laufe der Zeit weit mehr gewinnen würde, als der Kaufpreis betragen hätte3). Rückkaufbarkeit der Renten darf vereinbart werden; nur ist deswegen eine Verringerung des Preises nicht gestattet4).
Den Kauf einer Rente auf Lebenszeit, den Heinrich von Langenstein ebenfalls nicht besonders günstig beurteilt hatte, ge- stattet Heinrich von Oyta ebenfalls. Er betont noch, daß ein etwaiger Gewinn des Käufers der Rente über den Kaufpreis hinaus schon um deswillen nicht ungerecht sei, weil der Ver-
2) Dub. i.
2) Hcnricus de Hass. 1. c. II, c. 4, vgl. S. 202, Anm. 2.
3) Dub. 3.
4) Dub. 6.
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käufer durch Verwendung der Geldsumme möglicherweise einen viel höheren Ertrag inzwischen erzielt habe1).
Die Klagen über Umgehung des Wucherverbotes finden wir auch hier2). Hinsichtlich der Eigentumsübertragung am erwucherten Gelde, sowie bezüglich des wirtschaftlichen Verkehrs mit Wucherern werden keine neuen Gesichtspunkte gebracht3).
Über die Wert- und Preislehre Heinrichs von Oyta dürfte kaum ein völlig abschließendes Urteil gefällt werden können. Sie wird nicht ausdrücklich behandelt, sondern nur flüchtig als Grund- lage für die Erörterung der Wertgleichheit bei Rentenverträgen herangezogen und ist daher nicht ganz durchgearbeitet. Beim Kauf einer Rente auf Lebenszeit wird z. B. das Gewinnprinzip im Tausche stillschweigend vorausgesetzt, während es in der Wert- lehre nicht erwähnt ist.
§ 3. Johannes Gerson.
I. Johannes Gerson4) wurde 1363 in Gerson, in der Diözese Reims geboren ; er war Kanzler an der Pariser Universität und nahm in reichem Maße an dem kirchlichen und politischen Leben seiner Zeit teil, wobei er meist in ausgleichendem Sinne zu wirken suchte. Als theologischer und philosophischer Schriftsteller war er wenig originell, suchte aber auch hier zwischen den verschiedenen Schulen zu vermitteln. Er starb 142g in Lyon. Für seine wirt- schaftlichen Anschauungen kommt vor allem seine Abhandlung »de contractibus« in Betracht, die hauptsächlich der Frage des Rentenkaufs gewidmet ist5). Sie bildet jedoch kein einheitliches Werk, sondern setzt sich aus mehreren Gelegenheitsschriften zusammen. Wie sehr die Frage des Rentenkaufs damals im Vordergrund des Interesses stand, zeigen außer der Tatsache, daß eigene Abhandlungen darüber geschrieben wurden, auch die Ver- handlungen des Konstanzer Konzils, das jedoch keinen endgültigen Beschluß faßte. 1425, also noch zu Lebzeiten Gersons, erfolgte dann eine Entscheidung des Papstes Martin V, die im Prinzip die
x) Dub. 4.
2) In der Einleitung des Tractats.
3) Vgl. Dub. 18 f.
4) K. L. V, 457 ff.; Hurter II, 791 ff.; Stoeckl, Gesch. d. mittel. Phil. II, 1078 ff.
5) Vgl. Opera omnia tom. II (S. 167 — 196).
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Rückkaufbarkeit der Renten anerkannte1). Neben dem genannten Traktate sind noch einige mehr zufällige Äußerungen in den übrigen Werken Gersons zu berücksichtigen.
II. Wie Gerson auf dem Gebiete des politisch kirchlichen Lebens nicht weniger als auf wissenschaftlichem Gebiete nach einer Ausgleichung der Gegensätze strebte, so zeigt sich dieser Charakter auch in seinen wirtschaftlichen Anschauungen.
Scharf betont er das mittelalterliche Standesprinzip. Das Ansammeln von Schätzen darf nicht den Zweck der Bereicherung haben: es müsse erfolgen »debito servato modo iuxta statum personae« 2). Eine tiefer ausgeführte Wertlehre findet sich bei ihm nicht. Er äußert sich darüber nur in gelegentlichen, durch den Zusammenhang bestimmten Bemerkungen. So sagt er ähnlich wie Aegidius Lessinus bei Behandlung des Preises der Rente: »res autem minus valet, dum expectatur in longum quam dum praesens obtinetur«: Gegenwartsgüter haben also einen höheren Wert als zukünftige3). Die römisch-rechtliche Vertragsfreiheit lehnt er ab, betont aber, daß der gerechte Preis einen weiten Spielraum habe, und daß nicht jeder Gewinn des einen Tauschkontrahenten auf Kosten des anderen gleich schwer sündhaft sei, weil sonst alle Menschen zu verurteilen wären. Zum mindesten brauche keine Restitution einzutreten, wenn der andere frei eingewilligt habe, auch wenn an sich vielleicht der Tausch nicht ganz gerecht wäre4). Andererseits erklärt Gerson es als ideal, daß für alle Waren von seiten des Staates ein Preis fixiert werde, und er schildert mit einer gewissen Wärme, wie schön es wäre, wenn jede Ware einen bestimmten Preis hätte, wie es bereits beim Getreide der Fall sei, so daß alles Feilschen über den Preis überflüssig wäre. Wohl sei dies schwer auszuführen, aber doch möglich, wenn die Menschen den guten Willen dazu hätten5).
Die Rückkaufbarkeit der Renten kann unter Umständen notwendig und nützlich für ein Gemeinwesen sein. Sonst bestände z. B. für Lehen die Gefahr der Überschuldung. Das Rückkaufs-
x) Endemann, Studien II (S. 1 1 1 ff.). Derselbe: Grandsätze (S. n). Funk, Gesch. d. kirchl. Zinsverb. (S. 46 f.) Bruder a. a. O. (S. 95). Vgl. Extrav. conim. 1. III. t. 5, c. 1. Das Preisverhältnis zwischen rückkaufbaren und nicht rückkauf- baren Renten wird in der Bulle nicht behandelt.
2) Comp. Theol. De 7 vit capit. (I, 338).
3) De contr. p. II prop. X.
4) 1. c. prop. XI.
5j 1. c. p. I, quat. 5. cons. 19.
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recht rechtfertigt nach Gerson im Gegensatz zu Heinrich von Langenstein einen geringeren Preis, weil das Eigentum ein weniger umfassendes ist1). Wertgleichheit liegt bei Rentenverträgen, so- wohl ewigen, wie auf Lebenszeit auch dann noch vor, wenn der Summe der einzelnen Rentenzahlungen nach der Käufer mehr er- hält, als das hingegebene Kapital betrug, wofür sich Gerson auf das oben genannte werttheoretische Prinzip stützt2). Zum ersten Male in der scholastischen Literatur erwähnt Gerson Rentenver- träge von seiten des Staates: Der Staat verkaufe gegen Einzahlung eines bestimmten Kapitals Renten von bestimmter Höhe, und zwar seien dieselben fundiert auf die Erträge der Steuer, die er mit einem Worte Ciceros als Nerven des Staates bezeichnet3). Er er- örtert aber diesen Fall nicht weiter.
In der Wucherlehre betont er vor allem, daß der Zins arbeitsloses Einkommen sei: »Est ergo contra naturam hominis, ut sine labore velit vivere, quod fit in usuris«.4). Auffallenderweise erklärt Gerson, daß es erlaubt sei, bei Verkauf auf Kredit einen höheren Preis zu fordern, als wenn die Zahlung in barem Gelde erfolge, wenn die Stundung des Kaufpreises nur in der Absicht geschehe, den Nächsten zu unterstützen und nicht, ihn zu be- nachteiligen5).
Auch bei Gerson wirkt eine gewisse Reaktion, wie sie bei Heinrich von Langenstein sich gezeigt hatte, nach, wenn auch in gemildertem Maße, wie es dem Charakter Gersons entspricht. Das Standesprinzip wird scharf betont. In der Wert- und Preislehre sucht er zu vermitteln: er will einerseits eine gewisse Freiheit ein- räumen und wünscht doch andererseits staatliche Preisfixierung. Seine Anschauungen tragen so einen etwas widerspruchsvollen Charakter.
B. Ausgleich von Freiheit und Gebundenheit; Wechsel, Versicherung,
Staatsanleihen. Die radikale Forderung der Preisfixierung widersprach, wenn sie auch gewissen Tendenzen der städtischen Wirtschaftspolitik entgegenkam, doch den Erfordernissen des Wirtschaftslebens zu
1) 1. c. quat. 2, cons. 5 ff; ib. quat. 5. cons. 17. P. II, häufig. Vgl. Funk a. a. O. S. 46 f.
2) Vgl. Anmerkung 3 der vorigen Seite. Cf. p. III att. 5.
3) 1. c. p. 11. i. pr.
4j 1. c. p. I, quat. 4. cons. 13. ib. cons. 15. p. II, prop. 6 f f . cf. comp, theol.
de 7 vit cap. (I, 340); de praecept. Decalog c. X. (I, 435).
h) 1. c. p. II, prop. 8; cf. p. III, att. 7.
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sehr, als daß sie auf die Dauer in der Scholastik sich hätte be- haupten können. Es war vielmehr psychologisch verständlich und durch die Entwicklung der mittelalterlichen Wirtschaftslehre er- fordert, daß man einerseits die Idee des normalen Marktpreises beibehalten, aber andererseits doch auch den realen, freiheitlicher gerichteten Verhältnissen Rechnung tragen wollte. Die ausgehende Scholastik sucht daher gegenüber dem Prinzip strengster Gebunden- heit und dem Prinzip der Freiheit nach einer Mitte, in der beide Momente aufgehoben und zum Ausgleich gebracht seien.
Hier bot sich nun die Möglichkeit, auf ein früheres Entwick- lungsstadium der Preislehre zurückzugreifen: bereits bei Duns Scotus fand sich jene gesuchte Synthese — der Mangel entwick- lungsgeschichtlichen Sinnes ließ darüber hinwegsehen, daß hier nur eine Durchgangsstufe vorlag — und so baute man seinen Gedanken, daß innerhalb einer gewissen »latitudo« des Preises freie Vereinbarung gestattet sei, weiter aus. Die nähere Darstellung dieses Prozesses, sowie seiner Folgen wird unten zu geben sein. Andererseits mußte die Lehre vom normalen Preise mit der Tat- sache in Einklang g'ebracht werden, daß auf dem Markte ein gegen- seitiges Unter- und Überbieten der Käufer und Verkäufer vor sich geht, daß eine Konkurrenz zwischen beiden Parteien stattfindet, eine Beobachtung, die, wie zu zeigen sein wird, der Lehre vom gerechten Preise ein weiteres liberales Moment hinzufügte.
Weitere Aufgaben erwuchsen der Scholastik durch dignfNot- wendigkeit, neue wirtschaftliche Erscheinungen, wie Wechsel, Ver- Sicherung, Staatsanleihen, die, obwohl größtenteils früher entstanden, doch erst jetzt im Wirtschaftsleben schärfer hervortraten, zu be- handeln und ihnen gegenüber den Geltungsbereich des Zinsverbotes abzugrenzen.
§ 1. Johannes Nider.
I. Unter denen, die an dem normalen, gerechten Preise fest- hielten und nur das alte Prinzip tiefer auszugestalten versuchten, sei zunächst Johannes Nider mit seinem Traktat »De contractibus mercatorum« genannt. Nider, um 1380 geboren, war zweimal Professor an der Wiener Hochschule und starb als solcher 14381). Sein Traktat ist, wie übrigens gleich im Eingange betont wird, zum größten Teil aus anderen Schriften kompiliert. Besonders häufig werden Thomas und Scotus angeführt. Auf seine Stellung
1j Schulte II, S. 441 f. Vgl. Endemann, Studien II, besonders S. 71., 15, 25, 32 f., 351., 51, 65.
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zum Eigentum, zum Geldwechselgeschäft, das er als »quasi quaedam venditio vel emptio unius monetae pro alia« l) bezeichnet, braucht daher ebensowenig eingegangen zu werden, wie auf die Lehre vom Darlehen und von den Zinstiteln. Die diesbezüglichen Aus- führungen bieten uns nichts Neues.
IL Seine Wertlehre hingegegen ist dadurch bedeutsam, daß auf ein Problem hingewiesen wird, das die übrige Scholastik meist nicht beachtet: als gerechter Preis wird der Marktpreis, die com- munis aestimatio bezeichnet. Auch Nider hält hieran fest; nur verfährt man nach ihm bei dieser Bestimmung »nimis generaliter«. Im praktischen Leben bereite der Begriff Schwierigkeiten: Häufig beständen für dieselbe Ware verschiedene Wertschätzungen, sei es, daß alle falsch, sei es, daß wenigstens eine richtig sei; für einzelne seltene Waren bestehe gar kein allgemeiner Wert; der Marktpreis ändere sich schnell und sei häufig dem einzelnen nicht bekannt'2).
Nider will nun seinerseits dem Kaufmann gewisse Richtlinien für die Preisbestimmung geben. Der Wert hängt ab, heißt es im Anschluß an Augustinus, von der menschlichen Schätzung; er hat daher im Einzelfall einen weiten Spielraum3). Doch wird das Prinzip der Schätzung nicht rein durchgeführt, wie sich des weiteren ergeben wird.
Will nun ein Kaufmann eine Ware verkaufen, so ist zunächst festzustellen, ob dieselbe seit der Zeit des Einkaufes in ihren ob- jektiven Eigenschaften auf natürlichem Wege oder durch Verar- beitung besser geworden ist. Ist dies der Fall, so ist ein höherer Preis berechtigt4).
Vor allem aber hat der Kaufmann zu prüfen, ob die allge- meine Schätzung, die das eigentliche Wertprinzip ist, sich inzwischen erhöht hat. Der Marktpreis einer Ware bestimmt sich nach An- gebot und Nachfrage: »Quanto autem plures indigent de re et eam habere desiderant et minor est eius copia, tanto carius aesti- matur et venditur«5).
Aber auch dann, wenn der zu verkaufende Gegenstand »nee in se nee in aestimatione« verändert ist, so ist doch unter Um- ständen ein höherer Preis berechtigt im Hinblick auf die Arbeiten, Mühen und Gefahren, die der Kaufmann durch den Transport der
J) c. 3 (24).
2) c. 2 i. pr. i. f. c. 3 passim.
3) 1. c. (1) und sonst.
4) 1. c.
*) 1. c. (2).
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Waren und ihre Bereithaltung auf dem Markte auf sich genommen hat1). Das Prinzip der communis aestimatio wird also hier für das praktische Leben durchbrochen.
