3Hct)crö ^laJtifctgQIuggaben

©oet^cö QGßcrfc

©oet^cö QBcrIc

CUntcr QUittDirfung meisteret ^ad^QzU^xin I&erau8gcgc6cn öon

gSrof. Dr. ^arl §cinetnann

j^ntifc^ (urd^aet^^ene unb erläutette Qludga6e

Qcf)ntcr Q3ant)

^Bearbeitet öon Dr. ^art^ OKa^nc

v^

l'^ooaä.

^0. ^. 93

Q3ibIio(irap5ijcf)e«3nftitut ßcipaigunöQGÖien

Coo

Olli« Qic4te bom Verleget 6ot6e^alt«n

mUjtlm mdittt§ ficrjrjafjre.

(©^tuB.)

^icBcnfcs ^ucß.

S)cr 3früt)Iing toar in feinet ööttigcn ^crrlt(^!eit erfd^ienen; ein frü^.^ritigcä öJetoitter, ba§ ben ganzen Xaa, gebro^et tjatte,

6 ging ftürmijc^ an ben Sergen nieber, ber 9iegen ,^og nac^ bem ßanbe, bie 8onne trat loicber in i^rem ©lanje ^erüor, unb auf bem grauen ©runbe erici)icn ber '^errli(^e Sogen, äöit^elm ritt i\)m entgegen unb \af) i^n mit 23et)mut an. ,Md)\" fagte er p fid^ felbft, „erfc^eincn un§ bcnn eben bie jc^ön[ten ^ai^^en be§

10 2ebenö nur auf bunttem ®runbe? Unb müfjcn 2;roptfn [allen, toenn mir entjücft merben foüen? Gin f)citercr Jag ift mie ein grauer, toenn tt)ir it)n ungerührt anfeilen, unb toa^ tann un^ rühren, al§ bie ftille Hoffnung, ba& bie angcBomc Steigung unjcr§ l'erjcnä nic^t ol)ne (Segcnftanb bleiben inerbe? Uns

15 rü^rt bie ^r^ätilung jeber guten Xat, unä rütjrt baä ?lnic^auen

jebeH f)annoni|cf)en ®cgenftanbc§; roir fügten babei, ba§ mir

nic^t ganj in ber ^i^embc finb, mir toät)nen einer ^cimat nüt)er

ju jein, nac^ ber unjer SBefteä, Snncrftcä ungebulbig "^inftrebt."

Snjmiic^en fjattc i^n ein 5"B9änger eingeholt, ber fid^ ju

20 i^m gejcHtp, mit [tarfem Sd^ritte neben bem ''4?fcrbe blieb unb

nac!) einigen gleichgültigen 9tcben ju bem Steuer jagte: „9Benn

iä) mic^ nid)t irre, jo mu§ i^Sie irgenbroo fc^on gefcl)en l^aben."

,^ä) erinnere mic^ 3^rer aud^", öcrfe^te SBil^elm; „l)aben

ioir nid^t jujammen eine luftige SBafferfa^rt gemod^t?" „&ans

25 xeäjV." ermiberte ber anbere.

«oet^ .X. 1

SBil^elm SWdfler« Stf)x\a^xt.

fBi^dmUhaäjtdt iljii genauer unb jagte nad^ einigem ©titt»

ti^i" od) toei^ nid)t, toaä für eineSJeränberung mitS^nen

,.iyv.j-.i9cn fein mag; bamatä t)ielt icf) ©ie für einen lu«

tl^erifd^en ßanbgciftlidf)en, unb jc^t fetjen ©ic mir et)er einem

Iat()onjd)cn äf)nü(^." 6

„^eute betrügen ©ie fi(^ tocnigftcn§ nic^t", fagte bcr anbere, inbcm er ben ^ut abnat)m unb bie Stonfur feigen liefe. „SGBo ift benn 3t)re ®cfcHicE)aft f)ingefommen? ©inb ©ie nod) lange bei i!^r gebUeben'?"

„Sänger aU billtg; benn leiber toenn ic^ an jene 3eit jurüdf^^ lo beute, bie ic^ mit it)r jugebraclit l)abe, fo glaube iti) in ein um enbüd)c§8eere ju fc'^en; ift mir nid)tä baöon übrig geblieben."

„S)arin irren ©ie fic^ ; aüe§ , n)a§ un§ begegnet, läfet ©pu= ren jurücf, atlcä trägt unmerfüd^ ju unfcrer SSitbüng bei; hoä) ift gefätirlid), fid) baüon 9te(^cnid)aft geben ju motten. 2öir i6 merben babci enttocber ftol^ unb läffig ober nicbergefd)tagen unb !leinmütig, unb ein§ ift für bie fjolge fo l)inbcrtid^ al§ baä anbere. S)aä ©id)crfte bleibt immer, nur ba§ ^Jiäd)fte ju tun, ma§ üor ung liegt, unb hü§t ift je^t", ful)r er mit einem Säd^etn fort, „ba^ mir eilen, in§ Ouartier ^u fommcn." 20

2Bill)elm fragte, toic toeit noc^ ber 2Beg naäj Sot^orioä ®ut fei? ber anbere berfc^te, bafe l^inter bem Serge liege. „5Bietteic^t treffe id) ©ie bort an", fu^r er fort, „id) t)abe nur in ber ^lac^barfdiaft noc^ etroa§ ju beforgen. ßeben ©ie fo lange mol)l!" Unb mit bicfen SBortcn ging er einen fteilen 5|3fab, ber 25 fd)neller über ben 23erg t)inüber3ufü()rcn fd)ien.

„3aroot)l l^at er rcc^t!" fagte 2Öill)elm öor fid), inbem er weiter ritt: „^Inbaä Släd)fte fott man beulen, unb für mid) ift n)ot)l je^t nid)tg 5Jä^ere§, alä ber traurige Sluftrag, ben id^ au§= richten fott. 2a^ fel)en, ob id) bie Sfcbe nod^ gan^ im @ebäd)t= 30 nis t)abe, bie ben graufamen g'i^eunb befc^ämen fottl"

©r fing barauf an, fid^ biefeäßunftwerf üoräufagen; fel^ltc i'^m audj nicf)t eine ©ilbe, unb je mel)r it)m fein @ebädC)tni§ ju ftatten fam, befto mc^^r lüud£)ä feine £eibenfd)aft unb fein 3Jlut.

SrurctimS 2ciben unb Job toaten lebhaft box feiner ©cele gegcn> toäitig.

„®eifl meiner gfrcunbin!" rief er aitS, „umfd^ttjeBe mid^! Unb tocnn bir mögtid^ ift, fo gib mir ein Sd6)m, ba^ bu

6 bcianftigt, baß bu öcrfö^nt jcift!"

Unter biejen 2Bortcn unb ©ebanfcn toax er auf bic ^ö'^e be«5 53crgcg gcfommen unb \a^ an befjen SIb{)ang an ber anbem ©eite ein ttunbetlic^eS ©ebäube liegen, ba§ er foglcic^ für 2o» t:^ario§ 23o{)nung t)ielt Gin alteg unregelmäfeigeö <Bä)lo^ mit

10 einigen Jürmen unb ©iebeln fd^icn bie erfte 31nlage ba^u ge= toefen ju fein; allein no^ unregelmäßiger maren bie neuen 9In= gcböube, bie, teils na^, teil§ in einiger Entfernung baüon er» rid^tet, mit bem ^"»auptgebüubc burc^ ©alericn unb bcbecftc ©finge 3uiamment)ingen. Sllle äußere 8t)mmetrie, jcbeS ax6)i=-

15 tcKonijd^e Slnfc^n fc^ien bem S3cbürfni§ ber inncm S3cquemli(S^= feit aufgeopfert ju fein. Äeine Spur Don SBatt unb ©raben toar ju feigen, ebenfomenig al§ üon tünfttic^en ©arten unb gro» ^en ^Eeen. 6in ©emüfe= unb SBaumgarten brang bi§ an bic Käufer ^inan, unb f leine nu^bare ©arten toaren felbft in ben

20 3wifc^enraumen angelegt. 6in l)citcre§ 2)örf(^en lag in einiger Gntfcmung; ©arten unb gelber fc^ienen burd)auS in bem beften 3uftanbe.

3n feine eignen Icibenfd^aftlid^en ^Betrachtungen bertieft, ritt 2öill)etm toeitcr, ol)ne biel über hai, maä er fa^, nac^ju=

25 benfen, ftellte fein ^^fcrb in einem ©aftt)ofe ein unb eilte nid)t ol^ne Semcgung nad^ bem Schlöffe ju.

(5in alter 33cbicnter empfing it)n an ber 2üre unb bcrid)= tcte il)m mit bieler ©utmütigfcit, baß er f)eute ü)ol)l id)iüerUc^ bor ben .^erren fommen werbe; ber .^err \)abt biel 53ricfe ju

30 f^rcibcn unb fd)on einige feiner ©efc^äftäleute abmeifen laffcn. aCÖil^elm roarb bringenber, unb enblid^ mußte ber ^^Itc na^» geben unb i^n melben. (Sr fam jurürf unb fül)rte 2Bin)elmen in einen großen alten Saal. 3)ort erjud^tc er i{)n, fic^ ju gc= bulben, weil ber ^eu bicUeidjt no^ eine Zeitlang ausbleiben

1*

4 tBil^elm aiteineri ge^rjo^rf.

tDcrbe. SBit^clm ging unruhig au^ unb ab unb toarf einige Stidte auf bie SRittcT unb gtauen, bcren alte Slbbttbungcn an bcr 2öanb um^er tiingcn; er n^ieber^olte ben Slnfang jeincr 9iebe, unb ftc ]ä)'m\ i^m in @egentt)art biejcr ^arnij(^e unb .^agen er[t red^t om '!^la^. ©0 oft er ctroas; raujd^cn t)örtc, fe^te er fid^ in ^4^0» 8 fitur, um feinen ©egner mit 2öürbe ju empfangen, it)m erft ben S3rief ju übeuei(^en unb i^ bann mit ben Söaffen beä S5ot« hjurfä anäufallen.

''JJlc^rmalö toar er fdjon getöufd^t toorben unb fing toirfüc!^ an öerbricfeüd^ unb öerftimmt ju werben, aU enbtid^ auä einer 10 «Seitentür ein »ol^Igebllbeter ^Jlann in (Stiefeln unb einem f(^lid)tcn überrocfe heraustrat. „2öaö bringen ©ie mir öuteä?" fagte er mit freunbltc^er (Stimme ju SGßit^clmcn; „öerjei^en Sie, ba^ id) Sie t)abe tearten laffen."

6r faltete, inbem er biejeä \pxaä), einen SSrief, ben er in 15 ber .^anb ^ielt. 2BiIt)eIm, nid^t o^ne 23ertegen^eit, überreichte il)m baä 53latt Slurelienä unb fagte: „3c^ bringe bie letzten 2Borte einer ^teunbin, bie Sie nid^t o(}ne9?üt)rung tefen toerben."

2ott)ario nat)m ben 33rief unb ging fogteid^ in baä 3^1"" mer juriicf, too er, toie 2Bitt)etm redjt gut burd) bie offne Xürc 20 fe'^en fonnte, erft nod£) einige ©riefe fiegelte unb überfd^rieb, bann 2lurelien§ SBrief eröffnete unb la§. 6r fd^ien baö SSlatt einigemal burd^getefen äu l^aben, unb 2öilt)elm, obgleich feinem ®efüt)l nad^ bie patt)etifc^e fßebe ju bcm natürlid^en empfang nid^t red)t paffen woCtte, naf)m fi(^ bod^ jufammcn, 25 ging auf bie Sdf)roeIIe loa unb moüte feinen Sprud^ beginnen, aU eine 2;apetentüre beä Äabinettö fid^ öffnete unb ber ©eift- lid^e '^ereintrat.

„3d^ erl)alte bie lounberlit^fte S)epefd^c bon ber äöelt", rief 2ot:^ario il)m entgegen; „öerjeil^n Sic mir", fut)r er fort, in= so bem er fid^ gegen 2Bit^etmen manbte, „menn id^ in biefem?lugen= blidEe nid)t geftimmt bin, mid) mit 3t)nen roeiter ju untert)atten- Sie bleiben t)eute nad^t bei un§! Unb Sie forgen für unfern (Saft, 5tbbe, baB i^m md)t§ abgebt."

SitbCTtt« »wt. grfU« flgpüeL 5

^Kit biegen SBotten madjte er eine Serbeugung gegen 9Bil- ^clmen; ber @ciftlid)e nat)m unjem ^rreunb bei ber i'panb, ber nic^t o^ne Söibcrftreben folgte.

StiUjdiroeigenb gingen fie burd^ rounberlit^e Sänge unb fa=

5 men in ein gar artiges ^iinmer. SJer Öeiitlicl)e führte it)n ein unb ücriiefe i^n ot)ne »eitere (5ntjd)ulbigung. üöalb barauf erfd)ien tin munterer ^abe, ber fid) bei 2Bit^etinen alö feine 33ebienung anfünbigte unb baö ^Ibenbeffen braii)te, bei ber ^Jlufroartung Don ber Drbnung beö Jpaufee, toie man ju frül^ftücfen, 5U fpeijen,

10 ,ju arbeiten unb fic^ ju Dergnügen pflegte, mancf)eS erjätjÜe unb bcfonberiä ju ßot^arios 9tut)m gar oieleS Dorbrad)te.

So angenehm auc^ ber ^ahe tttar, fo fui^te i^n 23irf)elm boc^ balb los^uroerben. 6r roünjd)te allein ju fein, benn er fül)lte firf) in feiner Sage äufeerft gebrücft unb betlommen. 6x

15 mad)te fic^ S5orn)ürfe, feinen 2]orfa^ fo fd^lec^t öoüfüf)rt, feinen 2luftrag nur ^alb auegeri^tet ju ^aben. 35alb na^m er fid) üor, bcn anbcm borgen baS 33erfäumte nad^jutjolen, balb loarb er geroatjr, ba^ ßot^ariod ©egenroart 'ü)n ju gan^ anbern ®cfü^= len ftimmtc. S)as Jpauä, toorin er fic^ befanb, fam il^m aud^

80 fo ttunberbar öor; er toufete [xd) in feine ßage nid)t ju finben. 6r rootlte fid^ augjiel)en unb öffnete feinen liiantelfacf ; mit fci= nen Üiadjtfac^en brachte er jugleic^ ben Sd)leier bes ©eiftes tjer» Dor, ben ^JJlignon eingepacft t)atte. 2)er ?lnbli(f öermeljrte feine traurige Stimmung. „^liel)! Jüngling, fliet)!" rief er auS.

£5 „2öa«5 foQ baö mi;ftifrf)e 2Bürt l)cifeen? xoai flicl)en? tt)ot)in fliegen? 2Beit beffer t)ätte ber ©eift mir jugerufen: ,Äe^re in bid) felbft jurücf!*" 6r betrad)tcte bie englifc^en jhipfcr, bie an berSöanb in9tat)men t)ingen; glcid)gültig fa^ er über bie meiften ^inrocg, enblid) fanb er auf bem einen ein unglücflid) ftranbcn=

80 be« 6d)iff oorgeftellt: ein 33ater mit feinen fc^önen 3:öd)tcrn er« loartete ben lob Oon ben Ijereinbringenben SBeHen. S;a« eine Ofraucui^immer fd)ien 9i[()nltd)feit mit jener ?lnm,^one ju (jaben; ein unauefprcd)tid)e3 'iDhtlciben ergriff unfern i^rcunb, er fül)lte ein untoibcrfte^lic^esi Sebürfni^, feinem .£)erien£uft ju mad)en,

Q %iU)tlm mMttt £e^r]o^re.

tränen brangen au3 feinem Sluge, unb er lonntc ftd^ nid^t toic« bcr etf)oten, Bio tt)n ber (£rf)tQf übertoattigte.

Sonberbarc Straumbilber erjd)ienen U)m gegen ^Rorgen. Gt fanb fid) in einem ©arten, ben er aU ^nabe öfters be|ucE)t Ijatte, unb fal^ mit SJergnügen bie befannten SlEeen, ^ecfcn unb s SSIumenbcete ttiiebcr; ^Jbriane begegnete il^m, er fprac^ liebe« t)oH mit it)r unb ol)ne Erinnerung irgenb eineä öergangenen 5)li&öert)Qttniffe§. ©leid^ barauf trat fein 33ater ju il^nen, im .^auöf leibe, unb mit üertrauüdier 5JHene, bie il)m feiten tüar, l^ie^ er ben ©o^n jioei ©tü^le auä bem @artent)aufe l)olen, lo nolim ^orianen bei ber ^anb unb füljrte fie nad) einer ßaubc

2ßill)elm eilte nad^ bem ©artenjaale, fanb i{)n aber ganj leer, nur fal^ er Slurelien an bem entgegengcfe^ten ^fcnftex ftel)en; er ging, fie an^ureben, aüein fie blieb unoerujanbt, unb ob er fid^ gleid^ neben fie ftetttc, fonnte er bod^ ü)X (Sefic^t nid^t is feilen. 6r blidtc jum ^enfter l^inauä unb fa^ in einem frembcn ©arten öiele ^enic[)en beifammen, öon bcnen er einige fogleidj er!annte. i^xau Pelina fa§ unter einem S3aum unb fpiette mit einer 9iofe, bie fie in ber .g)anb ^iett; £aerte§ ftanb neben il^r unb jöt^lte ©olb au§ einer .l^anb in bie anbere. ^Jtignon unb 20 fyelij lagen im ©rafe, jene auSgeftredt auf bem 9iürfen, biefer auf bem ©efic^te. $t)iline trat tieröor unb Elatfd^te über ben i^inbem in bie .^änbe, ^ignon blieb unbetocgli(^, ^^di? ff tang auf unb flol) üor ^l^^ilinen. 6rft ladjk er im Saufen, aU ^^i= linc il)n öerfolgte; bann f($rie er ängftlid^, aU ber ^arfenf))ieler 25 mit großen, langfamen ©d^rittcn il)m nad^ging. S)a§ ßinb tief grabe auf einen Seidt) lo§; 2öilt)ctm eilte il)m nad^, aber ju fpät, baä Äinb lag im SCßaffer! 2Bill)elm ftanb toie eingetouräclt 9lun \ai) er bie fc^öne Slmajone an ber onbem ©eite beä 2eic£)8, fie ftredte il)re rechte ^anb gegen ba§ i?inb au§ unb ging am 30 Ufer l^in, baä iHnb burct)[tric^ ba§ SDSaffer in geraber ütid^tung auf ben iJinger ju unb folgte il^r nad), toic fie ging, enblid^ reid)te fie il)m ii)n .g)anb unb 30g ou§ bem Seidie. 2GÖill)clm toar inbeffen nä^er gelommcn, ba§ ßinb brannte über unb über,

Siebentes Su«^. gmelteS AapitrL 7

unb fielen feurige Kröpfen tjon itjm f)eraB. SSitl^elm »rar nod) bcjorgter, bod) bie ^Jlma^one na^m j(i)nett einen roeißen ©cf)leict Dom Raupte unb bebecfte ba^ ^nb bamit. S)a§ ^eu^r toar jogleic^ gelöfdit. 911^ fte ben «Sd^leier Quf{)ob, fprangen

5 jteei Änaben t)eroor, bie äufammen mutoiüig {)in unb ^cx jpiet= tcn, ali aöilljelm mit ber Slrnajone |)anb in Jpanb burcf) ben ©arten ging unb in ber Entfernung feinen 35ater unb 'J)Jlarianen in einer lUttee jpajieren jat), bie mit ^ol^en SBäumen ben ganzen ©arten ju umgeben fc^ien. Qx rid)tetc jeinen 2Beg auf beibe ju

10 unb ma^te mit jeiner jc^önen ^Begleiterin ben S)urrf)j(^nitt be§ ©artend, al§ auf einmal ber blonbe ^nebricf) il)nen in ben 2öeg trot unb fie mit großem ©eläd^ter unb atterlei '-^ offen auft)ielt. Sie iDoUten bemungeacf)tet il)ren 23eg weiter fortje^en; ba eilte er tDcg unb lief auf jene^ entfernte ^^aar ju; ber 23ater unb 5Ra=

15 rianc jc^ienen üor i^m ju fliegen, er lief nur befto jc^neßer, unb 3Bilt)elm \ai) jene faft im Sluge burd^ bie Slttee f)inid)roeben. ÜJatuT unb 9leigung forberten i^n auf, jenen ju ^ülfe ju fommen, aber bie .^anb ber Slma^jone t)ielt il^n jurücf. SGSie gern lie& er fic^ l)alten! 5Jiit biejer gcmijc^ten ©mpfinbung

•Ai tDü(^te er auf unb fanb fein ^inimer fd^on öon ber gellen ©onne crleu^tct

S)er Shiabt lub SBiffielmen jum Ofi^ül^ftücf ein; biefer fanb ben ?tbbe id)on im Saale; 2ütl)ario, triefe ti, fei au^sgeritten; ber

u 3lbbe toar nid)t fet)r gejpräd)ig unb jt^ien el)er nac^benflid) ju fein; er fragte nac^ ^Jlurelienö lobe unb Ijörte mit 2eilnaf)mc ber (frjät)lung 2Bill)elm^ ju. „9lc^!" rief er au^, „wem leb= l^aft unb gegenroörtig ift, roclc^e unenblic^e Operationen '•Jlatuv unb Äunft machen muffen, biä ein gebilbeter "iülenic^ bnfte^t,

so toer jelbft joöicl al^ mögli^ an ber 53ilbung [einer 'iJJUtbrüber teilnimmt, ber möd)te t)cr,\n)cif ein , xomn er |icl)t, roie freoent» lic^ fic^ oft ber 'iDlenjd) jerftört unb fo oft in ben gatt tommt,

8 gBit^elm ageiffcr» gf^rjo^re.

mit ober ol^ne ©d^itlb jerftört ju toerben. SDßenn t(^ ba§ Bc» benfc, jo fd^L'int mir baä ßcbcn jelbft eine jo juföttige ©abe, ba^ 16) jeben loben müct)te, ber [ie nid)t l)öi)cx ali bittig j(i)ä^t."

©T ^atte faum ausSgcfprorf)en , qI§ bic 2üre mit J^eftigfeit ftc^ aufriß, ein jungcöt^raucn^immer tjcrcinftürjte unb bcn alten 5 S3ebienten, ber ficf) U)x in bcn 2Bcg [tettte, äurüifftie^. 6ie eilte gerabe auf ben Slbbe ^u unb fonnte, inbem jie i^n beim 2Irm fafete, öor 2Beinen unb <£ii)lud),ien faum bie toenigen 2ßorte l^erüorbringcn: „SBo ift er? 2öo ^abt i^r it)n? @g ift eine ent» fe^lid^e SSerräterei! @eitet)t nur! ^d) tt)ci§, toaä öorgel^t! ^ä) 10 iüill il)m nad}\ ^d) Witt miffen, h)o er ift!"

„SBeruljigen Sie )xd), mein ^inb", fagtc ber Slbbc mit an» genommener @etaffenl)eit, „fommen Sie auf 3^r ^imnier, ©ie foEen aUeö erfatjren, nur muffen ©ie t)ören fönnen, menn ic^ Sännen er^ät)len fott." 6r bot i\)x bie .g)anb an, im ©inne, fie 15 toegjufüljrcn. „3<^ tPtrbe nidljt auf mein ^immer gelten", rief fie aus, „i(^ tjaffe bie SBänbe, äroijc^en benen it)r mid) fc^on fo lange gefangen t)altet! Unb bod^ l)abe id) atteä erfal)ren, ber Dbrift i)at il)n f)erau§geforbert, er ift ^inauigcritten , feinen ©egner aufzufüllen, unb tietteic^t je^t eben in biefem 3lugen= 20 blirfe mar mir etlid^emal, alä !^örte id) fd^iefeen. £affen ©ie anfpannen unb fal)ren ©ie mit mir, ober id) fütte baä <&au§, baä gan^e 5)orf mit meinem (Sefc^rei."

©ie eilte unter ben t)eftigften 3ni)ränen nad) bem f5^enfter, ber 5lbbe ^iclt fie äurüd unb fuc^te üergebeng, fie ju befänftigen. 25

5)tan ^örte einen Söagen fat)ren, fie ri§ ba§ fjenfter auf; „@r ift tot!" rief fie, „ba bringen fie il^n." „Gr fteigt au§!" fagte ber W)^L „©ie fet)en, er lebt." „6r ift üermunbet", öerfe^te fie ^eftig, „fonft fäm' er ju ^ferbe! ©ie füt)ren i^n! ßr ift gefäfjrlit^ öermunbet!" ©ie rannte jur Iure l^inau§ 30 unb bie Ireppe tjinunter, ber W)hi eilte i^r nad), unb 2Bil!^elm folgte il)nen; er \ai), toie bic ©c^öne il)rem tierauffommenben beliebten begegnete.

£ott)ario lel)ute fid^ auf feinen SSegleiter, toeld^en 2öilt)elm

Siebente» Siu^. 3*''<i'<' AaviteL 9

fogteid^ für feinen alten ©önnet 3amo cifannte, fprad^ bem hroftlofen örauenjimmet gar lieBreic^ unb frcunbticE) ju, unb inbcm er fid) audE) auf ftc ftü^tc, fom er bie ^treppe langjam herauf; er grüßte SBill^elmen unb warb in fein Kabinett geführt. 6 ^lic^t lange barauf tarn Samo wieber l^crau» unb trat p SBil^elmen. „Sie finb, Wie f(^eint", fagte er, „t)räbeftiniert, überaß Sc^aufpieler unb 2t)eatcr ju ftnben; toir finb eben in einem S)rama begriffen, baä nic^t ganj luftig ift."

„3d^ freue mic^", öerfe^te 23)in)elm, „Sie in biefem fon=

10 bcrbaren ?lugcnblicfe tcieberjufinben; iä) bin üertounbert, er= fc^rocfen, unb 3t)re ©cgenwart mad)t mic^ glei^ tul)ig unb gc= fa^t. Sagen Sie mir, t)at e^ ©efa^r"? 3ft ber Saron fd)roer öertDunbet?" „3(^ glaube ni(i)t", öerfe^te ^avno.

'Had) einiger 3eit trat ber junge SBunbarjt au§ bem 3iwi=

15 mcr. „Ülun, loaä fagen Sie?" rief ii^m ^arno entgegen „3)a^ fe^r gefätjrlic^ ftef)t", öerfe^te biefer unb ftecfte einige Snftru= mente in feine tebemc Safdie jufammen.

SCßinjelm betracf)tete ba§ 23anb, baö bon ber Jafc^e l)er= unterl^ing, er glaubte ju fennen. Sebl^afte, toiberfpred^enbe

so SrQtben, ein feltfame^ '»Utufter, ®olb unb Silber in teunberlic^en Figuren, ,^eic^neten biefe§ Sanb üor atten S3änbem ber 2öelt au^. Söil^elm tDar überzeugt, bie 3nftrumententafcE)e be§ alten 6l)irurgu«S öor fic^ ju fe^en, ber it)n in iencm SGßalbe öerbunben ^atte, unb bie .^offnung, nad^ fo langer 3eit toieber eine Spur

25 feiner Slma^one ju finben, f(i)lug loie eine flamme burd^ fein ganjeä äBcfcn.

„2Bo l^aben Sie bie Sxifc^e l^er?" rief er au8. „2ßem gc= l^örte fte öor 3^nen? 3d^ bitte, fagen Sie mifg." „3d^ I)abe fie in einer Sluftion getauft", tjerfc^te jener, „luaä fümmert'y

80 mirf), toem fie anget)örte?" ^it biefen Sßorten entfernte er fid}, unb 3amo fagte: „2öenn biefem jungen 5Jlenfd^en nur ein toal^^ rcä SSort auä bem 'iJJlunbe ginge!" „So l)at er alfo biefe Jafc^c nid)t crftanben?" öerfe^te 333ir^elm. „So locnig, alä c8 ©efa^r mit ßotljario l^at", antwortete 3amo.

10 ÜSil^elm sndfletS ütftria^xt.

SSil^elm flonb in ein öicljadjcä 'Jlarf)bcnfen toer^cnft, qI5 3omo i^n fragte, toie il)m ^cittjer gegangen |ei? 9Q3in)eIm eräat)Itc feine @efc^icf)tc im attgemcinen, unb aU er julc^t Don 3lurclicnö Job unb feiner S3otirf)oft gefprod^cn I)attc, rief jener au2i: „öö ift boc^ fonberbar, fe^r fonberbar!" 5

2)er %hhi trat auö bem ^immcr, toinfte iSamo ju, an feiner ©tatt {)ineinjugef)en, unb fagte ju 2öill)clmen: „S)cr33aron lä§t ©ie erfuc^cn, t)ier ju bleiben, einige Sage bie ®efellid)aft ju öer- mel)ren unb ju feiner Untertialtung unter biefen Uinftänben bei» jutragcn. ^aben ©ie nötig, etnjaä an bie S^irigen ju befteden, 10 fo fott ^Ijx 93rief gteid) beforgt werben, unb bamit ©ie biefe ttjunberbare 33egeben^eit öerfteljcn, Oon ber ©ie^lugcnjeuge finb, mu^ id) 3f)ncn erjä^len, toaä eigcnttid) fein ©e^ciinniä ift S)er 33aron t)atte ein fleineö 5Ibenteuer mit einer 2)ame, ba§ me^r 5luffel)cn machte, aU billig toar, toeit fie ben Jriump^, 15 ii)n einer ^Jlebenbu£)[erin entriffcn 3U l^aben, attäu tebt)aft ge= niesen roollte. Seiber fanb er narf) einiger 3eit bei i'^r nid)t bie nömlii^e Unterf)altung, er bermieb fie; allein bei il^rer l)cftigen ©emütöart war iljr unmöglitf), i!^r ©diirffal mit gefegtem 9Jlute ju tragen. S3ei einem 23atte gab einen öffcntlicf)en 20 SSnid^, fie gloubte fict) anwerft bcleibigt unb RJÜnft^te gerächt 5U toerben; fein Ütitter fanb \xd), ber fid) it)rer angenommen t)öttc, bis enbüc^ il^r ^Jiann, t)on bem fte ficf) tange getrennt t)atte, bie ©ad)e erful)r unb fi^ it)rer annal)m, ben 33aron tierauöforbcrtc unb ^cute öerrounbete; bocE) ift ber Dbrift, tt)ie iä) i}'öxt, noc^ 25 fd^timmer babei gefal)ren."

S5on bicfem SIugcnbtidEe an toarb unfct S^^eunb im .^aufc, aU get)öre er jur i^amiUe, bel^anbelt

drittes Kapitel.

Wan '^atte einigemal bem Tanten borgetefen; Söif^etm so tciftete biefen fleinen S)ien[t mit greuben. 2i)bie fam ni(^t Dom 53ette tjinroeg, U)xt ©orgfatt für ben Sßertounbeten Derfd)lang

gittertet »u<5. »Dritte» itapUel H

alle i^rc übrige 31ufmcrltamlcit, abex l^eute fc^icn auSj ßof^ario ierftreut, ja et bat, ba^ man nid)t njcitet lejcn möchte.

„3c^ füf)le {)cute jo lebhaft", jagte er, „töie törid^t ber ^eiijd^ jeine 3cit Derftreidjen Ia§t! 2Bie mancf)e§ ^abc id^ mir

5 üorgenommen, toit manc^eö bur^bad^t, unb tt)te jaubert man nic^t bei feinen beften SDoiiäljen! ^dj ijobt bie SBorj^Iäge über bic ^ctänberungcn geiejen, bie id§ auf meinen @ütem madjcn mü, unb ic^ Eann fagen, id^ freue mid^ öorjügtid^ biefertoegen, ba^ bie j^ugel feinen gcfä^rlidf)em SSeg genommen ^at."

10 ßt)bie fal) i^n järtüd), ja mit iränen in ben Singen an, aU tooEte ftc fragen, ob benn fic, ob feine fjreunbe ni(^t auc^ Slnteit an ber Seben^freube forbem fönnten. 3amo bagegen ÖCTJc^te: „Seränberungen, n)ie ©ie bor^aben, toetben biUig crft toon atten 6eitcn überlegt, biä man fic^ bap cntfcf)lie&t."

15 „ßange Überlegungen", terfe^te ßot^ario, „jeigen geh)BT)n= lid^, bafe man ben ''4>un!t nid)t im 5luge t)at, öon bem bie 9?ebc ifl, übereilte ^anbtungen, ba§ man il)n gar nid)t tcnnt. ^ä) überfe^e fe^r beutlic^, ba§ idt) in öiclen Stücfen bei ber 2öirt= fd^aft meiner ©üter bie Sienfte meiner ßanbleute ni(f)t ent»

0 bct)rcn tann, unb ba^ id^ auf gcmiffen 9tec^ten ftracf unb ftrcng Italien mu§; i^ fe^e aber auc^, bafe anbere SBefugniffe mir jtt)ar borteilt)aft, aber nid^t ganj unentbehrlich fmb, fo ba& id^ baüon meinen beuten auc^ toa^ gönnen fann. ^ian berticrt nid)t immer, loenn man entbef)rt. 5iu^e ic^ nic^t meine ®üter tneit

25 Beffcr alä mein 93ater? SBerbe id^ meine ©infünfte nidit nod§ l^ö^er treiben? Unb foH ic^ bicfen njad^jenben Jßorteil allein ge- nießen? Soll id) bem, ber mit mir unb für mi^ arbeitet, nic^t auii in bem ©einigen Sorteile gönnen, bie uns cnueiterte^ennt» niffe, bie un^ eine öorrücfenbc ^eit barbietet?"

. j „2)er IRenjc^ i[t nun einmal fo!" rief Savno, „unb id^ table mid^ nic^t, njenn id^ mid^ au(^ in biefer ©igent)cit ertappe; ber 9Jlenfd^ begel)rt, allciJ an fid) ju reißen, um nur naä) 'Belleben bamit fd^alten unb malten ju fönncn; ba«5 (^clb, baä er nii^t felbfl auögibt, f^eint i^m feiten ttiol^l angemenbct."

12 BSil^elm Vteinerl Celir]a1^re.

„O ja!" berje^tc Sotljario, „toir fönnten manches bom .(Ka- pital entbct)rm, roenn wir mit bcn 3!ntcref|en toeiüger tuiUfür« tii^ umgingen."

„2)aö einzige, toaä ic^ ju erinnern f)aht", fagte Sarno, „unb luarum id^ nid)t raten fann, ba^<5ie eben jc^t bieSßeränberungen & machen, tooburd) 6ie toenigftenä im ?lugenblicfe üerliercn, ift, boB ©ie jetbft nod) (Sc^ulben l^aben, beren ^itb^a^lung 6ie ein= engt, ^äj tDÜrbe raten, 3t)ren ^^lan aiifjiijdjieben, biö8ie ööttig im reinen wären."

„Unb inbcffen einer Äuget ober einem 2)a(^äiegel ju übcr= lo taffen, ob er bie 9tc|uttate meineä ßebenö unb meiner "tätige feit auf immer üemid^ten tooßte! D, mein ^i^eunb!" fu^r ^O" t^ario fort, „baä ift ein ^au:ptfcl)ler gcbilbeter ""JJlenjdjcn, bafj |ic aUeg an eine 3ibee, Wenig ober nic^tö an einen ©egenftanb wenben mögen, äßo^u l)abe id) Sd)u{ben gcmad^t? Söarum u !^abe t(^ mid) mit meinem £)I)eim entzweit, meine ®efd)wii'ter ']o lange fid) jelbfi überlajjen, al§ um einer 3bee willen? 3n 3lmerita glaubte ic^ ju wirfen, über bem ^teere glaubte i^ nü^» ti(^ unb notwenbig ju |ein; War eine ^anblung nid)t mit tau» fenb ©efa^ren umgeben, fo jdjien jxe mir ni(^t bebeutenb, nid)t 20 würbig. Sßte anber§ \et)' id) je^t bie S)inge, unb wie ift mir ba§ Ttäc^fte fo wert, fo teuer geworben!"

„3d) erinnere mid^ wol)l be§ 35riefe§", berfe^te 3amo, „ben iä) nod) über ba§ ^eer erl)ielt. ©ie f (^rieben mir: ,3d^ werbe äurüdfcl)ren unb in meinem .&aufe, in meinem Saumgarten, 25 mitten unter ben 9Jieinigen fagen: .g)ier ober nirgenb ift 5lmerita!"'

„So, mein iJreunb, unb id^ Wieber"^ole nod^ immer baäfelBc, unb bod) fd)elte id) mit^ jugleid), ba^ id^ I)ier nid^t fo tätig wie bort bin. !^u einer gewiffen gleichen, fortbauemben ®egen= 30 Wart brauchen Wir nur SJerftanb, unb wir werben auc^ nur p SBerftanb, fo ba^ wir ba§ 3lu|erorbentlidf)e, wa§ jeber glei(^= gültige 2:ag bon un§ forbert, ni(^t me^r fel)en, unb Wenn wir erfennen, bo^ taufenb 6ntfct)ulbigungen finben, nid)t ju

eitbtntet eu4. Snitte« Kaptul 13

tun. ©n bcrflönbiger ^Ulenjc^ i[t öiel für ftc^, aBer fürä ©anje ift et toenig."

„aSir tooHen", fagte Santo, „bem Söerftanbe nici^t ju nal^e treten unb bcfcnnen, ba& baö Slu^erorbentUdje, toaö gcjc^iel^t,

5 meiftenä töricht ift."

„3a, unb jwar eben bcöioegcn, toeil bie^enfdien ba§2lu&er= OTbentIi(^c au^er ber Drbnung tun. ©o gibt mein Sc^raager fein SSermögen, injofem er bcräufeem fann, ber Srüber= gcmeinbe unb glaubt feiner ©cele |)eil baburi^ ju beförbem;

10 ^ätte er einen geringen Jcit feiner ginfünfte aufgeopfert, fo ^ättc er öiel glücfUc^e 'üJlenfd^en mad^en unb fid^ unb i^nen einen ^immcl auf (Srben f(i)affcn fönnen. ©etten finb unferc 5tuf= Opferungen tätig; h)ir tun gleid) Serjid^t auf ba§, maä tt)ir tDcggeben. '■Jiic^t entfcf)Ioffen, fonbem DeräWcifelt entfagen tüir

15 bem, roag toir befi^cn. S>iefe Jage, id^ gefte^' e§, fc^mebt mir ber @raf immer öor 9lugen, unb id^ bin fcft entfd^loffen, ba^ au« Überjeugung ^u tun, tDo^u i^n ein ängftti(^er2Bat)n treibt; tdl) roiH meine ©cnefung nid^t abtoarten. ^icr finb bie ^4>aptcrc, fie bürfen nur inä reine gebraut locrben. ^et)men Sie ben ®c=

20 rid)t5^alter ba^u, unfer @aft ^ilft ^))mn anä), 6ie miffcn fo gut alö ic^, worauf anfommt, unb idt) miU l^icr genefenb ober fterbenb babei bleiben unb aufrufen: l^ier ober nirgenb ift ^errn^ut!"

9llö 8t)bie i'^ren Ofreunb üon fterben reben l^örte, ftürjte fte

25 bor feinem Sette nicbcr, l^ing an feinen Sinnen unb toeinte bit= terlic^. 3)er aöunbarjt fom l)erein, Santo gab SBil^elmen bie ^Papiere unb nötigte ßi)bicn, ficE) ju entfernen.

„Umö ^immels willen!" rief Söil^clm, aU fic in bem (Saal allein toaren, „ttja^ ift baö mit bem ©rafen? 2öel(^ ein Örof

CO ift baö, ber fid) unter bie 53rübergemeinbe begibt?"

„2)en Sie fel^r lootjl fenncn", üerfe^te Sai^no. „Sie finb baä (Sefpcnft, baä il)n in bie Sinne bcrgrömmigfcit jagt, Sie finb ber iBöjcroid)! , ber fein artigc^^ Söeib in einen ^«^uftanb Perfekt, in bem fie crträgtid^ finbet, it)rem ^Dlanne ju folgen."

14 IBit^etm WetffCT« gt^tla^re.

„Unb fie tfl Sotl^arioä ©d^löcfter?" rief m^drn.

„glicht anbcrä."

„Unb ßotl^ario tociB ?"

„3IIleä."

„D taijcn ©tc mid^ fltcT}cn!" rief SBit^elm qu§, „toic fann 5 ici) t)OT tt)m fte{)en? 2!Baö fann er fagen?"

„S)aB nicuianb einen Stein gegen ben anbcm aufgeben foH, unb bafe niemanb lange Sieben fomponieren fotl, um bie ßcute ju bcidjämen, er niüfete fie benn öor bem Spiegel tialten tootten."

„2Iu(^ ba§ toiffen ©ic?" 10

„2Bie mand)eö anbere", berfe^teSaruo lä^elnb. „3)o(^ bieg» mal", fut)r er fort, „toerbe id) Sie jo teidit nid^t toic ba§ öorige 5)lal loälaffen, unb bor meinem SBerbejolb l^aben Sie fi^ aut^ nid)t mel^r ^n fürchten, ^äj bin fein Sotbat mel^r, unb aud^ aU Solbat f)ätte iä) 3'^nen biefen Slrgtoo^n nic^t einflößen 15 Jollen. Seit ber 3eit» t>fl& i«^ ^ic nid^t gefe^en f)abt, f)at fid^ öicleö geänbert. "^aä) bem Jobe meinet f^M^en, meine§ einji» gen ^reunbeö unb 2Bot)ltäter§, tjobt id) mid^ au§ ber SBclt unb auö oüen ttieltlidien 33eTl)äItniffcn t)erauigeriffen. 3(^ ^c* förberte gern, ü3a§ toemünftig toar, öerfditeieg nid^t, tocnn idi) 20 ctmaä abge|d)madt fanb, unb man t)atte immer üon meinem unruf)igcn Äopf unb öon meinem böfen 5Jlaute ju reben. S)o§ 5Jtenic^enpadE fürd^tet fidt) toor nidf)t§ me'^r aU öor bem 25er= ftanbe; öor ber S)ummt)cit jollten [ie fidE) füri^ten, toenn fie Be» griffen, toaS fürd^tertid) ift; aber jener ift unbequem, unb man 25 mufe il^n beifeitc jd^affen; biefe ift nur Ijerberbltd), unb ba§ fann man abtöarten. S)o(^ mag '^ingel^en, id^ l^abe ju leben, unb öon meinem ^^Jtanc follen Sie weiter t)ören, Sie foHen teil baran netjmen, menn Sie mögen; aber fagen Sie mir, toie ift Seinen ergangen? 3«^ fel)e, id^ fü^Ie 3it)nen an, aud^ Sie f)aben fid^ 30 öeiänbert. 2öie ftef)t'§ mit ^l)xtx alten ©ritte, ettt)a§ Sd£)öne§ unb ®ute§ in ©eieUfd^aft öon ^igeunem l^erüoräubringcn?"

„3d) bin geftraft genug!" rief 2öilt)etm au§, „erinnern ©ie mid^ nid)t, tooljer ic^ tomme, unb tool^in id^ gel^e. 9Ran fprid^t

6U6ente< 9u4. ^Dritte« jtapitel. 15

Otel öom 3^tattx, aber tocr ni(^t jctbft barauf toar, fann f\d) feine SSorftcIlung boüon mad)cn. 2Bic üöHig biefe TOenjc^en mit fic^ jelbft unbefannt finb, loie [n i^r ©cid)äft of)nc 9ia(^= benfen treiben, »ic it)re ^ilnforbenmgen o{)nc ©renken [inb, ba=

5 Oon I^at man feinen Segriff. 9iid)t allein loill jeber ber erfte, fonbern aui^ ber einzige fein, jeber möchte gerne alle übrigen au§= fd^lie^en unb fielet nid)t, bo^ er mit it)nen ^ufammen faum etroas leiftet; jeber bünft fict) nsunberoriginal ^u fein unb ift unfähig, fic^ in etroaö ju finben, ttiai aufecr bem Sc^lenbrian ift; babci

10 eine immertDäf)renbe Unruhe nac^ ettoaä Dleuem. 'üRit ttjeld^er ^eftigfeit roirfen fie gegeneinanber! Unb nur bie {Iein(id)fte Eigenliebe, ber bejc^ränttefte ©igennu^ mac^t, bafe fie fic^ mit= einanber öerbinben. S3om toec^ielfeitigen betragen ift gar bic 9iebe nid^t; ein etoigeä Wi^trauen toirb burrf) Ijeimlid^e Jüdfc

j5 unb fcl^änb(irf)e Sieben unterhatten; toer nid^t ücbertic^ lebt, lebt albcm. 3cber ma^t ^^nfprui^ auf bie unbebingtefte ^(i)tung, jeber ift empfinblic^ gegen ben minbcften label. S)a^ ^at er jelbft aUcä fc^on bcffer genjuBt! Unb toarum !^at er benn immer baö Gegenteil getan? 2Snimer bebürftig unb immer ol)ne ^u=

20 trauen, id)eint e^, als toenn fie [xii üor ni(^t§ fo je^r fürchteten aU öor 5öernunft unb gutem ©ef^macf, unb nichts fo fei^r gu ert)alten fud)ten aU ba^ ^kjeftätöred^t if/rer perfönlic^en Söiüfür."

2öilf)elm l^oltc 3ltem, um feine £itanci noc^ toeiter fort»

2i. jufe^en, al^ ein unmäßige^ föeläd)ter 3arnosS il)n unterbrad^. „£)ie armen S^aufpieler!" rief er auö, tuarf fi(^ in einen Scffel unb lod^te fort, „bie armen, guten 6cf)aufpieter! SBiffen ©ie benn, mein i^teunb", fu^r er fort, na(^bem er fic^ einigernm^en toieber erholt Ijatte, „baß Sie nic^t baö Idealer, fonbern bie

30 3öelt befdjrieben ^aben, unb ba§ id^ S^nen auä alten (Stäuben genug i^iguren unb .^anblungen ju 3t)ren t)arten ^4>infelftrid)en finben njolUe? SScr^eifien Sie mir, ic^ mu^ roieber lad)en, ba^ Sie glaubten, biefe jd^önen Cualitäten feien nur auf bie ©rettet gebannt."

IQ SBid^elm Stdfler* Se^rja^re.

SQßir^etm fafetc [xäj, benn toirftic^ f/atte tl^n boä unbänbigc unb un^eitige ©eläc^ter Somoä öcrbrofjcn. „©tc tonnen", jagte er, „3t)ten ^}Jienjd)ent)a^ nic^t ganj öerbergeh, toenn ©ie ht^anp= ten, ba^ bieje ^etiler aügcmctn icicn."

„Unb jeugt öon ^f)xtx Unbefannt)d)aft mit ber Sßett, 5 wenn ©ie biefe ©rjc^einungen bem 21f)cater jo t)oc^ anrechnen, äöa^rtjoftig, id^ öeräeif)c bem ©ct)QujpieIet jeben Seiltet, ber auä bem ©etbftbetrug unb au§ ber SÖegtcrbe ju gefallen entspringt; benn menn er fict) unb anbern nt(f)t etmaä jrf)eint, fo tft er nicf)t§. 3um ©d^etn ift er berufen, er mu^ ben augenblidflid^en SBeifoÜ lo l)od) jd)ä^cn, benn er er^ött feinen anbern ßol^n; er mu§ ju glänzen judien, benn beSmegen ftet)t er ba."

„©ie erlauben", öerfe^te2BiIt)eIm, „ba^ id§ öon meiner ©citc toenigftenä tackele. Dlie ^ätte ici) geglaubt, ba^ ©ie jo billig, jo na(i)fi(^tig fein fönnten." i5

„9iein, bei ©ott! S)ie§ ift mein böüiger, tool)lbeba($ter €mft. 3tlle x^-tt)Ux beä 5Jtenfd)en öerjei^' ict) bem ©c^aufpieter, feine ^^tijUi be§ ©d)aufpieterg öeräeif)' id^ bem 2)tenid)en. Saffen ©ie mid) meine 0aglieber hierüber nid)t anftimmcn, jic toür= ben l^eftiger flingen al§ bte ^tjrigen." 20

£)er ß^irurguä fam au§ bem Kabinett, unb auf befragen, toie fid) ber Ärante befinbe, fagtc er mit leb'^after gteunblic^^ feit: „9ted)t fe'^r luoljl, id) l^offe, ilin balb ööllig toieberl^ergcftcüt ju feigen." ©ogleid) eilte er jum ©aal l^inauä unb ermartete 2öill)elm§ f5frage nid)t, ber fd^on ben -ütunb öffnete, fid^ nod§= 25 maB unb bringenber nad^ ber 33rieftaidt)e ju erfunbigen. 5£)a§ 35erlangen, öon feiner Slmajone ettt)a§ ju erfa'^ren, gab i^m SScrtrauen ju 2fatno; er cntbedte i{)m feinen i^aU unb bat il^n um feine SSeil^ülfe. „©ie toiffen fo öiel", fagte er, „fottten ©ie nid)t aud^ ba§ erfal^ren fönnen?" so

i^amo tt)ar einen 5lugenblid nad^benfenb , bann fagte er ju feinem jungen ^reunbe: „©eien ©ie ru'^ig unb laffen ©ie fid^ toeiter nid^tS merfen, toir tooHen ber ©d)örien fd£)on auf bie ©pur fommen. ^efet beunrul^igt mid^ nur 2otl)ario§ 3uft'^'^^f ^^^

Siebente« Suc^. SieiteS AcqjiUl. 27

<öQ^e ^t^t gefa'^rtid^ , bai jagt mir bic grcunbttc^fcit iinb ber gute 2roft beö 2öunbarjteä. 3d^ t)ätte 2i)bien|d)Dn gerne iDeg= gej^Qttt, beim fie nu^t ^ier gar nid)t'^; aber ic^ toei^ nid^t, tt)ic id^ anfangen fott. ^eute abenb l^off' id^, joll unjer alter 5 5)iebifud fommen, unb bonn tootten toir toeitcr ratfd) lagen."

5)cr 5Jlebifu§ fam; e3 toar ber gute, alte, fteine Slrjt, ben U)ir fc^on fennen, unb bem mx bie IJlitteihing beö interefjanten ^tanuifrij)tä öerbanfen. 6r befud^tc üor allen Singen ben 5ßer=

10 tounbcten unb fdjien mit befjen 33etinben feinc'sroegeS jufrieben. S)ann ^atte er mit Sa^no eine lange Untcrrebung, boc^ tiefen jlc nid^t^ merfen, al§ fie abcnbä ^u lifdtie famcn.

SBil^elm begrüßte il^n auf§ freunblid)fte unb erfunbigte ftd^ nad^ feinem .^arfenfpieler, „2Sir t)aben nod^ .£)offnung, ben

15 Ungtürf lid)en jure^te ^u bringen", üerfe^te ber Slrjt. „2)iefer SJlenfd^ mar eine traurige 3^90^)6 ju S^rem eingefc^ränften unb munberlid)en 2eben", fagte Sarno. „2öie ift il)m meitcr er» gangen? ßaffen ©ie mirf) miffen."

9iad^bem man !3arnog 9leugierbc befriebiget l^atte, ful)r ber

20 ?lrjt fort: „^iie f)abe i^ ein ©emüt in einer fo fonberbaren Sage gefcl)en. Seit öielen 3öt)ren I)at er an nicf)tg, rva^i, au^cr i^m tDor, ben minbeften 9Inteit genommen, ja faft auf ni(^tä gemcrft; BIo^ in fid^ geteert, betrad^tete er fein fjotjk^i, leereö^ld), bai5it)m alö ein uncrme^lid^er 5tbgrunb erfc^ien. SBie rü^renb mar e§,

25 toenn er üon biefcm traurigen 3uftanbc fpradE)! ,3d^ fef)e nid^t§ bor mir, nid)t^ I)intcr mir', rief er au§, ,aU eine unenblid)e 9lad^t, in ber ic^ mid^ in ber fdjrecflic^ften ©infamfeit bcfinbe; fein @cfüt)t bleibt mir, at^ ba^ ®cfü^l meiner Sd)ulb, bie bod^ aud^ nur mic ein entferntes» unförmlid)e«( öicfpcnft fid) rücfmärtg

80 fe^cn läßt. S)od^ ba ift feine ^öt)e, feine Jiefe, fein 9Jor nod^ 3urücf, fein 2Sort briirft bicfen immer glcid)cn 3"ftanb au^. 2)knd)mal ruf ic^ in ber ''Jiot bicfer ÖJleidjgiiltigfeit: Groig!

«octbe. X. Q

18 gBlI^tltn Wetner« Bc^rja^ire.

ctoig! mit ^efticjleit auä, unb biejeg feltfamc, unBcgreifTic^e Söort ift Ijett unb ftar gegen bie ^^infterniä meinet 3"lt'inbe3. ilcin ©trat)! einer ®ottt)eit crjt^eint mir in bicjcr 9la(i)t, iä) tDcinc meine tränen alle mir jelbft unb um mid) fclbft. 9ii(^U ift mir graujamer alö grcunbfd^nft unb ßiebe; benn [ie allein s locfen mir ben SBunjc^ ab, ba§ bie (Srjd^einungen, bie mid^ um» geben, wirflic^ fein mörf)ten. 9lber auc^ bieje beiben ©efpcnftcr finb nur auö bem Slbgrunbe gefticgen, um mirf) p ängftigen, unb um mir jutc^t aud) ba§ teure ißetou^tiein biefeö unget)euren ©afeinö ju rauben.' lo

„Sie foHtcn i^n l^ören", ful^r bcr Slrjt fort, „tuenn er in toertvauUi^en Stunbcn auf bicfeSSeife fein^crj erteii^tert; mit ber größten Stül^rung l^abe icE) it)m einigemal jugel^ört. 2Bennfi(j^ ii)m etma§ aufbringt, ba§ iljn nötigt, einen Slugenbticf ju ge» ftet)cn, eine 3cit fei öergangcn, fo fd^cint er loie erftaunt, unb is bann berroirft er toieber bie S5eränberung an ben 2)ingcn atS eine @rfdE)einung ber 6rfd)einungen. ©inei 5tbenb§ fang er ein Sieb über feine grauen .£)aarc; toir fa^en atte um it)n l^er unb lüeinten."

„€) fc^affcn ©ic mir!" rief SBitl^elm au§. 20

„^aben 6ie benn aber", fragte SSarno, „ni(^t§ entbecft bon bem, maä er fein S3erbrcd)cn nennt, ni(^t bie Urfadje feiner fon« berbaren 2racf)t, fein ^Betragen beim SSranbc, feine SSut gegen ba§ ^inb?"

„^ur huxäj Mutmaßungen fönncn toir feinem ©(^idfiate 26 nälier fommen; it)n unmittelbar ju fragen, tuürbe gegen unfere ©runbfä^e fein. S)a loir tool^t merfen, baß er fatt)oliid^ erjogcn ift, t)aben mir geglaubt, it)m burc^ eine 5Bci(^te ßinberung jU öerf (Raffen; aber er entfernt fid) auf eine fonberbare Söeife j[ebc§= mal, menn mir if)n bem ®eiftlid)en nä'^er ju bringen fud^en. S)a^ a* id^ aber Stjren SBunfd^, etmaä öon il)m ^u toiffen, nid^t ganj unbefricbigt taffe, mill idE) Seinen menigftcnö unfere 3}crmu= tungen entbeden. 6r ^at feine 3^ugenb in bem geiftlid^en Staube äugebrad£)t; baljcr fd^eint er fein longeä ©emanb unb feinen 33art

Siebente« 9u4. Siertt« JtapiteL IQ

nffalim ju tooHen. S)ie iJreuben bcr ßieBc BlieBen i^m bie grö§te ^ci* |eine<S ficbenS unbcfannt. ©rft fpöt mag eine S5cr= irrung mit einem fel^r nolje öernianbten i^raucnjiinmcr, mag il^r Zot, bcr einem unglücflid^en ©efd^öpfe bas( 2)ajein gab, fein 5 ®c^im tjöllig jerrüttct t)aben.

„©ein größter SBaljn i)"t, ba§ et überall Ungtücf bringe, unb ba§ i:^m bcr Xob burc^ einen unj(i)ulbigen .ftnaben beDorftelje. Grft fürchtete er fid) öor ^Jiignon, e^' er mufete, ta^ ein 'i)Jläb= d^en loar; nun ängftigte it)n i^tüi, unb ba er ba§ ßcbcn bei alle !• jeinem 6Ienb unenblic^ liebt, fdieint jeine Slbneigung gegen baS iUnb baljer cntftanben 5U fein."

„SDoö t)aben Sie benn ju jeiner Scficrung für ,g)offnung1" fragte 25)ilt)elm.

„@5 gct)t langfam bortoärt§", berfe^te ber Slrjt, „aber bo(^ 15 ntd^t iurücf. ©eine beftimmten 58cfci)äftigungen trdbt er fort, unb R)ir t)aben il^n gctDö!)nt, bie 3citungen ^u lefen, bie er je^t immer mit großer 33egierbe crtoartet."

„3d^ bin auf feine ßicber neugierig", fagtc Santo.

„S^aüon loerbe id) ^l^nen öerjd^iebene geben fönnen", fagte

20 bcr ^Irjt. „2)er ältcftc ©ot)n beä ©cifttic^cn, bcr jeinem Sßater

bie ^l^rebigtcn nadj^ujc^reibcn gctDot)nt ift, t)at manche ©tropf)c,

ol^ne öon bem Slltcn bemerft ju loerben, aufgejeidinet unb

mehrere ßicber nac^ unb nac^ äujammengeje^t."

S)en anbern '•Ulorgcn fam 3arno ju SBilljetmcn unb jagte «B il^m: „©ie muffen un* einen föcf allen tun; Sijbie mu§ einige 3eit entfernt loerben; i^re heftige unb, id) barf ftol^Ifagen, un» bequeme ßiebe unb £eibcnjc!)aft t)inbcrt bc« 58aronä ©enefung. ©eine Söunbe »erlangt 9iu^e unb ©elaffenljeit, ob fie gleii^ bei feiner guten 9iatur nid^t gcfäl)rlidj ift. ©ie ^abcn geje^en, mic »0 \i)n £t)bie mit ftürmijc^er ©orgfalt, unbejroinglidicr Slngft unb nie öerfiegenben Iräncn quält, unb genug", fc^te er nad^ einer ^^aufc mit einem £äd)cln l^inp, „ber "»Dlcbifu«! uerlangt audbrücf(id), bafe fie ba«J .^lauä auf einige 3cit üerlaffen fülle, äöir l)aben i^r eingebilbet, eine fef)r gute f^reunbin t)alte fid^

2*

20 SBil^elm mti^txt Se^rjo^re.

in bcr SHüf)c auf, bcriange fic ju feigen unb crluartc fie icbcn Slugenblicf. ©ie f)at )ic^ bcreben taffen, ju bein ©erid^töl^attct ju fahren, ber nur ^loei 8tunben üon I)ier lDo!)nt. S)tejer ift unteni(i)tet unb njirb ^eijlirf) bebouern, bafe gi^öulein It)erejc foebcn roe99efaf)ren ici; er xoixh roo^iicfteinüd) matten, bafe man 5 fie nod) einholen tonne, ßqbie loirb il^r nacheilen, unb roenn baä @(ücf gut ift, luirb ftc üon einem Crte jum anbern gefüt)rt tücrbcn. ^u^'^lj^- *ocnn fie biauf beftef)t, roieber umjufctiren, barf man it)r nic^t roiberfpred)en; man mufe bie SHad^t ju|)ülfe nehmen, ber ßutfd^er ift ein gefd^eiter ßerl, mit bem man nod) lo Slbrebe ne{)men muß. 6ie fe^cn fic^ ju it)r in ben SSagen, unter= Ijoltcn fie unb birigicren baä 3lbentcuer."

„Sie geben mir einen fonberbaren unb bebenüid^cn Sluf« trag", öerfe^te 2Birt)eIm. „2öie ängftltd^ ift bie ©egenroart einer gefränften treuen 2iebe! Unb i(^ foll felbft baju baä Sßerfjcug is fein? ift ba§ crfte 'DKal in meinem ßeben, ba^ id^ jemanben auf biefe 2öeife f)intcrge^e; benn id) 1:)abe immer geglaubt, ba§ un^ ju n)eit füt)ren fönne, toenn wir einmal um be§ @uten unb 9Ui^lic^en icillen ju betrügen anfangen."

„können tt)ir boc^ ^inber nidjt anberä er^ieljen al§ auf 20 bicfe SBeije", öerfetjte Slai^no.

„33ei ßinbern mörf)te no(^ l^inge^^en", fagte 2Bill)elm, „inbem mir fie fo järtlic^ lieben unb offenbar überiet)cn; aber bei unfcrögleid^en, für bie unä m6)t immer baä ^er^ fo laut um (Srf)onung anruft, möd)tc oft gcfä^rlic^ »erben. 2)od| 25 glauben ©ie nid^t", ful)r er nac^ einem furzen 9iac^benfcn fort, „bafe tc^ be^njegen biefen 2luftrag abtcl)ne. S3ei ber 6t)rfurd^t, bie mir 3il)t 3)erftanb einflößt, bei ber IReigung, bie ic^ für Staren trefflichen ^yreunb füllte, bei bem lebl)aftcn SBunfd^, feine ®e= nefung, burd^ toeld^e Mittel fie aud^ möglidl) fei, ju beförbem, 30 mag id^ mid^ gerne felbft üergeffen. ift nid^t genug, ba§ man fein ßeben für einen ^reunb tt)agen fönne, man mu^ aud^ im 'Jlotfall feine Überjeugung für il)n berleugnen. Unfere licbfte ßcibenfdf)aft, unfere beften 2öünidl)e finb xoix für il;n auf3U=

StebenU» öucft. Vitvtei ÄapiteL 21

Opfern fd^utbig. 3c^ überneljmc ben Sluftrag, oB ic^ gleich f($on bie Cual DorQU5Jct)e, bie xdj Don Cijbienö irdnen, Don il)tcr jöerjrociflung tncrbe ju crbulbcn ^oben."

„S)agcgcn eriuartet Sie aud) teine geringe Selol^nung", ber= 6 fc^te 3arno, „inbem ©ie ^yröulein Jl^erejcn fennen lernen, ein Frauenzimmer, roie iljrer roenige gibt; fie bejd)ämt tjunbcrt 2Jiänner, unb id§ mö^tc fie eine roaijxt ^Imo^one nennen, tocnn anbere nur als artige ^ermapI)robiten in biefer ätoeibeutigen ßleibung ^erumgel)en."

10 SBil^elm mar betroffen; er t)offte in X^erefen feine Stmajone tDtebcrjufinben, um fo mc!)r a[§ 3aino, oon bem er einige 2luä= fünft oerlangte, furj abbrach unb fxdj entfernte

S)ie neue na^e .^offnung, jene Dcrctjrte unb geliebte ©eftoü üjieberjufe^cn, brachte in iljm bie fonberbarftenSctoegungen I)er«

15 Dor. Qx ^iclt nunmct)r ben 3luftrag, ber iljm gegeben toorben mar, für ein SBerf einer ausbrücf ticken Sdjicfung, unb ber @e= banfe, baß er ein arme«) ^Diäb(i)en üon bem ©egenftanbe ii^rer oufric^tigften unb l^eftigften ßiebe ^interliftig ju entfernen im S3egriff mar, erfd^ien il)m nur im Sßorübergctjen, Joieber8d^attcn

20 eines Sogeis über bie erlcud)tete 6rbe loegfliegt.

S)er 2Bagen ftanb oor ber iure, ßpbic jaubcrte einen Slugenblicf, I)inein,^ufteigen. „©rufet (Juren ^errn nod^matö", fügte fie ju bem alten iöebicnten; „Dar ^Jlbcnb bin id) tticber jurücf." 3!ränen ftanben il)r im 9Iuge, al^ fic im i^ortfal)ren

25 fiel) nod^mals umroenbete. 8ie feierte fid^ barauf ju SSittjclmcn, naf)m fic^ jufammen unb fagte: „Sie njcrbcn an i^räulcin I^e» tefen eine fc^r intercffante '^^erfon finbcn. Wid) rounbert, toie fTc in biefe ©egenb fommt; benn Sie njtrbcn roo^l roiffen, bafe fie unb ber 33aron fic^ f)eftig liebten. Ungcüd)tet ber ßntfemung

80 toar ßot^ario oft bei i^r; id) mar bamals um fie, fc^icn, alä ob fie nur füreinanber leben mürben, ^^uf einmal aber jerfdjlug fidj'ä, o^ne bafe ein IJlenfc^ begreifen fonntc toarum. Qx t)attc mic^ fcnnen lernen, unb id) leugne nid)t, bafe ic^ Il)erefen i)cx^= lid) bcncibcte, bofe id) meine ''Jh'ii-(iing jn i^m faum Herbarg, unb

22 gStUielm aarifteri fie^rjo^rt.

ba^ iä) il^n nid^t jurüdEftic^, olä er auf einmal mid^ ftattXl^crefen ju »oäljrcn jd)ien. 6ie betrug fic^ gegen mi(^, tote id^ nid^t beffer roünjc^cn tonnte, ob gteid) bcinal^e jd^etnen mußte, atS l^ötte id) it)r einen jo tt3ertcn2iebl)ober geraubt. SIfcer auc^ roicoicl taufenb tränen unb St^mcrjen t)atmic^bicfe£iebeid)ongefü)"tetl 5 6rft fa^en wir un§ nur juroeilen am brüten Orte Derftotjlen, aber lange fonnte id^ baä ßeben ni(^t ertragen; nur in feiner ©egenniart mar id^ gtücflic^, gan^ glürflic^! gfem bon i^m l^atte ic^ fein troifneä Slugc, feinen rut)igen ^^ulöjc^tag. ßinft öerjog er me!^rere 2:age, id) tnar in 25eräroeiflung, mad)te mid^ lo auf ben 3Beg unb überrafd^te ii^n ü)ier. 6r na^m mid^ tiebenott auf, unb märe nid^t biejer ungtüdietige .^anbet ba^miid)en ge= fommen, fo ^ätte id^ ein l^immlijdjeö ßeben gcfüt)rt; unb roa^ id^ auögcftanbcn Ijäbe, feitbem er in (Sefa!^r i[t, feitbem er leibet, fag' idf) ni(^t, unb nod) in bicfem Slugenbtidc mac^e icE) mir leb= 15 l^afte 25ormürfe, ba^ id^ midf) nur einen 2ag öon if)m ^abc cnt= fernen fönnen."

SBill^etm tooHtc fid^ eben näl^er nac^ ST^crefen erfunbigen, aU fie bei bem ©eric^tSl^alter t)orful)ren, ber an ben 2Bagen fam unb oon-^erjen bebauerte, ba§iyräulein2^t)erefe fc^on abgefahren 20 fei. 6r bot ben Keifenben ein ^ri^^ftüdf an, fagte aber jugleid^, ber 2Bagen mürbe nod) im nä(^ften 2)orfe einju^oten fein. ^JJlan entfd^Ioß fid^, nad^jufal^ren, unb berÄutfd^er föumtenid^t; man l^atte fc^on einige Dörfer jurüdgetegt unb niemanb angetroffen. 2t)bie beftanb nun barauf, man folle umfe^ren; ber ihitfd^cr 25 fu!^r ju, al§ öerftünbe er nidE)t. ßnblidf) öerlangte fic mit größter |)eftigfeit; SBir^elm rief i'^m ju unb gab i^m baä üer» abrebete3eid)cn. S)er^tid)er ermiberte: „2öir tiaben nic^t nötig, benfetben 2Beg jurüdäufafiren; id^ toeiß einen nähern, ber gleidi öiel bequemer ift" (Sr ful^r nun feitmärt^ burd§ einen »o SBalb unb über lange Triften meg. ©nbtid^ , ba fein befanntcr ©egenftanb jum SSorjdEiein fam, geftanb ber Äutjdjer, er fei un= glürflid^ermcife irregefa^ren, motte fid§ aber balb mieberäured^tc= finben, inbem er bort ein S)orf fe|e. S)ie 9lad^t fam l^erbei, unb

Siebentes Suc^. gUnftei ßapiteL 23

ber itutfd^cr mad)k leine Sad^e fo gefrf)i(ft, ba§ er üfecraltt fragte unb nirgcnb^ bic 5lutnjort abroartete. <Bo fu{)r man bie ganjc ÜJod^t, ß^bic jc^toB fein ^luge; bei ^onbi^cin fanb fie überall 2it)nlid)fciten, unb immer ücr|d)n)anben fie ttjicbcr. ITtorgcnä 5 fd^iencn iljr bie ©egenftänbe bcfannt, ober bcfto unertoarteter. Süer SBagen i)idt üor einem flcinen, artig gebauten ^anbtjaufe flitte; ein Frauenzimmer trat au^ ber 2üre unb öffnete ben ©d)lag. ßi)bie jat) fie ftarr an, fat) fic^ um, fal; fic »ieber an unb lag o^nmäc^tig in äöiltjclmö Firmen,

10 f fmflcs ^flpitel,

SBit^elm toarb in ein 5Ilanfarbjimmcrd^cn geführt; ba§ ^au^ tDar neu unb fo flein, al^ Beinah' nur mögüd^ toar, öufecrft rcin(icf) unb orbentlid). ^n Jljerefcn, bie \i)n unb Cijbien an ber fiutfc^e empfangen ^atte, fanb er feine Slmajone nic^t;

15 e^roar ein anbcred, einl)immeIn)eitöonil^runtcrf(^iebene^2Befen. 2Dot)Igebaut, ot)ne grofe ju fein, berocgie fie fid) mit üiel iicb= l^aftigfeit, unb itjren I)eEcn, blauen, offnen Slugen ic^ien nid)t§ öerborgen ju bleiben, toaS Dorging.

6ie trat in SBit^clm§ Stube unb fragte, ob er ettoaä bc=

80 bürfe? „95erjeil)en Sic", fagte fie, „ba^ id^ Sie in ein 3ii"ntcr logiere, hai ber ölgeruc^ nod^ unangenctjm maci)t; mein tleine^ ^au5 ift eben fertig geroorben, unb Sie tt)ei^en bicfe^ Stiibc^en ein, baä meinen ©öften beftimmt ift. SBärcn Sie nur bei einem angenehmem 3lnla& t)icrl 2)ie arme ß^bic toirb un§ feine guten

'5 läge mad)en, unb überhaupt muffen Sie öorlicb ncljmcn; meine ßöcf)in ift mir eben jur ganj unrechten ^eit auä bem S^icnftc geloufen, unb ein Änec^t l)at fid) bic ^anb jerquetfc^t. täte not, ic^ öerric^tete atlcä felbft, unb am @nbc, toenn man fid) barauf einrid}tctc, müßte auc^ gel)en. Tlan ift mit niemanb

80 met)r geplagt alä mit ben S)ienftboten; c8 toill niemanb bienen, nic^t einmal fid) felbft."

Sie fagte nod) manrf)e§ über öerfc^icbene öcgenftönbe, über-

24 fBll^elra aneifter« fie^rja^re.

{)aupt f(I)icn fte gern ju fprecEjen. 2Bilt)etm fragte nadf) ßljbten, ob er baä gute 2Jiäbrf)en nid^t jef)en unb [irf) bei ii^r ent|(i)utbigcn fönntc.

„2)aä toirb je^t nic^t bei i'^r toirfen", öerje^te ^I^erefe; „bie 3cit entjd)utbigt, toie fie tröftct. Söortc ftnb in beiben %'ä\Ltn 5 öon ttjenig Sita]t. £i}bie tüiH 6ie nic^t fef)cn. ,2afjen ©ie mir il^n ja nid)t öor bie Slugen fommen', rief fie, alö iä) [ie Der» lte§; ,id^ möd)te an ber ^Jlcnjc^'^eit öerätoeijetn ! ©0 ein el^rlid^ ®efi(^t, \o ein offneä SBetrogen unb bieje t)eimtid)e ZMtV üo» tt)axxo i[t ganj bei it)r entfc^ulbigt; aui^ jagt er in einem 35riefc 10 an ba§ gute 'iJJföbd^en: ,2)teine gi^eunbe berebeten mid), meine f^rcunbe nötigten mic^!' 3" biefen red)net ßljbie ©ie aud^ unb öcrbammt ©ie mit bcn übrigen."

„©ie erjeigt mir ju öiet 6^re, inbem fie mid^ fc^ilt", ber= jeljte 2ßilt)efm, „ic^ barf an bie fjj^eunbfctiaft btefc^ trefflid)en 15 5Jianneö norf) feinen Slni^jrucE) mad)en unb bin bieämal nur ein unj^ulbigeä 2öer!äeug. ^d) mU meine |)anblung nic^t toben; genug, id) tonnte fie tuni toar öon ber ©ejunb'^eit, mar öon bem Seben eincä 'iUlanneö bie ^zi>t, ben id) pt)er fd^ä^en mu^ ali irgenb jemanb, ben icf) öcr!)cr tonnte. D toelc^ ein 20 5Jlann ift ba§, gräulein! unb tDeId)e 9Jtenfct)en umgeben il)n! 3n biefer ©efettldjaft i)ab' id), fo barf ic^ toot)I fagen, jum erften» mal ein ©cjpräc^ gefüt)rt; jum erftenmal tarn mir ber eigcnfte ©inn meiner SBorte au§ bem 2Runbe eineä anbem reic^t)attiger, öotter unb in einem großem Umfang toieber entgegen; toaä id} 25 at)nete, marb mir flar, unb toaä id) meinte, lernte id) anjd)auen. Selber marb biefer @cnu§ erft buri^ atterlei ©orgcn unb ©rillen, bann burc^ ben unangenet)men Stuftrag unterbro(^en. 3c^ über= na£)m it)n mit Ergebung; benn id) ^ielt für ©(^utbigfeit, fetbft mit Slufopferung meineä @efüt)t§ biefem trefflid)en Äreife öon so 2Jlen)(^en meinen ©inftanb abäutragen."

Sl^erefe I)atte unter biefen 2Borten il^ren (Saft fel^r freunbtid^ anQciet)en. „O, tüie fü§ ift e§", rief fie au§, „feine eigne Über= seugung aus einem frembcn 5Jtunbe ju I;ören! 2Bie ttjcrben toir

Siebente« »u(5. gflnfte« Äopiter. 25

crfl rcd^t toit ]tlb\t, tocnn un§ ein aiiberct toontommcn rec^t gibt, 'äudi id} benfe über VJotljario Doütommen icie Sic; nid)t jebermann löBt i^m (Sered)ti9feit roiberf atiren ; bafür jc^toär* mcn aber auä) aüt bie für it)n, bic ii)n nät)cr fennen, unb

B baö idimer^Iic^e ©efüf)!, ba§ [ic^ in meinem Jpetjen ^u jeinem 9lnbenfen mijd)t, tann mic^ nic^t abgalten, tägli^ an il^n ,ju benfen." 6in Seufzer erroeiterte if)vt S5ru[t, inbcm ftc biefeä jagte, unb in il)rem rechten Sluge btinfte eine icf)önc Stdnc. „©tauben ©ic nid)t", fu^t fic fort, „baß ic^ fo roeic^,

10 fo lei(^t ju rütjren bin! 6d ift nur bag ^luge, baä rocint. 3c^ t)atte eine fleine aSarje am untern ^^lugentib, man t)at mir fie glücflic^ abgebunben, aber baä ^iluge ift feit ber 3«^* immer fdjroad) geblieben, ber geringfte Einlaß brängt mir eine Xräne ^crüor. ^ier faß i>ci^ 2!Bäräd)en; 6ie fel)en feine (Spur mc^t

15 baoon."

Gr fa^ feine Spur, aber er fa!^ i^r in§ Slugc, tcar ftar

wie ih^ftatt, er glaubte bi§ auf bcn ©runb il^rer Seele ju iet)en.

„23ir t)aben", fagte fie, „nun baö Isiofungömort unjerer SSer»

binbung auögciprodjen; laffen Sie un^ fobatb ali möglid) mit=

20 einanber ööüig befünnt tocrbcn. S)ie @eid)i^te hei ^JJtenfd^en ift fein 6:^ara!ter. Sd^ miU 3t)nen er^d^len, njie mir ergan= gen ift; jc^enfen Sie mir ein flcincä 9)ertraucn, unb loffcn Sie unö auc^ in ber gerne öcrbunben bleiben. 2)ie SBelt ift fo teer, rocnn man nur ißerge, glüffe unb Stäbte barin bcnft, aber ^ie

26 unb ta jemanb ju roiffen, ber mit unä übercinftimmt, mit bcm loir auc^ ftiUfditteigenb fortleben, bai morf)t unä biefeä ßrbcn» runb erft ju einem bcmofintcn ©arten."

Sie eilte fort unb berfprac^, il)n batb jum Spaziergange objul^otcn. ^))xt ©cgenmart f)atte fef)r angenet)m auf i^n gc»

80 roirft; er toünfd)tc if)r ißer^ättniä ju 2ot^ario p erfahren. 6i lüorb genifcn, fie fam i^m au^ i^rem ^immer entgegen.

SIU fie bic enge unb beinal)' fteite Ireppc einzeln hinunter» ge^en mußten, fagte fie: „Xai föunte alle* toeitcr unb breiter fein, tocnn ic^ auf baä Stncrbictcn Stjrcä großmütigen Ofreunbe^

26 3BU^elm «mrifteri Se^rja^re.

]§fittc l^örcn tooUcn; bod^ um feiner toert ju BtciBen, muß iä) boä an mir ert)altcn, roai m'xd) \l)m ]o tocrt machte. 2Bo ift ber JöeitDQltcr?" fragte [ic, inbem fie bie Jreppe ööllig ^erunterfam. „©ic muffen nic^t beuten", fu^r fle fort, „ba& id) fo reic^ bin, um einen 35ern)Q(tcr ju braudfien; bie teenigen ^cEcr meincgi b f5reigüt(^enö fann ic^ njüljl jelbft bcftetlen. 3)cr Serroalter gc= I)ört meinem neuen ^tod^bar, ber baä f(f)öne ®ut gcfauft tjat, boä ic^ in= unb ouömenbig fcnne; ber gute alte ^Jlann liegt franf am ^;|3obogra, feine £cute finb in biefer ©egenb neu, unb iö) t)c(fe iljncn gerne, fid^ einrid^tcn." lo

(£ie mad)tcn einen Spaziergang burd^ ^cfcr, SBicfen unb einige 33auingävtcn. 2:f)ercfe bcbcutcte ben Sßermalter in allem, fie fonnte it)m öon jeber ^leinigfeit 9lcd[)cnic^aft geben, unb 2Bt[!)e(m !)atte Urfac£)e genug, firf) über iljre j?enntni§, il^re SSe» ftimmti)eit unb über bie ®en)anbtt)eit, toit fie in jebem i^allc is 5)littel anzugeben tou^te, ^u öertounberu. ©ic ()iclt fid^ nirgenbä auf, eilte immer ju ben bcbeutenben ^^^unftcn, unb fo toar bie 8a(i)e balb abgetan. „@rü^t euren ^erm", fagte fle, aU fie ben ^ann tierabji^iebete; „idE) tücrbe il^n fobalb aU möglidt) it^ fudE)en unb münjdie öottfommenc 33efferung. S)a fönnte ic^ 20 nun aud^", fagte fie mit Säct)eln, aU er meg mar, „batb reid^ unb öiet^abenb merben; benn mein guter 9lad§bar toärc nic^t abgeneigt, mir feine Jpanb ju geben."

„S)er ?llte mit bem ^obagra?" rief SCßill^elm; „id^ mü^te nid^t, toie ©ie in 3ft)ren ^fa^i^en ju fo einem öerätoeifelten 6nt= 25 fd^tuB tommcn fönntcn?" „^d) bin audf) gar nidjt oerfurf)t!" berfe^tc X^erefe. „2Bot)I^benb ift jeber, ber bem, toaS er be= fi^t, öorjuftcl^cn tociß; üiell^abenb ju fein, ift eine läftige ©ad£)e, toenn man nid£)t üerftel^t."

SBiHjetm jeigte feine 2}crtounberung über i'^re 2öirtfd)aft5= so fenntniffe. „föntfd^iebene^^eigung, frül^e Öelcgenljeit, äußerer eintrieb unb eine fortgelegte 33e|d^äftigung in einer nü^tid^en ©ad)e madjcn in ber SBelt nodt) tiiel mc!^r möglid^", Perfekte iHierefe, „unb toenn Sie erft erfahren toerben, toaö micE) baju

extbmtei 9u4. Stdiitti Xccpiitl 27

Belebt ]^Qt, fo toerbcn ©ic [ic^ üBer baS yonbctBar fd^eincnbc Talent nic^t mc^r rounbcm."

Sic Iie§ i^n, aU fic ju .^aufc anlangten, in t'^rcm fletncn ©arten, in njclc^em er iid) faum ^eruinbre^en fonnte; fo eng

6 toaren bie Söegc unb fo reii^üd^ war aUeö bepflanzt. 6r mufite töc^eln, aU er über ben ^of jurüdfetjrte, benn ba lag baö33renn= l^üfj fo affurat gejagt, gefpalten unb gejctiröntt, als roenn ein 2eit beä ©cbäube^ tnäre unb immer fo liegen bleiben fottte. giein ftanben alle @efä§e an il^ren *pia^en, baä |)äuöc^en toar

10 tociB unb rot angeftricfien unb luftig anjufc^cn. 2Ba^ baö.öanb= toerf Ijcröorbringen fann, bai feine fc^önen Sßer^ältniffe tennt, aber für SBebürfnii, Stauer unb ^eiterfcit arbeitet, fc^ien auf bem "llta^c bereinigt ju fein. ^Jlan bracf)te i^m ba^ ßffen auf fein ^i'Jiincr, unb er t)atte 3cit genug, S3ctra^tungcn an^u»

15 ftellen. S3cfonber§ fiel il^m auf, ba§ er nun roieber eine fo intcr» cffante ^erfon fennen lernte, bic mit £ott)ario in einem nal)en 2}er^ältniffe geftanben ^atte. „Sitlig ift e§", fagte er ju fid^ fclbft, „bafe fo ein trefflicher Ulann aud} treffliche SBeiberfeelen an fid^ jic^e! 2öie ttieit öerbrcitet fi^ bie Söirfung ber ^Idnnlic^feit

20 unb SBürbe! Söenn nur anberc nic^t fo fe^r babei ju furj fämcn! 3a, gefte^e bir nur beine gutc^t! SQBenn bu bereinft beine 3Ima= Jone toieber antriff ft, biefe ©eftalt aller ©eftalten, bu finbeft fie, tro^ aller beiner |)offnungen unb Jräume, ju beiner 23efd)ä» mung unb Demütigung bo^ noc^ am Gnbc al^ feine S3raut."

» §tif^ts llflpitcl.

SBil^elm l^attc einen unruhigen ^at^mittag nid^t gan^ ol^nc ßangetocile jugebraci^t, at^ fic^ gegen *2lbcnb feine Süt öffnete unb ein junger artiger 3ägerburf(^e mit einem öru^e Ijcreintrat, „2öoUen n)ir nun fpa^ieren gcl)cn'?" fagte ber junge 30 ^JJlenfdi, unb in bem ?lugenblicfe erfanntc SBil^elm iljerefen an il^ren fc^önen Singen.

„33erjcil)en <&ie mir bicfe 2JiaSfcrabc", fing fic an, „benn

28 'fflil^etm aieiftet« «e^rja^re.

(cibcr ijl c8 jc^t nur ^aötcrabe. 2)oc^ ba [^ 3tf)ncn einmal bon ber Qtii ci,\ä()ten joH, in ber ic^ mid^ jo gerne in biejer SCßcftc' \at), roiü id) mir aud^ jene Jage auf alle 2Bci|e öcrgegen» toärtigcn. klommen ©ic! jetbft ber ^^^la^, an bem toir jo oft öon uni'crn ^agben unb Spaziergängen au§rut)ten, jott baju 5 beitragen."

6ie gingen, unb auf bem 2öegc jagte 2:^erefe ju i'^rem 23e» gleitcr: „6ö ift nid)t billig, bafe <Sie mid^ allein reben laffen; \d)on loiffen (£ie genug Don mir, unb id^ tt)cife nod^ ni^t ba§ minbefte üon Sinnen; crjäl)len ©ie mir inbefjen ctroaä öon fi(^, lo bamit id) ''JJiut befomme, 3!t)nen au(^ meine ©ejd^id^te unb meine S3crt)ältnifje Dorjulegen." „Seiber t)ab' id^", öerie^te2öill)etm, „nid}t^ ju er5ät)len aU Irrtümer auf S^rrtümer, SScrirrungen auf 3)erirrungen, unb id) mü&te nic^t, toem id^ bie S3ern)orren= {)eiten, in benen id^ mic^ befanb unb befinbe, lieber öerbergen i5 möd]te als 3^nen. 2ft)t Slid unb attcö, toaä ©ie umgibt, ^i)x gan.^eö äöcjen unb ^t)x 23etragen jeigt mir, ba^ Sie fid^ 3{}re§ üergangcnen ßcbcnä freuen fönnen, bafe ©ie auf einem jd^önen, reinen 3Bcge in einer fidlem i^ol%t gegangen finb, baß ©ic feine ^eit üerloren, bafe ©ie fic^ nid)tä öorjumerfen I)aben." 20

jf^erefe (äd)eüe unb öerfeljte: „2Bir muffen abwarten, ob ©ic aud^ nod^ fo benfen, toenn ©ie meine ©efd^id^te t)ören." ©ic gingen meiter, unb unter einigen attgemeinen ©efpröd^en fragte if)n 2:t)ereje: „©inb ©ie frei?" „^ä) glaube ju fein", öer» fcjjte er, „aber iä) tt)ünf($e nid^t." „©ut!" fagte fic, „ba§ 25 beutet auf einen fomplijierten Üioman unb jeigt mir, ba^ ©ie audt) etmaä p erjätilcn l)aben."

Unter bicfcn 2Borten ftiegen fic ben ^üget l^inan unb la= gerten fid) bei einer großen 6id^e, bie i^ren ©d)atten toeit um= !^er öerbreitetc. „^icr", fagte Sl^erefc, „unter biefem beutfdl)en 30 Saume toitt ic^ 3^nen bie @eidl)id)te eineä beutfifjen !Dläbc£)en§ erääl)len; l)ören ©ic mii^ gebulbig an.

1 Säaerroainä.

Siebentei gu(^. 6ec^ftt8 ggpittL 29

„Wtin SSatev toar ein too'^ffiabcnber gbctmonn biefer ^?ro= binj, ein Weiterer, ftarer, tätiget, roacfrer ^Jtann, ein järtlid^er Später, ein rebUc^cr gi^eunb, ein tvefiU(i)cr äBirt, an bem ic^ nur bcn einzigen gf^fer fonnte, ba§ er gegen eine f^rau ju nad^»

5 fid^tig toar, bie i^n nid^t ju jc^ä^en rouBte. ßciber mufe id) ba§ Oon meiner eigenen ^hittcr jagen! ^t)x SBeien niar bem jeinigen ganj entgegengeje^t 6ie njor xaiä), unbeftänbig, otjne '•Jicigung loeber für i^r ^auä nod) für mic^, i^r ein^igcö ^inb; üerfdiroem bcrifd), aber jrf)ön, geiftrcic^, öotter latente, baö (Jnt^ücfen eine»

10 Qxxtd^, ben fie um fii^ ju üerjammeln touBte. ^rciti^ war it)re ®efeIIj(^Qft niemals grofe, ober blieb ni(^t lange. 2)iefer 3irfel beftanb meift auö "i)iännem, benn feine ^^ran befanb \[6) too^l neben il)r, unb nod) weniger tonnte fie baö 33erbienft irgenb eineä SBeibeS bulben. 3^ Q^i«^ meinem SBater an (^e=

15 ^alt unb ©cfinnungen. 2öie eine junge 6nte gleii^ bas SQßaffer fuc^t, fo toaren öon ber erftcn 3ugenb an bie ^üd)e, bie iSor= ratefammer, bie (Sd)cunen unb 53öben mein Clement. £ie Crb= nung unb 9teinlt(^feit be§ |)aufe§ f^ien, fetbft ba ic^ noc^ jpieltc, mein einziger 2inftintt, mein ein,ygeS ?lugenmerf ju fein. "OJlein

20 S3ater freute fic^ barüber unb gab meinem tinbiid)en Seftreben ftufentoeife bie jroecfmdfeigften 5ßefd)äftigungen; meine '•Ututter bogegen liebte mic^ nic^t unb üert)et)lte feinen 9Iugcnblicf.

„3c^ ttJud^S l^eran, mit ben 3al)ren ücrmc^rte fid) meine STötigfeit unb bie ßiebc meineä SBaterö ju mir. 2Benn mir

:5 allein Waren, auf bie gelber gingen, wenn idi iljin bie 'Hed)nun» gen burd^fcljen t)alf, bann fonnte xdj iljm red^t anfüljlen, roie glürflid^ er war. Söenn xd) il)m in bie ^^lugcn fa^, fo mar c^, atä wenn x6) in mid) felbft l)ineinfäl)e; benn eben bie lUugcn Waren cä, bie midi [\)m bottfommen ä^nlic^ mad)ten. '^Iber

30 nid)t eben ben IDhit, nid^t eben ben 9Iuöbrurf bet)iclt er in ber Gegenwart meiner Butter; er entfd)ulbigte mid) gclinb, wenn flc mid^ ^eftig unb ungere^t tabelte; er nat)m fid) meiner an, nid^t als wenn er mid^ befd)ü^en, fonbern, als wenn er meine guten &igenfd)aften nur entfd)ulbigcn fönntc. So feljte er auc^

gO aBilttlm SWeifter» fle^rja^re.

feiner bon il^rcn gicigungcn ^iiibcrniljc entgegen; fie fing on, mit gröBtcT ßcibcnjcfiait fic^ auf bag erfiaujpicl äu mx]m, ein T:l)cater iDQib erbauet, an '•Ulännern feljlte nid)t öon atten SUtem unb ©eftalten, bie fi^ mit il)r auf bcr SBütjne barftcEten, an i^raucn f)ingcgen mangelte oft. £^bie, ein artige^ 5Jläb= 6 c^en, ba§ mit mir crjogen morben mar, unb bas glcic^ in itjrer erften ^ugenb rei^enb äu tuerben berjpraci), mu&te bie jmeiten gHüIlen übernc'^men, unb eine alte ilammerfrau bie ^Jlüttcr unb 3:anten borfteEen, inbc§ meine ^JJiuttcr fid^ bie erften Sicbtiaberin» ncn, |)elbinnen unb Sdiäferinncn aller 2lrt borbet)ielt. 3t(^ lo lann 3t)nen gar nict)t jagen, mie lädiertic^ mir bortam, menn bie 'DJlenidien, bie id) aüe xtäjt gut fannte, fi^ berfleibet t)atten, ba broben ftanben unb für ettoas anberä, aU fie maren, get)at» ten jein rooaten. Sd) fat) immer nur meine 2Jlutter unb ßljbien, biefen SBaron unb jenen 8efrctär, fie motten nun aU dürften i5 unb ©rafen ober aU Säuern erfc^cinen, unb ic^ tonnte nid^t begreifen, mie fie mir zumuten mollten, ju glauben, baß i^nen mot)l ober toel)e fei, ba^ fie berliebt ober gleidigültig, geijig ober freigebig feien, ba ic^ boc^ meift bon bem ©cgenteile genau unterridjtct mar. S)eötoegen blieb id) aud) je'^r jeltcn 20 unter ben Bujdiauem; id) pu^te il)nen immer bie ßid)ter, bamit lä) nur etmai p tun l^atte, bejorgte ba§ Slbenbeffen unb ^atte be§ onbem ^morgenS, toenn fie nod) lange fd)liefen, fd)on i^rc ©arberobe in Orbnung gebrad^t, bie fie be§ 5lbenb§ gemö'^nlic^ übereinanber geworfen äurücflie^en. 25

„deiner ^lutttx fd/ien bieje 2:ätigfeit gana red^t au fein, ober it)re ^leigung tonnte id) nic^t erwerben; fie berad)tete mic^, unb i(^ weife noc^ red)t gut, bafe fie me^r al§ einmal mit Sitter« leit micbeTl)olte: ,2öenn bie 5Jtutter jo ungemife fein tonnte alg ber Sater, fo mürbe man mol)l fd)tt)erlid) biefe ^agb für meine so Stoc^ter :^alten. od) leugnete nid)t,bafe il)r Setragen mid)nac^ unb nad)gana bon i'^r entfernte, id)betrad)teteil)rc^anblungenmiebie Jpanblungen einer fremben ^^erfon, unb ba ic^ gerooljnt mar, toie ein gälte ba§@efinbe äu beobachten, benn, xmSorbeige^en gejagt.

eiebenteS Su^. eei^^i fiapiteL gl

boTQuf Bcriif)t eigcntlid) bcr ©ninb aller .^auS^^altung, fo fielen mir natürlich aiid) bic SBerljältniifc meiner "JJtutter unb i^rcr@e= feEjcf)aft auf. (J# liefe [ic^ mo^l bemerfcn, bafe fic nid)t alle Männer mit ebenbenjclben klugen anfalj; id} gab id)ärfcr arf)t

5 unb bemcrfte balb, bafe ß^bie JBcrtraute mar unb bei biejer ®e= legcn^cit jelbft mit einer ficibenjdiaft bcfannter mürbe, bie fie öon il)rer crjten 3ugenb an jo oft üorgeftellt t)atte. ^dj mufetc alle i^re ^ujammenfünfte, aber id^ id}roicg unb fagte meinem SJater nid)tö, ben id^ ju betrüben fürrf)tcte; enbtid^ aber roarb

10 ic^ baju genötigt, ^lanc^eä fonnten fie nirfjt unternct^men, o{)nc ba2> öiefinbe ju beflecken. Siejeä fing an, mir ju trogen, bie 3lnorbnungcn meinet Sßaterg ju Demad^läifigen unb meine 93c« fel)le nid^t ju boHäicl^cn; bie Unorbnungen, bie barau^ entftan= ben, maren mir unertrögtid), id^ entbecfte, ict) f tagte attesf niei=

16 ncm SBater.

„Qx f)öxtt mid^ gelaffen an. ,®ute§ ^inb!' fagte er jute^t mit ßäd^etn, ,id) meife alle^; fei ruf)ig, ertrag' mitöebulb, benn ti ift nur um beinctmiüen, bafe id) leibe.'

„3^ roar nid)t ru^ig, ic^ t)atte feine ©cbulb. 3d^ fd^alt

JO meinen 93ater im ftillen; benn id) glaubte nid)t, bafe er um irgenb einer Urfad^e roillen fo etroaä ju bulben braud^e; id^ beftanb auf bcr Drbnung, unb id) mar entjc^loffen, bie (Sac^c aufä äufecrfte tommen ^u taffen.

„steine 'iJlutter mar reic^ Don fid), t)crjct)rte aber bod^ mc'^r,

.'6 aU fte jollte, unb bie«J gab, mic i(^ mo^l merfte, mand)e (^rflä= nmg jmijdjen meinen ßltern. ßange mar ber <Badje nid)t ge= Ijütfen, b'ii bie 2eibcnid)aftcn meiner ÜJiuttcr jelbft eine 9Irt öon Gntroidelung ^erüovbrad)ten.

„S)er erfte ßicb^abex marb auf eine cftatanteSOßetfe ungetreu;

•0 ba§ .^auö, bie ©egenb, i!)re 93erl)ältniffe maren i^r juroiber. 8ie mollte auf ein anbereö Wut jieljcn, ba mar iljr ju einjam; fie molltc nac^ bcr 8tabt, ba galt fie nid)t genug. 3c^ mei^ nid^t, roai aüeü jmiidjcn iljr unb meinem Sater öorging; genug, er entid)lofe fic^ enblid) unter 33cbitigungen, bie ic^ nid)t erfuljr,

32 üBil^tlm gleiiierg ge^rjo^re.

in eine JRcifc, bic fic naä} bem fübüt^cn f^ronheid^ tun wollte, einäutrtiüigcn.

„2Bir toaren nun frei unb leibten h)ie im .^immel; ja id^ glaube, ba§ mein SJater nic^t^ öertoren t)at, toenn er it)re ®e= genroart auc^ jc^on mit einer Qnjel)nlirf)cn ©umme abfaufte. 5 ?tüeö unnü^e ©efinbe marb abgcjc^afft, unb baö fölücf jd)ien unfere Orbnung ju begünftigen; mir t|«tten einige jel^r gute 3fQ{)re, QÜeä gelang nad^ 2Bunic^. 2lber teiber bauerte biejer fTot)e 3"l'tanb ntd^t lange; gan^ unöcrmutet marb mein Sater toon einem Sd^lagftufje befallen, ber il^m bie rechte ©eite lät)mte lo unb ben reinen ©ebraucl) ber (Sprache benal)m. ^tan mufete aEeö erraten, ma§ er öerlangte; benn er bract)te nie ba§ 2öort I)eröor, baö er im 8inne t)atte. ©el)r ängftlid^ roaren mir ba=» l^er mand)e Slugenblicfe, in benen er mit mir auebrürflid^ allein fein roottte; er beutete mit l)eftiger ©cbärbe, ba§ jcbermann fid^ 15 entfernen follte, unb menn mir unö allein fa^en, mar er ni(^t im ftanbe, ba§ rerf)te SBort t)eröoräubringen, ©eine Ungebulb ftieg aufä äufeerfte, unb fein 3u[tanb betrübte mic^ im innerften ^erjcn. <So Diel |cE)ien mir gcmi^, ba^ er mir etmaä ju bertrauen l)atte, ba§ mid) befonberö anging. 3öeld^e§ Verlangen fül)tt' 20 i(^ nid^t, ju erfal)ren! ©onft fonnt' id^ it)m aUesi an ben 2lugen anfeilen; aber je^t mar eg öergcbenä! ©elbft feine Singen fpra(^en nid)t met)r. 9lur fo öiel mar mir bcutlidl): er mottte ni(f)tä, er begehrte nicl)t§, er ftrebte nur, mir etmaS ju entbccfen, ba§ id) leiber nid)t erfuhr, ©ein Übel mieberl)olte fid^, er roarb 25 balb barauf ganj untätig unb unfätjig; unb nid)t lange, fo mar er tot.

„^ä) roei^ ni(^t, mie fid^ bei mir ber @eban!e feftgefe^t !§atte, bafe er irgenbroo einen ©d)a^ nicbergclegt t)abe, ben er mir nad) feinem Jobe lieber al§ meiner Butter gönnen mottte; 30 id^ fud)te fd^on bei feinen ßeb^eiten nad^, attein id^ fanb nid)t§; nad) feinem Xobe marb atteä oerficgelt. ^d) fdt)rieb meiner ^hit= ter unb bot i^r an, al§ SSerroalter im ^an\t ju bleiben; fic fd)lug au§, unb id) mu^te ba§ ®ut räumen. (J§ fam ein

toed^fcIfeitigeS 3:eflament aum SJorfd^cin, tooburd^ [u im S8e[i^ unb ©cnufe öon aUem unb id^, »enigftcng il^re ganje Sebengäcit über, öon \i}x abf)ängig blieb. 9iun glaubte lä) erft rcd^t bic SBinfe meinet Satcrä ju tierftc^n; i(^ bebaucvte il)n, bofe er jo

5 jd)tt)ad^ getücfen toar, auc^ nacf) jcinem 2obc ungerecht gegen mic^ ju fein. S)enn einige meiner greunbe toottten jogar tt^ l^amiten, fei beino)^' nic^t beffer, aU ob er mid^ enterbt l^ätte, unb öerlongten, iä) foHte baä Sieftamcnt angreifen, moju id^ mid^ aber nic^t entfcl)lie§cn !onnte. 2ld) bcre^rte baä Slnbenfen

10 meines S5ater8 ju fel^r; ic^ bertrautc bem «Sc^icffal, id^ bertrautc mix fclbfi

„3d^ l^attc mit einet S)amc in ber 9iad^barfd£)aft, bie gro§e ®üter befa^, immer in gutem SJerl^ältniffe geftanben; fie nal^m mid^ mit Vergnügen auf, unb marb mir leidet, balb if)rer

15 ^auöl^altung öorjufte^n. Sie lebte felir regelmäßig unb liebte bic Dibnung in allem, unb id^ l)alf i^r treulich in bem Äainpf mit SSermalter unb ©efinbe. 3fd^ 6in toeber geijig nod^ miB» QÜnftig, aber mir SBeiber befielen überl^aut)t biel ernftl;after al'3 felbft ein 5Rann barauf, baß nid^tS berfdlilcubcrt mürbe, ^feber

20 Unterfd^leif ift unä uncrträglidl) ; mir tooEen, baß jeber nur ge» nieße, infofem er baju berechtigt ift

„9lun mar iä) mieber in meinem ©Icmentc unb trauerte ftiH über ben 2ob meinet SSaterS. 5Reine 58efd)ü^erin mar mit mir jufrieben, nur ein ftcincr Umftanb ftörte meine 9iut)e. 2^»

25 bic fam jurücf ; meine Butter mar graufam genug, baä arme SJiäbd^en abzuflößen, nadt)bem fie au§ bem @runbc berborben toot. ©ie l^attc hti meiner SJluttcr gelernt, £eibenfd^aften olS Scflimmung an,yife'^en; fie mar gemöt)nt, ft^ in nid^tä p mäßigen. 2118 fic unöermutet mieber crfdl)ien, natjm meine

80 aOÖo^ltäterin aud^ ftc ouf; fie tootttc mir an bie ^anb gcl^n unb fonnte fid^ in nid^tS fdf)iclen.

„Um bicfe 3"* famen bie 33ermanbtcn unb !ünftigen Qxben meiner 2)amc oft ing ^awi unb bcluftigtcn fiel) mit ber 3agb. 5lud^ ßot^ario mar mand)nml mit il^nen; ic^ bemerfte gar balb,

34 aBtn^Im roetfter« geSrla^re.

tote ]c^x er ftd^ bov allen anbcm aiiöäeic^nete, jeboc^ o'^nc bie minbcftc Sejicfiung auf mic^ jctbft 6r toax gegen attc '^öilidj, unb batb fd^ien 2t)bie jcine ^uftnerfjamEeit auf fic^ ju jie^en. 3[rf) t)attc immer ju tun unb war feiten bei ber ©efettf^aft; in feiner ©cgcnwart fpracf) id) ttieniger at8 gcn)öt)nli(f), benn 5 ic^ Win nic^t leugnen, ba§ eine lebhafte Unterljattung öon jel^cr mir bie SBürje be§ ßeben§ mar. ^d) f^Jrad) mit meinem 33ater gern öiel über alleä , ma§ begegnete. SBaä man nid)t befpric^t, bcbcnft man ni(f)t red)t. deinem ^Jlenfi^en Ijatte id) jemals lie» ber äugeljört alö 2ütt)ario, toenn er öon feinen SReifen, üon jei» lo ncn ^etbjügen erjätjüe. S)ie SBelt tag it)m fo flar, fo offen ba toie mir bie ©egenb, in ber ic^ gerairtfdiaftet ^atte. ^6^ '^örtc ni(^t etwa bie munbertid^en ©d)idfale bes Slbenteurer§, bie über- triebenen |)albma^r{)eiten eineö befd^ränften Sleifenben, ber im- mer nur feine -perfon an bie Stelle beö ßanbeä fe^t, moöon er is un§ ein Sitb p geben öerfpridit; er erjätjüe ni(^t, er führte unä an bie Orte felbft; iä) f)abc nic^t leicht ein fo reine§ 33ergnügen entpfunben.

„5tber unausfpred^Iid^ toar meine 3ufrieben'§eit, alä id^ i^n etne§ 3lbenb§ über bie f^rauen reben ^örte. S)a§ ©efpräd^ mad^te 20 fic^ gona natürlicE); einige 2)anien auä ber 5^act)barfd)aft t)atten un§ befud^t unb über bie Sitbung ber ^Jrauen bie gemö^nlidt)en ©efprädie gefüt)rt. 5Jlan fei ungercd^t gegen unfer ©efd^ledjt, l^ie^ cä, bie 5Jlänncr toottten alle ^öf)ere Äultur für fi^ bel)a(> ten, man moüe un§ ju feinen aGßiffcnfd^aften julaffen, man üer= 25 lange, ba^ mir nur 2;änbetpuppen unb ^auöt)älterinnen fein fottten. ßof^ario fpract) menig ^n aU biefem; al§ aber bie ©c» feltfcl)aft fleiner toarb, fagte er au(^ t)ierüber offen feine 5Jlet« nung. ,6ä ift fonberbar', rief er au§, ,ba| man bcm Planne berargt, ber eine grau on bie l^öi^fte Stelle fe^cn mill, bie fie einäunef)men fät)ig ift; unb todäjt ift l)öt)er aU ba§ 9tegiment be§ ^aufeä? SBenn ber 5}tann fid^ mit äußern 2JerI)ältniffcn quält, toenn er bie Jßefi^tümer ^erbeifdt)affen unb bcfd)ü^en mu^, Wenn er fogar an ber ©taatgöermaltung Slnteil nimmt, über-

eutfttte« 9uS). S«6fte« AairttrT. 85

Ott öon Umflänbcn a^ängt uub, iä) möd^te jogen, ntd^tS regiert, inbcm er ju regieren glaubt, immer nur politifd) jein mu§, too er gern ücmünftig tcäre, öerftecft, too er offen, fatfc^, tt)o er reb» lid^ ju fein tDünfrf)te; toenn er um be§ 3i«Ic^ toiflen, bo^ er nie

5 erreicht, ba§ f (fünfte Siel, bic Harmonie mit fic^ fclbft, in je» bem 5lugenblitfe aufgeben mu§: inbeffen l§errfd)t eine öernünf= tige ^aulfrau im Innern toirttid^ unb mad^t einer ganjcn 5a= milie jebe Jätigfeit, jcbe 3ufriebcnl§cit mögtic^. 235aä ift ba» pd^fte @Iü(f beä 5)lenfc^en, aU ba& tuir baä ausfüfjrcn, tDa§

10 toir aU red)t unb gut cinfel)en? ba§ toir lüirtlit^ |)erren über bie Mittel ju unfern SnjecEen fmb? Unb tno foQcn, too fönnen unfere nac^ften S^Jerfe liegen, al§ innerhalb beä ^aufc§? SIIIc immer toieberfel^renben unentbe^rlid^en Scbürfniffe, too erloar» ten tt)ir, too forbem toir fie, alä ba, too toir auffielen unb un§

15 nieberlegen, too Siüä;e unb i?eller unb jcbe 2lrt toon S)oaat für uns unb bicUnfrigen immer bereit fein folf? 2Betd§e regelmäßige Xötigfeit toirb crforbert, um biefe immer toiebcrfet)renbc £)rb= nung in einer unöerrüdtten, lebcnbigen ^olge burd^jufü'^ren! 2öie toenig 3Jiänncm ift eS gegeben, glei($fom aU ein ©eftirn

20 regelmäßig toicberjufc^rcn unb bem 3^age fo toic ber ^aä^t öor= juftef)n, fic^ il^re l)äu§li(^en SSerfjeuge ju bilben, ju pflanzen unb ju ernten, ju t)ertoal)ren unb au^jufpenben unb ben Ärciä immer mit 9tu^e, ßiebe unb 3^erfinäBigteit ju burditoanbeln ! ^ot ein Sßeib einmal biefe innere ^errfd^aft ergriffen, fo mad)t

25 fie ben 3Jiann, ben fie liebt, erft allein baburci) jum .^errn; i^re Slufmcrffamteit ertoirbt alte Äenntniffe, unb il^re lätig» feit toeiß fie alle ju bcnu^en. ©o ift fte öon niemanb abl^ängig unb tjeTfd)afft il^rem^anne bie toal)reUnabl)ängigfcit, bic Ijäuä- lid^c, bie innere; baö, toa§ er bcfi^t, fiel)t er gefid)ert, ba§, toaä

80 er ertoirbt, gut benufjt, unb fo fann er fein ®emüt na^ großen ©egenftänben toenben unb, toenn ba§ ©lüdE gut ift, ba§ bem 6taate fein, toaä feiner ©attin ju ^aü\t fo too'^l aufteilt.'

„(5r ma(f)te barauf eine S3cfd^reibung, toie er fi(| eine Sfrau toünft^e. 3*^ toöi^b rot; benn er befd)ricb mid^, toie id) leibte

tBit^flm TOdfttr« fiel^ol^rf.

unb lebte. 3<^ geno^ im ftitten meinen 2;riunH)]^, um ]o mclir, bo id^ aus allen Umftänbeu \df), ba^ er mid^ peryönlid^ nid^t flemeint f)atte, ba^ et mic^ eigcntlid^ nid^t fannte. ^6) erinnere mxd) feiner angcneljmem ©nipfmbung in meinem ganjen ßeben, als ba§ ein ^iann, ben i^ jo \tl)x id)Q^te, nict)t meiner ^^erjon, s jonbem meiner innersten Sflatur ben SSorjug gab. SGßcId^e S5c» lol^nung füt)lte idE)! SGßelc^e 2Iuf munterung toar mir getoorbcnl

„5llö fie »eg Waren, jagte meine ttiürbige iJrreunbin läc^elnb ju mir: ,©d^abe, ba§ bie 5Jtänner oft beuten unb reben, toaä fie bod^ ni(^t jur 5luäfüt)rung fommcn lafjen, jonft h)äre eine lo treffliche Partie für meine liebe Sljereje gerabeju gefunben.' 2ld^ fct)eräte über it)re ^u^erung unb fügte Ijiuäu, bafe ^toar ber S3er- ftanb ber Männer fid^ nad^ .g)auö;^Qlterinnen umfelie, ba| aber il^r ^erj unb iljre 6inbilbunggfraft fic^ nadl) anbern ©igen- jdfiaften jc^ne, unb ba^ toir .g)au§^älterinnen eigentlid^ gegen 15 bie liebenStoürbigen unb reijenben 2)läbcl)en feinen SBettftreit au§l^alten fiJnnen. 2)iefc SBorte fagte id^ £t)bien jum @et)ör; benn fie berbarg nidjt, ba§ ßotl^ario großen 6inbrudE auf fie gcmadtit l)abe, unb aud^ er fd)ien bei jebem neuen SSefud^e immer aufmerfjamer auf fie ju tocrben. ©ie tuar arm, fie toar nidl)t 20 bon ©taube, fie tonnte an feine ^eirat mit il^m beuten; aber fic tonnte ber SBonne nid^t toiberftel^en, ju reiben unb gereijt ju toerben. ^ä) l^atte nie geliebt unb liebte aud^ je^t nidE)t; allein ob mir fcf)on unenblid^ angenel^m toar, ju feigen, too^in meine 9latur bon einem fo bcrcl^rten 2)lanne geftetlt unb gered^nct 2s toerbe, toiU id^ bodt) nid)t leugnen, ba§ id^ bamit nicf)t ganj ju« frieben toar. ^ä) toünfd^te nun audl), ba§ er midi) tenncn, ba^ er perföulic^ Slnteil an mir nel^men mö(i)te. entftanb bei mir biefer SBunfd^ ol^nc irgenb einen bcftimmten (Sebantcn, toa§ barauS folgen tonnte. so

„S)er größte SDienft, ben icl) meiner SBo'^ltäterin leiftetc, toar, baB idl) bie fd)önen SBalbungen ifirer ®üter in Orbnung ju bringen fud)tc ^n biefen töftli^en SBefi^ungen, bereu gro- ßen 3B»rt 3eit unb Umftänbe immer berme^ren, ging c8 teiber

eteBrntrI »u«. ekd^ftel Jtapitd. g7

nur immer nad^ bcm alten ©c^tenbrian fort, nirgenbS toar 5ptan unb Drbnung unb be§ ©te^ten^ unb be§ Unter|(i)teifä !etn 6nbe. ^ancfie Serge ftanben öbc, unb einen gleichen 2öu^§ l^atten nur no(^ bie ältcften 8(i)tQge. ^d) beging alleä fetbft

ft mit einem ge|cf)i(ften gorftmann, ic^ Ite^ bie SBalbungen meffen, iäi liefe Ic^lagen, jäen, pflanzen, unb in hirjer 3eit toar alleä im Öange. ^ä) t)Qtte mir, um leidster ju 5Pferbc fortjufommen unb aud) ju gufee nirgenbä ge'^inbert ^u jein, ^ann§fleiber mad)en lafjen, id^ toar an bieten Orten, unb man fürct)tetc mic^

10 überatt.

„3(^ '^örte, bafe bie @efcllicf)aft junger f^reunbe mit ßof^a^ tio toieber ein Sagen angefteÜt l^atte; jum erftenmat in meinem Seben fiel mir'g ein, ju |d^ einen, ober, bafe icf) mir nicf)t un« rcc^t tue, in ben 3lugen be§ trefflidien 5)tanne§ für ba§ ju

15 gelten, toai ic^ toar, ^dj jog meine ^annätleiber an, nal^m bie gtinte auf ben 9iücfen unb ging mit unferm 2fäger "^inauä, um bie (SejeCjc^aft an ber ©renje ju ermarten. ©ie fam, So» tl^ario fannte mic^ nid^t gteict); einer öon ben Üleffen meiner SBo^Üäterin ftellte mid) il^m aU einen gef(i)itften gorftmann

20 üor, fd^erjte über meine Sugenb unb trieb fein (Spiet ju meinem ßobe fo lange, bi§ enbli(^ 2ott)ario mid) erfannte. 2)er ^teffe fefunbierte meine Slbfid^t, at^ toenn toir abgerebet l)ätten. Umftänbli^ erjä^lte er unb bantbar, maä ic^ für bie (Süter ber Jante unb aljo aud) für i^n getan l^atte.

25 „ßott)ario ^örtc mit Slufmerfiomfeit ju, unter'^iclt ftc^ mit mir, fragte nad^ allen S3crl)ältniffen ber ©üter unb ber ©egenb, unb ii^ mar frol^ , meine Äenntniffe öor il^m ausbreiten ju fön» nen; ic^ beftanb in meinem (Jyamen fet)r gut, ict) legte \i)m einige SBorf(^läge ju gemiffen Serbefferungen jur Prüfung öor, er

»0 billigte fte, erjä^lte mir äl)nlid)e Seifpiele unb berftärtte meine ©rünbe burd^ ben SufflTinientiang, ben er i^nen gab. ^eine Sufrieben^eit toud^ä mit jebcm Slugenblidt. 9lber glürfli(^er« toeife üJoHte ic^ nur gelaunt, tooütc nid)t geliebt fein: benn toir famen nac^ ^aufe, unb ic^ bemerfte me^r ald fonft, ba|

8d gütT^etm Vitifteti aeJ^rja^re.

bie StufmerfJQmfcit, bie er ß^bicn beäetgte, eine l^eimltd^c Stei- gung äu berraten fd^ten. S<i) '§attc meinen ©nbätocdE erteilet unb toax bo(^ nic£)t rul)ig; er jetgte öon bem Stage an eine toa^irc 3l(^tung unb ein j($öne§ 3}crtrauen gegen mid), er rebcte mid^ in @e|eüid)aft gctoöl^nlic^ an, fragte mid) um meine Meinung & unb fc^ien BcjonberS in ^aus!)aüungöjad)eu ba§ 3uttauen ju mir äu l^aten; aU toenn id) atte§ tüiffe, ©eine Scilna^me mun» tcrte mi(^ au§erorbenttid§ auf; fogar toenn öon allgemeiner ßan» be§ö!onomie unb bon ginau^en bie Siebe toar, jog er mid) in§ @ej|)räd) , unb ic^ jud)te in feiner 2l6toefenl^eit me!^r ßenntniffe lo öon ber 5]3rot)inä, ja bon bem ganzen ßanbe ju erlangen. toarb mir leicht; benn toiebcrl^olte fid^ nur im großen, toaS ifi) im fleinen fo genau tou^te unb lannte.

„(h tarn bon biefer 3eit an öfter in unfer ^ou§. toarb, id^ !ann too^t fagen, bon allem geit)ro(^en, aBer getoifferma^en 15 toarb unfer ® efpräc^ äute^t immer öf onomif d) , toenn aut^ nur im uneigentlid)en ©inne. 235a§ ber ^Renfd) burc^ fonjequentc SIntoenbung feiner Gräfte, feiner 3eit, feine» ©elbeä, felbft burd^ gering fc^einenbe 9)littel für ungeheure Söirfungen IierDorfirin» gen fiinne, barüÖer toarb biel gef|)roc^cu. 20

„^ä) toiberftanb ber 5icigung nid)t, bie miä) ju i^m jog, unb i(^ füllte leiber nur ju Balb, toie fe'^r, toie l^erälid^, toic rein unb aufrichtig meine Siebe toar, ba ic^ immer met)r ju bc* merlen glaubte, ha^ feine öftern S3efud)e 2t)bien unb nid^t mir galten, ©ie toenigften§ toar auf ba§ tebl^aftefte babon überzeugt; 25 fic madfite mic^ ^n i^xzx SJertrauten, unb baburd^ fanb id^ mid^ nod^ einigermaßen gctröftet. 5£)a§, toa§ fie fo fe^r äu i^rem Vor- teil auslegte, fanb id^ lcine§toege§ Bebeutenb; bon ber Slbfid^t einer emftl^aften, bauernben Serbinbung zeigte fid^ feine ©pur, um fo beutlid)er faf) id^ ben .^ang bc§ leibenfd)aftlid£)en 2JMb» so d^enS, um jeben 5prei§ bie ©einige p toerben.

„©0 ftanben bie ©ad£)en, ol§ mid) bie grau bom ^aufc mit einem unbermuteten Eintrag überrafc£)te. ,2ot]^ario', fagte flc, »bietet ^C^ncn feine ^anb an unb toünfc^t ©ic in feinem ßebeu

Ctetente« 9vä). SedüHtS itapitcl. 89

immer jur Seite ju l^abcn.' (Sie üerbreitcte fid^ üBcr meine ©gen- fd^aftcn unb jagte mir, waä id^ \o gerne anhörte, ba& 2ott)ario überäcugt jei, in mir bie ^^crjon gefunben ju I)aben, bie er ]o lange gemimfdjt l^atte.

5 „£a§ ^ö^fte ©lücf toar nun für mici^ erreid^t: ein 3)lann berlangte mic^, bcn ic^ jo fel^r fd^ä^te, bei bem unb mit bem id^ eine ööllige, freie, ausgebreitete, nül}Ud)e SBirfung meiner an» gebomen Neigung, meinet burd^ Übung ertoorbenen 2:alent8 bor mir fa^; bie «Summe meineä ganzen S)aiein§ jd^ien fi^ inä

10 Unenblii^e öerme^rt ju ^aben. ^äj gab meine 6inroittigung, er !am fetbft, er fprai^ mit mir allein, er rcidite mir feine ^anb, er fal^ mir in bie Slugen, er umarmte mi(^ unb brücfte einen Äufe auf meine ßippen. mar ber erfte unb Ic^te. Qx öertrautc mir feine ganje Cage, toaä iljn fein amerifaniji^er 5eti>ä"Ö 9>^

15 foftet, totidie Sc^utben er auf feine ©üter geloben, toic er ftd^ mit feinem @ro&ot)eim einigermaßen barüber entjmeit t)abe, mic biefer mürbige 'iDlann für i^n ju Jörgen benfe, aber freiließ auf feine eigene %xt: er moEe if)m eine reid)e '^xau geben, ba einem too^lbentenben ^Jtanne bocf) nur mit einer ^auö^äüiid)en ge»

20 bient jei; er ^offe burd^ feine (Sdf)roeftcr ben 3llten ju bereben.

(5r legte mir ben 3uftanb feinet 33ermögen§, jeine ^Jßtane, feine

2Iuöftrf)ten bor unb erbat [lä) meine 5)litmirfung. ^ur bi§ jur

Gimoilligung jeine«> Dt)eimö joüte ein @et)eimniä bleiben.

„Äaum ^atte er fic^ entfernt, fo fragte mid^ 2l)bie, ob et

25 etma öon i^r gejprod)en i^aht. 3d^ fagte nein unb mad)te il^r ßangcmcile mit 6r^äl)lung öon öfonomij(^en ©cgcnftänben. Sie 'toor unrubtg, mißtaunig, unb fein SSctragcn, aU et tuieber« lam, oerbefferte it)ren ^uftanb nid^t

„5)od) id) je^c, baß bieSonne fic^ ju i^rem Untergange neigt!

so Qi ift 3^r ©lud, mein 5«unb, Sie Ijätten fonft bie ®cjd)ic^te, bie id^ mir fo gerne felbft erjäljte, mit aßen i^rcn flcinen Um» ftänben burd)l)örcn muffen, fiaffen Sie mid^ eilen! mir naiven einer Gfoc^c, bei ber ni(^t gut ju ücrmcilen ift

,^ot^ario mad^te mic^ mit feiner trefflichen ©d^toeflet be»

40 asil^elnt Vtemt« Mt\o^»-

tonnt, unb btcfe tou^tc mid^ auf eine fd^irftid^e 2öeiie Beim C^eim einjufü^ien; id) gewann ben eilten, et billigte in unjrc SBünic^e, unb ic^ fehlte mit einer glücfüd^cn ^ac^ric^t au mein« Sßo^t« täterin äutücE. S)ie (£act)e toar im .^aufe nun !ein ®et)eimni8 mel^r, Sit)hk crful^r fie, [ic glaubte etroaä Unmögtic^eä ju öcx» 6 ncl^men. 31B fie enblicf) baran nici)t mel^r ätoeifeln fonnte, öer» f(i)»anb fie auf einmal, unb man tou^te nidit, tto^in fie fid) bct- loren '^atte.

„SDer Sog unferer S5etbinbung nat)te lietan; id^ l^attc il^n fd^on oft um fein S3ilbniä gebeten, unb id£) erinnerte il^n, eben lo aU er toegteiten tooltte, no(i)mal§ an fein S3erfpredt)en. ,©ie l^a« ben bergeffen', fagte er, ,mir ba§ ®el)äufe ju geben, toot)inein ©ie gepaßt toünf d£)en.' tcar fo: idt) l^atte ein ©efc^enf öon einer gteunbin, ba§ id^ fel)r toert t)ielt. S3on i^ren paaren toax ein berjogener ^Jlame unter bem äußern ©lafe befeftigt, intoen« is big blieb ein Icereä ßtfenbein, tooiauf eben il^r 23ilb gemalt werben foHte, al§ fie mir unglüd£lidl|ertt)eife burd^ ben Xoh cnt» riffen würbe. Sotl^arioä 9leigung beglücfte mid) in bem Singen- blidEe, ba i^r SBerluft mir noc^ fe^r fd^merj^ft War, unb id^ Wünfcfite bie ßüdfe, bie fie mir in il^rem ©efc^enf aurücEgelaffen 20 ]§atte, burd) ba§ 33ilb meine§ f^reunbeS au§äufüllen.

„3dE) eile nadE) meinem 3iwinier, l^ole mein ©d)mucE!äftd£)en unb eröffne in feiner ©egenwart; faum fiel)t er l)inein, fo er= blicEt er ein 9JlebaiIlon mit bem Silbe eine§ fjrauenäimmer§, er nimmt in bie $anb, betrad£)tet mit 2lufmerffamfeit unb 25 fragt l^aftig: ,2öen fott bie§ «Porträt öorftetten?' ,^einc Butter', berfe^te id^. ,^ätt' ic^ bod) gcfd^Woren', tief er au§, ,c§ fei ba§ Porträt einer grau bon ©aint Sllban, bie ic^ tior einigen Sfa^i'en in berSc^weij antraf.' ,@§ ift einerlei ^erfon', berfe^te id£) lädtielnb, ,unb ©ie '^aben alfo 3^re Sd^Wiegermutter, so o'^ne ju wiffen, fennen gelernt. (Saint 5llban ift ber roman= tifcf)e 9lame, unter bem meine 5Jlutter reift; fie befinbet fidE) un« ter bemfelben no(^ gegenwärtig in ^Jtanfrei^.*

,„3cl) bin ber ungtüdEli(i)fte atter aJlenfd^enl' rief er au§, in»

6<c(entc< «M- e<4flH JtopiteL 41

kein er hai Silb in baä Äöftc^en jurücftoarf, feine ?Iugen mit her ^onb bebecfte unb jogleid^ ba§ 3™"^^ öerlie^. (5t toatf fiöi auf fein '^fctb, ic§ lief auf ben ffialfon unb rief il^m nac^; et leierte ftd^ um, toarf mir eine ^anb ju, entfernte fiä) eilig 5 unb ic^ ^abe il^n nic^t toieber gefe^en."

3)ie 8onne ging unter, ^j^erefe fa^ mit unöertoanbtemSBtidtc in bie ®Iut, unb il^rc beibcn fd^önen Slugen füttten fi«^ mit tränen.

2^crefe fd^toieg unb legte auf il^reS neuen Sf^cunbeS ^änbe

10 il^re ^anb; er fü^te fie mit Jeilne^mung, fic trodEnete il)rc 3!rä« nen unb ftanb auf, „Soffen 6ic ung jurücfgel^en", fagte fie, „unb für bie Unfrigen forgen!"

£aä ®efprä(^ auf bem SBege toar nid^t lebl^aft; fie lamen jur (Sartentüre t)erein unb fa^en £t)bien auf einer 23an! ft^en;

X5 fie ftanb auf, toic!^ il^nen au^ unb begab fid^ inS ^au» ^üiüd; fie ^atte ein ^^o^iier in ber |)anb, unb jtoei fleine 2}iäbd§en waren bei i^r. „3(i^ fel^e", fagte ST^erefe, „fte trägt il^ren einäigcn Zroft, ben Srief 2ot]^ario§, noä) immer bei fid^. ^i)x greunb tjerfprid^t i^r, ba§ fie glcid^, fobalb er fid^ too^l befinbet, toieber an feiner

80 Seite leben foll; er bittet fte, fo lange ru^ig bei mir ^u öermei» len. 3ln biefen 2Borten l^ängt fic, mit biejen :^tiitn tröftet fte fic^ , aber feine ^teunbe ftnb übel bei il^r angef dfjricbcn."

Snbeffen waren bie beibenilinbcr^erangcfommen, begrüßten Sl^erefen unb gaben i^r 9?ec^enfrf)aft öon allem, toa^ in il^rcr

» 3lbtoefenl^eit im ^aufe öorgcgangcn War. „8ie fe^en l^ier nod^ einen leil meiner ißefd^äftigung", fagte ^^^erefe. „3dE) f)abc mit ßot^arioS trefflicher »Sc^wefter einen 58unb gemad)t; toir er» jie^en eine ?ln,5af)l Äinber gemeinfcftafttic^; ic^ bilbe bie lebl^af» tcn unb bicnftfcttigen ,£)ausl;ältcrinnen, unb fte übernimmt bie>

M ienigen, an benen ftd^ ein ruf)igere§ unb feineres Talent jeigt; bcnn ift billig, baß man auf jebc SBeife für ba§ ßlücf bei 5)iänner unb bcr |)auel)altung forge. Söeun Gie meine eble greunbin fcnnen lernen, fo rocrben ©ie ein neueä fieben anfan« gen: il^re 8c^ön^eit, i!^re ®üte ma^t fte ber Anbetung einer

42 mt^tlm gndfterg 8e^lal»re.

ganzen SBelt toürbig." SÖir^elm getraute fid^ nic^t ju fagen, ba§ er leiber bie jd)öne @räfin fc^on fennc, unb ba^ if)n fein borüBcrgel^enbeä S3ert)ältnt§ ju il^r auf etotg Id^merjen loerbe; er toar jel^r aufrieben, ba§ 2::^erc|c ba§ ©ejpräd^ nic^t fortfc^te, unb ba^ il^re ©efc^äfte fic in ba§ .^auä jurücf^uge^en nötigten. & (Sx bcfanb ftd^ nun allein, unb bie le^te ^ad^ric^t, ba§ bie junge jd^öne ©räfin aud^ jd^on genötigt jei, burcfi 2öof)ttätigfcit ben 5Ranget an eignem ©tüdE ju erje^en, machte il^n anwerft traurig; er fül)tte, ba§ Bei itjr nur eine 9lottt)cnbigfeit toar, fid^ ju jeiftreuen unb an bie ©teile eineS frol^en 2eben§genuffe§ bie lo Hoffnung frember ©lücEfeligteit ju ]i^tn. 6r prie§ 2t)erc|en glüdEüd^ , ba§ fetBft Bei jener unerwarteten traurigen Seränbe» rung !eine S5eränberung in it)r felBft öorjugel^en Brauchte. „SCÖic glüdfüd^ ift bcr über atteä", rief er au§, „ber, um fict) mit bem ©d^icEfal in (Sinigfeit ju fe^en, nid^t fein gan^eä bort)ergel^enbc8 u ScBen rtegäutoerfen BraudE)t!"

ST^erefe fam auf fein 3iRtmer unb Bat um Söerjeil^ung, ba§ fie il§n ftöre. „.^ier in bem 2Banbf($ranf", fagte fic, „fte^t meine ganje SiBtiot^ef; ftnb el^er SBüc^cr, bie id^ nid^t tocgtoerfe, aU bie id^ auft)cBe. Stjbie berlongt ein geiftlid)e§ S3ud^ , fin= 20 bet fid^ tool^l aud^ ein§ unb ba§ anbere barunter, S)ie ^enfc^en, bie ba§ ganje ^atir tocltlid^ finb, Bilben fid^ ein, fie müßten ^ur 3eit ber 9lot geiftlid^ fein; fie feigen atte§ ©ute unb ©ittlidf)e toic eine Strjenei an, bie man mit SBibcrmitten ju fic^ nimmt, toenn man fic^ fc£)led^t Befinbet; fie feigen in einem ©eifttid^en, einem 25 ©ittenle^rer nur einen Slrjt, ben man ni(f)t gefd)n)inb genug au§ bem ^aufe loStoerben !ann; id^ aber gefte^e gern, id^ l^aBc toom ©ittlid^en ben S3egriff aU Bon einer 2)iät, bie eben baburd§ nur S)iät ift, toenn ic^ fie jur £eBen§rcgel maä)t, toenn idE)fie ba§ ganje ^a^x nidCjt au^er 3lugen laffe." so

©ie fudE)ten unter ben Suchern unb fanben einige fogenannte 6rBauung§fd)riften. „5S)ic 3uftudE|t ju biefen 35üd£)em", fagte 2;i^erefc, „^at 2t)bic Don meiner 5Jlutter gelernt: ©dt)auf|)iele unb 9iomane toaren i^r SeBen, folange ber SieBl^oBer treu Blieb; feine

«te6ente« Vui). Be^^ui AapiUl. 43

ßntfcmung Brad)tc joglei^ bieje SBüdicr toicbcr in ihcbit. 3fd) fann überl^aupt nid^t begreifen", fu^r fic fort, „toic man l^at glauben fönnen, ba§ ©ott burd^ ©üc^cr unb ©efc^iditen ju unä \pxt6)t, 2Bem bie 2Belt nid)t utimittetbar eröffnet, toaä fic für

6 ein Scr^ältniä ju il^m l^at, wem fein .gjerj nic^t jagt, toaS er fid^ unb anbem fd^ulbig ift, ber toirb eS too()l fd^merlid^ au§ S3ü» d^cm erfahren, bie eigentlidj nur gefdE)icft finb, unfern 3n:tümcm 9lamen ju geben."

©ic tiefe SBif^elmen allein, unb er brad^tc feinen 5tbenb

10 mit 9letitfion ber Keinen Sibliotl^el ju; fle toar toirflid^ blofe burd) 3uffltt jufammcngcfommen.

Zf)txt\t blieb bie toenigen 2:agc, bie Söif^clm bei il^r öcr» toeilte, fid^ immer gleid^; fie erääf)ttc i^m bie i^ol^tn il)rer 33c= gcben'^cit in berfdf)iebenen 2lbfä^cn fe^r umftänbtic^. ^l^rem

15 (yebäd)tni§ tnar Xag unb 8tunbe, ^^pta^ unb ÜZame gegenU)är= ttg, unb toir jie^en, toaS unfern Sefem äu tüiffen nötig ift, l^ier ins Äurjc jufammcn.

S)ic Urfad^e bon Sotl^arioS rafc^er Entfernung liefe fid^ lei= ber leidet crflären: er toar 2^erefen3 IRuttcr auf i^rer Steife be»

20 gegnct, il^re SReijc jogen i^n an, fic toar nid^t farg gegen il^n, unb nun entfernte i^n biefcs unglüdlic^e, fdE)ncl( borübergcgan» gene ^enteucr bon ber SBerbinbung mit einem gtaueujimmer, baä bie 'üiatur felbft für il)n gebilbet ju l)aben fc^ien. 3^crefc blieb in bem reinen iheife it)rer S5cfd)äftigung unb il^rer ^flid^t.

25 JJian erfuhr, bafe 2i;bie fid^ l^eimlid^ in ber ^tad^barfd^aft auf« gel^altcn ^abc. ©ic toar glüdltd), aU bie ,^eirat, obgleid^ au§ unbefannten Urfad)en, nid^t öoQjogen tourbe, fie fud)te fid^ 2o- t^ario ju näl)em, unb f(^ien, bafe er mc'^r auS S3erjtoeiflung aU au§ 9ieigung, me^r überraid)t aU mit Überlegung, mel^r

80 auä Sangertoeilc al8 auS 33orfa^ il^ren 2öüuid)en begegnet fei.

3;^crefe toar rul^ig barüber, fie machte leine toeitem^lnfprflc^c

ouf i^n, unb felbft tocun er i^r ©attc geroeicn toärc, l^ätte fic

t)ieUeid)t 3}tut genug getjabt, ein folc^eö 2}erl)ältni§ ju ertragen,

toenn eS nur i^rc t/äuölic^c Crbnung ni^t gcftört ^ätte; toc>

44 »t^elm WlftPfrt »e^rioljrf.

nigflenS äußerte ftc oft, ba§ eine i^xau, bie ba3 ^Qu3tDe|en rcci^t julammenl^alte, i{)rcm tarnte jcbe fleine ^P'^antafic nad^fcl^en unb öon jeiner JRütffcl^r ieberjett getoi^ fein tonne.

2:i)eiefenö Butter l^atte balb bie Slngelegen^eiten il^reä S5er» mögenä in Unorbnung gebradit; il)re Jodetet mu&te eS entget» 5 ten, benn fic erl)ielt hjenig öon if)r; bie alte 2)ame, 2^erefen3 a5ef(i)ü^erin, ftarB, l^interticfe il)r ba§ fleine S^eigut unb ein artige^ Kapital jum 33ermQ(^tni§. Jlierefe toufete fid^ fogteid^ in ben engen ^ei§ p finben, fiotl^arto bot il^r ein beffereö S5c- fi^tum an, ^arno machte ben Unter^änbler: fie fc^lug au§. lo „^<i) toitt", fagte fie, „im f leinen jeigen, ba^ id^ toert toar, baS ©ro^e mit il)m ju teilen; aber baS bef)alte irf) miröor, ba^, toenn bcr S^^oSl mic^ um meiner ober anbcrer ttiitten in SJerlegen« l^eit fe^t, ic^ juerft ju meinem teerten ^reunb ol^ne SSeiienfen bie 3ufluc^t neljmen !önne." 15

^lid^tä bleibt toeniger öerborgen unb ungenu^t aU atoetf» mäßige Sötigfeit. ßaum l)atte fie fld^ auf il^rem Keinen ©ute cingeriditet, fo fud^ten bie 9lac^bam fcijon il^re notiere SSefannt» fct)aft unb it)ren 9{at, unb ber neue SBefi^er ber ongrenäenben @üter gab nid£)t unbeutlic^ ju berfte^en, ba§ nur auf fic an= 20 fomme, ob fie feine ^anb annel^men unb (5rbc bc§ größten 2;eil3 feines S5ermögen§ teerben toolle. ©ic t)atte fc£)on gegen 2Bit- t)elmen biefeS 2}erl)ältniffcä ertoätint unb fdEjer^te gelegentlid^ über |)eiraten unb 2Ri|]^eiraten mit i^m.

„6§ gibt", fagte fie, „ben 5Jlenfdt)en nid£)t8 me'^r p reben, 25 aU toenn einmal eine .gieirat gefd^iet)t, bie ftc nad^ ilirer 2lrt eine ^Jltpcirat nennen !önnen. Unb boc^ finb bie IRi^^eiraten öiel getoöf)nlic^cr al§ bie heiraten; benn fielet leiber nac^ einer furjen 3eit mit ben meiften Serbinbungen gar mi^lic^ au», 2)ie SJermifd^ung ber Stäube burd§ heiraten öerbienen 30 nur infofem 9Jli§t)eiraten genannt ju teerben, al§ ber eine 5tcil an ber angebomen, angetool)nten unb gleic£)fam nottoenbig ge» teorbenen ©jiftenä be§ anbem feinen 2;eil nefjmen fann. S)ic berfd)iebenen klaffen l^aben berfcf)iebene ßebenSteeifen, bie fic

nic^t mttcinanbcr teilen nod^ bcvtDed)jcIn fönnen, unb ba3 ifl'8, toarum Söctbinbungen bic|cr3lrt be||cT nic^t gefc^Ioffen »erben; ober 2Iuöna^men unb rec^t glücfiic^e Sluöna^men fmb mögli^. ©0 ift bie ^eirat eine§ jungen IJläbc^enö mit einem bejahrten

6 ^Qnne immer miBIid^, unb boc^ ^abt ic^ fte rec^t gut au»ict)Ia» gen fe^cn. %üx mic^ tenne id) nur eine ^i^^eirat, toenn id^ feiern unb repräjentiercn müfetc; i(^ »ottte lieber jebcm el^rbaren ^äc^teröjo^n auö ber ^lad^baric^aft meine |)anb geben,"

3Bi[^eIm gebadete nunmel^r äurücfjufeljren unb bat feine

10 neue f^reunbin , il^m noc^ ein 3lbi(^iebätoort bei 2l)bien ju öcr« jc^aften. 2)aä Ieibcnfd}a|tti(^e ^äbd)en Iie| fid^ beniegen, er fegte i^r einige freunbüc^c Sßorte, fie öerfe^te: „Sen crften ©d^merj '^ob' ic^ überwunben, £ott)ario toirb mir ctoig teuer fein; ober jeine gi^eunbe fenne id), ift mir leib, ba§ er fo um»

15 geben ift. 2;er 2lbbe toäre fo^ig, toegen einer ©rille bie 3)tcn- fd^en in ^lot ju laffen, ober fie gar l^ineinäuftürjcn; ber Slrjt. möchte gern aEe* ing gleiche bringen; 3amo '^ot tein ©cmüt unb ©ie toenigfteni feinen G^arafter! fya'^i^en ©ie nur fo fort unb laffen ©ic fic^ aU Söcrfjeug bicfer brei SJlenfd^en

20 braud^en, man toirb 3I)ncn nod§ mand^e ©jetution auftragen, Cangc, mir ift eg xtä)t too^l befannt, toar il^ncn meine Segen« loart jutoiber, id^ ^ttc it)r @c^eimni3 nic^t entbedft, aber id^ ]§atte beobachtet, ba§ fie ein @e^eimni§ bcrbargcn. SBop biefc öerft^Ioffcncn S^^^^^"^ ^icfc tonnberlid^en 6önge? äöanim

25 ?ann niemanb ju bem großen 2:urm gelangen? Söarum ber« bannten fie mid^, fo oft fic nur fonntcn, in meine ©tube? ^ä) toiß geftel^en, ba§ ßiferfud^t juerft mid^ auf biefe (Sntbedhing brachte, ic^ fürd)tcte, eine gtüdttid^c Nebenbuhlerin fei irgcnbtoo bnfterft. 9hin glaube id^ baä nid^t mcl)r, id^ bin überzeugt, ba^

so ßott)ario mid^ liebt, ba§ er reblid^ mit mir meint; aber ebenfo getoi^ bin i(^ überjcugt, ba§ er öon feinen fünftlic^cn unb falfd^en ^rcunbcn betrogen toirb. Söcnn ©ie fid^ um iljn öcr- bient mad^en tooHen, toenn 3^nen öerjicl^cn werben foH, toai Bit an mir berbrod)en l^iaben, fo befreien ©ie i^n aud ben ^Sn*

46 fW^elm TOcifter« fitferja^«.

bcn biclct 2Jlenji$en. S)odE) luaä l^o[fe id^! Ü6eneid)cn «Sic i!^m bicjen SBriej, toiebctliolen ©ie, ttiaä ex cnf^ätt: ba^ id^ il|n ctoig liefcen locrbe, bo^ id^ mid^ auf jetn SBort öerlo^je. 21(^1" rief jic aug, inbem fie aufftanb unb am ^al]t S^erefeng toeinte, „er ift bon meinen Seinben umgeben, jte merben il^n ju bexebcn 5 jud^cn, bol ict) il^m ni(i)t§ aufgeopfert l)abe; 0! ber befte 5Jlann mag gerne t)ören, ba§ er jebeä Opfer toert ift, ol^ne bafür bani* bar fein äu bürfen."

2GßinjeIm§ 2lbfd)ieb bon ST^erefcn toor l^eitercr; fie toünfdjtc iiin balb toieberäufelEien. „<Sie fennen mid^ ganj!" fagte fie, 10 „Sie t)aben micE) immer reben laffen; ift ba§ näd^fte 5Jlat ^^xe ^flid)t, meine 3lufricf)tig!cit ju ertoibern."

5luf feiner ülüdCreife l^atte er 3f^t Ö^^WQ' ^i^l^ ^^^^^ ^^^^ 6rfd[)cinung lebt)aft in ber Erinnerung ju bctract)ten. 2öeld§ ein 3iitrauen l)atte fie i!^m eingeflößt! @r badite an 5Rignon is unb Setij, toie gtüdlid^ bie Äinber unter einer fotcf)en 5Iuffidf)t Werben fönnten; bann bad)te er an fid£) felbft unb fü'^lte, toeldfie SBonne fein muffe, in ber 9läf)e eineg fo ganj Haren menfd^» tid^cn SBefenä ju leben. Sita er ficf) bem <Sd)lo| näf)ertc, fiel il^m ber 2urm mit ben bielen ©äugen unb ©eitengebäuben me^r 20 aU fonft auf; er na{)m fid^ öor, bei ber näd^ften ©etegen^eit 3amo ober bcn Slbbc barüber jur 9lebc ju ftellen.

31I§ 2öitt)ctm nad£) bem ©cE)Ioffe !am, fanb er ben eblen Sotl^ario auf bem SBegc ber öölligen Sefferung; ber Strjt unb 25 ber W)U toaren nid)t zugegen, 2{amo aEein toar geblieben. Sn furjer Seit ritt ber ©enefenbe fd£)on toieber an^, balb allein, balb mit feinen iJ^eunben. ©ein ©efpräd^ toar ernftl^aft unb gefällig, feine Unterl)attung bele'^renb unb erquidenb; oft bemerfte man ©puren einer jarten gü'^lbarfeit, ob er fie glei(^ ju tjcrbergen 3o fucf)te unb, tocnn fxe fi(^ toiber feinen Sßilten aeigte, beinal§' ju mipiHigen fc^ien.

eiebentt« Su«. CUbente« Staviiel 47

©0 toat CT eines SlBcnbS fliß Bei 2ii(i)e, 06 ex gleid^ l^citer

„Sie i)abcn "^cute gctoi^ ein SIBcnteuer gel^aBt", jagte enb« lid^ 3amo, „unb ^roax ein angcncljme^."

6 „2öie 8ie fic^ auf 3^te 2cute öcrftc'^cn!" öerfe^te Sot^ario. „.3a, ti ift mir ein fet)r angcne^meä Stftentcucr begegnet 3" einet anbcm 3^^^ ^ötte id^ üietteid)t nic^t jo reijenb gefun» bcn aU bicämal, ba mirf) jo empfänglich antraf. 3^^ titt gegen STbenb jenfeit be§ SBaffcrS burd^ bie Dörfer, einen 2öeg,

10 ben ic^ oft genug in früf)em 3a'^i^cn Bejud^t t)atte. 5)lein för» peTtid)e^ ßeibcn mufe mic^ mürber gemad)t l^aBen, aU ic^ ferBft glaubte; id) fül)lte mic^ »eic^ unb bei mieber aufleBcnbcn ^af= ten tt)ie neugeboren. 5ttte ©egcnftänbe crfd^ienen mir in eben bem 2\d)ie, toie \ä) fie in frül)cm 3a^Ten gefc^^en l^atte, aüt fo

15 liebli^, fo anmutig, fo rcijcnb, toie fie mir lange nic^t erfd^ienen finb. 3c^ merfte mo^l, ba^ Sd)tt)ac^!§eit war, i^ Iie§ mir fie aber ganj Wohlgefallen, ritt fachte l^in, unb tourbc mir gan^ begreifli^, toie ^Jlcnfc^cn eine jhanf^eit liebgeminncn fflnnen, öjel(^e un§ ju füBcn Gm^jfinbungcn ftimmt. Sie toiffen

20 bicHetc^t, tt)o§ mid^ e'^emalä fo oft biefen SBeg fül^rtc'?"

„2öenn \6) mid) redjt erinnere", öcrfe^te 3anto, „fo toar eS ein tteiner 2iebe«>I)aubel, ber fid^ mit bcr 2;od^ter eineä 5pac^ter§ entfponnen l^attc."

„2Jlan bürfte e3 tool^l einen großen nennen", öerfe^tc 2o«

25 t'^ario, „benn mir l^atten unö Bcibe fe^r licB, red^timGmfteunb auc^ jiemlic^ lange. 3ui'Jöi9fi^fM^ ^'^f ^^^'^e atteä jufammcn, mir bie erften Reiten unferer fiiebe red)t Icbt)aft barjufteHen. Sie :Jhtaben fd)üttelten eben miebcr ^Dtaifäfcr üon ben 23äumen, unb baä fiauB ber Gfd^en toar eben nid^t toeiter aU an bem

80 läge, ba ic^ fie ,jum erftcnmal faf). 5^un toar longe, ba& ic^ 5Jlargareten nid^t gefe^cn Ijabc, benn fie ift toeit tocg öerf)eiratet, nur ^örte i^ jufdüig, fie fei mit iljren .Rinbern öor tocnigcn SD3od)cn gefommen, it)rcn S5atcr ju befud^en."

„So toar ja tool)t biefex Spazierritt nid^t fo ganj aufftUig?"

48 ntr^tlm tp;etf.ert fif^ijtt^rt.

„2fd^ leugne nic^t", fagte Sotl^ario, M^ td^ fte onjutreffcn tt)ünjd)tc, 5llä iä) nid^t toeit toon bem 2öof)n]^QU§ toar, |q^ td^ if)rcn 2}ater öor bcr 2:üre [i^en; ein 5^nb öon ungefaßt einem ^a^xt ftanb bei i^m. 2llä id^ mic^ näf)erte, fa^ eine Oftauenä- <)erjon jc^nctt oben jum fyenfter l^crauä, unb aU ic^ gegen bie 5 STüre fam, l^örte id^ jemanb bie treppe l^erunterlpringen. 3d^ bad)tc getoi^, fic jei eö, unb, idt) toitt'snur geftef)en, id^ fd^mei- d^eltc mir, fic l^abe mid^ erfannt, unb fic fomme mir eilig ent- gegen. Slber toie befc^ämt toax id^, aU fte jur 3;üre l^erauS« jprang, ba§ Äinb, bem bie 5pferbc nat)tx famen, anfaßte unb in lo ba§ ^au§ 'hineintrug, toar mir eine unangenel^me ßmpfin« bung, unb nur tourbc meine ©itelfeit ein toenig getröjlet, q18 id^, toie [ie l^intocgeilte, an il)rem ^iadfen unb an bem freiftc^en- bcn ü^x eine mcrflid^e 9iöte ju feigen glaubte.

„3d^ ^ielt ftitt unb jprac^ mit bem S5ater unb jd^ielte in« is beffcn an ben f^enftem l^erum, ob fte jtd^ nid^t l^ier ober ba blicEcn lie^e; allein id^ bemerfte feine ©pur bon il^r. Silagen tooHt' i(^ aud^ nid£)t, unb jo ritt idE) öorbci. allein S5erbru§ tourbe bur^ Sertounberung einigermaßen gemilbert; benn ob id^ gleid^ faum bog ®e[id£)t gefe^^cn l^atte, jo jd£)ien fie mir faft gar nid^t 20 beranbert, unb jc'^n ^a^xt finb bod£) eine 3eit ! \a, fie f d^ien mir jünger, ebenjo fdt)lanf, cbenjo leicht auf ben öfüßcn, ber ^atS toomöglid^ noc^ jierlic^er aU borl^er, i'^re SBange ebenfo leidet bcr licbcnitoürbigen dt'öte empfängltd^, babei 5Jlutter bon jed^S ,^nbcm, t)ietteidE)t nod^ bon mel^rem. @g paßte bieje ©rfdEici» 25 nung fo gut in bie übrige ^aubertoclt, bie mic^ umgab, baß id^ um fo mc^r mit einem Verjüngten ©cfüt)! toeiterritt unb an bem näd^ften 2öatbc crft um!ef)rte, aU bie ©onne im Untergetjcn toar. ©0 fe{)r midf) aud^ ber faücnbc Sau an bie S3orfd)rift be§ SlrjteS erinnerte, unb c8 toof)I rättid^er getoefcn toäre, gerabc so nadE) ^aufe ju fft)ren, fo nal^m idt) bod^ toieber meinen 2Beg nad^ ber 8eite be§ 5pad)t^of§ jurüdE. ^ä) bcmcrftc, baß ein toeib- lid-)ii ©cfc^öpf in bem ©arten auf unb nieber ging, ber mit einer Ieid)ten ^tdt umaogen ift. 3i<^ ritt auf bem gußpfobe nad^

Siebente! Sui^. (sicbentr« JtapiteL 49

^tdt ju, unb td^ fanb mic^ eBcn nidjt toeit öon ber 5perfon, mä) bet id^ öcrtangtc.

„Ob mir glcic^ bie SrDenbfonne in ben Slugen lag, ]af) iä) hoä), ba§ fic fid^ am 3<iune befd^äftigtc, ber fie nur Uiäjt bc»

6 bcdEtc. 3d^ glaubte meine alte ©etiebte ju erfennen. S)a idj an fie tarn, tydi id) ftitt, nid^t ol^nc Ütegung bc§ $eräcn§. ßinigc l^o^e 3ö"^i9C loitbcr üiojen, bic eine leife Su[t !^in unb ^er toe^^te, machten mir if/re ©eftalt unbcutlirf). ^6) rebete [ie an unb fragte, loic fic lebe. Sic anttt)üvtete mir mit Ijalber Stimme:

10 ,@anä tDO^I.' SnbcS bemertte ic^, haf; ein ^inb l^intcr bem 3aune be|d)äftigt toar, SBtumen auääureißcn, unb nal^m bie @e» legenl^cit, fie ju fragen, loo benn if)re übrigen Äinbcr feien? ,65 ift nid^t mein ßinb', fagte fic, ,baS toore fiül^!' unb in bicfem Slugenblidt fd^idEte fic^'ä, "ta^ id§ burc^ bie S^^iQ^ ^^^ ßJefid^t

15 genau jc^en tonnte, unb id^ mu^te nidf)t, roa^ idf) ju ber ßrfd^ei» nung fagen foEtc. toar meine ©eliebtc unb toar nid^t.

gaft fünget, faft fd^öner, aU id^ fic bor jcl^cn Sauren getannt l^attc, ,6inb Sic benn nid)t bie 2od)ter be§ ^ac^terS?' fragte ic^ l^atb öertoirrt. ,9iein', fagte fie, ,id^ bin il^re 5)hi^mc'

20 ,„5tbcr Sic glcid^cn cinanber fo auBcrorbcntlid)', öcrfe^tc id^.

„,3)a3 fagt jebermann, ber fie bor je^cn 3(ü^i^cn gefannt I)at.'

„3d^ fu^r fort, fie öerfd^iebencS ju fragen; mein 2trrtum

ttOT mir angenehm, ob id^ it)n gteid^ fd^on entbedt ^atte. ^ä)

lonntc mid^ öon bem lebenbtgen S3ilbe öorigcr ©tüdfeligfeit,

M baä bor mir ftanb, nic^t loäreiBcn. S)a§ Sürib I)atte fic^ inbeffcn bon it)r entfernt unb toar, S3Iumcn ju fud)en, na^ bem leid^c gegangen. Sie nal^m 3(bfc^ieb unb eilte bem Siinhi nad).

„3nbeffen ^atte id) bod^ erfaf)ren, bafe meine alte ©clicbtc nod^ toirflic^ in bem .^aujc iljresi SBaterä fei, unb inbem i^ ritt,

80 bcf^äftigtc id^ mid^ mit ^lutmafeungcn, ob fie fclbft ober bie 5Jlut)me bas itinb bor ben ^4?feTbcn gcfid^crt liabe. ^d) toieber» l^olte mir bie ganje @e|dt)id)te mcl)rmalö im Sinne, unb ic^ toüfete nidE)t leidf)t, ba^ irgcnb cttoas angenet)mcr auf mid^ ge« toitft l^dtte. Slbet ic^ füllte too^l, ic^ bin nod^ fronf, unb toir 0o(t^ X. 4

50 gBil^elm TOeliteH iBe^rlo^re.

tooHen bcn S)o!tor Bitten, ba| ci unsi Don bcm ÜDerrcflc biefcr ©ttmmung crlöfc."

(Ja pflegt in öertraulid^cn Se!cnntnif|en anmutiger ßicBcä« Begct)cnt)citen tuic mit ©cipen[tergcfd)i(^ten ju gel)en: ift nur crft eine crjäfitt, \o fliegen bie übrigen ton felbft ju. 5

Unferc fleine ©cjcllidjaft |anb in ber 9iücEerinncrung ber- gangcner 3eiten mand)en Stofj biefcr 3lrt. ßof^ario I)atte am mciftcn ju er^dfilen. 2{ai^no^ ®eid)ic^ten trugen alte einen eige= nen 6f)arafter, unb toaS 2öilt)elm ju geftetjen t)attc, njiyfen toir jc^on. Sfnbefjen toar i'^m bange, ba^ man i^n an bie ®ej«i)ic^te 10 mit ber ©räfin erinnern möchte; allein niemanb badete berjetben auc^ nur auf bie entferntefte 2öeife.

„®§ ift hia^r", fagte 2ott)ario, „angene'^mer fann feine Gm» pfinbung in ber 2BcIt fein, al§ ttienn ba§ |)erä nad) einer gleich» gültigen ^^aufe fic^ ber 2iebe ju einem neuen ©egenftanbe mieber 15 öffnet, unb bod) mollt' id^ biefem ®tüdf für mein ßeben entfagt f)abtn, Ujcnn mic^ ba§ Si^icffat mit 2t)erefen f)ätte öerbinbcn Ujotten. ^an ift nid^t immer Jüngling, unb man fottte nid|t immer ^inb fein, S)em 5Jtannc, ber bie Söett fennt, ber ttiei^, tt)a§ er barin ju tun, toag er öon if)r ju t)offen t)at, toa§ fann 20 il)m ern3ünfd)ter fein,al§ eine ©attin ju finben, bie überall mit \i)m toirft, unb bie i^m alle§ öorjuberciten tt)ei|, beren Jätig» feit baSjenige aufnimmt, toaä bie feinige liegen taffen mu§, beren ©efc^äftigteit fic^ nad^ allen Seiten öerbreitet, tecnn bie feinige nur einen geraben 2Beg fortge'^en barf. 2öet(^en ^immet '^attc 25 id) mir mit X^erefen geträumt! 9iid^t ben ^immet cincä fd^mär» merif^en (Slütfg, fonbcrn eineä fid)em ßcbenS auf ber @rbc: Drbnung im ®(üd, Mut im UngtüdE, ©orge für ba§ ©eringftc unb eine (Seele, fällig, ba§ (Srö^te ju f äffen unb toieber fa'^ren ju taffen. Ol icf) fa'§ in i1)x gar mof)I bie Einlagen, beren 6nt= 30 toicfetung toir beujunbern, tocnn toir in ber @efc^idt)te i^i^auen fet)cn, bie un§ toeit öorjüglit^er aU alle Männer erf d^cincn : bicfc Älar^eit über bie Umftänbc, biefe ©etoanbt^eit in allen fjällen, biefe <Biä)zii)di im einäelnen, tooburc^ ba§ ©anjc ftd§ immer fo

&l(6ent(d )Bu((. Siebente« RaviUL 5]

gut Befinbct, ol^nc bafe fic \tmaU baren au bcnfcu fd^cincn, Sic fönnen too^l", fu^t er fort, tnbcm er fti^ lac^etnb gegen SCßil« l^clmen tocnbete, „mir bcrjeifjen, toenn ^T^erefe mid^ Sliirelien entführte; mit jener fonntc i^ ein l^eitre§ ßeben hoffen, ha bei

6 biejer Qud§ nid^t an eine glürftic^c ©tunbe ju benfen toar." „3(^ leugne nid^t", öerfe^tc Söif^etm, „bafe ic^ mit großer S3itterfeit im ^erjen gegen Sicl^ier'^er getommen bin, unb baß x^ mir borgenommen l^atte, ^^x SSetragen gegen Slurelien jel^r ^eng ju tabeln."

10 „2Iuc^ öerbient ti Jabel", jagte Sof^ario, „id^ l^ättc meine Sreunbfc^aft ^u i^r nid^t mit bem &t]üf)i ber Siebe bertt)cd£)feln joHen, id^ l^ätte nid^t an bie ©teile ber 3td^tung, bic fte ber= bientc, eine ^fieigung jinbröngen jollcn, bie fic toeber erregen nod^ ermatten fonnte. 3ld^! fie toar nid^t liebenäteürbig , toenn

16 fie liebte, unb ba§ ift baä größte UngtücE, ba3 einem äöeibe be- gegnen fann."

„(5ä jei brum", crtoibertc SBir^elm, „toir fönnen nid^t immer baä Nabeln» toerte bermeiben, nid^t öermeiben, ba^ unferc @e= ftnnungen unb ^anbtungen auf nne fonberbare Söeifc öon i^rer

20 natürlid^en unb guten 'Jtid^tung abgelenft toerben; aber getoiffc »4JfIic^ten follten toir niemals au» ben 5Iugen fe^en. S)ie Slfd^e ber greunbin ra^e fanft! toir tootten, ol)ne un§ ju fd^eltcn unb fie 5U tabeln, mitleibig 93Iumen auf it)r ®rab ftrcuen. SIber bei bem ©rabe, in tteld^em bic ungIüdEIid[)e ^Ilutter rul^t, laffcn

2^ 6ie mi(^ fragen, toarum (Sie ftd^ bc§ ilinbeg ni^t annel^men? cine§ (Sofjneä, beffen fic^ jcbermann erfreuen toürbe, unb ben Sic ganj unb gar ju öernac^Iäffigen f(^cinen. SBie fönnen Sie bei S^ren reinen unb jarten @cfüf)ten baä ^erj cine3 S5aterä gänj» tic^ öerleugnen? Sie l^aben biefe gan^c 3"t "od^ mit feiner

80 Silbe an ba^j föftlic^e ©efd^öpf gebadet, bon beffen 9Inmut fo biel ju erjäl)len todre."

„Sßon toem rcben Sie?" berfe^tc Sotl^ario, „id^ berftel^c Sic nic^t."

„$Jon tocm anbcrä, aU öon^l^remSorjnc, bem So^ne^lurc^

4*

52 mUtüm äfteijUrfl jee^rlo^rt.

Iien8, bem fd^önen Siintt, bem ju feinem (Sltide nid^tS fcl^tt, al8 ba% ein jäitlid^er SSater [irf) jetnct annimmt?"

„©ie irren je'^r, mein Öfreunb", rief ßot^ario, „5lurclie ^atte leinen ©o'^n, am toenigften öon mir; id) h)ei| üon !cinem Äinbc, fonft toürbe ic^ mid) bcffen mit fjfteuben annel^men; aber aud^ s im gegenmörtigen fjatlc njitt iä) gern baS fleine @cfd)öpf ali eine SJerloffenfc^aft öon i^r anfeilen unb für feine (Jräie^ung forgcn. ^at fie fid^ benn irgcnb ettcaä merfen laffen, ba§ ber Änabc iljr, ba§ er mir äugepre?"

„9li(^t, ba^ \ä) mid^ erinnere, ein ougbrüdffii^eg SBort bon lo i^r gel)ört ju fiaben, eS toar aber einmal fo angenommen, unb id^ l^abe nid^t einen SlugenblicE baran geäloeifelt."

„^ä) Iann",ficl3tarno ein, „einigen Sluffd^lu^ l^ierüBer geben ©in alteä SBeib, ba§ ©ie oft muffen gefefjen l)aben, brad^tc ba8 ilinb ju 2lurelien, fie nal|m mit ßcibenfc^aft auf unb l^offtc i6 il^rc Seiben burd^ feine ©egentoart ju linbem; aud^ l^at i!§r mand)cn öergnügten Slugenblid gemad)t."

Söilfietm ttjar burd^ biefe (SntbecEung fetjr unru'^ig geloor« bcn, er gebadete ber guten 5Rignon neben bem fd^önen f^elij auf ba§ lebl^aftefte, er jeigte feinen SBunfd^, bie beiben Äinbcr aui 20 ber Sage, in ber fie fidl^ befanben, l^craugpäiel^en.

„2öir motten bamit balb fertig fein", toerfe^te ßot^ario. „2)a8 ttjunbertid^e 5Räbd£)en übergeben toir 3^erefen, ftc lann unmöglich in beffere ^äntt geraten, unb ma§ ben i?naben be= trifft, ben, bäd^t' id^, näl^men ©ie felbft äu fid^; benn toaS fogar 25 bie grauen an un§ ungebitbet äurüdflaffen, ba§ bilben bie Äin= ber au§, tocnn toir un§ mit il^nen abgeben."

„überl^au^t bäd)te id§", berfe^te Sai^o. »/©ic entfagten fura unb gut bem ST^eater, ju bem ©ie bod^ einmal lein Stalent l^abcn." 80

SBitl^cIm toar betroffen; er mu§te fid^ ä^fammennel^men, benn 3ai^o§ l^arte SQÖortc l^atten feine (Sigenliebe nid^t toenig berieft „Söenn ©ie mid^ babon überzeugen", berfe^te er mit geitoungenem Söd^cln, „fo toecbcn ©ic mir einen S)ienft ertoeifcn,

mtbinitt ^üiD. etebentci AapUrl. 53

ob el qj.txd) nur ein trauriger 3)ienjl ijl, toenn man unS a«g einem ßieblingätraume aufjc^üttelt."

„O^ne öiel »eiter barübcr jurcbcn", öcr|e^te3iamo, „möchte iäi Sie nur antreiben, erft bie Äinber ju l^oten; ba^ übrige toirb 6 jid^ fc^on geben."

„3(^ bin bereit baju", tierfc^te Söir^elm; „icEi bin unrul^ig unb neugierig, ob i6) nid^t öon bem ©c^itfjat bc8 Änaben ctmaä 9id'^erc8 entbecfen fann; irf) berlange ba§ IDtöbdien toicberjuje^en, hai fid^ mit fo bteler gigent)eit an mic^ angej(^Ioj|en ^at." 10 5)tan tearb einig, ba§ er balb abreifen joEtc.

2;en anbem Jag l^atte er jid^ baju öorbereitet, baS ?Pferb

toarb gefattett, nur tooEte er nod^ öon Sotl^ario ?lbjd)ieb ne^^

men. %U bie 6^3"^ l^erbeifam, je^te man fi(^ wie getoö^nlid^

ju lijc^e, o^ne auf bcn ^auöl^erm ju toarten; er lam crfl fpät

15 unb |e§te fic^ ju i!^ncn.

„^d) moEte toetten", jagte 3arno, „<£ie l§aben l^eute SH^r järtlid^eä .^erj toieber auf bie 5probc gcfteEt, 6ie l^aben ber S3e« gicrbe nic^t toiberftet)cn fönnen, 3^re ehemalige ©eliebte mic» berjuje{)en." 20 „ßrratcn!" öerfe^te ßot^ario.

„ßaffen Sic ung l^ören!" fagte 3tamo, „toic ijt abgelau- fen? 3d^ bin öufierft neugierig."

„3c^ leugne nid^t", öerfc^te ßof^ario, „ba§ mir baS ?lben> teuer mef)r all biEig auf bem ^erjen lag; id^ fa^te ba^cr ben 25 @ntfd^lu§, nochmals ^injurciten unb bie ^erfon toirflid^ ju fe^cn, beren üerjüngteä SBilb mir eine fo angenel^me 3Eufton gemacht ^atte. 3d^ ftieg fc^on in einiger ßntfemung öom ^an]t ab unb lie& bie ^ferbe beifeite fül^ren, um bie 5^inber nid^t ju ftören, bie öor bem lore fpiclten. ^d) ging in baä .^aui, unb 80 öon ungefähr fam fic mir entgegen, bcnn fie War ti felbft, unb id^ erfannte fie ungeadf)tet ber großen 35eränbcrung mieber. @ic toar ftörfcr geworben unb fcf)ien größer ju fein; i^re Slnmut blidCte burc^ ein gefe^teä SCßefen l)inburd^, unb i^re 2Jlunterfeit toat in ein ^EeS 9la^benfen übergegangen. 3'^'^ ^opf, ben fie

54 «ülftelui ^ftet«^ ßeljrja^rc.

jonft Iei(i)t unb frei trug, l^ing ein tocnig gefenü, unb leifc gfQUcn iDoven üBer il^re ©lirne g^äogcn.

„Sic fd^tug bie 2Iugcu nieber, alä fie mi(^ fo'^, oBer leine 9{öte tocrfünbigte eine innere SSctoegung beg ^cr^enS. ^ä) reid)te il^r bie ^anb, fie gab mir bie iljrige ; id§ fragte naci§ il^rem ^Hanne, 5 er tüax aBttejenb, naä) it)xm ilinbem, fie trat an bie Sure unb rief fie Ijerbei, olle lomen unb bcrjammelten \iä} um fie. @g ift nid}t§ rei^enbcr, aU eine 5Jtnttcr ju feigen mit einem jlinbe auf bcm 3lrme, unb nid)t§ cljrtoürbigcr, aU eine 2Rutter unter bieten Äinbem. ^ä) fragte nac^ ben ^flamen ber ilteincn, um bod) nur 10 eth)a§ ju jagen; fie bat mid), l^ineinjutreten unb auf it)ren Sater äu märten. 3($ natim on; fie füt)rte mid) in bie ©tube, mo iäi beinal;e nod) alle§ auf bem alten ^la^e f onb , unb f on» berbar! 2)ie jd)öne ^ul)me, it;r ©benbitb, fa^ auf eben bem ©d^cmmet l^intcr bem ©pinnroden, too id^ meine ©eliebtc in is eben ber ©eftalt fo oft gefunben l^atte. ©in fleine§ SJläbd^en, bQ§ feiner SJlutter boHfommcn glic^, tnar un§ nad)QcfoIgt, unb fo ftanb ic^ in ber fonberbarften ©cgentoart 3toifd)cn ber S5cr- gangenl^eit unb ^ufunft, toie in einem Orangentoalbe, too in einem flcinen SBejirf Stuten unb i^rüdjte ftufenmeiä nebenein= 20 anber leben. S>ie 3Jlut)me ging t)inau§, einige ©rfrifd)ung p Idolen, ii) gab bem el^emat§ fo geliebten ©efd)öpfe bie ^nb unb fagtc p i^r: ,Sd) l^abe eine redete ^teube, ©ie toieberjufel^en.' ,©ie finb fet)r gut, mir ba§ ^u fagen', berfe^te fie; ,aber auc^ iä) taxm S'^nen berfidicm, ba§ id) eine unau5fpre(^Ii($e§reube f)abt. 25 SBie oft l^abe iä) mir gch)ünfd)t, ©ie nur nod) einmal in meinem ßeben toieberäufel^en! id) 'i)abt in Slugenbliden getoünfd)t, bie i(^ für meine leisten l^ielt.' ©ie fagte ba§ mit einer gefegten ©timme, ol^ne 9iül)rung, mit jener 9latürlid)!eit, bie mic^ el§e= mal§ fo fel^r an i'^r entjüdte. £)ie 5Ru'^me fam toieber, il^r so S5ater baju unb id) überlaffe eud) ju benlen, mit toetc^em ^erjen ic^ blieb, unb mit ttjeld)em ic^ mtd£) entfernte."

siebente« i9u($. üäiM ftapittl 55

^djtes Kapitel. Sßtt^elm l^attc auj jeinem SBege nad^ ber Stobt btc cblcn wctblid)en ®cj(^öpfe, btc er fanntc, unb öon benen er get)ört l^Qtte, im ©inne; i^rc jonbcrboren ©(^idftalc, bie loenig ßrfreu=

6 liä^ei entljiclten, xoaxen it)m fd)mcräti(^ gegentoäitig. „21^!" tief er qu^, „arme 5Jiariane! 2öa§ toerbe id) nod) öon bir cr= fafjren muffen? Unb bicf), ^errlid)e Stmajone, cbler (Sd)U^gcift, bem id) fo biel fc^ulbig bin, bem id^ überall ju begegnen ^offe, unb ben idj leiber nirgenb§ finbe, in toclc^en traurigen Uniftän»

10 ben treff' ic^ bid^ üielleic^t, tocnn bu mir einft toiebcr begegneft !"

3n ber Stabt war niemanb öon feinen SBefannten ju ^aufe;

er eilte auf bai J^eater, er glaubte fie in ber ^robe ju finben;

aUcl toar ftill, hai ^an% jc^ien teer, bo($ fal^ er einen Sabcn

offen. 2(I§ er auf bie Sü^ne f am , fanb er 3lureticn§ alte Siic»

15 nerin bcjd^äftigt, ßeinroanb ju einer neuen ^etoration ^ufam« mcn3unäl)en; fiel nur fo öiel 2id)t l^erein, aU nötig mar, i^re 3Irbeit ju crt)etten. geüj unb 5)lignon fa§en neben il^r auf ber 6rbe; beibe t)ietten ein S3ud), unb inbem 5Jlignon laut laö, jagte il)r f^elij alle SBorte nad^, al§ toenn er bie S3ud)ftaben

20 fcnntc, als loenn et aud^ ju lefen öerftünbe.

S)ie Äinber fprangen auf unb begrüßten ben 2lnfommcnben, er umarmte fie aufä järttii^fte unb fütjrte fie n'aijcx ju ber eilten. „5Bift bu eä", fagte er ju il)r mit ©ruft, „bie biefeä Äinb 3lurc» lien jugefü^rt ^atte?" ©ie \a^ toon it)rcr Slrbeit auf unb »enbetc

85 i^r ®efi(^t iu itjm; er fa^ fie in bottem Sid^tc, crfd^raf, trat einige ©(^ritte jurücE; xoai bie alte 33arbara.

„3Bo ifl 2Jlariane?" rief er au^. „Söeit öon l^icr", ber« fe^te bie *Jltte.

„Unb Seli?^ . ."

80 „!3ft ber Sol)n biefeä unglüdltdf)en, nur allju järtlid^ lieben» ben ^Jläbd)enö. ^öd)ten ©ie niemals empfinbcn, toai ©ie un3 gefoftet l)abcn! Wödjlt ber ©d)a^, ben i(^ 3t)nen überliefere, ©ie jo glücfli^ madjen, aU er unö ungUirftic^ gemad)t I)atl"

56 ail^elm reelfter» ge^rjoi^re.

©ic flanb auf, um tocgaugcl^en. SBil'Eielm l^tett ftc feft. „3d^ benfc S^nen ntc^t ju entlaufen", fagte fic, „laffen «Sie mtd) ein S)ofument t)olen, ba§ «Sie erfreuen unb fdimerjen toirb." ©ie entfernte fiif), unb SBiI^elm ]at) bcn Knaben mit einer öngft» lirfien i^reube an; er burfte fid) ba§ ^inb nod^ nic^t jueignen. 5 „Gr ift bein", rief ^JJHgnon, „er ift bein", unb brücfte ba§ ^inb an SGßit^cImä Äniee.

S^ie ^2llte fam unb überreitf)te il^m einen SSrief. „.^icr finb DJlariancnS le^te 2Bortc", jagte fie.

„©ie ift tot!" rief er au§. 10

„Jot!" fagte bie Sllte; „möd^te id^ 3[^nen bo(f) alle SJor» tDÜrfe erfparen tönneu!"

überrafc^t unb öcrttjirrt erbrac^ SBil^elm ben SBricf; er l^atte aber taum bie erften 2Borte gelefen, aU il)n ein bittrer <Sc^merj ergriff; er lie^ ben Srief fallen, ftür^te auf eine 9?afcnbanf unb 16 blieb eine 3eitlang liegen. ^Utignon beniül)te fid) um ilju. 3[n» beffen liatte iJelij ben 23ricf aufgel^oben unb jerrte feine ©efpic» lin fo lange, bi§ biefc nad)gab unb ju i^m fniete unb if)m öor» la§. f^clij toieberl^olte bie SSorte, unb 2Bill)elm toar genötigt, fte ätoeinml ju l^ören. „SBcnnbicfeöSlatt jcmol§äu2)ir fommt, 20 fo bebaure S)eine ungtüdElid)e ©eliebtc, beine ßiebe l§at il^r ben Stob gegeben. S)er ^nabc, beffen ©eburt xä) nur toenige 2agc überlebe, ift S)ein; iä) fterbe S)ir treu, fo feljr ber Schein au(^ gegen mic^ f^jredien mag; mit 2)ir berlor iä) atte§, toa§ mi($ an ba§ 2cbm feffelte. 3f(^ fterbe jufrieben, ba man mir berfid^ert, 25 baB Äinb fei gefunb unb werbe leben, ^öre bie alte SSarbara, bcrseil^' il^r, leb' tool^l unb öergi§ mii^ nid^t!"

2Bclc^ ein fdimer^lic^er unb nod) ju feinem Jrofte l^alb rät» fell^after SSrief! beffen 3En^alt il^m erft red^t fühlbar toarb, ba i'^n bie ^inbcr ftodfenb unb ftammelnb bortrugen unb toicber» so l) ölten.

„S)a l^aben ©ic nun!" rief bie Stlte, o'^nc abäutoarten, bis er fid) erl^olt ]§attc. „S)an!en ©ie bem |)immel, ba^ nac^ bem SSerlufte eineä fo guten aJläb(^eng ^^nm noc§ ein fo bor«

e\tbenitt eu4. «4tt« KapiUl 57

trefflid^cS Äinb übrig bleibt. 9lidE)tg toirb Syrern ©dimetjc gleichen, toenn <Bk öemc^men, toic baä gute 5Rdb(i)en S^nen biä anä ßnbe treu gebtieben, loie ungtütftid^ jie geroorbcn ift, unb tDoä ftc 3t)nen alle§ aiifgeop[ert l^at," 5 „Safe mi(^ ben Seiner bcö ^öminerS unb bei Sfi^euben", rief Söil^elm aus, „auf einmal trinfen! Überzeuge mid), \a über- Tebe mid^ nur, ba^ [ie ein gutc§ ^äbdien toar, ba§ [ie meine Sld^tung wie meine Siebe berbiente, unb überta§ mic^ bann meinen Sd) merken über il^ren unerfe^tic£)en SJertuft!" 10 „gg ift je^t nid§t 3eit"» öerje^te bie 5lltc, „tc^ 'i)abt ju tun unb toünfd^te ni(^t, ha^ man unä beifammen fanbe. Saffen Sie eS ein ®ef)eimniä fein, ba^ iJelii Sf'finen angef)ört; id^ ^ätte über meine biö^erigc SSerftellung ju öiel SJorwürfc öon bei ©efett» fd^aft ju ertuarten. ■Dtignon berröt un§ nid)t, fie ift gut unb 15 öcrfc^ttiiegen."

„^d) tt)u|te lange unb fagte nid)t§", öerfe^te 3Jlignon. „2öie ift c8 möglich?" rief bie 2lltc. „Söo^er?" fiel Sßil- l^elm ein.

„S)er öeift ^at mir'g gefagt." 20 „2öie? 100?"

„3m (Setoölbe, ba ber Sllte ba§ 3)leffcr jog, rief mir'8 ju: ,9iufc feinen 93ater !' unb ba fielft bu mir ein."

„2öer rief benn?"

„3c^ toei§ nid^t, im ^erjen, im Äopfe, id^ toar fo angft, ic^ 25 jitterte, ic^ betete, ba rief'ä, unb id^ öerftanb'^."

2öilt)clm brürfte fie an fein ^erj, em^fa()l i'^r ^elij unb entfernte fid^. (5r bemerftc erft autelt, ba^ fie öicl btöffer unb magerer geworben toar, al§ er fie Oertaffen ^attc. ^JJtabame ^e» lina fanb er öon feinen 33cfanntcn 3nci>ft; fie begrüßte if)n aufg 80 freunbtirfifte. „D! ba§ ©ie boct) attcä", rief fie au8, „bei unä finben möi^ten, toic (Sie toünfc()ten!"

,,^6) jtocifle baran", fagte 2öiII)eIm, „unb ertoartc eS nid^t ®cftel)en 6ie eS nur, man I)at atte ?ltiftatten gemacht, mid^ ent» beirren ju fönnen."

58 SBil^elm »Keifter« Bel?rlo6te.

„SBanim finbSie audj JccQgcgQugen'^'öcrje^tebie^reunbin.

„Wan fann bie erfatiTung md)t frü^ genug madjcn, toie entBcl)tItc!^ man in bex Söclt ift. SBclc^e totc^ttgc ^^Jerjonen glauben wir ju fein! 2üir bcnfcn attetn ben Shti^ ju beleben, in roeld^em wir wirfen; in unferer ^^bwcfcnl^eit mu^, bilben wir & uns ein, hieben, ^ialjrung unb 5ltem ftorfen, unb bie 2ücfe, bie entfielet, wirb !aum bemcrit, fie tüllt fid^ jo gefd)Winb wieber auö, ja fie wirb oft nur ber 5pia^, wo nii^t für etwas SöcflereS, bod^ jür etwas 2lngeneIjnicreS."

„Unb bie fieiben unjercr fjfreunbe bringen Wir nid^t in \Jln» lo

„2lu(^ unjere grcunbc tun Wol^l, wenn fie fid^ balb flnben, wenn fie [id^ jagen: ,2)a, Wo bu bift, ba, wo bu bleibft, wirfe, was bu fannft, jei tätig unb gefällig unb la^ bir bie ©egen« Wart l}eiter fein!'"

S3ei nätierer ©rtunbigung fanb Söill^elm, WaS er öermutet l^attc: bie Oper War eingerichtet unb jog bie ganje 5lufmerl= famfcit beS ^^ublifumS on fid§. ©eine 3ftolIen Waren in^wifdljen burc^ SaerteS unb |)oratio* befe^t Worben, unb beibe lodlten ben 3ufc^auem einen Weit Ieb!^aftern SeifaE ab, alS er ienialS l^atte 20 erlangen fönnen.

ßaerteS trat l^erein, unb gjlabame 2Relina rief auS: „©el^n ©ic l^ier biefen glücflid^en 2)lcnfd^en, ber balb ein Äa^itatift ober ©Ott wei§ WaS werben Wirb!" 2öilt)clm umarmte il)n unb fül)lte ein öortrefflid^ feineS £ud^ an feinem 9io(fe; feine 25 übrige Äleibung War einfach, aber aUeS Dom beften 3eugc.

„Söfen ©ie mir baS giätfel!" rief Söit^elm auS.

„es ift nod^ 3cit genug", öerfe^te SaerteS, „um ju erfa'^ren, ha^ mir mein «Jpin* unb ^erlaufen nunmel)r be^a^U wirb, ba^ ein 5ßatron eineS großen |)anbelSl)aufeS öon meiner Unrulie, so meinen ^cnntniffcn unb SSefanntfd^aften S^orteil jic^t unb mir einen Seil baüon abläßt; icf) WoEtc bicl brum geben, wenn id^

> S). ^. ben €<5aufpieler, bet beJ ber ^amletaup^ruttB ben ^oratio flc» fpieU l^atte.

etffeCTtft f>u<t. g<ttrt ftgpitti. 69

mh bobci aü6) 3uttauen gegen bie Söeibcr crumfclu fönnle; bcnn ei iji eine })üb\i)t 91id)te im ^aujc, unb i^ merle tüo'^l, toenn ic^ tooEte, fönnte ic^ balb ein gcmad^ter 5Jlann jcin." „<Sie toiflcn tool)! noc^ nid^t", jagte ^Jiabame 2JleIino, „bo^

i pc^ inbeffen aud^ unter un§ eine ^eirat gemad^t l^at? (Serto ift toirftid^ mit bct jt^öncn ßlmirc öffentlich getraut, ba ber Söater i^re ]^cimlirf)e Vertraulich feit nic^t gut{)ei§cn toolltc."

<Bo unterl^ielten fte fid^ über manches, toa§ fid) in feiner 9rbloejenf)eit jugctragcn '^atte, unb er fonntc gar tool^l bemerfen,

ba§ er bem ®eift unb bcm ©innc ber @efcflfd)aft nat^ loirflid^ längft üerabfdf)iebet War.

^it Ungebulb erwartete er bie 2lttc, bie il^m tief in ber 9lad^t i'^ren fonberbaren S5cfud^ angeKinbigt '^atte. Sic tooEtc fommen, wenn aEeS fc^tief, unb berlangte fold^e Vorbereitungen,

15 eben als wenn ba§ jüngilc 3}läbd^en fid^ ju einem ©eliebten fc^Ieit^en WoEtc. (5r lag inbe§ ^arianenS SSrief tt)of)I ^unbert- mal burc^, laS mit unau§fprc(^Ii(^em ßntjücEen baS Söort 2 reue toon ii)xn geliebten ^anb unb mit gntfc^en bie Slnfünbi« gung i^reä Jobeä, beffen 3lnnä^erung fte nid^t ju fürd^ten fd^ien.

20 5)littemad^t war öorbci, alä etwa? on ber l^atboffnen Xüre taufd^te unb bie 2IUe mit einem 5lörbdf)en l^ereintrat. „^<i} foE Guc^" , jagte fte, „bie ®efd^idf)te unferer Seiben erjü^Ien, unb id^ mu6 erwarten, bafe Sljr ungerül)rt babei ji^t, ba^ ^\)x nur, um Gure 9teugicrbe ju befriebigcn, mid^ fo forgfam erwartet, unb

20 ba& 3t)r Qua) jc^t wie bamalä in 6ure falte Eigenliebe pEet, Wenn uni baä ,^erj brid^t. 2lber fe^t l^cr! 6o brad^te id^ an jenem glüdflid)en 5lbenb bie 6^am^)agncrflafd^e ^cröor, fo fteEte id^ brei ©läjer auf ben üfcl), unb fo fingt ^\)x on, unä mit gutmütigen 5linbcrgcfd)icl)ten ju täufdien unb ein^ufc^läfem,

80 wie id^ (5ud^ je^t mit traurigen 2öat)rl)citen aufflärcn unb wad^ erhalten mu&."

2öill)clm wu^te nid^t, Wa8 er fagen foEte, olS bie Hlte Wirf«

lic^ ben Stöpfel fpringcn lie^ unb bie brei ©löfer öoEf^enfte.

,^riuft!" rief fie, nad^bem fte iljr fd^öumcnbcä ©loa jd^neE

QO SHIt)elm SI2elfter< Sel^rial^rt.

auggclecrt l^atte, „trinlt, el^' ber ® eift berrauc^t ! 3)ic|e8 brttte ® (q8 jott jum Slnbenfen meiner unglücflic^en ^fi^eunbin ungcnoffcn bcrf(^äumen. 2Bte tot toaren if)ve ßippcn, aU [ie 6ud^ bamotS SSejc^eib tat! %ä}\ unb nun auf etoig öerbla^t unb erftarrt!"

„©ibljtte! fyurie!" rief SQ8i({)eIm au§, inbem er auffprang 5 unb mit ber fjauft auf ben 5tifc^ fi^Iug, „toelci) ein böfer ©eift befi^t unb treibt bid)? iJfür toen l^äüft bu mic^, ba^ bu benfft, bie einfacf)fte ®cfcE)id)te bon 9Jtarianen§ lob unb ßeiben werbe mic^ md)t em^jfiublid^ genug frönten, ba§ bu nod^ fotc^e ^öl« lifd)e Äunftgriffe braud^ft, um meine 2Rarter ju jd^ärfen? (Sel^t 10 beinc unerfätttid)e Spötterei fo toeit, ba^ bu Beim 2otenma^le fd^roelgen mu^t, fo trinf unb rebe! ^ä^ f^abt bic^ bon je^er ber» abfd^eut, unb nod) fann iä^ mir 5Jtariancn nic^t unfc^ulbig benfen, tocnn id^ bid^, il^rc (Sefellf d^afterin , nur anfe'^e."

„©emodE), mein ^err!" berfe^te bie Sitte, „©ie toerben mid^ is nid^t au8 meiner ^Jaffung Bringen. (Sie finb un3 noc^ fe'^r ber- fdE)utbet, unb bon einem <5d)utbner lä^t man fid^ nic^t übel Be- gegnen. 2lber ©ie f)aben red£)t, aiid^ meine einfadt)[te ßrää^lung ift ©träfe genug für ©ie. ©0 I)ören ©ie benn ben Äantpf unb ben ©ieg 3Jtarianenä, um bie S^rige ju bleiben." 20

„2)ie 2Jteinige?" rief 3BiH;elm auS, „toeld^ ein ^Jlörd^en toiUft bu beginnen?"

„Unterbred^en ©ic mid^ nid^t", fiel fte ein, „f)örcn ©ie mid^, unb bann glauben ©ie, toaS ©ic tootten, ift ol^nebieS je^t ganj einerlei. |)aben ©ie ni(^t am legten 2lbenb, al§ ©ie bei 25 un§ toaren, einSiltett gefunben unb mitgenommen?"

„3d^ fanb baS S3latt crft, aU id^ mitgenommen l^attc; toar in baS ^aUindj bertoirfelt, baS id^ au§ inbrünftiger Siebe ergriff unb ju mir ftecEte."

„SBag entl)ielt baS ^Papier?" so

„£)te 2lu§fid)ten eine§ berbric§lid£)en ßiebl^aberS, in ber näd^ften 9lac£)t beffcr al§ geftem aufgenommen äu toerben. Unb ba§ man i^m SSort gelialten l^at, liabe id^ mit eignen Slugcn ge» fe^en, benn er fd^lid^ \xüf) bor Sage auS ©urem ^oufc l^intocg."

eUbcnte« »u<9. Bi^tti RapHti. Ql

„6te fönnen tl^n gefeiten l^obcn; aber toai bei un8 öorging, tote traurig Banane biejc 9ia(^t, toie öcrbrie^Iid^ ic| fie ju» brad^te, bai toerben Sie erft je^t erfal^rcn. ^d) will ganj auf» rid^tig |ein, toebcr leugnen nod^ beschönigen, ba& id^ OJlariancn

» berebete, ftd^ einem gettjifien Olorbcrg ju ergeben; fie folgte, ja ic^ fann fagen, fie ge^orc^tc mir mit SGöibermillen. (5r ttiar reid^, er fd^ien öerliebt, unb id^ ^offte, er toerbc beftänbig fein. (SIeidEi barauf mußte er eine SReife mad^en, unb ÜJlariane lernte ©ie fennen. 2Ba§ f)atte id^ ba nic^t ousjufte^en! toa§ ju l^inbem!

10 toaä ju erbulben! ,£)!' rief fie mand^mol, ,]^ätteft bu meiner Sugcnb, meiner Unfd^ulb nur nod§ öier Söoc^en gefc^ont, fo l^Stte id^ einen toürbigen ©egenftanb meiner ßiebe gefunben, id^ toärc feiner würbig gewefen, unb bic ßiebe l^ätte baö mit einem ruhigen SBetou^tfein geben bürfen, tvai iä) je^t toiber SSiHen

15 öerfauft ^abe.' Sie überlief fid^ ganj il^rer 9ieigung, unb id^ barf nid^t frogm, ob Sie glücflid^ toaren. 3c^ l^atte eine un» cingef^rönfte ©ewalt über il^ren SBerftanb, benn id^ fannte aEe SD'Httel, t^re Keinen 'Jieigungen ju befriebigen; id^ l^atte feine 5)lad§t über it)r ^erj, benn niemat§ billigte fie, toaä id^ für fie

«0 tat, Woju id) fie bewegte, Wenn i^r ^erj wiberfprad^; nur ber unbejwinglid^en 91ot gab fie nad^, unb bie 9lot erfd^ien il^r balb fe^r brücfenb. ^n ben erften 3citen il^rer Sugcnb l^atte i'^r an nid^t§ gemangelt; i^re iJfamilie öerlor burd^ eine Serwidte» lung üon Umftanben ii)i SDermögen, baä arme 3Jiäbd^en War

25 an mand^erlei Sebürfniffe gewöhnt, unb il§rem fteinen ©emüt toaren gewiffe gute ©runbid^c eingeprägt, bie ftc unruhig mad^» ten, o^nc i^r öiel ju l^elfen. Sic l^atte nid^t bie minbefte (Se= toanbtl^eit in Weltlid^en S)ingen, fie War unfd^utbig im eigcnt» lidt)en Sinne; fie l^atte feinen Segriff, ba^ man faiifen fönnc,

80 o'^ne ju beja^len; öor nicl)tä War i^r mel^r bange, aU Wenn fie fd^ulbig War; fie l^ättc immer lieber gegeben al§ genommen, unb nur eine fold^e ßage mad^te eS möglid^, baß fie genötigt toarb, fid^ fetbft ^injugeben, um eine 3Jlenge fleincr Sd^ulben logjuwfrben."

62 g;t[&elm Mfldfterg l'el>r)a^re.

„Unb l^ätteft bu", fu'^r 2öin;clm auf, „fic nid;t retten lönncnl"

„£) ja", öerfe^te bie Slltc, „mit .g)unger unb ^ot, mit Äum« mer unb ßntbcljrung, unb barauf toar id) niematä eingeti(i)tet."

„Wi\ä)miiä)t, niebettiä^tige ihipplcrin! ©o §aft bu boS unglücflid^e ®c|d)öp| geopfert? 60 l^aft bu fie beincr Äe'^Ie, 5 beinem unerfättlid)cn ^ei^fiunger I)ingegcBcn?"

„^i)x tätet Beffer, @u(^ ju mäßigen unb mit ©cfiimpfreben innc p f)Qlten", terfe^te bie 2tltc. „SCßcnn ^l)x fci^impfen toottt, fo get)t in 6ure großen bornel)men .g)äuier, ba »erbet 3tt)r 3Jlüt» ter finben, bie rect)t ängfttic^ beforgt finb, toie fie für ein liebcng» 10 toürbigeS, lf)immUfc^e§ 2)Mbd)en ben allcrat)|ct)eutid)ften 3Jlen= fd)en auffinben tooKen, toenn er nur juglcid^ ber reic^fte ifi ©ef)t ba§ arme (Sefd)öpf bor feinem ©d^idfalc äittem unb beben unb nirgenbS Sroft finben, al§ big il^r irgenb eine erfafirne greunbin begreifüd) mad)t, ba§ fie burd^ ben ß^eftanb ba§ Stecht is crtoerbe, über if)r ^erj unb i^rc 5|3erfon nac^ ©efaHen biSponic» reu äu fönncn."

„(5d)n3eig!" rief Söiti^elm; „glaubft bu benn, ba^ ein S3er« bredjen burd^ ba§ anberc entfc^ulbigt tuerben fönne? ßräö^le, ol^nc ttieitere ?lnmcrfungen ju mad)en!" 20

„<So tjöxtn <Bk, oI)ne mic^ p tabeln! 3Jlariane toarb toibcr meinen Söillen bie ^1)xt. 33£t biefem Slbenteuer t)abe i(^ mir toenigftenä nichts öorjuttierfen. ^florberg lam jurüd, er eilte, 5)larianen 3U fc^en, bie il)n folt unb berbric|li(^ aufnal^m unb ii)m nic^t einen Äu^ erlaubte, 2Jd) braud)te meine ganje jlunft, 25 um i^r betragen ju entfd^ulbigen; id) lie^ il^n merfen, ba^ ein S5eid)tüater i^r ba§ ©etoiffen gefd)ärft l^abe, unb ba^ man ein ®ett)iffen, folange fprid)t, refpettieren muffe, ^ä) brad)te lijxi bat) in, ba| er ging, unb öerfprad) it)m, mein 5ßefte§ ju tun. ßr mar reic^ unb xoi), aber er l^atte einen ©runb bon (Sutmütigtcit so unb liebte 5Jlarianen auf ba8 äu^crfte. @r öerfprad) mir®ebulb, unb id) orbeitete befto lebl)after, um i^n nic^t p fel^r p prüfen. ^ä) l)attc mit 3Jtarianen einen l)arten ©taub; idt) übenebetc fie, ja \ä) lann fagcn, id) ätoang fie enbti^ burd) bie S)ro^ung,

Sicbentca gu(^. gt^tffl Staplttl 6S

ha^ läi fxt bcrtajlcn toürbc, an iljrcn ßiclbl^afeer ju jd^ici'Den unb i^n auf bic ^at^t einjulaben. ©ie famen unb rafften zufälliger- tocife feine 3lnttt)ort in bem ^atätuc^ auf. ^\)xt unöermutetc ©egentoart l^attc mir ein böfeS 6picl gemacht. Äaum toaren

5 6ie loeg, fo ging bie Cual öon neuem an; fie fd^tour, ba^ fic Sinnen ni(^t untreu toerbcn fönnc, unb war fo teibenfd^afttidi, fo au^er fic^ , ba& fic mir ein ^erjlii^eg HJlitleib ablocftc. 3(^ öcrfprad^ il^r enblid^, ba§ ic^ auc^ biefc 9tac^t 9lorbergen Bc^" Tul^igen unb i§n unter allerlei S5ortt)änben entfernen tooHte; 16)

10 bat fic, ju S3ettc ju ge'^en, allein fie fd^icn mir nid^t ju trauen; fie blieb angezogen unb f(^ticf jule^t, beloegt unb auägetoeint, toie fie toar , in il^rcn illeibern ein.

„Tlorbcrg fam; [6) fu^te i§n ab^ul^atten, td^ flcKtc il^m il^rc @ett)iffcn»biffe, il^re 9teuc mit bcn fd^ttjörjcften fyarben bor;

15 er toünfc^te fie nur ju feigen, unb ic^ ging in baä 3inimer, um fie öorjuberciten; er fd)ritt mir nac^, unb loir traten bcibc ju gleicher ^tit öor il^r S3ettc. (Sic erttjac^tc, \pxanq mit SCßut auf unb entriß fic^ unfern Slrmen; fic befd^tour unb bat, fic flehte, brol^tc unb öerfic^erte, ba^ fic nid^t nad^geben toürbe.

20 ©ic toar unoorfic^tig genug, über i^rc toa^re 2eibenidE)aft einige SDßorte fallen ju taffcn, bie ber arme ^lorberg im geiftlic^en ©inne beuten mu^te. ßnblic^ öertic^ er fie, unb fie fdt)lo^ fid^ ein. 3cf| behielt i^n noc^ lange bei mir unb fprad^ mit il^m über i^ren 3unanb, bafe fie guter .^offnung fei, unb ba§ man

25 ba3 orme ^äbd^en fd^onen mflffc. Gr füt)lte fid^ fo ftolj auf feine S5aterfc^aft, er freute fid^ fo fe'^r auf einen ilnaben, ba§ er alles einging, »aä fic öon i^m öcrtangte, unb ba^ er öerfprad^, lieber einige 3eit ju berrcijen, alä feine ©eliebte ju öngftigen «nb i'^r burd^ biefc ®emüt<Jbctoegungen ju fd^abcn. ^Jlit biefen

80 ®efinnungen fd^lid^ er morgen^ frü^ öon mir tocg, unb Sic, mein |)eu, toenn Sie Sd^itbwac^e gcftanbcn "^abcn, fo ^ätte eS ju 3^rer ©lücffcligfcit ni^td tociter bcburft, alä in ben 33ufen S^rcS 9iebenbu^lerä ju fc^en, ben Sic fo begünftigt, fo glüdflid^ ](|icltcn, unb beffcn Grfdjeinung 6ic jur S3crjtoeiflung brad^tc."

g4 BJlI^elm TOrtffcr« fieWo^re.

„gicbefl bu tDaf)xr jagte mi^dm.

„<Bo toal^r", jagte bie kUz, „aU iä) nod) f)ojfc, <Sic jur S5er- jtociflung ju Bringen.

»S^if geiüi^ <5ie toürben berjtoeijeln , toenn id§ ^l^ncn ba§ S3ilb unjerS näd)[ten 2Jlorgeng red^t lebliaft barfteEen fönnte. 5 Söie l^eiter toadjte fie auj! tote freunbtid^ riej jie mt(^ herein! toie Icbljajt bonfte jie mir! toic l^erjlid^ brücfte jie mid) an i{)rcn SSujenl ,^ün\ jagte jie, tnbem jie lädjelnb bor bcn <Bp\e^d trat, ,barj ic^ mid^ toieber an mir jelbjt, mid^ an meiner ©ejtalt jreuen, ba id^ toieber mir, ba id£| meinem einjig geliebten ^^eunb 10 ange'f)öre? SBie ijt jo ]ü% üBertounben ju I)abcn! SOßetd^ eine l^immlijd^e ßmpjinbung ijt e§, jeinem ^erjen ju jolgen! SGßic banf ic^ bir, ba| bu bid^ meiner angenommen, ba| bu beinc Älugt)eit , beinen S5er jtanb au^ einmal ju meinem SSorteil an« getoenbet l^ajt! ©tel^' mir Bei unb erjinne, toa§ mid£) ganj glüdE» is Iid§ madf)en fann!'

„3d^ gab il^r nad§, id^ tooßte jie nid§t reiben, i^ jd^meid^eltc il^rer ^ojjnung, unb jie liebfojte mid£) auj bai anmutigjtc. 6nt» femte jie jidC) einen SlugenBIicE öom ^e^ft^» Jo mu^tc id^ SGßac^c jte'^en; benn ©ie jottten nun ein jür allemal öorBeigel)en, man 20 toottte ©ie tocnigjtenS jef)en; jo ging ber ganjc Xag unrul)ig l^in. 9lac^t§ jur getoöIjntidienStunbe ertoarteten toir©ie ganj getoi§. 2t(f) pa^te jd^on an ber Zxeppt, bie Qtxt toarb mir lang, id^ ging toieber ju il^r l^inein. 3^d^ janb jie ju meiner SSertounberung in ilirer OjjiäierStrad^t, jie ja!^ ungtauBlid^ l^eiter unb reijenb 25 au§. ,S3erbien' id^ nid^t', jagte jie, ,]§eute in 3Jlann§trad^t ju erj(^eincn? .^aBe id^ mid^ ni(i)t Braö get)oIten? SJlcin ©clieBter joÜ mid) I)eute toie ba§ erjte lHal jel^cn, iä) toitt it)n jo järtlid^ unb mit mcl^r f^reitieit an mein |)erä brüdfen aU bamalö : benn Bin id^ jc^t nidE)t öiel mel^r bie ©eine al§ bamal§, ba midf) ein so ebler 6ntjdE)Iu| nod^ nid£)t frei gemadjt l^atte? 5tBer', fügte jie nad£) einigem ^act)benfen Iiinju, ,nodt) I)aB' i^ nid£)t ganj getoonnen, nod) mu§ idf) crjt ba§ Slu^crjtc toagen, um jeincr toert, um jeineS 58eji^c§ getoil ju jcin; id^ mu| i!§m atteS entberfen, meinen

ganjen 3uflanb offenbaren unb il^m atäbann übcrloffcn, ob er mid) behalten ober üerftofeen lüiH. £icje (S^cne bereite irf) il^m, bereite ic^ mir ^u; unb teöre |ein ©cfü^l mic^ ^u öer)tofeen fä^ig, |o tDÜrbe ic^ alebann gan^ toicbcr mir felbft angctjören, iö) i mürbe in meiner Strafe meinen iroft finben unb alleä erbulben, toai bas (£d)icfjal mir auferlegen toollte.'

„^it biefen ©efinnungen, mit bicfcn Hoffnungen, mein ^cu, ertoartete ©ic baä liebenömürbige 5)läbd)en; <5ie Eamen nid)t. D! mie joll id) ben ^^uftanb be^ Söartcnö unb .^offeng

10 bcjdjreiben? 3d^ fc^c tid) noc^ üor mir, mit tocld^er ßicbc, mit toeldjer Snbrunft bu üon bem 'JJlanne jprad^)!, beffen ©raufam» feit bu nod) ni(^t erfüt)ren t)atteft!"

„(Sute, liebe SBarbara!" rief Sßitl^elm, inbem er aufiprang unb bie 3IIte bei ber ^anb fafetc, „c§ ift nun genug bcr 9)er=

15 ftettung, genug ber Vorbereitung! S)cin gleichgültiger, bein ruhiger, bein jufriebner Jon ^at bid^ öerraten. @ib mir ^Jla=^ riancn mieber! ©ie lebt, fie ift in ber ^Jlä^e. ^lid^t umjonft f)oft bu bicfe fpäte, einfamc ©tunbc p bcinem 33ejurf)e gemäljlt, nid^t umjonft ^aft bu mic^ bur^ biejc entjücfenbe ©r^ä^lung tjor=

20 bereitet 2Bo ^aft bu fie? too öerbirgft bu fie? 3d) glaube bit atteä, id^ tjerfprec^e bir atteö ju glauben, toenn bu mir fie jeigft, menn bu fte meinen Firmen toiebergibft. S^rcn (Sd)atteu ]§abe ic^ ji^on im lyluge gejetjen, ta^ mic^ fie loieber in meine 9lrme faffen! 3^ mill oor i^r auf ben ^ien liegen, irf) roiU

25 fie um Vergebung bitten, i^ rotfl i^r ju i^rem Kampfe, ju i^rem 8iege über fic^ unb bic^ ©tüdf tt)ünjd)en, id) toill i^r meinen gclij jufü^ren. Äomm! SBo ^aft bu fie ücrftedEt? Safe fie, lafe mi^ nic^t länger in Ungemife^eit! 3)ein enbimerf ift erreicht. 9Ö0 ^aft bu fie tierborgen? ^omm, bafe ic^ fie mit biejcm Sic^t

M beleuchte! bafe id^ mieber i^r Ijolbeö ^Ingefic^t fe^e!"

Qx ^atte bie 9lltc tiom Stu^l aufgewogen, fie fa^ i^n flarr

an, bie tränen ftürjtcn it)r auä ben ?lugen, unb ein ungct)euret

©dimerj ergriff fie. „SBeld) ein ungtticflid)er Irrtum", rief fie

ani, „läfet Sie noc^ einen ^Jlugenblicf Ijoffen! 3a, i^ ^aU

(SMt^c X. 6

66 aBtl^etm gieifterg ge^rjal^ie.

fic betBorgen, oBcr unter bie ßvbe; tocber baS ßit^t ber ©onne nod^ eine öertrautid)e Äerjc toirb i§t t)otbc§ Slngefidit jemals toicbcr erlcurf)ten. güf)ren ©ie bcn guten fjfcüs an it)r ®rab unb jagen [ie i!^m, ba liegt beine ^Jluttcr, bie bein S3ater un= gcf)ört öcrbammt i)at. 2)aö liebe |)erj fc£)lägt nic^t mef)r üor » Ungcbulb, ©ie ju jcl)en, nid^t etttja in einer benad^barten Äam* mcr mattet fie auf ben ?luögang meiner ßrääl^lung ober meinet 5Jiörd)enö; bie bunfle Kammer t)ot fie aufgenommen, tt)oI)tn fein 23räutigam folgt, tt)orau§ man feinem ©etiebten entgegengetjt."

©ie ttjarf fi(^ auf bie 6rbe an einem ©tu^t niebet unb lo hjeintc btttertic^; 9BiIt)etm toax jum erftenmat üöttig überzeugt, ba§ 'JJlariane tot jei; er befanb fic^ in einem traurigen 3uftanbe. S)ie Sitte rid^tete fiel) auf. „^äj t)abe 3^en toeiter nid^tS gu fagcn", rief fie unb toarf ein ^afet auf ben üfc^. „^ier biefc 5Briefirf)aften mögen üöüig 3tl)tc ©raufamEeit befdljämen; tefen 15 ©ie bicfe 33lätter mit trorfnen Singen burdl), toenn S^nen mögtief) ift." ©ie \diüd) letfe fort, unb SBil^elm tjatte biefeÜlad^t baä ^cx^ nidf)t, bie Sßrieftajc^e ju öffnen, er l)atte fie jelbft "iUla« rianen gejc^entt, er tou^te, ba^ fic jebeä SBlättc^en, baä fie öon xijm ertjalten l^atte, forgfältig barin auf l) ob. 3)en anbem ^Ror» gen öerinod)te er über fiel); er löfte baö 23anb, unb fielen itjm fteine 3ctteldE)en, mit Sleiftift öon feiner eigenen ^anb ge» fc^ricben, entgegen unb riefen i^m jebe ©ituation öon bem erften Sage il^rer anmutigen 93efanntfcl)aft bi§ gu bem legten i^rer graufamen 2:rennung toieber ^erbei. Slllein ni(f)t ot)ne bie leb= 25 Ijaftcften ©d)mcräen burdl)laä er eine Heine ©ammlung öon SBittctcn, bie an il)n gefcE)rieben tearen, unb bie, wie er auö bem Snljalt fa^, öon SGßerncm toarcn jurüifgctoiefen toorben.

„^eine§ meiner Stätter l^at bi§ äu2)ir burdjbringen können; mein 93itten unb (}tct)en Ijat 2)i(^ nidt)t erreidl)t; l)aft 3)u felbft so biefe graufamen S3efe^lc gegeben? ©oU id^ 2)id^ nie toieber» feigen? 'ülod) einmal öerfu^' id^ e§, iä) bitte S)id^: fomm, 0

SitbenU» 9Bu(9. B(^K* AaptteL QJ

fomm! 3^ öcriange Sid^ nid^t ju Bel^altcn, toenn iä) S)id^ mir noc^ einmal an mein ^crj brütfen fann."

,4B3enn iäi fon^ bei Sir \a^, bcine ^änbe l^ielt, S)ir in bic 5luQen |a^ unb mit öoUem ^crjen ber 2iebe unb beö ^utraucnä ju3)ir jagte: ,2ieber, lieber, guter 5Rann!'ba§ ]^örteft2)u \o gern, iii mufet' S)ir |o oft n)icber{)otcn, i($ toicber'^olc nod) ein- mal: li^ieber, lieber, guter ^lann! jei gut, tnie butoarft, fomm unb la^ mid^ nid^t in meinem 6Ienbe öerbcrben!"

„S;u '^altft mi^ für jd^ulbig, ic^ bin eS oud^, aber uic^t, toic 10 Du benfft Äomm, bamit id) nur ben einzigen 3^ro[t \)abe, bon 3)ir gan^ gefannt ju fein, ge{)e mit nad)^cr, ttiie tooHe."

„92i(^t um meinettoiHen attein, aud^ um S)ein felbft toitlen fIcV ic^ S)ic^ an, ju tommen. 3d^ füt)le bie unerträglid^en 8cf)mer3en, bie S)u leibc^, inbem 5;u mic^ fltefjft; fomm, ba^ unjere Trennung toeniger graufam ttierbe! 3<^ tt)ar öieüeic^t nie Steinet toürbig, alä eben in bem ^ugenblicf, ba £u mid^ in ein gren^enlojeS Glenb jurücfftö^eft"

,4Bei allem, toaS 'Zeitig ifl, bei aöem, toaS ein menfc^lic^cS ^erj rühren fann, ruf i^ S)ic^ an! ift um eine Seele, eS

30 ift um ein 2eben ju tun, um jroei Seben, bon benen S)ir einä etoig teuer fein mufe. S)ein ?lrgn)ot)n loirb auc^ baä nid^t glauben, unb bo^ »erbe id^ in ber Stunbe beö lobeä au8» fpred)en: ba^ Äinb, bai id) unter bem ^erjen trage, ift 2;etn. ©citbcm ic^ S!ic^ liebe, ^at fein anbcrer mir aud^ nur bie ^anb

2i gebrüfft; o, ba^ Seine ßiebe, baft 2)eine 9le^tid)affent|eit bie ®efal;itcn meiner Sugenb gcrocfen mären!"

„%u toinft mic^ nid^t ^^ören? ©o mufe ic^ bcnn julc^jt »ol^l öcrftummen, aber biefc iölätter foUen nid)t untcrgctjcn, öicHeic^t

58 mtr^etm andflerg fle^rla^re.

fönnen fie nod^ äuS)tr jptcd)cn, toenn bagßeii^entui^ fc^on meine Sippe beberft, unb wenn bie ©timme 2)einer 9leue nic^t me^r ju meinem Dt)re reicf)en tann. jDuri^ mein traurige^ ßeben big an ben legten 'JtugcnbüdE wirb ba§ mein einjiger Iioft jein, ba| iä) o^ne 8(^utb gegen S)ic£) toar, Wenn ic^ mic^ auä) ni(^t un-- 5 j(^ulbig nennen burfte."

SBil^etm fonnte nid)t Weiter; er überlief fid^ ganj feinem 8(i)merj, aber noc^ met)r War er bebrängt, at§ ßaerteä f)erein= trat, bem er feine ßmpftnbungen ^u Verbergen fachte. 35iefcr brad^te einen S3entel mit 2)ufaten l^erüor, ää^tte unb rechnete lo unb üerfic£)erte SGßit^elmen, fei nic{)t§ ©d^önereä in ber 3Bett, al§ wenn man eben auf bem 2Bege fei, reid^ ju werben; fönnc un§ oudE) aläbann nic^tä ftören ober abmatten. 2Qöitt)elm er= innerte ficf) feinet 2;raum§ unb läd^elte; aber jugteidt) badete ex aud^ mit ©d^aubem, bafe in jenem JraumgefidEite 5)lariane 15 i'fin öettaffen, um feinem öerftorbenen 35ater ju folgen, unb ba§ beibe jule^t wie ©eifter fd^webenb fid^ um ben ©arten bc» toegt ^tten.

ßaerteg rie^ il^n au§ feinem 9lad^benfen unb fü'^rte i^n auf ein Äaffeet)au§, Wo fid£) fogteid^ mehrere ^erfonen um it)n üer= 20 fammetten, bie it)n fonft gern auf bem 2^eater gefet)en Ratten; fte freuten fid^ feiner ©egenwart, bebauerten aber, bafe er, wie fte l)örten, bie 23üt)ne öerlaffen Wolle; fie fprad^en fo beftimmt unb öernünftig öon il^m unb feinem «Spiele, üon bem ®rabc feine§ Jalentä, üon it)ren Hoffnungen, ba§ 2ßiti)elm nid^t o^ne 25 gtü^rung jule^t aufrief: „D Wie unenblid^ Wert wäre mir biefe 2;eilnat)me öor Wenig Monaten gewefen! 2Bie bete^renb unb wie erfreuenb! 9liemal§ t)ätte id^ mein ®cmüt fo gan^ öon ber 58ü{)ne abgewenbet, unb niemals wäre iä) fo Weit gekommen, am ^;pubtico ju beräWeifeln." 80

„S)aäu fottte überhaupt nid^t !ommen!" fagte ein ältlid^ct ^ann, ber t)erbortrat; „bag^ublifum ift gro§, wal^rer 3?erftanb unb wa'^re§®efü§l fmb nid^t fo fetten, aU man glaubt; nurmu^

eubente« »uc(. «((tel ItapiteL 69

bcT ifünfltcr niemals einen unbcbingtcn Scifatt für baS, toaä er ^eroorbringt, öerlangen; benn eben ber unbebingte ift am menigften rccrt, unb bcn bebingten roottcn bie |)erren ni(^t gerne. 3d) rocife n)üt)I, im ßeben roie in ber Äun[t mufe man mit [ic^

t ]u 9tate ge^en, wenn man etroaä tun unb t)ert)orbrtngcn fott; roenn eS aber getan ober öollenbet ift, fo barf man mit Sluf» mcrffamtcit nur Diele f)ören, unb man !ann fic^ mit einiger Übung au§ biejen Dielen «Stimmen gar balb ein ganjeä Urteil jujammcn)e^en; benn biejenigen, bie ung biefe 2)lül)e erfparen

10 fönnten, galten fic^ meift ftitte genug."

„Sias jottten fie eben nic^t", jagte SSif^elm. „3d) t)abe fo oft geljört, bafe 5)knj(^en, bie jelbft über gute Sßcrfe jc^roiegen, boc^ bcflagten unb bcbaucrten, ba§ gejd)n)iegen teirb."

„So moflcn mir ^cutc laut werben", rief ein junger ^ann,

15 „6ie muffen mit unS fpeijcn, unb »ir tooEen atleä einholen, toa# mir 3l)neu unb mond^mal ber guten Slurelie fd)ulbig ge- blieben fmb."

Söiftictm lel^nte bie (Sinlabung ab unb begab [x6) ju ^a» bame ^tctina, bie er megen ber ,i?inber fprcd)en wollte, inbem

20 ex fie Don il)r Wegjunel^men gebac^te.

S)aö ©eljeimniä ber ^illtcn mar nid^t jum beften bei i^m Der= toaliri Gr Derriet fic^, aU er ben jd)önen x^di% roieber anfid^tig Warb. „D, mein Äinb!" rief er au«), „mein lieber 5linb!" 6r i)ub i^n auf unb brücfte iljn an jein .^ex^. „S3ater! waä l^aft bu

26 mir mitgcbrad)t?" rief ba« ^inb. ^JJlignon fat) beibe an, aU Wenn fte warnen wollte, [id) nid)t ju Derraten.

„2öaö ift baä für eine neue @rjd)einung?" fagte ^abomc Pelina, ^tan juckte bie ^iiiber beijeite ^u bringen, unb 2Bit= l^elm, ber ber Sllten hai fhengfte ©e^eimniS nirf)t jd)ulbig ju

30 iein glaubte, entbccfte feiner i^teunbin ba§ gauj^e 5öcrl)ältni§. ^Dlabame 'OJlelino fa^ il)n läd)clnb an. „D! über bie lcid)tgläu= bigcn '•JJiänner!" rief fie quo; „Wenn nur etwa« auf il)rem Söegc ift, jo fann man il)ncn fcl)r leid)t aufbürben; aber bafür fel)en fie fic^ anä) ein aubermal Weber redjtä nod) linfs^ um unb wiffcn

70 Eil^flm aUeiflerf J»fW«5re-

nid^tä ju fcl)ä^en, alä toaS [ic öorl^cT mit bem ©tem^jct einet toiUEürli^en Seibcnfd^aft beäeic^net l^obcn." Sie tonnte einen Ecufjer nic^t unterbrücfen, unb toenn 2BiI^eIm nid^t ganj blinb gcn)elen toäre, \o l^ätte er eine nie ganj befiegte Neigung in i^rem SBctcagen erfennen müfjen. 5

6r fprac^ nunniet)r mit i'^r bon ben Äinbem, toic et iJcti? Bei fiii) ju bel)alten unb 5ltignon auf baS £anb ju tun gebähte. x^xan Pelina, ob fie fid^ gteid^ ungerne tion beiben äugleid^ trennte, fonb bo(| ben 5öor|d)lag gut, ja notwenbig. fjelii öer» toilberte bei il^r, unb ^tignon jd)ien einer freien £uft unb an= 10 bcrer S5erl)ältnij|e ju bebürfen; baä gute Äinb toar frdnftid^ unb tonnte \i<i) nidjt eri^olen.

„Safjen ©ie firf) nic^t irren", fu'^r ^Iflabame ^Retina fort, „ba§ id) einige 3^eiffl/ ob 3()nen bcr ^obe toirftid^ juge^öre, tcid)tfinntg geäußert tiabe. SDer Sitten ift freiließ toenig ju trauen; bod) wer Untoatjri^eit ^u feinem ^^lu^en erfinnt, fann aud) einmal mafjr reben, toenn itjm bie S33at)rl)eiten nü^lid^ f(^einen. Slurelien I)Qttc bie 5lltc borgefpiegelt, i^elij jei ein 6o^n £ott)ario§, unb bie Sigen^cit l^aben toir SSeiber, ba§ loir bie ^inber unjcrer ßieb^aber red^t lierälid^ lieben, toenn toir 20 fd^on bie 5Rutter nid)t fennen ober fie öon <g)eräen t)af|en." i^eli? !am ^ereingefprungen, fie brüdte il^n on fic^, mit einer ßebl^af^ tigteit, bie il)r fonft nid)t gett)ö^nli(| war.

SSill^elm eilte nad) ^aufe unb befteltte bie 5Ittc, bie il^n, jeboc^ nid^t eljer al§ in ber SDömmerung, ju bejudien berfprad^; 25 er empfing fte Perbrie|lid^ unb fagte ju il^r: „63 ift nichts ©($änbltd;er§ in ber SBelt, als ft(^ auf ßügen unb ÜJlörd^en einzurichten! ©dE)on l)aft bu öiel Söje§ bamit geftiftet, unb jc^t, ba bein SBort ba§ ©lud meineS 2eben§ entj(^eiben fünnte, jc^t ftel^' ic^ ^mcifetliaft unb magc nid^t , baä ^nb in meine Slrmc 30 ju fd)lie'^en, beffen ungetrübter S3efi^ mi(^ öu^erft glürflid^ mad)en mürbe, ^dj lann bid), fc^änblid^e ^eatur, nid^t ol)nc ^a^ unb 33erad)tung anjetjen."

„6uer 33etragen fommt mir, menn id£| aufrid^tig reben fott".

6iebente< %ud). a^te« AapUe(. 71

öerfe^te bic Sitte, „ganj unerträglich öor. Unb toenn'3 nun ©uer Sol^n ni^t tüärc, jo i[t eS baS j^önftc, angencfiini'te i^inb öon bcr Söclt, bog man gern für jcbcn ''^xti^ foufen mödjte, um nur immer um fid) ju tjaben. 3ft ti nic^t toert, ba& 3^t (5ud^ 5 feiner annehmt? 23erbiene id^ für meine Sorgfatt, für meine TOü^e mit i^m nid^t einen tieinen Unterfjalt für mein tünftigcg ßeben? D! i^r .^erren, benen nid)t§ abgebt, il^r I)abt gut üon SQßa^rl^eit unb @erabt)eit reben; aber toie eine arme ilreatur, beren geringftem 33ebürfniä nichts entgegentommt, bie in itjren

10 2)erlegcnt)eiten feinen ^i^cunb, feinen tRat, feine |)ülfe fieljt, wie bie fid) ^urc^ bie felbfttjdien 2Renid)en burct)brücfcn unb im ftiEen barben mu& baöon mürbe manct)eä ^u jagen fein, menn i'^r ^ören tooUtet unb fönntet. .^aben ©ie Warianeni 33riefe gelejen? finb biejetben, bie fie ju jener ungtücfli^en 3fit

15 jc^rieb. Sergebenä fuc^te ic^ mic^ Stjnen ju näf)em, öergcbenS 3^nen bieje 33Iättcr jujufteEen; 3f)r graujamer St^mager t)atte 6ie fo umlagert, ba^ alle 2ift unb Ätugf)cit öcrgebenä mar, unb jule^t, alä er mir unb ^Jlarianen mit bem ©efängni^ brotjte, mufete i^ mo^I alle -Hoffnung aufgeben, trifft nic^t attcä mit

» bem überein, toaä idf er^ä^lt t)abe? Unb je^t nid)t 5lorberg§ ©rief bie ganjc ©efc^ii^te aufeer aüen 3w«if«l'?" „mai für ein ®ricf?" fragte 2öilt)elm. „^aben ©ie il^n nid^t in bex S3rieftajc^e gefunben?" fragte bie 9llte.

i'' .»3«^ ^0^^ "od^ nid^t oUeä burdf)Iefen."

„®eben 6ie nur bie 53rieftaf(^e ^er! ouf biefeö S)ofument fommt alleS an. 9lorbergg unglücflic^eö93itlett l^atbie traurige SJermirrung gemadt)t, ein onbereö öon feiner ^anb mag au^ ben Änoten löfen, infofem am Ofoben no(^ etmaö gelegen ift."

ao Sie na^m ein 33latt an^ ber S3rieftaf(^e, 2Bi(l)elm jrfannte jene ber^a^te .^anb, er nafjm fid^ jufümmen unb laä:

„Sag' mir nur, lUäbd)en, mie öermagft !Ju ba§ über mid^? ^ätt' ic^ bod) nic^t geglaubt , ba^ eine Ööttin felbft mid) jum fcuf^enben 2iebt)aber umjc^affcn fönnte. Slnftatt mir mit offenen

72 SBil^elm SDldfler« ße^rja^re.

Sinnen entgegenzueilen, jictift Su S)td) jurücf ; manl^ätte eStoal^r« tiaftig für 5lbirf)eu nel^men tonnen, toie S)u S)ic^ betrugft 3ft'§ ertaubt, ba& ic^ bie 9iQd)t mit ber alten 33atbara auf einem Koffer in einer iJammer zubringen mu^tc? Unb mein gcliebtcä 5!Jläb(^en war nur jujei Suren baöon. @g ift ju toß, fag' iä) 5 S)ir! 3Ed) i)ühi öerjprot^en, 3)ir einige Sebenfjeit ju laffen, nid)t gleid^ in jDid) ju bringen, unb id) möchte rajenb werben übet jebe öerlorne 35iertel|'tunbe. <^abe \ä) 3)ir ntc^t gefc£)entt, tt}a§ icf) ttju^te unb tonnte? 3*i'fifßtft 2)u nod) an meiner ßtebe? SBag roiüitSu ^aben? ©ag'eä mir! joHSir an nic^tä |el)len. 10 3d) ttioUte, ber ^fafte mü^te öerftummen unb berblinben, ber S)ir |ol(^eg Szu% in ben Äopj geje^t l)at. 5Jlu^te[t 3)u aud) ge= rabe an jo einen fommen! ©g gibt ]o üiele, bie jungen ßeuten etroag nadi^ufelien toiffen. @enug, icl) fage Sir, mu^ anberg toerben, in ein paar Jagen mu^ id^ Slntroort toifjen; benn id) 15 ge{)e balb mieber meg, unb toenn 2)u nirf)t toieber freunblid^ unb gefällig bift, jo jollft S)u mic^ nic^t n)ieberje^en." . . .

2ln biejer Slrt ging ber 33rief nod) lange fort, brel^te [lä) ju 2Bilt)elmä f{^merälid)cr3ufrieben^eit immer um benjelben^^Junft l^erum unb ä^i^Ste für bie 2öat)rl)eit ber @efc^i(^te, bie er öon 20 SBarbaro oemommen t)attc. @in jtoeiteä 58latt bewieä beutlic^, ba§ ^oriane auä) in ber ^olge nid^t nachgegeben ^tte, unb SBil^elm üernat)m au§ biefen unb met)reren ^^apieren nic^t ot)ne tiefen ©d^merj bie ©efc^ic^te be§ unglücflicljen 2Jläb(i)enä bi§ jur Stunbe i'^rcä 2;obeä. 25

S)ie ^Ite l)atte ben ro'^en ^enfc^en nad^ unb nad^ ja^m gcmact)t, inbem fie il)m ben 2;ob ^arianenä melbct:; unb i^m ben (Stauben lie§, aU Wenn f^etij fein ©o^n fei; er t)atte it)r einigemal ®etb gefc^iift, ba§ fie aber für fid^ bet)iett, ba fie ^>Uure= lien bie 6orge für beä ^inbcä ßr^ietiung aufgefc^toa^t ^atte. so 5lbcr teiber bauerte biefer t)eimtid^e ©rmerb nid^t lange, ^orberg l^atte burd^ ein milbeö ßeben ben größten Seil feineä 33ermögcn§ beräet)rt unb h3ieberl)olte 2iebe§gef(^i(^ten fein ^er^ gegen feinen crften, eingebilbeten (Sol^n üerl)ärtet.

Siebente« Su^. 914 te< Jtapitel. 73

So toal^rfc^cintif^ baä aüei lautete, unb fo fc^ön aufam^ mentraf, traute 2öilt)clm boc^ no^ nid)t, fid^ bcr greube ju überlaijen; et id)icn fiti) öot einem ©efdienfe ju fürd)ten, baS il^m ein böjer ©eniu^ barreic^te. 5 „3t)rc 3iDcifcliu^t", jagte bie 3IIte, bie feine (Semüt§ftim» mung erriet, „fann nur bie ^nt t)eilen. ©ef)en 8ie ba§ i?inb aU ein frembeä an, unb geben «Sie befto genauer auf i^n ac^t, bemerfen Sie jeine @aben, jeine ^}latur, jeine gätiigfeiten, unb trenn Sic nid^t nad) unb nad) fic^ jelbft wieberertennen, fo 10 muffen 8ie fc^lecf)te ^Jlugen Ijobm. S)enn ba§ ücrficf)re ic^ Sic, toenn xä) ein ^ann wäre, mir folltc niemanb ein ^inb unter= fd^ieben; aber ift ein ©lücf für bie SBeiber, ba^ bie 5Jlanner in biefen ^fällen nirf)t fo fd)arfii^tig fmb."

9ia(i) allem biefen fe^te fic^ äöiftjcfm mit ber bitten auS» 15 einanbcr; er toolltc bcn ^elij mit firf) nef)mcn, fie roottte ^Jiignon ^u 2^I)erefen bringen unb t)emad^ eine fleine ^cnfion, bie er il^r öerfpraci), mo fie rooEte, öerjetjren.

6r liefe ^iignon rufen, um fie auf biefe S5erönberung öorju« bereiten. „5)leiftcr", fagte fie, „bellte mi^ bei bir! es loirb 20 mir roo^l tun unb me^."

(Jr ftettte i^r tjor, bafe fte nun l)erangen)ad)fcn fei, unb bafe hoäi tixoa^ für i^re toeitere Sitbung getan roerben muffe. „3(^ bin gebilbet genug", berfe^te fie, „um ju lieben unb ju trauern." 6r machte fie auf i^re ®efunbl)eit aufmerffam, bafe fie eine 9i> an^altenbe Sorgfalt unb bie fieitung eines gefdjicften ^ilrjteö bc» bürfe, „Söarum foU man für mi^ forgen", jagte fie, „ba jo öiel ju forgen ift?"

9ta^bem er [mSj biete ^ü'^e gegeben, fie ju tiberjeugen, bafe CT fie je^t nic^t mit fic^ nehmen fönne, bafe er fte ju ^^erfonen -10 bringen roolle, mo er fie öfterä fe{)en mcvbe, fd)icn fie öon alle» bem nic^t^ get)ört ju l)aben. „%u miUft mi^ nirf)t bei bir?" fagte fte. „5BieIleid)t ift beffer, fc^irfe mi^ ^um alten Warfen» fpieler! ber arme "JJlann ift fo allein."

Söilljclm fud)tc il^r begreiftid} ju machen, bafe bcr 3lltc gut

74 2BiM>eIm TOeifter» ge^rja^re.

aufgel^oBcn fei.— „3[c^ je^c mid^ jcbc ©tunbc nod^ il^m", ber- jcjjte baä ^inb.

„^d) t)abe aber nid^t bemeift", jagte SBifficlm, „ha^ bu i'^tn jo geneigt jeift, al§ er nod^ mit unä lebte."

„^d) fürchtete mid) öor il^m, toenn er toad^tc; ic^ fonnte nur 5 jeine klugen nic^t je^en; aber tuenn er fdjtief, fe^te ic^ mid) gern ju it)m, id) tt)et)Tte it)m bie ör^iegen unb tonnte mid) nid^t jatt an it)m jct)en. D! er l)at mir in jd^rerflicf)en 5Iugenbliden bci- geftanbcn, eS toei^ nicmanb, toa^ id) il}m |d)ulbig bin. |)ätt' id^ nur ben 2Beg gewußt, id^ ttJÖre |d[)on ju il^m gelaufen." lo

Söilljelm fteEte i^r bie Umftänbe toeitläuftg öor unb fagte: fte fei fo ein öemünftige§ Äinb, fie möchte bod^ audt) bicömal feinen SBünfd^en folgen.— „2)ie SSemunft ift graufam", öerfe^tc fte, „ba§ |)er5 ift beffer. ^ä) toifl l)inge!^cn, too^in bu loittfl, aber la§ mir beinen öfelij!" is

^aäj bielcm |)in= unb Söiberreben toar fte immer auf i'^rcm ©inne geblieben, unb 2öill)elm mu^te fid^ jule^t entfdjliefeen, bie beiben Äinber ber 5llten ju übergeben unb fie jufammen an gräulein 2l)erefe ju fc^iden. @8 warb il^m ba§ um fo leidt)ter, ol§ er fid§ nod^ immer fürcl)tete, ben fi^önen iJelij fidt) als fei= 20 neu ©ot)n juäucigncn. 6r nal)m it)n auf ben 3lrm unb trug il)n l^erum; baö ^inb modt)te gern öor ben 8piegel gel)oben fein, unb, ol)ne fidt) ju geftel^en, trug 2öill)elm il^n gern öor ben ©piegel unb fud^te bort ^l)nlidl)teiten jmifd^en fidl) unb bem ßinbe au§5ufpät)en. SCßarb it)m bann einen Slugenblid redE)t 26 toa^rid)einti(^, fo brüdte er ben 5hiaben an feine 33ruft, aber auf einmal, erfdt)redt burd^ ben ©ebanfen, ba^ er fid^ betrügen !önne, fe^te er ba§ ^inb nieber unb lie^ e8 t)inlaufen. „C!" rief er ou§, „toenn idt) mir biefeä unfd)äf}bare @ut zueignen tonnte, unb würbe mir bann entriffen, fo toörc tc£) ber unglüdlid[)fte 30 aUcr ^enft^cn!"

S)ie ^inber Waren toeggcfal^ren , unb Söil^elm toolttc nun feinen förmlidE)en Slbf^ieb öom 2^t)catcr nehmen, ol§ er fütjltc, \)a% er fd)on abgefdjieben fei unb nur ju gel)en brauchte, Mü'

Siebente« Buc^. X^te« JtopiteL 75

tiane toor iiic^t tnc^r, jetne jlüei ©c^u^geifter l^otten fid^ cnt= fernt, unb jeine ©ebanfcn eilten il^nen nad). S)cr |d)öne ßnabc fd)iDebtc loie eine Tcijenbe ungetDifje ©rid)einung öor jetnct 6tn= bilbungöttaft, er \a\) i^n an X^erejenä ^anb biir^ xyeltex unb

^ 2Bülbct taufen, in ber freien Cuft unb neben einer freien unb Reitern Begleiterin ftc^ bilben; I^erefe toar it)m noc^ öicl werter gcttJorben, feitbem er baS 5hnb in i^rerÖJefettjc^üft bad)te. (£elbjl alg ^ufd)auet im 2I)CQter erinnerte er fid^ i^rer mit ßödjeln; bcinolje roax et in il^rcm ^aUt, bic SJorftcüungen mQd)ten it)m

10 leine ^nufion mct)r.

€erlo unb ^ielina toaren ou^crfl "^öflicf) gegen il^n, foBalb fic mer!ten, bQ§ et an feinen öorigen '^la^ feinen toeitern ?tn» fljruc^ mod^te. @in Jeil beS ^^^ublifumä ttjünfc^te it)n noc^niars auftreten ju fe!)en; loäre i^m unmöglich getoefen, unb bei ber

15 @e|eIIf(^Qft iDÜnfd^te niemanb ali aUenfaüä f^i^au ^icüna.

6t naf)m nun toirflic^ 3Ibfc^ieb Don biefer iJreunbin, et

toat gerührt unb fagte: „2Benn boc^ ber ^lenfc^ fid^ nic^t t)ct=

meffen loolltc, irgenb etma^ für bie 3"^""?* ä" öerfpred)cn!

S)as öJeringfte öermag et nirf)t ju Italien, gcfdiroeige loenn fein

eo IBorfa^ Don SSebeutung i^. SBie fd^äme id^ mic^, loenn id) bcnfe, toai id) 3t)nen allen jufammen in jener unglücflic^en 5iQd)t Der= fprac^, bo tnir beraubt, franf, üerle^t unb öertounbet in eine elenbe Sc^enfe jufammengebröngt ujaren. SBie ert)öl)te bamalä baä Unglüd meinen 5Rut, unb toelc^cn Sc^a^ glaubte ic^ in

» meinem guten SBiUen ju finben; nun ift auä allem bem nid)tä, gar nic^tg gemorbcn! 3(^ öertaffe ©ie ol8 ^l)x Sd)ulbner, unb mein Ölürf ift, ba| man mein üßerfprecfien nid^t met)r achtete, aU ei wert toar, unb ba§ niemanb mic^ jematg bcöl;a[b ge= ma^nt ^at."

M „©ei'n Sie nic^t ungerecht gegen fidf) fettift!" öcrfctjtc i^rau 2JteIina; „menn niemanb erfcnnt, toaä <£ie für unä getan Ijat» tcn, fo merbe ic^ nid)t öerfennen; benn unfer gan,jer ^uftanb toore öötlig anber§, toenn wir 8ie nid^t befeffen {}ätten. @e^t cd bod^ unfern SJotfä^en wie unfern Söünf^en: fic fe^eu fidh

76 gBtt^etm aneiftert gt^rja^re.

gar nicfit mti)X &f)nli6i), toenn fie auägefül^rt, tocnn fic erfüllt finb, unb tt)ir glauben nid^t^ getan, nid)tä erlangt ju itabm."

„Sie toerbcn", berfe^te SBil^elm, „burd) ^i)u freuubjc^aft= lid^e ?lu8legung mein ©eroifjen nid)t bcnit)igen, unb i6) loerbc mir immer atä ^l^x Sc^ulbncr öorfommen." 5

„6§ ift auc^ n)ot)I mögltcf), ba§ (Sie fmb", berje^te ^a» bame ^JJtelina, „nur nid)t auf bie ?lrt, toie ©ie eS beuten. 2öir re(i)nen un§ jur ©c^anbe, ein 58erfpred)en nid)t ju erfüllen, baä toir mit bem ^unbe getan t)aben. O, mein fji^eunb, ein guter SJtenjd) toerfpric^t burd^ feine ©egenmart nur immer ju öiel! 10 S)aä Sertraucu, ba§ er I)eröortocft, bie Steigung, bie er einflößt, bie Jpüffnungen, bie er erregt, finb uncnblid); er Ujirb unb bleibt ein ©d)ulbner, oljne p tüiffen. ßeben ©ie too^l! SBenn un» ferc äußeren Umftänbe fid) unter ^l)rer ßeitung rec^t glücflid^ liergcfteUt ^ben, fo entftct)t in meinem 3fnnern burd) S^ren 2lb= 16 fd)ieb eine 2ürfe, bie fid) fo leid)t nit^t tüieber augfüUen mirb."

2Bilf)elm fi^rieb öor feiner Slbreife aui ber ©tabt nod) einen iDcitläufigen SBrief an SBernern. Sie l)atten ^mar einige 33riefe gettied^felt, aber toeil fie nic^t einig tt)crben tonnten, t) orten fie jule^t auf äu fd)reiben. 5^un ^atte fid) 3Sill)elm toieber genäfjert; 20 er loar im 33egriff, baö jenige ju tun, tt)a§ jener fo fel)r tt)ünid)te, er tonnte fagen: „^d) öerlaffe ba§ 2t)eater unb öerbinbe mic^ mit 2Rännern , bereu Umgang mid§ in jebem Sinne ju einer reinen unb fi(^ern Sötigfeit fül)ren mu§." 6r crtunbigte fid^ na(^ fei= nem 23crniögen, unb fd)ien il^m nunmel)r fonberbar, ba^ er 25 fo lange fid) ni(^t barum betümmert t)atte. 6r tonnte nid^t, ba^ cg bie 3lrt aßer ber 5)tenfd^en fei, benen an i^rer innern S3il= bung t)iel gelegen ift, ba§ fie bie äußeren S5erl)ältniffe ganj unb gar toernac^löffigcn, 2öill)elm ^atte fid) in biefem gatle befun= ben; er fd)ien nunmel)r jum erftenmal ju merten, ba^ er äufeerei 30 ■^ülfämittel bebürfe, um nad)^altig ju mirten. 6r reifte fort mit einem ganj anbem Sinn aU ba§ erfte 9Jlal; bie 3luöfid)ten, bie fid^ i^m geigten, toaren reijenb, unb er I)offtc auf feinem 2Bege etroag 5i^ot)e§ ju erleben.

6t(bentc< 9u4. Steuntei JtapittL 77

llfuntfs ^apttfl.

3ns er nad) ßof^arioS @ut äurücffam, fanb er eine gro^c 5)eränberung, 3amo tarn i'^m entgegen mit ber ^ad)rid)t, ba§ ber O^eim gcftorben, ba^ ßot^ario tjingegangen jei, bie f)inter»

6 laffenen ©ütcr in ^Bcji^ ju ncl)men. „8ie fonimen eben jur rechten S^^^"> \^Q^^ ^^i »^^ ^^^ unb bcm Wjhi bei^uftc^n. 2o= f^Qtio ^at un§ ben ^anbel um toid^tige ®üter in unferer '^a^- barjc^aft aufgetragen; e§> roax jc£)on lange borbereitet, unb nun finben mir Selb unb jhebit eben jur redeten Stunbe. S)aä ein=

10 jige loar babci bcbcnflid^, bafe ein auötoärtigcä ^anbefä^auS auc^ j^on auf biefetben ©üter 3lbfid)t t)atte; nun [inb tt)ir turj unb gut cntj(^lojfen, mit jenem gemeine Sac^c ju matten, bcnn fonft Rotten mir unS o^nc 9iot unb Vernunft hinaufgetrieben. 2öir ^aben, fo fcf)eint eS, mit einem fingen ^Uianne ju tun.

15 iRun mad^en tüir^atfulS unb ?lnj(f)Iäge; aud^ mu^ öfonomifd^ überlegt rocrben, toie toir bie föüter teilen fönnen, fo ba§ jeber ein fc^öneä S3efi^tum crf)ält.'' tourbcn 2öit^elmen bie 5pa» piere üorgetegt, man befa^ bie i^clber, SBiefen, <Sd^töffer, unb obglei^ 3amo unb ber W)hi bie <Bad}i fel}r gut ju öcrftetjen

20 fdt)iencn, fo n)ünfd£)te SBil^elm boc^, ba§ fji^äulein 2^crefc öon ber ©efellfd^aft fein motzte.

©ic brad)tcn mehrere 2age mit biefen 3lrbcitcn ju, unb SBiII)eIm ^atte faum 3eit» ffin« Abenteuer unb feine jtt)infelt)aftc S3aterfc^aft ben fjfreunben ju er^ä^len, bie eine i^m fo tDidfjtige

25 Gegebenheit gteid)gültig unb tcic^tfinnig bef)anbetten.

Sr tjatte bemerft, bafe fie manchmal in ücrtrauten @efpräcf)cn bei Jifc^c unb auf Spaziergängen auf einmal inne hielten, il)ren Söorten eine anbere 233enbung gaben unb baburc^ toenigftenS anzeigten, ba§ fie unter fic^ manc^e^ abjutun t)atten, ba«s i^m

80 berborgen fei. (5r erinnerte fid^ an baS, toai ß^bic gefagt Ijatte, unb glaubte um fo mel^r baran, aU eine gan je Seite bc'!JSd)loffe§ bor i^m immer unjugänglid) gcioefen toar. Ö^^biffen Valerien

78 aBlI^elm aneifler< £e^rial^re.

unb befonbcrS ju bem alten 2urm, bcn et toon au§en tet^l gut lannte, l)Qttc er biö^er tietgcbeng 2öcg unb Gingang gejud)t.

(Jineä ^ilbenbg jagte 3arno ju il)m: „2öir tonnen Sie nun jo |id)er aU ben unjern anjc^en, bafe unbillig loärc, tocnn toir ©ic ni(i)t tiefer in unfere @ct)ciinni[|'c einfüljrten. ift gut, ba^ s ber 'OJlenic^, ber erft in bie Söelt tritt, üiel üon \id) Ijalte, bafe er fid^ öiete Sßoräügc ju ertoerben bcnte, ba§ er alleS möglich ^u mad)en fud)e; aber wenn jeine 58ilbung auf einem gettjiflenöiabe fte'^t, bann ift öorteitljaft, iDenn er fict) in einer großem 3Jlaffe üettieren lernt, ttienn er lernt, um anberer toitten ju lo leben unb feiner felbft in einer pfliclitnm^igen Sdtigfett ju öer« geffen. 2)a lernt er erft fid^ felbft !ennen; benn bai .^anbetn cigcntlid^ öergleid)t un8 mit anbem. ©ie foücn balb erfat)ren, tocl(^ eine fleine 2öelt fic^ in ^^xex 9iä^e befinbet, unb toie gut ©ie in biefer tleinen 2Cßett getannt finb; morgen frül) öor ©on= is nenaufgang fei'n ©ie angezogen unb bereit!"

2farno tam jur beftimmtcn ©tunbe unb fül)rtc il^n burd^ befannte unb unbefannte 3tintner be§ ©d^loffeg, bann burd^ einige ©alerien, unb fie gelangten enbtict) üor eine gro^e alte £ürc, bie ftarf mit ©ifen befd)lagen hjar. Sarno pod^te, bie 20 Jure tat fid^ ein wenig auf, fo bafe eben ein ^enfi^ hinein» jd^tüpfen fonntc. ^axno fc^ob SOßil^elmen t^inein, o^ne i^m ju folgen. S)iefer fanb fid^ in einem bunfetn unb engen S3e^ält» niffe, c8 toar finfter um it)n, unb al§ er einen ©d^ritt öortoörtä gel)en toottte, ftie^ er fd^on toiber. Gine nidE)t ganj unbefannte 25 Stimme rief il)m ju: „2ritt herein!" unb nun bemerftc er erft, ba^ bie ©eiten be§ JRaumä, in bem er fidE) befanb, nur mit Step» pi(^cn bel)angen toaren, burdt) xoddjt ein fd^mad^eg ßic^t t)in» burd)ic^immerte, „Jiritt l^ercin!" rief nod^malS; er l^ob htn 2eppid^ auf unb trat t)inein, so

S)er ©aal, in bem er fidt) nunme'^r Befanb, fc^ien el^emalä eine Kapelle gemcfen ju fein; anftatt be§ Slltarö ftanb ein großer 2if(^ auf einigen ©tufen, mit einem grünen Jeppid^ bel)angen, barüber fd)ien ein jugeäogener S3ort)ang ein Üiemälbe ju be«

£<e6ented Suc^. 92eunU8 ftapittl. 79

berfen; an ben Seiten toaren fc^ön gearbeitete <Bä)xantt mit feinen SJratjtgittem ücri^Ionen, mie man fic in 23ibliotf)efen ju fel)en pflegt, nur |a^ et anftatt ber Süc^cx biete üiollen auf» geftettt ^Jlicmanb bcfanb fic^ in bem <Baal; bie aufgcfjenbe

ft 6onne fiel burc^ bie farbigen {Jenfter 2öilt)elmen grabe ent» gegen unb begrüßte it)n frcunbUc^.

„8e^e bic^!" rief eine Stimme, bie öon bem Slttar ^er ju tönen |d)ien. 2Bift)elm je^te fi^ auf einen fteinen Slrmftut)!, ber toiber ben 5öerid)lag beö ßingang^ ftanb; mar fein an»

10 berer 6i^ im ganzen 3i'"'ncr, er mu§te fi^ barein ergeben, ob il^n j^on bie ^orgenjonne blenbetc; ber «Seffel ftanb feft, er tonnte nur bie ^onb oor bie klugen galten.

3nbem eröffnete fid^ mit einem fleinen ©eräufd^e ber S5or» t|ang über bem ^illtar unb geigte innerhalb eine# 3ial)men§ eine

16 [ecre, bunfle Öffnung. 6g trat ein 5)lann ^erOor in gemö^n» Iid)er Äleibung, ber i^n begrüßte unb ju i^m fagte: „Sottten ©ie mi^ ni(^t miebercrfenncn? ©ottten Sie unter anbem 3)ingen, bie Sic toifjen möd)ten, nidjt aud^ ju erfaf)ren toün» fc^en, teo bie ihinftfammlung 3l^te§ ©rofeüaterä ficf) gegen«

20 todrtig befinbet? ßrinnem Sie ftc^ beg ©cmälbcä nid^t me^r, baö 3^nen fo rei^enb mar? SGÖo mag ber tranfe i?önigöjo^n Bjo^l je^o jc^mac^tcn?" Söil^ctm erfannte leicht ben gi^em» ben, ber in jener bcbeutenben ^Jiac^t fic^ mit if)m im (Saft^aufe unterhalten ^atte. „SBietleic^t", fu^r biefer fort, „tonnen mir je^t

2^ über Sd)icfial unb 6l)arafter eljer einig merbcn."

SBil^elm toolltc eben antmorten, ali ber 33orl^ang fid^ toic« ber rajc^ jujammen^og. „Sonberbar!" jagte er bei fic^ jelbft, „foUtcn jufällige ©reigniffe einen Suifltn'nfn^ang l)aben? unb baS, maä mir Sc^icffat nennen, fottte ti btofe Sufö^ ifi"'? 2öo

80 mag ftc^ meinet Srofeoater^ Sammlung bcfinben? unb marum erinnert man mic^ in biejen feierlid)en Slugenblicfen baran?"

Qx ^atte nid^t 3eit, meiter ju benfen, benn ber 23orf)ang öffnete fid^ toiebcr unb ein 'üJlann ftanb öor feinen 9lugen, ben er jogleid^ für ben fianbgeiftlid^cn erfannte, ber mit i!^m unb ber luftigen ök»

gQ SBiD^elm aReiflert fiel^ria^rt.

jcÜjc^aft jene SBafyerfo'^rt gemarfit t)atte; er gtic^ bcm STöB^, ob .er glei^ nic^t biejelbe ^^crjon jd)ien. Wii einem Ijeitem ©efii^tc unb einem toütbigen Sluelbrucf fing ber ^tann an: „^lid^t Dot Strrtum ju bett}at)ren, ift bie ^4>flid)t beö ^]Jlcnid)eneräift)er2>, Jon» bern ben 2Jrrenben ju leiten, ja i^n feinen 3rrtum auö üollen 5 33e(i)etn auöfd)lürfen ju toffcn, ba§ ift 2Bciöl)eit ber ße^rcr. SBer feinen Strrtum nur !oftet, ^ält (ange bomit .^au§, er freuet fid) beffen aU eineö feltenen öitücfä, ober njer it)n ganj erfcl)öpft, ber mufe il^n fennen lernen, toenn er nic^t toa^nfinnig ift." 3)er ißor^ang fd)lofe fid) abermals, unb SBil^elm t)atte 3eit, nad)= lo äubenten, „33on welchem Irrtum tann ber ^Jiann fpredjen", fagte er ju fid^ felbft, „alä ^^'"n bem, ber mid^ mein ganjcö ijeben öerfolgt ^at, ba§ ic^ ba S3ilbung fuc^te, tt)o feine ju finben xoax, ba^ iä) mir einbilbete, ein ^ialent erwerben ju fönnen, ju bem id) ntc^t bie geringfte Einlage l^atte!" i6

2)er S3orl)ang ri^ ]\ä) fd)neEer auf, ein Offizier trat t)eröor unb fagte nur im S5orbeigel)en : „Giemen 6ie bie ^Jtenjc^cn fen» neu, ju benen man gutrauen t)aben tonn!" S)er Sor^ang fc^lo^ fic^, unb 2Bilt)elm braudjte fid) nid^t lange ^u befinnen, um biefen Offizier für benjenigen ^u erfennen, ber i^n in beä trafen 20 ^art umarmt t)atte unb fdjulb geraejen mar, ta^ er 3amo für einen Söerber '^ielt. 2öie biefer ^ierl^er getommen unb roer er fei, tuar 2Bin)elmen üöüig ein Oiätfel. „2Benn fo Ijiele ^len» fc^cn an bir teilnahmen, beinen 2eben§toeg fannten unb mußten, tüaS barauf ju tun fei, toarum fül^rten fie bid^ nid)t ftrenger? 25 roarum nict)t emfter? marum begünftigten fie beine Spiele, an- ftatt bic^ batjon Ujegäufü^ren*?"

„9?cd)te nic^t mit un§!" rief eine (Stimme; „bu bift gerettet, unb auf bem 2Bege jum Q^d. S)u ttiirft feine betner Sor^citen bereuen unb feine jurücfmünfd^en, fein glücflid^ereä ©d^irffal so fann einem 5)lenfc^en toerben." S)er S5or^ang ri^ fid^ tionein= anber, unb in öoüer Dtüftung ftanb ber alte Äönig bon 2)änc= marf in bem 9taumc. „3d) bin ber @eift beineä S3ater§", fagte ba§ 58ilbni§, „unb fd^cibe getroft, ba meine Söünfi^e für bid^,

eUbtnU« 9viS). 91eunte< JtcpiteL 81

mel^t als ic^ ftc JelBft begriff, erfüttt fmb. ©tcite ©egenbeu laffen fid^ nur burc^ Umtoege erfümmen, auf ber gbene füljren gcrabc SBege öon einem Ort jum anbern. 2ebe roo^I unb ge= bcnfc mein, tocnn bu geniefecfl, toa« i^ bir üorbcreitct I)abel"

b Söil^elm njar au^erft betroffen, er glaubte bie Stimme feinet Söaterä ^n ^ören, unb boc^ mar fie auc^ nic^t; er befanb [lä) burd^ bie ©egenroart unb bie ^nnerung in ber üerroorren» fteu Sage

9lit^t lange fonnte er nad)benfen, aU ber 2lbbe ^erüortrat

10 unb fid^ hinter ben grünen 2;ijc^ ftcttte. „3:reten Sie ^erbei!"

rief er feinem öerrounbertcn fjfteunbe ju. 6r trat ^erbei unb ftieg

bie ©tufen ^inan. Sluf bem Xeppic^e tag eine tIcineStoUe. „^ier

ifl 3^r Se^rbrief, fagte ber Slbbc, „be^erjigen 6ie il)n, er ift

üon toid^tigem 3n^alt." Söil^etm nal^m i^n auf, öffnete il^n

15 unb laä:

Se^rbrief.

S)ie Äunft i^ lang, ba§ fieben furj, baS Urteil fd^toierig, bie (Gelegenheit flüd^tig. ^anbeln ift leidet, S)enten jd^roer; nad^ bem ©ebanfcn ^anbeln unbequem. SlEer Slnfang ift Reiter, bie

20 BdfXDtüt ift ber ''^la^ ber ßrtoartung. S)er ^abe ftaunt, ber ßinbrucf bcftimmt i^n, et lernt fpielenb, ber (Jmft übcrrafd^t i^n. S)ie Slac^a^mung ifl und angeboren, ber 9iac^jual)menbc toirb ni(^t teidjt erfannt. Selten njirb baä ireffüd)e gcfunben, fcltncr gefd^ä^t Sie ^öl^e reijt un«, nid^t bie Stufen; ben

2: ®ii)fel im Sluge toanbeln toir gerne auf ber 6bene. 9iur ein leil ber ^nft fann gelet)rt werben, ber ^iinftler braui^t fie gan^. SGßcr fte l^alb fennt, ift immer iue unb rebet öicl ; mer fie ganj bcfi^t, mag nur tun unb rebet fetten ober fpät. 3ene ■^aben feine ®ct)eimniffe unb feine ßtaft, il)re ßel)re ift, me ge=

80 bacfeneä 58rot, fd^macft)aft unb fättigenb für einen Jag; aber Wt^l fann man nic^t fäen, unb bie Saatfrüd)te joüen nid)t Der» mat)ten werben. 3)ie SBorte finb gut, fie finb ober nid)t baä SBefte. S)a§ S3cfte wirb nic^t beutlic^ burc^ Söorte. 2)cr OJeift, aui bem wir l^anbeln, ift bag .^öc^fte. S;ie ^anblung wirb nur

Softbc X. 6

g2 IBi4«Im SRcillerl fie^ria^re.

üotn ©eifle Begriffen unb toiebcr bargcftcllt. 51icmanb toci^, tooä er tut, toenn er rec£)t l^anbett; aber beä Unred^tcn finb toir ung immer beroufet. SBcr blofe mit Qtxdjtn toirft, ift ein ^ebant, ein ^eud)ler ober ein ^fufctier. 6«i finb if)rer öiel, unb tnirb i:^nen roo^t jufammen. 3t)r ©ejc^roä^ ^qÜ ben <&d)üter jurüdt, unb i^re be'^arrlicfie ^Rittetmäfeigfeit ängftigt bie 93e[ten. S)eß ed)ten i^ünftter§ ße^re fc^üe^t ben (Sinn auf; benn IDO bie SBorte fcl}Ien, fprid)t bie %at. S)cr ed^te ©c^üIer lernt aui bem S8c- fannten baä Unbelanntc cnttoicfeln unb notiert fid^ bem SJteifter.

„(genug !" rief ber ?r6B^, „baS übrige ju feiner 3"t. Sc^t lo fe'^cn ©ic fic^ in jenen 8(^ränfen um."

2öill)elm ging l^in unb Ia§ bie 2luff($riften ber 9lottcn- Qx fanb mit Sertounberung ßott)ario§ 2tt}x\al)xt, 3tamo§ ße^rja'^rc unb feine eignen ße^rja^re bafelbft aufgeftettt, unter bieten an» bem, beren Flamen il^m unbetannt tearen. i6

„S)arf ic^ l^offen, in biefe 9loIten einen SBlidE ju toerfen?"

„gö ift für Sie nunmet)r in biefem 3inimer nid^tg öcr= fc^Ioffen."

„S)arf id^ eine fjfrage tun?"

„Ct)ne Sebenfen! unb ©ic lönncn cntf(^cibenbc Slnttoort 20 ertoarten, menn eine Stngelegcnl^eit betrifft, bie^f^ncn junadtjft om |)eräen liegt unb am ^tx^m liegen foll."

„©ut benn! 3^r fonberbaren unb toeifen 5Jlenfd^en, beren S3lidE in fo öiel ©e^eirnniffe bringt, liJnnt il^r mir fagen, ob gclij tt)trflic^ mein <Bo\)n feil" 25

„^cil S^en über biefe i5fragc!" rief ber 2[bbe, inbcm er bor f^rcubcn bie ^änbe äufammenfd[)lug: „^elij ift S'^r ©ot)n! Sei bem .^eiligften, toaä unter un§ berborgcn liegt, fc^toör' id^ S^nen, getij ift Sl^r ©o^n! unb ber ©efmnung nad^ toar feine ab» gcfd^iebne Butter Steter nid^t unloert, ©m^jfangen ©ie ba§ lieb= m lic^e ilinb aui unferer ^anb, fel)ren ©ie fid§ um unb toagen ©ie e§, glücElid^ ju fein!"

äöiltjelm l^örtc ein ©cräufd^ l^tntcr ftd^, er feierte ftd^ um

SUbmUt eu4. 9)«unie< AoviteL 88

unb \af) ein Äinbergefic^t ic^Qrn)Qft burd^ bic Tüfpxiie bc§ ein« gang« l^eröotgucfen, roax gelij. 2)ct ihtabc oerfterfte fxd^ jogleid^ jc^erjenb, aU er gelegen tourbc „.domm ^ciöot!" rief ber Slbbe. (Jr tarn gelaufen, fein Sater ftürjtc i^m entgegen,

fi na^m i^n in bie Slrme unb brücfte i^n an fein ^erj. „3a, ic^ fü^ri", rief er au^, „bu bift mein! SBeld^e &ahe beä ^immelS l^be ic^ meinen greunben ju Derbanfen! SBo fommft bu l^ct, mein ßinb, gerabe in bicfem Slugcnbticf?"

„fragen Sie nic^t!" jagte ber^lbbe. „^eil bir, junger ^ann!

10 beinc Se^riatjrc flnb öorübcr; bie 9latur ^t bic^ loägejproc^cn."

Jlc5fC0 '^uc^.

i5feti? toar in ben ©arten gejprungen, SBil^elm folfltc i'^m mit ©nt^ücfen, ber jd^önfte ^Jtorgen geigte jebcn ©egenftanb mit neuen 9ieijen, unb 2öilf)etm geno^ ben t)eiterften ^lugenblirf. 6 i^eüj xoax neu in ber freien unb tierrtic^cn 2Be[t, unb jein 95a= ter ntd^t öiel befannter mit ben ©cgcnftänben, nad^ benen ber illeine roiebertjolt unb unermübet fragte, ©ie gefeilten fi(^ enb= lid^ jum ©ärtncr, ber bie Flamen unb ben ©ebrauc^ mand^cr ^flanjen tiererjQljten mufete; 2Bitl)eIm fa^ bie 'Dlatur bur(^ ein lo neueä Organ, unb bie ^ieugierbe, bie SBifebegierbe beä ßinbcS liefen iljn erft füt)ten, tnelc^ ein fd)tt)ad)eö Sfntereffe er an ben S)ingen ou^er fid^ genommen f)atte, mie toenig er fannte unb tDU^te. Sin biefem 2age, bem üergnügtcften feinet ßebcns, jc^icn aud) feine eigne S3i[bung erft anzufangen; er fül^lte bie 9iot= 15 tDenbtgfeit, fic^ p bele!^ren, inbem er ju leieren aufgcforbertroarb.

2Jarno unb ber 'ühii I)atten fid^ nic^t mieber fe^cn laffen; abenbö tarnen fie unb brad^ten einen i^remben mit. SCßilljelm ging i^m mit (Jrftaunen entgegen, er traute feinen ^ugen nic^t, mar SBerncr, ber glcid^fallS einen Slugenbtirf anftanb, it)n 20 anjnerfennen. S3eibe umarmten fid^ aufä järtlid^ftc, unb beibe fonnten md)t üerbcrgen, ba§ fie fid^ mecEiiclämeife öeränbert fan= ben. SBemer behauptete, fein grteunb fei größer, ftärfer, geraber, in feinem SBefen gebitbetcr unb in feinem Sßetragen angenctimcr getoorbcn. „ßtmag oon feiner alten 2;reul)eräigfeit üermiff ' ic^", 25

«4tel flu«. Orfle« JtapUcL 85

fe|te er l^tn^u. „Sie tottb ftd^ aud^ fd^on toiebcr jeigcn, tocnn ioir un§ nur öon bct crften SertDunbcrung erholt ^abcn", jagte miiidm.

fehlte öiel, ba^ 2Bemer einen gleich öorteiIf)aften 6in»

6 brucf auf SBit^cImen gemacht f)ätte. Scr gute 'üJlann jc^ien el^cx jurürf q(^ DortDört« gegangen ju fein. 6r toar öiel magerer al§ c^cmal^, fein jpi^cö ©cfic^t |c^ien feiner, feine ^afe länger ju jein, feine ©tim unb fein Sd^eitel loaren öon .g)aaren entblößt, feine ©timme l^cll, t)eftig unb fd^reicnb, unb feine eingcbrücfte

10 SSruft, feine öorfaHenbcn ©c^ultem, feine farblofen 2Bangen ließen feinen 3iDeifel übrig, ba| ein arbeitfamer |)gpo^onbrift gcgenroortig fei

SSil^cIm ttjor bcfd)eiben genug, um fid^ über bicfe grofee SJerönberung fe^r mäßig ju erflären, ba ber anbere hingegen

15 feiner freunbfc^aftlid^en greube ööHigen Sauf liefe. „2öa^r^af= tig!" rief er auö, „roenn bu beine Qdt f(^le(^t angeroenbet unb, toie ic^ öermute, nid)t«S gewonnen ^oft, fo bift bu boc^ inbeffen tin 'i^crföncf)cn geroorben, baä fein ©lüdE machen fann unb mufe; öcrfc^Ienbere unb öericf)leubere nur aud^ baö nid^t roieber! bu

20 follft mir mit biefer 5igur eine reid)e unb f^öne ©rbin er» laufen." „S)u wirft boc^", öcrfeljte 2BiIl)elm Iäd[)elnb, „beinen G^araftcr nid^t öcrieugnen! Äaum ftnbeft bu nad) langer ^eit beinen f^rrcunb lieber, fo fie^ft bu i^n fd)on al§ eine 9Bare, alg einen föegenftanb beiner ©pefulation an, mit bem fic^ dtoai

25 geroinnen läßt."

3amo unb bcr Slbbc fd^ienen über biefc (Srfennung feincg» toegcö öcrnjunberi unb liefen bcibe i5r«unbe [id) nad) ^Belieben über bas! Vergangene unb ©egenroärtige ausbreiten. 2öemcr ging um feinen ^teunb ^enim, brel)te i^n ^in unb ^er, fo bafe

80 ex i^n faft öcrlegen mad^te. „'iJicin! nein!" rief er auä, „fo toaä ip mir no^ nid)t öorgcfommen, unb bocf) mciß id^ n)ot)l, bafe iä) midi nic^t betrüge Steine 5lugen finb tiefer, beine 6tim ift Breiter, beine 9iafe feiner unb bein ^Jhmb Iicbreirf)cr gcmorben. 8e^t nur einmal, Q^ie er ftc^t! toie bai^ allcä pafet unb jufam-

gg Sil^elm Sielfterl fie^rja^rc

men'^angt! 2Bic bod^ baS ^oulenjcn gcbeil^et! ^ä) armer Teufel bogcgen" er bcfa^ fid^ im Spiegel „toenn id^ bicje !^tit \)tx nicf)t rerf)t öicl ©elb geioonnen ijättt, ]o toäre bod^ aud^ gar nid)t§ an mir."

SScrncr t)atte SöilljelmS testen ®rief nid^t empfangen; il^re 5 ^anblung mar baä frembe ^auä, mit tDeld)em fiot^ario bie (Süter in @emeini{^aft ju faufen bie 3lbfic^t ^atte. S)ie|e§ @e- jd^äft fü'^rte SBernern l^ier^er; er ^atte feine ©ebanfcn, 2ßil- l^elmen auf feinem Söege ju finben. S)er @eric^tst)aüer fam, bie 't.'apiere mürben Porgclegt, unb 2öemer fanb bie SJorfd^läge lo billig. „2öenn (Sie eg mit biefem jungen ^anne, mie fdfieint, gut meinen", fagte er, „fo forgen Sic jelbft bafür, bafe unfcr 2:cil nirf)t üerfürät toerbe; cS foQ üon meinem ^^reunbe ob'^än= gen, ob er baä @ut anne{)men unb einen Jeil feineä SBermö= genä baran menben toiH." Sarno unb ber W^hi öerfid^erten, i6 baß biefer Erinnerung nid)t bebürfe. 5Uan f)attc bie Sad^e !aum im aßgemeinen Pert)anbclt, aU SBemer fid^ nact) einer Partie 2'f)ombre fef)nte, tüo^u fid) benn auc^ gteidt) ber Slbbe unb 2farno mit f)infe^ten; er toar nun einmal fo getooI)nt, er tonnte beä ?{beiibä o^ne Spiel nid^t leben. 20

2llg bie beiben ^reunbe nadt) Jifd^e aöcin toaren, Befragten unb befprad^en fie fidl) fcl^r lcbl)aft über alle§, ma§ fie fid^ mit= juteilen roünfc^ten. SBil^ctm rütjmte feine ßage unb ba§ ®lüc£ feiner 3lufnal)me unter fo trefflid^en ^enfd£)en. Söerner bagegeu fcl)üttelte ben ßopf unb fagte: „5Jlan fottte boc^ aud^ ni(i)t§ glau= 25 Ben, als ma§ man mit 2lugen fielet! 5Jtet)r aU ein bienftfcr= tiger f^reunb l)at mir Perfic^ert, bu lebteft mit einem liebcrlid^cu jungen ßbelmann, füt)rteft il^m Sd^aufpielerinnen ju, lialfeft itjxn fein ®ctb burd^bringen unb feieft fd)ulb, ba| er mit feinen fämtli(f)en Slnüerroanbten gefpannt fei." „@§ mürbe mic^ um 30 meinet= unb um ber guten 5Jicnidf)cn toiHen Pcrbrie^en, ba| mir fo öerlannt toerben". Perfekte Söil^elm, „toenn mi(^ nic^t meine t^eatralifdie ßaufba'^n mit jeber Übeln 9tad|rebe Perföl)nt ^ätte. 2öic fottten bie 3Jlenfcl)en unfere ^anblungen Beurteilen, hk

14to« »u4. Orflc« Jtapitel 87

il^nen nur einäetn unb aBgcriffen crfci)etncn, toobon fie baS tocnigfte jel)en, roeil ®utcä unb '-ööjeä im SBerborgcnen gc|d)icf)t, unb eine glcid)gültige örjc^einung meiften^ nur an bcn Xag lommt. Sringt man it)ncn boc^ <£rf)auipiclcr unb Sc^aujpietc» 6 rinnen auf crljö^te 58retter, jünbet öon aEcn (Seiten ßic^t an, ba^ gan^e Söerf i[t in roenig Stunben abgeld)tüfyen, unb bod^ loeife leiten jemanb eigentlich, roaä er barauö mad)en ]oü."

^Jlun ging an ein fragen nad^ ber gamitie, nad) ben 3Su= gcnbfreunben unb ber Saterftabt. SBerner eräö^Itc mit groBer

10 .^aft allcä, njaS fic^ Derönbert t)atte, unb n)a§ nod^ beftanb unb gefc^af). „5Die f^raucn im .^auje", jagte er, „fmb bergnügt unb glücflid^, fe^It nie an ®elb. 3)ie eine |)älfte ber 3cit bringen fie ju, ]\(i} ju pu^cn, unb bie anbere .^ätfte, fid) gepult fc'^en ju laffen. |)au^t)älterii(^ finb fie fo üiel, ali biüig ift. ^Jleine

16 jhnber laffen fi^ ^u gcfi^eiten jungen an. ^d) \cljt fie im ©eifte jdjon fi^en unb jc^reiben, unb red^nen, laufen, ^anbeln unb tröbcin; einem jeben foll fobalb aU mögtic^ ein eignet ©eirerbe eingeri(i)tct werben, unb xoa^ unfer 33ermögen betrifft, baran foUft bu beine Cuft fe^en. SBenn ttjir mit ben @ütern in Orb=

20 nung finb, mufet bu gfeid) mit nac^ ^aufe, benn fiet)t boc^ auö, aU wenn bu mit einiger SSernunft in bie menfd)tic^en lln» tcrncl)mungen eingreifen fönnteft. £)einc neuen ^tcunbe foHen gepriefen fein, ba fie bid^ auf ben rechten 2öcg gcbrad)t ^aben. 3^ bin ein närrijdjer Teufel unb merfe erft, toie lieb ic^ bid)

2-5 ^abc, ba id) mid) nic^t fatt an bir fe^en tann, ba^ bu fo iuot)t unb fo gut auäfie^ft. 2)ag ift boc^ nod) eine anbere ©eftalt aU bo§ ^Porträt, baö bu einmot an bie (£d}tt)cfter fc^irfteft, unb vorüber im .^aufc großer ©trcit tüar. IJlutter unb 5;od)tcr fanben ben jungen ^erm oHerliebft, mit offnem .^alfc, f)atb="

80 freier Sruft, groficr Äraufc, ^cruintjiingenbem -^aüx, ntubem .Jput, fur^cm 2öeftd}en unb fc^totternbcn langen ^^ofen, inbcffen tc^ behauptete, baä Äoftüm fei nur noc^ jnjei i5fi"9cr breit öom ^onäiuurft. 9iun fief)ft bu boc^ auä loic ein ^JJlenfcl), nur fetjlt ber So\>i, in bcn id) bcine .^aarc ciiijubinbeu bitte, fünft l;ält

88 gSill^elm metflert ge^ria^re.

man bt(^ bcnn boi$ einmal untertocgeä atä 3ubcn an unb forbcrt 3ott unb ©eleitc tion btr."*

i^elij roax inbcffcn in bie ©tube gcfommcn unb l^atte jid^, aU man auf il^n nic^t achtete, aufä Kanapee gelegt unb ttjar eingej^lafen. „2öa§ ift baä für ein 2Surm?" fragte SBerner. 6 SBin)elm l)attc in bem ^ilugcnblicfe ben ^Hiut ni(f)t, bie 2öaf)r= I)eit ^u fagcn, nod) ßuft, eine bod) immer ^roeibeutige ©ejd^idite einem i)J{anne ju erjagten, ber öon ^Jlatur ni(i)t§ toeniger al8 gläubig mar.

S;ie ganje ©efeHjc^oft begab fic^ nunmel^r ouf bie ©üter, lo um fie ju belegen unb ben ^anbel ab^ufc^ liefen. 2Bilt)elm lie^ feinen ^elij nid^t Don ber «Seite unb freute fiel) um be§ jlnaben h)illen re(i)t lebhaft be§ 23efi^e§, bem man entgegenfal^. 3)ie £ü[tern^ett beg ßinbe§ nad^ ben Äirjdien unb SBeeren, bie balb reif werben foHten, erinnerte il^n an bie 3^^* feiner i^ugenb is unb an bie üietfadEie ^^flid)t beä 35aterä , ben ©einigen ben ®e= nu§ üorpbcTciten, ju öerfdE)affen unb ju ermatten, ^it toeU d^em Sfntereffe betrad^tete er bie Saumfd^ulen unb bie ©ebäube! Söie lebl^aft fann er barauf, bai 5öerna(^läifigte tDieber^er= juftctlen unb ba§ 25erfallene ju erneuern! (Jr fa^ bie SCßelt ni(f)t 20 me^r toie ein 3ngöogel on, ein ©ebäube nid^t mel^r für eine gefd)rotnb jufammengefteltte fiaube, bie öertrocEnet, et)e man fic berlä^t. 9llle§, xoa^ er anzulegen gebadete, fottte bem Knaben entgegenn)a(^ien, unb alleä, mag er l^erftettte, folltc eine 2)auer auf einige @eid^lec£)ter l^aben. ^n biefem ©inne roaren feine 25 ße^riat)Te geenbigt, unb mit bem ®efül)l be§ 5Bater§ i^attc er aud^ alle Xugenben eineä 23ürger§ erworben. 6r füf)tte eä, unb feiner ^^eube tonnte nichts gleid)en. „D, ber unnötigen ©trengc ber intoral!" rief er auä, „ba bie 9latur un§ auf il^rc liebliche SBeije ju allem bilbet, toaä mir fein f ollen. £), ber feltf amen 30 5lnforberungen ber bürgerlicl)en ©efeUfdEiaft, bie un§ erft öer= toirrt unb mi^eitet unb bann me^r al§ bie 9latur felbft toon

1 21nfpielung auf ben bama(ä nod^ in manchen (Degenben 2!eutfd^Ianb8 Üblichen EeibioU ber ^uben.

lt(»tf« gut», «rftrt «ttptteL 89

uns forbert! SBcl^c jeber Slrt bon IBilbung, tocld^e btc toirf= famften IDlittcI toa^rer iöilbung jerftört unb un§ auf ba§ 6nbc ^inroeiit, onftatt und auf bem 3Begc fclbft ju beglürfen!"

60 man^eS et quc^ in feinem Sebcn fc^on gefe^en ^atte, ;. fo fd^icn i!^m boc^ bic menfc^(i(^c ^iatur erft burcf) bie Seobad^» hing beS .ffinbcö beutlic^ ju toetben. S)Qä Sweater toax i^m, roic bie Söelt, nur a[§ eine ?]knge au§gefc^ütteter Söürfel oor= gcfommen, beten jebet einzeln auf feinet Dberfläd)e balb met)t, balb ujeniget bebeutet, unb bic attenfallS jufamniengejä^It eine

10 8umme machen. .Jpier im ^inbe lag i!^m, tonnte man fagen, ein

ein^elnet SCßürfel öot, auf beffen öielfac^en Seiten bet 2öert unb

bct Unroett bec menfrf)Ii(^en 9iatut fo beutlic^ eingegraben toax.

Süa« 9}etlangen beö Äinbe^ nad^ Unterfc^eibung tt)ucf)2i mit

jebem Jage. S)a einmal crfaf)rcn ^atte, ba^ bic Singe ^a=

15 men baben, fo tooUte eg auc^ ben Flamen öon all<m l^ören; glaubte nid^t anber^, fein SBatet muffe attcg miffen, quättc i'^n oft mit (fragen unb gab i^m SlnlaB, fic^ nac^ ©egenftdnben ju erfunbigen, bcnen er fonft »cnig Slufmcrffamfeit geroibmet §ottc. ?Iuc^ ber eingebome 2:rieb, bic ^erfunft unb baä Gnbc

20 ber S;inge ju erfat)ren, <\eigte fid^ frül^e bei bem Änaben. SBenn er fragte, wo ber 23inb ^erfomme, unb roo bict^Iamme l^infomme, toar bem 33ater feine eigene SSef^rönfung erft red)t Icbenbig; er toüujc^te ju erfaf)ren, mie loeit fi(^ ber IDlenfc^ mit feinen ®e= banfen wagen, unb moüon et ^offen bürfe, fid^ unb anbern ic=

«* mal« Wec^enfc^aft ju geben. S)ie ^eftigfeit beö Äinbe^, wenn cS irgenb einem lebenbigen Söcfen Unred)t gefdfjel^en fat), cr= freute ben S3ater l^öc^Iic^ aU tai 3"cf)en cineg trefflid^en @c» mtitö. 5)aS ihnb frf)lug I)cftig nac^ bem ß^üd)enmäbrf)en, bag einige Rauben obgefdjnitten t)attc. Sliefer fc^öne 33cgriff würbe

Kl benn freiließ balb wicber ^erftört, aU er ben Knaben fanb, ber oI)ne Söarm^erjigfeit i^röfrf)c totfc()Iug unb ed)mettcrlinge 3cr=' rupfte. Cd erinnerte i^n biefet 3u9 an fo Diele Wcnfrf)en, bie ^öc^ft gerecht erfc^einen, wenn fic of)nc 2eibenfd)aft finb unb bie ^anblungcu anbcter beobachten.

gQ SBil^elm SteiflerC Sel^rial^re.

S)tcfc§ angencl^me ®cfü{)l, ba^ ber Stnabt \o einen fd^öncn unb tDat)ren (Einfluß auf jein S)ajetn t)abe, toarb einen 3Iugen» I6lidf gejtört, aU 2öilt)etm in turpem bemerfte, ba^ roirflic^ ber ßnabe mef|r i^n, qI§ ex ben Knaben eräie^c. @t tjatte an bem ,<linbc nid)t§ augjuje^en, er "mar nid^t im [tanbe, if)m eine 9tid^» s tung p geben, bie niifjt jelbft naiim, unb logar bie Unarten, gegen bie Slurelie \o öiel gearbeitet t)atte, ttjaren, jo jc^ien c§, nac^ bem Jobe biefer ^^rcunbin alle wicber in i^re alten Steckte getreten, ^oc^ madjtt baö Äinb bie 2üre nienmlö l)inter fic^ ju, nod) tootttc er jeincn 2;etter nid^t abefjen, unb jein 33c^agcn lo ttjnr niemals größer, aU wenn man il)m narf)ia!^, bafe er ben S3ifjen unmittelbar au§ ber (£(i)üffel nel^men, bai öotte ®la8 [tefjen laffen unb au§ ber i^^^aic^e trinfen fonnte. ©o roar er anä) ganj allerliebft, wenn er fid^ mit einem 58uc£)e in bie 6dEe je^te unb |et)r cmftf)aft Jagte: „3d^ mufe ba§ gelet)rte 3eug ftu= 15 bieren!" ob er gleich bie 33ud)[taben nod^ lange Weber unter» fd)eiben fonnte nod^ wollte.

aSebactite nun Söill^elm, toic toenig er bisher für bog Äinb getan l^atte, Wie wenig er ju tun fätjig fei, fo ent» ftanb eine Unruhe in il^m, bie fein ganjeä @(üdE aufpwiegen 20 im ftanbe war. „©inb wir 5Jlänner benn", fagte er ju fid^, „fo felbftifc^ geboren, bafe wir unmöglich für ein 2öefen au§er ung Sorge tragen fönnen? S3in ic^ mit bem Knaben nid^t eben auf bem 2Sege, auf bem iäj mit 5[Jlignon War? 2fd^ 30g ba§ liebe ^inb an, feine ©egenwart ergö^te mid^, unb babei 25 ^ab' id^ aufä graufamfte öemac^Iöffigt. 2Ba§ tat ic^ p feiner SSilbung, nad^ ber fo fet)r ftrebte? 5lic^t§! ^ä) übcu {ie§ fid^ fetbft unb allen 3ufätti9feiten, bencn in einer ungebilbeten (SefeEfd^aft nur auggefe^t fein fonnte; unb bann für biefen ^aben, ber bir fo merfwürbig War, ef)e er bir fo so wert fein fonnte, l^at bid^ benn bein .^erj gef)eiBen, au^ nur jemalä ba§ ©eringfte für if)n ju tun? ift nid^t mef)r :^eit, ba^ bu beine eigenen ^ai)xt unb bie ^at)xt anberer öergeubeft; nimm bid) äufammen unb benfe, rva^ bu für bid) unb bie guten

H^tH eu4. «rflc« «apitcL 91

(Sefc^öpfe ju tun l^afl, tocld^e ^atur unb Steigung ]o fefl an bi^ fiiüpfte."

Gigent[i(i^ toar bie|c§ ©erbftgeyprdd^ nur eine ßintcitung, ^ä) ju befennen, bQ§ er jd^on gebockt, geforgt, gcfud^t unb ge» 5 \Dat)Ü l^atte; er fonnte nid)t länger jögem, fic^ jelbft ju gc» flehen. !Jiad^ oft öergebenä n)iebert)oItem ^(^merj über ben 5Bcr» (ujt ^Diarianenä füt)ltc er nur ju beuttid), ta^ er eine ''JJluttcr für ben ^aben jucken muffe, unb bo^ er fie ni^t fid^rer al§ in 2^erefen finben toerbe. 6r tonnte biejeS üortrefftici^e 5rauen=

10 jimmer ganj. 6ine folc^e ©attin unb @ef)ülfin jc^ien bie einjige ju fein, ber man ft(^ unb bie Seinen anüertrauen tonnte. 3'^re eble 9ieigung ju 2otf)ario ma(f)te il)m feine 5BebenfIici)teit. Sie iDoren burd) ein fonberbareg Sd^icffat auf ett)ig getrennt, 2^erefc l^iett fic^ für frei unb Ijatte öon einer ^eirat jroar mit ®leicf|=

15 gültigCeit, boc^ atä öon einer Sad^e gefprod^en, bie fid^ öon fclbf! oerftcl^t.

9iarf)bem er lange mit ftd^ ju State gegangen toar, na'^m er fxd^ öor, i^r öon fic^ ju fogcn, foöiel er nur teufte, ©ie foHte tt)n fennen lernen, n)ic er fie fannte, unb er fing nun an, feine

ao eigene @ej^irf)te burcfjjubcnfen; fie fd^ien i^m an S3egebenl)eiten fo leer unb im ganjen jebeS 93etenntni§ fo »cnig ju feinem 33or=» teil, ba^ er met)r aU einmal öon bem SSorfa^ abjufte^n im be- griff roar. Gnblic^ entfdt)lo^ er ftd), bie 9toIIe feiner Se^rja^rc ouä> bem Jurme öon 3arno ju örrlangen; biefer fagte: „ßg

25 ift eben jur rechten 3^^*"/ "ni> 2BiIt)e(m erhielt fie.

e^ ift eine fc^auberl)afte ßmpfinbung, toenn ein ebler^ienfd^ mit SewuBtfein auf bem fünfte ftetjt, too er über fidf) fclbft auf» geflört Werben foll. 3IIIc Übergange fmb ^ifen, unb ift eine SM\t nid^t fiTanfI)ett? SSie ungern tritt man nad^ einer Slxant'

so ]^eit öor ben (Spiegel! Die 33effening fü^lt man, unb mon fie^t nur bie Söirfung bcä öcrgangenen Übctg. 2Bil^clm Ujor inbeffcn öorbereitet genug, bie Umftänbe Ratten fd^on tebl)aft ju il^m gefprocticn, feine greunbe l^attcn iljn eben nidf)t gefd)ünt, unb menn er gleidC) baä Pergament mit einiger Jpaft aufrüllte, fo

92 Cil^elm Weifter« fie^riabre.

toarb et boc^ immer rul^igcx, je tocitcr er laS. (h fatib bie um» [tänbtic^e ®efc^i(i)te fcineä ßebenS in großen, fd^arfen 3ügen ge= |(i)ilbert; loeber ein^etne SSegebenfjeiten, noc^ befc^ränfte gmpfin» bungen öerioirrten |cincn SBIidf , allgemeine liebcDoIIe 93etrad^= tungen gaben tt)m gingerjeige, ol^ne il^n ju bejc^ämen, unb er 5 jaf) jum erftenmol jetn Sitb aufeer fid), jtear nt(i)t, wie im Spie» gel, ein äteeiteä 8elbft, jonbem toie im *|3orträt ein anbereS Selbft: man befennt [ic^ ^toax nirf)t ju aüen 3ügen, aber man freut fid), ba§ ein benfenber ®ei[t unä ]o I)at faffen, ein gro^eS 2:alent un§ ]o t)at barfteEen toollen, ba§ ein S5ilb Don bem, wa§ 10 Wir waren, noc^ be[te{)t, unb ba^ länger al^ wir jetb[t bauem fann.

2BtIf)etm befc^äftigte fid^ nunmel^r, inbem äße Umftänbc burd^ bieg ^Utanuffript in jein ®ebäd)tntg äurüdfamen, bie ©e= fd^idjte jeineä Sebeng für 2:f)erefen auf^ufe^en, unb er fd^ämtc 15 fid) faft, ba^ er gegen il^re großen Jugcnben ni(i|t§ aufaufteHen l^atte, Wa§ eine ^wecf mäßige 2:ätigfeit beweif en fonnte. So umftänblid^ er in bem Sluffa^e War, fo furj faßte er fic^ in bem Briefe, ben er an fie fd^rieb; er bat fxe um il^re fjreunbjdiaft, um il^re ßiebe, wenn'g mögtici^ wäre; er bot i'^r feine ^anb an 20 unb bat fie um balbigc ©ntfd^eibung.

'iRaä) einigem innertid)en 8treit, ob er biefe Widitige ©ad)c nod^ erft mit feinen gteunben, mit Sfarno unb bem 2lbbc, bera= ten foHe, entfd^ieb er fid^, ju fdjWeigen, 6r War ju feftentfc^ [offen, bie ©ad^e war für il^n ju wid^tig, aU ba| er fie nod^ l^ätte bem 25 Urteil be§ öernünftigften unb beften 5Jlanne§ unterwerfen mö= gen; ja, fogar braudt)te er bie S3orfidt)t, feinen Srief auf ber näd)ften ^^oft fetbft ju beftellen. SSietteic^t {)atte il)m ber @e= baute , ba^ er in f 0 öielen Umftänben feineS ßebeng, in bcnen er frei unb im SSerborgenen ju l^anbeln glaubte, beobad)tet, ja fo= so gar geleitet worben war. Wie it)m au§ ber gefcE)riebenen JRoIIe nid^t unbeuttid^ erfd)ien, eine Slrt öon unangenehmer 6mpfin= bung gegeben, unb nun Wollte er Wenigfteng p Sl^erefcnö ^er» Jen rein üom «^erjen reben unb ii)rer (Sntfd^tie§ung unb 6nt=

Td^etbung fein Sd^itffal fd^ulbtg fein, unb fo mod^te er [lä^ fein (Seioiffen, feine SBöc^ter unb ^luffel^eT in biefem toi^tigen 5^untte wenigftenS ju umgeben.

6 Sianm toar ber Srief abgefenbet, al8 ßotl^arto jurflcfEam. 3ebermann freuete fid), bie öorbereitetcn n)i(i)tigen ©ejc^öfte ai=> geji^loffcn unb balb gecnbigt ju jeljen, unb SBiüjelm erroartetc mit Söerlongen, wie fo öiele gäben teil^ neu gefnüpft, teilä auf» gclöft unb nun fein eignet Sßer^attniä auf bie 3ufunft beftimmt

10 toerben fottte. ßot^ario begrüßte fie alle auf§ befte; er ujor ööllig toieber^ergeftellt unb Reiter, er ^atte baS 3lnje^en eineö '»Dtanneä, ber roeiB, xoai er tun foll, unb bem in allem, toa8 er tun will, nic^tö im Söcge fte^t

Söil^elm fonnte il^m feinen l^erjlid^en ®ru§ nic^t jurürf=

15 geben. „S)ieö ift", mufete er ju fi^ felbft fagen, „ber greunb, ber ©cliebte, ber 35räutigam JI)erefenS, an bcffen 6tatt bu hid) ein= jubrängen benfft. ©laubft bu benn jcmaB einen fold)en 6in= brucf auäjulöi(^en ober ju tierbannen?"— SSäre ber 33rief no(^ nic^t fort geroefen, er ^dtte öieüeic^t ni(^t geroagt, i^n abäujen«

20 ben. ©[üdlic^erroeife toar ber SBurf fc^on getan, öieüeidjt roar Jt)erefe fc^on entfd)iebcn, nur bie ßntfemung becfte nod) eine glütflidje SSottenbung mit i^rem Schleier, ©eroinn unb 93er» luft muBten fid^ bolb entic^eiben. 6r fud)te fic^ burd) alle biefc 93etrac^tungen ju beruhigen, unb boc^ roorcn bie 93erocgungen

25 feineä ^erjenS beinahe fieberl^aft 9lur toenig Slufmerfjainfeit fonnte er auf bog toid)tige ©efdiäft menbcn, tooran geroiffcr= mafeen hai Sd^icffal feineö ganzen 9)crmögenö t)ing. ^^Ic^! roic unbcbcutenb erfd^eint bem ^lenfct)cn in Ieibenf(^aftlid)en Singen» blicfen aUei, toai it)n umgibt, atleä, xoai i^m angehört!

80 3u feinem fölücfc bel)anbclte £ütt)ario bie 6ad}c gro^. unb SBemer mit ßei^tigfeit. tiefer ^atte bei feiner heftigen iöegicrbc aum (Erwerb eine lebt)afte i^reube über ben fd)önen iBefi^, ber

94 aSill^elm 9Re<fierl Be^o^rr,

il^m ober btetmel^t feinem f5fteunbe toerben folltc, Cotl^ario bon jciner ©eite id)ien ganj anbete SBetraditungen ju mad^en. „3(^ lann mid^ nid)t jorooljl über einen S3e[i^ freuen", fogte er, „alä über bie Üted^tmä^tgfeit beifelben."

„9iun, beim ^immel!" rief Söerner, „toirb benn biefer unfer 6 35cfi^ nid^t rec^tmäfeig genug?"

„^iic[)t ganj!" öerfe^te ßotl^ario.

„©eben toir benn nid^t unfer barcS ®elb bafilr?"

„tRcd^t gut!" fagte £ott)ario; „aud^ ioerben 6ie ba§jenige, tt)a§ xd} ju erinnern l^abe, bietteidEjt für einen leeren ©fru^jel le Italien, ^ir lommt fein S3cfi^ ganj red^tmä&ig, ganj rein öor, al8 ber bem ©taate feinen fc£)ulbigen 2eil abträgt."

„23ie?" fagte Söemer, „fo tt)oHten<5ie alfo lieber, ba^ unfere frei gcfauften ®üter fteuerbar ttjären?"

„3ta", öerf e^te ßotl)ario, „bi§ auf einen getoiffen ©rab ; benn is burd^ biefe ®teic^t)eit mit atten übrigen Sefi^ungen entfielt ganj allein bie ©idfierl^eit be§ Seft^eS. 2iöa§ I)at ber 33auer in ben neuem Seiten, too fo toiele 33egriffe fd^manfenb merben, für einen ^auptanla^ , ben S3efi§ be§ 6belmann§ für tocniger gegrünbet oniuiet)en aU ben feinigen? 51ur ben, ba^ jener nid^t belaftet 20 ift unb auf il)n laftet."

„SQBie mirb aber mit ben 3infen unfereä Kapitals au§« feigen?" ücrfc^te Söerner.

„Um nidt)t§ fd^limmer", fagte ßotl^ario, „toenn unS bct ©taat gegen eine billige regelmäßige W)g^abt baö £e^ng=^ofui= 26 5pofu§ ertaffen unb un§ mit unfern ©ütem na(^ ^Belieben ju fd^alten erlauben motlte, baß toir fie nid^t in fo großen ^Raffen äufamment)alten müßten, baß mir fte unter unfere ^inber gletd^er öettcilen tonnten, um alle in eine tebf)afte freie St^^ätigfeit ju öerfcljen, ftatt il^nen nur bie befd^ränften unb befdtjtänfenben so 2)orred£)te ju '^intertaffen, meldte ju genießen mir immer bie ©eifter unferer S3orfaI)ren l^erDorrufen muffen. Söieöiel glüdE* lieber mären Männer unb grauen, toenn fic mit freien Slugen umt)erfel)en unb balb ein toürbigeS 2Jläbd§en, balb einen treff«

(id^cn 3üngling ol^nc anbete 9?ü(fftc^ten burd^ il^re SOßal^I er- geben fönntcn. 2)cr Staat toürbe mc^r, öietteici^t beffere SBürgex l^aben unb nic^t \o oft um ßöpfe unb ^änbe »erlegen fein." „3d) tann ©ie öerfid^ern", jagte 2Bemer, „büB \6) in mei«

s nem ßeben nie an ben (Staat gebac^t \)abt] meine 3lbgaben, 3ölle unb ©eleite' l^abe ic^ nur |o beja^It, toeil einmal ^er» gebracht ift"

„9iun", fagte Sotl^ario, „iä) l^offe ©ie nod^ jum guten ^a» trioten ju mad)cn; benn ü)ie ber nur ein guter Sßater ift, ber bei

10 Stifc^e erft feinen iHnbetn üotlegt, fo ift ber nur ein guter 33ür= ger, ber tjor allen anbern Sluägaben ha^, toaö er bem ©taate ju entrirf)ten ^at, jurücflegt."

S)ur^ fotc^e attgemcine Betrachtungen tuurben il^re befon» bem Öefc^äfte nic^t aufgehalten, öielmc^r befc^leunigt. %U ftc

16 jiemüc^ bamit ju ftanbe waren, jagte ßot^ario ^u 2Biff)cImen: ,^dl mu& ©ie nun an einen Ort jc^icfen, ido ©ie nötiger finb aU ffiex] meine ©c^roefter lä^t ©ie erfud)en, fobalb al§ möglid^ ju ii^r ju fommen; bie arme ^ignon id)eint fid^ ju oerjetjren, unb man glaubt, ^\)xe ©egenroart fönnte bieHeic^t nodi bem

M Übel einhält tun. 3Jteine ©c^roefter f(^irfte mir bieje§ Sißett noc^ nad) , roorau« ©ie je^en tonnen, toieüiel i!^r baran gelegen ift" ßot^ario überreizte il^m ein 23lättc^en. SSil^elm, ber fd^on in ber größten Sertegen^eit juge^ört {)atte, erfannte jo= gleii^ an biefen flüchtigen Sleiftift^ügen bie ^anb ber ©räfin

» unb iDufete ni(f)t, toaS er antn)orten jottte,

„^cl)men ©ie gclij mit", jagte 2ott)ario, „bamit bie Äinbex ^6) untereinanber auft)eitem. ©ie müfeten morgen frül) beizeiten tceg; ber SBagen meiner ©djrtefter, in öjclc^em meine ficute t)er« gefahren fmb, ift no^ f)ier, ic^ gebe 3^nen ''4}ferbe biä auf t)alben

80 Söeg, bann nehmen ©ie ^^ofL ßeben ©ie rcc^t too^l unb ridjtcn biete ©rü^e üon mir auä. ©agen ©ie babei meiner ©c^iocftct, ic^ toerbe fie balb toieberfct)en, unb fte joE jic^ übcrljaupt auf

> 6ooiel »ic Scldtgetb, eine abflaue ber Keifenben, ipel^e ba< (Belelte btS 8cmb«i(erm in Hnfpruc^ nahmen.

95 fBil^dm SRetfler* Ee^rjo^re.

einige ©äjlc borBereiten. 2)er gwunb unjcrcS ®ro^o'^cim8, ber 5Jlard)eje Sipriani, ift auf bem 2Bcge, ^ierl^er ju lommen; et l^offte, ben alten 5Rann nod^ am ßebcn anjutreffen, unb fic njott^ ten fid) jufammen an ber Erinnerung trüberer S5er!^ältnif|e er= gö^en unb fid) i^rer gemeinjamen ß'unitlieb^aberei erfreuen. 5 Sier 'i)Jlürd)efc toar biet jünger alä mein Oljeim unb öerbanfte i!)m ben beften Seil feiner Silbung; wir muffen alleä ouf bieten, um einigermaßen bie ßücfc auszufüllen, bie er finben tt)irb, unb ba§ toirb am beften burc^ eine größere ©efeüfdjaft gefd)el)en."

2ott)ario ging barauf mit bem Slbbe in fein 3iinmer, 2^arno 10 War öor^er meggeritten; 2öilt)elm eilte auf feine ©tube, er !^atte niemanb, bem er fid^ öertrauen, niemanb, burd^ ben er einen ©d^ritt, bor bem er fid) fo fe!^r fürd)tete, l^ötte abtoenbcn fönnen. 3)er tleine S)iener !am unb erfud^te i^n, einjupaden, toeil fic nod^ bicfe 9ladE)t aufbinben toottten, um mit 5lnbrudt) be§ Iage§ 15 n)cgjufat)rcn. 2öill)elm wußte nid)t, toa^ er tun foEte; cnblid^ rief er au§: „S)u ttjiEft nur mad)en, baß bu au§ biefem ^aufe fommft; untermegeä übetlegft bu. tt)a§ ^u tun ift, unb bleibft aEenfallS auf ber ^ölftc beö 3öegeä liegen, fd^idft einen S3oten jurüd, fd^reibft, toaä bu bir ni^t ju fagen getrauft, unb bann 20 mag roerben, toaS toitC." Ungeachtet bicfcä ßntfc^luffeä btad^te er eine fc^laflofe 51ad^t ju; nur ein SBlid auf ben fo fd^ön rul)en» ben 5eli? Qoh if)m einige 6rquidung. „D!" rief er au§, „rocr n^eiß, mag noc^ für ^Prüfungen auf mid£) toarten, toer toeiß, roie fcl^v mid^ begangene 5c{)Ier nod^ quälen, toie oft mir 25 gute unb bernünftige ^Jlane für bie ^ufunft mißlingen foEen! aber biefen <Bäia^, ben id^ einmal befi^e, ert)alte mir, bu erbitt= lidt)eS ober unerbittlid^eS ©d)idfal! SBäre möglid^, baß bicfcr befte Seil bon mir felbft bor mir äerftört, baß biefe§ |)erä bon meinem «^erjen geriffen werben fönnte, fo lebe mol^l, Serftanb so unb Vernunft, lebemoljl, jebe Sorgfalt unb Sorfid^t, berfd^winbe, bu Sricb jur (5rl)altung! 9ltte§, maS un§ bom Siere unterfd)ei» bet, berliece fid^! Unb toenn nid^t erlaubt ift, feine traurigen Sage freiwittig ju enbigen, fo ^ebc ein früti^eitigcr SQ3at)nfinn

g<tte« Cii(j. grorttt« itapttcL 97

ba§ SSetoufetiein auf, c^e bcr 2ob, bcr cS auf immer jerflört, bic lange 9la^t ^crbeifüf)rt!"

Qx fa^te ben Änoben in jeinc Sinne, fü§tc il^n, brücftc i^n an ftc^ unb bcnc^te i^n mit reid^tic^en tränen. 2;aä Äinb

5 toac^te auf; fein Ijetlc^ Stuge, |ein freunblid^er SBlitf rührten ben Sßatev aufä innigfte. „2Beld^e ©jene fte^t mir beöor", rief er aus, „ttjcnn id^ bii^ bcr j^öncn unglücflid^en ©räfin öorftellcn fon, tocnn fte bid^ an ifjren SBufcn brücft, ben bein Sßater jo tief tjcrle^t ^at! Diuß ic^ nic^t fürd^ten, fte ftößt bid^ roieber öon

10 fid^ mit einem ©c^rei, fobalb beine 59erüf)rung i^rcn toa^rcn ober eingebilbetcn ©dtimerj erneuert!"

2)er Äutft^er lie^ il)m nic^t ^eit, iDcitcr ju beulen ober ju toäl^Icn, er nötigte i^n öor Jage in ben SBagen; nun wirfeltc er feinen ^clij too^l ein, ber borgen toar talt, aber Ijeitcr, ba§

15 ^nb ja^ jum erftenmal in feinem ßebcn bie Sonne aufgcl)n. (Sein (irftauncn über ben erften feurigen Slicf, über bie roac^= fenbe ©etoalt beä 2i(^tS, feine gfreube unb feine tt)unbcrlidl)en Semerfungen erfreuten ben Sater unb liefen il)n einen 33licf in bai ^erj tun, öor tt)el(f)em bie ©onne toie über einem reinen

JO füllen See em^orfteigt unb f(^öjebt.

3n einer fleincn ©tobt fpanntc ber ilutfd^cr au8 unb ritt jurücf. 2öilf)elm nafnn fogleid^ ein 3intmer in üßefi^ unb fragte fid^ nun, ob er bleiben ober öormärtS ge^en fotte. ^n biefcr Uncntfd^loffen^eit toagte er ba§ Slättd^en toieber ]§eroor3une^=

■b men, ba§ er bisher nod^mal§ anjufe^cn fid^ nic^t getraut tjatte; eS enthielt folgenbe 3öorte: „Sd^icfc mir Seinen jungen fjfreunb ja balb! 5Jiignon l^at fic^ biefe beiben legten Jage et)er t)cr= fd)limmert. Bo traurig biefe Gelegenheit ift, fo fott mid^'ä bocf) freuen, i^n fennen ju lernen."

■so 3)ie legten SBorte :^atte SQ3il^elm beim erften 93lidf nid^t ht' merft. (5r cii'c^raf borübcr unb war fogleid^ entfdt)ieben, büß er nid^t get)cn motlte. „2öie?" rief er au§, „2otl)ario, ber baä Söcr« ^ältniS ujciB, ^at i^r nidfjt eröffnet, h)cr ict) bin? 6ie enoartet nic^t mit gefegtem (Semüt einen 23elannten, ben fic lieber nic^t

(Sott^ X. 7

98 aBit^elm TOetftei8 £e^rla^c.

toieberfä'^c, flc citoartct einen tJtcmben, unb td^ trete l^inein! ^ä) \d)e [ie äurticfjd)aubem, i(^ fcl^e [ie erröten! 3'lcin, tft mir unmöglich, bicjcr ©jene entgegenjugcl^en." ©oeben tt)ur= ben bie '^^ferbc l^erouSgefü^rt unb eingejpannt; Söitl^clm toar entfdjlüffen, abäupadfen unb ^icr ju bleiben. 6r töor in bcr grö|= 0 tcn Setoegung. 5llä er ein ^äbd)cn jur 2:reppe Jierauffommen l^örte, bie i^m anzeigen ftottte, ba^ aHeä fertig fei, fann er ge» jd)tt)inb auf eine Urfad^e, bie it)n l)ier ju bleiben nötigte, unb feine Slugen rut)ten ol^ne Stufmerffamfeit auf bem SSillet, bog er in ber ^anb l^ielt, „Um ©ottegtoillen!" rief er au8, „toaä ift 10 ba§? S)a§ ift nic^t bie |)anb ber ©röfin, ift bie ^anb ber Slmajone !"

S)a§ ^iäb(i)cn trat l^crein, bat il^n, l^erunterjulommen unb führte iJelij mit fi(^ fort. „3ift mögtt($?" rief er auä, „ift tt)at)r? toa§ foll ic^ tun? bleiben unb abtoarten unb auffldren? u ober eilen? eilen unb mic^ einer Snttoicflung entgcgenftürjen? 3)u bift auf bemSBege ju i^r, unb fannft jaubem? 2)iefen2tbenb f ottft bu fie fe^en , unb toiEft bid) freitoiHig ini ©efängniS ein= fperren? (J§ ift i^re ^anb, ja fie ift'§! S)iefe ^anh beruft bid^, it)r 2Bagcn ift angefpannt, bic^ ju i^r ju fül^ren, nun löft fid) 20 ba§ 9{ätfel: ßotl^ario l^at jicei ©clitoeftem. Gr toei^ mein 5}cr= l^ältni§ äu ber einen; toieöiel id) ber anbem fc^ulbig bin, ift il)m unbefannt. ?lu(^ fie toei^ nid)t, ba^ ber bertounbete S5agabunb, ber il^r, too nid)t fein ßeben, bod^ feine ©efunbl^eit öerbanft, in bem |)aufe il^re§ S5ruber§ fo unöerbient gütig oufgenommen 25 Ujorben ift."

x^dii, ber fid^ unten im Sßagenfd^auMte, rief: „5Bater,fomm! 0 fomm, fie^ bie fd^önen SBolten, bie fd£)önen gitben!" „3fa, iä) tomme", rief 2öil{)elm, inbcm er bie Zxtppt l)inunterfprang, „unb alle ßrfd^einungen be§ .^immelS, bie bu gute§ Äinb no(^ 30 fclir benjunberft, finb nid£)t§ gegen ben 5lnbtid, ben ii^ txtoaitt."

2fm 2Bagen fi^cnb rief er nun alle S3erl)ältniffe in fein @e= bädl)tni§ jurüd. „©0 ift alfo aud^ biefe 9tatatie bie greunbin Xl)erefen§l äöeld) eine ßntbedung, toeli^e .^offnung unb toeldfie

a^te« f&aO). 3n>dtf« Stapütl. 99

5luäfl(^tcn! Söie |eltfam, ba§ bie^utdit, üon ber einen ©(^tocflcr reben ju t)ören, mir hai 2)a|ein bcr anbern gan^ unb gar öer= bergen Eonntc!" ^Ut toetdier ^fteube \a\) er jeinen ^elii an; er hoffte fllr bcn ^aben toic für [läi bie bcfte Slufnal^me. 6 2)er SIbenb tarn fjeran, bie ©onne toar untergegangen, ber 3Beg nic^t ber bcfte, ber ^^oftillon fuf)r langfam; gelij toar ein« gefd^Iafen, unb neue ©orgen unb 3tt)eifel ftiegen in bem SSufen unfere^i^rcunbe^auf. „5öon welchem 2ßat)n, öon toelc^en ©in» fallen roirft bu bcf)crrf(^t!" jagte er ju fld^ jelbft; „eine ungetoiffe

10 ^^nlicf)feit ber ^anbfc^rift mad^t bid) auf einmal fidler unb gibt bir ©etegen!)eit , ba§ tounberbarfte ^ärc^en au§äubenfen," Qx nai)m basl SBiUett toicber öor, unb bei bem abge^enben Za=- geätid^t glaubte er toieber bie ^anbic£)rift ber ©räfin ju er= fennen; feine 5lugcn tooHten im einzelnen nic^t toieberfinben,

15 üjaä il^m fein ^erj im ganzen auf einmal gefagt l^attc. „<Bo jie^en bid^ benn bod^ biefe ^ferbe ju einer jd^rctf liefen (Säcnc! 2öer toeife, ob fie bic^ nid)t in toenig ©tunben fdt)on toieber ju^ rücffü^ren toerben? Unb toenn bu fie nur no(^ allein antraf eft! aber öieEeicE)t ift i^r ©ema^t gegenmärtig , öietteic^t bie 33aro»

20 neffe! 2öie üeranbert werbe ic^ fie flnben! Söerbe id^ öor i^r auf ben gü^cn fielen fönnen?"

!Rur eine fd^roac^e .g)offnung, ba§ er feiner 3lma^one ent» gegengc^e, fonnte mani^mat burc^ bie trüben SSorftellungen burd)blitfen. (53 ttjar 9iac^t geworben, ber SBagen raffelte in

25 einen ^of hinein unb "^ielt ftill; ein SBcbientcr mit einer JJBad^g» facfel trat au§ einem präd)tigen ^^brtal t)erüor unb fam bie breiten ©tufen hinunter biä an ben SBagcn. „©ie Werben fd^on lange erwartet", fagte er, inbem er baä ßebcr auffd^tug. 2Bil= l^clm, nac^bem er auägeftiegcn war, na^m ben fd)lafenben 5cli{

30 auf ben ?lrm, unb ber erfte 33ebientc rief einem jwciten, ber mit einem ßic^tc in ber Jure ftanb: „?5füt)re ben .^crru gteidf) jur S3aroncffe."

23ti^id)nell fuC)r SBit^elmcn bnrd^ bie ©eele: „SÖcld^ ein ®lürf! eS fei Uorfätjlid^ ober anfällig, bie iöaroneffe ift l)ier! id^

7*

100 «iil^elm aneifUrä gd^rja^rf.

jott fie juerft fe'^cu! toal^rjc^etnlicä^ jt^löft bie (SJräfiu jc^onl 3^r guten ©eifter, t)clft, ba^ ber 5lugenbtirf bcr größten S3erlcgen= l^eit teiblid^ tJorül6erget)c!"

(5r trat in ba§ ^qu§ unb fanb ft(^ an bem ernftt)aftcftcn, feinem ®cfü'f)te nad^ bem l^eitigften Orte, bcn er je Betreten '^atte. 6 (Jine t)erabl)ängenbe blenbenbe ßatcme erleud)tete eine breite, fanftc treppe, bic il^m entgegenftanb unb \iä) oben beim Um» hjcnben in ^rvü %tiU teilte. 5)larmome ©tatuen unb 33üften ftanbcn auf ^^^iebcftalen unb in 9Uid)cn georbnet; einige jrfiicnen i'^m bcfannt. ^UQcnbeinbrürfe berlöirfjen nid^t, aud^ in it)rcn lo fteinften teilen, ©r erfannte eine ^Dtuje, bie jeinem ßJro^öater get)ört f)atte, ätoar ni(i)t an il^rer ©eftalt unb an il^rem 2öcrt, bod^ an einem reftaurierten Slrmc unb an ben neueingefc^ten ©tütfcn be§ ®en)anbe§. toar, aU loenn er ein 5!Jlärc£)en cr= lebte. S)a§ Äinb Ujarb i^m fdEitoer; er jauberte auf ben ©tufcn 15 unb Mete nieber, at§ ob er bequemer f äffen hJoUte. ©igent* lidt) aber beburfte er einer augcnblidflii^en (Jrt)oIung, (Jr fonntc faum fic^ toieber aufgeben. S)er öorIeuii)tenbe SBcbiente tootttc it)m ba§ Äinb abne'^men, er fonnte nid)t öon fid^ taffen. S)ar= auf trat er in ben S5orfaaI, unb ju feinem noc^ großem Gr= 20 ftnunen erblidEte er ba§ U)ol)Ibefannte SSilb toom traufen Äönigä^- fül^n an ber SBanb. @r t)atte faum Seit, einen 33lidE barauf ju toerfen, ber Sßebientc nötigte il)n burc^ ein paar ^intmer in ein Kabinett. SDort, l^intcr einem Sic^tfd^irme, ber fic befd^attetc, fa| ein t^rauenjimmcr unb la§. „D, ba^ fic toäre!" fagtc er 25 ju fid^ fclbft in biefem entfd^cibenben 2lugenblidf. 6r fe^te ba§ Äinb nieber, ba§ aufjutoad^en fct)ien, unb badete fid^ ber S)ame äu nöticm, aber ba§ ^inb fan! fd£)laftrunfen äufammen, ba§ f^rauenjimmcr ftanb auf unb fam il^m entgegen. 2)ie Slmajonc toar'S! er tonnte fid) nid)t Italien, ftürjte auf feine Änie unb rief so ouä: „(Sie ift'§!" @r fa^te il)re ^anb unb flirte fie mit unenb= liebem entwürfen. S)a§ Äinb lag ättjifdien it)nen beiben auf bem Xe^Jpid^ unb fdt)Iief fanft.

gelij toarb auf ba§ ßanapee gebradf)t, 9latalie fc^te fid^ a^i

«(tte9 «ud». 3wüf6 Stcofitil 101

iljm, ftc l^icB 2Bit§etmen auf bcn ©cffel ft^en, bet aunäd^ft bafici flanb. ©tc bot ifjm einige 6rfri|c^ungen an, bie et Quäfd£)(ug, inbcm er nur beid^öftigt xoax, [\ä) ju öcrfic^ern, ba^ fie jci, unb il)re, burc^ ben Sic^tfc^irm bejd^atteten 3üge genau tüieber» 5 jufe^en unb jtc^er tDieberjuerfennen, ©ic erjäf)ltc itjm toon 'üJlignonS ihronf^eit im allgemeinen, ba§ ba§ ^inb öon njenigen tiefen ©mpfinbungen nacf) unb nac^ aufgejel^rt tüerbe, ba^ bei feiner großen 9teiäbarfeit, bie öerberge, öon einem ihantpf an feinem armen ^er^en oft Iieftig unb gefätjrlic^ leibe, ba§

10 biefcg erfte Drgan beä ßebenä bei unöermuteten ®emütäbetoe= gungen mand)mal plö^üd) [tittc ftel^e, unb !eine ©^lur ber f)eit= famen Scbengregung in bem 33ufen be§ guten Äinbeä gefüt)tt tocrbcn fönnc. ©ei biefcr ängftlidie Äram|)f öorbei, fo äußere fid^ bie Äraft ber 9iatur tüieber in getoaltfamen ^pulfen unb

15 ängfiige baä Äinb nunmehr burd^ Übermaß, toie Dörfer burc^ 2JlangeI gelitten l^afi«,

Witt)dm erinnerte fid^ einer fold^en fram^f^aften ©jene, unb 9iatatie bejog fid^ auf ben ^Irjt, ber toeiter mit i^m über bie ©ad^e fpred^en unb bie Urfac£)e, toarum man ben gfteunb

20 unb Söo^ttäter be§ Äinbeä gegennjörtig l^erbeigerufen, um= ftänbtid^er öortegen toürbe. „Sine fonberbare SJeränberung", fu^r 9latatic fort, „toerben ©ic an il^r finben; fie gc't)t nunmetjr in gtaucnfleibem, bor benen fie fonft einen fo großen 3lbfd£)eu 3U l^aben fc^ien."

25 „2Bie t)aben ©ie bag crreid^t?" fragte äßil^elm.

„SBenn cg n)ünfc£)enän)crt tt)ar, fo finb wir nur bem 3"= fall fc^ulbig. .g)ören ©ie, toie c8 angegangen ift. ©ie loiffcn öieEeid^t, bafe ic^ immer eine Slnja^I junger 2Jtäbdt)en um mic^ t)aht, beren ©efinnungen id^, inbem fie neben mir auftt)adf)fen,

80 jum ©Uten unb JRcrfiten ju bilben njünfd^e. 5lu8 meinem ^IJiunbe l^ören fie nid^tg, aU wag idt) f eiber für tealjr t)alte, borf) fann idl) unb will id) nidtjt ^inbcrn, ba^ fie nicl)t and) Don anbcrn manc^eg öcmel)men, wag alg Irrtum, alg Vorurteil in ber SBelt gäng unb gäbe ift. ^fragen fie mid) barüber, fo fud^e

102 atl^etm «Ketfterfi Ce^rjal^re.

id^, fobiel nur mögttd^ ift, jene frembcn unge'^örigen 93cgrtffc irgcnbttjo an einen rid^tigcn anjufnü^jfen, um [ie baburd^, tto nic^t nü^It(^, bod^ uufdiäbüd^ jumoctien. Sc^on ]dt einiger 3eit l^atten meine 5Jläb(^en auö bem 5Jlunbe ber Sauernfinbcr gar manc^e§ öon ©ngeln, toom ilnect)te 9{uprcd)t, öom l^eiligen ßl^rifle 5 bemommen, bie ju genji^en Reiten in ^4^erjon er|d)einen, gute ^inber bcid)enten unb unartige beftrafen jottten. 6ie Ratten eine S5ermutung, ba§ t% öerfleibete ^erjonen |ein müßten, toorin id^ [ie benn auc^ bcftärf tc unb , oI)ne mid) biet auf 2)eutungen ein» julaffen, mir öomaf)m, il^nen bei ber erften ®elegenf)eit ein lo joId)ei ©d^aufpiel ju geben. fonb fict) eben, bofe ber ®e= Burtätag öon ^toiHingSjditoeftem, bie fidt) immer je^r gut be- tragen l^atten, nafjt toav, idi öerj|)rad§, ba^ il^nen bie^mal ein ©ngel bie Keinen ©cfc^enfe bringen jolltc, bie fie ]o toot)! öer= bient l^ätten. ©ie toaren äu^erft gefpannt auf biefe ßrfd^einung. is 3d^ ^atte mir ^ignon ju biefer SRotte auSgefud^t, unb fie toarb an bem beftimmten Sage in ein langet, Ieic£)teö, toei^eä ®emanb anftänbig gefleibet. fel^Itc nic^t an einem golbenen @ürtel um bie 33ruft unb an einem gleichen SDiabem in bcn paaren. 2lnfang§ toollte id^ bie ^^tügcl loegloffen, boc^ beftanben bie 20 fyrauenäimmer, bie fie anpu^ten, auf ein 5|3aar großer gotbner ©d^loingen, an benen fie redt)t il^re ^n[t jeigen toollten. ©0 trat, mit einer ßilie in ber einen ^anh unb mit einem ilörbc^en in ber anbem, bie tounberfome ©rfd^einung in bie ^itte bcx 5Rabd£)en unb übenafc^te mid^ felbft. ,2)a fommt ber ©ngel!' 25 fagte id). S)ic ^inber traten alle toie jurüdf; enblid^ riefen fie au§: ,@§ ift ^tignon!' unb getrauten fid^ bod^ nid^t, bem tt)un= berjamen 5ßitbe näl^er ju treten.

,„^ier finb eure ©oben', fagte fie unb reid^te baS ^örbd^cn l^in. 5Jion öerfammelte fid^ um fie, man betrad£)tetc, man bc= so fü'^Ite, man befragte fie.

,„S5ift bu ein ©ngeH' fragte ba§ eine Äinb.

,„3fd£) toottte, id^ toar' e§', toerfe^te 9Jlignon.

„,2öarum trägft bu eine ßitie?*

Ä4te8 a3udj. 3roeite« ÄapittL 103

„.<3o teilt unb offen follte mein ^erj fein, bann toäx' ic^ gtücflid^.'

„,2öie ift'3 mit ben ^ftügeln? ßofe fe^e«'' ,„©ie [teilen fcf)önere öor, bic nod^ nidjt entfaltet finb.' 5 „Unb fo antnjortcte fte bebeutenb auf jebe unjc^utbige, teic^te Sftage. 3IU bie Ü^eugierbe bex fleinen ®efett|d)aft befricbigt roax unb bei ©inbrucf biefer ßrfc^einung ftumpf ju toerben anfing, lootlte man fte teieber auäfleiben. ©ie öermetiTte e§, natjm ii)xt 3itl)CT, fe^te fi(^ l^icr auf biefen '^o!)en ©ctireibtifd) hinauf unb 10 fang ein 2icb mit ungIaubIirf)CT 9lnmut.

,„So lafjt mic^ fd)etnen, 6i8 iä) tt)erbe; 3ic^t mir bai rteiüe Rietb nici^t au§ ! 3c^ eile öon ber fdjöncn (Srbe §inab in jcneS fcfte ^au§.

15 ,„2)ort xui)' iä) eine fleine ©tille,

S)ann öffnet ftc^ ber frifcl)e Slid, 3c^ laffe bann bie reine ^üQe, ffien (Sürtel unb ben ßranj jurüd.

,„llnb jene ^imnilii"c!f)en ©eftaltcn, 20 ©ie fragen nid)t na^ Wann unb 33ei6,

Unb feine Kleiber, feine galten Umgeben ben öerflärtcn 2eib.

,„3ttJar lebt' i^ o{)ne ©org' xmb 3Riif;c, 2)o(^ fü^lt' icf) tiefen Scftmcrj genung; Si 9Sor Jhimmcr altert' ic^ ju friiOe ;

SKad^t mid^ auf eroig hjiebcr jung!'

„3d^ entfc^Io§ mii^ fogleid)", ful)r ^iatatie fort, „i^r baS ÄIcib ju laffen, unb i^r nod) einige ber 9trt anjuidjaffcn, in benen fie nun ouc^ ge'^t, unb in benen, toie mir fc^eint, it)x 80 2öefen einen ganj onbern 3luöbrucf t)at."

3^0 cg fd)on fpftt toar, entließ 'Jlatalie ben 3lnfömmting, ber nid^t ot)nc einige 93angigfeit ftc^ öon it;r trennte. „3ft fie Verheiratet ober nic^t?" backte er bei fiel) fcfbft. Cr Ijatte ge» filrrf)tet, fo oft fic^ ettoa§ regte, eine Iure inörf)tc fiel) auftun

104 gBit^etm TOeiflerä Se^rja^rt

unb ber ©ema'^I l^creintreten. S)cr SSebtcntc, bcr il^n in jeiii 3inimer cintie§, entfernte fidE) fdineller, aU er ^nt gefaxt l^atte, naä) biefem 58er^ältni§ ju fragen. 2)ie Unrul)e ^ielt it)n nod^ eine 3eitlang toad), unb er befc£)äftigte fid), ba§ 93ilb ber 2lma= Jone mit bem $8ilbc feiner neuen gegenwärtigen gteunbin ju 5 bergteid)en. ©ieü)oHtenno(^nid)t miteinanbcr äufammenflie^en; jeneö Ijatte er fic^ gleict)fam gcfd)affen, unb biefeg fd^ien faft i^n umfd;affen ju n^ollen.

§X\üt5 ^Optici.

S)en anbcrn ^Jlorgen, ha nod^ atteS ftitC unb ruf^ig toar, 10 ging er, fi(^ im <^aufe uniäuje^en, 6g toax bie reinfte, fd^önfte, njürbigfteSautunft, bie er gefe{)en ()atte. „3ft boc^wa^reßunft", rief er ouä, „tt)ie gute ©efellic^aft; fie nötigt ung auf bie ange= nel^mfte Sßeife, bag 5Ra§ ju erfennen, nad) bem unb ju bem unfer ^Jnnerfteg gebilbet ift." Unglaubli(^ angenefim mar ber 15 Sinbrud, ben bie ©tatuen unb SSüften feineg ©ro^öaterg auf il§n mad)ten. Wit 23erlangen eilte er bem 35ilbe öom franfen Äöniggfol^n entgegen, unb nod) immer fanb er eg reijenb unb rül^renb. S)er S3ebiente öffnete i^m öerfd)iebene anberc ^immer; er fanb eine SiBIiott)ef, eine ^iaturalienfammlung, ein pl)i)fi= 20 falifc^eg Kabinett. @r füllte fi^ fo fremb bor allen biefen ©egenftänben. g^elij toar inbeffen ermad)t unb il§m nad)gc= lljrungen; ber ®eban!e, toie unb loann er 5tl^erefeng SSrief er= Italien toerbe, mad)te i'^m ©orgc; er fürd^tete [xäj tior bem 9ln= Blirf ^Jtignong, getoifferma^en bor bem Slnblid 9latalieng. 2ßic 25 ungleich) mar fein gegenmärtiger 3uftanb mit jenen 2lugenblirfen, alg er ben SSrief an S^erefen gefiegelt l^atte, unb mit frol^em 2)lut fid^ ganj einem fo eblen Söefen f)inga6.

9iatatie Iie§ il^n jum i5i^üt)ftüd einlaben. 6r trat in ein 3immer, in melc^em öei-fc^iebene reinlid^ gefteibete 3Jläbd^en, 30 alte, mie eg fd£)ien, unter jetin ^lO^ten, einen 2ifd^ jured^te ma(^= ten, inbem eine ältlid)c 5perfonöerfdE)iebenc5lrtenbon@etränfen ]^creinbrad)tc.

^^ui föüät- UritteS ftapiteL 105

SCßit^ctm Bcfd^autc ein 58ilb, ba§ üBer bem jvonapee l^ing, mit ?luf merfjamteit ; ex mufete für baä S3itb 9latQlicn§ er= Icnnen, \o toenig il)m genug tun tDoüte. 9tatalie trat §er= ein, unb bie 3l{)nli(f)feit fd^ien ganj ju üerf(f)tDinben. 3^ feinem 5 Srofte fjatte ein Drbenäf rcuj an ber 35ruft , unb er \af) ein gleid^eä an ber 93ruft 9iatalicn§.

„3(^ 1)dbt ba§ ^l^orträt l^ier angefe^en", fagtc er ju \i)X,

„unb micf) öerteunbert, toie ein ^aler juglei^ ]o toaijx unb fo

fat}d^ fein fann. S)a§ 33ilb gleii^t 3t^nen im allgemeinen red^t

10 fcl^r gut, unb bodE) [inb tücbcr ^^xt ^ügc nodE) 3^t)r 6t)arafter."

„@§ ift toietme^r ju bermunbern", öerfe^te ^atatic, „ba^

fo öiel 2i^nlic^feit t)at; benn ift gar mein 33itb nid)t; ift

ba§ S5ilb einer Xante, bie mir nod^ in i^rem 2ltter gtid), ba ic^

crft ein i^inb war. 63 ift gematt, at§ fic ungefähr meine Sa^re

15 ^atte, unb beim erften Slnbticf glaubt jebcrmann mi(^ p feljen.

Sic tiätten biefe trefftid^e ^]ierfon fennen foUen, ^ct) bin it)r fo öiel

fd^ulbig. Gine fel^r fcfimadie @efunbt)eit, biellei(i)t ju üiet Se=

frf)äftigung mit fic^ felbft, unb babei eine fitttic^e unb religiöfe

$lngftlid)feit tiefen fie ba§ ber Söelt nid)t fein, toa^ fie unter

20 onbem Umftänben t)ätte merben tonnen. (Sie mar ein £id)t, ba§

nur mcnigen i^reunben unb mir bcfonberä Ieud)tetc."

„SBäre mögtict)", öerfe^tc Söil^etm, ber fic^ einen 3lugcn=

blidt befonnen t)atte, inbem nun auf einmal fo bielerlei Umftänbe

i^m jufammentreffcnb erfd^ienen, „märe e8 mögtidf), ba^ jene

25 jd)öne, I;errlid)e ©cetc, beren ftillc 23efenntniffe aud^ mir mit»

geteilt morben finb, ^i)xc Zank fei?"

„©ic liaben bag .g)eft gelefen?" fragte 9iatalic. „3a!" tierfe^te 2Bill)elm, „mit ber größten 2^eitnal)mc unb nid)t ol)ne Söirfung auf mein ganjeä Sebcn. 2Baä mir am 30 mciften ani biefcr (£d)rift entgegcnleud^tetc, toar, id^ möd[)te fo fagcn, bie SReinlic^feit beä 2)afeinä, nid)t allein il^rcr felbft, ]o\u bem aiiä) atlcä bcffcn, toai fie umgab, biefe (Sctbftftänbigfcit il)rer Statur unb bie Unmöglidjfeit, etmaS in fid) auf,\unel)incn, maS mit ber eblcn, licbcüoKcn Stimmung nid)t t)armonifd) mar."

106 SBlI^elin «DlfWer« fie^rja^re.

„©0 fmb ©ie", öerje^tc 9latalic, „billiger, ja ic^ barf tool^I fagcn, geredeter gegen bieje jd^önc 9latur at§ mand)e anbeten, benen man auc^ biejeS 5JlanuitTi^t mitgeteilt l)at. ^ebcx ge= bilbete ^Jteni^ wei^, toie ]tf)x ex an fid) unb anbern mit einer Qcnjifjcn 9io^cit ju fäm^)fen ^t, lüieöiet il^n jeine Sßilbung s foftct, unb toxt \t^x er hoä) in getoifjen f^äHen nur an fi(^ jelblt benft unb bcrgi^t, toaä er anbern |(i)ulbig ift. 2öie oft mad^t ber gute ^Renjd^ fid^ 9]ortt)ürfe, ba^ er nid^t jart genug gel)an= bett l^abe; unb bod^, hienn nun eine fd^öne 9iatur fid^ alläu jart, fid^ allju gcmi[jent)aft bilbet, ja, toenn man \üiü, \iö) überbilbct, lo für bieje |d£)eint feine 2)utbung, feine 5^adf)l'id^t in ber 2öeÜ p fein. S)enno(^ ftnb bie 33lenfd^en biejer Slrt au^er un§, toaä bie Sbeale im 2tnnem finb, SSorbilber, nid^t jum 3'lad)a'^men, fon= bcrn äum 5la(^[treben. 3Jlan laci)t über bie JReintid^feit ber ^ottänberinnen, aber toäre fjreunbin Stl^erefe, toaö fie ift, Wenn is i^x nid^t eine ö^ntid^e S^bec in il^rem .^auStoefen immer bor» fdEiwcbtc?"

„60 finbc id^ alfo", rief Söit^elm au§, „in 2;^crefen§ gfreunbin jene 9latatie bor mir, on toeld^er ba§ ^erj jener föft= lid^en SJertoanbten {)ing, jene 9iatatie, bie öon Sugenb an fo 20 teilne'^mcnb, fo liebeöoll unb l^ülfreic^ mar! 9hir au§ einem fold^en ©efd^lcctit fonnte eine foIct)c 9iatur entftet)en! 2Beld§' eine 2Iu§fic[)t eröffnet fid^ bor mir, ba id^ auf einmal 3^te S5or= eitern unb ben ganzen ^ei§, bem ©ie angel)ören, überfcf)aue!"

„2{a!" üerfe^te ^ilatalie, „©ie fönnten in einem geroiffen 25 ©inne nid^t beffer öon un§ untennd^tet fein, aU burd^ ben 2tuf= fa^ unferer Staute; freilid^ ^t i^re 9leigung ju mir fie ju üiel (Sute§ tion bemÄiube fagen laffen. Söenn man öon einem j^inbc rebet, fprid^t man niemals ben ©egenftanb, immer nur feine Hoffnungen au§." 30

Söil^elm liattc inbeffen fd^ncH überbat^t , ba^ er nun aud§ öon 2otl)ario§ ^ertunft unb frütier 2fugenb unterrichtet fei; bie f(i)öne ©röfin erfd^ien il^m al§ Äinb mit ben ^Perlen i^rer Santc um ben ^aU; anä) er mar biefen perlen fo nal^e gemefen, al§

«d>ttg f&n<^. iPritteg flayitel. 107

tl^re jartcn, licBeöoKcn Si^Jpen jid^ ju bcn jcinigcn ]^cruntcr= neigten; er ^ud^te btefe jd^önen ©rinncrungen burc^ anbete ®e= banfen ju entfernen. 6r lief bie S3ctanntjd)aften burt^, bie i'^nt icnc S(^rift oerfc^afft Ijatte. „<So bin id| benn", rief er auä, „in

5 bem ^aufe beä njürbigen C^eimä! 6i ift fein |)au§, ift ein Senqjel, unb 6ie fmb bie tDÜrbige ^priefterin, ja ber ©cniu§ felbft; id^ »erbe mic^ be§ @inbrucf§ öon geftem abenb jcitlebenS erinnern, aU ic^ l^ereintrat unb bie alten ^nftbilbcr ber frü;^= flen Siugenb lieber öor mir ftanben. ^ä^ erinnerte mic^ ber

10 mitleibigen ^armorbilber in 3)tignon§ Sieb; aber biefe S3ilbcr l^attcn über mic^ nid)t ju trauern, ftc jatjen mic^ mit f)o^em 6mfl an unb f(i)Iofjen meine frü^efte 3eit unmittelbar an biefen Slugenblicf. 2;iefen unfern alten ^amilienjc^a^, biefc ßebeng» freube meine§@roBüaterg, finbe ic^ ^ier jnjifrfjen fo öielenanbem

15 tDÜrbigen jlunftmcrfen aufgefteßt, unb micE), ben bie 9iatur jum ßiebling biefeä guten alten ^Uianncä gemad^t f)attc, mic^ Un= loürbigen finbe i(^ nun aud^ ^ier, o ®ott! in meldten S3erbin= bungen, in meli^er ©cfellf^aft!"