Wie soll sich aber der Kaufmann verhalten, wenn die allge- meine Schätzung irrtümlich ist, und dem Kaufmann die Ungerechtig- keit des Preises klar einleuchtet? Dann darf er sich nach Nider nicht daran halten: »tunc debet recurrere ad rationem pensando sumptus, labores etiam bona fide prout melius potest fieri nee non meliorationem sive realem sive aestimatam et iuxta ista rem ven- dere.« Dasselbe gilt in dem Falle, wo überhaupt kein allgemeiner Preis vorhanden ist2). Doch sieht sich Nider zu einer Konzession gezwungen.
Der Kaufmann muß und darf sich der tatsächlichen Preis- bildung anpassen: »si nullus vult pro tanto emere, sicut valet, oportet vendi remissius, si debet vendi. Ideo dieunt leges, rem tantum valere, quantum vendi potest, i. e. seeundum quod haberi possunt emptores«3). Die Durchführung des justum pretium scheitert dann also an der Gewalt der Verhältnisse.
Eng hängt hiermit das Folgende zusammen: Angebot und Nachfrage lassen den Preis hin- und herpendeln. Zwischen Käufern und Verkäufern herrscht auf dem Markte Konkurrenz. Die Käufer, die eine bestimmte Ware haben wollen, überbieten sich gegenseitig im Preise. Wie soll der Kaufmann sich hierzu stellen. Nider sagt: »Itaque quis habens rem, quam multi desiderant et pro qua unus prae alio plus alio exhibet, cur non venderet eam ceteris paribus magis danti dimissis aliis, qui minus darent?«4). Der Kaufmann darf also die Konkurrenz der Käufer untereinander ausnutzen. Auch in diesem Falle reicht der Begriff der »communis« aestimatio nicht aus.
Natürlich will Nider die Lehre von dem »allgemeinen Werte« keineswegs als unrichtig aufgeben; er will nur auf Schwierigkeiten hinweisen und Ergänzungen geben.
III. Die allgemeine antikapitalistische Richtung der Scholastik zeigt sich auch bei Nider. Der Händler, betont er, solle den Preis seiner Waren »cum timore« bestimmen, da er in seiner eigenen Ansicht leicht fehlgehe5). Der Handelsgewinn soll der
i) 1. c. (4).
2) c. 2 i. f.
3) 1. C. (2).
4) 1. c.
5) c. i (8).
Beiträge zur Geschichte der Nationalökonomie. Heft i. 14
Schreiber, Die volkswirtsch. Anschauungen d. Scholastik.
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Arbeit des Kaufmannes entsprechen. Der Wert der Arbeit aber ist verschieden nach ihrer Bedeutung für die menschliche Gesell- schaft. Ein Händler, der mit Lebensmitteln handelt, ist wichtiger als ein anderer, der Dinge von geringerer Bedeutung kauft und verkauft. Wer mit kostbaren Waren handelt, verdient höheren Lohn, als wer nur billige Sachen vertreibt. Dem Kaufmann, der Waren von auswärts herbeischafft, steht ein höheres Einkommen zu als dem, der nur auf dem Markte weiterverkauft. So soll nach Nider der Handelsgewinn abgestuft sein nach dem Stande, den die einzelnen Kaufleute in der Gesellschaft einnehmen: »Et si quilibet secundum statum suum vellet vivere et secundum meritum suum sie hierum reeipere, omnia starent eo melius.« Nider tadelt es daher, daß der geringste Krämer nicht mit dem Lebensunter- halt zufrieden sei, sondern »continue plus sine ratione ditari« wolle. Und weil alle immer höher hinausstreben, fährt Nider fort: »hinc est, quod quasi omnes avaritiae, superbiae et voluptatis morbo labo- rant, per quae sie excaecantur, quod putant ista ita esse debere« 2). Er fühlte also selbst, daß sein Idealbild des Handels nicht der Wirklichkeit entsprach.
Für den Unterschied zwischen mittelalterlicher und moderner Auffassung' vom Wirtschaftsleben ist noch ein anderes lehrreich: Uns ist es einfachhin Tatsache, die wir als »Gesetz« feststellen daß, wenn verschiedenwertige Münzen im Umlauf sind, die höher- wertigen aus dem Verkehr verschwinden. Nider beobachtet das- selbe, erklärt aber diese Erscheinung für sittlich verwerflich: »quia sie minus bonis denariis manentibus tandem moneta vilificatur et aliam fieri monetam oportet novam, per quam multitudo interdum plus quam per novam exaetionem gravatur«2). Das Interesse des Einzelnen muß eben dem Wohle der Gesamtheit unter allen Um- ständen untergeordnet bleiben3).
VI. Nider steht so in der Beurteilung des Gewinnstrebens auf dem alten Boden. Auch in der Forderung der Gleichheit des normalen Wertes schließt er sich an seine Vorläufer an. Seine Bedeutung aber liegt, wie gezeigt, darin, daß er auf die Unzu- länglichkeit des allgemeinen Begriffes der communis aestimatio hinweist und durch dessen Ergänzung eines der größten Bedenken gegen die Lehre vom justum pretium zu beseitigen sucht. Aller- dings leidet darunter bei ihm die Geschlossenheit der Doktrin.
i) 1. c.
2) c i (7). •») 1. c.
2 11
§ 2. Lauren tius de Rodulfis.
I. Grundlegend für die Einführung neuer Vertragsarten in die Scholastik und ihre Anpassung an die überkommene Wirt- schaftslehre sind die Ausführungen des florentinischen Rechts- lehrers Laurentius de Rodulfis gewesen. Sein bekannter Traktat »De usuris« stammt aus dem Jahre 14031).
Eine Behandlung des eigentlichen Wertproblems gibt er nicht, und auch die Erörterung des Zins verbotes, die sich reichlich in kasuistische Einzelfragen verliert, bietet kaum etwas Neues. Ver- merkt sei nur, daß er es als nicht ausreichend betrachtet, den Zins lediglich wegen des in ihm enthaltenen Verstoßes gegen die Nächsten- liebe, sowie in Rücksicht darauf abzulehnen, daß durch Abströmen und Verteuerung des Kapitals für die Landwirtschaft schwere Schäden zu erwarten seien, die sich vor allem in einer Preissteigerung der Lebensmittel zeigen würden2).
IL Einen Fortschritt bedeutet Laurentius jedoch hinsichtlich der Behandlung des Kampsorengeschäftes. Er unterscheidet drei innerlich verwandte Arten des cambium3): a) das Umwechseln verschiedener Münzen. Den Gewinn sieht Laurentius als erlaubt an, entsprechend der früheren Scholastik: »ratione laboris et opera- rum, pensionum, salariorum, factorum et discipulorum«. b) das cam- bium per litteras, das uns hier zuerst entgegentritt. Das Wesen desselben ist aus dem von Laurentius gebrachten Beispiel zu er- sehen: Ein Wechsler in Florenz stellt dem Einzahler einer be- stimmten Geldsumme eine Urkunde aus, gegen deren Vorzeigung in Venedig von dem dortigen Filialgeschäft des Wechslers oder einem Geschäftsfreund desselben die eingezahlte Summe in der- selben oder in der dort geltenden Münze ausgezahlt wird. Wie
*) Schulte II, 393 f.; vgl. ferner Endemann, Studien passim; Funk, Über die ökonomischen Anschauungen, S. 167 ff.; ligner, Die volkswirtschaftlichen An- schauungen Antonins v. Florenz, S. 129 ff.
2) P. I. (13) [S. 16]. Die zurückgewiesenen Anschauungen waren vertreten worden von Innocenz TV. (Papst 1243 — 54) in seinem Apparatus mirificus: 1. V. De usuris [S. 194]; er bezeichnet als Folge des Zinses: »non intenderent homines culturae possessionum, nisi quando aliud non possent. Et ita tanta esset caristia, quod omnes pauperes fame perirent: quia etsi possent habere terras ad colendum, non tarnen possent habere animalia et instrumenta ad colendum necessaria, cum ipsi pauperes per se non haberent, et divites tum propter hierum tum propter securitatem peeuniae potius in usuras quam in minora et minus tuta lucra ponerent peeuniam. Et si aliqui ibi sua expende- rent, ita cara essent victualia, quod pauperes non haberent, unde emere possent, et hoc esset maximum et summum periculum fidelibus.« Ebendort der andere Gedanke; einen Anklang an letzteren bei Mayronis; vgl. oben, S. 172 ff.
3) Vgl. z. F.: P. II. q. 26 (S. 22 b.); P. III. q. 1 (S. 37 b., f.).
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in jedem Tauschgeschäft ist auch hier Wertgleichheit zu beachten. Will z. B. jemand in Venedig ioo Dukaten ausgezahlt erhalten, so muß er in Florenz 106 Floren einzahlen, »vel plus vel minus, sicut plus vel minus valent ducati centum quam floreni centum.« Oder wie Laurentius noch klarer sagt: »tantum hie solvitur, quan- tum numeratur ibi; nam tantum hie valet florenus cum uno denario, quantum ibi florenus sine denario.« Die ioo venetianischen Dukaten haben also in Florenz einen wechselnden Kurs. Abgesehen davon, daß der Wechsler aus diesen Kursverschiedenheiten profitieren kann, darf er Anspruch auf Gewinn als Lohn seiner Arbeit und Ersatz seiner Unkosten machen J). c) Hierzu gesellt sich ein dritter Vertrag: das »cambium siecum«. Es handelt sich hierbei um nichts anderes als um ein Darlehen, aus dem der Wechsler auf Grund einer stipulierten Kursdifferenz Gewinn bezieht. Das Darlehen tritt äußerlich als cambium auf, ohne es jedoch wirklich zu sein. Z. B. Ein Wechsler in Florenz leiht eine bestimmte Summe aus, die dem Werte von ioo Dukaten entspricht, also etwa 106 Floren. Nach Ablauf der vereinbarten Frist ist die Summe zurückzuzahlen nach dem venetianischen Kurse: »quantum intra dies computandos a die celebrati contracti valent 10 librae grossorum in civitate Venetiarum.« Der Wechsler kann gewinnen oder verlieren, doch wird meist das erstere der Fall sein. Der charakteristische Unter- schied des cambium siecum vom cambium per litteras liegt also in dem Fehlen der Ortsdifferenz und in dem dadurch bedingten Wegfall der eigentlichen volkswirtschaftlichen Funktion des Wech- sels, eine Geldsumme an einem vom Einzahlungsorte verschiedenen Platze »securius et aptius« zur Verfügung zu stellen. Laurentius denkt mithin beim cambium per litteras an die Form, die der Wechsel im Wirtschaftsleben seiner Zeit angenommen hatte: an den domizilierten Eigenwechsel, der seinem Inhalte nach eine »Geld- rimesse nach auswärts« war2). Von diesem aber war das cambium siecum grundlegend verschieden: es dient nicht Remittierungs-, sondern Darlehenszwecken.
So klar Laurentius diesen Unterschied erkennt, so ist er doch in der Beurteilung des letztgenannten Vertrages unsicher: es handele sich um ein Darlehen, und eine Berücksichtigung von Wertver-
J) Es wurde damit die Praxis gerechtfertigt; vgl. Goldschmidt, Universal- geschichte, S. 465.
2) Vgl. Goldschmidt, a. a. O., S. 403 ff. ; ähnlich Schaube, Studien. J. f. N. und St. 65, S. 528 ff., der jedoch ersterem gegenüber betont, daß die Urform des- cambium vor dem 14. Jahrhundert eine wesentlich andere war.
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änderungen der ausgeliehenen Summe widerspreche der Wert- gleichheit nicht. Aber das Argument scheint ihm selbst nicht durchschlagend, und so schließt er: »Et quia sub spe lucri et intentione plus percipiendi quam sit, quod tunc mutuatur, quia ut plurimum sie contingit, et alias non mutuaret ipse mutuans, talia perpetrantur, consulo, ut omnes abstineant.« Bemerkenswerter- weise wird hier das cambium siecum noch nicht als schlechthin wucherisch verurteilt, im Gegensatz zur Stellung der späteren Scholastik.
Aber noch in anderer Hinsicht verdient die Wechsellehre des Laurentius hervorgehoben zu werden. Einmal war nach aristotelischer Anschauung, der die Scholastik folgte, das Geld Vermittler in Kauf und Verkauf, aber nicht selbst Gegenstand derartiger Verträge 1). Diese antikapitalistische Wesensbestimmung des Geldes, die teilweise zur Begründung der Zinslosigkeit des Darlehens benutzt worden war, stand aber schon lange im Wider- spruch mit den wirklichen Verhältnissen des Wirtschaftslebens, in- dem gerade das Wechselgeschäft zeigte, daß das Geld mehr war als ein bloßer Tauschvermittler. Auch bei Laurentius findet sich die alte Anschauung noch; aber zugleich wird sie bei ihm über- wunden. Vor allem im Hinblick auf das Schwanken des Wechsel- kurses müsse man sich dem Sprachgebrauch des Handels anpassen : »non ergo inepte loquuntur campsores, qui dieunt, se emere ducatos Florentinos vel Januinos« 2). Ein größerer als sprachlicher Fort- schritt wird hierin wohl nicht zu erblicken sein.
Mit dem Gesagten ist bereits auf das Schwanken des Wechsel- kurses hingewiesen. Laurentius unterläßt es nicht, im einzelnen die Momente anzuführen, die auf die Höhe desselben einwirken. Und zwar kommen nach ihm als solche in Betracht neben dem Umlaufsorte der Münzen — in ihrem eigenen Geltungsbereich hat die Münze einen höheren Wert als in der Fremde — die Güte und Reinheit des Metalles, das Gewicht der Münzen, das Schwanken des Metallwertes selbst, sowie Angebot und Nachfrage hinsichtlich einer bestimmten Münzart: »sicut plus vel minus aliquando valet aurum vel requiruntur floreni vel ducati.« Spuren einer Preislehre des Wechsels, die immerhin von ernster Erforschung des Wirt- schaftslebens zeugen!
*) Vgl. z. B. s. 26, 27, 28, 42, 92, 136, 142, 149, 165, 189.
2) Der Ausdruck »vendere monetas« findet sich in der Handelssprache schon in früher Zeit. Beispiele bei Schaube, a. a. O., S. 160 f. Auch Nider spricht frei- lich ohne Erörterung des Problems von einer »emptio« des Geldes, vgl. oben S. 208.
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III. Versicherungsverträge1): Zum ersten Male begegnen uns bei Laurentius Verträge, deren Gegenstand lediglich die Ver- sicherung gegen bestimmte Gefahren als solche ist. Der Versicherer erhält eine Prämie, auf die er unter allen Umständen Anspruch hat. Vor allem kommt hier die Transportversicherung für Land- und Seeverkehr in Betracht2). Laurentius hält dieselbe für erlaubt und betont die Verschiedenheit derartiger Verträge von dem als wucherisch verbotenen Seedarlehen: es sei gar keine sors vorhanden, und die gezahlte Summe bilde lediglich das Entgelt für die Übernahme der Gefahr: »non enim propter mutuum, cum nulluni intervenerit, sed propter id, quod assecurat mercatorem de mercibus suis, quas periculo marino vel terrestri reponit, illud percipit«3).
Mit Bedenken steht Laurentius hingegen der Darlehensver- sicherung gegenüber. Immerhin könne »in militanti foro« eine Restitution des für die Bürgschaftsübernahme (»venditio crediti, scripta securitatis«) geforderten Betrages nicht verlangt werden4).
IV. Die Staatsanleihen5): Das Wirtschaftsleben hatte in- zwischen eine neue Erscheinung gezeitigt, die die scholastische Wirtschaftslehre vor eine schwierige Aufgabe stellte: die verzins-
») Vgl. z. Folg. P. III. q. 3 [S. 38].
2) Die Entstehung der berufsmäßigen Prämienversicherung fällt in die Mitte des 14. Jahrhunderts; zunächst tritt sie noch in Form anderer Verträge auf, die aber in- haltlich als Versicherungskontrakte anzusehen sind. Die ältesten uns bekannten Ur- kunden, die auch formell reine Versicherungsverträge enthalten, stammen aus den Jahren 1384 und 1397; vgl. Schaube, Die wahre Beschaffenheit usw., J. f. N. und St., Bd. LX, S. 40 ff., S. 473 ff.; derselbe: Der Übergang usw., J. f. N. und St., Bd. LXI, S. 481 ff., S. 488 ff., S. 495 ff., Laurentius erwähnt S. 498, 507; vgl. auch R. Ehrenberg, Studien, Z. f. d. ges. Versicherungsw. I, S. 375 ff. Die kano- nistische Doktrin wendet sich also dem neuen Vertrage verhältnismäßig früh zu, gleich- zeitig mit Beginn der statutarischen Regelung des Versicherungswesens; vgl. Gold- schmidt, a. a. O., S. 362.
3) Über den allmählichen Übergang vom Seedarlehen und dem ähnlichen Ver- sicherungsdarlehen, die zunächst dem Bedürfnis nach Versicherung dienten, vgl. Schaube, J. f. N. und St., Bd. LX, S. 475 ff., 482 ff.; Bd. LXI, S. 481 ff. Laurentius hebt die wichtigsten Unterschiede, Trennung des Versicherungs- und Darlehenszweckes, damit "Wegfall der Kapitalzahlung, Ausscheidung des Zinses aus dem Gewinn, der zur reinen Risikoprämie wird, richtig hervor. — Ob Voraus- oder Nachleistung der Prämie statt- zufinden hatte, ist aus Laurentius nicht ersichtlich; vgl. Schaube, Bd. LXI, S. 507.
4) Die Prämie für Bürgschaftsübernahme betrug i — 2%. Laurentius, 1. c.
5) Außer auf dem Wege der Anleihe kann der Staat sich auch durch Verkauf fundierter Renten Geld verschaffen; vgl. Laurentius, 1. c. p. 3 (S. 43). Der Renten- kauf war die allgemein übliche Form der Kapitalbeschaffung; vgl. v. Kostanecki, Der öffentliche Kredit, S. 37 u. 122. — Den Zwangsanleihen des Staates ähnliche Ver- träge werden schon Sum. Astes. I, III a. 5 g. 14 f. kurz erwähnt: Der Staat fordert von den Bürgern ein mutuum; später »assignat . . . super alignibus redditibus suis . .« eine jährliche Rente. Der Gewinn aus diesem mutuum ist erlaubt.
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liehen Zwangsanleihen des Staates, wie sie in den italienischen Stadtrepubliken seit dem 14. Jahrhundert aufgekommen waren. Wäre die Theorie einigermaßen konsequent verfahren, so hätte ihre Stellungnahme nicht zweifelhaft sein können. Aber sie zeigte sich auch hier den wirtschaftlichen Tatsachen gegenüber nachgiebig, indem in kasuistischer Weise allerhand Verschiedenheiten zwischen Darlehen und Staatsanleihen aufgezeigt wurden, die eine abweichende Beurteilung beider rechtfertigten.
Die Praxis der Staatsanleihen erhellt zur Genüge aus Laurentius selbst1): Die Stadt Florenz bedarf zu militärischen Zwecken Geld und macht deshalb bei ihren Bürgern eine Zwangsanleihe (prae- stantiae). Der Zinsfuß betrug zunächst 15 %, wurde aber später auf 10 und dann auf 5 % ermäßigt2). Die Stadt zahlt den Gläubigern den Zins »pro dono damni et interesse seu provisione vel merito«, die Gläubiger sollten den Zins annehmen »pro spontaneo et libero et mero dono«.
So sehr die letzten Worte von dem Streben beeinflußt waren, dem Verdikt der kirchlichen Wucherlehre zu entgehen, so bleibt es doch verständlich, daß verurteilende Stimmen nicht aus- blieben.
Laurentius berichtet z. B. von Guido de Belriguardo. Dieser verwarf die Staatsanleihen, indem er hinwies auf die große Schädigung des Staates, der oft ein Vielfaches des erhaltenen Geldes zurückzuzahlen habe. Die Bürger ferner würden zum Wuchern veranlaßt, und wenn die Stadt in Geldnot wäre, so könnte sie sich vermittels ihrer Zwangsgewalt auf andere Weise Geld verschaffen und brauche sich nicht eines wucherischen Ver- trages zu bedienen3).
Ein anderer Gegner war nach Laurentius Gregorius de Arimino, der von dem Gedanken ausgehend, daß überall Wucher vorläge, wo aus einem Darlehen Gewinn erstrebt werde, die ver- zinslichen Staatsanleihen verurteilte: Hier sei die Gewinnabsicht vorherrschend. Der erzielte Mehrwert sei kein Schadenersatz; denn letzterer müsse für jeden Einzelfall besonders festgestellt werden; eine allgemein gleiche Schädigung liege nicht vor. Er sei ferner kein Lohn für das Wohlwollen der Bürger, denn dieses bemesse sich nicht nach der Höhe des eingezahlten Kapitals. Und auch von einem freiwilligen Geschenke dürfe man im Ernste nicht
1) P. III. q. 5 [S. 38, b., f.].
2) Letzteres seit etwa 1380, 1. c.
3) 1. c.
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sprechen: die Stadt zahle den Zins nicht nach Tilgung ihrer Schuld, sondern mache Geschenke, wo sie noch Schuldnerin sei1).
Diesen Stimmen gegenüber verteidigt Laurentius teilweise im Anschluß an Franciscus de Empoli2) die Praxis des Wirtschafts- lebens. Zunächst sucht er die Zweckmäßigkeit der verzinslichen Staatsanleihen überhaupt zu begründen : Der Staat kann gewiß vermittels seiner Zwangsgewalt von den Bürgern unverzinsliche Darlehen fordern. Aber diese »coactiones et violentiae absolutae« führen leicht zu Erbitterung-, Parteikämpfen, Unruhen usw., die nicht im Interesse des Staates liegen. Durch das Vorgehen des Staates werden ferner manche schwer geschädigt, möglicherweise der Verarmung entgegengetrieben, während es doch Staatspflicht ist, für die Wohlhabenheit der Bürger zu sorgen. Diese Schäden aber werden vermieden oder gemindert durch Einräumung eines Zinses3).
Zudem darf letzterer nicht als ungerecht und wucherisch be- zeichnet werden4), a) Der Gewinn wird nicht »principaliter« er- strebt; die Bürger zahlen vielmehr aus Gehorsam gegen die staat- lichen Gesetze und aus Furcht vor Strafe, b) In anderen Geschäften lassen sich höhere und sicherere Gewinne erzielen, c) Der Staat zahlt den Zins »ex animi nobilitate quadam«. Seiner eigenen Versicherung muß geglaubt werden, solange nicht Höhe des Zinses und Umstände der Zahlung zu anderer Annahme nötigen, d) Der Zins hat den Charakter eines Lohnes für geleistete Unterstützung, der natürlich nur allgemein festgelegt werden kann, e) Der Zins ist vor allem Schadenersatz, der ebenfalls aus praktischen und anderen Gründen nur »generaliter« zu bestimmen ist. Besonders betont Laurentius den Zinstitel des lucrum cessans: »nee enim inficiari possumus, quin saltem ratione lucri cessantis unusquisque cives damnificetur.« Auch das Zwangsmoment rechtfertigt ein Entgelt.
Weitere Schwierigkeiten verursachte noch der durch die staat- lichen Statuten ausdrücklich gebilligte Weiterverkauf der Staats- renten5). Um auch diesen zu stützen, betont Laurentius, daß der neue Käufer nicht etwa in ein Gläubigerverhältnis zum Staate
*) I. c (S. 39 ff.).
2) cf. 1. c. (S. 43 «.)•
3) 1. c. (S. 38, b., f.).
4) Vgl. z. Folg. 1. c. (S. 39 ff.).
5) 1. c. (S. 38, b., f.); (S. 41 ff.); Die Übertragung wurde »in libris communi- tatis« vermerkt (cf. S. 44, b.).
trete; es läge einfach ein Kauf und Verkauf vor, die als solche zu beurteilen seien und Hoffnung auf Gewinn gestatteten.
Bedenken erregte es nur, daß das »ius exigendi ioo« bald mit 25, bald mit 38 oder 40 bewertet wurde, welch' letzteren Kurs Laurentius noch für günstig zu halten scheint1). Man konnte darin leicht ein »pretium temporis« erblicken. Nach Laurentius handelt es sich jedoch um einen Vertrag, wo beides »gegenwärtig« sei: das Recht auf Rente und Rückzahlung und die dafür zu zahlende Geldsumme. Der niedrige Kurs erkläre sich einmal daraus, daß das Kapital festgelegt sei — »minus venditur res onerata quam liberata« 2) — ; sodann aus dem für Kapital und Interesse bestehenden Risiko: »cum se exponat periculo iste emens, nulla committitur usura«3).
V. So wenig auch die vorstehenden Erörterungen das Wesen der wirtschaftlichen Vorgänge erfassen, so ist doch zuzugeben, daß sie dem Wirtschaftsleben entgegenkommen wollen. Anerkannte Bedürfnisse des letzteren mußten vor den Folgen der überlebten Wucherlehre geschützt werden. Freilich war dies nur unter will- kürlicher Verwendung der einzelnen Rechtfertigungstitel möglich, wie die Rechtfertigung des Zinses der Staatsanleihen handgreif- lich zeigt.
§ 3. Antonin von Florenz.
I. Derjenige, der auf die Entwicklung der Wertlehre um die Mitte des 15. Jahrhunderts den entscheidensten Einfluß ausgeübt hat, ist Antonin v. Florenz [138g — 1459, seit 1446 Erzbischof von Florenz]4). Er gab der scholastischen Wert- und Preislehre die endgültige Fassung, indem er nach einer Ausgleichung der einander gegenüberstehenden Prinzipien der Vertragsfreiheit und strengster Gebundenheit suchte.
Die wichtigste Quelle, aus der wir seine wirtschaftlichen Anschauungen zu entnehmen haben, ist seine Summa theologiae
') 1. c. (S. 48).
2) 1. C. (S. 41, b.).
3) 1. c. (S. 43, b.) aus Franciscus d. Emp. Derselbe 1. c, (S. 44): »Et si quae- ratur, quantum minus valere debeant, respondeo, quantum a sapientibus et probis consi- deratis circumstantiis aggravantibus fuerit arbitratum et appretiatum. Et cum in propo- sito nostro sie communiter appretientur, tantum per consequens valebunt«. Hier an ein unserer Börse ähnliches Institut zu denken, wie ligner (a. a. O., S. 264), liegt kein Grund vor.
*) Vgl. ligner: Die volkswirtschaftlichen Anschauungen Antonins v. Florenz. Ferner Funk: Über die ökonomischen Anschauungen, S. 152 ff.
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(moralis) die eine Gesamtdarstellung der Moral bietet. Wegen ihrer kurzen Definitionen und der prägnanten Zusammenfassung wichtiger Materien ist daneben noch seine Summa confessionalis zu nennen.
II. Der bereits betonte Vermittlungscharakter der antoninischen Wertlehre bedingt es zunächst, daß die Freiheit der Preisbildung abgelehnt wird. Antonin hebt den in Betracht kommenden Ge- danken gelegentlich klar hervor: »Sicut contractus emptionis et venditionis est mere voluntarius, sie etiam taxatio pretii venalium rerum debet esse voluntaria seeundum voluntatem vendentis et ementis«1). Dies war eben der römisch-rechtliche Grundsatz. Antonin betont aber demgegenüber, der Verkäufer dürfe nicht einen beliebigen Preis fordern: »quia tunc non imponit rei ut simpliciter suae pretium, sed ut in alterum commutandae« 2). Nicht jeder tatsächlich erzielte Preis ist also gerecht, sondern nur der- jenige, der, wie des weiteren sich zeigen wird, der communis aestimatio entspricht. Das soziale Zusammenleben erfordert und bestimmt eine ethische Bindung der Preishöhe.
Das Suchen nach den Normen der Preisgerechtigkeit be- dingt eine Untersuchung des Wesens des Wertes3). Der letztere beruht, heißt es im Anschluß an Augustin, auf menschlicher Schätzung, auf dem Nutzen eines Gutes für den Gebrauch. Für den valor usualis ist nun das eigentlich Entscheidende, wenn die objektiven Eigenschaften eines Gutes, seine Nützlichkeit, gegeben sind — daß letztere den Wert nicht allein bestimmen, wird an dem Beispiel des Wassers gegenüber dem Golde gezeigt — die raritas der Dinge, weil eben sie den Grad unserer Schätzung bedingt: »seeundum quod res ex suae inventionis raritate et diffi- cultate magis necessariae sunt.« Antonin denkt hierbei an das, was wir heute als »Angebot und Nachfrage« bezeichnen: »ex earum (sc. rerum) penuria maiorem ipsarum indigentiam et minorem facultatem habendi et utendi habemus«. Bemerkenswert ist, daß die Kosten (difficultas) insofern als wertbestimmend erscheinen, als sie die Größe des Angebotes bedingen. Wert und Preis sollen also nach Antonin der naturgemäße Ausdruck der in der Ge- sellschaft vorhandenen Verhältnisse von Angebot und Nach- frage sein.
2) S. m. P. II. t. i, c. 16,
2) 1. c
3) Vgl. z. Folg. 1. c.