35ie toeiblic^e 2(ugenb l^attc nad^ unb nad^ ba§ 3in^nifi-'

20 bertaffcn, um i'^ren tleinen 53efd§5ftigungen nac^juge^n. SCÖil- l^clm, ber mit !Jiatalien allein geblieben war, mußte it)r feine legten 2Q3ortc beutlii^er erflärcn. 2)ie Gntbedhing, ba^ ein fd^d^» barer Üeil ber aufgefteUten ^nftttjerfe feinem ÖJrofeöatcr an= ge'^ört ^atte, gab eine fe^r ^eitere, gefeHige Stimmung. <Bo mie

26 ctburc^ jeneg ^Ulanuffri^jt mit bem.^aufe befannt morben mar, fo fanb er fi^ nun audf) gleic^fam in feinem ©rbteile mieber. ^un toünfd^tc er l^ignon ju fe^cn; bie greunbin bat il)n, fi^ nod^ jo lange ju gebulben, biä ber ?lrjt, ber in bie 9iadl)barfd[)aft ge- rufen toorben, mieber jurürffäme. 2Ran !ann leicht benfen,

80 ba§ eS berfelbe fteine tätige ^Dlann toax, ben mir fc^on fennen,

unb beffen auc^ bie ©cfenntniffe einer fd^önen ©eclc em)üf)nten.

„2;a ic^ mi(^", fuljr Sßil^clm fort, „mitten in jenem 5^'

milicnfreiS befinbc, fo ifl ja wo^l ber 'titbhi, beffen jene Scf)rift

enoäf)nt, aud) ber lounberbare, unerflärlid^e ^JJlann, bcn id^ in

108 ail^elm Wetfler« fie^rio^re.

bein ^aujc ^^tt^ 58ruber§ na(^ bcn jettjamftcn ßretgnifjen lüiebergefunben l^abc? 25ieIIeid)t gcBen ©ic mir einige nähere 3lutjc^rüffe über i^?"

^iatolie öcrjc^te: „über i'^n toäre bietet ju fagcn; tooöon i(^ am genaueften unterac^tet bin, ift bcr (5influ§, bcn er auf 5 unjere 6rjiet)ung gel)abt f)at. @r toar, toenigften§ eine Zeitlang, ilbcrjeugt, ba| bießrjiel^ung fid^ nur an bie ^Jieigung anjd)tie§cn müffc; tt)ie er je^t bcnft, fann iä) nici)t jagen. (5r bel)auptete: baä erfte unb le^te am 5Jlenj(i)en |ei Stätigfeit, unb man tonne ni(i)tg tun, ol^ne bie 2lnIoge baju ju I)aben, o'^ne ben^nftinft, lo ber un§ baju treibe. ,5Jlan gibt ju', pflegte er ju fagen, ,ba| ^oeten geboren merbcn, man gibt bei atten fünften ju, toeil man mu^, unb toeil jene Söirfungen ber menfd^Iirfien Statur !aum fc^einbar nachgeäfft toerben tonnen; aber tnenn man genau betrachtet, fo toirb jebe, auci) nur bie geringfte 5ät)ig!eit is un§ angeboren, unb gibt feine unbcftimmte {yäl^igfeit. 3'iur untere ^weibeutige, jerftreute 6rjiel)ung mad^t bie 2Jlenf(^en un= getti^; fie erregt 2öünfci)e, ftatt triebe äu beleben, unb anftatt ben mirflid^en Einlagen auf^ul^elfen, rilltet fie ba§ ©treben noc^ i^'^cgenftänben, bie fo oft mit ber 9latur, bie fi(^ nac^ i^nen be= 20 mü^t, nici)t übercinftimmen. ©in Äinb, ein junger 5Jlenfd^, bie auf it)rem eigenen SBege irregel^en, finb mir lieber aU mand^e, bie auf frcmbem Söege redEit toanbeln. fjinben jene, cnttoeber burd^ fid^ felbft ober burd) Slnleitung, ben red£)ten 2Beg, ba§ ifl ben, ber il)rcr ^atur gemä§ ift, fo toerben fie it)n nie öerlaffen, 25 anftatt ba^ biefc jeben 5lugenblidE in @efat)r finb, ein frembeS ^oäj abäufd^ütteln unb fic^ einer unbebingten 5rei!)eit ju übergeben."'

„6§ ift fonberbar", fagte SBit^etm, „ba§ biefer merftoürbige 9Jlann aud^ an mir teilgenommen unb mi(^, toie fdf)eint, nadC) so feiner 2Beife, too ni(i)t geleitet, boc^ menigfienS eine 3eittang in meinen Irrtümern geftärft I)at. Söie er tünftig öerantmorten njitt, ba§ er in 25erbinbung mit mct)reren mid^ gteidE)fam jum Beften ^atte, mu§ i(^ tt)oI)t mit ©ebulb eüoarten."

g(^tea gu(^. grüteä «opiteL 109

„3(^ ^aBe mid^ nid^t üBex bteje ©ritte, toenn ftc eine ifl, ju fccf tagen", jagte ^tatalie, „benn ic^ bin freiließ unter meinen (Sejrfiroiftem am beften babei gefal^ren. 5tuii) fe!^' id) nic^t, toic mein Sruber ßot^ario fjätte jdiöner auSgebilbet Werben fönnen;

6 nur f)ättc üietteid^t meine gute ©d^me[ter, bie ©räfin, anber§ bef)anbctt »erben fotten, öielleic^t !^ätte man if)rer 9iatur ettoaS me^r @m[t unb ©tärfe einflößen fönnen. SGßaS au§ 33ruber griebridE) ttjerben fott, lü^t fid^ gar nic^t benfen; id^ fürd)te, er wirb baä Opfer biefer päbagogij(^en S^erjud^e Werben."

10 „©ie ^aben nod^ einen ^Sruber?" rief 2ßill)elm.

„3a!" öeije^te ^latalie, „unb jWar eine fc^r luftige, Icid^t= fertige Statur, unb ba man il^n nid^t abgc'^altcn !)attc, in ber SSett l^crumjufal^ren, fo Wei^ id^ ni(i)t, Wa§ au§ biefem lofen, lodern Söefen werben fott. 3d£) ^abe itin feit langer Qät nid^t

15 gefe^cn. 5Dag einjigc berul^igt midf), ba| ber SIbbe unb über= l^aupt bie ®cfetticf)aft meine§ 33ruber§ ieberjeit unterrid)tet fmb, Wo er fict) auff)ä[t, unb Wag er treibt."

2Bil^elm war eben im S3egriff, 3tatatieng @eban!en fowot)! über biefe 'l^arabojen ju crforfd^en, aU aud^ über bie ge^eimni§=

20 tjottc ©efelljctiaft üon it^r 3luffd)tüffe ju begetjren, alg ber ^JJle= bicu§ l^ereintrat unb nad^ bem erften SSitttommen fog(cidt) tiou 5!)tignong 3uftanbe ju fpred^en anfing.

^latatic, bie barouf ben Selij bei ber ^anb na'^m, fagte, fic tootte i^n ju 3Jlignon füt)rcn unb ba§ i?inb ouf bie ©rfd)cinung

25 feines f^rcunbeS öorbcreiten.

2)er Str^t war nunmehr mit Söitljelm attein unb ful^r fort: „3d^ t)abe 3I)nen Wunberbarc S)inge ju erääfjten, bie ©ic faum tjcrmuten. ^tatalie tä^t unä 9taum, bamit wir freier t)on2)ingcn iprcd)en fönnen, bie, ob ic^ fie gteid) nur burd^ fie felbft erfat)vcn

;m fonnte, bod^ in i^rer ©egcnwart fo frei nic^t abget)anbclt werben bürften. S)ie fonberbare ^Jlatur beä guten fiinbeö, öon bem jcjjt bie SRcbe ift, beftcbt beinaf)' nur auä einer tiefen (£e{)nfud)t; baä SScrtangen, if)r äJaterlanb Wicbcr^ufctjen, unb baö i^erlaugcn nad) 3it)ncn, mein iJfreunb, ift, möd)te id) faft fagcn, hai einzige

IIQ mVielm TOeifterg £eWa^>rf-

2{rbif(^e an \^x; 6etbc8 greift nur in eine unenbli(^c 5eme, bcibe ©egenftäube liegen unerrei(^bar bor biefem einzigen ©emüt. 6ie mag in ber ©egenb tion 2RaiIanb ju ^auje jein, unb ift in fe^r früher 2^ugcnb burd^ eine ®cjellid)aft ©eiltänjer il^ren ©Item entfüfjrt Würben. 9iä^ere§ tann man öon it)r nid^t crfal^rcn, & teils toeil fie ju jung loar, um Ort unb Flamen genau angeben ju !önnen, befonbcrä aber, toeil jie einen ©c^tour getan l^at, feinem Icbenbigen ^enfc^en it)re 2öot)nung unb ^erfunft nä!^er ju bc^eid^nen. S)enn eben jene 2eute, bie fie in ber 3rre fanben, unb benen fie i^re 2Bof)nung jo genau befd)rieb, mit fo bringcn= lo ben a3ittcn, fie nacf) ^aufe ju fül)ren, naf)men fie nur befto eiliger mit fid) fort unb fd)cr^ten nad^tä in ber Verberge, ba fie glaubten, baä ^inb jd)lafe fct)on, über ben guten i^ang unb be* tcucrten , ba^ ben 2Beg jurüdf nid)t toieber finben f olltc. ^a überfiel ba§ arme ©efc^öpf eine grä^IidE)e SSerätoeiflung, in ber is i^m äulc^t bie 5Jlutter ©otteä erfdiien unb öerfic^erte, ba§ fie firf) feiner annei^men toolle. ©§ fc£)n)ur barauf bei fidt) fetbft einen I)ciligen gib, ba| fie tünftig niemanb metjr Vertrauen, nie« manb i^re ®cfd)ic^te erjätiten unb in ber .g)offnung einer un= mittelbaren göttlichen ^ülfe leben unb fterben motte, ©elbft 20 biefe§, toaä id^ 3l)nen l^ier erjäl^le, l^at fie ^latalien nic^t au§» brürflidl) bertraut; unfere teerte fjfreunbin l^at au§ einzelnen äu^erungen, au§ ßiebern unb tinblicl)en Unbefonnen^eiten, bie gerabe ba§ öerraten, toaS fte berfdtiteeigen tnottcn, äufammen» gereil)t." 25

siöiltielm fonnte fid^ nunmel^r man(^e§ Sieb, mand^cS 2Bort biefeS guten ^inbe§ erftären. 6r bat feinen fjteunb auf§ brin= gcnbfte, it)m ja ni(^t§ öor^uentl^alten, toaä i^m öon ben fonber= baren ©efängen unb Sefenntniffen be§ einzigen 2Befen§ befannt worben fei. 30

„O!" fagte ber ^Irjt, „bereiten Sie fidl) auf ein fonberbareä 58cfenntni§, auf eine ©efd^id^te, an ber6ie, ol)ne fidli ju erinnern, toiel Slnteil l)aben, bie, tt)ie ic^ fürcljte, für 2:ob unb ßeben biefcS guten @efdf)öpf§ entfdljeibenb ift."

Sl(5te« SSudJ. dritte« Rnpilct. JH

„Soffen 6ic mic^ pren", öerfe^te SBiU^elm, „id^ Bin anwerft ungebulbtg."

„(Srinnem ©ic fi(^", fagtc ber Slrjt, „cincS gcljeimcn nQc^t=

lid^cn tDciblid)cn S3efu(i)g nad) bcr Sluffü^rung beä,|)amtct§*?"

6 „3a, i(^ erinnere midE) beffen too'^I!" rief 93}it^elm befd^ämt,

„ober ic^ glaubte nic^t, in biefein 5lugcnbIicE baran erinnert ju

tDcrben."

„SBiffen ©ie, toer toar?"

„iJlcin! 6ic erfc^recfcn mic^! um§ ^immetS toiHcn, bo^ 10 nit^t 3Jtignon? 2Ber toar'ö? ©agen ©ie mifä!"

„^dj rotx^ felbft nid^t."

„Stljo ni^t ^lignon?"

„DZein, gerti^ nict)t! aber ^Jlignon loar im Segriff, fic^ ju 3'^nen ^u fdE)[eicf)cn, unb mu^te au§ einem SSinfel mit gntfe^en 15 fefjen, ba§ eine ^iebenbu'^Ierin itjr ^uüorfam."

„(5ine 9lebenbut)terin!" rief 2Bitf)elm au§, „rebenSie toeiter' ©ie öermirren midt) gan^ unb gar."

„©ei'n <Bk fro^", fagte ber Slrjt, „ba^ ©ic biefe JRefuItate fo fd^nctt öon mir erfahren fiJnncn. ^^iatatie imb idt), bienjirbod^nur 20 einen entferntem 3tnteil nctjmcn, mir marcn genug gequält, bi§ mir ben öertoorrenen ^uftanb biefeä guten SGBefcng, bcm mir ju l^elfen münfi^ten, nur fo beuttidt) einfcl)en fonnten. 2)urdE) teicl)t= finnige Sieben ^?t)ilinen§ unb ber anbcrn ^JJläbd)cn, burd) ein gcmiffeä ßiebd^cn aufmertfam gemad)t, mar if)r bcr ©ebante fo 85 reijenb gcmorben, eine ^lad^t bei bem ©elicbten jujubringen, of)ne ba§ fie babei etmaä meiter aU eine öertrau(id)c, glüdfüd)e SRut)e ju bcnfcn mu^te. 2)ic 9lcigung für ©ie, mein gi^cunb, mar in bem guten ^er^en fc^on (ebf)aft unb gcmaltiam, in 3f)rcn ■Jtrmen tjatte baö gute 5Vinb fd^on öon mand)ein ©djiucr^ auö= «0 geru()t, fic mflnfdjtc fid^ nun biefeä &IM in feiner ganzen 'i^üüt. ißalb nat)m fie fid) üor, ©ie freunblidf) banim ju bitten, balb l^ielt fte ein t)eimlid)er ©djaubcr micber baüon jurüdf. ßnblid^ gab if)r ber luftige Slbcnb unb bie ©timuiung bed ^äufig gcnoffe^ nen JlÖeinö ben ''iJhit, baä 9Bageftiict ju ücrfud^en unb fid) jene

212 gl>iH>cIm ineiiitrt ge^rjaliTe.

3(lad)t Bei 2f^nen ciitäuic^Ietd^en. ©d^on toar fte borauSgelaufen, um fic^ in bct unücrjc^lof|enen ©tube ju öerBetgen, attein qI§ jte eBen bie treppe tjinaufgetommen toax, t)örte fie ein ©eraujc^; |ie öerbarg fic^ unb ]ai) ein toei^eä toeiblicJ^eg Söejen in ^1)x 3immcr jcf)Iei(^cn. ©ie tarnen |elbft batb barauf, unb fte l^örtc 5 ben großen Siiegel juid^ieben.

„5)lignon empfanb uncxt)örteOual, atte bie l^eftigen 6mpftn= bungen einer leibenid)aftli(^en ©iferjud^t mijc^ten \iä) ju bcm unerfannten SSerlangen einet bunfcin S3egierbe unb griffen bie ^albentroidelte Statur getoaltjam an. 3^r ^erj, ba§ biäl^er 10 öor ©el)nfu(^t unb ©rroartung lebt)aft gefd)lagen ^atte, fing auf einmal an ju ftorfen unb brürfte toie eine bleierne ßaft i{)rcn 33ufen, fie fonnte nid)t äu 2ttem fommen, fie tou^te fid) nid)t ju :^elfen, fie Ijörte bie |)arfe be§ 5ltten, eiüe ju it)m unter baS i)ad) unb brad)te bie 9tac^t p feinen f^ü^en unter entfe^li^en is 3ucfungen i^in."

2)er 9lrät l^ielt einen SlugenblicE innc, unb ba Söil^elm ftitte fd^toieg, fut)r er fort: „^latatie ^at mir berfid^ert, tjobt fie in il^rem ßeben ntd)tg fo erfd^reift unb angegriffen aU ber 3ufti"i> be§ ßinbeä bei biefer 6räät)lung; ja unfere eble fjreunbin madE)te 20 fid^ SSorroürfe, ba§ fie burc^ iljre gi^agen unb Einleitungen biefe aSefenntniffe lierüorgelorft unb burdt) bie Erinnerung bie leb» §aften ©dtimerjen be§ guten 5Jtäbd^en§ fo graufam erneuert l^abe.

,„S)a§ gute ©efd^öpf, fo erjäl^lte mir 5iatalie, ,toar faum auf biefem fünfte feiner ©rää^lung ober öielmel^r feiner 2lnt= 25 toorten auf meine fteigenben ^i'^Ö^n, alg auf einmal öor mir niebcrftürjte unb mit ber ^anb am 58ufen über ben mieber!elj= rcnben ©d^mer^ jener fdt)recflid£)en 5^ac^t fid^ beflagte. manb fi(i) mie ein 2Burm an ber 6rbe, unb ic^ mu^te alle meine f^of^ jung äufammenne^men, um bie 9Jiittel, bie mir für (Seift unb 30 Körper unter biefen Umftänben befannt toaren , ju benfen unb anäumenben.'"

„©ic fe^en mid^ in eine bänglid^e Sage", rief Söil^elm, „in= bcm ©ic mid^ eben im 3lugenblicfe, ba id£) ba§ liebe ©efd^öpf

«((tt« Su($. Z)nlt?< ftwfiUL 118

loieberjel^cn joll, mein öiclfad^eä Untcd^t gegen ba§jcr6e fo IeB= ^aft füllten laffen. ©oU id^ fie fe^en, toarum nel^men (Sie mir ben ^Utut, i^t mit 5^ei^eit entgegenzutreten? Unb fott iä^ 3]^nen gefielen, ha i^r (Semüt fo geftimmt ift, fo fel^' ic^ nid§t*

ft ein, maS meine ©egenmart l^elfen foll? @inb ©ie aU Slrjt über» jcugt, ba& jene boppette ©et)nfuci^t il^re ^atur fo toeit unter» graben l^at, ba| fie fid^ t)om ßeben abjufi^eiben brof)t, toarum foH id^ burc^ meine ©egcnmart il^re ©c^merjen erneuern unb öictteid^t i^r 6nbe befc^Ieunigen?"

10 „^ein greunb", üerfe^te ber Slrjt, „too toir nici^t l^elfen fönnen, finb wir bod^ fd)ulbig ju linbem, unb toie fel)r bie ©e» gentoart eineä geliebten ©egenftanbe^ ber (Jinbitbungöfraft il^re jerftörenbe ©ewalt nimmt unb bie ©el^nfuc^t in ein ru^ige§ ©(^auen öerwanbelt, baöon l^abc id^ bie toid^tigften SBeifpiele,

15 Slüeä mit 5Ra§ unb 3ipl! 2!enn ebenfo fann bie ©egenmart eine berlöfd^enbe Seibenfd^aft toieber anfad^cn. ©e^en ©ie ta^ gute Sünh, betragen ©ie fi(^ freunblid^, unb laffen ©ie unS ab* toarten, toaö barau§ entfielt."

^latalie fam eben jurücf unb öerlangte, ba^ SBir^etm il^r ju

80 5Rignon folgen follte. „©iefc^eint mit ^elijganjglücfüd^ju fein unb ttjirb ben^fteunb, l^offe id^, gut em^jfangen." SQ3it^elm folgte ni(i)t o^ne einiget 2Biberftreben; er toar tief gerüt)rt öon bem, toa§ er öemommen t)atte, unb filrdf)tete eine leibenfd^afttid^e ©jene. 2118 er ^ereintrat, ergab fid^ gerabc baä ©egenteiL

-'5 ^ignon im langen toeifeen ^fi^auengetoanbe, teilä mit lodtigcn, teil% aufgcbuubenen, reid^en, braunen Jpaaren, fa&, Ijatte gelij auf bem ©d)0Be unb brücfte i^n an itjr ^erj; fic fal^ ööKig auä toie ein abgefi^iebner ©eift, unb ber ihiabe toie baS ßeben fclbft; c8 Wien, aU toenn ^immcl unb Grbe fid^ um»

80 armten. ©ie reichte SDßil^elmcn lä^elnb bie ^anb unb fagte: „3c^ banfe bir, ba^ bu mir bag ^nb toieberbringft; fte Ratten i^n, ©Ott toci§ toie, entfüljrt, unb ic^ tonnte nic^t leben jeitl)er. ©olangc mein ^erj auf ber Grbe nod^ ettoaS bcbarf, fott bicfcr bie fiücfe auöfütten."

eoet^ X. 8

^J4 ©tl^elm aJieifler« fie^irja^r«.

2)ie ^u^t, tDomit ^ignon il)ren fjfteunb empfanget! {)ütte, üerje^te bie (Scfellic^aft in gro^e Sufrieben^eit. S)et ^Irjt oex» langte, ba^ 2öin)clm [ie öfterä je^en, uiib ba§ man fie jottjo^l förperüd) alä geifttg im ©Ieid)gett)id)t etf)aüen joHte. Gt jelbft entfernte fid) unb öerfprat^, in furjex 3^^^ toieberjufommen. 5

SSill^elm fonnte nun ^iatatien in il)rem Greife beobachten; man ^ätte fic^ nic^tö SBelfcreS gelDÜnfcEit, aU neben il)T ju leben. Sijxe ©egenroart ^atte ben reinften (Sinflu^ auf junge ^Jläbd^en unb i^tnuenäimmet üon öerid^icbcnem Sllter, bie teilä in it)vem ^auje motjnten, teilä au§ ber Üladibarjc^aft fie me^t ober tnc» 10 nigcr ^u bcfui^en famen.

„2)er ®ang 3t)re§ £eben§", jagte 2Öttt|etm einmal ju i^r, „ift too^l immer je^r gleid) genjefen"? benn bie ©d)ilberung, bie 3l)re 2:ante oon affinen aU ^nb mad^t, j(i)eint, menn id) nid^t irre, no(^ immer ju pajjen. ©ie t)aben fid^, man füt)lt St)nen 15 n)o()t an, nie öerloirrt. ©ie loaren nie genötigt, einen ©^ritt jurücfiutun."

„5)aä bin id^ meinem Dl^ctm unb bem Wbi fd^ulbig", ber» je^te^iatalie, „bie meine Eigenheiten |o gut ju beurteilen mußten. ^d) erinnere mid^ üon Sugcnb an faum eine§ lebt)aftern @in= 20 bruffö, alö ba^ id) überaß bie SScbürfnifie ber ^lenjc^en ja^ unb ein unüberminblii^eö Sertangen empfanb, fie augjugleic^en. Sag i?inb, ba§ no^ nidt)t auf feinen güfeen flehen tonnte, ber 9llte, ber fid^ nid)t me^r auf ben feinigen erljielt, bag SBerlangen einer reidjen i^amitie nad^ ßinbern, bie Unfäl)ig!eit einer armen, 25 bie it)rigen ju erljalten, jebeä ftiHe 33erlangcn nadl) einem @c» toerbc, ben Jrieb ju einem ^Latente, bie Einlagen ju l^unbert !leinen notroenbigen f^ä^tgteiten, biefe überall ju entbedEen, f(^ien mein ^Jluge öon ber ^atur beftimmt. ^d} \a\), morauf mid^ nie« manb aufmerffam gemad^t l^atte; idE) fd^ien aber aud^ nur ge= 3o boren, um baä ju fel)en. S)ie Steige ber leblofen 9iatur, für bie jo üiele ^enfd^en öu^erft enH)fänglid^ finb, t)atten feine SSirfung ouf mid^, beinal^' no6) toeniger bie 9leiäe ber ^unft; meine an» genet)mfte (Jmpfinbung toar unb ift nod§, toenn fldt) mir ein

S^tei eu(^. 2>rUt(< AaptUL 125

SJlangcI, ein SScbürfniS in bcr 2SeIt barftettte, jogteic^ im (Seifte einen ©rJQj, ein ^Ulittel, eine ,5)ülfc aufjufinben.

„6a^ i(^ einen Sinnen in £utn4)en, jo fielen mir bie über» flüjfigen illeibcr ein, bie id) in bcn ©c^rönfen ber Peinigen

s ^Qtte fangen je^en; \at) id) Äinber, bie [lä^ o^ne Sorgfalt unb ü^ne ^^flege öerjc^rtcn, fo erinnerte ic^ mid^ biejer ober jener iJftou, bcr idi bei IReid^tum unb Sßcquemlirf)teit ßangemeile ab' gemerft ^attc; fa^ id^ öiele 5)tenjd)en in einem engen 9taume eingefperrt, fo bai^te i^, fie müBtcn in bie großen äin^nier

10 mandjer Käufer unb lit^aläfte einquartiert toerben. 2)iefe Slrt ju fc^en, mar bei mir ganj natürlici^ , o^ne bie minbefte Oicfleyion, jo ba| ic^ barüber aU ßinb baä wunberlid^fte 3fug üon bcr SGßelt ma(^te unb mc^r al8 einmal burc^ bie fonberbarftcn 3ln« träge bie IRenici^en in SBerlegentjeit fe^te. 9io(^ eine ßigcnljeit

15 toar ei, ba§ i^ ba« @elb nur mit ^JJtü^c unb fpät alä ein llUttcl, bie 93ebürfniffe ju befriebigcn, anfe^en fonnte; oEc meine 2öol)I» taten bcftanben in Naturalien, unb id^ mci^, ba^ oft genug über mic^ gclad^t morbcn ift. 9iur ber %bhi fi^ien mid^ ^u Der» fielen, er fam mir überall entgegen, er mad^te mid^ mit mir

20 felbft, mit bicfen aBünjc^cn unb Neigungen bcfannt unb lcl)rtc mic^ , fie jmccf mäfeig befriebigcn."

„^aben Sie bcnn", fragte 2Bill)elm, „bei ber Gr^icljung S^rer flcinen weiblichen Söelt auc^ bie ©runbiä^e jener jonbcr» baren ^länner angenommen? ßaffcn Sie benn aud^ jcbe Natur fc^ felbft auöbilbcn? ßaffen Sie benn aud^ bie 3l)rigcn fud)cn unb irren, 5Jli&griffe tun, fi^ glücflic^ am :^\iU finben ober unglürflic^ in bie 3ne bcrlicren?"

„Nein!" fagte Natalie, „biefe 3lrt, mit ^enfdjcn ju l^anbeln, Würbe ganj gegen meine ©efinnungen fein. SBcr nid^t im klugen»

M blid ^ilft, fc^eint mir nie ju l^elfcn; Wer ni^t im Slugcnblirfe JRat gibt, nie ju raten. Gbenfo nötig fd^cint e8 mir, gcmiffe ©ejc^c auSjufprcd^cn unb ben ilinbern ein^ufc^ärfen, bie bent ßcben einen gemiffen ^alt geben. 3a, id^ möchte beinah' be» Raupten, e8 fei beffer, nac^ Ncgeln ju inen, ali ju inen, Wenn

8*

IIQ ffl>U^ebn TOeiffert £eW°^te-

un^ bie SBitHür unfcrcr 9latur l^in unb ^tx treibt, uiib toic lä) bie ^enjd^en je^e, Jd^eint mir in il^rcr Statur immer ein ßücfe ju bleiben, bie nur burd^ ein entjd^ieben auägefprod^eneä ®eje^ auögefüttt »erben fann."

„(§0 ift aljo ^^xi ^anblungätoeije", jagte 2ßilt)elm, „böüia s bon jener öerfdjieben, toeldie unjere ^^teunbe beobad)ten'?"

„3a!" öerje^te ^flatalie; „©ie fönnen aber :^ierau§ bie un= glaubtt(i)e S^oleranj jener 5Jlänner jet)en, ba§ fie eben auc^ mid^ Quj meinem Söege gerabe beötocgen, loeil mein 2Beg ift, fei= negtoegeg ftören, |onbcrn mit in attcm, toag id^ nur toünjd^en lo lann, entgegenfommen."

ginen umftänblirf)ern SBerid^t, toic 9iatalic mit i^renßin» bern öerful^r, öctjparen toir auf eine anbere ©etegenl^eit.

^ignon öerlangtc oft in ber ©efeüfc^aft ju fein, unb man öergönnte i!^r um fo lieber, al§ fie fi(f) nadE) unb nac^ toieber 15 an äöi(l)elmen p getoö'^nen, il^r .^erj gegen il)n aufjuid^lielen unb übcrt!au|)t l^eiterer unb tebenätuftiger ju toerben jd)ien. ©ie l)ing fid^ beim ©pa^ierengelien, ba fie leidet mübe toarb, gern an feinen 3lrm. „9iun", fagte fie, „^ignon ficttert unb jt)ringt nid^t mel)r, unb boc^ fü^lt ftc nod^ immer bie Segierbe, über 20 bie ©Ipfel ber Serge toegjufpajieren, üon einem |)au|e auf§ an= berc, tjon einem Saume auf ben anbem ju jd^reiten. 2Bie be= neibenStoett finb bie S3ögel, befonberä toenn fie fo artig unb bertraulid^ itire ^flefter bauen!"

toarb nun batb jur @etool)nI)eit, ba^ 9Jtignon i|ren 25 fjrcunb mel)r al§ einmal in ben ©arten lub. 2öar biejer be= fdEiäftigt ober nid^t ju finben, fo mufete %dxi bie ©teile öertretcn, unb toenn ba§ gute 9Jlöbd£)en in mand^en ?lugcnblirfen ganj öon berßrbe loS jd^ien, fo ^ielt fie fid^ in anbem gleid^fam toieber feft an Sater unb ©ol^n unb fd^ien eine Trennung üon biefen mel^r 3o ol§ aEe§ 5U fürd^ten.

5'latatie jd^ien nad^benflid^. „2Öir l^aben getoünfd^t, burd^ 31^re ©egentoart", fagte fie, „baS arme gute ^erj toieber auf= jiufd&lie^en; ob toir too^lgetan l^aben, toei^ id^ nid)t." ©ie

g(^te« »M(^. SBterteg Stap{it\. 117

fc^tüieg unb jd^ien ju crtoarten, ba§ 2BtI^eIm ettoaä fagcn foHtc 3ludi fiel il^m ein, bafe butd^ feine Serbinbung mit 31)CTejen ^Jtignon unter ben gegentoartigen Umftänben Quf§ öu^erftc ge» tränft werben muffe; aEein er getraute fid^ in feiner llngctt)t|»

6 ^eit nic^tö öon biefem SJorljaben ju fpred^en, er öermutcte nirf)t, ba^ 5'latalie baüon unterrid)tet fei.

ßbenfotoenig fonnte er mit f5reil)eit beä (Seifteä bie Unter» rebung öerfolgen, toenn feine eble ^^reunbin öon it)rer ©d^toefter fprac^, if)re guten ©igenfd^aften rühmte unb i^ren 3uftanb bc=

10 baucrtc. @r toar nict)t wenig öerlegcn, aU ^atalie it)m antiin» bigte, ba§ er bie ©räfin batb t)ier fef)en toerbe. „S'^r ®emat)t", fagte fie, „f)at nun feinen anbcm (Sinn, al§ ben abgcfd^iebenen ©rafen» in ber ©emeinbe ju erfe^en, burd^ ©infid^t unb 2ätig» feit biefe grofee Slnftalt ju unterftü^en unb weiter aufzubauen.

15 Qx fommt mit i^r ju unä, um eine 9lrt öon 2lbfct)ieb ^u nehmen; er wirb na^^er bie öerfd)iebenen Orte befud£)en, too bie ©e» meinbe fic^ niebcrgelaffen t)at; man fd^eint il^n nad£) feinen aBün= fd^en p be^anbeln, unb faft glaub' id^, er Wagt mit meiner armen ©d^mefter eine Steife nad^ 3lmerifa, um ja feinem Soor-

20 gängcr red^t ät)nlidt) ^u werben*; unb ba er einmal fc^on beina!^' überzeugt i[t, bafe i^m nic^t öiel fei)le, ein .g)citiger ju fein, fo mag il)m ber Sßunfd^ mand)mal öor ber Seele fdiweben, Wo» mögtid) anlegt aud^ no^ aU SJlartijrer ju glänjen."

yiertes ^npitfl.

25 Cft genug ^attc man biöt)er öon gräutcin 3:i^crefe gc» fprod^cn, oft genug itjrer im S3orbeige^en crwätjnt, unb faft jcbegmat war SBilljelm im S3egriff, feiner neuen ^reunbin ^u befennen, ba^ er jenem trefflichen ^ri^auenjimmcr fein ^ex^ unb feine Jpaub angeboten I)abe. (5in gewiffeg ®efül)l, i>ai er fid)

80 nid^t crflärcn fonnte, f)ielt iljn jurücf; er jouberte fo lange, big

> (Sraf atnjenborf fJarb im aa^re 1760. «on 17.H8— 47 »tgen feiner reit» flUfen SJJeutrungen ou« ber ^etmat oerbannt, machte er Seifen burt^ tturopa, SBeftinbien unb 9lorbamfrifa unb fu^t« Oberaa für feine (Bemelnbe |u roirten.

118 mit^glm 3Rdfter8 Ct^rja^re.

cnbttd^ 9latalte fcIBfl mit betn "^tmmtifi^en , Bc^c^ctbncn, Reitern ßäd^eln, hai man an i'^r ju jet)en geiDo^nt toar, ju il)m jagte; „So inu§ idj bcnn bod^ ^ule^t ba§ StiüicfilDetgen bredien unb mtc^ in ^l)x SSertrauen geroaltjam einbtängen! äöarum machen ©ic mir ein @et)eimni§, mein 5«unb, au§ einer 2lngelegent)eit, 5 bie ^l^nen fo loic^tig ift unb bie mid^ fetbft fo nal^e angebt? <Bie t)afaen meinet ^i^eunbin 3t)re ^anb angeboten: ic^ mifc^e mi(^ ni(^t o^ne 33emf in bieje i^ac^e, ^ier ift meine ßegitima» tion! ^ier ift ber 33rief, ben fie ^l^nen }ci)reibt, ben fie burd) mid^ 2ll^nen jenbet." 10

„©inen 33rief bon 2^erefen!" rief er au8.

„^a, mein ^tn\ unb 3t^t ©c^icffal ift entfc^ieben, Sie finb glürflic^, ßofjen ©ic mi^ ^l)nm unb meiner iJreunbin ©liidC toünfdjen."

2öil!)elm berftummte unb faf) bor fid) "^in. 9iatalie fa'Ei i!^n is an; fie bemerfte, ba^ er bta§ toarb. „3it)re ^Jreube ift ftarf', fu^r fie fort, „fie nimmt bie (Seftatt be§ ©d^recfenS an, fie raubt 3t)nen bie ©prac^e. 9Jtein Slnteil ift barum nidE)t toeniger t)er3= lid^, toeil er mid^ nod^ jum Söorte Eommen täfet. 3(^ ^offc, ©ic toerben bantbar jcin, benn id^ barf 3t)nen fagen, mein @in= 20 f[u§ auf 2:f)erc|en§ @ntfd^Iie§ung toar nic^t gering; fte fragte mid^ um 9tat, unb fonberbarermeijc toaren ©ic eben l^icr, id^ tonnte bie toenigen 3weifet, bie meine fjreunbin noc^ ^^egtc, glücftid^ befiegen, bie Soten gingen lebhaft ^in unb toieber; i)ier ift it)r 6ntf(^lu§! .^ier ift bie dntttirf elung ! Unb nun follcn 25 ©ic aüc il^rc 93riefe tefcn, ©ic joUen in baä fdt)önc ^erj ^l}xn SBraut einen freien, reinen S3(ict tun."

Söil^etm entfaltete ba§23Iatt, ba8 fie it)m unbcrfiegelt über» reichte; eS entt)iett bie freunbli(^en Söortc:

„3d§ bin bie 3^re, toie id^ bin unb toie ©ic mid^ fcnnen. 30 Sd§ nenne ©ie ben 5Jlcincn, toie ©ic finb unb ft)ic iä) ©ic !cnnc. SÖai an un§ fetbft, toa§ an unfern 35erf)ättniffen ber g^eftanb beränbert, toerben toir burct) SSemunft, f rollen ^ut unb guten SDßiEcn jU übertragen toiffcn. S)a unö feine Seibcnfd^aft, |on=

E^Ui Suc^. eterte« AaciteL 119

htm Steigung unb Suttauen jufammenfü'^rt, |o loagen toit njcnigcr olä taujenb anbete, ©te ücriei^en mir gctuife, »enn iä) mid^ mand)mal meineä alten f^^unbci l^etilid) erinnere; bafür toiU id) 3!jren ©o^n aU Butter an meinen 3?uicn brücfen.

» SöüHen ©ie mein f leinet .!pau§ jogleid^ mit mir teilen, jo [inb ©ie ^err unb IReifter, inbcfjen wirb ber ©utäfauf abgejc^l offen. Scfe iDÜnfc^tc, ba§ bort leine neue ©inrid^tung o^ne mic^ gc= ma^t njürbe, um fogIei(^ ju jeigen, bafe id^ ba§ 3"t^fluen t)er= biene, baö ©ie mir fd)cnfen. ßeben ©ie xdo\)1, lieber, lieber

10 f^fteunb! geliebter 53räutigam, öerel)rter ©atte! I^erefe brücEt ©ie an i^re SBruft mit ■g)otfnung unb ßebenSfreubc. 2)lcinc greunbin roirb 3^nen meljr, mirb 3{)nen aHe§ fagen."

2Bilt)elm, bem biefe^ 58latt feine il)erefe tnieber öötlig t)er= gcgenroärtigt ^atte, aar auc^ njieber ööllig ju fid^ felbft gefonu

15 mcn. Unter bem ßefcn tt)ed)iclten bie fd^nettften ©ebanfen in feiner ©eele. ÜJlit Gntfe^en fanb er lebhafte ©puren einer ''JJci= gung gegen ^atalien in feinem ^erjen; er fd^alt [id^, er erflärte jeben ©ebanfen ber Slrt für Unfinn, er ftettte ftc^ 2l)ercfen in i^rer gongen Sßollfommfnl^.it öor, er la§ ben S3rief toieber, er

20 loarb Reiter, ober öielmel)r er erl^olte fid^ fo toeit, ba§ er Reiter fc^einen fonnte. 9latalie legte i^m bie geme^felten Briefe öor, au8 benen mx einige ©teUcn au§iiet)en motten.

9iad)bem 21)erefe i^ren ^Bräutigam nad^ il^rerSlrt gefd^ilbert l^atte, fu^r fie fort:

25 „©0 ftefle id^ mir ben 'ÜRann öor, ber mir je^t feine ^lanb anbietet, SBic er öon fic^ felbft benft, wirft bu fünftig auä ben ^Japieren fe^en, in toclc^en er fid) mir gan^ offen befc^reibt; ic^ bin überzeugt , bafe ic^ mit i^m glüd lid^ fein loerbe."

„SBaä ben ©tanb betrifft, fo toei^t 2;u, mie id^ öon jc'^er

io brübcr gebockt tjdbe. Einige ^enfd)en füt)len bie ^iifeöertjält«

niffe ber äufjcm 3uftänbe fürd^terlid^ unb fönnen fte nici)t über»

tragen. 3dt) Witt niemanben überzeugen, fo toie id^ nad^ meiner

llberjeugung t)aubeln Witt. 3dl) beule fein Söcifpiel ju geben.

120 Otl^elm Keiftet J fie^rpi^re.

toie lä) toä) ntci^t ol^nc ißcijpicl l^anble. -Dlid^ ängfiigen nur bte innern ^t§öerf)ältniffe, ein ®efä§, ba§ fid^ ju bem, toa§ entf)alten ]oü, niii)t fd^icEt; öiel 5prunf unb toentg @cnu^, 9leic^= tum unb ©eij, 3lbet unb 9iof)eit, Sugenb unb ^ebanteret, 95e« bürfniä unb 3ei^enionien, biefe S3erl)ältniffe tüären'ä, bic mid^ 5 öemtc^ten tonnten, bie Sßelt mag fie ftem^eln unb fd^ä^en, toic fte toiU."

„äöenn id^ l^offe, ba§ tott äujammenpaffen toerben, fo grünbe tc^ meinen Slugfpruc^ boräügUd^ barauf, ba^ er S)ir, liebe ^iatatle, bie id^ \o unenbUd^ fd£)d^c unb öere^re, ba§ er 10 S)ir Ql)nlid^ ift. ^a, er l§at bon 3)ir ba§ ebIe6udE)enunb©treben nad£) bem SSeffem, tooburc^ toir bag ®ute, ba§ toir ju finben glauben, jelbft f)eröorbringen. 2öie oft Ijabe id^ S)id^ nirf)t im [tiÜen getabelt, ba^ 2)u biefen ober jenen ^lenfd^en anber§ be= ^anbelteft, ba§ 2)u in biefem ober jenem 5aE2)id§anber§betrugft, 15 aU id^ toürbe getan tjobcn, unb bod^ geigte ber 2lu§gang meift, ba^ S)u red£)t !§atteft. ,2ßenn toir', fagteft 2)u, ,bie ^D^eufd^en nur nefimen, toie fie finb, fo mad^en toir fie fd^tcd^ter; toenn toir fie bel^anbetn, aU toären fie, toa§ fie fein foHten, fo bringen toir fie ba'^in, toof)in fie ju bringen finb.' ^ä^ fann toeber fo fe^en 20 nod^ ^anbeln, ba§ toei^ id§ rcdf|t gut. ©infid^t, Orbnung, 3ud^t, SSefc^I, ba§ ift meine ©ai^e. ^ä) erinnere mici) nod^ toof)t, toaä S^amo fagtc: ,2]^ctefe breffiert il^re 3ö9linge, 5iatalie bilbet fie.' 3fa, er ging fo toeit, ba^ er mir einft hu brei fd^önen ©igen» id^often: (Staube, Siebe unb .^offnung toöttig abfprad^. ,©tatt 25 be§ ©laubcng', fagte er, ,]^at fie bie ©infid^t, ftatt ber 2iebe bie Sel^arrliditeit unb ftatt ber Hoffnung ba§ :ßütianm.' 2lud^ id^ toiE S)ir gerne geftcl^cn, e!^' iä) £)id) fannte, !annte id^ nid^tä .^ötjereö in ber Söelt a(§ ^larl^eit unb Älug^eit; nur S)eine ©egentoart l§at mid^ überzeugt, belebt, übertounben, unb S)einer so fd^önen "^otjen (Seele tret' id^ gerne ben 9iang ab. 5lud^ meinen i^reunb berel^re ic^ in ebenbemfelben ©inn; feine 2eben§befd^rei= bung ift ein etoigeä ©uc^en unb 9Zic^tfinben; aber nic^t bag

3U»tel eu((. Cime« XopitcL 121

Iccre Suchen, jonbcm bag tounberbarc gutmütige ©ud^cn Bc= gabt il^n, er toät)nt, man fönne if)m ba§ geben, tüaä nut bon il^m fommen fann. ©o, meine ßiebe, fd^abet mir aud^ bieämal meine ßtarf)eit nirf)t§; id^ tenne meinen hatten beffer, alä er

5 [id^ jelbft fennt, unb id§ ad^te il)n nur um befto mel^r. ^ä) \d)t i^n, aber id^ übcrje^e it)n nid^t, unb aUe meine Ginfidit reid^t nid^f ^in, ju atjnen, toa^ er toirfen fann, SBenn ic£) an i!^n benfe, bermifc^t fidt) jein Silb immer mit bem S)einigen, unb id^ Weiß nid§t, toic id£) tocrt bin, j^ei fotd^en ^enfd^en anjuge»

10 l^ören, Slfier id^ mitt toert jein baburdE), bofe id^ meine ^flic[)t tue, baburd), ba§ id^ erfülle, toaS man bon mir crtoarten unb hoffen fann."

„Cb i^ ßot^arioS gebenfe? ßeb'^aft unb täglid^. ^^n fann iä) in ber ©eieüicfiaft, bie mi(^ im ©eifte umgibt, nid^t einen

15 'Jlugenblitf miffen. D, toie bcbaure id^ ben trefflidien TOann, ber burdE) einen Sugenbfe^ter mit mir bermanbt i[t, ba§ bie 9iatur il^n S)ir fo na^e gewollt t)at! fBafixlid) ein SBejen toie S)u toäre feiner met)r toert al§ id^. S)ir tonnt' id^, 5Dir mü§t' id) if)n obtreten, ßa^ unä it)m fein, toaä nur möglich ift, big er eine

20 toürbige (Sattin finbct, unb aud£) bann la^ ung jufammcn fein unb jufammcn bleiben."

„3öa8 toerben nun aber unfre ^fteunbe fagen?" begann 9ia» talie. „3]^r ©ruber toei§ nid)t8 babon?" „9ieinl fo tocnig aU bie 3f)rigen, bie ©adEie ift bicimal nur unter ung SBcibem

25 bertjanbelt toorben. 3d^ toei§ nic^t, toag £t;bie 3jE)erefen für ©riücn in ben ilopf geje^t t}at; fie fd^eint bem 3lbbe unb 3arno iu mißtrauen, ß^bie f)at i^r gegen gcwiffe gel^eime Sßerbinbun» gen unb ^Uane, bon benen i^ too^l im allgemeinen toei^, in bie id^ aber niemalg einzubringen gcbadjte, toenigfteng einigen

80 ''^lrgtool)n eingcflöBt, unb bei biefcm entfd)cibcnbcn 8d)ritt i()reg Öcbeng tooUte fie niemanb alg mir einigen ©influ^ berftatten. ^Utit meinem ©ruber toar fie fd^on früher übereingefommcn, baß

122 ©it^clm aneiper« 2e^r|ol^re.

ftc [xäi toec^jelätocije i^^re -Speirat nur metbcn, jtc^ bartibcr nid^t 311 JHate ätel)en iDoUten."

^Qtalte j(^rieb nun einen SSriet an il)ren Grübet, fie lub 2Gßin)elnien ein, einige SBorte bajuäuje^en, 3;t)ere|e ^atte fie barum gebeten. Wan ttjoüte eben [iegeln, alö ^axno jid) un» 5 üermutet anmetben lie^. 5lufä fceunbtidjl'te marb er emptangen, au<i} jd^ien er fe^r munter unb jd^erä^ott unb tonnte enblidj nid)t untertaffen ju fagen: „eigentli(^ fomm'e id) ^iet)er, um S^nen eine jel^r nmnberbare, boc^ angenel^me ^JiQct)rtd)t ^u bringen; [ie betrifft unfcre 2jt)erefc. ©ie ^aben un« manc^^ 10 mal getabelt, fd)öne ^iatolie, ba^ mix unä um fo bieleö befüm= mem; nun aber feigen ©te, tt)ie gut ift, überott feine 6pione p tjQben. SRaten ©ie, unb laffen ©ie un8 einmal 3t)re Saga» äität fet)en!"

2)ie ©erbftgefäHigfeit, toomit er biefe Söorte au§fprad^, bic is i(^attt)afte 2Jliene, womit er 2öitf)elmen unb 9iatatien anfa^, übcrjeugtcn beibe, ba^ i"^r @et)eimni§ entbedft fei. ^Jiatalie ant» »ortete täc^club: „2ßir finb öiel fünftüc^er, aU fie beuten, wir l)aben bie Sluflöfung beg 9(iätfet§, nod^ el^c un§ aufgegeben tourbc, fc^on ju ^^apiere gebracht." 20

©ie überreichte il^m mit biefen Sßorten ben Srief an 2ott)a» rio unb war jufrieben, ber tieinen überrafd^ung unb 58ef(i)ä= mung, bie man i^en 3ugebad)t t)attc, auf biefe Seife ju be= gegnen. ^axno nat)m ba§ S5latt mit einiger Söertounberung, überlief nur, ftaunte, liefe au§ ber |)anb finfen unb fa^ fie 25 beibe mit großen Singen, mit einem SluäbrucE ber übeuafc^ung, la be§ ßntfe^eng an, ben man auf feinem ©efid^te nic^t gewotint war. 6r fogte fein SBort.

2öilf)elm unb 9latalie Waren nit^t Wenig betroffen. 3amo ging in ber ©tube auf unb ab. „2öa§ fott ic^ fagen?" rief er so au§, „ober fott id)'§ fagen? !ann lein ©e^eimniä bleiben, bie Verwirrung ift nic^t ^u öermeiben. 2llfo benn ®el^eimni§ gegen ®ef)eimni§! Überrafd)ung gegen Überrafc^ung! 21)erefe ift nid^t bie 2ocE)ter i^rer 3Jlutter! ba§ .C-^inberniä ift ge:^oben; id^

?{(^tt« iBu(t. Biette« fiapttel 123

fontmc ^icr'^ct, ©tc ^u bitten, baä eble ^äb(i^en au einer S5ct= binbunfl mit 2ott)ario üorjubeTeiten."

^Qrno jot) bie Scftürpng ber beiben gteunbe, tüct^c bic Singen ^ur 6rbe nieberidilugen. „SDiefergoü i[t einerbonbenen",

6 jagte et, „bie j'id) in 0e|caicf)aft am fd^lc(i)te[ten eitragen laffen. 2öaä jebe« babci ju benten ^at, benft am beften in ber ©in- jamfeit; i^ tt)enig[ten§ erbitte mir auf eine ©tunbe Urlaub." €r eilte in ben ©arten, 2öill)elm folgte il)m med)ani|d), aber in ber ^eme.

10 9lac^ 5Berlauf einer ©tunbe fanben fie ftd) toieber jufammen. SBil^elm nat)m ba§ 9Bort unb fagte: „©onft, ba \ä) ol)ne ^raecf unb '\^lan leicht, [a teid)tfertig lebte, famcn mir i^reunbid)aft, Siebe, 9ieigung, ^wtrauen mit offenen Firmen entgegen, ja fie brängtcn fi(^ ju mir; je^t, ba ©ruft wirb, fc^eint baö Schief»

16 jal mit mir einen anbern 2Beg ju nehmen. 2)er (Jntjd)hi§, Zi)i= refen meine |)anb anzubieten, ift Kietteic^t ber erfte, ber ganj tcin aui mir felbft fommt. ^Jtit Überlegung macl)te ic^ meinen 5pian, meine Semunft mar üöttig bamit einig, unb burd) bie Sufage bcä trefflichen ^läbc^en^ tourben alle meine |)offnun=

20 gen erfüllt, ^un brücft ba«i fonberbarfte ®cfd)icE meine au§= geftrecfte .Ipanb nieber. I^erefe reid^t mir bie il)rige Don ferne, toie im Jraume, ic^ fann fie nid)t faffen, unb baö jd)öne 33ilb toerläfet mic^ auf eroig. <&o lebe bcnn rool)l, bu jc^öneä iöilb! unb i^r Silber ber reid)ftcn ©lücffeligteit, bie i^r euc^ barum

M f;tx tjerf ammelt !"

C^r fd)roieg einen 3Iugenblijf ftiH, fal^ bor fid^ f^'m, unb^arno tooHte reben. „Soffen ©ie mid^ norf) ctroa^ fagcn!" fiel äßil- l^etm i^m ein, „benn um mein gan,^cä ®efd)irf roirb \a hod) bieä» mal baä 2o^ geroorfen. 2ln biefem ^lugcnblirf fommt mir ber

80 ßinbrucf ju .^ülfc, ben Sot^arioä ®egcnroart beim erften ?ln= blirf mir eii^jrögte, unb ber mir beftänbig geblieben ift. S)iefer 3Jlann bcrbient fcbe 3lrt Don Steigung unb Ofrcunbf(^aft, unb ol)ne Slufopfcrung lä^t fid) feine i5freunbfd)üft bcnfcn. Um feinet« toillen roar mir leici^t, ein unglücflid)e(J 3Jläbd^cn jn betö»

124 JSilBelm WeiflerS ßc^jrja^e.

ren, um feincttoiHen jott mir möglid) tocrbcn, ber toüvbigfteu Jörout ju entjagen. ©el^en ©ie I)in, crjäl^len ©ie lijm bie fonber» bare @e|(i)id^te unb jagen ©ie il^m, tDoju ic^ bereit bin."

3amo öerje^te l^ierauf: „Sfn |oId)en Rotten t)alte ic^ bafllr, ift j(i)on alleä getan, toenn man fid) nur nic^t übereilt, ßaffen 6 6ie un§ feinen ©d)ritt ot)ne £otI)ario§ ©intoilligung tun! 2f(^ njill p il)m, ertoarten ©ie meine 3ui^<ifunft ober jeine SSriefe rul)ig."

Qx ritt toeg unb l^interlie^ bie beiben fjreunbc in ber grö§« ten Söel^mut. ©ie l^attcn 3eit, ft(i) bieje Sßegebenl^eiten auf mel^r lo aU eine SBeije ju toieberI)oIen unb il^re SBemerfungen barüber ^\i madE)en. 9lun fiel i^nen erft auf, ba^ fie bieje tounbcr* bare ©rflärung jo gerabe üon Sfarno angenommen unb fid^ nid^t um bie nät)ern Umftänbe erfunbigt l^atten. ^a 2Bitl)cIm ttioltte jogar einigen Steifet ^^eöen; aber auf§ pciifte ftieg il^r 6r= i5 ftaunen, ja il)re SSermirrung, al§ ben anbem Stag ein S3ote bon Stlierefen anfam, ber folgenben fonberbaren S3rief an 9iatalien mitbra(f)te:

„©0 feltfam au(^ fdieinen mag, jo mu§ iä) hoä) meinem öorigen 23riefe jogleic^ nod^ einen nac£)jenben unb S)id^ erjuc^cn, 20 mir meinen Sräutigam eilig ju jdjidEen. 6r joH mein ©attc tocrben, tDa§ man aud^ für ^lane mad^t, mir if|n ju rauben. @ib if)m inliegenben S5riefl ^nx bor feinem 3f^Ö2*^f ^^ ^^^Q gegentt)ärtig jein, mer toiU."

S)er SBrief an Söillielmen entl^iclt foIgenbe§ : „2Ba§ toerbcn 25 ©ie öon S^rer 2^ereje benfen, toenn fie auf einmal leibenjc^aft» üd£) auf eine Serbinbung bringt, bie ber rul^igfte SJerftanb nur eingeleitet p ^aben jd^ien? ßaffen ©ie fidE) burd^ nid^t§ abl^al» ten, gleid^ nai^ bem ©mpfang be§ S5riefe§ abäureijen! Äommen ©ie, lieber, lieber ^reunb, nun breifadf) ©eliebter, ba man mir so S^ren S3efi^ rauben ober toenigftenS erjd£)tt)eren toitt!"

„SGßa§ ift p tun?" rief Söit^etm au§, al§ er biefen S3rief getejen l^atte.

„9lod) in feinem S^aü", berje^tc 5latatie nad§ einigem 9lod^»

a(^te« »uc5. «lertefl «apttel. 125

benfen, „l^ot mein ^crj unb mein SJerftanb \o gefd)toiegen olg in biejem; iä) hJÜ^te nic^tg ju tun, jo toic iä) nici^tä ^u raten toei^."

„SBärc e3 möglid^l" rief SSil^elm mit ^eftigfeit auS, „bo^

5 Sotl^ario jelBft n{d)t§ baöon toüfete, ober toenn er baöon toei^, ba§ er mit unä baä ©piel öerftecfter ^lane toäre? |)Qt 3fanto, inbem er unfern 33rief gejel^en, bog ^ärc^en auä bem ©tegreifc erfunben? SBürbe er un§ tt)a§ anberä gejagt tiaBen, toenn toir nic^t JU boreilig getoejen toören? 2Ba§ tann man ttJoHen? SBaä

10 für Slbfid)ten tann man l^aben? 2Ba8 fonn 2^erefe für einen 5ptan meinen? ^a, lä^t \i<i) nic^t leugnen, 2ott)ario ift bon get)eimen Söirfungen unb 5ßerbinbungcn umgeben, id) tjabe fctBfl crjatiren, ba^ man tätig ift, ba^ man fid^ in einem gemiffen ©innc um bie ,g)anblungen, um bie <5c^icffate met)rerer 5lten=

15 fd^en befümmert unb fie ju leiten toei|. 3)on ben ©nbjtoecfen biefer ©e^eimniffe t)erftel)e iä) niditg, aber bie ncucfte 9tbfic^t, mir J^erefen ju entreißen, fel^e lä) nur allju beutlic^. ?tuf einer ©eite malt man mir baä möglidie @Iürf 2otf)ario§, bietteic^t nur jum 6d^eine, bor; auf ber anbern jet)e id^ meine (beliebte, meine

20 bere^rte 33raut, bie mid) an i§r ^a^ ruft. 2ßa§ fott id) tun? SBag fott ic^ unterlaffen?"

„9iur ein tocnig ®ebulb!" fagte DZatalie, „nur eine furje Sebenfjeit! 3n biefer fonberbaren 33crfnüpfung loci^ i(^ nur fo biet, ba§ toir hai, toaä unmieberbringlid^ ift, nid)t übereilen

25 follcn. föcgen ein 5Jlärd^en, gegen einen fünftlid)en '|Uan fte^cn S5c^arrlid)feit unb ^tugljcit ung bei; mu& fi^ balb aufflärcn, ob bie ©ac^e ma^r ober oh fie erfunben ift ^at mein S3ruber toirflid) .^^offnung, fid^ mit Jtjcrcfcn ju berbinben, fo luäre graufam, itjm ein @Iüd auf ewig p entrctfjcn in bem iJlugen»

so blide, ba eg it;m fo frcunbli«^ erfd)eint. ßaffen ©ic unä nur abmartcn, ob er cttooS babon n)eif5, ob er felbft glaubt, ob er felbft ^offt."

S)iefcn ©rünbcn itire« 9tat3 fam glürftic^enocifc ein 33rief bon fiotfjario ju ^lülfe: „3d^ fd)ide3anin nid)t toicbcr jurüd".

126 ffitrijelm SJleifler« fie^rjo^«.

jdjrieb er; „öon meiner ^anb eine QexU ifl 3)ir ntcl^r, qI3 bte uiiiftänblid^ftcn SBoitc eine§ Sßoten. 3ft^ bin gewife, ba^ 2;i^c= rcje nid^t bic 2;o(^ter i(}rcr Butter ift, unb ic^ tann bie ^o[f= ming, fie ju befi^en, nic^t aufgeben, bi§ fie auc^ überzeugt ift, unb alSbonn 3n)if(^en mir unb bem S^eunbe mit ruhiger Über» 5 legung entfc^eibet. 2a^ i!^n, ic^ bitte S)i(^, nid)t öon 2)ciner 6eite! 2)Qä ©lilrf, ba§ Seben eine§ 93rubcr§ l)ängt baüon ab. 2[(^ üerfpred)e 2)ir, biefe Ungemi^t)eit foE nic^t lange bauem."

„©ie fct)cn, toie bie Bad^e fte^t", fagte fie freunblic^ ju Söil» I)elmen; „geben ©ie mir ^\)x ß^renmort, nic^t au§ bem ^aufe lo äu gelten!"

„3id) gebe e§!" rief er auS, inbem er il§r bie ^anb reiditc; „id) miH biejeS ^au§ toiber Staren äöitten nid^t öerlaffen. ^ä) banfe ®ott unb meinem guten (Seift, ba| iä) biesSmal geleitet toerbe, unb ätoar toon S^nen." 15

5^atatie fd^rieb Sl^erefen ben ganzen Söerlauf unb erflartc, ba^ fie i^ren Ofteunb nid)t öon fid^ laffen toerbe; fie fdt)idte äu= gleid^ ßottiariog S3rief mit.

Xtjercfe anttoortetc: „^d^ bin nid^t menig öertounbert, ba§ ßof^ario felbft überzeugt ift; benn gegen feine ©d)n)cfter toirb er 20 fic^ nidf)t auf biefen ©rab berftetten. ^ä) bin öerbriefelid^ , ]e^x bcrbrie^Iic^. @S ift beffer, id) fage nic£)t§ Weiter. ?lm beftcn ift'§, id^ fomme ju S)ir, n^enn id£) nur erft bie arme 8l)bie unter» gebrad)t Ijabe, mit ber nmn graufam umgel^t. ^ä) fürd^te, toir fmb atte betrogen unb toerben fo betrogen, um nie in§ tiare ju 20 lommen. Söenn ber ^teunb meinen ©inn l^ätte, fo entfd^ lüpfte er SDir bod^ unb toürfe fid^ an bag ^erj feiner 2^erefe, bie i^m bann niemanb entreißen follte; aber id^ fürd^te, id^ fotl il^n tier= liercn unb ßottjario ni(^t miebergettjinnen. 2)iefem entreißt man iU^bicn, inbem man it)m bie Hoffnung, mid^ befi^en ju fönnen, so bon meitem jeigt. 3d) toiE nid^tg weiter fagen, bie SSermirrung Wirb nod^ größer toerben. Ob nid^t inbeffen bie fd£)önften 23er= §ältniffe fo t)erfd)oben, fo untergraben unb fo jerrüttet toerben, bafe aud) bann, toenn aEe§ im Haren fein toirb, bod^ nidjt toie*

g(^te< S9u(^. mtttti StayUtl 127

bei ju Reifen ift, mag bie 3cit teljren. Steifet fid^ mein gteunb nic^f loa, jo fomme iä) in toenigen Üagcn, um it)n bei S)ir auf^ iuiu(^cn unb feftiut)altcn. £)u lounberft Sid^, toie btefe ßeibcn= |d)aft fxd) S;eineT I^ercfc bcmäi^tiget t)at. ߧ ift feine ßeiben=

5 \d)<x]i, ift Übcrjcugung, ba^, ba 2otI)ario nic^t mein toerben lonntc, bie{ct neue greunb baö ©lücf meinet £eben§ mad^en toitb. ©ag' il^m baä im tarnen beg tlcinen ^aben, ber mit il^m unter ber Qxdjc fafe unb fi(^ feiner 2:eilnat)me freute! <Sag' il^m baö im ^tarnen 2:t)erejenä, bie feinem eintrage mit einer

10 l^eräli^en Offenheit cntgcgenfam! 2Rein erfter Iraum, toic iäf mit 2ot!^Qrio leben n)ürbe, ift toeit tion meiner Seele loeg« gerüclt; ber Jraum, toic id^ mit meinem neuen ^rcunb ju leben gebeerte, fte^t no(^ ganj gegenmärtig öor mir. SIrf)tet man mid^ \o ttjcnig, bafe man glaubt, ti jei jo mai fieic^tcä, biefen mit

16 jenem auai bem Stegreife mieber umjutaufc^en?"

„3d) ocrlaffe mic^ auf Sie", fagte ^Jlatalie ju SBif^etmcn, inbcm fie i^m benSrief 2:l)erefen§ gab; „Sie entflieljen mir nid^t. ffiebenfcn Sic, bafe Sie ba§ ©lücf meineä 2ebenä in ^fjrcr ^anb l^aben! ^ein ^ajcin ift mit bem Slafein meineö 33ruber2! fo

20 innig üerbunben unb öernmrjclt, bafe er feine Sdjmerjen fül)lcn fann, bie id) nid^t empfinbe, feine 5«ubc, bie ni(^t auc^ mein ©lud madjt. 3a id^ fann tool^t jagen, bafe id^ allein burdf) i^n empfnnben i^aht, bafe baS ^tx^ gerührt unb erhoben, bafe auf ber 2öelt greube, Siebe unb ein ®efü^l fein fann, baä über aÖeä

25 23ebürfni^ ^inauö befriebigt."

Sic ^ielt inne, Söiüjelm nal^m il^rc ^anb unb rief: „O fol^ren Sie fort! c8 ift bie rechte S^it ju einem toaf)ren toed^jel» leitigen Vertrauen; mir l^aben nie nötiger gehabt, unä genauer ju fenncn."

«0 „3la, mein {^i^eunb!" fagte fie Iädl)clnb, mit i^rer ruhigen, janften, unbejc^reiblid)en ^o^eit, „e^ ift toietleid^t nid^t aufeer ber^cit. ^cnn i^ 3^nen jage, bafe aücö, toai unä jo man« ä)ti 93uc^, roai uni bie 2öclt alö Ciebe nennt unb jeigt^ mir immer nur al'2f ein ^]Jiärd)cn crfd)ienen fei"

128 gflittjelw TOtipera £e^r}a^re.

„©ie l^aBen nid^t geliebt?" rief Sßil^elm au8. „^tie ober immer!" öcrje^te 5^atalie.

fünftes f apüjl

©ie toaren unter biejem @ej|)räc^ im ©arten auf unb ab gegangen, 9latatie l^atte berjd)iebcne SSIumen öon feltfamer @e= 5 ftalt gebrochen, bie2Bilf)elmen ööttig unbefannt toaren, unb nad^ bereu ^amen er fragte.

„<5ie öermuten ttjol^t nid)t", fagte 91atalie, „für tten id^ biejen ©trau§ pflücle? Sr ift für meinen Cl^eim beftimmt, bem toir einen Sefud^ madjen tooEen. S)ie ©onne f(i)cint eben jo 10 tebtjaft nac^ bem ©aale ber SSergangenl^cit, iä) mu^ ©ie biefen Slugenbürf {)ineinfül§ren, unb ic^ gel^e niemals l^in, o^ne einige öon ben SBlumen, bie mein Dtieim befonberg begünftigte, mit- äubringen. Qx toax ein fonberbarer 3)lann unb ber eigenften ginbrürfe fällig, gür getoiffe ^flanäen unb Xiere, für geujiffe 15 9Jlenj(^en unb ©egenben, ja fogar ju einigen ©teinarten ^ttc er eine entjd^iebene ^fleigung, bie feiten ertlärlid^ toar. ,2Benn ic^ nict)t', pflegte er oft ju jagen, ,mir öon ^^senb auf fo fel^r toiberftanben t)ötte, toenn id) nid^t geftrebt l^ätte, meinen S5er= ftanb in§ SBeite unb ^lÜgemeine auSjubitben, fo toäre ic^ ber tz' 20 j(^rän!tefte unb unerträglidifte 3Jten}d§ getoorben; benn nid^tS ift unertröglid^er, al§ abgefdinittene ^igenl^eit an bemjenigen, oon bem man eine reine, gel)örige Sätigtcit forbcm fann.' Unb bo(^ mu^te er felbft geftet)en, ba^ il^m gleid^fam Seben unb Sltem auggel^en mürbe, menn er fid^ nid£)t öon 3eit ju 3eit nad^= 25 jöl^e unb fid^ erlaubte, ba§ mit ßeibenfdE)aft ^u genießen, ma§ er eben nid)t immer loben unb entfdt)ulbigen fonnte. ,^leine©c^ulb ift nid£)t', fagte er, ,toenn iä) meine 2;riebe unb meine SJemunft uic^t ööttig l^abe in Sinftimmung bringen fönnen/ Sei fold^en ®elcgenl)eiten pflegte er meift über mid) ju fd^erjen unb ^u 30 jagen : ,9tatalien fann man bei ßeibeäleben feiig greifen, ba il^rc 9Zatur nid^tg forbert, alg toa§ bie SBelt münjdit unb brandet.'"

«<$ted IBu4. pnfteS Aapitel. 129

Untei bieten SCßorten toaren fte toieber in ba§ .^auptgcBäubc gelangt. Sie führte i^n burd^ einen geräumigen (Sang auf eine Iure ju, bor ber ^roci Sp^inje üon ©ranit lagen. 3)ie 2ürc fclbft öjar auf ägtjptijc^e 2Beije oben ein wenig enger aU unten,

unb i^re et)ernen ^^^ügel bereiteten ju einem em[tl}aften, ja ju einem fd^auerlid^en ^^nbüdE öor. SBie angenehm ttiarb man ba=» l^er überrajc^t, al§ bieje Erwartung fic^ in bie reinfte .Reiter» feit auflöfte, inbem man in einen ©aal trat, in toeld^em Äunft unb ßeben jebe Erinnerung an %oh unb @rab auft)oben. ^n

10 bie SBänbc tuaren üert)ättniämäfeige Sogen öcrtieft, in benen größere Sarfopt)agen ftanben; in ben ^^^f eilern bajroijc^en \af) man Üteinere -Öffnungen, mit 3lfc^enfäftci)cn unb föcfafjen ge= f(!^mü(ft; bie übrigen gläc^en ber Söänbe unb be§ @ett)ölbe§ fal^ man regelmäßig abgeteilt unb ätoiff^en t)eitem unb mannig=

15 faltigen ßinfaffungen, ^änjen unb 3icT^flten ^eitere unb be= beutenbe ©eftalten in gelbem öon öcrfd^iebener ©röße gematt. S)ie ard)iteftonifc^en ©lieber toarcn mit bem fc^öncn gelben 3Jlarmor, ber ing 9tötli(i)e l)inüberbücft, befleibet, I)eUblaue Streifen öon einer glücfti(i)en c^emifd)en ßom^jofition atjuiten

20 ben Safurftein nac^ unb gaben, inbem fie gleic^jam in einem ©egenja^ baS 5luge befriebigten, bem ©anjen Gin^eit unb Scr= binbung. Stile biefe ^4Jracl)t unb 3ietbe ftetlte fic^ in reinen ard)i= teftonifc^en Ser^ältniffen bar, unb fo fd^icn jeber, ber ^inein- trat, über fid^ felbft erhoben ju fein, inbem er burc^ bie ju»

25 fammentreffenbe Äunfl erft erfut)r, toaä ber 2Jlcnjd^ fei, unb roa^ et fein fönnc.

S)er Sürc gegenüber fa'^ man auf einem Ijräi^tigen Sar» fopl)agen ba8 ^Jiarmorbilb eineä toürbtgen UlannesJ, an ein *Polfter gelet)nt. 6r ^ielt eine 9ioIle Oor fic^ unb f^ien mit ftil^

:' tcT ^Jlufmcrffamleit barauf ju blidten. Sie toar fo 8erid)tet, ba^ man bie SBortc, bie fie enttjiett, bequem lefcn lonntc. dd ftanb barauf: „©cbenfe ju leben."

9iatalic, inbem fie einen öertoelften Strauß »egna'^m, legte ben frifcl)en öor baS Silb be« D^eimS; bcnn et felbft toar

«ort.V. X. 9

1^80 SBÜ^cIm gteiftert ge^rja^.

in bcr fJfiQUt borgeftcttt, unb SGßif^elm glaubte [xäj nod) ber 3üge be§ alten ^erm p erinnern, ben er banmlg im SBalbe gc» jc^en t)atte. „^ier bra($ten toir manche ©tunbe ju", fagte ■Jlatalie, „bi§ bicfer ©aal fertig toar. 3n feinen testen Stallten l^atte er einige gefd^idEte ßünftter an \iä) gebogen, unb feine befte 5 Unterl^altung toar, bie 3ci(i)i^ungen unb Kartone ju biefen ®c» niälben au§finnen unb beftimmen ju l)elfen."

2Bilt)elm fonnte fid) nid^t genug ber ©egenftänbe freuen, bie i'^n umgaben. „SBelc^ ein ßeben", rief er au§, „in biefem Saale ber SSergangen'^eit! 5)tan fönnte il^n ebenfogut ben ©aal ber lo ©egenwart unb ber 3ufunft nennen. <Bo toar alleä unb fo toirb attcä fein! 9ti(^t§ ift öergänglict) , al§ ber eine, ber geniest unb äufd)aut. ^ier biefeä SSilb ber 5)lutter, bie it)r ßinb an§ ^tx^ brürft, toirb öiele Generationen glütf lieber ^lütter überleben. 9lad) 3fa'^rl^unberten toietteic^t erfreut fic^ ein 5öater biefeS bär= is tigen 5)knne§, ber feinen ©ruft ablegt unb fiel) mit feinem ©ol^ne necft. ©0 t)erf(i)ämt toirb burd) alle Reiten bie SBraut fi^en unb bei il)ren ftitten 2Bünfc^en norf) bcbürfen, ba^ man fie tröfte, ba^ man il^r jurebc; fo ungebulbig toirb ber ^Bräutigam auf ber ©c^toelle l)ord)en, ob er l^ereintreten barf." 20

2Bill)elm§ 2lugen fd^toeiften auf unää'^lige SSilbcr uml^er. JBom erften frol^en triebe ber Äinb^eit, jebe§ ©lieb im ©pielc nur ju braud^en unb ju üben, bi§ pm ru'^igen abgefd^iebenen @m[tc be§ Sßeifen fonnte man in fdE)öner, lebenbiger ^ols^ \^^^n, toie ber 5Jtenfd^ leine angebome ^fleigung unb ^^äl^igfeit befi^t, 25 o'^ne fie ju braud^en unb ju nu^en. 25on bem erften garten ©elbft= gefü^l, toenn ba§ ^äbdt)en öertoeilt, ben ^tcuq auä bem Haren SBaffcr toieber l^eraufjutieben, unb inbeffen il^r 35ilb gefältig be= trad)tet, bi§ ^u jenen f)ol^en f>eierlidE)feitcn, toenn Könige unb S5ölfer äu 3ß"S^i^ ^^^^''^ 2}erbinbungen bie ©ötter am 2lltare an= 30 rufen, geigte fid^ aEe§ bebeutenb unb fräftig.

(J§ toar eine 2öelt, toar ein .g)immel, ber ben 2Sefc^aucn= ben an biefer ©tötte umgab, unb au^er ben ©ebanlen, toel(^e iene gebilbeten ©eftalten erregten, au|er ben ßmpfinbungen,

ac^tea «u*. SünfteJ Kapitel 131

tocld^c fic einflößten, fd^icn nodj etioaS anbrcS gcgentoärtig 311 fein, öjoöon ber ganjc OJlenfc^ jid^ angegriffen füt)Ite. 3luc| Sßi(= ^etm bemetfte e8, ol^ne fic^ baöon ^ted^enft^aft geben ^u fönnen. „2öa3 ifl ba§", rief er au§, „ba§, unabhängig öon aller S3e=

6 beuhing, frei öon aHem ^Uitgefül^l, bag ung meni(i)Itd)e S3e= geben^eiten unb ©diicfiale einflößen, fo ftarf unb äugleid^ fo an= mutig auf mid^ ju toirfen öermag? ft)rid^t auä bem ©anjen, eS fprid)t auä jebem Xeile mid^ an, ofinc baß id^ jeneg begreifen, ol^ne baß ic^ biefe mir befonberä jueignen fönnte! Söeld^cn

10 3auber a^n' ic^ in biefen 5läd[}en, biejen Linien, biefen .!^öf)en unb ©reiten, biefen ^Raffen unb i^arben! SBag ift eg, ba§ biefe Figuren, auc^ nur obenhin betracl)tet, fd^on als ^ie^^t fo er= frcutid^ mad^t! 3a id^ füllte, man fönnte l^ier öcrloeilen, rul^en, aUeä mit ben 2lugen faffen, ftc^ gtücEtid^ finben unb ganj etrooä

15 anbreg füllen unb benfen aU ba§, rtaä üor 2lugen ftet)t."

Unb gewiß, fönnten toir befd^reiben, toic glüdCIid^ alleg ein= geteilt mar, »ie an Ort unb ©teile burd^ SSerbinbung ober ®e= genfa^, burd^ ©infärbigfeit ober SSuntl^eit, atteä beftimmt, fo unb nid^t anberS erfdljien, aU erfdl)einen foHte, unb eine fo

20 ooHtommenc atg beutlic^e Söirtung l^erborbrad^te, fo mürben mir ben ßcfer an einen Ort öcrfe^en, öon bem er fid^ fobalb nic[)t ju entfernen münfc^tc.

S5ier große marmorne i^anbelaber ftanben in ben ßcfen beö ©aalg, öier Heinere in ber ^itte um einen fe^r fd^ön gearbeitet

25 tcn ©artop^ag, ber feiner @rößc nad^ eine junge ^erfon öon mittlerer (Seftalt fönnte enthalten l^aben.

9iatalie blieb bei biefem ^Jionumente fteljen, unb tnbcm fie bie ^anb barauj legte, fagte fic: „Dlein guter Oljeim f)ütte große Vorliebe ju biejem Söerfe beg 9lltcrtumg. Gr jagte nmnd^mal:

ao ,9lid)t allein bie crften S3lüten faUen ah, bic \\)x ba oben in jenen fleinen {Räumen öermal)rcn fönnt, fonbern aud^ 5iürf)tc, bic, am 3loeige Ijängcnb, un8 noc^ lange bie jd)önftc .g)üffnung geben, inbeä ein ^eimlic^er SBurm it)re früljere JReifc unb i^re 3«« flörung öorbereitct.' ^6) fürd^te", fut;r fie fort, „er l^at auf ba?

132 SBll^ielm 8Retil<rS ge^r)a^.

tteBc 5Jl5bc^en getoetSfagt, bag fid^ unserer Pflege nad) unb nad^ )U cntäief)en unb ju biefcr rut)igen 3öol)nung ju neigen jd^cint"

211^ fic im SBegriff toaren, tDcgjuge^n, iagte^iatalic: „3d) mu| (Sie nod^ auf etroaS aufmertfam mad^en. SSemerfen (Sic bieje tjalbrunben Öffnungen in ber ^ö^e auf beiben «Seiten! ^itx 5 !önnen bie &)'öxt ber Sänger Verborgen [teilen, unb bieje el^'rnen 3ieratcn unter bem ©ejimje bienen, bie Zeppxö^t ju befe[tigcn, bic nod^ ber SSerorbnung meinet Dl^eimS bei jeber SBeftattung au[gcf)ängt Werben f ollen. 6r fonnte nid^t ol^ne 2Jlu[if, be|on= ber§ ni(^t ot)ne ©cjang leben unb l^atte babei bie 6igenl^ett, lo bo^ er bie (Sänger nid^t fe^en toolltc. 6r pflegte ^u fagen: ,2)a§ Sll^eater toertoö^nt unä gar ju fet)r, bie ^uflf bient bort nur glcid^fam bem Slugc, fic begleitet bie S3en)egungen, nid^t bie 6m« pfinbungen. Sei Oratorien unb ^on^erten ftört un§ immer bic ©eftalt be§ 5Rufifu§; bie ma^re 5Ru|if ift allein fürS O^r; eine is fd)öne Stimme ift ba§ atlgemeinftc, toaS ftd^ benfcn läfet, unb tnbem baä eingefd£)ränfte S^nbiüibuum, bog fic l^eröorbringt, fid^ borö Sluge ftettt, jerftört ben reinen ßffeft jener Slttgemein« l^eit. ^d) toiU jeben fet)en, mit bem id^ reben foH; benn ift ein einjelner IRcnfc^, bcffen (Seftatt unb 6t)arafter bie Sficbe mcrt 20 ober untocrt mad)t; I)ingegcn tt)er mir fingt, fott unfid^tbar fein, feine ©eftalt foE midi) nid^t beftedlien ober irre matten, ^ier fprid^t nur ein Organ jum Organe, ntd^t ber (Seift jum ©eiftc, nid)t eine taufenbfältigc SGßett jum 2lugc, nid^t ein ^immel jum 9)lenfd£)en.' ©benfo toollte er aud^ bei ^nftrumcntatmufifen bie 25 Drd^efter foöiel aU möglid^ öerftedEt l^aben, toeil man burd^ bie med^anifd^en S5emül)ungen unb burd^ bie notbürftigen, immer feltfamcn ©ebärben ber ^inftrumentenfpielcr fo fel^r jerftreut unb öcrtoirrt toerbe. 6r pflegte baf)er eine 3Jiufif nid^t anberS aU mit jugefd^loffenen Singen anjuliören, um fein ganjeS S)afein so auf ben einjigen reinen ®enu§ be§ üf)xi ju lonäcntrtercn."

(Sic tooEten eben ben Saal berlaffen, aU fic bic ^nbcr in bem ®angc l^cftig laufen unb ben iJfetij rufen 1^ orten: „9lein td^l nein id^ l"

nä)ta m^. %ünnt» jutpiteL 133

^JHgnon toarf ftd^ juerft jur geöffneten Xüre l§ercin; ftc tüax aufeer Sltem unb fonntc fein 2öort fagen; i^dii, noc^ in einiget (Sntfernung, tief: „^uttet ^j^etcfe ift ba!" S)ie ihnbet ■Ratten, fo f(^ien eä, bie 9lad)ric^t ju überbringen, einen 2Bett= 5 tauf angeftcllt. ^ignon lag in 5latatien3 2lrmen, itji ^ti^ Ijo^te geroaüfam.

„S3öfe« ihnb", fagte ^atalit, „ift bit nid)t aEe ^cfttgc S5e» toegung untetfagt? 6iel^, toie bein ^erj fd)Iägt?"

„£a§ eS bred^en!" fagte 2Jlignon mit einem tiefen ©euf^cr, 10 „e3 fertigt fc^on ju lange."

5Jlan ^atte ftd^ öon bicfer SßertDirmng, bon biefcr 3Irt tjon SSeflürjung taum erholt, aU 2;l)erefe l)ereintrat. ©ie flog auf 9latalien ju, umarmte fte unb ba§ gute Äinb. 2)ann ttjcnbetc fie ftc^ ju SQ3ill)elmcn, fa^ il)n mit il)ren Haren Slugen an unb 15 fagte: „9iun, meing^unb, toie ftc^t e§, Sie l^aben fid^ bod)nicf|t irre ma^en laffen?" @r tat einen ©(^ritt gegen fie, fie fprang ouf i^n 5U unb l)ing an feinem ^cd]t. „D meine V)ne]t\" tief er aus.

„5Jtein {Jfi^cunb! mein ©eliebter! mein ©atte! ja auf etoig ao bte beine!" tief fie unter ben leb^afteften bluffen.

i5fclij: i\og fie am JRocfe unb rief: „Butter 3^crefe, id^ bin

aud) ba! 9latalie flanb unb fa^ bor fid^ l)in; ^JJlignon ful)r auf

einmal mit ber linfen ^anb na(^ bem .^cr^cn, unb inbcm fie

ben redeten 2lrm heftig auäftrerfte, fiel fie mit einem ©dljrci ju

25 9lataticnS f^ü&en für tot nicber.

S)ei Scferecfen mar grofe; feine 93ctoegung bc§ ^erjenä noi^ be8 ^ulfeS toar ju fpüten. SBil^elm nat)m fie auf feinen ?ltm unb trug fie eilig 'hinauf, ber fc[)lottcmbe .Rörpcr t)ing über feine ©cbultcrn. 2)ie ©cgentoart bcö ^Ir^teö gab lucnig Xroft; er unb 80 bet junge SCÖunbati^t, ben mir fd^on fennen, bemül}ten fid^ öcr» gebeng. ^ai liebe ®efd)öpf toar nid)t inä fiebcn jurürf^^urufcn.

9latalie toinfte 2^erefen. 2)iefe nal)m it^ren i^rcunb bei ber ^anb unb fül)rte i^n au§ bem ,'^imnier. (fr toar ftumm unb ol^ne ©pract)e unb t)atte ben ^lut nidit, iljrcn 9lugen iu begeg»

134 mutetet «PtrifterS EtJ^rja^re.

ncn. ©0 ]a^ et neBcn il^r auf betn Äana^ce, auf bcm er ^Rata- lien juerft angetroffen l^attc. 6r badete mit großer ©c^nellc eine 9teil^e öon ©c^icffalen burd^, ober üielmef)r er bad)te nid^t, er tieB ba§ auf feine ©eele mirfen, toaä er nid)t entfernen fonnte. gibt 9lugenbticEe be§ ßebeng, in toeld^en bie Gegebenheiten 5 gteid^ geflügelten 2öeberfd)iffd^en bor un§ firf) ^in unb toieber beüjegen unb unauf^altfam ein ©etoebe boßenben, ba§ toir me'^r ober toeniger fetbft gefponnen unb angelegt l^aben. „allein greunb", fagte 2:l)crefe, „mein ©eliebter!" inbem fie ba§ ©titU fd^meigen unterbrad^ unb il^n bei ber .^anb nal)m, „la| unS lo biefen Slugenblidf feft äufammen^Iten, toie toir noc^ öfters öiel= leicht in ä^ntid^en f^ätten tnerben ju tun l)abcn. S)ie§ finb bie Srcigniffe, loeld^e p ertragen man ju ^toeien in bcr Söelt fein mu§. SSebenfe, mein greunb, füf)Ie, ba§ bu nid£)t allein bift, jeige, ba§ bu beine STEierefe liebft, juerft baburc^, ba^ bu is beine Sd^mer^en il^r mitteilft!" Sie umarmte il^n unb fd^Iofe il^n fanft an ifiren SBufen; er fa^te fie in feine 2lrme unb brücftc fie mit .g)eftigfeit an fid^. „2)a§ arme Äinb", rief er au§, „fu(^te in traurigen 2lugenbtidfen©d)u^ unb3uflu<^t an meinem unfic^em SBufen; la^ bie ©id^erl)eit be§ beinigen mir in biefer fd^recEtidE)en 20 ©tunbe ju gute fommen!" Sie hielten fidt) feft umfdt)toffen, er fül)(tc i^x ^erj an feinem Sufen fc^tagen, aber in feinem ©eifte tuar öbe unb leer; nur bie SSilber 5}lignon§ unb ^JlatalienS fcf)toebten toie Sd^atten öor feiner @inbilbung§fraft.

9iatalie trat l^erein. „&ib un8 beinen ©egen!" rief S^l^erefc; 25 „la^ unä in biefem traurigen 5lugenblicEe bor bir öerbunben fein." SGßitl^elm l^atte fein ©efid^t an 2:^erefen§ ^alfe berbor= gen; er toar glüdflidE) genug, toeinen ju fönnen. (5r l^örte ^ata= lien nic^t fommen, er fal^ fie nit^t, nur bei bem ßlang il^rer ©timmc öerboppelten fid£) feine tränen. „2Ba§ @5ott äufam= so menfügt, teilt id§ nid^t fd^eiben", fagte ^latalie läd^elnb, „aber tierbinben !ann i(^ eui^ nici)t, unb fann nid^t toben, ba| ©d^merj unb 9lcigung bie (Erinnerung an meinen SSruber ööttig aul euren ^erjen ju berbannen fd^cint." SCßill^elm ri| fid^ bei biefen

a^te* »u«. pnfte« «opüel. 135

Söortcn au8 ben 2lrmen Xf)exe\tni. „SBo tooHen ©ic l^inl" riefen Bcibe Stauen. „Sauen ©ie mid^ ba§ iHnb jefien" , rief er auö, „baä id^ getötet ^ahtl ®a§ Unglüc!, bo§ toir mit 2lugen feigen, ijl geringer, aU toenn unfere ©inbilbungsfraft ba§ Übel 5 gcnjoltfam in unfer @emüt einfenft; laffen (£ie un§ ben ab= ge|d)iebenen ßngel feigen! (Seine l^eiterc ^iene mirb unä jagen, bo^ i^m njol^I ift !" S)a bie f5f«unbinnen ben bertjegten 3üng= ting nic^t abf)atten fonnten, folgten fle il)m, aber ber gute Slr^t, bcr mit bem 6^irurgu§ i^nen entgegenfam, l^ielt fie ab, fic^ bei

10 Verblichenen ju nähern unb jagte: „.g)atten ©ie jid^ öon bicjem traurigen ©egenftanbe entfernt, unb erlauben ©ie mir, ba§ icf) ben JReften biejeä jonberbaren SBejeni, joöiel meine 5hinft öer= mag, einige 2)aucr gebe, ^ä) toiH bie jc^öne ^nft, einen ßör= per nid)t allein ^n baljamieren, jonbem il^m auc^ ein lebenbigeg

15 5(n}c^n ju crl^altcn, bei biejem geliebten ®ejd)öpfe jogleid^ an= wenben. S)a ic^ if)ren 2;ob borausjal^, l^abe i^ alle 9lnftalten gemacht, unb mit biejem ©el)ülfen ^ier jott mifg gelingen. 6r= lauben (Sie mir nur nod^ einige Sage 3cit, unb öerlangen (Sie baä liebe ^inb nid^t toieber ju feigen, bi§ toir in ben ©aal

20 bcr SBergangen^eit gebrad)t l^aben."

S)er junge 6l)irurgu§ l^atte jene merfmürbigcSfnftrumenten^ tajci^c wieber in ^änben. „Söon tticm fann er jie too^l ^aben?" fragte SSil^elm ben Slrjt. „3d^ fennc fic jel^r gut", öerje^te ^a= talie, „et l^at fie üon feinem SJatcr, ber ©ic bamalä im SBalbr

25 öcrbanb."

„O, fo l^abe id^ mid^ nid^t geirrt", rief SBil^elm, „id^ er» fanntc baä S3anb fogleidE) ! treten ©ie mir ti ob ! ©g braute mic^ juerft toieber auf bie ©put bon meiner Söoljlläterin. SBieöiel 2öo^l unb SBc^e überbauert nid^t ein foldl)e§ leblojeS

30 2öefen! S3ei toieöiet ©c^meräcn toar bieS SBanb nid)t jd^on ge» genmärtig, unb jeine gäben l)alten nod^ immer! SDßie öieler ^enjd^en legten Slugenblidf l^at jd^on begleitet, unb jeine gar» ben fmb noc^ nic^t öerblid^en! toax gegenwärtig in einem ber jcf)önftcn 3lugenblidfc meinet 2cbcng, ba id^ öeriounbet auf

]^36 SBil^flm IReiflere Se^rjal^rf.

bcr 6rbe lag unb ^'\)xt l^üljrcid^c ©cftalt bor mit erjd^ien, atä baS Äinb mit blutigen -paaren, mit bcr 3attlid)ftcn Sorgfalt für mein ßeben beforgt toax, be[jen früljäeitigen %o\> toir nun beweinen."

2)ie" i^rcunbc l^atten nid)t lange Qdt, ftd^ über bieje traurige 5 Gegebenheit ju unterhalten unb f5räulein2l)erejenüberba§ilinb unb über bie toa^rjc^einlid^e Urjad)e jeineä unermartetcn 2!obc8 aufiuflären, benn eg ttmrben 5«ntbe gemelbet, bie, aU jic fic^ jeigtcn, feine§tt)ege§ frcmb toarcn. ßotl)ario, 3amo, ber Slbbc traten l^erein. 9latalie ging il)rem SBruber entgegen; unter ben 10 übrigen cntftanb ein augenblicftid)c§ ©tilljd)tt)eigcn. 2^crcje fagtc läd^elnb ju ßotl^ario: „(Sie glaubten mo^l taum, mid^ ^icx ju pnbcn ; tocnigftenä ift eben nic^t rätlid^ , ba^ toir unS in bicjcm 2lugenblicf aufju(^en; inbefjen jei'n <Sic mir nac^ einer \o langen ^brocfenticit l^erältc^ gegrüßt!" 15

£otl)ario reichte il^r bie ^anb unb berje^te: „Söenn toir ein= mal leiben unb cntbet)ren Jollen, \o mag immerhin aud) in ber (Gegenwart be§ geliebten, n)ünj(i)en§tt)erten ©uteS gc|d)e!^en. ^ä) öerlange feinen Ginflu| auf ^Ijxt @ntfd)lie^ung, unb mein Vertrauen auf 3f^r ^erj, auf 3{)ren SSerftanb unb reinen 8inn 20 ift norf) immer fo gro^, ba§ id^ Sinnen mein ©d^idffat unb baS ©(^icffat meines i^xmnbt^ gerne in bie -giänbe lege,"

2)ag ©efpräd) menbete fi(^ fogleid^ ju allgemeinen, jo, mon barf fügen, ju unbebeutenben ©egenftanbcn. S)ie ©efeUfd^aft trennte ftd^ balb jum ©^jajiercngel^en in einjielne 5)3aore. 9ia= 25 talie toar mit ßot^ario, 2^erefe mit bem Slbbc gegangen, unb 2ßill)elm toar mit ^axno auf bem <S(i)loffe geblieben.

S)ic Grfd^einung ber brei 5^eunbe in bem SlugenblidE, ba SQ3il^elmen ein fdimcrer ©dimerj auf ber S3ruft lag, t)atte, ftatt il^n ju jerftreucn, feine 2aune gereift unb öer|cl)limmert; er toar so berbrie^lic^ unb argtoöljnifc^ unb fonnte unb moKte nid^t öcr^eblen, alg ^axno U)n über fein mürrifdE)e§ (Stittft^meigen jur Siebe fe^te. „SBa§ brandet'S ba meiter?" rief SBilfjelm au^. „Sotl^ario fommt mit feinen SSeiftänben, unb märe tounbcr=

«d^trt »u4. fünftel ttw/Atel 137

&at, tDcnn jene gc'^eimnigö ollen ^äc^te bcS Jurm§, bie immer |o gcfc^öftig finb, je^t nic^t auf un8 toitfen unb, id^ toei§ nid^t, roai für einen feltjamcn S^^^ ^^^ "^^ ^^ ^^^ auäfü^ren fott= t2n. ©obiel id^ biefe ^eiligen Männer fenne, icE)cint jcbcrjcit

6 il^re töbli(^e 3lbfit^t, ba^ SBcrbunbene ju trennen unb ba§ ®c= trennte ju öerbinbcn. 2ßaä barau§ für ein ©etoebe entfielen fann, mag tool^t unfern un^eiligen Slugen ctoig ein 9iätfel bleiben."

„Sie finb öerbrieBIid^ unb bitter", fagte^amo, „ba§ ift

10 redEjt fd^ön unb gut. SBennSic nur erfl einmal red^t böfe toerben, toirb nodf) beffer fein."

„S)a3u fann aud^ 9iat tnerbcn", bcrfe^tc SBif^ctm, „unb iä) fürd^te fe^r, ba§ man ßuft l^at, meine angcbomc unb ongebiI= bete ©ebulb bie^mat auf§ äuBerftc ju reiben."

15 „So möd^tc id^ 3'^nen benn bod^", fagtc 3amo, „inbcffen, bi§ toir fc^en, too unfere ©cfc^id^ten l^inauS tooHen, ettoaä bon bem 2^urme er3ä^len, gegen ben Sie ein fo gro|e§ 3Ki|traucn jn ^cgen f(^einen."

„G§ fte^t bei Sinnen", berfe^te SDßif^elm, „toenn Sie auf

20 meine ^eiltreuung ^in toagen wollen. 3Jlein ©emüt i^ fo t)iel= fad^ bcjd^äftigt, bafj id^ ni(^t mei^, ob an biefen toürbigen Slbentcuem ben f(^ulbigen Jeit nehmen fann."

„3(^ laffe mic^", fagte^arno, „burd^^l^re angcne!^me©tim= mung nid^t abjc^recfcn, Sie über biefen ^unft auf^uftdren. Sic

25 Italien micft für einen gejc^eiten Äerl, unb Sie foHen mid^ aud^ noc^ für einen el^rlic^en l^alten, unb, toai met)r ift, bieSmat '^ab' iäj Sluftrag." „3d^ roünjc^te", berfe^te SBilljelm, „Sie fprä= d^cn auö eigner Settjegung unb au3 gutem SSillen, mid^ auf= junören; unb ba id^ Sie nid^t o^ne ^ifetrauen l^ören fann,

10 roarum fott ic^ Sie anhören?" „2Benn id^ je^t nirf)tä bcffc= res ju tun l^aht", fagtc 3amo, „al§ '•Diäresen p cr,^ätilen, fo l^aben Sie ja aud^ ttjo^I 3eit, i^ncn einige Slufmertfamfeit ju toibmcn; bicHeid^t fmbSie baju geneigter, mcnn id^3I)nen gteid^ anfangs jage: attcä, tooä Sic im 2urmc gcfcljen Ijabcn, finb

138 IBlt^elm iWrifltrf £el)x\a\)n.

eigentlich nur nod^ 9icliquien öon einem jugenblid^en Unter« nel)incn, bei bem eS anfangt bcn mci[ten ©ingeftcil^ten gro^ei 6rnft war, unb über ba§ nun attc gelegentlici) nur lödietn."

„?nio mit biefen ttiürbigen 3ei^en unb SCßortcn jpielt man nur", rief SBir^ctm ou§, „man füt)rt un§ mit gciertic^feit an 5 einen Ort, ber un§ (Ji)rfurd^t einflößt, man lä^t un§ bie tDun= berlii^ften Srjd^einungen |e!^en, man gibt un§ 9ioHen boll l^err= lieber, ge'^eimniäreic^er ©prüdie, baöon toir freiließ ba§ toenigfte öer)'tef)n, man eröffnet un§, ba| toir biäfier £et)rtinge toaren; man \px[<i)t un§ lo§, unb toir finb ]o fing toie öorl^er." „^aben 10 ©ie baS ^^ergament nidjt bei ber .^anb?" fragte Sai^o; »c§ ent= l^ält biet ®ute§, benn jene allgemeinen ©prüd)e finb nid)t auS berßuft gegriffen; freiließ fc^einen fic bemjcnigen leer unb bunfel» ber ficf) feiner ©rfaljrung babei erinnert, ©eben ©ic mir ben fogenannten Scl^rbricf bo(^, toenn er in ber 9läl^e ifi" „®e= is toi^, ganj naf)'", berfe^te SBiC^elm, „fo ein 3lmulett foKte man immer auf ber SSruft tragen." „9iun", fagte ^amo läd^etnb: „toer toeife, ob ber 3lnl§alt nid^t einmal in ^i^rem Äopf unb ^erjen 5pta^ ftnbct."

Samo btiifte l^inein unb überlief bie erftc ^älfte mit bcn 20 5lugen. „S)iefe", fagte er, „bejie^t ftc^ auf bie SluSbilbung bc§ ^unftfinne§, tooöon anbere fprc(^en mögen; bie jtoeite l)anbelt üom ßeben, unb ba bin id^ beffer ju |)aufc."

@r fing barauf an, ©teilen ju lefen, f|)ra(^ bajtoifc^en unb tnüpfte 3lnmcrfungen unb ßrääljtungen mit ein. „S)ie 9ieigung 25 ber 2fugenb jum @el)eimniä, ju 3etemonien unb großen 2Sor= tcn ift au^erorbentUti) unb oft ein 3e^en einer gctoiffen 2:iefc bc§ 6t)arafter§. 5Jlan toitt in biefen ^a^ji^en fein ganjcg 9Befen, toenn auc^ nur bunfet unb unbeftimmt, ergriffen unb berührt füllten. S)er 3iüngting, ber bieleS a'^net, glaubt in einem @c=^ so l^eimniffe biet ju finben, in ein @e^eimni§ öiel legen unb burc^ baSfelbe toirfen ju muffen. 3n biefen ©cfinnungen beftdrfte ber '$Cbii eine junge @efeEfd)aft teilä naci) feinen ©runbfö^en, teil§ au§ 5leigung unb ©etool^nl^eit, ba er tool^l el^emalä mit einer

'äditei 8u(^. ^finftt« fiapUd. 189

6ejeIlf(J^aft in Serbinbung ftanb, bie felbft öiel im Serborgenen gcwirtt ^aben mod^tc. 3c^ fonntc mit^ am tocnig^en in biefes Söefen finben. ^i) toax älter aU bie anbcm, id^ ^atte bon 3iu= genb auf flar geje^en unb toünfd^te in aßen 2)ingen nid^t^ aU

5 5?Iar^eit; id^ l^atte fein anbcr ^ntereffe, alä bie 2BcIt ju fenncn, toie ftc tooT, unb ftedfte mit biejer ßiebl^aberei bie übrigen beften ©cfä^rten an, unb fajl l^ötte barüber unfere ganje SBilbung eine faljd^c 9ti(^tung genommen; benn tt)ir fingen an, nur bie ^c^lcr ber anbem unb il^re Sefd^rönEung ju fel)en unb un§ felbft für

10 txeffüd^e SBefen ju galten. Sler %hhi tarn un§ ju .£)ülfe unb Icl^rtc un§, ba^ man bie 2Renfc^en nid^t beobachten muffe, o^ne fid^ für lijxt S3ilbung ju interefficren, unb ba^ man fidt) fetbfl eigcntlid^ nur in ber Zötigfeit ju beobadt)ten unb ju erfaujc^en im ftanbe fei Qx riet un§, jene crflcn f^onnen ber ©cfeüfc^aft

15 oei^ubcfialtcn; blieb bal^cr ettoag @efe§Iid^e§ in unfern 3"= iammenfünftcn, man fal) mol^I bie erften mijftifd^en ©inbrücfe auf bie ßinrit^tung be§ ©anjen, nad^l^er nal)m e§, tüic burd^ ein ©leid^niä, bie ©eftalt cine§ ^anbmerfS an, baä fxä) biä jur ihinfl erl^ob. 2)a^er famen bie Benennungen öon Se^rlingen,

20 (Sel^ülfen unb 5Reiftem. 2Bir toollten mit eigenen Slugen fcfjen unb unä ein eigeneö 5lrd^it) unfercr Sßeltfenntniä bitben; bal^cr entftanben bie öicten Äonfcffionen, bie mir tcit^ felbft fct)rieben, tcilä tooju mir anberc öcranlafeten, unb au^ benen nad^t)er bie fic^rja^re jufammengefc^t tourben. ^ic^t allen 5Jlenfc^en ift c8

25 eigentlid^ um i^re Silbung ju tun; bielc münfd[)cn nur fo ein ^au§mittel jum SBo^tbefinben, 9?cje^jtc jum 9ieidE)tum unb p ieber 9lrt öon ©lüdffeligfcit. SlIIc biefe, bie nid)t auf i^re i^üBc gcftellt fein toollten, tourben mit 5Rt)ftififationen unb anbcrm ^ofuSpohig tcilä aufgespalten, tcil§ beifeite gebracht. 2öir fpra»

80 c^en nad^ unferer 3lrt nur biejenigcn log, bie lebf)aft fül}ltcn unb bcuttid^ befannten, tooju fie geboren feien, unb bie fi^ genug qc= übt l^attcn, um mit einer gemiffen grö^lid^feit unb !2eid)tigfeit i^ren SGßeg ju öerfolgcn."

„So ^aben Sie fid^ mit mit fel^r übereilt", berfc^tc 2öil«

140 MtC^etm iKdttera ael»r}a^>re.

tjelni, „bcnn toaä id^ lärm, toiH ober ]oU, toeife id^ getabe \t[t jenem SIugcnblidE am attertoenigften." „2Bir [inb ol)ne Sd^utb in bieje SSeriDiming geraten, ba§ gute ©lüdf mag unS wieber ]^erauä^et[en; inbe|]en t)örcn ©ie nur: ,S)erienige, an bem öiel ju cntn)icfeln i^, totrb fpdtcr über fid^ unb bte SBelt aufgeflärt. 5 fmb nur toenige, bie ben ©inn l)aben unb äugtetd^ jur Sat fällig ftnb. S)er ©inn crtoeitert, ober läl^mt; bie Zai belebt, aber bcfc^röntt.'"

„3d) bitte ©ie", fiel Söit^etm ein, „lefen ©ie mir öon biefen tnunbcrlidicn SBorten nid^t§ me!§r! S)iefe 5pt)rofen l§aben mid^ 10 fd^on Uertt)trrt genug gcmad^t." „©0 toitt id^ bei ber ©Täät)= lung bleiben", fagte 3iamo, inbem er bie JRotle l^alb jutoicCeltc unb nur mandt)mal einen 23lidE l^ineintat. „^dj felbft t)abe ber @ejelti($aft unb ben 3!Jtenfd^en am toenigften genügt; id^ bin ein fcl)r idt)lcdt)tcr 2el)rmeifter, ift mir unertröglid^, ju jel^en, tt)enn 15 jcmanb ungefdE)idEte S5erfuc£)e madE)t; einem Sitrenben mu§ id^ gleid^ jurufen, unb toenn e8 ein ^iad^ttoanbler toäre, ben id^ in©efa{)r fä^e, gerabenmegeS ben ^aU ju bredfien. S)arüber Ijatte id^ nun immer meine 9tot mit bem W}\)i, ber bel^auptct, ber ;3rrtum fönne nur burdl) ba§ ^vctn gel)eilt toerben. 2lud^ 20 über ©ie l^aben tnir un§ oft geftritten; er l^atte ©ic befonber§ in ©unft genommen, unb toitl fd^on ettoaä l)ci^en, in bem l^ol^en ©rabe feine Slufmerffamfeit auf fid^ ju i^iel^en. ©ie muffen mir nad^fagen, ba^ id^ 3^nen, too id^ ©ic antraf, bie reine 2Bal)T'^eit fagte." „©ie l^aben mid^ toenig gefd^ont", fagte 25 Söilljctm, „unb ©ie fd^einen ^l^ren förunbfä^cn treu ju blei= ben." „2Bag ift benn ba ju fd^onen", üerfe^te 3amo, „toenn ein junger ^lenfd^ bon mand^erlci guten 9lnlagen eine ganj falfdl)e Stic^tung nimmt?" „SSerjei^en ©ie", fagte 2Bill)elm, „©ie l^aben mir ftreng genug alle f^ät)igfeit ^um ©d^aufpieler 30 abgefprod^en; idt) geftel^e 3l)nen, ba^, ob id^ gleidf) biefer ^nft ganj cntfagt l)abe, fo fann id^ mid^ bod^ unmöglich bei mir felbft baju für ganj unfäl)ig erflären." „Unb bei mir", fagte 3amo, „ift bod^ fo rein entfdl)ieben, baB, toer ftd^ nur felbft fpielen

a*te« ajuf^. ^fünfte« «opUel. 141

fann, Um Sc^auft)ielet tfl SQßex [läi nic^t bcm ©inn unb bcr (Seftalt nac^ in öicie (Seftalten bertoanbeln fann, öexbicnt nic^t biejen Flamen, ©o ^aben ©ie j. 53. ben ^amtet unb einige an» bete gtoflen tec^t gut gejpiett, bei benen ^l)x 6I)arafteT, ^\)xt

5 ©eftalt unb bic ©timmung beä Slugenblicfä S^nen ju gute tarnen, S)a^ toäre nun für ein Sieb^abert^eater unb für einen jeben gut genug, bet feinen anbern 2ßeg öot fid^ |ä^e. ,3Ran \oU jic^', fu^t Santo fort, inbem et auf bie Stottc ]a^, ,öor einem Talente lauten, ba§ man in SSoütommenl^eit au§äuüben nic^t

10 Hoffnung l^at. ^an mag barin ]o toeit bringen, atä man toill, jo ttirb man boc^ immer jule^t, tnenn unä einmal ba§ aSerbicnft beä IReifterS flar toirb, ben SJertuft öon S^'xt unb ihäften, bie man auf eine fotd^e^fufd)erci getoenbet^t, fc^mcrj» (id^ bebauem.'"

15 „Sefen 6ic nichts!" fagte SBil^elm, „ic^ bitte ©ie inftönbig, fpret^cn ©ic fort, erjagten ©ie mir, flarcn ©ic mid^ auf! Unb jo l^at alfo ber Stbbc mir jum ^amlct geholfen, inbem er einen (Seift ^erbeif^affte?" „3a, benn er öerfid)erte, ba& eS ber einjige 2öeg fei, ©ic ju l)eilen, toenn ©ie fieiCbar loären."

30 „Unb barum lic^ er mir ben ©c^leier jurücf unb l^ie^ mid^ fliegen ■?" „3a, er l^offte fogar, mit ber Sorfteüung bcä ^am=> Ictä joßte 3f)re ganje 2ufl gebüßt fein, ©ie mürben nac^^er ba§ 2^eater ntd^t toieber betreten, be^au^tete er; ic^ glaubte ba§ ©egenteil, unb behielt red^t. 2öir ftritten nod^ jelbigen Slbcnb

25 nac^ ber SorfteHung barüber." „Unb ©ic fjaben micft atjo fpielen feigen?" „C gewi^!" „Unb toer ftettte benn ben ®ei^ bor?" „S)ag fann id^ felbft nid^t fagen, entroeber ber Stbbc ober fein 3tt'iöi"9öbrubcr, boc^ glaub' id^ bicjer, benn er ift um ein SSenigeä größer." „©ie ^aben aljo aud^ ®ct)eim=

so niffe untercinanber?" „3fteunbc fönnen unb muffen ®cl)eim=

niffe üoreinanber '^aben; fic finb einanber bodf) fein @cl)cimuiä."

„Gä ücrwiut mic^ fc^on baä 3lnbenfcn bicjer 3)cnuorrcn=

^eit. Älärcn ©ic mid^ über ben IRann auf, bcm ic^ fo öicl

fd^ulbig bin, unb bcm ic^ fo öicl SJortoürfc ju matten \)dbt."

242 SBU^elm iWctfterä üeWafcw-

„3Ba§ il§n un§ fo jc^äpar mad^t", öerje^te ^arno, „toaäifini getoifyermaBen bte ^errfcfiaft über unS alle crl^ält, ift ber freie unb |d)arfe SlidE, ben i^m bie 5^atur üBer atte ^äfte, bie im g}ienic£)en nur tool^nen, unb tooöon fic^ jebe in i^rer 2trt au§» Bilben lä|t, gegeben t)at. S)ie meiften 5Jlen|d^en, jetbft bie t)or= 5 3Üglid)en, finb nur befc^ränft; jeber jdjäljt gensiffe ©igenfdiaften an ficf) unb anbem; nur bie begünftigt er, nur bie toiltt er au§= gcbilbet lüiffen. (Sanj entgegengehest toirft ber Slbbc, er l^at ©inn für aEe§, 2uft an attem, eg ju erfennen unb ju bcförbern. S)a mu| icE) bod) toieber in bie Stoße jeljen!" ful^r ^amo fort; 10 ,„nur alle 2Renf d)en mai^en bie 3Jlenf(^l^cit ouä, nur alle Gräfte äufammengenommen bie Söelt. S)iefe finb unter \iä) oft im 3Biberftreit, unb inbem fie \iä) ju jerftören fud)en, l§ält fie bie 9Iatur äufammen unb bringt fie toieber l^erüor. S5on bem ge= ringften tierifdien ^anbujerfätriebe bi§ ^ur l^öi^ften 2lu§übung 15 ber geiftigften ßunft, bom Satten unb 3faud)äen be§ ßinbeä big jur trefftid)ften 2lu§erung be§ 9tebner§ unb8änger§, bom erften S3atgen ber Änaben big ju ben ungeljeuren Slnftatten, ujoburd^ Sänber ert)atten unb erobert Werben, bom Ieid)teften2öo!^ttt)oüen unb ber ftüd)tigften Siebe biä jur Ijeftigften 2eibenfd)aft unb 20 jum emfteften SSunbe, bon bem reinften ©efü^l ber finnlic^en ©cgentoart U^ ju ben leifeften Slfinungen unb Hoffnungen ber entfemteften geiftigen 3utunft, atteS ba§ unb tteit mel^r liegt im 5Jlen|d)en unb mu§ auSgebilbet tterben; aber nid)t in einem, fonbern in bieten. Sfebe Einlage ift tDid)tig, unb fie mu^ ent= 25 Ujidelt tt}erben. 3Benn einer nur baä (Sd)öne, ber anbere nur bag ^lü^Iid^e beförbert, fo mai^en beibe äufammen crft einen 3Jten|d)en au§. S)a§ ^lü^lic^e beförbert fid) felbft, benn bie 5Jlenge bringt l^erbor, unb atte fönnen'g nic^t entbel^ren; ba§ ©c^öne mu| beförbert toerben, benn toenige ftetten'3 bar unb so biele bebürfen'g.'"

„^alkn ©ie inne!" rief 2BiI'§eIm, „id^ l^abe ba§ atte§ ge= lefen," „9lur noii) einige S^iUn", berfe^te Sfamo, „l^ier finb' 16) ben 5lbbe ganj tbiebcr: ,eine Äraft bel^errjcä^t bie anbere, aber

^M Btt^. ^finftefi Sta9\itV 143

feine fann bie anberc Bilben; in jebcr Slnlage liegt au(^ allein bie Sha\t, fid^ ju öoHenben; bas öerflefien jo toenig 5)tenfc^en, bie no^ lehren uub Joirten toollen'," „Unb ic^ öerfte^c aud^ nic^t", berje^te 2BiI^etm. „©ie toerben über bicfen

6 icjt ben 9fi)be no^ oft genug l^ören, unb jo laffen (Sie un§ nur immer rec^t beutti(^ \i^m unb fcft^alten, tDa§ an un§ ift, unb »aä toix an ung ausbilben fönnen; laffen ©ie un§ gegen bie anbem gerecht jein, benn toir finb nur iniofem ju aci)ten, al? toir ju fc^ä^en toiflen." „Um ®otte§ Witten! feine (Sentenzen

10 toeiter! 3(^ fü^Ie, fte fmb ein |(^Iect)te§ Heilmittel für ein t)er= tounbeteS ^erj. «Sagen 8ie mir lieber mit 3^rer graujamen ffleftimmt^eit, toaä Sie öon mir ertoarten unb toie unb auf toelc^e SBeife ©ic mi(^ aufopfern tootten." „^thm 9Jerbac£)t, i6) Ocrfic^ere Sie, toerben ©ie un§ tünftig abbitten. ift ^\)xt

15 Sad^e, ju prüfen unb ju toä^len, unb bie unfere, S^nen bei^u^ flef)n. S)er 5)tenici^ ift nid^t el^er gtücflic^, aU big fein un= bebingteg Streben fid^ felbft feine SBegrenjung beftimmt. 51ic^t an mic^ I)alten ©ie fid^, fonbem an ben STbbe; nic^t an fid^ benfcn ©ie, fonbem an ba§, toag ©ic umgibt. Semen ©ie jum

20 35eifpiel ßot^arioä Srefflid^feit einfel^en, tote fein überbtidE unb jeine Jätigfeit unjertrenntic^ miteinanber öerbunben finb, toic CT immer im gortfc^reiten ift, toie er fid^ ausbreitet unb jeben mit fortreißt. (5r fü^rt, too er aucE) fei, eine 3BeIt mit fid^, feine ©egenwart belebt unb feuert on. ©et)en ©ie unfern guten

25 IRebifug bagegen! (5ä fd^eint gerabe bie entgegengefc^te ^iatur ju fein. Söenn jener nur inä (Sanje unb aud^ in bie ^feme toirft, fo rid^tet biefer feinen fetten Slicf nur auf bie näd^ften S)inge, er berjdf)afft mel^r bie Mittel jur Sätigfeit, atS ba^ er bie 2ä= tigfeit ^eröorbräd^te unb belebte; fein ^anbeln fielet einem guten

80 SBirtf df)aften bottf ommen ä^nüd^, feine Söirffamfeit ift ftitt, inbem er einen jeben in feinem ihciä beförbert; fein 2Biffen ift ein be= ftänbigesS ©ammetn unb ^lusfpenben, ein ^Jie^men unb ^Uiitteilen im ftcinen. SSietteidfit fönnte Sot^ario in einem läge jerftören, »oran biefer jahrelang gebaut ^at; ober öicllcidf)t teilt aud^

144 gatlSetm fflel^teri fee^rja^rf.

ßof^ario in einciti 31uc}enbltdt anbem bicihaft mit, ba§ Serftörte l^unbcrtfältig toieberljerauftellen." „68 t[t ein traurige«! ®e= id)äft", jagte 2Bill)eIm, „toenn man über bie reinen S)oräüge bcr anbem in einem Slugenblitfe benfen joH, ba man mit fid^ jelbft uneing i[t; jotd^e SSetrad^tungen fielen bem rut)igen ^anne 5 tool^I an, nid^t bem, ber öon Seibenfci^aft unb Ungemi^tieit be» megt ift." „9iu^tg unb öemünftig ju betrachten, ift ju feinet 3eit j(i)äblid^, unb inbem mir un§ getoöl^nen, über bie 5Boräüge onberer ju benfcn, fteEen fic^ bie unjem unöermerft |elbft an i'^ren ^la^, unb jebe falfd^e Sättgf eit, tocju unS bie 5ß]^antafie 10 locCt, mirb alöbann gern öon un§ oufgegeben. S3efreien fic mo» möglich 3»I)ren ®eift öon oHem Slrgmo^n unb aller Singftlid^» !eit! S)ort fommt ber Slbbc, jei'n ©ie ja freunblid^ gegen il^n, bis ©ie no(^ met)r erfatiren, toieöiel S)anf ©ie il^m jd^ulbig jtnb. S)er ©c^alf! S)a gel)t er ätoijd^en 9latalien unb jüierejen, id^ 15 toonte metten, er benft fid^ toa§ au§. ©0 toie er über^au^t gern ein toenig ba§ ©d^idEjal jpielt, jo lä^t er aud^ nid^t öon ber Sieb» l^aberei , mandt)mal eine |)eirat ju ftiften."

SBil^elm, bcjjen leibenld^aftlid^e unb berbrie^lid^e ©tim» mung burd^ aEe bie fingen unb guten SGÖorte 3amo§ ni(i)t öer= 20 bcffert toorbcn mar, fanb l^öc^ft unbetifat, ba^ |ein ^i^eunb gc= rabe in biefem Slugenblidf eineS jolc^en 33erf)dltniffe§ ermähnte, unb jagte, ätoar läd^elnb, bodt) nid^t o^ne SSitterfeit: „3d^ badete, man überliefe bie ßiebl^aberei, heiraten ju ftiften, ^er« Jonen , bie fid^ lieb l^aben." 25

S)ic @ejellj(i)aft l^atte ji(^ eben toieber begegnet, unb unjcrc Sreunbe ja^en fid^ genötigt, ba§ ©ejpräd^ ab^ubred^en, ^flid^t lange, jo toarb ein Äurier gemelbet, ber einen SSrief in 2otI)ario§ eigene .g)änbc übergeben toottte; ber ^ann toarb borgefütirt, so er jal^ tüftig unb tüd^tig au8, feine ßiöree toar jel^r reic^ unb gejd^madföott. SBittietm glaubte il^n ju fenncn, unb er irrte fid^

S(^te< euc^ €c4fted AapiteL 145

nid^t, ti toat bcrielbc ^J)knn, ben er bamalS ^sf)ilincn unb ber bcrmcinten ^atiane nQd)gej(^icÖ f)atte, unb bet nid^t roteber jurürfgefomnicn toar. oben toottte et if)n antcbcn, aU ßot^ario, ber ben Srief gelejcn ^attc, emft^aft unb faft Oerbrie^lid^ fragte:

5 „2Bie ^ei§t 8ein ^err?"

„2)aö ift unter allen ^yragcn", öerfe^te ber Kurier mit 5ßc= jrf)ciben^eit, „auf bic id^ am roenigften ju anttoorten tociB; id^ l^offe, ber SBrief wirb ba§ 5^ötige öermelben; münblid^ ift mir nid^tS aufgetragen."

10 „Q^ fei, wie i^m fei", berfe^tc ßof^ario mit2ä(^cln, „ba ©ein |)crr baä 3utraucn gu mir ^at, mir jo l^ajcnfü^ig ju jc^reiben, jo fott er unä willfommcn fein." „6r wirb nidf)t lange auf fic^ warten laffen", öerfe^te ber Äurier mit einer 33er= bcugung unb entfernte fi(^.

15 „Söemcl)niet nur", jagte Sof^ario, „bic toKe, abgcj(^madEte SBotfc^aft ,2)a unter allen ©äften', jo jd^rcibt ber Unbcfannte, ,ein guter ,g>umor ber angene!^tnfte ®aft fein joll, Wenn er jic^ cinfteüt, unb ic^ benjelben al§ 3fieijegefät)rten beftänbig mit mir l^crumfü^re, jo bin id^ überzeugt, ber 33ejud), ben id^ 6w. @na=

20 ben unbfiiebben jugebac^t ^abe, wirb nid^t übet oermertt werben,

t)ielmet)r ^offe ic^, mit ber jämtli(^en ^o^cn ^^foniilie DüIltom=

mener 3ufTfieben^eit anzulangen unb getegentüd) mid) wicber

ju entfernen, ber i^ mii^, unb jo weiter, ©rajoonSd^nccfenfu^.'"

„^a^ ift eine neue ga'niüe", jagte ber 3Ibbe.

25 »6ä mag ein SJifariatägraf ' fein", öerje^te 3amo.

„S)aö ©e^eimniä ift leidet ju erraten", jagte ''Jiatatie; „lä) Wette, ift SBrubcr griebric^, ber unä jdE)on jcit bem 2obe bc§ Cf)eim8 mit einem 33ciud)c brof)t,"

„(betroffen! jdjöne unb weije ©d^Wefter", rief icmanb au§

50 einem nol)en SSujd^c, unb jugleict) trat ein angcnet)mer, {)ci« tcrer junger 5)lann ^erüor; äBil^elm fonntc fid) faum cineä ©c^reitä enthalten. „SBie'?" rief er, „unjer blonbcr <3d)elm, ber

> So kiti ha ni^t vom itaifer felbfl, fonbem na^renb einer Z^ronoalonf Dom XurfUrfltn alt 9iei($<m(aren tn btn Oraftnflanb erhobene.

•oct^e. X. 10

146 SBin^Im SReiflerS Se^rja^rt.

]oU mir auä) l^ier nod^ erfd^einen?" g^icbric^ toarb aufmerfjam, \df) 2GßtII)ctmen on unb rief: „fBa^xüä), toeniger crftaunt toär' id) geiuejen, bie Berütimten ^^l)ramiben, bie bod) in ägijpten jo feft |tef)en, ober ba§ ©rab be§ ßönigä ^JlaujoluS, baö, toie man mir berfi(i)ert f)at, gar nid^t met)r ejiftiert, l^ier in bcm 6 ©arten meineä Ol^eimä ju finben, al§ @u(^, meinen alten f^rcunb unb bielfai^en Söol^ltäter. ©eib mir bcfonberS unb id)ön[ten§ gegrüßt!"

9Zad)bem er ringsherum alle§ Betoiltfommt unb gefügt Iiatte, fprang er toiebcr auf SÖil^etmen Io§ unb rief: „galtet lo mir il^n ja mamt, biefen gelben, ^eerfüljrer unb bramatifi^en ipt)iIo|Dp^cn! 3;d) ^o-ht \i)n Bei unferer erften Söefanntfd^aft |(^led)t, ja, iä) barf ttjol)! jagen, mit ber ^ec^el frifiert, unb er t)at mir hod) nac^'^er eine tüd^tige Xradit (Sd)täge erfpart. 6r ift großmütig tt)ie ©cipio, freigebig toie Sllejanber, gelegentlid) i5 aud^ öerliebt, bod) ol^ne feine ^lebenbu'^Ier ju l^affen. 9li(^t ettoa, ba^ er feinen fjeinben Äo^len aufä ^anlßt fammeltc, toetc^eS, toie man fagt, ein fd)Ie(^ter S)ienft fein fott, ben man jemanben erzeigen !ann, nein, er fd)idt öielmef)r ben ^reunben, bie it)m fein Ü3läbd)en entfüf^ren, gute unb treue S)iener na(^, 20 bamit it)r ^n^ an feinen ©tein fto^e."

^n biefem ©efdjmad fu^r er unauf^altfam fort, ol^ne ba^ jcmanb i^m @int)alt ju tun im ftanbe gctoefen toäre, unb ba niemanb in biefer 5Irt i^m ertoibem fonnte, fo behielt er ba§ äöort äiemlid) allein. „2}ertounbert eu(^ nic^t", rief er au§, 25 „über meine gro§e25etefen!^eitin]^eiIigenunb^^rofan=©fribcnten; i^r follt erfahren, toie id^ p biefen Äenntniffen gelangt bin." 5Jlan toottte öon i^m toiffen, toie it)m gefie, too er l^erfommc; allein er fonnte bor lauter Sittenfprüc^en unb alten ©efd^id^ten ni(^t jur beutlid^en ßrflärung gelangen. 30

9JataIie fagtc leife ju 2^crefen: „©eine 5lrt bon Suftigfett tut mir toef)e; id) toottte toetten, ba§ il^m babei nic^t too^l ift."

SDa griebric^ au§er einigen ©pä§en, bie il^m ^amo er= toiberte, feinen 5lnflang für feine 5poffen in ber ©efellfd^aft fanb,

«c^te« eu4. 6<(«ftt4 AapiteL 147

jagte er: „63 BIciBt mir nichts übrig, al§ mit ber ernftl^oftcn gainilie aud) eni[t^aft ju tocrben , unb toeil mir unter jo bc» benftic^en Umftänbcn joglcid^ meine famtti(^e(5ünbenlaft |ct)tocr auf bie ©cele fällt, fo miH ic^ mid^ fur^ unb gut ju einer @ene=

6 ralbcic^te entf(i)tieBen, teoöon i^r aber, meine werten .Jperrn unb 2)amen, nic^tä oemet)men foüt. S)iefer eble fjreunb ^ier, bcm jd^on einige» üon meinem Seben unb Jiun be!annt ift, foü allein crfat)ren, um fo mct)r, aU er attein barnad) ju fragen einige Urjac^e ^at. SCßäret ^1)x nic^t neugierig, ju toiffen", fui^r er

10 gegen 2öi[f)elmen fort, „mie unb mo? toer? wann unb marum? Töie fiet)t'ä mit ber ^njugation be§ griec£)ii(^en SJerbi ^4)f)iI^o, '^^ilo^^' unb mit ben S)eriDatiöi§* biefeS atterliebften 3eit= iDorteä auiV

Somit na'^m er Söittjclmen beim 2lrmc, fül^rte il^n fort, in=

'5 bem CT i^n auf alle SBeife brürfte unb EüBte.

Äaum toar griebrid^ auf 2BiIl)eIm^ 3in^'J^^^ gefommen, aU er im ^fenfter ein *pubermeffer liegen fanb mit ber 3ini(^nft: ©ebenfe mein! „S^r i)tbt @ure ttjcrten Baä)tn gut auf!" jogte er; „tt)at)rli(^, ba§ ift ^^t)itinenä ^^ubermeffcr, baö fteßucf)

20 jenen 3;ag jd^enfte, aU ic^ 6ud^ jo gerauft I)atte. ^ä) {)offe, ^^x \)abt be* jdjönen ^Uläbctienä fleißig babei gebad)t, unb id^ t)er= jid)CTe (5u4, fie l^at 6u(^ audt) nidE)t öergeffcn, unb menn id^ nict)t jebe «Spur üon @iferjud)t jc^on lange auä meinem .^erjen üerbannt t)ätte, jo toürbe ic^ 6ud^ nidtjt o^ne 9ieib anjef)en."

■i, „Sieben Sic nic^tä mel)r üon biejem ®cjdf)öpfe!" üerje^te 3BiIl|eIm. „3d^ leugne nic^t, ba^ id) bcn ßinbrud il^rer on= genef)men ©egentoart lange nidEjt Io§ werben fonnte, aber bog war au^ alle«(."

„^I^fui! jd)ämt (htd^", rief gtiebrid^, „Wer Wirb eine ©eliebte

3ci üerleugnen? Unb 3l)r l^abt fie jo fomplett geliebt, aU man e3 nur wünjd)en fonnte. 68 öcrging fein lag, ba^3t)r bem^Dläbdjen ni(^t ctwa^ jd)enttet, unb Wenn bet 3)eutjd^e jd^enft, liebt er ge«

» «blfitungen

10*

J4:8 SBiU^elm aneifter« üeljrja^ire.

tot^. BlieB mir nichts übrig, aU fie 6ud^ julc^t toegäiipu^en, unb bem roten Cffiäierd^en ift benn aud^ enblid^ geglürft"

„2Bie? ©ie tcarcn ber Dffijier, bcn toir bei ^ptjilincn an= trafen, unb mit bem [ie megreifte?"

„^a", berichte gnebricf), „ben 6ic für 9Jlarianen l^ieltcn. s Söir t)aben genug über ben Irrtum gelad^t."

„aßcld^e ©raufamteit!" rief 2öill)elm, „mic^ in einer fold^cn Ungern i§I)eit ju laffen."

„Unb nod) ba^u ben ihirier, ben ©ie un§ nadifd^icftcn, gteid^ in 2)ienftc ju nel)men!" berfe^te iJricbric^. „6ä ift ein lo tüd)tiger ^erl unb ift biefe 3Eit nic^t Don unferer ©eitc Qe= fommen. Unb ba§ 5}Mbc^en IkV ic^ nod^ immer fo rafenb toie jemals, ^ir t)at fie'ä ganj eigenS angetan, ba^ ic£) mid^ ganj natie^u in einem mi)t:§ologif(^en g^tte befinbc unb aEe 2:age befürchte, berroanbett ju toerben." 15

„©agen ©ie mir nur", fragte SOßill^elm, „too l^abcn ©ie 2f]^rc ausgebreitete ©clc^riamfeit l^er? ^ä) ^öre mit Serrounberung ber jcltjamen ^Jianier ju, bie ©ie angenommen ^aben, immer mit aSc^ie^ung auf alte @ef(^i(i)ten unb f^Q'^etn ju fpret^en."

„5luf bie tuftigfte SBeife", fagte griebrid^, „bin id^ geleiert, 20 unb itoax \e^x gelehrt toorben. ^^iline ift nun bei mir, loir l^aben einem ^pad^ter baS altt ©c^lo§ eineS 9littcrguteS ab» gemietet, toorin toir toie bie ilobotbe aufS luftigfte leben, ^ort ]§aben mir eine jtoar fompenbiöfe, aber bod^ auSgefuc^te a3ibUo= tt)ef gcfunben,entt)attenbeinea3ibeIiniJoUo,®ottfriebSß!^roniES 25 jmei Sänbe Theatrum Europaeum*, bie Acerra Philologica^ @rt)p^ii ©d)riften* unb nod^ einige minber tDid£)tige Sudler.

1 „^ifiorifd^e G&ronifa" (^ranlfurt o. SJt 1633) oon 30^. fiubro. ®ottfrleb, ipfeubonpm für b'enStrofeSurgerÖefdjie^tfc^rciber 3ol).?^iRpp Sbelin (geftunt 1636).

* „Theatrum Enropaeum", eine Cljromf ber Seiteretflntffe feit etioo 1616 6iä 1718, in 21 Sänben }u grantfurt a. «Dl. erfcijienen.

* ,^cerra Philologrica", eigentlich p^ilologifc^eä Sffiei^rauc^f äfic^en , Xitel Mehrerer im 17. Qa^r^unbert entftanbener antftologien au8 antilen Sc^riftfteüern.

* t)ie Siriften bc« befannten tiäiteri fflnbreaä ©rpp^iuä (1616—1604) lernte ®octl5)e ebenfo roie bie anbem aufgejä^lten SBerfe ]d)on 'm Sater^aufe tu grant» fürt 0. 3Jl. (ennen.

9hin l^atten toir benn hoä), loenn toir au§getoBt l^atten, manc^= mal fiangetDcilc, toir toottten lefcn, unb ef)c tDifä ung öcrjaiien, toatb unferc 2BciIe nod^ langer. Gnblid) l^atte ^pfiiüne bcn I)crr» lid^cn (SinfaE, bic fämtlid^cn 58üd^er auf einem großen 2tjd^ auf=

5 äui($Iagen, toir festen uni gegcneinanber unb lafen gegencinan= ber, unb immer nur [teHentoeife, au§ einem Suc^ toie au§ bem anbem. SDasi toar nun eine rc^te ßuft! 2Bir glaubten toirfüc^ in guter ©cfettjc^aft ju |cin, too man für unf(i)itf ti^ ^ält, irgenb eine Materie ju lange fortfe^en ober tool^I gar grünblid^ er»

10 örtem ju toollen; toir glaubten, in lebtjafter ©efellic^aft ju fein, too fcinö bai anbcre jum Söort fommen tä|t. 2)ieje llnterl)at= hing geben toir unä regelmäßig aUt Jage unb toerbcn baburc^ nad) unb nad) fo gelehrt, baß mir un§ felbft barübcr öcrtounbern. 8d)on flnben toir nid^tg ^euc§ me^r unter ber Sonne, ^u altem

15 bietet unä unfereSBiffenfc^oft einen SSeteg an. 2öir öariieren biefe ?lrt, un^ 3U unterri(^ten, auf garoielerleiSöeife. 5JlancE)mallcien toir nad^ einer alten Oerborbenen Sanbu^r, bie in einigen WU nuten ausgelaufen ift Sonett bre^t fie ba§ anbcre ^erum unb fängt auä einem i8u(^c ju lefen an, unb faum ift toicber

0 ber Sanb im untern @laje, fo beginnt ba§ anbere frf)on toieber feinen Sprud^, unb fo ftubiercn toir toirflic^ auf toa^rl)aft afa^- bcmifc^e SBeifc, nur baß toir fürjcre 8tunben l)abcn unb unferc ©tubien äußerfl mannigfaltig fmb."

„S)iefe lottljeit begreife icl) too^l", fagtc 2Bill)eIm, „toenn

25 einmal fo ein luftigeä !paar beifammen ift; toie ober ba3 lodere 5paar fo lange beifommen bleiben fann, baä ift mir nid^t fo balb begrciflit^."

„%a^ ift", rief griebrid), „eben baä ©lud unb baä Unglüd; 'pfjiline barf fi^ nic^t fetjen loffcn, fie mag fid) felbft nid)t fe^cn, j fic ift guter Hoffnung. Unförmlidjer unb läd^erlid)cr ift nid^tä in ber Söclt aU fic, '^06) furj, ct)e id) tocgging, fam fie ju« fäHigertocife bor ben ©picgcl. ,^fui Icufcl!' jagte fic unb toen» bete baä ©en^t ah, ,bie leibl)afte i^rau ^JJlclina! hai garftige S3ilb! Wan ftel)t bodf) ganj nicbcrtrad)tig au§!"'

150 aSir^etm OTeifterfl gel^tjo^re.

,,^6) muß gefte{)cn", üerfc^te 2öitt)elm läci^elnb, „baß e8 jiemtirf) fomiicE) jein mag, eu(^ al§ 35ater uub ^Jlutter beijam- mcn ju |el)cn."

„G§ i[t ein tetiit närrifc^er ©treic^", jagte gtiebrid^ , „baß id^ nocf) jute^t al§ 33ater gelten f oll. (Sie be^autitct'§ , unb bic s 3ett trifft ouc^. Slnfangg machte mid^ ber öeriDÜnjdite SBcjud^, ben fießud) nad^ bem,|)amlet' abgeftattet ^tte, ein toenig irre."

„2ßag für ein 93eiudj?"

„3[t)r werbet ba§ Slnbenfen baran bod^ nid^t ganj unb gar öerfd^Iafen l^aben? SDaä atterliebfte fiü^tbarc ©ejpenft jener lo ^fiad^t, wenn 3I)r'§ nod£) nic^t mißt, mar ^fiitine. S)ic ®e= jc^id^te mar mir freilidE) eine t)arte ^Jtitgift, bod) menn man fid^ [o etma§ nid^t mag gefallen laffen, jo muß man gar nid^t tiebcn. ®ie 35aterfdE)aft beruht übert)aupt nur auf ber Überzeugung ; idfi bin überzeugt, unb alfo bin id^ Sßater. S)a fe^t ^^x, baß id^ bic '=> Sogi! aud^ am rechten Drte ju braudE)en toeiß. Unb menn ba§ ßinb fid) nid[)t gleid^ nad^ ber ©eburt auf ber ©teile p Xohc ladji, fo tann e§, too nic^t ein nü^Iid)er, bod^ angenehmer 2öelt= bürger merben."

Sfnbeffen bie greunbe fid^ auf biefe luftige Sßeife bon Ieid^t= 20 fertigen ©egenftänben unterhielten, l^atte bie übrige ©efellfd^aft ein ernftl^afteS ©efprädf) angefangen. Äaum fiatten f^nebrid^ unb Söil^elm fid^ entfernt, al§ ber ^^hi bic greunbe unöer= mer!t in einen ©artenfaal füfirte unb, al§ fte 5pia^ genommen l^atten, feinen Vortrag begann. 25

„3ßir l^aben", fagte er, „im allgemeinen bel^au^tet, baß fjräulein 2t)erefe nidtit bie 2:od£)ter i^rer 5Jlutter fei; ift nötig, baß mir un§ l^ierüber aud^ nun im einzelnen erftärcn. .^ier ift bie @eid)id£)te, bic iä) fobann auf aUe Söeifc ju belegen unb ju bctocijen midi) erbiete. 30

„{^rau öon *** lebte bic erften ^üi)xt il^re§ @!^cftanbe§ mit i^rem 0emaf)l in bem beften 25erncf)men, nur l^atten fie i)a§i Unglüdf, baß bic Äinber, ju benen einigemal .^offnung mar, tot äur Söelt famen, unb bei bent brüten bic ärjte ber ^Jiuttcr

«4te« Su(^. St^^e» itapitel- 151

beinahe ben %oh bcrfünbigtcn unb i^n Bei einem folgcnbcn aU ganj unöcrmeiblic^ toeiöjagten. 5Ran toar genötigt, fic^ ju ent= fd^Ucfecn, man mottte baS g^cbanb ni^t aufgeben, man befanb fic^, bürgerlich genommen, ju roof)!. %xau üon *** juckte in bcr

6 3lu§bilbung i^rei @ei[te§, in einer gemiffen Siepräfentation, in ben lY^uben ber ßitctteit eine Slrt öon ©ntjc^äbigung für ba§ ^Jbitterglütf , ba§ i^r öerfagt war. ©ie ]ai) i))xtm ©ema^t mit jcl^r öiel ^eiterfeit nad^ , al» er Steigung ju einem i^rauenäim« mer fa^te, meiere bie ganje ^auö^attung öerja^, eine id^öne

10 @cftatt unb einen je^r joliben g^arafter "^attc. iJrau öon *** bot nac^ turjer 3eit einer ©inrii^tung jelbft bie |)änbe, nac^ loeld^er ba§ gute ^JJMbc^en [ic^ 2:f)ereien§ 35ater überlieB, in ber 58eforgung bei ^auiroefeni fortfuhr unb gegen bie gtau bom ^aufe faft uod^ mel)r S)ienftfertigfeit unb Ergebung aU öortier

15 bezeigte.

„9ia(^ einiger 3cit erttärte fie ftd^ guter -Hoffnung, unb bie bctben Seeleute famen bei biejer ©elegen^eit, obmot)! aui ganj t)erid)icbenen 3Intäffen, auf einerlei ©ebanfcn. ^en toon *** toünjc^te bai Ätnb feiner ©eliebten olS fein rec^tmäfeigei im

20 ^aufc einzuführen, unb x^van üon ***, öerbric^Iic^ , ba^ burd) bie 3nbiitrction i^rei 3trjte§ it)X 3uftanb in ber ^ac^barfdiaft ^attc berlauten motten, badete burd^ ein untergefd^obcnei ßinb fic^ mieber in 3lnfc^n ju fe^cn unb burc^ eine folc^c ^Jia(^giebig= feit ein Übergemid^t im .^aufe ju erhalten, bai fie unter ben

25 übrigen Umftänben ju öerlieren fürd)tete. ©ie mar 5urü(it)al= tenbcr aU ii)x öema^I, fie merfte i^m feinen Söunfd^ ah unb mu§tc, ol^ne if)m entgegenjugctin, eine 6rflärung ju erleid^tern. Sie mad^te ifire 33ebingungen unb erl^iclt faft attei, maS fie öertangte, unb fo cntftanb bai Jeftament, morin fo toenig für

M baä Sunt geforgt ju fein fd^icn. 3)er alte 5lrjt mar geftorben, man mcnbetc fic^ an einen jungen, tätigen, gefd)citen ^Jiaun, er marb gut bcloljut, unb er fonntc fclbft eine G()rc barin iud)cn, bie Unfd)icfltd^fcit unb Übereilung fcineä abgcfdf)icbenenÄottegen ini Cid^t äu fe|jcn unb ^u ücrbeffcrn. Sie ma^re ^Jluttcr mittigtc

^52 SBil^clm SDleifter« &ti)rla^xt.

nid^t ungern ein, man fpieltc bie S5erftcllung ^e'^r gut, ST^crefe fam jur SGßcIt unb »urbe einer (Stiefmutter zugeeignet, inbe§ if)re roatire ^Jiutter ein Opfer bicfer 93erfteüung toarb, inbem fie [läi ju frül^ ttjicber I)eraugniagte, [tarb unb ben guten 3Jlann troftloS l)interlic^. 6

„grau üon *** l)atte inbeffen gauj il^rc ^Hbfic^t crreid^t, fic I)attc öor ben klugen ber SBelt ein lieBen§tt)ürbige§ ihnb, mit bem fie übertrieben :parabierte, fie toar äugleirf) eine 1Jlebenbul§= tcrin Io§ geworben, bereu 23ert}ältni§ fie benn bod) mit neibi= frf)cn 3lugen anfa'^, unb bereu ßinflu^ fie, für bie 3^^^"!^ lo toenigfteng, l^eimüd^ fürd)tete; fie überl^äufte ba§ ^nb mit 3ärttic^tcit unb tou^te il^ren ©emafjt in öertraulic^en ©tunben burdE) eine fo Iebf)afte 2eilnaf)me an feinem SScrIuft bergeftatt an fid) ju äie^en, ba§ er fid^ it)r, man fann ttjof)! fagen, gauj ergab, fein ®türf unb ba§ ©lüdf it)re§ ^inbe§ in it)re .g)änbe is legte unb faum furje 3eit öor feinem 2obe, unb nod^ gett)tffer= ma^en nur burd) feine ertoadE)fene Stod)ter, toieber ^err im |)aufe toarb. 2)a§ tuar, fd)öne 2^erefe, ba§ (Üefjeimniä , ba§ 3t)nen ^^x Ixanta 35ater toal^rfdjeintid) fo gern cntbedt t)ätte, ba§ ift'ä, h)a§ id^ Stjnen je^t, eben ba ber junge 5«unb, ber 20 burd) bie fonberbarfte SSerfnü^jfung bon ber 2öelt ^i}X 35räuti= gam geworben ift, in ber ©efellfd^aft fef)It, umftänbtidt) öorlegen tüoEte. ^kx finb bie ^Papiere, bie auf§ ftrengfte betoeifen, tt)a» id^ betiauptet f)abt. <Bit toerben barauä juglcid^ erfahren, toie lange id) fd)on biefer ßntbedung auf ber ©pur toar, unb toie 25 id) bodt) erft je^t ^ux ©etoi^tieit fommen tonnte; toie ic^ nid^t toagte, meinem ^^reunb ettoa§ bon ber 5)tögtidE)!eit beä ®Iüd§ 3U fagen, ba it)n ju tief gefränft ^aben toürbe, toenn biefc 4-)offnung jum ^toeiten 531ate berfdjtounben toäre. ©ie toerben ßt)bien§ 5Irgtool()n begreifen; benn id^ geftel^e gern, ba§ id^ bie 30 Steigung unfere§ fJreunbeS 3U biefem guten 55läbd)en feine§toege§ bcgünftigte, feitbem idt) feiner S5erbinbung mit X^erefen toieber entgegenfal^."

^icmanb ertoiberte cttoa§ auf biefe ©efc^id^te. S)ie f5tauen=

«c^te8 SBud». Set^jlrt «apittl. 153

jtmmcr gaBcn bie 5pcH)icTC na^ einigen Sagen äurüdt, o'^nc ber= fclben weiter ju enöäf)nen.

^lan Vtte Mittel genug in ber Wä^t, bie ©efellid^aft, loenn |tc Beijammen toax, au bcid)dftigen; auä) bot bie ©egenb jo

5 mnn^e Sfiei^e bar, ba| man fic^ gern barin teitä einjetn, teils äujammen, ju 5}}ferbc, au Söagen ober ju i^fu^e umfatj. Santo richtete bei einer fold^en Gelegenheit feinen 3tuftrag an 2BiI= l^clmen auS, legte it)m bie Rapiere bor, jc^ien aber toeiter feine (Sntjd^lie^ung öon i^m ju erlangen.

10 „2ln biefem ^öd)ft jonberbaren 3"ftanb, in bem i(^ mi(^ befinbe", fagte SBil^elm barauf, „braud^e ic^ 3l)nen nur ba§ au wicberliolen, toaS id^ fogleid^ anfangä in ©egentoart dlata= licnä unb gewife mit einem reinen |)eraen gejagt l^abe: 2otl)ario unb jeine gteunbe fönnen jebe 3lrt öon gntjagung öon mir for^

15 bcm, ic^ lege S^nen hiermit atte meine 2lniprüd)c an ^zxt\tn in bie .£>anb, öerjcl)affcn ©ie mir bagegen meine förmliche 6nt= laffung. D! cg bcbarf, mein greunb, feinet großen a3ebenten§, mic^ ju entjrf) liefen. Srf)on biefe 2;age l^ab' id) gefül^lt, ba^ 3:^ere|e 5Rüt)e {)at, nur einen ©c^ein ber £eb:^aftigfeit, mit ber

20 fie mid^ juerft l^ier begrüßte, ju ert)altcn. 3f)re Steigung ift mir cntttjenbet, ober öietmc^r, \ä) t)abe fie nie beiefjen."

„©olc^e i^ölle möchten fic^ n)o:^l bej|er naö) unb nac^ unter ©dinjcigcn unb ßncartcn aufflären", öerje^te 3amo, „al§ burd) öielcä Dieben, woburd^ immer eine Slrt öon Sßerlegent)eit unb

25 ©örung cntitel)t."

„3d^ bockte öielmetjr", fagteSßit^elm, „ba^gerabc bieferi^ttll ber rul)igften unb ber reinften entid)eibung fäl)ig fei. 9J?an l^at mir jo oft ben 2?oriuurf beS 3aubern3 unb ber UngciuiB^eit gc» mac^t ; roarum toid man je|3t, ba id) entid)tüiicnbin, gcrabc^u einen

80 i5c^)ter, ben man an mir tabelte, gegen mi(^jclbftbcgel)n? ÖJibtjid) bie äÖelt nur barum fo öicl '^Mlje, unS ju bilben, um unä fütjlen JU (afjen, bafj fie fid) nid)t bilben mag? ^a, gönnen <5ie mir rcd)t balb hai ^eitere ©efü^l, ein ^üBöertjültniS lüöjulücrben, iji ba§ id^ mit ben reinften (Sefinnungen öon ber SBcU geraten bin."

154 gBili^elm TOeifterg StffT\af)vt.

Ungeachtet biejer SSittc öcrgingen einige Soge, in bcnen er nid)tg üon biejet ©ad^e t)ötte, nod^ aud) eine toeitetc Söeränbc= rung an jeinen i^reunben bemerfte; bie Unterhaltung war öiel= mttjx blo^ allgemein unb gleidigültig.

Sinft ja^en 9iatalie, 3arno unb äöil^elm jufammcn, unb ^Jtatalie begann: „©ic [inb nad)benfli(i), 3>ai^0/ i<^ f^nn es 3t^nen jc^on einige 3eit ab merfen."

„3td) bin e§", öerje^te ber gi^eunb, „unb id) je'^e ein tot(^= tigcä ©ejd^äft öor mir, baä bei un§ jd)on lange öorbereitct ift lo unb jc^t notttjenbig angegriffen Serben mu|. ©ie njiffen jd)on ettt)a§ im allgemeinen baoon, unb id^ barf too^l öor unferm jungen f^reunbe baöon reben, meil auf i^n anfommcn fott, ob er teil baran ju nel)men ßuft t)at. ©ie toerben mid^ nid)t lange mcl^r fel)en, benn ii^ bin im 33egriff, nad^ 3lmerifa überäu= is jd^iffen."

„'üaä) Slmerifa?" berfe^te 2öill)elm löd^elnb; „ein fol^e§ Abenteuer l^ätte id^ nid^t t)on S|nen ertt)artet, nod) toeniger, ba§ ©ie midi) jum ®efät)rten auSerfe'^en toürben."

„SBcnn ©ie unfern ^^lan ganj tennen", toerfe^te Sfatno, „fo 20 werben ©ie il)m einen beffern 5^amen geben unb üietteidlit für il^n eingenommen toerben. ^ören ©ie mid^ an! ^Jlan barf nur ein tüenig mit ben Söelf^änbeln befannt fein, um ju bemerfcn, bo§ un§ groBe SJeränberungen beöorftel)n , unb ba^ bie S3efi^= titmer beinahe nirgenbä mcl)r red^t fidf)cr finb." 25

„^äj l^abc feinen beutlid£)en ^Begriff öon ben SBelt^änbcln", fiel äöif^elm ein, „unb l^abe midi) erft bor furjem um meine SSefi^tümer befümmert. S3ielleidl)t l^ätte ic^ tt)ol)l geton, fic mir nod) länger au§ bem ©inne ^u f dl) lagen, ba id^ bemerfen mu|, ba^ b!e©orge für il)re@r'^altung fol^t)podl)Oitbrifd^madl)t." 30

„.|)ören ©ie midi) au§!" fagte ^arno; „bie ©orge gcjiemt bem 9llter, bamit bie Sugenb eine 3eitlang forglo§ fein fönne.

e^teS Su4. Siebente« AapiteL 155

S)a8 @tci(^gctoic^t in ben menfc^tid^en ^anblungcn fann teibcr nur burc^ ©cgcnjö^c l^ergeftettt »erben. (58 ift gegenwärtig nid^tS weniger alä rätlid^, nur an einem Orte ^u befi^en, nur einem '4>la^e fein @elb anjuoertrauen, unb ift roieber fc^wer,

5 an Dielen Orten Sluffic^t barüber ju füf)ren; toir ^aben uns be§tt)egen etroag anberi auSgebad^t: aü§ unferm atten S^urm foU eine ©ojietät au§get)en, bie fid) in aüe Jeile ber 3Belt au^-- breiten, in bie man au8 jebem 2;eile ber Söelt eintreten fann. SBir affeturieren un8 untcreinanber unfere ©jiftenj, auf bcn

10 einzigen i^aH, ba§ eine ©taatärcDolution ben einen ober ben anbern öon feinen SBefi^tümem ööHig öertriebe. 3i(i) ge^e nun hinüber nac^ 3Imerifa, um bie guten 35er^ättniffe ju benu^en, bie fi(^ unfer greunb bei feinem bortigen 2lufentt)alt gemad^t ^at. S)er 3tbbe toill nac^ SJu^tanb ge^n, unb Sie f ollen bie

15 200^1 ^abcn, toenn (Sie fic^ an un§ anft^Iic^en toollen, ob ©ie 2otl)aTio in S)eutfc^Ianb beifte^n ober mit mir ge^en toollen. 3d^ badete, ©ie toät)Iten baä (e^te; benn eine gro^e 9leife ju tun, ift für einen jungen ^ann äu^rft nü^Iid^."

2öi[t)etm nal^m fid^ jufammen unb anttoortetc: „S)er 2ln=

20 trag ift aller Überlegung toert; benn mein Söa^tfpruc^ toirb bod^ nöc^ftenä fein: ,2ie weiter toeg, je beffer!' ©ie Werben mid^, f)offe i^, mit 3^rem ^^lane nät)er befannt madjen. fann oon meiner Unbefanntf(^aft mit bcräöelt ^errüt)ren, mir fd^eincn aber einer foIrf)en Scrbinbung fid^ unübcrwinbtid^e ©d^wierig=

25 feiten entgegenpfe^en."

„S)aöon fid^ bie mciften nur baburd^ "^ebcn Werben", öer= fc^te 3amo, „ba& unfer bi§ jc^t nur Wenig finb, rebtid^c, ge= fd)eite unb entfc^toffcne 8eute, bie einen gcwiffcn allgemeinen ©inn f)abcn, au§ bem allein ber gefcllige ©inn entftcl}cn fann."

80 ÖT^iebrid), ber biäfjcr nur jugetjört ^atte, öerfe^te barauf: „Unb Wenn i^r mir ein guteä äßort gebt, gc^c id^ aud^ mit." 3arno fd)üttelte ben Äopf.

„^Jiun, waä l^abt i^r an mir auS^ufe^cn?" ful^r ^riebrid) fort. „Sßei einer neuen Kolonie werben and) junge Äoloniftcn

156 SBil^elm SWeifler« ße^rja^rc.

crforbert, unb bte Bring' iä) gleit^ mit; au(^ luftige Äoloniflen, baS öerfic^re ic^ cudf|. Unb bann toü^tc iä) nod^ ein guteS junges 9Jtäb(i)en, ba§ I)ierf)üBen nid)t mc{)r am ^la^ ift, bic jü^e, reijenbe ßl^bie. 2öo foU baä arme ßinb mit feinem Sd^merj unb 3<n^i^ei^ l)in, toenn fie il^n nid)t gelegentlich in bie 3;iefc 6 be§ 3Jteere§ toerfen fann, unb toenn fic^ ni(i)t ein Brauer 5Rann iljrer annimmt? S<^ bä(i)te, mein 2tugenbfreunb, ba 3it)r bot^ im ©ange jeib, SJerlaffene ju trbften, 3il^r cntjc^tö^t (5urf), jebcr nä'^me jein 3Jtäb(ä)en unter ben 3trm, unb toir folgten bem alten ^errn." lo

S)iefer 2lntrag bcrbro^ Söil^elmen. 6r antlüortetc mit öcrfteltter 9tul)e: „2öei§ iä) boc^ ni(^t einmal, ob fie frei ift, unb ba iä) ül)er^u|)t im Söerben nid)t glücftid) p fein fd^eine, fo mödite ic£) einen folc^en 25erfuc^ nic^t mact)en."

^latalie fagte barauf: „SBruber griebrid), bu glauBft, tocil 15 bu für bic^ fo leid^tfinnig l^anbelft, au(^ für anbere gelte beinc ÖJefinnung. Unfer f^i^eiinb öerbient ein toeiblic^eS .^erj, ba3 it)m ganj angcljöre, ba§ nidit an feiner ©eite öon fremben @r« innerungen bemegt toerbe; nur mit einem l)öcE)ft üemünftigen unb reinen ß^arafter toie 2;^erefen§ toar ein Söageftüdt biefer 20 ?lrt 5U raten."

„Söa§ SBageftüd!" rief f5?riebrid); „in ber Siebe ift alte§ äöageftüd. Unter ber ßaube ober bor bem 9lltar, mit Um= armungen ober golbenen 9tingen, beim ©efange ber Jpcimdien ober bei 2;rompcten unb ^Paulen, ift aEe§ nur ein Söageftütf, 25 unb ber 3ufaE tut atteg."

„3d) l)abe immer gefeiten", berfe^te ^latalie, „ba§ unfere förunbfäl^e nur ein Supplement ju unfern ©riftenjen finb. 2Bir l^ängcn unfern gel)lem gar ju gern ba§ ©emanb eine§ gültigen ÖJefc^eS um. ®ib nur ad^t, toelc^en 2öeg bid§ bie ©i^öne nod^ so fü^^ren h)irb , bie bid) auf eine fo gen)altiame Söeife angejogen t)ot unb fcft:^ält."

„©ic ift felbft auf einem fe'^r guten Sßege", berfe^te grieb= vidi, „auf bem Söegc jur .^eiligfeit. ift freilid) ein Umnieg,

l($te< 9iu$. 6ieI)eiUed itopiteL 157

aber bcflo lufHger unb fid^rct; ÜRaria öon 5}lagbata i[l i^n Qud^ gegangen, unb tocr toei^, toie öiel anbere. Über^ai4)t, ©diroefter, toenn öon ßicbe bie Diebe ift, foHteft bu bic^ gar nid)t brein mifc^en. 3c^ glaube, bu l^eirateft nid^t el^cr, al§ bi§ & irgenbroo eine Sraut fel)(t, unb bu gtbft bic^ aläbann nad^ beinet gctto^nten ©utl^erjigteit aut^ aU Supplement irgenb einet Gfiftenj l^in. SIIjo Ia§ un§ nur je^t mit biefem (Seclen= öcrföufer ba unfern ^anbel jcf)Iie|en unb über unjere 3ieife= gcfeUjc^aft einig werben." 10 „Sie f ommen mit S^ren S5orj(^Iagen ju jpat", fagtc ^amo ; „für fi^bien ift geforgt."

„Unb toie?" fragte gricbric^.

„3c^ ^nbe i^r fetbft meine ^anb angeboten", Perfekte ^arno.

„Filter ^err", fagte f^ricbric^, „ba mad^t 3;^r einen Streich, 15 ju bem man, toenn man itjn aU ein Subftantioum betrachtet, öetf^iebene Stbjeftiöa, unb folgtic^, toenn man il^n atg SubjeÜ Bcttac^tet, öerfcf)iebene ^^räbifate finben !önnte."

„3d^ mufe aufrid^tig gefielen", öerfe^te 5iatalie, „e§ ifl ein gefä'^rlid^erSSerfud^, ftc^ cin^äbd^en jujueignen, in bem3lugcn= 20 blicfe, ba fie au8 ßiebe ju einem anbern öer^meifelt."

„2id^ ^aht ei genjagt". Perfekte Santo, „fie mirb unter einer gett)iffcn SSebingung mein. Unb, glauben Sie mir, ift in ber 3BeIt nid^tä fd^ä^barer ali ein ^erj, baö ber 2iebe unb ber 2ei= bcnfc^aft fä^ig ift Ob geliebt t)abe, ob nod^ liebe, barauf 25 fommt nidt)t an. S)ie 2iebe, mit ber ein anberer geliebt roirb, ift mir beinaf)c reijenber alSbic, mit ber id^ geliebt »erben fönnte; id^ fel^e bie Äraft, bie (Settjalt eineä fd^önen ^erjenä, of)nc ba§ bic ßigenliebe mir ben reinen ?lnblid£ trübt,"

„^aben Sie Sqbien in biejen 2;agen fd^on gefprodEien?" Pcr= 80 fe^te 9latalic.

3amo nidtte lad)clnb; 9Iatatie fd^üttettc ben Äopf unb fagte, inbem fie aufftanb: „3(^ toci^ nici)t mel^r, toa§ id^ auä cud^ mad^en foH, aber mid^ foHt \i)x gcmife nid^t iue machen."

Sic toollte fid^ eben entfernen, ali ber W)bi mit einem

158 äBil^etm TOeifttr^ ge^rjaftre.

IBrief in bct ^onb l^ereintrat unb ju il^r jagte: „S3Ieil6en ©ic! läi Ijobe {)ier einen S3or|d^lQg, Bei bcm ^))x 9iat njillfommen fein wirb. 5Der5Jtard)efe, ber5teunb3il)re§ üerftorbenenOI)eimg, ben wir jeit einiger Qtit erttjarten, mu§ in biegen flogen l^icr jein. 6r jc^reibt mir, ba§ it)m bodf) bie beutjcEie ©prad)e nidfit 5 |o geläufig jei, aU er geglaubt, ba^ er eine§ ®efellfd)after§ be= bürfe, ber fie bottfommen nebft einigem anbern Befi^e; ba er mct)r tt)ünjd)e, in »iffenfcEiaftüdie aU politifdie SSerbinbungen 5U treten, ]o fei it}m ein foId)er 5DoImetict)er unentbe^rtid). ^ä) toü^te niemanb gefd)irfter baju aU unfern jungen f^reunb. @r lo fennt bie (£prac£)e, ift fonft in öielem unteuii^tet, unb n)irb für it}n felBft ein großer Vorteil fein, in fo guter ®efettfd)aft unb unter fo t)orteiIf)aften Umftänben 2)eutfd)Ianb p feigen. 2Ber fein SBaterlanb nidit fcnnt, t)at feinen 5Jla§ftaB für frembc Sänber. 2Ba§ fagen ©ie, meine greunbe? toa§ fagcn Sie, 910= is tatie?"

9liemanb teufte gegen ben Eintrag ettoaS einauhjenben; 3arno ]ä)un feinen S5orid)Iag, na(^ Slmerita ju reifen, felBft aU fein ^inbemi§ anäufef)n, inbem er o'^nef)in nid)t fogleic^ aufBred^en toürbe; 9latalie f(i)tt)icg, unb f^riebrid^ füt)rte t)er= 20 fc£)icbcne (Spric£)tt)örtcr über ben 9iu^en be§ Üteifenä an.

2BiIf)eIm ttar über biefen neuen SJorfc^Iag im «^erjen fo entrüftet, ba§ er faum öerBergen fonntc. @r fal^ eine 2}eraB= rcbung, if)n Balbmögli($ft lo§äutt)erben, nur gar ju beuttid), unb n)a§ ba§ <£ci)limmfte toax, man lie^ fie fo offenbar, fo ganj 25 oI)ne ©c^onung fef)en. Slucf) ber S5erbac^t, ben £t)bie bei it)m erregt, alle§, toa§ er felbft erfaf)ren f)atte, tourbe toieber auf§ neue öor feiner ©eele lebenbig, unb bie natürti(i)e 9lrt, toic 3Jamo if)m atte§ aufgelegt t)atte, fc^ien i^m auc^ nur eine fünftli(i)e 5Darftet[ung ju fein. 30

gr naf)m fic^ äufammen unb anttoortete: „SJiefer Eintrag öerbient aEerbingö eine reiftict)e Überlegung."

„Gine gefd)n>inbe 6ntf(^Iie§ung mödjte nötig fein", berfefete bct 2tbbe.

„3)aju bin i^ jc^t nid^t gefaxt", antwortete Sßin^clni. „9Bir

lönnen bic 3lnhinft beS ^anneS abwarten unb bann jel^en, ob

toir jufammen pQJ|en. 6ine ^auptbcbtngung aber mu§ man

jum oorau» einget)en, ba^ ic^ meinen gelij mitneljmen unb i()n

6 überall mit ^infü^ren barf."

„Sieje SBcbingung wirb jd^werlid^ äugej'tanben werben", öerje^te ber %hhi.

„Unb i(^ jef)c nid^t", rief SBil^elm au§, „warum it^ mir bon irgenb einem ^Henfd^en joüte SBebingungen öorjd^reibcn 10 laffen? unb warum ic^, wenn id^ einmal mein 33aterlanb fefien will, einen ^Italiener jur ©eieüicf)aft brauche?"

„Söcit ein junger 5)lenic^", oerje^te ber 3lbbe mit einem gewiffen inH)onierenben ©rnfte, „immer Urfac^e l^at, fic| an= jujcftlie^en." 15 SBilfjcIm, ber Wo^l merfte, ba§ er länger an fid^ ju Ijolten nid^t im ftanbe fei, ba fein 3uftanb nur burd^ bie ©egcnwart 9iatalicni nod^ einigermaßen gelinbert warb, lieB[id^f)ieraufmit einiger |)aft öerne^men: „^Jlan Oergönne mir nur noc^ furje SBebenfjeit, unb i(^ öermutc, c8 Wirb fi^ gefct)Winb entfrf)eiben, 20 ob i(^ Urfad^e I)abe, mi^ weiter an juf et) tiefen, ober ob nid^t öielmef)r .^erj unb Älugtjeit mir unwiberftet)ltcf) gebieten, mid^ öon fo mand)ertei SBanben lo§jureißen, bie mir eine ewige, clenbe ®cfangcnfct)aft brot)en."