2IQ
Den Momenten der Nützlichkeit und Seltenheit tritt als dritter wertbestimmender Faktor die complacibilitas zur Seite1). Es wird hier nicht eigentlich an den Affektionspreis gedacht, wenngleich letzterer nicht ganz auszuscheiden ist. Die complacibilitas führt den Wert zu individueller Bestimmtheit: »unus equus est gratior uni et alter alteri«. Es soll also hiermit das Problem gelöst werden, an dem sich schon Aegidius Lessinus abgemüht hatte: Neben dem allgemeinen Momente, das den gesellschaftlich-normalen Preis be- stimmt, soll ein individualisierendes Prinzip gefunden werden. So bewirkt die complacibilitas es, daß »unus rem alteri viliorem multum appretiatur et sibi reputat pretiosam et caram et e converso«. Von der individuellen Schätzung des Einzelnen hängt ein »non modica pars valoris« ab. Dieselbe ist also etwas Tatsächliches und im Tausche wirksam2). Damit hängt es zusammen, daß jeder der Tauschkontrahenten das zu erlangende Gut höher schätzt als das Preisgut: »emptor vult sibi rem emptam potius quam pretium eius et venditor e converso«3).
Es ergibt sich aber nunmehr ein neues Problem. Bezüglich des normalen Wertes der Waren ist gemäß den in Betracht kommenden Faktoren nur eine »coniecturalis et probabilis opinio« möglich. Dazu kommt die »varietas emptorum et venditorum«4). Hiermit muß die Lehre vom gerechten Preis rechnen. Soll mithin überhaupt noch eine Bindung möglich sein, so muß zum mindesten eine latitudo des gerechten Preises eingeräumt werden »respectu temporum, locorum et personarum « 5). Antonin mußte also an die Entwicklungsstufe der Lehre vom gerechten Preise anknüpfen, die uns etwa bei Duns Scotus entgegengetreten war.
Aber die latitudo des gerechten Preises ist nicht willkürlich, sie muß — das liegt ja in der Idee der Gerechtigkeit — »competens« sein. Um nun diesem Begriff seine Verschwommenheit zu nehmen, unterscheidet Antonin einen dreifachen Grad des gerechten Preises, den pius, discretus und rigidus gradus, d. h. eine geringere, mittlere und höhere Stufe; z. B. kann eine Ware im Preise schwanken zwischen 50, 50^3 und 51 Dukaten. Erstere bzw. letztere Stufe bilden dann die äußerste Grenze. Nur in dem Ausnahmefall, wo
J) 1. c.
2) Es ist daher zum mindesten mißverständlich, wenn ligner, a. a. O., S. 76, erklärt, die Ware streife im Tausche ihren individuellen Charakter ab.
3) 1. c.
«) P. II. t. 1, c. 8, § 1. 6) Vgl. Anm. 3.
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für einen Kontrahenten das Gut einen besonders hohen Wert dar- stellt, gilt die thomistische Regelung, es ist also dann für den Verkäufer eine Abweichung von der communis aestimatio, dem currens pretium, unter Umständen gestattet1).
Aber noch in anderer Weise werden Ausnahmen gestattet. Findet eine Preisverletzung über die Hälfte des gerechten Preises hinaus statt, oder liegt ein »notabilis excessus« vor, so ist natürlich eine Restitution unumgänglich; aber wie dann, wenn die Über- schreitung des iustum pretium nur gering ist? Jedenfalls leuchtet soviel ein, daß eine bewußte Verletzung der Wertgleichheit uner- laubt ist, und daß Restitution, mindestens durch Almosenspenden eintreten muß. Wird aber »praeter intentionem et propriam aestimationem« die Grenze des gerechten Preises um ein weniges überschritten, so möchte Antonin dies hingegen lassen im Hin- blick auf die Unsicherheit der menschlichen Schätzung, auf politisch und moralisch bedenkliche Folgen des entgegengesetzten Prinzips; zudem willigten beide Kontrahenten frei ein, sodaß man auf seiten des geschädigten Teils eine Schenkung annehmen könne. Antonin bemerkt jedoch noch, daß in Verkündigung dieser Anschauung dem Volke gegenüber vorsichtig vorgegangen werden müsse2).
Antonin konnte glauben, so eine allseits befriedigende Lösung gegeben zu haben: Das Äquivalenzprinzip war aufrecht erhalten, aber doch so, daß auch der freien Betätigung der Kontrahenten sowie ihrem Gewinnstreben eine gewisse Freiheit ermöglicht schien. Er konnte darauf hinweisen, daß er nur eine Weiterführung scotistischer Prinzipien biete, wobei freilich übersehen wurde, daß das Wirtschaftsleben seitdem in gesteigertem Maße kapitalistische Formen angenommen, und die alte Theorie sich damit überlebt hatte. Zudem mußte Antonin, um seine Prinzipien etwas mit den wirtschaftlichen Verhältnissen in Einklang zu bringen, zu einer merkwürdigen Scheidung von Stufen, die doch noch wieder Aus- nahmen zulassen, seine Zuflucht nehmen, Scheidungen und Zer- gliederungen, die den Begriff der communis aestimatio nicht klären, und ebensowenig über die theoretische Unzulänglichkeit wie praktische Bedenklichkeit einer derartigen ethischen Bindung des Preises hinwegtäuschen können.
III. Mit der Unterscheidung der verschiedenen Stufen des gerechten Preises konnte Antonin nun auch ein Problem zur Ent-
*■) P. II. t. i, c. 8, § i; cf. ib. c. 16, § 3; c. 17, § 10. S. c. (S. 205) und sonst. 2) 1. c.
Scheidung bringen, das der Scholastik bisher manche Schwierig- keiten bereitet hatte, die Frage des Kreditkaufes. Daß es für den Kaufmann nicht gleichgültig war, ob ihm sofort bezahlt wurde oder erst später, konnte nicht übersehen werden; aber gleichwohl mußte an dem Grundsatz der Unverkäuflichkeit der Zeit festge- halten werden. Antonin gestattet es jetzt, eine Preiserhöhung vorzunehmen, jedoch nur innerhalb des Rahmens des gerechten Preises: »Si vero non vendidit plus iusto pretio, sed non vult facere ita bonum forum ei sicut illi, qui dat pecuniam numeratam sibi, non est usura« 1). Fordert daher z. B. ein Kaufmann bei Barzahlung- die mittlere Stufe des gerechten Preises, so kann er bei Kredit- gewährung' sich an die oberste Stufe halten2). Auch hier zeigt sich deutlich das Streben, zwischen den überkommenen wirtschaft- lichen Anschauungen und den Forderungen des Wirtschaftslebens zu vermitteln. Auch sonst suchte Antonin hinsichtlich des Kredit- kaufes den wirklichen Verhältnissen entgegenzukommen3).
IV. Die übrigen wirtschaftlichen Anschauungen Anto- nins bieten kaum etwas Neues. Dem Händler wird ein »moderatum
!) s. c, (S. 202.)
2) S. th. P. IL t. i, c. 8, § i.
3) Antonin äußert sich P. III. t. 8, c. 4, § 2 näher über die diesbezüglichen Geschäfte des Tuchhandels. Der "Weber kauft vom Händler die Wolle, der Preis ist nach 1/2 oder 1 Jahr zu zahlen. Der Fabrikant verkauft das Tuch an einen Zwischen- händler oder an Detailhändler mit demselben Kredit. Auch die Abnehmer warten meist lange mit der Bezahlung. Regelmäßig wird nun der Preis erhöht. Der Weber fordert z. B. bei Barzahlung 45 Floren, jetzt 50. Wie ist nun dieser Vorgang zu beur- teilen? An dem Grundsatz der Unverkäuflichkeit der Zeit muß festgehalten werden. Auch die latitudo des gerechten Preises darf nicht überschritten werden. Die Differenz scheint nun doch etwas reichlich groß zu sein. Doch Antonin weiß Auswege zu finden. Einmal brauche man in diesem Falle das justum ptetium nicht auf den Einzelfall anzuwenden. Der Kaufmann habe Anspruch auf einen normalen durchschnittlichenProfit. Weide dieses Maß nicht überschritten, so sei auch das Vorgehen im Einzelfall nicht ungerecht. Würde zudem der Händler bei Stundung denselben Preis nehmen wie bei Barzahlung, so würde er nach Aussage der Geschäftsleute gar keinen oder nur sehr geringen Profit machen. Der geringere Preis bei Barzahlung könne ferner durch andere Momente ver- anlaßt sein. Der Kaufmann verzichte möglicherweise auf einen Gewinn, er brauche aber Geld, um z. B. seinen Angestellten bezahlen zu können, was er nur bekommen könne, wenn er durch den geringeren Preis einige zu sofortiger Zahlung veranlasse. Bei Kredit- gewährung habe der Kaufmann ferner besondere Mühen, das Geld zu bekommen; mög- licherweise falle eine Zahlung überhaupt aus. Die Kaufleute erklärten endlich, sie würden gerne nur zu 45 verkaufen, wenn alle Kunden sofort bezahlen würden. Sie würden dann ihr Kapital mehrmals im Jahre umschlagen können, wenn sie auch im Einzelfalle weniger gewinnen würden. Kurz, Antonin möchte die bestehende Praxis nicht verurteilen, vorausgesetzt, daß der höhere Preis nicht zur Erzielung übermäßigen Gewinnes benutzt werde. Er schließt aber: »Est tarnen materia ista multum intricata
hierum«, ein »lucrum competens officio suo« l) zugebilligt, was wie früher durch Hinweis auf die Arbeit des Kaufmannes begründet wird. Der Kaufmann erzielt seinen Gewinn durch Ausnutzung der Preis- verschiedenheiten der Waren nach Ort und Zeit. Er hat daher nicht unter allen Umständen Anspruch auf Gewinn, sondern ist an das justum pretium gebunden. Es ist nicht richtig, erklärt Antonin, »quod in omni casu liceat mercatori plus vendere quam ei constiterit, sed aliquando oportet, quod tantundem vendat, ali- quando etiam minus, aliquando etiam plus, seeundum quod plus vel minus illo tempore, quo vendit, valet illa mercantia, quod procedit ex abundantia vel penuria eius et seeundum quod plus vel minus [repetitur] « 2). Hat ein Kaufmann z. B. in Zeiten der Teuerung gekauft, so verlangt das justum pretium, daß er zu anderer Zeit mit Verlust verkaufe.
Bezüglich des Wechselgeschäftes weicht Antonin kaum von Laurentius ab. Er scheidet klarer zwischen dem Umwechseln von Geldmünzen, dem cambium minutum, und dem cambium per litteras. Das cambium siecum, vor dem Laurentius nur gewarnt hatte, ist für ihn direkt wucherisch. Auch sonst erwähnt er noch einige Fälle, in denen es sich um Wucherkontrakte in Form von Wechsel- geschäften handelt3).
Die Begründung der Zinslosigkeit des Darlehens ist die übliche4). Insofern mit dem Gelde ein Ertrag erzielt werden kann, ist es Kapital, »capitale«5). Doch ist der Mehrertrag Ertrag der menschlichen Arbeit6). Bei der Bezeichnung des Geldes als Kapital handelt es sich also nur um einen andern Ausdruck für den thomistischen Gedanken, das Geld sei causa instrumentalis des Gewinnes.
nee bene clara et ideo non amplianda«. Die einzelnen Bemerkungen bekunden eine überraschende Kenntnis des Wirtschaftslebens, wenn Antonin auch nicht imstande war, die damit im Widerspruch stehende Theorie einer Revision zu unterwerfen. — Be- merkenswert ist, daß bei Antonin zum ersten Male das Op. 67 zitiert wird, das in ähn- licher Weise die Schroffheiten der Lehre vom Kreditkauf zu mildern sucht [S. th. P. II. t. 1, c. 8, § 4], vgl. S. 119.
1) S. c, (S. 202, S. 232 f.) P. II. t. 1, c. 8, § 2, cf. ib. c. 16, § 2 f. P. III. t. 8, c. 3, § 4.
2) P. II. t. 1, c. 8, § 2. Im Texte heißt es »reperitur«. Bei ligner, a. a. O., S. 71, wie oben angegeben. Vgl. hierzu jedoch S. 221, Anm. 3.
3) P. II. t. 1, c. 7, § 47 ff. P. III. t. 8, c. 3. S. c. (S. 202.)
4) P. II. t. 1, c. 6 und 7.
6) Z. B. 1. c. c. 7, § 17. Doch wird auch das unverzinsliche Darlehen als Kapital bezeichnet.
6) 1. c. c. 6, § 1.
Als Zinstitel werden die Konventionalstrafe, die Risiko- prämie, das damnum emergens und hierum cessans anerkannt1).
Die Lehre von den Staatsanleihen ist zum größten Teil wört- lich aus Laurentius übernommen und bietet daher prinzipiell nichts Neues2), ebensowenig wie die Lehre von der Versicherung3).
In der Lehre vom gerechten Lohn kehrt das Standesprinzip wieder4). Bemerkenswert ist, daß betont wird, der Lohn müsse der Vereinbarung gemäß in Geld oder Waren gezahlt werden. Ist Geldlöhnung vereinbart, und zahlt der Arbeitgeber in Waren, so muß er für eine etwaige Schädigung des Arbeiters beim Verkauf aufkommen. Ist Löhnung in Waren vereinbart, so sind diese zum Marktpreis abzugeben. Ein etwaiger Schaden fällt dann dem Arbeiter zur Last5).
V. Schluß. Antonin ist als typischer Vertreter der geschil- derten vermittelnden Richtung der Scholastik anzusehen. Auch die neuere, nachtridentinische Scholastik folgt im wesentlichen seinen Bahnen. Für das Mittelalter werden wir diese Erscheinung jedenfalls als berechtigt anerkennen müssen: sie war das notwendige Produkt der geschichtlichen Entwicklung, deren bestimmende Momente die traditionellen, einem anderen Wirtschaftsleben ent- sprechenden, aber von der Kirche geheiligten Anschauungen einer- seits und die Beobachtung des zum größten Teile kapitalistischen, freiheitsbedürftigen Wirtschaftslebens andererseits waren: beide mußten nach einem Ausgleich streben.
§ 4. Bernhardin v. Siena.
Kürzer können wir über Bernhardin v. Siena (1380 — 1444) hinweggehen, einen Franziskaner, der sich als Reformator seines Ordens, sowie als Prediger Verdienste erworben hat6). Unter seinen »Sermones« sind nicht wenige der Behandlung wirtschaft- licher Fragen gewidmet.
In der Wertlehre kehren die Momente virtuositas, raritas complacibilitas wieder7). Als gerechter Preis erscheint der Markt-
!) z. b. l. c. c. 7, § 18 ff.
2) P. II. t. 1, c. 11, ib. i. pr.: »Novissime autem scripsit super hac materia satis diffuse dominus Laurentius de Redulfis«. cf. S. c, (S. 204.)
3) P. II. t. 1, c. 7, § 46. P. III. t. 8, c 3, § 1 f.
4) Z. B. P. II, t. 1, c. 7, § 17.
5) 1. c. c. 17, § 8.
6) Schulte II, 442 f. K. L. II, 441 ff. Über B. vgl. Funk: »Über d. ök. Ansch., a. a. O. Die Eigentumslehre Bernhardins schließt sich eng an Scotus an, vgl. Sermo 32.
7) S. 35, a. 1, c. 1.
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preis1), der auch hier in drei Stufen zerlegt wird2). Besteht ein solcher nicht, so soll der Kaufmann einen mäßigen Gewinn er- streben »pensatis sumptibus, industria, sollicitudine, periculis et labore«3). Im übrigen sucht Bernhardin ähnlich wie Antonin zwischen Freiheit und Gebundenheit der Preisbildung einen Mittel- weg: »sub congruis limitibus« dürfen Käufer und Verkäufer frei schalten. Er wendet sich dagegen, den Wert eines Gutes nach dem Nutzen zu bemessen, den es »particulariter« bringt: Ein Trunk Wasser, der einem Verdürstenden gereicht wird, ist »impreciabilis«4). Bei behördlicher Preisfixierung sind neben den natürlichen Eigen- schaften der Dinge, dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage, auch die für Herstellung und Transport der Waren erforderlichen objektiven Momente, wie Größe und Qualität der Arbeit, Risiko zu beachten5).
Das Gesetz von Angebot und Nachfrage gilt auch von den Arbeitsleistungen der Ärzte, Advokaten, Erdarbeiter usw.: »ubi talium est penuria, possunt carius locare opera sua«6).
Den Handel bezeichnet Bernhardin als erlaubt und nützlich, nur verlangt auch er, daß Gewinn erstrebt werde »propter necessi- tatem vel pietatem«, nicht dagegen »propter substantias cumulan- das« 7). Auch die Lehre vom Wechselgeschäft bietet nichts Neues8).
Für die Unentgeltlichkeit des Darlehensverkehres werden nicht weniger als zwTölf Gründe angeführt, ohne daß jedoch ein wesentlich neuer Gesichtspunkt beigebracht würde9). Wie sehr das Zinsverbot im Widerspruch mit den realen Verhältnissen stand, zeigt die Leidenschaftlichkeit mancher Predigten, in denen Bern- hardin die moralische Verwerflichkeit des Zinses darzulegen sucht10).
1) S. 33, a. 2, c. 8.
2) S. 34, a. 3, c. i.
3) S. 33, a. 2, c. 8.
4) S. 35, a. 2.
5) S. 35, a. 2, c. 2.
6) 1. c. Die »psychologische« Wirkung der Größe des Angebots betont Bern- hardin deutlich: »Quanto . . rarius et difficilius rem adire possumus et habere, tanto supra nostram facultatem altius et mirabilius aestimamus. Ardua enim nobis et insolita admiramur«.
7) S. 33, bes. a. 2, c. 2.
8) S. 39, a. 3. Die Benennung ist etwas anders: »cambium artificiale«, im An- schluß an Aristoteles, der vermeintlich das Gewinnen aus der »permutatio denariorum« als ein Werk der Kunst und nicht der Natur bezeichnet; (vgl. S. 27) cambium reale: »quia ut plurimum realiter deducuntur«. Hierhin gehört auch das cambium per litteras; endlich das wucherische cambium casuale oder siccum.
9) S. 38, a. 1, cf. 36, a. 3. 10) S. 43 ff.
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Man wird sich daher auch von der Bedeutung der Zinstitel keine übertriebene Vorstellung machen dürfen, etwa in dem Sinne, als ob durch dieselben die praktische Entgeltlichkeit des Darlehens in der Mehrzahl der Fälle anerkannt wäre1). Besonders wendet sich Bernhardin gegen Umgehung des Zinsverbotes durch Benutzung anderer Vertragsarten [»mutuum palliatum«]2).
Die Behandlung des Rentenkaufes ist ähnlich, wie bei Ricardus und Aegidius3). Auch hier kehrt das bekannte wert- theoretische Prinzip wieder: »Constat . . ., quod actualis possessio rei praesentis ceteris paribus amplius valet, quam solum ius rei futurae aut quam solum ius absque actuali possessione non statim tradita vel tradenda.« Begründet wird dies mit der größeren Sicherheit des Besitzes in ersterem Falle: »securius est rem habere et possidere, quam solum ius rei«*). Eine kapitalistische Verwendung des Renten- kaufes hält auch Bernhardin für unerlaubt6).
Die Erlaubtheit der Transportversicherung wird in übli- cher Weise dargetan6). Dagegen verurteilt Bernhardin eine Art »Aussteuerversicherung«. Ein Vater zahlt z. B. während des ersten Lebensjahres seiner Tochter 70 Dukaten an ein staatliches Institut. Hat die Tochter das Alter von 15 Jahren erreicht, so werden ihm 500 Dukaten ausgezahlt. Im Falle eines frühzeitigeren Todes fällt hingegen die eingezahlte Summe dem Institute zu. Es handelt sich hier nach Bernhardin um ein wucherisches Dar- lehen; insbesondere fehlen alle Momente, die die Differenz der beiden Summen erklären könnten, wie industria, labor, sollertia, sollicitudo auf Seiten des Vaters7).
Die Beurteilung der Staatsanleihen8) ist bedeutend schroffer als bei Laurentius. Nur diejenigen dürfen nach Bernhardin den ausgesetzten Zins annehmen, die dem Staate gezwungen ihr Geld geben, und zwar dann »ratione dominii compellentis, damni emer-
x) Über die Zinstitel vor allem S. 42.
2) S. 39, a. 2.
3) S. 34, a. 2.
4) S. 34, a. 1, c. 2.
5) 1. c, c. 2, a. 1 : »puta si quis dives ad sufficientiam habens, non propter vitae necessitatem, sed avaritia ductus, ut ditior fiat, tales redditus emit« ist der Ver- trag verwerflich.
6) S. 39, a. 1, c. 3, jedoch »salvo meliori iudicio«.
7) 1. c, c. 4. Die Anfänge der Heiratsgutversicherung, deren Veranschlagung naturgemäß roh war, sind in Florenz im 15. Jahrhundert zu suchen; vgl. R. Ehren - berg, Studien, Z. f. d. ges. Versicherungsw. II, S. 126.
•) S. 41.
Beiträge zur Geschichte der Nationalökonomie. Heft 1. 15
Schreiber, Die volkswirtsch. Anschauungen d. Scholastik.
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gentis und lucri cessantis«. In der Mehrzahl der Fälle sei dies anzunehmen. Erlaubt sei auch das Vorgehen der wenigen »veri rei publicae amatores«, die mit ihrem Gelde der Not des Staates zur Hilfe kommen wollten. Verurteilt werden hingegen alle, die »ex intentione lucri« Geld einzahlen oder Staatsanleihen käuflich erwerben.
Bernhardin geht trotz grundsätzlicher Übereinstimmung mit der übrigen Scholastik in mancher Hinsicht zweifellos etwas strenger vor, was bei der Persönlichkeit des Ordensreformators nicht weiter verwunderlich ist1).
x) Häufig kommt auf wirtschaftliche Fragen Alphonsus Thostatus (f. 1455) zu sprechen in seinen Kommentaren zum alten und neuen Testament. Math. VII, c. 25, q. 164 — 289 bietet eine ausführliche Abhandlung über den Wucher. Der Wert wird subjektiv gefaßt, der Marktpreis als gerechter Preis bezeichnet (Gen. c. 23; Math. VII, c. 25, q. 223 u. s.). Wie der Handelsgewinn, soll auch der Gewinn des Wechslers, er beruhe auf Provision oder Kursdifferenz, bemessen sein: »ex commensuratione ad labores et sollicitudinem, difficultatem habendi monetas illas, quarum petitur permutatio, et magnitudine vel parvitate impositionis eis factae a communitate vel domino, a quo permittitur campsoriam exercere« (Math. 1. c, q. 231, 286). In der Begründung des Wuchers bringt er neben dem thomistischen Argument auch die Beweisgründe Inno- cenz IV. (vgl. oben S. 211, Math. 1. c, q. 167, 178 f.). Beim Gelde unterscheidet er zwischen hochwertigen Münzen, für deren Wert Prägung und Gewicht bestimmend sind, und geringwertigen, die »consistunt solum in figura et non curatur de pondere« (Levit. c. 27, q. 64). Im letzteren Falle ist wohl an Scheidemünzen gedacht.
Ergebnisse.
Als das wichtigste Ergebnis der vorstehenden Untersuchungen kann wohl das bezeichnet werden, daß von einer einheitlichen Wert- lehre in der Scholastik nicht gesprochen werden kann; zwischen den einzelnen Denkern bestehen vielmehr grundlegende Unter- schiede und Gegensätze.
Wir haben einmal die Verschiedenheit der objektiven und subjektiven Wertlehre: Albertus Magnus und Thomas von Aquin sehen die Gerechtigkeit des Preises in der Wiedervergeltung von Arbeit und Kosten; Momenten, die Substrat und Inhalt eines durch das menschliche Bedürfnis bestimmten, alle verpflichtenden, den Tausch psychologisch beherrschenden Marktpreises ausmachen. Andere Scholastiker, wie Heinrich von Gent, Ricardus usw. tun nur das letztere und suchen in steigendem Maße die Tauschvorgänge psychologisch zu verstehen und zu erklären. Die wichtigsten Er- gebnisse dieser Arbeit waren die Erkenntnisse, daß zukaufende und gegenwärtige Güter höher bewertet werden als Preis- bzw. Zukunfts- güter, sowie die tiefgehenden Untersuchungen Buridans über Wesen der Schätzung und ihren Zusammenhang mit der Erscheinung des Preises. Heinrich von Langenstein nimmt die thomistische Wert- lehre mit ihrer eigentümlichen Verbindung objektiver und subjektiver Momente vorübergehend wieder auf. Das Bewußtsein des Gegen- satzes beider Auffassungen dürfte das Mittelalter zunächst kaum gehabt haben, indem beide praktisch darauf hinauskamen, den Tausch durch Konstruktion eines gerechten Normalpreises zu binden.
Aber doch war damit der Keim zur Ausbildung eines tiefer- gehenden Gegensatzes innerhalb der scholastischen Wertlehre ge- geben. Der Beobachtung des Gewinnprinzips in Kauf und Verkauf trat die andere individueller Verschiedenheit der Bewertung der einzelnen Güter zur Seite. Beides führte zur Aufgabe der Idee des gerechten Normalpreises, und in allmählicher Entwicklung von dem subjektiven Gewinnstreben ausgehend, kam die Scholastik dahin, jeden frei abgeschlossenen Tausch als gerecht anzusehen. Bewußt dieser Theorie der Freiheit der Preisbildung sich widersetzend
15*
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und die rein subjektive Wertlehre, die für ersteres Prinzip die theoretische Basis hatte abgeben müssen, ablehnend, kehrte Heinrich v. Langenstein zur Forderung gleicher Marktpreise im Tausche zurück. Zur Verwirklichung seines Ideals wollte er, wie auch Gerson, die staatliche Zwangsgewalt sich nutzbar machen. Die ausgehende Scholastik sucht den Gegensatz beider Richtungen aufzuheben, indem sie ihrerseits an die von Scotus vertretene subjektive Wertlehre anknüpfte, die als Durchgangsstufe bereits eine gewisse Synthese der Prinzipien der Gebundenheit und Frei- heit enthalten hatte. Zugleich sucht sie diese Synthese durch weiteren Ausbau zu vertiefen.
Verschieden waren im einzelnen die Momente, die den Ver- lauf dieser Entwicklung bestimmten. Neben Aristoteles, der irrtüm- licherweise in objektiv-subjektivem Sinne erklärt wurde, zeigt sich Augustinus als Vertreter des ausschließlich subjektiven Prinzips. Beide forderten eine Gleichsetzung zweier als normal gedachter Werte im Tausche. Ihnen gegenüber stand das römische Recht mit seinem unausgeglichenen Gegensatz zwischen dem älteren Postulat der Freiheit des wirtschaftlichen Verkehrs und der späteren Statuierung eines Normalpreises. Tieferes Studium des römischen Rechts stellte also die Scholastik vor dieselbe Aufgabe, wie empirische Beobachtung der Tatsachen und Bedürfnisse des eigenen Wirtschaftslebens, das mit wachsendem Verkehr eine individuellere Ausgestaltung- erfuhr und ein wachsendes Maß freierer Betätigung forderte. Das Produkt all dieser Faktoren mußte verschieden sein nach den einzelnen Persönlichkeiten, auf die sie einwirkten, und hier ein Überwiegen der strengeren, dort der freieren Richtung bedingen.
Von Bedeutung war insbesondere nach Folgendes: die Entwick- lung der Wertlehre vollzog sich nicht ohne inneren Zusammenhang mit dem durchgängig antikapitalistischen Geiste der Scholastik. So sehr im Beginn der Entwicklung des Standesideal nicht zuletzt den Wirtschaftszuständen selbst entnommen sein mochte, so zähe hielt die Scholastik auch dann noch daran fest, als das Erwerbs- streben eine derartige Grenze nicht mehr kannte. Teils, wie bei Thomas und Heinrich v. Langenstein, stellt die Wertlehre eine direkte Kristallisation dieser Idee dar, teils wirkt sie in manchen Spuren objektiver Werttheorie nach, teils tritt sie der Freiheit der Preisbildung einschränkend zur Seite. Nur bei Buridanus findet sich eine geringfügige Milderung der alten Strenge.
Mit den gezeichneten Strömunoen und Wandlungen der
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wirtschaftlichen Anschauungen war die Beurteilung des Handels innig verknüpft.
Wenn zunächst Thomas auch gegenüber der ablehnenden Haltung des Aristoteles die immerhin freiere Richtung des Augustinus zum Siege geführt hatte, so fehlte doch der Scholastik das volle Verständnis für das Gewinnstreben im Einzelfalle, wie es gerade beim Ein- und Verkauf des Händlers besonders deutlich in Erscheinung tritt. Hier wirkte Duns Scotus bahnbrechend; in bewußter Ablehnung der alten Theorien, die durch Konstruktion zweier nach Ort und Zeit verschiedener, aber normaler Preise für dieselbe Ware einen Handelsgewinn herausgerechnet hatten, kam er durch Durchführung des Gewinnprinzips im Tausche zu einer freimütigeren Beurteilung der kaufmännischen Tätigkeit überhaupt. Damit war die im allgemeinen wohlwollende Stellungnahme der späteren Scholastik gegeben, der gegenüber nur die Anhänger staatlicher Preisfixierung einen Rückschritt bedeuteten. In anderer Hinsicht jedoch kam die Scholastik nicht weiter; sie ließ nicht von ihrer antikapitalistischen Gesinnung, und forderte daher in Konsequenz ihres Ideals, daß jedweder volkswirtschaftlich nütz- lichen Arbeit ein standesgemäßes Einkommen gebühre, eine Be- schränkung des Gesamtgewinnes des Händlers auf eben dieses Maß. Mag dies immerhin noch für den Anfang des Mittelalters als verständlich erscheinen, so stand doch die Scholastik damit in dauernd schroffem Widerspruch mit den sie umgebenden realen Verhältnissen, ein Widerspruch, der um so größer und fühlbarer werden mußte, je mehr Handel und Handelsgeist sich ausbreiteten.