6o fprac^ er mit einem Ieb()aft bewegten ©emüt. 6in Slidf 2.'. auf 9iatalien beruhigte i!^n einigcrmaBcn, inbem fidf) in bicfem teibenfc^aftlidtien 51ugenblict itjxt ©eftalt unb i^r Söcrt nur befto tiefer bei i^m cinbrücften,

„3a", fagte er ju fic^ felbft, inbem er fid^ allein fanb, „gcftcl)e bir nur, bu liebft fie, unb bu füt)Ift wieber, Wa§ ^eiße, wenn 30 ber ^cnfd^ mit allen ihäften lieben fann. ©o ticbte ic^ ^Ula= riancn unb worb fo fd)recflirf) an it)r irre; ic^ liebte '-^^^itincn unb mußte fie oera^ten. 2luretien arf)tete id) unb fonntc fie nidfjt lieben; ic^ üere^rte I^crcfen, unb bic öäterlic{)e fiiebe nal)m bie ©eftalt einer 5ieigung ju i^r an; unb je^t, ba in beinern ^erjen

160 ffiir^elm gnrifler« fieWo^«-

alle 6m^)finbungen äufammcntreffcn, bie ben 5Jlenjd^en glüdftid^ mad)en joUten, je^t bift bu genötigt ju fliet)en! ^djl toarum inuB ftt^ ju bicfcn ©nipflnbungen, ju biefen 6rfenntni[fen ba§ unübcrroinbtict)c SSerlangen bc§ S3efi^e§ gejeflen? unb loarum rict)ten o!)ne 33e[i^ eben biefe ©inpflnbungen, bieje Überzeugungen s jebe anbere Slrt öon ©lürfjeltgteit ööUig ju ©runbe? SSerbe id^ fünftig ber ©onne unb bet 2öelt, ber ©ejeEjd^aft ober irgcnb eines ©lücfäguteS genießen? roirft bu nid)t immer ju birfagcn: ,5tatalie ift nidit ba!' unb boc^ wirb leiber ^atalic bir immer gegenroärtig fein, ©djlie^cft bu bie 2lugen, \o toirb fie [id^ bir lo bari'tctten; öffneft bu fie, fo toirb ftc öor atten ©egenftänben ^in= i(i)tt)eben toie bie @rf(^einung, bie ein blenbcnbeS S3ilb im 5luge äurürfläfet. Söar nid)t jct)on früt)er bie jdinell öorübergegan» gene ©eftalt ber Slmajone beincr ©inbilbunggtraft immer gegen» toärtig? unb bu t)atteft fie nur gefet)en, bu !annteft fie nid^t. is 9iun, ba bu fie fennft, ha bu if)r fo nat)t toarft, ba fie fo üietcn 9lnteil an bir gezeigt "^ot, nun finb il^re ©igenfc^aften fo tief in bein ®emüt ge:prägt al§ il)r 33ilb jemals in beine 8inne. ^ngfl« Ii(^ ift e§, immer ^u fuc^en, aber üiel ängftIidE)cr, gefunben ju l^aben unb bertaffen ju muffen. SBornad^ fott id^ in ber 2Bett 20 nun weiter fragen? toomad^ foH ic^ mic^ ttjciter umfe^en? welche Segenb, tt)eld£)e ©tabt berroa^rt einen ©c^a^, ber biefem gleich ift? unb id^ foE reif£n, um nur immer ba§ (Geringere ju finben? ^ft benn ba§ ßeben bIo§ toie eine 9fiennbat)n, too man fogleid^ f dEjuett ttjieber umf etiren mu^ , tocnn man bag öu^erfte fönbe er= 25 reii^t I)ot? Unb fte'^t ba§ @ute, baä SSortrefftidfje nur wie ein fefteä, unöerrücEteä S^tl ba, bon bem man fid^ ebenfo fdtinett mit rafdEien 5pf erben toicber entfernen mu^ , aU man erreid^t ju t)aben gloubt? anftatt ba§ jeber anbere, ber nac^ irbifc^en Söaren ftrebt , ftc in ben berfd^iebenen |)immel§gegenben ober w tool^l gar auf ber 551effe unb bem Sa^nnarft anfd^affen !ann." „Äomm, lieber ßnabc!" rief er feinem <Bo^n entgegen, ber eben botier gefprungen fam, „fei unb bleibe bu mir atteä! S)u warft mir ^um (5rfa^ beiner geliebten SJiuttcr gegeben, bu

g(^te« gu(». SiebtnM HoptteL 161

joute]! mir bic jiDcite ^IJluttet erfe^en, bic ic^ bir BefHmmt ^attt, unb nun Iiaft bu nod^ bic größere Surfe anäjuiüllen. Seicf)äftige mein ^etj, bejci^äjtige meinen ®eift mit beiner ©c^ön^eit, beiner ßicbenöroürbigfcit, beiner SBi&begierbe unb beinen gäfiigfeiten!"

h 2)cr Änabe mar mit einem neuen Spieltocrfe befcf)äftigt, ber SSatcr jud^tc i^m bejfer, orbentIi(f)er, ^merfmä^iger einju= rid^ten; aber in bem 2tugcnbUrfc öcrlor auc^ ba§ ßinb bic 2uft baran. „S)u bift ein mafirer ^Renjd^!" rief Söitl^elm aus; „fomm, mein So^n! fomm, mein SBruber! Ia§ un§ in ber Sßelt

10 jmerfloä l^inipielen, fo gut mir fönnen!"

(Sein (Jntjd^Iu^, fic^ ju entfernen, ba§ 5Hnb mit fic^ ju ne^= mcn unb fid^ an ben ©egenftänben ber Söclt ju äerftieuen, mar nun fein feftcr Sorfa^. 6r jc^rieb an ^tmmi, erfuc^te i^n um @clb unb Ärcbitbriefe unb fd^irfte ^^ebrid^S ^rier mit bem

15 gefd^ärften Stuftrage meg, balb toieberäufommen. <5o fel^r er gegen bic übrigen ^fi^eunbe aud^ öerftimmt mar, \o rein blieb fein Ser^ältniä ju 5latalien. 6r bertrautc il^r feine Slbfid^t; aud^ fie na^m für befannt an, ba^ er get)en tonne unb muffe, unb tocnn i^n aud^ gteid^ biefe frf)einbare Öleid^gültigfeit an i^r

jo fdfimcrjtc, fo bcruf)igte il^n boc^ i^re gute Slrt unb it)re ®egen= toart öollfommcn. ©ie riet i^m, bcrfct)iebene ©tabtc ju befuc^en, um bort einige i^rer S^eunbc unb f^fteunbinnen fennen ju ter= nen. 2)cr Äuricr fam jurürf, braute, toa§ SBit^etm öerlangt l^atte, obgleidE) Söerner mit biefem neuen Sluäflug nid^t 3ufrie=

■:, ben ju fein fd^icn. „ÜJleine Hoffnung, ba^ S!u toemünftig toer» ben toürbeft", fd^rieb biefcr, „ift nun mieber eine gute 2BeiIe ]^inau§gefd^oben. SCßo fd^meift ^^x nun alle äufammcn tjcrum? unb too bleibt benn baS gtauenjimmer, ju beffen mirtfd^aft= lid^cm Seiftanbe 2)u mir.^offnung mad^teff? 3lud^ bte übrigen

40 Qfi^punbe finb nic^t gegenmärtig; bem @cri^töl^alter unb mir ift baä ganje ©efd^dft aufgemäljt, 6in @Iürf, ba§ er eben ein fo guter JRed^tämann ift, ali \ä) ein ginan^mann bin, unb ba§ mir bcibe etmaS ju frf)Ieppen gemol^nt finb. 2cbc mot)!! S)cinc Slu§fdf)mcifungen foUcn S)ir öcrjiel^cn fein, ba bod^ ol^nc fie

162 aSilH»" SReifla:« Seljrja^ie.

unjer S5erl§öltni§ in biejcr ©cgenb nictit l^ättc fo gut tocrben tonnen,"

Söaä ba§ sturere betraf, l)ättc er nun imntcr abreiicn fön= ncn, aüein fein @emüt toar noc^ burd) äiuci Jpinbcrniffe gcbun= ben. 5Jtan tooUtc il^m ein für aöemal ^JlignonS ßörpcr ntd^t 5 ädgen, aU Bei ben ©jequicn, föeld^e ber Uhhi ju Italien ge= badete, äu toel(f)er fjeierlidifeit nod§ ntd)t aUeä Bereit toar. 5lu(^ njar ber Slrjt burrf) einen fonbcrbarcn 33rief bc§ £anbgeift= licfien abgerufen toorben. betraf ben ^arfenf^jiclcr, öon beffen Sc^icffaten äöit'^elm nätjer unterri(i)tet fein wollte. 10

^n biejcm 3ufta"bc fanb er toeber bei 2:ag nod) Bei 5lacf)t 9iu^c ber Seele ober be§ üöxptx'ä. Söenn aGeö fdjlicf, ging er in bem ^auje l§in unb l^er. S)ie ©egenmart ber alten Befann= ten .^nftnjerfe 50g it)n an unb ftie^ il^n ab. Gr !onnte nid)t§, waS il)u umgaB, toeber ergreifen nod^ laffen, atteS erinnerte i^n 15 an alleg; er üBerfal^ ben ganzen 9ting feineS 2eBen§, nur lag er leiber jerBrodien bor il)in unb fc^icn fid^ auf etoig ni(^t fd^lie= ^cn ju ttjoüen. S)iefe Äunfttocrte, bie fein 23atcr öerfauft i)atk, fdlicnen il)m ein ©t)mBol, ba^ auc^ er öon einem ruhigen unb grünblid)en 3?efi| be§ 2Bünfd)en§toerten in ber SBelt tcilä aug= 20 ge|d)loffen, tcilä begfelBen burc^ eigne ober frembe (Sd)ulb Be= raubt toerben fottte. @r berlor fid^ fo toeit in biejen fonberBaren unb traurigen SSetrad^tungen, ba^ er \iä) fclBft mandjmal toie ein ©eift Uorfam unb, felBft toenn er bie S)inge au|er fic^ Be- füTjlte unb Betaftete, fidE) faum be§ 3^'^if^^^^ ertt)el;ren fonnte, 25 ob er benn aud£) toirtlid) lebe unb ba fei.

9iur ber lebliafte SdEimer^, ber il§n mandjmal ergriff, ba^ er allcä ba§ (Sefunbcne unb SBicbergefunbene fo freücntlid^ unb boc^ fo notiDenbig öerlaffen muffe, nur feine krönen gaben i§m ba§ ®efül)l feineg S)afein§ toieber. S5ergeBen§ rief er fid^ ben glüdtid^en ^uftanb, in bem er fid) bodl) eigenttid^ Befanb, bor'S (S5ebä(^tni§. „(£o ift benn aEe§ nid£)t§", rief er au§, „toenn ba§ ©ine fel)lt, ba§ bem 5Jlenfd£)en attcg übrige toert ift!"

S)er SlBBe tierfünbigte ber ®efeUi(^aft bie 9(n!unft be§ 5Jlar=

»rfite« i6u<^. eitbtnui Stapltl 168

d^efc „©ie fmb jtoar, toic fcEicint", jagte er au SBit^elmen, „mit S'^rem ^aben allein abjureijcn cntjc^Iojycn, lernen ©ie icboc^ roenigflen§ biefen ^Dlann fennen, ber ;3l)nen, too ©ie i^n au6) untenoegä antreffen, auf attc Ofällc nü^lic^ fein fann." SJer

5 ^iar(^efe erfi^ien; »ar ein Tlann no^ nidjt ^ocf) in Saferen, eine öon ben toof)IgeftaIteten, gefälligen lomBarbijc^en Figuren. 6r ^attc aU Süngling mit bcm £)t)eim, ber f(i)on um oieIe§ älter toar, bei ber ^^rnicc, bann in ©ejc^äften 5Bcfanntfrf)aft ge= mad^t; fie l^atten nad^^cr einen großen Seil öon i^talien äu=

10 jammen burdfirei)!, unb bic ihinftmerte, bie ber 5Jlar(^efe l^ier ©ieberfanb, toaren jum großen Seil in feiner ©egentoart unb unter manchen glücftii^en Umftänben, beren er fic^ no(^ ]adi)i erinnerte, getauft unb angefi^afft toorbcn.

jDer Italiener ^at übcvgaupt ein tiefereä ©efü^t für bie f)o1)t

15 Sßürbe ber ^nft aU anberc Nationen; jeber, ber nur irgenb ctwa§ treibt, toill J?ünft(cr, 3Jtcifter unb '^rofeffor l^ei^en, unb befcnnt tt)enigften§ burd^ biefe 2itelfu(^t, ba§ nid)t genug fei, nur tttoai burd^ Überlieferung ju ertiafd^en ober burd^ Übung irgenb eine ®en)anbtf)eit ju erlangen; er geftc^t, \)a^ jeber öiel=

20 nuijx über ba§, toaS er tut, aud^ fä^ig fein foUe ju beuten, örunbjä^e aufjuftellcn unb bie llriad)en, toarum biefeä ober jeneö ju tun fei, fid^ fetbft unb anbern bcutlid^ ju nmdjen.

3)er 2f«i"be toarb gerüljrt, fo fd)önc 33efi^tümer ot)ne ben Ißefi^cr üjiebcrjufinben, unb erfreut, ben ®eift feincä greunbeS

25 au§ ben öortrcffticf)en .^interlaffcnen fprc(^en ju ^ören. ©ie gingen bic öerfd)iebenen UBerfe burc^ unb fanbcn eine gro^e S3el;aglidt)fcit, firf) einanber üerftänblic^ mad^cn ju fönnen. S)cr ^arc^efe unb ber 2lbbe führten baä SSort; ^iatalie, bie firf) toicber in bic ©egcnmart i()reä Ctjcimä öcrfe^t füfjite, tuu^tc

so fic^ jefjr gut in it)re ^kinungen unb ©cfinnungcn ju finben;

äBit^cIm mu^te fid^'g in t^catratifd^e Serminologic übcrfe^en,

»cnn er ctuiaä baoon öcrfte^en n)oIlte. 5)lan t)atte Ulot, grieb»

x\d)i Sd)cräe in Sc^ranfcn ju f)alten. Slatno »ar fetten zugegen.

SBci ber ^etrad)tung, bafe öortrefflidjc Äunfttucrfc in ber

11*

1(54 9BiII^etm TOetfter» £e^r)a^tf.

ueucrn 3cit fo feiten jeien, fagtc bet 5Jlar^ejc: „68 lä^t ftd^ nid)t teicf)t benfen unb üBerje^en, toa§ bic Um[tänbe für ben ^nftler tun mü||en, unb bann finb bei bem größten ©enie, Ijei bem entjd^tebenften Statente noc^ immer bte gorberungen unenbli(^, bie er an fic^ jetbft ju mad)en l^at, unjäglic^ berglei^, s bcr ju jeiner 2lu§bitbung nötig ift. Söenn nun bie Umftänbe tüenig für it)n tun, toenn er bemerft, bat ^ie SBelt fe^r leidet ju befriebigen ijl unb jelbft nur einen Ieid)ten, gefättigcn, Be» ^agüdien ©ci)ein begef)rt, fo toäre ju ijertounbem, »enn nic^t S3equemli(i)feit unb ©igenliebe il^n Bei bem ^Jlittelmöfeigen feft= lo hielten; toäre feltfam, toenn er ntcf)t lieber für 5Jlobetoaren ©clb unb 2ob eintaufd)en, alä ben red)ten SBeg toä{)ten fottte, ber il^n me'^r ober toeniger ju einem fümmertid^en 3Jlärtt)rertum fül)rt. S)e§toegen bieten bie Äünftler unferer 3eit nur immer an, um niemals jU geben, ©ie tootten immer reiben, um nic= mal§ 3U befriebigen; aHe§ ift nur angebeutet, unb man ftnbet nirgenbS ©runb noc^ 5lu§fü:^rung, 5!Jian barf aber auc^ nur eine 3eitlang ru^ig in einer ©aterie bertoeiten unb beobad^ten, nad) toelcE)en Äunfttoerfen fi(^ bie 2)tenge äiel^t, toett^e get)riefen unb toetrf)e öemadiläffigt toerben, fo l^at man toenig ßuft an ber 20 ©egentoart unb für bie 3ufunft toenig .g>offnung."

„Sa", berfe^te ber W)U, „unb fo bilben fi(^ Sieb'^aber unb Äünftler toec^felätoeife; ber £iebl)aber fud)t nur einen allge=" meinen, unbeftimmten ©enu^; ba§ ihmfttoerl joÜ il^m ungc= fä^r toie ein ^laturtoerf bergen, unb bie 3Jlenf(^en glauben, 25 bie Organe, ein ^nfttoerf ju genießen, bitbeten \iä) ebenfo öon felbft au§ toie bie S^^9>^ ^^"^ ^^r ®aum, man urteile über ein Äunfttoerl toie über eine (S|)cife. ©ie begreifen nidt)t, toag für einer anbern ßultur bebarf, um fid) jum toa^ren ^nft= genuffe erl)eben. S)a§ ©ct)toerfte finbe i6) bie Slrt öon 216= so fonberung, bie ber 5Jlcnfct) in fic^ felbft betoirfen mu|, toenn er fic^ überl)au^3t bilben toitt; beätoegen finben toir fo bicl einfeitigc Kulturen, toobon bod^ jebe fic^ anmaßt, über baS ©anje ab= jufpred^en."

„9Ba8<5ic ba jagen, ijl mir nid^t gana bcutlid^", fagtc^atno, ber eben l^in^utrat,

„Slud^ ift jd^tocr", üerfe^te ber SlbBe, „fid^ in ber Äürjc bcj^immt l^ierübcr ju crflären. ^ä) fagc nur fo öiel: jobalb ber 6 3Jlen|d^ an mannigfaltige Sötigfeit ober mannigfaltigen @c= nu§ 3lnfprud§ mad^t, fo mu§ er aud^ fällig fein, mannigfaltige Organe an fi(^ gleid^fam unabhängig öoneinanber au^äubilben. SBcr oHeS unb jebeg in feiner ganzen iJlenfd^l^eit tun ober gc= niefeen toiH, luer alle§ au^er fi(^ ^u einer fold^en Slrt öon ©e=

10 nu§ toerfnüpfen Witt, ber toirb feine 3eit nur mit einem etoig unbefriebigten ©treben Einbringen. 2Bic fd^mer ift e§, toaä fo natürlid^ fdt)eint, eine gute 9latur, ein trefflidt)e§ ©emätbe an unb für fid^ ju befd^auen, ben @efang um beg ©efangä toitten iu tjcmcl^mcn, ben ©d^aufpieter im ©dtiaufpieler ju bcmunbem,

15 fid^ eines ©eböubeS um feiner eigenen -gjarmonie unb feiner Sauer toitten ju erfreuen! ^'iun fie^t man aber meift bie ^en=» f(^en entfrf)iebene Söerfe ber j?unft gerobeju bel^anbeln, aU toenn c3 ein toeicfier Jon toörc ^aii) i^ren Steigungen, Meinungen unb ©ritten foH ftd^ ber gebilbete SJlarmor fogleidf) toieber um=

ao mobeln, ba3 feftgemauerte ©ebäube fidf) auSbe'^nen ober äu= fommenjie^en, ein (Sematbe fott le'^ren, ein ©ct)aufpiel beffern, unb atteS fott atteä toerben. ßigentlid^ aber, toeil bie meiften ^Ilcnfrfien felbft formloä ftnb, toeil fie fic^ unb itjrem 2Q3efen fetbft feine ©eftalt geben fönnen, fo arbeiten fie, ben ®egen=

25 ftänben i^re ©eftalt ju nel^mcn, bamit jo atteö lofcr unb tocfrer Stoff toerbe, tooju fie aud^ gel^ören. Sltteä rcbujiercn fie jule^t auf ben fogenannten ©ffeft, atteS ift relatit), unb fo toirb audC) attcä relatiü, aufeer bem Unfmn unb ber 2lbgefd£)ma!tf)cit , bie benn aud^ ganj abfolut regiert."

ao „3d^ t)erftct)e Sie", Perfekte 3amo, „ober biclmet)r, id^ fcl^c tool^I ein, toie baä, toaä Sie fagen, mit ben ©runbfä^en ju- fammcn^öngt, an benen Sie fo feftt)atten; id^ fann aber mit ben annen Teufeln öon SJienjc^en unmöglich fo genau ncl)mcn. 3(^ fcnne frcilid^ iljrcr genug, bie fid^ bei ben grölten SBerfcn

166 gBU^elm aneiHerg fie^rja^rt.

ber ilunft unb bei 9iatur fofllcicJ) il)rc§ atnifetigflen 58ebfirf= niffeä erinnern, ii)x ©enjiffen unb if)re 5JbraI mit in bic Oper nelimen, i^re Siebe unb ^a§ öor einem Säulengange nic^t ab= legen, unb ba§ SScfte unb @rö§te, \va^ if)nen üon au^en ge= I)rad)t toerben lann, in itjrer S3or[teIIung§art erft möglic^ft oer» fleinem müfjen, um mit il;rem £ümmerli(^en Söefen nur einigermaßen berbinben ju fönnen."

2lm ?lbenb lub ber Slbbc ju ben ©jequien 2JlignonS ein. S)ie ©cfeEicfiaft begab fid) in ben ©aat ber Sßergangen{)eit unb lo fanb benfelben auf ba§ fonberbarfte erbeut unb au§geid)mücEt. SJlit l^immetblauen Xeppid^en toaren bie 2Bänbe faft öon oben bi§ unten befleibet, fo baß nur <Bodd unb x^-xk^ f)ert)or|(^ienen. Stuf ben biet Äanbelabcrn in ben 6dEen brannten große 2öad)§= facEetn, unb fo na(^ 2Jer^äItni§ auf ben öier fleinem, bie ben is mittlem 6arfopt)ag umgaben, hieben biefem ftanben bier Äna= ben, himmelblau mit 8ilber gcfleibet, unb fd)ienen einer i^iq^ix, bie auf bemSarfopljag rut)te, mit breiten gäc^em üon ©traußcn» fcbem 2uft äujuwe^n. Sie ®efellfd)aft fe^te fic^, unb 3tt)ei un= fic^tbare 6l)öre fingen mit ^olbem ©efang an ju fragen: „2Ben 20 bringt it)r un§ jur füllen ©efcEii^aft?" Sie bier ^nber ant« toorteten mit tieblidier ©timme: „6inen müben ©cfpielen brin= gen wir eut^; laßt ü)n unter euc^ mt)en, bi^ ba§3aud)äent)imm» lifc^cx ©efdjmifter il^n bereinft toieber auftoedt."

61^ or. 25

„Grftling ber Sugenb in unferm ^eife, fei toillfommen! mit Trauer teiülommen! 2)ir folge !ein Änabe, !ein ^Jläb^en nad^! 9lur ba§ Sllter natje fid) ü3illig unb gelaffcn ber ftittcn ^atte, unb in ernfter ©efellfdjaft ru^e ba§ liebe, liebe ßiub!"

ßnoben. 83

„%^\ toic ungern brad^tcn toir i^n l^cr! 2ld^! unb er foll

K4tei Vui^. H<iXti JtapiteL 107

liex BteiBcn! 2a^t un§ an6) bleiben, ta^t un§ tocinen, tocincn

an feinem ©arge!"

61^ or.

„©c^t bic mäd£)ttgcn Sauget bo^ an! fe"^t ba§ leichte, reine

'• ®ctDonb! toie blinft bie golbcnc S3inbc öom ^au^jt! <Btt)t bie

jd^öne, bic toürbige 3fiu^'!"

Knaben.

„Sld^l bie S^ügel lieben fle nid^t; im leichten ©piele flattert

ba3 @en)anb ni^t me^r; al§ roh mit S^tojen fransten i^r ^au:|jt,

10 blirftc fie ^olb unb freunbtii^ narf) un§."

6^or. „@(!^aut mit bcn Slugen be§ @eifte§ '^inan! ^n tiiä) lebe bie bilbenbe ^xaft, bie ba^ Sd^önfte, baS ^öd^ficl^inauf, über bie 8teme ba?( Ccben trägt."

15 ßnaben.

„2lbcr aci)\ toir bcrmijyen fie l^ier; in ben ©orten toanbelt jtc nid^t, yammelt ber 2Bie|e 33Iumen nid^t me^r. 2a§t unä tocincn, toir laijen ftc^ierl la^t un§ weinen unb bei i^r bleiben!"

6^or. 80 „Äinbcr, teeret inS 2eben jurüdf! 6urc tränen trocEne bic frijc^c 2uft, bic um baä jcl)lüngclnbe Sßajler ipiett. 6ut= fliegt ber ^Jiac^t! 2ag unb 2u[t unb 2;auer ift ba^ ßo3 ber ßcbcnbigcn."

Knaben.

36 „3lu|! toir lehren inä ßeben jurüdC. (Sebe ber 2!ag unä Sir* beit unb 2u[t, biä ber Slbcnb unä 9iu^c bringt, unb ber näd^t^ lid^e <Sd^laf unä crquicft."

6l)or. „.^nber! eilet inä ficben l)iuan! 3n ber (Sd^önl)cit reinem 30 ©ctoanbe begegn' eud^ bic Siebe mit l^immlifd^cm iölicf unb bem Äran^ ber Unftcrbli^fcitl"

S)ic iJnaben waren fd^on fern, ber ?lbbe [tanb bon jcinem

168 8DlII)elm «Ketfler» Se^rlol^f.

Seffet auf unb trat leintet ben ©arg. „g§ ift bie SScrorbnung", faßte er, „be§ ^anne§, ber biefe ftillc 2ßo^nung bereitet l^ot, ba^ jeber neue Slnfömmling mit geierlidjfeit empfangen »erben foE. ^aä) itjm, bem ßrbauer biefe§ ^aufcä, bem grricfiter bicfcr ©tätte, Ijoben toir juerft einen jungen grembting tiicrl^er gc» 5 bracht, unb fo fa§t fd^on biefer f leine 9?aum ^tod ganj t)ex= fd^iebene Opfer ber ftrengen, toitttürlid)en unb uncrbittlid^cn XobeSgöttin. ''Jlaä) beftimmten ©efet;en treten toir in§ Seben ein, bie Xage finb gejätilt, bie un§ jum 2lnb tiefe beg ßi(i)t§ reif madtien, aber für bie ßebenebauer ift fein ®efe^. S)er jc^tt)äd)fte 10 ßebenSfaben jiel^t \ii) in unerhjartete Sänge, unb ben ftärfften äcrfc^neibet getoaltfam bie ©diere einer ^parjc, bie fid) in 2ötber= fprüd)en au gefallen fci)eint. S5on bem Äinbe, ba§ toir ^ier Be« ftatten, toiffen toir toenig ju fagen. 3lo6) ift un§ unbefannt, tDoX)tx fam; feine ©ttera fennen toir nid^t, unb bie 3a'§t fet= 15 ncr 2eben§ia'^re öermuten toir nur. ©ein tiefet berfc^toffeneS .^erj Iie§ un§ feine innerften Stngelegenl^eiten faum erraten; nid)t§ toar beuttid^ an il^m, nic^tä offenbar, alg bie ßiebe ju bem 3Jlanne, ber au§ ben Rauben eine§ Sarbaren rettete. 2)iefe järtlidie ^fieigung, biefe lebtjafte 2)anfbarfeit fd^ien bie 20 flamme ju fein, bie ba§ öl i:§rc§ 2eben§ auf^e^rte; bie @e= fd)idlid^feit be§ SlrjteS fonnte ba§ fc^önc ßeben nic^t erljatten, bie forgfättigfte g-reunbfdiaft bermod)te nid^t, ju friften. *^ber toenn bie Äunft ben fd^eibenben ©eift nid^t ju feffeln öer« nto^te, fo f)at fie alle il^re 9Jlittel angetoanbt, ben Äi)rper ju 25 erfiatten unb il^n ber 33ergängtid£)feit ju entjie^en. 6ine bal= famif(^e 50^affe ift burd§ alle Slbem gebrungen unb färbt nun an ber ©teile beg S3Iut§ bie fo frü^ öerblidtjenen Söangen. ^treten ©ie naiver, meine greunbe, unb fe^en ©ie ba§ SBunbcr ber ßunft unb ©orgfalt!" so

Qx i)ub ben ©d^leier auf, unb ba§ ^nb lag in feinen 6ngel= fteibcrn toie fd^lafenb in ber angenefimften ©teCung. ?llle traten l^erbci unb betounberten biefen ©d)ein be§ ßeben§. ^lur 2öil= l^clm blieb in feinem ©effel fi^en, er fonnte fid^ nid^t f äffen;

^d)tti eu4. a<4te« Jta;>iteL 159

toaS et cni^fanb, burftc er nid^t benfen, unb jcbct ®cbon!e fd^ien ]üm (Smpfinbung jcrftören ju »oHcn,

S)ie 9tebe toar um be§ ^ardiejc toillen franjöftjd^ gc= jproc^en toorben. S)iejcr trat mit tcn anbem l^erBei unb be»

6 trachtete bic ©cftalt mit Slufmerfjamfeit, S)cr W)U fu^r fort: „5)lit einem l^eiligen S5crtrauen toar auc^ biefcä gute, gegen bic ^enjc^cn ]o berief) (offene ^er^ beftänbig ju feinem @ott gc» wcnbet S)ie S)emut, ja eine Steigung, [lä} äu^ertid) ju emie» brigen, ft^icn i^m angeboren. 5Jlit ©ifer l^ing on ber fat§o=

10 lij^en 9ieIigion, in bcr geboren unb erjogen toar. Oft äußerte fic bcn ftillen Söunfc^, auf gettieil^tem 58oben ju rul^en, unb mir ^oBen nad^ bcn ©ebräuc^en bcr ^rd§c biefe§ marmorne 33c= l^ältni§ unb bic toenige 6rbe gett)eif)et, bic in t^rem ßopffijfen öcrborgen ifl, Tlit toetc^er ^lUBrunft tü^te fic in il^rcn legten

15 3tugcnblicfen ba§ SSilb be§ ©ctreuäigten, ba§ auf if)ren jarten SIrmcn mit Dielen l^unbcrt^^unftcn fcl^r jierlic^ abgebitbet fte^t!" 6r flreiftc sugteid^, inbem er ba§ fagtc, il^rcn rechten Slrm auf, unb ein Ärujifij, bon öerfc^iebenen Suc^ftaben unb 3eic^en be= gleitet, fa^ man blaulid^ auf bcr toei^en ^aut.

20 2)cr 5Jlar{^efe betrachtete bicje neue 6rfd§cinung ganj in bcr 9iä^e. „O @ott!" rief er au§, inbem er fic^ aufri(f)tcte unb feine ^änbc gen ^immcl l^ob, „armeg Äinbl UnglüdElidie 9lid^tc! gfinbc id^ bic^ l^icrtoieber! SBelc^e fd^mcrstid^c greube, hiö), auf bic toir fc^on lange SSerjic^t getan l^attcn, biefen

25 guten lieben Äörper, bcn toir lange im ©ee einen 9laub ber gii^e glaubten, l^ier toieber ju finben, jujar tot, aber crl^atten! 3d^ too^nc beiner Scftattung bei, bic fo l^crrlid^ burd§ il^r Siufecrcä unb nod^ tjcrrlic^er burd^ bic guten 5)lcnfd^en toirb, bic bi^ ju beiner JRu^eftätte begleiten. Unb toenn ic^ trcrbc

$0 rcben fönncn", jagte er mit gebro(^ner Stimme, „mcrbc id^ i^ncn banfen,"

2)ic Jrönen öcrl^inbcrtcn if)n, ctroaä njcitcr t)crbor5ubrin» gen. S)ur(f) ben 3)rutf einer ^ehex berfcnfte ber ?lbbe bcn Äör» per in bic liefe be§ 5)tarmor8. SMcr Jünglinge, bef leibet toic

170 roi[()elm aWeiftet« iitf)xia^n.

jene Mafien, traten i^intet bcn Xippiäicn l^crbot, 'i^obtn bcn l'd^iüerm, jci)ön öeräierten 2)e(fel ouf ben ©arg unb fingen ju= gleid^ il^ren ©ejang an.

S)ie S^üngltnge.

„2Bol)t bertoatjrt ift nun ber <Bä)a^, ba§ fd)öne ©eBifb' bcr s S3crgangent)eit! .g)ier im 5Rarinor rul)t unöcrjetirt; aucJ^ in euren ^erjen leBt e§, h)ir!t fort, ©direitct, fc^reitet tn§ ßebcn äurürf ! 9iel)met ben Ijeiligen ©ruft mit ^inauö, benn ber @mft, ber l^eittge, mod)t aUcin ba§ ScBcn jur 6tt)igteit."

S)a§ unfid)tbarc (5t)or fiel in bie legten 3Bürte mit ein, lo aber niemanb öon ber ©efellic^aft öernaljm bie ftärfenbenäöorte, jebeS ttiar ju fel^r mit bcn munberbaren (JntbedEungen unb feinen eignen ßmpfinbungen bef d)äftigt. 2)er SlBbe unb 9ZataIie fütjrten ben ^JZard^efe, 2öilt)elmen 2;t)crefe unb £otf)ario l^inauS, unb erft al§ ber ©efang ü^nen toöllig berl)allte, fielen bie ©d^merjen, ij bie SSetrai^tungen, bie ©ebanfen, bie 9leugierbe fie mit aQer ©etoalt tt)ieber an, unb felintid^ münfditen fie \iä) in jeneS @te= mcnt lieber jurüdE.

neuntes ^flpitel.

S)er 2Jlarc^efe bennieb, bon ber ©ad^e ^u reben, l^attc ober 20 ]§eimlid)e unb lange ©efprädEie mit bem Slbbe. 6r erbat fict), toenn bie @efcttjd)aft beifammen toar, öfterä ^ufit; man forgte gern bafür, n)eil jebermann aufrieben tuar, be§ ©efpräc^ä über» l^oben äu fein. ©0 lebte man einige Qdt fort, at§ man 6e= merfte, ba^ er 2lnftalt jur 5lbreife mac^e. 6ine§ Xageä fagtc 25 er ju 2Bilf)eImen : „^ä) berlange nid)t bie tiefte bc§ guten Äin= be§ ju beunrul^igen; bleibe an bem Orte jurürf, mo ge= (iebt unb gelitten l^at, aber feine f^i^eunbe muffen mir berfpre= d^en, midt) in feinem SSatertanbe, an bem 5]3Ia^e ju befuc^en, too ba§ arme ©efd^öpf geboren unb erlogen tourbe; fie muffen bie 30 ©äulen unb ©tatuen fef)en, bon benen il)m nod£) eine bunüc Sbee übrig geblieben ift.

Tl^te« «u<5. 5l«unU« «oplUI. 171

,^ä) toill ©te in bie Sudeten filieren, too [iz ]o fiem bie ©tctnd)en ;\uiammenlaö. ©ie luetben fid), lieber iunqet Ulann, bcT S)anf6arfeit einet ^^amiüc ni<^t ent^ie^cn, bie S^nen \o oiel fd^ulbig ift ^Ulorflen reife ic^ weg. 3^ ijaht bem 2tb6e bie

5 ganje ©ejcfiic^te oerhaut, er wirb fic SJl^nen toieberer^ä^len; er fonnte mir öerjei^en, »enn mein 8c^merä mic^ unterbrai^, unb tx toirb aU ein brittet bie Gegebenheiten mit mti)x 3ufammen= l^ang bortragen. SöoIIen 8ie mir nodi, toie ber "ühhi öorid[)tiig, auf meiner 9ieife burd^ 2)eutfd^tanb folgen, fo finb «Sie tt)iUfom=

men. ßaffen <Sie Stjren Änaben nic^t ^urücf ; bei jeber Meinen Unbequemlid^feit, bie et unS mac^t, tooHen toir unä 3f|rer 23or= forge für meine arme 5ii(^te hiebet erinnern."

iJioc^ felbigen 9lbenb ttiarb man burcf) bie Slntunft ber &x'ä= fin übcrrafd^t. SBiIt)elm bebte an ollen ©liebem, al§ fie ^crein=

15 trat, unb fie, obgleich oorbcreitet, ^ielt ftc^ an iljrer S^mefter, bie i^r balb einen ©tu^l reid)te. 2ßie fonbcrbar einfach njar i^r Stnjug unb tt)ie beränbcrt il^re ©eftalt! Söitfielm burfte faum auf fic l^inblirfen; fie begrüßte il^n mit greunblic^feit, unb einige allgemeine JlBorte tonnten il^re ©efinnung unb (5m^)fin=

n bungen nic^t öerbergen. S)er ^tard^cfc toar beijeitcn ju 3?ette gegongen, unb bie ©cfellfc^oft "^ottc noc^ feine 2uft, ficf) ju treu» ncn; bct Slbbc bto^te ein ^ionuftript l^eröot. „3c^ t)abe", fogte et, „fogteirf) bie fonbetbotc ©cfc^ic^te, wie [\z mit ont)er= traut tuurbe, ju Rapiere gebrod^t. Söo mon am »enigften

25 Jinte unb Prebet fpoten foll, bog ift beim Slufjeid^nen einjelnet Umftönbe mcrfwürbiger S3egebcnl)citcn." 5Jlon untcrriditetc bie ©röfin, ttjoöon bie Üiebc fei, unb ber 5lbbc loa:

„*UZcinen äJotcr", fogte ber ^lorc^efe, „mu^ i(^, fo biel Söelt id) oud) gefet)en l)obe, immer für einen ber munberborftcn 'iIJien=

80 f;^cn Rotten. Sein (^Ijarofter roor cbct unb gerabe, feine 3been loeit, unb man borf fagen gro§; er mar ftrcng gegen fid^ felb^; in ollen feinen ^^pionen fonb mon eine unbefted)tid)e öolge, on ollen feinen Jponblungen eine ununtcrbrod)cne Si^rittmäfeigfeit. 6o gut fid^ bo^er Don einet ©eitc mit i^m umgel)en unb ein

172 rotr^tlm aneifter» Se^ria^re.

©cjc^äft berl^anbctn Iic§, fo toenig fonntc er um cBcn bicfcr 6igcn|d)aften loitten fici^ in bie SBett finbcn, ba er öom ©taatc, tjon jeincn ^ac^baren, öonÄinbem unb ©efinbc bie SBeobad^tung aücr ber ©efe^e forberte, bie er ftc§ jelbft auferlegt tjatte. ©eine inä|igftcn fjoi^berungen tourbcn übertrieben burd^ jeine ©trenge, 6 unb er fonntc nie jum ®cnu^ gelangen, ttjeil nichts auf bie SCßeife entftanb, toie er firS^'ä gebadet l^atte. 3c| f)abe it)n in bem ?lugenblirf e, ba er einen -ipolaft baucte, einen ©arten anlegte, ein großes neueS ®ut in ber jd)önften ßage ertoarb, innertid^ mit beni ernfteften ^ngrimm überzeugt gefeljen, ba§ ©c^idffal l^abe lo it)n toerbammt, ent^attfam ju fein unb ju butben. ^n feinem äu^erlidien beobad)tete er bie größte SBürbe; toenn er fc^cr^tc, zeigte er nur bie überlegenl^eit feinet S5erftanbe§; toor il^m unerträglich, getabelt ju toerben, unb id) i)abz if)n nur einmal in meinem ßeben gonj au^er atter fjapng gefe^en, ba er l)örte, is ba^ man öon einer feiner 5lnftalten toie bon dtoa^ 2äd)erli(^em fprac^. 3n eben biefem ©eifte l^atte er über feine Äinber unb fein 23crmögen biäponiert. 2Jlein ältefter SSruber marb at§ ein 5Jlann crjogen, ber tünftig gro^e ©üter ju l^offen l^atte; iä) foEte ben geiftlicEien ©taub ergreifen, unb ber jüngfte ©otbat 20 toerben. ^ä) mar lebl)aft, feurig, tätig , f cE)neE, ju aUen förper» licl)en Übungen gefci)icft. ©er jüngfte fd^ien p einer 3lrt bon fci)tt)ärmerifcl)er 9^ut)e geneigter, ben SBiffenfdiaften, ber ^ufif unb ber S)id^ttunft ergeben. 9lur nac^ bem l^ärtften ßam;)f, na(^ ber böüigften Überzeugung ber Unmöglic^feit gab ber 25 S5ater, miemolil mit Söibermillen, nad^, ba^ toir unfern SSeruf umtauf d£)en bürften, unb ob er gleict) jeben bon un§ beiben 3U= frieben fa^ , fo lonnte er fid^ boci) nicE)t brein finben unb ber» fieberte, ba§ nid^tä ©ute§ barauä entftel^en toerbe. 2fe älter et voarb, befto abgefd^nittener fü'^ltc er fidf) bon aller ©efeUfdliaft. 30 (Sr lebte jule^t faft ganj aÜein. 9hir ein alter fji^eunb, ber un» ter ben S)eutfdl)en gebient, im gfelbjuge feine fjrau bertoren unb eine Sod^ter mitgebrad£)t l^atte, bie ungefäl^r jelin ^a^x alt aar, blieb fein einjiger Umgang. S)iefer faufte \\ä) ein artiges ©ut

a^te« 9u^. SReuntt« Slapiul 173

in bet 5la^bor|d^aft, ja;^ meinen Satci ju Bcftimmtcn Sagen unb ©hinten bei Söoc^e, in bcnen er aud^ niand^mal jeine S^od^ter niitbradEitc. @t ttibcrfprad^ meinem Sater niemals, ber fic^ jule^t ööllig an il^n gett)ö{)nte unb ii)n aU ben einzigen er=»

5 tröstic^en ©efeUfd^after bulbete. ^aä) bcm 2obc unsere» 35ater§ merften wir too^I, ba§ biejcr 5Jlann öon unterm Sitten trefftit^ auSgeftattet toorben toar unb feine 3eit nic^t unifonft ^ugebrac^t l^oltc; er erttieitertc jeine ©üter, jeine Sod^ter fonnte eine j^önc SJlitgift ertoarten. S)a8 2Jldbc^en tt)uci)§ ^eran unb toar t)on

10 jonberbarer ©(f)önf)eit; mein alterer SSruber jd^erjte oft mit mir, ba^ id^ mid^ um fie betoerben joEte.

„Snbejfen "^atte SSruber Stuguftin im Älofter jeine 3a^rc in bem jonberbarften 3uftanbe jugebrad^t; er überlief fid^ ganj bem @enu^ einer l^eiligcn (Sd^mdrmerei, Jenen f)Q.lb geiftigcn,

15 ^alb Jj^^fijc^en ©rn^jfinbungen, bic, toie jie il^n eine Zeitlang in ben britten .£)immel erhüben, batb barauf in einen Slbgrunb öon C^nmad^t unb leereä @Ienb berfinten liefen, iöei meines 35aters> Seb^eiten mar an feine S3eränberung ju benfen, unb ma§ ^ätte man toünfd^cn ober öorj(^tagen fotten? 3laä) bem Sobc

20 unferä S3ater§ bejud^te er un§ fleißig; jein 3uftanb, ber un§ im Slnfang jammerte, marb nad^ unb nad^ um öieleä ertröglid^er; bcnn bie Vernunft f)atte gefiegt. StIIein je fid^rer jie it)m ööllige 3ufrieben^eit unb .^eilung auf bem reinen SBegc ber Statur ücrjpra(^, befto lebf)after öerlangte er öon uni, ba^ toir it)n

25 öon feinen 6etübben befreien fottten; er gab ju üerjte^en, ba^ feine 2tbfid^t auf ©perata, unfere 9iadt)barin, gerichtet fei.

„allein älterer Sruber l^atte ju öiel burd^ bie ^artc unfereä Satcrä gelitten, aU ba§ er ungerü'^rt bei bem 3"= ftanbe be§ jüngften l^ätte bleiben fönnen. 3öir fprad^cn mit

30 bem S3cid^töater unfercr fJrfliniliCr einem alten toürbigen ^anne, entbecCten il)m bie boppelte Slbfidl)t unfere« 33nibcr«( unb baten il)n, bie ©ac^e einzuleiten unb ju bejörbern. 2öiber jeine @etDol)n^eit jögertc er, unb alä enblidt) unfer 33ruber in und brang, unb töir bie ^Ingelegenl^cit bem ©eiftlid^en lebtiafter

174 a?ilt)ttm äntiftett £tW>^r«

ein^ra^tn, inufetc ex fxd^ entjd)Uc&cn, unä bie jonbcrBare @c» ^d^ic^te ju entbctfcn.

„<5perata toai unfre ©d)roc[tcr, unb ätoar jotool^l bon Sater qI§ ^Jluttet; 9Ieigung unb ©innlid^!eit l^atten ben ^attn in ipatcren Sla^ren nod^nals übemältigt, in toeldjen ba§ ülcd^i 5 bei ßljegattcn jd)on öerlojc^en ju jein jd)eint; über einen äf)n= tid)en g-aü l)atte man fid) furj öorljer in ber ©egenb luftig ge= inac^t, unb mein Sßatet, um fid) nid|t gtcic^fallä bem £Qc^et= Iid}en ausäufe^en, bejd)lo^, biefe fpätc, gefe^mä^igc iJrud^t ber ^iebc mit eben ber ©orgfalt ju t)ert)eimlid)en, aU man fonft lo bie fi-ül)crn äufättigcn f^rüi^te ber Steigung ju öcrbcrgen t^flegt. Unjere Diutter !am l^eimlic^ nieber, baä Äinb tourbe aufä Sanb geBrad^t, unb ber alte ^au^freunb, ber nebft bem S3eic^toater allein um ba§ ©el^eimniö tou^te, Iie§ fid) leid)t bcreben, fie für feine 2:od)ter au§äugeben. S)er SBeidjtboter l)atte fid) nur au§:= is bebungen, im äu^erften ^JaE ba§ (55el)eimni§ entbeden ju bürfen. S)er SSater toar geftorben, ba§ jorte 5Räbc^en lebte unter ber Sluffid)t einer alten grau; toir mußten, ba^ ©efang unb 5Utufif unfern S3rubcr fc^on bei il^r eingefül^rt l)atten, unb ba er un? tDiebert)ült aufforbertc, feine alten 33anbe ju trennen, um bas 20 neue äu fnüpfen, fo toar nötig, i'^n fobalb al§ möglich öon ber ©efal)r lu unterrid)tcn, in ber er fd)mebte.

„gr fa^ un§ mit toilben, öerad)tenben JBliden an. ,<5part eure unn3al)rj(^einlid)en Wäxä^m', rief er au§, ,für Äinber unb leii^tglaubige Sporen! mir toerbet il)r Speraten nid)t öom ^cr= 25 jen reiben, fie ift meinl 25erleugnet fogleid^ euer fd|redtid)e§ @e= ;:pcnft, ba§ mi(^ nur t)ergeben§ ängftigen toürbe. ©perata ift ni(^t meine Sc^mefter, fie ift mein 2Beib!' 6r beft^rieb unä mit gntjüden, toie i^n ba§ l)immtif(^c 5Jläb(^cn au§ bem 3u= ftanbe ber unnatürlid)cn Slbfonberung üon ben 5]tenfd)en in ba§ 30 iüa'^re Seben gefüljrt, toie beibc ©emüter gleid) beiben Äel)len äujammen ftimmten, unb toie er aEc feine Seiben unb S5erirrun= gen fegnete, toeil fie il)n öon atten ^^^auen bi§ bal)in entfernt gel)alten, unb toeil er nun ganj unb gar fid) bem lieben§toür=

H(S)tt* f6u<tf. >Reume4 itapitd. 175

bigftcn ?Dläbd^cn ergeben fönne. JßHr cntie^ten unS über Ut ßntbccfung, un» iammcrtc icin 3u[tanb, toir teuften un§ ni(^t ^u Reifen, er öerjiii)crtc unä mit Jpeftigfcit, ba^ ©perata ein Äinb öon i^m im S3ufen trage. Unjcr SScic^töatcr tot aEeg,

6 toai if)m |einc '4>fliii)t eingab, aber baburd) tt)arb ba§ Übel nur fc^Iimmer. S)ie 33erf)ältnifle ber Ütatur unb ber 9ieIigion, bcr fittlic^en 9ied^te unb ber bürgerli(i)en ©cje^e tourbcn öon mei» ncm 58ruber au]i I)eftisftf burcf)gefo(i)ten. '^x6^t^ jd)icn il^m l^eilig alä ba§ 33eri)ältniä ju Sperata, ni^t§ jc^icn i^m njürbig

10 als ber 9laine 33ater unb ©attin. ,£ieie attein', rief er auä, jfinb bcr 9latur gemöB, alleä anbere fmb ©ritten unb 5)teinun= gen. ©ab es ni(i)t ebte 23ö(fer, bie eine ^eirat mit ber Sd^roefter bittigten? 5lennt eure ©ötter nic^t', rief er auä, ,i^r braudjt bie Flamen nie, aU wenn il^r un§ betören, unä öon bem SBege

15 ber yiatur abführen unb bie ebclften triebe burc^ fc^änblic^en 3tDang ju SSerbrec^cn entfteüen moHt. S^^ größten 3}crn)irrung beä ©eiftcä, jum ic^änbnd)ftcn 'JJliBbrauc^c beö ilörperä nötigt i^r bie ©d^lai^topier, bie it)r lebenbig begrabt.

,„3d^ barf rcben, bcnn id) tjahc gelitten Ujic feiner, öon ber

20 l^öc^ften, jüBcften i^ütte ber 8c^roänncrei biä ju bcn fürd)ter= lid)en SBüften ber Ct)nmarf)t, ber Sccr^cit, ber 2Jemid)tung unb SBerjnjeittung, öon ben I)öd)[ten 9l^nungcn überirbijc^er 9Bcien bi§ ^u bcm öölligften Unglauben, bem Unglauben an mir jclbft. SlUcn bicfcn entje^Iid^en Sobenfa^ beg am 9tanbe fd^mcic^cln=

25 ben iJelrf)^ 1)abe iä) aulgctrunfen, unb mein ganjcä 223ejen »ar bi» in fein 3nncrftc§ öergiftet. 5iun, ba mirf) bie gütige 9iatur burd^ it)rc größten ©oben, burd^ bie Siebe, toicber geljeitt l^at, ba ic^ an bem 23ufen cineä l^immlifd^cn ^I)läbd)enä «lieber füt)(e, baß id) bin, baß fie ift, ba^ wir einS fmb, baß au§ bicfer Ieben=

30 bigen Scrbinbung ein britteä entftet)en unb un§ cntgcgentädjeln jott, nun eröffnet it)r bie stammen eurer .Rotten, eurer ^fgc^ fcucr, bie nur eine franfe (Jinbitbungäfraft öerfengen fönnen, unb ftellt fic bcm lebhaften, JDaI)ren, unjcrftörtic^en ©cnu^ ber reinen iJicbe entgegen! SBegegnet unS unter jenen 6l)preffcn, bie

176 gPlI^etm TOdflera Zt^tjalfte.

ij^re crn[t^aften ®i^)fel gen ^immcl toctiben, Bcfud^t unS an jenen ©polieren, h)o bic Zitronen unb ^Pomeranjen neben unä blüljn, too bie aierlid^c 2Jlt)rte un§ it)re garten SSIumen bar» reid^t, unb bann toagt e§, unä mit euren trüben, grauen, bon gjlcnjc^en geiponnenen 9iet^en p ängftigen!' 5

„80 beftanb er lange 3eit auf einem l^artnäcEigen Unglau= ben unjcrcr ©rjäl^lung, unb jule^t, ba toir il^m bic 2Bat)r{)eit berjetben beteuerten, ba [ie il^m ber Sßeid^töater jetbft öerfic^ertc, lie^ er \i<i) hoä) baburd) ntd^t irre macf)en, bielmel^r rief er au§: ,gragt nid^t ben Söiberl^aE eurer Äreuägönge, nid)t euer öer= 10 moberteä Pergament, ni(i)t eure berfc^ränttcn ©ritten unb S3er= orbnungen! fjtagt bie 9iatur unb euer .^erj, fie tt)irb eud^ lehren, bor toa§ i^r ju jctiaubem l^abt, fie toirb cud^ mit bem ftrengften f^inger jeigen, toorüber fie etoig unb untoiberruftid^ il^ren gluc^ au§fprid)t. ©el^t bie ßilien an: entfpringt nid^t is (Satte unb ©attin auf einem ©tengcl? S5erbinbet bcibe nid^t bie SSIume, bie Mht gebar, unb tft bie ßilie nid£)t ba§ SSilb ber Unfd^ulb, unb i^re gefd^mifterlid^e ^Bereinigung nid^t frud^tbar? SOßenn bie 9latur berabf(f)eut, fo fprid^t fie laut au§; bag ®e= fd^öpf, bag nid^t fein foll, fann nid^t toerben; ba§ ©efd^öpf, ba§ 20 falfd^ lebt, toirb frü!^ ^erftört. Unfrud£)tbarfeit, fümmertic^eS 2)afein, frül^äeitigeä Qtx^aUtn, ba§ finb i^re f^Iüd^e, bic ^enn= jeidien i!§rer «Strenge. 9tur bur^ unmittelbare tjolgen ftraft fie, 3)a! fef)t um euc^ l^er, unb toa§ öerboten, toa§ öerflud^t ift, toirb eud^ in bie Singen fallen, ^n ber ©tttte be§ ÄlofterS unb im @e= 25 räufi^e ber SBelt finb taufenb .^anblungen gel)eitigt unb geeiert, auf benen i'§r ^tiid^ ni'^t. Stuf bequemen 5Jlü§iggang fo gut aU überftrengte SIrbeit, auf SBillfür unb Überfluß toie auf 5iot unb ^Hanget fief)t fte mit traurigen Singen nieber; jur 2Jlä|igfett ruft fie; toa'^r finb aEe if)re Serl^öltniffe unb rul^ig atte i^rc 2ötr= 30 fungen. 2Ber gelitten l^at toie iä), fjat ba§ 9fied^t, frei ju fein. ©pe= rata ift mein; nur ber Zoh foll mir fie nel^men, 2öie \ä) fie bel;at= ten !ann, tote iä) glücftid^ toerben fann, ba§ ift eure 6orge! 3^e^t gteid§ ge^' iä) ju il^r, um mid§ nid^t toieber öon itjr äu trennen.'

«c^teS Suc^. Keunte« itapiteL 177

„(st toolltc nad^ bcm «Schiffe, um ju i^r üBcrauje^en; toir hielten ii)n ab unb baten i^n, baß er feinen <5rf)rttt tun möd^te, bei bic jd^tcdflic^ften folgen '^abcn !önnte. ßr foHe überlegen, ba^ er nid^t in ber freien 2Bett feiner ©ebanfen unb 3JorfteIIun=

5 gen, fonbem in einer 33erfafiung lebe, beren ©eje^e unb SBer= ^dltniffe bic Unbejtoinglictifeit eineS ^flaturgefe^eä angenommen i^abciL SBir mußten bem Seic^töater tjerjpret^en, ba^ toir ben Söruber nic^t au8 ben 3Iugen, nod^ toeniger au§ bem <S(^Iojfc laifen tooüten; barauf ging er toeg unb berfprac^, in einigen

10 Sagen toieberjulommen. SBaä toir borau^geje^en ijatttn, trof ein; ber S5erftanb l^atte unfern S3ruber ftarf gemad^t, aber fein ^exi toar toeic^; bie frütjcm ßinbrücfe ber Steligion tourben Icbl^aft, unb bie entfe^Iid^ften Steifet bemächtigten fic^ feiner. 6r brad^tc jtoei fürd)terlidf|e Sage unb 9täc^te ju; ber S3eidljt=

.. öatcr !am i^m toiebcr ju ^ülfe, umfonft! S!er ungebunbene freie SSerftanb fprad^ i^n Io§; fein ©efü^t, feine Ütetigion, aKe gewohnten SSegriffe erftärten il^n für einen S5erbre(^er.

„(Jincä 2)lorgen§ fanben toir fein 3itiimer leer, ein Slott lag auf bem Sif^c, toorin er unä crflärtc, ba| er, ba toir i1)n

üo mit ©etoalt gefangen l^ielten, berechtigt fei, feine 5Teit)eit ju fud^en; er entflieiie, er gef)e ju Sperata, er l^offe mit i^r ju cnt= fommen, er fei auf aüeä gefaxt, toenn man fie trennen tooße.

„2öir erfd^rafen nid^t toenig, allein ber Seid^tüater bat un§, ru^ig ju fein. Unfer armer Sruber toar nal^c genug beobad^tct -- toorben: bie Sd^iffer, anftatt i^n überjufe^en, führten itjn in fcinÄlofter. ßrmübet öon einem öierjigftünbigenäöat^cn, fd^tief er ein, fobalb i^n ber Äa^n im 5Ronbenfd^cine fc^aufelte, unb cctoad[)te nid^t früher, aU bi^ er ftdt) in ben ^änben feiner geift= lid^en Vorüber fo^; er ertplte fid) nid^t el^er, alä biä er bie iHo=

, ) fterpf orte hinter fi^ juf^Iagen l^örte.

„Sd^merjüd^ gerüf)rt Don bem igd^idEfal unfereä 58ruber^, modf)ten toir unferm Seid)ttiatcr bic teb'^aftcftcn S^ortoürfe; allein biefer et)rtoürbige ^lann tonnte un§ balb mit ben @rün» ben beä SBunbarjteä ju überrcben , boß unfer 5JlitIeib für ben

(Porter X. 12

]^78 aStl^elm SReifier« Sd^rja^rc

armen Äranlen tbhliä) fei (Sx l^anblc nii^t au§ eigner SöiEfür, jonbem an] S3efel)l bcä S3ijd^of§ unb be§ |)ol9en Siateö. S)ie ?tb= fid)t njar, atte öffentüd)e Slrgemiä ju öermeiben unb bcn trau* rigen i^aU mit bem ©djleier einer get)eimen ^rd^enjuc^t ju bcrberfcn. 6perata jottte gejdiont toerben, fte jottte nic^t er= & fat)ren, ba^ it)r ©eliebtcr äugleid) il)r SSruber fei. 6ie ttarb einem ©eiftlidien anem|)fot)ten, bem jie üortjer ji^on il^rcn QU' ftanb öertraut ^attc SSRan h)u^te i^re Sd^ttiattgerjd)aft unb 9ticbertunjt ju Verbergen, ©ie xoax aU 2Rutter in bem tleinen ©eit^öpfe ganj gtürftid). ©o toie bte meiften unjerer ^Jldbdjen lo fonnte fie meber fd)reiben noc^ ©efc^riebeneS lefen; fie gab ba« l)er bem ^ater 3luf träge, \va^ er it)rem ©cliebten fagen jottte. S)iefer glaubte ben frommen SSetrug einer fäugenben 5)ftutter fc^ulbig äu fein, er Bract)te it)r 9lact)rid)ten bon unferm SBrubcr, ben er niemals fa^, ermaljnte fie in feinem 5^amen jur 9iul)e, i5 bat fie, für fid) unb bag Äinb ju forgen unb megen ber ^u^unft ©Ott äu öertrauen.

„©perata xoax Don ^fiatur jur 3fieIigiofität geneigt, ^^x 3u» ftanb, it)re einfamteit t)ermel)rten biefen 3ug, ber ®eiftlid)c untert)iclt i'^n, um fie nac^ unb nac^ auf eine etoige Trennung 20 öoräubereiten. Äaum toar ba§ Äinb entmöt)nt, laum glaubte er il)ren Körper ftarf genug, bie ängftlid)ften ©eelenleiben ju er» tragen, fo fing er an, ba§ S3ergef)en it)r mit fc^redlidjen färben tooräumalen, ba§ S5erget)en, fid) einem ®eiftlid)en ergeben ju ^aben, ba§ er at§ eine 2lrt öon ©ünbe gegen bie ^flatur, al§ 26 einen ^nceft bel)anbeltc. 2)enn er l^atte ben fonberboren (Se= banfen, il)re 9ieue jener 9teue gleid) ju mad)en, bie fie empfun» ben liaben würbe, njcnn fie ba§ matire 2}erl)ältui§ ii^re§ 5e§l= trittä erfafiren t)ätte. 6r brachte baburd) fo öiel Sfammer unb 5?ummer in iljr ©ernüt, er ert)ö^te bie Sfbee ber ^rc^e unb ii)xt§ 3o Cberl)aupte§ fo fel)r öor iljr, er geigte it)r bie fd)rerflid)en folgen für ba§ ^eil atter ©eelen, toenn man in fold^en Rotten nad^= geben unb bie ©traffättigen bur(^ eine red)tmä^ige 3)erbinbung nod) gar betolinen tootte; er jeigte i^r, mie l^eitfam fei, einen

nd/tti eu4. neuntes ftapUeL 179

folc^en &e^lcr in ber 3cit abäubüfeen unb bafür bctcinfl bie Ärone ber ^errlid)fcit ju crtoetben, ba^ fic enbtid^ toie eine atme ©ünberin i^rcn 9lacfen bem S3cil toiEig barreic^te unb inftänbig bat, baß man fie auf etoig Don unjerm SSruber cnt=

5 fernen möd^te, 3118 mon fo öicl öon U)x erlangt ^atte, Iie& man i:^r, boc^ unter einer gettiffen 3Iuffic[)t, bie greiljeit, balb in il^rer 2öot)nung, balb in bem Älofter ju fein, je nacf)bem fie für gut l^ielte.

„3^r Ä'inb tDUi^i tieran unb jeigte balb eine fonberbare

9latur. fonnte fet)r frü^ laufen unb fici) mit aüer ©efd^itf^ Cid^feit betocgen, ei fang balb fel)r artig unb lernte bie 3itt)er glcit^fam öon \\ä) fetbft. ^Jlur mit Söorten tonnte fid^ nid^t auibrücfen, unb f(^ien ba8 |)inbemi§ met)r in feiner S^en» fung^art ali in ben Spra^merfäeugen p liegen. S)ie arme

16 -Dlutter füllte inbeffen ein traurige^ 5öert)ältnii ju bem .Jhnbe; bie Set)anblung bei ©eiftltd^en ^atte it)re Sorftellungiart fo öerroirrt, ba§ fie, o'^ne maljnfinnig ju fein, ftd) in ben feltfamften 3uftänben befanb. 3t)r 33crgel)cn icf)ien it)r immer fd)recfli(^er unb ftraffälliger ju toerben; bai oft toieberl)olte ©leidinii bei

20 ®ciftli(^en öom 3nceft '^atte fic^ fo tief bei it)r eingeprägt, ba§ fie einen fold)cn 2tbf(^eu empfanb, ali toenn i^r bai 9}ert)ält» nii fetbft befannt getoefen märe. 2)er SSeiditöater bünfte fic^ nid)t toenig über bai ^unftftücf, tooburd^ er bai .^erj einci un= glütflic^en @efcl)öpfci jerri^. 2lämmcrlic^ toar ei an^ufetjcn,

26 wie bie Mutterliebe, bie über bai 2!afcin bei i^inbei fi(^ fo tjerj» lic^ ju erfreuen geneigt toar, mit bem fd^recflirf)cn ©ebanfcn flritt, ba§ biefei SÜnb nic^t ba fein follte, Salb ftritten biefe beibcn (yefüljle äufammen, balb toar ber 9lbfdE)cu über bie ßiebe getoaltig.

80 „Man l^atte bai ilinb fd)on lange öon i^r toeggenommen unb ju guten ßcutcn unten am 6ee gegeben, unb in ber nieljrern grciljcit, bie ei ^atte, jcigte fic^ bolb feine befonbre !^uft jum ftlettem. %k t)örf)ften ©ipfel ju erftcigen, auf ben Dtänbern ber ©d^iffe toegjulaufen unb ben ©eiltänäern, bie fic^ mond^»

12*

180 iBil^etm Weifter» fle^rjn^re.

mal in bem Orte \t^tn liefen, bic »unberlicEiftcn ÄunflftüdEc na(ä)äuma(^cn, war ein natürtid)er jtrteb.

„Um ba§ alleä leichter ju üBen, liebte fie, mit ben Änaben bie ßleiber ju toediietn, unb ob gteid^ bon i§ren ^flegeltem l^ö(i)[t unanftänbig unb unäuläjfig get)alten tourbe, jo liefen 5 toir it)r bocE) foüiel at§ möglid^ nae^fe^en. S^re lounberlid^cn SBege unb ©prünge fitt)rten fie mand^mal toeit; fic öerirrte fi(^, fie blieb au§ unb tam immer tüieber. 5lleiftentcit§, toenn fie 3U= Tücfte^rte, fc^te fie fid^ unter bic ©äulen be§ ^ortalä öor einem £anbt)aujc in ber ^ad)barid}aft; mon fu(i)tc fxc ntd^t melir, man 10 ermartcte fie. S)ort fc^ien fie auf ben Stufen auSjurutien, bann lief fie in ben großen <Saat, befa§ bie ©tatuen, unb tcenn man fie ntd^t befonberS aufl)ielt, eilte fie nac^ ^aufe.

„3ule^t toarb benn hoä} unfer .g)offen getöufd^t unb unfcrc 9tac^fict)t beftraft, SDaä Äinb blieb au§, man fanb feinen ^ut 15 auf bem Söaffer fdinjimmen, nid)t toeit öon bem Orte, too ein ©ie^bac^ fict) in ben (See ftür^t. 9)tan öermutete, ba§ bei feinem Älettem ätoifc^en ben Reifen öerunglüdEt fei; Ui altem 9la(^for|c^en fonnte man ben Körper nic^t finben.

„3)urc^ ba§ unöorfid^tigc ©efdjtoö^ il)rer®efeltfd^afterinnen 20 erfuhr ©perata balb ben Stob it)re§ Äinbeä; fie fd^ien rul^ig unb l^eiter unb gab nirfjt unbeutli(^ ju öerftc^en, fie freue firf), ba^ @ott ba§ arme ©efc^öpf ju fid^ genommen unb fo bettal^rt I)abe, ein größeres Unglüdf ju erbulben ober ju ftiften.

„58ei biefer ®etegent)eit famen aüe ^Mrd^en jur ^pxa6)t, 25 bie man öon unfern äBaffem ju er^äl^len pflegt. ]^ie§: ber ©ec muffe aUe Satire ein unfc^ulbigeS ^inb ^bcn; er leibe feinen toten ilörpcr unb toerfe i^n frül^ ober fpät an§ Ufer, ja fogar ba§ le^te Änöd[)el(^en, toenn ju ©runbe gefunten fei, muffe lieber l§erau§. 5Ran erjäl^lte bie @ef(i)ic^te einer untröft» so liefen 5Rutter, beren Äinb im ©ee ertrunfen fei, unb bie @ott unb feine |)eiligen angerufen l^abe, i^r nur toenigftenä bie @e= beine jum S5egräbni§ ju gönnen; ber näc^fte ©türm l^abe ben ©(i)äbel, ber folgenbe ben 9iumpf an§ Ufer gebrai^t, unb nad^=

K^tt» Suc^ 92eunUd ftapiUL 181

htm aUti bcifammen getoefen, ^abz ftc jäintticE)c ©eBeine in einem Xud) jut Sürä^e getragen, oBer, o SQ8unbct! aU fic in bcn Xtmpel getreten, jei ba§ ^atet immer fc^merer geroorben, unb enbUc^, aU fie auf bie Stufen beä 2lltar§ gelegt, I)abe baä

5 ^inb ju fd^reien angefangen unb ftcE) ^u jebermannä ©rftaunen auä bem Zud^t Ioggemacf)t; nur ein Änöd)el(i)en be§ Keinen gingeri an ber recEiten ^anb ^abe gefet)lt, tt)eldf)e§ benn bie 5Jiutter nad^l^er noc^ forgfältig oufgefuc^t unb gefunben, ba§ benn aud) nod^ jum (Sebä(f)tni§ unter anbem ^Reliquien in bct

10 ßirc^e aufgehoben toerbe.

„?Iuf bie arme 5Ruttcr nmcEiten biefc ©cic£)irf)ten großen (Jinbrurf; il^re ßinbilbungätraft füllte einen neuen (Sc^roung unb begünftigte bie 6n4)finbung it)reä .g)er5eng. ©ic na^m an, bafe baä ^nb nunmef)r für ft^ unb feine ßltcm abgebüßt ijaU,

15 bafe 5Iu(^ unb Strafe, bie biäf)er auf il^ncn geruht, nunme'^r gönjlid^ gel^oben fei; bafe nur borauf anfommc, bie ©ebeinc beS ihnbeä toieber^ufinben, um fie narf) JRom ju bringen, fo tDÜrbe ba§ iHnb auf ben (Stufen be§ großen 2lltar§ ber ^4^^eter§= firi^e toieber, mit feiner fc^önen frifc^en |)aut umgeben, öor bem

«0 Sßolfe bafte^n. (S§ toerbe mit feinen eignen 2lugen wieber 25atcr unb Butter fci^auen, unb bet ^^a^jft, toon ber ©inftimmung Öottcö unb feiner .^eiligen überzeugt, toerbe unter bem lauten 3uruf be§ 95otf^ ben ßltem bie ©ünbe öergeben, fie losfpred^cn unb fie öerbinben.

25 „9iun waren ifjre 3lugen unb i^re Sorgfalt immer nai^ bem ©ce unb bem Ufer gerid)tet. Söenn na(^t§ im ^JJionbglanj fic^ bieSBellcn umf(f)tugen, glaubte fie, jeber blinfenbc ©aum treibe ii)x Äinb l^eiöor; e^ mu^tc jum ©d^eine iemanb l)inab= laufen, um eS am Ufer aufzufangen.

ao „So toor fie oud^ beS Sageä unermübet an ben ©teilen, too ba^ fiefige Ufer flacf) in bie ©ce ging; fic famihctte in ein ßörb» 6)tn ade Anoden, bie fie fonb. 9liemanb burfte ifjr fagcn, ba§ e8 2icrfnod)en feien; bie großen begrub fic, bie f leinen ^ub fic auf. 3n biefcr 93cf(f)äftigung lebte fte unabläjfig fort. S)cr

182 rotl^elm anttfter» EeWo^«.

©eiftlid^c, bcr burd^ btc unetlä^Iid^c ?lu§üBung leinet ^ftid^t listen ^uftanb berurjac^t t)atte, nal^m [xdcj aud^ il)rcr nun au8 aüen Gräften an. S)urc^ feinen ßinflu^ »arb [ie in ber ©egcnb für eine ßntjücfte, nitf)t für eine SerrüdCte get)alten; man ftanb mit gefalteten .^änben, Wenn fie öorbeiging, unb bic Äinber s fügten il^r bie .^anb.

„^l^rer alten lyteunbin unb Begleiterin toar bon bcmSei(^t= bater bie (£d)ulb, bie fie bei ber unglücfltd^en Serbinbung beibcr ^erfonen gehabt '^aben mod^te, nur unter ber Sebingung er= laffen, bafe fie unabläjfig treu il)r ganje§ tünftige^ ßeben bie lo Unglüiflidf)e begleiten folle, unb fie t)at mit einer bett)unbem3= toürbigen ©ebulb unb ®ett)iffenl)aftigfeit it)re 5pflid)ten bi§ ju» le^t ausgeübt.

„2öir Ratten unterbeffen unfern ©ruber nid^t au§ ben Singen berloren; meber bie Sträte no(^ bie ®ei[tlid)!eit feine§ 5llofter§ i5 toortten un§ erlauben, bor il^m ju erfdt)einen; allein um un§ ju liberjcugcn, ba§ it)m nai^ feiner Slrt n)ol)l ge{)e, fonnten tt)ir if)n, fo oft mir tooUten, in bem ©arten, in ben ^eujgängen, ja burd^ ein f^renfter an ber 2)ecCe feinet 3^nii"c^^ belaujd^en.

„^ad) bielen fd^recflid^en unb fonberbaren 6bodt)en, bie \äj 20 übergel)e, mar er in einen feltfamen 3uftanb berSRu^e beö®eifte§ unb ber Unruhe be§ ßörper§ geraten. @r fa§ faft niemals, al§ tticnn er feine ^arfe nal)m unb barauf fpielte, ba er fie benn meiftenä mit ©efang begleitete. Übrigen§ mar er immer in S3c» toegung unb in attem öu^erft lenffam unb folgfam; benn oKe 25 feine ßeibenfdf)aften f(f)ienen fid^ in ber einzigen i^urd^t beä JobcS aufgelöft ju t)aben. SiRan lonnte i^n ju aEem in ber SBelt be= megen, toenn man il^m mit einer gefä'§rlic£)en Äranf^eit ober mit bem 2;obe brol)te,

„Slu^er biefer ©onberbarleit, bat er unermübet im Älofter 30 ■^in unb ^er ging unb nicl)t unbeutlic^ ju berftef)en gab, ba^ noc^ bcffer fein mürbe, über SSerg unb 2:äler fo ju manbeln, fprac^ er aud^ bon einer 6rfcE|cinung, bic xt)n getoö^nlid^ äng= ftigte. ©r be^uptetc nömlidE), ba^ bei feinem @rtoadt)en 3U jeber

«4tc< eu<!(. 9le»ntei AapUeL 183

©tunbe ber ^lac^t ein \6)bnn ihtabc unten an feinem SSette ftel^c unb i!^m mit einem blanten Keffer bro^c 3Jian öerje^te i^n in ein anbetet 3*f""^fi^' allein er be{)aiiptete , auc^ ba, unb julc^t fogat an anbern Stellen bcä Älofter^ [tef)e ber Änabe im ^in«

h ter^alt. Sein 3luf= unb Slbroanbeln toarb unrutjiger, ja man erinnerte fit^ na(^tjer, ba^ er in ber 3eit öfter al§ fonft an bem Sfenfter gcftanben unb über bcn See ^inübcrgcfc^en ijobt.

„Unfere arme Sd)n)efter inbeffen fd)ien öon bem einzigen ©ebanfen, öon ber befc^ränften S3efcf)äftigung nad^ unb nac^

10 aufgerieben ju werben, unb unfer Slrjt fc^Iug öor, man fottte il^r nac^ unb nac^ unter i^re übrigen ©ebeine bie ^ocf)eu cine§ ilinberffelettä mifd^en, um baburrf) i^re Hoffnung ju öermef)ren. S)cT Söerfu^ mar ämeifeftiaft, bod) f(^ien toenigftcnä fo öiet babei geroonnen, ba^ man fie, mcnn aEe 2eite beifammen mären, öon

15 bem eroigen Sudjen abbringen unb iljr ju einer 9ieife nad) 3tom Hoffnung madjen fönnte,

„Gä gefd)a^, unb i^re SSegleiterin öertaufd^te unmerflit^ bie i^r anöertrauten f leinen 9te[te mit ben gefunbenen, unb eine unglaubli(^e Söonne öerbreitete fid^ über bie arme ^anfe, aU

20 bie ieile fi(^ na^ unb nad) jufammenfanben, unb man biejeni^ flen be^eic^nen fonnte, bie nod) fcf)Üen. Sie t)atte mit großer Sorgfalt jeben 2eil, too er ^ingcf)örte, mit ^äben unb Sßänbern bcfeftigt; fie ^attc, toie man bie Äörper ber ^eiligen ju e^ren pflegt, mit Seibc unb Stieferei bie 3^ii<^fni^Quinc aufgefüllt.

26 „So fjatte man bie ©lieber jufammenfommen laffen, fehlten nur rocnige ber duneren (Snben. ßincg Dlorgenö, al8 fic noc^ fi^Iief, unb ber ^cbicu§ gefommen toar, nad) if)rem Sefinben ju fragen, nafjxn bie ^^ilte bie öeref)rten tiefte auü bem iläftd)en roeg, baä in ber S(^[affammcr ftanb, um bem Slr^tc

■.'< au jeigen, roic fic^ bie gute Äranfc bcfd)äftige. 5hirj barauf ^örte man fie au§ bem S3ette fpringcn, fie t)ob baä Hwi) auf unb fanb baö Aufteilen leer. Sie roarf fic^ auf if)re jRnie; man fam unb t)örte i^t frcubigeö, inbrünftigeä (Scbet. ,3|a! e3 ift toaf)r', rief fic ani, ,eä roar fein Jraum, ei ift roirflic^! greuct

184 ifflil^elm SBcillerJ gtWa^«-

tuä), meine greunbe, mit mir! 3(^ 1)dbt ba§ gute, jc^öne ®c= jd^öpf toieber lebcnbig gejeljen. [taub auf unb toarf ben ©c^leier öon ficE), jein ©lanj erleucEitcte bag 3inimer, feine ©d^önl^eit ttjar öerftärt, fonnte ben S3oben ni(f)t Betreten, 06 gleid) loollte. 2cid)t toarb em:|3orgel)oben unb fonnte mir 5 nic^t einmal feine ^anb reid^en. 3)a rief mid^ ju fid^ unb jeigte mir ben SBcg, ben icE) gelten foltt. ^6) toerbe il)m folgen, unb Balb folgen, id^ ^üi)V e§, unb toirb mir fo leidet um8 ^erj. ^ein Plummer ift öerfd^lounben, unb fdE)on ba§ 5lnfdE)auen meines 2Bicberauferftanbenen l^at mir einen S5orfd§madE ber 10 l^immtifc^en f^reube gegeben.'

„Son ber 3eit an tt)ar i^r gan^eg @emüt mit ben l^citerften 3lu§fid)ten befd^äftigt, auf feinen irbifd^en ©egenftanb rid^tete fie il^re 5tufmerffamfeit mel^r, fte geno^ nur toenige ©peifen, unb il^r ©eijt mad^te fid^ nac^ unb nad^ öon ben S3anben be§ Äör= 15 perä to§. 3lud^ fanb mon fie jule^t unöermutet erblaßt unb ol^ne gmpfinbung; fie öffnete bie Slugen nid^t toieber, fie toar, toa§ toir tot nennen.

„S)er 9tuf i^rer S5ifion f;atte fidti batb unter ba§ SJoIf ber« breitet, unb ba§ e^rtoürbige 3lnfel^n, ba§ fte in i^rem Seben ge= 20 no§, öertoonbelte fi(^ nad^ il^rem Sobe fcfinett in ben ©ebanfen, ba^ man fie fogleid^ für feiig, ja für tieiltg galten muffe.

„3II§ man fie ju @rabe beftatten toollte, brängten fid^ biele 2Renfd§en mit ungtaublid^er .^eftigfeit l^inju; man toottte ifire .^anb, man tooHtc toenigftenS ifir Äleib berühren, ^n biefer 25 (eibenfcfiaftlid^en @rl)ö]^ung füllten berfd)iebene ^anfe bie Übel nidfit, öon benen fte fonft gequält tourben; fie l^ielten fic§ für ge= l^eilt, fie befannten'S, fie priefen ©ott unb feine neue -Ipeilige. S)ie ©eifttid^feit toar genötigt, ben Äörper in eine ÄapeEe ju ftetten, ba§ SSolf »erlangte @elegen"^eit, feine 2Inbad£)t ju ber= 30 rid^ten, ber 3ubrang toar unglaublidfi; bie S3ergbetoo!^ner, bie ol)nebie§ ^u tebl^aften religiöfen@efüt)len geftimmt finb, brangen au§ il^ren Sälern l^erbei; bie Slnbad^t, bie SC&unber, "Dk 5lnbe= tung berme^^rten fi(^ mit jebcm Sage. S)ie bifc^öflidf)en S5erorb=

a<9tc< !Bu((. Keunted AapUcL 185

nungen, bie einen folc^en neuen S)icn|l einyd^ronlen unb nad^ unb naä) niebcrjdjlagen jottten, fonnten ni(J)t jur 2lu§füf)rung gcBrad^t werben; bei jebem Söiberftanb toar ba§ Solf ^cftig unb gegen jeben Ungläubigen Bereit, in 2:ätli(^feiten au§3U=

5 bred)en. ,2öanbelte nid^t aud^', riefen fie, ,ber l^eilige 23orro= möu§* unter unfern SSorfa^ren? ßrtebte feine 5Jlutter nid^t bie 3Bonne feiner ©eligfprec^ung? ^at man nid^t burc^ jeneä gro§e 33ilbni§ auf bem gelfen bei3lrona' un§ feine geiftige®rö§e finn= lid^ öergegenttJärtigen toollenl ßeben i)ie ©einigen nid^t nod^

10 unter unä? Unb ^at @ott nid^t jugejagt, unter einem gläubigen SSoIle feine SÖunber ftet§ ju erneuern?*

„?ni bcr Körper nad^ einigen Sagen feine 3ei<^en ber ^äut= niS öon fid^ gab unb el)er toei^cr unb gleid^fam burcf)|ic^tig toarb, erl^öl^te ftd^ ba§ 3"trauen ber 5Jlenfd§en immer mel^r,

15 unb jeigten ftd^ unter ber 2Renge berfd^iebene ^rcn, bie ber aufinerffame 35eoba(^ter felbft nid^t erftären unb auc^ nic^t ge= rabeju aU SSetrug anfpred^en fonnte. 3)ie ganje ©egenb toar in SBctoegung, unb toer nid^t felbft lam, l^örte toenigftenS eine 3eitlang öon nidf)tö anberem reben.

80 „3)a§ i^Iofter, ttorin mein Sniber fid^ befanb, erfd)oII fo gut als bie übrige (Segenb öon biefen Söunbem, unb man nal^m fic^ um fo toeniger in ac^t, in feiner ©egentoart baöon ju fpred^en, aU er fonft auf nidE)tg auf^umerten pflegte, unb fein S3er^ältniä niemanben befannt toar. £;ie3mal fd^ien er

25 aber mit großer @enauigfeit gel)ört ju l^aben; er führte feine gfud^t mit folc^er «Sd^tau^eit au§, ba^ niemals jemanb l^at begreifen fönnen, toie er au§ bem j^lofter l^erauägefommen feL 3Jlan erfuhr nac^'^cr, ba§ er fid^ mit einer 9tnäa^l Söall» fo^rer überfe^en laffen, unb ba§ er bie (S(^iffer, bie weiter nidf)tä

80 3}erfe^rte# an it)m tDaf)rnatjmcn, nur um bie größte (Sorgfalt

> (Braf Sorlo Sorvomeo ftarb 1584 alS Itaxbinat unb Cr)6i{4of oon 3RaiIanb unb nurb« 1610 oon ^apfi $aul V. heilig gcfproc^cn.

* ©orromeo« Cenoanbt« unb bie »eroofjntr ber Umgtgenb Htgot l^m auf einem ^Ogel am :tago anaasiort unroeit fcinei Qleburttortei Srona eine tolof)ale 6tatue Don Qronje errichten.

IgQ gHI^m aneiftera Sel^ija^Te.

gebeten, ba§ bag ©c^iff nic^t unijdilaQcn möciitc. 2:ief in bet 9la(^t tarn er in Jene Äapette, too feine unglücEtidie ©etiebte bon tl)Tem ßeiben augrut)te; nur toenig Slnbäc^tige tnieten in ben SBinfeln, il)re alte greunbin jafe ju üjxtn |>äupten, er trat l^inju unb grüßte fie unb fragte, njie fic^ i^re ©ebieterin befänbe. 5 ,^tjx fet)t c^', öerfe^te biefe nirf)t ol)ne S5erlegent)eit. 6t blicfte ben ßeic^nam nur öon ber ©eite an, 9ia(^ einigem Säubern nat)m er it)Te ^anb. Srfd)recft öon ber Äälte, lie^ er fie fogleicE) roieber fat)ren, er fat) fic^ unruhig um unb fagte ju ber Sllten: ,2^1^ fann jc^t ni(^t bei i'^r bleiben, id) l)aU nodf) einen fef)r lo toeiten 2öeg ju machen, iä) ttiU aber pr rechten 3eit ft^on n)ie= ber ba fein; fog' il^r bag, wenn fie oufroac^t!*

„©0 ging er f)inn)eg, toir würben nur fpät bon biefem S5or= gange benad)ri(i)tigt, man f orfct)te nad^, too er l^ingetommen fei, ober öergeben^! 3Bie er fid) burd) Serge unb 2äler burc^= la gearbeitet t)aben mag, ift unbegreiflit^. ©nbtid^ nad^ langer 3cit fanben tt)ir in ©raubünbten eine ©pur bon il^m »ieber, attein ^u fpat, unb fie berlor fid) balb. 2Bir bermuteten, ba^ er nact) SDeutfd^lanb fei, aEein ber Ärieg tjatte fold)e fd)tt)ad^e x^ü^= ftopfen gänälic^ bertoifd^t." 20

S)er 9lbbc l^örte 3U lefen auf, unb niemanb l)atte o'^nc Zxä' nen jugetiört. 2)ie(Sräfin brachte i^r %u^ ni(^t bon ben 2lugen; jute^t ftanb fte auf unb berlie^ mit 9latalien ba§ 3in^niei^- 2)ie übrigen fc^ttjiegen, unb ber W)U 'ipxaä): „6§ entfielt nun bie 25 grage, ob man ben guten ^ard)efe fott abreifen laffen, ot)ne i:§m unfer ®et)eimni§ ju entbeden. S)cnn toer ätoeifelt tt)of)l einen 5lugenblid baran, ba^ Sluguftin unb unfer ^arfenfpieter eine $Perfon fei? 6g ift äu überlegen, toaS toir tun, fotoo^t um bc8 unglüdlic^en ^Jlanneä al§ ber gamilie toiöen. 9Jlein gtat toäre, so nit^tS iu übereilen, abäutoarten, tt)a§ un§ ber Slrjt, ben toir eben bon bort prüdertoarten, für ^Hat^rici^ten bringt."

94U« eu($. Sehnte« ftopitzL 187

Scbcrmann toat bcricIBcn Meinung, unb berSIBBc ful^r fort: „(Sine anbete Orrage- bie titettci^t jd^nettet abjutun ift, cntfte^t ju gtcic^cT 3eit. 3)ct IDiarcfieje ift unglaubtid^ gerührt über bie ©aftfreunbfc^Qft, bie feine arme ^ic£)te bei un§, befonberä bei

& unferm jungen f^rreunbe, gefunbcn l^ot. 3d^ ^be i'^m bie ganjc ©efc^ic^te umftänblicf) , ja roiebettjolt eraat)tcn muffen, unb et jeigte feine Icb^aftefte S^anfbarfeit. ,3^er junge Wann', fagte er, ,^Qt auSgef erlagen, mit mir teifen, e^c er baä S5erl)ältni§ lannte, ba§ unter un§ befielt. 3^ bin il^m nun fein ^tember

10 me^r, öon beffen ?Irt ju fein unb öon beffen 2aune er etwa nid^t geroife »äre; idi bin fein Sßerbunbener, wenn ©ie motten, fein SJerroanbter, unb ba fein ihiabe, ben er ni(i)t jurücftaffen roottte, erfi bas ^inberniS mar, ba§ i't)n abtjielt, fid) ju mir ju gcfctten, fo laffen Sie jc^t biefeä iHnb jum fc^önem 33anbe merben, baä

15 un» nur befto fcfter aneinanber fnüpft. über bie SJcrbinbtic^feit, bie i(^ nun frf)on '^abe, fei er mir no^ auf bcr 9?eife nü^li(^; er feilte mit mir jurücf, mein älterer SBruber toirb i^n mit fyrcubcn empfangen, er öcrfc^mä^e bie ßrbfi^aft feineS -^JflegefinbeS nic^t; benn nad^ einer geheimen 9lbrebe unfere§ SSaterä mit feinem

20 fjfreunbe ift basi Vermögen, ba§ er feiner 2;od)tcr jugeroenbet ■^ottc, mieber an unä jurürfgcfattcn, unb mir motten bem 2öo^l= tatet unferer ^iid^tc getti^ baä nid^t öorentI)aIten, toaS er t)cr= bient ^at.'"

3::^erefe na'^m Söit^clmen bei ber ^anb unb fagte: „2öir et-

25 (eben abermatS l^ier fo einen fd^önen i^aU, ba^ uneigennü^igcä SBo^Itun bie ^öd^ften unb fd)önftcn ^inff" bringt, folgen Sic biefem fonbcrbaren^luf, unb inbcmSie Tic^ um ben^arrf)efe boppett tjerbient madjcn, eilen Sie einem fd)önen ßanb entgegen, ba^ 3t)re ßinbilbungäfroft unb 3^r ^erj met^r aU einmal an

80 fid) gejogcn T}at."

,,^6) übcrlaffe mid^ ganj meinen iJfteunbcn unb i^rer %nf)' rung", fagte äBil^clm; „c§ ift öergebenä, in bicfcrSBelt nad^ eige» ncm 2Bitten ju ftreben. SBaä id^ feft ju l)altcn münfd)te, mu^ id^ fal^rcn laffen, unb eine unDcrbiente Sßol^ttat bröngt fid^ mirouf."

188 ifflilöelm SJletfler» fie^rja^rc

2Jlit einem ©rud auf Xf)zxt\tn^ .g)anb maä)k Söil'^elm bic fcintgc Io§. „^ä) überlafje ^l^nen ganj", jagte et ju bem Sfbfee, „tt)a§ ©ie üBer mid^ be|(i)tie^en; toenn id) meinen ^Jelij nid)t öon mir ju la||en Braui^e, fo Bin id) aufrieben, übetafl i)inäu* gelin unb alte§, toaä man füt red)t plt, ju untemel^men." 5

2luf biefe ßrflämng entmarj bet 5lbbe fogleid) jeinen ^tan. 3Jlan joÜe, fagte et, ben 3Jlaxc^e|e abrcijen lafjen, Söit^elm fotte bie 9iad)rid)i be§ 5lräte§ abwarten, unb alSbann, toenn man überlegt l^abe, h)a§ ju tun fei, lönne Söillielm mit gelij nad)reifen. ©0 bebeutete er aud) ben 2Rar(^efe unter einem 10 SSormanb, ba^ bie ©inrid^tungen be§ jungen f^reunbeS jur 9f{eife i^n nic^t aBl)alten mü^en, bie ^Jlerftoürbigfeiten ber ©tabt inbeffen ju Bejel^n. S)er 3Jlard)efe ging ab, nid)t ol)ne toieberl)olte lebhafte S5erfid)erung feiner 2)anfbar!eit, tooöon bie ©efd)enfe, bie er äurüdtie§, unb bie au§ 2^utt)elen, gefd)nit» 15 tcnen ©teinen unb geftidten ©toffen beftanben, einen genug» fomcn S3ett)ei§ gaben.

2öitt)elm toar nun au^ böllig reifefertig, unb man toar um fo mel)r öerlegen, ba§ feine 9ia(^ri(^ten toon bem Slrjt !ommen mottten; man befürd)tete, bem armen Jparfenfpieler motzte ein 20 Unglüd begegnet fein, äu eben ber 3eit, al§ man l)offen fonntc, i^n burc^auS in einen beffem 3uftanb ^u öerfe^en. SJlan fc^idtc ben ^rier fort, ber faum toeggeritten toar , at§ am Stbenb ber Slrjt mit einem f^temben l^ereintrat, beffen ©eftalt unb 2öefen bebeutenb, ernftf)aft unb auffaüenb toar, unb benniemanbfannte. 25 SBeibe Slnfömmlinge fd)toiegcn eine Zeitlang ftitt; enblic§ ging ber fjrembe auf 2öitf)elmen ju, reidjte il^m bie ^anb unb fagte: „.kennen ©ic S^^ren alten greunb nic^t mef)r?" toar bic ©timmp be§ .g)arfcnfpieler§, aber üon feiner ©eftalt fd^ien feine ©pur übrig geblieben ju fein. @r toor in ber getoö'^nlic^en so %xa^i eine§ 9teifcnben, reinlich unb anftänbig gefteibet, fein SBart toar berfd)tounben, feinen Soden fal) man einige Äunft an, unb toa§ tl^n eigentlich ganj unfenntlid^ maciite, toar, ba^ an feinem bebeutenben @efi($te bie 3üge be§ 2llter§ nid^t mel^r er=

«4trt »u4. Se^n»«« Stavittl 189

fd^iencn. SBil^elm umarmte i^n mit bcr IcBl^aftcften grcubc; er toarb ben anbcm üorgeftellt unb betrug fid^ |e^T öemünftig, unb tDU^te nidit, toie befannt er ber Sejeüid^aft nod^ öor furjem QctDorben toax. „6ie tocrben ©ebulb mit einem ^enfrfien

5 ^aben", ful^r er mit großer ®elQ||ent)cit fort, „bcr, ]o ertoai^fen er aud^ au§ftel)t, nad^ einem langen Seiben erft toie ein uner» fal^meS ilinb in bic Söelt tritt. S)ie]em ttacfrcn 5)lann bin \d) f(^utbig, ba^ i6) mieber in einer menjd^lic^en ©efettfc^aft er« fd^einen fann."

10 ^lan l^ie| i^n toiEfommen, unb ber Slrjt öeranla^te jogleid^ einen ©pajiergang, um ha§ ©ejpräd^ abäubred^en unb in§ Gleichgültige ju lenfen.

21U man attein »ar, gab ber Slrjt folgenbe ßrftäiiing: „3)ie ©enefung biefeS ^anneä ift un§ burc^ ben fonberbarften 3uffltt

15 geglücft. 2Bir l^atten i^n lange nac^ unserer Überjeugung mo= ralijd^ unb p^^fifd^ bel^anbelt, ging auc^ bi§ auf einen ge= toijfen ®rab ganj gut, attein bie 2;obeäfurd^t toar nod^ immer gro§ hei il§m, unb feinen S3art unb fein langeS i^Ieib toottte er uns nic^t aufopfern; übrigen^ nal^m er mel^r teil an ben Welt»

20 nd)en S)ingen, unb feine ©efänge fd^ienen toie feine S5orftcttung§= ort toieber bem Seben fic^ ju nähern, ©ie toiffcn, meld^ ein fonbcrbarcr SBrief be§ @eiftlidE)en mid^ öon l^ier abrief. Sdt) !am, id^ fanb unfern Tlann ganj öeränbert, er l^atte freimittig feinen S3art hergegeben, er !^attc erlaubt, feine Sorfen in eine l^erge=

25 brachte gorm jujufdEineiben, er öertangte gett)öl)nlid^e i?Ieiber unb fd^ien auf einmal ein anbercr 5Jtenfd^ geloorbcn ju fein. 2Öir toarcn neugierig, bie Urfad^e biefer Scrmanblung p er= grünben, unb ttiagten bod^ nid^t, unS mit il^m felbft barüber cinjutaffcn; enblid^ entbccftcn n)ir äufättig bie fonberbare 5ße=

30 toanbtnil. ©in ©laä flüffigcä Cpium fet)Ite in ber .^auäapo= t^cfe beS (SeiftlidE)en, man Ijidi für nötig, bie ftrcngftc Untcr^ fud^ung anjuftetten, jebermann fud^te [xäj beä 9}erbod^tcö ju ern)el)rcn, gab unter ben .£)au§genoffcn t)eftigc Sjenen. Gnb» li^ trat biefer 9Jlann auf unb geftanb, ba| er ti befi^c; man

•190 «Btr^elm Wetffer» ge^rjal^rt.

fragte il§n, ob et babon genommen l^abe? 6x faste ,neinl- fu^r afcet fort: ,3i(i) banfe biefem 33efi^ bie SBiebcrtel^r meiner 2Jer= nimft. l^öngt öon cuc^ ab, mir biefeS f^Iäjdic^en ju nel^men, unb il)r toerbct mic^ o^e Hoffnung in meinen alten 3uftanb lieber äuriicf fallen feigen. 3)a§ ®efüt)l, ba§ ei münfd^enäwcrt 5 fei, bie ßeiben biefcr 6rbe burd^ ben Stob geenbigt ^u fet)en, Brad^te mid) juerft auf ben 2Beg ber ©enefung; balb barauf ent« ftanb ber ©ebanfe, fie burd) einen fceitoiüigen Job ^n enbigen, unb ic^ naljm in biefer Slbfid^t ba§ ®la§ l^inmeg ; bie ^ögtic^= leit, fogleict) bie großen ©c^meräen auf etoig aufptiebcn, gab 10 mir ^aft, bie ©c^merjen ju ertragen, unb fo t)abe id^, feitbem ic^ ben 2:ati§man befi^e, mic^ burd) bie ^ä1)t be§ Stobeg toieber in ba§ Seben äurücf gebrängt, ©orgt ni(i)t', fagtc er, ,baB ic^ ©ebrauc^ baöon mad)c, fonbem entfdilie^t eu(^, aU ilenner be§ mcnjc^lictien ^erjenä, mic^, inbem il^r mir bie Unabljängigfeit 15 üom Seben äugeftet)t, erft öom ßeben red^t abfiängig ju mad^en.' 5tac^ reiflidt)er Überlegung brangen toir nic^t toeiter in i'^n, unb er fü'^rt nun in einem feften gejd)Iiffnen ©laSfläfdEid^en biefeS ®ift at§ baä fonberbarfte ©egengift bei fi(^."

^Jlan unterridjtetc ben Slrjt toon allem, toaS inbeffen ent= 20 bectt toorben mar, unb man bejd£)lo|, gegen Sluguftin ba§ tiefftc ©tiEfd)Weigen ju beobad^ten. S)er W)U nal)m fidE) öor, i^n nid^t öon feiner ©eite gu laffen, unb il^n auf bem guten Sßege, ben er betreten l^atte, fortäufüi^ren.

i^nbeffcn foKte Söil'^elm bie ^d]z hüxä) S)eutfd^lanb mit 25 bem 5Rard)efe boltenben. ©d)ien mögtidt), Sluguftinen eine 9lcigung ju feinem 3Saterlanbe toieber einjuflö^en, fo moHte man feinen Siermanbten ben ^uftanb entbeden, unb 2Biü)elm füllte il)n ben ©einigen mieber jufüliren.

S)iefer l^atte nun alte Slnftalten ju feiner 9leife gemad^t, unb 30 menn im 2lnfang tounberbar fct)ien, ba^ Sluguftin fid^ freute, al§ er öema^m, mie fein alter greunb unb 2Gßol)ltäter fid^ fo= glci(^ mieber entfernen fottte, fo entbedte bodt) ber W^U balb ben ©runb biefer feltfamen @emüt§betoegung. 2luguftin lonnte

ft(^t^Ou4$. 3e^nu< it(Mnt(L 191

feine alte Sfurd^t, bie er öor {yelif l^attc, ntc^t üBcrtoiubcn unb toünj^te ben ihiaben je e^cr je lieber entfernt ju feigen.

9iun toarcn nac^ unb naö) ]o öiele ^enjc^en angctommen, ba^ man fie im Sc^Io^ unb in ben Seitcngebäuben faum alle

5 unterbringen fonnte, um fo mef)r, at§ man nic^t gtcic^ anfangt auf ben ßmpfang fo öieler ©äfte bie (Jinric^tung genmd^t f)attc 2)lan frü^ftücfte, man jpeifte jufammen unb tjdtte fi^ gern be» rebet, man lebe in einer tjergnüglicf)en Übereinftimmung, toenn fd^on in ber ©tiEc bie ©emüter fic^ gemiffermafeen auäeinanber

10 feinten. X^ercfe »ar mani^mal mit Sottjario, noc^ öfter allein auägeritten, fie l^attc in ber 9lac^bar|c^aft f(f)on alle 2anbtt)irte unb ßanbroirtinnen fennen lernen; mar if)r |)au§t)altung§» t)rinjip, unb [\t mochte nic^t unred^t ^abcn, baß man mit ^ad^* bam unb Nachbarinnen im beften SSemel^men unb immer in

15 einem eöjigen Öcfättigfeitäroed^fcl fte^en muffe. S3on einer 3)er= binbung jmifcfien i^r unb ßot^ario fd^ien gar bie 3?ebe ni^t ju fein, bie beiben 8(i)n)eftern l^atten fid^ üiel ju fagcn, ber 3lbbc fc^ien ben Umgang be§ |)arfenfpielerä ju fu(f)en, 3amo t)attc mit bem ^Ir^t öftere Äonferenjen, f^riebric^ l^ielt fid^ an 2BiI=

20 Reimen, unb ^tli^ toar überall, too il^m gut ging, ©o öer^ einigten fic^ auc^ mciftenteilä bie ^5aore auf bem Spaziergang, inbem bie ©efellfc^aft fid^ trennte, unb menn fie jufammen fein mußten, fo na^m man gejdjminb feine 3iiflu(^t jur 5llufif, um alle ^u öerbinben, inbem man jcben ftd^ felbft miebergab.

25 Unoerfet)eng bermc^rte ber @raf bie ®cfelli(^aft, feine @c» mal^Iin ob^u^olen unb, roit fc^ien, einen feierlichen 3lbfd^ieb öon feinen meltlid^cn 33ermanbten ju net)men. ^amo eilte i^m Di§ an ben Sfi^agcn entgegen, unb aU ber ?lnfommenbe fragte, toaS er für ©eieltid^aft finbe, fo fagte jener in einem Slnfaü Don

80 toller 2aune, bie i^n immer ergriff, fobalb er ben ©rnfen ge» toa^r toarb: „Sie finben ben ganzen 3lbel ber Söclt beifammcn, SJlar^efen, liJlarquiä, ^Itjtorbä unb iöaronen, ^at nur nod^ an einem ©rafen gefef)lt" @o ging man bie 2reppe 'hinauf, unb 2BiI{|elm hjar bie erfte ^erfon, bie i^m im Sßorfaal entgegen-

192 SBlIIjelm roelH«* üt^tia'^xt.

tarn, „^tjtorbl" fagtc bcr ®raf ju i^^m auf gtanäöfijd^, nat^- bein er if)n einen Slugenblid Betrod^tet l)atte, „i^ freue mi(^ fe^r, 3tt)rea3efanntf(^aft unüermutet ju erneuern; benn id) müfete mi(^ fe'tir inen, toenn iä) ©ie ni(i)t im ©efolgc be§ ^rinjen fottte in meinem (5cf)loffe gefel)en l^aben." „3c^ l^atte bo§ ©lud, ©ft). 5 ßjäettenj bamaB aufjutoarten", berfe^te 2öili)etm, „nur eräeigen (Sic mir ju biet Qif)xt, toenn ©ie mid^ für einen gnglönber unb ätoar bom erften 3lange tjatten, it^ bin ein 2)eutj($er, unb " „jioar ein je"^r braoer junger 5Jlann", fiel Sfarno fogleid) ein. S)er (Sraf fa^ 2öilf)etmcn lä(i)etnb an unb xooUit eben etteaS lo ertoibern, aU bie übrige ©efeUfcfiaft t)erbeifam unb it)n auf§ frcunblid^fte begrüßte. 3Jlan entf(i)utbigte fid^, ba| man if)m ni(^t fogleicl ein anftänbigeS ^"J^'^cr onmeifen fönne, unb ber= fbrac^ ben nötigen Sfiaum ungcfäumt ^u befcEiaffen.

„ßi ei!" fagte er läc^elnb; „ici^ fe^e tDO% ba^ man bcm 3u= i5 fatle überlaffen ^at, ben fSfourieräettel ju mad)en; mit S5orfi(i)t unb Einrichtung, mie biel ift ba ni(^t möglid^! ^e^t bitte id^ eud), rü^rt mir feinen ^Pantoffel bom 5pia^e, benn fonft, fei)' i(^ too^l, gibt eg eine gro^e Unorbnung. 3fel)ermann toirb un= bequem too^nen, unb ba§ folt niemanb um meinettoiEen U)o= 20 mbgtid^ auc^ nur eine ©tunbe. ©ie toaren S^uge", fagte er in ^arno, „unb auc^ ©ie, 5Jteifter", inbem er fi(^ ju SBill^elmen roanbte, „luie biele 3Jlenf(i)en id§ bamalg auf meinem ©c^Ioffe bequem untergebradit f)abt. 9}lan gebe mir bic Siftc ber 5perfo= nen unb Sebienten, man jeige mir an, toie jebermann gegenn)är= 25 tig einquartiert ift, id) toitt einen S)i§IoIation§:btan matten, ))a^ mit ber n)enigften SSemül^ung jebermann eine geräumige 2öo^= nung finbe, unb ba^ not^ ^la^ für einen (Saft bleiben fott, ber ji(^ äufälligermeife bei un§ einftellen fönnte."

S^arno macf)te fogteid) benSlbjutanten be§®rafen, berfd^affte 30 if)m atte nötigen ?iotiäen unb l)atte nad§ feiner 3lrt ben größten ©ba|, menn er ben alten ^errn mitunter irre mad^en tonnte. S)iefer gewann aber balb einen großen jtriumb^. S)ie @inrid)= tung toar fertig, er lic| in feiner ©egentoart bie 5^amen über

Sld^tefl a3u(9. ßtljntei «opittL 193

aüi iüren fc^reiBcn, unb man fonnte nid^t leugnen, ba§ mit wenig Umftänben unb SSeränbcrungen bcr S^iecf ööHig erreicht »at. ^uä) ^attc c8 ^orno unter anberm |o geleitet, ba^ bie ^erjonen, bie in bem gegentoärtigen Slugenblirf ein 3nterejie

s ancinanber nal^men, juiammen tool^nten-

^lac^bcm aUti eingerid^tet toar, jagte ber @raf ju 3arno: „Reifen 6ie mir auf bie ©pur toegen beS jungen ^anne§ , ben 6ie ba Ü)lei[ter nennen , unb ber ein 2)euticf)er jein ]oVL" ^amo fd^Joieg ftitt, benn er wußte rei^t gut, ba§ ber ®raf einer öon

10 bcnen ßeutcn War, bie. Wenn fte fragen, eigentlich belehren WoI= tcn; au(^ fu^r biejer, ol^ne Slntwort abzuwarten, in jeiner Siebe fort: „©ie Ratten mir i^n bamalg öorgefteHt unb im Flamen beä ^rinjen beftenä em^jfo^Ien. Söenn feine Butter aud^ eine S)eutfc^e war, fo !^afte id^ bafür, ba§ fein S3ater ein ßngtänbcr

15 ift, unb jwar öon ©tanbe; Wer Wollte baä engtifc^e S3Iut alleä bered^nen, ba§ feit brei^ig Salären in beutfd^en Stbem l^erum» fliegt! 3d^ Witt Weiter nid[)t barauf bringen, i^r ^abt immer folc^e gamilienge'^eimniffe; bod^ mir Wirb man in folc^engällen nid^tä aufbinben." 2;arauf crjäl^Ite er no(^ terfd^icbeneS, Wa§

-'0 bamalS mit Söit^clmen auf feinem 6dE)Io§ öorgegangen fein fottte, Woju 3amo gleichfalls fd^wieg, obgteid^ bcr ©raf ganj irrig war unb 2öilt)elmen mit einem jungen (Sngtänber in beö ^rinjen ©efolge mc^r aU einmal berwed^jelte. 2)er gute ^err ■^attc in frühem l^eiiin ein bortrefflid^eä @ebäd§tniä gehabt unb

a war nod^ immer ftolj barauf, fid^ ber geringften Uniftänbe feiner Sugcnb erinnern ju fönnen; nun beftimmte er aber mit tbm ber (Sewißticit wunberBare Kombinationen unb 'Qabeln al§ wa^r, bie i^m bei junc^menber 6d§wä(^e feinet (Sebäd^tnijfeS feine GinbilbungSfraft einmal öorgcfpiegelt l^atte. übrigen^

80 War er fe^r milb unb gefällig geworben, unb feine (Segenwart wirftc rec^t günftig auf bie ©efelljd^aft. 6r öerlangte, ba| man etwaä Üiü^li^eä jufammen lefen fottte, ja fogar gab er mand^» mal flcine Spiele an, bie er. Wo nid[)t mitjpiette, boc^ mit großer Sorgfalt birigicrte; unb ba man fid) über feine .^erablaffung «oct^ X. 18

194 gBil^etm roeifferit St^ftjafyn.

öerwunbertc, fagtc er, c^ fei bic ^flicfit cineS jeben, ber fic^ in .^Quptjad)en öon ber SSelt entferne, ba| er in gtei^gültigcn S)in9en ficE) il^r bcfto mtijx gleic^ftelte.

2öilf)etm l^atte unter biefen ©pielen mel^r aU einen Bönglidien unb toerbrie^Iit^en 3lugenlDlidE; ber leic^tfinnigc 5 Sriebrit^ ergriff mand^e ©etegen^eit, um auf eine 9ieigung 2GöiI= ^etm§ gegen 5iataüen ju beuten. Söie !onnte er barauf fallen? äöüburc^ toar er baju Beredjtigt? Unb mu^te nic^t bie ®e= feEjd^aft glauben, ba§, toeit beibe biel ntiteinanber umgingen, äBill)eIm i^m eine fo unöorfici)tige unb ungtüc£lid)e i^onfibenj 10 gemad^t ^abe?

ßinc§ Jageä tcaren fie bei einem fotc^en ©c£)eräe l^eiterer at§ geiDÖt)nIi(^, al§ 3luguftin auf einmal jur Sure, bie er auf» ri|, mit grä^licEier ©ebärbe l^ereinftürgte; fein Slngefic^t toar bta§, fein 5tuge tnilb, er f(f)ien reben p tooÜen, bie ©prad^e is öerfagte i^m. S)ie ©efeHfdiaft entfette fid^, ßotl^ario unb ^amo bie eine 9lü(ffe^r be§ SBa'^nfinng bermuteten, f|)rangen auf il^n Io§ unb l^ietten il^n feft. ©tottemb unb bum:pf, bann I)eftig unb gemattfam fprad^ unb rief er: „9ti(^t mid^ f)a(tet, eilt! l^elft! gtettet ba§ mnb! gelij ift bergiftet!" 20

©ie liefen il^n Io§, er eilte jur SLüre l^inau§, unb boll Sntfe^en brängte fid§ bie ©ejettfc^aft il^m nac£). 2Jtan rief nad^ bem Slrjte, Sluguftin richtete feine (Schritte nad^ bem 3intmer be§ 2lbbe§, man fanb ba§ ^nb, ba§ erfc^rocEen unb t)erlegen fd^ien, al§ man il^m fd^on bon toeitem jurief: „2öag !§aft bu 25 ongefangen'?"

„fiieber SSatcr!" rief {Jetij, „id^ l^abe nid^t au§ ber ^tofc^e, id^ l^abc au§ bem ©lafe getrunfen, id^ toar fo burftig."

Sluguftin fd^lug bie ^anht jufammen, rief: „©r ift ber» torcn !" brängte fid) burt^ bie Umftet)enben unb eilte babon. 30

©ie fanben ein @la§ 9Jlanbelmild§ auf bem Xifd^e ftel^en unb eine ^arabtne bameben, bie über bie ^älfte leer toar; ber Slrjt fam, er erfu'^r, toa§ man tonnte, unb fal^ mit ©ntfe^en ba§ too:^lbe!annte 5läfd)(^en, toorin fid^ ba§ pfftgc Opium

.Hditee »u(^. 3e^iUed JtapiteC 195

Befunöen ^attc, leer auf bcm Jijd^c liegen; er lieB ßiflg l^crbci» jc^affen unb rief alle 3)UtteI feiner ihinft ju .£)ülfe.

9latalie liefe ben ihiaben in ein ^inimer bringen, fie Bc« mü^te fic^ dngftlic^ um i^n. Ser SIbbc war fortgerannt, 3lugu=

h ftinen aufjufud^en unb einige Sluftlärungen üoni^mju erbringen, ^enfo ^atte fid^ ber ungtücflic^c SJater Dcrgcbenä bemüt)t unb fanb, aU er jurücffam, auf aßen ©eftd^tem Sangigfeit unb ©orgc S)er Slrjt l^atte inbeffcn bie ^anbclmil(^ im ©lafe unterfud^t, eS entbedEte fid^ bie ftärffte Seimifc^ung öon Cpium,

10 ba§ 5hnb lag auf bem 9iu^ebette unb fc^ien fet)r franf , bot ben Sßüter, bafe man it)m nur nid^t§ mc^r einfc^ütten, bafe man eS nur nii^t me^r quälen möchte, ßot^ar l^atte feine ßeute ou§= gcfc^icft unb toar feCbft toeggcritten, um ber ^ludjt 2Iuguftin§ auf bie 6^jur au Eommen. 5iütalie faß bei bem ^nbe, flüd^=

1' tete auf ifjren ©d^ofe unb bat fie flet)entlid£| um <Sd^u^, fle^cnt= Ud§ um ein Stüifd)en 31^1^^^^ ^^^ ®iÜ9 H'^ Ö^^^ i^ ]amx\ Ser Slrjt gab cS ju; man muffe baS Äinb, bag in ber entfe^Iid£)ften Senjcgung »ar, einen Slugenblicf rul^en laffen, fagte er; e^ fei aUe^ 9tätlic^e gcft^eljen, er toolle bag Ulöglic^e tun. S)er ©raf

20 trat mit einigem Unwillen, toie frf)ien, l^erbei, er fal^ emft, ja feierlich auä, legte bie ^dnbe auf bai Äinb, blidftc gen .£)immcl unb blieb einige ?lugcnblidEe in bicjcr Stellung. SBil^elm, ber troflloä in einem Seffcl lag, fprang ouf, toarf einen 5BlicE boü SJerjJDciflung auf 91atalien unb ging jur 2;üre f)inauä.

25 Äurj barauf »erliefe aud^ ber (Sraf baä ^i""'^*^^-

„3^ begreife nid^t", fagte ber Slrjt nad^ einiger ^^aufe, „bafe Üd^ auc^ nic^t bie geringftc «Spur eineä gefä^rlicljcn 3u[taubeö am Äinbe jeigt. 2luc^ nur mit einem <Bdjlüd mufe eine un- geheure S)ofiö JDpium ju fid^ genommen l)abcn, unb nun finbe

so id) an feinem ^Wilje feine toeitere 33en)egung, aU bie id^ meinen SJlitteln unb ber t^nx^t auftreiben fann, in bie »ir baä Äinb oerfe^t ^abcn."

SBalb barauf trat 3amo mit ber 9lad^ric^t tjerein, bafe man Sluguftin ouf bem Oberboben in feinem SSlutc gefunben J)abc.

13*

196 iSU^etm aneiftetg «e^rja^re.

ein ©d^ermefler i)aoc neben il^m gelegen, ttial^rfc^ctnltc^ ^abc et fiä) bie Äel^le abge|ci)nittcn. 3)et Slrjt eilte fort unb begegnete ben ßcuten, todäjt ben Körper bie Steppe l)cruntexbrac^ten. (5r warb auf ein S3ett gelegt unb genau unterfuc^t, bei ©dinitt toar in bie ßufttöf)re gegangen, auf einen ftarfen SBlutöexluft toar s eine £)]^nmad)t gefolgt, bod^ lie^ fic^ Balb Bemerten, ba^ nod^ Seben, ba| nod^ .g)offnung übrig fei S)er Slrjt bradite ben Körper in bie rechte Sage, fügte bie getrennten Seile äufammen unb legte ben 25erbanb auf. S)ie 9iad^t ging atten fct)lafloi unb forgenöott borüber. 2)a§ ßinb toollte fi(^ nic^t öon ^fiatatien trennen laffen. SGßit^elm fa^ bor iljr auf einem <5(i)emel; er Ijatte bie ^ü^c be§ ßnaben auf feinem ©cl)o^e, Äopf unb Sruft lagen auf bem il^rigen, fo teilten fic bie angenel)me Saft unb bie f^merjüc^en ©orgen unb ber^arrten, bi§ ber 2:ag anbrät^, in ber unbequemen unb traurigen Sage; ^^iatalie l^atte 2Bitf)elmcn is i'^re .^anb gegeben, fie fpracEien fein 2Bort, fal)cn auf ba§ Äinb unb fallen einanber an. £otl)ario unb 3famo fa§en am anbem @nbe be§ ^i^tmerg unb fül^rten ein felir bebeutenbeg ©efbrdc^, ba§ toir gern, toenn unä bie S3egebenl)eitcn nid^t ju fel)r bröng» ten, unfern Sefem liier mitteilen toürben. S)er Änabe fcE)lief 20 fanft, ertoac^te am frül^en 3Jlorgcn ganj l^eiter, fprang auf unb verlangte ein 35utterbrot.

©obalb Sluguftin fiel) einigermaßen erl^olt l^attc, fuc^te man einige 3luf!lärung t)on il)m ^u erl)alten. 3Jian erful^r nic^t ol^ne 5Jlü:^e unb nur nad^ unb nac§, baß, alg er bei ber unglücElic^en S)i§lofation be§ ©rafen in ein ^imniei «^it bem 3lbbe öcrfc^t »orben, er ba§ SJlanuffript unb barin feine @efcE)id^te gefunben l^abc; fein ©ntfe^en fei ol^negleid^en getocfen, unb er l^abe fid) nun überjeugt, baß er nic^t langer leben bürfe; fogleic^ ^abe er feine getoöl)nlic^e 3uflud^t jum Opium genommen, so labe in ein ®la§ 5Jlanbelmil(^ gefd^üttet unb l)abe bod^, al§ er an ben SJlunb gefegt, gefc^aubert; barauf ^be er ftel)en laffen, um noc£)mal§ burd^ ben ©arten lu laufen unb bie Sßelt 3u feigen, bei feiner 3urüdfunft l^abc er baä Äinb gefun-

g($trt Kud). 3^ntt« «apiUL 197

ben, eben Befd^äftigt, ba§ @ta8, tüotauä gctrun!en, toicber bon ju gießen.

ÜJlan bat ben Unglüdflic^eu, nil^ig ju fein, et fo^te Söit= {)elmen frampf^aft bei bei ^anb: „2lc^!" fagte er, „toarum l^abe 5 id^ bic^ nid^t längft öertaffen! ^dj tDu^te tootjl, ba§ id^ ben jTnaben töten toürbe, unb et mid^." „S)er ^nabe lebt!" jagte äBit^eluL S/er Slrjt, ber aufmerfiam jugeprt l^atte, fragte Stuguflincn, ob aEeg @etranfe öcrgiftet gettefen? „9lein!" öcr= fc^te er, „nur ba§ ©taä." „<5o ^at burd^ ben gIüdEIid)ften

10 Buf'itt"' i^icf i>«i ^'^ät» »ba§ ßinb aug ber glafd^e getrunfen! Sin guter ®eniuS l^at feine ^anb gefiü^rt, ba^ eS nid^t nad^ beut 2:obe griff, ber fo naf)e jubcreitet ftanb!" „Dlein! neinl" rief SBil^elm mit einem 6(^rei, inbem er bie ^änbe öor bie Slugen ^iclt, „toie fürd^terlid^ ift biefc 2lu§fage! SluäbriidEIic^

15 fagte baS Äinb, ba^ nid^t au3 ber ^la\äit, fonbcm au« bem @Iafe getrunfen J)abt. ©eine ©efunb^eit ift nur ein <2(f)ein, toirb un§ unter ben .g>önben tDcgfterben." Qx eilte fort, ber Slrjt jing hinunter unb fragte, inbem er baS £inb liebfoftc: „9iid^t toa^r, Selij, bu l^aft au§ ber Stafd^c getrunfen unb nid^t au^

20 bem ©lafe?" Saä Äinb fing an 3U toeinen. 3)er ^Irjt erää^ttc ^Jlataüen im fliUcn, toie fic^ bie <Ba6^z öerl)attc; aud^ fie bemühte fid^ öergebeng, bie JßJa^r^eit öon bem ßinbe ju erfahren, toeinte nur heftiger unb fo lange, biss einfd^Iicf.

Söif^elm toad^te bei i^m, bie 9iad^t öerging rul^ig. S)en

26 anbem borgen fanb man Sluguftincn tot in feinem 33ette; er ^atte bie 5lufmerffamfeit feiner SBörter burd) eine fd^einbare 9tu^e betrogen, ben Ißerbanb ftill aufgelöft unb fid^ öerblutet. Ülatolie ging mit bem Äinbe fpajicren, toar munter toie in feinen gtücfüi^ften Sagen. „2;u bift bod^ gut", fagte i^ilix ju

»0 i^r, „bu janfft nid^t, bu fdt)tagft mi^ nidjt, id) toiü bir'ö nur fugen, id^ ^ait au8 ber glafc^e getrunfen! 5Jlutter Slurelie fd^Iug mid^ immer auf bie Ringer, toenn id^ nad) ber Äarauine griff, ber 35ater fa^ fo böä au8, id^ bad)te, er toürbe midb fd^Iogen."

198 aCit^elm roeiftert ge^tja^re.

^it BcPügeltcn ©d^ritten eilte 5latattc ju bem ©d)Iof|c, SBilTjelm tarn ii)x, noc^ öotCer ©orgen, entgegen, „©türfüd^er S5ater!" rief fic taut, inbem fie ba§ Äinb auff)oB unb c8 il§m in bie 3lrme toarf, „ba l)a[t bu beinen ©o^n! 6r f)at au§ bei- f5-ta|cf)e getrunfcn, jeine Unart ^at il^n gerettet." 5

2Jtan erjötjUe ben glücflidien 5lu§gang bem ©rafen, ber aBer nur mit lädjelnber, ftißer, Bejcf)eibner (Setoi^^eit ^u'^örte, mit ber man ben Strrtum guter 5Jlcnjc£)cn ertragen mag. Sfatno, oufmerEjam auf alleä, fonnte bieSnml eine jold^e l^o'^e ©elbft^ genüglamteit nid)t erflären, Bi§ er enbüd^ nad^ manchen Um= 10 id)tt)eifen erful^r: ber ®raf jei üBeräeugt, ba§ 5Knb ^abz »irftid) (Sift genommen, er l^alje aBcr burd^ jein (SeBet unb burc^ ba§ Sluftegen feiner .^änbe tounberBar am ßeben erljalten. 5lun l)efd)lo§ er auä) fogleid^ toegjuge^n; ^tpadi toai Bei il^m attcs toie geteö(;nti(^ in einem 2lugenblidfe, unb Beim 3lBf(f)iebe fa^te 15 bie f(i)önc (Gräfin 2Bit^eIm§ ^anb, e^c fic no($ bie ^anh ber 6df)tücftcr loSlieB, brürfte alle bier ^änbe jufommen, feierte fidj fd^neU um unb ftieg in ben Söagen.

©0 öiel fd^redElid)e unb tounberBarc SBegeBen'^eiten, bie ftd^ eine üBer bie anbere bröngten, ju einer ungeiool^nten SeBenäart 20 nötigten unb alle§ in Unorbnung unb Verwirrung festen, Ratten eine Slrt öon fieBerliafter ©d^totngung in ba§ ^au§ geBrad^t. S)ie ©tunben be§ ©dE)Iafen§ unb 2Bad)en§, be§ ©ffenS, Srinfeng unb gefeüigcn 3ufammenfein§ toaren berrüdt unb umgefel^rt, Singer St^erefen toar niemanb in feinem (Steife geBIieBen; bie 23 ^Jlänner fud£)ten hmä) geiftige ©etränfe f^re gute 2aunc toieber» l^eräufteHen, unb inbem fie fid^ eine fünftlic^e ©timmung gaBcn, entfernten fie bie natürlid^c, bie attein ung toal^rc .g)eiterfeit unb Xätigteit geujä^rt.

Söilt)clm toar burd^ bie ^eftigften 2eibenf($aften Bettiegt unb »J jerrüttet, bie unbermuteten unb f(^recff)aften Einfälle 'Ratten fein 2fnnerfte§ ganj au§ aller i^affung gebrad)t, einer 2eibenfdt)aft ju toiberftel^n, bie fidt) beg |)eräen§ fo getooltfam Bemädt)tigt ^atte. i5clij toox il^m toiebergegeBen, unb bod§ fd^ien i^m aEeä ju

tiifie» »u» 8<^»feg Rcofütl 199

teilen; bte SBriefe öon Söcrnern mit bcn ^Intoeitungen toarcn ha, il^m mangelte ntc^tä ju |cincr 9icifc, aU bei 5Jhit, ftd^ ju ent= fernen. SlQcS brängtc \i)n ju biefcr JReife. 6r fonnte öermuten, ba§ 2ot^ario unb i^erejc nur auf feine Entfernung toarteten,

5 um fic^ trauen ju laffen. Samo toar toibcr feine ©eioo^ni^eit ftin, unb man ^ätte Beinatie fagen fönnen, er ^aBe etmaä öon feiner getoötinUc^en ^eiterfeit öertoren. Stüdlidiermcife l^alf ber Slrjt unferm fjfteunbe einigermaßen au3 ber SSerlegen^^eit, inbem er i^n für franf erftärte unb il^m Slrjnei gab.

10 S)ic ©efeEfc^aft fam immer abcnb§ pfammen, unb 5rieb= rid^, ber au»gelaffene 2Jlenf(^, ber gemö^nlic!^ me^r 9Bein al§ billig tranf, bemächtigte fid^ be§ ©efpröcE)^ unb brachte nadj feiner 5lrt mit ^unbert ^itatcn unb eulenfpieged^aften 2lnfpic= lungen bie ©cfcüfc^aft jum Sachen, unb fe^te fie auc^ nii^t fetten

15 in 33erlegenf)eit, inbem er laut ju benfen fic^ erlaubte.

%n bie ^anf^eit feinc§ gi^eunbeS fd)icn er gar nid^t ju glauben, ßinft, alä fie atte beifommen ttiaren, rief er au§: „SBie nennt 3^t ba§ Übel, 2;oftor, ba§ unfern greunb angefallen ^at? ^>a§t l^ier feiner öon ben breitauf enb Flamen, mit benen ^\)x

20 Sure Untt)iffcnl)eit auäpu^t? Sin öfjnlidien Seifpielen mcnig= flcni ^at nic^t gefehlt. fommt", fuf)r er mit einem em= p^^atifc^en Jone fort, „ein fold^er 5?afuä in ber ög^ptifdien ober babplonifc^cn ©efd^ic^te öor."

S)ic ©efellf(^aft fa^ einanber an unb läcE)ettc

25 „2Bie l^ieß ber Äönig?'" rief er au§ unb l^ielt einen 2lugen= blicf inne. „SBcnn ^i)x mir nic^t einseifen tooHt", ful^r er fort, „fo ttjcrbe ic^ mir felbfl ju l)elfen toiffcn." (5r ri§ bie Zux' flügel auf unb toieä nad) bem großen 93ilbc im Sorfaal. „SBie l^ci&t ber ^i^Ö^n^Qi^ ""* ^^^ iltonc bort, ber ]\6) am guße be^

30 53ette8 um feinen franfenSo^nabl)ärmt? SBie^eißt bie8^öne, bie ^ercintritt unb in il)rcn fittfamen Sd^clmenaugen @ift unb Gegengift juglcid) fül)rt? 2öie l^eißt ber 'j^fufc^er öon 3lrjt, bem

> SeUutui oon Syrien. CgL 9b. 9, 6. 83 (Slnmtrtung) biefci 9u«aabc

200 Sffitt^elm anetfterä fie^rlo^te.

erft in biejem 3lugenBlicEe ein ßid^t aufgeljt, ber ba§ eifle ÜJlal in jeinem Seben ©elcgenlieit flnbet, ein bernünftigeS JReäe^jt ju Der» orbnen, eine Slrjnei ju reidien, bic au§ bcm ©runbe furiert, unb bie ebenjo njol^Ijc^medfcnb aU l^eilfam ift?"

Sfn bic|em 2onc ful^r er fort au jcEirtabronieren. ^k ®e* 6 fcttid)aft nal^m fxd^ jo gut aU möglid^ äufammen unb berBarg il^reSBerlegenljeit hinter einem geätoungenenßäc^eln, @ineleid)te 9iötc üBcrjog 9latalten§ SBangen unb toerriet bie SSetocgungen i^re§ ^erjenS. ©tüdflidjertoeife ging fie mit 3^arno auf unb nieber; qI§ fie an bie Sure lam, fc^ritt fie mit einer fingen Se* lo iDcgung ]^inau§, einigemal in bem JBorfaalc l^in unb toieber, unb ging fobann auf il^r 3inimer.

S)ie ©efettfdjaft toar ftiE. f^riebrit^ fing an ju tanken unb

5u fingen.

„O, il^r toerbet 2Sunber fel^nl i6

SBa§ gcfc^e^n i\t, ift gefc^el^n, 2Sa§ gefegt ift, ift gefagt. df)' c8 tagt, ©oOtil^tSSunbcrfel^n!"

Stl^erefe hjar 9latalien na(^gegangen, griebric^ jog ben 3lrjt 20 bor bag gro^e ©emälbe, l;ielt eine Iä(i)erli(^e ßobrebc auf bic 9)lebiäin unb fc^tid^ babon.

ßot^ario l^atte bi§I)er in einer gcnfterbertiefung geftanben unb fat), ol^ne fic^ ju rül^ren, in ben ©arten liinunter. Söittietm , mar in ber fc^redfüd^ften Sage, ©elbft ba er fic§ nun mit feinem i^reunbe aEein fal^, blieb er eine 3eiilang ftitt; er überlief mit flüt^tigem 33lidE feine ©efd^id^te unb fal^ jule^t mit ©c^aubem auf feinen gegenn)ärtigen ^uftanb; enblid) fprang er auf unb rief: „58in ic^ fc^utb an bem, toaä borgest, an bem, toag mir unb Slinen begegnet, fo ftrafen ©ie mic^! 3^ meinen übrigen so ßeiben ent^ielien Sic mir ^^n greunbfc^aft, unb laffen Sic mid; o^ne Sroft in bic tocitc 3öelt ^inaugge^en, in ber id§ mid^ lange l)ätte berlieren fottcn. ©el^en ©ie aber in mir i)a§ D^jfer einer graufamcn äufältigen S5ertt)idlung, au§ ber td^ mid^ ^erau§äu=

Stentes 93u4. geinte« fiapiteL 201

toinben unfätjig toar, jo geben <Bk mir bic 3)eifid^erung ^^xzx ßiebe, ^iixtx 5ieunbfd}aft auf eine Oieijc mit, bic iä) nid)t länger t)cr|(^iebcn barf. 68 toirb eine 3"t fommen, tDo ic^ 3t)nen njerbe jagen fönnen, tDa§ biefc Xage in mir borgegangen ift.

5 Sßiflleid^t leibe id^ eben je^t bieje ©träfe, toeit iä) mic^ 3f)nen nid^t früt) genug entbetfte, toeil ic^ gejaubert l^abe, mic^ Seinen ganj ju geigen, toie id) bin; ©ie l^ötten mir beigeftanben, «Sit I)ätten mir jur redeten 3fit Io§ge{)otfen. 5lber= unb abermal gelten mir bie Slugcn über mid^ felbft auf, immer ju ft)ät unb

10 immer umf onft. SGßic fe^r toerbiente i(^ bie ©trafrebe 3Samo§ ! SBie glaubte id^, fie gefaxt ju l^aben, mie l^offte ic£), fie ju nu^en, ein neuegßeben JU getoinnen! ilonntc ic^'^? ©ottteic^'S? 2}er» gebenS Hagen toir 5Jtenfdf)en un§ felbft, bergebenä ba§ ©dl)idffal an! SBir finb clcnb unb jum ßlenb bcftimmt, unb ift ni(f)t

16 üöllig einerlei, ob eigene ©d)ulb, l^öl^crer ©influ^ ober 3"faÜ. lugenb ober ßafter, 2Bei§l)eit ober 2Ba^nftnn unä in§ 2}erber= Un ftürjen? 2eben©ie too^l! 3d^ tocrbe feinen SlugenblidE länger in bem Jpaufe bermeilen, in toclcfiem id^ ba§ (Saftred^t toibcr meinen SGÖillen fo fdE)redlid) berieft Ijabe. 2)ie i^nbiätretion

20 3^re§ Sruberg ift unbcräeil)lid^, fte treibt mein UnglüdE auf ben I)ödjften (Srab , fic mad^t mid^ berjroeifcln."

„Unb toenn nun", bcrfdjte ßot^ario, inbem er il^n bei bcr J^anb nabm, „3§re 33erbinbung mit meiner ©d)tt)efter bie gc= l)eime Sebingung wäre, unter toel^er [vi) 2^erefe entfd^loffen

25 ^at, mir i^re .£)anb ju geben? (5inc fold^e ©ntfd^äbigung l^at 3^nen baS eble ^iäbc^en jugebad^t; fie fd^tour, ba^ biefeä bop= pclte *^aar an einem Jage jum Elitäre gel)en follte. ,©ein 9}er» ftanb t)at midj gelDät)lt*, fagtc fie, ,fein .^erj forbert ^Jatalicn, unb mein 5Berftanb mirb feinem ^erjen ju ^ülfe fommen.' 2ßir

00 lüurben einig, ^tatalien unb ©ic ju beobachten, loir mad^tcn ben 9lbbe JU unfcrm 33ertrauten, bem mir berfprect)cn mußten, feinen ©d)ritt ju bicfer Serbinbung ju tun, fonbem alteS feinen ®flng gelten ju laffen. 2öir fjoben getan. 2)ie 9?atur t)ot gcmirft, unb bei toUe SSruber l^at nur bie reife grudjt abgeft^ttttclt.

202 SBtt^elm TOeifietä ireörja^rt.

Sajfen Sie un§, ba toir einmal fo inunbcrBar äu|animcnfo!nincn, nt^t ein gemeine^ Sebcn füt)ren; taffen ©ie un§ äujammen auf eine toürbigc SBeifc tätig jeinl Ungtaublid^ ift c8, tooS ein gc= bilbeter ^tenjd) für fi(^ unb anbete tun fann, tocnn er, ol)ne l^err^ \ä)tn ju »ottcn, ba§ ©eniüt l^at, SSormunb Don bieten 3U fein, ftc 5 leitet, ba^ienigc pr Ted)ten 3eit ju tun, toaS fte bod^ atte gerne tun möd)ten unb fte ju ii)xtn 3toecfen fü^rt, bic fte meift rcc^t gut im 2luge ^aben unb nur bie Söege ba^u berfctjten. Soffen (Sie un§ l^ierauf einen SBimb fd^lie^en! ift feine ©c^ttjörmeret, ift eine 3bce, bic red)t gut au§füt)rbar ift, unb bie öfter§, nur lo nict)t immer mit Harem S3en)u§tfein, öon guten ^enfdjen au§= gefüt)rt ttjirb. 9Jleine ©c^toefter 5iatatie ift t)iertoon ein teb{)afte§ Seifpiel. Unerreid)bar totrb immer bie ,^anblung§tt)eife bleiben, toeld^e bie 9latur biefer fd)önen ©eele üorgefc^rieben t)at. ^a fic berbtent biefen 6l)rennamen öor öielcn anbem, mcl^r, toenn idt) 15 jagen barf, al§ unfre eble 2:ante felbft, bie ju bcr 3cit, al§ unfcr guter Slr^t jenc§ 5JtanufIript fo rubrizierte, bie fc^önfte 9iatur mar, bie trir in unfenn Äreife lannten. 3tnbc§ ^at ^atalie fid) cnttüidtclt, unb bie ^enfd)l)eit freut fid^ eincrfolrf)en@rfd)einimg."

@x moltte toeiter reben, aber ^^riebrtc^ fptang mit großem 20 ©ejc'^rei l)ercin. „SBel(^ einen Äranj berbien' iä) V rief er au§, „unb toic toerbet tl)r mid^ belot)nen? SJlljrten, Sorbeer, @fcu, @id)enlaub, ba§ frif{^efte, ba§ il)r finben fönnt, toinbet 3U= fammcn; fo bicl S3erbienfte l^abt il^r in mir ju frönen. 51atalie ift bein! Sfd) bin ber 3auberer, ber biefen ©d)a^ gel)oben l^at." 25 „®r fd^toärmt", fagte 2Bilf)elm, „unb ic^ ge^c." „.^aft bu Sluftragl" fagte ber SBaron, inbcm er 2!öir§elmen feftljielt.

„3lug eigner 5Jla(i)t unb ©etoalt", berfe^te griebrtd^, „auc^ bon ®otte§ ©naben, tnenn il)r tooHt; f 0 toar ic^ ^i^eiei^^nta^n» so f 0 bin id) jc^t ©efanbter, id^ t)abc an ber jlüre gel^ori^t, fie l^at fic^ ganä bem Slbbe entbedft."

„Unberf(^ämterl" fagte Sot^rio, „iDer '^ei^t bi(^ l^orc^en." „SCßer Ijei^t fie fi(^ einici)lie|en!" berfe^te griebric^; „i^

a<5t«l »u<*- Sehnte« ÄcviteL 293

l^örte attel ganj genau, 9latattc toar fcl^r Bctoegt. 3" i>cr ^aä)t. ha boä ^nb jo franf i^ien itnb t)atB auf ü^rcm <5(^o^e rul^tc, al§ bu troftlo^ bor i^r ja^cft unb bie geliebte Sürbe mit il)r teilte|"t, tat fie ba§ ©elübbe, toenn ba» Äinb jlürbc, bir i^re

5 Siebe ju bcfcnnen, unb bir jetbft bie .^anb anzubieten; jc^t, ba ba§ ^nb lebt, roarum jott fie i^rc ©efmnung öeränbcin? SlBa§ man einmal fo berfpric^t, f)ält man unter jeber SBcbingung. 3lun mxb ber ^Pfaffe fommen unb Söunbet beuten, tuaS er für 9ieuigfciten bringt."

10 £er Stbbe trat in§ S^mmtx. „3Bir toiffen oIIe§", rief 5rieb= rid^ i^m entgegen, „mad^t eS furj, benn 3^t fommt bto^ um ber Formalität toiHen; ju tocitcr nichts toerben bie Ferren öcrtangt."

„6r l^at gel^ord)t", jagte ber S5aron, „2öic ungezogen!"

16 rief ber Slbbc.

„^un gefc^njinb!" öcrfe^te f^riebric^, „toie fte^t'S mit ben Sercmonien auö? S/ie taffcn fic^ an ben ?>ingem i^er jaulen, Sil^r müfet reifen, bie ginlabung bei ^ari^efc fommt 6u(^ ^errtic^ JU ftatten. ©cib ^1)x nur einmal über bie '^Iptn, fo finbct fid^ ju

» ^aufe alle§, bie ^lenfc^en toiffcn'ä 6u(i S)anf, toenn 3t)r ettoa« aCßunbcrlidticl unternehmt, ^ijx öerfdjafft il^ncn eine Unterf)at= tung, bie fie ni^t ju bcjatilcn braurfien. ift eben, aU toenn 3^r eine t^fteireboute gäbt; eS fönnen aKe ©tänbc baran tcil= nehmen."

25 „3^r "^abt (Suä) freilid^ mit folc^en Söoltäfcftcn fd^on fel^r umS ^ubtifum berbient genmd^t", berfe^te ber Slbbc, „unb td^ fomme, fo fd^eint cg, ^eute nic^t mc^r jum 2Bort."

„3^ ni^t alle§, toie ic^'3 fage", berfe^te gricbrid^, „fo Bc» leiert un§ eineä Scffem! ilommt herüber, fommt l^eriibcr! toir

30 muffen fie feigen unb unä freuen."

Sot^arto umarmte feinen ^i^eunb unb führte il^n ju ber ©d^toefter, fie fam mit X^crefen i^m entgegen, aUeS fd^toieg.

„^iid^t gezaubert!" rief Oftiebrid^. „2in jtoei lagen fönnt 3^r reifefertig fein. SQ3ic meint 2^x, Ofreunb", ful^r er fort, inbcm

204 gStl^tlm imeiflera ge^rja^re.

er fid^ äu 2Bitl)elmcn toenbcte, „atä tt)ir S3elanntfd|aft ma(f|tcn, als icf) 6u(^ bcn jd^önen ©trau^ abforbertc, toer fonnte benfen, ba^ S'^i; iemalä eine fold§e SBIumc auä meiner .^anb empfangen roürbet?"

„ßrinnem ©ie mi(3§ nic^t in biejem 5lugcnBIi(f e bc§ l^öd^ften 5 ©lüdfS an icne 3eiten!"

„2)eren Sfl^r 6u^ nid^t fc^ämen joTItet, jo.tocnig man fit^ feiner STbfunft ^u fc^ämen l^at. S)ic 3eiten toaren gut, unb iä) mu^ lachen, Wenn id^ bid^ anfe^^e: bu lommft mir bor toie ©aul, ber ©oljn ßtö, ber ausging, jeine§ äJaterg ©jelinnen ju fud^cn, lo unb ein Äönigreid^ fanb."*

„^ä) fennc bcn SBert cineä Äönigrcid£)§ nic£|t", berje^tc Söil^elm, „aBcr ic^ toei^, ba§ ic^ ein ®tüdf erlangt l^aBe, ba§ ict) ni(^t berbiene, unb ba§ ict mit nii^tS in ber äöclt bertaufd^en möd£|te," 15

1 1. SamueliS, JtopUel 9.

»>ssa<<

Uttter^altungen bcutfd^er 9lu§8ctoanbcrtett*

©mlfttung lies gerausgebers.

^oet^e toar bamtt 6cfd^äftigt, ba§ brittc S3ud^ öon „SSil^elm 9Kei» fierä 2e^ria^rm" brucffcrtig ju machen unb gleich bcn beiben erftüx für bie „SJeucn Schriften" an Unger nad) Serlin ju f<^icfcn, 013 er im ^mblitl auf bie mit Schiller bereits bcfprodjenen „Unter»

& Haltungen" biefem am 27. SZooember 1794 fc^rieb: „3u ben fleincjt ßr^äblungcn ^abe i(^ große 2uft, nac^ bcrSaft, bie einem fo einlßfeubo» £poä, aI8 ber Jtoman i|t, auflegt"; Sben ^atte bcr 2)id)ter fic^ jum eigentlichen Schöpfer beS mobenien beutfc^en 9ioman8 gemad)t, alö er ft^on baran ging, ber beutf^en Siteratur nunmehr aud) bie 9io»

10 oeüe ju erobern, über beren Söefen unb Scc^uif in ben „UnterbaUun« gen" feine Sorte ju lefen ftnb. S5er (Sattung unb gorm nac^ fc^lie^eu fic^ alfo bie „Unterhaltungen beutjc^er WuSgettanbertcn" an ben in öiel früheren, JDinbftillen 3cilen tturjelnbcn „SBiUjclm SKcifter" an; bcm Stoffe na^, biograp^ijc^'literarbiftorifc^, fmb fte an bicjenigen

15 SSerfe ber neunziger Sa^re anjufnüpfen, in benen ©oct^e fic^ mcljr ober weniger fd)arf mit ber fran35riid)cn Sfleoolution anScinanberfc^t: an bramatifc^e 2)ic^tungen öome^mlic^, ipie ben „®roB=GopI)ta", bcn „©ürgergencral", „3)ie aufgeregten". 9Jht aUcintgcr 'Jlu^nabme bcö :bcnfallg ^ier^er ge^örenben ib^Hifc^en QpoS „^ermann unb 2)oro»

20 t^eo" »Durben biefe oon ber 3«i'9ci'd)id)te berührten 3Serfe wenig gün» ftig aufgenommen. öoet^eS fc^roffer politlfc^cr ©tanbpunft, fein ftarr» (onferüatiöer Wriflotratiämuä, öerbroß boiä ^ublifum aud) in bcn „Unterhaltungen". Senn gleich im ©ingange bieieg S^thxS öon üv- jäfjlungcn bie ^Baroneffe, tüclc^e bie 5iabmcn«0cf(^it^tc bcf)crrfd)t, iai

26 3>erfd)iDinben ber guten gönnen bellagt, ben ®an8culotli«<mu§ in bcr (Sefelligteit, hai heftige, Unbulbfame, Saftige, fo ift fte burc^aud ber SKunb beS 2)id)ter8 felbft, beffen „fon^iliantcv", in allen 5)ingen nad)

208 Unter ^)a[tunflen htut\ä)tx gMagtwanbtrttn.

l^ormomfci^cm ^tuSgleid^ ftrcBcnbcr 5Rotur bcrglcic^m in innerster ©eelc juiuiber icar. 3m fünften Stücfc ber ©^ittcrfd^en „^oren" öom Sa'^rc 1795 fc^ilt er ftreng ben „2iterarif(^en ©amSculotttSimig", imb ebcnbovt,imfeIbcn3a^r8ange, fte^en aud^ bie„Unter!^altun9cn". ?lud^ fte gcl^ören ju bcnjenigcn (Soet^efc^cn SBerfen, bcren ^uSfü^rung »uir 5 ben unabläffigen freunbfc^aftlidjcn Anregungen beg auSgejeic^netcn Sebalteurä biefcr focbcn gegrünbeten ^citfd^rift öerbanfen.

3n einem am 26. Cftober 1794 an ©c^tHer gerichteten ©riefe ®petl)e8 ^cijjt e3: „©(^reiben ©ie mir bod^, iraS ©ie noc^ cttoa ju ben ,5)oren' öon mir »ünfi^en, unb hjann ©ie e8 brauchten." ©exiliert' lO ©riüiberung t)om 28. erinnert an bie „3bee, bie ©efd^id^te beS e^rlic^en ^rofuratorä ou8 bem SBoccaj ju bearbeiten", unb ©oet^e öerft^ert noäi an bcmfclben Sage, „bk Srjäl^lung fott ju ®nbe bc8 3a^r8 be* reit fein". Slm 7. SRoöember lonnte ©c^itter an greunb ßömer mel* hm, (Soetl^e fei jc^t befc^äftigt, „eine jufammen^ängenbe ©uite öon i5 (Srjäl^Iungcn im ® efd^mad beg ,S;ecamcrDn' be8 SSoccaä auSjuarbeiten". ''Ära 27. Sioöcmber fd^idte ©oet^e baS SKanuftript jum 1. ^oren« ©tüdf ju öorlöufiger Äenntniänal^me, öier SBo^en fpäter fa^fertig cm ©(^iHcr. S)ie „Unterhaltungen" (mit (Sinfd^lufe be8 „SKor^enS") er« fc^ienen alSbann, in hjenig fauberer Seytmiebergobe, jWifc^en bem 20 Januar unb Dttober 1795 im 1., 2., 4., 7., 9. unb 10. ©tüd be8 crften 3a!^rgang8 ber „^oren", unb jtoar, auf ®oet!^e8 au8brüd^ lid^en 33unf(^, o^ne Sficnnung be8 93erfaffer8, toaS freiließ nid^t ^in« berte, i>a^ ba8 SBerf ol^nc tteitereS aI8 ein ©oeti^efcbcS erfamtt Würbe. 3la(i) ber ?lnfünbigung ber „?luggabe le^tcr §anb" fottte bie „Unter* 26 Haltung ber ?lu8geJDanbcrten" [!] hinter bie „f^mbolifd^^fatirifd^en 5;ijeaterftüdte" bt8 11. S3anbe8 fommen, toeil aud^ fte „ba8 gro^c Unheil unwürbigcr ©taatSumiuäljung in lebhaftem 2)iaIog öor bie ©cele" bringen. Sud^^önblcrrüdftc^ten, mit bencn ®oet:^e fe^r itjenig cinöerftanben war, Oerf(^oben, toie ben ^lan ber ganjen legten ®e* 30 famtauSgabe, fo audf ben für bie „Unteri^altungen" in ?lu8ftc^t ge» noramenen ^la^; biefe fanben l^ier enblid^ im 15. Sanbe (1828) jiDt* fc^en ben „?luf geregten" (ögt. S3b. 18 unferer ?lu8gabe) unb ben „(Suten SSeibem" (ügl. ©. 343 ff. biefeS 8anbe8) ein Unterfommen.

2)ic ?lufna^me ber „Unterhaltungen" »ar, »ie bereits angebeu' 35 tet, im attgcmeinen rcd^t fü^I. ©cbon ©^iHcr fanb, lüie er an ftömer f(^reibt, feine ©rmartung, namentlid^ !^inft(^tlid^ ber 3?a^men'®rää^« tung, „!cine8tDcg8 befriebigt" unb bebauerte, bo§ biefeS Unglüd fd^on

einleituns be« $erau«geber8. 209

gleich tag crfte 3tüd bcr „^oren" treffe. Sr fanbte baS TOanuffri^Jt, beDor junx 2)rucl abging, on ^umbolbt, ber ®oct^e gegenüber mit feinem SeifoII nic^t jurüct^ielt S)agegen fdjrieb S^arlotte D. Stein am 19.gcbruar 1795 an Sc^iUerg QJattin, (Soet^e fc^eine eS gar nidjt me^r

6 Smft umä ©(^reiben 5U fein, ba% er bie beni Stoffe nac^ rec^t bc* fannten(Scfc^id)tcn „gut genug jum 3n^alt eineS fo refpeftabeln 2Sour* na!ä ttie \>ie ,^oren"' l^alte. Somer fanb ben Sinter ber „ye^rja^rc" in ben „Unterhaltungen" nic^t »ieber, beren decrescendo er be^ bauert; er wie ^umbolbt unb Gotta berichteten an Sc^iHer Don Äla*

10 gen be3 ^ublifumS, beni bit ©rjä^lungen „burc^auS intb total" mig= fielen. Se^r obföHig fritiftertc fic im ^a^rgange 1796 feiner 3citfc^rift „3)cutf(^lanb" ber Soniponift unb Sc^riftfteHer ^ol^anngriebric^ 3ieid)arbt, bcr öon „leeren ©efpenftergefdiic^ten" unb „;)lumpen ita» licnifc^en Seufd)^eit§mct^oben" fprac^. SBiel be^utfamer unb milber

15 urteilte bagegcn 'Jluguft SSil^elm Schlegel in ber 93efprec^ung bcä poetift^en 2eil8 ber „§oren", bie in ber „9ltlgcmeinen Siteratur* 3eitung"be§3a^r2ä 1795 erfd)ien (9h:. 6) ; jrear finbet er in ben„Unter=' l^altungen" Spuren öon Lanier, wenn aud) Don jierlid^er 2Kanier, bo^ lobt er »arm ben ruhigen, jur Sammlung einlobcnben 5lon, ben

- -1 hinftloS barfteüenben "fluäbrud unb bie oortrcfflic^e G^arafterifterung.

©oet^e fpannt bie ftcben ^ier gebotenen 6r3ä^lungen in einen

9ioöcIIenra^men, loie ba8 fc^on fo man^e anbere öor i^m getan

Ratten. 53or allem fc^liept er ftc^ in ber gönn ber Ginfleibung an

bie italienifc^en SioDcüiften an. SSie 53occaccio§ „Decamerone" in

25 unter^altenber ©efelligfcit bie Seiben ber $cft, ber JJönigin 3Kargo* rete öon 9?aöarra „Heptamerone" bie Unbilbcn einer 2Saffer§not öcr* geffen ma^en foÜ, fo tpiH ber crlcfene Deine ^ei8 öon Gmigrierten, ben ©oct^e auf einem rc(^t^rf)einif(^en Sc^lößc^en tjcrfanmiclt , ben Slicf üon ben ÜJreueln ber Stcüolution ablenfen. ©twaä gan3 'Ü^n»

30 lic^eä plante fpatcr 2!i"iitcrmann für eine ©efeflfc^aft, bie im Gljolera» ja^re 1831 bcr ^aft einer läftigen Cluarantäne öcrfaHen ift. Wuc^ an ba3 Suc^ »on ben „Sieben weifen SWciftcrn" ober (5t)aucer3 „Canter- bury-tales" wäre ju erinneni, wie ja bie beliebte gorm fid) bann t>on Zkdi „^{)antafu8" unb S. %. 's?!. 5>' ff»»inn3 „Serapionöbrübcm"

V) bis 3U ©ottfrieb Heller bur^ bie ganje neuere Literatur ocrfolgen läfit.

3)ie „Unterhaltungen" fmb nur jum flcinen 2cil ein (äoet^efc^cä

Criginolwcrf. gür jwei ber Öefc^ic^tcn gibt ber 25i(^ter felbft bie SRe«

moircn be3 TOarfc^allö ©affompierre a\^ faft Wörtlid^ bcjiu^te OucIIe

Wort^e. X. 14

210 Mnterl^altungen beutf(lier auSgemanberttn.

an. 2)ie ©rjäl^lung öout ^rofurator ift glcic^fattg Wenig me^r alS bie Überlegung einer rontanifc^en iRooeHc, bie aber ni^t 33occacrio? „Decamerone", fonbem ben „Cent nouvelles nouvelles" entftammt 2)ie ®efd)id)te öon ber ©ängerin ?lntoneIIi beruht toa^rf^cinlic^ auf einem münblidben Sendete über bie franjöfiidjeS(^aufpielerin£lairon, 5 ber ®oetI)c burc^ ben ^rinjen ?lugu[t öon ®Dtf)a 5ugc!ommcn iDar, »UQ^rcnb bie ©cgcben^cit üon bcm J?lot)fgcift öon einem ^crm b. ^anneroi^ al§ eigenes ^auScrlebniS briefli^ grau to. 6tein mit» geteilt werben ift. (genauere eingaben über iit^c Cuellcn unb il^rc Verwertung burc^ (Boet^e enthalten bie ?lnmcrfungen am ©c^Iuffe lO bcg SßanbeS.

9iic^t nad^äuwei[cn i[t eine Guettc für bie ©efd^idjtc »on bem in Wenig bebcutenben Sfflanbfc^en SBaljncn öerlaufenbcn ^auäbieb» fta^^I unb für ba§ gcfonbert ju betradjtcnbe „2Kärc^cn". 9Son bie» fem abgcfcl)cn, finb bie „Unterl^altungcn" überhaupt fein SBerl öon i5 f)ot)em 23crtc. 2)ie ©rjä^lungen be^ci^nen ftc^ felbft aI3 „lei^* tcr 9Jad)tif(^". ?lm intcrcffanteften ift ber „^rofurator": in einer wo()lgeie0ten, etwa? umftänblic^» langatmigen Sitcraturf))rac^e alter* tümlic^en ©tiI8 abgefaßt, rei^ an 3Konologen unb 2)ialogcn. 'Und) bie Saffompierrcfc^en ©efc^ic^ti^en ftnb öortrefflic^ crjä^lt 3n bciben 20 gäden betreffen ©oct^cS fe^r geringe §lbweic^ungen öom Original foft nur ba§ Stoffliche, bo^ lä^t er bie überaus Weitherzige (St^iE ber Siebe in feinen SSorlagcn unangetaftet unb fe^t bamit bei ben Weib* lid)en ^i3reni ber 3fJa^men=(£rää^lung eine grofje weitläufige Unbefan» genl}eit öorauS. 25

Sie ©iuMeibung ift ©oet^eS ©gcnfteS; in i'^r fpi^t fxd^, toaS cle» gant unb geiftreid^ burd^gcfü^rt wirb, eine ?lrt bramalifc^cr ©ntwicfe* lung ju, in bereu Weiterem SScrlaufe W folgenbcn einjclncn ©rjä!^* lungen bie ©tappen barfteücn. S)oc^ fann man ber aEju |3rogramml^af = tcn Einleitung ben SBorwurf wo^l f(^werlic^ erfparen, i>a^ fie in etwag »o ^cbanliid)=fcl)ulmeiftcrlic^cr SSeife auf einer gebilbeten, lel^r^aftcn unb nüßlid)en Unterljaltung beftel)t, bie nic^t al§ freier, öbtenfcnbcr ©elbft» jWed, fonbem al§ bcwu6tcS©i^»3"f'J'""^^""^^)"^^ nac^ f eften ®runb» fä^en erf^cint. S)ie nid)t feiten fteife unb trodcne f ouDcrfotion wirb ju fcl^r alä gefcIIigeS (Sef(^äft betrieben, unb auf ben mobemen Sefcr ss Wirb ba^er biefe an fic^ wol^lfoiuponiertc unb lic^töoHe (Srääl^lungS' fünft, unbefangen genoffen, nidjt me^r ©inbrud machen alS auf bie gcitgenoffcu. S)ie ^ö^c ber „Se^rjal^re" :^at ber Spiler ©oelfje

(HnlettiiTtg bei ^erau8ge&<rS. 211

überfcö ritten; »Dir fteigen mit il^m fc^on merllid^ jum ?IIter§ftÜ ber „SSanberja^re" nieber.

a)er 5)id)tcr plante einen jtteitcn Slcil ber „Unterhaltungen", für bcn er ftdj mit „jwei roettUiuftigen Erzählungen au3 Italien unb 5 Gbino" befd)äf tigte. 3)od) fam biefe r ebcnfoioenig juftanbe, wie ber erfte bereits in ben „■JJeuen Sdjriftcn" erfc^ien; erft im Sa^re 1808 brachte ber jwölfte unb le^te ©anb ber Sottafc^en ?lu2!gabe boä 3Scrf, mo^u ber „^oren"=S)ru(f wä^renb beS grü^ja^rS 1807 unter ber 5Kitarbeit SÜemerS einer neuen ®urc^)l<^t unterjogen njurbe. 2)a3

bem toir un8 mmmc^r jutocnben, folgt unter eigenem 3;itel ben „Un» ter^altungen", bcrcn für feine Beurteilung fc^r bebcutfamer Sc^lu| unmittelbar baju überleitet. (S8 tritt auS bem Stil ber früheren ©r» jäblungen gnnjlic^ ^crauä, roar auc^ lüo^I bei S3cginn ber „Unter»

15 Haltungen" fdjroerlic^ fctjon gc^slant; aber burdj bic um jene 3fit be» fonberä beliebten, öon Ooet^e felbft übrigens al8 aJJ^ftififationen an» gcfe^enen ©efpenftergefc^ic^ten ift auf bog „aJiärdjen" Eingeleitet ttjor= ben, baS 3Kütiöe ber öorauf gegangenen ©rjäljlungcn wieber aufju» greifen fc^cint, um fie in bebeutenbcm Spiel burc^einanbcr ^u wirbeln ;

20 tS wäre alfo falfc^, ba8 „ajJärdjen" ton ben „Unterhaltungen" »ötlig ablöfen unb auf \xd) felbft fteQcn ju woHcn. Siinti^l** [ci l>'e Snt» flebung biefer vielerörterten 5)icötung furj ftijjicrt.

%uf ber Seife öon 3ena nad) Rarlgbab, am 2. unb 3. 3uli 1795, burd)bad)te öoclbe, wie er am 8. 2;ul' on Sd)ifler fd^rcibt, einige alte

25 3Jtärd)cn, über bereu ScbanblungSart i^m babci SScrfcbiebcneS burc^ ben JJopf gegangen fei: „idf wiH ebcftenä eing fdjreiben, bomit wir einen Jejt oor un8 b^ben". SSäbreub be8 ^lufcnt^altS in itarlöbab Wirb ©oet^e am „SKärdjen" gefdjrieben, auf ber SRiidreife nacb 2Sei* :nar wobt mit bem Jenaer grcunbe barüber gefprodjen ^abcn. Sin

80 58rief an biefen tom 17. "fluguft fe^t auf ben 'Arbeitsplan für bic fol* gcnben beiben 9Konate auc^ : „3)a8 ,3Kärd)en'. Jd) würbe bie ,Unta» Haltungen' bamit ftbliefjen, unb ti würbe öicQeicbt ni^t übel fein. Wenn T'« burdj ein ^robuft ber ©inbilbunggfraft glcicbiam inS Un« enblidje ouSliefen." 2>ie Arbeit madjte bem 3)i(ftter grcube, unb er

55 »erfprad) flcb gutc8 ©dingen; auc^ ScbiHer rüfjmte bie „febr guten %ufpijien", unter benen baS'äScrtdjen jur SJclt lomme. "Wm 24. ?luguft lernte er, gelegentlich eineS turjen ©efuc^cS Don ©oetbe, ben Wnfong

212 Unterhaltungen bcutfc^er MuSgeroanberten.

f ernten; öier SBod^cn fpätcr crl^ielt er bie brudfcrtigc ^anbfd^rift, btc in baS 5e]^nte ©tüd ber „5>orcn" (CItobcr 1795) überging.

2)rei rcijtioHe SOJärc^cn im ganjen ^at un§ ©oct^e gcf(^enlt, bie fämtlic^ bem reifen , ja alten 3JJanne angehören. ®o8 „^abcnntcir= c^en" „2)cr neue ^ari§", taS im 3a[)re 1811 ber erfteS3anb oon „5)i^^ 5 tung unb SSo^r^eit" brachte, ba§ lange im ftiHen gehegte SKärcIjen „3)ie neue SOieluftnc", ba§ 1821 hen „SBanberja^rcn" einöerlcibt UJurbe, unb enbli<^ iaS unfcrc, hai äl^nlic^ iüie hit „'Slo'oeät" unb bie „^aüaht" („Jperein, o bu ©uter! 2)u ?Uter, I^erein!") gettjürbigt njurbe, als t^pifdjcS SJlufter ber ganjen ©attung nur beren oIIge= lo meinen Sitel 3U füt)ren. ?llle brei S)id^tungcn ftnb ni^t S5oU8mär= c^cn, finb alfo Don ber naioen^lrt berförimmfc^en „^nbcr» unb ^au§» märd)en" hjeit gcf (Rieben, fonbern ©rjeugniffe fpäter unb beiüufjter ^nft. S)ie ^one unter il^nen i[t unfcr „aJJärd^en". §ier feiert ©oe»» t!^e8 geftattenfomienbe ^l^antafie i'^ren ^ö^ftcn S^riump^. @r iit ber 15 ^abt Senfer ber g^uftf^en „9Kummenfd)onj", ber öom SSagen bc§ ^lutuä l^erab mit öoUen ^änbcn golbenen Überfluß öerftreut;

„93in bie SScrfdjiuenbung, bin bie 5ßoefie;

Sin bet $oet, ber fld) bollenbet,

SBenn er [ein eigcnft ®ut bcr)cf)tt)cnbet." 20

Sn feinem ©oet^efc^cn 23erfe glänjt unb fc^immert fo jcbe Qtxk luie in biefem „SJiärd^en", beffen ©belfteinpraci^t, Woran Stic^arb Wl aWe^er pbfc^ erinnert, in berfelben 3"t gemirft ttiurbe, bie bcn S)ic^* ter liebeöott in be§ Florentiner ®oIbfd^mieb8 SSenöenuto Sellini Seben öerfcnft fa^. (S§ ^errfc^t barin ein ganj einziger Stimmung§5auber, 25 ben ein ®emälbeä^flu§ öon ^ermann ^enbrid^ jüngft nac^äuempfin» itcn gefu(^t ^at. S)ic wunberöoHften garbenwirfungen »erben auf» geboten, inobet bie für ©oetfje fo d^arafteriftif(^e 9Sermä:^lung oon ©olb unb ©rün überiüiegt. ®ine ^eitere 9lnmut liegt über biefer ^Mt üon 3Kotit)en unb gönnen, bie fid^ ttjie im ^aleiboffop öerfdjiingen. 30 3auber|afte Sdjönl^eit, crl^abenc geierlid)feit, ja tiefe STragil öer=> fdjwiftem ftd^ in grajiofem 3teigen mit 3ügen öon naiöem 3fteali§mu§ unb felbft toon Storni!. 2>er ^olbfeligen Silie gefeilt ftd) ber öerfteinerte WopS, unb unoblöffig rollen Äo^Iföpfe, 3»icbeln unb ?lrtifd)ocIen (®oet:^e§ £iebling§gemüfe, ba§ äi^nli^ auc^ in ben 2iebe§briefen an 35 2otte Stein feine SRoQe fpiclt) burc^ biefe ®oIb= unb Dn^yprac^t. 3)enn barin beftel^t ja ber ^aiiptreij be§ ?l^nung§öotten im SDlär^cn, \>a'^ e3 bie p:^antofttfc^ften Unmöglic^feiten burc^ ein bünne§©eibenfäbd^cn

(Hnlritung hti ^auiitbni. 213

mit ber lonfreten ^lUtaglidifcit öcrbinbet, um ba§ SSunbcr gtaubfjafter ju madjen. 2!a§ Jiaufalitätggcfeg gilt nic^t unbebingt in biefcr „Sraum* unb 3auberfp^äre"; ^ier bürfen forgloS angefc^Iagene Söne forgloS öcrflingen, o^ne in einen WRorb gcbunben 5U werben, ^ier ^abcn, fo»

5 balb baS ©an^e nicf)t in baren Unftnn ausartet, auc^ tönenbeS ©rj unb flingenbeScbelle ibre innere 5Bcred)ttgung. 2>cr fünftlerifc^c Spiel* trieb, bem befonbcrS Jfant unb Scbiller nadjgegangen finb, greift ou§ ber Suft taufcnb glänjenbe SäQe, bie bann nun einmal ba ftnb unb bamit i^ren 3wecf fcbi3ncr, freier 3iüec!lorig{eit erfüCt babcn.

10 2!a§ „SKärcben" Juarb faft allgemein freubig begrübt 2Benn au§ ©cbillerS ja faft immer lobenb beiftimmenben Urteilen im 93riefire^fel mit (Soet^e eine etn)a§ öerftänbni^lofe Süblc fpric^t, fo begreift fid^ baS bei ibm ganj toobl. Seine ©ottin füllte fid^ angenehm an bie 3Rärd)cn 5Boltaire3, Römer mit mc^r ©runb an bie ^amiltonä erin=

15 ncrt. Sicicbarbt fpenbete in ber angejogenen 53efprecbung ber „Unter» ^oltungen" boc^ bem „SKärcben" ^o^en ^reiä, unb bie romantif(bc Sd)ule iDar naturgemäß öoQenbä entjüdt üon ber 2)icbtung, bit für üc felbft in äbnli^er SBeife ©po^e machte mic bie „Sebrjabre". SSilbelm Schlegel rübmt in ber gleidjfaHä bereite ettüäbnten „§oren"= Stehen»'

20 fion baä „liebli^fte SRnrc^en", ba8 je öom ^immel ber ^^antafie auf bie bürre 6rbe herabgefallen fei. 9?oüaliS junml, ber an biefe ©oet^c* fcbe 2)i^tung bie SSerje „Sä ift an ber 3cit" in ben „SBlumcn" getnüpft ^at, mad)te fie ficb ganj ju eigen. Sein berübmtcä 3JZäid)en im neun« ten fiapitcl be§ „Cftabingen" ift o^ne hc^ ©ocl^eidje faum bcntbar.

25 Seine blaue 53lume entfpri^t ber Silie, unb wie im ganjen, fo trifft aud) in ©injelbeiten (auc^ er bat einen gebannten ^Riefen) fein 2Rär* ^en mit bem htä SD?cifter§ jufammen. Sied, ber auf beibe im „^ba"' tafus" ju fprecben lommt, jiebt baS beä greunbe^ entfcbicben bem flaf» ftfcben SJiufter öor, in bem er bei aQer „fc^einbaren S>ortvcffItcbfcit"

80 bie be^errfcbenbe, orbnenbe Seele, ben eigcntlicben 3"balt öcnnißt. SKan barf inbeffen bie beiben ^'idjtungen nidjt gcgencinanber au8= fpielen, ba fte bocb aucb Wieberum bie funbamenfalcn ©cgcnföjje öon Sllafftjiemuä unb JRoumnti! bcutlicb erfeintcn laffcn. ©octbeS „War* (ben" jcigt bei aQer bewufjtcn !JunIclbeit tlarcrc öinicnfübrung, folge«

35 rid)tigere 93?otiüierung; er bleibt mit einem Sufje auf ber Ören^e be8 SSirflicben unb 9Ki3gli(^en fteben, inbeffen bei ÜJJooaliS bie „unft^em Sohlen" nirgcnbä baften. 3ener fd)aut offenen 33lid8 hinein in baS reale 2eben, um eS poclifc^ ju öerHären, biefer laufest mit gefd)loffenen

214 UnttrSaltiinflen beutfd^er gugfleioanberteit.

^ugen geDeimnigöoff rauf^enbcn 2:ünen au8 einer artbcren 5BcIt. (Soettjc \djai\i pla'it\\d), 9?oDaIie! murttalifc^. SBol^I i'it bcr Stimmung§= jaubcr bei beut Sü'igeren nod) griJijer, aber juglcic^ auc^ baä ®efü^I, feinen fcftcn 53obcn unter ben güfecn 3U ^aben. S3ei il^m ift atteS Allegorie, bk man berfte^en mu^, um ben ganjen 3<iubcr feiner S)ic^= 5 tung aug^utoftcn.