Vielfältig waren auch die Probleme, die hinsichtlich des Geld- wesens zu erörtern waren. Thomas hatte hier die aristotelische An- schauung vermittelt, daß die wesentlichen Erfordernisse des Geldes Materie, Gewicht und staatliche Prägung seien. In organischer Weiter- entwicklung dieser Ideen suchte Buridanus Geltung und Bedeutung der drei Faktoren gegeneinander abzuwägen, wobei er zu einer Begrenzung des staatlichen Einflusses auf den Geldwert gelangte. Perusinus berührte das Problem des Schlagschatzes. Die Erörte- rung des Geldhandels förderte die Theorie des Geldes weiter. Sie bedingte einmal, daß die aristotelische Anschauung, das Geld sei lediglich Tausch vermittler, in Schwierigkeiten geriet, die dazu führten, daß Laurentius das Geld auch als Gegenstand des Kaufes und Verkaufes anerkannte. Freilich wurde mit dieser Preisgabe des Aristoteles nicht auch zugleich der antikapitalistische Geist seiner Lehre aufgegeben. Weiter brachte es die Beobachtung der
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Kursgewinne, sei es im Handwechsel oder Remittierungsgeschäft, mit sich, daß man die Verschiedenheiten des Geldwertes nach Ort und Zeit erörterte. Seinen Höhepunkt erreichte dieses Streben in der Wechselkurslehre des Laurentius. Im übrigen gilt das bezüglich des Handels im allgemeinen Gesagte auch hier.
Sinn und Inhalt des Zinsverbotes sind, wie sich bei Behand- lung der thomistischen Wucherlehre ergab, ebenfalls mit dem Antikapitalismus der Scholastik gegeben. In dem Bedarf deckungs- prinzip ist die tiefste Quelle der Ablehnung des Darlehenszinses zu suchen. Denn der Zins war arbeitsloses Einkommen und wider- sprach damit, der im Standesideal liegenden Forderung, daß volks- wirtschaftlich nützliche Arbeit der Rechtstitel wirtschaftlicher Existenz sein müsse und der Abneigung gegen jegliche rein »ver- tragsmäßige« Bereicherung, die besonders schroff bei Heinrich v. Langenstein sich zeigte. Darleihen konnte weiterhin im allge- meinen nur, wer selbst den erwünschten Grad materiellen Wohl- standes bereits erreicht hatte; wie konnte es da gestattet sein, nur vermittels des Besitzes weiteren Besitz zu erwerben? Ein Darlehen endlich konnte und durfte nach mittelalterlicher Anschauung nur aufnehmen, wer sich in Not befand oder noch nach Erreichung standesgemäßen Einkommens strebte. Da mußte es als unsittlich erscheinen, dieses Ringen noch weiter zu erschweren, um so mehr als eine konsequente Anwendung der Gerechtigkeitsprinzipien auf das Darlehen mit unwiderleglicher Evidenz zeigte, daß der Zins ungerecht sei, und der mit dem Gelde erzielte höhere Ertrag lediglich der befruchtenden Arbeit des Schuldners entstammen könne. Der Darlehensverkehr sollte seine volkswirtschaftliche Funktion, durch Ausgleich von Überfluß und Mangel allen die Erreichung eines standesgemäßen Besitzes zu ermöglichen, so erfüllen, wie es seinem inneren Wesen entsprach. Freilich mußte die Scholastik mit diesem Ideal bei zunehmender kapitalistischer Entwicklung in steigenden Gegensatz zum Wirtschaftsleben geraten.
Im übrigen verhinderte überragender Einfluß von Tradition und kirchlicher Autorität eine freiere Entwicklung. Hierdurch war es bedingt, daß den Anhängern der Vertragsfreiheit nur die Aufgabe blieb, die Konsequenzen ihrer Anschauungen vom Dar- lehen fernzuhalten, daß es bei Mayronis mit der Ablehnung der üblichen Begründung sein Bewenden hatte, und daß der schüchterne Versuch, den Zins als Arbeitslohn organisch dem Wirtschaftsideal des Mittelalters einzufügen, in den ersten Anfängen stecken blieb. Im ganzen war die thomistische Form der Begründung herrschend;
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die spätere Scholastik beschränkte sich darauf, sie in Kleinigkeiten zu verbessern oder ihr andere Momente an die Seite zu stellen, wie die Idee des Zeitverkaufes oder die Innocenz IV. entlehnte Befürchtung sozial übler Folgen des Zinses, die von Laurentius jedoch als nicht ausreichend empfunden wurde.
Das Zinsverbot mußte um so durchgreifender die Gestaltung der scholastischen Wirtschaftslehre beeinflussen, als es die Pflicht in sich schloß, auch von anderen Verträgen Zinserscheinungen fernzuhalten. Freilich befleißigte sich die Scholastik möglichster Milde: mit dem weiteren Ausbau der Preislehre gelang es ihr, für den Kreditkauf eine Form der Beurteilung zu finden, die bei Aufrechterhaltung der alten Prinzipien, doch die wirklichen Ver- hältnisse wohl im allgemeinen anerkennen sollte. Im Wechsel übersah man die Zinserscheinungen, und selbst das Entgelt des Staates für dargeliehene Summen suchte man zu rechtfertigen. Doch ergab sich als Folge des Widerstreites zwischen Festhaltung des Traditionellen und Anerkennung des volkswirtschaftlich Nötigen und Zweckmäßigen, daß in dem Maße, in dem letztere materiell den Sieg davontrug, das Gesamtbild der scholastischen Wirtschafts- lehre gekünstelt, unnatürlich und lebensfremd werden mußte. Es fehlte der Scholastik eine innerlich gesunde Fortentwicklung, weil es ihr an der nötigen Beweglichkeit fehlte, Überkommenes aufzu- geben oder umzugestalten. Mit wenigen Ausnahmen beschränkte sie sich darauf, das Neue in die alten Formen einzukleiden, was sich oft nur gezwungen vollziehen ließ.
In der Theorie der Zinstitel ist die spätere Scholastik kaum über Thomas von Aquin hinausgekommen, wenn wir von der Aufnahme der bereits vor Thomas gebilligten Konventionalstrafe absehen. Von Wichtigkeit war immerhin die allmählich stärker werdende Betonung des Zinstitels des entgehenden Gewinnes, die, wenn sie auch keine Aufgabe des Zinsverbotes bedeutete, doch bedenkliche Folgen desselben verhindern konnte.
Zahlreicher waren die Probleme, die der Rentenkauf stellte. Heinrich von Gent erklärte nur den Census reservatius und den Zinskauf für erlaubt, wie vor ihm schon Innocenz IV. getan hatte. Aber schon Ricardus ging über ihn hinaus und billigte auch den Census constitutivus. Neue Schwierigkeiten brachte die Mobili- sierung der Rente und die Gestaltung des Preises in diesem Falle. Die Untersuchung des Wertverhältnisses zwischen Kaufpreis der Rente und der Rente selbst führte zu wichtigen werttheoretischen Erkenntnissen bezüglich des Einflusses der Zeit. Die Ablehnung
einer kapitalistischen Verwendung des Rentenkaufes war durch die notwendige Einordnung desselben in das allgemeine Wirt- schaftsideal der Scholastik erfordert.
Alles in allem stellen die volkswirtschaflichen Anschauungen der Scholastik in ihrer Entwicklung und in ihren Problemen eine wichtige Periode des ökonomischen Denkens dar. Die Verfolgung ihrer späteren Gestaltung und Weiterwirkung würde bereits in die Zeiten der Reformation und des Merkantilismus führen und damit den Rahmen vorliegender Arbeit überschreiten. — Mögen weitere Forschungen die bisherigen Arbeiten berichtigen und vertiefen und uns neue Erkenntnisse bringen.
Ä. Personenregister.
Abraham 148.
Accursius v. Bologna 136.
Aegidius Colonna 42, 108.
Aegidius Lessinus 161 — 171, 189, 191, 202, 205, 219, 225.
Albertus Magnus 16, 17, 30, 45, 46 — 52, 62, 66, 70, 71, 74, 76, 77, 83, 94—97, 102 — 105, 108, 110, 112 — 114, 146, 151, 171, 227.
Alexander Halensis 45, 62, 75 — 77, 82, 94, 97, 102, 103, 105, 106, in, 114, 126.
Alphonsus Thostatus 226.
Altmann 177, 178, 184, 188, 192.
Ambtosius 6, 8, 59, 90, 91, 94, 96, 97.
Antonin v. Florenz 217 — 223.
Aristoteles 3, 17, 22, 24—42, 45, 53, 55, 56, 58, 59, 66—78, 80, 82—84, 88, 92, 94, 97, 99, 100, 102, 105, 106, 108, 127, 146, 149, 151, 165, 173, 177, 181, 188, 189, 192, 213, 224, 228, 229.
Aschbach 196, 202.
Ashley 100, 126, 136.
Astesana, Summa Verf. 171, 172.
Augustinus 6, 9 — 14, 43, 72 — 78, 82 — 84, 87, 91, 97, 127, 132, 146, 150, 151, 176, 181, 202, 208, 218, 228, 229.
Avicenna 139.
Baldus de TJbaldis, Perusinus 192, 193, 229.
Bardenhewer 88.
Basilius 91, 97.
Bäumker 3.
Baumann 80, 94.
Bernhardin v. Siena 223 — 226.
Biederlack 63.
Böhm-Bawerk 57, 128, 163.
Bonaventura 125 — 131, 153, 156, 157.
Brants 45, 120, 175, 178, 184, 188, 191.
Brentano 6 — 9, 12 — 15, 66, 68, 81. Bruder 126, 194, 196, 205. Bücher 73. Buridanus s. u. Johannes B.
Cathrein 65.
Cato 90.
Chrysostomus 6 — 8, 75, 82, 92, 134, 136.
Cicero 32, 90, 206.
Decretum Gratiani s. u. Gratian.
Diehl 121.
Diocletian 15.
Durandus 172, 174 — 176.
Ehrenberg 214, 225.
Endemann 15, 88, 110, III, 116, 118, 126, 137, 196, 202, 204, 207, 211.
Endres 18.
Feugeray 18.
Franciscus de Emp. 216, 217.
Franciscus de Mayronis 172 — 174, 211, 230.
Funk 6, 7, 11, 89, 93, 94, 116, 118, 126,
137, 158, 159, 204, 205, 211, 217,
223.
Goffredo de Trano 103, 105, III, 137, 145.
Goldschmidt 212, 214.
Grabmann 16.
Gratian 7, 12, 92, 93.
Gregor v. Arim. 215.
Gregor v. Nazianz 6.
Gregor v. Nyssa 91, 97.
Gregorius (?) 102, 103, III.
Guido d. Belrig 215.
Heckel 126.
Heinrich v. Gent 125, 131 — 140, 143, 145,
151, 164, 188, 191, 227, 231. Heinrich v. Langenstein 195 — 203, 206,
227, 228, 230.
234 —
Heinrich v. Oyta 202 — 204.
Hejcl 88, 89.
Hertling 18, 74.
Hieronymus 56, 90, 95, 97.
Hilgenreiner 19, 21, 23, 80, 83, 84.
Hohoff 68, 100, 121.
Hostiensis 86, 94, 102, 105, III, 137, 145.
Hurter 126, 131, 140, 146, 161, 192, 204.
ligner 211, 217, 219, 222. Inama-Sternegg 194 — 196, 200. Innocenz IV (137), 211, 226, 231. Johannes Buridanus 177 — 191, 195, 198,
200, 227 — 229. Johannes Gerson 204 — 206, 228. Irenaeus 7.
Karl d. Gr. 93.
Kauila 14, 15, 66, 68, 177, 184, 188, 192,
196, 198. Keller 114.
Klemens v. Alexandrien 8. Klemens v. Rom 8. Kopp 6, 8. Kostanecki 83, 214. Kraus 58, 59, 66, 69 — 71. Kuhlmann 16, 17, 45. Kuhn 18, 58, 65.
Lactantius 7, 8, 90.
Lasson 41, 67.
Laurentius de Rodulfis 211 — 217, 222, 223,
225, 229 — 231. Leo d. Gr. 7. Lessei 93, 94, 99, 102 — 104, 106, 108,
110, in, 116 — 119, 130, 145. Loening 126. Lot 148.
Martin V. 204.
Marx 28, 47, 68, 121.
Maurenbrecher 17 — 19, 21 — 24, 26, 28,
29, 45, 84, 87. Mausbach 8, 9, 16. Mayronis s. u. Franciscus de M. Meitzel 192. Menger 128.
Neumann 194. Nicolaus III. 156.
Nider, Johannes 207 — 210, 213. Noe 148.
Occam 177.
Oertmann 14, 15, 31, 99, 102, 107, 114,
163. Onken 26.
Oresmius, Nie. 191, 192. Oyta s. u. Heinrich v. Oyta.
Paludanus s. u. Petrus P.
Paulus (Apostel) 6, 72, 87.
Paulus (Jurist) 14, 15.
Paulus, N. 20.
Perusinus s. u. Baldus.
Pesch 56, 63, 140.
Petrus Lombardus 56, 97, 140, 146.
Petrus de Palude 176, 177, 182.
Philipp d. Seh. 42.
Plato 3 — 6, 8, 12, 25, 29, 79, 172, 200.
Pöhlmann 3 — 5.
Pomponius 14.
Proudhon 121.
Pseudochrysostomus s. u. Chrysost.
Pythagoräer 37.
Quaest. vet. et. nov. Test. Verf. 12.
Ram sauer 41. Ratzinger 89, 91. 92. Raymundus v. Pennaf. 94, 102, 103. Ricardus de Mediavilla 140 — 146, 151 — 153, 156, 171, 183, 187, 225, 227, 231. Rodbertus 121. Röscher 191, 192, 196, 202. Rudolf IV. 196, 202.
Schaub 7, 18, 54, 56, 60, 63, 65, 80, 89,
92 — 94, in, 118. Schaube 212 — 214. Scherer 156.
Schilling 6 — H, 18, 89 — 92. Schneider 88, 89, 93. Schulte 192, 207, 211, 223. Scotus, Duns 125, 146 — 160, 164, 171,
172, 174, 207, 219, 220, 223, 228,
229. Seeberg 146. Seipel 6, 89. Sextus Pedius 15. Silberschmidt III.
235 —
Sombart 72, 81, 115, 194. Sommerlad 6, 89, 91. Speculum morale, Verf. 108. Stöckl 53, 172, 204. Strieder 81, 194. Susemihl 26, 92.
Tertullian 7, 90.
Theodoret v. Cyrus 6.
Thomas v. Aquin 1, 3, 16 — 25, 28 — 46, 48, 49, 52 — 66, 69 — 75, 78 — 88, 91, 94—121, 124, 127 — 131, 134, 140, 144 — 146, 151 — 157, 161, 168, 171, 172, 174, 180, 187, 188, 190, 200, 202, 203, 207, 220, 222, 226 — 231.
Thomas v. Straßburg 172.
Trendelenburg 36, 37, 40.
Tröltsch 6, 8, 73.
Uberweg-Heinze 126, 140, 146. Ulpian 107.
Tincentius Bellovacensis 86, 94, 102, 103.
Walter 18, 56, 63, 65, 80, 94.
Walter Burlaeus 172.
Weinand 9.
Wetzel 40.
Wilhelm v. Auxerre 94, 102, 130.
Wilhelm v. Mörbecke 17.
Wolowski 192.
de Wulf 74.
Wuttke 88.
Zeiller 24, 87.
Zeller 3, 40.
Zmavc 27, 42, 56, 66, 68, 71.
B. Sachregister.
Actio 35 — 40, 46. Arbeitskraft, Vermietung 83, 85, 224.
Activ- und Passivhandel 23. Arbeitsloser Erwerb 197, 206, 225, 230.
Advocaten 84, 86, 173, 224. Arbeits-(Berufs-)teilung 4, 19 — 22, 24, 25, Affectionspreis 15, 58, 59, 62, 63, 73, 119, 28, 45, 46, 48, 50, 52, 63, 71, 84,
152, 153, 203, 219, 220. 87, 110, 115, 179.
Almosen 8, 19, 59, 175, 178, 197, 220. Arbeitsvertrag 34, 83—85.
Altes Testament 86 — 90, 95, 96, 129, 156, Arm, Armut — u. Arbeit 83.
173, 197. — u. Darlehen 88, 91, 168, 174, 190.
Angebot und Nachfrage 57, 58, 69, 70, — u. Geldstückelung 189.
132, 135, 141, 162, 163, 180, 182, — , Ordensideal 127, 128, 156.
192, 199, 208, 209, 213, 218, 219, — u. Reichtum 6, 8, 18, 197, 198.
222 — 224. — u. Renten 201, 202.
Arbeit, angestrengter ohne Darlehen 200. — u. Schätzung d. Güter 141, 181, 182, — , Anrecht auf Unterhalt (Lohn) 6, 11, 183—185.
12, 52, 53, 72, 83, 86, 87, 115, 121, — , Unterstützung 8, 19, 80, 174, 190.
187, 229. Aussteuerversicherung 225. — , ausführende u. leitende 85. — u. Freude 179.
Barrenmetall 188.
— geringer bewertet als Lohn 183. Bedarfsdeckungsprinzip 72, 81, 115, 171,
— gesellschaftlicher Character 53. V*, *94> »97. 202, 2i°-
— , körperl. u. geist. 12, 82, 84, 121, Bedürfnis (Schätzung, Bewertung) 10, 13,
128, 135, 184. J4- 37. 43—46, 49—64, 66—71, 73.
— u. Kosten (Arbeitswert) 5, 13, 14, 74, 99, ™7, ^S, 132, 141, 142, 150, 36, 39-47, 49—53, 58, 63-65, I5L x53, 154, 161-163, 165, 169, 68—72, 78, 83, 87, 110, in, 115, J73, 176, 180—188, 193, 198. 199, 128, 151, 172, 199, 200, 227, 228. 2°2> 2°3, 208, 218, 220, 224, 227,
— , qualitativ verschieden 41, 46, 47, 52 22°-
(vgl. Arbeitsteilung). Beginnen 139.
u Rente 201 203. Besitz, sicherer höheren Wert a. unsicherer
— , als Ware 83, 84. 58, "7-
— , Wert 41, 68, 83—85, 87, 88, 201, Betrug im Handel 5, 7, 9, 14, 47, 61, 62,
2IO, 224. 64. 82, 91, 129, 133, 150, 164.
-, Wertschätzung 6, 20, 127, 128. ^.^ 222 -, wechselseitige füreinander 46, 52, 71, Commenda „x<
II0, Consumtion d. Geldes i. Tausche 100, 102,
— , Zweck 8, 20, 72, 86, 114. ^
Arbeiter 83—87, 189, 223, 224. Contractu bursalis 143, 144 (cf. 138). Arbeitgeber 84, 85, 223.
Arbeitsertrag, Recht a. d. vollen 121, 145 Darlehen, Wesen 98, 99, 102 — 106, 108
(vgl. Zins). —112, 118, 119, 126, 135, 136, 137
— 237 —
— J39. H3. x44> H9. !56- l65. l67<
169, 170, 189, 190, 200, 208. 212, 215.
— , Wertveränder. desselben 56, 1 66, 212,
213-
Eigentumsrecht im allgem. 169, 202.
— , im Darlehen 94, 103 — 105, 109, 110,
129, 144, 156, 157, 168, 189, 190. — , im Gesellschaftsvertrage 110, 111, 168. — , im Pachtvertrag 84. 85, 103, 104,
m, 129, 148, 149, 156. — , im Tausch 34, 46, 62. 148, 149 164. — , am Zins 136, 137, 167, 177, 204. — , i. Rentenk. 126. Ehe, Enthaltung 178. Elvira 7.
Erwerbsarten n. Arist. 26 — 29, 92, 224. Erwerb a. geist. Arb. 84, 87. Existenzminimum II, 13, 14, 19,83,86, 154.
Facere s. u. actio. Fructus civiles 114.
Geistliche u. Handel 7, 12, 77, 79, 82.
— u. Unterhalt 86.
— u. Zins 89. Geld, Begriff 6o, 99.
— , Entstehung 26, 42, 189.
— , Wert 44, 51, 83, 133, 134, 153, 154, 171, 172, 177, 188, 189, 192, 193, 210, 226, 229, 230.
— , Wesen u. Funktionen i. w. S. 5, 26—31, 36, 37, 42—45, 51, 52, 55, 67, 68, 88, 92, 99 — m, 114, 116, 119, 125, 126, 129, 130, 133, 134,
136—139. 142— H5. 149, 153, 154. I56—I59, 165—170, 173, 175, 183, 184, 189 — 193, 197, 201, 203, 204, 206, 208, 210, 211, 213, 215, 217, 221 — 226, 229.
— , s. u. Kauf, Staat, Unfruchtbarkeit.
Geldentwertung 166.
Geldvorrat i. früh. Mittelalt. 92, 93.
Geldwechselgeschäft 29 — 31, 83, 134, 149, 164, 165, 171, 172, 177, 187, 189, 190, 192, 208, 211, 222, 224, 226, 229, 230.
Gerechter Preis, Albert. 47, 62, 66, JJ , 227.
— , Anton. 218 — 222.
— , Aug. 9—12, 73, 150.
Gerechter Preis, Bernh. 223, 224.
Bonav. 128, 13 1.
Burid. 184—186.
Gerson 205.
Halens. 62, 76.
Heinr. v. G. 132, 133, 135, 151, 164.
Heinr. v. Lang. 198, 200.
Kirchenv. 3, 6, 9, 13, 91.
Nider 207 — 210.
Plato 3, 5, 12.
Ricard. 141, 142, 151, 152, 183, 184.
Rom. Recht 14, 15, 64, 133, 198.
Scholastik 128, 141, 161, 170, 188,
191, 207, 227.
Scot. 146, 147, 150 — 155, 159, 160,
207, 219, 220.
Thom. 1, 3, 16, 25, 43, 61 — 66, 73,
75, 78, 79, 83, 84, 87, 88, 98, 106,
112, 115, 119- — 121, 227. — , Thost. 226. — , s. u. Wert. Gerechtigkeit 3, 7, 9, 11, 31 — 41, 43, 46,
47, 49—52, 61—67, 7°. 73, 75» 77.
78, 84 — 86, 97—99, 105 — 109, 114,
115, 127, 133, 134, 147, 150—153,
157, 163, 164, 171, 173, 176, 185
— 190, 209, 219, 230. Gesellschaft (Gemeinschaft) 4 — 6, 11, 18
— 22, 24—26, 32, 33, 45, 46, 49—52, 59, 60, 63-65, 72. 76—78, 82—84, 86, 87, 110, 114, 115, 128. 129, 140, 147, 176, 179, 182, 186, 1^7, 197, 210 218.
Gesellschaftsunternehmen 110, m, 121,
130, 145, 168, 190. Gewinn (Gewinnstreben) 4, 5> 7 ■> 9> XI
— 15, 19, 23, 27. 28, 31, 53, 55, 59, 72, 75 — 82, 92, 101, 109 — in, 116, 117, 121, 129— 131, 133— 139, 141
— 145, 149, 151 — 153. 155, 157, 159. 160, 164, 165, 168 — 173, 175 — 179, 183, 186, 187, 189— 191, 194, 195, 197, 198, 203, 205, 210 — 216, 220 — 222, 224, 226, 227, 229.
Gewinnprinzip im Tausche 121, 128, 130,
133. 139, H1» I42, 145, I51 — 153» 160, 163 — 165, 169 — 171, 183, 186, 189, 191, 204, 219, 227, 229. Gleichheit 6, 8, 11 — 13, 19, 180, 197.
- 238 -
Gold (u. Silber) 42, 57, 61, 70, 91, 100,
127, 128, 150, 192, 218. Grenznutzentheorie 70. Güter, Bed. u. Zweck io, 18, 43, 49,
53— 56- 59- 69, 73, 140, 161, 179- Gütermenge u. Wert s. u. Angebot.
Handel i. Mittelalt. 25, 81, 125, 126, 194,
195. 229- — , Bedeut. u. Wesen 4 — 6, 10 — 13, 21 —25, 27—31, 75, 76, 78, 79, 82, 129, 141, 149, 154, 155. — , Beurteil, u. Ford., Alb. 30, 76, 77, 83. — , Ant. 221, 222. — , Arist. 27 — 30, 75 — 77, 80, 82, 83,
229. — , Astes. 171. — , Bernh. 224. — , Bon. 128 — 131. — , Bur. 187. — , Dur. 175.
— , Heinr. v. G. 134, 135, 139. — , Kirchenv. 3, 6 — 9, 12 — 14, 82, 129
[i. bes. Aug. 6, 9—14, 72. 75— 78>
82, 83, 229. — , Op. imp. 7, 75, 82, 134, 135]. — , Hai. 62, 75 — 77, 82. — , Lessin. 168. — , Nider 208 — 210. — , Mayr. 172. — , Plato 3 — 5, 29. — , Ricard. 141, 142. — , Scot. 149, 154, 155, 160. 229. — , Thomas 22, 23, 25, 75, 78 — 83,
155. 229-
— , — , Thom. v. Str. 172.
Handeln (Feilschen) 5, 133. 135, 152, 205.
Handelsgewinn a. Arbeitslohn (5), 11 — 14, 72, 75, 76, 78, 79, 82, 134, 154, 155, 164, 209 — 212, 224, 226.
— u. Zins 76.
Handwerk 5, 25. 41, 46, 47, 50, 52, 72, 79, 81, 101, 110, 115, 199.
Juden 95, 115, 136, 200. ius percipiendi 139, 143. iustitia distributiva 33, 34, 36 (s. u. Ge- rechtigkeit).
Kanonisches Recht 7, 12, 77, 90 — 94, 96, 118, 156, 168, 205.
Kapitalismus (4), (5), (8), 12, 28—30, 72,
81, 115, 119, 120, 126, 135, 170, 171. 189, 194, 197, 198, 200, 201, 209, 213, 223, 225, 228 — 232.
Kaufmann, sittlich gefährdet 7, 12, 23, 76,
82, 129, 135, 155, 192. Kauf u. Verkauf s. u. Tausch.
— d. Geldes 208, 213, 229. Kleinhandel 4, 5. Konkurrenz 120, 207, 209. Konzil, Konstanz 204. Kreditverkehr, wirtsch. Bedeut. 30, 102,
109, 112— 115, 130, 156, 174, 175,
230. Kreditkauf 17, 118, 119, 136, 149, 158
— 160, 167, 168, 170, 190, 201, 206,
221, 222, 231. Kurs Verschiedenheit 83, 134, 171, 212, 213,
226, 230.
Lohn, gerechter 83 — 88, 223. Lohnzahlung, sofortige 86, 87.
— in Geld od. Natural. 189, 223. Luxusbedürfnisse u. Wert 181, 186, 188.
Marktpreis (normaler Wert) 9, 13 — 15, 51, 60—63, 73, 74, 77, 78, 119, 120,
I31- !32. 135. H1« H2> 145. r52> 153, 162 — 164, 168, 171, 172, 182 — 184, 186, 187, 198, 202, 203, 207, 208 — 210, 218 — 220, 223, 224, 226,
227, 229. Maximal tarif 15. Messen, Arten 181, 182.
Naturrecht 18, 65, 66, 71, 76, 86, 105, 107, 108, 121, 127, 132, 133, 136, 140, 141, 144, 147, 148, 150, 166, 167, 173, 174, 179.
Neues Testament 6, II, 17, 59, 89, 90,
95—97. i29> 135. M5. J56- Not (Begriff) 19, 54, 112 — 114, 130, 145;
vgl. Privateigent. Notkredit 114. Op. 67 17, 60, 119, 222. Op. imperf. 7, 75, 82, 91 — 93, 102, 103.
Pachtvertrag 84, 85, 91, 92, 94, 103, 104, 106, in, 129, 136, 137, 149, 154,
156, 157, 173- pati s. u. actio.
— 239 —
Prägekosten 193, 229. Preis s. u. Wert; in Kreditvert. s. d. Preisbildung i. Mittelalt. 73, 195. Preis, nur einer z. nennen 5, 8. Preisstufen 219 — 222, 224. Preisunterbietung d. Advocat. 86. Privateigentum 8, 18, 21, 127, 131, 140,
146— 148, 160, 172, 179, 180, 208, 223. Produktivdarlehen 91, 113, 114. Profit, durchschn. 221, 222; s. u. Gewinn. Proportion (geom. u. arithm.) 34, 35, 37
— 41, 46, 48, 49, 51, 52, 67, 192.
Reichtum (künstl. u. natürl.) 26 — 28, 55,(1 89). remutuatio 97.