„23anim foll eben ^n^alt ben ^n^alt einc§ ®ebid^t8 au§» mad^cn?" frogt bcrfclbc %ied, ber in ®oet^e8 „SJtärd^en" ben 3"()rtlt toermiBte, einmal ed^t romantifc^ im „©tembalb". ©0 romantifc^ i\t nun unfer äKäic^cn gemiB nic^t, ba^ e8 [ic^ bi8 inä ©tnnlofc 10 üerirrte. ©0 ttjeit ^at fic^ nur bcr 2)eutung§fanati§mu§ einiger ber jal^trcid)en Interpreten berj'tiegen, bie für ba8 2;üpfeld)cn auf bem i eine aIlegorifd}e(£rtlärung beizubringen gettJUBt ^aben. 3Kir fd)cint ^ier ebcnfoiüenig eine burc^gefü^rte ^HHegoric öorlicgen ju muffen »ic in bem anmutigen, ben „Contes des Fees" nad^gefd)affenen diototo' is märd)en üom „S'Zeuen ^ari8", baS mit feinem Icudjtenben SBaffcr= unb ißrüdcn^auber öielf ad^ an unfer 3Wörc^en gcmatjnt ; nun fci)eincn ja im SJJärc^en öon ber Silie bie Sdjlufjiuorte aflerbing§ ein ju Ii3fcn= beä Siätfel aufzugeben; aber follten fte nid^t aud^ alg blofjc Stilifte* rung ber t^jjifdjen öoIfSmärd^en^aften gonnel: „tüenn fte nic^t ge^ 20 ftorben ftnb, fo leben fie ^eute nod^", gefaßt Werben fönnen?

^ebenfalls öerurfadjte ba§ „3Rärc^en" toom erften Sage an großes J?o|if3erbred[)cn, unb aÜtä beftürmte ben S)ic^ter mit g^agen nac^ ber £üfung unb mit eigenen 5ßerfu^en, fie ju geben. Sl^arlottc ö. Salb unb ber ^rinj ?luguft öon ©ot^a ntctbeten ftc^ juerft mit 25 9Iit§Iegungen, bie ©oel^e mit öiciem ^umor jum ©runbftod einer ©ammlung machte. 6r bat auc^ Si^iUer um einen ^Beitrag, lieferte felbft folc^e unb fc^rieb jenem am 26. Sejcmber 1795: er l^offe auf eine günftigc SSenbung in ben (ja noc^ nid^t abgcfdiloffenen) „Unterljal* tungen", feinpn „beliebigen ©pafj barüber machen p fönnen". @r 3o ^alte ben ©eiftlic^en ba§ 2Rär(^en al8 ein foIdjeS anfünbigen laffen, basi ben §5rer „an atteS unb nic[)t8" erittnem fülle; nun l^ielt man ftc^ nur an ba^ „?lllc§" unb feilte bem Siebter bie ^iftole attf bk S3ru[t. ©r foEte bk gerufenen (Seifter nic^t tüicber Io§ icerben.

?lm 15. 2)eäem'ber 1795 fprac^ er ©exilier gegenüber ben 23unfc^ 35 au§, im (Eingänge gu einem geplanten gnjeitcn äRärc^en für bk „Um terl^aüitngen" (föoet^e ^atte bafür nod^ „etiua ein ^alb 2)u^enb 2Kär= dien unb Q)ef(^ic^ten im Sinne") „über bie '»iluSIegung beS erften aeg^

dinleitung b<* ^erau^gebtrJ. 215

fc^lfljjfen" ju fonne«. Sr ^attc, ttic in einem S9ricf an ^unibolbt öont 27. 'SRax 179H Reifet, jugleic^ bcbeutenb unb bebcutungSloS fein »rollen, unb fpric^t ebcnba oon jenem ^weiten 2IZärc^cn, „baä aber, gcrabe umgcfe^rt, ganj allegorifc^ rocrben foCt, imb ba§ alfo ein fc^r

5 fuborbinicrteS ffunftroerf geben müßte, wenn i^ ntc^t ^offtc, burd) eine fe^r lebbafte 3)aritellung bie. ©rinnerung an bie 'Jlllegorie in icbem Üiigcnblicf ju tilgen". 2)a§ l)eiBt bocb au§brürflic^ t)erfid)crn, in bcni üorlicgenben 3Kärc^cn fei tcine burc^gefübrtc, reftloä aufgcbcnbe 'QlUe^ goric, feine (bid)terifc^ ttjertlofe) Sc^Iüffelgefc^ic^te ju fe^en; unb

10 barum fonnte ©djiller auc^ an Sotto [c^reiben: „3)er ©c^Iüffel liegt im ,33?ärd)en' felbjt."

S3 gebort eben glei^ bem „SfZeifter" ju ben ücrftanbeämöBig ni^t oöflig au53uf(^i3pfenbcn „infolfulablen ^robuflioncn" ©oetbeä, bcr 3u 9ticnier, nad) öeffcn 53cnd)t, barüber einmal geäuijcrt bat,

15 füble jeber, baß nocfj etrcaä brin ftccfe, unb iDi|)e nur nid)t nja§. 3n

bicfcm „njabrcn Uniocrfum ber ^fjantafte", njie Xbomaä (Sarlqle

baä öon i^m inS ßnglifcbe überfcßte „Tlärd^tn" ©octbe gegenüber

nennt, flccft üicl üon bem, moä bie JRomantifer aI8 Ironie prebigtcn.

2)abei ift nic^t ju übcrfcben, baß nacfjnjciSlid) einige SDZotioe

-"^ oerwertet, bie ber Su^aS. ober bettJUBte SSabl bem Siebter an bie ^anb goben. <Bo foll ein Spajiergang im ^arabicä bei ^ma longa beS SaaleuferS, eine auf bunter SSicfe einberroanbeinbe fcb'öne grau unb über ben i5I"B fabrenbe lac^cnbe Stubenten ben erften ©cbanfcn an boä „2)Järcbcn" im 2)icbter gcroedt ^aben, unb bie 3RelaÜtönigc 5cigcn

-'" unücrfennbar freimaurerifcbe 3"9C- ^Q^ ^<^^ i»'« ?luglcger, bie im ein» jclnen au<^ ganj einleuc^tenbe '•^Ui^fäljrungen geliefert ^aben, nic^t ge^inberl, ben glufe j. S. balb ol8 „S^it", balb al8 „Seben" ju beuten. 68 gibt eine gan^e Literatur öon Interpretationen jum „aJiiirdjen", mit bcr ttjir un3 in ben 9lnmerfungcn am Sc^luffe heä 83anbc3

.) referiercnb au^einanbcrfct^en.

3Sir Dcnuögen unSteiner ber ja^lreidjcnSeutungenanjufdblieBen, bie un3 ade über bai8 Qxtl ^inau3 311 fc^iefjen fc^einen. Sebcutungö» I08 i)t boä „3Rör^cn" natürlich ni<^t 9Sir »erfolgen „bag gegen» icitige ^ülflciftcn ber Stäfte unb baS 3"'^^'''ö'='f«" aufeinanber",

35 Da3 (Soet^e fclbft einft Sc^iöer gegenüber atä „!3bce" ber 3)id)tung bejeic^net ^at. 23ir fe^cn, toie bicfe Jlxäflc in rtnnöoDcm 3iil'i"n"ien» arbeiten eine SSeltüerjüngung unb Scltöcrbeffcrung ^crauff übren, aliJ c^ „on bcr 30't" üt. '^a'iU muy bie ro^e Siaturfraft beS Miefen ge-

216 nnter^altiingen beutft^er gugfltroanberten.

bänbigt unb bicnftbar gemod^t lucibcn; auc^ ber Sclbftaufo^jferung bebarf c8 ju bicfer Dtcftauration, bei ber man gemife fc^r tto^I an poli» tifd)e, äft^ctifc^.Iiterorrjiftorifc^c unb |)erfönltc^ = biograp^ifd)c ©ejüge benten barf , tote bic 3eit flc bot. ?tber mon barf btefe parallelen ntd)t prcffen unb ju £obe l^e^en; aud^ für ©oetl^e gilt, toa§ Smmer» 5 mann am 8. Dltober 1832 betrefft feinet „5KerIin" on Xied fc^rieb: „ein in§ <Bp^kUe gel;enbe8 5)cuten toürbe meine ?lbrtd^ten nidjt treffen."

SBer öiel fuc^t, finbet öiel, namentlid^ menn er ein ^egelioncr ift. SRur ein paar groben feien ^ier gegeben, ba8 SBebenflic^e fo übertriebe* 10 ner ^2lu8= oberUntcrIegungen ju beleud^ten. 3n ber 2üie fte^t SiJoöalig i>k ^i3nigin üuife bon ^reufeen, §ot^o bk J^unft, SRofentranj bk Uw fd)ulb unb Zkbt, G^oleütug ba8 Königtum, S3aumgart bie SBa^rljeit, aKorriS, ber mit beftec^enbem ©(^arffinn baS „Wärd)en" ju einer 3Äa§fenbi^tung ftempclt, bk ^craogin bon SBeimar. 3)ie ©d^Iangc i5 ift balb ber praftifd^e SSerftonb, balb bog Scben; bolb ber SReic^tum, balb bie ^^antafte; balb ber Befonnenc S3ürgerftanb unb balb bie bcutfd^e Siteratur beS 18. ^a^r^unbcrtS. 3m Jüngling mag man nac^ belieben ijriebricf) 3SiI^elm HI., bie Scgitimität, bk ©e^nfud^t beS finnli^cn Sebenä nad^ bcm l^ö^eren, bie SKenfc^'^eit, baS Reiben» 20 tum, ben ®eniu§ ber bcutfd^en 9'Jation, einen bourbonifc^en ^rinjen ober ben ^erjog Sari ?luguft crblicfen. SBenn bie grau be8 Eliten nic^t bie „%igft ber SSerjtoeiflung am ftnnlic^en Sebcn", bic SScr« gangen^eit ober bie Mxdjt ift, fo toirb fte toof}! ©f^riftianc SSulpiuS fein, unb ber Ttop9 ift bereit, fotoo^I für bie ^Regation beä tierifc^cn 25 £ebcn§ toie für ben 2Si^ ober ben religiöfen SSunberglouben unb bic ^2lufängc ber 3tomantiI einzutreten.

Jn jenen ungtütflid^en Xagcn, tt»el(^e für £eutfrf)lanb, für ßuropa, ja für bie übrige Söelt bie traurigften f^ofgcn f)aU ten, ali ba§ ^ccr ber ^fi^anfen buri^ eine übelöernjal^rte Surfe in unfer SSaterlanb einbrach», berlie^ eine eble gamitie il^re

5 SBcfi^ungen in jenen ©egenben unb entftol^ über ben 9i^ein, um bcn ^ebröngniffcn ju entget)cn, toomit aüe ausgeäeic^neten^ *^^er= fönen bebrot)ct toarcn, benen man jum 9}erbrec^en machte, bo§ fie fic^ it)rer 3?äter mit ^reuben unb 6f)ren erinnerten unb man= d^er 2J!orteiIe genoffen, bie ein ttJO^Ibenfenber 25ater |cinen ^in^

10 bern unb 9la(^!ommen jo gern ju öerfc^affen toünfd^te.

S)ie SBaroncffe öon 6., eine SBittoe bon mittlem Salven, em)ic§ fid) auc^ je^t auf biejer Slud^t, loie fonft ju ^aufc, ^um Sroftc il^rer ßinber, SJerföanbten unb g^eunbc entjd^Ioffen unb tätig. 3n einer toeiten ©pt^äre erlogen unb burc^ mand)crtei

15 Sd^itffate auggebilbet, toar fie aU eine treffliche .^au§mutter be= fannt, unb jebe 3lrt bon ®cld)äft erfc^ien i^rem burd)bringenben föcifte toittfornmen. ©ie toünjdjte öielen ju bienen, unb i^re ausgebreitete SBcfanntfc^aft fe^te fie in ftanb, ju tun. 9hm mu^te fie fi^ unerwartet aU 5üt)rerin einer fleineu ^aratuanc

barfteÜen, unb öerftanb aud^ bieje ju leiten, für fie ju forgen unb ben guten Junior, toie er fi^ jeigte, in i^rcm iTreife aud) mitten unter Sßangigfeit unb 5lot ju unteti)a(ten. Unb Joirfüd) ftcütc fi^ bei unjcrn 5Iüd)llingcn bie gute Saune nid^t jclten

^r mit *■— " -••''" r'-rrt)rin betraute ©cncroltciitnant Cuftine

bemfl^tigtc fi* •■ .nbaii, roelter^in ber Junten oon fflei|en»

bürg unb ber et inj unb Jranffurt Q.W. (t)9l. &ottf)ti

„Äompagne in p^i«!''''«»^" unb ,;ö«:lajjaunfl oon Woinj" in ©b. 15 btefer «u«« gäbe). * ^^oc^geftcUttn, angcfe^cnen.

218 nnter^attungen beutfc^er guggeroanberten.

ein; benn üBen'ofc^enbe SSorfälle, neue Söcrl^ättniffc gaben bcn aufsejpannten ©emütern mand)en Stoff ju ©d^erj unb ßad^en.

Sei ber übereilten 5lu(i)t toar ba§ Setragen eine§ jeben d^arofteriftifdE) unb auffaüenb. S)a§ eine liefe [i(i)bur(^einefatjc^e f^ur(i)t, burc^ ein unäeitigeä ©d^recEen tjinreifeen; bai anbere gob 5 einer unnötigen ©orge JRauin, unb aEeä, loaS bicfer ju biet, icner äu toeuig tat, jeber galt, loo [ic£) ©ci)roäcf)e unb ^lac^» giebigfeit ober Übereilung jeigte, gab in ber f^olge @clegenl)eit, \iä) wc(^jelfeitig ju plagen unb auf^ujicl^en, |o bafe baburd^ biejc traurigen ^uftänbe luftiger tourben, al§ eine öorjä^lidje 2uft= 10 reife el)emalö {)atte toerben fönnen.

2)enn toie wir manchmal in ber Äomöbie eine Zeitlang, ol^ne über bie abfi(^tlid)en ^offen ju lad^en, emftliaft äufd)auen tonnen, bagcgen aber fogteit^ ein tauteä ®eläcE)ter entfielet, loenn in ber Sragöbie tttoa^ Unfd)irflicf)e§ üorfommt: fo tüirb aud^ 15 ein Unglüd in ber toirflidien Söelt, ba§ bie ^Jlenfc^en au§ i^rer fjaffung bringt, gett)öt)nlic^ öon läcl)erli($cn, oft auf ber <BkSie, gtloife aber l)interbrein, belachten Uinftänben begleitet fein.

SSefonber» mufete g^räulein ßuife, bie öltefte Joditer ber Saroneffe, ein lebl^afte§, ^eftige§ unb in guten Jagen l^errifc^eS -'o t^raueuäimmer, fel)r öieleä leiben, ha t)on il^r be^^auptet tourbe, bafe fie bei bem erften ©cfirecfen ganj au§ ber fjaffung geraten tet, in 3erftreuung, jo in einer 2lrt bon 2lbroefent)eit bie un= nü^eften ©ac^en mit bem größten Prüfte jum Slufpacfen gc= brad^t unb fogar einen alten SSebienten für i^ren ^Bräutigam 23 angefe'^cn l^abe.

©ie öerteibigte fici) aber fo gut fie fonnte; nur toollte fie fei= nen ©tfierä, ber fic^ auf iljren SSräutigam bejog, bulben, inbem il^r fd^on Seiben genug berurfai^te, il^n bei ber alliierten ?lrmee in täglicher ®efal)r ju toiffcn, unb eine gett)ünfd)te Ser= 30 binbung burdl) bie allgemeine 3errüttung aufgefc^oben unb biel= leicE)t gar vereitelt ju fe^en.

3^r älterer Sruber, g^ricbrid), ein entf($loff euer junger 9Jtann, fül;rte alle§ tt)a§ bie 9JZutter befc^lofe, mit Grbnung unb @e-

9>al>men»eria^tun9. 219

nouigfcit au§, Begleitete 311 ^^.'ferbe ben 3u9 unb War .^ugteic^ ÄouricT, SÖagenmeifter unb SBegraeijer. S^er Se^rer be^ jungem l^offnung^öottcn So^ncä, ein tt)of)Iunterric^teter 5Jlann, Iciftcte bcr ^Baroneife imSSagen ©ejcllic^aft; 23etteri?arl fut)r mit einem

5 alten @eil"tlid)en, ber aU |)auÄtreunb irf)on lange ber gamitie uncntbe^rlidt) gctootben toar, mit einer ättem unb jungem 55cr= wonbten in einem nadifolgenbcn 2Öagcn. ^ammermäbd^en unb Äammcrbiener folgten in Jpalb(f)aifcn, unb einige jc^werbepadtc Srancarbä', bie au] mel^r aU einet Station jurüdfbleibcn

10 mußten, jdilofien ben 3ug.

Ungern t)atte, »ie man leidet benten fann, bie ganje @e|elt= fdiaft i^rc 2Bol)nungcn öcrlajlcn, aber SScttcr S^axl entfernte fid) mit boppeltem SSibertoillen öon bem jenicitigenSi^einufer; nid)t ba& et etroa eine ©eliebte bafelbft jurürfgelaffen t)ätte, wie man

15 na^ feinet Sugcnb, feinet guten (Seftalt unb feiner leibenfc^aft» litten ^atur ^ätte öermuten foHen; er f)Qtte fid^ üielme^r oon bcr blenbenben Sd)önt)eit üerfüt)ren laffen, bie unter bem 91a= men Sfreifjeit fic^ erft f)cimli(^, bann öffcntlid^ fo Diele 3lnbeter ju öerfc^affcn xonfM, unb, fo übet fte auc^ bie einen bcl^anbctte,

20 öon ben anbern mit großer 2eb^aftigfeit üere^rt würbe.

SBie Üiebcnbe geroöljnlic^ tjon i^rer 2eibenfd)aft öerbtenbet werben, fo ctging e^ au6) Setter Raxln. ©ic wünfd)en ben iöe* ft^ eines einjigen ©uteä unb wähnen aflei übrige bagegen cnt» be^rm ju fönnen. 6tanb, Ölürf^güter, alle S3er^ä(tniffe fc^ei=

25 nen in nidjtS ju öerfd)Winben, inbcm baö gewünfdjte ®ut ju gincm, ju altem wirb, ßltcrn, SJcrwanbte unb greunbc werben un^ fremb, inbem wir un§ etwajf jueignen, baS un§ ganj au^= füllt unb unä allco übrige fremb ntad)t.

S3ettcr Äarl überliefe fic^ bet ^eftig!eit feinet 9ieigung unb

'■-<■'*-<'- fic ni(^t in ökfpräcf)cn. Qx glaubte um fo freier fii^

4in""»9en ergeben ju fönnen, aU et fclbft ein (£bct*

mann wat, unb, obgleich bet jweitc SoI;n, bennoc^ ein anfc^u»

> St; -!)re, bann S)(}d(^nuRg far einen (Sepätfioagen (wie auc(

in ben „i jftcii", »b. 8, S. 315 blcfer «uäflobe;.

220 Unterl^altunflen beutfd^er «uaflemanberten.

Iirf)e§ 35ermögen ju ertoarten t)atk. 66en bteje ®ütcr, bic il^m fünftig jufattcn mußten, toaten je^t in f^cinbcä ^änbcn, ber nic^t äitm heften barauf !^au[te. 2)emungead)tet fonntc Äarl einer Station nid)t feinb tocrben, bie ber Söelt \o biete S5ortei(e berj^rad^, unb beren ©efinnungen er naä) öffenttic^cn hieben unb s ^u^erungen einiger ^Jlitgtieber IJeurteitte. ©etoöfinlid^ ftörtc er bicSufriebenl^eit beröefeüfdiaft, toenn fie ja berfetben nod^ fällig toax, hmä) tin unmöBigeä £ob aHe§ beffcn, n)aä 6ei ben 9ieu= fronfcn ®ute§ ober S3öfe§ gefd^al^, burd) ein lauteä S5ergnügen über i'^re fjottjc^ritte, tooburc^ er bic anbern nm befto mel^r au§ lo ber i^affung brachte, aU [ie il)re Seiben burd) bie ©d)abenfreube cineg g^reunbc§ unb S5ern)anbten bcrbo^t'elt nur um |o f(^merä= tid^er empfinben mußten.

griebrid) Ijatte fic^ j(^on einigemal mit il^m übertoorfen unb lie^ fic^ in ber legten 3cit gar nid^t me^r mit il^m ein. Sic is SBaroneffe mu^te il^n auj^ eine fluge SBeife toenigftenS au augen= 6lidli($er ÜJlä^igung ju leiten, f^räulein ßuife mad^te il^m am meiften ju jd^affen, inbem [ie, freilid^ oft ungeredf)tcrtt)ei]e, feinen ß^rafter unb feinen SJerftanb öerbäd£)tig ju mad)en fui^te. S)er .f)ofmeifter gab i^m im füllen red)t, ber @eifttid)e im ftillen un= 20 rcdf)t, unb bie ^ammermäbdfien, bcnen feine @eftatt rei^enb unb feine 5reigebig!eit reft)eltabel toar, l)örten i^n gerne rebcn, njeit fie fidi burd) feine ©efinnungenbered^tigt glaubten, il^rejärtüd^cn 2(ugen, bie fie bigl^er bor i!^m Befd^eiben niebergefd£)lagen l^atten, nunmehr in gieren nai^ il^m aufjul^eben. 25

2)ie SSebürfniffc be§ 2;age§, bie ^inberniffe be§ SBegeS, bie Unannel)mlid)feiten ber Ouartiere führten bie ©efellfdEiaft gc= loDl)nti(^ auf ein gegentoärtigeS Sfntereffe jurüdE, unb bie gro§e ?tn3al)t franjöfifd^er unb beutfd^er 2lu§getoanberten. bic fie überall antrafen unb beren betragen unb (Sdf)idEfaIe fe'^r ber= 30 id)ieben toaren, gaben itinen oft ju Setrad^tungen 3lnla§, toie biel UrfacE)e man I)abc, in biefen 3eiten atte Sugenben, befon= ber§ aber bie Sugenb ber Unparteitid^feit unb SJerträgtid^feit, ^u üben.

stammen «Srja^Iung. 221

Giite» iagc§ niad^te bic SSaroneffc bie Semevfung, bQ§ man nid^t beutüc^er jefjcn fönne, toie ungebilbct in jebem Sinne bie 3Jlcnj(^cn jcicn, a(§ in joI($en'3lugenb(idEen allgemeiner 35ertoir= rung unb 9lot. „S)ic bürgerliche S3erfa[fung", jagte |ie, „fd^eint

h wie ein ©d^iff ju fein, baö eine gro|e Stnjal^l ^Jienid^en, alte unb junge, gefunbe unb franfe, über ein gefäl^rlid^e» SBaffcr, auci^ jcrbft ju Reiten beä 8turmg, l^inüberbringt; nur in bcm SlugenbtidEc, toenn ba§ Sd^ift fc^eitert, fielet man, mer fi^toim» men fann, unb fclbft gute 8(^n)immer get)en unter jotd^en Um=

10 [tänben jugrunbe.

„2öir jet)en meift bicSluggetuanberten t^ref^e^Ier unb ar6cr= neu @enjo'^n{)eiten mit fic^ in ber 3ne ]§enimfü{)ren unb tt}un= bem unä barübcr. 2)od^ toie ben reijenben ßnglänber ber 2ec= fcffel in allen bier 23elttcilen nid£)t öerlä^t, jo ttjirb bic übrige

15 ^Ulajfe ber 5}tenic^cn öon ftotjen 3(n[orbcrungen, (Jitclfeit, Un= möBigteit, Ungebulb, ©igenfinn, ©d^ief^eit im Urteil, öon ber ßuft, i^rem 5fiebenmenjdt)en tüdCifd^ ettoaä ju bcrfe^en, überaH^in begleitet. S)er ßeirfjtfmnige freut ftd^ ber 5ludf)t n)ie einer @pa= jicrfa^rt, unb ber Ungenügsame öerlangt, ba§ i^m aud) nod^ al§

» 33cttlcr allc§ ju Dicnften ftel^e. 2öie feiten, baß un§ bie reine Xugenb irgenb eineä ^enfc^en erfd^eint, ber mirflicE) für anberc ju leben, für anberc fic^ aufjuopfem, getrieben toirb."

Snbcffen man nun mancherlei SSefanntfd^aften mad^te, bie ju folgen Betrachtungen öelegcnl^eit gaben, mar ber SSinter

25 öorbeigegangen. 2)aä ÖlüdE ^atte fid) toieber ju ben bcutfc^en

Söoffen gefeEt, bic fyranjofcn marcn mieber über ben Otljcin

öinübergebrängt, f^rranffurt befreit unb ^ainj cingefcE)loffen.'

3n ber .^offnung auf ben meitem gortgang ber fiegrcid^en

Saffcn unb begierig, micber einen Jcil i^reä ©igentumä ju er»

80 greifen, eilte biegamilie auf cinöut, ba§ an bem redeten Ufer beä

> Hm 2. Itjembet 1792 wurb« 5uf»ine M ^ranffurt oon f rcujtn unb Reffen grf(^(ogen, unb am 23. ^uti 1793 muitt tr ba< feit bcm Cttobcr (xfofte Wain) b<m belaenmbcn Poalition«^er abcrgeboi (ogl. <iott^i „V<(agerung oon Wain)" in Bb. 15 bttfer iSuSgabe).

222 Unterl^aUiinflen beutfc^er guggeroanberten.

5HIjein§, in ber f(i)önftcn Sage, il^r ^ugel^örtc. 2ötc crquidft fan» " bcn fic \iä), aU fie ben fc^önen Strom tcieber bor it)ren genftem Vorbeifliegen ]ai)m, toie freubig nal^nien fie toicber Don iebent Steile be§ ^aujeä S3efi^, toie freunblid) begrüßten fie bie befann= ten ^JJlobitien, bie alten Silber unb jeglichen ^au§rat, toie toert 5 toar il^nen mä) bag ©eringfte, ba§ fte fc^on öerloren gegeben l^atten, toie fticgen i|re Hoffnungen, bereinft auä) jenfeitä bc8 9il)eine§ aüeg noc^ in bem alten 3uftanbe ju finben!

Äaum erfcl)oll in ber 9ia(i)barjcl)aft bie 2lnfunft ber 33aro= neffe, al§ attc alten 33eEannten, greunbe unb 2)iener l^crBcieilten, 10 \iä) mit il)r ju befpredien, bie (Sefcf|id)ten ber öergangenen ^0* nate ju toieberl^olen unb fi(^ in mand^en gälten 9lat unb S3ei= ftanb öon if)r ju erbitten.

Umgeben öon biejen S3efud§en, toarb fie oufg angenel^mfte überrafd)t, al§ ber ©el^eimerat Don ©. mit feiner i^amilie bei 15 il^r antam, ein Mann, bem bie ©efdjäfte öon 3iugenb ouf jum SSebürfniä getoorben toaren, ein 5J{ann, ber ba8 3uirauen fcine§ 5-ürften öerbiente unb befa^. ©r l^ielt ftc^ ftreng an ©runbfö^c unb l^atte über mand)e SDinge feine eigene S)enttoeife. ©r toar genau im 9{eben unb .g)anbeln unb forberte ba§ ©leid^e bon 20 anbcrn. 6in fonfequenteg Setragen fd)ien ü^mbiel^öd^fte^tugenb.

©ein gürft, ba§ ßanb, er felbft l^atten biet burc^ ben ®in= faH ber f^ranjofen gelitten; er l^atte bie Söilltür ber 5^iation, bie nur bom ®e|e^ flJrad^, tennen gelernt unb ben Unterbrücfung§= geift berer, bie ba§ QBort greil)eit immer im 5Jlurbe filierten. 23 @r t)atte gefe^en, ba^ oud^ in biefem ^aUz ber gro§e .^aufe fid^ treu blieb unb Söort für %at, ©d^ein für Scfi^ mit großer |)eftigEeit aufnaljm. S)ic i^otgen eineS unglücElii^en fjelbäugä f otoie bie fjolgen jener berbreiteten (Sefinnungen unb Meinungen blieben feinem ©d)arf6licEe nic^t berborgen, obgleid^ nid^t ju 30 leugnen toar, ba^ er manches mit ^tipodpnbrifdjent ©emüte be= tracf)tete unb mit ßeiben|d)aft beurteilte.

©eine ©emal^Iin, eine Sugenbfreunbin ber SSaroneffe, fanb nac^ fo bielen SErübfalen einen ^immel in ben 3lrmen il^rer

ao^mCT'ersa^lung. 223

greunbtn. 8ic traten miteinanber aufgctoac^^en, l^attcn \iä) miteinonber gebilbct, ]\t fannten feine ©e^einmifie boreinanbcr. S)te elften Steigungen junger ^al^re, bie bebenflid^en 3u[tQnbe bcr (5f)c, greuben, Sorgen unb ßeiben alä 2)tüttcr, aüeS l^attcn

5 fie fii) lonft, teils münblid), tcilä in SSriefcn, öerttaut unb ijatkn eine ununterbroi^ene Scrbinbung erl^otten. 9lur bieje le^te Stii l^er toaren fie burc^ bie Unru'^en öer^inbcrt toorbcn, fic^ einan= ber, loie getoö{)nli(f), mitzuteilen. Um ]o lebfiafter brängten fid^ t^^ie gegenwärtigen ©ejprac^e, um befto me^r Ratten [ie einanbci

10 3u jagen, inbejjcn bie 3;öd)tcr ber ®ef)eimerätin il^re 3eit ntit

gräulein Suijen in einer tr)ad)jenbcn SBertrauIi(i)feit anbrachten.

Ceiber warb ber jd^öne @enu§ biejer reijenben ©egenb oft

burd^ ben £onncr bcr ilanonen geftört, ben man, je nac^bem ber

SCßinb fid^ breite, auS bcr f^ctnc beutlid^er ober unbeutli^er

35 t)ernaf)m. 6ben|otDenig fonnte bei ben bielen juftrömenben 5ieuig!citen bes Zag^e^ bcr potitiic^e S)iäfur§ öermieben werben, bcr gemö^nlid^ bie augenblicflic^e 3ufnebcnt)eit ber ©efelljc^nft ftörte, inbcm bie öcrjc^iebenen Senfungaorten unb 5Reinungen öon beiben Seiten jet)r Ieb!)aft geäußert würben. Unb wie un=

20 mäßige ^enfd^en fic^ bcl^alb bo^ nid)t be§ Söeinä unb jrfjwcr ju ücrbauenber Speifen entf)atten, ob fie gteid^ au§ ber @rfa'§« rung wifl'cn, ba§ il)nen barauf ein unmittelbare^ übetfein bc=» öorfte^t: jo fonnten aud^ bie meiften ©lieber bcr ©efell|d)aft fid£| in biefem t^atit nid)t bänbigen, bielmetir gaben fie bem unwibcr=

25 ftct)Iic^en Stci^ nac^, anbem wef)e ju tun unb fid^ jelbft baburd^ am Gilbe eine unangcncl)mc Stunbe ju bereiten.

2Ran fann Icid}t benfen, ba^ bcr ©cljcimerat bicjcnigc '^ax= tci anfü^^rte, Weld^c bcm alten Softem jugetan war, unb ba§ itarl für bie entgegengefe^te jprad), mldjt öon beöorftc^enben

so ^Jleuerungcn Teilung unb 93elebnng beä alten franfcn ^uftan« bed ^offtc

3m 9lnfangc würben bie ©cfprftdje nod^ mit jiemtid^cr SJ'läBigung gefüljrt, bcjonbcrg ba bie 93aronef|e burd) anmutige 3wij(^enrcbcn beibc Jeile im @leid^gcwidf)t ju l^atten wu^tc;

224 Unter^artungen beutfc^er auSgeroanberten.

aU aBcr bic toi(f)tige @pO(^e l^erannatjcte, ba^ bie SStodfabe bon ^ainj in eine Sclagerung^ übergefien foEtc, unb man nunmel^t für biefe fd)öne ©tabt unb i^re äurüdEgctaffcnen S5ert)ot)ner telii^ fiafter ju fürchten anfing, äußerte jebermann feine 5Jleinungen mit ungebunbener 2eibenfcf)aft, 5

33efonber§ toaren bic bafelbft jurücEgebliebenen flluBiften^ ein (Segenftanb bc§ allgemeinen ©efprä(ii8, unb jebex ermartetc iljre 93eftrafung ober Befreiung, je nac^bem er itjre .i^anbtungen cntlDcber fc£)alt ober bittigte.

Unter bie erften get)örte ber ©e^eimerat, beffen 3lrgumente 10 ^artn am öerbrie^üdiften fielen, toenn er bcn Sßerftanb biefer ßeute angriff unb fic einer ööttigen Unfenntniä ber Söclt unb i!^rer felBft befrf)utbigtc.

„2Bie öerblenbet muffen fte fein!" rief er au8, at§ an einem ^fiadimittage ba§ ©efpräc^ fe'^r lebhaft ju toerben anfing, „menn 15 fie mahnen, bafe eine ungel^eure 9lation, bic mit fi(^ fetbft in ber größten 25ermirrung fämpft unb auc^ in ruhigen 3lugenbticfen nid)t» at§ fi(^ fetbft ju fcf)ä^en h)ei§, auf fie mit einiger £eit= net)mung l^erunterblicEen »erbe, ^an toirb fie aU Söerf^euge betrauten, fic eine 3eittang gebrauctjen unb enbUd^ megwerfen 20 ober wenigfteng bemadjläffigen. 2ßie fel)r irren fie fic^, toenn fie glauben, ba§ fie jemolS in bie ^^aijl ber granjofen aufgenom» men »erben fönnten.

„Gebern, ber mäci)tig unb gro§ ift, erfd^eint ni(^t§ tä(^er= Ii(i)er aU ein kleiner unb ©(^tt)ad)er, ber in ber S)unfelf)eit be§ 25 äöal^n§, in ber Unfenntniä feiner felbft, feiner jhäfte unb feine§ 35ert)ältniffe§ fi(^ jenem glei(^ ju ftetten bünft. Unb glaubt i^r benn, ba| bie gro^e 5iation nad^ bem ©lüde, ba§ fie biä^cr be= günftigt, tocniger ftolj unb übermütig fein toerbe al§ irgenb ein anberer fönigUc^er ©ieger? 30

„SBie mancher, ber je^t al§ SHuniäipalbeamtcr mit ber

1 aJittte 3uni 1793 (ogL Sb. 15, <S. 457 biefer auägaBe). * 5)ic repuBIU lanif^ gcfmnten Sürger, bie feinerjeit bie Ü6ergabe ber Stabt an bie granjofen herbeigeführt Rotten (ogL »b. 15, S. 471 ff. biefer Slu8go6t).

"»la^mfn . (frja^Iung. 225

Si^ärpc' l^enimtauft, toirb bic 2Jla§IerQbc bcrtoünfd)en, toenu er, nad^bem er feine 2anb§teute in eine neue toiberlirf)e Sform ju atoingcn gel^olfen ]§at, jutc^t in biefer neuen gorm öon benen, auf bic er jein ganjcä 23crtrauen je^te, niebrig Be'^anbelt toirb.

5 3a, ijt mir l^öd^ft toQT)rjd^einlid§, ba^ man bei ber Übergabe ber Stabt, bic too^l nicfit lange öerjögcrt toerben fann, jotc^c ßeutc ben Unfrigen überliefert ober überlädt. 3Jtßgen ftc boc^ at§bann il^ren 2o^n ba^inne'^mcn, mögen fie atSbann bie 3ü^= tigung em^jflnben, bie fie berbicnen, id§ mag fte fo un:parteiijd^

10 rid^ten aU icf) fann."

„Unparteiifd^!" rief Äarl mit ^eftig!eit au§; „toenn ic^ bo^ bieg SBort nid^t toieber folltc ausfprcc^cn l^ören! SSie fann man bieje ^Jlenfc^en fo gerabeju Uerbammen? gi^eitic^ 'ijobtn fie nid^t i^re 3ugenb unb i'^r ßebcn pgebrac^t, in ber l^crgebraditen gönn fic^ unb anbem begünftigten 2)lenfcE)cn ju nü^en. ^xd= lic^ l^aben fie nid^t bie loenigen too'^nbaren 3in^nter be§ alten ©ebSubeS befeffcn unb fi(^ barinne ge^jflegt; bielmel^r ^aben fie bie Unbequemlic^feit ber bemad^täfftgten 2ei(e eure? <Staot§=» patafle§ me^r empfunben, toeit fie fetbft i'^rc Sage fümmerlid^

20 unb gebrücft barin jubringen mußten; fie l^aben nicf)t, burd) eine med^anifct) erleid^terte ©efd^äftigfeit bcftod^en, baSjenige für gut angefelien, toa§ fie einmal ju tun gctoo'^nt toaren; freiließ l^aben fie nur im ftiücn ber Ginfcitigfeit, ber Unorbnung, ber ßäffigfeit, ber.Ungefc^icflid^teit äufel)cn fönnen, toomit eure

:> StaatSleutc fi^ nod^ g^rfurd^t ju ermerben glauben; fceilid^ ^abcn fie nur f)eimlid^ toünfd^en fönnen, ba§ ^Itül^e unb @enu§ glei(^er aufgeteilt fein möd^ten! Unb Ujer toirb leugnen, ba^ unter i^nen nid^t toenigftenä einige tool^tbenfenbe unb tüchtige ^lönncr fid^ befinben, bie, toenn fie aud) in biefem 9lugcnblicfc baä Scfte ju betoirfen nid^t im ftanbe ftnb, bod) burd^ il^re 25cr=« mittlung ba§ übet ju linbern unb ein fünftigcä (Muteä tjor.^u» bereiten ba§ @lücf tjaben; unb ba man folc^e barunter jä^lt^

1 SflL 9h. 15, €. 479, 3. 30 bitfnr au*gci(>t>.

226 Ttntcr^altwngen beiitfl)«: fflugfleroanbertfn.

toer toirb ftc nid^t Ibebauern, lucnn ber 2lugen!6IicI natjt, bct ftc it)rer -Hoffnungen biellcid)t auf immer Berou'ben |oH."

S)er ©el^eimerat jdierjte barauf mit einiger Sitter!eit über junge ßeute, bic einen ©egenftanb ju ibealifieren geneigt jeien: Stall ft^onte bagegen biejenigcn nidit, toelc^e nur nad) atten s formen beulen fönnten, unb tua§ baT;inein nidit paffe, notloen= big bertoerfen müßten.

S)urd) mc'^rere^ .g)in= unb Söibcrrcben toarb ba§ ©efpräi^ immer Iieftiger, unb fam bon Beiben ©citen atte§ jur ©prad)c, toa§ im ßaufe biefer ^af)n fo mand^e gute ©efcÜfdiaft entäloeit lo l^atte. S5ergeBen§ fuc^te bie S5aroneffe, too nit^t einen fjrieben, boi^ tüenigftenS einen ©tiüftanb äutoege ju Bringen; felBft ber ©el^eimerätin, bie, al§ ein IieT6en§tt)ürbige§ Söeiö, einige -^crr^ fc^aft über ^axU ©emüt fid) ertoorBen Ijatte, gelong nid^t, ouf i^n äu iüirfen; um fo Weniger, at» it)r ©ema'^l fortful^r, is treffenbe Pfeile auf Sugenb unb Unerfa'^renl^eit Io§äubrüden unb üBer bic befonbere 9ieigung ber Äinber, mit bem Steuer ju jpielen, bo§ fie bod) nidit regieren fönnten, ju fpotten.

^arl, ber fid| im 3orn nic^t mc'^r !annte, I)ielt mit bem ®eftänbni§ nic^t äurüd, ba^ er ben franjöfifdien SSaffen alle» 20 ©lud toünfdie, unb ba| er icbcn S)cutid^en aufforbere, ber alten ©flaberei ein @nbe ju mad^en, ba^ er bon ber frauäöfift^en 5ia» tion überjeugt fei, fie loerbe bie eblen Sieutfdien, bic fi(^ für fie erf (ort, ju fc^ä^cn toiffen, aU bie i^^rigen anfel^n unb be^anbeln unb nid)t ettoa aufopfern ober il^rem @d)idfale üBerlaffen, fon= 25 bem fie mit ßl^ren, ©ütem unb 3iitrauen überl)äufen.

3)cr ©el^eimerat be'^auptete bagegen, fei lädierlic^, ju ben!en, ba§ bie f^^^anjofen nur irgenb einen Slugenblid, bei einer Kapitulation ober fonft, für fie forgen toürben; bielmel^r toürben biefe ßeute getoi^ in bie |)änbe ber 5(Eiierten fatten, unb er l^offte 30 fie aüe ge'^angcn ju fe'^en.

S)iefe S)ro^ung l)ielt ^axX nid)t ou§ unb rief bielmet^r: er l^offe, ba^ bie ©uittotine aud) in Seutfdilanb eine gefegnete grnte finben unb lein fc^ulbigcS .^aupt Perfetjlen loerbe. S)a3U

SJa^raen « Crja^tuiTg. 227

fügte er einige ]i^x ftarle SJortoürfc, toe(cf}e ben ©c'^etmerat pzx= fönlid^ trafen unb in jebcm (Sinne fieleibigenb toaren.

„(5o mu§ ic^ bcnn too^t", fagtc ber ©el^eimerat, „mic^ au3 einer ©efeEfc^aft entfernen, in ber nicf)t^, toaä fonft a(^tung§=

5 njert fcE)ien, mel^r gecl^rt toirb. tut mir leib, ta^ ic^ aum jweitenmal, unb ^wax burd^ einen 2anb»mann, üertrieben njerbe; aber ic^ fe^e ttio^t, ba§ bon biefem toeniger Sd^onung aU öon ben ^fieufranfen ju erioarten ift, unb i^ finbe ujiebcr bie alte @r= fa'^rung Beftdtigt, ba§ beffer fei, ben Surfen aU ben Sfiene=

10 gaten* in bie ^^önbe ju fallen."

"»BUt biefen SSorten ftanb er auf unb ging au§ bem 3""= mcr; feine ©ema'^tin folgte i^m; bie ©efeÜfd^aft f(i)lDicg. S;ic 93aroneffe gab mit einigen, aber ftarfen 3lugbrücten i^x 9)ti^= Vergnügen ju erfennen; ^art ging im Saale auf unb ab. S)ic

15 ©e^eimerätin fam toeinenb aurürf unb er^ä^lte, ba^ i^r ©ema^l ciiqiadEen loffe unb fd^on ^Jferbe beftettt ]§abe. S)ie Saroneffc ging ju it)m, i^n ju berebcn; inbeffen toeinten bie {yräulein unb fügten fic^ unb toaren au^erft betrübt, ba^ fie fi^ fo fd^neU unb unertoartet boncinanber trennen foEten. ^ie 33aroneffe fam 3U=

20 rücf ; fie l^atte ni(f)t§ au»gerid)tet. 5JZan fing an, nacE) unb naii) atteg jufammenjutragen, toag ben ^remben gel^örte. 2;ie trüu= rigen ^lugenbticfe be» ßo^Iöjeng unb Sc^cibenä mürben fel^r Ieb= l^aft enqjfunben. 5}Ut ben legten ^äftdien unb Sc^ai^tetn ber= f(^»anb otte Hoffnung. S)ic -i^ferbc famen, unb bie 2räncn

25 floffen rei(^Iid^er.

S)er äöagen fu^r fort, unb bie SSaroneffe fa'^ if|m nad^; bie ■tränen ftanben i^r in ben 9lugen. ©ie trat öom f^cnfter ju« rücf unb fe^te fid^ an ben Sticfraf)men. £ie ganje ©cfellfdEiaft mar ftitt, ja öerlegen; befonbcr§ äußerte Äarl feine Unruhe, in«

30 bem er, in einer 6dfe fi^cnb, ein ''^iid) burd^btättovte unb mand^» mal brüber mcg nad) feiner lante faf}. ßnblid^ [taub er auf unb na^m feinen .^ut, at3 hjcnn er meggeljen tooEte; aEein in

C^rtflen, btt )um 3«[am abergetreten ftnb.

15^

228 Untfrl^altungen bentf(5ct Kuggeroanbertcn.

ber Stürc tcl^rtc er um, trat an beu Üia'^men uiib fagtc mit cbler fyafiung: „^d) l)abt ©ic teteibiQt, liebe Sante, ic^ IjatJc S^jnen Scrbrul beruiiad}t, ber^eifien ©ie meine Übereilung, idf) erfennc meinen ^c^^er unb füljl' il)n tief."

„3c^ fann beräeil^en", antttjortete bie S3aronef]e; „id) mcrbe s feinen @rott gegen bi(^ liegen, toeil bu ein ebler, guter 3[Renfd) bi[t; aber bu !annft nid)t toicber gut mad^en, toaS bu berborben I)aft. Sd) entbe'^re burc^ beine Sdjulb in biefen 2lugenbliden bie ©cjeEjc^aft einer ^^rcunbin, bie id) jeit langer ^eit h^^ erftenmal loieber ja"^, bie mir ba§ Ungtüd jelbft lieber anführte, lo unb in bereu Umgang id) mand)e ©tunbe ba§ Un'^eit berga§, baS un§ traf unb ba§ un§ bebro'£)t. ©ie, bie fc^on longe auf einer ängftlid)en i^tuc^t l^erumgetrieben mirb unb fid) faum Ujenige 2;oge in@ejelijd)aft bon geliebten alten gfreunben in einer bequemen 2Bo'^nung, an einem angenel^men Drte cr'^olt, mu| is fd)on toieber pd)tig loerben, unb bie ©efeHjdjaft berliert babei bie Unterl)altung it)re§ Satten, ber, fo tounberlid^ er aud) in nmndien ©lüden fein mag, bod) ein trefflidier', re(^t|d^affcner 9Jlann ift unb ein unerfd)ö^ftid)e§ Slri^ib bon 5Jlen|d)en« unb äöeltlenntni§, bon S3cgebenl)citen unb Sßerljältniffen mit fid) 20 fül^rt, bie er auf eine leidlite, glüdlic^e unb angene'^mc Söeifc mitauteiten berftel^t. Um biefen bielfadien (Senu^ bringt unä beine ^eftigf eil; tooburc^ fannft bu erfe^en, toa§ tbir berlieren?"

^arl. ©d)onen ©ie mid), liebe 2:ante; id) fül^le meinen i^ti)ltx fc^on leb^ft genug, laffen ©ic mid) bie folgen nit^t fo 25 beutli(^ einfe^en.

SSaroneffc. SSetrad^te ftc bielmel^r fo bcutlid^ al§ mög« lic^. $ier lann nid)t bon ©t^onen bie 9Jebe fein; ift nur bie grogc, ob bu bid) überäeugcn fannft. Senn nid)t ha^ erftemal bege^ft bu biefen f^elilcr, unb mirb ba§ le^temal nid)t fein, so D ü)i ^Kcnfdjen, toirb bie 5lot, bie eud^ unter ein S)ac^, in eine enge |iüttc äufammenbröngt, eud) nid^t bulbfam gegeneinanber ma($en? ^ft an ben ungel)euren 35egebenl)fiten nic^t genug, bie auf eud§ unb bie (Rurigen unaufl)altfam lo§bringen? Äönnt

Kalmen. Crjäljlunfi- 229

il^r fo nt(^t an tuä) felbft arBeiteii unb euc^ nmfjig unb bernünf^ iig gegen bicjenigeii betragen, bie eucf) im ©runbe ni^tä ner^mcn, nid)t^ rauben iDoIIen? 5)lüiien bcnn eure Seinütcr nur jo btinb unb unauff)a(tiani »irfen unb breinf(i)(agen wie bic SCßelt»

6 begeben^citen, ein ©elpitter ober ein anber 31aturpf)änomen?

Siaxi antwortete nic^tä, unb ber .g)ofmeifter fam bon bem

t^cnjlcr, tDo er bi§'§cr geftanben, auf bie Saroneffe ju unb i'agte:

„ßr toirb ftc^ bejlern, biejer i^aü fott i^m, foU un§ aßen jur

Söornung biencn. 2Bir tooHen un3 täglid) prüfen, wir Wollen

10 ben ©d^merj, ben Sie entpfunben ^aben, unä bor 3lugen ftellen, wir woßen auc^ jeigen, ba^ Wir ©ewatt über un^ f)aben,"

Saroncjfe, 2öie leidet boc^ 5Jtänner fiä) Überreben fön» nen, befonberS in bicfcm ^^^unfte! S;a§ 23ort ^errfdjaft ift ifjnen ein fo angene^mc'3 Söort, unb ftingt fo bornc^in, fic^ fetbit

15 be()errf(^en ju woücn, @ie reben gar ju gerne babon unb m'öä)= tcn un^ glauben mad)cn, fei Wirfüc^ auc^ in ber 2luäü6ung (^rnft bamit; unb wenn iä) bocf) nur einen einzigen in meinem £eben gcfe'^en ^ättc, ber auc^ nur in ber gcringften ©ad^c \iä) ju bel^errfi^en im ftanbc gewefen Wäre! Söenn i^nen etwa§

:o gleichgültig ift, bann ftellcn fie fic^ gewöf)nlic^ \tf)X ernftl^aft, ali ob fxc mit 2)lü^e entbehrten, unb toai fte l^eftig wünfc^en, wiffcn fic ft^ felbft unb anbern aU bortrefflic^, notwenbig, un= bermcibtirf) unb unentbel^r(i($ borjuftellen. 2!i^ Wü^te aud)nid)t einen, ber auc^ nur ber gcringften ßntfagung fäfjig wäre.

25 .g)ofmeifter. 8ie finb fetten ungerecht, unb iä) tjobt ©ic noc^ niemals fo bon 23erbru§ unb Seibeufdiaft überwältigt ge=> fffjen a(ä in bicfem Slugenblicf.

JBaroneffe. 3c^ ^abe mid) biefer Seibenfc^aft wenigftenä nic^t ju fc^ämcn. äöenn ic^ mir meine gi^cunbin in i^rem

so 9fteif ewagcn , auf unbequemen Söegen, mit tränen an berichte (^aftfrcuubfc^aft fid) jurücferinncrnb bonfe, fo möd)t' ic^ cud^ oUen bon ^erjen gram Werben.

.^ofmcifter. 3c^ l^abe Sie in ben gvöfjtcn Übeln nidjt fo bewegt unb fo Ijeftig gefef)cn atä in bicfem »Hugcnbliff.

230 Unterhaltungen beutfc^er StuSgeroanbevtcn.

33 aroncjf c. 6in Keines ÜBel, ba§ auf bic größeren folgt, erfüllt bo§ 9}la§; unb bann ift \vdf)l lein fleineä Übet, eine i^reunbin ju entbeTjvcn.

.^ofmeifter. Serul^igen ©ie fit^ unb bcrtrauen ©ie un§ allen, ba^ toir un§ beffcrn, ba§ toir baö 9RögIi(f)e tun tooUcn, 5 ©ie ju lOefricbigcn.

aSaroncffc, ^eineätoegeS; cg fott mir feiner öon tnä) ein S5ertrauen ablotfen, ober forbem to'iä x6) fünftig bon eucf), bc= fet}ten WiU iä} in meinem ^aufe.

„i^orbern ©ie nur, Befcl^ten ©ie nur!" rief Äarl; „unb ©ic lo fotten fitf) über unfern Unge'^orfam nid)t ^u befdiUjercn l^aben."

„?lun, meine ©trcngc toirb fo arg nidit fein", bcrfe^te Iä= d)clnb bic 33aroncffe, inbcm fic fic^ jufammennatjm; „iä) mog nicf)t gerne befcTjIen, befonberg fo freigefinnten 5Renfd)en; aber einen 9lat toiK id) geben, unb eine 33itte toitt ic^ l^injufügen." i5

^ofmeifter. Unb beibe§ foK un§ ein unt)erbrüd)lid)c§ öefe^ fein.

Saroneffc. toäre törid^t, toenn id) ba§ Sfntereffe aB= äulen!en gebädite, ba§ jebermann on ben großen 2Bettbegeben= l^eiten nimmt, beren Cpfer hjir leiber felbft fdjon getoorben fmb. 20 S($ fann bic ©efinnungcn nidit änbem, bic bei einem jeben nad) feiner SJenftticife entfte'^en, fid) befeftigen, ftreben unb n3ir= fcn, unb märe ebenfo törid)t al§ graufam, ju tierlangen, ba^ er fic nid^t mitteilen foEte. 5lber ba§ fann ic§ bon bem Sixtd erwarten, in bem id) lebe, ba^ ©teit^gefinnte fic^ im füllen äu= 25 cinanber fügen unb fid) angene'^m unterhalten, inbem ber eine ba§ jenige fagt, h)a§ ber anbere fd)on benft. 3luf euren Qm= mcrn, auf ©^jajiergöngen unb too fid) Übercinbenlenbc treffen, cri3ffne man feinen 33uien nad) ßuft, man leljue fid) auf biefe ober jene 9Jieinung, ja man genieße red)t lebl^aft bic gi^eube einer 30 leibenfd^aftlidien Überäeugung. 5lbcr, Äinber, in ©cfcHfc^aft la§t un§ nid^t bcrgeffcn, toie biel mir fonft fd)on, c^e aEe biefc ©a(^en jur ©^rad)e famen, um gefcKig p fein, bon unfern @igenl)citen oufopfern mu^.ten, unb ba^ jeber, fo lange bie Söclt

Mammen Cr jSIJIunfl. 231

Hct;cu umb, um Qcfetttg ju jein, tocnigfteibS öu^crlid) fiä) toirb be|crrjd)en inüffcu. 3«^ forberc eud) ai\o ntd)t im Üiamen ber Sugcnb, fonbcrn im ^amtn ber gcmcinften ^öjtii^feit auf, mir unb aiibern in bicjen Slugcnftlirfen ba§ p leiften, tüa§ ifjr öon

5 Sugenb auf, id} barf faft jagen, gegen einen jeben Beol6ad)tet tjabt, ber euc^ auf ber ©tra^e Begegnete.

„ÜBertjaupt", fu'^r bie Saroneffc fort, „toei^ iä) nic^t, toic toir geworben ftnb, hjol^in auf einmal jebe gef ellige Silbung ber= fd)tDunben ift. Söie fe^r lautete man fic^ fonft, in ber ©efeEfdjaft

10 irgenb cttoaä ju Berühren, toaä einem ober bem onbem unangenel^m fein fonntc! S)er ^^roteftant öermieb in (Segenn^art be§ Äatl^o= lifcn irgenb eine ^^^^monie läd^erlic^ p finben; ber eifrigfte itat^olif üeB ben ^roteftanten nic^t mcr!cn, ba^ bie alte Oieti» gion eine größere (Sid^crtjcit eluiger ©eligfeit getuä^re. 2Jlan

15 unterließ, öor ben klugen einer ^JJlutter, bie il^ren ©otjn bertorcn l^atte, fid) feiner Äinber lebl;aft ju freuen, unb jcber fül^fte fid) bcricgcn, toenn il^m ein foId^e§ unBebad^tfameS Söort entujifc^t toax. Slebcr Unifteljcnbe fud)te ba§ S5erfc(jen toiebcr gut ju ma= d)en unb tun toir nid)t je^o gcrabe ba§ Gegenteil öon allem

20 biefem? 2öir fud^en red)t eifrig jebe GJcIegenljeit, too toir cttoa§ Vorbringen fönnen, baö ben anbern öerbrie^t unb it)n auQ feiner i^affung Bringt. D la^t un§ fünftig, meine Äinbcr unb greunbc, toicber ju jener ?trt ju fein jurücf feieren! 2öir l^aBen Biäl;cr fd)on mand)cö traurige erleBt unb toielleid)t öerfüiibigt un§ Balb

25 ber 9iaud) Bei 2oge unb bie flammen Bei ^lac^t ben Untergang unfrer SBoljnungen unb unfrer äurücfgclaffcncn 93cfi^tümcr. Cafet un§ auc^ biefe 9iad)rid)ten nid)t mit .^eftigfett in bie ©e» fcttid)aft Bringen; tafit un§ baSjcnige nid^t burd) öftere 2Sicber= t}otung tiefer in bie Seele prägen, toa§ un8 in ber ©titte fc^on

30 Sc^mcrjen genug enegt.

„'^U euer 33ater ftarB, ^aBt il^r mir tool^I mit SBortcn unb 3eic^en biefen unerie|jlid)cn SJerluft Bei jebem ?(nla^ erneuert? .^abt i^r nid)t aUti, toa§ fein ?tnben!en jur Unzeit toiebcr ()er» toorrufen fonntc, ju tjcrmciben unb burd) eure CicBe, eure füllen

232 UiUerl;n[tungen beiitft^ev. auSflCjoaitbertcn.

^entü^ungcn iinb eure ©efälligfcit baä ©efü^l jcneS S5erliifte3 3U linberii uub bie äöunbe äu feilen öeiiic^t? ^abtn toir jc^t nic^t aEe nötiger, eben jene gejettige 6d^onung au8äuübcn, bic oft mel)r njir!t aU eine tooT)lmeinenbe, aber rol^c ^ütfe; F^t, ha nic^t etloa in ber 5Jlitte öon ©tücttid^en ein ober ber anbere 5 3ufatt biefen ober jenen berieft, beffen Unglürf öon bem attge= meinen äöol^lbefinben balb toieber berf d^Iungen toirb , fonbern wo unter einer ungel^euren Slnjal^I Unglücflidier laum toenige entioeber burd) 9iatur ober Silbung einer äufättigcn ober fün[t= Ii(i)en 3ufriebenT;eit genießen." 10

Äart. ©ie !^aben un§ nun genug emiebrigt, liebe 3:ante, tooUen ©ie un§ nicE)t toieber bic ^anb reichen?

SSaronejf e. ^ier ift fie, mit ber 33ebingung, ba§ U)x ßuft l^abt, euc^ öon bon iljr leiten ju laffen. 9tufen toir eine Stmneftie au§! 9Jlan tann fidi jet^t nii^t gefd)n)inb genug baäuentfc^Iic^en. is

^n bem 5lugcnblicfe troten bie übrigen ^^rauenjimmer, bie fid) na6) bem ^Ibjc^iebe nod) red^t l^er^lic^ auggctoeint l^atten, tjcrcin unb fonnten [ic^ nic^t beätningen, SJetter Äarln freunb= Kid) anäujel^en.

„5?ümmt l^er, i^x Äinber", rief bie SSaroneffe; „toir l^aben 20 eine ernftl^afte Unterrebung gc'^abt, bie, toie iä) !^offe, triebe unb (Jinigteit unter un§ Ijerftcllen unb ben guten Xon, ben toir eine Zeitlang bermiffen, toieber unter un§ einfüfjren fott; biel= teilet l^aben toir nie nötiger gel^abt, un§ aneinanber ju fdjlie^cn, unb, toäre ami) nur toenige ©tunben be§ Xageg, un§ ju äer= 25 ftreuen. 2a^t un^ bal^in übcreinfommen, ba§ toir, toenn toir beifammcn finb , gänälid^ alle Unterl^altung über ha^ ^^ntereffc be§ 2age§ berbannen. 23ie lange ^aben toir belefircnbe unb aufmuntembe @ciprä(^e entbehrt, toie lange I^aft bu un§, lieber Äarl, nid)t§ bon fernen Sanben unb 9teid)en erjä^lt, bon beren 30 Sejd)affent)eit, ©intool^nern, (Sitten unb Ü5ebräud)en bu fo fdjöne .ffenntniffe !^aft. SBie longe l^aben ©ie", fo rebete fie ben ^of= meifter an, „bie alte unb neue ®efd)id)te, bie 2}ergleic^ung ber ^al^r^unberte unb eiuäelner 2)]cnf(^en fd;toeigen taffen; too finb

Rahmen» eiiö^lung- 233

bic jc^önen unb .jicrücEjcn ©cbic^te geblieben, bie |on[t fo oft au§ bcn 33rietta|^en unjrer jungen grauenätmmer, jur greubc ber 6eieII|(^att, l^erüovfamen; tt)oI}in ^abcn fid) bie unbefangenen ^^i(ojopT)if(i)en Sßetrad)tungen üertoren? Sft bie Suft gänä=

6 li6) öerjc^lounben, mit bei i^r bon euren ©pa^ietgängen einen inerftDürbigen Stein, eine, un§ wenigftenä, unbefannte ^^^flan^e, ein jeltfanieS Snfctt äurücf6ra(f)tet unb babuic^ ©elegenl^cit gabt, über bcn gro|en 3uian:menl^ang aüer öor^anbenen @e= jc^öpfc loenigftcnä angenel^m ju tröHnien? 2a^t alle biefe Unter^»

10 {jattungcn, bie ft(^ fonft fo freitoiEig barboten, burd^ eine Sßcr= abrebung, burc^ S5orfa^, burc^ ein @efc^ roieber bei un§ ein= treten, bietet alle eure Gräfte auf, lel|nei(^, nü^lid) unb befon= ber§ gefeEig ju fein; unb ba§ alle§ toerben toir unb noc^ toeit mel)r aU je^t, benötigt fein, toenn au^ alle§ ööKig brunter

15 ober brübcr gefien foEtc. Äinber, berfprec£)t mir ba§!" ©ic bcrfprad^en mit Sebl^aftigfeit. „Unb nun gel^t, ift ein fdiöner 3lbenb, genieße i^n jeber nad^ feiner SBeife, unb la|t un§ beim 5iac^teffen, feit langer 3eit pm crftenmal, bie grüdjtc einer freunbjdiafttii^en Unter=

20 Ijaltung genießen."

©0 ging bic ®cfeEfd)aft auSeinanber, nur ^väulein Öuife blieb bei ber Mutter fi^en; ftc fonnte bcn S}erbru|, il^rc ®e= fpielinöerlorcn ju l^abcn, nid)t fo balb öcrgeffen, unb lic^ A'?arln, ber [it jum Spaziergange einlub, auf eine fel)r fd)nippifc^c 23eifc 2j abfahren. So ttiaren 5Jlutter unb 2od)ter eine 3citlang ftiE nebeneinanber geblieben, aU ber öeiftlid^e l^ereintrat, ber bon einem langen Spaziergange jurüdffam unb bon bem, tua§ in ber G)efcUid)aft borgefommcn lüar, nid)tä crfa'^ren Ijatte. Gr legte ^ut unb Stod ab, lie§ fid^ nieber unb tooEte eben etwaä

2 1 cv^äl)len; gtäutein 2uifc aber, aU toenn fie ein angefangene^ (■-icipräc^ mit i^rer 5)h:ttcr fortfeijtc, fd)uitt il)m bic 'Kcbe mit fülgenben Söorten al:

„lUand)cn *4>ctfoncn loirb bcnn bod) ba>5 Ök-fclj, ba>i eben l'cliebt ttjorben ift, jicmtic^ unbcnuem fein. Sd)on locnn loir

231 Ituter^altuitgen bcutlt^er StuSfletuanberteit.

jonft auf bcm Sanbc too^ntcn, l^at manchmal an ©toff jur llnterrebung gemangelt; benn ba ioar md)t jo täglid^ toie in ber ©tabt ein arme§ 5}läbd)en ju berlcumben, ein junger ^lenfcE) t)erbäd)ttg ju madicn; al6er bod^ l^attc man U^tx nod) bie 2lu§= f(ud)t, bon ein ^^aar großen 5^ationen aföerne ©treitfie ju er= 0 ää'tilen, bie S)cutjcf)en toie bie f^ranäojen lä($erlid) ju finben uub 16atb biejcn, balb jenen ^um 3a!oBiner unb Äluöiften ju madjen. äBenn nun aud) biefe Duelle bcrftopft »irb, fotoetben tüir mandie 5perfonen toorit ftumm in unjerer 5Jütte je'^en."

f;Sft biefer Einfall ettoa auf mid) gerid)tet, mein ^Jväutein?" 10 fing bcr Sitte läd^etnb an; „nun, ©ie toiffen, ba§ ic^ mid^ glüd= lic^ fd)ä^e, mand)mal ein 0|)fer für bie üBrige (SefeUfd^aft ju tüerben. Senn, getoi^, inbcm 6ie Bei jcbcr Untergattung 2^^rer fürtreffüt^en gräie^erin ©l^rc matten unb ©ie jebermann an= genel^m, tteBenStuürbig unb gefällig finbct, fo f(^einen ©ie einem 15 tteincn Böfen ©eift, ber in 3»l)nen luo^nt, unb üBer ben ©ie nic^t gauä C^err toerben fönnen, für mand)erlei 3iD<^"9/ ^^n ©ie i^m antun, auf meine Unfoften getoöljnlic^ einige (Sntfd^öbigung 5U tjerfc^affcn. ©agen ©ie mir, gnäbige grau", fulir er fort, in= bem er fi(^ gegen bie SBaroneffe toanbte, „toaS ift in meiner 20 SlBlüefenlieit öorgcgangen? unb ma§ für ©ef^räd^e finb au§ unfcrm 3ir!el au§gefd)loffcn?"

S)ie SSaroneffe unterrii^tete ilju öon allem, toa§ borgefatten toar. Slufmertfam l^örte er ju unb bcrfe^te fobann: „6§ bürfte aud) nac^ biefer Siuriditung mandieu 5perfonen nic^t unmög= 25 l\ä) fein, bie ©efellfc^aft äu unterljalten unb t)icKeid)t Beffer unb fieserer al§ anbere."

„2Ö« tooHen erlcBen", fagte Suifc.

„2)iefe§ @efe^", fuljr er fort, „enf^ält nichts S5efd)n)erli($e§ für jeben 5Jlenf(^en, ber fid| mit fic^ felBft ju Befd^äftigen tou^te, 30 bielme'^r toirb i^m angenel^m fein, inbcm er ba§jenigc, toa§ er fonft gleidifam öerftol^len trieB, in bie (Sefetlfd^aft Bringen barf. Senn, nehmen ©ie mir nid)t üBel, ^yräulein, toer Bilbet benn bie 9leuig!eit§träger, bie 5luf^affer unb SJerleumber, al§ bie @e=

Kalmen •er^S^tung. 235

fcKjcfiaft? 3(!) f)abc jcitcu bei einer ^cftitre, bei irf^enb einer S)ar|"teÜung einer intercffantcn 5Ratcrie, bie @ei[t unb ^ti^ 16c= tc&cn jolttcn, einen 3i^^ct |o oufmcrtjam unb bie Seetenfröfte ]o tätig gefe^en, aU toenn irgenb ettoaS 9ieuc», unb jwar eben

5 etroaö, ba§ einen ^Utbürger ober eine ^Mitbürgerin l^eiiintci-je^t, Vorgetragen tourbe. i5fi^agen Sie fic^ jetbft unb fragen @ie biete anbere, toa§ gibt einer SScgebcn'^eit ben ^ieij? ^iic^t i^re 23ic^= tigfeit, nic^t ber Ginflu^, ben fie l^at, fonbern bie Dieul^eit. 9iur ba3 Ü^euc jd^eint geteö^nlid^ toic^tig, toeit ol§ne 3ufantmcn=

10 '^ang SBertounberung erregt unb unfere 6inbitbung§fra|t einen Hugenblit! in SBctocgung jc^t, unjcr ©efül^t nur leidet berü'^rt unb unfern SSerftanb böllig in 9tu]^e lä^t. 3eber Sflenjc^ fonn, Dt)nc bie minbefte JRüdffel^r auf ft^ fclbfl, an aUcm, toa§ neu ift, lebhaften Anteil nehmen; ja, ba eine Sfotge bon Dceuigfeiten

15 immer bon einem ©egenftanbe jum anbem fortreißt, fo fann ber großen ÜJlenfdienmaffe nid)t§ tbillfommener fein al§ ein folc^er 3lnta^ ju ehriger 3erftreuung unb eine folc^e 6elegcn= fieit, XMt unb Sc^abenfrcubc auf eine bequeme unb immer fii^ emeucmbe Sßeife auSjnlaffen."

20 „9iun!" rief fiuife, „e§ fd^cint, ©ie toiffen fid^ ju l^elfen; fonfl ging über einzelne ^erfonen '^er, je^t foH bog ganje mcnf^lic[)C ©efd^led^t entgelten."

„3d^ bertange nic^t, ba§ Sic jemals billig gegen mid^ fein foUcn", bcrfe^te jener; „aber fo biel mu& [6) ^l^nen fagen: toir

20 anbcm, bie h)ir bon ber ©cfeHjc^aft abt)ängen, muffen unä nad^ i^r bilbcn unb rid)ten, ja toir bürfen cl^er titoai tun, baä i^r jnnjiber ift, at§ tt)a§ i^r läftig toäre, unb löftigcr ift ifjr in ber 2Bett nid)tg, olä Wenn man fie jum ^iadjbenfcn unb ju 9?e= txad^tungcn aufforbert. Sllle^S, ttiaä bal^in jielt, mu§ man ja ber»

30 meiben unb allenfalls baS im ftilten für fid) bollbringen, toai bei jeber öffcntlid)cn Sßerfammlung bcrfagt ift."

„(5ttr fid^, im ftilten, mögen 6ic too^l allenfalls mand^c '^' '- Tie Söcin auSgetrunfcn unb mandfie fcf)öne Stunbc bcS > bcrid}(nfcn IjaDen", fiel Suife if;m ein.

23G Unfer^altuitflen beutfc^ev MuSgeiüanberten.

„3^ ^abt nie", ful^r ber %lk fort, „auf ba§, toaS id^ tue, öicl SBert gelegt; benn iä) ttiei^, ba^ ic^ gegen anbete 2)lenf(^en ein großer gaulenjer Bin; inbcffcn Ijab' lä) boc^ eine ©auun» Inng gemad)t, bie öieKeic^t eben je^ biejer ©ejellfdjaft, toic fie geftinimt ift, mani^c angcnclEinie ©tunbe öetid)affen tonnte." 5

„Sßaä ift für eine Sanimtung?" fragte bie S3aroneffe.

„®etoi| ni(^t§ toeiter aU eine ffanbalöfe ß^ronif", fe^te Suife ^inju.

„(Sie inen fid^", fagtc ber 3ltte.

„äBir werben fe'f)cn", bcrfetjte Suife. 10

„ßa§ ii}n au§reben", fagte bie SSaroneffe; „unb überl^aupt gehjö§ne bir nid)t on, einem, ber auä) junx ©dierjc leiben mag, i^art unb unfreunblie^ ju Begegnen. äÖir l^aben ni($t Ur=» \aä)t, ben Unarten, bie in un§ ftecfen, audEi nur im ©d^erje ?la^= rung ju geBen. ©agen ©ie mir, mein fyrcunb, toorin Befielet 15 S{;re Sammlung? toirb fie ju unfrer Unterl)oltung bientic^ unb fd^idlic^ fein? ift fie fdion lange angefangen? toarum ^aBen toir no(^ nic£)t§ babon ge'^ört?"

„^ä) toitt ;3^nen'l^ierüBer 9fJed^enf(i)aft geBen", berfe^te ber Sllte. „Sd) leBe fdjon lange in ber SBelt unb l^aBc immer geni 20 auf bag ac^t gegeben, toag biefem ober jenem 9)lenf(^en Begegnet. 3ur ÜBerfid^t ber großen ©efd^id^te füt)l' id^ toebcr ßraft nod) tUlut, unb bieeinäelnen2ßeltBegeBen!^eitenbertoirrenmid§; aBer unter ben bielen 5prtöatgefdf)i($ten, toal^ren unb falfc^cn, mit bcnen man fid^ im ^puBlifum trägt, bie man fic^ inSgel^eim ein= 25 anber er^äljlt, gibt mand^e, bie nod^ einen reineren, fc^ßnem 9{ciä l^aBen al§ ben 9tei3 ber 9leul^eit; mand£)c, bie burd^ eine geiftreid)e Söenbung un§ immer äu erweitern 5(nfprud^ mad^en; manche, bie un§ bie menfd^lid^e 5Ratur unb il^re inneren 35er= Borgen'^eiten auf einen 3lugenBlid eröffnen ; anbere toieber, beren 30 fonberBare 5lIBem'§eiten un§ ergei^en. 5lu§ ber großen 5}lenge, bie im gemeinen SeBen unfere 5lufmerfjamleit unb unfere So§= l^eit Befd^äftigen, unb bie eBenfo gemein finb al§ bie^enfd^en, benen fie Begegnen ober bie fie erjälilen, l^aBe ic^ biejenigen

Wammen Cr jflfclung. 237

Qcjammclt, bie mit nur irgcnb einen ß^araftcr ju l^aBen fd^ie= ncn, bic meinen S3ctpanb, bie mein @emüt berüljrten nnb be= jc{)äftigtcn«, unb bic mir, tocnn ic^ toieber baran badete, einen Stugenblitf reiner unb ruf)iger ^eiterfcit getoä^rten." 6 „3d§ Bin fcljt neugierig", jagte bic S3aroneffe, „ju l^örcn, öon n}eld^cr3trt3^re@cid)id)tm finb unb toaä fie cigentlid^ bc^anbetn."

„Sic fönnen leictit benfen", berfe^te ber Slltc, „ba§ bon ^projeffen unb fyamilienangelegen'^eiten nid^t öfter» bie Siebe fein toirb. S)iefe l^aben meiftenteilä nur ein Sntereffe für bie, 10 ttjclc^c bamit ge^jtagt fmb."

£uife. Unb ttag cntl^alten fie benn?

S)er 3llte. «Sic bel^anbeln, idf) toitt nid)t leugnen, gc= lüö'^nlid^ bic Gmpftnbungen, njoburc^ Männer unb ö-raucn t)er= bunbcn ober entätoeiet, gliicflid) ober unglücflic^ genmd^t, öfter 15 aber öertoirrt aU aufgegärt tnerben.

ßuife. ©0? 3lIfo toatjtfd^cinlid^ eine «Sammlung lüftemer ©pöBe geben 8ie un§ für eine feine Untergattung? Sic toer= jci^en mir, 3)lama, ba§ i^ biefc SBcmcrtung mai^c, fic liegt fo ganj nat)e, unb bie SBaljrtjeit wirb man boc^ fagen bürfen. 20 2)cr 2nte. «Sie foUcn, t)offc ic^, nid)t^, tt)a§ iä) lüftem nennen toürbc, in ber ganzen Sammlung finben.

ßuifc. Unb toaS nennen Sic benn fo?

S)er Sllte. (Sin lüfterneä ©cfpräc^, eine lüftemc Grää^= lungfmb mir unertröglid^. S)enn fie ftelten ung droa^ ©cmcincö, 25 etioaä, ba§ ber JRebe unb 5lufmerffamfcit nid)t mert ift, al» et= maä SSefonbereä, aU ttxoai Sieijenbe^i öor unb erregen eine falfc^c Segierbe, anftatt ben Scrftanb angcnel^m ju befc^äftigen. Sie öer^üllen ba8, loaä man entroebcr o'^ne Sc'^leier anfc^en, ober motoon man ganj feine 5higen toegmenben füllte, so iiuife. 3(^ tocrftc^e Sie nid^t. Sie »erben un§ borf) 31^rc C!)efd)ic^ten menigftenS mit einiger 3ierlid) feit üortragcn wollen? Sollten mir un§ benn etma mit plumpen Sparen bie £l)ren bclcibigen laffcn? Qi foll moljl eine ^iJläbd)cnjd)ule locrbcn, unb Sic mollen noc^ !Eanl bafür fcrtangen?

238 llnter^altmtflen beutfdjer auJgewanberten.

3) er Sitte. Äeinä bon Reiben. S)cnn eiftlid^, erfat)ren tücr= ben ©ie nid^tS 9teue§, Bejonbcrg ha iä) jc^on feit einiger 3eit Be= werte, bQ§ ©ie aeiüiffe 9teäenjtonen in bcn gelctjrten 3eitungcu niemals üBerjc^tagen.

ßuifc. ©ie toerbcn anjügtic^. 6

S)er 5(tte, ©ie finb SSraut, unb ic^ entfc^utbige ©ie gerne. 3f(^ niu§ ^t}nen aber nur geigen, ba§ id) au(^ 5pfeite ^abt, bic id) gegen ©ie Brauchen tann.

SSaroneffe. ^d) je'^e too'^t, tDO©ie l^inauS toollen, mad^en ©ie aber auc^ il^r öegreiflid). lo

S)er 5llte. ^^ mü^te nur iniebertjoten, h)a§ ic^ ju 2ln= fonge be§ ©ej^röc^S ji^on gefagt tjobt, fd)etnt a!6er nit^t, ba^ fie ben guten SöiEen ^at, aufjumerten.

Suife. 3Ba§ Brouc^t'ä ba guten äöitlen unb biete SSorte! Man mog Befel^en, tnie man toitt, jo toerben ftanbatöje i5 ©efc^idjten fein, auf eine ober bie onbere Söcije jtanbatöS, unb toeiter nid)tg.

S)er 2ltte. ©olt ic^ toieber'^olen, mein ^Jtäutein, ba§ bem n)ot)tbenfcnben 5Jlenid)cn nur bann ettoag ffanbatöS borlomme, tüenn er 33o§'^eit, Übermut, ßuft ju jd^aben, Söiberhiitten ju 20 t^etfen bemertt, ba| er babon fein 2luge tnegtoenbet; bagegen aber tteine 0^et)ter unbSJläugct tuftig finbet unb befonberS mit feiner S5etrad)tung gern Bei ®efd|id)ten berweitt, too er ben guten ^JJlenfdien in teic^tem Söiberfbrud) mit fid^ fetfift, feinen SSe^» gierben unb feinen SJorfä^en finbet; too atberne unb auf it)ren 25 SCßert eingebitbete 5toren befdE)ämt, jurcdEit geloiefen ober be= trogen toerben; too jebc 2tnma^ung auf eine natürtid^e, ja auf eine anfällige SBeife beftraft toirb; too S5orfäije, 2Bünfd)e unb .^Öffnungen batb geftört, aufge'^atten unb bereitett, batb uner= toartet angenä'^ert, erfüttt unb beftätigt toerben. S)a, too ber 30 ^ufatt mit ber menfd^tid)en ©(^toäd^e unb Unjutängtidifeit fpiett, ^at er am tiebften feine ftiEe S5etra(^tung, unb leiner feiner §etben, bereu @efd)id)ten er betoat;rt, l^at bon i^m toeber SLabel ju beforgen, nod^ 2ob ju evtoarten.

Säumen» Crjö^Iung. 239

Saroncjie. Sljre ginleitung erregt ben SDunjcf), Batb ein 5t>robeftü{f 3U Ijören. ^ä) toü^te bo^ ni^t, ba§ in unjenngeljen (unb toir l^aBen bod^ bie meiftc 3eit in einem ilreil'e jugeBraciit) bielel gcit^cl^en tnarc, ha^ man in eine jotc^e Sammlung aut=

6 ncl^men fönntc.

S) er ?nt c fommt freiließ bieleS auf bie SScobac^ter on, unb tuaä für eine Seite man ben Sachen aBäugetoinnen toei^; aber id^ toitt freiließ nic^t leugnen, ba§ id§ aud) auä alten Sudlern unb Srabitioncn mancf)c§ aufgenommen l^abc. Sie

10 tt)erben mitunter alte SBefannte bietteic[)t nid^t ungern in einer neuen ©eftalt toieber antreffen. 5fi)er eben biefeS gibt mir hcn SSorteil, ben id^ aud^ nirf)t aui bcn.^önben laffen toerbe: nton fott feine meiner ©efc^id^ten beuten!

2uii e. Sie Serben un§ boc^ nid^tbertocl^ren, unfregreunbc

15 unb ''Raä^ham toieberäufenncn, unb, tocnn un§ beliebt, ba§ Dtätfel au entziffern?

S)cr Sntc Äeinc§toeg3. Sie toerben mir aber aud) ba= gegen erlauben, in einem joldliengalle einen alten Folianten ]^er= toorjujic^cn, um ju beioeifen, ba§ biefe @efd[)id[)te \d]on bor

20 einigen ^aljttjunberten gefdjcl^en ober erfunben loorben. ßbenfo »Derben Sie mir erlauben, l^eimlidEi ju läd^eln, tocnn eine @e= fd)id)te für ein attc§ 3Jlärdl)en crttärt toirb, bie unmittelbar in unfcrer Ülä^e öorgegangcn ift, ol^ne ba^ toir fie eben gcrabe in bicfer ©eftalt toieber erfennen.

25 ßuifc. 5)lan toirb mit Sl)ncn nid)t fertig; ift ba§ befte, toir machen f^ricbe für biefen 5lbenb, unb Sie crjäljlcn un§ nod^ gefd^toinb ein Stürfd)cn jiir ^^^robc.

2)er 3llte. ßrtaubcn Sie, ba^ id^ Sljnen l)ierin unge'^or» fam fein barf. Sicfc Unterhaltung toirb für bie bevfammeltc

so (^cfcUfc^aft anfgcfpart. SBir bürfen il)r nidl)t3 entjieljcn, unb id^ fage öorauö: alles, toaä id^ borjubringen l)abe, l^at feinen Söert an ft^. SBcnn aber bie ©efellfc^aft nac^ einer eniftljaftcn Un» ter^attung auf eine furje ^cit auöniljcn, tocnn fie fid), bon mand)cm 65uieu |d)üu gefättigt, nad) einem Icldjtcn '•JtQdjtifdje

240 tliiter^altungen beistft^er auSoeroanbertm.

umfietjct, al§bann tocrb' iij^ Dercit fein unb toünjt^c, bo^ ba§, loaä ic^ öorfctjc, nic^t unfc[)ma(f^aft Befunben toeibc.

Saronef je. 3Bir toerben un§ benn jd)on bi§ morgen gc= bulbcn muffen.

ßuife. 3d^ Bin ^öci)[t neugierig, toas er borBringen n)irb. 5

S)er ?llte. 2)a§ fotttcn ©ie nirf)t fein, Q^räulein, benn ge= fpannte ©rtoartung toirb feiten Befriebigt.

SlBcnbä nad) Xifd^e, aU bie SSaroneffe zeitig in iljr ^i'nmer gegangen n^ar, BticBen bieüBrigen Beifammen unb fprac^cn üBer manc^ertei ^flac^rid^ten, bie eBen einliefen, üBerÖerüc^te, bie fid| 10 üerBreiteten. 9)lan toar baBei, toie getoö^nlid^ in foli^en 3lugenBliden äu gefd)el^en pflegt, in ^^i^eifct^ ^<^^ i^cin glauBcn unb inaS man bernjcrfen foHte.

S)er ölte ^au§freunb fagte barauf: „3(^ finbc am Bequem= ften, ha^ toir baSjenige glauBen, toaS un§ angeneljm ift, ol^nc 15 Umftänbe ba§ bertoerfen, toaS un§ unangenel^m märe, unb ba^ toir üBrigen§ ttial^r fein laffen, toa§ toal^r fein fann."

5Jlon mad)te bie SSemerfung, ba§ ber SJtenfc^ au(i| getoöt)n= lid^ fo berfa'^re, unb burc^ einige SBenbung bcg ®efpräd}§ fam man auf bie cntfd)iebenc 9^eigung unfrcr 9iatur, ba§ 2Bunber= 20 Bare ju glauBen. 3Jlan rebetc bom 3fiomau'^aften, bom ©eifter» Ijaften, unb al§ ber 3llte einige gute ©efd)id)ten biefer 2lrt Iünf= tig 3U erjä^len berfprad^, berfe^tc Q^räulein Suife: „©ic toären rec^t artig unb toürben bieten 2)anl berbienen, toenn (Sie un§ gleich, ba toir eBen in ber red)ten ©timmung Beifammen finb, 25 eine foldie @efd)id)te bortrügen; toir toürben aufmerffam ^u» Ijören unb ^Ijmn banlBar fein."

O^ne fid^ lange Bitten p laffen, fing ber (Seiftlic^c barauf mit folgenben Söorten an:

„?lt§ id) mid) in 9lcapel auffielt, Begegnete bafelBft eine 30 ®ef(^i(^te, bie gro^c§ Sluffeljen erregte unb toorüBer bie Urteile fe^r berfd)ieben toaren. S)ie einen Behaupteten, fie fei boüig ei*fonnen, bie anbent, fie fei toatjr, aBer ftcde ein SSetrug

fHe Sängerin 3l«tonfin. 241

bal^inter. S)ieyc ^Partei toor toicber unteretnanber yeHJft uneinig; fic [trittcn , locr baBei Betrogen Iiaften f önntc. ^loä) anbere Be^- Ijaupteten, eg jet teineäwegeä ausgemacht, ba^ geiftige ^Jfaturcn nic^t jottten auf ©lemcnte unb Stöxptx toirfen !önnen, unb man

5 muffe nid^t jebe »unberBare 23egeBen^eit auSfc^tie^lid) enttocber für Süge ober 2:rug erflären, 9iun jur @eid}td)te felBft.

„@ine Sängerin, 9lntoneIIi genannt, toar ju meiner 3eit bcr SicBIing be§ nea:po(itanifc^cn ^^uBIifumS. ^n ber 33tüte il^rer ^al^re, i^rer gigur, i^rer SEalente fe'^Ite i()r ni(i)t§, tooburii) ein

10 f^rauen^immer bie 2Renge reijt unb locft unb eine fteine Slnjafit Srcunbe entjücEt unb gtücf lic^ mad^t. ©ie toar nii^t unempfmb= licfi gegen 2oB unb 2ieBe; allein bon 5tatur nm^ig unb tier» ftänbig, tonnte fie bie f^^enben ju genießen, bie Bcibe getoä^ren, o^ne baBei auö ber Raffung ju fommen, bie i^r in itjrer Sage

ir. fo nötig toar. 2lIIe jungen, öorne^men, reid)cn ßeute brängtcn fid§ au i^r, nur toenige uaTjm fie auf; unb toenn fie Bei ber fBdf)l i^rer ßieBl^aBer meift i^ren 2tugen unb il;rem ^erjen folgte, fo jcigte fie boc^ Bei aÜen Ileinen SlBenteuem einen feften, fidiem 6^ara!ter, bcr jeben genauen S3eoBad)ter für ftc

20 einnehmen mu|te. ^ä) Ijatte ©etegenl^eit, fie einige 3eit äu feigen, inbem ic^ mit einem i^rer SBegünftigten in naf;cm 3)er» Ijättniffe ftanb.

„Sl)eri(^icbene 3af)re tooren l^ingegangcn , fie l^atte ^J^änner genug fennen gelernt unb unter il)nen biele ©ecfen, fd)toad)e unb

25 unäuöerläffige ^JJlenfd)cn. ©ic glauBte Bemerft ju IjaBen, ha^ ein £ieBl)aBer, ber in einem getoiffcn Sinne beni äBciBe alleä ift, gprabc ba, too fic eineä SBeiftanbeä am nötigften Bfbürftc, Bei Slorfällen beS SeBenä, t;äu§lid)cn 3lngelegcnt)eiten, Bei augen=i Blidüd)en 6ntfd)licfuingcn, meiftenteitö ju 3iid)t'3 toirb, tocnn

30 er nid)t gar feiner föelieBten, inbcm er nur an fid) felBft bcnft,

fd)abet unb auä GigenlieBe it)r baä Sdjlimuifte ju raten unb fic

ju ben gefiifjrlidjftcn Sdjritten ju öerlcitcn fid) gcbvungcn fül;lt.

„33ci i^rcn BisS^crigcn SBerBinbungcn loar iljr Ö)cift inciftcn»

ti'ilg unBefd}äftigt gcblicBcn; auc^ biefer Dertangtc ^Jtaljrung.

iSottbt. X. 10

242 Untfr^Qltunßfn beutfdjer HuSgeroonbertfii.

©ic toüEtc cnblic^ einen grcuub {;ai)cn, unb fauni l^atte fic biejeä 5öcbiu|ni§ gcfütjlt, jo fanb fi(^ unter benen, bic \iä} if)r ju nftt)ern juchten, ein junger ^}Jlann, auf beu fic i^r Zutrauen tuarf , unb ber in jcbcm ©inne ju berbienen fd)ien.

„63 toax ein ©enuejer, bcr fic^ um biefe 3eit, einiger h)i(^= 5 tiger ®cf(^äfte feine§ ^aufe§ toegcn, in ''Rcapd aufi)ielt. 23ei einem fetir glüdlid^en^tatureü tjatte erbieforgfältigfteföräicl^ung genoffen, ©eine ^cnntniffe toaren ausgebreitet, fein ®eift Jnie fein Äörper boüfommen auSgcbilbet, fein betragen founte für ein SJlufter gelten, toie einer, ber fid^ feinen Stugenbtid bergi^t, lo fict) bod^ immer in anbern ju bcrgeffen fc£)eint. S)er .g)anbel§» geift feiner ©eöurtgftabt ruljcte auf il^m; er fat) ba§, bjaS ju tun toar, im großen an. S)od) toar feine Sage nid^t bie glü(f= lid^fte; fein ,£)auä ^atte fic^ in einige l^öd^ft mi|Iic^e SpeMa» tionen eingelaffen unb toar in gefä(jrti(^e ^Projeffe bertoitfelt. is S)ie 3lngetegen{)eiten bertoirrten fic^ mit ber Sät nod^ mc"^r, unb bie 6orge, bie er barüber empfanb, gab il^m einen 3Inftri(^ bon 2;raurig£eit, ber if)m fe'^r tDoX)l anftanb unb unferm jungen i^raueuäimmer nod^ meljr 5Jlut maci)te, feine fjreunbfd^aft äu fudien, toeil fie au füllen glaubte, ba^ er felbft einer greunbin 20 bebürfe.

„@r l)atte fte bief)er nur an öffentüd^en Orten unb bei (Se« legenl^eit gefetien; fie bergönntc it)m nunmeljr auf feine erfte ^Anfrage ben3utritt in t^rem.^aufe, ja fie lub i^n redtet bringenb ein, unb er berfe'^tte nid^t, äu fommen. 25

„(Sie berfäumtc !eine 3eit, i:^m i^x 3utrauen unb i'^ren äöunfdf) äU entbedEen. 6r toar bertounbert unb erfreut über itjren Eintrag, ©ic bat i^n inftänbig, i'^r gteunb ju bleiben unb leine ^(nforberungen eineS 2iebljober§ ju madjen. ©ie eröffnete il^m eine SJerlegeul^eit, in ber fie ficf) eben befanb, unb toorüber er so bei feinen mand[)erlei S5erl^ättniffeu ben beften 'Stat geben unb bie fd^Ieunigfte Einleitung p il^rem SSorteil mai^en fonnte. 6r bertraute it)r bagegen feine ßage, unb inbem fie it)n 5U erweitern unb äu tröften*tou|te, inbem fidt) in i^rer ©egentoart mandf|e§

Tit 6«ngerln ÄntonellL 2 13

enttoicfelte, toaS fonft Bei i^m nid^t ]o fvüf) crtoadjt toärc, fd^ien fie anäj feine JRatgeBcrin ju fein, unb eine tncdtifelieitige, auf bie cbelfte 2Ic^tung, auf baä fdjönftc 5ßebürfni§ gegiünbete f5veunb= fd^aft ^attc fic^ in furjem ätoifd^en il^ncn Befeftigt.

5 „9iur leiber üBcrlegt man öei SSebingungen, bic man ein= ge^t, nid^t immer, ob fc mögtid^ ftnb. 6r ^atte berfprodien, nur ij-rcunb ju fein, feine 3lnfprü(^e auf bie «Stelle eine§ 2iebl^aBer§ ju machen, unb boc^ fonntc er fic^ nid)t leugnen, ba| i'^m bie öon i^r begünftigten Sieb^abcr überall im SBcge, f)öd)ft jutoiber,

10 ja gan^ unb gar unerträglich toaren. S3efonber§ fiel i'^iu l)ö(^fl frf)mcräli(^ auf, toenn i^n feine i5rteunbin bon ben guten unb böfen Gigenfc^aften eincS folc£)en 5Ranncg oft launig unter» ^ielt, alle iJcl^ler beä Scgünftigten genau ju Icnnen festen unb öod^ noc^ bietteid^tfclbigen^lbenb, gleic^fam jum Spott bcSroert»

n gcfc^ä^ten ^i^eunbe?, in ben Firmen eineä Unttiürbigen auSruOtc.

„®lü(f lid^er» ober unglücflidiertoeife gefd^al^ balb, ba| ba§

^crj bcr (Sd^öncn frei tourbe. ^fjx ^^reunb bemerfte mit 3}cr=

gnügen unb fud^tc i^r boräufteHen, ba§ ber erlcbigte ^la^ ifim

öor allen anbem gebühre. Dtidit ol^nc Sßibcrftanb unb 2öibcr=

20 willen gab fie feinen SBünfclien (Setjör. ,3i(^ fürchte', fagte fie, ,ba& ic^ über biefe 5tac^giebigfeit ba§ Sd^ö^barfte auf ber 2Belt, einen Sfteunb, üerliere.' Sic l)attc rid^tig getDci»fagt; benn faum batte er eine 3eitlang in feiner boppclten ßigenfd^aft bei iljr gc=> gölten, fo fingen feine ßaunen an bcfd^mcrlidljer ju Werben; als

25 Ofi^funb forberte er i§re ganje ?ld)tung, alä 8icbl)aber il)re gan^c yieigung unb al§ ein berftänbigcr unb angenehmer 5Jiann un= cuägefc^te Unterl;altnng. 2)ic§ aber toar feincämcgeg nad) bem ©inne bc§ lebhaften ^Jläbd)cnS; fte fonnte pd^ in feine Vluf=> Opferung finben unb l)atte nid)t 2uft, irgcnb jemanb au§fd)lie{i^

30 li(^c 9?cc^tc ^ujugeftetien. ©ie fucl)tc ba^er auf eine ^arte SBeijc feine 5Befnc^c nad^ unb nad^ ju tierringern, itjn fettner ju fel}eii unb i^n füljlm \\\ Innen, bnfj fie um feinen l'reiv ber ^L*e(t ilivc S-rcil^eit toeggebe.

„(Sobalb er c>5 iiieiUe, |iujUc er jid) uom gvojitcn Ungtüd

IC*

244 llnter^oUujtgen beiitfc^ier Äuageroanberten.

betroffen, unb leibcr Befiel tf)n bicfeS UnlfieU nid^t aUctn: feine r)äu§tid)cn2IngeIe9enT)eitcn fingen an, anwerft fd)limmäutoerben. 6r t)atte fid) babei bcn SJorlüurf ju machen, ba§ er toon früher Sugenb an fein Vermögen al§ eine uncrfd)b^)ftici)e Cnelle an= Qcic"^en, ba§ er feine ^lanbclgangelegenl^eiten berfäumt, um auf 6 Steifen unb in ber großen 2BeIt eine öornel^mere unb reidjere gigur iu \pidtn, aU il^m feine ©eburt unb fein ©infontnten geftatteten. S)ic ^^rojeffc, auf bie er feine Hoffnung fe^te, gingen langfam unb h)aren füftfpielig. 6r niu^te beS^alb einigemal mä) ^Palermo, unb toät^renb feiner legten Oieifc motzte ba§ fluge lo 5)läbd§en berfdjiebene ßinrid)tungen, um i'^rer ^auS'^altung eine anbere Söenbung ju geben unb i^n nad) unb nad) toon fid) äu entfernen. @r fam äuiiid unb fanb fie in einer anbem 2Bo{)= uung, entfernt öon ber feinigen, unb fa"^ ben 5Jiard}efe bon ©., ber bamalg auf bie öffentlichen ßuftbarteiten unb ©d)aufpiete is großen @influ| l^attc, bertraulid) bei i^r au§= unb eingelfjcn. S)ieä übertoältigte il^n, unb er fiel in eine fd^toere ^an!§eit. SU§ bie ^aä)xi6)t babon ju feiner f^reunbin gelangte, eilte fie ju il^m, forgte für i^n, rid^tete feine 2luftt)artung ein, unb al§ it)r nid)t berborgen blieb, ba§ feine Äaffe nid)t pm beften be= ftettt toar, lie§ fie eine anfel^ntid)e (Summe äurüd, bie l^inreic^enb toar, iljn auf einige Seit 8U berul^igcn.

„2)ur(^ bie Stuma^ung, il^re greil)eit einäuf(^rän!en, Ijatte ber f^^reunb fc^on biel in il^ren 5Xugen öerloren; toie i§re 5^ei» gung ju i^^m abnal^m, l^atte il^re 3lufmerffamleit auf il^n äuge= 25 nommcn; enblid^ l^atte bie gntbedung, ba^ er in feinen eigenen 3lngelegen:§eiten fo unitug gel^anbelt f)abt, \i)X ni^t bie gtinftig= ften ^Begriffe bon feinem SSerftanbe unb feinem ß^aralter ge- geben. Snbeffen bemerfte er bie gro^e S3eränberung nic^t, bie in il^r borgegangen toar, bielmel^r ft^ien i:§re ©orgfalt für feine so ©enefung, bie 2;reue, toomit fie ]§albe2:age lang an feinem Sager au§t)ieÜ, me'^r ein 3eid)en il^rer greunbfd^aft unb Siebe, at§ it)re§ 2JlitIeib§ äu fein, unb er l^offte nad) feiner ©enefung in alle 9te(^te lieber eingcfc^t ju tnerben.

a>ie Säugerin «ntontHl 245

„9Sic jel^r irrte er fi^! 3iU bet ^Ula^e, tote jeinc ©ejiinb^eit toiebcr tain unb feine ^äfte fid^ erneuerten, öerjc^toanb 16ei i^r jebe 3lrt öou yieigung unb ^»trauen, ja er jd}ien i^r \o (äftig, aU er i^r fonft angenel^m geiycicn toar. 3lu($ loar jeine Saune,

5 o^nc ba§ er jefbft Bemerfte, loäfjrenb biefer SegeBen^eiten I)öc^ft bitter unb öerbric^tid^ getoorben; alle Sd^utb, bie er an feinem (Sc^icfial f)a6en fonnte, toarf er auf anbere unb tonnte ficf) in allem ööüig ju red)tfertigen. @r fal^ in fic^ nur einen unfc£)ulbig berfolgten, gef rauften, betrübten 3)tann uitb ^offte

10 üöüigc (Sntfc^äbigung attcS Übcl§ unb atter ßeiben öon einer üoüfommenen Ergebenheit feiner ©etiebten.

„^Jtit biefen 3lnforberungen trat er gteid^ in ben erftcn %a= gen ^erüor, aU er tuieber au§get)en unb fie befudjen fonnte. @r öcrtangte nii^tä toeuiger, aU ba§ fie fic^ i^m gau^ ergeben, i^rc

15 übrigen fji^eunbc unb SSefannten öcrabfc^ieben, ha^ 2:f)eater öer= laffen unb ganj aüein mit itjm unb für i^n leben foHte. ©ie jeigtc i^m bie Uumöglid;feit, feine gorbcrungen p berotlligen, crft auf eine fc§er5l^afte, bann auf eine ernft^afte Söeifc, unb toar leibcr enbli($ genötigt, i'^m bie traurige SGßalir^cit, ba^ it)r S5cr=

20 tjältniä gänjli(^ öernic^tet fei, ju gefte^en. (fr üertie§ fie unb fa^ fxc nic^t loieber.

„&: lebte nod) einige Sa'^rc in einem fe'^r eingefd)ränftcn Äreifc, ober oielmc^r bloß in bcr @efellfd)aft einer alten, from= mcn Süame, bie mit if)m in einem |)aufc toot^nte unb [xd) Oon

20 wenigen dienten erijiett. 3ln biefer Qdt geioann er ben einen 5|3rojc^ unb balb barauf ben anbern; allein feine ©efunb^eit »uar untergraben unb ba^ ©lüdt feinet ßebenä bcriorcn. ^ei einem geringen SInlafj fict er abernialä in eine fdiiucre ^ranf= f)eit; ber ^Ir^t tünbigte if)m ben 2ob an. Gr ücrnaTjm fein Ur^

30 teil o^ne SSibcrtoillen, nur wünfdjtc er feine fc^öne ^i^cmibin noc^ einmal ju feljen. @r fc^icfte feinen Jücbienten ju if)r, ber fonft in glücftic^ern 3citcn mand^c günftigc ^tntioort gebracht ^atte. 6r lie^ fie bitten; fie fd)(iig ah. dx fdjirfte jum jjoei^ tciimat unb (icfi fie bcjdjiüörcn; fie bcTjarrtc auf if)iciii 3innc.

246 Uiiterljoltungen beutfdier «««newanberteit.

Giiblic^, tüar jdjon tief in ber 9lQ(^t, jenbctc er jum britteit- mal; fic tcarb Bciocgt uub beitraute mir iljre S3erlegenljeit, beim id) toar elben mit bem 5Jlard)cjc unb einigen onbem fjreunben bei iljr jum Stbenbcffen. ^d) riet il^r unb bat fie, bem gi^eunbc bcn leisten Siebessbienft ju eräeigcn; [ie fc^ien unentjd)loffen, aber s uad) einigem ^^ladjbenfcn naijm fie fid^ äufammen. ©ic fd^icfte bcn 23ebienten mit einer abfc^Iäglid^cn 2Intnjort toeg, unb er fam nic^t toieber.

„2Öir fa|en nadt) Zi\ö)t in einem bertrauten ©efpräd) unb toaren aUc l^eiter unb gute§ 3Dlutä. ttiar gegen 2Ritternad§t, lo als fid) auf einmal eine Iläglidie, burdjbringenbe, öngftlid^e unb lange nac^tönenbe (Stimme Ijören lie§. Söir ful^ren ^ufammen, fallen einanber an unb fallen un§ um, toaä au§ biefemSlBenteuer Serben foEte. 2)ie ©timme fd)icn an ben 2Bänben ju berflingen, mie fic au§ ber 3Jlitte beS 3in^i^i'^i^^ l^erborgebrungen toax. S)er 15 5Jlard)efe ftanb ouf unb fprang an§ fyenfter, unb toir anbern bemül^ten un§ um bie ©djöne, toeli^c o^nmäc^tig balag. ©ic fam erft tangfam 3U \iä) felbft. S)er eiferfüc^tigc unb l^eftige Italiener \at) faum il^re hjieber aufgefd^lagenen 5lugen, al§ er i'^r bittre 2}orn)ürfe mad)te. ,3Benn ©ie mit Stiren greunben 20 3eid)en berabrebcn', fagte er, ,fo laffen ©ie bod) fold)e toeniger auffallenb unb l^eftig fein.' ©ie anttoortctc il^m mit ilirer gc= lüöl^nlic^en ©cgcnlnart bc§ @eiftc§, ba|, ba fie jebermann unb ju jicber3eit bei fi(^ ju fc^en bae^iei^t Ijabe, fie tool^l fc^merlid) folc^e traurige unb fc^redlid^e Tönt jur Söorbereitung angene|= 25 mer ©tunben toäl^len löürbe.

„Unb gemi§, ber 2:on ^atte etmaS unglaublid) ©(^recf^aftc§. ©eine lange nad)brbl)nenben ©c^mingungen toaren un§ aEen in bcn Ol)ren, ja in ben ©liebem geblieben, ©ie hjor bla^, ent» fteUt unb immer ber djnmadjt naljc; toir mußten bie l^albe so 5lad)t bei i^r bleiben. lie^ fi(^ nid)tg tociter !§ören. S)ie anbre 5lad)t biefclbe ©cfcHfc^aft, nid)t fo l^eiter al§ tag§ bor= l;cr, aber bod§ gcfa|t genug, unb um bicfelbige Qdt bei-felbc gctoaltfame, fürd)terlic^e 2on.

Die Sangtrin antonelli. 247

„2öir l^attcii iubcffcn über btc 9lrt bei ©d^reici unb too er l^erfommen inöd)te un^ät)(ige Urteile gefällt unb unfrc 23er= mutungen erjd^öpft. SBaä jott x6) tüeitläuftg jein"? <Bo oft fte ju ^aufc Q^, tie^ er fi(^ um biefetBigc 3cit öcrneljmen unb stoar,

5 wie man bemerfen wollte, mand^mat ftärfcr,man(i)matf(^n)äc^cr. (Sana ^ta)pd fprac^ üon biefem SSorfaH. Sitte Seute be§ ^aufe§, atte ^teunbe unbSSefannten nofimen ben leB^afteftenSeit baran, ja bie ^polijei toarb aufgerufen. Tlan ftettte Spione unb Seob=> ad^tcr au§. S)enen auf ber ©äffe fd^ien ber ^tang au§ ber freien

10 ßuft äu cntfpringen, unb in bem 3iinmex l^örte man i^n gleid^=

fattä ganj in unmittelbarer ^ö^e. (So oft fie au§lDärt§ a% t)er=

na'^m man nid)t§; fo oft fie ju^aufe tt)ar,lie^ fid^ berJonl^ören.

„9lt)er auc^ au|er bem .^oufe blieb fte nidit ganj öon biefem

Böfcn Segleiter öerf^ont. 3^re 2lnmut l^atte i^r ben 3utritt

15 in btc crften .gtäufer geöffnet. <£tc toar al§ eine gute ß5efeU= |(^afterin übcratt toittfornmen, unb fte ^atte [lä), um bem böfen ©afte ju entgegen, angettjö^nt, bie 3lbenbc au^er bem ^aiife au fein.

„6in 5Jlann, burd^ fein 3ntcr unb feine ©tctte el^rtoürbig,

20 fül^rtc fte eines 3lbenbä in feinem Söagen nat^ ^aufe. %U fie öor i^rer 2ürc bon i'^m 3lbft^ieb nimmt, entfte'^t ber Älang atoifd^en itjnen beiben, unb man l^ebt biefen 5]knn, ber fo gut toic taufenb onberc bie (Sefd^id^tc tou^tc, mel^r tot alä tebenbig in feinen SSagen.

25 „(5in anbermal föl^rt ein junger 2enor, ben fte ttio'^l leiben fonnte, mit il^r abenbä burd^ bie Stobt, eine greunbin ju be» fud^en. (5r l^atte Don biefem feltfamen ^^änomen rcben '^ören unb jtoeifelte aU ein muntrer Änabe an einem fold^cn äöunbcr. Sic fprad^cn üon bcrS3cgebenl)eit. ,^ä) loünfc^te boc^audE)', fagte

80 er, ,bie Stimme Sljreä unfic[)tbaren SBegleiterä ju ^ören; rufen Sie i'^n bo^ auf, mir fmb ja ju jmeien unb Werben unä nii^t fürd)ten.' fieid^tfinn ober ilüljn^eit, id) toei^ nic^t, ma§ fie öer» mod^tc, genug, fte nift bem (Seifte, unb in bem ?lugcnblicfe ent» fte^t mitten im Söagen ber jd^mettcrnbe 2on , lö^t fid) brcimal

248 Unter^altungeit beutfdS^et; SluSgetoaiibertcu.

fdiucK t)interctnanbev gctoattfam lyöxm uub ber|d)rt}iubct mit einem bänglidCien 5iad}f(ang. Jßor bem .^auje iljrer greuiibiii fanb man fieibe ot;nnind}tig im 2Bagcn, nur mit 3JlüI)e brad)lc man fie toicber ju fid) unb i)ernaf)m, tüa§ i^iicn Begegnet fei.

„S)ie ©($önc 6rau(^te einige 3eit, fic^ äu erl)oten. S)iefer o immer erneuerte ©direden griff if^re ©efunbtjeit an, unb ba§!tin= gcnbe ©efpenft fd)ien il^r einige i^-xiii ju öerftotten, ja fic Ijofftc fogar, toeit fid) lange nid^t lüieber Ijüren Iie§, enblic^ ööKig baöon Befreit ^u fein. Slüein biefe Hoffnung rtar ju frül^äeitig.

„'üaä) geenbigtem ^arneöal unternal^m fie mit einer f^reun= lo bin unb einem 5?ammermäbd)en eine Heine ßuftreife. 6ie iüoltte einen S3efu(^ auf bem Sanbc mad)en; toar ^flac^t, el^e fie i^reu äöeg boEenbcn lonnten, unb ba uod) om fyidjrtoerfe etn)a§ 3er= Brad), mußten fic in einem fd)ted)ten 2öirt§l^au§ üBernad^ten unb fi($ fo gut aU möglid^ einrid)tcn. 15

„<Sd)on ^atte bie S^reunbin fid) niebergelegt, unb ba§ Kammer» mäbi^en, nad)bem fic ba§ 9la(^t(id)t angejünbet l^attc, tooltttc cBen äu i'^rer (SeBieterin inl anbre Seite fteigcn, aU biefe f($er= ücnb äu i^r fagtc: ,Sßir finb l^icr am @nbe ber Söelt, unb ha^ SÖetter ift aBfd)euüd), foltte er un§ too^t l^icr finben lönnen?* 20 3m SIugenBIid lie^ er fic^ f)örcn, ftärler unb fürchterlicher aU jemals. S)ic greunbin glauBtc nid^t anberä, al§ bie |)öttc fei im 3tntmer, fprang au§ bem SSettc, lief, toic fic toar, bie treppe tjinunter unb rief bo§ ganje ^au§ äufammen. ^Jliemanb tat biefe ^ac^t ein 5luge ju. 5Ittein toar aud^ ba§ le^tc 5JlaI, ba^ 25 fid§ ber 2on l^ören Ife^. S)od) l^atte leiber ber ungeBetene @aft Balb eine anbere, luftigere Sßeife, feine ©egentoart auäuäcigen.

„Einige Qdt l^atte er ^n'i)z gel^ülten, al§ auf einmal aBenb§ 3ur getoi3l)nlid)en ©tunbc, ba fie mit i^rer ®efeEfd|aft ju 2:ifd}c \a% ein ©d^u§ toie au§ einer Splinte ober ftarl gelabnen ^piftole 30 3um Q^enfter l)erein fiel. SlCe l^örten ben ÄnaE, alle fatjen ba§ geucr, aBer Bei nälierer Uuterfud^ung fanb man bie ©djeiBe ol^ne bie minbefte SJerle^ung. S)emungead)tet na'^m bie ©efcttfi^aft bcn SJorfaE fe^r ernftl)aft, unb alle glauBten, ba^ man ber

Die eäuflcrlii MtitoneHi. 249

©d^öncn nac^ bem 2ibtn ftcl^c. 5Ran eitt und) bcr ^oti^ci, man uiiterjud^t bie bcnad)I;arten Käufer, unb ba man nid)t^ 33erbäd)= tigcä finbct, [teEt man barin bcn anbern Za^ ©d)itbtüad)cn öon oben biö unten. 5Jtan burd)fud)t genau ba§ .^au§, JDorin fie & mol^nt, man bcrteiü <£;)ione auf bet ©tra^e.

„Stile biejc S5orfic^t mar bergcbenS. S)ret 3Jtonatc ]^inter= cinanber fiel in bemfelbigen 5tugcnblide ber S(^u§ burc^ b{e= fetbe gfenfterjdieibe, o'fine ba§ ©taä ju öerletjen, unb, ma§ mer!= toürbig njat, immer genou eine 6tunbe bor ^Rütemacfit, ba bocf)

10 getoö^ntid) in 5Jleapel nac^ ber itatienijdjen U^r geäätjtt toirb unb ^itternad)t bafelbft eigcntlid^ feine ßpoc^e mad}t.

„2Ran gen)öl)nte fid^ enblid^ an biefe ©rfdicinung toie an bie borige unb ted^netc bem Seifte feine unft^äblidie 3:üde nid)t l)oä) an. ^er <Bä)ü^ fiel mandimal, o^ne bie ©efeEjc^aft ju er=

15 fd)redten ober fie in iCjrem ©efpröd) ju unterbredien.

„6ine§ 2Ibenb§ nad) einem fet)r toarmcn 5tage öffnete bie 6c^önc, ol^ne an bie ©tunbe ju ben!cn, ba§ betüu§te ^cnfter unb trat mit bem 3Jbrd)cfe auf ben Salfon. ^aum ftanben fie einige 5Jlinuten brausen, al§ ber <Bä)\i^ ^toifdien il^nen beiben

20 burd)ftel unb fie mit ßJematt rüdrtärtä in bas! 3ini"icr fd)Icu= bertc, loo fie o!^nmäd)tig auf ben 23obcn taumelten. ''äU fie fic^ lüieber crf)o(t l^atten, fü()(te er auf ber linfen, fie aber auf ber rcd)ten SGßange ben Sc^merj einer tüchtigen Cljrfeige, unb ba man ftd^ toeiter nid)t öertefjt fanb, gab bcr S5orfaIl ju mandjerlci

25 fdjcrjl^aften Semerfungen Slnfa|.

„95on ber 3cit an Iie| fid) biefcr ©d^att im .£)aufe nid)t ioic» ber I;ören, unb fie glaubte nun cnbtic^ ganj bon ifjrcm unfid)t= baren S3erfo(ger befreit ju fein, aU auf einem Söege, bcn fie bc§ 9(bcnb§ mit einer grcunbin mad^te, ein unbermuteteS Slbenteuer

30 fie noc^mal^ auf bal gctuattfnmfte crjdjvccftc. Sljr 2Bcg ging burd) bie öf)iaia', njo etjcmolä bcr geliebte genucfifd)e grcunb geloo^nt ^attc. (Jö toat tjcHer 5}ionbfd)cin. S)ie 2)amc, bie bei

> SJioiera biGbiaja ^clfit bie bxtitt, tiat^ bem ^ofllip fü^renbe SUanb» ftvaß« Sleopcia (v^l. *&. H, 3. '.'17, 3. Of. bicfcv StiiSflabe).

250 llnterl^altungen beutfc^er SluSgetoanberten

i^r ]a% fragte: ,^[1 ba§ iiid)t baä -Jpauö, in iueld)cm ber $ctr * cjcftorBen t[t?' ,@g ift ein§ bon biefcn beiben, foöict ici) Wci^', faßte bie ©d)öne, unb in bcm 3lugenl)licfe fiel au§ einem biefcr fteiben Käufer ber ©d)u§ unb brang butd) ben SCÖagcn burd^. S)er Äutfc^er glauBte angegriffen ju fein unb ful^r mit aller o möglichen @ef(i)tt)inbigfcit fort. 9In bem Orte i!^rerS3eftimmung^ ^6b man bie Beiben Sfrauen für tot auä bem SSagen.

„^IBer biefer ©d^redEen toar auc^ ber le^te. 3)er unfid^tBarc Segteiter änberte feine 5Jlet]§obe, unb nad§ einigen 5rbcnben cr= ftang öor il^ren i^enftem ein Iaute§ .g)änbeftatfdf)en. ©ie mar lo al§ BelieBte ©ängerin unb @d£)auf|)ielerin biefen ©c^att fd^on meljr geiüo'^nt. @r Ijatte an fid^ nicf)t§ ©d^rerflid^e^, unb man !onnte il^n el^er einem i'^rer SSetuunberer jufd^reiBen. ©ie gab mcnig barauf adfit; i^re S^reunbe toaren aufmerffamer unb ftell= ten, tüic ba§ öorigc 5!Jlat, Soften au§. @ie l^örten ben ©df)ott, 15 fa'^en afier öor mic nad^ niemanb , unb bie meiften l^offten nun balb auf ein böüigeS @nbe biefer (Srfdieinungen.

„^a^ einiger 3eit tjerlor ft(^ aud^ biefer Älang unb öer= manbelte fic^ in angeue'^mere^Töne. ©ie maren jmarnid^teigent^ üd) melobifcf), aber ungtauBIicE) angenel^m unb lieBIid^. ©ie 20 fc|ienen ben genaueften SSeoBac^tem Bon ber @de einer Cuer= ftra^e t)er 3U lommen, im leeren ßuftraume Bi^ unter ba§ f^en^ fter '^inäufd^mcBen unb bann bort auf ba§ fanftefte ju berflingcn. mar aU toenn ein !^immlifd£)er ®eift burd£) ein fct)öne§ ^rä= lubium aufmcrffam auf eine 5JleIobie mad^en tooEtc, bie er eBen 25 öoräutragen im ^Begriff fei. 3lud§ biefer lion berfdf)toanb enbtid^ unb lie§ fidf) nid^t mcl)r l^ören, nad^bem bie ganje tounberBarc (S}efd£)id)te etma anbert^atB i^a^rc gebauert l^atte."

5lt§ ber ©rjä^ter einen SlugenBIid inne l)ielt, fing bie @e= fellf($aft an, i'^re @ebanfen unb 3^eifel^ üBer biefe ©efd^ic^te ju 30 äußern, oB fie toal^r fei, oB fte aui^ toatjr fein lönne?

S)er5ltte Bel^auptcte, fie muffe toalir fein, toenn fte intereffant fein folle; benn für eine erfunbene ©cfdjidite ^aBe fie tocnig 5öer=

Rahmen Srjäfytung. 251

biciijl. 3icmanb ticmciftc baiauf: e^ jd^einc joiibcrBar, ba§ mau fic^ uic^t ixaä) bcm abgcjt^icbcncn Sieuube unb nad^ bcn Um= ftanbcn jeincäJobcä crfunbigt, toeit boc^ barauö biclleic^t einiget jur 5luff(ärung bcr @ejc^id)te l^ättc genommen tocrben fönncn.

6 „'änä) bie|e§ ift gc|d)et)en", terfe^tc ber 2Iltc; „id) toar jelBft neugierig genug, joglei^ naä) ber erftcn @rf c^einung in fein-^auä ju ge'^en unb unter einem 33orn)anb bie £iamc ju bejuc^en, ttjcld^c jutc^t rec^t mütterlich für i^n geborgt I;attc. ©ie erjä^ltc mir, ba^ i^r g^eunb eine unglaubliche ßeibenfc^aft für ba§

Frauenzimmer gel)egt l^abe, ba| er bie le^te Qdt jeine^ Sebenö faft allein öon i^r gefpro^en unb fte balb al§ einen dngel, balb als einen Teufel öorgefteEt l^abe.

„%U jeine Äranfl)cit überl^anb genommen, f)abe er nid)t§ gctoünjc^t, alä fie öor feinem 6nbe nod) einmal ju fe'^cn, toa^x=

15 fd^eintid^ in bcr Hoffnung, nur nod^ eine äärtlid)e ^tufeerunu, eine 9teuc ober fonft irgenb ein 3ctc^en ber ßiebe unb 5reunb= jd)aft öon il)r ju erjtt)ingcn. 5Defto fc^rcdlic^cr fei il)m i^re an= l^altenbe Steigerung getuefen, unb ftd)tl6ar f)ahc bie le^te ent= fd)eibcnbe obfd^läglid^e 3lnttt)ort fein @nbe befditcunigt. S}er=

20 jnteifelnb l)abc er aufgerufen: ,9iein, ei fott i^r nid)tg Reifen! ©ic öermeibet mic^; aber auc^ nad^ meinem 2obe foH fic feine giu^e öor mir l)abcn.* 5Jlit biefer .g)eftigfeit öcrfd)ieb er; unb nur ju fc'^r mußten loir erfal)ren, ba^ man aud^ jenfeitä beä ©robcä SBort Italien Jönne."

25 S)ic ©efeHjdjaft fing aufö neue an, über bie @efd)id)tc ju meinen unb ju urteilen. 3"^ctjt fagte ber SBrubcr i^xiiy. ,,^6.) fjabt einen SSerbac^t, ben ic^ aber nid)t el^er äußern toiU, alä big i^ nodimalä alle Umftänbc in mein @ebäd)tuiä jurücfge= rufen unb meine Kombinationen beffer geprüft Ijabc."

30 Sllä man lebt)after in il^n brang, fudjtc er einer Slntmort büburc^ au33nn)cid)en,ba^ er fid) erbot, glcid;fallö eine®efd)ic^te ju cria^ten, bie jtoar bcr öorigcn an ^intereffc nid)t glcid)e, aber bod) aud) l)on ber 5lrt fei, bafj nmn fie niemaU mit völliger ÖJc» mifjljcit tjübe crfUiren fönnen.

252 Uiiter^altunflen btutf(^er SluSgeiuanbcrtciu

„^ci einem toacfcrn ßbelmami, meinem gfreunbe, ber ein n(te§ (Sd)tü^ mit einer ftarfen g?amilie Betool^ntc, loar eineSöaiic crjogen tüotben, bie, al§ fie l^erangetuad^fen unb bietäelin SafA" alt loaT, meift um bie S)ame öom §auje \iä) befc^äftigte unb bic nä(i)[ten S)icnfte il^ter 5j}erfon üerric^tete. 9Jkn toat mit xf)x 5 lüoljl änfrieben, unb fie jc^ien nid)t§ toeiter äu toünfd^en, aU tnxä) 5lufmerffam!eit unb 2:reue i^ren Söol^ttätcrn banfbar ju jein. ©ie toar wo^tgeBitbet, unb fanben fic^ einige ^freier um fie ein. 3J^an glaubte nic^t, bo§ eine biefcr S5erbinbungen äu il^rem ©türf gereid^en tüürbc, unb fie jeigte auc^ nid^t ba§ lo minbefte SSertangen, ifjren 3uftanb p änbern.

„3luf einmal begab fic^'§, bo^ man, toenn ba§ ^äbi^en in bem ^aufe ®ei($äfte l^alber herumging, unter i^r, l^ier unb ba, pochen f)i)rte. 2{nfang§ jd^ien eg äufäüig, aber \>a ba§ Älopfen ric^t aufhörte unb beinal^e jcben il^rer ©d^ritte bejeid^nete, toarb 15 fie ängftli(^ unb traute fidt) faum aug bem 3immer ber gnäbigen grau IjerauSjugel^en, al§ in toetd^em fie allein Stutje l^atte.

„S)iefe§ ^od^en toarb öon jebermann öernommcn, ber mit i1)X ging ober ni(i)t toeit öon il^r ftanb. 2lnfang§ fc^er^te man barüber, enblidf) aber fing bie (5ad)e an, unangenel^m ju Werben. 20 5Der ^err öom .^oufe, ber öon einem tebl^aften ©eift toor, unter= fud^te nun felbft bie Umftänbe. 5Jlan l^örte ba§ ^od)en nid^t e^er, al§ bi§ ba§ SJ'iäbcEien ging, unb nid|t fotool^l tnbem fie ben gu^ auffegte, aU inbem fie i^n jum 2öeiterf(^reiten aufhob. S)od) fielen bie (5d)läge mand^mat unregelmäßig, unb befonberä 25 waren fie fe^r ftarf , toenn fie quer über einen großen Saat ben äßeg nal§m.

„S)er ^auSbater ^atte eine§ 2:age§ ^anbtoerfgteute in ber 5lä'§e unb ließ, ba bog ^oä)tn am Ijeftigften war, gleid^ tjinter i^r einige S)ielen aufreißen. fanb fid) ni(^t§, außer baß bei 30 biefer (Gelegenheit ein paar große Oiatten pm 2}orfd)ein famen, bereu Sogb biet ßärm im .^aufe berurfai^te.

„6ntrüftet über biefe SSegebenT^eit unb 9}ern)irrung, griff ber ^ausTjcrr ^u einem ftrengen a)iitte(, nal^m feine größte .^c^=

tn atopfgeiff. 253

^)cit|(S^c bon bcr 3Saitb unb jd)h}ur, ba^ et boS 5Jtäb($cn bt§ auf bcnJob prügeln luolle, toenu fic^ noci) eincinjig^JtalbaS^poc^en l^örcn Iic|e. S3on bcr 3eit an ging fic o'fine Slnfed^tung im ganzen ^aujc l^erum, unb man bcrnal^m bon bem ^od^en nid^t§ toeiter."

5 „2öorau§ man benn bcutlidj [ie^t", fiel Suije ein, „ba§ ba§ fdE)öne ^nb fein eignes ©efpenft tt)ar unb au§ irgenb einer Ur= |ad)e fid^ biejen <Bpa^ gemacht unb jeine .g)err|d)aft jum bej'ten gcl^aBt ^tte."

„ÄeinesioegeS", öcrjc^te i^xi^; „benn bicjemgen, ttielc^e bieje

10 SBirhing einem ©eiftc juii^rieben, glaubten, ein©rf)u^geift toolle jtDox ba§ 5)läb(^en au8 bem .^aujc l^oben, aber il^r bod^ fein £eib§ anfügen laffcn. 9tnbere nahmen nä^er unb Idiotien ba= für, ba^ einer i^rer Siebijaber bie 2ßi)ien|(^aft ober baä ©ejc^iif gel^abt ^abc, bieje Söne ju erregen, um ba§ 2)läbcf}en ou3 bem

15 .^aufc in jeine 5irmc ju nötigen. S)em jei, toie i^m ttJoHe, bo3 gute ^nb jel^rte fid^ über biefen 23orja!tt beinal^' ööHig ab unb l^ien einem traurigen ©eifte gleich, ba fie bor^er frifd^, munter unb bic ^eiterfte im ganzen Jpaujc gemcfen. 9tber auc^ eine |old)e förperlidfie 2(bnaljme In^t fic^ auf met)r aU eine äöeife

20 beuten."

„G3 ift jc£)abe", berfeijte S^axl, „ta% man |otd)e SSorfaUc nic^t genau untcrjudjt, unb ba^ man bei ^Beurteilung ber Se= gcbenl^eitcn, bie unä fo fel^r intereffieren, immer jttiifc^en ber= fc^iebencn 2Ba]^rjc^einlicE)feiten jd^toanfen mu^, tocit bie Um=

M ftänbe, unter toctdicn foIdE)e 2Bunber gejdjetjen, nid)t alle be= merft fmb."

„Sffienn nur nidf)t übertjaupt jo jdjtoer ttjöre ju unter= |ud)en", fagtc ber 9Hte, „unb in bem 2lugenb(icfe, too ettoaä ber= gleid^cn begegnet, bie fünfte unb lliomente afle gegcnttJärtig ju

80 Ijaben, teorauf eigentUd) anfommt, bamit man nid)tä ent= iuifd^en laffe, toorin 23etrug unb Strtum fid^ berftedcn fönne. S.'cnnag mau benn einem 3!afd|enipicler \o Ieid)t au] bieGprüngc ju füimncn,öon bem loir bodj lüiffen.ba^ er m\i jumbeftcntjat'^'

254 Hntert)alttinGen beiitfci^er gugfleroanbfrtfn.

Äaum l^attc er auSgcrebet, aU in bcr gde beg 3i'"n^er8 auf cininal ein \tf)x [tarler ÄnaH fxä) Ifiörcn Iie§. Sitte ful^rcn auf, unb Äarl jagte fd^erjenb: „@3 toirb ft(^ bocE) fein fterfienber 2ieb= t)a!6cr l^ören laffen?"

6r l^ättc getoünjc^t, jeine Söorte totcbcr jurücfäune'^men, 6 bcnn ßuife toarb Wiä) unb geftanb, ba^ fic für ba§ 2eBen if)re§ S3räutigam§ jitterc.

gri^, um fic ju jerftreucn, natjm ba§ ßi^t unb ging nad^ bem ©d)reibtif($e, ber in ber ®dEe ftanb. 2)ie getoölbte 2)ecfc beSfelficn toar quer böttig burcEigeriffen; man l^attc alfo bie Ur» lo fad)c be§ Älange§; aber bemungcac^tet fiel i'^nen auf, bo^ biefer ©direibtifd^ bon 9töntgen§i befter3lrbeit, ber fcI)on me'^rere S^a'^re an bemfelfien 5pia^e ftanb, in biefem Slugenblicfe aufättig geriffen fein fottte, 9Jlan tiatte il^n oft al§ 5Jtufter einer bor« trefflichen unb bauerl^aften Slifdilerarbeit gerühmt unb borge« is jcigt, unb nun follte er auf einmal reiben, ol^ne bo| in ber 2uft bie minbcfte SJeränberung ^u f^ürcn toar.

„@efd§h)inb", fagte ßarl, „la^t un§ juerft biefen Umftanb berichtigen unb nad^ bem ^Barometer feigen."

2)a§ Duerffitber l^atte feinen ©tanb bottfommen, toie feit 20 einigen Xagen; ba§ ^Thermometer felbft toar nic^t me'^r gefallen, al§ bieSJeränberung bonXag auf 5^a(i)t natürli(i)mitfi(^ brachte.

„<Bä^a\)t, ha^ toir nid§t einen .g)t)grometer Bei ber ^anb '^aben", rief er au§; „gerabe ha^ ^ft^ftrument toäre ba§ nötigftc!"

„@§ fc^eint", fagte ber 2llte, „ba§ un§ immer bie nötigften 25 SJnftrumente abgeben, toenn toir S5erfu(^e auf ©eifter aufteilen tootten."

©ie tourben in i'^ren SBetrad^tungen buri^ einen Sebienten unterbrod^en, ber mit ^aft l^ereinfam unb melbete, ba^ man ein [tarier f^euer am ^immel fel^e, jeboc^ nid^t toiffe, ob in so ber ©tabt ober in ber @egcnb fei.

S)a man burc§ ba§ SDor'^ergelienbe fc^on em|)fänglid^ für

»SauibKöntflen (XUb—lSOn), berühmter SKSbelf abrifant ju Sleuroteb, beffen tünft[icl;e Sc^veibtifc^e auc§ in bcn „ajaiiberjal^ren" (iüuc^ 3, Änp. 6) ennäbnt wicvben.

Kalmen «Crja^tung. 255

ben 6c^ reden gelooibcn toar, jo tuurben alte mel^r, aU tiet« leicht yonft ge|d)ef)en jein toürbe, öon ber ^flod^rid^t Betroffen, gri^ eiüe auf baä 23elöebere be§ C'>aufe§, »o auf einer großen l)oriaontaten ^ä^txbt bie i?arte bc§ ßanbcä auöfüf)rtid) gejeidj^

5 net toar, burd^ beren ^ülfe man aud^ Bei 9lad)t bie öerf(^iebe= nen !i?agcn ber Crtc äiemlic^ genau Beftimmen fonnte. S)ie an= bem BlieBcn nid^t o^ne ©orgen unb Setoegung Beieinauber.

gfri^ tarn aurüd unb fagte: „Sd) Bringe leine gute 9iad)rid)t. S)enn I)üd^ft nja^rfdjeintid^ ift ber Sranb nic^t in ber Stabt,

10 fonbcm auf beni @utc unferer Jante. ^ä) !enne bie 3fiic^tung je^r genau unb fürchte, mic^ nid^t ju iaen." 5)kn Bebauertc bie jc^öneu ©eBäube unb üBeuedt)nete ben SSertuft. „3inbcffen", fagte Sfri^, „ift mir ein ö)unberlid)er (Sebanfe eingefommen, bev ung ioenigften§ üBer ba§ fonberBare Slnjeidien be§<Sd)reiBtif^e^

15 Berul^igen fann. föox allen S)ingen tooUen ttjir bie 5)tinute Be= rid)tigcn, in ber toir ben Älang get)ört fiaBen." ©ie red^neten jurürf, unb fonnte etwa l^atB älüölfe geioefen fein.

„9iun, i^r mögt lacfjen ober nidfit", fu'^r fjri^ fort, „toitt id) eud^ meine 2Jlutmafeung erjagten. 3§r toi^t, ba^ unfrc

20 illutter fd^on öor me'^reren 3al)ren einen äl^nlid)en, ja man möd^te fagcn einen gleichen «Sc^reiBtifd^ an unfre Jante gefd)cn!t l^at. Seibe maren ju einer ^tit, aug cinem|)ol3e mit ber größ- ten Sorgfalt öon einem 3Jleiftcr öerfertigt; Beibc IjaBcn \\d) 6ig= ^er ttefftid^ gefialtcn, unb id^ iDotttc toetten, ba| in biefcm

25 HugcuBIidc mit bem fiuft^aufe unfrer 2antc ber jtoeite !S(^reiB= tijd) öcrBrennt, unb ba^ fein ^luiUingssBruber aud^ baöon leibet, 3d) mi(^ morgen felBft aufmadjcn unb biefcä feltfame gaN tum fo gut aU möglid^ au Bcridjtigen fud^en."

OB gnebrid^ tt)irflid^ bicfc 5Jlcinung I)cgte, ober oB ber

30 JlÖunfd^, feine ©dt)iücftcr ju Berut)igen, i^m ju biefem Ginfall ge()oIfen, tooUcn h)ir nid^t entfd^eiben; genug, fie ergriffen bie 05clegcnf)eit, üBcr manche unteugBare ©^nHJatljicn ju fprcdjen, unb fanben am Gnbc eine (St)mVat()ic jiüiid)cn ^"iöticrn, bie auf einem Stamm cricugt föorben, iJuifdjeu äüertcn, bie ein Äünft»

256 «itter^artuttflen be«tf(5af SruSfleioanberten.

[er berfertigt, nod) äiemlid) toafjrjc^einlid^. ^a fic tourbcn einig, bergtetd^cn ^l^änomenc cBenfogut für ^Jaturp'^ftnomenc gelten AU laffen aU anbere, toeld^e [id) öfter toieberl^olcn, bie toir mit .^änbcn greifen unb boc^ nid)t erfCären fönnen.

„üüerl^au^t", fagte Äarl, „fd^eint mir, ba^ jebeS 5p:^änomen s fotoie jebeS ^Jaftum an fid§ eigentlich ba§3tntereffantefte fei. SBer erflärt ober mit anbernSegeBenl^eiten äufammenljängt, mociit fic^ gettjol^nlid) eigentlid^ nur einen ©pa^ unb l)at unS jum beften, tote 3. 33. ber ^aturforfd^er unb .^iftorienfd^reiBer. Ühn eine einzelne .^anbtung ober SegeBen^eit ift intereffant, nid^t 10 toeil fie erflärBar ober toal}rfd)einlic^, jonbcrn toeil fte toa^r ift. äÖcnn gegen 5Jtitternad)t bie flamme ben<Sd)reil)tif(^ ber Slautc berje^rt l^at, fo ift ba§ fonberltare 9fiei§en be§ unfern ju gleid)er 3eit für un§ eine toaljre SSegeBenl^eit, fie mag üBrigen§ erflär« fiar fein unb äufamnienl)ängen mit hja§ fie toiE." 15

©0 tief aud§ fd)on in ber 9iad^t toar, füllte niemanb eine Steigung, ju SSette ju gelten, unb Äarl erBot fid) gleid^fattä, eine ®efd)id)te ^u erjä^len, bie nid)t minber intereffant fei, oh fie fic^ gleich öieÜeidjt el)er erflären unb begreifen laffe aU bie borigen.

„£ier 5Jlarfd)att öon SSaffompierre", fagte er, „erjä^lt fie in 20 feinen 5Jlemoircn; fei mir erlaubt, in feinem 9iamen ju reben."

„(Seit fünf ober fed)§ SJlonaten l^atte iä) bemerft, fo oft ii^ über bie fleine SSrüde ging (benn ju ber 3eit toar ber 5pont 5leuf nod) ni($t erbauet), ba^ eine fd)öne lErämerin, bereu ßaben an einem ©c^ilbe mit jtoei Engeln tenntlid^ toar, fid^ tief unb toie= 25 berl^olt bor mir neigte unb mir fo toeit nad^fal^, oB fienurfonnte. S'^r ^Betragen fiel mir auf, iä) ]af) fie gleic£)fall3 an unb banfte ii)x forgfättig. ßinft ritt ic§ bon i^ontainebleau nad^ 5pari§, unb al§ id) toicber bie Heine Srüde l^erauffam, trat fie an il^re 2a= bentüre unb fagte ju mir, inbem ic^ Vorbeiritt: ,5Jlein ^err, so S'^re S)ienerin!' S<^ ertoiberte il^ren @ru^, unb inbem id^ mid; bon Qdt p 3eit umfa^, l^atte fie fid£) toeiter borgelel^nt, um mir fo toeit al§ mi)glid) nadijufeljen.

SRrinoirrn bH «Rarfcftalll o. Safyomplcrre. r. 257

„6in 33ebicntcr nebfl einem ^l^oftiüon folgten mir, bie id^ noc^ biegen 3lBenb mit 93riefen an einige 2)amen narf) f^fontaine» bleau jurücfidjirfcn wollte. 3Iuf meinen 58cfe^l fticg ber S?ebicnte ob unb ging ju bcr jungen grau, il^r in meinem Diamen au jagen,

5 ba$ x6) i^re Neigung, mid^ ju fc^en unb ^u grüben, bemerft l^ötte; iä} teollte, trenn [ie toüni^te, mic^ näljer fennen ju lernen, ftc aufjuc^en, too fie bcrtangte.

„Sie antwortete bem Sebientcn: er ^ötte i^r feine beffere 9icuigfeit bringen fönnen, fie toottte fommen, tool^in ic^ [ie be=

10 ftcttte, nur mit ber Sebingung, ba^ fie eine ^iad^t mit mir unter einer 2;etfe jubringen bürfte.

„3d^ na'^m ben Sorjc^tag an unb fragte ben Sebienten, ob er ni(^t ettoa einen Ort fenne, mo wir äufammenfommen fönn= ten"? 6r antwortete, ba§ er fie ju einer gctoiffen ^u^plerin

15 fül^ren Wollte; rate mir aber, weil bie ^i^eft fid) ^ier unb ba jeigc, ÜJtatratjcn, Secfen unb ^eintüc^er au§ meinem ^aufe f)in= bringen ju laffen. 3id) na^m ben 23orfcf)Iag an, unb er berfpraf^ mir, ein gute§ SSett ju bereiten.

„S^e§ 3(benb§ ging ic^ l^in unb fanb eine fcl^r fc^önc grau

20 üon ungefähr jwanjig 2ia{)ren, mit einer äierürfjen 9iac^tmü^e, einem fe^r feinen .t)embe, einem furzen Unterrorfe öon grünWonc= ncm :^e\iQ,t. 'Bit '^atte ^antoffctn an ben lyü^m unb eine 9ht öon ^^^ubermantel übergeworfen. (Sie gefiel mir auBerorbenttid), unb ba iä) mir einige ^Jfrei^eitcn I)erauöneT;men WoEte, lefjnte

25 fie meine Ciebtofungen mit fc^r guter 3trt ah unb öcrtangte, mit mir jwifd)en jwei ßeintüd^ern p fein, ^ä) erfüllte i^r 33ege^ren unb fann fagen, ba^ ic^ niemat^ ein jierlidiere^ 233cib gefannt it)abe, no(^ üon irgenb einer me()r SJergnügen genoffen ]^ätte. ^en anbern IRorgen fragte id) fie: ob ic^ fie nid)t nod^ einmal

30 ief)en fönnte, id) öerrcife erft Sonntag; unb wir tjatten bie ^kd^t öom 2onnerötag auf ben Steitag miteinanber jugcbrad)t.

„©ie antwortete mir: ba§ fic gewiß lebtjafter wünfd^c aU ic^; Wenn id) aber nicfjt ben ganzen Sonntag bliebe, fei i^r unmbglid), bonn nur in bcv 'Jlaclit Dom Sonntaii auf ben

«of'.Ijo. X. 17

258 Unter^ortungcrt beutf^er auSfleroonberten.

5Jtontag lönne fie mic^ toicberje^en. 9118 iäj einige ©c^toicrig^ feiten mad^te, jagte fie: ,3I)r feib teot)! meiner in biejem Singen^ Blicfe j(i)on überbrüjfig unb »out nun 8onntag§ üerrciien; aber 2^l)r »erbet batb n}ieber an mid^ benfen unb genji§ nod^ einen 5tag jugeben, um eine 9lad^t mit mir juäubringen.' &

„3t(^ toar teidjt ju überrcbcn, beriprad) if)r, ben Sonntag ju bleiben unb bie ^ad)t auf ben 5Jlontag mid^ n)ieber an bem nämlii^en Orte einpfinben. S)arauf antwortete fie mir: ,3(^ loei^ red)t gut, mein .g)err, ba^ 16) in ein fdE)änbtid^e§ ^au§ um 3t)rentn)iIIen gefommen bin; aber id) t)abc freitoilltg getan, 10 unb id) ^atte ein fo unübern)inblid)e§ 23crtangen, mit ^finen ju fein, ba§ id) jebe Sebingung eingegangen toäre. 9lu§ £ciben= fd)aft bin id) an biefen abfdjeuUdien Ort gefommen, aber id^ Ujürbe mid^ für eine feile jDime f)altcn, menn id(j jum ätociten» mal bal^in äurüdfe'^ren fi3nnte. Dlöge id) eine§ etenben XobeS 15 fterben, menn id) au^er meinem 5}tann unb 6ud) irgenb jemanb 5u SBiüen getoefen bin unb nadt) irgenb einem anbem öerlange! Stber was täte man nii^t für eine ^^erfon, bie man liebt, unb für einen Saffompierre? Um feinetmillen bin id^ in ha^ .^au§ gefommen, um eine§ 5Ranneä Witten, ber burc^ feine ©egentoart 20 biefen Ort ttfxhax gemad^t ^at. SBottt ^\)x mid^ noc^ einmal fe^en, fo toitt id^ 6udt) bei meiner Staute einlaffen.'

„Sie befd)rieb mir ba§ ^au§ auf§ genauefte unb fu'^r fort: ,Sd^ Witt 6ud) bon jelju U^r bi§ 5Jlitternad)t erwarten, ja nodt) fbäter, bie Sure fott offen fein. 6rft finbet ^\)x einen fleinen 25 @ang, in bem l)altet @ud^ nid)t auf, bcnn bie 2üre meiner STante ge"^t ba l)erau§. S)ann ftö^ ßud) eine treppe fogleid^ entgegen, bie Suc^ in§ erfte (Sef^o^ fü^rt, Wo id) ®ud^ mit off= nen ^^rmen em^Dfangen werbe.'

„^ä) mad)te meine ginrid)tung, lic^ meine ßeute unb meine so Sachen öoraugge^en' unb erwartete mit Ungebulb bie ©onn= tagSnad^t, in ber idf) ba§ fdjöne 2öeibct)en wieberfe'^en fottte.

1 SBafyompierre mar im »egriff, olä außerorbentli(^er ®efanbter nac^ Sotl^rinßen jtt flehen (im Qa^re 1606).

Vttmohtn be8 ronrf^aM o. »gffompttrrt. I. 259

Um jcl^n Ul^r toar ic^ fd^on am öeftimmten Orte, ^äj fanb bic 2ÜTC, bie fie mir Bcjeie^net ^attt, fogleic^, aBer terjc^loffen unb im ganjcn ^aujc 2i(^t, bai jogar öon 3eit ju 3eit toic eine i5rlamme aufaulobem jd^ien. Ungebulbig fing id) an au ftopfcn,

5 um meine 5tnfunft ju melben; aber ic^ t)örte eine 2Rann»ftimme, bic mid^ fragte, toer brausen fei?

„3(^ ging jurüdE unb einige ©trafen auf unb ab. ©nbtidEi jog mict) baä S?crlangen toieber nac^ ber 2üre. ^ä) fanb fie offen unb eilte burd^ ben @ang bie Zxt)?pz l^inauf. Stfier toie

10 erftaunt toar id^ , aU iä) in bem 3iinmer ein ^jaar ßcnte fanb, toeld^e 58cttftro^ bcrBrannten , unb bei ber glauime, bie ba§ ganjc 3iuimer erlcud^tete, jiDci nadfte Körper auf bem Jijc^e auSgcftretft fal^. ^ä) jog mid^ eilig jurücf unb ftie| im ;^inau§= ge^en auf ein paar Totengräber, bic mid^ fragten, toa§ id^ fud^te?

15 3d^ J09 ben S)cgen, um fie mir öom Seibe ju Italien, unb fam nid§t unbetocgt öon biefem feltiamcn 3lnbIidE nad^ ^aufe. ^ä) tranf fogleic^ brei bis öier ©läfer Söein, ein 3)littel gegen bie peftilenaialijc^cn ©inflüffe, ba§ man inS)eutfd^Ianb fefir bemä^rt l^ätt, unb trat, nad^bem id^ auigerul^et, ben anbem 2:ag meine

20 Steife nac^ Sotljringen an.

„%Ut 2Rü^e, bic id^ mir nad^ meiner SHlcffunft gegeben, irgenb ettoa§ öon biefer x^xan ju erfat)ren, toar bergeblid^. 3d^ ging fogar nad) bem ßaben ber jttjei Gngcl; allein bie 3JlietIeute mußten nic^t, tocr öor it)nen barin gejeifen l^atte.

25 „Siicfeä 3(bcnteucr begegnete mir mit einer '^^erfon bom gc^- ringen 'Btant>t, aber id^ öerfidE)ere, ba^ o^ne ben unangcnel^men ■•^luggang cinä ber reijenbften gcUjefen toärc, beren id^ mid) erinnere, unb ba§ id^ nicntaB ol^ne Se^nfud^t an baS fd)i3nc SBeibdEien l^abc benfen fönnen."

»0 „'^ud) bicfeä Stötfcl", bcrfe^tc gri^, „ift fo leidet nidf)t ju löfcn. Senn c3 bleibt jtocifel^aft, ob hai artige Söeibc^en in bem .^aufe mit an ber ^4^eft geftorben, ober ob fie eS nur \>\t\ei

Umftanb? meinen ticrinicbi-n Tiabe."

17*

260 nntfr^nlluitgen beiiifc^fr ÄuSgeiuanberten.

„^Qttc fie getcbt", öcrje^tc Staxl, „]o I)ntte fic i^xtn ©eliet» ten getoi^ auf ber ©äffe crlrartet, unb feine (Sefal^r ^ätte fie ab= getjalten, \^n rticber auf^ujud^en. ^ä) für(f)te immer, fie I)at mit auf bem 2ifc£)e gelegen."

„©(^n)eigt", fagte ßuife, „bie (Sefd)id)te i[t gar ju fd)red= s lid^! 2Ba§ toirb ba§ für eine 9tad)t tüerben, tücnn toir unS mit foId)en Silbern ju Seite legen!"

„(i§ fällt mir nod) eine Ü)efd)id^te ein", fagte Äarl, „bie arti» ger ift unb bie SSaffompierre öon einem feiner S3orfat)ren erjä^tt.

„©ne fd)öne ^rau, bie ben Sl^nl^erm au^erorbentlid^ liebte, lo 16efud)te il)n alle 3Jlontage auf feinem ©ommerl^aufe, too er bie ^lai^t mit il;r jubradjte, inbem er feine 5^au glauben lie^, ba| er biefe 3eit ju einer ^agb^irtie beftimmt f)abc.

„S'^^^ Satire l;atten fie fid) ununterbrod)en auf biefe Söeifc gefe'^en, aU feine x^xan einigen S3erbad)t fd}öpfte, fid^ eine§ 15 ^JJtorgen§ nad^ bem ©ommerliaufe fd^lid) unb i^ren ©emal^I mit ber Sd)önen in tiefem ©d)tafc antraf. (Sie l^atte toeber 9Jlut nod) Söilten, fie auf^utüeden, nal^m aber i^ren ©d)Ieier bom Äopfe unb htdk \t)n über bie x^n^t ber 6d)Iafenben.

„?lt§ ba§ S^rauenjimmer ertoad)te unb benSdjteier erblidte, 20 tat fie einen Ijetten ©d)rei, brac^ in laute ^tage au§ unb jam= merte, ba^ fie iljren (Seliebtcn nic^t mc'^r toieberfel^en, ja ba^ fie fid) i^m auf l^unbert ^Reiten nid^t nähern bürfe. ©ie berlie^ i!^n, nac^bem fie itjm brei @efd)enlc, ein Ileine§ grudjtma^, einen SRing unb einen 23ed)er für feine brei red)tmä§igen 2;öd)ter öer= 25 el^rt unb il§m bie größte Sorgfalt für biefe ®aben anbefotjten fjatte. 5Jlan l)ob fic forgfältig auf, unb bie Slbfömmlinge biefer brei 2öc^ter glaubten bie Urfac^e mand)e§ glüdtid)en(Jreigniffe§ in bem S3efi^ biefer ©abe ju flnben."

„Sa§ fielet nun fd)on el^er bem 53tärd)en ber fc^önen 5Jtelu= 30 fine unb anbem bcrgleic^en {yeengcfdjidjtcn ä^nlid)", fagte ßuife.

„Unb bod) l)at fid) eine folc^e Srabition", berfe^te f^ricb= ri(^ , „unb ein äljnlic^er JaliSman in unferm ^aufe er"^alten."

TOtmohrfn bt« Vlat\<S^aai o. 8af[ompterrt. IL 261

„23ie toärc bcnn baS?" fragte Äart. „e§ ift ein ÖJef)eimni§", öerfe^tc jener; „nur ber älteftc ©o'^n barf allenfalls bei Seb^eiten bcä Saterä erfahren unb nad^ feinem Jobe ba§ 5lIeinob befi^en."

5 „2)u l^ofl atjo in SSertoa^rung?" fragte ßuife.

„^(i) 'i)abt »ol^I fd^on au biel gejagt", öerfe^tc griebric^, inbem er baä ßic^t anjünbete, um ftd^ l^intoeg au begeben.

2!ie gantilic ^atte aujammen, toic getoö^nlid^, ba§ 3rül§= jlütf eingenommen, unb bie Saroneffc ]a^ teieber an i^rcm Sti(f=

10 rahmen, dlaä^ einem furaen allgemeinen (StiIIjrf)lDctgen begann ber geifttid^e ^augfrcunb mit einigem ßdd^eln: „6§ ift atoar feiten, bafe Sänger, S)idf)ter unb ©rjä^Ier, bie eine ©eiettfd^aft au unterl^alten öerfprerfien , e3 inx redeten Seit tun; öielme^^r laffen fic fid^ gelt)öt)nlid^, loo fte toittig fein foHten, fel^r bringenb

15 bitten, unb finb aubringüd^, loenn man i^ren 9}ortrag gern ab= lel^nen möd^te. 3rf) f)offe bal^er eine 9luänaf)me au maäjtn, toenn id^ anfrage, ob 3t)ncn in biefem Slugenblicfe gelegen fei, irgenb eine ©ej^id^te anjutjören?"

„9ted)t gerne", öerfe^te bie SBaroneffe; „unb id^ gtaubc,

20 werben atte übrigen mit mir übereinftimmen. 2)od^ toenn Sie uns eine @ejd£)id^tc aut ü^robe geben tooHen, fo mu| id£) 3^nen fagen, toeldtie 2trt icf) nid^t liebe. 3ene ©raä^tungcn mad^cn mir feine Sf^ube, bei ttjetd^en, nad^ SBeije ber »laujenbunbeinen ^aä^f, eine Gegebenheit in bie anbcre eingejd^ad^telt, ein 3nter=

25 effe burd^ baS anberc öerbrängt loirb; too fid^ ber 6raäf)Ier ge» nötigt fiefjt, bie 9ieugierbe, bie er auf eine leid^tfinnige SBeije «•negt ^at, burd^ Unterbre^ung au reijen unb bie 3lufmcrffam= feit, anftatt fie burdf) eine öernünftige S'ofgc au befriebigcn, nur burc^ feltfame unb feineStoegS Iobenätt)ürbige Äunftgriffe auf=

3n 'jujpannen. 3d^ table baS 33eftreben, auä ©ejd^i(f)ten, bie fid) ber (iin^eit beä ©ebic^tS nät)ern foHen, rfia^jjobiid^e 5Hätjet ju ma= cf)en unb ben ©ejd^macf immer tiefer au öerberben. 3)ie öcgcn» ftänbc 3t)rer Cfraä^Iungcn gebe ic()3()nen gana frei, aber (äffen Sie uns loenigftenS nn ber ^fonn jefjen, ba§ mir in guter

262 Untergattungen beutft^er SluSgeioanberten.

®efettfd§aft finb. ©eben Sic un§ jum Slnfang eine 65ef($ici^te bon trentg ^^^erjonen unb 35cgeBenf)eitcn, bie gut erfunben unb gc» bad^t ift, toaijx, natürtid^ unb nidjt gemein, |o biet Jpanblung aU unentBel^rlit^ unb ]o biel ©cfinnung aU nötig; bie nid^t ftitt fielet, ]iä) ntc^t auf einem ^^lecfe äu langfam Betoegt, fxd) 5 aber auc^ nid^t übereilt; in ber bie ^Jlenfd^en erftiieinen, toie man fic gern mag, nii^t bottfommen, aber gut, nidjt au^erorbent» lic^, aber intereffant unb liebenäUJÜrbig. 3^re @ef(^i($te ]d unter'^altenb, ]o longe tüir fie l)ören, befriebigenb, toenn fie ju ßnbe ift, unb l^interlaffe un§ einen ftillen Sieij, toeitcr nac^« 10 jubenfen."

„kennte idEi ©ic nii^t beffer, gnäbige f^rtau", berfe^te ber ®eiftlict)e, „fo toürbe ic^ glauben, ^f)xz 5lbfid]t fei, mein 2Baren= lager, nod) e^' id) irgenb ctUjaS bation auSgeframt 'i)abt, burd^ biefe l§of)en unb ftrengen gorberungen böttig in 9)li§£rebit ju 15 fetten. SSic feiten mochte man S'^nen na(^ Syrern 5Jla§ftab ©enüge Iciften fönnen. ©elbft in biefem Stugenblide", fu^r er fort, al§ er ein njenig nad^gebad^t, „nötigen <Sie mi(^, bie 6r= äöl^Iung, bie iä) im ©inne liatte, jurücfäufteEen unb auf eine nnbere 3eit äu berlegen; unb id^ toei^ toirfli^ nic^t, ob ict) midt) 20 in ber @ite bergreife, toenn iä) eine alte ®efd£)ic^te, an bie id§ ober immer mit einiger S5orlicbc gebadet fjobt, fogleic^ au§ bem ©tegreife öoräutragen anfange.

„^n einer italienifc^en ©eeftabt lebte borseiten ein ^anbel§= mann , ber fic^ bon Sugcnb auf burd^ 2:ätigfeit unb ßlug'^eit 25 au8äeid)nete. Gr toar babei ein guter ©eemann unb l^atte gro^e Steid^tümer ertoorben, inbem er felbft nad) 2llejanbria p fdtjiffen, loftbare äöaren ju erlaufen ober einjutaufdjen ^iflcgte, bie er alabann ju^aufe toieber ab^ufe^en ober in bie nörbltd)en@egen=> ben @urD:pen§ ju berfenben tuuBte. ©ein SSermögen toud^§ bon 30 ^ai)x ju ^ai)v, um fo met)r, al§ er in feiner ®efd)äftig!eit felbft ba§ größte SSergnügen fanb unb i'^m feine 3eit in foftfpieligen 3erftreuungen übrigblieb.

tM fxotmatet. 263

„S3ii in ^eirt funfjigfteS Sa^r ^attt er fid^ auf btefe 2Bcije emftg fortbcjc^äftigt, unb i^tn toar öon ben gcjcHigen 35ergnü= gungen tocnig befannt toorben, mit loeldicn rut)ige SBürger i^r 2eben ju ipürjeii öerfte^en; cbcnfotoenig l^attc ba§ )(f)öne ®e= 6 |df)lec^t, bei alleii S^orjügen jeiner 2anb§männinnen, jeine %u]= mcrfjamfeit toeitet erregt, aU injofem er i^rc S3egicrbe nad^ ©d^mucf unb Äoftbarfeitcn je^r lool^I tannte unb fie gelegent» li6) }u nu^en mufete.

„2Sie ttenig öerja^ er fic^ ba'^er auf bic Seränberung, bie

10 in feinem (Semüte tiorge^en follte, al^ einc^ 2agä fein reid^ be= laben 6ct)iff in ben |)afen feiner SJaterftabt einlief, eben an einem jäfirlid^en S^fte, baä befonber^ bcr Äinber wegen gefeiert iDurbe. ihtaben unb ^Jiäbd^en pflegten nad) bem ©otteäbienfte in allerlei 23erfleibungen fid^ ju jeigen, balb in ^^rojejfionen,

15 balb in Scharen burc^ bie Stabt ju fc^erjen unb fobann im gelbe auf einem großen freien '^Ua^ aEerf)anb Spiele ju trei= ben, ^nftftücfe unb ®ef(^icflid)feiten ju jeigen unb in artigem SCßettftreit ausgefegte fleine ^4.^reife ju geroinnen.

„Slnfangs roo^nte unjer «Seemann biefer geier mit 35ergnü=

20 gen bei; ald er aber bie fieben^tuft ber Äinber unb bie i^reube ber (Jltem baran lange bctrad)tet unb fo öiele ^Dlenjc^en im @e= nufe einer gegenwärtigen 5«wbe unb ber angene^mften aUer jg)offnungen gefunben ^atte, mufete i^m bei einer iRücffe^r auf fi(^ jelbft fein einfamer 3"ftanb öufeerft -auffallen. Sein leeret

25 ,^Qu« fing jum erftenmal an, il)m öngftlid) ju roerben, unb er flogte fid) felbft in feinen @ebanfcn an.

,„£) id) Unglücficligcr! SBarum get)n mir fo fpät bie 9lugen auf? 2Barum erfcnne id) crft im ^Jllter jene föütcr, bir allein ben ^lenid)en glücfli^ mad)en? So Diel ''Dlü^e! jo Diel 0efat)ren!

80 road f)aben fie mir ocrfc^afff? Sinb gleid) meine ©eroölbe Doli SÖarcn, meine Äiften üott eblcr ^J3ietatle unb meine Srf)ränfc öoll Scfimuff unb .RIeinobien, fo (önncn bod) biejc föüter mein ©emüt rocber crl)citem noc^ befricbigen. 3e mef)r id) fie auf» l^äufe, befto mctjr ©efcHen jc^cinen fie iu öerlangen; ein Äleinob

264 Untcr^attunflen beutfc^ier 9lu8flejöoitb«rtcn.

forbcrt ba§ anbere, ein @ülb[tücf ha^ anberc. Sic ertennen mid) ni(i)t für ben .^auä'^crrn; fie rufen mir ungeftüm ju: ,&e\) iinb ci[e, fi^affe nod) UnicrögUnd)en l^erBei! @oIb erfreut fid^ nur be§ ®ü(be§, ba§ Ä'leinob be§ ^letnobe§.' ©o gebieten fte mir jd}on bie ganäe3eit meincä fiebeng, unb crft \pcit füt)Ie id), ba^ s mir in allem biefem !ein ®enu§ bereitet ift. Seiber je^t, ba bie Sfa'^re lomnien, fange id) an äu benfen unb fage ju mir: S)u gc= nie|eft biefeSdjälje nid)t, unb niemanb toirbfienai^bir genießen! ^aft bu jemat§ eine geliebte grau bamit ge|d)mürft? l^aft bu eine Stoc^ter bamit au§gcftattet? I;aft bu einen ©ot)n in ben ©tanb lo gefegt, fid) bie ^leigung eine§ guten ^äbd)en§ ju geminnen unb ju befcftigcn? 9liemalö! fSon aUm beinen Scfi^tümcni laft bu, l^at niemanb ber ©einigen ctmaä befcffen, unb Xva'i bu mü^fam äufammengebrad)t l^aft, toirb nac^ beinem 2obe ein f^rember leid)tfertig berpraffen. is

,„£) lüie onbcrg toerben Ijeute abenb iene glüdüd)en ©Item il^re Äinber um ben Stifd) öerfammcin, il^re ®cfd)icttii$feit px^U Jen unb fie ju guten 2aten aufmuntern! 2öeld)e 2uft gtänste an§ il^rcn 5Iugen unb toeldie .i^offnung fd)ien au§ bem ©egen* toärtigen ju entfpringen! ©oEtcft bu benn aber felbft gar feine 20 Hoffnung faffen fönnenl SSift bu benn fd)on ein ®rei§? 3ift nid)t genug, bie S3erfäumni§ einäufetjen, jc^t, ba no(^ ni(^t aüer 2:age Stbenb gelommen ift? 5lein, in beinem Sllter ift noc^ nid)t töridit, an§ freien 3U beuten; mit beinen ©ütern toirft bu ein brabe§ .2öeib erwerben unb glüdlid) matten; unb 25 fie^ft bu no($ ^inber in beinem .g)aufe, fo toerbcn bir biefe f))ä= tern i^rüc^te ben größten ®enu§ geben, anftatt ba§ fie oft benen, bie fie äu frü^ bom .^immel ert;alten, jur 2aft toerben unb jur SJerttjirrung gerei^en/

„5(l§ er burd) biefe§ ©etbftgefpräd^ feinen SSorfa^ Bei fxd) bc= 30 feftigt ^atte, rief er ärtei ©d)iffggcf etten ^u fid^ unb eröffnete il^nen feine ©ebanten. ©ie, bie getoo^nt toaren, in allen ^5^ällen toiöig unb bereit ju fein, fet)Iten aud) biesmal nid|t unb eilten, fid^ in ber ©tabt nad^ ben jüngften unb fi^önftcn 5[Räbc^en ju erfun=

«Ter ^rofurotor. 265

btgen; benn it)x 5patron, ba er einmal nad^ biefer 2Bare lüftern loarb , jontc auä) bie Befte jtnben unb befi^en.

„Gt jelbft feierte jo wenig aU jcine Slbgefanbten. @r ging, fragte, fa^ unb prtc unb fanb balb, toa^ er fuiiite, in einem

^ Si'fluenjimmer, ba» in biefem Slugcnblicf ba§ fc^ünfte ber ganzen ©tabt genannt ju tüerben öerbiente, ungefähr fedjjel^n 3faf)r' alt, tool^Igebitbet unb gut erlogen, beren ©eftalt unb äöefen ba§ angenel^mfte jeigte unb baä Befte öerfprac^.

,Maä) einer furzen Untert)anblung, bur($ toeld^e ber borteit»

l^aftefte 3iM"tanb, fon)üf)t bei Sebjeiten al§ nad^ bem Sobe be§ 5)lanne§, ber <5cf)önen öerfic^ert loar, öolljog man bie ^eirat mit großer ^rac^t unb £uft, unb öon biefem Jage an fü^^Ite fit^ unfcr ^anbet§mann jum erftenmat im teirftid^cn SSefi^ unb @e= nu§ feiner Steic^tümer. 5iun bermanbtc er mit gveuben bie

15 fc^önften unb reid)ftcn Stoffe jur S3cfteibung be§ fd^önen ^ör= per§, bie 3iitDcIen glänjtcn ganj anbcr§ an ber Sruft unb in ben paaren feiner ©eliebten, aU cl^emalä im ©c^mucffdftc^cn, unb bie 9iinge crl^ielten einen unenblid^cn Söert bon ber ^anb, bie fic trug.

20 „<Bo fü{)ttc er fidf) nic^t allein fo reid^, fonbem reid^er at§ bi§f)er, inbem feine ®üter fic^ burd^ Seilne'^mung unb 2lnmen= bung ju öermet)rcn fcf)icncn. 3luf biefe Söcife lebte baä ^aar faft ein Satjr lang in ber größten ^ufrieben^cit, unb er fd^icn feine ßiebc ju einem tätigen unb l^cvumftreifenben Ceben gegen baä

25 öJefü^I ]^äu§lirf)er ©(ücffeligfeit gänjiict) bertaufd^t ju l^abcn. ^ilbcr eine atte @en)of)nf)eit legt fid^ fo Icicf)t nicE)t ab, unb eine SRictitung, bie mx \xiii) genommen, fann wol)! einige 3eit ab» gelenft, aber nie ganj untcrbrücf)en ttjcrbcn.

„So l^atte üud) unfer 4">anbelömann oft, toenn er anbcre fic^

30 cinfc{)iffen ober glücflid^ in ben .£)afen jurücf feieren fal), tttiebcr bie 9tegungen feiner alten ßcibenfd^aft gcfüf)tt, ja er l)atte felbft in feinem .^aufe, an ber Seite feiner ©attin, mandjmat Unrul)e unb Unjnfricbcnljeit em;)funben. 2!icfeö 3}crlangcn öcrmcf)rte fidf) mit ber 3*:it unb bcriuanbctte firf) ju(c|jt in eine foId)cSc{)n=

266 Unterhaltungen beutfe^er auSgenjouberten.

jud^t, ba^ er fic^ äu^erft unglücfltd^ fül^Icn mu^te unb juXe^t toirftii^ ftani toarb.

,„3öa§ joE nun au8 bir toerbcn?'" fagte er ju fi^ |elb[t. ,S)u crfdl^rft nun, toie t'6xiä)t c8 tft, in jpätcn Sauren eine alte ßebcnStoeifc gegen eine neue ju bertau^dien. SBie foHen toir ba§, 5 toa^ wir immer getrieben unb gefuc^t fjaben, auö unfern (St- bauten, ja au§ unfern ©liebem toieber l^erauSbringen? Unb toie ge'^t mir nun? ber iä) hi^f)zx toie ein i5rif(^ bo§ Söajfer, toie ein Söget bie freie £uf t geliebt , ba ici) mid) in einem ®ebäube bei aßen ©ci)ä^en unb bei ber Slume attcr Sieiditümer, bei einer lo f(^öncn jungen tJrau eingefperrt liabe? 2lnftatt ba| i^ baburd^ l^offte, 3ufriebenf)eit ju getoinnen unb meiner ©üter ju genießen, fo fdjeint mir, ba§ ii^ atte§ berlierc, inbem ic^ nic^tg toeiter ertoerbe. 2Jlit Unrecht l^ält man bie SJienfc^en für 2;oren, toelc^e in rafttofer 2ätig!eit ©üter auf ®üter ju l^öufen fuclien; benn i5 bie SLötigleit ift ba§ ©tücE, unb für ben, ber bie {^reuben cine§ ununterbrochenen S3e[treben§ emt)finben tann, ift ber erroorbene Sfteid^tum ol^ne SSebeutung. 3lu§ 5RangeI an S5ef(^äftigung toerbe ic^ elenb, au§ 5Jtangel an SSetoegung franf, unb wenn ict) feinen anbern @ntf^lu| faffe, fo bin ii^ in fur^er 3eit bem 20 jtobc na'^e.

,„f^reiti(^ ift ein getoagte§ Unterne'^men, fic^ öon einer jungen, Iieben§toürbigen grau ju entfernen. ;3ft billig, um ein reiäenbeä unb reizbares 3Jläbc§en p freien unb fie nad) einer furjen 3^^t fid) felbft, ber Sangentoeile, il^ren 6m:pflnbungen 25 unb S3egierben lu überlaffen? ©parieren bicje jungen feibnen Ferren nid)t ftfion je^t bor meinen i^enftem auf unb ab? 6u= (^en fie nidit fc^on je^t in ber ßird)e unb in ©arten bie 3lufs merffamfeit meines 2öeibe§ an ficE) ^u jiel^en? unb toa§ toirb erft geftfie'^en, toenn iä) toeg bin? 'BoU ic^ glauben, ba§ mein m Sßeib burd) ein Söunber gerettet toerben !önnte? 5^ein, in i^rem Sllter, bei i^rcr ßonftitution toäre törid)t, äu l)offen, ba^ fie fi(^ ber iJreuben ber Siebe entl^alten lönnte. ßntfemft bu btd}, fo toirft bu bei beincr Mdfunft bie ^fleigung beincS äßeibeS

T:tx yroturator. 267

unb il^re Sreuc jugleid^ mit ber (Sf)xt bcinc§ ^au^cä berloren

„S)icfc SBctrad^tungm unb Steifet, mit beuen er ftc^ eine Scitlang quälte, ücrji^Ummcrten bcn 3u[tanb, in bem er fi($

5 bcfanb, Qufä äu^crfte. ©eine %xau, feine SJerrtanbten unb greunbc betrübten fid^ um i'^n, ol^ne ba^ fie bie Urfad)e feiner Äronf^eit l^ätten entbccEen fönnen. ßnblic^ ging er nochmals bei fid^ ju State unb rief naci^ einiger Überlegung au§ : ,Xö= rid^tcr 5Renfd§! bu läffeft bir fo fauer toerben, ein ^tib ju

10 betoa'^rcn, ba§ bu bod^ balb, toenn bein Übel fortbauert, fter= benb I)intcr bir unb einem anbcm laffen mu|t. 2fft nid^t toenigftenä flüger unb beffcr, bu fu(f)ft baä Seben ju erl^alten, toenn bu gteict) in ©efa'^r fommft, an il^r baiicnige ju Verlieren, U)aä aU basi ^öc^fte @ut ber grauen gefd^ä^t toirb. SSie man=

15 d^cr ^ann fann burd^ feine ©egenwart ben SBerluft biefe§ 6d^a^eS nid^t l^inbcm, unb bermi|t gebulbig, toa§ er nid^t er= Italien fann. SBavum fottteft bu nid^t 2Jlut l^aben, bidf) eineS fold^en ®ute§ ju cntf dalagen, ba bon biefem (5ntfdE)Iuffe bein ßeben abfängt.'

20 „5)ht biefen SBorten ermannte er fic^ unb lie^ feine ©t^iffä» gef eHen rufen. Qx trug i^nen auf , nad^ getoofinter 23eif e ein ga'^rjeug ju bcfrad^ten unb aEc§ bereit 311 Italien, ba§ fie Iti bem erften günftigen SCßinbc auslaufen fönnten. Sarauf er= f (arte er fiä) gegen feine i^xau f otgenberma^cn :

25 ,„2a& bic^ nic^t bcfrcmben, toenn bu in bem ^aufe eine 33e= loegung fiel^ft, Ujorauä bu fd^(ie|en fannft, ba§ id^ mic^ ju einer 9(brcife anfd)i(fc. SBetrübe bi(i) nicf)t, mcnn ic^ bir gcftc^e, ba^ id^ abcrmali eine 8cefat)rt ju untemcf)mcn gebenfe. kleine £icbe ju bir ift nod^ immer biefetbe, unb fie toirb gett)i^ in meinem

30 ganjen ßeben bleiben, ^d) crfenne bcn Söcrt be§ ©lücfä, ba« id) bisl)cr an beincr 6eite genoß, unb njürbc i^n noc^ reiner füllen, wenn id^ mir nic^t oft 23ormürfe ber Untätigfeit unb 'Jiarf)täffigfcit im ftitten mad)cn müßte. 9Jkinc alte ^Jieigung luadjt luicbcr auf, unb meine alte öcioülju^eit ^ieljt mic^ luiebcr

268 Uiueiljattuiiaeu beittfc^er sauSaeioanberteii.

an. ßrlauBc mir, ba^ iä) ben 9Jlarft öon Sltcjanbrien ttiieber» jel^c, ben iä) je^t mit größerem @ifer fcejuc^en toerbc, tocit id^ bort bic fö[tlicf)[ten ©toffc unb bie ebelften i?o[t6arfciten für bid^ ju getüinnen ben!e. 3f(^ laffe bid§ im S3efi^ aHer meiner (Süter unb meines S5ermögen§; Bebiene bid^ befjen unb öergnüge bid^ 5 mit beinen ßltem unb Sertnanbtcn. 2)ie 3eit ber WBloejen^eit ge'^t aud) öorüBer, unb mit bielfad^er fjfi^eubc tocrben toir unä ttjicberjctien/

„9iicE)t ol^ne Stränen mad£)te i{)m bie licbenStoürbige f^rau bie järtlicEiften SJorttiilrfe, berfic^erte, ba§ fie ol^ne il^n feine lo frö^lic^e ©tunbe l^inBringen toerbe, unb bat il^n nur, ba fie i^n tocber galten fönne nod) einfd£)räntcn motte, ba§ er i^rer aud^ in ber 3tBtoefen'^eit jum Beften gebenlen möge.

„9lad^bem er baiauf 2Jerfc£)iebene§ mit i^r über einige @e» f(^äfte unb l^äuStid^e 5lngetegenl^eiten gejprod^en, fagte er nad^ ij einer fteinen 5paufe: ,^6) ^abe nun nod^ ettoa§ auf bem .^erjen, babon bu mir frei äu rebcn ertauben mu§t; nur bitte id^ bid^ auf§ l^eratid^fte, nidf)t ju mi^beuten, mag id^ jage, fonbcm aud^ fetbft in biejer 33eforgni§ meine Siebe ju erfennen.'

,„^ä) fann erraten', öerfe^te bie ©d^öne barauf, ,bu bift 20 meinetmegen beforgt, inbem bu nad£) 3lrt ber 5Jtänner unfer ®e= ]ä)Uä)t ein für aüemat für fc^toac^ l^ättft. 2)u Ijoft mid^ bisher jung unb frot) gelaunt, unb nun gtaubft bu, ba^ iä) in beiner 5lbmefent)eit teidE)tfinnig unb öerfü^^rbar fein toerbe. 3d^ fd^ctte biefe 6innc§art nidE)t, benn fie ift bei eud^ 2Rännem getoöl^ntid^; 25 aber toie id^ mein ^erj fenne, barf id£) bir berfid^em, ba^ nidE)t§ jo teidf)t (SinbrucE auf mi(^ mad^en unb fein möglid^cr ßinbrutf fo tief toirfen fott, um mid£) öon bem 3Bege ab^uteiten, auf bem id£) biS'^er an ber |)anb ber Siebe unb 5pflidf)t f)intoanbette. ©ei o^ne Sorgen; bu fottft beine ^xan fo äärttid^ unb treu bei bei= w ner ülücEfunft mieberfinben, aU bu fie abenbä fanbeft, toenn bu nadt) einer fteinen 2lbtoefen!^eit in meine 2trme äurüdffe^rteft/

,„S)iefe ©efinnungen traue i^ bir ju', berfe^te ber &tmaf)i, ,unb bitte bid^, barin ju ber!§arren. Sa| un§ aber an bie äu^er=

Ter ??rofurator. 269

flcn gällc bcnfen; toarum fott man fici^ nic^t aiid^ barauf öor» feigen'? Su toeiBt, toie \e^x beine \d)öm unb reiäcnbe ©ei'taÜ bic Stugcn unserer jungen ^iitbürger auf fid) jtcfjt; fie toerben fid^ in meinet Stbwefen^eit no(^ me^r aU bi§:^cr um bid^ Bemühen;

5 ftc toerben fid^ bir auf alle SBeife ju nähern, ja ju gefaßen i'udjcn. 9iid^t immer wirb ba» S5itb beineS @emat)I§, toie je^t feine ©egentoart, fie bon beiner 2üre unb beinern -gjerjen tierfd[)eu= d^en. S)u bift ein ebleä unb gute» Äinb, aber bie gorberungen ber 9iatur fmb red^tmö^ig unb getoattfam; fie fte'^en mit unferer

10 SJemunft beftanbig im Streite unb tragen getoö^nlic^ ben Sieg baüon. Unterbrid^ mi^ nidE)t. S)u toirft getoi§ in meiner 9fb= toefen'^eit, fefi)ft bei bem pflic^tmä^igen Slnbenfen an mid), ba§ Verlangen empfmben, tooburd^ ba§ 2Beib ben ^Hann anjiel^t unb öon if|m angejogen toirb. 3d^ toerbe eine ^^itlang ber

15 ©egenftanb beincr SBünfd^e feinj aber toer toei^, toa§ für Um= pönbe jufammcntreffen, toaä für ©elegen'^eiten fid^ finben, unb ein anberer toirb in ber SBirfüd^feit ernten, toa§ bie 6inbi(= bung^fraft mir jugebac^t l^atte. SDßerbe nic^t ungebulbig, id) bitte bid^, l^öre mic^ au§!

lio „jSoüte ber %aU fommen, bcffen 3)löglid^!eit bu teugneft, unb ben ic^ aud^ nid^t ju befd^leunigen toünfdje, ba§ bu o^ne bic @cfellfdf)aft eine» ^anne§ nid^t länger bleiben, bic fyreuben ber Siebe nid^t too'^t entbcljrcn fönnteft, fo öerfpridE) mir nur, an meine Stelle feinen öon ben leidljtfinnigcn Änaben ju toä^=

25 len, bic, fo ortig fic aud^ au§fcf)en mögen, ber 6f)re nod^ meljr aU ber Jugenb einer fyrau gcfäf)rlid) fmb. 2)le^r burdf) 6ttcl= feit aU burdf) SScgierbe bef)errfd)t, bemühen fie fid) um eine jcbe, unb finben nid)tg natürlicher, als eine ber anbcrn aufjuopfem. ?yül)lft bu bic^ geneigt, bic^ nad^ einem öfrcunbe umjufe^en, fo

80 forfc^e nac^ einem, ber biefen Atomen berbient, ber bejd)ciben unb tierfd)toiegen bie greuben ber Siebe nod) burd) bic ÜB o^ (tat bcS @e^cimniffed ju erf)cben toeife.'

„^icr öerbarg bie fd)öne i^xau itjxm Sd)merj nid)t länger, unb bie Ivanen, bic fic biöljer jurüdfgcljaUcn Ijatte, ftürjtcn

270 Itnter^nttiingctt beiitfc^er ÜliiSgeronnberten.

rcic^Ud^ aus itjxvx 2Iugen. ,2Ba§ bu aud^ öon mir bcnfen magft', rief fic no($ einer letbcnjdiaftlidien Umarmung au§, ,\o ift bo(f) nirf)t§ entfernter öon mir, aU ba§ SJerbred^en, ba§ bu gertiff ermaßen für unbermeibliii) |ältft. SJtöge, njcnn jemals au(i) nur ein folc^cr @ebanfe in mir entfte^t, bie @rbe fic^ auf= t tun unb mic^ berfcfitingcn, unb möge atte .g)offnung ber Selig» feit mir entriffen tnerben, bic un§ eine fo reijenbc gortbauer nnfcrS 5i)afein§ berfpric^t! (Sntfeme ba§ 5Jti|trauen au§ beincr aSruft unb Ia§ mir bie gauje reine Hoffnung, bid^ Balb mieber in meinen Slrmen äu fe'^cn.' lo

„9tact)bem er auf aEeSBeifc feine ©attin ju Beru'^igengefudjt, f(i)iffte er fic£) bcn anbem borgen ein; feine i^a'^rt mar glücE» lid§, unb er gelangte balb nac^ 2llejanbrien.

„Snbeffen lebte feine ®attininbemru§igenSefi^eine§ großen S>ermögen§ nac^ olter ßuft unb Sequemlid^feit, jeboc^ eingcjo- is gen , unb pflegte au^er iliren ©ttern unb S5ermanbten niemanb ju fe^tjcn; unb inbem bie (SefdEjäfte i^re§ 3)tanne§ bur(^ getreue S)iener fortgefü!§rt tourben, betootinte fic ein gro^e§ ^au§, in beffen :|3räd)tigen ^ii^n^e^n fie mit S)ergnügen täglicS^ ba§ 5ln= beuten il)re§ @ema^t§ erneuerte. 20

„60 fel)r fie aber auc^ fic^ ftille l^iett unb eingebogen lebte, tcaren boc^ bie jungen ßeute ber ©tabt nidit untätig geblieben. (Sie öerfäumten nid)t, l^äuflg bor i'tirem genfter borbeiäugelien, unb fuc^ten be§ 5lbenb§ burd) 5Jlufif unb ©efängc i^re 2lufmerf= famfeit auf fict) äu jielien. 5Die fdiöne ©infame fanb anfangt 25 biefe S3emüf)ungen unbequem unb täftig, bod^ getoöt^nte fie fid) balb baran unb lie| an ben langen Stbenben, o^nc fic^ äU be= üimmern, mo'^er fie fämen, bie ©erenaben al§ eine angenel^mc Unter'£)altung fid) gefallen, unb fonntc babei manchen ©euf^er, ber iijrem Slbmefenben galt, nic^t äurüdf^^alten. 30

„Slnftatt bo§ il)re unbelannten 35erel)rer, mie fie l^offte, nact) unb nac^ mübe getoorben mären, fcE)ienen fid) i^re 33emül)ungen noc^ äu berme'^ren unb ju einer beftänbigen SDauer an^ulaffen. ©ie !onnte nun bie mieberfel^renbcn ^nftrumcnte unb ©timmen,

t>eT ?rotutalor. 271

bic toicberl^oltcn ÜJlelobien jd^on untcrji^eiben, unb Batb fid^ bic Sleugierbe ni(^t mel^r öerjagen, ju tt)if|en, loer bic Unbefanntcn unb bejonbcrö loer bic aSe^arrlic^en fein möchten. 6ic burftc fi(^ jum 3citöcrtrcib eine jolc^c Seitnafime too^t erlauben.

5 „Sic fing batjcr an, Don 3"t ä^ 3"* burd^ i^re SJor^ängc unb .g)albläben nac^ bei ©tra^e ju je^^en, auf bic 25or6eige{)cn= ben ju merfen unb bef onber§ bie 531änner ju untcrjc^ciben , bic il^rc i^cnfter am löngftcn im Slugc bel^icltcn. toarcn meift fd^önc, too^tgcfteibcte, junge ßcute, bic aber freilid) in ©ebärben

10 jottjol^l alä in i^rcm ganzen Slu^em cbcnioöicl 2eid)tfinn al§ Gitctteit jcl)en liefen. 8ic fc^ienen mel^r burc^ il^re 2lufmerf= iamfcit auf bai Jpau§ bcr Sdjöncn fic^ mer!ö3Ürbig mad^cn, aU icnct eine 9lrt bon SJcrcfjrung bcWcifen ju tooücn.

,„SSa^tlic^', fagtc bic £)amc manchmal fd^erjenb ju fid^

.5 fetbft, ,mein 5Jlann ^at einen fingen ßinfaH gehabt! S;utd^ bie Sebingung, unter ber er mir einen ßieb^aber äugeftel)t, fc^Uc^t er alle bicjenigen aus, bic fid^ um mic^ bemühen, unb bic mir allcnfallg gefatteu fönnten. (5r tuci^ ttjo'^t, ba^ ^lugtjcit, S3e= fd^cibent)cit unb 93erjdjn)iegcnl)cit ßigenfd^aften eineä rul^igen

20 SlItcTö finb, bie jttjar unfcr 93cr[tanb id)nl^t, bie aber unjrc ©in» bilbungsfrajt fcincimcgcä aufjuregcn, noct) unfre Steigung an^u» rcijen im ftanbc fmb. 33or bicfen, bie mein ^au§ mit it)ren ?lrtigfeitcn belagern, bin id^ fic^cr, ba^ fie fein 35ertrauen er= toedfen, unb bic, benen ic^ mein Söertrauen fdE)enfcn fönnte, finbc

25 id^ nid^t im minbcftcn liebcnsmürbig.'

„3n ber 8ic^cr!^cit biefer ©cbanfen erlaubte fie fid^ immer mel^r, bcm 95ergnügen an ber 5liufif unb an bcr Oeftalt bcr öor» bcigc^enbcn Jünglinge nad^ju^ängen; unb o()nc ba§ fic cö. mcrfte, toudß nad^ unb narf) ein unrul^igeä Jßcriangen in i^rcm

-0 Sufcn, bcm fie nur ju fpöt ju tüibcritreben gcbarfjte. £;ic 6in=

Iamfcit unb ber ilUifeiggang, baö bequeme, gute unb reid)lid^e

2eben loarcn ein ßlemcnt, in toetd^em fict) eine unrcgctmäfeige

Scgierbe früf)cr, ali ba« gute ,^inb bacf)te, cntmirfeln mu^tc.

„Sie fing nun an, jcbodt) mit ftiüen Seuficrn, unter bcn

272 llnter^altunBen beutft^er «u«(ieroonherten.

S5oräügen iI)Te§®emQt)lS au(^ feine JJBclt» unb ^lenjci^enlenntni^, BefoiibcrS bic 5venntni§ be§ tociblid^en .^crjeng, ju Betounbern. ,So toar aljo bocl) möglid^, toaä td) if)m \o tebf)aft auftritt', jagte fie ju fid) felbft, ,unb jo toar alfo bod^ nötig, in einem jotd)en tJallc mir 25orfic^t unb ^higtjcit onjuraten! S)od^ toas 5 lönnen 3)or[ic^t unb Älug^eit ba, n)o ber unbarmtieräige Qu^atL nur mit einem unbeftimmtcn SJcrtangen ju jpielen jd^eint. Söic jott i(^ ben tDät)ten. ben it^ nic^t fcnne, unb feIciBt Bei näf)crcr SÖetanntjdiaft nod^ eine SBatjt übrig?'

„^tit joId)en unb "^unbert anbern ®eban!en öerme^rte bic lo l^öne i5ftau ba§ Übel, ba§ bei i^r fc^on Ujcit genug um fid^ Qe= griffen ^atte. S5ergeben§ fud)te fte fid) ju ^erftreuen; jeber angc» net)me ©egenftanb maditc tf)re ßmpfinbung rege, unb if)re 6m|)= finbung brad)te aud) in ber tiefften ©infamfeit angenel^me Silber in it)rer ßinbilbungSfraft l^erbor. 15

„3n füld)em ^uftanbe befanb fie ft(^, alg fie unter anbern ©tabtneuigleitcn Don i^ren SJertoanbten benta^m, fei ein junger 3fied)t§getel)rter, ber ju ^Bologna ftubicrt ^abe, focben in feine 3}ater[tabt äurüdgefommen. 5)lan n)u^te nid)t genug 5U feinem 2obe ju fagen. 33ei au^crorbentlii^en Äenntniffen jeigte 20 er eine ßtugfieit unb ©ett)anbt:^eit, bie fonft Jünglingen nic^t eigen ift, unb bei einer fel^r rei^enben ©eftalt bie größte 33cid)ei= benl^eit. 3tl§ 5prohirator* l^atte er balb ba§ Zutrauen ber 33ür=> get unb bie 3I(^tung ber 9ii(^tcr gemonncn. Xägtid^ fanb er fic^ auf bem 9tatl)aufe ein, um bafelbft feine ©efc^äftc ju beforgcn 25 unb 3U betreiben.

„S)ie ®d)öne l^örtc bie ©d)ilberung eine§ fo öollfommencn ^31anne§ nicl)t o^ne SJerlangen, i'^n näfjer !enncn ju lernen, unb nid)t ol)ne ftiUen 2ßunf(^ , in it)m benjcnigcn ^u finben, bem fie i'^r ^erj, felbft nad| ber SSürfc^rift itjxt^ Wanm^, übergeben 30 fönnte. 2Bie aufmerffam Ujarb fie ba^er, al§ fie bemalim, ba^ er täglid) bor il^rem .^aufe borbeigel^e; toie forgfältig beobachtete fie bie ©tunbe, in ber man auf bem9iat|aufe fid^ ju berfammetn

1 D^cc^)tSan»alt.

!Der yroturator. ^ 273

Pflegte. 9lici|t ol^ne SelDcgung \af) fic xf)n cnblid^ borteigel^en; unb toenn jeine fcf)önc ©cftalt unb feine Siuöenb für fie not= toenbig reijenb fein mußten, fo loar feine 35eid)eibenljeit öon ber anbcm ©eite ba^jenige, toa^ fie in ©orgen öerfe^te.

5 „@inige %aa,t l^atte fie il^n l^eimlid) beoBadjtet unb fonnte nun bem äöunfd^e nic^t länger toiberftet^en, feine 9lufmerffam=' feit Quf fic^ ju jiel^en. ©ie Keibete fid^ mit ©orgfalt, trat auf ben S3atfcn, unb baä ^erj fc^Iug i^r, aU fie i^n bie «Strafe l^er» fommcn fal^. Slttein Ujie betrübt, ja befc^nmt toar fie, aU er toie

10 gettjö^nlid^ mit bebäd)tigen @d)ritten, in ftc^ gefeiert unb mit niebergef(^(agcncn 5lugen, oTjne fie auä} nur ju bemerten, auf ba8 äierlic^fte feineä 2öege§ öorbeiging.

„SSergebenä berfud^tc fie mct)rere 2;age '^intereinanber auf eBcn biefe Söeife öon il^m Bemerft ju »erben. Sfnimer ging er

15 feinen gett)ö^ntid§en «Sdiritt, ol^ne bie Slugen auf^ufdifagen ober ba= unb bortfjin ^u mcnben. Sfeine'^r fie i^n aber anfal), befto= mel^r fd)ien er i^r berjenige ^u fein, beffen fie fo fe'^r beburfte. 3^re Neigung toarb täg(id) lebljafter unb, ba fie i^r nid)t toiber» ftanb, enb Ud) ganj unb gar getüattfam. ,^k\' fagte fie ju fid)

20 fetbft, ,nad)bem bein ebfer, öerftänbiger 5Jtann ben 3iiftanb öor» auägefel^en, in bem bu bid) in feiner ^(bmefen^cit befinbcn toür» beft, ba feine äöei^fagung eintrifft, ba^ bu o'^ne ^reunb unb (Sünftling nid)t leben fannft, foltft bu bid) nun öerjetjrcn unb abl^ärmen, ju ber3cit, ba bir ba§ ©lud einen Süngting jeigt,

25 ööllig nad^ beinem Sinne, nad) bem Sinne beineä ©atten, einen Jüngling, mit bem bu bie greuben ber Siebe in einem unburd)=- bringlid^en ®e()eimniä genießen fannft? lörid^t, ttjer bie ©e» Icgen^eit öerfäumt, töricht, mer ber gemattfamcn Siebe Joiber» [tef)cn toitt.'

80 „2)lit fotd^cn unb Dielen anbern ©ebanfen fud^te ftd) bie fd^öne ijfi^au in i^rem SJorfa^e ju ftärfen, unb nur furje 3cit toarb fic nod) öon UngeU)ifeI)eit tjin unb t)er getrieben, ©ublid^ ober, wie Begegnet, ba^ eine Seibenf^oft, loeld^er föir lange U)ibcrftef)en , un§ jule^t auf einmal batjin rei^t unb unfcr ©e*

(Boet^t. X. 18

274 ^ Unter^a[tungen btutfc^er Slulfleroanbeiten.

müt bcrgcftalt crl^öl^t, ba^ toir auf SBcjorgniä unb {^urdjt, 3u= rü(ff)altung unb Sc^am, S5er!^ältniffe unb ^flid^ten mit 3)er- Qtf)tung al§ auf flcinUd)e .£)inberuiffe äurücficl^en, fo fa^te fic auf einmal ben rafd^en 6ntjd)Iu^, ein jungeS DJiäbc£)en, baS it)r biente, ju bem geliebten ^Jlannc ju fdjiifen unb, fofte nun, toaS 5 tDoEe, ju feinem S3efi^e ju gelangen.

„2)a§ ^Jläbc^en eilte unb fanb il^n, oI§ er eBen mit bieten gieunben ju Sifdie fa§, unb iid)tete if)ren ®ru^, ben tl^re Srau fie gelef)rt Ijatte, ^)ünft(id) au§. 2)er junge ^4-^ioturator iDunbertc fid^ ni(^t über biefe S3otfd)aft; er l^atte ben J^anbelSmann in lo feiner Siugenb ge!annt, er föu^te, ba^ er gegenmärtig abloefenb trar, unb ob er gleich öon feiner .g)eirat nur öon ttieitem gel)ört !)atte, bermutete er bod), ba^ bic äurüdgelaffenc %tQ.\x in ber Stbmefenl^eit i^reä 5Jlanne§ toa^rfd)einlic^ in einer toiditigen ©ac^e feinet red)ttid)en 23eiftanbc§ bebürfe. 6r antwortete be§= i5 ttiegen bem 5Räbd^en auf ba§ öerbinbli(^fte unb berfid^erte, ba^ er, fobalb man öon ber 2afet aufgeftanben, nic^t fäumen mürbe, i^rer ©ebicterin aufzuwarten. 5Dtit unaugfprec^üd^er g-reubc berna^m bie fc£)öne f^rau, ba^ fie ben ©eliebten nun batb feigen unb fbrec£)en foüte. ©ie eilte, ficE) aufä befte anjuäietjen, unb 20 ließ geid)Winb yS)x ^(xvA unb it)re 3ijnniei^ Quf \iQA reintic^fte auäpu^en. Orangenblätter unb 5Btumen tourben geftreut, ber 8ofa mit ben töftlic^ften 5teppi(^en bebedt. ©0 ging bie fur^e 3eit, bie er ausblieb, befd^äftigt l^in, bie it;r fonft unerträglich "lang geworben märe. 25

„^it tt)elcE)er 25emegung ging fic il^m entgegen, alg er enb= lic^ anfam, mit tt)eld)er Sermirrung I)ieB fie il)n, inbem fie fid^ auf ba§ 9iu^ebette nieberlie^, auf ein Saburett fi^en, ba§ äu= näd^ft babei ftanb! (Sie üerftummte in feiner fo ermünfd)ten 9läl)e, fie l^attc nid^it bebad)t, X00& fic il^m fagen Wollte; aud^ er 30 War ftill unb fa^ befd^eiben üor il^r. @nbli(^ ermannte fie fid§ unb fagte nidt)t ol)ne ©orge unb S3etlommen|eit:

„,©ic finb nodl) nic^t lange in %\izx SSaterftabt wieber an» gelommen, mein ^^"ct, unb fd)on finb ©ie attentlialben für einen

a^er yrofurator. 275

talentret^en unb juberläififlen ^Dlann Befannt. 9Iu(^ xä) fe^c mein 23crtraucn auf Sie in einer toicfitigen unb jonberBarcn SlngelcQcn^eit, bie, toenn iä) rci^t bcbenfe, el^er für bcnSeid^t» bater alg \nx ben gadjttatter gel^ört. «Seit einem 3a!^re bin iä)

6 an einen toürbigen unb reid^en 3Jiann berl^eiratet, ber, jolongc toir jufammen lebten, bie größte 3lufmerf|amfeit für mid^ l^attc, unb über ben id^ mic^ nid^t beftagen würbe, toenn nidf)t ein un= rul^igcä Scrlangen ju reifen unb ju l^anbeln il^n feit einiger Qtxt auä meinen 9lrmcn geriffen l^ötte.

10 ,„3n§ ein öerftänbiger unb gcredE)ter 5)lann fül^tte er too'^t ba§ Unred^t, ba§ er mir burd^ feine (Entfernung antat. 6r be= griff, ba^ ein junget Söeib nic^t toie Sutoelcn unb perlen ber» tDaI)rt toerben fönne; er tou^te, ba| fxe bielmel^r einem ©arten boll fcf)öner i5rücf)tc gleicht, bie für jebermann fowie für ben

15 ^erm berloren toören, toenn er eigenfinnig bie Jürc auf einige Sa^re berfc^IieBen tooütc 6r fprad^ mir bal^er bor feiner 3r6= reife fe^r emftlic^ ju, er bcrfid^ertc mir, boß ic^ oljnc ^reunb nic^t toürbe leben fönnen, er gab mir baju nid)t allein bie (5r= laubniä, fonbem er brang in mii^ unb nötigte mir gteidfifam

-0 baä 23erfbrecE)en ab, ba^ ic^ ber ^'leigung, bie fid^ in meinem ^crjcn finben toürbe, frei unb otjue Slnftanb folgen toottte.'

„©ie t)ielt einen 2lugcnbü(f innc, aber balb gab i^r ein biel= berfprec^cnber SBIidt be^ jungen 2Ranneg -Dlut genug, in il^rcm S3efenntniä fort^ufal^ren.

25 ,„Ginc einzige ißebingung fügte mein ©emal^t ju feiner übri« gen3 fo nad)fid^tigcn (Srtaubnii. (5r cmpfal^I mir bie üu§erftc S5orfic^t unb berlangte ausbrüdtid), ba^ ic^ mir einen gefeilten, juber läffigcn, flugen unb bcrfc^toicgenen gi^cunb toäl)ten foHte. Griparen 6ic mir, baä übrige ju fagen, mein ^tn, erfparen ©ie

30 mir bie 33ertoirrung, mit ber id^ 3^ncn bctcnnen toürbe, toic fctjr ic^ für Sie eingenommen bin, unb erraten Sie au§ bicfcm 3utrauen meine -Hoffnungen unb meine a33ünfd)e.'

„'Jlaäi einer furjen ^aufe berfe^tc ber junge, liebenc-toürbige 9)iann mit gutem iüebadjte: ,2öie fcl)r bin id) ^Ijnm für ba-3

276 Unterhaltungen beutfc^er auSgeroanberten.

SJertrauen toerbuubcn, burd) loeldieS ©ie intd§ in einem fo l^o'^cn ©rabe eieren unb glücflid^ mad^en. ^6) toünjdje nur IeH)aft, (Sie äu üBer^eiigen, ba§ ©ie fic^ an feinen Unmürbigen öelocnbet X)abm. ßaffen ©ie niid) S^^nen äuerft at§ 9ted^t§getet)rter ant= »Ölten; unb aU ein folc^er geftcf)' ic^ S^nen, ba§ iä) 3f)rcn 5 ©ema^I betounbere, ber jein Unred)t jo bcutüd^ sefü^tt unb ein» geje^en f)Qt; benn ift geh)i|, ba^ einer, ber ein jungeä SGBciö jurücflä^t, um ferne Söeltgegenben ju befuc^en, aU ein jotdier Qnäuie"^en ift, ber irgenb ein anbereg Sefi^tum böGig berelin= quiert' unb burc^ bie beutlid)fte .£)anbtung auf alle§ 9icd)t barau 10 Söerjidjt tut. 2öie nun bem erften beften erlaubt ift, eine foId)e böEig in§ x^xät gefattene ©adje toieber ju ergreifen, fo mu^ id) um fo mc'^r für natürltd) unb bittig Italien, ba§ eine junge ^xau, bie fii^ in biefem 3uftanbe befinbet, il^re 9leigung abermals berfd^enfe unb fic^ einem ^i^eunbe, ber il^r angenel^m 15 unb juberläffig fd^eint, ol^ne S3eben!en iiberlaffe.

,„%ntt nun aber gar, hjie f)ier, ber^att ein, ba^ ber STjemann felbft, feines Unre(^t§ fid^ betonet, mit au§brücfIidE)en SGßorten feiner l^interlaffenen grau ba» jenige erlaubt, toaS er iljr nidE)t toerbieten fann, fo bleibt gar fein 3^fifel übrig, um fo met)r, 20 ba bemjcntgen fein Unred^t gefdE)iel^t, ber toittig ju ertragen erflärt ]§at.

,„SBenn ©ie mic£) nun' ful^r ber junge 2Jiann mit ganj on= bem Süden unb bcm lebl^afteftcn 2lu§brude fort, inbem er bie fdEiöne^Jreunbin bei ber^anb na'^m ,menn©ie mid£) 3U Sf^rem 25 SDiener ermäßen, fo mad^en ©ie mid^ mit einer ©lüdEfeligfeit befannt, bon ber iä) bisher feinen SSegriff l^atte. ©ein ©ie ber= fidEiert', rief er au§, inbem er bie ^anb fü§te, ,ba^ ©ie feinen er= gebnern, äärttid£)ern, treuem unb berfcEiiDiegenem SDiener Ijätten finben fönnen.* 30

„SBie berul^igt füt)Ite fid^ nac^ biefer ßrflärung bie fd^öne grau, ©ie fd£)eute fid) nit^t, if;m i^re 3äi'tüd)feit aufS Iebl§af=

Auf f«iu eisjeutumärcc^t oeijic^ten (iluSbrud be§ löntifc^en 9Je(^tä>.

Cer yrofurottr. 277

tefle ju jeigcn; fie brürftc feine ^änbe, brfingte ftd^ naf)tx an t^n unb legte i'^t ^au\>t auf feine <Sd)utter. 9iic^t lange Blieben fie in biefet Sage, al^ er fid^ auf eine fanfte 2öeife bon il^r ju entfernen fud^te unb nid^t ol^ne S5ctrü6ni§ ^u reben begann:

5 ,Äann fid^ tt)ot)I ein OJtenjc^ in einem fettfamem 3}er^ättniffe be= finben? 3d^ bin geätoungen, mid^ öon 3^nen ju entfernen unb mit bie größte ©ettjalt anjutun, in einem SIugenbtidEe, ba iä) mic§ ben fü|eften ©efül^Ien überlaffcn follte. 3d^ barf mir ba§ ®lücf, ba§ mid^ in S^ren SIrmen crtoartet, gegenwärtig nid^t

10 jueignen. %ä)\ Wenn nur ber Sluffi^ub mic^ nid§t um meine fd^önften Hoffnungen bctriegt!'

„S^ie ©c^öne fragte ängftlid^ nad^ ber Urfad^e biefer fonber= baren ^tu^erung.

,„(5ben aU id) in Bologna', berfe^te er, ,am ßnbe meiner

15 Stubien toar unb mid^ auf§ au§cr[te angriff, mid^ ju meiner fünftigen 23c[timmung gefd^idEt ju machen, bcrfiel id^ in eine fc^ttjere jhanttieit, bie, tto nid^t mein ßeben ju jerftöreu, bod^ meine förperti^en unb ©eifteäfrafte ju jerrütten bro'^te. 3n ber größten 9lot unb unter ben l^eftigften ©(^merjen tat iä) ber

-0 ^Dlutter ©otteä ein (Selübbe, ba§ id^, Wenn fie mid^ genefen tie^e, ein ^CLf)x lang in ftrengem i^a]len jubringen unb mid^ aÜeS (55enuffe§, öon toelc^er 5trt er aud^ fei, ent^atten tooHe. Sc^on ic^n 5)lonate i)abe id^ mein ©elübbe auf bag treulidfifte erfüEt, unb fie finb mir in SSetrad^tung ber großen SBol^Itat, bie i<S) er»

"- galten, feineötoegeS lang gemorben, ba mir md)t bcfdfjttjerltc^ warb, mandE)e§ gewohnte unb befannte 6ute ju entbehren. SIber ju toetd^er Gtuigfeit tocrbcn mir nun jtoei 9JIonate, bie nod^ ilbrig fmb, ba mir erfl nad^ Scrtauf berfelben ein ©lüdt ju teil toerben fann, toetd^eä alle 5?cgriffe übcvfteigt! 2af)m Sie \iä)

30 bie !^zH nid^t lang »erben unb entjic^en Sie mir ^l)Xi ®unfl nid^t, bie Sie mir fo frcin)illig jugcbai^t tjaben.*

„2^ie Schöne, mit biefer Giflärung nid)t fonbcrlid^ jufrieben, fa§te boc^ njieber bcffcm 2Rut, aU ber ^i^eunb nad) einigem IJiad^benfen ju reben fortful^r: ,3<!) ttjage faum, S^ncn einen

278 Untefljaltunflen beutf(^eir WuSßciBonberte«.

S5orf(f)Iag ju tun unb ba§ 9Jlittet anjuäcigen, tooburd^ idj frü'^cr bon meinem ©elübbe entbunbcn toerben lann. SBenn id) jcmonb fänbe, ber |o ftreng unb fid)er toie id) ba§ ©elüBbe ju Ratten üBeinätjme unb bie ^ä(fte ber noc^ ütirigen ^dt mit mir teilte, )o toürbe i6) um \o gefi^toinber frei jein, unb nid)t§ toürbe jid) 5 unfern 2öün|d)en entgegenfteHen. (Sollten ©ie nid)t, meine jü|e f^reunbin, um unjcr ©lürf ju Befdjleunigen, toitlig fein, einen Zdl be§ .^linberniff , ba§ un§ entgegenftel^t, l^inioegjuräumen? 9lur ber jutierläffigften ^erfon fann id) einen Slnteit an meinem ©etübbe übertragen; ift ftreng, bcnn id) barf bc§ Sageä nur lo äteeimat 33rot unb Söaffer genießen, barf be§^ad)t§ nur toenige ©tunben auf einem garten Sager anbringen, unb mu| ungead^tet meiner toielen ©efdiäfte eine gro^e Slnäa^^l ©ebete tierri(i)ten. Äann iä), tt)ie mir l^eute gefd)e]^en ift, nid^t öermeiben, bei einem ©aftmal^l äu erfdjeinen, fo barf iä) be§toegen bo(^ nid)t i5 meine ^^ftid)t l^intanfe^en, bietme^r mu| ic^ ben 9ieipngen atter ßederbiffen, bie an mir borübergeT;en, ju toiberfte^en fuc^en, Äönnen ©ie fi(^ entfd^tie^en, einen ^JUmat lang gleic^fattS aüe biefe ©efe^e ju befolgen, fo ttjerbcn ©ie at§bann ftd^ felbft in bem SSefi^ eine§ fyreunbe§ beftome'^r erfreuen, aU ©ie il^n burd^ 20 ein fo lobengmürbigeS Unternel^men getoifferma^en fetbft er= töorben l^aben.'

„S)ie fd)öne S)ame bernatjm ungern bie ^inbemiffe, bie fit^ i^rer 5'leigung entgcgenfe^ten; bod^ toar i^refiiebe äu bem jungen 5Jianne burd) feine ©egentoart bergeftatt bermel^rt toorbcn, ba^ 25 i:§r !eine 5|3rüfung äu ftreng fd)ien, toenn i|r nur baburd^ ber aSefi^ eines fo Uferten ®ute§ berfidjert toerben lonnte. ©ie fogte i^m ba'^cr mit ben gefättigften SIuäbriicEcn: ,5Jlein fü^er t^veunb! ba§ SBunbcr, tooburc^ ©ie ^^u ©efunb'^eit toiebererlangt f)a' ben, ift mir fcIbft fo toert unb bere'^rungStoürbig, ba| id^ mir so jur greube unb 5]3fli(^t mad)e, an bem ©etübbe teitäunel^men, ba§ ©ie bagegen äu erfüllen fdE)ulbig finb. 3d^ freue mid^, S^nen einen fo fiesem SSeWeiä meiner Steigung ju geben; id£) toiE mid^ auf ha§ genauefte nai^ ;3^rer SJorfc^rift rid)ten, unb

SJer ^rofiirator. 279

el^e Sic niic^ to§iprcct)en, foll mid^ nid^tS bon bem SBegc ent« fernen, auf ben ©te mit^ einleiten.'

„^tac^bem ber junge ^ann mit il^r aufS genaueftc biejenigen Scbingungcn abgercbet, unter roeli^en fie i^m bie Raffte feineS

6 ©elübbcä erfparen fonnte, entfernte er fi^ mit ber SJerfic^erung, ba^ et fie balb toieber befud)en unb nac^ ber glücfüctien SSe» l^arrtic^fcit in i^rem S5orfa§e fragen toürbc; unb \o mu^tc fie if)n gc^en laffen, aU er of)nc .^änbebrucf, ol^ne Äuß, mit einem foum bebeutenben S3Iicfe tion i!)r jd)ieb. Qin ®(ücf für fie ttjor

10 bie Sefc^äftigung, bie il)x ber feltfamc 9)orfa^ gab, bcnn fie t)attc manche:! ju tun, um i!)re ßebengart öijllig ju öerünbem. 3"= erft mürben bie jd)öncn 9?lätter unb Sßlumen ^inaußgefef)rt, bie fie ju feinem ©mpfang t)atte ftreuen laffen; bann fam an bie Stelle beä n)of)IgepoIfterten 5Rul)cbette§ ein t)arte» Sager, auf

15 ba§ fie fi^, jum erftenmal in i^rem Öebcn nur öon 2öaffer unb S3rot faum gefättigt, beö?Ibenb3 niebericgte. 2)e^ anbern Jage» toar fie beic{)äftigt, ^cmben ^ujufc^neiben unb ju näf)en, bcrcn fie eine bcftimmte 3a^l für ein ^^(rmen» unb .^ranfen^auä fertig ju machen öerfprod)en ^atte. Sei biefer neuen unb unbequemen

20 SBefc^äftigung unterf)ielt fie i^re ©inbitbungefraft immer mit

bem S3ilbe it)reä jü^cn f^reunbeä unb mit ber Hoffnung fünf=

tiger Ötücffetigfeit; unb bei eben biefen-SorfteEungcn fcftien i^rc

fdjmate Äoft if)r eine ^erjftärfenbe ^al^rung ju gcmä^ren.

„©0 öerging eine 2öod)e, unb f^on amGnbeberjelben fingen

25 bie 9tofen i!^rer Söangcn an, einigermaßen 311 Derbleid)en. Siku ber, bie if)r fonft tt)ot)( paßten, moren ju weit, unb il^re fonft fo rafd^en unb muntern ©lieber matt unb fc!)ma(^ gcmorben; aU ber i^teiinb mieber erfct)ien unb i^r burrf) feinen 33eju(^ neue ©tärfe unb fieben gab. (Jr ermahnte fie, in it)rem 3}orfa§e ju

CO bef)nrren, munterte fie burd^ fein 33eifpicl auf unb lie§ üon iDcitcm bie .ipoffnung eineö ungeftürten ÖJenuffcä burd)b(icfen. ^ur furjc 3eit ^ielt erjic^ auf unb oerfprad), balb roiebcr ju fommen.

„%k ttjo^ttätigc 3lrbeit ging aufä neue muntrer fort, unb

280 Unttr^altunflen beutfc^er guSgeroanbertfn

üon ber [trengen S){ät lie^ man fcincglocgeö na^. 3lt)cr auil), leiber! l^ättc fic burd) eine gro^e fitanf^eit nid)t mei)x erjdiöpft toerben fönnen. 3ft)r grcunb, ber ftc ont Gnbe ber 2Bod^c aUx= maU fcejiK^te, jaf) [ie mit bem größten SJlitlcibcn an unb ftärtte fie burd) ben ©cbanfcn, ba§ bie -^ätfte ber 5prüfung nun jd^on o Vorüber fei.

„9lun tüorb i'^r ba§ ungctoo'^nte f^^aftcn, 33eten unb SlrBeiten mit jebem Xage läftiger, unb bie übertriebene ßntl^altfomfeit ji^ien ben gejunben Suft^»^^ cine§ an 9iul)e unb rcid)Iid)c Sflai}' rung getnöl^nten Äi5rper§ gänälid§ ju jeiTÜtten. S)ie ©d)öne lo fonntc fic^ ä^te^t nidjt mcT)r auf ben j^ü^tn ]f)alten unb toar gc= nötigt, ungcad)tet ber tüarmen ^n^i^öäeit fid) in bop^eltc unb breifad^e Äleiber ju pllen, um bie Beinal^' toöUig öerfditoinbenbe innerlid)e 2Bärme einigermaßen äufammcn ju Italien, ^a fie toar nidjt länger im ftanbe, aufred)t ju Bleiben unb fogar ge= 15 ätoungen, in ber legten 3eit ^a8 S3ette ju lauten.

„SBelt^c Betrachtungen mußte fie ba über il^ren 3uftanb madicn! 3Bie oft ging bicfe feltfamc 33cgebenl)eit öor il^rer (Seele öorbei, unb toie fi^merälid) fiel iljr, al§ je'^n Stage bergingen, o^ne baß ber f^reunb erfd)ienen toäre, ber fie biefe äußerften 20 3(ufo)3ferungen foftete! dagegen aber bereitete fic^ in biefen trü= Ben ©tunben i^xe böEige ©enefung bor, ja fie toarb entfdjiebcn. S)enn at§ balb barauf iljr gfreunb erfc^ien unb fic^ an i'^r SSette auf eben baSfcIbe JiaBurctt fe^te, auf bem er it)re erfte ©rflärung bernommen l^atte, unb il^r freunblic^, ja getoiffermaßen järtlid) 25 jufprad^, bie furjc ^eit ^od) ftanbl^aft auS^ubauern, untcrBrad) fie il^n mit ßä($cln unb fagte: ,@§ Bebarf Weiter feineS 3ureben§, mein toerter ^^reunb, unb ic^ toerbe mein ©elüBbe biefe tocnigeu 2:oge mit ©ebulb unb mit ber Überzeugung auibauern, baß ©ie mir ju meinem SSeften auferlegt :§aBen. 3d)Binje|täufd)tt3a(^, 30 aU baß id) 3f)nen meinen S)anf au§brüden fönnte, toie id) f^n empfinbe. ©ie f)aBen mid) mir felBft er'E)alten; ©ie t^aBen mid) mir felBft gegeBen, unb id) erfenne, baß id) mein ganjeS Siafein bon nun an 3I;nen fdiulbig Bin.

Ra^mcji . Ctia^jhing. 281

,„2Bal^rti(!^ ! mein 5)lann toax öerftänbig unb fhigunb fanute ba§ .gjcrj einer Ofrau; er toar billig genug, fie üBer eine 9leigung nid)t ju jcf)clten, bie burc^ feine Sdjulb in ilirem 23u?en ent= ftel^en fonnte, ja er ttjar großmütig genug, jeine Siedete ber %ox-

i berung ber 91ahtr fjintan ju fe^en. SlBer Sie, mein ^err, ©ic [inb öemünftig unb gut; Sie Traben mid^ füT)Icn loffen, ba| au^er ber Üteigung nod^ etwas in un§ ift, baä il^r ba§ ®teicE)gen)i(^t Italien fann, ba^ tt)ir fä'^ig fmb, jcbcm gcn)oI)nten ©ut ju ent= fagen unb jefBft unfere l^ei^cften aBünid)e üon un§ ju entfernen.

10 Sie tjaben mic^ in bieje (Sdjule burcf) 3n-"tum unb -Hoffnung geführt; aber Beibe finb nid)t me^r nötig, toenn toir un§ er|"t mit bem guten unb maditigen ^cE) Belannt gemad^t l^aben, ba§ jo ftitt unb rul^ig in un§ \Dof)nt, unb jo lange, Biä bie .^en= fdEjaft im ^aujc gewinnt, tticnigfteng burc^ jarte (Erinnerungen

15 icinc ©egcntoart unauf^örlid^ mcrfen lä^t. SeBen 6ie tool^t! Sf)re f^veunbin tt)irb Sie fünftig mit SSergnügen jel^en; mirfen Sie auf 3^re 2Ritbürger toie auf mic^; entmicCetn Sie nid^t altein bie SJertoirrungcn, bie nur ju leid£)t üBer Sefi^tümcr ent= ftef)en, fonbcrn jeigen Sie i'^nen au<i} burd§ fanfte Einleitung

20 unb burc^ Seifpiet, ba§ in jebcm ^Jienfc^en bie ihaft ber Xugenb im SSerborgenen feimt; bie allgemeine ?ld)tung toirb 3i^r ßol^n fein, unb Sie mcrben mcl)r al§ ber erfte Staatsmann unb ber grüßte ^dh ben ^fJamen S3ater bcä 5yaterlanbe§ Ucrbiencn.'"

„'Ulan mu^ S^ren ^rofurator loben", fagte bie 9?aroneffe, 2i „er ifl jierlid^, bernünftig, unterljültcnb unb unterrid)tcnb; fo foHten alle biejenigen fein, bie ung bon einer 33crirrung abfjatten ober babon jurücfbringen UJoHen. SBirflid) berbient bie ßr» jäl)(ung bor bieten anbcvn ben Gtjrentitet einer moratifdjen @r= ^ätjtung. ©eben Sie unä meljrcrc bon biefcr 3trt, unb unfrc CO ÜJcfeltfdjoft n)irb fid^ bereu geiuiü erfreuen."

2: er Sitte. SBcnn biefe 0efd)id)te S^ren SBeifatt ^at, fo ift c8 mir jtoar fet)r angcnctjm, bod^ tut mir'ö (eib, luennSie nod) meljr inovalifc^c (fr3ät)lungcn luünfd}en, benn cS ift bie evfto unb letzte.

282 Untcr^artungcn beutfd^er auSgouauberten.

2ut je. bringt 3ft)ncn nicf)t öiel Q^xt, bag (Sie in 3t)ret ©ammtung gerabc öon bcr beftcn 3lrt nur eine einzige ^bcn.

S)er ?nte. (Sic öerfte()n mid) unred)t. ift ni(i)t bie cin= jigc moratij(f)e ©ejd)id)te, bie id^ erää^tcn fann, jonbcm alle gleichen fid) bergeftalt, ba| man immer nur biejelöe ju erää'^tcn 5 jc^eint.

ßuife. (Sic foHten fu^ boi^ tnhlxä) bieje ^orabojen ob« gen)i3t)neu, bie ba§ ©efpräi^ nur berttjiaen; erflären (Sie jjd^ beutlidjer.

2)er5ltte. 9ied)t gern. ^Jlur biejenige ©rää^tung berbient lo moratifc^ genannt ju werben, bie un§ jeigt, bafe ber ^Jlenjd) in fid^ eine Äraft ^aBc, au§ ÜBerjeugung eine» 5Beffcm, felbft gegen jeine 5^eigung ju l^anbeln. S)ieie§ Ie()rt un§ biefe ©ef^ic^te, unb feine moraüic^e ®eid)id)te !ann ettoaä anbereS le'^ren.

Suije. Unb ic^ mu| aljo, um moralijd) p I)anbetn, gegen is meine 9leigung Rubeln?

S)er?llte. ^a.

Suije. S(ud) toenn fic gut ift?

S)er Qtlte. Äeine Steigung ift an fic^ gut, fonbem nur in- fofem fie ettoaS ®ute§ Wirft. 20

ßuije. 2Senn man nun Steigung jur 2öo't)Üätigfeit l^fttte?

S)er 3Itte. So joü man fid^ öcrbieten, mo^ttätig ju |ein, füBalb man fief)t|, ba^ man jein eigenes .^auSnjejen baburc^ äu ©runbc richtet.

ßuijc. Unb Wenn man einen unWiberftc'^nt^en XricB jur 25 S)anf barfeit f)ätte?

S)er StUe. S)afür ift Bei ben 5}lenjd)en f^on geforgt, ba^ bie S^anfbarfeit Bei i^nen niemat§ jum %xkU Werben fann. 3)oc^ geje^t aud), \o Würbe ber ju fc^ä^en iein, ber fi(^ UeBcr unbanfBar ^tic^tt, aU ba^ er etwaS ©d)änbli(^e§ ou§ Siebe ju 30 feinem Sßofjüäter unternähme.

ßuije. So fönnte bcnn atfo bo(^ unjä'^lige moratifd)e @e|d^id)ten geBen.

3)er ^^llte. 3fn biefem 8innc, ja; bod^ Würben fie alle nidjtä

3»ttftinen»eria^{intfl. 283

iocitct fagcn, aU toa§ mein ^Prohirator Qcfogt ^cd, uiib bcS» toegcn fann man i^n einjtg bcm ©eijte nad) nennen; benn barin traben (Sic redEjt, bct ©toff fann fetjr öer^djicbcn jein.

fiuije. Rotten ©ie fic^ eigentü^cr auägebrücft, ]o l^ätten 6 mit nid^t gcftritten.

S) er 31 Itc. 9ttier aud^ nid^t gejproc^en. SJermirrungen unb iiti§tJCT[tänbniffc fmb bic Duellen beS tätigen ßeben§ unb ber Untergattung.

Sui je. ^d} fann boc^ noc^ nic^t ganj mit Sinnen einig jein. 10 Söenn ein tapferer ^ann mit @cfat)r jeine§ eigenen 2el6en§ anbere rettet, ift ba» feine moraliid^e .^anbtung?

S)cr3tltc. 9lad) meiner 5trtmi(f) au» jubrücfen,ni(^t. SBenn aBer ein furc^tjamer 2Jtenjci) jeine i5furd)t überminbet unb eben baöjelbe tut, bann ift eine moraüfd)e ^anblung. 15 S)ic SBaroneffe. ^6) toottte, lieber fyreunb, ©ic gäben un§ nod) einige Seifpictc unb berglic^en fid) gelegentlich mit Suifen über bie 2t)Cürie. ©emi^, ein ©emüt, ta^ Sieigung juni öutcn ^at, mu^ unl, menn mir gemal^r toerben, fd)on ^'d<i}= tid^ erfreuen; aber Sd)önere§ ift nic^tg in ber Söelt aU ^fieigung, 20 burd^ SSemunft unb (Semiffen geleitet, ^aben ©ie noc^ eine Öefd^id^tc bicfcr Slrt, fo münf(^ten mir fic äu pren. 3t^ Hebe mir fc^r ^arattelgefd^id^ten. Gine beutet auf bie anbere l^in unb crflärt i^ren ©inn bcffer aU biete trodfene SSorte.

S)er Stltc. 3ld^ fann tool^t nod) einige, bie l^iel^er gel^ören, 25 uorbringen; benn id) I;abe auf biefe ßigenfdjaften beä menfdf)= liefen ©eifteä bcfonberS ad^t gegeben.

Suife. *Rur ein§ möd^tc id^ mir ausbitten. 3d^ leugne nid[)t, ba^ ic^ bie 65cfd)id}ten nidf)t liebe, bie unfre Gtnbilbungä:« traft immer in frcmbe fiänber nötigen. ^uB benn allcä in 3ita» 30 (ien unb ©ijitien, im Orient gefd)c^en? ©inb benn ^^ieapet, ■ipatermo unb©mt}ma bie einzigen Orte, mo ettuaä^ntereffanteä üorgcljen fann? ^Rag man bo(^ bcu ©d)aupla|j ber gccnmär» d)en nac^ ©amarfanb unb Ormu-S toerfc^cn, um unfcre ßinbit- bungSfraft ju Ijcrluirren. Söenu ©ie aber unfern ©cift, unfer

284 Unttr^artunpen beut|(^)cr Äu«fleroanb»rten.

^era fcilbcn tooHen, ]o gcBen Sic un§ cMjctmt|(^e, gefieu ©ic un§ iJainiliengemätbe, unb wir tüerben un§ befto e{)er barin er» fennen, unb toenn toir un§ getroffen fül^Ien, befto geriil^rter an unfer .^era f(^Iagen.

S)er 9ntc. 2luc^ barin foll S^nen gctoißfaTjrt loerben. 5 S)ocJ| ift mit ben ö^amiliengemälben eine eigene Baä)t. <Bk feigen einanber aUe fo gteid^, unb föir ^aben faft aHc SJer^tt» niffc berfelBen f(i)on gut Bearbeitet' auf unfern St^eatem gefeiten. Sfnbeffen miH id)'ä' toagen unb eine ®efd)i($te eräät;Ien, öon ber ^^nm f($on eth)a§ ö'^ntii^eS befannt ift, unb bie nur buri^ eine lo genaue SDarfteHung beffcn, toa§ in ben ©cmütcrn Vorging, neu unb intercffant toerben bürfte.

„9Jlan fann in gfamilicn oft bic Senierfung mad^en, ba^ ^nber fotool)! ber ©eftalt aU bem (Seifte nac^ balb öom SBater, balb bon ber 3Jlutter ßigenfdioften an fic^ tragen; unb fo lommt 15 au(^ mand)mal ber f^aH bor, ba§ ein Äinb bie 3^aturen beiber ßltern auf eine befonberc unb bertounbemgtüürbigc SBeifc üer= binbet.

„^iebon toar ein iunger SJtcnfct), ben ici) gerbinonb nennen toiH, ein auffatlenber S5cn?ei§. (Seine 93ilbung erinnerte an beibe 20 Gltem, unb i'^re ®emüt§art fonnte man in ber feinigen genau unterf (Reiben. @r l^atte ben leiteten unb frol^enSinn be§S5ater§, fo auä) ben 2rieb, ben 2lugenblicE p genießen, unb eine getoiffe leibenfc^aftlic^e 2lrt, bei mani^en ©elegenl^eiten nur fic^ fetbft in 5tnf(^Iag ju bringen. S5on ber 5Jlutter aber ^atte er, fo f($ien eS, 25 ruhige Überlegung, ein ©efül^l bon ^cäjt unb 35iIIig!eit unb eine Slntage äur Äraft, fid^ für anbere aufauopfern. 5[}tan fielet :§ier= au§ leicfit, ba§ biejenigen, bie mit il^m umgingen, oft, um feine ^anbtungen ju erftären, ju ber .^t)pot|efe i^re 3uflu^t ne'^men mußten, ba| ber junge 931ann toot)t attei ©eelen l^aben möchte, so

„^ä) überge'Eie mancherlei ©a^nen, bie in feiner S^ugenb öor= fielen, unb eraät)le nur eine S3egebenl§eit, bic feinen ganaen

* '5oit 3ff(anb unb flo^ebue tu erfter Sinie.

" gerbinanb. 285

g^araÖcr in3 ßii^t fc^t unb in jeineni ßeBcn eine entjd^iebene 6pod)e mad|tc.

„6r t)üik öon Sugcnb auf eine reic^Iid^e 2eBen§art öcnoffen, benn jeine ©Item toaren tool^l^albcnb, leBten unb eraogen i^re

5 ifinbcr, tüic ]old)tn Seuten geziemt; unb n)enn bcr S3atcr in @e|ellfd)aiten, beim ©piel unb burc^ äicrlic^e ^Icibung mel^r, Qlg billig War, ausgab, jo tou^te bie^JIutter, atä eine gute;g)aug= Iranerin, bem getoöl^nlic^en Sluftoanbc folc^e ©renjen ju je^en, ba^ im ganjen ein ölei(i)gett)id)t blieb unb niemals ein SRangel

10 jum Söorjd^ein fommen fonnte. S)abei toar bcr Sater al3 ^an= bcl§mann glüdüdf); gerieten i^m man(^e Spetulationcn, bie er jctjr lülin unternommen fiatte, unb toeit er gern mit 5)lenj(^en lebte, liatte er fic^ in ©ejc^äften auc^ bielcr SSerbinbungen unb mancher S5eit)ülfe ju erfreuen.

15 „2)ic Äinber, al§ ftrebenbe Naturen, tuä^Ien fic^ getnö'^nlid} im .^aufc ba§ SSeifpiel beffen, ber am meiften ju leben unb ju genießen f($eint. ©ie fef)en in einem Sßater, bcr fid)'§ ttoljl fein läfit, bie entfd^iebene Siegel, toornad^ fie i^re ßebenäart ein3urid)= tcn^aben; unb rtcil fie fd|on frül) ju bicjer @infid)t gelangen,

20 fo fc^reiten meiftcntcilä il;re S3cgierben unb 2öünjd)e in großer S>i8proportion bcr Gräfte i^reä ^aujeg fort. 6ie finben fid^ balb überall ge'^inbcrt, um fo mct)r, al§ jebc neue ©eneration neue unb früljcre 3lnforberungen mad)t, unb bie ßltcrn ben S^in= bem bagegen meiftenteilä nur geloäl^ren möchten, h)a§ fie felbft

25 in frü'^erer 3eit genoffen, ba nod^ jebcrmann mäßiger unb ein= fad^er ju leben fic^ bequemte.

„ijferbinanb lüud)ä mit ber unangcneT)men ßmpfinbung fjeran, ba^ it)m oft bacjenige fct)le, toaä er an feinen ©efpielen fa^. Gr luoUte in ilteibung, in einer geUjiffen Liberalität bcö ßebcnS unb

30 JBctragcnä leintet niemanben juriidTblciben; er tooUte feinem S3ater äl)nlic^ tocrben, beffen Seifpiel er täglid) öor 'ülugen fa'^, unb ber i^m boppelt aU "JJlufterbilb erfd)icn, einmal aU 93ater, für ben ber Soljn gen)öl)nlid^ ein günftigeä ißorurteil '^cgt, unb bann lieber, lucil bcr StmU falj, bafe bcr 'JJlann auf biciciu!:iBcgc

2g(} Unterhaltungen bcut{d^cr ShtSgetoanberten.

ein bergnügti(^eä unb genu^reid^cS £eBen fül;rtc unb baBei öon jebermatm gefdjä^t unb geliebt tuurbe. fjetbinanb ^attc f)ier= über, loie mau fic£) leid)t benfen fann, inQnd)en Streit mit bcr 2Jlutter, ba ex bem fSakx bic aBöcIegten Üiöcfc nid)t nachtragen, jonbem jelBft immer in ber ^obe jein hJoEte. <So tDud)§ er 5 !§eran, unb jeine f^orberungcn n)ud)|cn immer bor ifim I)er, \o ba^ er autelt, ba er aditäc^ 2faf)r alt toar, gauj au^cr Söer^ält« ni§ mit jeinem 3uftanbe fic^ füt)ten mu^te.

„©d)utben I)atte er biSl)er nid^t gemad)t, benn jeinc 3)lutter l^atte il^m baüor ben größten 5tBj(^eu eingeflößt, fein SSertraucn 10 ju erhalten gefud^t unb in mel^reren hätten ba§ Slußerfte getan, um feine 2öünjd)e ju erfütten, ober i^ au§ f leinen SSerIcgen= l^citen äu reißen. UngtüdIid)ertDeiie mußte fie, in eBen bem 3eit= ^jun!te, tt)o er nun aU SSüngling noc^ mc^r auf§ äußere fal;, too er burd) bie Steigung ju einem fet)r fdjönen SJläbd^en, t)er= 15 flochten in größere (ScieIIjd)aft, fid) anbern nid)t aEein gleid)= juftetten, fonbern bor anbern fid) ^erborsutun unb ju gefallen tt)ünid)te, in it)rer ^au§mtung gebrängter fein aU jematg; an= ftatt atio feine gorberungen mie fonft ju bcfciebigen, fing fie an, feine SSemunft, fein gute§ ^ti^, feine Siebe ju i^r in Slnfprud) 20 äu nel^men, unb fe^tc i'^n, inbcm fie i^n atoar überäeugte, aber nic^t öeränberte, toirtlid^ in SSerjmeiftung.

„(§x tonnte, otjue alle§ ju öerlicren, toaS i|m fo lieb al§ fein ßeben toar, bie SJcrtjättniffe nid)t bcränbem, in benen er fic^ be= fanb. 25on ber erften Sfugenb an toar er biejem 3u[tanbe ent= 25 gegcn=, er toar mit allem, toaS il^n umgab, äujammengetoad)jen; er tonnte feine ^ajer feiner SJerbinbungen, ©ejeüfdiaften, ©pa= jiergänge unb Suft^jartien zerreißen, ol^ne jugleid) einen alten (Sd)ulfreunb, einen ©ejpielen, eine neue e^renüoEe S5efanntfd)aft unb, toa§ ba§ ©d)limmfte toar, feine ßicbe ju beriefen. 30

„SGßie f)od) unb toert er jeine Steigung :§ielt, begreift man teid)t, toenn man erfäfirt, baß fie äugteid) feiner ©innlid)feit, jeinem ©eifte, feiner ßitelfeit unb feinen lebhaften Hoffnungen jd^mcicfeelte. 6in§ ber j^önften, angcneTjmften unb reidiften

gtrbinaub. 287

?Jlobd^en bcr ©tobt qqB if)m, tucnigftenS für ben SIugenBücf, bm Sorjug üor feinen Dielen 5Jlitwer6cm. ©ic erlaubte i^m, mit bem Sicnft, ben er i^r toibmctc, gleidjl'am ju praßten, unb fie fd^ienen njc(^jel§n)eiie auf bie Letten ftolj ju fein, bic fic ein»

5 anber angelegt l^atten. 5lun toar i^m ^flic^t, if)r überaß ju folgen, 3eit unb @clb in il^rem S)ienfte ju öernienben unb auf jcbc SBeife ju aeigen, inie toert il^m il^rc Steigung unb toic uncnt= bcl^rlid^ ibm il^r SSefi^ fei.

„S)iefer Umgang unb biefe§ SBeftreben mad^te ijetbinanben

10 mefir 3tuftt)anb , aU unter anbem Umftönben notürti^ ge= toejcn iDärc. <2ie war eigentlid^ öon ii)xtn abtoefcnben ©Item einer fc^r tounberlid^en J^antc anöertraut toorben, unb cS er= forbertc mandierlei fünfte unb feltjame 3tnftalten, um Cttitien, biefe 3icrbe ber ©cfcnfc^aft, in ©efeHicfiaft ju bringen, f^er^-

15 binanb erf^öpfte fic^ in (^finbungen, um i\)x bic Vergnügungen ju ücrfd^affcn, bic fic fo gern gcno| unb bie fic jebem, bcr um fie toar, ju erptjen tou^tc.

„Unb in eben biefem Slugenblicfc bon einer geliebten unb bere'^rtcn ^lütter ju ganj anbem ^f^id^ten aufgeforbert ju toer=

20 ben, öon biefer (Seite feine ^ülfe ju fel)en, einen fo lebl)aften ^bjc^eu öor ©c^ulben ju füllen, bic aud) feinen 3uftanb nid^t lange toürben gefriftct ^aben; babei öon jebermann für tool^l» l^abenb unb freigebig angcfel^en ju toerben unb baä täglict)e unb bringenbe 33ebürfniä be§ ©elbeä ju empfinben, ioar gewiß eine

25 ber peinlidiften £agen, in ber fid) ein jungcä, burc^ Seibenfd^aften bewegtes @emüt befinben fann.

„öctoiffe 33ürfteHungen , bie il)m fcü'^cr nur leict)t üor ber (Seele öorübcrgingen, l^ielt er nun fcfter; getoiffe öebanfcn, bie i^n fonft nur ^^ugenbticfe beunruljigten, fd^webten länger öor

so feinem ©eiftc, unb gcwiffe öerbrie^lic^e (Jmpfinbungen würben baurenber unb bitterer, ^attc er fonft feinen 33ater aU fein SJlufter angefc^en, fo beneibete er i^n nun ali feinen kleben» bu^ler. 93on allem, was bcr So^ wünfd)te, war jener im 33c» fi|}; atlcä, worüber biefer fid) ängftigtc, warb jenem Icidjt. Unb

288 önter^altimgen beiitfc^er auSgeroanberlca

toax ni(^t ettoa öon bem 9iottoenbigen bie 9icbc, tonbem bon bem, toa§ jener tjätte entBefiren fönnen. S)a glaubte benn bcr Soljn, ba§ bev Später tüotjl auc^ mandjuial entbel^ren jotttc, um iijn genießen au lafjen. S)er fSahx bagegen toax gan^ anberer ©efinnung; er toar öon benen 9Jtenj(^en, bie jic^ öiel erlauben 5 unb bie be§n)cgen in ben Satt fommen, benen, bie öon i^nen ab= Ijängen, biet äu berjagcn. 6r l^atte bem ©oline ettoaä ©etDiffeä ausgefegt unb bertangte genaue 9ted)enfd)aft, ja eine regelmäßige 9Je(i)nung öon i^m barüber.

„5ii(^t§ fc^ärft ba§ Slugc be§ 2Reni($en me|r, olg toenn man lo il)n einj(f)rän!t. 2)arum finb bie grauen burc£)au§ llüger alg bie iRänner; unb auf niemanb finb Untergebene aufmerffamer, als auf ben, ber befiehlt, ol^ne sugleic^ burc^ fein S3eif|)iel bor= auSjuge'^en. ©o toarb ber <Bo1)n auf atte ^anblungen feinet SßaterS aufmerffam, befonberS auf foldie, bie @elbau§gaben be= is trafen. (5r l)or(i)te genauer auf, toenn er Ijörte, ber S3ater tjobt im ©piel öerloren ober getoonnen, er Beurteilte if)n ftrenger, toenn jener fiel) toittfürlid) ettoa§ ^oftfpielige§ erlaubte.

„3ft nic^t fonberbar', fagte er ju fic^ felbft, ,baB (iltern, toä'^renb fie fid^ mit ®enu§ atter 3lrt überfütten, inbem fie bloß 20 naä) äBittfür ein SSermögen, ba§ il;nen ber SufaU gegeben l^at, benu^en, il)re ßinber gerabe äu ber ^eit öon jebem bittigen ®c= nuffe au§f(^ließen, ba bie^tugenb am em^fängli($ften bafür ift! Unb mit toeldiem ^ied^te tun fie e§? Unb toic finb fie ju bie= fem 9lecl)tc gelangt? ©ott ber S^^^^ attein entft^eiben, unb 25 fann ba§ ein 9te(i)t toerben, too ber S^^<^^ toirlt? Sebte ber ©roßöater nocf), ber feine @n!el toic feine ilinber l^ielt, toürbe mir öiel beffer ergel^en; er toürbe mir nid^t am 9lottoenbigen f eitlen laffen; benn ift un§ bag nid^t nottoenbig, toa§ toir in 3Serl^ältniffen braudien, ju benen toir erlogen unb geboren finb? 30 S)er ©roßöater toürbe mid§ nic^t barben laffen, fo toenig er be§ 35ater§ S^erfditoenbung jugeben toürbe. .^ätte er länger gelebt, "^ötte er !lar eingefe'^en, baß fein (Snfel auä) toert ift, 3U ge= nie|en, fo l^ötte er öietteid^t in bem Steftament mein früheres

gFerblnanb. 289

©(fldt ent|($ieben. ©ogar f)dbt \ä) gel^ört, ba§ ber ®ro§batet cBcn öom Sobc übereilt toorben, ba er einen testen Söitten aufäufeljen geba(i)te, unb jo 1)at öieHeic^t bIo§ ber 3ufatt nur meinen früfiern 5InteiI an einem Jßennögen entzogen, ben i6), toenn mein Spater

5 ]o ju hjirtfrfiaiten fortfät)rt, toot)! gar auf immer berlieren fann.'

„Tlit biefen unb anbernSopt)iftereien über S3eft^ unb SRe^t,

über bic iJragc, ob man ein ®efe^ ober eine @inricf)tung , ju

benen man jeine ©timmc nid)t gegeben, ju befolgen braud)e,

unb intoiefern bem 2Renfd)en erlaubt fei, im ftiEen bon ben

10 biirgerlid)en ©cjetjen abjuu^eit^en, befd)äftigtc er fid) oft in feinen cinfamen, üerbrie^[id)ften ©tunben, toenn er irgenb au§ Klange! beä baren ©etbeä eine ßuft^artie ober eine anbere an* gcnel^me ©efcttjd)aft au§fd)tagen mu§te. 2;enn f($ün l^atte er fleine (Sadjen öon 2Bert, bie er befa§, bertröbett, unb fein ge«

15 n)ö(jnli(^eä Xafc^engelb toollte feincätt)ege§ l^inreidien.

„©ein ©emüt berfc^to^ fic^, unb man fann fagcn, ba§ er in biefen 9(ugenbliden feine 5)httter nid)t ad)tdt, bie if)m nic^t Ijetfen fonnte, unb feinen SSater I)a^te, ber itjm nad§ feiner 5Jlei=» nung überall im Söege ftanb.

20 „3u eben ber Qtit mad)te er eine ©ntbecfung, bie feinen Un« Witten nod) mctjr erregte. 6r bemerfte, ba§ fein S3ater nid^t attein fein guter, fonbemaud)cin unorbenttid)er^au§^ättertüar. 2)enn er nat)m oft aug feinem Sdjrcibtifc^c in ber (Sefd)toinbig=' feit öetb, of)nc aufäujcidjncn, unb fing nac^l^er manchmal

25 toieber an ^u jä^Icn unb ju red)ncn unb fd)ien üerbrie§ti(^, ba§ bie (Summen mit ber klaffe nid)t übereinftimmcn toottten. 2)er ©ü^n mad)te btcfe iücmerfung mcl^rmatä, unb um fo empfinb^ Iid)cr warb ifjm, locnn er ju eben ber 3eit, ba ber SJater nur ge« rabcju in baä ©elb fjineingriff, einen cntid)iebenen 'ülangcl fpürte.

80 ^n biefer ©emütöftimmung traf ein fonbcrbarcr ^ufall, ber itjm eine reijenbe' ®clcgeu^cit gab, baöjenige ^u tun, Ujü^u er nur oincu biii'.fcdi nnb uuentid)icbcnen 3^rieb gefüllt Ijatte.

ffioet^e. X. 19

290 Unterhaltungen beutfe^er auJgeioanberten.

„Sein JBatct gab il^m ben 3luftrag, einen Äajlen atter S3riefe bur^3uje'£)en unb ju orbnen. @tne§ ©onntagS, ha er aEcin War, trug er il^n burd) ba§ 3in^^cr, too ber ©(fireibtijc^ jlanb, ber bc§ ^ater§ Äaffe enttjielt. 5Der haften loax jdjloer; er l^atte xt)n unredjt gefaxt unb tooHte if)n einen SlugenlOncf olbfe^en, 5 ober bietme^r nur anlel)nen. Unücrniögenb, i^n ju Ijalten, [tie^ er gehJQltfam an bie öde be§ ©d)reibtij(^e§, unb ber 2)e(fel be§= jelben flog auf. Qx \ai) nun aUt bie Stollen öor fid^ liegen, äu bencn er mandjmal nur l)ineingcf(^ielt l^atte, fe^e feinen haften nieber unb na'^m, ol^ne ju benlen unb ju überlegen, eine lo iRoHe bon ber (Seite toeg, too ber S5ater gertö^nlic^ fein ©elb 5U toiüfürtidien 5lu§gal6cn l^eräune'^men fcf)ien. Qx brudte ben (5d)reibtif(^ toieber ju unb bei-fud^te ben ©eitenfto^; ber S)c(fel flog jebeSmal auf, unb toar fo gut, al§ toenn er ben 6d)lüffet äum ^ulte gel^abt t)ätte. 15

„5Rit .g)eftigfeit fu(^te er nunmel^r jebe S5ergnügung lüieber, bie er bislier tjatte entbehren muffen. @r toar fleißiger um feine @d)öne; alle§, h)a§ er tat unb boma'Eim, toar leibenfd^aftlid^er; feine £eb^ftig!eit unb 5lnmut Ifiatten fid) in ein tjefttge§, ja bei= nal^e toilbe§ Söejen öertoanbelt, ba§ i^m jtoar nid)t übet lie^, 20 bo(^ nicmanbcn toot)ltätig toar.

„2öa§ ber ^euerfunte auf ein gelabne§ ©etoe'Eir, ba§ ift bie ©etcgenl^eit jur Steigung, unb jebe Steigung, bie toir gegen unfer ©etoiffen bef riebigen, jtoingt un§, ein Übermaß öon :p!^t)fiid)er ©tärte anjutoenben; toir l^anbeln toieber aU toilbe 3Jtenf(^en, ^2?; unb toirb fc^toer, äu^erlid) biefe Stnftrengung ju berbergen.

„3ie mcl^r il^m feine innere 6mpflnbung toibcrfprac^ , befto mel^r Ränfte fyerbinanb tünfttic^e Slrgument« aufeinanber, unb befto mutiger unb freier fc^ien er ju l^anbeln, je met)r er fid) felbft bon einer ©eitc gebunben fül)tte. so

„3u berfelbigen ^eü toaren allerlei ßoftbar!eiten o'^neSöert gjlobe getoorbcn. Ottitie liebte fid) 5U fd)mücfcn; er fud)te einen Sßeg, fie il^r äu berf (Raffen, o^ne ba^ Cttilie felbft eigentlich tou^te, tool;er bie ©efd^cufe famen. S)ie SJermutung toorb auf einen

gerbteonfc. 291

QÜeit Cfjtm Qctooifcn, uiib gfcrbinanb toor bo^j^elt öcrgnügt, inbcin i^m feine 8d§önc i^rc 3uftiebenl^cit üBer bic @ejd)enfc unb i^ren Scrbad^t auf ben D^cim jugteid^ ju erfcnncn ga&. „Sr6er um fic§ unb t^r bicfci 35crgnügen ju machen, mu^te 5 er noc^ einigemat ben Sd^reibtifcf) feinet Saterä eröffnen, unb er tat mit befto toeniger (Sorge, aU ber SJater ju berfc^ie= benen 3citen ©etb l^ineingctegt unb l^erau^genommen l^atte, oljnc aufiufc^reiBen.

„SSalb barauf fottte Ottilie äu i^ren ©Item auf einige ^o=

10 natc öerrcifen. S)ie jungen ßeutc Betrübten fic^ äu^erft, ba ftc f(i)eiben foHten, unb ein Umftanb madE)tc i:^re Trennung nod^ bcbeutenbcr. Dttilie erfuhr burd^ einen 3uf'-iÖ, ba§ bie @e= fd^enfc bon gerbinanbcn famen; fie fe^te il^n barüBer ju 9icbe, unb aU er gcftanb, fd)ien fie feljr berbricBtic^ ju toerben.

15 Sie Beftanb barauf, ba§ er fte äurücfnel^men foKte, unb biefe Zumutung mad^tc i^m bic bitterften Sd^meraen. 6r crflärtc if)r, baji er o'^ne fie md)t leben fönne nod^ looHe; er Bat fie, if)m it)rc Ülcigung ju ermatten unb Bcfc^toor fie, i^m i^re ^anb ni^t au berfagcn, foBatb er berforgt unb l^öuSlid) cingerid)tet fein

20 toürbc. ©ic lieBte il^n, fte toar gerül^rt, fte fagte i'^m au, toa§ er toünfc^te, unb in biefcm glüdEIid^cn 5lugcnBlicEe berficgeftcn fie i^r S3crfpred)en- mit ben leBI^afteften Umarnuuigen unb mit taufenb ^eralid^en Äüffen.

„9lad^ i^rer 5IBreife fdjien fjerbinanb ftd^ fe'^r allein. ®ic

25 ®cfeflfd)aftcn, in Welchen er fie au fct;en Jjficgte, reiaten i^n nid)t me^r, inbem fie fctjüc. ßr Befudjtc nur noc^ au§ ©eloo^nl^cit jottjo^t ^ftcunbe a(g Suftörter, unb nur mit äöiberföiüen griff er norf) einigemat in bie Äaffe bc§ 33atcr§, um 3Iu§gaBcn an Beftrciten, an benen i^n feine £cibenfcE)aften ni)tigten. Qx iüar

80 oft allein, unb bie gute ©eete fd^ien bie OBerf>inb an geminncn. (fr erftaunte üBer fid) fetBft Bei rufjigent 9tad)benfen, Ujie er jene eoptjiftercien üBer 9led)t unb S3efi|j, über lUnfpiiidje an frcmbe^ föut unb UJic bie JRuBrifen alle T)ei§en motzten. Bei fic^ auf eine faUe unb fc^iefc Sßeifc l^aBc burdjfütjven unb baburd) eine

19*

292 Unterhaltungen bentft^ier auSgeroanberten.

iincrtauBtc |)anblung Bej'cfiönigen fönnen. 68 toarb t'fim naö) unb nad) bcutUci) , ba§ nur Streue unb ©lauBen bie 5Jtenjd)en ]d)ä^eu§tDert mai^e, ba§ bcr ©ute eigentlid) leben müfje, um aÜe ©cfe^e ju 6cfd)ämen, inbem ein anberer fte enttoeber um» gellen ober ju jeinem SSorteil gebraudien mag. s

„Stnätuifdien, el^e bieje toal^ren unb guten Segrif^c Bei i^m ganä ftar tourben unb äu l^errjd^enben ©ntfd^lüfyen fü'^rten, untertag er bo(^ nod^ einigemal ber S5erfu(f)ung , au§ ber toer» botenen Duette in bringenbcn götten ju jdE)ö:pfen. ^Jliemalg tat er aBer oline SBibermitten, unb nur tüic bon einem Böfen lo ©eifte an ben .g)aaren l^ingejogen.

„6nbli(^ ermannte er fid) unb fa^te ben @ntjd§tu^, bor otten 5Dingcn bie .^anblung fid) unmöglich ju maciien unb feinen 2}ater bon bem ^uftanbe be§ ©d)toffe§ ju unterriditen. Qx fing eS flug an unb trug ben ßaften mit ben nunmel^r georbneten is SSriefen in ©egentoart feineS S5ater§ huxä) bag 3ii^t"e'^/ Beging mit SJorfaij bie Ungefc^idtic^!eit, mit bem haften miber ben ©(^rcifitifd) ju fto^cn, unb toie erftaunte ber 2}atcr, at§ er ben S)ecEel auffatjren fal^. ©ie unterfuc^ten Beibe ba§ <S(i)Io^ unb fanben, ba^ bie (£d)lie§l;afen burd) bie 3eit aBgenu^t unb bie 20 SBänber iDaubelbar toaren. ©ogteic^ toarb atteg repariert, unb gerbinanb l^atte feit langer 3eit leinen bergnügtern 2lugenBlid, als ba er ba§ ®elb in fo guter S5ertoa^rung fa!^.

„5r6er bie§ toar \l)m nid)t genug. @r naljm fi(^ fogleid^ bor, bie ©umnte, bie er feinem 2}atcr enttoenbet l^atte unb bie er 25 nod) Woi)! tou^te, toieber äu fammeln unb fie i^m auf eine ober bie anbere Söeife äuäuftetten. @r fing nun an, auf8 genauefte ju leBen unb bon feinem Stafc^engelbe, toa§ nur ntöglid) toar, ju fparen. fyreilid^ toar ba§ nur toenig, toa§ er l^ier jurüdlialten lonnte, gegen ba§, toa§ er fonft berjc^toeubet l^atte; inbeffen 30 fd)ien bie (Summe fd)on gro§, ba fie ein 2lnfang toar, fein Un» rcc^t toieber gut ju madien. Unb getoi^ ift ein ungel^eurer Unter|d)ieb jtoifd^en bem legten Soler, ben man Borgt, unb ätoifdien bem erften, ben man oBBejal^lt.

Sttbinanb. 293

„^\ä)t Xano^c toar et auf bicjem guten SBegc, aU bcr 33ater fic^ entjd^to^, ilgn in ^anbet'3Qcici)äften ju berfdjicfen. Qi jolttc ftd^ mit einer entfernten fyi^i'ifanfta^t Befannt nia^en. 3Jlan f)attt bie 2lBfid£)t, in einer 6egenb, too bie erften 33ebürfni|fe unb 5 bie ^anbarbcit fel^r tooi^lfeil toaren, felbft eim Gom^toir ju er- richten, einen Äom^agnon bort!^in ju fe^en, ben SSortcit, ben man gegenwärtig anbem gönnen mu§te, ielbft ju gewinnen unb burc^ @elb unb ^cbit bie SlnftaÜ in§ @ro§c ju treiben, fjer» binanb jotttc bie <Baä)t in ber ^äi)t unterjuc^en unb baüon

10 einen umftänblic^cn S3ericf)t abftatten. S)cr S5ater ^atte i!^m ein SReifegetb auSgefe^t unb i^m borgefd^rieBen, bamit au§äu= fommen; n3ar rei(^lic^, unb er fjattc f\6) nid^t barüber ju 6e= Hagen.

„Slud^ auf feiner 9ieife lebte gerbinanb fel^r fparfam, rcc^=

15 nete unb überrechnet unb fanb, ba^ er ben britten Seil feineä 9fieifegelbe§ erfparen fönntc, toenn er auf jebe Söeife fid^ einju^ fd^rönfen fortführe. Qx !§offte nun au($ auf Gelegenheit, ju bem Übrigen nad^ unb nad^ ju gelangen, unb er fanb fie. S)enn bie ©etegen^eit ift ein gleid)gtiltige @öttin, ftc begünftigt ba§ 65utc

20 toie ba§ Söfc.

„3n bcr (Segenb, bie er befud^en fotttc, fanb er alteS toeü borteil^after, aU man geglaubt l^atte, 2icbermann ging in ttm alten Srf)lenbrian l^anbtoerfämä^ig fort. SJon neuentbecEtea Vorteilen l^atte man feine JJenntniä, ober man l^attc feinen @e«

25 braud^ baöon gcniad^t. 5}tan toenbetc nur mäßige Summen öctbe^ auf unb War mit einem mäßigen Profit aufrieben; unb er fa^ balb ein, ba^ man mit einem gewiffen Kapital, mit 33or» fcf)üffen, ßinfauf beS erften iUaterial^ im @ro§en, mit 3tn« legung l)on 5Rafd[)inen bur^ bie .^ülfe tüd)tiger Söcrfmctfter

30 eine gro^e unb folibe 6inridl)tung mürbe mad^en fönnen.

„Gr füllte [id) burdf) bie 3bee biefer mög(ic[)en Xätigfeit fel^r ert)oben. S)ie t)crrlid)e 6egenb, in ber i^m jeben yiugeu^ blidt feine geliebte Cttilie üorictjWcbte , lie^ iljn münict)cn, ba| fein S3üter il)n an biefen ^lal; ic|jcn, i^m baä neue (i-tabliffc«

294 Urttcrfialtungen beutft^er auSgcioanberttiL

mcnt onbcrtraucn unb ]o auf eine reic^Ii(5&e unb uncrtoartctc Söcife auSftatten möd)tc.

„(h \ai) alle§ mit größerer Sliifmerfjamfeit, toeit er atte§ jd)on aU ba§ ©einige an\ai). (h l^otte jum erftenmal @elegcn= Tjcit, jeinc 5?cnnhüffc, jeine (SeifteSfräfte, jein Urteil anäuttjcnben. 5 S)ie ®egcnb folüol;! at§ bie @egen[tänbe intereffierten i^n aufS pc^fte, fie toaren 2ab\al unb Teilung für fein bertounbeteg^erj; benn nid)t oline ©c^inerjen !onnte er fid^ be§ Väterlichen ^aufeä erinnern, in njelc^em er, toie in einer 2lrt bon SöoT^nfinn, eine .^anbtung Begel^en fonnte, bie il)m nun ba§ gri3^te S5erbrcd)en lo ju fein fd)ien.

„6in f^reunb feines ^aufe§, ein toaderer, abti !ränflid§er 5Jlann, ber felBft ben ©ebanlen eine§ fold^en 6tal6liffement§ äuerft in Briefen gegeben l^atte, toar il^m ftetä jur ©eitc, jetgte il)m alle§, mac£)te if|n mit feinen Sbeen belannt unb freute fid^, i5 n)enn i^m ber junge SJlenfc^ entgegen^, ja pborlam. SDiefcr 3Jlann führte ein fe^r einfaches ßeben, teil§ au§ Steigung, teitS tueit feine ©efunb^eit fo forbeiie. @r l^atte feine ^inber, eine Siiicflte pflegte i^n, ber er fein S^ermögen jugebadit i^atte, ber er einen toadem unb tätigen Tlann tnünfc^te, um mit Unter= 20 ftü^ung eincä fremben ßo^itolä unb frifc^er Gräfte baSjenigc auSgefü'^rt ju fe^en, toobon er ^rtar einen SSegriff l^atte, toobon i§n aber feine |3l^^fifd)en unb Dfonomifd)en Umftänbe 3urüd= I)ielten.

„Äaum l^atte er fjrei^binanben gefelien, al§ il^m biefer fein 25 5Jlann ju fein fd)ien, unb feine Hoffnung touc^S, aU er fo öiel 91eigung be§ jungen SRenfc^cn jum ®cfd)äft unb ju ber ©egenb bemerlte. 6r lie§ feiner ^liäjit feine ©ebanfen merlen, unb biefe fd)ien nid)t abgeneigt, ©ie toar ein jungeS, tool^IgebitbeteS, ge= funbe§ unb auf jebe SGßeife gutgeartete§ SJläbd^en. S)ie ©org= 30 fatt für i'^reS £)^eim§ ^auetjattung erhielt fie immer rafd^ unb tätig, unb bie ©orge für feine öcfunb^eit immer toeid^ unb gefällig. 9}lan fonnte fid§ jur ©attin feine boßfommnere ^cx= fon toünfd^en.

gfrbinanb. 295

gcrbinanb, bcr nut bit ßicBenStDÜrbigfeit unb bic 2iel6e Cttilicn§ bot ^tugcn f;attc, \a^ über baS gute Sanbmäbc^cn ;^tn= toeg, ober toünj^te, tcenn Dttilie einft ali feine Gattin in biefcn ©egcnben Juo^nen toürbe, i^r eine joI(i)e Jpauöf}älterin unb 33e« 5 jc^lic^erin beigeben ju fönnen. Qx erioiberte bic greunblid^feit unb ÜJeföttigfeit be§ ^abc^cnä auf eine fel^r ungejtoungenc SSeifc; er lernte fie nä^er !cnnen unb fie fd^ä^en; er begegnete i^r batb mit mcl^rerer Stiftung, unb foloo^I fie aii ii)x Df)eim legten fein ^Betragen nad^ i^ren SBünfc^en au§.

10 „fyerbinanb ^tte fid^ nunmct)r genau umgcfc^cn unb üon aflcm unterrid^tet. @r ^atte mit ^üiit be§ Dt)eim§ einen ^(an gcmad^t, unb nad^ feiner getoö^nüc^en ßeid^tigleit nid^t öer= borgen, ba^ er barauf rechne, fefbft ben ^lan auäjufüfjrcn. 3"" gleich ^atte er bcr 91idf)tc üiele ?lrttgfeiten gefagt unb jebe ^au§=

15 l^altung glüdflic^ gepriefen, bic einer fo forgfättigen SGßirtin über= laffen toerben fönnte. 6ie unb i^r Onfel glaubten bal^er, ba§ er tuirftid^ Stbfiditen ^abe, unb toaren in allem um befto gc= fättigcr gegen i^n.

„^i^t ol^ne 3ufrieben'^eit l^atte ?5fcrbinanb bei feinen Unter«

2j fud^ungen gefunben, ba^ er nict)t aEein auf bie 3utimft bietet öon bicfcm ^la^e ju l^offen l^abc, fonbcrn ba^ er aud^ gleid) ie^t einen üortei(f)aften ^anbel fdjüe^en, feinem S5ater bie ent= ttenbete Summe tüiebererftattcn unb fid^ atfo öon bicfer brücfcn» ben ßaft auf einmal befreien fönne. (5r eröffnete feinem i^i^cunbc

25 bic 9lbfic^t feiner Spefulation, bcr eine auBcrorbentüc[)e fjreubc barübcr ^atte unb i^m äße mögtid^c 23ei^ütfe Iciftctc, ja er tooKte feinem jungen greunbc attc^ auf ihebit öevfrf)nffen, baä bicfer jebod) nid^t annahm, fonbcrn einen 2eil baüon fogtcirf) öon bem Überfrf)uffc bc§ JÄcifegcIbeä bejatjitc unb ben anbern

CO in gcl^öriger f^nft abjutrogen öcrfpradt).

„*iDtit ioeId)er greubc er bic SBaren padfcn unb laben Iic§, toar nidt)t ouS^ufprcc^cn; mit wcld^er 3ufncbent)cit er feinen 9iiufiücg antrat, (ä^t ]\ä} bcnfen; benn bie t)öcf)ftc Gntpfinbung, bic bcr ilicnid} Ijaben fann, ift bie, luenn er ftc^ öon einem

29G UiUerl)Q[timgcn beut|'<^er BluÄgcroonberteiJ.

t^au^jtfcl^tcr, ja bon einem SScrBredjcn butd) eiöne ^raft txi)tbl iinb Io§ma(^t. S)er gute 9Jlen|d), ber ol^ne auffattenbe 21B» iocic^ung bom red}ten ^fabc öor ftrf) l^intoanbelt, gleid)t einem ruT;igen, loBenälDÜibigen SBürger, bat^ingegen jener at§ ein ^etb unb ÜBerhtinber Setounberung unb 5prei§ öcrbient, unb in s biefem ©inne jdieint ba§ paraboi'e 3Bort gcfagt äu jein, ba^ bie ®ott§eit jelbft an einem jurüdfetircnben ©ünber inel;r greube I)al6e Qt§ an neununbneunjig @ered)ten \

„SIBer leiber fonnte^^erbinanb burd) j[eine guten @ntfc^Iüf[e, burd) jeine 33efferung unb SBiebererftattung bie traurigen ^5ot= gen ber Zat nid^t auf^eBm, bie i{)n erwarteten unb bie jein \ä)on toieber kru^igteS ©emiit auf§ neue fc^merjUc^ fränfen foUten. 3Bä^renb feiner 5lBnjefen^eit l§atte fic^ ba§ ©ertiitter äuiammengeäogen, ba§ gerabe Bei feinem Eintritte in ba§ bäter= Iid)e .^ouä losbrechen foEte. 15

„i^erbinanbg SJater toar, toie toir toiffcn, toa§ feine ^rit)at= foffe Betraf, nit^t ber orbentUd)fte, bie ^anblung§)ad)en ]§in= gegen tourben öon einem gefd)irften unb genauen 2lffocie fe^r rid)tig beforgt. S)er Sllte t;atte ba§ @elb, ba§ i^m ber ©ol)n enttüenbete, nic^t eben gemerlt, au^er ba^ ungtüdlid)ertt)eife 20 barunter ein ^afet einer in biefen ©egenben ungetoöi^nlid)en 5Mn5forte getoefen tcar, bie er einem gremben im (Spiel abge» toonnen I;atte. S)ie|e bermi^te er, unb ber Umftanb fdiien il^m Öebenüic^. 5lEein toa§ il^n Qu|crftbcunru'£)igte, toar, ha^ if;m einige 9ioIten, jebc mit !^unbert £)ufaten, fel^lten, bie er bor 25 einiger 3^^^ berborgt, aber getoi^ toieberer^atten l^atte. 6r tou^te, ba§ ber ©djreibtifd^ fonft burc^ einen ©to^ aufgegangen toar, er fa§ aU getoi^ an, ba^ er beraubt fei, unb geriet barüBer in bie äu^erfte .^eftigfeit. ©ein Strgtool^n fd^toeifte auf allen ©eiten l^erum. Unter ben fürd)terlid)ften S)rol^ungen unb S5er= so toünfd)ungen erjä^lte er ben S5orfatt feiner ^ran; er tooEte ba§ ,^au§ um= unb umf eieren, alle SBebienten, 531ägbe unb 5linber

1 Sßgl. eoangelium Sucoe, Aap. 15, 33. 7, fowie S3b. 1, ©. 149, SS. 97 jf. biefer 2l'.iäga6e.

\ «tbinonb. 297

öcr'^öreii taflen, tiiemaub Blieb bon feinem ^Irgtoo^n frei. S)ic gute gtau tat i^r mögü($ftc§, il^reii @atten ju ierutiigen; ftc fteütc il^m öor, in Welche 2Jertcgenf)eit unb S)i§frebit biefe @e=» jd^id^tc i^n unb fein ^au^ Bringen fönntc, toenn fic ruc^Bar

& toiirbe; ba§ nicmanb an bem Ungtücf , ba§ un» Betreffe, 2tnteil nel^mc, aU nur um unä burc^ fein 2RitIeiben ju bemütigen; baß Bei einer fotc^en Gelegenheit toeber er noc^ fic üerf^ont toerben toürben, ba^ man nod^ tt)unberli(|ere 2lnmerfungen machen fönnte, toenn nic^t§ J^erauSfäme, ba§ man Bielleidjt htn

10 Jäter entbetfen unb, o^nc i^n auf jeitleBeng unglücEüd^ ju mad^en, ba§ (Selb loieber ermatten fönne. S)urc^ biefe unb an= bere 5}orfteIIungen Betoog fie i^n enblid^, rul^ig ju BIciBen unb burd^ ftitte ^act)forf(^ung bcr Sad^e nä^er ju fommen.

„Unb teiber »ar bie (JntbedEung fd^on nal^e genug. Ottilienä

15 Xante »ar üon bem toec^felfeitigen S5erfpred^en ber jungen Seute unterrichtet, ©ie mu^tc bon ben @efd)enfen, bie il^re 9?id^te an= genommen ^atte. S)a§ ganje S5ert)ältni§ toar if)x nid^t ange= ne^m, unb fie l^atte nur gefi^teiegen, toeil il^re 9lic^te aBtoefcnb toar. 6inc ficEiere 33erBinbung mit ^erbinanb fd^ien il^r t)ortei(=

20 f)aft, ein ungemiffe^ ^Tbenteuer toar i^r unertragUd^. S)a ftc alfo tjcniatjm, ba^ ber junge ^Jteiifrf) Batb jurücf fommen foHte, ba fic aud^ i^re ^id^tc tägüc^ Wieber ermartetc, eilte fic, tjon benv Ujag gefdtjeljen toar, ben ßlteni 9lad)rid^t ju geben unb itjrc ^Jlcinung barüBer ju l^örcn, ju fragen, oB eine Balbige SJer»

;.'5 forgung für lyerbinanb ju l^offen fei, unb oB man in eine 4")ci- rat mit itjrer Ülic^tc toilligc.

„Sic Butter üeriounberte fid^ nid^t toenig, aU fie tjon biefcn a5er{)ältniffen ^örtc. Sie erfd^raf, alg fic tjcrnal^m, tocli^c @c» fd^cnfe Ofcrbinanb an Ottilien gegcBen tjatte. Sic ücrBarg i^r

so (^rftauncn, Bat bie Xante, i^r einige 3eit ju laffcn, um getegent- tic^ mit i()rem Ülanne über bie 8arf)e p fpred)cn, Ocrfid)crte, ba6 fic Ottilien für eine t)ortci(^aftc Partie '^altc, unb ba^ nid)t unmöglid) fei, i^ren ©ol)n näd)ftenä auf eine fc^icf(id)c älHMJc üuejitftatten.

298 ITnterl^oItunflen beutfdjt ÄuSßemonbeitc«.

„31(8 bieXante ftc^ entfernt ^atk,f)\dt fie eg nid^t für tätlich, itjtem 5Jlanne bic (Sntberfung jn bertrauen. ^^x tag nur baran, ba§ ungtücfüd^e ®c{)cimm§ aufjuKären, ob fjei^binanb, tote fie fürd^tctc, bic ©ejcfienfe bon bem enthjcnbeten (Selb gcmadit l^abe. ©te eilte ju bem Kaufmann, ber bieje 2lrt (Sejcfimeibe öoräüglirf) & öerfaufte, feiljd^te um ä!^nlid)e S^inge unb jagte ple^t: er muffe fie nid)t überteuern, benn iI;rcm©ol^n, ber cinefold^e^ommiffion getrabt, t}abt er bie ©adjen too'titfeiler gegeben. S)er .^anbetg» mann beteuerte: nein! geigte bie ^preife genau an unb fagte babei, man muffe no(^ ba§ Slgio ber ©etbjorte Iiinjuredincn, in ber lo gerbinanb jum Jieil bejal^lt f)abt. Qx nannte il^r ju i'^rer größten S8etrübni§ bic ©orte; toar bie, bie bem Später fetjlte.

„©ie ging nun, nai^bem fie fic^ jum ©(^eine bic näd^ften greife auffegen laffen, mit feljr bcbrängtem ^erjen l^intoeg. 3^er= binaiib§ SScrirrung toar ju bcutlid), bie 9le(iinung ber ©umme, i5 bie bem 25ater fcl^lte, toar gro|, unb fte \af) naä) i^rcr forglidien Gemütsart bie fd)Iimmfte 2:at ,'unb bie fürditerlii^ften folgen, ©ic l^atte bie ßlugl;eit, bie (SntbecEung öor il^rem 9Jtannc ju öerbergen; fie ertoartete bie 3urücfhmft il^re§ ©ol^neS mit ge= teitter gurc^t unb Verlangen, ©ie toünfc^te fic^ aufäuüören 20 unb fürchtete, ba§ ©(^limmftc p erfa'^ren.

„@nbli(^ fam er mit großer ,g)eiterfeit äurüd. 6r !onnte 2ob für feine @efd)äfte ertoarten unb brad^tc äugtei(^ in feinen äöaren '^eimlid^ baS Söjegelb mit, tooburd^ er ft(^ bon bem ge= I^eimen S3erbre(^en ju befreien gebadete. 25

„S)er 25ater na'f)m feine ÜJelation gut, boc^ nid}t mit fold^em S3eifaE auf, toie er ^offte, benn ber SJorgang mit bem ©elbe mad^te ben SJlann ^crftreut unb berbrie|nd£), um fo met)X, aU er einige anjelE)ntid£)C Soften in biefem5lugenbIidEe ju bcja^len {)atte. 2)iefe ßaune be§ S5ater§ brüdte i1)n fe'^r, nod^ me^r bic @egen= sc» toart ber SBänbc, ber 2Jlobiüen, be§ ©d^reibtifd^e^, bie 3cugen feine§ S5erbrec^en§ gettjefen toaren. ©eine ganjc f^i-'^ii^c h)ar l^in, feine Hoffnungen unb Slnfprüd^e; er füljtte \iä) aU einen gemeinen, ja aU einen fc^Ied^ten ^Jlcnfc^en.

gcrMnanb. 299

„6r tDoHtc ^^ tbtn mä} einem füllen Sßertiiebe ber SCßa- Ten, bie min balb anfommen jolltcn, umjci^cn unb fi(f) burd^ bie Sätigicit qu§ jeinem glcnbe :§erQUärei§en, aU bie ^Dhitter il^n Beiieitc no'^m unb i^m mit ßiebe unb ßrnjl jein SJergel^en öor=

b l^iclt unb i^m an^ nic^t ben minbeften 2tuätt)eg jum leugnen offen Iic§. ©ein toei(^e§ ^era toar äennffen; er toarf fid§ unter taufcnb tränen ju ifiren SüBen, befannte, bat um] SSerjeil^ung, beteuerte, ba§ nur bie 5ieigung ju Ottilien il^n öerteiten fönnen, unb ba^ fid^ feine onbcren Safter ju biefem iemal§ gefeilt l^ätten.

10 er erjä^tte barauf bie ®efc^id)te feiner JReue, ba§ er borfä^lid^ bem 2}ater bie 2Jlögü(^feit, ben (Sc^reibtifcf) ju eröffnen, entbedft, unb ba^ er burd^ grf pamiä auf ber 9leife unb burd^ eine gtü(f= lic^e gpelulation ft(^ im ftanbe fe'^e, alle§ toieber ju erfe^cn. „S)ie 2)iutter, bie nid§t gleicf) nachgeben fonnte, beftanb

15 barauf, ju toiffen, too er mit ben großen Summen l^ingefommen fei, benn bie ©efd^ente betrügen ben geringften 2:eil. Sie jeigtc it)m ju feinem ßntfc^cn eine Serec^nung beffen, toaä bem Sßater fehlte; er fonnte [\i) nid^t einmal gan^ ju bem ©ilber befennen, unb l)oä) unb teuer fd^tour er, öon bem ©olbc ni^tg angerül^rt

20 ,iu l^aben. hierüber toar bie 2Jtutter äu^erft jornig. ©ie t)er= tt)ie§ i^m, ba^ er in bem 3lugenbU(fe, ba er burd^ aufrid^tige 9ieuc feine SBefferung unb SBcfe^rung toa^rfc^einlid^ mad^en fottte, feine licbeöoüe ^Jlutter nod^ mit Seugnen, fiügen unb 2Jlärc^en aufzuhalten gebente, ba^ fte gar tool^t toiffc, toer be§

25 einen fä^ig fei, fei auc^ alleä übrigen faltig. Söaljrfc^ einlief i)abt er unter feinen lieberlid^en Äamerabcn 5LRitfd^ulbige, lDa^r= fdf)cintid^ fei ber Raubet, ben er gefd^loffcn, mit bem entmcnbetcn Öclbe gemad^t, unb fdl)iuerlid^ toürbe er baöon etttaä ertt)iil)nt l^abcn, toenn bie Übeltat nid^t aufäüig toärc cntbedt toorben.

DO 6ie brol^te il)m mit bem So^ne bei S3aterä, mit bürgcrlid^en ©trafen, mit böUiger 93erfto^ung; bod^ nidjtö fränfte il;n me^r, als ba^ fic il)n merfen tiefe, eine Sßerbinbung aioifc^en if)m unb Cttilicn fei eben jur ©prücf)e gcfommen. ^iit gerül)rtcm .^erjen uerliefe fie ilju in bem traurigften ^»fttinbe. Cr fal; feinen 5cl)lcr

300 Hntcrl^altungen beutft^er tSuSfleroonberteii.

cntbcdt, er ]a1) ftd^ in bent SJerbac^te, bet jcin JßerBred^en bet» grölcrte. 2öie tooEtc er jeine ©Item üBerreben, ba^ er ba§ ®oIb nid)t angegriffen? S3ei ber Ijeftigen ©emütgart feineä SJaterä mu^tc er einen öffcntlit^en 5lu§Bru(^ Befürd^ten; er ]ai) fiä) im ©egenfa^e bon allem bem, toag er fein fonnte. S)ic SluSfn^t auf 5 ein tätigeg Seben, auf eine SJerbinbung mit Ottiüen berfd)ioanb. 6r fal^ \\ä) berfto^en, flüd^tig unb in fremben SBeltgegenben aEem Ungemad^ auSgefe^t.

„%Ux felbft atte§ biefeä, toaä feine @inbilbung§fraft ber» wirrte, feinen ©totj berichte, feine Siebe Iräntte, loar il§m nid^t 10 ba§ ©d)meräli^fte. 5lm tiefften bertounbete it)n ber ®eban!e, ba§ fein reblic^er S5orfa^, fein mönnliciier 6ntfd)Iu|, fein befotg= ter 5pian, ba§ ©ef($el)ene lieber gut ju matten, ganj berlonnt, ganä geleugnet, gerabe jum ©egenteil aufgelegt toerben foKtc. 2öenn i^n jene SorfteHungen äu einer bunfetn S^er^toeiflung 15 brad)ten, inbem er befennen mu^te, ba§ er fein ©diidfat berbient l^abe, fo toarb er burd) biefe auf§ innigfte gerül;rt, inbem er bic traurige 2öaTjr!§eit erful;r, ba§ eine Übeltat felbft gute 35emü= l^ungen ju ©runbe äu richten im ftanbe ift. S)iefe ^Mttf)x auf fic^ felbft, biefe Setrad)tung, ba| ba§ ebelfte ©treben bergebeng 20 fein foEte, machte i!^n ttieic^; er toünfdite nic^t mel^r ju leben.

„3^n bicfen ^tugenbliden bürftete feine «Seele nad^ einem !^öl)ern SSeiftanb. 6r fiel an feinem <5tul)le nicber, hzn er niit feinen Stränen bene^tc , unb forberte .^ülfe bom göttlichen 2öe= fen. (Sein ©ebet ioar eine§ erl^ören§toerten2(nl)cilt§: ber2Jlenf(^, 25 ber fii^ felbft bom ßafter toieber erljebt, l;abe 2lnfprui^ auf eine unmittelbare ^ülfe; berjenige, ber feine feiner ^"äfte ungebraucht laffe, fbnne fid) ba, too fie eben au§ge!^en, too fie nic^t l)inreid^en, auf ben Seiftanb be§ S}ater§ im $immel berufen.

„3n biefcr Überzeugung, in biefcr bringenben S3itte ber!§arrte so er eine Zeitlang unb bemerfte faum, ba^ feine Sure fi(^ öffnete unb jemanb l^ereintrat. toax bie 3}hitter, bie mit Reiterin @efid)te auf i'^n äufam, feine S5ertuirrung \ü1) unb il^n mit tröft= liefen Söürten anrebete. ,2öte glüdlid^ bin id)', fagte fie, ,ba^

gerbinonb. 801

iäj bi($ toenigjlenS qI§ leinen Sügncr finbe,unb boB {(^bctneOleue für tDaf)T t)altcn fann. 2)a§ @otb ^at ftc^ gefiinben; ber SSater, al3 er öon einem f^reunbe toicbcr ert)ie(t, ga!6 bem Äajfier aufau'^cBen, unb burd^ bie öielen Scfc^äftigungen be§ SagcS äer=

5 ftreut, l^at er bergc]fcn. ^nit bem ©itber ftimmt beine Slngatie jicmlic^ juiammen, bie6umme ift nun biet geringer, ^ä) !onnte bie gfrcube meinet -^erjenS nid)t berbergen unb beriprac^ bem SJater bie fe^Ienbc ©umme lieber ju öerfi^affen, toenn er fi(^ ju Berufligen unb weiter nac^ ber ©a^e nic^t ju fragen berjpräcfie.'

10 „f^erbinanb ging fogteic^ jur größten fyreube über. 6r eilte, fein ^anbet§geid)äft ju üollbringen, ftettte balb ber 9JMter ha^ ©etb ju, erjcl^te jcrbft ba§, loa§ er nidjt genommen l^attc, toobon er tt)u^te, ba^ bto^ burc^ bie Unorbnung be§ S3ater§ in iei= nen 5lu»gaben öermi^t lourbe. 6r toar frö^lii^ unb l^eiter, boä)

15 ^atte biejer gan^e S3orfatt eine jel^r ernfte Söirfung Bei i^m ju» rücf geladen. 6r ^atte ftc^ üBerjeugt, ba^ ber 3Jtenid) Äraft l^aBe, hai @ute ju tDOÜcn unb ju öoHBringen; er glauBte nun auc^, bafe baburc^ ber 3Jtenjd^ ba§ göttüd)e Söefen für fid) intcr= effteren unb ftc^ beffen SSeiftanb öerfb^ec^en fönne, ben er eben \o

20 unmittetBar erfahren '^atte. 5Jlit großer i^i^eubigfeit entbedte er nun bemSJater feinen ':p(an, ftd) in jenen öegcnben nicberjutaffcn. ßr ftellte bie3lnftaÜ in it)remgan3en2Bcrte unb Umfange bor; ber löater toar nic^t abgeneigt, unb bie ^]Jhitterentbedtet)eimIid)tI)rem öatten ba§ S3er{jä(tni§ gci^binanbä ju Ottitien. S)icfcm gefiel

25 eine fo gtänjenbeSdjttjiegertodjter, unb bic^Iusfic'^t, feinen Sü^n oljne lüften auöftatten ju fönncn, mar ifjm fefjr angcuclim."

„3)icfe @eid)ic^tc gefäUt mir", fagte ßuifc, al§ ber VUtc ge= enbigt t)atte, „unb oB fie gteid) au^ bem gemeinen SeBen gcnom= men ift, fo fommt fic mir boc^ nid)t aHtägüd^ bor. 2icnn Wenn no tüir ung fcfBft fragen unb anbere BeoBad)ten, fo finbcn tt)ir, bafj wir feiten burd^ unä fctBft Beluügen werben, biefem ober jenem 3Bunfd)c ju entfagen; mcift finb cS bie äußern Umftftnbc, bie uns ba)u nötigen."

302 Unterhaltungen beutfc^ev MuSgeroanbcvten.

„SScf) lüünjd^tc", fagte ßaii, „ba^ toir gav nid^t nötig "Ratten, un§ etioaS ju berfagcn, fonbem ba§ toir baäjentgc gar nic^t f ennten , toaS toir nic^t Befiljen f oHen. ßeiber ift in unfein 3"= ftänben aUeä äujammcngebrdngt, aHe§ ift Bepflanzt, aüe SBäunte Ijdngen öoHer 5i-"ü^te, unb toir joKcn nur immer brunter h)eg= ^ gcljen, un§ an bem ©(Rotten begnügen unb auf bie frf)önften ©c» nüffe S3eräid)t tun."

„ßaffcn ©ie un§", fagtc ßuife jum Sllten, „nun ^f)xz ®e» fc^ic^te loeitcr l)ören."

5Dcr2lIte. ©ie ift toirltic^ fdjon au§. lo

Suife. 2)ie @nttt)icEIung l^aBen toir freilid^ gel^ört; nun mö(i)ten toir aber aud) gerne ba§ 6nbe öeme^mcn.

S)er 3lUe. ©ic unterfc^eiben rii^tig, unb bo ©ie fid§ für ba§ ©(fiicffal meines f^rreunbeä intereffieren, fo toiH id) S^l^nen, toie i^m ergangen, noc§ fürälicE) er^ä'^ten. ^^

„^Befreit bon ber brücEenben 2aft eineS fo l^ä^tid^en f8cx=- get}cn§, nid)t o'^ne Befd^eibne 3ufriebenl^eit mit \\ä) fef6ft, badete er nun an fein lünftigeS ®\M unb ertoartetc fe'^nfut^tSöoH bie 9iücE!unft €ttilien§, um ftc^ ju erüären unb fein gegeBene§ Sßort im ganzen Umfange p erfüllen, ©ie fam in ®efeEfd)aft 20 i^rer ©Itern; er eilte äu i^r, er fanb fie fc^öner unb Weiterer aU jemals. 9Jlit Ungcbulb ertoartete er ben 5lugenBIi(f, in toeli^em er fie allein f^jredjcn unb i^r feine 5lu§fic^ten bortegen fönnte. S)ic ©tunbe lam, unb mit alter i^i^eube unb 3ärtlid)feit ber Siebe erjä^tte er i^r feine .^Öffnungen, bie 5fö^e fetnei @tü(f» 25 unb ben Söunfd), mit i^x ju teilen. 5lllein toie bertounbert toar er, \a toie beftür^t, al§ fie bie ganje ©ac^e fc^^r leiditftnnig, ja man bürfte beinalje fagen l^ö'^nifc^ aufnahm, ©ie fd^erjte nid)t ganj fein über bie ©infiebelei, bie er fid^ auSgefuc^t l^abe, über bie ^ia^nx, bie fie beibe fpielen toürben, toenn fie fid) ol§ so Schäfer unb ©d)äferin unter ein ©tro'^bad^ flüd^tetcn, unb toa» bergleid^cn mcl^r toar.

„^Betroffen unb erbittert le'^rte er in fid^ aurücE; il^r 35c=

gerbiiig^ib. G03

tragen l^atte il^n bcrbr offen, unb er toarb einen ?IugenBttd lalt. Sic toax ungere(i)t gegen ii)n gctoejen, unb nun bemerfte er gfe'^Ier an itjr, bie ii)m fonft berborgen geblieben toaren. 5lud^ broud^te lein fel^r ]§elle§ Sluge, um ju fe^en, ba^ ein

5 iogenannter SJettet, bct mit angelommen toor, i§re 2lufmetf= jamfcit auf fid) 30g unb einen großen 2:cil if)rer Steigung ge= toonnen l^attc.

„53ei bem unleiblid^cn (5c[)merä, bcn ^erbinanb empfanb, naijm er ftd) bod^ balb äufammen, unb bie Übertoinbung , bie

10 i'^m f^on einmal gelungen toar, fct)ien i^m jum äiocitcn 3Jlale möglid^. ßr fa:^ Dttilien oft unb gewann über fic^, fie äu be= obarf)ten; er tat freunblid), ja järtlic^ gegen fie, unb fie nid)t weniger gegen i^n; allein i^re ^iei^c Ijatten i^re größte 5Jlad}t öerloren, unb er füllte balb, ba§ feiten bei il^r ettoaä au§ bem

15 .^crjen !am, ba^ fie bielnie^r nad^ Selieben järtlic^ unb falt, rcijcnb unb abftoßenb, angenc'^m unb launifd) fein lonnte. Sein @emüt mad)te fic^ nac^ unb nac^ bon \f)x lo§, unb er entfc^lo^ \iä), aud) no(^ bie legten graben cntjtoei au reiben.

„S)iefe Operation toar fd)mer3^after, aU er fit^ borgeftcttt

20 '^attc. (5r fanb fie eineä Xageä allein unb nal)m fic^ ein ^erj, fie an iljr gegebene^ 2Bort ju erinnern unb jene Slugenblide il)r in^ ®ebüd)tni8 äurücf^urufcn, in bcncn fie beibe, burc§ ba§ jar- tefte öcfü()t gebrungen, eine ^brebe auf il)r lünftigeä ßeben ge= nommen Ratten, ©ie toar freunblid^, ja man lann faft fagen

25 järtlic^; er toarb toeid)er unb toüuid)te in bicfem 3lugenblide, bap aÜe^ anberä fein möd)tc, ol§ er fid) borgcfteHt l^atte. 2)od^ na^m er ftd^ jufammen unb trug il)r bie ®efd)id)tc feine§ beöor= ftcl)enben Gtabtiffcmcntä mit 9tu^e unb ßiebe üor. ©ie fdiien fid) barüber au freuen unb gctoiffcrmaBcn nur au bcbnucrn, ba^

£0 baburd) il)re 23erbinbung toeiter l)inau§gefc^oben toerbc. Sie gab au crfcnncn, ba^ fie nid)t bie mtnbcftc 8uft l)abc, bie Stabt au ücrlaffen; fie lic^ ifjre .^offnung fel)cn, ba^ er fid) burd) oinige 2lal)re Slrbeit in jenen ©cgenbcn in ben Staub fc^cn fütnite, aud) unter feinen ie^igen ^JJlitbürgern eine grofee 5igur

304 tliitcrOültungen bculfd^er KuSgewanberten.

ju \\)kUn. (Sie Ite^ il^n nidEit unbcuttiii) merfen, ba^ ftc bon il^m erwarte, ba§ er fünftig noc£) toeitcr aU jein Sßater gct)cn unb fic^ in altem nod) anje'^nlidjer unb red)tlid)er jciflen tücrbc.

„5lur äu fel)r fül^tte gerbinanb, ba§ er bon einer fotdjen SJerBinbung teinölüd ju ertoarten IjaBc, unb toä) toareSfc^ttjer, s jo bieten Steiäen ju entfagen. ^a bicöeidit toärc er ganj un= fd)lüffig bon i^r toeggegangen, l^ötte i^n nid^t ber SSetter ab= gelöft unb in jeinem betragen aEjubiet S5ertrautid)feit gegen ■Dttitien gezeigt. i5fei;binanb fi^rieb i!^r barauf einen 23rief, n)orin er i^r nochmals ber[id)erte, ba§ [ic if)n glüdlid^ mad)en lo toürbe, toenn fie il§m ju jciner neuen SBeftimmung folgen tooEtc; ba| er aber für beibe nid)t rätlic^ l^ielte, eine entfernte Hoffnung auf !ünfttge Qdt äu näljren unb fit^ auf eine ungetoiffe Qw iiunft burd) ein SJerfbredjen ju binben.

„SHoä) auf biefen Srief tDÜnfditc er eine günftige 5lnttt)ort; is allein fie fam nid)t, toie fein ^erj, fonbern toic fie feine S5emunft bittigen mu^te. Ottilie gab i!)m auf eine fetjr äiertic^e 5(rt fein 2Bort jurüd, ol)nc fein ^er^ ganj to^julaffen, unb ebenfo fprac^ baS SSittet auc^ bon i^ren ßni^finbungen; bem ©innc nad^ tuar fie gebunben unb i^ren Söortcn nac^ frei. 20

„2Qßa§ fütt \6) nun toeiter umftönblid) fein? f^etbinanb eittc in feine friebli(^en ©egenben jurüd, feine @inrid)tung toar balb gemad)t; er bjar orbentlic^ unb fleißig, unb toarb nur um fo mel)r, aU ba§ gute natürlidie 3[)läbd)en, bie Wir fc^on fenncn, 'ü)n at§ @attin beglüdte, unb ber alte D^eim atteS tat, feine 25 f)äu§lid)e Sage äu fid)ern unb bequem ju madien.

„3d) '^abe il^n in fpätern Satiren fennen lernen, umgeben bon einer ja^Ireidien too^lgebilbcten gamilie. (5r ^at mir feine @eid)id)te felbft erjä'^lt; unb Wie eg ^enft^en ju gel)en bftegt, bcnen irgenb ctwa§ ScbeutenbeS in frütjerer 3eit Begegnet, fo 30 ()atte fid) auc^ jene ®cjd)id)te fo tief bei \1)m eingebrüdt, ba^ fie einen großen (Jinflu^ auf fein £eben l^atte. ©elbft aU Tlann unb ^auSbater pflegte er ftd) manchmal ettoa§, bag i^m f^rcube töürbe gemaci)t ;§aben, au berfagen, um nur nid^t au§ ber Übung

Qtrbinanb. 305

einer \o frönen 2ugenb ju fommen, unb feine ganje ßrjie'^ung beftanb gemiff ermaßen barin, ba§ feine ^nber fid^ glcic^fam au« bem Stegreife etroaä mußten öerfagcn lönnen.

„9Iuf eine SBcife, bie iä) im Slnfang nid^t Bittigen fonntc,

5 unterfagte er jum SSeifpiel einem jhtaben bei Sifc^e, bon einer

beliebten (Speifc ju effen. 3" meiner SSertounberung blieb ber

ßnabc l^eiter, unb e8 toar, atä tocnn toeiter nid§t§ gefc^el^en »ärc.

„Unb fo liefen bie äüeften auB eigener Setoegung mand^»

mal ein eble§ Cbft ober fonft einen ßecEerbiffen bor fic^ borbei-

10 geilen; bagegen ertaubte er i^nen, it^ möcf)te tDot)t fagen aUeä, unb fel^ltc nid^t an 5trtcn unb Unarten in feinem ^nufe. 6r f^ien über aüe^S gleidtjgüttig ju fein unb tie§ i^nen eine faft un» bänbige ^rei^eit; nur fiel i^m bie 23od[)e einmal ein, ba§ atteä auf bie ÜJiinute gefi^e^en mu^tc: alöbann ttiurben beö

15 5Rorgcn§ gleid^ bie U^rcn reguliert, ein jeber erl^ielt feine Crbrc für ben Jag, @ejd}äfte unb S5ergnügungen tourben gehäuft, unb niemanb burfte eine ©etunbe fehlen, 3d^ fönnte Sie ftunben» lang bon feinen ©efpräd^en unb 2tnmerfungen über biefe fonber= Bare 3trt ber 6rjiel)ung unterl^atten. (5r fd^crjte mit mir at§

20 einem fat^olifc^en ©ciftlid^en über meine ©elübbe unb Befiaup» tcte, ba^ eigentlich jeber 5Jlenfcf) fotoot)! fid§ fclbft ©nttjaltfam- feit alai anbern ©elprfam geloben foüte; nid^t um fie immer, füubern um fie jur red)ten Sät auszuüben."

Sie ::Üarüneiic madjte eben einige Slnmerfungen unb geftanb,

25 baß bicfer [yreunb im ganzen n)of)( rect)t gcljabt I;abe; benn fo

f ommc aud^ in einem 9teid^e otteä auf bie cjcfutiüe ©etoatt an ;

bie gefc^gcbenbe möge fo öernünftig fein aU fie tooKc, eS l^clfc

bem Staate nirf)tg, toenn bie auöfü^renbe nid)t mäd)tig fei.

ßuife fprang anä Sfcnfter, benn fie prtc Srricbri^en jum

80 .^ofe hereinreiten. Sie ging i()m entgegen unb füfjrte i^n in3

3immer. ßr fd)ien l^citer, ob er gleich oon Svenen bcä^iammerö

unb ber 9}crn)üftung fam, unb anftatt fid) in eine geimuc (Jr»

äül)lung beä 2?ranbcä cinjulaffen, ber \>ai ^auö ifjrer Jante

306 llntei Haltungen beutft^er StuSfleroanberten.

Betroffen, berfic^erte er, ba^ au^gemac^t fei, ba^ bcr ©d^reiB« tifcf) äu eBcn ber ©tunbe bort öerBrannt fei, ba ber i'^rigc ^icr fo heftige ©prünge Befommen l^atte.

„Stn eBen bem SlugenBticfe", fagte er, „al§ ber SSranb fid) fd}ün bem 3tinnter näljcrte, rettete ber S5ertoalter noc^ eine UT)r, 5 bie auf eBen biefeni©(f|rei&tif(^e ftanb. 2^m. hinauftragen moditc fid) etn)a§ am äöerfe üerrücfen, nnb fie BlieB auf l)aIB 3^ö^fc fte'^en. SBir ^aBen alfo, toentgftenä tt)a§ bie 3eit Betrifft, eine toöEigeÜBereinftimmung." S)ieä3aroneffe lächelte, bcr.^ofmeifter Be()au^tete, ba^, toenn ätoei S)inge äufammenträfen, man bc§= 10 h:)egen nod) ni($t auf i^ren ^ufai^nrenl^ang ft^lie^en lönnc. ßuifen gefiel bagegen, bicfe Beiben SSorfäEe ju Berfnüpfen^ Befonberg ba fie Bon bem SöoljlBefinben i^reäS3räutigam§9lad)= rid)t erhalten l^atte; unb man üe§ ber @inBiIbung§fraft aBer= mal§ OoKfommen freien ßauf. 15

„SBiffen «Sie ni(^t", fagte ßarl jum bitten, „un§ irgenb ein 5)Mrd)en ju erjä'^ten? S)ie 6inBiIbung§fraft ift ein fd)öne§löer= mögen, nur mag id^ nic^t gern, toenn fie ta§, toaS ioirflic^ ge= fd)e^en ift, BerarBeiten toill; bie luftigen ©eftalten, bie fie er»^ fdjafft, finb un§ al§ SBefen einer eigenen ©attung fe'^r n)iEfom= 20 men; berBunben mit ber SBarjrljeit, Bringt fie meift nur Ungc= 1)Zütx ^ertoor unb f(^eint mir al§bann getoö^ntid) mit bem S5er= ftanb unb ber SSernunft im SöiberfBrudie ju ftel^en. ©ie mu| fid), beulet mid), an leinen ©egenftanb l^ängen, fie mu^ un§ feinen ©egenftanb aufbringen toollen, fie foll, toenn fie Äunft= 25 toerfe l^erborBringt, nur toie eine 5Jlufif auf un§ felBft fpieten, un§ in un§ fetBft Betoegen unb ^toar fo, ba§ toir öergeffen, ba§ cttoaö au^er un§ fei, ba§ biefe SBetoegung l^erBorBringt."

„Q^a^ren ©ie nid)t fort", fagte ber Stlte, „St)rc Stitforbe» rungen an ein 5probu!t ber 6inBiIbung§{raft umftänblid^er au§=- 30 anführen. 2tu(^ \)a§ gel^ört jum (Senu^ an foldien Söerfen, ha^ wir oljne gorberungen genießen, benn fie felBft fann nid^t for» bern, fie mu^ ertoarten, toa§ il^r gefc^cnlt toirb. ©ic mad)t feine ipCane, nimmt fit^ feinen äöeg Bor, fonbern fie toirb Bon ifjrcn

Sla5irten>(Jrja5[iin9' 307

eigenen Slügetn getragen unb geführt, unb tnbem fic ftcf) f)m unb ^er jc^wingt, Bcjei^net ftc bic tt)unberlid^)len Salinen, bie fid^ in il^rer [Richtung ftetä öeränbern unb tocnben. Soffen ©ie auf meinem gewöhnlichen Spaziergange er^ bie fonberBaren

5 Silber toieber in meiner Seele leBenbig tocrben, bie mic^ in früljern Sia-^i^cn oft unterl^ieltcn. S)iefen SlBenb berfprct^c ic^ 3^nen ein 9Jtärc^en, burc^ baä Sie an nic^tä unb an aUeä er» innert werben foHen."

'^an entließ ben 5(lten gern, um fo mc§r, ba jcbe§ öon

10 griebric^en ^leuigtciten unb 9ia(^ri(f)teu öon bcm, waä inbcffeu gefc^e^en war, einjujicljen ^offte.

20*

308 nnterljaltungcn beutfc^er StuSgeioonbertcn.

5a0 "gilärc^ctt.

sin Sem großen i^luf\t, ber eben bon einem ftat!en SRegen ge|(T)tüoIlen unb übergetreten toar, lag in jeincr fteinen ^üttc, nüibc bon ber 2lnftrcngung be§ Sage?, ber aik S^ätjrmann unb fc^tief. 5Jittten in ber ?lad)t toecften it)n einige taute Stirn« 6 mcn; er l^örte, ba^ afteijenbe'üBergefe^t jein Jüoüten.

3lt§ er bor bie %nx l^inauetrat, fat) er älcei gro^e ^xx' liditer üBer bem angcbunbenen ßal;ne fd)tt)elöen, bie i^m ber» |id)erten, ba§ fie gro|e (Site l^ätten unb fc^on an jenem Ufer äu fein toüni(^ten. S)er Sitte fäumtc nic[)t, ftic§ aB unb ful^r, mit lo feiner gelüö^nlid}en ©ef(^idlid)Icit, quer üBer ben (Strom, inbc§ bie g-remben in einer unbefannten, fel^r be^enben ©brache gegen» einanbcr äifditen unb mitunter in ein laute» ©elät^tcr au§bra= dien, inbem fie balb auf ben 3?änbcrn unb 33änfen, balb ouf bem Söoben be§ Äal)n§ ]^in= unb toieber^üpften. i5

„S)er ^a'^n fdimanlt!" rief ber Sllte, „unb toenn il^r fo un- ruhig feib, fann er umfd(lagen; fe^t euc^, i|r ßid^ter!"

Sie brad^en über biefe 3umutung in ein gro^eg (Seläd^ter au8, berfbotteten ben Sitten unb maren noc^ unrul^iger al§ bor« !^er. 6r trug tl^re Unarten mit ©ebutb unb ftic^ balb om jcn» 20 feitigen Ufer an.

„$ier ift für gure SJlül^el" riefen bie gieifenben, unb fielen, inbem fte fid^ fd)üttelten, bielc glänjenbe ©olbftüde in ben feud)ten ^aljn. „Um§ $immel§ toiHen, toa§ mad^t i|r!" rief ber Sllte, „il^r bringt mic^ in§ größte Unglüd! toäu ein 25 (Solbftüd in§ SBaffcr gefallen, fo toürbe ber Strom, ber bieg 3Jtetall nidjt leiben tonn, fid) in entfc^lic^e Söellen erhoben, ba3

Tai Wfird^tn. 309

Sd^iff unb mid^ berjc^lungen l^aben, unb toer tDd% toic e3 cud) gegangen fein toürbe; ne^mt euer ®e(b toieber ju euc^!"

„2öir fönncn nicf)t§ tt)iebcr ju unä nehmen, Wag toir aBgc- jci^üttelt l^aben", tocrje^ten jene.

5 „<Bo madjt i^r mir nod) bie 5}lü^c", jagte bcr SHte, tnbem er [id) Bücftc unb bie ©olbftücfe in feine 5Jlü^e Ia§, „ba§ iä) fic jufanimenfud^en, anä Sanb tragen unb öergraBen muß."

£ic Srrlic^ter loaren au§ beni Äa^ne gejprungen, unb bcr ?I(te rief: „SSo bkiU nun mein So^n'?"

10 „3öer fein @oIb nimmt, mag umjonj't arbeiten!" riefen bie 3rrlic^tcr. „3'^r müßt wiffen, ba^ man mic^ nur mit Ofrüc^- tcn bcr 6rbc fiejafjten fonn." „3Jlit ürüd)ten ber 6rbe? Sßir öerjd^mä^en ftc unb l)dbm fic nie genoffen." „Unb bod) lann ic^ eud^ nic^t to»taffen, Biä i^r mir üerfpred)t, ba^ if}r

15 mir brei i?o^(^äuptcr, brei 5lrtifc^oden unb brei gro|e 3wie6ctn liefert."

2!ic Sfrrlid^ter toottten fd^erjenb baöon fc^Iüpfen; allein fic füllten fid^ auf eine unbegreifliche Söeifc on ben 33obeu gefeffe(t; war bie unangene^mfte ßmpfinbung, bie fie jemals ge^bt

20 l^atten. Sie üerfprad}en feine goi^berung näd)ftcnä jubef riebigen; et entließ fie unb ftiefe ab. (5r war ftJ^on Weit l^inWeg, aU fic i'^m nad^riefen: „SUter! ^ört, ?tlter! Wir ^aben ba§ 23)id)tigfte öergeffen!" Qx war fort unb ^ürte fie nic^t. dx \)attt \iä) an berfclben ©citc ben 5^"^ t}inab treiben loffen, Wo er in einer

25 gebirgigen @egenb, bie baä 2Baffcr niemals eneidjen fonnte, baä gcfä^rlid)e®olb öerfd)arren wollte. S)ort fonb er äWifi^en ^ofjen Reifen eine unge'^eurc Ätuft, fd^iittetc Ijinein unb ful^r nad^ feiner glitte ^urücf.

3n bicfer iltuft befanb fi(^ bie fd^öne grüne Sd^tangc, bie

30 burd^ bie ^erabflingcnbc ^Ulünjc auä itirem Schlafe gcwedft würbe. (Sie erfat) faum bie tcud)tenbcn Sd^ciben, alä fic iold)c auf ber Stelle mit großer 25cgierbe öcvfdjfang, unb alle Stücfe, bie fid^ in bem (^ebüfd^ unb jwifdjcn bea Ö^^^i^JÖett jerftreut Ratten, forgfältig auffudjtc.

31 0 Untei^artunflcn beutf^er gii^geipanbenen.

ilaum iüaren fie berfd^tungen , \o füllte fie mit bcv angc* ncTjmftcn ßmpfinbung bQ§ ©olb in i^renßingetDeiben jd)inctaen unb fid) burd) if;ren ganzen Körper ausbreiten, unb jur größten greube Bemeiftc fie, ba^ [ie buvi^fid^tig unb Icuditenb getüorben \vax. Sänge l^attc man ii)x jd^on bcrfidjert, boB biefe erjd)ei= 5 nung nißglid) fei; toeit fie dba atueifell^aft \mx, ob biefeS ßic^t lange bauern fönne, fo trieb fie bie 9ieugierbe unb ber SSunjd), fid) für bie Sulunft fidjer ju ftcHen, ou§ bcm i^clfen IierauS, um äu untcrfud)en, ioer baS fd)önc@olb tjereingeftreut l^aben fönnte. ©ie fanb niemanbcn. S)cfto angeneljmer foax il^r, fi(^ felbft, 10 ba fie ätüifd)en ÄTäutem unb ©efträud^cn l^infrod), unb il)r an= mutigeä £id)t, ba§ fie buri^ ba§ frifdje ©rün bcrbreitcte, ju be» lüunbern. SlEc 23Iätter fd^ienen bon ©maragb, alle SSIumen fiiif ba§ l)errtic^fte berflärt. S5crgeben§ burdjftrid^ fie bie ein» fame 2öitbni§; befto me'^r aber h)ud)§ i'^re -Hoffnung, al§ fie 13 auf biegtüd^e lam unb bon lücitem einen ®Ianj, ber bem il^rigen äf)nlic§ toar, erbtidte. „ginb' id) bot^ enblid; meine§gleid}en!" rief fie an^ unb eitte nad) ber @egenb ju. <Bk ad)tete nid)t bie a3efd)tt)erlid)feit, bur($ (5um|)f unb ^oX)x au triedjen; benn ob fie gleid) auf trodnen Sergtoiefen, in l^ofien gelgriljen am Iieb= 20 ften lebte, geloürj'^afte Kräuter gerne genoB unb mit jartem Xau unb frifd^em Duelltoaffer il^ren Surft gcloö'^nlid^ ftiHte, fo T;ätte fie bod) be§ lieben @oIbe§ ioillen unb in «Hoffnung beä Ijerrlidien £idjte§ oHeS untemomnten, toaS man i|r auferlegte.

©e'^r crmübet gelangte fie cnblic^ 3U einem feudjten 9tieb, 25 Uio unfere beiben Sn.'lic'^ter ljin= unb toieberfpielten. ©ie fdjo§ auf fie lo§, begrüßte fie unb freute fid), fo angenel^me Ferren bon il^rcr S5enüanbtfd)aft ju finben. S)ie ßidjter ftrit^en an i^r l)er, ppften über fie ioeg unb ladjten nad) i§rer SBeifc. „^rau 9Jhd)me", fagten ftc, „tpenn ©ie fd)on bon ber Ijori^ontalen 30 Sinie finb, fo tjat ba3 bo(^ ni(^t§ ju bebeuten; freiließ finb tinr nur bon feiten be§ ©d)ein§ bertoanbt, benn feigen ©ie nur (Ijier nmdjten bcibe flammen, iubem fie i§re ganje 3?reite aufopferten, fid) fo lang unb fpiij al§ möglid^), toic fc^ön un§ .^erren bon

Tai »ätjöeii. 311

bcT Ucrtifatcn iS^inic bicje jc^tanfe Sänge fleibct; ne'^men Sic'ä unä nic^t übel, meine fyreunbin, toeld^e fjamilie fann fic^ beä rühmen? jo lang' Si^tic^ter giBt, 'i)at nod^ !ein§ toeber geicjfen noc^ gelegen." 5 Sic Seetange fül^ltc fid^ in berScgcntoart biejerSJerroanbten fe^r unbe^aglid^, benn fie mochte ben Siop] jo f)oä} lieben, aU fic iDottte, jo füllte pe boc?^, ba§ fie i^n toieber jur Grbe biegen niuBte, um üon ber ©teKe ju fommen, unb Ijatte fie fid) öor^er im bunfeln ^ain au^erorbentlid) tool^Igefallen, fo jdfjien il^r

10 6Ianä in ©egentoart biejer 23ettem fid^ jeben Slugenblicf 311 ücr= minbcrn, ja fie fürrf)tcte, ba§ er cnblidj gar öerlöjc^en toerbe.

2|n biejer Sßerlegen'^eit fragte fic eilig, ob bie ,^crrcn if)r uic^t üna dladjxiäjt geben üjuntcn, too ba§ gtänjenbe @olb l^ertommc, ba§ öor furjeni in bie greläftuft gefallen fei; fie ber^

15 mute, fei einSotbregen, ber unmittelbar bom^immel träufle. 2;ie Srrlic^ter lachten unb fcf)üttelten fid), unb fprangen eine gro^e531engc@oIbftü(fc um fic l^erum. S)ie ©cE)Iange fut/r fc^ncU bamad^, fie p öerfd)üngen. „2a^t Qua) fdjmedfen, grau 5Jlu^mc", fagten bie artigen .g)erren, „toir lönnen nod^ mit mrl^r

20 aiifroarten." Sic fdjütteltcn fid^ nod^ einige 5JlaIc mit großer SBe^enbigfcit, fo ba^ bieSdjtangc faum bie foftbareSpeifefdmell genug l^inunterbringcn fonnte. gic^tlic^ fing i^r Schein an ju toad^fcn, unb fic leud^tete wirftid^ auf§ l^cnlic^fte, inbe§ bie Snlid^ter jiemlid) mager unb ftcin gemorben njaren, ol^nc jebod)

25 öon i^rer guten 2aune ba§ minbefte ju bertieren.

„3c^ bin eud^ auf ctoig bcrbunbcn", fagtc bie Sd^Iange, nac^bem fie bon it^rer ^Jlal^tjeit njieber ju Sttem gefommen luar, „forbert bon mir, bjaä i(;r mollt; n)a§ in meinen ilräftcn ift, loill id) euc^ leiften."

80 „9ted^t fd)ön!" riefen bie ^vrlid^tcr; „fagc, Ujo njotjnt bie fd)öne ßilie? t^\d)x^ unä fo fc^ncll aU möglich ,^um '|^a(aftc unb (harten ber fc^önen 2i(ic, toir fterben bor Ungebulb, un§ il^r 311 %ü^m ujerfen."

„S^iefen S)ienft", bcrfc^te bie Sdjtangc mit einem tiefen

312 Untfr^altunaen beutfc^er auSgeroonbetten.

Seufzer, „!ann iä) cud^ jogtcic^ nid)! Iciften. 2)ic jd)önc Sifie iDo^t leibcr jenjeit bc§ Söafferä." „Senfeit be§ äöaffcr.^! Unb inir toffeu unä in biefer ftiirmiT(f)cn ^^lad^t überfe^en! toic graujam ift ber t?ftu§, bcr un§ nun jdjieibct! foEte nic^t möcj« lid) jein, ben Tillen tüicber ju errufen?" 5

„©ie luürben \\i) Derge6en§ bemühen", berie^tc-bie ©erlange, „beim iüenn Sic if)n aud) felbft an bent biegfettigen Ufer nn=' träfen, fo Würbe er ©ie nidjt cinnel^inen; er borf jebermann Ijerüber, nicnianb l^inüber bringen." „S)a I^aben ttiir un§ fd)ün gebettet! ®ibt benn fein anber bittet, über ba§ SSaffer ju 10 fommen'?" „5Iod) einige, nur nidjt in biefem 3lugenblid. ^ä) felbft fann bie Jpenen überfe^en, aber erft in ber3)^ittag§ftunbe."

„5Da§ ift eine 3eit, in ber wir nic^t gerne reifen." „©0 fönnen ©ie abenb§ auf bem©d)atten be§ ütiefen l^inüberfal^ren."

„SBic gel§t ba§ ju?" „2)er gro^e Stiefe, ber nidit Weit öon 15 l^ier iüo^nt, bermag mit feinem Körper ni(^t§; feine^änbe lieben feinen ©troiyfjalm, feine ©d)ultern würben fein üteisbünbet tro= gen; aber fein ©diatten bermag öiel, ja aEe§. S)e§wegen ift er Beim 3lufgang unb Untergang ber ©onne am mäd)tigften, unb

fo barf man \iä) abenb§ nur auf ben ^^iadcn feinet ©d)atten§ 20 fe^en, ber S^tiefe ge^t alSbann fad)te gegen ba§ Ufer ju, unb ber ©djatten bringt ben SBanberer über ba§ SBaffer l^inüber. SBol» len ©ic aber um 9Jiittag§5eit fid| an jener SBatbedfe einfinben, Wo ba§ ©ebüfc^ bic^t an§ Ufer ftöp, fo fann id) ©ie überfe^en unb ber fd)önen ßilie borftellen; fdjeuen ©ie l^ingegeu bic 9Jiit= 25 tagglji^e, fo bürfen ©ie nur gegen Slbenb in jener gelfenbudjt ben üiiefen auffud)cn, ber fic^ gewi^ red^t gefällig jeigen Wirb."

5]tit einer leichten 25erbeugung entfernten ficf) bie jungen Irenen, unb bie ©d)Iange War aufrieben, bon il^nen Io§äufom= men, teit§ um fid) in il^rem eignen Sichte ju erfreuen, teilö eine 30 ^^leugierbe ju befriebigen, bon ber fie fdion lange auf eine fonber= bare Söeife gequält Warb.

^n ben getsftüften, in bencn fie oft Xfm^ unb Wieberfroc^, l^atte fie an einem £)rte eine feltfame (Sntbecfung gcmad)t. S;enn

tat Wärc^cn. 313

oB fic Qtci(^ burd^ biejc SlbQrüiibc oI)nc ein ßtc^t ju fricd^cn 90= iiütiget toax, fo fonntc fic bod^ burdE|§ ©efü^^l bie ©egenftänbe xcd)t tco^I unterirf)ciben. *)lur unregelmäßige DJahuprobufte war jtc getool^nt, überatt ju ftnbcn; balb fcf)tang fie fic^ jtoifcfien

5 beit 3arfeu großer ^ri^ftaüc l^inburc^, balb füfittc ftc bie ^attn iinb |)aare be§ gebiegenen Si(ber§ unb Brad)tc ein= unb beu anbcm ßbelftein mit flc^ an§ Sic^t l^crtoor. S)od^ l^atte fic ju i^rcT großen SSertounbcrung in einem ringsum berjd^Ioffencn geljen öcgenftänbe gefü'^ü, toetc^e bie bilbenbe ^anb be§ 2)len=

10 f{^en Verrieten: gtaüc SBänbe, an benen jic ni($t ouffteigen fonnte, fcfiarfc, regelmäßige Äanten, tDoI)(gebi(bete Säulen unb, toa^ if)r am fonberbarften öorfam, menidjücfje Figuren, um bie jie ftc^ mef)rmaB gejd^tungen l^atte, unb bie fte für ©rj ober Qußcift polierten ^itarmor l^aüen mußte. 2llte biefeßrfa'^rungen

15 ioünidf)tc fic no(^ jule^t burc^ ben Sinn be§ 2Iugc§ äujammen» äufoffen unb ba§, toaS fic nur mutmaßte, 3U beftätigen. 8ic glaubte fic^ nun fä^ig, burc^ il^r eigne» Sic^t biefeä ©unberbare unterirbiid)e ©emölbe ju erleuchten, unb ^offte ouf einmal mit biefen fonberbarcn öegenftänben ööllig befannt ju tocrben. Sie

20 eilte unb fanb auf bem gewohnten Söege balb bie JRilje, burd) bie fic in ba§ Heiligtum ju id)leid^en pflegte.

5llö fic fic^ am Crtc befanb, fal) fie ]\ä} mit 5^eugier um, unb obgleich i^r 6(^ein alle ©egenftänbc bcr 9?otonbe nid)t er» leuti^tcn fonntc, fo ttjurbcn i^r bod) bie näd)ften beutlid) genug.

25 ^JJHt ßrftaunen unb (?^rfurd)t fa^ fic in eine glänjenbe Üüfi^c I)inauf, in ft)eld)er baä 93ilbni§ eine§ e^rtoürbigen Äönig'3 in lauterm ©olbc aufgeftcllt loar. S)em Dbß nad^ loar bie iBilb» faule über ^enfc^cngrößc, bcr ©cftalt nad^ aber ba§ S3ilbni'3 e'^er eineä flcinen aU cineä großen ^lanneä. Sein tt)ül)lgcbil=

80 bcter ßörper toar mit einem cinfad)en Hantel umgeben, unb ein 6id)enfranj t)iclt feine .^oarc äufammcn.

Äaum t}attc bie Sd)langc biefcö e^rtuürbigc 93ilbni« angc« blidt, alä bcr .ß5nig ju rcben anfing unb fragte: „SBo fommft bu i)aV' ,'ilni bcn AUüftcn", öcrfol|te bie £d)langc, „in

314 Unterhaltungen bciitfc^er Ü(u3(ien>onbei°t;'n.

bciten ba§ ®oIb tooljut." „SBaS ift l)cnlid)er at§ ©ütb?" fragte ber dortig. „S)a§ 2id)t", anttoortete bie Sd^tange. „2öa§ ift erqutrflidf)eral§2idf|t,?" fragte jener. „S)a§ ©ejpräcl)", anttoortete bieje.

©ie I)atte unter biefen Dieben Beifeite gef(i)ielt unb in ber s näd)ften 9iijd)e ein anbereS l^errlid)ea33ilb gefeiten, ^n bcrjelkn \a^ ein filberner ilönig öon langer unb e^er fdinmditiger ®e== ftalt; fein ^ör^jcr toar mit einem lier^icrtcn ©emanbe üBerbcrft, Ärone, ©ürtel unb Sjc^tcr mit ©bclfteincn gefd^müdft; er l^atte bie ^eiterfcit be§ ©toljcg in feinem 5Ingefid;te unb fc^ien eben lo rcbcn äu rtoUcn, al§ an ber marmornen Söanb eine 5Xber, bie bunfelfarBig I;inburd)lief, auf einmal I;eÜ toarb unb ein ange« nel^me§ ßid)t burd) ben ganjcn S^emjjel öerBreitete. Sei biejem fiid)te fal^ bie ©d)lange ben brüten ^önig, ber bon ©rj in mäd)= tiger ©eftatt ba fa|, fid^ auf feine ^eutc lel^ntc, mit einem ßor= i5 Beerlranje ge|d)müdt toar, unb el^er einem f^elfcn aU einem ^JJlen|d)en gUc^. ©ie tooHte \\d) naä) bem feierten umfeljen, ber in ber größten Entfernung bon il^r ftanb, aftcr bie Wamx öff= ncte fid) , inbem bie erleud^tete 2lbcr toie ein S3ti^ jurfte unb t)erfd)loanb. 20

6in 5Jlann öon mittlerer ©rö^e, ber t;crau§trat, jog btc 3lufmer!iam!eit ber ©ditange auf fid). @r loar at§ ein S5aner ge!(eibet unb trug eine fteine ßampe in ber .^anb, in bereu ftille glammc man gerne l^ineinfa"^, unb bie auf eine tounberBare SBeije, o'^ne aud) nur einen ©diatten äu ioerfen, ben ganjen S)om 25 crt^eÜtc.

„äßarum lommft bn, ba loir ßic^t l)abmV' fragte ber gol= bene ^önig. „^^'^r toi^t, ba^ ic^ ha§ S)unl(e nid}t crleud)ten bavf." „ßnbigt fid£) mein Steid)'?" fragte ber filBerne ^önig.

„Spät ober nie", berfeijte ber 3IIte. 30

9Jiit einer ftar!en ©timme fing ber e'^cmc ÄiJnig an ju fra= gen: „äßann toerbc id) auf|tcl)n?" „33atb", berfe^te ber Süte.

„5Jtit tticm füH id) mid) öerBinben?" fragte ber Äönig. „Wit beinen altern S3rübern", fagte ber ?Utc. „2Ba8 loirb

^8 roari^cn. 815

au8 bcm jüngften tocrbcn?" fragte bcr Äöuig. -- „6t toirb fic^ jc^en", jagte ber 9lltc.

,,^6) bin m6)t mübc!" rief bcr bicrtc^önigmit einer raupen, flottemben Stimme.

5 £;ie 8dE)Iange njar, inbeffcn jene rebeten, in bem 2^em^cl Icijc ^cnimgcidjtidjen, l^attc alleä betrachtet unb beiol^ nunmehr ben lüci-ten ^önig in ber 9JäIje. 6r ftanb an eine Säute getcl^nt, unb feine anfet)n(id)e ©eftalt icar el^er fd^tocrfäHig aU fd)ön. ^(Ilein ba§ Metall, ftiorau» er gcgoffcn toar, fonnte man nid)t

10 (eidjt untcrjd^ciben. öcnau betrachtet, ttjar eine 3Jliid}ung bcr brci ^Jtetalte, au§ bencn feine SSrüber gebilbet toaun. Wim beim ©uffe fd)ienen bicfe ?llatcrien nid)t rec^t äufammenge^ ^motjen ju fein; golbne unb fitberneSIbem liefen unregelmäfiig burtJ^ eine el^enic 3)taffe l^inburd^ unb gaben bem 58ilbe ein un=

15 angene^mei 9lnfel^n.

2fnbeffen fagte ber gotbne ^önig jum 5Jlanne: „2öie Diel 05ef)eimniffe »eiBt bu?" „S)rei", berfc^te bcr Sitte. „23el= c^eg ifl ba§ toic^tigfte?" fragte ber filbeme ÄiJnig. „S)a§ offenbare", öcrfe^te ber 9tlte. „9SiÜft bu ami) unS eroff^

20 ncn?" fragte ber eherne, „©obalb id) ba» öierte toei^", fagte ber 5nte. „SBo§ Üimmcrt'ä midt)!" murmelte ber äujammcn= gcje^te 5l5nig bor ftd) l^in.

„3d) toeip baö öierte", fagte bie (5d)lange, nä'^ertc fid^ bem ?(ttcn unb jifi^te it)m etwaS in§ O^r. „Gä ift an ber 3eit!"

2o rief ber Sitte mit gewaltiger Stimme. Ser Sempel fcf)allte loie^^

ber, bie mctaEcnen ^öitbjäulen tlangcn, unb in bem Slngcnblitfc

DerfanI ber Sllte nad) SSeftcn unb bie £d)lange mä) Often, unb

jcbe^ burd)ftrid) mit grojjer Sonette bie Klüfte ber Reifen.

Slüe ©ange, burd) bie ber Slltc l^inburd)lDanbclte, füllten

80 fic^ f)intet i^m fogleid) mit 6olb, benn feine S^ampe l;atte bie löunberbarc Gigenid)aft, alle Steine in öolb, allcö .ipolj in Sil« ber, tote 2iere in (fbelfteine ju bertuanbeln unb alle ^Jletalle ju 3einicl)tcn; biefc SKirtung ju äufjcrn, niuBte fic aber gan^ allein lcud)tcn. SiHMin ein anber 2id)l neben \{)x unir, luivftc fic nur

310 UiiU-r^altungtn beutfc^er 9(u8aeroanbmcn.

einen jrfjönen l^ellen ©c^ein, unb aUcä Sebenbige toarb immer bur(^ fie erquicft. '

S)cr Stltc trat in jeinc -glitte, btc an bem SSergc angeBanct loar, unb fanb jein SBeit» in ber größten SetrüBniS, ©ie \a^ am gelier unb tucinte unb fonnte fi(i| ni(f)t jufrieben geBen. „2Bie s ungtiicf ürf) Bin idj", rief fie au§, „tüottf id) bi(^ I)eute bod) nic^t fovttaffen!" „SBo^ fliBt benn?" fragte ber 5tlte ganj rutjig.

„^aum Bift bu Weg", fagte fie mit (Sd)tu(fi3en, „fo fommen ätDci ungcftüme Söanberer bor btc 2iirc; unt)orfid)ttg laffe id) fie t)erein, fd)ienen ein ^aar artige, red)t(id)e ßeute; fie toaren lo in Ieid)tc f^Iammen gefteibet, man ^ätte fie für ^rrtid^ter 'galten fönnen: faum finb fie im ^aufe, fo fangen fie an, auf eine un« Derfdjämte SBeife mir mit äöorten ju fd)meid)cln unb toerben fo jubringlid), ba§ iä) mid) fi^äme, baran ju benfen."

„9lun", öerfe^te ber 5Rann läd)clnb, „bie.g)cn;en IjaBen toofjt 15 geidjerät; benn beinern 9llter nad) follten fie tooljt Bei ber aE= gemeinen .g)öfüd)feit gelaffen l^aBen."

„äöa§ Sllter! Sttter!" rief bie r^xau; „foH iä) immer Bon meinem 2llter ^ören? 2öie alt Bin i(^ benn? ©emeinc ^öfUd^^ feit! ^ö) tt)ei| bod), tua§ iä) U)ei|. Unb fiel^ bid) nur um, toie 20 bie 2Bänbe au§fet)en; fiel^ nur bie alten ©teine, bie iä) feit ^un= bert 3ffi^)i^fi^ ^^t me'^r gefe^en l^aBe; aEe§ @olb l^aBen fie ljer= untergeledt, bu glauBft nid)t, mit meld^er SSe'^enbigfeit, unb fie t)erfid)erten immer, fc^mede biel Beffer al§ gemeine^ @otb. %{§> fie bie SBänbe rein gefegt Ijatten, f(^ienen fie feljr guteS 25 ^JJliite§, unb getüi^, fie ftaren auä) in furjer Sät fe^r biel größer, Breiter unb glänjenber getoorben. 9Zun fingen fie il^ren 5Jhit= tüiüen t)on neuem an, ftreic^elten mic^ toieber, l)ie§en mic^ i^re .Königin, fi^üttetten fi(^, unb eine 5Jlenge ©otbftüde fprangen l^erum; bu fie^ft nod), toic fxe bort unter ber 58anf leuchten; aBer 30 toeld) ein Unglüd! unfer ^lop§ fra§ einige baöon, unb fiel}, ba liegt er am 5lamine tot; ha§ arme 2ier! id) !ann mi^ nii^t äu= frieben geBen. 3ic^ fa^^ erft, ba fie fort Waren, benn fonft l;ätte id) nid)t üeijprodjcn, i'^re ©d)ulb Beim ^yäljrniann aB^utrogen."

Tai Kar<5fn. ol7

„5öa§ fmb fte fd^ulbtg?" fragte ber 3llte. „S)m S^o^U l^äuptcr", fagtc bic grau, „brei Slrtifdfiorfen unb brci 3tüiebcln; tocnn cS Xag luirb, l^abe ic^ berJVrod)en, fie an ben 5tu0 jii tragen."

5 „S)u fannft tf)ncn ben (Befallen tun", fagte ber 3ntc, „bcnn fie toerben unä gcIegentUc^ aucf) »ieber bienen."

„Ob fic un§ bienen toerben, ttjei§ iä) nid^t, aber berfproi^cn unb Beteuert l^aben fic eB."

Sinbcffen toar ba§ fyeuer im Äaminc äufammcn gebrannt,

10 bei* ^Ite überwog bie flotjtcn mit öietcr Slfc^c, f (Raffte bie leuc^- tenben (Bolbftürfe Beifeite, unb nun Icud^tete fein l'äm^d^en tDic= ber allein, in bcm jd^önften ©tanjc, bie Ü?lauem überjogen \iä) mit @oIb, unb ber 3)lop§ mar ju bem fd^önften Cnt)j getoorben, ben man ftd^ benfen fonnte. Sie ^IBmedjjcIung ber Braunen unb

15 f^marjen garBe be§ foftbaren ©efteinä mad^te ifjn jum felten= ften ihinftroerfe.

„^imm beinen S^oxb", fagte ber ^lik, „unb fteHe ben Cntjj l^inein; at§bann nimm bie brci Äot)r§äupter, bie breiSlrtifd^odfen unb bie brei ^öJieBetn, lege fie umfjer unb trage fie jum gtuffc.

20 ®egen 5)littag la^ bi(^ Bon ber Sdjlange üBerfe^en unb Bcfurfje bie fd)öne fiilie. Bring' i^r ben Ont)j, fie mirb i^n burd^ it)re S3erül)rung leBcnbig mad)en, mie fie afleä ScBenbige burc^ i^re S3erüt)rung tötet; fie mirb einen treuen ©cfä^rten an it)m l^aBen. 6age i^r, fie foUc ni^t trauern, i^rc Grlöfung fei naf|c, baä

25 griifete Ung(ücf fönnc fic aU baä größte ©lüdE Betrad^ten, benn ii fei an ber 3fit-"

S)ic ?tlte padte il^ren ÄorB unb mad^tc ftd), aU 2;ag mar, auf ben SGßeg. Sie aufge'^enbe ©onne fd^ien t)el( über ben gfu^ Ijcrüber, ber in ber gerne glänzte; baä SBeib ging mit Iang=

80 famem ©d^ritt, benn ber ÄorB brüdttc fic aufä ^aupt, unb mar bod^ nic^t ber Cnl)j, ber fo laftcte. Sllleä lote, maä fie trug, füf)tte fie nic^t, üietmet)r ^oB fid) al«5bann ber Sioxh in bie ^bifc unb fc^meBte üBer i^rem .g>au^)te. SlBcr ein frifd)cä Öicmüö über ein f(cincsj leBenbigcä Tier ju tragen, mar i^r äujierft Bcfdjmcr»

318 nntet^gfainaen beutfd^cr gugfleroanberten.

lid^. JBerbrteBttd^ toar fic eine Zeitlang ^tnöcgangen, at§ fiz auf einmal erfdjrerft ftille ftanb; benn fie ptte ficinaljc auf ben ©d)attcn be§ ^liefen getreten, ber fic^ üfcer bie 6Bene biä ^n \l)x tjin erftrerftc. Unb nun fa:^ ftc erft ben gewaltigen 9iiefen, ber fic^ im ^hi^ geBabct Tratte, au§ bem SBaffer I)crau§fteigen, unb 5 fie trübte nidjt, toie fie iljm auSloeirfien foKte. ©oBalb er fic gewahr tvaxh, fing er an, fie fc^erj^aft au Begrüben, unb bie ^änbe feineS Sdjattenä griffen fogleid) in ben ^orB. 2Jlit 2cirf)= tigfeit unb ®efd)icfüc^feit nal^mcn fie ein Äütllfjaupt, eine ?lrti= fd)odEe unb eine 3toie6el l^eraug unb Bradjten fie bem ^üefen lO äuni gjlunbe, ber fobann toeiter ben glu^ ^inouf ging unb bem 2öei'6e ben Söeg frei lie^.

©ie Bebac^te, oB fie nid)t lieBer äurüdgef;en unb bie fehlen« hin <5tüde au§ il^rem ©arten toieber erfe^en foEte, unb ging unter biefcn 3tüeifeln immer toeiter bortoärtä, fo ba§ fie Balb js an bem Ufer be§ gtuffeä anfam. Sänge fa^ fie in ©rtoartung be§ f^ö^^'UflnnS, ben fie enblid) mit einem fonberBarenSiieifenben :§erüberfd}iffen fal^. ßin junger, ebter, f^öner 5Jiann, ben fic nid)t genug anfe^en !onnte, ftieg au§ bem Äa^ne.

„2Ba§ Bringt S^r?" rief ber Sllte. „6g ift bc§ ©emüfe, 20 ba§ @U(^ bie ^nlic^ter fc^ulbig finb", berfe^te bie grau unb tüie§ i^re SBare l^in. 2ll§ ber 2IIte bon jeber ©orte nur ätoei fanb, toarb er berbrie|Ii(^ unb öerfidierte, "ba^ er fie nid^t an- ne'^mcn liJnne. S)ie grau bat i:§n inftänbig, erjal^lte i:^m, ba§ fie je^t nic^t nad§ $aufe gelten fönne, unb ha^ i^x bie 2aft auf 25 bem SCßcge, ben fie bor fi^ l^abe, befdjtoerlic^ fei. ©r blieb bei feiner abfd^täglic^en SInttoort, inbem er il^r berfic^erte, ha^ nid)t einmal bon il^m abfange. „3Ba§ mir gebül^rt, mn^ i<^ neun ©tunben äufammen laffen, unb id) barf nid)tg anne:§men, bis iä) bem glu^ ein Sritteil übergeben ^abt." ^aä) bielem so ^in= unb Söiebeneben berfe^te enblid) ber 5llte: „@§ ift noc^ ein SJiittel. Söenn ^^x ®ud) gegen ben glu^ berbürgt unb Qnä) aU <Sd)ulbnerin befennen mollt, fo ne'^m' iä) bie fec^S ©tüife ju mir, ift aber einige ©efaljr babci." „äöenn iä) mein Söort

toa roar<^cn. 319

l^aÜc, fo taufe ic^ bod^ !cinc @cfa^r?" „^idjt bic Qcringftc eterft 6urc ^anb in ben 5Iu^", fu^r bcr 9(Itc fort, „unb öer= Iprec^t, ba§ 3l^r in öicrunbjnjan^ig «Stunben bic gc^utb ab' tragen toottt."

5 S)ie 5ttte tat'S, aber föie erf(^raf fte nirf)t, aU fic i^re ^anb fo^tjc^loari ttiicberau§ bemSBaffer jog. ©ie jc^att fieftig auf ben 2tltcn, öerfid^erte, ba^ i^ie |)änbc immer ba§ ©d^önftc an il^r getoefcn Ujaren, unb ba^ fie, ungead)tct ber l^arten SlrBeit, biefe ebten ©liebet toeiB unb jievlic^ ju erfiaÜen getou^t ^ate. (Sie

10 &efa| bic ^anb mit großem SJerbruffe unb rief öerätt3eiflung§= öott au§: „S^aä ift noc^ fd)timmer! id^ fe^e, fic i[t gar gcjdjlöun» ben, fie ift öiel f leiner aU bie anbere."