RentengesetzgebungRud.IV. 196, 197, 202. Rentenverträge 125, 126, 137 — 139, 142
— 146, 168 — 172, 177, 190, 194 — 196,
201 — 206, 214, 225, 231, 232. Restitution 61, 64, 91, 110, 116 — 118,
146, 157. 167, 177,. 205, 213, 220. Restitutionsfähigkeit 136; 200. Roh- u. Reinzins 103. Römisches Recht, Bestimm, üb. Kauf u.
Verkauf 14, 15, 64, 133, 164, 191,
198, 205, 209, 218. — , üb. Darleh. u. Zins 93, 94, 97, 104,
107, 108, 114, 136. — , üb. Geld 99, 102, 108. — , Gesellschaftsvertr. 110. — , Lohnvertr. 85, 87. — , Studium d. r. R. 93, 94, 191. — , Wert d. Zeit 163. — , Wert u. Preis 31.
Selbstgenügsamkeit 20 — 24, 28, 29. Seedarlehen 168, 214. Sklave 10, 87. Sozialismus 121, 145, 146. Staat i. allg. 3, 4, 24, 26, 76, 148, 174, 178, 179, 199.
— u. Geldwesen 42, 44, 51, 134, 188, 189, 193, 229.
— u. Preisfixierung 5, 15, 47, 187, 194, 195, 198 — 200, 205, 206, 224, 228, 229.
— u. Rente 194. 201, 205, 206, 214.
— u. Zins 89, 91, 108, 114, 173, 175, 176, 190. 215, 216.
Staatsanleihen 206. 207, 214 — 217, 223, 225, 226, 231.
Stadtbewohner 178.
Stadtgemeinde 21 — 25, 28, 30, 41, 49, 52,
62, 71—73, J54. 195- 2o6- Standesprinzip 8. II, 13, 18, 19, 53 — 55, 59, 71, 72, 81 — 83, 86, 87, 112, 113 — 115, 117, 120, 121, 131, 145, 147, 154, 155, 171, 175, 178, 179,
x94- x95> l97 — *99> 2°3> 2°5> 2°6, 210, 222, 223, 228 — 230. Standesunterschiede 8.
Tausch 3, 4, 9, 21 — 53, 55, 60 — 68, 70, 73- 74- 77- 83, 84, 98, 100, 102, 103, 105, 106, 109, 110 — 112, 115, 120, 127, 128, 130 — 140, 142 — 145, H7— 157. 159. l6°- 163 — 165, 167 — 171, 173, 176, 178, 180, 181, 183 — 187, 189, 190, 195, 198, 203, 204, 206, 208, 212, 217 — 219. 227 — 229.
Teuerung 77, 79, 174, 175, 198, 199, 222.
Tradition u. Wucherl. 98, 173, 211, 230, 231.
Übervölkerung 178.
Übervorteilung 9, 14, 15, 64, 73, 79, 132,
133. 198. Unfruchtbarkeit d. Geldes (Geld a. Tausch- vermittl.) 28, 91, 92, 94, 100 — 102, 106, 108, 114. 130, 133, 136, 142,
149, 153, 157, 165, 169, 173, 189, 192, 201, 213, 229.
yalor, Begriff b. Albert 50, 51.
Versicherung 206. 207, 214, 223, 225.
Vertragsfreiheit 14, 15, 133, 152, 153, 161, 163 — 165, 167, 169 — 171. 176, 185 — 188, 190, 191, 194, 195, 198, 205 — 207, 217, 218, 224, 227,228, 230.
Wechsel 206, 207, 211 — 213, 222, 224,
226, 230. Wert, Alb. 48, 50 — 52, 62. 71, 74, 75,
151, 227. — , Ant. 217 — 222. — , Arist. 32, 41, 56, 66 — 74, 228. — , Aug. 9, 10, 14, 43, 72— 74, 132,
150, 151, 176, 181, 202, 208 228. — , Bernh. 223, 224.
— , Bon. 127, 128, 130. 131.
— , Burid. 177, 180 — 189, 191, 198, 227.
— 240 —
"Wert, Gerson 205, 206, 228.
— , Hai. 45. 62.
— . Heinr. v. G. 131 — 137, 139. 151,
164, 227. — , Heinr. v. L. 198 — 202, 206, 227, 228. — , Heinr. v. Oyta 202 — 204. — . Kirchenvät. 3. 12—14 72. — . Laurent 211, 217. — . Lessin. 161 — 168, 170. 189. 191. 205,
219. — , Mayron. 172, 173. — , Xider 207 — 210. — , Palud. 176, 177, 182.
Plato
144—146, 151.
— , Ricard. 140 — 142 183. 184, 187. 227.
— Rom. Recht 14 15, 31. 163, 228.
— , Scotus 147, 150 — 155. 160, 207. 228.
— , Schobst 15, 45, 123, 125, 131, 146, 171, 188, 191, 192. 195 196, 200, 203, 207, 217, 227 — 229.
— , Sozialis. 121.
— , Thom. v. A. 16, 31 32 36. 39. 42 —44. 52. 53, 55— 66, 70— 75, 78, -9, 83 — 85, 87, 105, 108, 109, III. 115, 117, 120. 121, 123, 151. 155, 187, 200. 202, 203. 227 228.
— , Th. v. Str. 172.
"Wertgleichheit (Äquivalenzprinzip) 31, 33 —40, 43, 46, 47—49. 5°— 53- 6l —63, 67. 68, 73, 85, 88, 98, 99
IO5 — 107, IO9, II9 — 121, 127, 128
131 — 135. 139, I4I — I45, 147, 148
150 — 153, 156, 163, 165, 166, 172
173. 176, 177, 183, 185, 187, 188
I90, 198. 203, 204. 206, 2IO. 212 213. 220, 228.
"Wert u. Preis 31, 187, 188 227. 231.
"Wiedervergeltung (contrapassum) 36 — 50, 52 63—65, 67, 68, 71, 72, 78, 83, 85, 110, m, 115, 172, 200, 227, 228.
Willensübereinstimmung u. Zins 114.
Wirtschaftsleben d. Mittelalters 22, 24, 25, 28, 71—73- 75- 8i, 87, 92, 93, 98,
I02, IO4, II3 — II5, 119 121, 125,
126. 130, 135, 139, 155, 160, 168, 171, 174. 176, 178, 184, 191. 193
197, 200, 206, 207, 212 — 2l6, 220
223, 228 23I.
Zeitaufwand u. Wert 70. Zeit, Wertschätzung derselben, 144 — 146, 163, 167, 170, 205, 225, 227, 231. Zins als Arbeitslohn 174, 175, 230. — , Begriff 90, 94, 95, 107, 129, 165,
189, 190.
— , von Fremden 88, 89, 95, 96.
Zinskauf 125. (137), 139, 231.
Zinsverbot, Begründung: Abnutzungs- theorie 92, 103. 130.
— , Aneignung fremder Arbeit 108 — III, 115, 121, 130, 145, 157, 165, 166, 173, 222. 230.
— , arbeitsl. Eink. 115. 165, 206, 230.
— , doppelter Verkauf 106 — 108, 136,144, 145, 156, 190, 226, 230.
— , erwähnt 174. 177, 200, 211,222,224.
— . juristische Unmöglichkeit 103 — 105,
129, 130, 156, 157. 168.
— , moralisierend. Betracht. 91, 93, 108,
130, 200, 211, 224.
— , Risikotheorie 109 — III, 130.
— , soziale Erwägungen 90, 91, 93, 190,
193. 211, 231. — , Widerspruch gegen Natur d. Geldes 106,
vgl. Unfruchtbark. u. Kons. d. Geldes. — . Unterstützungspflicht d. Reichen 174,
190. — , Zeitverkauf 94, (103), (104), 108,
(118), 130, 157—159- 166, 16;. 173,
190, 217, 221, 231.
— , Umgehung 89, 116, 145, 158, 194,
200, 201, 204, 225. — , Wirt seh. Bd. s. u. Kreditverk. Zinstitel 89, 116 — 118, 145, 158, 159,
167, 172, 190, 200, 208, 215 — 217,
223, 225, 226, 231. Zinszahlung 112, 113, 130. 145, 177. Zwischenhandel 15.
Ä. Verzeichnis der benutzten Quellenliteratur.
i. Die Kirchenväter sind nach der Ausgabe von Migne zitiert.
2. Plato, Dialogi ex rec. Hermanni. Lipsiae 185 1 — 53.
3. Corpus iuris Civilis ed. Krueger, Mommsen. I8 1899, II7 1900, III2 1899.
4. Corpus iuris canonici ed. Friedberg. 1879 — 81.
5. Aristotelis, Ethica Nicomachea ed. Ramsauer. Leipzig 1878.
Übersetzung von Lasson. Berlin 1909. — Politik: ed. Susemihl. Leipzig 1874. Übersetzung und Kommentar dazu von Susemihl 1879. — Rhetorik: ed. Roemer, Leipzig 1899. Übersetzung von Knoebel, Stuttgart 1838.
6. Innocenz IV, Apparatus mirificus super 5 Ib. Decretalium. Lugduni 15 14.
7. Raymundus de Pennaforte, Summa casuum. Veron. 1744.
8. Goffredus de Trano, Summa in titulos decretalium. Venet. 1586.
9. Heniicus a Segusio, Hostiensis, Aurea Summa. Venet. 1605.
10. Guillermi Antissiodorensis, Summa in 4 Ib. Sententiarum. Paris. 1500.
11. Vincentius Bellovacensis, Speculum doctrinale. Duaci 1624. [ — ], Speculum morale. Duaci 1624.
12. Alexander Halensis, Summa theologica. 4 voll. Lugduni 15 15 — 16.
13. Albertus Magnus, Opera ed. Jammy. Lyon 1651.
14. Thomas v. Aquino, Opera omnia. Parmae 1852 — 73. — , Summa theologica. Augustae Taurin. 1913.
— , Opuscula. Venet. 1508.
15. Aegidius Colonna, De regimine principum. Romae 1607.
16. Bonaventura, Opera omnia. Ad Claras Aquas (Quaracchi) 1882 — 98.
17. Henricus Goethals a Gandavo, Summa quaestionum ordinariarum. Paris 1520. — , Aurea Quodlibeta. Venet. 16 13.
18. Ricardus de Mediavilla, In 4 Ib. Sententiarum. Quodlibeta. Brixiae 1591.
19. Duns Scotus, Opera omnia. Paris 1891.
20. Aegidius Lessinus, siehe Thomas v. Aquin Op. 73.
21. Astesanus, Summa de casibus conscientiae. s. 1. e. a.
22. Walter Burlaeus, Expositio super 10 Ib. Etbicorum Aristotelis. Venet. 1500.
23. Durandus a S. Porciano, Comment. in IV Ib. Sentent. Paris 1508.
24. Franciscus de Mayronis, Scriptum super 4 Ib. Sententiarum. Venet. 1504—07.
25. Thomas de Argentina, In 4 Ib. Sententiarum. Argent. 1490.
26. Petrus de Palude, Scriptum super III Sent. Paris 15 17. — , Scriptum super IV Sent. Venet. 1493.
27. Buridanus, Quaestiones super X Ib. Ethicorum Aristotelis. Paris 1489. — , Quaestiones in VIII Ib. Politicorum. Paris 1500.
— , Quaestiones in Aristotelis Methaphysicen. Paris 1 5 1 7. Beiträge zur Geschichte der Nationalökonomie. Heft 1. 1(>
Schreiber, Die volkswirtsch. Anschauungen d. Scholastik.
— 242 —
28. Oresmius, De origine, natura et mutationibus monetarum. Herausgeg. von Wolowski: Traictie de la premiere invention des monnoies de Nicole Oresme. Texte francais et latin. Paris 1864.
29. Baldus Perusinus, Super decretalibus. Lugduni 1547.
30. Henricus de Hassia, Tractatus bipartitus de contractibus emtionis et venditionis (ge- druckt bei Gerson, Opera omnia tom. IV, 185 — 224. Coloniae 1483).
31. Henricus de Oyta, De contractibus (bei Gerson, Op. ora. t. IV. Colon. 1483).
32. Johannes Gerson, Opera omnia. Hagae Comitum 1728.
33. Johannes Nider, De contractibus mercatorum. s. 1. e. a.
34. Laurentius de Rudolfis, De Usuris. in: Tractatus illustrium iurisconsultorum Tom. VII. Venet. 1584.
35. Antonin v. Florenz, Summa confessionalis. Lugduni 1546. — , Summa moralis. Basil. 151 1.
36. Bernhardin v. Siena, Sermones. s. 1. e. a.
37. Alphonsus Tostatus, Opera omnia. Coloniae Agrippinae 16 13.
B. Verzeichnis der sonst benutzten Literatur.
Alt mann, Studien zur Lehre vom Geldwert. (Diss.) Berlin 1906.
Aschbach, Geschichte der Wiener Universität I. Wien 1865.
Ashley, Englische Wirtschaftsgeschichte (übersetzt von Robert Oppenheim). 2 Bde.
Leipzig 1896. Baumann, Die Staatslehre des hl. Thomas v. Aquin. Leipzig 1873. Biederlack, Zur Gesellschafts- und Wirtschaftslehre des hl. Thomas. Zeitschr. f. kath.
Theologie XX (1876). — , Die soziale Frage. 3. Innsbruck 1898. Böhm-Bawerk, Grundzüge der Theorie des wirtschaftlichen Güterwerts. Jahrb. f. Nat.
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Abkürzungen: KL = Wetzers und Weites Kirchenlexikon 3. RE = Realencyklopädie für protestant. Theologie 3. H. W. St. = Handwörterbuch d. Staatswissenschaften 3. W. d. V. = Wörterbuch der Volkswirtschaft 3. St. d. G. = Staatslexikon der Görresgesellschaft 3~4.
Druckfehler und Berichtigungen.
S. 53, Anm. 3: Stöckl statt Stökl.
S. 108, Anm. 3: staatliche statt stattliche.
Zu S. 137, Anm. 1: Dieselbe Beurteilung des Rentenkaufes wie bei H. v. G. findet sich bereits bei Innocenz IV (Papst 1243 — 1254). Auch letzterer steht dem eigenüichen Rentenkauf (redditus de novo constitutus) nicht wohlwollend gegenüber. Dagegen sind Erbleihe und Zinskauf gestattet. Die Höhe der Rente darf den Ertrag nicht überschreiten, den der Käufer erzielen würde, »si terram de tanta pecunia emisset«. (Appar. mirif. 1. V. De usuris. S. 194, b). Das Verdienst Heinrichs ist also wesentlich geringer als bisher angenommen wurde.
S. 152, Zeile 29: Handelns statt Handels.
S. 177: § 4 statt § 3.
S. 191: § 5 statt § 4.
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