„3c^t jc^eint nur fo", fagte ber %itt, „tuenn ^^x ahn nic^t SOßort l^altet, !ann e3 toa^r iDcrben. £ic ^anb toirb naä)

15 unb nac^ fc^minben unb enbüc^ ganj öerfditDinben, o^nc ba§ Stjr ben @ebrauc^ berfelOen entbehrt. S^r toerbet aUeä bamit üerrid^ten fönnen, nur ba§ fic niemanb fefjen tüirb." „2td) wollte lieber, ic^ fönnte fic nic^t braudien, unb man fä^' mir'ö nid)t an", fagte bie 3Ute; „inbcfjeul^at ba§ nid^tS ju bebeuten,

20 id^ toerbe mein 2öort galten, um biefe fd^toarjc ^aut unb biefe 6orge balb log ju werben." 6i(ig na'^m fie barauf ben Äorb, bcr fic^ ton fctbft über it)ren Scheitel cr^ob unb frei in bie .^ö'^c fct)Wcbte, unb eitte bem jungen ^Dianne nac^, ber fad)te unb in ©ebanfcn am Ufer tjinging. Seine l^errlic^e ©eftalt unb fein

25 fonbcrbarcr Stnjug Ratten fic^ ber 3üten tief eingcbvudt.

©eine 25ruft war mit einem gtänjenben .^parnifdlj bebecft, burd^ ben alle Xcilc feineS fc^öncn ßeibcä fidf) burd^bewegten. Um feine Schultern t)ing ein ^-Purpurmantel, um fein unbcbccfte^ ^aupt wallten braune .jpaare in fd)i3ncn Soden; fein IjoIbcS We»

CO fic^t war ben Straf)tcn bcr <5onnc auägefe^t, fo Wie feine fc^öii» gebauten 5üBc. ^it nadftcn Sorten ging er getaffcn über ben l)ciBen Sanb Ijin, unb ein tiefer Sdjinerj fdjicn alle äuücveu ßinbrürfe abjuftumpfen.

Sic gefpräc^igc lUttc fud^tc i(;n ju einer Unterrcbuiig 311

320 nnter^oltunflen beutfc^er üluSgtttanbertcn.

Bringen, allem er gaö ii)x mit furzen SBortcn tocntg S3c|cT}cib, jo ba§ fie enblic^, ungeactitet fetner jd^önen Slugcn, mübe toarb, if;n immer öergeBenä anjureben, bon il^m 3njid)ieb nal^m unb jagte: „^l)X ge'^t mir au langsam, mein ^en, iä) barf ben fingen« Uid nid)t öerjäumcn, um üfier bie grüne ©d)tangc ben glu^ au s :paiiieren unb ber fcpnen ßilie ba§ öortreffüc^e ©ejc^en! öon meinem 5Jlanne au überbringen." 9Jlit biejen SBorten jc|ritt [ie eilenbä fort, unb ebenjo jc^uett ermannte [ic^ ber fd^önc Jüngling unb eilte if^r auf bcm ^^u^e nad). „^Xjx ge{)t aur fd)önen 2iüe!" rief er au§, „ba gcf)cn toir einen Söeg. SDßa§ ift ba§ für ein lo ©efi^en!, ba§ S^r tragt?"

„5)kin $err", berfe^tc bic ^rau bagcgen, „c§ ift nid^t bittig, nac^bem ^1)i meine Srwgen fo einfitbig abgelel^nt l^abt, 6u(^ mit foId)er 2ebl)aftig!eit nad^ meinen @el)eimniffen au erfnn» bigen. Söottt ^1)x aber einen 2:aufc§ eingetjen unb mir 6ure is ©c^icffale eraä^Ien, fo toitt id) @ud) nidjt berbergen, mie mit mir unb meinem ©efc^enfe ftel)t." (Sie tourben batb einig; bie f^rau öcrtraute it)m ii^re SJer'^ältniffe, bic ©efdjic^te be§ ^unbe§, unb lie^ it)n babei bag tounberöotte ©eid)enf betrad)ten.

@r 1)ob fogIeid§ ba§ natürlid)e Äunfttocrf au§ bem Äorbe 20 unb nat)m. ben 2Jlo:p§, ber fanft au rul^en festen, in feine Slrme. „®Iüdli(^e§ Sier!" rief er au§, „bu mirft bon il^ren ^änben be« rüfirt, bu mirft bon i'^r belebt toerben, anftatt ba& Sebenbigc bor il^r flietjen, um nid^t ein traurige^ (Sd^idfal au erfal^ren. S)od) ma§ fage ic^ traurig! ift nidf)t biel betrübtet unb bäng= 25 lid£)er, burd) il^rc ©egentoart gelähmt au toerben, aU fein mürbe, bon i'^rer^anb au fterben! Siel) mid§ an", fagte er au ber eilten; „in meinen 3t<i'f)i'en, toeld^ einen etenben ^uftanb niu§ id) erbutben. S)iefen ^arnifd), ben i^ mit 6I;ren im Kriege ge= tragen, biefen ^Purpur, ben ict) burd) eine toeife Stegierung au so berbienen fud£)te, 'i)at mir ba§ ©djidfat gclaffen, jenen al§ eine unnötige Saft, biefen aU eine unbebeutenbe 3iei^i'C- ^"one, ©achter unb ©dimcrt finb l^inmeg, ic£) bin übrigen^ fo nodt unb bebürftig al§ jeber anbere ©rbenfo^n, benn fo unfelig toirfen

t^t warctnt. 821

{i)xt fd^önen blauen 5tugen, bay fic aßen IcBcnbtgen aBejcn i^re Äraft nel^mcn, unb ba^ biejenigen, bic il^re berüf)renbe ^anb nic^t tötet, fxd) in ben 3ui'tanb (ebenbig loanbelnber (£d)atten terjc^t führen."

s ©0 ]u^x er fort ju flagen unb Befriebigtc bic ^fleugierbc ber eilten feinestoegS, tocld^c nid^t foWo'^I bon feinem innem aU bon feinem äußern 3uftanbe unterrid^tct fein tooHte. ©ie erfu'^r toebct ben ^tarnen feineä S5ater§ nod^ feineä ^önigreicf)^. 6r ftreic^ette ben 'garten SSlop^, ben bie ©onnenfttat)Ien unb ber

10 manne SSufen beS 3üngling§, aU toenn er lebte, erwärmt :^atten. 6r fragte öiel nad^ bem 5)]ann mit ber ßampe, nac^ ben 2Bir= fungen be§ '^eiligen ßid^te§ unb fd^icn fid^ baüon für feinen trau» rigen 3uftanb fünftig öiet ®ute§ au t)erfj)rc(^en.

Unter biefcnöefprä^en fallen fie öon ferne benmojeftätifc^cn

15 Sogen ber S3rücfe, ber öon einem Ufer jum anbem t)inüber« reichte, im ©tanj ber (Sonne auf ba§ tounberbarfte fcfiimmcrn. Seibc erftaunten, benn fte l^atten biefeS ©ebäubc nod^ nie fo ^erxlici^ gefe^en. „2Sie!" rief ber ^prinj; „toar fic nit^t fc^on fc^ön genug, aU fte bor unfern klugen toie öon 3afpiä unb ^ra=

20 fem gebaut baftanb? ^u^ man nid^t fürd^ten, fte au betreten, ba fte aug ©maragb, (TEir^fopraS unb ß^r^fotit^ mit ber an= mutigften 5Jtannigfattigfeit jufammengefc^t erfcfieint?" 93eibe wußten nic^t bieSöerönberung.bie mit ber Schlange öorgegangen ttjor: benn bie Scf)longe toar e3, bie ftc^ jeben 5Rittag über ben

25 5(uB l^inüber bäumte unb in ©eftalt einer fü^ncn 3?rü{fe ba« ftanb. S)ie SBanberer betraten fte mit ß^vfurcEit unb gingen jd^toeigcnb hinüber.

Sie toaren faum am jenfeitigen Ufer, aU bie Srücfc fic^ ju fc^wingcn unb ju bemcgcn anfing, in furjem bie Oberfläche beS

80 aCßaffcrg berührte unb bie grüne (Sd^Iange in il^rer eigentüm« Iict)en ©eftalt ben SGßanberern auf bem ßanbe nad)glcitcte. 33eibc l)atten faum für bie ©rlaubniä, auf i^rem JRücfen über ben 2fl»B ju fe^en, gebanft, alä fie bemerften, baf[ aufeer if)ncn brcicn noc^ met)rere 'i^Jerfünen in ber (äJefcHid^aft fein müßten, bic fie jebod^

«oet^e. X. 21

822 nnter^oltungen beulf(5er KuBgemanbertcn.

mit iljicu klugen nid)t evBIidfen louuten. ©ie l^öiten neBen ftc^ ein ©e^ifc^, bcm bie Schlange gleidifallg mit einem ©cjiii^ ant» iDortete; fic l^ord^ten anf nnb fonnten cnblid^ folgcnbeS ber» ncl^men: „9Bir tociben", jagten ein paax tüedjfetnbe ©timmen, „unä erft intognito in bem ^axt ber fd)önen ßilie umfct^en, unb 6 ci-fu(i^en @uc^, un§ mit2lnbru(^ htx^aäft, jobatb toir nur irgenb ^räjentaBel finb, ber öoEfommencn ©d)önl^eit öoräufteöen. Sin bem 9tanbe beä großen ©eeg toerbet 3f^r un§ antreffen." „6ä bleibt babei", antiuortete bie ©d) lange, unb ein äif(^enber ßaut berlor fid§ in ber £uft. lo

Unfere brei äöanberer berebeten \iä) nunmeljr, in toeld)er Drbnung fic bei ber ©c^önen bortreten looHten; benn fo toiel ^erjonen aud) um fie fein fonnten, fo burften fie bod) nur ein» jcln lommen unb ge^en, loenn fic niifit entpfinblid^e ©c^merjcn erbulben follten. 15

S)a§ Söeib mit bcm bertoanbelten |)unbe im Äorbe nal^tc fic§ juerft bem ©arten unb fud^te il^re ©önnerin auf, bie leidet ju finben toar, treit fie eben jur .^arfe fang; bie lieblid^en 3;öne jeigten fid) erft aU 9fiinge auf ber Oberfläd)e be§ füllen ©ee§, bann toie ein leid)ter .^auc^ fe^en fie (Sra§ unb SSüfc^e in S5e= 20 tuegung. 5luf einem cingefc^loffenen grünen ^la^c, in bem ©(Ratten einer l^errlidien ©ruppe mannigfaltiger SSäumc, fa^ fie unb bezauberte beim erften Slnblid aufä neue bie Slugen, ba§ £)^r unb ba§ ^erj be§ 3Beibe§, ba§ fi(^ il^r mit ßntäüden näfjerte unb bei fidi felbft fc^tour, bie ©d)öne fei toaijrenb ilirer 25 Slbtüefenl^eit nur immer fd)öner getoorben. ©c^on bon toeitem rief bie gute ^^tau bem liebcnSmürbigften 5)läbd)en ®ru| unb 2ob ju. „3öel(^ ein ©lud, (5ud) anjufe^cn, toeld) einen .g)immel berbreitet 6ure ©egentoart um @ud) l)er! 2Bie bie ^arfe fo rei= jenb in ©urem ©(^o^c lel^nt, toie Gure Slrme fie fo fanft um= so geben, toie fie fi^ na^ ©urer SSruft ju f eignen fd)eint, unb luie fie unter ber S5erü!§rung6urer fd) lauten fjinger fo järtlid^ !lingt! S)reifa(^ glüdlic^er Sü^Ö^^^Ö' ^^^ ^^ i^i^c" ^^^^ einnel^men founteftl"

5Dat mttt^m. 323

Unter biejen SBortcn toar fie näl^cr gcfommcn; bic jd)öne ßitie jd)tug bie klugen auf, lie^ bie .g)Qnbc fmten unb öcrfe^tc: „Sctriibc mt(^ nic^t burc^ ein unjeitigeä 2ob, ic^ cmprinbc nur bcfto ftärfcr mein UngtücE. ©icl^, ^icr ju meinen i^ü§en liegt

6 bcr arme jlanaricnöogel tot, ber jonft meine Sieber auf ba§ an= genc^mfte begleitete; er toar getoöi^nt, auf meiner .^arfe ju filmen, unb forgfältig abgericf)tet, mid^ nid^tjuberüljren; I)eute, inbcm id), Uom Schlaf erquicft, ein rul^ige§ lllorgenUeb anftimme unb mein Heiner (Bänger munterer aU jematä feine l^armonifd^en

10 2öne l^ören lä^t, jc^ie^t ein ^abi(f)t üljer meinem Raupte l^in; ba§ arme Keine 2ier, crfc^rocfen, flüd)tet in meinen S3ufen, unb in bem ^(ugcnblidE füt;l' tc^ bic legten 3ucEungen feine» fdieiben» ben Öeben§. 3^^^ öon meinem SlicEe getroffen, fc^Ieid^t bcr JRäuber bort o^nmäd§tig am SBaffer ^in, aber ma§ fann mir

15 feine Strafe l^elfen, mein fiiebling ift tot, unb fein @rab toirb nur ba§ trourigc @c6üfc§ meinet ©artend öermel^ren."

„ßrmannt (knä), fc^öne ßitie!" rief bic \^xau, inbem fic fcHift eine Sräne abtrodEnetc, toelc^c i^r bie ßräö^Iung be3 un» gtüctticE)en 5Jtäbd^en^3 au§ ben 3lugen gclocEt l^attc, „neTjmt (Sud^

20 jujammen, mein 9Uter Iä|t 6u(^ fagen, ^^x foEt 6urc Trauer mäßigen, baä größte UnglüdE al3 Jßorbotc be3 größten ©lüdfä anlegen; benn fei an ber 3"*» unb toatirl^aftig", ful)r bic \mte fort, „cä get)t bunt in ber SCßcIt ju. Se'^t nur meine ^anb, wie fte fd^toarj geworben ift! toal^rl^aftig, fie ift fd^on um öiclc3

25 f (einer; id^ mu§ eilen, el^' fie gar öerfd^ttinbet! Söarum mu^f id^ ben 2[rrlid)tern eine @efättigfeit erzeigen, toarum mu^t' ic^ bcm ^Riefen begegnen unb toarum meine ^anb in ben glu^ taud^cn? ftönnt 3^t mir nid^t ein S^ot)lf)a\i^t , eine Slrtifc^odfc unb eine S^icBel geben? fo bring' id^ fie bem ^in^t, unb meine

80 -Oanb ift toei^ toic öorI)cr, fo ba^ idf) fie faft neben bie (Jurige t)atten fonnte."

„Äol)lI}äuptet unb S^icbetn fiJnntefl bu aUenfaÜä nod^ ftnbcn: aber 5lrtifdE)orfen fud^eft bu bcrgebenS. Stile ^flan^en in meinem großen ©arten tragen nicber iHütcn nod) Oftüdjte; aber

21*

fl24 tlnter^attungen beiitfdjer HuSg'wonfctrt''«-

jcbcä ytei§, baö id) brccl)e imb auf baä &xab ciiieB 2icBtins§ Vflanjc, grünt jogleid^ unb ]d)\t^t X)o6) auf. SlUc bicfc ®tu^))3cn, biefe Süjc^e, bicfc ^aine l)abe. id) Icibcr tuadifcn feficn. S)ic ©c^irmc bicfer 5|.Uuien, bie Dbeligfen bicfer 3t)pteffen, bic Sto= toffen öon @td)en unb 93ucE)en, aKe§ )x>axtn üeine 9ieifcr, at§ ein 5 traurige^ SDenfnial bon meiner .^anb in einen fonft unfruc[)t= Baren SBoben ge^jflanjt."

S)ie 3ltte f)atk auf biefe 9kbc tuenig act)t gegeben unb nur i'^rc ^anb betrachtet, bie in ber ©egenlüart ber fdjönen 2ilie immer fcfitüärjer unb Don 5Jlinute ju 5Jtinute fteiner äu tücrbcn lo fd)ien. <5ie loottte ifiren ÄorB net)men unb efien forteilen, aB fie füf)lte, ba| fie ba§ S3efte bergeffen l^atte. ©ic f)nb fogleid) ben bertoanbelten ^unb l^erau» unb fe^te i^n nidit toeit bon ber ©diönen in§ ©rag. „3)lein 2)lann", fagtc fie, „fc^idt Qua) biefe§ ?lnbenfen; ^X)X tuip, ba§ ^l)t biefen (ibelftein burc^ 6urc is 33erü'^rung fieteten fönnt. S)a§ artige treue STier toirb (5u(^ gctoil öiel fjreube madjen, unb bie S3etrübni§, ba| id§ ttju ber= lierc, fann nur burc^ ben ©ebanfcn aufgel^eitert toerben, ba| SDr i^n Befi|t."

S)ic fd)öne Silie fal) ba§ artige 2;icr mit S3ergnügen unb, toic 20 fdjien, mit SSerUJunberung an. „6§ fommen biele 3ei(i)cn 3n= fanimen", fagte fie, „W mir einige Hoffnung einflößen; aBcr aii)\ ift nid^t blo^ ein äöalju unfrer 9latur, ba| toir bann, toenn bietet Unglüd äufommentrifft, un§ borbilben, ba§ 33eftc fei na'^'.

„SSa§ r^clfen mir bic ütclen guten 3ci(^en? 25

S)c§ SBogelä Sob, ber grcuubiu i'd)Juarjc ^anh? S)er 2Kov§ üon ©belftein, l^ot et rtio^I feineggleic^eu? Unb l^at ifyx nic^t bie Sampe mir gefanbt?

„Entfernt bom füfecn mcnfcfjltd^cjt ©enuffe, ©in i(^ boc^ mit bem 3ammcc nur nertraut. so

Sii<i}\ uiormn fielet ber S:enipcl nic^t am %hi]\t\ ?ld^! tearum ift bic Srücle nid^t gebout!"

Ungebutbig l^attc bie gute grau biefem ©efangc äugcljört, ben bie fdjönc 2i(ie mit ben angenctjmen 2:iJncn iljrer ^axit

gg» TOar(j)en. 325

Begleitete unb bcr jeben aiibern cntjürft ^ätte. 66cn tooKtc fic flc^ Beurlauben, aU jte burd^ bic 3(ntuiift ber grünen ©d^Iangc Q6crniQt§ aligetjattcn iourbe. S)ie|c Ijattc bie legten 3fitcn be§ Siebet gci^ört unb ]pxa6) besfjoIB bcr fc^önen Sitic jogtcicfi ju»

5 ucrfic^ttic^ ^ut ein.

„S;ic SBeiöjagung toon ber 93rücfe ift erfüllt!" rief fic quS; „fragt nur biefe gute Oftau, toie l^eiTÜd) ber 58ogen gegentoäi-tig erjd^eint. SBa^ fonft unburc^firf)tiger SS^IVi^, toaä nur ^prafcm tüor, burc^ ben ba§ Sic^t l)öc^ften3 ouf bcn Tanten burc^fd^im=

10 mcrte, ift nun bur^fiditiger dbelftein getoorben. Äein SSer^Il ift ]o flar unb fein ©maragb ]o jc^önfarbig."

„3c^ tüünfc^c 6u(^ @Iürf baju", jagte Silic, „aÜein bcr* jci^et mir, loenn icf) bie 2öei»fagung nod§ nid)t erfüllt glaube. Über ben ^o^cn 53ogen 6urer iörücfe fönneu nur gu^gänger

15 t}inüber|(^reiten, unb ift unS bcrfproc^en, ba^ ^^ferbe unb aiJagen unb tReifcnbe aüer 2lrt ju gleicher ^^it über bie ißrücfe l^erübcr unb l)inüber ttianbern foUcn. 3Sft nid^t bon ben großen ^Pfeilern geweiSfogt, bic auS bcm gluffc felbft l^erauöfteigen »erben ?"

20 3)ie ?llte l^atte i^re ?lugen immer auf bic ^anh gel)eftet, unterbrad^ Ijicr ba§ ©efpräd) unb cmpfo'^l fid^. „^Jcrtücilt nod^ einen 3lugenbli(f", fagtc bic fc^önc S^ilie, „unb ncljmt meinen armen Äanarienbogel mit. SBittct bie ^ampe, ba§ fie i^n in einen jd^önen %opa^ öertnanblc, td^ tüiti i^n burdf} meine S3c=

2:« rül^rung beleben, unb er, mit ßureiu guten 5Jlüp§, foH mein befter ^fitöertreib fein; aber eilt, toa§ ^i)x fönut, beuu mit 6ünuenuntergang ergreift unleiblid^e Ofäulnig ba§ arme 2ier unb jerreifet ben fc^önen 3"ifl'""'C't'^^"9 Icint^i-" föeftalt auf ciüig."

30 2)ic 5llte legte ben fleincn Seid^nam jlüifd^en jarte 33lättcr in ben Äorb unb eilte baöon.

„9a3ic bem auc^ fei", jagte bie (Sdblangc, „inbem fie ba8 ah* gcbrüd)ene ®eipräc^ fortjc^te, „ber Tempel ift erbauet." „Qx ftct)t aber no^ nic^t om Slujfe", üerjc^tc bie ^d)bne.

326 Unterhaltungen beutfc^er SuSgetoanberten.

„9lod) ru()t er in bcn liefen ber @rbe", jagte bie (Sdjlange ; „ic^ f)abe bie ilöiiige gefeiten unb gcfproc^en."

„SlBer loann toerben fie ouii'tctjn'?" fragte ßilie.

S)ic ©(i)langc berfetjte: „^ä) prte bie großen SBortc im Sempet ertönen: ,6§ ift an ber 3cit-'" 0

©ine angene'time .^eiterfeit berBreitete ficf) üBcr ba§ Singe» fid)t ber (5c£)önen. „-&öre i(^ bod)", fagte fie, „bie glii(flic£)en Söorte fct)on t)eute jum ättjeitenmal; toann toirb ber Stag !om= men, on bem id) fie breimal l^öre?"

©ie ftanb auf, unb fogleid) trat ein reijenbeS 3Jläb(i)en aug 10 bem ©eBüfc^, ba§ il^r bie .^arfe almalim. S)iefer folgte eine anbre, bie ben elfenbeinernen gefdini^ten fjelbftu^l, tüorauf bie ©d)öne gefeffen l^atte, ^ufammenfc^lug unb ba§ filbeme Riffen unter ben 5lrm nalim. @ine britte, bie einen großen, mit ^perlen geftidten ©onnenfc^irm trug, 5eigte fid) barauf, ertoartenb, ob is ßilie auf einem ©^jajiergange etma iljrer Bebürfe. über aÜen 9lu§bruc£ f(^ön unb reijenb tooren biefe brei 5)täbd^en, unb boc^ erl§öl)ten fie nur bie (5d)önl^cit ber ßilie, inbem fid^ jeber ge= ftelien mu^tc, ha^ fie mit i^x gar nid^t berglii^en toerben lonnten. 20

5Jlit ÜJefäEigfeit l^attc inbc§ bie fd)önc ßilie bcn tounbcr« Baren 9Jlop§ Betrachtet, ©ie Beugte fic^. Berührte i!^n, unb in bem SlugenBlide fprang er auf. 2Jlunter falj er fi^ um, lief l^in unb toiebcr unb eilte äulc^t, feine Söol^ltäterin auf ba§ freunb= lid)fte p Begrüben, ©ie nal^m il^n ouf bie Slrme unb brüclte 25 i^n an fi(^. „©0 lalt bu Bift", rief fie au§, „unb oBgleid^ nur ein ]^al6e§ ßcBen in bir toir!t, Bift bu mir bod) toillfommen; järtlid^ milt iä) bi(^ lieBen, artig mit bir ft^erjen, freunblid) bid) ftreidieln unb feft bid) an mein ^erj brüden." ©ie lie^ ilin barauf lo§, jagte i!§n Bon \iä), rief i^n toieber, fd^er^te fo sa artig mit ilim unb trieB fid) fo munter unb unfi^ulbig mit il^m auf bem ©rafe l^erum, ba^ man mit neuem Sntäücfen i^regreube Betrad^ten unb teil baran nelimen mu^te, fo toie furj Bor'^er itjre Stvaucr jebe^ .^erj jum 2)titleib geftimmt l^atte.

go8 aUflrc^cn. 327

£!ic|c ^ctterTeit, biejc anmutigen ©c^crjc tourben bur(^ bic 9(n!unft beä traurigen 3!üngling3 unterbrodien. (Sx trat Ijerein, n)ie mir i^n fc^on fennen, nur fdjien bie ^i^c beä 2age§ i^n nod) me^r abgemattet ju ^aben, unb in ber ©egcnwart ber ©eliebten

5 toarb er mit jebem 3lugenbIicEe Bläfjer. 6r trug ben ^abii^t auf jeiner .^anb, ber toie eine 2aubc rul^ig \a^ unb bic i^lüget l^ängen Iie§.

„@g ift ni(^t freunblic^", rief fiilie if)m entgegen, „ba| bu mir ba§ berl^a^te 2ier öor bie 3Iugen bringft, ba§ Ungeheuer,

10 bog meinen fleinen Sanger l^eutc getötet l§at."

„6(^itt ben unglü(flid}en SSogel nicf)t!" berfe^tc barauf ber Süngüng; „ftage öielme'^r bic^ an unb ba§ ©ct)i(f|af, unb üer= gönne mir, ba^ ict) mit bem ©efö^rten mcineä @tenb§ ®ejell» \di)a\t maö)t."

15 3nbcffcn l^örte ber 3Jiot)g nid^t auf, bic Schöne ju nerfen, unb fic antwortete bem burd)fii$tigen fiiebling mit bem freunb» lic^ften ^Betragen. Sie flatjc^tc mit ben Rauben, um i^n p öcrjd^cuc^en; bann lief fte, um i^n tniebcr nac^ fid^ ^u ^xeijtn. 6ic fuc^tc il^n p l^afd^en, toenn er ^o^, unb jagte i^n bon fid)

20 tücg, toenn er fic^ an fie ju brängen berfud^te. S)er Jüngling jaf) ftittl(^tt)eigenb unb mit hjad)jenbem SSerbruffe p; aber enb» lic^, ba fie ba§ ^ä^U(^e Xier, baä if)m ganj abfd)euti(^ öorfam, auf ben 5(rm na^m, an it)ren tDcißen SBufen brürfte unb bic jdinjarje ©ct)nauäe mit ifiren :^immtif(|en Sippen tilgte, berging

25 i^m alle ©ebulb, unb er rief bottcr SSer^toeiflung auö: „5Jiu^ id^, ,ber ic^ burc^ ein traurigeä ©cfdjicf bor bir, bieüeid^t auf immer, in einer getrennten ©egenmart lebe, ber xd) burd^ bic^ alle§, ja mic^ jelbft, berlorcn Ijabe, mu& idt) bor meinen 9(ugcn fef)en, bafe eine fo ttjibernatürüd^c 'iJii&geOurt bicf) pr ^Jfrcubc

30 reijen, beine Steigung feffetn unb beine Umarmung genießen fann! ©oU id^ nodt) länger nur fo l)in» unb n)icbergc()cn unb ben traurigen Äreiä ben glu^ Ijerüber unb Ijinübcr abmeffen? 9lein, ei rul)t nodf) ein i^unfe beä nltcn .^clbenmuteä in meinem 3?ujcn; er idjlage in biefcm 5lugcnblid jur lejjten i^lammc auf!

328 llnter^oUungnt beutjdjer Äu^geinanknlcti.

Söenn ©teinc au beinern S3ufcn rut)en fönncn, |o möge ic^ ju Stein toerben; toenn bcine S3crütjrung tötet, ]o ioilt idt) üüu beinen .^änbcn [teiBen."

93Ut biejen äßorten madjte er eine 'heftige 93en)cgung; ber .^abid^t flog bon feiner .^anb, er aber ftüräte auf bie ©(^öne s lo§, fie ftrerfte bie .g)änbe aug, t^n aBäu!§alten, unb Berüljrtc if)n nur befto früf)er. 2)a§ S3eh)u§tfcin berlie^ il^n, unb ntit 6nt= fetjen füllte fie bie fd^öne Saft an iljrem SSufen. SJlit einem ©dirci trat fie jurücf, unb ber t)oIbe Sfüngling fan! entfeelt ou§ ifiren 3lrmen jur @rbc. lo

S)a§ UnglücC toar geft^e'^en! 2)tc fü^e Silie ftanb unbeioeg* üd) unb btirfte ftan nai^ bem entfeelten ßeid^nam. S)a8 ^erj f(^ien t'^r im SSufcn ju ftorfen, unb il^re 3(ugen toaren of)nc Slränen. 33ergel)en§ fuc^tc ber SÖlop^ i^r eine freunblid^e S5e= ioegung abäugetüinnen; bie gan^e Sßelt »ar mit il^rem f^reunbe i5 auSgeftorben. 3f'^re ftumnte 35erätüeiflung fal^ ftd§ nat^ ^ülfc nidjt um, benu fie fannte feine ^üCfe.

S)agegen regte fic^ bie ©djlange befto emfiger; fie fcfiien auf Sfiettung ju ftnnen, unb toirfücf) bienten i^re fonberbaren 23e» ioegungen, tüenigftenä bie nä(i)ften fcfirecEIidien folgen be§ lln= 20 gtürfä auf einige ^dt ju l^inbem. 6ie 50g mit i'^rem gefc^mei* bigen Äör^jer einen toeiten ÄreiS um ben £eid)nam, fa^te ba§ @nbe il)reg ©d)Wanäe8 mit ben ^ö^nen unb blieb ruf)ig liegen.

9li(f)t lange, fo trat eine ber fcEjönen S)ienerinnen SilienS l^erbor, bracf)te ben elfenbeinernen getbftul)! unb nötigte mit 25 freunbli(i)en ©ebörben bie ©djöne, ftc^ p fe^en; balb barauf fam bie jtoeitc, bie einen feuerfarbigen ©c^leier trug unb ba§ .^aupt il^rer ©ebietertn bamit metir jierte aU bebedfte ; bie brittc übergab if)r bie ^arfe, unb !aum f^aüt fie baä ))räd)tige 3tnftru= ment an fic£) gebrüdEt unb einige 2;öne au§ ben ©aiten ]^crt)or= 30 getocEt, al§ bie erfte mit einem l^eHen runben ©piegel jurüdEfam, fic^ ber i&dE)önen gegenüber fteüte, i^re SBIirfe auffing unb i^r ba§ angenetimfte 5Si(b, ba§ in ber ?Jlatur ju finben hjar, bar= ftellte. £er ©d^merj er^ö^te il;re ©c^önl^eit, ber ©dileier itjrc

Tc« wart^en. 329

5Retie, bic .^arfe if)re Slntnut, unb |o je^t man 1^ off tc, tl^te trau» tige fiage beränbcrt ju feigen, fo fe^r toünfc^tc mon il^t S3ilb einig, tüic e3 gegcntuärtig eiferten, fcft^ul^alten.

5Jlit einem ftittcn 33IidE naä) bcm ©piegel todtte fic 6alb

5 fd^metjenbe 3;önc a\i^ ben (Saiten, Balb fc^ien i^v St^merj ju fteigen, unb bie ©aiten antmortctcn genjaltfam i^rem SfQinmer; einigemal öffnete fie ben 2Jhinb, ju fingen, aber bic Stimme bcrfagte i^r, bod^ Balb löfte fi($ i^x (S($mcrj in S^rönen auf, ätoei 2)löbc^en faxten fie l^ülfreic^ in bic 5lrme, bie ^arfe fanf

10 ou3 tl^rem ©d^ofee, laum ergriff norf) bie fd^ncHe Wienerin bag Snflrument unb trug {leifeitc.

„aSer fcf)afft unä ben 2Jlann mit ber Sam^c, el^e bic Sonne untergeht?" jifc^te bie ©erlange leife, aber öcrne^mlid^; bie 5)föbcl^en fa'^en einanber an, unb ßilicnS krönen berme^rten

li fi(^. 3n bicfem 9(ugcn6(icfe fam atcniloS bic i^rau mit beut Äorbe juTücf. ,,^6) bin öertoren unb öerftümmclt!" rief fie aus; „fcl^t, wie meine ^anb bcinal^c ganj tocggefd^ttjunben ift; mebcr ber i^ä^rmann nod^ ber 9?icfe toolltcn mid^ übcrfc^en, tueil \ä} noc^ eine £d)ulbnerin beä SSafferä bin; bergcbenä I}abc id)

20 ^unbcrt Äot)I^äu^ter unb l^unbert 3^iß^cl" angeboten, man h)itt nid^t mel^r a(§ bic brci Städte, unb feine 9(rtifc^o(fe ift nun einmal in biefen ©egcnbcn ^u finben."

„Söecge^t Gurc 5iot", fagte bic Sd)langc, „unb fud^t l^ier ju l^elfen; üielleidjt fann Qui) juglcid^ mit geholfen Werben, (iilt,

25 toai 3^r fönnt, bie 3inlid)ter auf^ufud^en, ift nod^ ju Ijell, fie p feigen, ober öicücic^t i)öxi S^r fic larfien unb flattern. SBcnn ftc eilen, fo fe^t fie ber 9iiefe noi^ über ben glu&f unb fie fönncn ben 5Rann mit ber Sampe finben unb fc[)icfen."

%ai SBeib eilte, fo öicl fie fonnte, unb bie Sd^lange fc^icn

80 ebenfo ungebulbig aU Silie bie 9tüdffunft ber beiben ju er» ioartcn. ßeibcr toergolbete fc^on ber Straf)l ber finfenbcn Sonne nur ben ^ödf)ftcn föipfet ber iöäume beä ITirfic^tl, unb lange Sd^attcn jogcn fid^ über See unb 333iefe; bie Sdjlange betoegtc fic^ ungebulbig, unb l'ilie 3crflo| in Iräncii.

330 ttnterl^altunfltn beutfdjer MuSgeroanberten.

Sn btcjer ^ot ]a1) bic Sdjlangc fic^ üBcratt um, benn fte fitrd)tete jcben 2lugenBIicE , bic ©onnc toerbc untergel^en, bic gäulnig bcn magiji^en ^ei§ burc^bringen unb ben jd)önen Jüngling unauf^altfam anfallen, ßnblid^ erBIicftc fic i)oc^ in ben Süften mit ^urpunoten iJebem bcn /gabiö^t, beffen SSruft 5 bic legten ^txat)Un bcr ©onnc auffing. Sic fdjüttcltc fic^ öor f^reubcn üBer ba§ gute Stiä)tn, unb fic Betrog fid) nid)t; benn furä barauf fa'^ man ben 9Jlann mit ber ßampe ül6er ben ©ee l^crgleiten, gteid) al§ tocnn er auf ©d)littf(i)ul)en ginge.

S)ie ©d)tangc beränbertc nid)t i^re ©tette, aber bic ßilic lo flanb auf unb rief il^m ju: „SCßeId)er gute ©eift fenbet bic^ in bem 2lugenl6ti(f, ba toir fo fel^r nad) bir berlangen unb beiner fo fel^r Bebürfen?"

„S)er ©eift meiner fiampe", berfe^teber Sitte, „treiBt mid), unb ber |)abid)t füfirt mid) l^iertier. ©ie fpra^elt, toenn man i5 meiner Bebarf, unb iä) fcl^e mid^ nur in ben ßüften nad) einem 3eid)en um; ir^enb ein SSogel ober 5)leteor äeigt.mirbic^immelä» gegenb an, toot)in id) mic^ toenben foH. ©ei rul^ig, fc^önfteS 3Jtäbd)en! ob id) l^elfen fann, toeil iä) nic^t, ein einaclner ^ilft nid)t, fonbern toer fic^ mit bielen ^ur rechten ©tunbc bereinigt. 20 5luffd)ief)en toollen toir unb {)offen. .g)alte beinen ^ei§ gefd)toj= fen", fu^r er fort, inbem er fid^ an bie ©d)tange toenbete, fic^ auf einen ©rbpgel neöen fie l^infe^te unb ben toten Äör^er Beleud^» tetc. „S3ringt ben artigen 5lanarienbogel aud) l^er unb leget t^u in ben iheiäl" S)ie ^täbd^en nat)men ben fteinen ßeid)nam au§ 25 bem ÄorBe, ben bie Sllte ftel^en Iie|, unb gel^ord^tcn bem 3Jlanne.

S)ic ©onnc toar inbeffen untergegangen, unb toie bieginfter» ni§ äunal^m, fing nidjt allein bie ©d)tange unb bie Sam^c be§ gjlanneS nad) \i)xzx SBeife ju leuchten an, fonbern ber ©d)leier 2ilien§ gab aud) ein fanfte^ ßid)t bon fid^, ba§ toie eine jarte 30 Morgenröte i^re Blaffen Söangen unb if)r toeifeeS ©etoanb mit einer unenblid)en Stnmut färbte. ^Jlan ]af) fidE) toed£)felätoeifc mit ftitter SSetrad^tung on, ©orgc unb 2;rouer tooren burc^ eine fixere .g)offnung gemilbert.

Tai 3War<^. 331

!Ri(^t uuangencl^m crjd^icn bälget baS alte SBeiB in @efell= fc^aft bcr bciben muntern stammen, bic jtoar äeitf)er |e^r t)er= jd^toenbet '^oBen mußten, benn jtc toarcn toteber äu^etft mager gctonrben, aBcr fic^ nur bcfto artiger gegen bie 5]3rinjclfin unb

6 bie übrigen grauenäimmer betrugen. SJtit ber größten ©i(^er= l^eit unb mit biciem 5tugbrucE jagten jtc jiemlid^ getoö^ntid^e gad^en, bejonberg jcigtcn fte ftc^ jel^r empfänglich für ben 9tei3, bcn ber leuc^tenbe ©^leier über ßitien unb i^re Segteiterinncn öcrbreitctc. S3efc§ciben jc^Iugen bie grauenjimmcr il^re 2lugen

10 nieber, unb baä £ob il^rer ©c^ön'^eit berjc^önerte fie toirfücf). 3ebermann toar aufrieben unb rul^ig bi§ auf bie 3lltc. Unge= ad^tet berSSerfic^erung if)xt^ Mannte, ba^ iljreJpanbnid^t toeiter abnehmen fönne, folangc fte bon feiner fiam^jc befd^ienen fei, behauptete fte mel^r aU einmal, ba^, toenn cg fo fortge'^c, no^

15 öor aJlittcrnad^t biefcä eblc ©lieb böHig berfctju^inben toerbe.

S)er Sitte mit bcr fiampc l^attc bcm ©efpräcl) ber 2fnlic^ter

aufmcrffam augel)ört unb toar öergnügt, ba§ ßilie burc^ biefe

Unterl^altung aevftreut unb aufgel^eitert ttorben. Unb toirflic^

toax 2Jlittcmacl)t l^crbeigefommen, man tou^te nicf)t toie. S;er

20 Slltc ]af) naä) ben ©temen unb fing barauf ju reben an: „Söir finb aur glürflic^en Stunbe beifammen, jeber öenic£)te fein Slmt, jeber tue feine ^flidjt, unb ein allgemeines ®lüdC toirb bie ein= jelnen Sd^mcrjen in firf) auflöfen, toie ein allgemeine^ Unglücf einzelne Oftcuben öer^el^rt."

25 5^ac^ biefen äßorten entftanb ein tounberbareS ©evnnfd), benn aUc gegenwärtigen ^erfonen fprac^cn für firf) unb brürftcn laut auä , tt)a§ fie ju tun ptten , nur bie brei illäbc^en toaren ftille; eingffd)lafcn hjar bie eine neben ber ^cix]e, bie anbere neben bcm Sonnenfc^irm, bie britte neben bem Seffel, unb man

30 fonntc i^ncn nirf)t öerbenfcn, benn e8 toar fpät. 2)ie flam« mcnben Jünglinge f)atten nac^ einigen toori\bergcl)enbcn .^löflirfi^ feiten, bic fie auc^ ben S;icncrinnen geiuibmct, fid^ borf) ^uU^t nur on ßitien, aU bic Slllcrfdjönfte, gehalten.

„gaffe", faßte ber 5Jlltc jum .lpabid)t, „bcn «Spiegel, unb mit

3;?2 Unter^ttttuttjten beutfdje«; auSgeiBanberttn.

bem erften ©onncnftra^l Beleuchte bie ©d^läfetinncn unb toccfe ftc mit äurüdfgelDorfencm ßid^te au§ ber ^'ö^t."

2)ie ©d)Iange fing nuiimel^r an, \\ä) 3U belegen, töfte bcit ^•ei§ auf unb äog langjam in großen klingen md) bem glufje. Sfeierlid) folgten it)r bie betben SnHc^ter, unb man l^ätte fie für 5 bie crnftf)afte[tcn stammen Ijatten foüen. S)ie 2l(tc unb i()r ^Jiann ergriffen ben Äorb, beffen fanfteä ßid^t man BiSl^er faujn Bemerü Ijattc, fte jogen öon Beiben ©eiten baran, unb er tuavb immer größer unb leudjtenber, fie l^oBen barauf ben ßcii^nam bc3 3tüngting§ l^inein unb legten il^m ben ßanarienbogel auf lo bie S3ruft, ber ÄorB l^oB fic^ in bie ^'ö^z unb fd)tDcbte üBcr bem A^au|3te ber bitten, unb fie folgte ben ;3nlid)tern auf bem gu^e. 2)ic fd)öne Silie na!§m ben ?EJtop§ auf it)ren Slrm unb folgte ber bitten, ber Biaxin mit ber 2ampz 16efdj(o§ ben 3ug, unb bie ©egenb luar toon biefen bieterlei Siebtem auf ba§ fonberbarfte erl^ellt. is

Slber mit nidit geringer 33etounberung \af) bie ©efeUfc^aft, aU fie äu bem gtuffe gelangte, einen ]^errtid)en SSogen über ben= felben l^inüberfteigen, tüoburc^ bie hjol^ltätige ©d)Iange i|ncn einen glänjenben 2öeg Bereitete, ^atk man Bei 3:age bie bur(^= fid)tigen (äbetfteine Betounbert, morauä bie Srüdfc äufammen= 20 gefctjt fd)ien, fo erftounte umn Bei ^kd)t üBer it)re leud)tenbe .s^ierrlid)feit. OBermärtä f(^nitt fid^ ber f)ttie jlteiä f(^arf an bem bunflen Jpimmel aB, aBer untermärtS judten Ie&I;afte ©trauten nac^ bem 5!)Uttetpunfte 5U unb jeigten bie Bemeglidje geftigfeit be§ ©eBäube». 2)er 3ug ging langfam l^inüBer, unb ber ^&i)x= 20 mann, ber Bon ferne au§ feiner ."pütte l^erborfal^, Betrad^tete mit ©taunen ben Icnd^tenben Äreiä unb bie fonberBaren Sid^ter, bie barüBer l^injogen.

Äaum mareu fie an bem anbern Ufer angelangt, als ber aSogen naä) feiner Söeife äu fd^toanfen unb fid^ hjettcnartig bem so äöaffer ju näl^ern anfing. S)ie(5df)lange Betoegte fic^ Balb barauf an§ 2anb, ber ^orB fe^te fic^ jur grbe nieber, unb bie ©d^Iange aog auf§ neue il^ren ^ei§ um^er, ber 3ltte neigte fid^ öor itjr unb fprQ(^: „äöa§ l^aft bu BefcE)loffen?"

Tai VtitSttn. nR8

„Wid) QUßuoViern, cl^c iä) au^gcoptcvt toevbc", berfe^te bic Sd^tange; „tjcrjljri^ mit, hol bu feinen Stein am Sanbc laffen

2)cr ?tlte öcrjprac^'ä unb jagte barauf jur jc^önen Sitie:

5 „Siül^re bic Sd^tangc mit bot linfen ^anb an unb bcinen ®e= liebten mit ber rc(f)ten." Sitie fniete nieber unb Berüfjrtc bic Sd^tange unb ben ßcic^nam. ^m StugenblidEe jd^ien biefer in ba§ ScBen übcrjuge^cn , er belregtc fid^ im Äorbe , ja er ri^tetc fid^ in bie ^ö^e unb ja^; ßitie ttjotttc i^n umarmen, allein ber

10 3llte l^ielt fte jurüdE, er f)alf bagcgen bem Jüngling auffielen unb leitete i^n, inbcm er au^ bem S\:oxbt unb bem ^reijc trat.

S)er Jüngling ftanb, ber Äanarienöoget flatterte auf feiner Sd^utter, eg ttjar mieber ßeben in beibcn, aber ber ®eift toar noc^ md)t jurücf gelehrt; ber jd^öne i^i^eunb l^atte bie 3Iugen offen

15 unb fa^ nidf)t, toenigften§ jd)icn er aüc^ oTjue Xeilnc^mung an= jufel^n , unb faum Ijatte fid^ bie SJcriounberung über biefe S5e= gebenl^cit in thva^ gemäßigt, at§ man erft bemerkte, toie |onber= bar bie (5df){angc fid^ öeränbert l^attc. ^^i fd^öncr fdf)Ianter Körper toar in taujenb unb taufenb Icud^tenbc (Sbctfteine äer=

20 fallen; unöorfic^tig ^attc bic^llte, bie nad^ il^rem ^orbe greifen lüotttc, an fie gcfto|en, unb man \ai) nidf)t§ meljr üon ber 58il= bung ber Sd^tange, nur ein fd^öncr Ärcig leud^tenber ©belfteine lag im ®rajc.

^er ^^Ute mad)te fogtcid^ 5lnftatt, bie (Steine in ben Äorb

25 ju faffen, tooju i^m feine "i^xan beljütflid^ fein mu^tc. 35eibe trugen barauf ben ilorb gegen baä Ufer an einen erfjabenen Ort, unb er fd^üttete bie ganjc l^abung, nid^t of)ne SBibcrloillen ber Sd[)önen unb |eines( 3Scibe§, bic gerne baöon fid^ cttoaä auö= gcjud^t f)ätten, in ben Or(u^. SGßic Ieud)tenbe unb blinfcnbe

so Sterne fd)TOammcn bie 6teinc mit ben 2BcIIen l^in, unb man tonnte nid)t untcrfd^eibcn, ob fte fid^ in ber t^cxnt öcrtoren ober unterjanfen.

„5)leine ^encn", jagte barauf ber 3lltc cl^rerbictig ju ben Irrlichtern, „nunmehr ^cigc ic^ ^^mn ben SBeg unb eröffne ben

334 tlnterl^attungen beutf(^er Hutgtroanbarttn.

@ang, abtx ©ie Iciften unS bcn größten S)ienft, toenn Sic un§ bic Pforte beg ^eitigtumS öffnen, burd) btc loir bte§mal ein» gelten muffen, unb bie au§er S^nen niemanb auffd^lie^en lann."

S)ic 3in-Iic£)tcr neigten fid^ anftänbig unb blieben äurüdf. 2)cr Stttc mit ber Sampe ging borauä in ben Reifen, ber fid^ bor s i^m auftat; ber Sfüngting folgte il^m, gteidifam mec^anifd); ftilt unb ungeloi^ l^ielt ficf) Silie in einiger Entfernung l^inter i'^m; bie 2llte toolltc nic^t genie jurücfbleifien unb ftredfte iljvc §anb au§, bamit ja ba§ ßi(^t bon i^reä ^IHanneä ßampe fic er^« leuchten lönnc. 9lun fd)loffen bie S^Kd^tcr bcn 3ug, inbem fic lo bie ©pi^en il^rer f^tammen äufammen neigten unb miteinanber äu fpredien fd)ienen.

©ie toaren ni(^t lange gegangen, alä ber 3ug fic^ bor einem großen eisernen Jore befanb, beffen fjtüget mit einem golbe» neu ©d)lo| berfdjioffen toaren. S)er 5tlte rief fogleic^ bie 3itr« 15 lid)ter l^erbei, bie fic^ nid^t lange aufmuntern liefen, fonbern gejdiäftig mit il^ren fpi^eften ^Jlammen ©d)lo^ unb Stieget auf« jel^rten.

ßaut tönte ba§ ©rj, al§ bie Pforten fd^nell auffprangcn unb im Heiligtum bic toürbigen SSilber ber ßönige, burd^ bie l^erein=' 20 tretenben 2id)tcr bcleu(^tet, crfc^ienen. S^eber neigte fid^ bor bcn el^rtoürbigen ^errfd)em, befonberS liefen bie 3irrlid^ter an fraufen SSerbeugungen nid)t feljlen.

^aä) einiger ^paufe fragte ber golbneßönig: „SBol^er fommt x^xV „5lu§ ber SBclt", antwortete ber 3lltc. „Jfßo^in gel;t r. ili)xV' fragte ber fttbemc Äönig. „3n hk Söclt", fagte ber Slltc. „2öa§ tooEt il^r bei un§?" fragte ber el^eme Äönig. „@U(^ begleiten", fagte ber ^iit.

S)er gemifc^tc ßönig tooEte eben ju reben anfangen, al§ ber golbne ju ben S^rtid^tcrn, bic il^m p nal^e gcfommen toaren, 30 fprad^: „^ebet euc| toeg bon mir, mein ©olb ift nid^t für euren @aum'." ©ie toanbten fidt) barauf jum fitbernen unb fdEjmiegten fid§ an il)n, fein ©etoanb glänätc fd£)ön bon il^rem gelblidf)cn äötberfc^ein. „S^r feib mix toiEfommen", fagte er, „aber id^

txi» vot^tt. 835

lonn cud^ niciit cniä'^rcn; jöttigct cud^ au§lüärt§ unb Bringt mir euer ßid)t." Sic entfernten f\6c) unb jd^tid^cn bei bem e'^er» nen öorbei, ber fie nid^t ju bcmcrfen \d)\tn, auf ben äufamnicn= gefegten Io§. „SBer toirb bie 2Bett Bel^crrjc^en?" rief biejer mit

6 ftottember Stimme. „2Ber auf feinen i^ü^en fte^t", ant= toortete ber ?(Üe. „2)a§ bin id^!" fagte ber gemifd^tc i^önig. „Qi toirb fid^ offenbaren", fagte ber Sitte, „benn eS tft an ber 3cit."

S)ie fd^öne ßilie fiel bem Sitten um ben .^at§ unb fü§tc il^n

10 auf§ l^erjtid^fte. „^eiliger SSater", fagte fte, „taufenbmalbanfid^ bir, benn id^ l^örc ba§ al^nungSöoUe 3Bort jum brittenmal." Sie tjatte faum auägerebet, aU fie fid^ nod^ fefter an ben Sitten anfielt, benn ber 53oben fing unter i^ncn an ju fd^manfen, bie Sitte unb ber S^üngltng I)ielten fid^ aurf) aneinanber, nur bie be*

15 toegtidtien Sfutid^ter merften nid[)t§.

3Jlan fonnte beuttid^ füllten, ba§ ber ganje Semmel ftd^ be= toegte toie ein <5(i)iff, baä fic^ fanft auä bem |)afcn entfernt, luenn bie Slnfer geli($tet fmb; bie 2iefen ber 6rbe fd^ienen fid^ bor i^m aufjutun, aU er l^inburd^jog. (5r ftie^ nirgenbg an,

20 fein Reifen ftanb il^m in bem 2Beg.

SßenigeSlugenblidEe fd^ien ein feiner Stegen burd^ bießffnung ber Äu))pet ^ercinauriefetn; ber Sitte l^iett bie fd^önc ßitie fefter unb fagte ju i^r: „2ßir finb unter bem ^luffc unb Batb am 3icL" 3li6)t lange barauf glaubten fic ftilläuftef;n, bod^ fie be=

25 trogen fid^; ber Sem^iel ftieg aufloärtg.

5iun entftaub ein feltfamcö öetöfc über il^rem .^au|)te. SBreter unb SBalfen in ungeftaltcr Jöerbinbung begannen fid^ JU ber Öffnung ber 5?uppet frad^enb tjereinjubrängcn. Sitie unb bie Sitte fprangen jur Seite, ber Dlann mit ber "»lampe fa|tc

80 ben^üngting unb blieb flehen. 2)ie fleine^^ütte beS^ätjrmanng, benn fie mar eö, bie ber 2empel im Sluffteigen bom 33oben ab« gcfonbert unb in fidlj aufgenommen Ijotte, fanf altuiQtjlid) t)er- unter unb bebeifte ben Süngting unb ben Sitten.

S)ie äöeibcr fdfirien laut, unb ber Tempel fdjilttcrte Joie ein

336 tlnter^altwngen beiitfe^er Äuiflenionbtrffn.

(5d)itf, ba3 unbcrmutct an§ £anb ftö^t. äugftlid^ inten bic f5frauen in ber ^Tömmerung um bie ^üttc, bie 2:ürc toar ber» jid)loffen,unb auf iljr^od^cn tjörte uiemanb. ©iepod^tcnl^eftiger unb tounberteu fic^ nii^t toenig, aU äute^t ba§ .^otj ^u Hingen anfing. S)urd) bie Ätaft ber öerfc^toffenen ßampe tüar bie |)ütte » üon innen ]^erau§ ju <Sif6er getoorben. 9lid^t lange, fo t)erän= berte fie fogar i^re ©eftalt; benn ha^ eble WttaU bcrlie| bie 3U= fälligen (3-ornien ber SBreter, ^foftcn unb 23alfen unb bef^nte ft(^ ju einem ]^errlid)en ©eljäufe öon getriebener StrDeit auö. 3'lun ftanb ein l^errtidier Heiner Stempel in ber SJlitte be§ großen lo ober, tüenn man Ujitt, ein ?lltar, beS SempetS toürbig.

5£;urd) eine treppe, bic bon innen l^eraufging, trat nunmcT)r ber eble Sfüngling in bie ^ö'^e, ber 9Jlann mit ber Sampe leud)= tete i'^m, unb ein anbercr f^ien i^n äu unterftü^en, ber in einem tüei^cn furjen ©emanb l^erborfam unb ein filbcrneS 9iuber in is ber |)anb l^iett; man erfannte in i'^m fogtcidi ben gälirmann, ben ehemaligen Semol^ner ber bertoanbelten ^ütte.

S)ie fd)öne ßilie flieg bie äußeren ©tufen l^inauf, bie t)on bem Stempel auf ben 9Xltar führten, aber nod) immer mu|te fie \xä) bon i^rem (beliebten entfernt lialten. SDie ^Ite, bereu ^anb, fo= 20 lange bie Campe berborgcn gen^efen, immer Heiner geworben mar, rief : „<5oE id) bod) nod) unglüdlid) merben? ift Bei fobielen Söunbern burd) leinSöunber meine §anb äu retten 1" ^-^r 3)tann beutete nac^ ber offenen 5pforte unb fagte: „©ie'^e, ber Stag bricht an, eile unb babe bid) im ^luffe." „äßeld^ ein 9tat!" rief fie, 25 „id) foll tool)l gauä fd)tt»arä beerben unb gan^ berjdjtDinbcn, l^abe iä) boc^ meine ©d)ulb nod) nid|t be^a'^lt." „@el§c", fagte ber •?llte, „unb folge mir! Sllle (2d)ulbcn fxnb abgetragen."

S)ie 3llte eilte toeg, unb in bem Slugenbtid eiidjien ba§ 2id)t ber aufge^enben ©onne an bem Stxan^t ber Äuppcl, ber 3llte so trat ätoif d)en ben Jüngling unb bie Jungfrau unb rief mit lauter (Stimme: „2)rei finb, bic ba '^errfc^en auf erben: bie 2!Bei§f)eit, ber gemein unb bie (Settjolt." 58ei bem crften Söorte ftanb ber golbnc 5?bnig ouf, bei bem ameiten ber filberne unb bei bem

tat «arc^ot 837

brittcn l^oHe ftd^ bcr el)eine langfoin emporgcl^oBen, aU bcr ju« fammcngcje^te Äönig \\ä) plö^li^ ungeidiicft niebcrje^te.

äöcr i^n ]a\) , f onntc fid) ungeadjtct beS feierlii^cn 2lugcn= bUdfä faum bcö Sad^cnä ent()alten, benn er ja§ nicf)t, er lag nid^t,

5 er lehnte fid^ nic^t an, jonbem er toar unförmlid^ aujammen» gcjunfen.

2)ic 3TTlid)ter, bie fid^ biä^er um i^n beld^äftigt Ratten, traten jur Seite; fie fc^ienen, obgtcirf) bla§ beim 2RorgenIic^tc, bod^ mieber gut genät)rt unb lool)! bei stammen; fie l^atten auf

10 eine gcfd^irfte SSeife bie golbncn 3lbern be§ foloffalen S3ilbe§ mit iljren fpi^en 3u^Ö^" '^^^ o"f^ Snnerfte l^eraulgelecft. S/ic un= icgelmä|igen leeren 9täume, bie baburci) entftanben njaren, er= Ijietten fic^ eine 3cittang offen, unb bie t^igur blieb in i|rer üorigen ©eftalt. 5118 aber aud^ anlegt bie jarteften 3ilberd§en

vo aufgeic^vt tüaren, brad^ auf einmal ba§ S3itb jufammen unb leiber gerabe an ben Stellen, bie ganj bleiben, tüenn ber 2Jtenfd^ fic^ fc^t; bagegen blieben bieöelenfc, bie fid^ Ratten biegen f ollen, fteif. 2öer nidt)t lacl)en f onnte, mu|te feine Slugen loegtoenben; ba§ ÜJlittelbing 3tDifdl)en Sform unb Älumpen toar toibertoärtig

20 anjufelju.

%tx 5Jlann mit ber Sampe fül)rte nunmehr ben fd^önen, aber inuncr nod^ ftarr öor fid^ l^inblidEcnben Jüngling öom 9lltave f)erab unb geiabe auf ben e'^emen Äönig lo§. 3" i>en %\i^t\\ beö mäcf)tigen dürften lag ein (5df)tüert in eiserner Scheibe. 2fv

2:. Jüngling gürtete fi(^. ~ - „^aS ©d^locrt an ber Öinfen, bie ?Wed()te fiei!" rief ber getualtige Äönig. Sie gingen barauf jum filbevnen, ber fein Sjcptcr gegen ben Jüngling neigte. !£iefcr ergriff mit bcr linfen .^anb, unb ber ili)nig fagte mit ge= fälliger Stimme: „2öeibe bie Sdf)afe!" 5llä fie jum golbenen

30 Äönige famen, briirftc er mit bäterlid^ fegnenber ©cbärbc bem (ing ben ßidjenfroni oufä .^anpt unb fpradj : „©rfenne bo*

S)er9l(te liattc »oö^renb biefeäUmgangd benoüngling genau bemerft. ''^\a6^ umgürtetem Sd}»oert Ijob fic^ feine *.övuft, feine

338 Unter^gftunflen beutfc^cr gu8geioanbetten.

airmc regten fid§, unb jeine x^ü^t traten fefter auf; inbcm er bcn ©äcpter in bie ^-^anb na^in, fcEiien |id^ bic ßraft ju milbern unb huxä) einen unaugfprcctilic^en 9tciä nod) mäd^tiger ju toerben; aU aber ber ßidjcnfranj jeine Sodfen gierte, belebten fid) jeine ® efiditg^üge, jcin Sluge glänzte bon unauöjpreciilid^em ©eift, unb 5 baä erfte 2Bort fcineä 5Jlunbe§ tvax „ßilie".

„Siebe 2ilie!" rief er, aU er il^r bie filbemen 2re^3pen I;inauf entgegeneilte; benn fie l^atte bon ber 3^""^ beg 2lltar§ feiner 9teife äugefet^n: „liebe Sitie! toaS !ann ber SJlann, auSgeftattet mit aEem, fid^ Äöftlic^creg toünfdien al§ bie Unfd^ulb unb bie lo ftiüe 9Zeigung, bie mir bein SSufen entgegenbringt 1 D! mein greunb", fufir er fort, inbcm er fid) ju bem 2lltcn toenbete unb bie brei l^eiligen Silbfäulen anfal^ , „l^errlid) unb fieser ift baä 9teid) unferer Später, aber bu l^aft bie öierte Äraft öergeffen, bic nod§ früher, aEgemeiner, getoiffer bie SBclt be^errfd)t, bic Äraft is ber ßiebc." 9Jlit biefen äöorten fiel er bem fd^önen 9Jläbd^en um bcn ^al§; fie l^attc ben ©d^leicr ttieggetooi-fen, unb il^re Söangcn färbten fi^ mit ber fd}önften, unUergänglidiften 9iöte.

^icrouf fagte ber 2llte lädf)elnb: „S)ie Siebe ]§errfdE)t nid^t, ober fie bilbet, unb ba§ ift mel)r." 20

Über biefer i^ci^i^Ii^^^e^tf "^^^ @lüd, bem ©ntäüden l^atte mon nid^t bemerft, ba| ber Sag ööEig angebrod^en toar, unb nun fielen auf einmal burd) bic offne ^^^fotte ganj unerwartete ©egenftänbe ber ©efettfd^aft in bie Singen. 6in großer, mit Säulen umgebener 5pia^ mad§te bcn S5orl§of, an beffen 6nbe 25 man eine lange unb :prä(^tigc 33rüdc fa^, bie mit bielen 33ogen über ben ^^lu^ l^tnübcr reid^tc; fie toar an beiben «Seiten mit ©äulengängcn für bic SBanberer bequem unb )3räd)tig einge= rid^tet, bereu fic^ fd^on öiele Slaufcnbc eingefunben l^atten unb emfig l^in» unb miebergingen. 2)er gro§e SBeg in ber 9)titte toar 30 öon gerben unb 5Jlaultieren, ^Reitern unb Söagen belebt, bie an beiben ©eiten, ol)ne fid^ p l^inbern, ftrommeife 'i}'m= unb l§er= floffen. Sie fd^ienen fid§ olle über bie S5cquemli(^feit unb 5|3rad)t ju berlüunbern, unb ber neue Äönig mit feiner ©ema^lin luar

gg« Wgr(^en. 389

üBer bte Sctoegung unb baä ^thtn bie|e3 großen fSolti \o ent« jüdft, aU i^re toec^ieljcitigc ßtcBe jtc glürfUc^ mad^tc.

„(Sebenfc ber Schlange in ß^ren", jagte bcr 53lann mit bcr ßam^c, „bu bift i^t ba§ geben, beine 35ölfer fmb i^r bie SSrücfe

5 fd^ulbig, tooburdf) biejc nachbarlichen Ufer erft ju Sänbem belebt unb öcrbunben toerben. 3cne jd)tt)immenben unb leuc^tenben Gbelfteine, bie 9lefte i^re§ aufgeopferten ßörperg, fmb bte@runb^ Pfeiler biefer l^errlid^en 33rü(fe, auf i^nen ^at fie fic^ felbft erbaut unb toirb fii^ felbft erl^ alten."

10 3Jlan toottte eben bie Slufftärung biefeS tounberbaren @e» l^eimniffeä öon il^m bcrtangen, aU bier fc^önc 5Räb(f)en ju ber ^Pforte beä XtmpeU ^creintraten. 5ln ber |)arfe, beni Sonnen^ fd^irm unb bem gclbftu'^I erfannte man fogleid^ bie 33egteite= rinnen 2i(ien§, aber bie bierte, fc^öner aU bie brei, njar eine

15 Unbefannte, bie fd^erjcnb fd^toefterlid^ mit it)nen burc^ ben 2em= pd eilte unb bie fiCbernen ©tufen l^inanfticg.

„SBirft bu mir fünftig mel^r glauben, liebet Söeib?" fagtc ber DJiann mit ber ßampe ju ber Simonen: „Söol^l bir unb jcbem ©cfc^öpfc, ba§ ft(^ biefen 2Rorgen im x^iu^t babet!"

:o S)ie toerjüngtc unb berfd^önerte 3llte, öon beren 35ilbung feine Spur mef)r übrig mar, umfaßte mit belebten jugenblid^en Firmen ben 2)knn mit ber 2ampe, ber i^rc fiiebfojungcn mit Öfreunblid^feit aufnahm. „Söenn iö) bir ju alt bin", fagte er läd^elnb, „fo barfft bu l)eute einen anbem Satten mäljlen; öon

2i Ijeute an ift feine (5^e gültig, bie nid^t aufä neue gefd^loffen mirb."

„Söci^t bu benn nid^t", öerfe^te fte, „ba§ aud^ bu jünger ge«

toorben bift?" „@ä freut mid^, loenn id^ beinen jungen 3lugen

aU ein toadfrer Sfüngling erfd^eine; idl) net)me beine ^anb Don

neuem an, unb mag gern mit bir in ba^ folgenbe Sa^rtaujenb

so Ijinüberlcben."

2;ic Äönigin betoillfommte i^rc neue 5«u"bin unb flieg mit i^r unb iljren übrigen (Kefpielinnen in ben 5lltar l^inab, in« beä ber Äönig in ber Glitte ber beibcn Dlänner nad^ ber iörüdfe l)infa^ unb aufmcrffam bog (Sewimmel beä fßolU betradf)tete.

22*

340 nnlei^artimnen beutfi^er SliiSgeiuoiibcrfen.

3HJcr nid)t lange baucrte feine 3»fneJ>cnI;cit, bcnn er jalj einen ©egenftanb, ber i'^m einen 5IugenBIi(f SScrbru^ enegte. ;Dcr gvo^e D^icjc, bcr \iä) ))on feinem ^Jiorgenftfilaf nodj nidjt cv= Ijolt äu Italien fd;ien, taumelte üöer bieSrücte Ijer nnb Uerurfadjte bafelbft grojjcUnorbming. (5r tt)ar,njie gett)bl;ntid),fd)taftrmifeu s anfgeftanben unb gebad)te fid) in ber 16c!nnntcnSud)t bc»iy(uffe§ ju Baben; anftatt berfellOen fanb et fefte§ £anb unb tappte auf beut Breiten ^^fIofter ber 23rüde tjin. Dti er nun gleid; ätoifdicn 53lcnfc^en unb S3iet) auf ba» ungefdjidtefte Ijincintrat, fo Jüarb büd§ feine ©cgcninart jUjar bon otteu angeftaunt, bod^ Pou nie= lo manb gefütjlt; at§ iT)m a6er bie ©onnc in bie 2Iugen fd)icn unb er bie $änbe auff)uB, fie auSjulüifc^en, fuTjr ber ©d)atten feiner ungetjeuren f^ftufte l^inter x1)m fo fräftig unb ungefi^idt unter ber SJ^enge l^in unb toieber, ba^ 5)ienfd)cn unb Jicre in großen '•JHaffen äufammcnftürätcn, Bcfd)äbigt trurben unb @efal)r liefen, ir. iu ben glu^ gefd^Ieubert äu iDerben.

S)er Äönig, al§ er bicfe Untat erb tiefte, ful^r mit einer un= lüitttürtid^en SSetoegung nad) bem ©diiüerte; bod) bcfann er fid) unb blicfte ru()ig erft fein ©jepter, bann bie ßampe unb ha^i Siuber feiner ©efäfjrten an. „3d) errate beine ©ebanfen", fagtc 20 ber 5Jknn mit ber ßampe, „aber hjir unb unfere Gräfte finb gegen biefen Dl^nmöd^tigen ot)nmäd)tig. ©ei rul)ig! er fd)abet jum le^tenmat, unb glüdlidjern^eife ift fein ©djatten bon un§ abgetefjrt."

Snbeffen tuar ber üliefe immer nätjer gefommen, I^atte bor 25 IBerttJunberung über ba§, toaS er mit offenen 5(ugen fal^, bie .^änbe fin!en laffen, tat feinen Sdjaben tne'^r unb trat gaffenb in ben 33orT)of t;erein.

©crabe giug er au] bie Sure be» Sempcts ju, aU er auf einmal in ber 5Jlitte be§.g)ofe§ an bemSBoben feftge§alten tüurbc. so 6r ftanb aU eine foloffale mödjtigc S5ilbfnule öon rijttid) glän= aenbem ©teine ba, unb fein ©djatten geigte bie ©tunben, bie in einem Ärei§ ouf ben S3oben um i'^n l^er, nid|t in S^¥^^t f^^^^ bem in cblen unb bebeutenben 23ilbern eingelegt luaveii.

»^1« Wfti<$r'. 341

9lic^t toentg erfreut toat ber Äönig, beii Schatten bc§ Uii^ ge^eucrä in nü^Iic^cr 9iicf)tung ju je^en; nid)t toentg öertoun- bcrt toar bic j?ömgin, bic, alS fic mit größter .^errlic^feit ge=- jc^mürft au§ bcm Elitäre mit if^rcn Jungfrauen l^eraufftieg,

5 ba§ feltfame SBilb erBIirfte, ba§ bic 9lu5fi(i)t au§ bem Sent^cl nac^ bcr SSrücfe fajt juberftc.

Snbeffen Ijattc fid^ ba§ S5olf bem fRicfcn nai^gcbrängt, ha er ftilljtanb, i^n umgeben unb feine SSerttjanbtung angeftaunt. 23on ha ujanbtc fid^ bie 2)tengc nacE) bem 3:em^e(, ben fic crft

10 jc^t getoal^r ju ircrben fc^ien, unb brängtc ftd^ nac^ ber 2ür,

3n biefem ?(ugen6tidf fc^mebte ber ,g)abid)t mit bem ©pieget

l)od} über bcm 2:om, fing ba§ Sic^t ber «Sonne auf unb loarf

über bic ouf bcm 5Utar fte'^enbc ©ru^jpe. S)eri?önig, bie5?önigin

unb i^re ^Begleiter erf^ienen in bem bämmemben öeloöfbc be»

15 ZemptU, Oon einem l^immtifc^en (Ulanje erleud)tct, unb ba^ SßoU fiel auf fein ?lngefid^t. 9llä bic Ü)tcngc fic^ toieber erl^olt f)atk unb aufftanb, toar ber 5?önig mit ben (Seinigen in ben 3ntar ^inabgcftiegcn, um bur(^ öerborgenc .fallen nad^ feinem ?palafte ju ge^en, unb bal S5oII jerftreutc fid^ in bem 2empel,

20 feine Üleugierbe ju befriebigen. betrac£)tete bie brei aufredet fte^enbcn Könige mit Staunen unb ß^rfurc^t, aber mar befto begieriger, ju »iffen, toai unter bem 2eppid)e in bcr öierton ^iifc^e für ein Älumpcn öerborgcn fein möchte; benn, tocr c^ Quc^ mod^tc geteefen fein, toofjImcincnbcSefd^eibcn^cit (jattc eine

präd^tige2;ecfe über ben jufammengcfunfencn^önig ^ingebreifet, bic fein ^^Jlugc ^u burc^bringen bennag unb feine .^anb loagen barf loeg^ufjcbcn.

2)a§ SJolf Ijättc fein 6nbc feinet S^aucnä unb feiner ^C' n)unbcrung gefunben, unb bic jubringenbc 2Rcnge I;öttc fid) \\i

30 bem Ztinpd fclbft erbrüdft, wäre i^re 9(ufmerffamfeit nid)t loieber auf ben großen ^la^ gelenft morben.

Unöcrmutet fielen @oIbftürfe, loie an>5 ber 2uft, ffingeub auf bic marmornen '^.Uatten, bic nad}ftcn 3öanbercr ftürjtcn barübcr (jcr, um fic^ i^rcr ju bemäd^tigcn, einzeln loieberljolte ftd) bic-3

342 nntrr^altimgen beutfcjer StuSgeroanberteit.

aSunbcr, unb ätoar Balb f)\n unb Balb ba. 9)lan Begreift too^t, ba^ bic aBjiel^enbcn 2frrli(f|ter fid) l^ier not^malä eine ßuft mad)ten unb baä @olb au§ ben ©liebem bc§ 3ujammengefun= leiten ßönigä auf eine luftige SBeife bergeubeten. SBegicrig lief ba§ S5ol! no(^ eine Zeitlang l^in unb toieber, bröngtc unb jcrri^ \iä}, audf) noc§, ba feine ©olbftürfe nte^r l^erabfielen. ßnblid^ öerlief ftc^ aUm'd^id), jog feine Strafe, unb Bi§ ouf ben fieutigen STag tüimmelt bie S3rüdfe bon Söanberem, unb bcr Stempel ift ber befudjtefte auf bet ganzen (5rbc

-SK*>«S-

Sie guten 2SeiBer*

©titlfituitg lies §txavi$^ebivs.

^llAte mnn ja luo^l ein S£u|)fcr 5U emcm ®ebtd)t xnaäjt, crjiifjU ^^ (Soei^e im achten 58u^e üon „Sichtung unb Sa^il}cit", fo tjnbc er al8 Dfer3 Schüler in 2cip3ig ©ebic^te 3U ^i^jferu unb g^i^nungcn tjcrfaüt. 3" Qonj a^nlic^erSScife entftanben fpäter bie „®uten3Seiber".

6 3" feinem „^af^enbui^ für 2?amen auf boS '^a^v 1801. §erau§» gegeben bon §uber, Safontaine, ^feffel unb anbcm" lagen Gotta näm« li^ brcijc^ ^i^jf er öor , Don bencn bie legten fec^§, arbeiten ^o^ann £)cinri(^ SRambcrgS, i^n nid)t toenig in 33edegcn^eit festen, ba fie in ia^ tiri'c^en ^Jo^j^jelbilbc^en gcfcHige unb moralifc^e Ocbrec^cn ber grauen-

10 ttjelt geißelten. ?US Sotta im aJJai 1800 ju 2ei^3ig mit ©oet^e äuforn- mentraf, flagte er ir^m feine 3lot, unb biefer erflärte ft^ bereit, an bie Silber onfniH^fenb, für ebcnba§felbe S^ofc^enbud^ einen fleincn tter= fij^nlic^cn 93ettrag ju fc^reibcn. 3" feinem S^agebud^e lefen toir unter bem 22. 3uni: „grü^ über ben §tuffa§ jum ,2)amcnfalenbcr' nac^gc^

15 bac^t" unb f^on am 27. : „2)ie ,(Suten grauen'. ©^lu^." ?lm 9. Suli ging baS SJianuffri^t mit f olgenben Seglcitöjortm ab : „Sic erhalten, iuerteftcr ^err dotta, in ber SScitage ben Reinen '3Iuffa^ über bie Äup^ fer. 3(^ ^ätte gewünfc^t, ba^ bcrfclbe fetterer, geiftrci(^er unb unter» ^oltenber gcttjorben loäre, inbcffen läßt )xäf eine 'JluSf ül^rung nic^t luie

20 man toünf^t leiften, »enn bie ?lrbeit ju einer beftimmten 3eit fertig fein foH. 9Kßge, bicfe fei au^ geraten, toie fte tüiH, ttenigftenä ber ^\vcd erreicht ttjerben, ben unangenehmen ©nbrud ber JJupfer einigennaRen abjuftumVfen." S)er *3luf|a0 crfd)ien im Xafd)enbuc^ unter bcm 2;itel „^ie guten grauen, al3 ©cgcnbilbcr ber bijfen SSciber auf ben ^njfcni

25 bc8 bie?iä^rigcn ,3)amenalmanad)§"'. 3" bie erfte ßottafc^e 9lu§gabc nal^m ©oet^e ben „gefeHigcn S^erj" nic^t auf, njo^l aber unter ber öeränbcrten , fortan beibehaltenen iiberfd)rift „^ie guten SBeiber" in ben 13. 53anb (1817) ber jtoeiten; bie "JUi-vgobc lejjtcr i:>nnb brad^tc bie 6rjät)Iung, bcrcn SSiebcrabbrucf, tt)ie e8 fd)ciut, anfänglich nid^t

30 öorgefe^cn loar, im 15. lüanbe (1828) unter.

©oet^e I^at btc übernommene ^ufgobe fc^r frei bclianbcll; eine cigcntlid|c Cvflävung unb 53ctämpfung bei ©über toivb nidjt geboten;

346 (Hnteltunfl brt ^ernuSgePer?.

jo bic ©rjiilifungcn ftcl^en juin ^^eil in gor Icincm uttmtttcIBarcn 3«» fammenl^angc mit ben SSorlagen; aud^ ^nb bie bon (Soetl^e öocge' fiir}rtcn ^rvaucn burd^au3 feine Sbcnle.

2Bie in ben „Untcrl^nltungen beutfc^cr ?ln§gclüanberten", l^abcn hJtr r)ter lüicber mit einem in einen noöeHiftifd^en SRal^men gefpann» 5 ten S^lluS öon fleinen @r,3är)Iungen jn tun ; bod^ liegt ba§ ©d^ttjcr« geluid^t bieSmal auf ber bialogifc^en (Sinfleibung, bic manche gciftrcidjc 93lüte ge^ItöoUcr ®cfellig!eit barBringt, nic^t auf ben eingeftreuten 9iot)cIId^en ober bloßen 9JobeIIcnmotiöen, beren SScct 'JIrmiboro in ber ©r^ä^lung felbft rid^tig umfd^reibt: „Seife 3üge, bic ben SJJenfc^en 10 bejeic^nen , oljne ba^ gerabc merfiüürbige SBcgcbenl^citen barauS ent* fpringcn, ftnb rcc^t gut beS 'Jlufbe'^aUeng irert. S)er 9iomonfd^reibcr !ann ftc nic^t braud^en, bcnn fic l^abcn ju lücnig 93ebeutenbe§, ber 9lnefbotenfammIcr auä) nic^t, benn fie l^aben nic^tg SBi^igeä unb regen hin ©cift nid^t auf; nur berjenigc, ber im ruhigen ^Infd^aucn bie is 5D'2enf(^'^cit gerne fa^t, toirb bergleid^en3itgcft'ittfommenaufne]^men." S)amit toamt ber Siebter felbft bor einer Überfd^ä^ung feiner an=> f^jrud^Stofen ®obe, bic eben eine beftcHte ?lrbeit, eine ©clegenl^ett§fd^rift im ungünftigcn Sinne ift. ?In Sid^tcnbcrgfd^c ?Ui§bcutungen §0* gartl^fd^er ©tid^e barf man babei ni^t bcnfen. S)ic „®uten 3Beiber" 20 ftnb feine inbiöibuetlc Sid^tung, in ber ©oetl^efd^eS 93Uit fliegt; ftc intereffteren ftofflic^ burc^ feine Darlegungen über ben Unterfd^icb ber ©efc^Ied^tcr unb i!^r Sßcrl^ältnig 5ueinanbcr, ?Infd^auungen, bie ftd^ mit bencn Sc^iHerS übrigeng eng berühren. ?lbcr in ber f^orm muten un8 Wenige ^robuftc bc§ ®oet^cfd^cn „'Reiter"« „anftänbig"* 25 „bebeutenbcn" ?lltcr§ftil§ fo fteif unb froftig an h)tc bie „(Suten 2Beiber", bic ©euerer freiltd^ al§ ein „fleine§ äReifterftüdE" beäeid)net. ©ic cnttäufd^ten baS ^ublifum nod^ hjcit mc^r al§ bic „Unterl^al* tungen". 2)a§ geigen Sricfc Sd^tHerS an ©octtjc unb an ßotta, ber auc^ fonft uDct) mit bcm Safc^enbud^ monc^en Slvgcr l^attc. 2)cr b(i= 30 mala frcili^ fel^r öcrftimmte Shtcbcl fprad^ üon ber „blcifc^njercn Seic^tigfeit" ber ®oet:^efc^en ^Irbeit. Sic ^ritif l^icU, um ftd^ nid^t bie ginger 5U öcrbrcnncn, mit i^rem Urteil meift jurüdE: fo ber „9Zeue Seutfd^c aJJertur" (Sa^rg. 1800, ®. 160) unb bic „OTgcmeine bcutfc^c Sibliotl^ef" (Sa^rg. 1801, S. 230); nur ©articb ajJerfel nannte ben 35 „.^lubbialog" offen „toieHeic^t t>a9 Unintereffanteftc, hja§ je au§ ber geber be§ großen 2)tc^ter§ gefommen ift".

^^cnricttc toax mit 3Irmiboro fc^on einige 3eit in bem ©arten •^ auf unb ab Ipa^iert, in toelc^cm \iä) bct ©ommerffub ju tcriammcln ^jflcgtc. Oft fanbcn fid^ biejc beibcn ^uerft ein; fic liegten gcgcneinanbcx bie l§eiter[tc 9leigung unb nährten Bei

5 einem reinen gesitteten Umgang bie angenel^mften .^joffnungcn einer fünftigen bauerf)aftcn SJerBinbung.

S)ie lebi^aftc .gjenriette fa"^ faum in ber gerne Qlmalien nad^ bem 2uft^aufe ge^en, aU fie eilte, i^re greunbin ju begrüben. Slmalia l^atte ftd^ eben im Sorjimmcr an ben %\\<i) gefegt, auf

10 bem Journale, 3fit""9^" ""^ anbcre ^euigfeiten ausgebreitet lagen.

Slmalia brachte '^ier manchen SIbenb mit Sejen ju, ol^nc fic^ burc^ baS ^in« unb 2Bieberget)n ber ©efeüfc^aft, baä Äla^)pern ber 3Jlarfen unb bie getoö^nlid)c taute Untcrl^altung ber Spieler

15 im 6aate irren ju laffen. 6ie fprad^ »enig, au^er toenn fic i^re 2Jlcinung einer anbem cntgegenfe^te. -gjenriettc bagcgcu toar mit i^ren SBorten nid^t farg, mit aKem jufriebcn unb mit bem 2obe frifc^ bei ber ^anb.

(5in Ofrcuni> be§ .g)erau§geber8, ben toir ©inftatr nennen

20 wotten, trat ju ben beiben. „SDßaS bringen <Sie 9leuc§?" rief Henriette i^m entgegen.

„©ie a()nen too'^I faum", bcrfe^tc Sinffair, inbcm er fein Portefeuille ^crouijog. „Unb tuenn ic^ Sinnen auc^ fage, ba§ idf bie ilupfcr jum bieSjä^rigen .Jamcnfatcnber' bringe, fo tücr«

25 ben 8ie bie ©egcnftänbe berfetbcn boc^ nid^t enaten; ja iocnn id^ tociter gc'^e unb 3f)ncn eröffne, ba^ in jwötf 3lbtci(ungcn Oraucnjimmer üorgcftcUt finb "

348 aXf (Hittn SBflf-fr.

„9htn!" fiel .Henriette i^m in baä 2öort, „c§ jd)eint, Sic lüoüen untevm ©(fiarffinn nid)t§ üBrig taffen. ©ogar, tocnn id^ nicf)t irre, tun ©ic mir jum ^offen, ha ©ie ttiiffen, ba§ id) gern ©djarabcn unb Üiätfet enttuicMe, gern ha§, toa§ einer fid) ben!t, ausfragen mag. 2lIfo ätoölf g^auenäimmcrc^araftere, s ober SSegeBcnljciten, ober 5lnf:|)ielungcn, ober toaä fonft jur @^rc unjereä (Seid)ted)t§ gereidicn fönnte."

©inflair jd)tt)icg unb (äd^elte, Slnmtia toarf ifjren ftillcn SSlid auf iljn unb jagte, mit ber feinen l^bljuifc^en 5Jliene, bie il^r fo toot)! fielet: „9Benn ic^ fein (Sefic^t red)t fefe, fo l^at er lo etn)a§ gegen un§ in ber Safdie. S)ie 9Jlänner toiffen fii^ gar biet, n)enn fic ettt)a§ finbcn Ii3nnen, toag un§, toenigftenä bem Scheine nai^, t)crabfe^t."

©inllair. Sie finb gleich crnft,3(maUa, unb broljen, bitter äu hierben. ^aum mag' i^, meine 25Iättd)cn S'^nen öoräulegen. i5

|)enriette. 9hir t)erau§ bamit!

©inüair. ߧ finb ^arifaturen.

Henriette. S)ie lieBe i(^ BefonberS.

©inflair. ^IBBitbungen böfer Söeiber.

,g)enriette. S)efto Keffer! 2)amntergel§ören hiir nii^t. SBir 20 tDoÜen un§ unferc teibigen ©djtoeftern im S3i(be fo toenig 5U ©emüte jie'^en al§ bie in ber ©efettfd^aft.

©inüair. ©oEid^?

•Henriette. 5Jiur immer äu!

©ie nai)m i^m bie SSrieftafd^e tueg, jog bie Silber f^erauS, 25 breitete bie fed)§ 33Iätt($en bor fid) auf ben 2;iid^ au§, überlief fic fdjnell mit bem Singe unb rüdte baran Ijin unb ^er, toie man 5u tun pflegt, menn man bie Äarte fd^lägt. „Sßortreff(id) !" rief fic, „ha^ l)eife' iä) noc^ bem Scben! ^ier biefe, mit bem ©(^nu|iftaba!»finger unter ber 5Rafe, gleid)t bijllig ber 9Jiab. ©., so bie toir l)eute abeub fct)en merben; biefe, mit ber Äa^e, fiel;t bei= nal)c au§ toie meine ©ro^tante; bie mit bem Änaut f)at toaö bon unferer alten 5pu^mad)erin. finbet fic^ mo^l äu jebcr biejer :^ö|(id)en f^isuren irgenb ein Original, ntc^t roeniger ju

T\t fluttn gdttr. 349

bcn ^Jlmmcni. Ginen jold^en gcbücften^Jlagifter Ijat)' lä) ir9eub= lüo gcjc'^en iinb cinc3(rt Don fotd)cm3toirn]^alter au6). Sie fmb vcd)t luftig, bieje ^iipfevdjcn, imb IJejonbcrä t)nh\d) geftoi^en." „9Bic fömieu 6ie", üerjetjte rul)ig Wniatia, bic einen !aUen

5 U?{idf auf bic Silber loQvf unb i^n jogleii^ luieber Qbn)enbctf,

„^iev beftimmte 2i§nlid)feiteu aufjudjen! S)a§ ^n^(id)c g(cid)t

beni ^ä&tid)cn, jo toie bal Sd^önc bcm Sdjbnen; \)on jenem

luenbft fid) nnfet ÖJeift ah, jn biejeni iuirb er Ijingcjogen."

©inftair. ?llJer ^^antafie unb 2öiij finben meljr it)re

10 ^ied)nung, ftd^ mit bcm ^ä^lid^en jn Bejdiäitigen al§ mit bem 3d}öncn. 9lu§ bem .^ä^tid^cn lä^t fi(^ öiel madEien, au^ bcm Sdjönen nid)t».

„SCbcr biejcS nm^t unä ju cttoaS, ieneä bernic^tet un§!" lagtc l'hmiboro, ber im f^euftcr geftanben iinb öon iueitcm ju»

i:. gcljört I)atte. 6r ging, oljne jid) bcm Jijc^e ju nähern, in ba» auftü^enbe ilabinctt.

Stile ^lIuBgejcEidjnften IjaBcn ifjrc Gpoc^en. S)a^ Sfntevcffc ber (Seienid)att aneinanber, ba§ gute S3cr()äüni§ ber ^^-^erfoncn jucinanbcr ift fteigenb unb fnllenb. llnjcr ßluB i)at bicjcn (5om=

20 mer gcrabc feine fd)öne ^ät. 2;ic 3)litglieber finb mcift ge= bilbete, tuenigftensi mäßige unb Iciblidjc ^JJ]enfd)fn, fie fc^ii^en iüed)felfcitig it)rcn 2öert unb loffcn bcnUnlucrt ftill auf fid) bc= vut)cn. 3cbcr finbet feine Untcrtjattung, unb ba§ aUgcmcinc (i}e= fpräd) ift oft üon ber 9ht, ba& man geni bobci beriociten nmg.

25 (56en tam Sel)ton mit feiner f^ran, ein 5Jlann, ber erft in .Cianbi'tö», bann in poIitifd)en Ö5eid)äften uict gereift tjatte, an= genet)men Umgang^, boi^ in größerer @efetlfd)aft meift nur ein njüttommcner Sombrefpicler; feine S^^au» liebeui^Unirbig, eine gute, treue öattin, bic ganj baö Ißertrauen i^rcä ^Dlanucä gcnof}.

30 Sie füllte [i6) gtüdlid}, bafe fie ungeljinbcrt eine Iel)I)afte Sinn» lid)fcit t)eiter bcfc^äftigcn burftc. (fincn .£)auöfrcunb tonnte fie nid)t entbefiren, unb lluftbarteit unb 3f^[t'^f>'i'"'i>'" ''i^i'^^»'" '^'^' allein bie i^eberfraft ju l^äuSlidjcn Stugcnben.

äüir be^anbeln unferc l^e|er al>5 Jyrembe, iviuiiijaia-, üic

350 *>** fl"**" SBetDer.

joir öertraulict) gern in ber ©ejdiiüinbigfeit mit bcr ®ejeEid)a|t betannt mad)en mü($ten. S)er S)irf)ter ]oU un§ feine ^erfonen in i^ren ^anblungeu barfteHen, ber (Sefpräc^jd)reibet barf fid) ja tüoijl fürjet faffen unb fic^ unb jeinen ßcjern burd^ eine aiU gemeine ©c^ilberung gefc^toinb über bie ©jpofition toegl^elfen. s

(setjton trat p bem Sijd^e unb ]af) bie Silber an.

„^ier entfielet", fagte -Henriette, „ein ©treit für unb gegen 5?arifatur. 3^ toetd)er ©eite tooEen ©ie fid^ fc£)Iagen? S^E) er!(äre mid^ bafür unb frage: <g)at nid)t jebeg 3^^^^^^^ etwaä untoiberftel^lic^ 5ln3iel§enbe§'?" lo

21 m a U a. ^at nii^t jebe üble 5lad)rebe, toenn fie über einen 5tbtoe)cnben ^erge^t, ettoaS ungloubtic^ äiei^enbeg?

Henriette. 2)lad)t ein foI(^e§23itb nid)t einen unau§löf(^« Iid)en ©inbrud?

Slmalia. 2)a§ ift'g, toarum ic^ fic berabfdieue. 3ift nid^t is ber unauälöfd)üd)e ßinbrud jebeS ©fet^aften eben ba§, toa§ un§ in ber äöelt fo oft berfolgt, un§ mand^c gute ©peife öerbirbt unb mand^en guten Zxunt öergäEt?

•Henriette. ^Run, fo reben ©ie bod§, ©e^ton.

©e^ton. ^(^ toürbe ju einem S3erglei(^ raten. SCßarum 20 follen SBilber beffer fein at§ toir felbft? Unfer ©eift fd^eint aud) ätoei ©eiten ju l^aben, bie ol§ne einanber nid£)t beftel^en fönneu. gid)t unb ginfternig, @ute§ unb S5öfe§, .^ol^eg unbSiefeä, @ble§ unb 5Riebrige§ unb nod^ fo biet' anbere ©egenfö^c fd^einen, nur in öerönberten Portionen, bie ^ingrebienäien ber menfd)tid^en 25 ^iatur äu fein, unb toie lann it^ einem SJlaler berbenfen, toenn er einen 6nget.tDei|, lid£)t unb fd£|ön gemalt l^at, ba| il^m ein= fällt, einen Sleufel fdlimar^, finfter unb !§ä|tid^ ju malen?

2lmalia. S)agegen toäre nid^tö ju fagen, toenn nur nic^t bie f^reunbe ber S}er!^ä|lid£)ung§funft auc^ \)a^ in il^r ©ebiet so jögen, toa§ beffem 9iegionen angel^ört.

©et) ton. S)arin l)anbeln fie, bünit midEi, ganj rec^t. 3^^= l)en bod£) bie f^reunbe ber S5erfd^öncrung§Iunft aud^ ju fid^ l^in= über, toaS il^nen faum ongel^ören fann.

5)ic guten SBeiber. 351

Stmalia. Unb hoä) tücrbe iä) ben S^erjcrrem niemals öer- 8cif)en, ba^ fic mir bie SBilbcr boräüglirfiei- 5Jlenf(^en jo jtJ)änb= lid^ cntfiellen. Sd) mnfi eS ma(i)en, tuie iä) Xü'xU, |o mu§ id^ mir ben großen ^^itt' aU einen ftumpfnäfigen 23eicnfticl unb ben in 6 jo mandiem J8etrad)t fd)ä^en§öjerten ^of aU ein öoÜgejacftcS 8d)toein benten,

Henriette. S)a§ ift, toa§ ic^ jagte, ^lüe jold^e ?5ra^enMl= ber brüden fid^ unaugtöjditic^ ein, unb iiS) leugne nic^t, ba§ id) mir mand)mal in ©ebanfen bamit einen ©pa| ma(i)e, bieje @c= 10 jpenfter aufrufe unb fie noc^ fc^limmer öerjerre.

©inüair. ßaffen Sie fid) bod), meine 2)amen, au§ biefem allgemeinen Streit jur 33etrad)tung unfcrer armen 23Iättd)en loieber herunter.

© e i; 1 0 n. 3<^ Hc , l^ier ift bie .^unbeliebtiaberei nid^t jum 15 erfreulic^ften bargefteltt.

SImalia. S)ag mag l^ingel^en, benn mir finb bieje Stiere BcfonberS jnnjiber,

© i n f ( a i r. @rft gegen bie 3ertBilber, bann gegen bie ^unbe.

Stmalia. SBarum nid)t? ©inb bod) SLiere nur 3ei'*i;'^itber 20 besj ^lenid)en.

©ei}ton. ©ie erinnern fxd^ too^l, toaS ein 9tcijenber toon ber ©tabt @rä^ erjä^lt: baß er barin jo biete ^unbe unb jo üielc ftumme, l^alt) atberne 5Jlenjd)en gefunben f)abe. ©oHte nid)t mögtid) fein, ba§ ber (jabitueHe Stnblid öon beücnben 25 unöernünftigen liieren auf bie menjdilidie ©eneration einigen (Jinflu^ f)abcn !önnte?

© i n f I a i r. (^ine 3I6teitung unjerer Scibenjd}af ten unb 9lei« gungen ift ber Umgang mit Vieren gen)i§.

5lmalia, Unb toenn bieJßernunft, nad) bem gemeinen beut= 80 jc^en StuSbrurf, mand)mal ftitt ftcljeu faun, jo fte^t fie geioi^ in ©cgeniüart ber ^"»uube jtiü.

» SBilltam,«raf»onC^atam, berjüttflere (1759—1806), unb C^ar« leS 3am;d goj; (1749—1806), bie berühmten englifc^en 6taat<männer , bie feit ^em SInfaiig ber ac^tiiger ^a^iic erbittert« politif(^e (Begner naren.

352 'We guten SBetBer.

©inftair. ®Iücf(td)eilüciie I)al6en toir in bcr ®ejett|d)aft niemanb, ber einen .^unb Begünftigte, aU 50^ob, ©e^ton. «Sie üc6t it)x artigcg äöinbjpicl befonberä.

(2el)tün. Unb biefcä @efd)öpf mu^ lüejonber? mir, bcm ®e» ma'^t, jcl)r lieb unb toirfitig fein. 5

9Jlab. Seljton broljte itjrem ®eniaT)t ijon ferne mit Qufge= t)o6cnem Ringer.

(5el;ton. (£ö fielücift, luaöSie ijorljin jagten, (Sinttair, ba^ joldie ®efd)öpfe bie Steigungen ableiten. „2)arf id), tiebeä ilinb" (jo rief er feiner f^rau ju), „nid)t unfere @efd)i(^te er^äfiten? ©ie lo mad)t un§ beiben feine ©djanbe."

SJlab. ©cl;tün gab burc^ einen freunblic^cn SBinI il^re 6in= tüiüigung ju erfennen, unb er fing au ju erjäl^ten: „9Sir beibe liebten uu§ unb l^atten un§ borgenommen, einanber äu l^eirateu, e^c at§ toir bie 3Jlöglid)!eit eineä @tabli|fement§ Dorau§fa'^en. 15 (^ubtid) geigte fid) eine fiebere Hoffnung; oEein id) mu^te nod£) eine 9ieife öorae'^men, bie mi(^ länger, al§ ic^ müufdjte, aufju» tjalten brof^te. 23ei meiner Stbreife Iie§ id^ il;r mein SBinbfpiet jurüd. mar fouft mit mir jn it)r gcfommen, mit mir meg= gegangen, mand)mal au(^ geblieben. 9iuu geprte itjr, mar 20 ein munterer ©efcllfdiaftcr unb beutete auf meine äBieberfunft. 3u |)aufc galt ba§ Sier ftatt einer Unterhaltung, auf ben ^ro= mcnabeu, mo mir fo oft äufammeu fpajiert l^atten, fd§ien ba» ÜJefc^öpf mi(^ aufjufudien unb, menn au§ ben33üfc^en fprang, mid) auäuüinbigen. ©0 tänjc^te fict) meine liebe 5Jteta eine 3eit= 25 lang mit bem ©djeine meiner ©cgenmart, bi§ enblid), gerabe ju ber^eit, ba id) mieberäufommen ^offte, meine Slbmcfenljeit fid^ bobpelt 3U berlängern bro'^te unb ba§ arme ®ef(^öpf mit Sobe abging."

531 ab. ©el)ton. 9lun, liebet 9}Mnnd)en, Ijübfd^ reblid), 30 artig unb bernünftig erjälllt.

© eljton. fte^t bir frei, mein .ßinb, mid^äutontrollieren. „"Dlleiner S^eunbin fd)ien il)re 2öol)nung leer, bcr ©Vajiergang unintereffant, ber §uiib, ber fonft neben iljr tag, menn fie an

SHe guten aBetber. 353

mid^ jd^rieB, toar i^x, toic baä 2icr in bcm SSilb eine§ 6t)angc= liflcn, notwenbig geloorbcn, bic35ricfetootttcn nid^t me^r fliegen. 3ufQlIig fanb fic^ ein junger Tlann, ber bcn 5]3Ia^ be§ biet» fü^igen ©ejeHid^afterä ju .^aujc unb auf ben ^romenabcn über»

5 nehmen ttiolltc. ©enug, man mag \o bittig benfen, aU man loitt, bie ©ac^c ftanb gefäf)rlid)."

3Jlab. ©e^ton. ^6^ mu^ bid§ nur gctt)äl§rcn taffen. 6inc toal^rc ©efc^ic^te ift o1)nt ßjaggeration' Jetten er3Ö^len§tt)crt. Sc^ton. (5in bciberjeitiger gfreunb, ben toir alä ftitten

10 5Jleni(^entenncr unb ^etäenstenfcr ju fc£)ä^en teuften, toax ju» rüdfgeblieben, beiuc^te jie mand^mal unb l^atte bie SSeränberung gcmertt, 6t bcobad^tete baS gute ßinb im ftitten unb fam eineä SageS mit einem Söinbfpiel in§ ^iw^n^^^» ^^^ i'em erftcn böttig güd^. 2)ie artige unb l^erälid^e Slnrebc, »omit ber f^teunb fein

15 ÖJefc^enf begteitete, bie unenoartete ©rfcEieinung eine§ au§ bem l^rabe gleidjfam ouferftanbencn ®ünftling§, ber ftitte S3ortt)urf, ben fid§ i^r enH)fänglic^cä ^erj bei biefem SlnblicE maä^k, fü^r= ten meinSilb auf einmal Iebf)aft »ieber ^eran; ber junge menic£)= lit^e ©tettüertreter fturbe auf eine gute 2öeife entfernt, unb ber

20 neue ©ünftUng blieb ein ftcter Segleiter. 31I§ ic^ nadf) meiner Söieberfunft meine ©elicbte tt)icber in meine ?trme fc^Io^, l^ieÜ id^ baS ®efd|öpf noc^ für ba^ alte unb bertounberte mic^ nidjt toenig, alä mirf), toie einen ^ftemben, l^eftig anbcttte. „2)ie mobemcn .£)unbe muffen fein fo gute§ @ebäcf)tni§ l^aben als bie

25 antifen!" rief ic^ auö; „Uli;B lüurbe nacE) fo langen Sagten Don bcm feinigen wieber erfannt*, unb biefer l)ier fonnte mid^ in fo turjer3cit öergeffcn lernen." „Unb bocl) t)at er beine ^enelopc auf eine fonberbare SBeife hetoaö^V." bcrfe^te fie, inbem fic mir berfprad^, bag 9iätfel aufjulöicn. 2a§ gefdljat) audl) balb, bcnn

80 ein l)eitere§ SJertraucn ^at bon jel)cr ba§ ©lüdt unfcrer Jöcrbin» bung gemacht.

'JJtab. Set) ton. 5J]it biefer ®efd^idt)te mag'8 fo betoenbcn.

' R^etotifi^ Üterlrfibung. » „Obvfi'ee", ©«fonfl 17, 8. 2fl0ff. Cott^. X. 23

854 *** suten SBeibfr.

Söenn btr'§ tcd^t ift, fo gef)c iä^ nod^ eine Stunbe fpajicren; bcnn bu toirft bid^ nun bod^ an ben £ombrettj(^ je^en.

Qx nidEtc iI)T jein 3ia ä^l fi^ na^m ben 3trm il)re§ .^au§» freunbcä an unb ging nad) ber 2ür. „ßiebeä ^nb, nimm bod^ ben ^unb mit!" rief et i^x nad^. 3)ie ganje @efeHfd)att lödt)ette, 6 unb er mu|te mit lät^eln, aU ex gen)at)r toarb, wie biejeg aB)idt)tlofe 2öort \o artig pa^te unb jebermann barüber eine fleine ftitte ®d£)abenfrcube empfanb.

6in!Ioir. ©ie l)aben bon einem ^unbe erjä^lt, ber glüdE= Iidf)ern)ei|e eineSBerbinbung befeftigte; idi^ tann Don einem anbern lo fagen, beffen ©influB jerftörenb mar. 3lud) idt) liebte, aucft id^ öerreifte, oucf) id^ üe| eine gi^eunbin jurüdE. 9lur mit bem Unter» jd^icb, ba§ il)r mein SBunfd^, fie ^u befi^en, nod£) unbefannt mar. ©nbUdE) fet)rte ic^ äurücf. ®ie öielen®egenftänbe, bie id) gcjcl^en ]§atte, lebten immerfort öor meiner (äinbilbungöfraft, id^ mochte gern, toie 9tüdE!et)renbe ^jflegen, erjäljlen, id^ ^offte auf bie bc» fonbere STeilnafime meiner g^eunbin. S5or aKen anbern ^en=» f(^cn mottte id^ i^r meine @rfat)rungen unb meine SBergnügungcn. mitteilend 3lber idt) fanb fie fet)r Iebt)aft mit einem .^unbe be« fd^öftigt. £at fie au§ ©eift be§ SBiberf prud^ä , ber mand)= 20 mat ba§ fd^öne ®efd£)tec£)t befeelt, ober mar ein ungtücflidjcr 3ufatt: genug, bie üebenSroürbigen ßigenfd^aften beä 2:ierö, bie artige Untergattung mit bemfetben, bie 2ln^äng(id^feit, ber 3cit» öertreib, furj, roa§ aEei bap gehören mag, maren ba§ eiu/jige ©efpröc^, toomit fie einen 2)lenic^en unterhielt, ber feit Satir 25 unb Jag eine meit' unb breite SBelt in ftdt) aufgenommen t)atte. 3dE) ftodfte, id^ öerftummte, idE) eräät)lte fo mand^eö anbern, roaä id^ abmefenb il^r immer gewibmet l^atte, id^ füt)lte ein lütifebe» l^agen, ic^ entfernte midE), id^ l^atte unred^t unb roarb not^ unbc= liagüd^cr. @enug,öon ber 3eit anwarb unjerSJeri^ättniä immer so !äUer, unb Wenn fidE) jute^t gar jerfd^tug, fo mufe id^ roenig= ftenä in meinem ^erjen bie erfte ©d^utb jenem ^unbe beimeffen.

1 Dem ^c^ter fc^ioebt l^ier oUOeic^t fein fßtt^&ÜxM fu S^arlottc o. Sttin nac^ ber Sltttfte^r aui 3ta(ien vox.

«te guten ffleiber. 355

2Irmiboro, ber au§ bcm Äabinett tnicbct jur ©efeliyd^aft gc» treten toat, jagte, naci)bcm er biejc ©ejc^ic^te bemommen: „(Si roürbe gcroi^ eine mertroürbige ©ammlung geben, toenn man ben (JinfluB, ben bie gejelligen 2iere auf bcn ^cnjc^cn ausüben,

f in ©ejdjic^ten barftellen xooütt. ^n (Jrttiartung, bafe einft eine joId)e Sammlung gebilbet werbe, toiTL id§ erjäl^ten, toie ein ^ünbc^en ju einem tragiici)cn Slbentcucr 5lnIaB gab.

„i^erranb unb ßarbano, jtoei öbelleute, f)atten öon Sfugenb auf in einem fTeunbjd)aftIid^en SSer^öItniS gelebt. 5pagen an

10 einem ^ofe, Offiziere bei einem Siegimente, tiatten ftegarman= ä)ti Slbentcuer jujammen beftanben unb fid^ au§ bem ©runbe fennen gelernt, ßarbano l^atte ©tücf bei ben Söeibem, f^erranb im ©piel. 3ener nu^te ba§ feine mit ßeic^tfinn unb Übermut, biejer mit S3ebac^t unb 9In^a(tfamteit.

15 „3ufäHig ^intertie^ ßarbano einer 3!)amc in bem 5Roment, aU ein genaue^ S3cr^ältnig abbrad^, einen fleincn fc^önen 2ö» toen^unb; er fd^affte fic^ einen neuen unb fd^enfte biefen einer anbem, eben ba er [ie ju meiben gebadete, unb öon ber 3eit an toarb ti SBorfa^, einer jeben beliebten jum 2Ibid)ieb ein folcf)eg

ao .ipünb(^en ju {)interlaffen. gerranb nju^te um biefe ^offe, ofine ba& er jemat^ befonberä aufmerffam baiauf geipcjcn toärc.

,48cibe i^reunbe njurben eine lange 3eit getrennt unb fanben fid) erft roieber jujammen, al§ gcrranb öer^eiratet mar unb auf feinen Öütern lebte. Garbano bracf)te einige 3"t teilä bei i^m,

» teil« in ber *Ra(^barf(^aft ju, unb toar auf biefe SOßeife über ein 3a^r in einer ©egenb geblieben, in ber er biet iJrcunbe unb 33erroanbtc ^atte.

„(iinft fielet i^erranb bei feiner Ofrau ein aHerliebfteg ßötoen» pnb^en, er nimmt ti auf, ti gefällt itjm befonberä, er lobt,

so er ftreidjeU ti, unb natütlii^ fommt er auf bie i^xa^i, tool^er fte hai id)öne Xier erhalten \)aM ,S3on ßavbano', mar bie ^Int» toort. \Huf einmal bemäct)tigt fic^ bie Erinnerung boriger 3«itcn unb iöegcbcnljeiten, baS '•Jlnbenfen be§ fred^en Äenn^eid^en«, too- mit (£arbano feinen äöanfelmut ju begleiten pflegte, ber Sinne

23*

356 ^^^ SUt"» ffifiBer.

bc3 Beicibigtcn 6[)emanns, er fällt in 2But, er totrft baS artige jLier unmittetbar au§ jeinen Siebfojungen mit ©etualt gegen bic 6rbe, öerlä^t ba§ fdjreienbe 2:ier unb bie erjd^rocfene i^rau. Sin 3tt)eifanH}j unb mandjeiici unangenet)me f^olgen, jwar feine ©d^eibung, aber eine ftiUc Ütiereinfunft, fid) abäufonbem, unb s ein äcrrüttete§ ^augiDefen, niacl)cn ben^öejd^tuB biefer ©ejc^it^te."

9li(^t ganj toax bieje Grjäl)tung geenbiget, aU ßutalic in bic ®cjettjd)aft trat ein f^i^ouenjinimer, überaß ern)ünf(i)t, too fie l^infam, eine ber fd^önften 3ierben biefeS Älubä, ein ge» bitbeter (Seift unb eine glü(flicf)e (5c£)riftftetterin. lo

2)lan legte i^x bie böfen SBciber bor, toomit fi(^ ein gej(^i(f= ter fiünftler an bem fc^önen @efd)tc(i)te berfünbigt, unb fie toarb aufgef orbert, fid^ itirer beffem <5(i)tDeftcm anjunel^men.

„SGßa^rf(^einli(i)", jagte Slmalia, „toirb nun auc^ eine 2lu§= legung biefer liebenStoürbigen 33ilber ben Sllmanac^ ikxtnl is 2öat)rf(^einlid) toirb bem einen ober bem anbem ©d^riftfteHer nid^t an 9Bi^ gebrcd^en, um ba§ in Söorten nod^ red^t aufju= bröfeln, toa§ ber bitbenbe Huftier l^ier in S)arftellungen ju^ iammengetuobcn lf)at."

©inftair, al§ greunb be§ -Herausgeber^, fonnte Weber bie 20 SSitber ganj falten laffen, nod£) fonnte er leugnen, ba^ l^ier unb ba eine ©rflärung nötig fei, ja, ba| ein ^etrbitb o'^nc Srftärung gar nidE)t befte^en fönne unb erft baburct) gleid^fam belebt toer» ben muffe. 2Bie fet)r fid^ aud^ ber bilbcnbe ^nftler bemü"^t, SSi^ ju jeigen, fo ift er bod^ niemals babei auf feinem x^tü>. 25 6in 3<^''^^i^^ ol^ne Sfnfc^riften, ol^ne ßrflärung ift getoiffer» ma^en ftumm, mirb erft etraa^ burd^ bie ©prad^c.

Slmalia. ©0 laffen ©ie benn aud^ bicfeS fleine 35ilb l^ier bur(^ bie ©prad^e etn)a§ toerbcn! (5in f^rauen^immer ift in einem Se^nfeff et eingefd)lafen, n)ie fd)eint, über bem©d§rciben; so ein anbereg, ba§ babei ftei^t, reitet i^r eine S)ofe ober fonfl ein ®efä^ l^in unb toeint. SBai joll ba§ borfteEen?

©inflair. ©0 fott id^ atfo bod^ ben firflörer mad^en, oB=» gleid^ bie Samen Weber gegen bie ^errbitber nod^ gegen il^re

Ibit guten SB«i6er.

357

Stftärcr gut geftnnt ju jcin |d^cinen? ^ict joE, tote man mii jagte, eine «Sd^rififteHerin borgeftcttt fein, teelc^e nad^tä ju fc^reiben tJflegte, fi(^ öon if)rem Äammermäbc^en ba§ 2!inten» fa| Ratten Ue§ unb bas gute ^nb äloang, in bicjer SteHung ju

öcr'^arccn, tocnn qu^ jclbft bcr Sd^taf i^rc ©ebietcrin über« roftttigt unb biejcn 2ienft unnü^ gcnmd^t l)atte. 2;ic 2)ainc wollte beim Grroac^cn ben i^aben ifjrer ÖJebanfcn unb SJor» ftettungen jotoie gebet unb 2;inte jogleirf) wieber finben.

5lrbon, ein benfcnber Mnftler, ber mit Gulolien gefomnien

858 ^< flMte« aseiber.

toar, ma^k bcr S)arfteIIung, tote fic ba§ Statt jctgte, ben .(hrieg. „3Benn man", [o fagte er, „ja biefe Gegebenheit ober toie man nennen mill, borfteUen tooUtc, jo mu^te man [id^ anberä ba= Bei benefimen."

Henriette. 9lun laffcn ©ie un§ ba8 Jßilb gef(f)»inb aufS 6 neue fomponieren.

5lxbon. ßaffen Sic un§ öorl^er ben ©egenftanb genou bc» trad^ten. S)a§ jemanb \\ä) beim Schreiben ba§ S)intenfa§ IjaU ten tä§t, i[t ganj natürlid^, toenn bic Umftänbc öon ber Slrt ftnb, ba^ er nirgenbä f)infe|en fann. ©o l^iclt SSrantomeg* lo ©roBmuttet ber Königin öon 9labarra ba§ 2)intenfa§, toenn biefe, in i'^rcr «Sänfte fifeenb, bie @efd)i(^ten auffdiricb, bie toir noc^ mit fo bielem SSergnügen lefen. 2)0^ jemanb, ber im SBettc fc^reibt, fid) ba§ S)intenfa§ tialten lö^t, ift abermalg ber ©ad^e gemä§. ®enug, fd)öne ,g)enriette, bie <Bk fo gern fragen unb is raten, toag mu^te ber iHinftler bor aHen S)ingen tun, tocnn er biefen ©egenftanb bel^anbeln irioEte?

Henriette. 6r mu^te ben Stifd^ berbannen, er mu^tc bic ©d^lafenbe fo fe^en, ba^ in il^rcr Sfl(ä)t \iä) nid^tS befanb, tto baS 5Dintenfa§ fielen !onnte. 20

2lrb on. ®ut! ^d^ l^ätte fic in einem ber ge^)olfterten Sel^n» feffel borgeftettt, bie man, toenn id^ nid)t irre, fonft Sergercn nannte, unb ätoar neben einem ^amin, fo ba^ man fie bon born gefeiten ^ätte. toirb fupponiert, ba§ fie auf bem Änie ge= fdfirieben f)abt; benn gett)öl)nlid£), toer anbern ba§ Unbequeme 25 äumutet, mac^t fid^'§ felbft unbequem. 5£)a§ ^pa^ier entfinft bem ©d£)oBe, bie ?veber ber ^anh, unb ein pbfd£)e§ SJlöbc^en ftcl^t oancben unb l^ält berbrie^tid) ha§ ^mkn\a^.

Henriette, ©anj red)t! S)enn l^ier I)aben toir fc^on ein 5Dintenfa§ auf bem Sifd^c. 5^af)n toei^ man aud^ nid^t, tooS 30 man ou§ bem ©efö^ in ber ^anb be§ aJläbd^enä mad^cn fott.

1 qjiBtre be S3ourbeiIlc8, ©eigneur be Srant6me (1527 1614), SSerfoffer berühmter SKemoircn, joiirbe am ^ofe ber ilontgin SDlargaiete oon Ka« Dana, ber aJerfafferln beä berühmten „^eptameron" (1559), erjogen.

«He fluttn fflciöet: 859

SBarum jic nun gar ordnen abauioiit^cn fd^eint, tä^t ftc^ Bei einer |o gteid^gültigcn ^anbtung md)t beuten.

©inflair. 3(^ cntjc^ulbige ben Äünftler. ^ter l^at er bem (Jrftärcr 9taum gelaf^en.

5 SIrbon. £er benn quc^ mal^ric^einlid^ an ben Beiben ^än» nem o^ne Äopf, bie an ber Sßanb Rängen, feinen 2Sßi^ üben fott. 3Kic^ bünft, man jief)t gerabc in biefem gaüc, auf »elc^c ^Ibfoege man gerät, toenn mau ^nfte öermifd^t, bie nid)t äu= fammen gef)öreu. Söüfetc man nichts öon erflärten ^pfer»

10 [ticken, ]o mad^tc man feine, bie einer ßrftärung bebürfen. ^ä) ^abe fogar nid^tg bagegen, ba§ ber bitbenbe Äünftler toi^ige Slarftcllungen öerjuctie, ob \ä) fie gtcic^ für äuBerft ']<^raex l^altc; aber aud^ aläbann bemühe er fic^, fein 23ilb f etbftftönbig ju mad^en. 3c^ tt)iH \f)m. 3nf(i)riften unb ^^ttel au3 bem 5Jlunbe feiner

15 ^erfoncn erlauben, nur fef)e er ju, fein eigner Kommentator ju toerben.

©inttair. SBenn Sie ein ü)i^igc§ Silb jugebcn, fo tDcr= ben Sie boc^ cingeftef)en, ba§ nur für ben Unterrid^tetcn, nur für ben, ber Umftänbe unb SSerl^ättniffe !ennt, unter^attenb unb

20 reijenb fein fann; toarum f ollen ttjir alfo bem Kommentator nic^t banfen, ber un3 in ben (Staub fe^t, ba§ geiftreic^c ©piel ju öcrftc{)en, baS öor unS aufgefüf)rt tt)irb?

5Irbon. 3d^ \)abt nii^tä gegen bie (Srflärung bcä 93ilbc§, baä fic^ nid^t fctbft crtlart; nur müfetc fic fo furj unb fd^tid^t

86 fein ali möglid^. Seber 2Bi^ ift nur für ben Unterrichteten, jebc* mi^ige SSerf ttjirb beätjatb nid^t öon aßen öerftanben; iDod öon biefer ?(rt auä fernen 3fiten unb ßänbern ju un§ ge=' langt, fönnen toir faum entziffern. ®ut! man mad^c 9ioten boju wie JU JRabelaiä' ober „Jpubibraä"''; aber toaä tDÜrbe man

so JU einem ©^riftfteHer fagen, ber Über ein »i^igeä 2öerf ein

> grantoi« Kabeloi« (1483— 1.S53), ber gvöfete fattriWe "Dieter gronf. rei4«, cor oUem od Cetfofer be« „«orgontua" berübmt * i>tr „^ubibro«" (£onbon, 1663 78) Ifl ein bem „Don CmEOtt" nacbflebtlbete«, namentU* bat religtöfe unb poHtifcbe Settenncfen gei^lnbeS fatirif(^'tomif(4e< Opoi bc4 eng(i|(^ Su^terl eaniuel Butler (1612—80).

360 ^t BWtcn SBeiBer.

tüi^igeg 2Ber! fd)rci6en tooUtc? 2)er Sßt^ läuft jd^oii Bei feinem lUfprunge in ©efol^r, ju toü^eln, im ätüeiten unb britten ®licb wirb er nod) jd^timnicr ausarten.

©inflair. 2Bie |et;r toünjd^te i^, ba^ rtir, anftatt unS T)ier ju ftrciten, unferm f^freunbe, bem ^erau§geBer, ju ^ülfe 5 fämen, ber ^u biefen SBitbern nun einmal eine ©rflärung toünjd^t, h)ie fie l^ergeörad^t, toic fie BelieBt i[t.

3IrmiborO (inbem er aug bem Jtobinett fommt). SS"^ 'fjöte, nod^

immer Beid)äftigen biefe gctabetten Silber hie ©eielljd^aft; toären fie angene'^m, id) toette, fie toären fc^on löngft beifeite lo gelegt.

atmalia. S«^ ftimme barauf, ba§ fogleic^ gefdjc^e unb 5mar für immer. S)em .gerauSgeber mu^ aufgelegt toerben, feinen ©ebraud^ bation ju machen, ©in SDu^enb unb mel^r l^öBlic^e, l§affen§toerte Söeiber! in einem SLamenfalenber! bc= i6 greift ber 5Jlann niäjt, ta'^ er feine ganje Unternel;mung p ruinieren auf bem Söege ift? 2ßeld)er Siebl^aber toirb eg toagen, feiner (Sd)önen, meldjer ©atte feiner f^rau, ja toelc^er S5ater feiner 2:od)ter einen foldjen Sllmanad^ p üere^ren, in h)eld)em fie beim erftcn Sluffd^lagen fd)on mit Söiberttjitten erblidft, toag 20 fie nid)t ift unb ma§ fie nic^t fein foH?

5lrmiboro. 3id) toiH einen SSorfd^lag ^ur @üte tun: 2)iefe S)arfteüungen be§ S3erabfd)euungen)erten finb nid)t bie erften, bie toir in äierlid^en ?llnmna($en finben; unfer maderer ß^obomiecfi l^at fc^on mandic ©jenen ber Unnatur, berS3erberb= 25 ni§, ber SSarbarei unb be§ 5lbgefd)madg in fo fleinen 5Jlonat§« fu:pfem trefflich bargefteHt; allein ma§ tat er? er fteüte bem |)affenömerten fogleic^ ba§ 2ieben§loürbige entgegen Svenen einer gefunben Ülatur, bie fic^ rut)ig entmidelt, einer 3med= möBigen Silbung, eineS treuen 5lu5bauern§, eine§ gefüllten so (EtrebenS nad) 2!öcrt unb ©d^önl^eit. Soffen ©ie un§ mel^r tun, als ber .g)erau§geber münfd)t, inbem toir ba§ (Sntgegengefe^te tun. ^at ber bilbenbe Äünftler bieSmat bie ©d^attenfeite ge= toä^lt, fo trete ber ©diriftfteUer ober, toenn id) meine SBünfd^e

tAt guten ffieibft. 361

auSfprc(?^en barf, bic Sd^riftfiettcrin auf bic ßic^tfettc, unb ]o fann ein föanjeä toerben. ^6) toitt nic^t ISngcr jaubern, 6u= tatic, mit btejen S5oric[)(ägen meine SBünfc^e taut toerben ju laffcn. Überncl^men Sie bieSd^ilberung guter gtaucn. Schaffen 6 Sic ©egcnbilber ju biejcn ßu^fem; unb gebraudjen Sie ben 3auber S^rer fjcber, nic^t bieje fteinen Stätter ju erftären, fonbcm ju üemic^ten.

Sinftair. 2:un Sic e», ©utatid erzeigen Sic unS ben ©cfaEen, tjerjpred^cn Sie gcjd^iDinb. 10 ßulalie. Sd^riftftcßcr öcrjprcd^en nur gar ju leicht, tocil ftc l^offen, basjcnigc (eiften ju fönnen, toaä fic bermögcn. Gigenc Grfat)rung I)at mid^ bcbäc^tig gemacht. 3l6er aucf) loenn ic^ in biejcr hirjen 3eit |o öict 5)iu§c öor mir jä^c, toürbc id§ bod^ Scbenfen finben, einen jolc^cn 9luftrag ju üBemel^men. SCßa§ 15 ju unjem ©uniten ju jagen ift, mu| eigentlid) ein 5Jlann jagen, ein junger, feuriger, tiebenber^Jlann. 2;a§®ünftigc bor^utragen, gel^ört ©nt^ufiaämug, unb wer Ijat 6nt^ufiagmu§ für fein eigen (Se|d)tcc^t?

Slrmiboro. einfid)t, (Sered)tiglcit, 3<ii^tl^cit ber S5c!^anb» 20 lung wären mir in bicjcm i^aUt notf) UjiUfommncr.

Sinftair. Unb öon wem mö^te man lieber über gute grauen etmoä l^örcn aU üon ber S3erfaffcrin, bic fid) in bem ^JJlärd)cn, ba§ unä gcftem fo fe^r cntjücfte, jo untocrglcid^lic^ bctoicjcn ^at? 25 ßulalie. 2;aä 5Jiärc^en ifl nic^t öon mir!

Sinflair. 5iid^t öon 3^ncn?

Strmiboro. S)a§ fann ic^ bezeugen.

Sinflair. S)od^ öon einem Sfrauen^immer.

Gulalic. 33on einer Srcunbin. 80 ©inflair. So gibt bcnn jwei ßutatien?

Gutalic. 2Ber Wei^ wie öicl' unb bcjjrc.

Slrmiboro. ^Dlögcn Sie ber ©efcHfd^aft erjagten, Wa§ Sie mir öertrautcn? 3ebermann wirb mitSöcrWunbcrung t)ören, auf welrf)c jonbcrbarcSBcifc bieje angenef)me 5probuf tion entftanben i jt

362 gte fluten aBeiBer.

gulattc. 6in ^^raucnäimmcr, baä id^ auf einer JReijc jdEia^en unb fcnncn lernte, fanb fic£) in jonberl6are Sagen öer^e^t, bie ju erjöfilcn attju weitläufig fein toürbe. (Sin iungcr 5Jlann, ber öiet für fie getan l^atte unb it)r jute^t feine |)anb anbot, gewann it)rc ganje Steigung, überrafc^te itjre 2)orfi(^t, unb fie & geroät)rtc öor ber cl^eUc^en Serbinbung if)nt bie 9lec^te eine3 äema^tä. 9leue ©reigniffe nötigten ben Bräutigam, fic^ p ent- fernen, unb fie fat) in einer einfamen länbUd^en 2öo{)nung nid^t o{)ne ©orgen unb Unrul^e bem ©lüde, 9Jlutter ju toerben, ent- gegen, ©ie »ar genjotjut, mir täglich ju fd^reiben, mid^ öon lo aUm 35orfätten p bena(i)ricf)tigeu. ^^lun föaren feine Vorfälle mti)i ju befürc£)ten, fie brandete nur @ebulb; aber idt) bemerftc in i{)ren Sßriefen, ba^ fie ba§ jenige, toag gefc^e'^en toar unb gc» fc^et)en fonnte, in einem unru{)igen @emüt ]§in unb »ieber toarf. 3idt) entfcf)lo& mid^, fie in einem ernft{)aften23riefe auf if)re^f[id)t is gegen fic^ felbft unb gegen ba§ ©efd^öpf äu toeifen, bem fie je^t burd^ |)eiterfeit be§ ©eifteg pm 3lnfang feineg SDafeing eine günftigc 5fla't)rung p bereiten fd^utbig föar. ^ä) munterte fte auf, fic^ p f äffen, unb abfällig fenbetc ic£) i^r einige SBänbc Wäx^tn, bie fie au tefen getoünfd^t l)atte. ^^x S5orfa^, fic^ öon 20 ben tummeröollen ©ebanfen logäurei^en, unb biefe p'^antafti« fd^en ^robuftionen trafen auf eine fonberbare SBeije pfammen. 2)a fie ba§ ^ad^benfen über i^r ©d^idEfal ni^t gana toiwerben lonnte, fo fleibete fie nunme'^r attc§, toa§ fie in ber SJergangen- ^eit betrübt :^atte, »ag i^r in ber 3ufunft furd^tbar öorfam, in ^ abenteuerliche ©eftaltcn. 3Ba§ il)r unb ben S^i^iQcn begegnet toar, ^leigung, ßeibenfc^aften unbS3erirrungen, ba§ lieblid^ forg- licl)e g)tuttergefü^l in einem fo bebenflidfien 3uftanbe, alle§ öcr» förperte fii^ in lörpcrlofcn ©cftalten, bie in einer bunten ^ti^t fettfamer @rfdl)einungen öorbeipgen. ©0 brad^tc fie ben Stag, ^ \a einen 2:eil ber 9lad£)t mit ber ^eber in ber ^anb ju.

5lmalia. Söobei fie \iä) »0:^1 fd^tt)erlid§ ba§ 3)intenfa| Italien lie|.

gutalie. Unb fo cntftanb bie feltfamfte golge öon ©riefen,

tAt guten JBdber. 363

bic id) jemals crl^alten t^abt, %Viti toai Bitbttd^ , tounbcrtic^ unb märc^enf)Qft. Äeine cigcnltid)e ^loc^rii^t cti^iclt id^ mtijx öon i^r, jo ba^ mir manchmal für i^ren Äopf bange toarb. SHIc i^re 3uftänbe, i^re ©ntbinbung, bie nöd^fte Oleigung jum ©öug»

» [ing, fjreubc, Hoffnung unb fj^ur^t bcr Butter, Waren 33egeben» Reiten einer anbem 2ßelt, otiö ber fie nur burc^ bie Stnfunft il^rcS ^öräutigam^ jurücfge^ogen tourbe. 3ln il^rem .gjod^jeitätage jc^loß fie ba§ IRörc^en, ba§ bi§ auf 2GSenige§ ganj au^ it)rer gebcr fam, toie ©ie geftem gel^ört tjaben, unb ba§ eben ben

10 eignen 9leiä burc^ bie tounberlid^e unb einzige ßage erhält, in bcT ^erüorgebrac^t lourbe.

S;ie ©efeüjc^aft fonnte il^re 25ertDunbcrung über biefc @c= fd^id^te nic^t genug bezeigen, fo ba§ (Se^ton, ber feinen ^la^ am Sombrctifd^e eben einem anbem übertaffen ^atte, l^erbeitrat

15 unb ]xö) naäf bem ^n^alte iie^ ©efpräc^ö erhmbigte. 5}ian fagte i^m tutj: fei bie JRebe öon einem ^Rärd^cn, baä au§ täg= liefen p^antaftifd^en Äonfcffionen eineä frönfelnben ©emüteä, bod^ gcmiffermaBen öorjä^Iid^ entftanben fei,

„ßigenttid^", fagte er, „ift t% fi^abe, ba|, fobiel idf) h)ci§,

20 bie Jagebüc^cr abgefommen fmb. S5or ätüanjig Sauren maren fie ftärfer in ber ^obe, unb mand^e§ gute Äinb glaubte toirflii^ einen ©cf)a^ ju beft^en, Wenn feine ©emütSpftänbe tägtid^ ju ^a^iere gebrad^t ^atte. 3d^ erinnere mic^ einer liebenäwür» bigen *Perfon, bcr eine fotd^e @ett)ol}n'^eit batb jum Unglüdt

25 auögcf^lagen toäre. Gine ©ouöemante f)atte fie in frül^er 3(u» genb an ein fotd^eä toglid^eä fc^riftlic^cä 93efcnntniS gcioö^nt, unb ti toar it)r jule^t faft jum unentbehrlichen ©efd^äft gemor« ben. (Sie bcriäumtc nic()t atä ertt)arf)iene§ f^rauenjimmcr, fie nal)m bie ©croo^n^eit mit in ben 6I)eftanb hinüber. ©oId)c

80 «Papiere ^ielt fie nic^t fonberlic^ ge!)eim unb ^atte eS oud[) nid^t Urfa^e, fie laSmand^mal^reunbinucn, manc[)inal i{)rem "OJiannc Stcöcn barauö üor. S)aä ©anje »erlangte niemanb ju fcljcn.

„S>ie 3eit verging, unb c8 fam auc^ bic Steige an fic, einen ^auSfreunb ju befijjen.

364 '^'f 8«ten SBetbet.

„^it eben ber ipün!tlt(^feit, mit ber jte jonfl i'^rcm ^Papiere lüglid^ QeBcicf)tet i)attc, je^te ftc aud^ bic ®e|(i)i(^te biejeS neuen S3er^Itniffe§ fort. 35on ber erften ^Regung, burc^ eine toad^= fenbe 9leigung bi§ jum Uncntbe{)rücE)en ber Ö)en3oIjnt)eit, toax ber ganje 2cben§tauf biejer Seibenfdjaft getreu tid) aufgezeichnet ß unb gereichte bem 3Jtanne jur fonberBaren Seftüre, alsi er ein» mal äuföEig üBer ben ©direibtifd) fom unb, ol^ne ?trgtt)ol)n unb 3lbficf)t, eine auf gcf erlogne ©eite be§ 2ageBud)§ !§erunterla§. 5Jtan begreift, ba^ er fic^ bie 3eit na'^m, öor= unb rüdtoärtS ju (efen; ba er benn jute^t nod) äicmlid) getröftet öon bannen lo j($ieb, tueit er fa'^, ba§ gcrabe noc^ 3^^* i^t^^» o^f cii^c 9^= fc^idte Sßeife ben gefäf)rli(^en ®aft 5U entfernen."

Henriette. fottte bod) nad^ bem SBunfc^e mcineä f^rcunbeS bie 9lebe bon guten SSeibern fein, unb e'^e man fic^'g öerfie'^t, tt)irb ttiieber öon foldien ge|prod)en, bie toenigftenä nic^t i5 bic Beften finb.

(5et)ton. Söarum benn immer böf ober gut! SJlüffen toir nid)t mit un§ felBft fotoie mit anbem borliefi netjmen, toic bie Statur un§ f)at l^eröorbringen mögen unb toie fii^ jeber atten= fall§ burd) eine mögliche Sitbung beffer jiel^t? 20

5lrmiboro. i^d) glaube, toürbe angene!)m unb nid^t unnü^ fein, loenn man @efd)ic^ten öon ber 2lrt, toie fie biäl^er erää"^lt toorben unb bereu un§ mand^e im Seben öorfommen, auffegte unb fammelte. ßeife 3üge, bie ben ^enfd)en beäei($ncn, o't)neba| gerabe merltoürbigeSegeben^eiten barauä entf^jringen, 25 finb red^t gut be§ 5luf6el^alten§ toert. S)er gtomanfd£)reiber fann fie nic£)t braudien, benn fie tjaben p toenig S3ebeutenbe§, ber 2tne!botenf ammler audt) nic^t, benn fie l^aben nid^t§2öi^ige§ unb regen ben ©eift nid^t auf; nur berjenige, ber im rut)igen 2ln= fi^auen bie 5Jknfd)f)eit gerne fa^t, toirb bcrgteic^en 3üge toitt= so fommen aufnehmen.

©inf lair. gürtoa'^r! toenn toir frül^cr an ein fo löblid^eS Söerf gebad£)t "Ratten, fo toürben toir unferm gfreunbe, bem ^er= auSgeber be§ 2)amen!alenber§, glcid^ an ^anb gel)en lönncn

5Die guten ffleiber. 365

unb ein Su^enb &t\ä)iä)ttn, roo nid^t öon öortrefflici^cn, bod^ gcn)i& öon guten grauen Qugfud^cn fönnen, um biejc böjcn SSeibet ju balancieren.

3lmalia. 23ejonbcr§ toünjd^tc iä), ba§ man fotd^c gäEc

b julammentrüge, ba eine grau ba§ .^auä innen erl^ätt, too nic^t

gar erfdjafft. Um jo mel§r, alä auc^ l^ier ber fiünftler eine teure

(foftfpielige) ©attin jum 5tac^teil unjerS ©ejc^Iec^tä aufge=

fteEt J)at

©c^ton. 3d^ tann3^nengtcid§,f(^önc?lmalia, mit einem 10 jold^en x^aUt aufwarten.

3lmalia. 2aj]en Sie I)ören! 9lur ba§ 31§nen nid£)t gel^t, toie ben^idnnem getoö^ntic^, toenn fie bie i^raucn loben tootten, fie gc^en Dom ßob au§ unb l^ören mit Xabel auf.

©cljton. SHeamat toenigften§ brauche id^ bie Umfel^rung 15 meiner Hbfic^t burd^ einen böfen ©eift nid^t ju fürd^ten.

„6in junger Sanbmann paä^tde einen anfel^nlid^en ©afll^of, ber fel^r gut gelegen ttar. S5on ben ßigenfd^aften, bie ju einem SBirte gepren, befaß er bor^üglid^ bie SSel^aglidjteit, unb toeil i^m öon Sugcnb auf in ben 3;rinfftuben too'^l gettiefen toar, 20 mod^te er too^l l^auötfäd^Ud^ ein 2Retier ergriffen l^abcn, ba§ i^n nötigte, ben gröjjten 2eil be§ 2ageä barin anzubringen. Qx voax forgloS o'^ne 2iebertidf)feit, unb fein SBel^agen breitete fid^ über aße (Softe au§, bie fid^ balb l^äuftg bei il^m öerfammelten.

„(5r ^atte eine junge ^erfon gcl^eiratct, eine ftille, leibtid^e C5 9Iatur. Sic öerfal^ i^re (Sefd^öfte gut unb pünltlid^, fie ]§ing an \i)xcm ^auättjcfen, fie liebte il^ren 5Jlann; bod^ mu^te fte i^n bei fid^ im ftillen tabcin, ba^ er mit bem (Selbe nid^t forgfältig genug umging. 2)ag bare @clb nötigte i^r eine gemiffe G^r- furcht ab, fte füllte gan^ ben SBert bcSfetben fomie bie ^Jiot» 80 toenbigfeit, fid^ übertjaupt in 33eri^ ju fe^en, ftd^ babei ju cr^al= tcn. D^ne eine angcbomc ^eiterfeit beö ÖJcmütö ^ätte fie ade 9lnlagen pm ftrcngen ©ci^c gehabt. S)oc^ ein tocnig ÖJcij fd^a» bet bem äöcibc nichts, jo Übel fie bie Serfd^ttcnbung fleibct. öfrcigebigfeit ift eine Sugenb, bie bem ^Piann jiemt, unb gefl»

366 *** 8"**" SBeiber.

l^otten tjl bic 3;ugcnb cineg Söcibeg. 60 l^at c8 bic Statut gc* toollt, unb unjcr Urteil toirb im ganzen immct naturgemäß au^tatten.

„^Ulargarcte, jo toiH id^ meinen |orgtic^en .g)au§geijl nennen, toar mit it)rem ^anne ]ti)x unäufrieben, toenn er bie großen 5 3a^lungcn, bie er manrf)mat für aufgetaufte Furage öon iJu^r» leuten unb Untemef)mem erf)ielt, aufgc^ätitt Wie fie toaren, eine Zeitlang auf bem %i\djt tiegen ließ, ba§ (Selb alSbann in Äörb» d^en cinftric^ unb barauä micber ausgab unb auä^a^lte, o^ne Ratete gemad)t ju l^abcn, ol)ne 9le(^nung ju fül)ren. S5erj(^ie= 10 bene i^rer ©rinnerungen waren fru(^tlo§, unb [ic \ai) tt)ol)t ein, baß, wenn er aud^ nid^t berfc^wcnbete, mandf)e§ in einer jold^en Unorbnung öerid^leubert ttjcrben müfjc. S)er SBunjd^, il^n auf beffereSBegeäU leiten, mar jo groß bei il^r, berS3erbruß, ju fel)en, baß niand[)eg, ma§ fte im fleinen ermarb unb äujammcni^iclt, 15 im großen mieber bernadl)läjfigt mürbe unb auäeinanber floß, mar fo lebl)aft, baß fie fi(^ 5U einem gefä^rlid^en S3erfud^ beroo» gen füllte, moburdl) fie il^m über biefe Sebenämeife bie 3lugen ju öffnen gebact)tc. ©ie na^m fid^ öor, if)m fo öiel (Selb alä mög» lid) au§ ben ^änben ju fpiclen, unb jmar bebiente fie ftd^ bo^u 20 einer fonb erbaren Sift. ©ie t)atte bemerft, baß er ba§ ©elb, ba§ einmal auf bem 5tifdt)e aufge^ö^lt mar, menn eine ^eittans gelegen l)atte, nid^t micber nadi^&ifltt, el)e er aufhob; fie be» ftrid^ bal)er ben 58oben eine§ !iieud)ter§ mit Xalg unb fe^te il^n in einem ©d^ein bon Ungefd^icElidt)feit auf bie ©teile, mo bie 25 S)ufaten lagen, eine (Selbjorte, ber fie eine befonbere Sreunb» fd^aft gemibmet l)atte. ©ie er!^afc^te ein ©tüdC unb nebenbei einige f leine 3!Jtün3f orten , unb mar mit il^rem erftcn ^ifdtifangc tool)l jufrieben; fie mieberl)olte biefe Operation mel^rmalä; unb ob fie fidE) gleich) über ein folc^eö Büttel ju einem guten 3""^^ 30 fein ©eroiffen machte, fo beruhigte fie fid^ bod^ über jcben ^wei» fei Doräüglid^ baburc^, baß biefe Slrt ber (Sntmenbung für leinen 2)iebftal^l angefel)en merben fönne, meil fie ba§ (Selb nid^t mit ben Rauben toeggenommen ^abe. ©0 tiermel)rte fid^ nad^ unb

I^U guten SBriber. 867

nad^ i^x l^cimlid^er ©c^q^ unb jtoar um beflo rci^tti^CT, at§ fic QÜeä, toag bei ber innem SBirtjd^aft öon barem ©elbc i'^r in bie .^änbe flo§, auf ba§ ftrengfte äu|ammen!)iett

„8d)ün toax jte beinahe ein gan^eä ^a\)x i^rem ^Jlane treu 5 geblieben unb ^atle inbejjen il^ren ^Jlann jorgfälttg beobachtet, ot)nc eine SSeränberung in feinem .^umor ju {puren, bi§ er enb=» lief) einmal t)öc^]t übter Saune warb. Sie juckte it)m bie llr= fad)e bicjcr Serönberung abäu|c^mei(f)etn unb erfuhr balb, ba^ er in großer S3erlegenl^cit fei. t)ätttn i^m nad^ ber legten

10 3fl^tung, bie er an Lieferanten getan, feine ^sad)tgclber übrig bleiben follen, fie fehlten aber nii^t aEein ööüig, fonbem er ^abc fogar bie Ccute nid)t ganj befriebigen fönnen. S)a er alle^ im Äopf rechne unb toenig auffc^reibe, fo fönne er nicf)tnac^fommen, too ein fold)er Serftofe ^errül)re.

15 „^largarcte fc^ilberte il^m barauf fein ^Betragen, bie SIrt, toic er einnehme unb ausgebe, ben ÜJiangcl an 5lufmerffamteit; fclbft fei'ne gutmütige ^reigebigfeit !am mit in Slnfc^lag, unb freilic!^ liefen i^n bie ^yolgen feiner .g)anbelätt)eife, bie il)n fo fe^r brücf= ten, feine ©ntfc^ulbigung aufbringen.

«0 „^largarete tonnte it)ren ©attcn nic^t lange in biefer S5cr= legen^dt laffen, um fo weniger, alg i^r fo fe^r jur ß^re ge= rcid^te, i^n roieber gtütflic^ ju machen. 8ie fe^te i^n in S3er= tounberung, ata fie ju feinem ©eburtStag, ber eben eintrat unb an bem fie it)n fonft mit etroaä brauchbarem anjubinben pflegte,

25 mit einem .ßörbcijen öoU ©elbroHen anfam. 2)ic Oerfc^iebenen 2Jlün,^f orten roarcn befonber^ geparft, unb ber 3n^alt jebeg Wöllrf)cn«( war mit fd^ted^tcr Srf)rift, jebo(^ forgfältig barauf ge^cictjuet. 2Bie crftaunte nic^t ber ^Ulann, alS er beinatje bie Summe, bie itjm fehlte, bor ftd^ fa^, unb bie i^xau i^m öer«

80 fieberte, boe Öelb get)öre il^m ju. ©ie erjäljlte barauf umftönb» tic^, mann unb wie fie genommen, roaä fie i^m entzogen, unb toaö burd) it)ren Jlcife erfpart roorben fei. ©ein Serbru^ ging in ©nt^ücfen über, unb bie Sfolge mar, toie natürlid^, ba& er Stuögabe unb ttinna^mc ber Öftou PöUig übertrug, feine (Be-

368 "^^ fl"**" astibfr.

jc^üfte bor tote na^, nur mit nod) gröBerm ßifcr bejorgtc, öon beni Sage an aber feinen Pfennig Selb met)r in bie ^önbe nal^m. S)ie f^rau bertoaltete ba§ 5lmt eine§ jlafficrä mit großen (Si)xm, fein falfdier SauOtaler, ia fein öemifncr Sedijcr toarb angenommen, unb bie ^errjc^aft im ^aufc toar, toic bittig, bic 5 tJolge i'^rcr Satigfeit unb ©orgfatt, burc^ bie fie na(^ bcm S5cr= louf üon je'^n 2fat)i;cn il)rcn 5Jlann in ben ©tanb fc^te, ben ©a[t= |of mit allem, ma§ baju gehörte, ju faufcn unb 3U bet)aupten."

©inflair. 3ltjo ging atte bieje Sorgfalt, ^iebe unb Slreuc bod) äute^t auf .g)errfc^aft l^inauS. 3c£) mö(i)te bod) toiffen, in= 10 Ujiefern man red)t l^at, tnenn man bic ^^frauen übert)au^t für fo {)cni^füct)tig lE)äIt.

21 ma Ha. Sa '^aBcn totr alfo fdion toiebcr ben SSortourf, ber Ijinter bcm Sobe I)erl)inft.

Slrmiboro. ©agen ©ie un§ bod), gute ©utatie, ^^xt @e= is banfen batüber. ^^ glaube in S'^ren ©(^riften bemerft 3u l^aben, ba^ Sie eben nic^t \d)i bemül^t finb, biefen S5ortt)urf öon Stierem (Sej(i)led)t abjulelnen.

ßutalie. Snfofem ein SSortourf loäre, toünfd^te ic^, ba^ i:^n unfer ®ejd)le(i)t burc^ fein ^Betragen able'^nte; intoiefem toir ^0 aber auc^ ein 9lec£)t äur ^errfc^aft l^aben, möctjte ic^ un§ nid^t gern öergeben. 2Bir finb nur l)errf ($füd)tig , infofern toir aud) ^enfd)en finb; benn toaS l^ei|t |errfd)en anber§, in bem Sinn, mie t)ier gcbraud)t toirb , aU auf feine eigne Söeife unge'§in= bcrt tätig ju fein, feineS S)afein§ möglid)ft genießen äu fönnen'? 25 S)ie§ forbert ieber ro'^e 5Jtenfd) mit SGßittfür, jeber gebilbete mit loalirer f^rei'^eit, unb bietteic^t erfd)eint bei un§ grauen biefe§ Streben nur lebtiafter, toeit un§ bie 9iatur, ba§ ,g)erfommen, bie ©cfe^e ebenfo ju öertürjen fc^einen, aU bie ^länner be= günftigt finb. SBa§ biefe befitjen, muffen tuir erwerben, unb mag so man erringt, bel^auptct man Ijartnädiger aU ba§, loa§ man ererbt ^at.

©et) ton. Unb bod^ fönnen fiä) bie x^xautn ni(^t mcl^r bc=' Hagen, fie erben in ber ie^igen Seit fo biet, ja faft mel^r al§ bic

fiie guten flcifftt. 369

Sännet, unb i^ Be^ou^tc, ba^ c8 burd^auS jc^t fd^tücrer fct, ein öoUcnbctct 2Rann ju tucrbcn al§ ein öottenbcte§ SBeiB; ber 3lu§iprud^: „(St ]oU bein^ierr jein", ift biegormel einer Barbarin j(f)en 3eit, bie lange tjorüöcr iit. £iie 5Jlänner fonnten fit^ nic^t

5 ööHig auö6i(ben, o'^ne ben getanen gteid§e Steckte aujugefte^en; inbcm bie grauen fxä) ausbitbeten, ftanb bie SBagefc^alc inne, unb inbent fie bilbungsfä^iger finb, neigt ft(^ in ber ©rfal^rung bie Söagefc^alc ju i^ren ©unften.

3lrmiboro. ö» ift feine f^rage, ba^ Bei alten geBilbeten

10 Nationen bie grauen im ganzen ba§ ÜBergetoii^t gewinnen miiifcn; benn Bei einem Ujec^ielfeitigcn ©influ^ mu§ ber 5)lann- roeibtid^er tocrben, unb bann öerliert er; benn jein SSor^ug be= ftc^t nic^t in gemäßigter, fonbem in geBänbigter ^aft; nimmt bagegen ba§ 23eib öon bem 5)tanne ettoaä an, l'o gcminnt fie;

15 benn tt)enn fie i^rc üBrigen SBorjüge burc^ Energie ergeben fann,

fo entfte'^t ein SGÖefcn, ba§ fic^ nic^t öottfommner benfen läßt.

©et) ton. 3(c^ l^aBe mid) in fo tiefe Settad^tungen nirfit

eingelüffen; inbeffen nel^me i(^ für Befannt an, baß eine grau

Ijcrrjd^t unb l^errfd^en muß; bal§er, toenn id^ ein grauenjimmer

20 fcnncn lerne, gebe ic^ nur barauf ad)t, too ftcl^errfc^t; benn ba§ fie irgenbujo ^errfd^t, fc^e iä^ toorauä.

5lmaUo. Unb ba ^nbcn 8ic benn, ttja§ ©ie tjorausfc^cn?

©e^ton. SBarum nic^t? gel^t eS bodf) ben 5p^^fifern unb

anbem, bie fid^ mit Erfahrungen aBgeBen, gelüö^nli^ ni^t tiiü

25 Beffer. 3d^ finbe burd^gängig: bie tätige, äumGrttjerBen, jum Gr^altcn ©ejc^affene, ift ^crr im ^aufe; bie ©c^öne, Uiäjt unb oberfläci^Iid^ (SJebilbete, ^en in großen 3ii^fetn; bie tiefer @e= Bilbete Be^crrfd^t bie fleinen Greife

Slmalio. Unb fo toärcn mir alfo in brei Ätaffcn eingeteilt.

so ©inftair, 2;ie bod^ alle, bünft mid^, e^renöott genug finb, unb mit bencn freitief) nod^ ntct)t alte^ erfd^öpft ift. giBt .V 33. nod^ eine üicrtc, öon ber mir ticBer nic^t fprcc^en motten, bamit man un3 nid^t miebcr ben Sormurf madt)e, boß unfcr 8ob fid^ notmcnbig in 2abct öerfc^ren müffc

9ottt)<. X. 24

370 *i« 6"t«n «Beib«-

Henriette. Sic öierte Älaffe aljo roiSrc ju erraten, ßaj^cn Sie jeTjen.

©inflair. ®ut, unjere brei erften klaffen roaren SGßirf« tamfeit, au .^aujc, in großen unb in Keinen Sixtdn.

Henriette. 3öa§ toöre benn nun nod^ für ein 9taum für s unjere Slätigfeit?

©inflair. ®or man(3^er; id^ aöer f)Qbt ba§ ©egcnteil im Sinne.

Henriette. Untättg!eit! unb toic ba§? ©ine untätige grau ioEte l§errfd)en'? lo

©inflair. Söarum nic^t?

Henriette. Unb toie?

©inftair. 2)ur(^§ S5erneinen! SBer au§ ®^ora!ter ober gjlasime bel^arrUd^ öemeint, l^at eine größere ©etoalt, aU man benft. 15

5lmalia. Söir faEen nun Balb, fürd^te id^, in ben geU)ö^n= liefen Son, in bcm man bie 2Jlönner reben l^ört, 6ejonber§ toenn fie bie pfeifen im 5Jtunbe l^aben.

Henriette. £a§ i!§n bod£), 5lmalia, ift ni(^t§ unjc^äb- Iid)er al§ folc^e 9Jleinungen, unb man getoinnt immer, toenn 20 man erfö'^rt, toaä anbere öon un§ beulen. 5lun aljo bie SJer« neinenben, toie toöre mit biejen?

©inftair. ^di barf l^ier tooI)l o'^ne Sutüdf^altung fprc» dien, ^n unferm lieBen SSaterlanb joE toenige, in g^ranfreic^ gar feine geben, unb jtoar be§tocgen, toeit bie fji^auen fotoolC)! 25 bei un§ aU bei unfern galanten 9Zac^barn einer löblid^en x^xti* Ijeit genießen; aber in Sänbern, too fie fe^r Befc^rönlt finb, too ber äu§erli(f|e 2lnftanb ängftlid^, bie öffentlichen 35ergnügungen f eltner finb, foEen fie fic^ l^öufiger finben. ^n einem Bena(^= barten Sanbe !^at man fogar einen eignen ^tamen, mit bem ba§ so S3olf, bie 5Henf(^enfenner, ja fogar bie ärjte ein folc^eS f^rauen» jimmcr beäeid^nen.

«gienriette. 9lun gejd^toinbe ben Flamen! Flamen !ann id^ nid^t raten.

iCie auten SBetber. 371

(Sinflatr. 5J?an nennt fic, tocnn c3 benn einmal gejagt ]dn ]oU, man nennt fic ©(^ätfe*.

jpcnttctte. S)a§ ift ionberöar genug.

©inflair. toai eine 3eit, al§ (&ie bic fjf'^ogmente bcS 5 Sc^wei^er ^45^t)[iognomiitcn' mit großem Slnteil lefen mochten; erinnern Sic fid^ nid^t, auc^ ettoaö öon Sd^ötfcn barin gefunbcn ju tjaben?

.gicnricttc. fönntc jein; bod^ ift mir nid)t aufge« füllen, ^ä) na^m bielleid)t bas SBort im getoöl^nlid^cn ©inn 10 unb laä über bie ©teile weg.

©inf tair. fyreiüi^ bebeutet ba§ SGßort ©(^alf im getoöl^n« liefen Sinne eine $erfon, bic mit $eiter!eit unb Sdjabenfreube jemanb einen ^offen fpielt; l^icr aber bebeutet'g ein fjftauen» jimmer, ba§ einer ^4-^erjon, öon ber abt^ängt, burd^ ©teid^« 15 gültigfeit, Äätte unb 3uriidC^altimg, bic fld^ oft in eine Slrt bon Äranf^cit öer^üllen, bq§ Scben fauer mac^t. ift bie§ in jener öcgenb etnjaä ©cttJöt^nlid^eä. 3Jiir ift einigemal öorgefom» men, ba§ mir ein 6in{)eimifd^er, gegen ben id^ biefc unb jene 5rau fd^ön prieä, einmenbetc: „aber fic ift cinSd^alf", 3d^ ^örtc 20 fogar, baß ein Slrjt einer S)ame, bic biet öon einem Kammer» mäb(f)en litt, jur3lnttüort gab: „es ift einSctjatf, ba toirb fc^mct ju tjclfcn fein".

Slmalia ftanb auf unb entfernte fid^.

Henriette. S;a§ fommt mir bod^ ctmaS fonberbar öor. 25 S inflair. Ülir festen cS aud^ fo, unb bc^toegen fd^rieb id^ bamalä bie St)m»)tome biefcr l^alb moralifd^en, t)a[b p^ljfijd^cn Äianff)eit in einem 5luffa^ jufammen, ben id^ baä ^o^itcl öon ben Sdf)ätfen nannte, toeil id^ mir alä einen Jcil anbercr ont^ropologiidEien 58cmerfungen badete; ic^ f)abc aber bi^I;er 30 jorgfältig geheim gcl^attcn.

Henriette ©ie bürfcn eS unS njol^I fd^on einmal feigen

> SflI. bie ünrnerfuna am ek^tuffe hti 0anbf<. * ^o^ann jtafpar SaoaUt« „V^ijftoanomifcjf gragment« |ur ©eförbtrung btr DientAciifciir.tm« u«b Wenfc^oi' llcbc" (£rt|>|ia, 1115—78, 4 Sbc).

24"

372 g)te Otiten 2Bei6er.

(äffen, unb tücnn ©ic einige pBfc^c ®ef(f)i(i|ten toiffen, toorau§ tüir te(i)t beutlic^ feigen !önnen, toaS ein <Bä)alt ift, ]o f ollen fic fünftig aud) in bie ©antmlung unferer neueften 9lobeIIen auf* genommen toerben.

©inftait. S)a§ mag alte§ ted^t gut unb fd^ön fein, aber 5 meine Slbfic^t ift öerfe'^It, um berenthiiEen iä) l)crfam; i($ ttjoütc jcmanb in biefer geiftrei(f)cn @efeHfci)aft belegen, einen 5teyt ju biefen Äalenberfu:|3fern ju übernel^men, ober un» jemanb ju enip= fel^len, bem man ein folc^e§ (Sefdiäft übertragen fönnte; anftatt bcffen fdjetten, ja bemic^tcn (Sie mir biefe Statteten, unb ic^ 10 gel^e faft ol^ne ßu^fer fotoie ol^ne ©rflärung toeg. ^ätte i(^ nur inbeffen ba§, tt)a§ biefen 5lbenb ^ier gef:pro($en unb er^ä^lt morben ift, auf bem Rapiere, fo toürbe iä) beinahe für baä, toa§ ic£) fut^te unb nit^t fanb, ein Slquiöalent befi^en.

2lrmiborO (aus bem itaßinett tretenb, roo^in er manchmal gegangen 15

mar), ^ä) fomme ^^xm Söünfd^en jubor. S)ie Slngetegen'^eit unfer§ f^fcunbeS, be§ .g)erau§geber§, ift aud§ mir ni(^t fremb. 2luf biefem 5pa|)iere l§abe ic^ gefd^toinb |)rotofottiert, toaS ge= fproiiien toorben, id^ toitt ing reine bringen, unb toenn ßulalie bann übernehmen tooltte, über ha^ ©anje ben .^au($ 20 il^reä anmutigen @eifte§ ju gießen, fo toürben mir, too nidit bur($ ben Sfit^It, bo(^ burc^ ben 2;on bie S^rauen mit ben fd^roffen ^ügeti, itt benen unfer Äünftler fie beleibigen mag, toieber auäfötinen.

Henriette, ^ä) fann ^^xt tätige fj^eunbfd^aft nid^t to= 25 beln, SCrmiboro, aber id^ njollte, ©ie l^ätten ba§ @efprä(^ nid^t nad^gefcfirieben. ©§ gibt ein böfeg S3eifpiel. 2Bir leben fo fjeiter unb äutrauüd^ ^ufammen, unb mu§ un§ nichts ©d^redfUd^creg fein, aU in ber ©efeEfcEiaft einen SJlenfi^en ju toiffen, ber auf= mer!t, nad^fd^reibt unb, mie jc|t gleid^ aUeä gebrudt toirb, eine 30 äerftücEelte unb berjerrte Unterhaltung in§ ^ublifum bringt,

Tlan beruhigte Henrietten, man öerf|)rad^ il^r, nur aHen= fall§ über Heine ®efd§i(^ten, bie borlommen foEten, ein Dffent= li(^e§ 33ud^ p führen.

IDic guten Leiber. 373

ßulatie Iie§ ft(^ nid^t bercben, baS ^protofoH bcö ©efcf^totnb" fd^rcibcr^ ju rebigicren, jte tootttc \iä) Don bent 2llär(^cn nid^t jerftreuen, mit befjcn ^BcarBeitung fie beidfiöftigt toax. S)a§ ^xo« tofoü (ilieb in ber |)anb Oon 2)Mnnem, bie il)m benn, jo gut fie fonntcn, au§ ber Erinnerung nad^l^atfen, unb nun, ttiic eS eben rocrben fonnte, ben guten ^TQuen ju ujeiterer 58e^cräigung öorlegcn.

SR 0 ti e U e*

(SHiiilfüung J)f0 gcrausgebrrs.

^«^ cniionn unb ^Jorot^ea" toav nod^ nic^t ganj afigcfcöloffen , ha tonnte ©oct^e in feinem Xagebud^ unter bem 23. SDZärj 1797 eine * neue 2;bec ju einem epifc^en ®cbi^te" notieren, tooöon er noc^ am felben Sage Schiller, bem ^au^tocrtrauten gerabc feiner e^i= 0 fc^cn 'ilrbeitcn, ^mbe gab, ol^nc inbeffen auf 9iä^erc3 einjuge^en 2)enn „ba ic^ nun toeiB, baß id^ nie ctroa§ fertig macbe, toenn \6) bcn ^lan jur ?lrbcit nur irgenb öertraut ober jemanbcn offenbart l^abe", fc^rieb er i^m am 28. ?lpril, „fo roiH \6) lieber mit biefer 9KitteiUtng nod^ jurüd^altcn ; trir ttJoHen un3 im allgemeinen über bie aKatcrie

10 befpred^cn, unb i^ fann nac^ ben SJefuItaten im ftiQen meinen ®egen= ftanb prüfen". (£r empfanb „eine ganj befonbcrc Siebe" ju bem fei» tuenben SScrfe, bem er tolle 3eit jum 9Iu5reifcn, jum „ffo^obiercn", laffen tooQe. ©toff unb gorm machten in ber Xat au^ mand^c SSanblungen burc^. Schiller, ber benn bo^ ni^t ganj im Ungetoif*

15 fen blieb, gibt un8 in einem an (Soet^e geridjtcten ©riefe toom 26. 3uni fcie (r\icn. 5luff(^Iüffe barüber: „33enn i(^ Sie neulich red^t öcrftanbcn l^obe, fo f^obtn Sie bie Sbee, 2S^r ncueS e^if(^e8 ©cbic^t, ,^ie 3agb', in SReimen unb Stro^j^en ju bel^onbeln. 3c^ üergajj neu* Ii(^, ein Sort barüber ju fagen, aber biefe 3bec leud^tet mir ein, unb

-0 \'% glaube fogar, ba& bieg bie SSebingung fein tüirb, unter toclc^cr allein biefeS neue ©cbidjt neben S^rem ,^ennann' beftcfjcn fann. VluBerbcm, boB felbft ber ©cbanfe beS ©cbic^tS jur mobcmen 2)ic^tfunft geeignet ifl unb alfo ouc^ bie beliebte Strop^cnform begünftigt, fo fc^liefjt bie neue metrifcbe Jyomt fc^on W fi'Dnfurrcnj unb Sergleii^ung a.\\i\ jte

2r. gibt bem Scfcr cbenfotüoljl toie bem 3)ic^(or eine ganj auberc Stim- mung, e8 ift ein Äonjert auf einem ganj anbem ^nftrumcut. 3uglci(i^ porti^i^ert c8 alSbann öon geioiffen Siechten be^ romantifc^en ©e» bic^tS, o^ne baft e8 cigenttid^ eineS loäre, eS borf fic^, Wo nicbt beS ©unbcrbaren, boc^ beS Seltfomen unb Überiafc^enbcn mcl^r bebicnen.

378 giooeat.

imb bic SBtocn» xmb Stgcrgcf^ic^tc, bie mir immer au^crorbentlicö öorlatit, criüccft bann gar fcinSefrcnxbcn mel^r. ?lud^ ift üon bcn fürft» lid^cn ^erfoncn unb Sägern nur ein Ieid)tcr ©(^ritt 5U bcn SRitter* figurcn, unb überl^au^t Inüp^t ftc^ bcr öonte^mc Stanb, mit bem ©ie cg in biefcm ®ebid)t ju tun l^aben, an etioaä ^iorbifc^cä unb 2feuba= 5 lifd^cS an. 2)ie gricd^ifd^e SBelt, an bic bcr ^"»cyamcter unausbleiblich erinnert, nimmt biefen ©toff ba^er tocnigcr an, unb bic mittlere unb neue SBcIt, alfo auc^ bic mobcme ^oe[ic, fann il^n mit SRcd^t refla* miercn."

3m SSerfolg fold^er Srlüägungcn fam ©oetf^e, bcr an eine S3c« 10 ^anblung in Standen gcbod^t l^attc, felbft auf bie SScfürc^tung, „ba'^ bü§ eigentlich Stttcreffante be8 ©ujetS fic^ äule^t gar in eine 5öaflabe lüir ftel^cn ja in bem berüf^mten Sattabenjal^r ! ouflöfen mod^te. „SBir lüoUcn abtoarten", fäl^rt er in bemSrief an ©dritter bom 27. Sunt 1797 fort, „an ircIc^cS Ufer bcr ®eniu§ haS ©d^ifflcin treibt." i5

S)er®eniu§ lie^ flc^, teie fo>ft M ©octl^c, au^erorbentlid^ lange 3eit; ein 9Kcnfc^enalter l^inburd^ ift in be§ 2)i(^tcr§ fd^riftltc^en Ur» funben öon bem ^lan feine SRcbe mel^r, beffen aud^ ©c^iUer nur ein* mal, am 6. gebruar 1798, ganj flüd^tig nod^ gebenft. @rft im Saläre 1826, unter bem 4. Dftober, öerjeid^ncn bie 2;agebü(j^cr: „enieuteg 20 ©(^ema bcr tüunbcrburen 3ögb"/ bie ftd^ jc^t cntfc^ieben jitr SJoüeüe formte. SSil^cIm öon §umboIbt l^attc jur 3eit beg ?luftau(^eng bcr erftcn Sbee (ein SSerfuc^ 35ün^er§, bic ©ntftcbung bereits in ba§ 3abr 1781 3urüd3Uöcrfc^en, bleibt ^^^jot^efe) einige SBcbcnfen geäußert, bercn ©nflufe fotoie ©^iHcrg bamaligen SSemcrfungen (äoct^e in ben 25 „%aQ' unb Sla^rcSl^eftcn" mit Unre^t haS gaHenlaffen bc8 ganjen 5ßlane§ jitr Saft legt; je^t, nac^bem ber alte ©toff in bcr neuen SUnS« fül^rung bereits äiemlid^ loeit gebiel^cn ift, fc^reibt (3ottf)i. bemfelbcn greunbe mit einem geiciffen STrium^!^ am 22. Cftober 1826: „©ie er» inncm fic^ tool^l nod^ cineS e^jifc^en ®ebic^t§, baS ic^ gleich nac^ St« 30 enbigung öon ,^cnnann unb S)orot:^ea' im ©inn l^atte: Sei einer mobemen 3agb famen Siger unbSötüc mit in§ (Bpid; bamalS rieten ©ie mir bie SBcorbeitung ab, unb id^ unterließ ftc; je^t, beim Untere- fud^en alter ^ajjiere, finbc ic^ ben ^lan toieber unb cnt^^atte midt) nid^t, i^n :^)rofaifc^ au§äufü]^ren, ha bann für eine 9'JoocIte gelten mag, 35 eine SRubril, unter ttcld^cr gar öidcS iounbcdic^c 3eug htrftcrt."

3m ©^ätjal^r 1826 tnurbc ba^ „romantifd^e SagbftüdE" aI8 ©n^ läge für bie „SBanbcrjal^re" 5U ®nbe munbiert unb im. 2»anuar beS

(Stetethtng bei ^erauflgeBer«. 879

folgcnbcn 3a^re8 ^artientoeiS ©cferntonn öorgelegt, hex tn ben „@C' )>räc^en mit Ooet^e" ouä bcr ^tocttcn ^älfte bcgfclben 9D?onat§ em= gc^cnb imb auffc^Iu^reid^ barüber berichtet, ^anblung unb ®ong ber ©ntroicfclimg, fagte t^m ©oct^e, feien njte in bem uriprünglic^en 5 3d)ema, ba§ übrigen§ bei bei ^^lu^arbeitung nic^t nufftnbbar geroefen fei, nUcin im 5)etail f)at)t [xif öieleä geänbert; neue Heine SSarionten hjurben auc^ noc^ in ben Unterhaltungen mit ©cfermann bef|)rod^en unb ,3um ^Tcil aufgeführt.

SKit Sdcrmann beriet (Boetfje auö^ ben Sitel ber ficincn Sid^tung,

10 um abbrec^enb ju fagen: „SBiffen Sie toa§, toir ttollen ,bie 9Zo=' Delle' nennen; bcnn lua§ ift eine 9?oöeIIe anberS alS eine ftc^ ereignete unerhörte 58cgebcnr}eit. S)ie8 ift ber eigentliche Segriff, unb fo öieleä, toa? in 'Seutf^lanb unter bem S^itcl SJoöcHe ge:^t, ift gar feine S^oöetfe, fonbem blo^ ©rjä^lung ober tooS Sie fonft tooHen." 5)ann entfc^lofj

15 ft(^ ©oet^e au^ no^, ben ?lrtifel fort3uloffen unb ha^ SSerfd^en burdb

ben einfachen 3;itel „9?oöelIe" 3um 2;^pu§ ber Gattung ju ftem^jeln.

•Jluc^ in ben 25a^ren 1827 unb 1828 »urbe bic 2)icf)tung immer

ttneber in ber ^anbfc^rift öorgenommen, bur^gefeilt unb einfic^tigen

SSelannten »ie Sicmer unb ©öttling mitgeteilt. Sic erfd^ien enb=

20 lic^ 3ur Dftermeffc 1828 al§ überraf^enbe SJeuigfeit felbftänbig am S(^lu§ bc8 15. S3anbc§ ber SSerle Ic^ter ^anb unb fanb 3unäd)ft im gvcunbcSfreife reichen Seifall. Knebel öerglic^ ftc mit einer inbif^cn Sriä^lung au§ bcm„3}ama^ana", auc^ Staatsrat Sc^ul^ 3oIIte innige S3c»unberung, ttjorauf ©oet^e crttjibertc, c8 gereid^c il^m bicfe freunb^

25 lic^e ^lufna^me 3ur angene^mftcn ©m^finbung; man fü^le e? bcr „9?ot)enc" eben an, bajj [le fic^ öom tiefftcn ©runbe fcincä 3aefen8 loggclijft f)dbe.

SBenn ©oet^e feine 3)i^tung fd^Ied^tfteg „9?oOcIIe" überfc^rieb, fn tuar baä ni^tä onbcrcS, ol8 loenn er einer „Sallabc", einer „IS Icgie"

so unb einem „3Rärc^cn" nur biefen ©attungSnamen jum Xitel gegeben l^atte; übrigen? ^atte auc^ SBiclanb eine 6r3ä^lung feincS „^eyameron »on9iofen5ain"„3)ie9?oüencof)ne Xitel" überfd)rieben. ®oet^c§„9iO' Helle" ftellt in ber Xat ben Xl)pu8 einer in ber bcutfc^en Slitcrotur biS bnl)in noc^ wenig gepflegten Jhmftform bar, bereu 53cfen griebrid)

35 Sd)lcgcl a\iS Söoccacdo crfc^loffen unb bargclcgt ^attc; ©octbe führte fte ein, juerft in ben „Untcrl)altungen beutfc^cr 'Muggenjanberten" ; Xicd bcfonberS, fotpie 6. %. ?!. ^offmaun unb Stlcift, liefen fld^ i^r< weitere ^flcfle angelegen fein.

380 Wopelle.

2)a8, toaS bcr acitgenöffifc^c SRoöeHcnmctftcv ^aul ^e^fe al8 bcn „gollcn" bejeid^net l^at, ber iebc ioa^^re SJoücHc bel^errfc^en muffe, fommt bei ©oct^^c muftcrl^aft l^erauS. S)tc ^ä^mung be§ Söluen burdj haS muft3tcrcnbe Kinb ift l^ier haS Uncrijörte, Überrafc^enbe, ba8 ftd^ infolge einer öoräüglic^cn ©jpofttion, bic üorbeutenbc 3Kotiöc mit 5 gvofjcr ßunft unb in Huger Steigerung üerivenbet, ganj natürlid^ cnt- lüidelt unb abwidelt. ®S ift ein SBerf reiffter ^unft, bte nur toenige unerfreulid^e S:puren ©oetl^efd^en SllterS aufhjcift. 2)er ©til ift ungc» mein flar unb :prägnant, mafeüoE rul^tg unb äuglcid^ farbig lebl^aft. Sn gleic^mäfjiger 3?nfd^^cit gc:^t ber ghife bcr ©rjä^Iung bal^in, ber lo gaben ift ftetS ftraff geft)annt. SKeifter^oft ift ber lonbfd^aftlic^e §intergrunb anfc^aulic^ gemad^t, auf bem ftd^ i>k teils bunt beilegten bramatifc^en, teiI8 ju plafäfd^er ®ru>)^enbilbung öcrbid^teten ©jenen abfpicien. 2Sir feigen nur toenige ^erfonen, aber aUe fd^orf ftl^ouct* tiert. 2)a§ (Sanje bauert öom ncbelblaffcn (Sonnenaufgang bi§ jum i5 üarften ©onnenuntergang ; immer burd^ftc^tiger toirb ik ganje ^Itmo^« ipprc. ©in beftimmtcS 32it^oftüm ift nic^t ju erfennen; nur auf ba§ i:t))3if(^e lommt e8 an, unb ba^ ift mit großer innerer unb äußerer ^unft :^crau§gearbeitet; bcfonberS ift aud^ bie f|)ra(i^Iid^e S)urd^fü!^» rung bcr bi§ in8 fleinfte ftilifterten 3)id^tung behjunbcrngioert, bie 20 fein 3ufiet «"b Zuwenig !cnnt, fonbern burd^ einen Blojicn i^inQtV' hmd gteic^fam hk feinfte 9iuance erzeugt. SSir finben '^öfifc^e ^on« üerfation, bic beim fJürften^Dl^eim cttoa§ S^eftorifd^ fc^ica^l^aft an» mutet, auf ber einen, ]^^mnifc^=)jrot);^etif(^e SCöne auf bcr anberen Seite, tüie benn überl^au^t bie „S'Joöette" an biblifd^en ?lnflängen 23 nid^t arm ift unb etioa an ba^ golbenc ^citaüer friebltd^er ©emein* fc^aft äiüif^en 5Kenfc^ unb 9?aubticr erinnert, ia$ bie ''Jßtop^üm bc§ alten SBunbeS l^craufbefd^lüören.

2)er ?lu§flang ift It|rifc^, beinal^e o^crnfjoft, bod^ nid^t im üblen ©inne, fonbern etwa fo, lüie (nac^ diiäj. SJi. 51Kc^erg Sergleid^) 30 §8eetI)oöen8 9. S^ntj^i^onic im ©cfang auSflingt. 2)ie TOuftI fül^rt jur £öfung bcr ©|)annung: nod^ l^cut bejitiingt bic fromme ^nft, h)ie einft bc§ Drijjl^euS Sang, bie unüeraünftige Kreatur. S)a§ meto» bifc^c Sieb be§ ^aben l^at etlua§ „®unMfIare§" (föic U!^Ianb 3ioüali§ fanb), haS feltfam berücEenb irirft. Sein SSortrag »irb öom as 2)id^ter genau befd^riebcn fok ber be§ SSanberliebeS ber „SBanber» ia^re", unb bic öariicrenbc 53erfd^ränfimg bcr Qtilm unb SBörter ift \'Oöf){ eriDogen.

«iRleitung beS ^au9geber8. 381

S)ie in il^rer ?lu§fü^rl{d^feit fo anfd^aultc^e S^ilbcnmg beSSanb» f(!^Qfüi^cn ^at immer loicbcr naä) beftimmten SSorbilbcm m:8blicfeu {a\itn. 3?omcntIic^ bie alte Stammburg l^at bie gorfc^er öiel befc^äf^- tigt ©imrocf loollte baä ©d^loö öon Sßabuj im Zal beS jungen 9tf)cinc§ 5 in i^r erblicfen, ©ün^crStubolftabt. Seuffcrt, ber neben SRoet^e fic^ am meiften um bie Sichtung Derbicnt gcmadjt ^at, nannte in einer grunb= legenben, befonnen unb feinfinnig auc^ in ba§ fleinfte SSinfcId^en bin= cinleuc^tcnben ?lb^anblung bc3 „&oeii}f'^ai)vbud)^^" bie S)ornburg als Urbilb; ganj neucrbingä niad^t er eS in einer Keinen ©onber*

10 fc^rift» jicmlic^ toal^rfc^etnlic^, i)a^ ©oetl^e bog Slart)fc^e ©tabtfc^Iofj in 3;e;)Ii0 öor klugen gefiabt ijobt. Sciterl^in finbct Seuffcrt aud) Sejügc ju bort ^eimifc^en ^crfoncn, ftc^t im rcgierenben gürften bcn im 3a^re 1777 geborenen ^axl ^ofc^J^ öon (Slar^, in ber giUi'nn bie feit 1811 öermä^Ue, mit (Soct^e freunblic^ öerfc^ienbe Sitinc üou

15 üignc, tpä^renb er in bem D^cim, für ben Sünder an ben Sanbgrafen IS^riftian öon 3)armftabt erinnert bat, S;itinen8, auc^ mit ben C£lar^8 blutSöerttjanbten ©ro^uatcr S'ail Sofcp^ be Signe erfenncn ttjiH.

Sollte ©oet^c auc^ bei feinen fo »wenig inbiüibualifierten giguren an bie ^crfonen biefeä Jheifeä gebac^t ^aben, fo liegt eS bod) nixf)it, bei

20 bem Surften on Äarl *?luguft al3 Kegenten, bei ber gürftin an bie ®rofj= ^erjogin Suifc äu beulen, bie i^re 2conoren»3iolIc auä bem „2'affo" ^onorio-Ooet^e gegenüber no^ einmal übernimmt, ^onorio, ber ftc^, öjorauf auc^ fc^on Seuffert l)ingetuicfcn ^at, mit bem 2i)pu8 be§ (Solo ber öcnoöeoo'Segenbe berührt, ift bie einzige ^erfon, bie in ber

25 bunten ßettc öon äujjcren ©efc^e^niffen innerhalb biefer 9?oocllc ein fölieb öon fcelifd)er ©ntjuidelung bilbet. 6r fc^lägt bag X^cma ber »erbetenen Siebe an, boc^ gc^t QJoet^e bem in feinem Stoffe licgenben tragifc^cn ßonflilt foigfam au8 bem SBcgc unb ^ält ftc^ in ber Sv^äre ber „SSanberfa^re", ber „©ntfogenbcn". ^onorio toirb jur Selbft»

;o übertoinbung aufgerufen, fein SSiUe unb feine Kraft werben auf ein anbercä öebiet, auf ritterlid)e Säten gcniicfen, unb bie Stärfe beä 20= »en, ber [xif freitoiHig in ben öorgef^riebenen JhrciS jurücfbcgibt, loirb 5um Symbol für bie innere SBanblung in ber ^erfou beö ciuiigcn „gelben" ber JJoücHe.

S5 3)iefe rein poetifc^e S^mbolil ber „JRoöeHe" toirb niemanb mcf)r öerfennen, unb unglaublich erfc^eint tS un?, ba& ©eröinuS einft bie 2)id)-

I »b. 10 (1898), 6. 188— IM. * „Z(pU| in (Boe^el .RoocOt'" (SBcimor, 1903).

882 «ooeac

hing „eine unfSgltd^ geringfügige ^robuftion" nennen fonnte. ?lbcr andi §cnnann 93aunigart fc^Iägt bcn :|3oetifc^en SScrt be2 2Berfd^en§ ' nod) bcfrcnibcnb gering an unb »irb burd^ bicfe SSerfcnnung baju gcfüt)rt, if)re 93cbeutung in „geheimeren, tieferen Sßejie^ungen öcr» borgen" ju fiuben, bie ^erauSjul^oIen ober :^inein5ubeuten er fid^ 5 (ör)nlic^ njie beim „?5auft" unb beim „3JJär(^en") grof^e, aber unfruc^t» bare 3JJül)e gibt. 3n ber «Sd^ilberung ber Stammburg j. S3. , bei ber aud^ er übrigens an bteS)omburg benfl, finbet er, r)abc„gerabe3u ein iebeg SSort feine f^mbolifd^e Scbeutung". Sltteg beutet er auf politi» fd)c 58er!^ältniffe. S)ie öcvfaHene 58urg ift bie beutfc^cDieid)§öerfoffung, lo in bem '5tt)onx, ber auf ben ©tufen jum ^au^tturm SBuväel gci^Iagen f^at, joll fd)iüer fein, bie SScjicr^ung auf ben ^sreu^ifc^en Staat nic^t ju crJennen, ber S3ranb attegorifiert haS 3eilalter ber iReoolution ; ber SSärter ift ber 9SoU§ücrftanb, fein SG3eib bo§ SSoUSgemüt, unb gürften* mciS^eit unb SSolfSfraft finben ftd^ cnblid^ lieber in ber uralten i5 Stommburg ber bcutfc^en 9?ation. ®cgen fol^c ?Iuffaffung ber ,,9Zoüette" al§ ©d^Iüffelbid^tung muffen toir ung öerioai^ren.

„GSoet^e« ,5Päei8fagungeit beä SJatiä' unb bie ,!RoDeDe"' (^oUe a. S., 188C).

/|tin bi(f)ter .^erBflneBcI bcrpHtc noc^ in ber i^xü^t bte loeitcn ^^ 9iäume beä fürftlic^cn (Sc^Io^'^ofeä, aU man \6)on inel^r ober locnigcr burd^ bcn fic^ li(^tcnbcn Sd)Ieier bic gattje Jägerei äu ^>ferbe unb ju fyu^ buvt^einanber Bewegt \ai). SDie eiligen iße»

ö j'i)äftigungen bet ^ä^ften liefen ficf) erfcnnen: man üerlängerte, man üerfürjte bic Stcigbügct, man reichte fic^ f8üä]]t unb ipa= trontäjd^(f)en, man \6^6b bic 2;a(I)§ranäcn jured^t, inbe§ bic .'pimbc ungcbutbig am 5Htcmen bcn ^ui^ücf f^aÜenben mit fort^us fc^Ieppcn brofjten. 5Iuc^ l^ic unb ba gebärbetc ein ^ferb fid^

11 mutiger, bon feuriger 9latur getrieben ober öon bcm Sporn bc§ 9ieiter§ angeregt, ber felbft l^icr in ber ^afbl^eHe eine gemijfe Gitelfeit fid^ ju geigen, nidf)t öerleugnen fonntc. 3lIIc jebod^ toarteten auf ben {yürften, ber, öon feiner jungen ©emal^Iin 2116= fc^ieb nc^menb,', aüjulangc jaubcrte.

Crft öor fur^er 3eit äujammen getraut, cntpfcmben fic fd^on ba§ ©tuet übereinftimmenber ©emüter; Beibe toaren bon tätig= Icbfiaftcm 6t)arafter, cincä nal^m gern an be§ anbem ^leigungen unb SSeftrebungen 3XnteiI. 2)e^ dürften ffiater l^atte nod^ bcn ,Scitpunft erlebt unb genügt, too c^ bcutlid^ Würbe, ba^ aUe

20 £taat§glieber in gteid^er 33etriebjam!eit ii^re Sage jubringen, in gleichem SBirfen unb ©dljaffen, jcber nad^ feiner 3lrt, crft ge= winnen unb bann genießen foütc.

SSic fef)r biejc§ gelungen toar, Iic§ ftd^ in biefen Jagen ge= mal^r tocrben, aU eben ber .^auptmarft fid) öcrfammcite, ben

25 man gar ttjol^l eine •Dleüe nennen tonnte. S)cr f^fürft t)attc feine ©ema^tin geftern burcti bas C^Jeioimmel ber aufgeljduftcn 3Baren iu ^^ferbe geführt unb ftc bemcrten taffcn, wie gerabe l^ier baS ^ebirgelanb mit bem flad^en !^anbe einen gtüdlid^en Umtaujd^

384 gtooeüe.

treffe; er tou^te fic an Ort unb ©teile auf bie SetrieBfamleit feineä Sänberfreifes aufmerifam ju madjen.

äBenn fid) nun ber i^ürft faft auifc^lieBüd^ in btefen klagen mit ben ©einigen über biefe jubringenben ©egenftänbc unter= l^iclt, au(^ bef onber§ mit bem f^inanjminifter ant)attenb arbeitete, •"> fo betjielt bod) aui^ ber Sanbjägermeifter fein Stecht, auf beffen S5orftettung unmöglid) toar, ber 2}erfud)ung äu toiberftel^en, on biefcn günftigen .^erbfttagen eine fc^on öerfd^obene Sfagb ju unternehmen, fi(^ felbft unb ben bielen angefommenen gtcmben ein eignes unb feltne§ fjeft äu eröffnen. lo

2)ie i^ürftin blieb ungern jurüd; man l^attc fic^ borgenom= men, loeit in ba§ ©ebirg Iiinein^ubringen, um bie friebtid^en S5etoot)ner ber bortigenSöälber burd) einen unertoartetcn^iegS^ äug äu beunruhigen.

©d)eibenb berfäumte ber ©ema'^l nid)t, einen ©pagierritt i5 öorjuf erlagen, ben fie im ©eleit griebri($§, be» fürftlic^en £)]^eim§, unterne'^men foEte; „aud^ laffe id)", fagte er, „bir un= fern .^onorio aU <BiaU= unb |)ofjunfer, ber für alleä forgen toirb"; unb im ©efolg biefer Sßorte gab er im ^inabfteigen einem mo^lgebilbeten jungen ^Jlann bie nötigen Slufträgc, ber= 23 f(^n)anb fobann Balb mit ©äften unb ©efolge.

S)ie f^ürftin, bie ilirem ©ema^I no(^ in ben©d)topof l^inab mit bem ©c^nupftuc^ nadigetoinÜ :^atte, begab \iä) in bie ^in= tern 3immer, toeti^e nac^ bem @cbirg eine freie 2tu§fid§t liefen, bie um befto ft^öner toar, aU ba§ ©d)Io^ felbft bon bem fjluffe 25 l^erauf in einiger ,§ö'§e ftanb unb fo t)or= at§ l^intertoörtS man= nigfaltige bebeutenbe 3Infid)ten getoäfirte. ©ie fanb ba§ treffe lic^e 2:elei!o^ nod) in ber ©teltung, too man geftem abenb getaffen ^atte, at§ man, über S3uf(^, SSerg unb äöalbgtpfel bie ^o^en 9{uinen ber uralten ©tammburg betrad)tenb, fic§ unter= 30 l^ielt, bie in ber 2lbenbbeleud)tung merfmürbig l^erbortraten, inbcm al§bann bie grölen 2i(^t= unb ©c^attenmaffen ben beut= lidiften 53egriff bon einem fo anfe^nlii^en S)en!mal alter 3ett öcrlei^en fonnten. 9lud^ jeigte fic^ l^eute frül^ burd^ bie aw

gtoofg«. 385

nSl^cmben ®läfct rcd^t auffaUcnb bte l^ctBftlid^c garBung jener mannigfaltigen Saumarten, bie ätüifc^en bem ©emäucr unge« ^inbert unb ungeftört burd^ lange ^df)xe em^orftxebten. 2)ic fc^önc Same rirf)tetc jeboc^ ba§ gei^nrolir etwaä tiefer nad^ einer 5 oben, fteinigengläd^e, über rodä^t ber Sagbjug toeggel^en mu§tc; fie erijarrte ben 3lugenblicf mit ©ebulb unb betrog fi(^ nid^t: bcnn bei ber iJtarl^eit unb S5ergrößerung§fä^igfeit be§ 3fnftru= mentei crfannten il^rc glänjenben Stugen beutlid^ ben gürften unb ben CbcrftaHmeifter; ja fie entl^ielt fid^ nic^t, abermals mit

10 bem Sd^nu^ftu(f)e ju »infen, at§ fie ein augenblicEIic^eä <£tilt= l^alten unb 9iüdEbIidEen me-^r bermutete aU gemal^r marb.

Sfürft=D^cim,i5friebric^ mit Flamen, tratfobann, angemelbet, mit feinem 3ei(^ner 'herein, ber ein gro|e» ^portefeuitte unter bem 3lrm trug, „ßiebcßoufine", fagte ber alte rüftige^en, „l^ier

15 legen mir bie Slnfid^ten ber Stammburg bor, gejeidjnet, um bon üerfc^icbenen ©eiten anfd^aulic^ ju machen, toic ber mäd^tigc Xxu\^' unb S(i)u^bau bon alten 3citen t)er bem 3lat)r unb feiner SBitterung fid^ entgegenftcmmte, unb toie bod§ f)ie unb ba fein ®emäuer toeic^en, ba unb bort in müftc Siuinen äufammen»

20 ftürjen mu§te. 9lun l^aben mir mand^eä getan, um bicfe2öilb=

ni« jugdnglic^er ju mad[}en, benn me^r bebarf nidjt, um jebcn

SBanberer, jcben^öefud^enbcn inSrftauncn ju fe^en,äu entjüdfen."

Snbem nun ber ^ürft bie einzelnen Slötter beutete, fprad^

er toeiter: „^ier, too man, ben ^oljlmeg burc^ bie äußern JRing«

25 mauern l^erauflommenb, bor bie eigentlid^e S3urg gelangt, fteigt unä ein gelfen entgegen bon ben feftcften be3 ganzen ©cbirga; Ijierauf nun ftet)t gemauert ein Jurm, bod) niemanb mü^tc ju fagen,loo bie^iatur aufhört, ihinft unb^anbmerf aber anfangen, ferner fic^t man feitmärtä 5Jlauern angefc^toffen unb 3iüinger

u.i tcrraffcnmäfeig l^erab fic^ erftrccfcub. 2;od^ id^ fage nirf)t red^t, bcnn ti ift eigentlid^ ein Söatb, ber biefcn uralten ©ipfel umgibt; feit l^unbertunbfunf^ig 3al)ren l^at feine Sljt ^ier gel lungcn, unb überall finb bie mäd^tigften 6tämme emporgemad^fen; teo 3^r <Ju^ an ben ^touem anbrängt, fteHt fi^ ber glatte 9l^om, bie

•oetbc X. So

886 Stooelle.

raul^c ©ic^c, bic jd^Ianlc i^iä^it mit ©cEiaft unb SBurjeln ent> gegen; um bieje muffen ttir un§ l^crumfc^Iöngeln unb unfete Sfu^pfabe öerftänbig fü'^rcn. <Se!^t nur,toietrefflid) unfcr50'leiftet bieg 6f)arafteriftifcf)e auf bcm '^apkx au§gebrü(ft I)Qt, toic fennt» Iid§ bic berfc£)iebenen ©tamm= unb SBuräelarten jtoifd^en ba§ 5 5}lauertDerf toerfloditen unb bie mäd^tigen Stfte burc^ bie Surfen burd^gefd^lungen finb! ift eine 3Bilbni§ toie feine, ein ju« fällig=einäige§ Solal, too bie alten ©puren längft berfd^tounbener 3Jlenfc^enfraft mit ber etoig lebenben unb fortttjirfenben ^totur fiä) in bem ernfteften ©treit erBtirfen laffen." 10

©in anbereg S3latt afcer borlegenb, fu^r er fort: „2öa§ jagt ^^x nun äum <Bä)lo^1)o'\t, ber, burd) ba§ 3u!Qi"^£"ftii^äCJi ^c§ alten Storturmeä uuäugängliif), feit unbenflit^en Sa^i-'en bon nicmanb Betreten toarb? 2ßir fud^ten if)m bon ber ©eite beiju» fommen, liaBen 5!Jlauern burc^Brod^en, ©ebpölbc gefprengt unb 15 fo einen Bequemen, aber gel)eimen 2öeg Bereitet, ^ntoenbig Be= burft' feines Sluf räumen§ , l^ier finbet fxd§ ein flad^er ^elS» gi^jfel, bon ber9latur geplättet, aBer boc^ l^oBen mädjtige Säume ^ie unb ba ^u murjeln ©lüdf unb Gelegenheit gefunben; fie finb fod^te, aBer entfci)ieben aufgemoc^fen; nun erftredfen fie il^re Slfte 20 Bis in bie ©aleinen hinein, auf benen ber 9iitter fonft auf unb aB fc^ritt; ja burcl) Suren burc^ unb genfter in bie gemölBten ©öle, au§ benen mir fie nidt)t bertreiBen tooHen; fie ftnb eBen ^crr getoorben unb mögcn'S BleiBen. 2;iefeS3lätterf(^id^ten meg» räumenb, liaBen ioir ben merftoürbigften ^la^ geeBnet gefunben, 25 beffengteic^en in ber SBelt bietteidE)t nic£)t toieber p fe^en ifi

„5iad£) aßem biefem aBer ift immer nod§ BemerfenSmert unb an Ort unb ©tette ju Befd£)auen, ba| auf ben ©tufen, bie in ben ^auptturm l)inaupl)ren, ein ST^om SBurjel gefd£)lagen unb fid§ ju einem fo tüd^tigen SSaume geBilbet l§at, ba^ man nur so mit 5lot baran borBeibringen fann, um bie 3inne ber unBe= grenzten 2lu§fid^t loegen äu Befteigen. 3lBer aud^ l^ier bertoeilt man Bequem im ©dliatten, benn biefer SBaum ift eS, ber fid§ über ba3 ©an^e tounberBar })oä) in bie ßuft l^eBt.

yiotttte. 387

„Tanfen ton al^o bcm toadtcrn Äünjller, bcr unS fo löbltdfi in öerfd^iebenen Silbern öon aKem überzeugt, al§ tocnn toir gcgentDÖrtig »arcn; er ]§at bie jd^önftcn ©tunbcn bc§ 2agc§ unb ber ^a^tS^eit boju angctoenbct unb ftd) tDod)cnIang um * bieje (Segenftänbc l^crumbetoegt. ^n biejcr ßcfe ift für i]§n unb bcn SBäd^tcr, ben toir i^m jugegeBen, eine flcine angcnel^mc SBo'^nung eingerichtet. (Sie jottten nic^t gtauBen, meine S5efle, ttjeld^ eine jc^önc 2lu§» unb Slnfi^t er in» 2anb, in ^of unb (Semäucr fi(^ bort bereitet l^at. ^liun aber, ba oHei fo rein unb

■lO d^arafteriftifd^ umriffen ift, ttiirb er l^ier unten mit SSequem» lic^feit au^fü^ren. 2öir woßen mit biefen Silbern unfern ©ar» tenfaat jieren, unb niemanb folt über unjere regelmäßigen ^ar= teue, Süuben unb fcfiattigen ©ange feine 2lugen fpieten laffen, ber nic^t toünfcE)te, bort oben in bem toirf(id§en Slnfdiauen be§

J5 Sllten unb S^ieuen, beä ©tanen, Unnad^giebigen, Unjerftörlicficn unb be§ iJrifc^en, ©^miegfamen, Unmiberftcl^Iid^en feine S3e« trad^tungen anäuftellen."

^onorio trat ein unb melbcte, bie ^Pferbe feien borgcfül^rt; ba fagtc bie fjfütftin, jum Ci^eim getoenbet: „^Reiten toir l^inauf, ' unb loffen 8ie mid^ in ber 2Birflicf)feit fe^en, toa« Sie mir l^ier im Söilbe jeigten. 8ett id^ f)ier bin, l^br* id^ bon biefem Unter- nehmen unb tocrbe je^t erft red^t üerlangcnb, mit 3tugcn ju feigen, too3 mir in ber ^öfitung unmöglich fd^icn unb in bcr 9Jad^biIbung untoa^rfd^einUc^ bleibt." „9iod^ nid^t, meine

-:. Siebe", bcrfcljte ber gürft; „toaä 6ie l^ier fa^en, ift, toaä e8 toer» ben fann unb toirb; je^t ftodft nod^ mond^eä; bie ^nft muß erfl öoUenben, toenn fie f\d) öor ber D^iatur nid^t fd^ömen foll." „Unb fo reiten toir toenigftenö l^inauftoärtS, unb toär* ei nur Bi8 an ben 5uß; idEi l^abe große 8uft, mic^ l^eute toeit in ber SDßelt

-0 umjujcl)en." „öanj nacf) Stirem SBitten", öerfe^te ber ^üx\l „Soffen ©ie un3 aber burd^ bie ©tabt reiten", fut)r bie Xame fort, „über ben großen ^arftpla^, too eine aalillofc ^cnge öon Subcn bie ©eftalt einer f leinen ©tabt, eincö OffIt'tQgcrS ange- nommen l^at. di ifl, ali toären bie Sebürfniffc unb Sefd^öf«

26

388 Wogen«.

tigungen |ämtli(^er f^anitlien bc§ 2anbe§ iiml^cx, noc^ au^en gefeiert, in biejem 23littelpunft berjammelt, an ba§ Stagcslidjt gcBracJ^t toorben; benn f)m fielet ber mifmcrljamc S3eoba(i)ter atte§, toa§ ber 3[Jlenfd) leiftet unb fiebarf; man Bitbet fic^ einen SlugenblidE ein, fei lein ®elb nötig, jebe§ ©ejc^äft !önne l^ier 5 burä) 2;auj(^ abgetan hierben; unb jo ift aud^ im ©runbe. 6eitbem ber gürft geftem mir 5lnla| ju biejen überfid^ten ge=» geben, ift mir gar angenel^m ju benfen, toic l^ier, too ©ebirg nnb flat^eä Sanb ancinanber grenzen, beibe jo beuttic^ au§« j:t)re(^en, toa§ fie braud^en unb tua§ fie njünjd^cn. 2Bic nun ber 10 J^od)länber ba§ .g)olä jeiner 2Bätber in I)unbcrt ^Jormen umäu» bilben tod% ba§ (Sifen ju einem jeben ©ebraud) ju bermannig» faltigen, |o !ommen jene brübcn mit ben bietfälttgften Sßaren tl^m entgegen, an benen man ben ©toff faum unterfc^eiben unb ben Qtotd oft nid^t erlennen mag." 15

„3d§ toei^", öerfe^te ber ^ürft, „ba^ mein 3fieffe Ijierauf bic größte Slufmerffamfeit toenbet; benn gerabc p biejer ^al^r^äeit !ommt !^auptfäd)lid) barauf an, ba^ man me^r empfange al§ gebe; bie§ ju betoirfen, ift am @nbe bic ©umme be§ ganzen 6taat€]§au§l§alte§ johjic ber Itcinften "tiäugtid^en 2Birtid)aft. 20 SJcräeil^en Sic aber, meine Sefte, ic^ reite niemals gern burd^ 5JlarIt unb 2Reffc: bei jebcm 8c^ritt ift man ge'tiinbert unb auf» gel^alten, unb bann flammt mir ba§ ungel^eurc Ungtüd toieber in bie ©inbilbungSfraft, ba§ fi(^ mir gteic^fam in bic 2lugen eingebrannt, al§ id) eine jolc^e ®üter= unb Söarenbreite in geuer 25 aufgellen jal^. ^ä) l^attc mic^ faum "

„Saffen Sie un§ bie ji^önen Stunben ni(^t berföumen", fiel il^m bie i^ürftin ein, ba ber mürbige 2Jtann fie fd^on einigemal mit auSfül^rtid^er SSejdtireibung jeneä Unheils geängftigt l^attc, toic er fid§ nämlid§, auf einer großen Sfieife begriffen, abenb§ im so beften SBirtg'^aufe auf bem 3Jiarftc, ber eben bon einer ^aupt= meffe toimmelte, l^ödtift ermübet ju 35ctte gelegt unb nad£|t§ burd^ @ef(^rei unb flammen, bic fid£) gegen jeine äöol^nung n)äljten, grS^id^ aufgertedtt toorben.

fiovt^ 389

S)ie SOrfHn eilte, bo^ 2ieBIing§f fexb au Bezeigen, unb fül^rtc, flott jum ^intertote bergauf, juni 9)orbertore betgunter tl^rcn n)ibcrtDitttg»beTetten Segteiter; benn loer tüärc nic^t gern an i^rer Seite geritten, tocr toarc i^x niä)t gern gefolgt. Unb fo

5 tOQT auc^ ^onorio bon ber fonfl fo erfel^nten 2(agb toitttg aurütf» geblieben, um il^r au§f(^IieBIi(^ bienftbar p fein.

2Bie öorau§ ju feigen, burften fie auf bem5Jlarfte nur©c^ritt bor Sd^ritt reiten; aber bic fd^öne 2icbcn§n)ürbige erl^eiterte jeben Slufentl^alt burc^ eine geiftreid^e Semerfung. „3d^ toieber=

i'-» f)oIe", fagtc fie, „meine geftrige 2e!tion, ba benn boc^ bie 5iot= toenbigfeit unfere @ebulb ^irüfen will." Unb ttiirftic^ brangtc fid£) bic ganjc 9Jlenfcf)ennmffe bergcftalt an bie Steitenben l^eran, bo§ fte i^rcn SBcg nur langfam fortfet^en fonnten. Sa§ 23oI! fd^aute mit gi^euben bie junge S)ame, unb auf fo biet läd^crnbcn

15 ©efid^tem jeigte [läj ba§ entfd^iebene Sel^agen, ju fet)en, baß bie erfte i^xau im 2anbe auc^ bie fc^önfte unb anmutigfte fei.

Untereinanber gemifdE)t flanbcn SBergbettiol^ner, bie jtoifc^en Reifen, 5i(i)t«n unb gö^ren il^re ftillen SBol^nfi^e Regten, 5tad^= länber bon .^ügeln, 2tuen unb Söiefen ^cr, ©ctoerbsleute ber

-'5 Keinen ©tdbtc unb toaä fid^ aUeä berfammett l^atte. ^aä) einem ruf)igcn übcrblidE bemertte bie güvftin i^rem ^Begleiter, toie aUc biefe, tool^er fte aud^ feien, mel^r «Stoff aU nötig ju il^ren Ä(ei» bern genommen, mel^r 3!ud^ unb Seintoanb, mel^r Sanb jum S3efa^. „3fl ti bod^, al§ ob bie SBeiber nid^t braufd^ig unb bie

-5 ^Jiönner nic^t ^jaufig genug fid^ gefallen !önnten."

„Slöir tooHen iljtien ba§ ja laffen", berfe^te ber C^eim; „mo auc^ ber 2)knfc^ feinen Überfluß ^inioenbet, it)m ift iDoljl babei, am ttjol^l^en, tbcnn er ftd^ bamit fc^müdft unb aufpu^t." S)ic fc^öne 3)ame Ujinfte SBeifatl.

30 ©0 toaren fie nadf) unb nad^ ouf einen freien ?pia^ gelangt, ber jur SSorftabt ^infü^rte, too am ©übe bicter f leinen 33uben unb ^amftanbe ein grö^erc^ Srctcrgeböube in bie 9lugcn fiel, ba^ fic faum erblicften, alä ein oljrjerrei^cnbeä ©cbrüUe i^ncn entgegen tönte. 2)ie güttcrungssftunbe ber bort jur Bäjaii

890 KoveHt.

ftel^enbcn toitben Siere fd^icn l^crangefommcn; bei Cötoc Kc^ jcinc Söalb= unb SBüftenftimme auf8 fraftigfte l^ören, bic ^fcrbe jcj^auberten, unb man fonntc bcr SBcmcrtung nic^t entgelten, xoxt in bcm friebli($en SBefen unb Söirfen bcr gebilbeten 3BeIt bcr ftönig bcr ©inöbc fic§ jo furchtbar bcriünbige. Q^x 35ube näl§cr s gelangt, burften fic bic Bunten foloffaten @cmälbc nic^t übcr= jc'^en, bie mit l^eftigen f^a^Ben unb träftigen Silbern jene frem« ben 2iere barftellten, toctdie bcr fricblic^e ©taat§bürgcr ju jd^auen unübcrn)inbli(i)c ßu[t em:pfinben jotttc. S)cr grimmig ungel^eure 2iger fprang auf einen ^Jlol^ren lo8, im SBcgriff, i()n lo 3U äerrei|en; ein ßötoe ftonb ernfffiaft maieftätifd^, aU tucnn er feine S3eute feiner toürbig bor fi(^ fä^e; anberc tounberüc^c Bunte ©efd^öpfe öerbienten neben biefen mä(i)tigcn toeniger 3Iufmcr!= famleit.

„SCßir toolten", fagtc bic Sürftin, „Bei unferer ^tücffel^r bo(^ is aBftcigen unb bic feltenen ®äfte nö'^er Betracf)ten." „@§ ift WunberBar", öerfe^te ber i^ürft, „ba§ bcr 5Jlenfd§ hmä} <Bä)xtd- üd)e§ immer aufgeregt fein toitt. ©rinnen liegt bcr Stiger ganj rul^ig in feinem Werfer, unb l^ier mu§ er grimmig auf einen SJlo^ren loSfa'firen, bamit man gtauBe, bergtcid^en intoenbig 20 eBenfaH§ ju fe'^en; ift an 2Jtorb unb Stotfc^lag noc^ nic^t gc» nug, an SBranb unb Untergang; bie S5än!elfänger muffen an jeber @cfe toieberl^olen. 5£)ic guten SRenfd^en tooHen eingefcf)ü(^= tert fein, um l^interbrein erft red)t ju füllten, toie fd^ön unb löB= li(^ fei, frei Sltem ju l^oten." 25

3Ba§ benn aBer aucE) 5Bängli(^e§ bon folc^en ©(^rcdEen§= Bitbem mo($te üBrig geBlieBen fein, alle§ unb jebe§ toar fogteid^ au§gelöi(f)t, al§ man, jum 2:ore !§inau§gelangt, in bic l^citerftc ©egenb eintrat. S)er SBeg fül^rtc juerft am iJIuffe ^inan, an einem ^toar noi^ fdjmaten, nur leid)te ßä'^ne tragenben Söaffer, so ba§ aber nad^ unb nad^ aU größter ©trom feinen Flamen Be» Italien unb ferne Sönber BeleBen foöte. S)ann ging toeiter burd^ Ujo^tüerforgte fjrud^t» unb ßuftgärten fadste l^inaufroärtS, unb man fal§ fid^ nai^ unb nad^ in ber aufgetanen tool^tBe»

KaotBe. 891

tool^nten ®egcnb um, Bi3 erft ein SSujd^, ^obann ein SBalbdfien bie ©e^'eEic^aft aufnahm unb bie anmutigftcn ßrtlic^fciten il^rcn SBIic! begrenzten unb crquidten. ein auftoörtä leitenbcS SBieien:- tat, erft öor furjem jum jtoeiten ^Jlale gemäht, jammctä^nlicf)

5 an^ufel^en, öon einer obertoörtS, lebl^aft auf einmal rei(^ ent= j;>ringenben Cuettc getüäffcrt, empfing fie freunblid^, unb fo jogen fie einem ^ö^eren, freieren ©tanbpunft entgegen, bcn fie, au8 bem SBatbe fic^ betoegenb, nac^ einem IeBt)aftcn ©tieg er» rcid^ten, al^bann aber bor fu^ noc^ in Bebeutenber Entfernung

10 aber neuen SBaumgruppen ba§ alte ©d^loB, ben 3ie^)unft il^rer aOBaUfa^rt, at§ ^^tU' unb 2Batbgi^)fel ^eröorragen fallen. 9iücE= toärtä aber benn niemals gelangte man l^ier'^er, o^ne fi(^ umjufe^ren erblirften fte bur(^ äufäQige Surfen ber l^o'^en Säume ba§ fürftlid)e (S(^lo§ linfS, öon ber 5Rorgenfonne be=

15 leud^tet; ben tool^lgebauten ^ö^em Seil ber <Stabt öon leirf)ten

Sflauc^roolfcn gebam^)ft, unb fo fort nad^ ber Siedeten ju bie

untere ©tabt, ben glu^ in einigen Krümmungen mit feinen

SBiefen unb 5Jlü^len; gegenüber eine toeite, na]^rf)afte ©egenb.

^ladibcm fte fid^ an bem Slnblirf erfättigt, ober öielmel^r,

20 toie uns bei bem Umblirf auf fo t)o^er ©teile ju gefd^el^en ;)flcgt, erft red^t öerlangenb getoorben nad^ einer tocitem, toe» niger begrenzten ^uSfid^t, ritten fte eine fteinige breite f^flä^c l^inan, ioo it)nen bie mad^tige Üiuine als ein grüngcfrönterSi^jfel cntgegenflanb, »enig ölte Säume tief unten um feinen fjfu^;

25 fie ritten l^inburd^, unb fo fanben fte ftd^ gerabc öor ber fleilften, unzugdnglid^ftcn ©eite. 5Jläd^tige geljen ftanben öon Urjeitcn ^er, jebem SCBec^fel unangctoftet, fcft, too^lgegrünbet öoran, unb fo türmte ftc^'S aufmärtä; baS bajtoifc^en ^erabgeftürjte lag in mächtigen platten unb 2rümmem unregelmäßig übercinanber

30 unb fc^ien bem iHil)nflen jeben Eingriff au bcrbieten. Slbcr baS ©teile, 3ä^e fcl)eint ber 3ugenb jujufagen; bieS ju untcrnel^men, ju erftürmcn, ju erobern, ift jungen ©liebem ein ©enuß. S)ie gürftin bcjeigte Steigung ju einem 33crfu(^, .£)onorio war bei ber ^anb, ber fürftlic^e C^eim, toenn fd^on bequemer, lie^ ftd^'8

392 Wopent.

gefallen unb tooEte fic^ boc^ and) nic^t unfrflftig jctgen; bte ^fcrbe fottten am gu§ unter ben SSäumen Italien, unb man tooUk bi§ äu einem geteiffen ^punlte gelangen, too ein borftel^en» ber mä(i)tiger f^clä einen glödienraum barbot, bon too man eine 2lu§i"id)t liatte, bie jtoar jc^on in ben SBIidE beä 2)ogeI§ überging, s ober fi(^ boc^ nocf) malerifc^ genug l^intereinanber jc^ob.

SDie ©onne, beina'^e auf i'^rer l^ßc^ften ©teile, öertie'^ bic flarftc S3eleu(i)tung; ba§ fürftti(^e <5d)to§ mit feinen Steilen, .^auptgebäuben, fjlügetn, Äu|)^3eln unb jlürmen erfd^icn gar ftattlic^; bie obere ©tobt in ilirer böttigen ^lugbe'^nung; aud) jo in bie untere lonnte man bequem I)ineiufet)en, ja burd^ ba§ 9^ern= rol^r auf bem 2Rar!te fogar bie SBuben unterfd)ciben. ^onorio war immer gettiol^nt, einjoförberlid)e§2Ber!äeugübcräuf(^naIIen; man fd)aute ben f^Iu^ l^inauf unb l)inab, bie§feit§ ba§ bergartig terraffentoeiS unterbrodiene, jenfeitS ba§ aufgteitenbe flaciie unb is in mäßigen ^ügetn abmet^felnbc fruchtbare £anb; Crtfc^aften unjä^tige; benn toar längft l^erlömmtici) , über bie Qdtil ju ftreiten, toie biel man bereu tion l^ier oben getoa'^r merbe.

Über bie gro§e äöeite lag eine l^eiterc ©titte, toie am 5}littag JU fein ^iflegt, too bie Sllten fagten, 5pan fdjtafe unb 20 alte Dktur l^alte ben 2ltem an, um il^n ni(^t aufjutoerfen.

„@§ ift nici)t ba§ erftemal", fagte bie i^M^ii^f »ba^ id§ auf fo l^ol^er, toeitumfc^auenber ©teile bie S3etra(f)tung mac^e, toie boc^ bie ftare 9latur fo reinlid) unb friebli($ ausfielet unb ben ©inbrudE öerteil^t, al§ toenn gar ni(^t§ 2Bibertoärtige§ in ber 25 Söett fein fönne; unb toenn man benn toieber in bie SJlenfdien» tooI)nung ^urücEfel^rt, fie fei l^od^ ober niebrig, toeit ober eng, fo gibt'ä immer cttoa§ ju !ämpfen, ju ftreiten, p f(i)H(^ten unb äure(i)täulegen."

^onorio, ber inbeffen burc^ hai ©el^ro'^r nad^ ber ©tabt so gef(i)aut l^atte, rief: „©e^t l^in! fel^t l^in! auf bem 9Jlarfte fängt an 3U brennen." ©ie fa^cn l^in unb bemerften toenigen diauä), bie^^Iamme bämpfte ber 2ag. „2)a§ geuer greift toeiter um fi(^ !" tief man, immer burc§ bie ©täfer f(^auenb; aud| tourbe baS Un=

^ovtvn. 893

^eil ben guten unbetoajfncten ^ugcn bcr 5ür|lm Bemernii^; öon 3eit ju 3cit erfanntc man eine tote gtammenglut, bei £am|)f fHcg cnipor, unb i5fürft=C^eim ]pxaä): „ßa^t un§ jurücffe'^ren, boä tft nid)t gut, icf) fürditete immer, baS UnglüdE jum jtociten

5 5llalc JU erleben." %U fie, l^crabgefommen, ben 5pferbcn toicber jugingen, fagte bie gürftin ju bem alten ^errn: „9tciten ©ic hinein, eilig, aber nid^t ol^nc ben SRcitfnet^t, laffen ©ic mir .»ponorio, wir folgen jogteic^." S)cr D^eim fül^tte ba§ S5emünf= tige, ja ba§ ^otwenbige biefcr SBorte unb ritt, jo eitig, aU bcr

10 93oben ertaubte, ben toüften, fteinigen .^ang l^inunter.

2llg bie i5fürftin aunafe, fagtc |)onorio: „^Reiten gm. 2;urd^= loud^t, id) bitte, langsam! 3n ber ©tabt toie auf bem ©c^to§ finb bie 5cucran|talten in bej'ter Crbnung, man mirb \xd) hnxä} einen fo unerwartet au^erorbentlic^en galt ni($t irre ma^en

15 taffen. ^ier aber ift ein böfer SBoben, ftcine ©teinc unb furjc» @ra§, fd^nelteä 9teiten ift unfi^er, ol^nel^in, bi§ wir tjinein» fommen, wirb baä geuer fd^on nieber fein." S;ie gürftin gtaubte nid^t baran, fie fal^ ben 9?aud^ fic^ öcrbreiten, fie glaubte einen aufflammenben S3ti^ gefe'^en, einen ©dE)Iag gcl^ört ju f)aben, unb

20 nun bewegten fid^ in i^rer Ginbitbungäfraft alte bie ©df)rcdf= bitber, wet^e be§ trefflichen C)f)eim§ Wieberl^otte ßrjä^tung öon bem ertebten 3a^rmarü§branbc teibcr nur ju tief einge» fcnh l^atte.

5ürd^terli(^ wo'^t war jener galt, überrafd^enb unb ein»

25 bringtid^ genug, um jcittebenä eine ?l^nung unb SJorfteltung wieberfe^rcnbenUngtücfä ängftlid) jurücfjulaffcn, aU 3ur^ad)t= jeit auf bem groficn bubenreic^en lliarftraum ein ptö^tic^cr Sranb 2aben auf Caben ergriffen l^atte, el^e nod^ bie in unb an biefen teictjtcn .^-»ütten ©d^Iafenben auä tiefen Iräumcn gefd^üt»

30 telt würben; bcr gürft fctbft aU ein ermübet angetangter, erft cingefd^tafener grembcr anä genftcr jprang, alteä fürd^tertid^ crleud^tct fat|, gtamme nad^ gtamme, rcd^tä unb tinfä fid^ über» fpringcnb, it)m entgegcniüngeltc. %k .£)äuicr Ui ^llarfteä, öom a3)ibcrfcf)cin gerötet, fd^ienen fd^on ju gtü^en, broticnb fidö

394 Waixge.

jcbcn 5lu5enl6lt(f ju cntjünbcn unb in fjtantmcn aufjujd^lagcn; unten toütete ba§ ßtement unaufl^altfam, bic SSreter ^rafjcltcn, bie Satten !nacEten, Seintoanb flog auf, unb il§re büftem, an bcn 6nbcn ftammenb auSgejacEten ^fc^en trieben in ber ^b^t ftiii uml^er, at§ toenn bic Böfen (Seiftex in il^rem Elemente, um unb 5 um geftattet, fic^ muttoittig tanjenb beraeljren unb ba unb bort au§ ben ©tuten toieber auftauchen tooEten. SDann aber mit frcifc^enbcm ©el^eul rettete ieber, toa§ jur .^anb lag; S)iencr unb Äned)tc mit ben .g)erren Bemül)ten fid), bon fjlantmcn er- griffene Satten f ortjujd^leppen, öon bem Brennenben ©eftett nod^ lo einiges toegäurei^en, um in bie Äifte ju ^adfen, bie fie benn hoä) äule^t ben eilenben fjlammen jum 9tauBe laffcn mußten. 2Bte mam^eiT tDÜnfd)te nur einen SlugenBIid Stittftanb bem l§eran:|]raffelnben f^feuer, nad^ ber 9Jlögti(^feit einer SSeftnnung fic^ um|et)enb, unb er toar mit atter jeiner ^oBe jd)on ergriffen; is an ber einen ©eitc Brannte, glü'^te jd^on, toa§ an ber anbem no(i) in ftnfterer 9lad^t ftanb. .^artnäcEige ß^araltere, toitten« ftarfe 2Jlenjd)en toiberje^ten fic^ grimmig bem grimmigen iJcinbc unb retteten mandieä mit S5erluft il^rer 2lugenBraunen unb ^aare. Seiber nun erneuerte fic^ bor bem jc^önen ©eiftc ber 20 gürftin ber toüftc SBintoarr, nun festen ber l^eitcre morgenb» Ii(i)e ®efi(^t§frei§ umneBelt, i'^re 5lugen berbüftert, Söalb unb Söiefe l^atten einen tounbcrBaren Bänglichen Slnfc^ein.

3n ba§ frieblidic Stal einreitenb, feiner laBenben ^l^lc ni(^t ac^tenb , toaren fie laum einige ©c^ritte bon ber leBl^aften 25 Cuette be§ na'^en flie^cnben Sad^eS l^eraB, ol§ bie fjürftin ganj unten im ®eBüj(i)e be§ 3Biejental§ etwaä ©eltfameä erBlidte, ba§ fte alfoBalb für ben Stiger erlannte; l^eranfpringenb, toie fic i'^n bor turpem gemalt gejel^cn, fam er entgegen; unb bieje§ 33ilb ju ben fur(i)tBaren Silbern, bie fie joeBen Befc^äftigten, mad^te 30 ben tounberfamften (JinbrudE. „f^liel^t! gnäbigc x^xciu", rief ^0= norio, „ftiel^t!" ©ie toanbte ba§ ^Pferb um, bem fteilen S3erg äu, töo fie l^eraBgefommen tcaren. S)er S^üngling aBer, bem Untier entgegen, äog bie^iftole unb fd^o^,al§ er fid^ na'^e genug glauBte;

StowBe. 895

Ictber icbod^ toat gefehlt, bcr 2iger jprang yctttofirtg, baä ?Pfcrb fhijjtc, hai ergrimmte 2ier aber öetfotgtc jeinen 2Beg, auftuorts intmiäetbar bcr gürfHn na^. ©ie jprengtc, toa§ ba§ $|erb öer» mochte, bic fleitc fteinige Streife '^inan, faum fürd)tcnb, ba§ ein

6 jarteä öejc^öpf, jotc^er 2lnftrengung ungeteo'^nt, fie nic^t au§= galten »erbe. (5§ übema'^m flc^, bon ber bebrängtcn 9iciterin angeregt, flie^ am flcinen ©cröEc bc3 ^ange§ an unb lotebcr on, unb ftürjte jute^t nac^ l^eftigemScftreben trafttol juSoben. S)ic jd^öne S)ame, entfc^tojfen unb getoanbt, öerfet)tte nic^t, ftc^

10 jharf auf i^re güBc ju flctten, aud^ ba§ «Pferb richtete fid^ auf; aber bcr Jigcr na'^tc fd)on, obgleich nic^t mitl^eftiger Sd^neHe; ber ungteid)e SBoben, bic f(i)arfcn ©teine fc^tenen jeinen Slntrieb ju l^inbem, unb nur ba§ ^onorio unmittelbar "hinter il^m l^er= flog, neben i'^m gemäßigt ^eraufritt, fd^ien feine ^aft auf§ neue

15 aniufponien unb ju retten. 93cibe Sienner erreichten augleic^ ben Ort, tt)o bic gürftin am ^Pferbc ftanb; ber Stitter beugte f\ä) l^erab, fd)o§ unb traf mit ber jtteiten ^ßiftole ha^ Unge'^euer burd^ ben ilopf, ba| c3 fogleic^ nieberftüräte unb auägeftredft in feiner Sänge erft rec^t bic ^acf)t unb gurd^tbarleit feigen

20 lie§, bon bcr nur noc^ ba§ ÄörpertidEie übrig geblieben balag. ^onorio toar öom 5pferbc gefprungen unb tnieetc fd^on auf bem Jiere, bämpfte feine legten SBctoegungen unb :§ielt ben ge» jogenen ^irf(f)fängcr in ber redeten ^anb. S)er Jüngling »ar fc^ön, er toar l^crangefprengt, xoit ii}n bic gürftin oft im ßan»

25 jen» unb Stingelipiel gefel)en l^atte. ©bcnfo traf in ber 9Jeit» ha^n feine Äugel im 93orbeifprengen ben Xürfenfopf ouf bem *Pfa^t gerabe unter bem Durban in bic ©time; ebenfo fpie^te er, flüchtig l^eranfprengenb, mit bem blanfen ©äbel ba§ ^ol}rcn= ^aiqjt öom SBoben auf. 3n allen fold^en fünften roax er ge=

50 ttianbt unb glürflid^, l^ier fam bcibeä ju ftatten.

„®ebt i^m ben 9flefl", fagte bic Sfürftin, „id^ fürd^te, er be- fd^abigt ßud^ no(^ mit ben Äraßen."— „SJcracil^t!" ertoibcrte ber 3üngting, „er ift fc^on tot genug, unb ic^ mag baS gell ni(^t üerberben. baä näc^ften 2Binter auf eurem ©erlitten glänzen

396 «owo«.

|oü." „iJrcbclt ntd^t!" jagte bie gürjltn; „allc8, toaS bon 2frömmigfeit im tiefen ^erjen h3ot)nt, entfaltet fic^ in fotd^cni 5lugenBIidE." „Sluc^ ic^", rief ^onorio, „toar nid^t frömmer üU je^t eBen, beSl^alB aber benf i(^ ang ^Jreubigfte, ic^ btidfc biefeS f^elt nur an, loie 6ucf) jur ßuft begleiten fann." „6§ 5 njürbe mi(^ immer an biefen fc^redEIic^en 9IugenBIitf erinnern", berfe^te fte. „Sft bod)", ertoiberte ber^füngting mit gtül^cn» ber 3ßangc, „ein unfc^utbigereä 5trium))lE)äeid)en, aU toenn bie Söaffen erfc^Iagener t^einbe öor bem Sieger Ijer jur ©c^au ge» tragen tourben." „^^ toerbe mid) an 6ure Ätt'^nl^eit unb ®e= lo toanbf^eit babei erinnern, unb barf nid^t l§inäufe|en, ba| ^f)x nuf meinen S)anl unb auf bie @nabe be§ dürften lebenätänglid^ redjnen fönnt. SIber fielet ouf; fd^on ift !ein ßeben mel^r im Xiere, bebenfen h)ir ba§ Söeitere, bor allen ^singen ^el^t auf!" „S)a iä) nun einmal fniee", berfe^tc ber Jüngling, „ba ic^ mid) i5 in einer ©tellung befinbe, bie mir auf jebe anbere Söeije unter» jagt toäre, fo la|t mid) bitten, bon ber ©unft, bon ber @nabe, bie ^^i mir äutoenbet, in biefem 2lugenblid berfid)ert ^u toerben. ^ä) ^f^abi^ jd)on fo oft Suren l^ol^en ®emal)l gebeten um Urlaub unb Jßergünftigung einer toeitem Steife. Söer ba§ ©lud ^at, an 20 ßurer Xafel p fi^en, tuen ^1)x beel^rt, 6ure ©efeßfc^aft unter= lialten ^u bürfen, ber mu§ bie SBelt gefe'^en liaben. Sfieifcnbc ftrömen bon allen Orten l)er, unb toenn bon einer ©tabt, bon einem toic^tigen ^^unfte irgenb eine§ Sßeltteilä gefbrodien toirb, ergetit an ben Rurigen jebeSmal bie fjrage, ob er bajelbft ge= 25 mejen fei. ^liemanben traut man S5erftanb ju, al§ toer ba§ alleä gefe:§en l)at; ift, al§ toenn man fi(^ nur für anbere äu unter> rid)ten ^ätte."

„(Stellt auf!" toieber'^olte bie gürftin, „ic^ möd)te nic^t gern gegen bie Überjeugung melne§ @ema^l§ irgenb ettoaS toünfc^en ao unb bitten; altein toenn x6) ni(^t irre, fo ift bie Urfadie, toarum er (äud) biSl^er äurüd:^ielt, balb ge^^oben. ©eine 5lbfic^t war, 6uc^ äum felbftftänbigen ©beimann :§erangereift ju feigen, ber fic^ unb i^m auä) au§toärt§ ßl^re motzte toie bi§l)er om ^ofe, unb

Xopefl«. 397

\ä^ bid^te, ©Ute Zai loörc ein |o em^fe^tcnbcr 9lci|ei)a§, aU ein junger Tlann nur in bic SBclt ntitncl^mcn £ann."

S)a§ anftatt einet jugcnblid^en gteube eine gctoi||c Trauer über jein ®cfid^t 30g , l^attc bie gürftin nid^t 3eit, 3U Bemcrfen,

6 nod^ er feiner (5m^)finbung 9iaum ju geben, bcnn ^a[tig benSSerg herauf, einen ihtaben an ber ^anb, tarn eine ^rau, gerabeju auf bie ©ru^pe I08, bie toir fcnncn; unb faum toar ^onorio, ftc^ bcfinnenb, aufgeftonben, atS fie fid^ l^eulcnb unb jc^reienb über ben Seid^nam l^cnoavf, unb an biefer .^anblung jottie an einer,

10 obgleich reinlid) anftänbigen,bo(^ bunten unb feltiamcnÄteibung foglcid^ enaten lie§, fie fei bie 2Jleifterin unb SQSärterin bieje» bal§inge[trccEten®efcf)öpfe§, toie benn ber jd^toaräaugige, jc^toarä- lodfige 5hiabe, ber eine gtöte in ber ^anb l^ielt, gleid^ berSRutter »einenb, toeniger l^eftig, aber tief gerührt, neben i^r fnieete.

15 2)en getoaltfamen Stugbrüc^en ber ßetbenfc^aft bicfeS un= glürftid^en 2Beibe§ folgte, jtoar unterbrod^en fto^toeife, ein Strom bon SBorten, toie ein SSad^ fic^ in 2tbfä^en üon Sfelfcn ju i^elfen ftürjt. (Sine natürlid^c ©prad^e, furj unb abgebrod^en, mad^te fid^ einbringtic^ unb rül^renb; öergcbenS toürbe man fie

«' in unfern 5)lunbarten überfe^cn tootten, ben ungefähren ^nl^alt bürfen toir nic^t ber'^c^len, „©ie l^aben bid§ ermorbet, armeä 2ier! ermorbet ol^ne 9iot! S)u toarfl ja^m unb l^dtteft bid^ gern ru^ig nicbergelaffcn unb auf un§ getoartet; bcnn beinc guß» bauen fd^mcr^ten bid^, unb beine Chatten l^atten leine' Äraft

25 mctir! S)ie ]^ei|c ©onne fel^tte bir, fie ju reifen. 2)u toarft ber Sd^önfte beineägleid^en; toer l^at \t einen fönigticf)en Jigcr fo ^enlid^ auSgeftredtt im ©d^Iafe gefeiten, toie bu nun l^ier liegft, tot, um nic^t toiebcr aufjuftel^en. Söcnn bu beS 5Jlorgenä auf» toa(^tcfl beim frühen 2agfc^ein unb ben 5Rad^cn auffpcrrteft,

so auäftrccfenb bic rote 3"nö«» fo fd)ien^ bu unS ju läd^eln, unb, wenn jd^on brüHenb, na^mft bu boc^ fpielenb bein Butter ouä ben .^änbcn einer x^xau, Don ben Ringern cincS Äinbci^! Söie tauge begleiteten toir bid^ auf beinen Sfa'^ttcn, toie lange toar beine ©efellfc^aft unä toidt^tig unb frud^tbar! lln§! und ganj

398 «oBegf.

cigcnttict) tarn btc ^pti\t bon bcn Sfreffern unb |ü§c ßoBung bon ben ©tarfen*. ©o toirb nid^t mel^r jein! SBel^c, tocl^c!"

©ic l^attc ni(^t auggcÜagt, atg über bie mittlere ^ö^e bc8 SBergä am (Sd)Io[fc l^crab 9iciter l^eranjprengten, bie alfobalb für ba§ Saöbgefolgc beg dürften erfannt tourben, er felBft boran. s ©ie l^atteii, in ben l^intern ©ebirgen jagenb, bie SBranbtootfen auffteigen jel^en unb burc^ ZäUx unb ©c^tud^ten, toic auf ge» toaltfam l^e^enber ^agb, ben geraben äöeg nac^ biefem traurigen 3eid§cn genommen. Über bie ftcinige Slö^e einl^erfprengenb, ftu^ten unb ftarrten fte, nun bie unertoartete ©ru^pe getoal^r w hjerbenb, bie fic^ auf ber leeren fjläc^e merftoürbig au§äeid)netc. ^laä) bem erften ©rfennen berftummte man, unb nad§ einigem ßr^olen toarb, toaS ber SlnblidE nidit jelbft ergab, mit toenigen äöorten erläutert. <Bo ftanb ber gürft bor bem fettfamen uner- hörten Ereignis, einen Äreig uml^er bon 9leitem unb 3'lac^eilen» 's ben au gfu^c. Unfd)lüffig toar man nic^t, toa§ ju tun fei; an* juorbnen, au^äufül^ren, toar ber gürft befc^äftigt, al§ ein 9Jiann ftd) in ben ^eig brängte, gro^ bon ©eftalt, bunt unb tounber» Iid§ gcfleibet toie fjrau unb ßinb. Unb nun gab bie iJamilic äujammen ©(^merj unb überrafd^ung au erfennen. S)er 5Jlann 20 aber, gefaxt, ftanb in e^rfur(i)t§b oller gntfemung bor bem iJfürften unb fagte: „@§ ift nic^t j^lagengjeit; ad^, mein ^err unb mäd£)tiger S^öger, aud§ ber ßötoe ift log, aud^ ^kx naä) bem ©cbirg ift er l^in, aber fd^ont i:^n, f)aU SBarml^eraigfeit, ba^ er nic^t umfomme toie bieg gute 2ier." 25

„S)er ßötoe?" fagte ber fjfürft, „|aft bu feine ©bur?" „2fa |)err! 6in Sauer bort unten, ber fid§ ol^nc 9lot auf einen aSaum gerettet l^atte, toieg mid^ toeiter ^ier Iin!g l^inauf, aber id§ fal§ ben großen SLrubb 9Jlen|c^en unb ^Pferbe bor mir, neu= gieng unb pifgbebürftig eilt' id§ l^ierl^er." „2tIfo", beorbcrte so ber Surft, „mu§ bie ^agb fid^ auf biefe ©eite aiel^en; i:^r labet eure ©etoel^re, ge^t fadste au SGßerf, eg ift fein UnglüdE, toenn il^r

1 SgL SimfonS Kätfel im Bu<$ bec 9H($ter, Aap. 14, S3. 14 unb 18.

xi^n in bte tiefen SBälber txeiiit; aber om 6nbe, guter 50^ann, »erben toir euer ©efdiöpf nid^t jc^onen fönnen; toarum toart it)r unöorftcfjtig genug, jie entlontmen äu lajfen?" „S)a§ geuer bxaäi auä", öerfc^te jener, „toir l^ieüen ung ftiE unb gej^annt,

5 eS öerbrcitete fld^ fd^neE, aber fem öon un8, toir l^atten SBaffer genug ju unferer 33erteibigung, aber ein ^putöerfc^tag flog auf unb toarf bic SSrönbe Ui an un§ l^eran, über unä »eg; toir übereilten un§, unb finb nun unglücflic^e Seutc."

5flo(^ tt)ar bcr fjürft mit SInorbnungcn bejc^dftigt, ober

10 einen ^lugenblid f(i)ien alleg ju ftodfen, aU oben bom alten 6d^to§ l^crab eilig ein ÜJlann '^erani|)ringenb geje'^en toarb, ben man balb für ben angcftcßten äöäc^tcr erfannte, ber bie 2öerf= ftätte beä 2Jlaler§ betoacfjte, inbem er barin feine SBol^nung no'^m unb bie Slrbeiter beauffid^tigte. (5r fam au^er 9ltem

15 fpringenb, bod^ l^atte er balb mit toenigen SBorten angezeigt: oben l^inter ber l^ö^em 9lingmauer l)abe fid^ ber Sötoe im ©onnenfc^ein gelagert, am ^ufee einer l^unbcrtjöl^rigen 35uc^c, unb öer^alte fic^ ganj ruljig. ^rgerlid^ aber fcE)lo§ ber 2Jiann: „SBarum ^abe id^ geftem meine S3üd^fe in bic ©tabt getragen,

20 um fte auSpu^en ju laffcn! ^ätte i^ fie bei ber ^anb gel^abt, er wäre ni(i)t »icbcr oufgeftanben, ba§ gell toäre bod^ mein getoefen unb id^ l^attc mid^ bcffcn, toic billig, aeitlebenä gc» brüftct"

S)er 50^» t>em feine militärif d^en (Srfal^rungen audE) l^ier

25 ju ftatten famen, ba er fic^ lool^l fd^cn in fällen gefunben l^atte, too öon mel^reren ©eiten unöermeiblid^cä Übel l^eran» brol^te, fagte l^ierauf : „Söeld^e Jßürgfc^aft gebt Si^jr mir, ba^, tDcnn toir Gureä ßötoen fd^onen, er nid^t im ÜJanbc unter ben 3Jleimgen SBerberben anriditef?"

30 „.^ier biefc gtau unb biefeS Äinb", ertoiberte bcr Später

^aftig, „erbieten fic^, i^n ju jft^mcn, i^n ru^ig ju erl^alten, biä

ic^ ben bcfd^lagenen Äaften t)erauffd§affe, ba toir il^n benn un«

fd^öblidl) unb unbefcl)äbigt Wieber jurüdfbringen »erben."

2!er Änabe fc^ien feine glötc öerfud^en ju »oUen, ein 3n-

400 StooeOe.

[trumcnt bon bcr Slrt, bo§ man jonft bic janftc, jü§e gtöte' ju nennen pflegte; fle toar tur^ geid^näbelt toie bie pfeifen; toer ti üerftanb, tou^te bie anmutigften Söne barauB l^eröoräulodEcn. ;3nbe§ fiaik ber fjürft ben 2BärteI gefragt, toie ber ßötoe l^inauf» gefommen. S)ieier aBer berfe^tc: „S)ur(^ ben |)ol§ltoeg, bcr, auf s Beiben ©eiten öermauert, öon je^er ber einzige ^UQ^ng toar unb ber einzige bleiben foH; jtoei ^u^bfabe, bic nod^ :^inauf» füt)rten, l^aben toir bergeftalt entftcllt, ba^ niemanb aU burd^ jenen erften engen 5lntoeg ju bem 3auberid)toffe gelangen tönnc, too^u f5?ürft gfriebri(^§ ©eift unb ©efdimarf auäbilben toitt." lo

5iac^ einigem 5^ad;)ben!en, toobei fid) ber gürft nac^ bem Äinbe umfa^, ba§ immer fanft gleic^fam ^u prälubieren fort« gefa:^ren l^atte, toenbete er fid^ ju .g)onorio unb fagtc: „S)u l^aft I)eute biet geleiftet, bollenbe ba§ 2;agtoerl. SSefe^e ben f^nmlen Söeg, Iialtet eure i8üd)fcn bereit, aber fd^ie^t nii^t et)er, aU Big 15 'ii)x ba§ (Sefd)öt)f nic^t fonft äurücEid)euc^en fönnt; aUenfattä mad)t ein f5^euer an, bor bem er fid) fürd^tet, toenn er l^erunter toitt. 9Jlann unb f^rau möge für ha§ übrige [teilen." ßilig fcfiidte ^onorio fid^ an, bie Sefel^le p boßfü'^ren.

S)a§ ^nb berfolgtc feine ^etobie, bie feine toar, eine 3;on= 20 folge o()ne @efe^, unb bieüeit^t eben beätocgenfo l^erjcrgreif enb ; bie Umftel^enben fd£)ienen toie bezaubert bon ber SBetoegung einer lieberartigen SSeife, al§ ber S3ater mit anftänbigem @ntl)ufia§» mu§ p reben anfing unb forfu'^r:

„®ott l^at bem dürften SSeiä^eit gegeben unb äugleid^ bie 25 6rlenntni§, ba^ alte ®otte§toerfe toeife finb, jebeä nad§ feiner 2lrt. <Bti)t ben iJelfen, toie er feft ftet)t unb fid^ nidt)t rül^rt, ber SBitterung tro^t unb bem ©onnenfdiein; uralte Säume äieren fein .^aupt, unb fo gefront fdiaut er toeit uml^er; ftür^t aber ein Steil !^erunter, fo toitt nid)t bleiben, toa§ cg toar, fällt 3er» so trümmert in biele ©tücEe unb bebedft bie ©eite be§ .^angeS. Slbcr aud^ ha tootten fie nid^t berl^arren, muttoiltig fpringen ftc

' Fläte douee ober k bec.

%)vtae. 401

tief 1)xnab, bcr S5a(^ nimmt fic ouf, aum ^luffc trögt et fic. 'Jiid^t toiberftc^cnb , nid^t toiberfpenftig, edCig, nein, glatt unb ab ge= runbct gewinnen fie jd^neller i^ren 2Beg unb gelangen üon ^tuB ju %hi^, enbfi(^ jum Ojean, too bie Ofiefen in ©c^aren bal^er^

5 jie^en unb in ber Jicfe bie 3ö5etge raimmeln.

„Doc^ njcr preift ben 9tu^m be§ ^errn, ben bie Sterne toben tjon @h)ig!eit ju ßtoigfeit! Sßarum je^t i§r aber im ^^crnen umi^er? betrachtet ^ier bie JBiene! nod) ]päi im ^txb\i fammelt fie emfig unb baut fi(^ ein <^au§, tt)infcl= unb loagerec^t, ati

10 2Jieifter unb ©ejeHe; fd^aut bie 5(meife ba! fie tennt i'^ren 2öeg unb öerlicrt i^n ni^t, fie baut fic^ eine Sßo^nung au§ @ra§= ^atmen, (^rbbröslcin unb iliefernabcln, fie baut eg in bie |)ö^e unb roöCbct ju; aber fte ^at umfonft gearbeitet, benn ba§ *}}ferb ftampft unb fd^arrt aUei auSeinanber; fe^t l^in! jct^

16 tritt i^re3?a(fen unb jerftreut if)re^^Ianfen, ungebutbig fd)naubt esi unb fann nidjt raften; benn bcr ^err l^at ba§ 9toB 5um @c= feilen beä 2öinbe§ gemact)t unb jum @efäf)rten bei Stürmt, ba§ eU ben 2)lann ba^in trage, mo'^in er ttjitt, unb bie 5rau, too= ^in fte bcgef)rt. 3lber im ^^^atmennjalb trat er auf, ber Söttje,

20 emften ©d^rittci burd)jog er bie 2Büfte, bort l^errfc^t er über alles ©etier, unb nicf)tä toibcrfte^t if)m. 2;o(^ ber ^Jlenf(^ tt)cij? i^n ju jä^nicn, unb ba§ graujamftc ber ©efctjöpfe I)at ©tjrfurdjt üor bcm ©benbitbe ©ottei, wornact) auti) bießngcl gemarf)t finb, bie bem ^erm bienen unb feinen Wienern. £enn in ber 2ött)en=

25 grübe fd^eutc fi^ 2)aniel' nid^t; er blieb fcft unb gctroft, unb boö toilbe 23rüüen unterbrach nid^t feinen frommen ©cfang."

2)iefc mit bcm Vluöbruct eincä natürlichen ^nttjufiaiämuS ge'^altene 3{ebc begleitete ba§ Äinb I)ie unb ba mit anmutigen Jonen; aU aber ber SSater gecnbigt Ijatte, fing mit reiner

30 Äc^Ic, ^cUer Stimme unb gefd^idften Käufen ju intonieren an, worauf ber Sater bie Ertöte ergriff, im (Jinflang fic^ (;örcn lie^, ba^ Äinb aber fang:

» fßil Xoniel, Aap. 6, «. 20—24.

Soct^. X. 96

402 StoDcCe.

„'üvi§ bot (Srubcn, fjict im ®raben

^öc' ic^ be§ ^ro^j^cten Sang;

föngel fc^weben, il}n 5u laben,

3Särc ba bem ©uten bang?

Solu' unb fiömin, \)\n unb hJtebcr, 5

Sd^miegen ftd§ um i^n l^eran ;

3a, bic fanftcn, frommen Sieber

^abcn'S il^nen angetan!" 2)er S5ater fu^r fort, bie ©tro^l^c mit bcr f^Iöte ju Begleiten, bie ^Butter trat '^ie unb ba at§ ätoeitc 8timnie mit ein. 10

ßinbringliifi aber ganj befonberä toar, ba§ ba§ Äinb bie 3cilen ber ©tro:p'^e nunmel^r ju anberer Drbnung burciicinanber \6)ob unb baburd), too ni(^t einen neuen ©inn Ijeröorbrac^te, hoä) ba§ ®efü{)l in unb burci) fic^ jetbft aufregenb ert)öl;te.

„®ngel f^meben auf unb nteber, 15

Un§ in 2;önen ju erloben,

SBelc^ ein l^tmmlif^er ®efang!

3n ben ®ruben, in bem (Sraben

SBäre ba bem Sinbe bang?

5)iei'e fanf ten , frommen Sieber 20

Soffen Unglüd nid^t l^eron:

($ngel fd^weben l^in unb »icber,

Unb fo ift fc^on getan." .g)ierauf mit ^aft unb Srl^ebung begannen alle brei:

„2)enn ber ©ro'ge l^crrfd^t ouf ®rben, 25

Über Speere lerrfc^t fein Slicf ;

Sönjen fotteia Sommer »erben,

Unb bie SSelle f(^iuanft jurücf ;

S3lanfeä ©^mert erftorrt im §iebe;

®Iaub' imb Hoffnung finb erfüttt; 30

SBunbertötig ift hit Siebe,

S)ic fl(^ im ©ebet entl^üUt." 5llte§ toor ftiE, l^ijrte, l^orrf)te, unb nur erft, aU bie Stöne öcrl^attten, fonntc man ben ßinbrud bemerfen unb attenfallg beobad^ten. 2lüe§ toor loie bej(i)toirf)tigt; jebcr in feiner Strt 35 gerührt. S)cr Surft, aU toenn er erft je^t ba§ Un'^eil überfalle,

gtoceflt. 403

baS i^n box furjem Bcbrol^t l^atte, blirfte niebcr auf feine @e= maf)Un, bic, an i'^n gelernt, fic^ nid^t öcrjagte, ba§ geftirfte 2üd)tein ^crüorjujie^cn unb bie Singen baniit ju bebecfen. tot i^r ttjo^l, bic jugcnblii^e ^m\t öon bem 3)rucf erleichtert

5 ju fügten, mit bem bie öorfiergel^enben 5Jtinuten ftc bclaftet Rotten. 6ine bollfommcne (Stiße be{)eni(^te bic 5Renge, man jrflicn bie ©efa^ren bergeffen ^u l^aben, unten ben S3ranb unb bon oben bai (Srftcl^en eine§ bebenflic^ rul^enben Söwen,

Süurd^ einen 35}int, bie ^^ferbe notier f)erbeiäufüt)ren, brad^te

10 ber i^üri't pcrft toicber in bic (Sru^be Setoegung, bann tocnbcte er flc^ ju bem Söeibe unb l'agtc: „3t)r glaubt alfo, ba§ i'^r ben entfprungenen Sömen, too i^r i^n antrefft, burc^ euren ©cfang, burc6 ben ©ejang bicfcä ^nbc§, mit |)ülfe biefer fjlötentöne bcjdjroic^tigen unb i^n jobann unfd^äblici) joloie unbejd^äbigt

15 in feinen SSerfc^tuB toieber jurücffiringen fönntet?" (Sie beia!^= tcn e8, bcrftd)ernb unb bctcuemb; ber ÄaftcHan tourbe il^nen ali SScgtDcifer zugegeben. Ühin entfernte ber i^ürft mit SBenigen fic^ eiligft , bie gürftin folgte langfamer mit bem übrigen ®e= folge; 5Jlutter ober unb Sol^n ftiegen, bon bem SBärtel, ber

20 fi(^ eine§ (Seloc'^rä bemäctitigt f)atte, begteitet, fteiler gegen ben 95erg ^inan.

9)or bem eintritt in ben ^ol^tioeg, ber ben ^ufiang ju bem 8c^to§ eröffnete, fanben ftc bie Säger befc^äftigt, bürreä Steiftg ju Raufen, bamit fie auf jcben iJaü ein großes ^mex an^ünben

25 fönnten. „Qi ift nict)t not", fagte bie Stau, „eS toirb ol^ne baö alles in @üte gefd^c^en."

Sßciter f)in, auf einem 5Jlauerftücfe fi^enb, erblicften fie .^onorio, feine £;opbeIbüd)fe in ben Sc^o§ gelegt, auf einem ^4>oftcn, alä toie ju jebcm (JrcigniS gefaxt. 5tber bic .^eranfom' menben fc^icn er faum ju bemerfcn, er fafe tt)ic in tiefen @eban= fcn berfunfen, er fat) umf)er »oie jerftrcut. 2;ie Srau fprac^ it)n an mit 33itte, baä ^feucr nic^t anjünbcn 5U laffcn, er fc^ien ieborf) if)rer SRebe ttjenig Slufmcrffamfeit ju fd)enfen; fie rebetc ki)^a\t fort unb rief: „8d)öner junger ^Ulann, bu ^aft meinen

26*

404 flovetie.

2tger crjd^lagcn, td^ fluide btr ntd^t, fd^onc meinen ßötoen, guter junger 5Jlann, iä) |egnc btd^."

,g)onorio jd^aute gerab' bor \xäj ^in, bortljin, Ujo bie ©onnc auf i[)rer 33at)n fid) ju fcnfen Begann. „S)u fdiauft nad^ SlBenb", rief bie iJrau, „bu tu[t h)oT)t baran, bort gibt'g biet ju 5 tun; eile nur, fäume nic^t, bu toirft überlüinben. 9lber perft übernjinbe bid) jelbft." hierauf fd)ien er ju lädjeln, bie f^rau flieg toQxkx, fonntc fii^ aber nid)t entfiattcn, nad^ bem 3urürf= Bteibenbcn nochmals umjublidcn; eine röttid)e Sonne überfd^ien fein @efid£)t, fie glaubte nie einen f(^öncrn Sfüngting gefe'^en 10 3U tiabcn.

„2öenn euer ßinb", fagte nunme'^r ber Söärtet, „flötenb unb fingenb, toie i^r überzeugt feib, ben ßötoen antoden unb beruf)igen fann, fo merben toir un» be^fetben fcl^r Icid)t be= meiftern, ba ftd) bas getoattige 2:ier ganj nal^' an bie burdE)= 15 Brod^enen@en)i3tbe Eingelagert l^at, burd^ bie n)ir,ba ba§^aupt= tor berjc^üttet ift, einen Eingang in ben ©d^Io^of geujonnen l^aben. Sodt iT^n ba§ ^inb Ijinein, fo fann id§ bießffnung mit leidE)ter Wüt)t fd^tie^en, unb ber i^nabc, tocnn il)m gut beud)t, burd^ eine ber f (einen SBenbeltreppen, bie er in ber @de fie!)t, 20 bem 2:iere entfd^tüpfen. SBir toollen un§ öerbergen, aber id^ hjerbe mid) fo fteüen, ba§ meine Äugel jebcn 5lugenblid bem ^inbe äu ^ülfe tommen fann."

„3)ie Umftänbe finb alle nid§t nötig, @ott unb^nft, f^töm» migfeit unb ®(üd muffen ba§ S3efte tun." „@§ fei", berfe^te 25 ber äöärtel, „aber id) fenne meine ^flid)ten. 6rft fü^r' id^ @ud^ burd) einen befd^merUd^cn ©tieg auf ba§ ©emäuer l^inauf, ge» rabe bem Gingang gegenüber, ben id^ ermä'^nt ^abe; ba§ Äinb mag {)inabfteigcn, gteid£)fam in bie Mirena beS ©d^oufpietg, unb ba§ befänftigte 2ier bort Ijereinloden." S)a§ gefdC)a!^; Söärtel so unb 5Jlutter fallen berftedt bon oben l^erab, toie ba§ ^nb bie äöenbettre^pen I)inunter in bem ftaren ^ofraum fidt) jeigte unb in ber büftem Öffnung gegenüber berf(^tt)anb, aber fogteid^ feinen glötenton l^ören tie^, ber fid^ nad§ unb nad^ berlor unb

gtopeCe. 405

fnblid^ berftumnite. 2)ie ^aujc xoat o^nungiöott genug, bcn alten, mit @efat)r bcfanntcn 3ägcr Beengte ber fettenc menjc^= lid^e 3faü. @t jagte fic^, ba§ er licfcer peiiönU^ bem gciäl^r= Ii(f)cn Jterc entgegen ginge; bie 2)lutter jeboc^, mit f)eiterem

5 ©eftc^t, übergebogen l^ord^enb, lieB nid^t bie minbefte Unruhe bemerfen.

(Jnblic^ f|örte man bie gtöte toieber, ba§ Äinb trat au§ ber ^ö^Ie {)ert)or mit gtanjcnb Befriebigten 2(ugen, ber 2ött)e Ifiinter il^m brcin, aber (angiamunb,toiec§ jdfiien, mit einiger Sefc^toerbe.

10 gr jeigte ^ie unb ba 2uft, fi^ nieberjutegen ; hoä) ber ^abe führte i^n im ^albtreije bur^ bie toenig entblätterten, Bunt= belaubten 33üume, Bi§ er fti^ enblic^ in ben testen Strahlen ber ©onne, bie fie burd^ eine 9tuinenlüdfe l^ereinjanbtc, toie öerflärt nieberje^te unb jetn Beid^n)id)tigenbeä Sieb abermals Begann,

15 bellen Söieber^otung n)ir un3 oud§ nic^t entjie^en tonnen.

„?lu§ bcn ®ruben , l^icr im (Srabni ^5r' ic^ beä ^rop^eten Sang ; (Sngel [(^lücbcn, i^n 5U laben, 3Bäre ba bem (äuten bang? ~) £önj' unb Söiüin , ^tn mib ttjiebcr,

Schmiegen ftc^ um i^n ^eran ; 3a , bie fauften , frommen Siebet ^abcn'ä i^ueu angetan!"

3nbej|en l^attc fu^ ber ßötoc gan^ fnapp an ba§ jtinb l^in» 25 gelegt unb i^m bie jc^rocre rechte SJorberta^c auf ben <Scf)o^ ge» ^oben, bie ber Shxaht fovtfingcnb anmutig ftrcidjelte, aber gar balb bemcrfte, ba§ ein jt^arfer 2)ornitt)eig änjijd)cn bie 58allen cingeftoc^en »ar. Sorgfältig jog er bie öertcljcnbe <£pi^e l^ev= öor, nal)m läd)elnb fein buntjeibcncä .^alstuc^ üom '•JJacfen unb 80 öcrBonb bie greuliche 2a^e beg Untier^, fo ba^ bie Butter fid^ Dor i^reuben mit auögcftrecften Firmen jurütfbog unb öielleirf)t Qngcmoljntermeiie Seif all gerufen unb gcflatirf)t l)ätte, toäre jie nid^t burc^ einen bcrben Sfauftgriff beg Söärtelä erinnert toorben, ba§ bie ©efa^r nic^t öorüBer fei.

406 «nooeOe.

(Slorreic^ fang baS 5^inb toetter, nacfibem mit locnigcn j£önen öorgefpiclt ^attt:

„3)enn bcr ©nj'fle ^errfd^t auf ®vben. Über aWeerc r^errfdit fein 93Iicf ;

Sömen foHert fiämmer irerbcn, 5

Unb bie SBeHe fd^roontt äurütf ; 93lante§ ©c^irert crftarrt im ^iebc; ©laub' unb Hoffnung fmb erfüQt; SBunbcrtätig ift bit Siebe, S)ie fid^ im ®cbct entbünt." 10

3ft e3 mögtid) ju benfen, baB man in bcn Bügen etnc§ fo grimmigen @cf(i)ö^fe§, bc§ Bjrannen ber SBälber, beg ©ef^otcn be§ Sticrreic^eg, einen 3lu§brucf bon greunbtit^feit, bon banf= barer 3iifnebenl^eit l^abe fpüren tonnen, fo ge|(^al§ ^ier, unb mirllic^ fa!^ ba§ ßinb in feiner 25er!{ärung auS trie ein mäd^* is tiger, ficgreid^er Übertüinber, jener jnjar nid^t toie ber Ü6ertüun= bene, benn feine Äraft blieb in i^m öerborgen, aber bod) tüic ber ©e^ö^mte, »ic ber bem eigenen friebtid^en Söillcn 9ln]^cim= gegebene. S)a§ Äinb flötete unb fang fo toeiter, mä^ feiner 2lrt "bk 3eiten öerfd^röntenb unb neue l^in^ufügcnb: «^

„Unb fo gel^t mit guten ^inbem

©el'ger Engel gern ju 3iQt,

93öfc§ SSoUcn ju öcrf)tnbent,

3u beförbcm fc^öne %at.

©0 befd)tt)üren, feft ju bannen 25

Siebem <Bofjn anS 3arte ^lie

5b"' bc§ 2SaIbc§ ^od^t^rannen

i^rouimei- Sinn unb aJtetobie."

©ine Dcutfc^c ^JUtionalöefc^id^te.

(!KnUihnig bfs germisgebers.

/jfSLcgen Snbe bc3 SommcrS 1781 lief am SBchiiarcr SOhtfcn^ofc xmb Vl!^ bei einigen feiner getreueficn ^Inljanger in ber 2)ia3pora ein „Avertissement" um, ba3 „aQc», nja§ ^^olitif, SStjj, Talente unb 5Bcr= itanb in unfern benualcn fo uicr!n)ürbigen 3citen ^erporbringen, in

•'• einer pcriobifc^en Schrift bcn klugen eincä fid) fclbft gemä^Iten ^ubti= funiS öorjulegen" öerfprac^. 3)a§ neue Crgon erhielt ben Sitel „Sour^ nai ober S^agebud) »on Xiefurt". Sieben bem „Journal de Paris" ^atlc bei i^m aud) bic bcfanntc !^anbfcbviftlid)e Slorrefponbeuj ^ate geftanbcn, bic »on ^^ariS au§ bilbungScifrige unb frcibcufenbe g-ürften»

K' ^5fe glctc^ bem Don @otf)a mit SBcric^tcn über bie neuefte, jumd bie nic^t jcbermonn mitjutcilcnbe Literatur öcrfa^. ?Iuf ^anbfd^riftlid^e Verbreitung toir »iffcn öon elf Sfopien befc^ronftc fxij aud) bog SBcimarcr Slatt „in ©roB'SJJebiau'Ouart in fein ^ap))icr". 2)rei 5a^re lang, biä jum 3uni 1784, f)iclt fid) bic bunt 5ufammengcfe|jtc,

ii Quer G^ren »rerte 3eitfc^rift "i^i> brachte tS, >Dieiuof)l ba§ (Srfdjcinen immer unregelmäßiger unb feltencr tourbe, boc^ auf 47 (bem 5^itcl nacb 49) 9?ummcm. 2)ie Seele be§ Unternehmens irar bie ^erjogin» SRutter 'Jlnna 'Jlmalia, bie in eben jenem Sa^re 1781 ben ei-ffen ©om« mer in S^iefurt, i^rcr geliebten „Ginfiebclei", fem öon bem 2ärm be§

21 ^ofe§ ücrbrocfjte. ©ie bef)iclt [id^ bie Ic^te ®nt)d}cibung über bie SBei' träge ber &reunbe üor; jum eigentlid^cn Siebaftcur enmnnte fie i^rcn fiammerberm ö. ©infiebel, f^u bcffen unb i^rem Sefretär i^re geift« üoDe ^ofbame Suite öon (yödjljaufen. 3" ^'^" ÜJiitarbcitem jäljlte fie felbfl, Jfarl ?Iuguft, ber ^'rin} ?tuguft öon ©otlja, ilncbcl, ©cdonborff,

2. Tlexd, einige i;^ofbamen: feine SiJeilje aber empfing ba^ anjprudjslofe llutemcl)mcn buvd) bie ^litarbeit hti 2)reigeftirn^ QJoct^e, SSielonb, .^erbcr. ^icr im „Soumal öon S^iefurt" erfdjienen ^uerft bie ©oet^e» fc^en ©cbic^te „6bcl fei ber SKenfc^, ^ilfrcic^ unb gut" unb „"Jluf 9JJic» bing§ Xob", unb öon (Soet^e ftammt audj ber fleine, öiel luenigcr be«

i' beutcnbc ^rofabcitrag, bcn wir unferer ^luSgabc an biefer StcQc ein« öedeiben.

S^m Df tober 1781 brad^teu ©tücf 6 unb 9 bc3 ^oumalö, »ie übli^ o^ne SSerfaffemamcn, bcn„§au8ball. 6inebeutf(^e9?a»

410 Cinidtung beS ^eraulgeberS.

t i 0 n a I g e f d^ i d^ t c". ® oet^c mad^tc borin btc §of gef ctli(^aft mit einer flcincn fomifc^en, aber fer}r f[a(^en SfJobität belattnt, bte i^m äufaüig in bie §änbc geraten tuar : „®er ^aiiäbaH. ©ine (Sr^ä^lung ö. 33***. 2Sicn, gebrudt bc^ ^of). Sl^om.Sbl. ö.STrattnem, f. f. ^ofbud^brudem unb 59ucf)^änblcm. 1781". ®oct^e? ^Bearbeitung gibt nur njcnig 5 mel)r al§ ein 5ßiertel bcS 86 ©uobejfeiten umfafi'enbcn S3üd^IeinS tüic» ber, unb oud^ hk\t ftnb ftarf jufanimengeftrid^en. (5r tilgt öicic ®in» jell^eiten, femer SKonoIoge unb ®efpräd)c, ja eine gonjeSjenc äHjif(^en bcm unglüdfeligen Saßgcbcr unb bem ^rofo^cn. ^e toeniger 3eit unb Tlii^e er offenbar auf bk fleine Arbeit öerlüanbt ^at, um fo f)üb' lO ic^er ift ju beobachten, icic er burd^ leife, für i!^n ganj felbftöer» ftänblic^e S^orrefturen ber ungefd^icften SSeitf^ttjeifigfeit be§ Originals au§ bem SBege gc^^t, beffen fc^le^ten Stil üerbeffert, ^offenl^aftc Über» treibungen milbert, SRo'^eiten bäm|)ft, ijfterrcic^ifc^c 3bioti§men aü§' mer,it unb bei allebcm bod^ frifc^er unb felbft realiftif^er erjäl^It alS i5 ber 5Sicncr 9Inon^mu§, ber ftc^ bi§ ^eut allen SRacfjforfctjungen cnt» jogen ^at.

(Sanj ®oct:^efd^e8 Eigentum am „^auSball" ftnb bie (Sinleitung „?In ben £efer" unb luol^I aud^ ber ©d[)Iu{j. 3n erftercr bringt ber 3)id^' ter, ber Dftcrreid^ bamalä ja nod^ nid^t fannte, SSien in feinem ganjcn .'O Seben ni^t betreten "^at, bem thm (29. JJoö. 1780) auf ben X:^ron ge» ftiegenen Staifer Sofcp^ n. eine fc^ijne, gan3 ^erfiJnlid^ em^jfunbenc §ulbigung bor. Unb ebenfotüenig fanb er in feinem Original bie 2)ar» ftellung t>on bem iBranbe be§ 9taud^fang§ öor, ein an ftc^ übrigeng ber fonftigen 3Biener ^offenbid^tung too^lbcfannte^ SJZotiü, mit bem 25 er feinem ?lu§äug ju einem fräftiger betonten ©c^Iu^effeft öer'^alf.

SSir bellten fein ©oetljefd^cS Selbftäeugni§ über bitfen Seitrag jum Siefurtcr Journal, ben er auc^ nic^t in feine SBerTe aufgenommen ^at. ®ic ®oet:^efd^e ?lutorfc^aft UtoxoS erft im Sa^re 1871 Surf« ^arbtS forgfame Unterfuc^ung ber crl^altenen SonäC^tc. 3Kit 3iec^t 30 na'^m atSbann GJuftaü to. Soeper hm „§au§ball", ber fonft längft Dergeffen lüäre, unb ber fa freilid^ aud^ burc^ bie ^Bearbeitung ju feinem Shxnftnjerfe getoorben ift, in ben 5. S3anb ber ^empelfd^en ?Iu§=> gäbe auf. ®ie £)riginalerääl)lung ift im 3a§re 1883 burc^ ?lugufi Sauer in einem Sf^eubrudE juganglid^ gcmad^t tporben, über ben, toic 35 über bk fonftige Siteratur, bie ?lnmerfungcn am ©d^Iuffe be§ 93anbeä genauere Slu^funft geben.

3(n ben Sefcr.

-^TSit ncu[lcn literariid)en Üiad^ric^tcn auS ber ^auptftabt '^ unjercS S5atcrtanbc§ öerfid^em aße einmütigtid) , ba§ ba= fcIBft bie 2Rorgenröte beS ^i^önften S^age^ cinjubrec^en anfange,

» unb ob toir gleich unS jiemlic^ entfernt öon jenen ©egenben be= fxnbcn, fo ftnb toir boc^ aud) geneigt, eben basfefbe ju glauben. S)cnn gcroi^, fann eine Sd^ar öon witben ©onnenöerel^rem nid^t mit einer größeren ^nbrunfl, mit einem getoattfamcren 2laud)3cn unb burd^ alle ©lieber taufenben Sntjüdfen bie 9ln=

10 fünft bcr ^immeläfönigin begrüben al^ unfere SBiener, freitid^ auf eine gleici)fan§ rol^c 5lrt bie erftcn (5trat)ten einer gefegncten Otegierung Sofc^l^ bcS II. bereiten. 2öir tuünfc^en i^m unb il^ncn ben fd^önften 2^ag. 2)ie gegenrtärtigeu ?lugeubIidEc aber gteid^en jenen Stunben be^ ^orgen§, njo au§ allen liefen unb

15 üon oüen 2?äc^en aufftcigenbe klebet bie näc^fte 3Infunft ber 6onne berfünbigen. Unter bieten unlegbarcn fliegenben ©d§rift= dE)en l^aben wir eine gteid^faKä unlc§bare borgefunben', beren 3nt)alt bennod^ luftig unb unterl^altenb genug fdjeint, um unfern ßcfem im SluSjugc mitgeteilt ju toerbeiL

20 3n berÄIaffe bon^ienfd^en, bie,ol^nc(Sinflu&auf bieöro^en unb ot)ne bon i^nen bemerft ju fein, il^r eignet, oft bel^agtid^c«, oft unbe^agtid^eS 2ebcn führen, lie& f\ä) ein .£)aii^ioirt einfallen, im ."pomung* einen 2?aII bei [id^ auf ©ubffription ju geben. 6r toollte nid^t, toic er fagte', baburd^ irgcnb einen Profit mad^cn,

25 fonbem bro§ feine gute fjfreunbe jufammen in feinem Cuartiere

> Cjt. bU .Wnlritunj b<l ^oula«6cr#'. » ^«tiniar

412 f?et ^auftbftg.

öergnÜQcn. 6r lat bic ertauBniä !^ieräu bon her ^oli^d unb crt)iett fie.

Unfer Wann l^atte biete S5efannt|(i)Qft unb einen leiblid^ bürgcrlid)en 9tuf. 3n furjer 3eit unteräeic^neten [it^ eine 5Jlenge ®äfte Bcibertci ®eld)te(^t§, jein engeS Cuartier, baä burc^ man= 5 cf)erlei 5JleuBleä nod) ööttig öerfteüt toar, madite bie SSeloirtung fo öieler ^erfonen unmögtid^; er ]af) fid^ um unb fanb leinten im ^aufe einen großen jnjeibeutigen gjaum, ber haä JqoI^, bie ^au§gefä§e unb n)a§ man jonj't fid) bon bicjer 3trt benfen mag, biäficr in [ic^ gefaxt l^atte, Iie§ gefdiiDinb aHe§ auf bic «Seite lo jd)affen, ben Soben auf§ möglid)[te jäutern, bie SBänbc aBfetiren, unb brachte nad) jeincr %xt einen ganj jd^idtidien %>la^ ^uredite.

:3eber bon ber ©ejellfdiaft 1)atic ätoei ©utben auSgejal^lt, unb unfer SSatttoerBer ber[id)erte bagegen, ba^ er ben <5aat tOD^l beleud)ten, ba§ Crd)e[ter [tar! bcfe^en unb für ein gut äu= i5 gerid)tete§ ©ouper forgen tooÜe. Kaffee, j£ee unb Simonabe fütttcn aud) bereit fein. 3}ta§fenfleiber fönne ein jebes nad) S5e= lieben auäie^en, nur bie Sarben muffe man entbehren, bamit ber äöirt l^ierüber nic^t jur SSerantföortung gebogen unb geftraft mcrben motzte. 5luf foldje Slrt war bie %n^ai]l auf 106 5perfonen 20 feftgefe^t, bie Äaffe, au§ 212 ©ulben beftefjenb, toar in feinen .pänben, al§ auf einmal ein gro^eS Untreu ben gäuälic^en Um= fturj berfelben brol^te.

@in auggetemter Söud^erer l^atte unferm teueren SBirt bor einem l^albcn ^dt}X 100 ©ulben bargelie^en, toofür er il^m 150 25 berfdireibcn mu|te, ba§ ^pröfent einer binöbcdcnen* \X^x nic^t mitgercd)net, toelc^e§ er ir;m borl^er abgereic^t ^atte. Siefer 2öed)fct mar jur ^lage gcfommen, bie Älage toar Bi§ jum Strreft getrieben, unb ber aufmerffame ©laubiger erl)iette 9lad)ri(^t bon bem fi^önen baren (Selbe, ba§ fic^ in be§ ©d)utbnerg Rauben 30 befanb. @v bringt auf ben ©eiiditäbiener, unb biefer trifft unfern Unternetjiner in ber ^auStüre, aU er eben im 93egriff ift, mit

1 3" ^^^ SJorlage ftc^t bie ebenfo unüare gorm ,fpinfpeltc§ten*.

ger ^qug&att. 413

hex ?Jlagb ou§,5unfVn, um fct&[l bicSmal ben ^arft ju Bcjud^cn. Gt fünbigt i^tn bcn Slrrcft an, tocnn er btc 150 (Sulbcn nic^t im Slugcnblicfc erlegt.

3)0 tüir bermuten fönncn, bo^ alle un|erc Sefer ficii einen

s jotd^en JßortaH bergegcmüärtigen fönnen, too ein ^lonn, ber 212 ©ulbcn in ber %a\d)t f)at, fic^ mit 150 (Sulben bom 3(rrcfte befreien fonn, ]o begeben toir unä be§ rül)mlid)en S3orteit§ ber S^arfteHung unb jagen nur, ba^ er bieje Summe nac^ mant^em Äamt)f mit krönen erlegte unb nod) baju 43 ©utben öorläufig

10 moberierte Soften bcjatjUe.

Unjer lieber 2Birt fa§ boHer Serjraeifclung auf feinem ©tu^tc, at§ eben ein junger 5)]enic^ öoH Ütcjpeft l^ereintrat unb um 6 ^illetg ju bem SBatt hat. (Jr legte einen Souverain d'or bcmütig auf bog lifd^ccf, nat)m 6 S5iHetä unb cm^fal^t fiä), oTjne

15 auf bie SSerl^altungsorbnung unb erlaubten ©ebraud^ ber ^la§= fcn biel ju l^ören.

S)cr Slnblicf beS Souverains d'or, ben ber junge @ecf gebrad^t ^atte, in bem 3lugenbli(f, ba^ ber Ungtüdflid^e öon ben S)iencm ber gcfc^Iidtien Drbnung ausgesogen Sorben toar, Brad^te ben

20 l^alb Seriteeifctten tnieber ju fic^ fetbft, er jal^lte fein (Selb. betief fid^ nod^ auf 31 ©ulben 40 Äreujer. „3e^t tool^in bamit?" fprarf) er unb bacfitc nad^. „Äönnf id^ nur fo biet erborgen, um meinen S3aII ju geben! toär' ber ihebit ^ier ju fianbe nid^t fo auf 8df)rauben gefegt, liel^' mir nur einer 50 ©ulben auf mein e^rlid)

25 @e)icf)t, idE) toollte i^m gern jttjeimal fobiel babor berfd^rciben."

Unb fogicidt) fprangen jtoei luftige junge 33ürfc^ct)en ing

^immer, fragten um ßrlaubniö, bon bem SöaU fein ju bürfen,

legten Selb l)in, er gab bie Sittetä bagcgen, ertaubte il)nen, in

"iJtaSfeuflcibem ju fommen, fie eilten fort, unb er toünf d^te fid^

noc^ biet foId)cr ©äfte.

2;ag ©lüdf, baS unfern ^atron njicber anlädfjctte, ermunterte feinen ®eift ju neuen ©ebanfcn unb ©rfinbungcn, U)ie er fid^ meitcr t)elfen fönne. fiel i^m ein, jebermann toerbe en masque erfdjeinen, unb er bebürfc alfo feinet öalaKeibä mit golbnen

414 ^" iauiba.1L

Xrefjen nid)t, iüomit et flc^ l^erausjupu^en gebaif)! Ijattc. S5tet= nu1)x iDÜrbe anftanblser ]m\, toenn er fid^ gleic^fallä mo^fictt jefien Iie|e. ©einen StodE, bem er U^r unb ©d^nallen neBft einer 2)o|e äur (SefeHjdiaft ju geben fic^ entjc^lo^, njoEte er Bei einem benad^barten bienftptf (id)en ^Tcanne öerfc^en unb l^off te mit bem s barauf er'^altencn @elbe f)inlängli(^ ^u reit^en. £;ie 9Jiagb rtirb gerufen, bie 6tücEe Serben i^r einge^änbigt. „(Jitt, tt)a§ 2f^r fönnt", fagt ber ^Patron, jie bet)enbe jur Züx f)inau§, unb ftür^t unöorficf)tig bie bunfle treppe l^inunter. (Jin entfe^Iicf)e§ ®c= i(^rei mad^t i^ren Unfall unb ein übel öerrenfte^SSein ber ganjcn lo ^ac[)barict)aft funb. Unb t^t ber ^auS^err gctDa"^r toirb unb l^inabcilt, ^at man fie fdjon aufgel^oben unb äurec^t gebradE)t. @r übernimmt fie au§ ben mitleibigen ^änben unb fragt eifrig naä) ben äu berpfänbenben 6ad£)en. Söe^e if)m! ©ie toaren ber UngIü(iUd)en im Sd£)redE au§ ben |)änben gefallen unb ni(^t is met)r äu finben. S)en 9ftodE erbtiefte er nod^, aU if)n eben einer unter ben 5Rantel fdt)ieben unb forttragen tooHte. 6r fiel ben Dtäuber mit großer SOßut an, unb aU er bie übrigen ©ac^en toon ben Umftet)enben gleicf)fatt§ mit .^eftigfeit berlangte unb fie aU 2)iebe be^anbelte, fo entftunb ein gro|e§ 2Jiurren, ba§ fic^ batb 20 in ©(gelten öerftianbelte unb mit ©dalägen äu enbigen bro^te, loenn nic£)t ein borübergel^enber 5ßrofurator', ein guter Ofreunb, fid) brein gemifdf)t unb bie 2Iufgebrad)ten befänftigt f)ätte.

5Jtit großer |)eftigteit unb gcroaltfamer 23etrübni§ cr^äl^tte nun unfer 33aIImeifter ben Unfall bem neuen 3lnfömmling. S)ic 25 ^nabm, burc^ bie^fleugierbe l^erbeigelocft, hielten bag ^atl^etif d^c be§ 2lugbrucE§ für Söirfung ber 2;runfen^eit, fie äifd^ten unb ladeten if)n au§, toobur^ bie beiben ^reunbe genötigt würben, fic^ in ba§ obere 3inimer ju begeben. ,g>ier tuurbe bem ^rofu= rator ber S^orfaÜ umftänblidt) erjä^It unb i§m äule^t ba§ Äleib so mit ber Sitte öorgertiiefen, 60 ©ulben, fo biet, at§ unter 33rü= bem toert feie, barauf nur ac^t 2;age tang äu borgen. S)er greunb

bcbad^te ftd) unb toilligte cnblid^ ein, unter bei SBebingung, ba^ i^m nod^ für ^einc fjfantilie gratis bie nötigen SBiüetS abgegeben rocrben |oütcn. £er gebrängte JBallgeber, bem ba» @eh)if)cn wegen ber ju biet ausgegebenen SiHetS erroad^te, ber einen 9lu=

5 genblidf bie ^enge ber ^erjonen unb bie @ngc be» ^^la^cä gegen» einanber ma% willigte nur gejroungen brein. @r ging rtüd) bem Ääftc^en unb glaubte jeinen ^i^cunb mit brei ober öieren abju» fertigen; Wie erjc^raf unb erftaunte er aber, aU biejer für fid^, feine i^xau, fieben Äinber, brei Sienftboten, eine ©rfitoefter, il^ren

10 ^ann, ^ausleute unb einige Sefannte, in allem 36 Silletg, »erlangte. S)er S3erbru|, ben ber 5Jleifter beim Sarjö^len em^= fanb, bie 3(ngft, bie i^n überfiel, ba er miebcr allein war, Würben balb burc^ bie 60 ©utben öerfc^euc^t, bie ber ^rofurator in lauter ©rofc^en überfc^icfte. ^it fo biet barem @elbe öerfe^en,

15 ging er, öon einem alten ihtec^te begleitet, benn bie 'iRagb fonnte norf) nid^t wicber auftreten, in bie ©ewürj», iham» unb 3"dfcr» laben, be^atilte ba§ eine, lie^ ba§ anbere auffd^reiben unb beftcittc SBein in einem Älofter, Wo er befannt War. 9ia(^mittagS er» fd^ien ein obgebantter .^offocE) mit feiner x^xau , bie ba§ 9iötige

2CI ju ber ^Jia^Ijeit borbereiten foüten. <5ie brachten in furjcr 3eit eine Stenge 6^warcn jufammen, man rupfte bie 23ögel, fpicEte bie SBraten, fott (5df)infen ob unb befd^äftigte fic^, eine Un= jat)l SBadfwerf unb biete ^4>afteten ^^erborjubringcn. £)ic Äran!= l^eit ber 5Jlagb, bie Ungeid)icf(ic^feit beS Änedf)tä l^atten unfern

25 ^erm genötigt, fetbft eine ©c^ür^e borjubinben unb balb l^ier, balb ba bel)ülflid^ ju fein. 6S war fd^on jwei U^r naö) ^Jlitter* nodl)t, unb bie Pfanne f)atte nocf) nicf)t gcrul)et. S)ie alte Äod)= frou, bie fie biSt)er traftieret {)atte, würbe auf eine anbere Seite '^ingerufen unb berttaute unferm .^crm auf einen 3lugenbtidf ben

30 f)ei6en ©tici. GS fdjmerjte it)n an feinen jarten .^änben, bie iöutter lief inS \S^uvc, unb in bem 3lugcnbli(f ftanb baS übrige gett in ^tüininen. GS fpri^te, plajjtc, er warf bie ^4-^fanne weg unb fal^ mit Gntfe^en ben 9ftu& in ber übel gepu^tenGffe brennen. (Jr hielte nun alleS für bcrloren. 2)ie ftrengc ^-Polijci unb bie

41(3 '^*^ ^audbalt.

nfturate f^eucrorbnung fteten ouf jcinc Betoegte dinbitbungShaft. (Sr ^övtc bic frömmeln fd^on ge^en, fal^e iein ^au§ umringt, ba§ SÖafjer triefte il^m um bie O^rcn, unb ba er ba§ eifrige ©ie^cn ber ©pri^enleutc !anntc, fo ]ai) er |c[)on feinen fcf)ön auf= getifcl)ten S5orrat in gteicliem 9lugenbli(f in ®efal)r, ju Brennen & unb 5ufd)toimmen.

S)ie refolutere ßodifrau t)attc inbe§ einen ßffenfe^rer ^er= Beigc'^olt, man berfiegcltc feinen 5Jlunb mit einem 3)u!aten, unb ein Sunge, ber auf einem naffen ^4^fü^t bie Breunenben Oiu^= [tüdEe unb öiel Cuatm unb Unrat l^erunter auf ben ^erb Brad^te, lo enbigte ba§ ganje ÜBel auf einmal

S)ie neue ?trBeit, bie nunmehr entftanb , bie Äüd^e ^u reini= gen unb bie Orbnung l^erjuftetten , Bracf)te jugleid) mit bem ©d)rcclen unfern ^au§t)errn fo au^er fid), ba^ er gegen 6 U^u I)atB o^nmäd)tig auf ba§ SSette fin!en mu^te unb bort in einem 15 3uftanbe einfd^lummerte, ben loir unfern Sefern fic^ BoräufteHeu üBertaffen.

»isa*^

Oicifc bcr Süfjuc aJlcrja^rasaug.

Fragmente.

«oetöo. x.

27

Jn bcm iocrtöollen flehten ^luffa^c „SBebcutenbc görbeniiS burd^ ein einjtgcä geistreiches 3Bort" fprii^t ®oct^c öon ber „bieliä^vigcn Sii^tung" feinet ©eiftcS gegen bie franjöfti'd^c SReüoIution unb crflärt feine „grenjenlofe SBemü^ung, bicfc§ [(^recfUd^fte aller (Sreigniffc in

5 feinen Urfo^en unb ^o'oen bic^tcrifd^ ju geluältigen". „©d^att id^", fä^rt er fort, „in bie öielcn 3a:^rc jurüdt, fo fel^ i^ flar, hjie bie ?ln- ^änglic^fcit an biefen imüberfe^lic^en ©cgenftanb fo longc 3«it i)cx mein poctifd^eä SSemiögcn faft wnnü^ernjeife aufgejel^rt." So ift benn bie „Keife ber Sö^ne 3Kegapra3ong", gleich ben „9lufgcregten", bem

10 „^Wäbd^en öon Dberf irc^" unb ber „Jtatürlid^en S^ocfjtcr", ftc^erlic^ jum Seil auij au8 betn ©runbc Fragment geblieben, ireil ©oetl^c mit beut geroaltigcn 3eitcreigni8 innerli(^ nie rcc^t fertig gettjorbcn ift. 2)cnn bie immer »ieber Variierte 3;^efe „Sin jeber fe'^re öor feiner STür", bie namentlich im „SSürgergenerot" aI8 fauftbid aufgetragene 9JJoraI

15 erfc^eint, ift für ©oetl^c bodj too^l Weniger ber„3Bei^^cit le^ter ®cljlu§" als ein SJotbac!^.

3n ben ^rofabramen ber neunjigcr 3a^rc, in ber cinleitcnben 3tof)men=Gr,}ä^Iung ber „Unterhaltungen beutfcl)er 'iluSgenjanbcrten", in „.^ermonn unb ^orot^ea" fe^t ftc^ ber Siebter mel)r ober min-

20 ber offni unb auSbrücfli^ mit ber SRetooIutionSepoc^e auSeinanber; bogegen gibt er ben Srönä^fc" ber „iRatür liefen Stod^fer" bedfenbc SJJoSfcn unb begnügt fic^ im „aKiirc^cn" gar nur mit gan.j allgemei» nen, atlegorifd) öerfleibctcn "ilnfpielungen. SSicl tucitcrcn 9{aum al8 ^icr gibt er ber 'Mncgorie in ber iJuifc^cn bie 3a^re 1789 unb 1792

25 faüenben „5Heife ber vBö^ne 3Kegaprajon8". 2)a3 einzige un^iucibeu- tigc Selbft^engniS ©oet^eS über biefe SDic^tung, baS nodj baju nid^t in allen 'ißunften \n ben un8 erbaltcncn Fragmenten nnb (Entwürfen ftimmt, überliefert un3 bie „Jtampagne in Sranfreid)". (Gelegentlich

27*

420 Slclfe htt ©a^ne SmcoaprajonS.

fetnc§ 9lufent]^alte8 im 3acobifc^cn ^aufe ju ?ßcm^)cIfort crjäl^U ha bcr 2)ic^tcr foIgenbeS: „3d^ ^atte feit ber 3?cbDlutiott, m\ä) öon bcm hjilbcn SBefen cinigermajjcn ju jerftrcuen, ein tounberbareä SBccI bc gönnen, eine SReifc öon fieben S3rübent öerfd^icbencr ?lrt, jebcr naä) feiner SSeifc bem S3xtnbe bienenb, burd^anS abenteuerlich unb niärd^en« 6 ^aft, toertoorren, ^luSfi^)! unb ^Ibftd^t öerbcrgenb, ein ®Iei(^ni§ unferS eignen 3uftanbe8. Man öcdangtc eine SBorlefung, iä) lie^ ntid^ nidjt toiel Bitten unb rüdfte mit meinen ^eften l^eröor; aber iä) bcburftc auc^ nur toenig 3eit, um ju bemerfen, ba^ niemanb baöon erbaut fei. ^ä) lie^ bal^er meine toanbembe fjamilie in irgenb einem §afen unb mein lo ttjettere§ 5IKanuffri|)t auf fid^ felbft berul^cn."

S)ie§mal alfo träl^lte (SoetTjc bie gorm be§ abentcucrlid^ märd^cn^ ^aftcn 9fleiferoman8 : Sed^§ (nid^t ftebcn^) SBrüber jicl^en auf @nt=> bedEerfal^rten in ferne Sänber unb lernen beren fatirifd^ borgeftelltc ^3oIitifc^e unb fonftige ®inrid^tungen lennen. 23ir benfen babei an 15 „®uIIioer§ Steifen" öon 2Sonat^an ©rtJift, M ben bon ben SBrübem aufgefunbencn fd^mimmenbcn Snfeln iDol^I aud^ an SKoreU^S „Naufrage des Isles flottantes", üor aUem aber fufet ©oetl^e auf beä großen f^ranjofen gran?oi§ 9JabeIai§ unfterblid^em fatirifd^en Stoman üon „©argantua imb ^antagruel". ©ner Scmerfung im elften SBuc^e üon 20 „2)id^tung unb SSatirl^eit" äufolge l^atte biefc§ ttjeniger burd^ feinen fünftlerifd^cn 2Sert, 0I8 burd^ bie aUerbingg bem Unflätigen aüju ge=' neigte Originalität feineä <B6)'öp\txS geniale 2öer! bereits bm ©trafj« burger ©tubcnten mit öctüunbcrung erfüUt. S)cr ®oet:^efd^e 9Kega=» ^rajon nennt felbft ben ^antagruel feinen Urgrofetiater, unb bie 3?omcn 25 feiner ©öl^nc ®)jiftemon unb ^anurg lueifen ebenfalls unmittelbar auf ba§ SSorbilb gurüdf. SBic ©argantua an feinen ©ol^n ^ontagruel {M SRabelaiS 93ud^ 2, ßa^. 8, unb S3uc^ 4, S?o^. 3), fo erläfjt aUiego- :^raäon an feine ^inber einen bebcutfamen S3rief ; unb in biefem begießt er ftd^ auf be§ StabelaiSfd^en ^ontogruel 9ieife jum Drafel berl^eiligeit so gtafd^e, bie bort (SBud^ 3, ^ap. 47 befd^Ioffen) bie gangen SBüd^er 4 unb 5 erfüllt; er ^pviä^t ferner bon bc§ fabelhaften granjofcn ?luf= enthalt bei ben ^o^jft^ö^ncm (5ßud^ 4, ^ap. 45 ff.) unb bei il^ren gein^ ben, ben ^a:|3ftt)ere;^rem ober ^apiiuanen (SBud^ 4, ^ap. 48 ff.), toon bencn jene mit Segic^ung auf ben obfjönen ®eftu8 beS „faire la 35

1 S)cr in ben Srnmerlungen amSd^Iuf^e beä SonbeS {©.492 f.) oBgebrutfte Cut» wurf lä^t ben Siatev mitreifen unb fo bie Sie6enja§l ^erauSIommen; baju ftintmt auc^ ber obige Slusbrud „wonbembe g-amilie".

etnieüung be< ^rauSgeberS. 421

figue" als ^a^cfiguen besei^nct »erben. 3" 6«ben Iäf;t aud^ ©octl^c, t)odi in umgefe^rtet golgc, feine Keif cnben gelangen unb üBernimmt no^ man(^e fleincre aO'Zotiüe, o^nc natürlich fflaöifd^ bie betretenen ^fabe nad^jutoanbeln. 9?ielmc:^r füllt er in bie alten Sd^Iöud^e diabt' 5 laiäfd^er 'JlHegoril neuen SSein, inbem er bcffen un^ ^eute junt großen S^eil bereite unnerftünblid^ getoorbenc 3eitanf))ielungen inä 3Kobeme abJDanbeU. 5)a3„3eitftebcr"(auc^5iebcr ber3eit unb3eitung§fieber), ba§ (Soet^cä (Scißel trifft, toütete in feiner näc^ften „fanäfulottifd^en" (Segcntoart 10 Senn loir in ber „S'iatürlic^en S^oc^ter", ber f^äteften unb too^l auc^ reifften Schöpfung, in ber®oet^e mit feinem großen Stoffe ringt, jirni Sc^Iu^ auä ©ugcnienS SJhmbe bie ^rop^ejeiung l^örcn:

„tiefem Kriege bro^t ®n jd^er Urnfturj. 2!le aum grofeen 2e6cn 15 ©efügten Glemente wollen flc^

9ii(f)t »edifelfeitig mc^r mit SiebcSfraft 3u ftetä erneutet Ginigfeit umfangen",

fo jtoeifcin ttir feinen ?lugcnblicl, ba3 öon ber 9IetJoIution gejeid^netc granfreid^ öor un3 ju feigen. Unb benfelbcn SZamen geben mir in

20 unfercm SSerfe unbebcnflic^ bem 2anbe ber 3D?onarc^omancn. ©inft, öor bem ?lu§brud^ be3 33ulfan3, auf bem man forgloä tan5te, itar e3 ein 5€itla"l>'» ^^^^ ^'c SRcöoIution aber ift baä monard)ifc^fte aller Seiche in brei Jcile jerf allen, bie cinjeln al3 fc^ioimmenbe Siifel im Weiten Djean treiben; ob man fie mit 3)ün^er auf Königtum, ^bel

25 unb 93oIf ober mit SJJorriä auf ^ariä, IBerf aiUcS unb baä übrige granf» rei^ beuten rcill, ift »enig öon 93elang. S)e3 le^tcren fü^nercr, too^I auc^ überfü^ner3nterpretation§geift erfcnnt in ben Sänbenx ber ^a^i» manen unb ^apefiguen auf ©runb ber Ooet^ef^en Sanbfc^af töbefc^rei^ bung aud^ gerabeju bie Sampagno unb S^üringen, bie ©ebiete beä

30 ^rc^enftaatS unb beä 2ut^crtum3.

3m allgemeinen ift 3urücf^altung in ber ^luStegung um fo mc^t geboten, alä einerfcit3 beä *Jluggefü^rtcn nur 5U wenig ift, anberfcitä baä unten abgebrucfte S(^ema oon bciu 'Ausgearbeiteten Dtclfoc^ abweicht. So foüte SWegaprajon ftc^ urfprünglic^ felbft an ber Sa^rt beteiligen,

35 »omit fein ©rief entfallen wäre, unb ni^t leere fielen foüte er ben

Söhnen mitgeben, fonbcm ba3 ooUe üor i^ren"Mugen inS SReer Werfen,

öoct^e ^at bie Svagmcntc feiner Grja^lung fpäter fauiu wicber

jur !^anb genommen. 3" '«'"« feiner 'ifluSgabcn fanbcn fie CSingang,

422 Weift ber gg^ne OTeflaprajon».

fonbcm flnb erft naS) feinem %6bt, in bcr £luartau8gobe bc8 ^offxtS 1837, ang Sid)t getreten. S)a§ ift gelvi^ ju bebaucm, benn ©intlei« bung unb Einlage ftnb öielüerfiprcd^enb, ber ©toff bunt unb ablucc^fc* lungSreidj genug, bie 3)orfteIIung lebenbig unb l^unioröoH. 'äuäi pt- ten bie oHegorifc^en 93cftanbtcite beS SBerfeä bie rein |3oetifd^en lüof)! fo n)enig crbrüdt lüie int „SJJärd^cn", al§ beffen geplanten SJJac^foIget in ben „Untcr^oltungen" man bicfc 3JJärd§encr5är;Iung ju erfennen geglaubt I;at.

S)te ©öl^ne TOego^rajonä überftd^en eine l^arte Prüfung.

-^ie Steife ging glüdüc^ bon ftatten, fc^on mel^rere Zaa^t ^ \ö)tDiUk ein günftigeräBinb bietSeget be§ f leinen ft)ü^(au§= 5 genlftcten ©(^iffeä, unb in ber «Hoffnung, halb 2anb ju jel^en, beschäftigten fic^ bie treffüc^en SBrüber ein jebet nad) feiner 9trt. S)ic ©onnc l^atte ben größten 2eil if|re§ täglid^en ßaufcä äurüd= gelegt; ß^jiftcmon fa^ an bem ©teuerruber unb Betrachtete mit Slufmerffamfcit bie SBinbrofe unb bie harten; 5panurg ftridtc

10 5le^e, mit benen er fd^madl^afte fjift^e au§ bem SJleere ]^erüor= jujicljen '^offte; @upI)emon I)iett feine @d)retbtofet unb fc^rieB, toal^rfdjeintic^ eine Ütebe, bie er bei ber erften ßanbung ju l^alten gebadete; 2Ufibc§ lauerte am SJorberteit, mit bem 2Burffpic| in ber |)anb, 3)elpf)inen auf, bie ba§ ©d^iff bon 3eit au 3eit öe»

15 gleiteten; SKcip^ron trorfnete 5Jleer))f[anjen, unb (5utl)d)c§, ber jüngfte, lag auf einer 2Ratte in fanftem ©d)Iafc.

„SBerfct ben S3ruber!" rief Gpiftemon, „unb öerfammelt euc^ Bei mir; unterbrecht einen 3IugenB(irf eureßlefctiäfte, icf) 'ijobe mä} ettoa§ 2öicf)tigeä üürjutragen. ©utijdjeä, erload^e! Seljt eud^ nie^»

20 ber. Sd^Iiefet einen jhciä."

S)ic Vorüber get)orc^ten bem 2ßorte bc8 ^Iteftcn unb fd)(offen einen Sixeii um i^n. ßutljc^eä, ber fd)önc, ttjar fi^nell auf ben SfüBen, öffnete feine grüben blauen 9(ugen, fdjüttcite feine bton» ben Coden unb fe^te fid^ mit in bie Sieifje.

25 „2)er Äompa^ unb bie Äartc", fut)r ©piflcmon fort, „beuten mir einen lüid)tigen ^unft unfrer i^al)xt an; toir finb auf btc .^öl)e gelangt, bie uufer äJater beim 'i^lbfdjieb anzeichnete, unb

42 t 9'«Ue 68§iie TOcflopiajonS.

id) t}abt nun einen 5tuftrag au^aurid^tcn , bcn et mir bainolS onöcrtrautc." „2öir finb neugierig, ju l^ören", jagten bie ®c= ft^töifter untereinanbcr.

@))iftemon eröffnete ben S3ujen fcine§ ßleibeS unb brachte ein äUJammcngefalteteS, Bunte§, feibneS Zuä) l^eröor. 9Jlan fonnte 5 IDemcrfen, ba| etföaä barein getoicfelt ttiar, an aEen©eitenl^ingen ©c^nüre unb t^ranjcn l^erunter, tünftüd) genug in öiele Änoten gefctjlungen, farbig, präci)tig unb lieblid) anäufetjen.

„(SS eröffne ieber feinen Änoten", jagte ßpiftemon, „tnieeSi^n ber Söater geleljrt !^at." Unb jo lie^ er ba§ %uä) !§erumgel)en; lo icbcr fü^te c§, jeber öffnete ben Änotcn, ben er allein ju löfen öerftanb; ber 5tltefte fü^te äuleljt, jog bie le^te ©c^teife au§= einanber, entfaltete ba§ %ud) unb braute einen SSricf Ijerbor, 'i>m er auScinanber jd)(ug unb Ia§.

„^;)Jlegapraäon an jeine ©ö^ne, @IüdE unb 3Bo^Ifal)rt, guten is 5Jlut unb f rollen @ebraud§ ßurer ^äfte! S)ie ^ro^en @üter, mit benen mid) ber ^immel gcfegnet l^at, tcürben mir nur eine ßaft fein o^ne bieÄinber, bie mid§ erft jum gUtcE(i(f)enDJknnemad)en. Seber bon @uc^ Ijat, burd) ben 6influ| eincä eignen güuftigen ®eftirn§, eigne ©aben bon ber ^^latur ertjalten. S<^ ^abe jcben 20 nadj feiner 3Irt bon Sugenb auf gepflegt, ic§ I;abe @uc| an nid)tä fehlen laffen, id) l^abe ben 2llteften jur redeten 3eit eine i^-rau gegeben, ^i)x feib toadre unb braue Seute getoorben. 5lun t)abt iä) 6ud) ju einer 3Banbei*fd)ajt auggerüftet, bi3 6uc^ unb (Surem.g)auje@^re bringen nm|. 2)ie merfwürbigen unb jd^öncn 25 Snfeln unb Sauber jinb berüi^mt, bie mein Urgro^öater 5panta= grueP teil§ befudit, teilä entbedt l^at, aU ha ift bie Snfel ber 5]3apimanen, ^a^efiguen, bie 2aterncn=;3njel unb ba§ Ora!el ber l^eiügen f^tajd^e, ba^ id) bon ben übrigen Säubern unb SSöl« fern jd)tt)eige. S)enn jonberbar ift eg : b er ü 1^ m t finb jene Sauber, so aber unbefannt, unb jdieinen jeben Sag mel^r in S5ergejfenl§eit äu geraten. 2lIIe 3}ölfer GuropenS jdiiffen auö, Gntbcdungsreifen

SSgl. bie „®in(eitung bcä ^cvauSgeberS".

grpfa «opittL 425

ju madjeii, alte ©egcnben bcS Djcanä jtnb bur(^H»^t, unb auf feiner ßartc ftnbc xäi bic Snfetn bcäcic^net, beren erftc Äenntnt§ toir meinem unermüblid^en Urgro^Oater fdjulbig fmb; enttueber alfo gelangten bie berü^mtei'ten neuen (Seefahrer nic^t in jene

6 ©egenbcn, ober fie l^aben, uneingebenf jener crften ©ntbedEungcn, bic Äüften mit neuen Flamen belegt, bie Slnjeln umgetauft, bie Sitten nur obenhin betrad^tet unb bieSpurcn beränberter3eiten unbcmertt gclaffen. 6uc^ ift borbel^atten, meine ©öl^nc, eine gtönjenbe Otad^Iefe ju l^alten, bie Q^xe 6ure§ ^IterbaterS toiebcr

^'^ aufäufrijc^en unb 6u(^ fetbft einen unfterblic^en 9tul^m ju ertocrbcn. 6uer fleineg, fünftlid^ gebaute^ (£d)iff ift mit allem QuSgerüftct, unb 6uc^ fefbft fann eg an nichts fe()(en: bcnn öor Crurer 3lbrcife gab id^ einem jeben ju bcbenfcn, ba^ man fi(^ auf mancherlei 3lrt in ber Sfrembe angenel^m mad^en, ba§ man fid)

15 bie (Sunft ber 5Renfc^en auf üerfd^iebenen2Bcgcn ertt)crben fömte; id^ rietGud^ bal)cr, \vo1)l ju bcbcnfen, toomit^tjr au^er bem^ro= biant, ber 2Jiunition, bcn (5d)iff§gcrätfc^aften 6uer {^a^rjeug be= laben, toaä für SSaren 3f)r mitnehmen, mit tt)a§ für ,g)ü(f§mit= tetn ^l)x Qui^ öcrfe^en tooütet. ^^x 'ijobt nad^gebac^t, 3^r '^abt

20 mcl^r als eine Äiftc auf bo§ ©dE)iff getragen, id^ Ijabe nic^t gc= fragt, toa^ fie entt)alten. :^uU^t öerlangtet ^^t @etb jur 9ieifc, unb id) Iie& 6ud^ fedE)§ i5äfecf)en einfd^iffcn, 31^r na'^mt ftc in JßerWa^rung unb ful^rt unter meinen Segenätüünfd^cn, unter ben Jränen Gurcr 2Jiuttcr unb Gurer grauen, in Hoffnung glüdf-

25 tiefer Stürffc^r, mit günftigem SSinbc baöon.

„3I)r l^abt, l^üffe ic^, bcn langtuciligften leit ßurcr i^a\)xi bnrd) baä tjolje ^Iccr g(ürfli(^ juriirfgelegt, 3t)r natjt Gud^ bcn Snjctn, auf bcnen ic^ 6uc^ freunblid^en ßmpfang, toic meinem Urgrojjöatcr, toünjc^c.

30 „^jiun aber öcrjcit)t mir, meine Äinbcr, tocnn id^ Gud^ einen ^lugenbtirf betrübe ift ju ©urcm Jöeftcn." Gpiftcmon l^iclt inne, bie 33rüber l^ord^ten auf. „2a^ ic^ &uc^ nict)t mit Ungen)i&t)eit quäle, fo fei gerobe ^erauögefagt: ßö ift fein @c(b in ben 3ä&d^en." „flein Selb!"

426 ''**?* *"^ SS^ne SDlegaprajon«.

riefen bie 33rübct toic mit einer ©timme. „ßg ift !ein ®elb in bcn göBdjen", toicberijolte Gpiftemon mit tjalBer (Stimme unb lie^ ba§ S3tatt finfen. ©tiKjd)tt)eiöcnb fatjcn fic einanber an, unb jcber toieberfjoltc in feinem eignen Slccente: „ilein ®etb! fein ©etb?" s

Gpiftemon nal^m ba§ SBIatt toieber auf unb Ia§ toeiter: „,ßein @elb!' ruft ^1)x auS, unb faum l^alten ßure ßi^pen einen Italien Stabel @ure§ S5ater§ jurüdE. ga^t (Juc^! ©el^t in Qua), unb ^^x merbet bie SBo^Itat t)teifen, bie id^ Qnä) erzeige. fielet (Selb genug in meinen ©embIBen, ba mag fte'^en, bi§ 2t^t lo jurürf fommt unb ber 2BcIt gezeigt l^abt, ba| ^\)i ber 9iei(^tümer tüert feib, bie iä) 6ud§ t)interlaffe."

©piftemon Ia§ toot)I noci) eine l^atöe ©tunbe, benn ber SSrief toar lang; er cntf)ielt bie trefftic^ften ©cbanfen, bie rid^tigften 33emerfungen, bie Ijeilfomften ßrmatinungen, bie fd^önften 2{u§= i5 fi(f)ten; aber ni(^tg mar im ftanbc, bie 2IufmcrEfamIeit ber @c» fd)tt)ifter an bie Söorte be§ 2}ater§ ju feffetn; bie ft^öne 25ereb= famfeit ging öerloren, jeber feierte in fic^ felbft ^urüdE, jeber Ü16cr= legte, toaä er ju tun, toaä er ju ertoarten tfobt.

S)ie 23orlefung lüar nod) nid)t gecnbigt, alä fc^on bie STbfic^t 20 be§ 2}aterä erfüttt toar: jcber Ijatte fd)on Bei fic^ bie ©dljä^e ge= muftert, toomtt il^n bie 5^atur auSgerüftet, jeber fanb ftd^ reic^ genug, einige glauBten fii$ mit SBaren unb anbem <^ülf§mit= teln tool)l berfcl^en; man Beftimmte fd^on ben ©cbrauc^ öoraug, unb als nun ßpiftemon ben 23rief äufammenfaltete, toarb ba§ 25 ©efprädf) laut unb allgemein; man teilte einanber ^pianc, 5pro= jefte mit, man toiberfprad^, man fanb SSeifall, man erbad^te 9Jlär(i)en, man erjann®efa^renunbSSerlegenl^eiten,manf(i)toä^te bis tief in bie 5ladt)t, unb e^' man fid^ nieberlegte, mu§te man gcftel^en, ba^ man ftd^ auf ber g^näen 9?eife nod^ nid^t fo gut 30 unterhalten l)attc

Ctpe« unb niodle« «oplleL 427

5Pian cntbccft jtociSinfcIn; entitcl^t ctnStreit, bcr burd^ Tlifjx^eii bcr Stimmen beigelegt ttjirb.

-^eg Qnbcrn 2)^orgen8 toar 6utQd|e§ !aum ertuac^t unb l^ottc

5 -^ feinen Srübern einen guten 5Rorgen geboten, a(g er au»rie|: „3rf) fc^cSanb!" „2ßo?" riefen bte@efc^tt)ifter. ,,3) ort", fagtc er, „bort!" unb beutete mit bem Ringer naä) 9lorboftcn. 2)er fd^öne ^aBc toax bor feinen ©efcEittiiflern, ja bor aEen ^Renfd^en, mit fd^orfen ©innen begabt, unb fo mad^te er überaß, too er ttiar,

10 ein iJemro'^r entbe'^rti(f). „SBruber", berfe^te ßpiftemon, „bu fiel^ft rcd)t, er^äfjle un§ weiter, toa§ bu gett)a!§r Wirft." „Sft^ fe^e itoti unfein", fu^r Gutt)(^e§ fort, „eine rcci)t§, lang, flac^, in ber ^itte fd)cint fie gebirgig ju fein; bie anbre lin!ä jeigt fic^ fc^mäter unb f)at !^i3t)cre Serge." „9tic^tig!" fagte ßpiftemon

16 unb rief bie übrigen 33rübcr an bie Äarte. „©e'^et, biefe Saufet Tcd^ter i^anb ift bie 3nfe( ber ^a^imanen, eincä frommen, n)ol^I= tätigen Sotfcö. 5)iöd)ten ttiir bei i^nen eine fo gute ^^tufnat^mc at§ unfer 5llterbater ^4?flntagruet erleben, '^aä) unferä 35aterä IBcfel^t tanbcn tt)ir juerft bafelbft, erquirfen unä mit frifc^cni

20 Cbftc, Seiflen» ^^fi^1d)cri, Trauben, ^omeranjen, bie ju jeber Saijrjcit bafctbft ttjad^fen; toir genießen be§ guten frifcfien 2ßaf= fcrä, beä fijft(id)en Söeine^; toir berbcffcrn unfre Säfte burd^ fc^madftjaftc ©emüfc: Sölumcnfot)t, SrocoU', 9lrtifd)orfen unb Farben*; benn il^r mü^t miffen, ba^ burd) bie önabe beö gött=

26 lid^en Stattl^alterä auf Grben ntd)t allein ade gute ^ntc^t üou ©tunbe ju Stunbe reift, fonbern ba§ auc^ Unfrant unb Xiftetn eine jarte unb fäftige ©peifc toerben." -- „®Iüd(id)eä 2anb!" riefen fic auä, „tool)löcrforgteä, too^tbelol^nteä SJotf ! ölücflii^e 9ieifenbc, bie in biefem irbifd)cn ^^arabiefe eine gute 3Iufnafjnic

80 ftnben! .^labcn luir unö nun ööUig erT)olt unb Uncbcrljcr» gcftcllt, aißbann befud)cn luir im SJorbcigeljn bie anbre, Iciber

' Slofenfo()L * Äotbenflewac^fe (X)<pfofa§«n) flnb eine flaubenfSrnrifle üifleU ort; og[. bie ittnmertung am 64(uffe be< Bonbe«.

428 "**?* ^^ 6ö^ne SMefloprojon«.

auf Ctoig bcrtüünjci)te unb unglüdftid^e ^fnfel ber ^Po^efiguen, tüo toenig n)äd)[t unb baä Söenigc nod) öon Böfen ©eiftern jerftört ober berjcl^rt toirb." „©agt un§ ntd^tä öon bieferSnjel!" rief ^anurg, „nid^tä öon i^ren Äof)lrüben unb Äol^lraBiä, nid)tö öon i^ren SöeiBern, il^r berberBt un§ ben 2l|)^etit, ben if)r unä 5 foeben encgt f)aU."

Unb jo tm!te fid) ba§ @efpräd^ toieber auf ba§ feiige ^of)U leben, ba§ fic auf ber ^\\]el ber ^a^imanen ju finben l^offten; fie lajen in ben 2:agebüd)ern il^reS StlterbaterS , toaS i!^m bort Begegnet, toic er faft göttlid^ berel^rt Sorben toar, unb f(f)meid)el= lo ten fid) ä^nlid^er gtücfli($er SSegebenl^eiten,

i^nbeffen liatte @utl)^e§ bon 3eit ju 3eit m6) ben unfein l^ingeblidt, unb qI§ fic mm auc^ ben anbern SSrübern fu^tbar luarcn, lonnte er fd)on bie®egenftänbe genau unb immer genauer barauf unterfd^eiben, je nä'^er man i^nen fam. ^lac^bcm er beibc 15 3(nfeln lange genau betrachtet unb miteinanber berglid^cn, rief er au§: „@§ mu§ einSin:tum obtoalten, meine Srüber. S)icBeiben Sanbftrcden, bie id) bor mir fe'^e, lommen feineötoegä mit ber SSefc^reibung überein, bie SSruber ßpiftemon babon gemacht l^at; bietme'^r flnbe i<S) gerabc ba§ Umgclel^rte, unb mid^ bünö, iä) 20 fe^c gut."

„2ßic meinft bu ba§, SBruber?" fagte einer unb ber anberc.

„£)ic Snjel ^ur redeten ©eite, auf bie toir jufd^iffen", ful^r @utt)d)e§ fort, „ift ein langet, f[a(^e§ 2anb mit toenigcn <^ügeln unb fc^eint mir gar nid)t BeWo^^nt; id) fel^c toeber Sßätber auf 25 ben ^öl^cn, no(^ S3äume in ben ©rünben; feine 2)örfer, feine ©orten, feine ©aaten, feine -gerben an ben ^ügcln, bie bod) ber ©onne fo fd)ön entgegen liegen."

„3(d) Begreife ba§ nid^t", fagte ©piftemon

6utt)(^e8 ful^r fort: „.^ic unb ba fel^' ic^ unge'^cure ©tein= so maff en, bon benen ic^ mid^ nic^t ju fagen unterfange, ob ©tobte ober fjelfentoänbc finb. tut mir |erälid§ leib, ba| tt)ir nad^ einer Äüfte fal)ren, bie fo toenig berfpridf)t."

„Unb jene ^i^fel jur Sinfen?" rief 3llfibe§. „©ie fd^eint

Sroelte« ÄaptteL 429

ein ftcincr ^immcl, ein 6It)fium, ein SCßol^nfi^ ber jicrtid§ften l^äuölid^ften @öttcr. 3ltte§ ift grün, aUt^ gebaut, jebcä ßdd^en unb SBinfcId^en genügt. ^l)x foEtct bie Cuellen jel^en, bie qu§ bcn x^tl\tn fprubeln, 3)lü]^Icn treiben, Söiefcn toäfiem, Jeii^c

» bitben. S5üj(^c auf ben öfeljen, Söätber auf ben SergrüdEen, ^öujcr in ben ©rünben, ©arten, Söeinberge, 2idEer unb ßänbe= teien in ber Sßreitc, toie iä) nur jel^en unb jel^en mag."

3Jlan ^u^te, man jerbrcd^ ft($ ben ^opf. 6nbti($ rief '^a-- nurg: „2ßie fönnen fid^ ein ^albbu^enb ftuge Seute jo lang' bei

10 einem ©ci^reibefe^Ier auf£)alten ! SBeiter ift nid)t§. 2)cr ßo= pifte "^at bie Flamen ber beiben unfein auf ber ^arte bertocd^jelt, jenc§ ift ^a^jimanic, biefe ba ift ^a|)cfigue, unb ol^nc ba§ gute ©eftc^t unfer§ Sruberä toaren toir im Segriff, einen fci^nöben Srrtum ju begeben. 2Bir berlangen na^ ber gefegneten Sinfel

J5 unb nid^t nac^ ber berttjünj^ten; la^t un3 alfo ben Sauf ba'^in

richten, too un§ güEc unb gruciltbarteitju empfangen berf^rid^t."

ßpiftemon tooHtc nit^t fogleid^ feine harten einc§ fo groben

gc^Ier^ befd^ulbigen laffcn, er bradt)te biet jum 33ett)eifc i^rcr

ÖJenauigfeit öor; bie ^ad^t toar aber ben übrigen ju toid^tig,

20 toar bie ^adjt beä ©aumcnS unb be§ 33tagen§, bie jebcr bertei^ bigte. 5Ran bemerfte, ba^ man mit bem gegenwärtigen Söinbe nod^ bequem nad^ beiben unfein tommen fönnc, ba§ man aber, tt)enn er anl^iette, nur fd)tt)cr bon ber erften jur jttjciten fegein n)ürbe. 9)lan bcftanb barauf , ba§ man baS <Bid)xc für ba» Un=

25 fic^re ncl^men unb nad^ ber frud^tbaren Sfnfel fal^ren muffe.

ßpiftemon gab ber iJlel^rl^cit ber «Stimmen nad^, ein ©efe^, ba3 i^nen ber SJater öorgcf daneben l^atte.

»»3^ älocif(c gar nid^t", fagtc ^Pauurg, „ba^ meine 5}lcinung bie rid^tige ift unb ba^ man ouf ber Äarte bie Flamen bertocdtifett

80 l^at. ßa^t un8 frö^ücl) fein! SBir fd^iffen nad^ ber 3nfcl ber ^-papimanen. Ca^t uns> toorfidf)tig fein unb bie nötigen Slnftatten treffen."

(5r ging nad^ einem Äoflen, ben er öffnete unb allerlei SiltU bungäftüdte barauä l^erüorl^olte. 2)ie Sörübcr fa^en il)m mit 93er'

430 gtdfe ber ®8^ne TOenaprajonV

Jüuuberuitg ju unb lonntcn fid^ be§ £ad^en«J nid^t ertoetjrcn, otS er ft(^ au§f(ctbete unb, toie festen, 2lnfta(t ^u einer 5Jta§terabc machte, ©r aog ein ^aax öiolettfeibne ©trumpfe an, itnb aU er bic <Bä)u^t mit großen filbernen ©d)naEen gegiert l^atte, fteibetc er fi(^ übrigens gana in \ä)toax^t ©eibc. ©in tteiner 5Jlantel flog 5 um feine ©djultern, einen äufammengebrücftcn ^ut mit einem öiolett= unb golbnen SSanbe nal^m er in bic ^änbc, nac^bcm er feine ^aare in runbe Socfen gefräufelt Tratte', ©r Begrüßte bie ©efettfd^aft el^rbietig, bie in ein lauteS (Setäd)ter auäbroc^.

Ol^ne fii^ au§ ber Raffung au geben, befud)tc er bcn ifaften lo 3um ätoeitcn TlaU. Qx bracfite eine rote Uniform I)erbor mit tociBen fragen, STuffdilägen unb Ätapben; ein großes toei^eä .$?reuä \at) man auf ber liufeu Sruft. Qx berlangtc, SSruber Sltfi= be§ folle biefe Uniform^ an^ie^en, unb ba fid^ biefer toeigerte, fing er folgenbergeftalt au reben an: „^ä) toci^ nidjt, toag if;r Übrigen is in ben haften gepadt unb bertüol^rt l^altet, bie i^r bon ^aufc mitnahmt, al§ ber SJotcr unfrer ^lug^eit überlief, toomit toir unä ben S}ij(fern angenel^m madEien tooEten; fobiet lann id) end^ gegenwärtig fagen, ba§ meine gabung boraügtid^ in alten ÄIci= bern bcftel^t, bie, I}offe id^, un§ nic^t geringe S)ienfte leiften fotten. 20 ^ä) l^abe brei banfrutteSc^aufbicIuntemel^mer, atoei aufge'^obnc Älöfter, fed)§ Äammcrbiener unb fteben Sröbler au§gelauft, unb atoar f)aU iä) mit ben leisten nur getaufc^t unb meine S)ubletten toeggcgeben. ^6) 'i)aU mit ber größten ©orgfatt meine ©arberobe fomptettiert, auSgebeffcrt, gereinigt unb geräud^ert " 25

S)ic SBrüber fa^en frieblid^ beieinanber, fte unterl^ielten fid^ bon ben neuften Gegebenheiten, bie fie erlebt, öon ben neuften ®cldf)id)ten, bie fie erfahren l^atten. S)a§@efbräd^ toanbte ftc^ auf einen fettfamen Ärieg ber ßranid^e mit ben ^t)gmäen; jeber mad^te eine 5(nmerfung über bie Urfadjen biefer .^änbel unb über 30 bie folgen, mel(^e auä ber ^ortnädigfeit ber 5pi;gmäen entfte^en

» ®a«( ungefähre floftüm eineS SBifd^of«. « Sie ift Me eine« geijUic^en SHtterorbenä , itma ber SKalt^efer.

8»eüe« Stapita. 431

fflnnten. Scber liefe ft(^ öon jcincm gifcr l^inrcifeen, fo bafe in furjet 3eit bie ^Jlcnfc^cn, bie toir Biöl^er jo einträchtig fannten, ft(^ in jtüci Parteien jpatteten, bie auf§ l^eftigfte gegencinanber ju gelbe jogcn. 9tlfibeg, 3lIci^!^ron, ©uttjä^cS Bel^au^teten: bie

5 S^fi^QC jeien eben ein ]o l^äfelic^eS aU unberid)ämte§ @ejdC)öpf ; fei in bcr 9latur bocE) einmal ein§ für ba§ anbcre gefdjaffen: bie SBieje bringe @ra§ unb Kanter l^cröor, bamit fle ber ©tier gc= niefee, unb ber ©tier mcrbe toie billig ujicbcr bom eblcrn 9Jlen= ]d^m öeräcl^rt. <Bo fei benn aui^ ganj toal^rfc^cintidf), bofe bie

10 9latur ben 3tt)cvgen ba§ Vermögen jum ^eil be§ ihanidjö !^er= toorgebrac^t tjabt, ttelc^cg fic^ um fo toeniger leugnen laffe, aU ber ^anid) burc^ ben ©cnufe bc§ fogcnannten cparen ©olbcä um fo biet tjottfommener toerbe.

S)ie anbcm SBrübcr bagcgcn bel^auptetcn, ha^ folc^c 33cttieife,

15 au§ ber DIatur unb öon it)ren STbfidjtcn hergenommen, fe'^r ein geringes @ett)icf)t l^atten, unb bafe besiegen ein ©efc^öpf nic^t gerobe^u für ba§ anbcre gemad^t fei, toeil eineä Bequem fänbe, fid^ beä anbem ju bcbiencn.

S)iefc mäßigen Slrgumente tourben nid)t lange getoed^fclt,

20 als baS ©efpräd) tjeftig ju toerben anfing unb man öon beiben Seiten mit Sd)eingrünben erft, bann mit anjügtidiem Bittem 6pott bie ^Heinung ju bcrteibigen fuc^te, toeld^er man jugetan tüar. ©in loitber Sd)minbet ergriff bie SSrüber, öon i^rer Sanft- mut unb SSerträglid^teit erfdiien feine Spur mel^r in il^rcm 33e«

25 tragen; fie unterbrad)cn fic^, ert)uBcn bie Stimmen, fi^tugcn auf ben 2if<^, bie 33itter!eit »uc^ö, man entljielt fid) faum jä^lid^er ©d^impfreben, unb in n)enigen 9hjgenBlicfcn mufete man fürch- ten, ba§ fteine Schiff aU einen Sc^aupla^ trauriger Sreinbfelig» feiten ju erblicfcn.

80 Sie Ratten in ber Sebl^aftigfcit i'^reä SBortwec^fcIä nidjt Be» mcrft, bafe ein anbereä Schiff, öon ber ©röfee bc(S irrigen, aber öon ganj öcvfri)icbcncr gorm, fi^ naije on fic gelegt Ijottc; fie erf^rafen boljer nid)t wenig, alä if)nen, njic mitten aui bcm ^eere, eine emft^afte Stimme jurief: „SBoä gibt'ä, meine ^er-

432 Sl^lf« ber SB^neJWefloprQjon«!.

ren? SBie lönnen 5}länner, bie in einem Sdjiffe lüot;ncn, ftcf) Ijiä auf tiefen ©rab entjtoeien?"

3^te <Streitfud)t inad^te einen SlugcnblidE 5paufe. SlHein rteber bie feltfamc ©rfc^einung nod^ bie el^rtoilrbige ©eftalt biefc§ 5Jlanne§ lonnte einen neuen 5Iu§ftruc| berl^inbern. 2Ran er= 5 nannte i'^n jum (Sd)icb§ri(i)ter, unb jebe ^Partei fud)te fd)on eifrig, il^n auf il^re (Seite ju äie'^en, no(^ e'^e fie i|m bie ©trcit= fad)e felBft beutlid^ gemacht l^atten. 6r 6at fie atSbann läc^clnb um einen 5lugenBlicE ©el^ör, unb foBalb er erlangt !§atte, fagtc er äu il^nen: „5Die ©ad)c ift bon ber größten 2öid)tig!eit, unb (Sie lo tt)erben mir ertauBen, ba| ic^ evft morgen frü'^ meine 5Jlcinung barüfter eröffne. Srinten ©ie mit mir öor ©d)lafengel^n nod) eine glafd)e ^abera, ben ic^ fel^r ed)t mit mir fii^re, unb ber S^jnen gett)i^ too^t 16c!ommen toirb." 2)ie SBrüber, oB fie gleid) au§ einer gamiüe toaren, bie ben 2Bein nid)t öerid)mä'^en\ l^ätten bennod) 15 lieber SBein unb (5d)Iaf unb alleS entbel^rt, um bie5JZaterie nüd)= matg öon born burdiäuf^jrec^en; oüein ber ^yrembe tou^te i^nen feinen Söein fo artig aufzubringen, ba§ fie fic^ unmöglid^ erhje'^ren fonnten, if)m SSefdieib ju tun. ^aum l^atten fie bie testen ©läfer öon ben Sippen gefegt, aB fie fi^on aüc ein [tille§ SJergcffen iljrer 20 fclbft ergriff, unb eine angene'^mc ,^infättig!eit fie auf bie unBe= reiteten ßagcr auSftredte. ©ie berfdiliefen ba§ l^errlidje <Bä)au= \p\d ber aufgel)enben6onne unb tourbcn enbtid) burd) benötanj unb bie Söärme ilirer (Straljlen au§ bem ©d)taf getoedt. ©ie fallen il^ren 9ta(^Bar Befdiäftigt, an feinem ©d)iffe etn)a§ auSju^ 25 Bcffern, fie grüßten einanber, unb er erinnerte fie täd^elnb an ben Streit be§ borigen 2lBenb§. ©ie tonnten \\6) faum noc^ barauf 3U Befinnen unb fd^iimten fi(^, aU er in il^rem @ebäd)tni§ bie Umftänbc, n)ie er fie gefunben, nad) imbnad)l§erüürrief. „3»d)tüill meiner ^rjenei", fut)r er fort, „nid)t mel^r SBert geBen, al§ fie '^at, so bie id) 2ft)nen geftern in ber (Seftalt einiger ©täfer ^abera Bei= Brad)te; aBer ©ie fönnen Bon ®tüd fagen, ba^©ie fo fc^nelt einer

' Xai fa&el^afte Xrintücrmöflen ift eine ^laupteiflenfd^aft bcS Mabelaiäfc^en „'JPaiitagnieliSmuö".

Srotitc« fiopUcI. 433

Sorge loS gctoorben finb, bon bcr ]o biete 2Renjd^en je^t l^eftig, ja bi» 3um SSal^njxnn angegriffen finb."

„6inb toir frani geföefen?" fragte einer, „ba§ ift boc^ fon» berbar." „3c^ fann©ie berfic^em", berfe^te ber frembe Schiffer, & „©ie tboren boUfommen angeftectt, iä) traf ©ie in einer l^eftigen 5hiftg."

„Unb tboS für eine ihanf^eit toäre benn getoefen?" fragte 9llci^)^ron, „iä) berfte^e mi(^ bot^audicintDenigauf bieSRebijin."

„6§ ift ba§ 3eitfieber", fagte ber gtembe, „ba§ einige auc^ 10 baS x^ithci ber ^dt nennen unb gtouben fid^ nod) beftimmter augjubrüden; anbere nennen eS ba§ ^^^tungäfieber, benen iä) anä) nic^t entgegen fein iüiH. ift eine böfe anftedf enbe ^anf^ l^cit, bie fic^ fogar burc^ bie 2uft mitteilt, 16) tooHtc toetten, Sie l^aben fic geftem abenb in ber Sltmofpl^äre ber fc^toimmenbcn 15 3njetn gefangen."

„2öa§ finb benn bie «Symptome biefeä übel§?" fragte 91U ci^j^ron.

„Sie finb fonberbar unb traurig genug", berfe^teberf^rembe: ber ÜJlenfd^ bergifet fogleid^ feine näc^ften SSerl^ättniffe, er mi^= 20 fennt feine toaljrften, feine ftarften SSorteile, er opfert alleg, ja feine Neigungen unb ßeibenfd^aften einer ^Ueinung auf, bie nun 5ur größten fieibcnfc^aft toirb. Äommt man nirf)t batb ju ^ülfc, fo I)ält genjö^ntid^ fe^r fc^toer, fo fe^t ftc^ bie 5Reiming im Äopfc feft unb toirb gleic^fam bie 3(cf)fe, um bie fic^ ber blinbe 25 Söal^nfinn l^erumbre^t. ^tun bergi^t ber 2Jlenj(f| bie @ef($afte, bie fonft ben ©einigen unb bem ©taate nutjen, er fiel)t S3atcr unb ^Dlutter, S3rüber unb ©cf)tt)eftern nicf)t nieljr. ^f)x, bie itjr fo f riebfertige, bemünftigc 3)lenfc^en fd^ienet, cl^c i^r in bem gälte toarct "

30 2)er$apimane erjä^It, toaS in i^rcr 9}ad^barf^aft bor'

gegangen.

„So fe'^r unä biefc Übel quälten, fcf)ienen hjir fte boc^ eine 3eittang über bie tounberbaren unb fd)re(flirf)cn ^JJaturbegcbcn«

434 Steife ber SBl^ne iKegaprajon«.

l^eiten ju bergeffen, bie ftd^ in unjcrer 5lQ(i)6ar|(^aft jutrugcn. ^1)x f)abi bon ber großen unb merflDÜrbigen^njel bcr3JlonQrct)o= manen gel^ört, bie eine Xagteife bon unä norblDartg gelegen toar."

„SBir 'i)üUn nid)t§ babon geprt", jagte ©piftemon, „unb eS tounbert mid^ um jo me'^r, aU einer unjerer SH^n'^cnn in bicjem 5 ^Jleerc auf ßntbetfungen ausging. ©rääl}It un8 bon biefer 3nje(, toag ^l)x tui^t, bamit toir Beurteilen, ob e3 ber 3Jlü'§e teert ift, jelbft l^in ju jegeln unb unS mä) i^x unb il§rcr SBerfafjung ^u erfunbigcn."

„@§ loirb jc^iuer fein, fte ju finben", berje^tc ber ^apimanc, lo

„3ft fie berjunlen'^" fragte Stlcipl^ron.

„©ic '^at fid§ ouf unb babon gemotzt", berfc^te jener.

„Sßic ift ba§ jugegongen'?" fragten bie 33rüber faft mit einer ©timme.

„2)ie Snfel ber 9Jtonar(^omanen", ful§r ber Sr^äl^ter fort, 15 „toar eine ber f d)önften, mcrftoürbigftcn unb Berül^mtcften ^n\dn unjer§ 5lr(i)ibeIogu§; man lonnte fie fügtic^ in brei Xcitc teilen, au(^ fprad^ man getoöl^nlid^ nur bon ber Sfieftbenä, ber fteilcn ^üfte unb bem 2anbc S)ic Siefibenj, ein Sßunber ber Söelt, toar ouf bem S5orgeBirgc angelegt, unb alte ilünfte l^atten fid^ ber» 20 einigt, biefc§ @ebäube ju ber!§errlid)en. ©a'^et il^r feine fjunba» mentc, fo toaret il^r ^toeifel'^aft, ob auf 3Jlauem ober auf iJelfen ftanb: fo oft unb biet l^atten 5llenfd§enl§änbc ber 9latur nadigel^otfen. ©aljet i^r feine (Sebäube, fo glaubtet it)x, attc Stempel ber ©ötter toären l^ier ft)mmctrif(^ jufammengeftellt, um 25 alle 33blfer ^u einer SBallfal^rt l^ier^^er einäutaben. S5etrad)tetet il;r feine (Sipfel unb 3ii^i^en» fo mußtet il)r benfen, bie ^tiefen l^ättcn f)ier jum ätoeitenmal Slnftalt gemad)t, ben .^immet ju er= fteigen; man !onnte eine ©tobt, ja man fonnte ein ffitiä) nennen. $ier tl^ronte ber Äönig in feiner ^errlidjfeit, unb nie= 30 monb fd)ten itim auf ber ganjen Srbe gteid^ p fein.

„9Hc^t toeit bon bo fing bie fteite stifte an fid§ ju erftredfen; au(^ l§ier toar bie ^unft ber ^otur mit unenblid)en 35emül^ungen ju^ülfc gelommen, ouc^ l^ier l^ottc man geifcn gebauet, um ^ft^

Swette« flopltcL 435

fen äu t)crt)inben, bie ganac^ötjc loar tcnaffentoeiä eingcj(i)nittcn, man fjatte iriidjtbat ©ibrcicf) auf Faultieren t)ingej(i)afft. 3111c ^flanjcn, Bcjonberä ber 2öein, 3ittonen unb '^omcranjen, fan» ben ein glütf lid^cä ©cbei^cn, bcnn bie Äüftc lag ber ©onne tDo!)l

5 auägcjc^t. ^ier too^nten bie SJornel^men be§ 5Rei(I)§ unb bauten ^alöfte; ber ©c^iffcr berftummtc, ber ftc^ ber ^üfte näl^crtc.

„2;et brittc leil unb ber gröfjte föar ineiftcntcitä ßöene unb fru(f)tl6areT SSoben, biejen bearbeitete ba§ Sanböoll mit bietet ©orgfatt.

10 „@§ toat ein alteS 9{ei(^§geje^, ba§ ber Sanbmann für feine Fü'^e einen leil ber erjcugtcn iJrüc^te, toie billig, genicfjenfollte; eS war il§m aber bei fd)n)ever ©träfe untcrfagt, fid^ fatt ju effen, unb fo toar biefe Snjel bie glü(fli(^[te bon ber SBelt. 2)cr 2anb= mann '^atte immer 5tppetit unb 2uft jur 3lrbeit. S)ie S5ornclj=

15 men, beren lülagen f\ä) mcift in fd}led)ten Umftänbcn befanben, l^atten '»Utittet genug, i^ren ÖJaumen ju reijen, unb ber 5?i}nig tat ober gloubte tt3enigften§ immer ju tun, looä er n)oltte.

„S)iefe parabiefif(^e©lüdfetigfeit toarb auf eineSßeijc gcftört, bie ^öd)ft unerwartet toar, ob man fie gleich löngft l)ntte Der«

20 muten Jollen. toar ben ^aturforfdjern bcfonnt, ba^ bie ^n\d t)or alten Reiten burc^ bie ®crt)att bcä unterirbi|d)cn fjcuerä fi(^ aus bem Feer emporgefioben '^atte. <Bo öiel ^aXjxt aud^ bor» über fein mod)ten, fanben fid) boc^ noc^ Ijäufige ©puren il)rc§ alten 3iiftanbeä; ©diladcn, 23imöftein, warme Quellen unb ber»

25 gtcid|cn Äennjcic^cn mel^r; aud^ mufjte bie ^n\d bon inncrlid^en (Srfd)ütterungen oft bicleä leiben. 2Jlan faf) Ijier unb bort an ber Grbc bei läge fünfte fd)n)cbcn, bei 9Jadjt x^cmx l)übfen, unb ber lebhafte 6ljarafter ber ßinmo'^ner tie§ auf bie feurigen ©igen« fc^aften bc§ 33übcng ganj natürlic'^ fd)(ic^cn.

.0 „Gg fiub nun einige 3al}re, ba^ nad) toieber'^olten Srbbeben an ber Fittagöfcite beä ßanbc«, jwif d^en ber ©bene unb bct [teilen jRüftc, ein gcWaltfamer 33ulfan auöbrad), ber oicle 'Mo-- natc bie 5iad)barjd)aft üerwüftete, bie ^n\i\ im^nnerftcn erfd)üt' tcttc unb fie gaui mit 3lidf)e beberfte.

28*

436 ^^f< ^ S5^ite anegaproionS.

„Wix fonntcn öon unjcrm Ufer 6ei Sag ben 9iauc5^, Bei ^flacä^t ble flamme getüQ^r toerben. toar entje^üi^ anjujel^en, tüenn in ber f^infterni^ ein Brennenber .^immel üBex il^rem ^otijont jc^ttjeBte; baä SJleer toar in ungclüöljnlic^er SBetoegung, unb bie ©türme jauften mit fürc^terlit^er Söut. s

„^^x fönnt euc^ bie ©rö^e unfer§ @rftaunen§ benlen, al§ toir eineä 5Jtorgenl, na($bem toir in ber ''Raä^t ein entfe^licE) ®e:|)ra^ gel)5rt unb ^immel unb 2Jteer gleidijam in geuer gefeiten, ein großem ©tücf 2anb auf unfere Snfel äufi^toimmenb erBIicEten. ßg tvax, toie toir un§ Balb überseugen f onnten, bie fteile Äüfte fclbft, lo bie auf un§ äufam. äBir fonnten Bolb i^re ^aläfte, dauern unb ©arten erlennen, unb toir fürd^teten, ba| fie an unfere ^fte, bie an jener ©eite fel^r fanbig unb untief ift, ftranben unb ju ©runbc gelten möchten. ©lüdflidiertoeife er'^uB fid) ein SBinb unb trieft fie ettoa§ mel^r norbtoärtS. S)ort Iä|t fie fi(^, tote ein ©d^iffer i5 erjätilt, balb ba, Balb borten fe'^en, l^at aber noc^ feinen feften ©tanb geminnen fönnen.

„Söir erfuljren Balb, ba| in jener fi^recf ticken 9laci|t bie^nfel ber 5Jlonard)omanen fid) in brei Seile gefpalten, ba^ fic^ biefe Seile getoaltfam einanber aBgefto^en unb ba^ bie Beiben anbern 20 Seite, bie 9lefibenä unb ba§Sanb, nun gleid)fatt§ auf bem offenen 5Jleere l^erumfdjtoämmen unb öon atten ©türmen toic ein ©c^iff ol^ne ©teuer f)m= unb tniebergetrieBen toürben. 23on bem ßanbe, tüie man nennt, IjaBen toir nie ettoaä toieber gefeiten; bie 9ie= fiben^ aBer fonnten toir not^ bor einigen Sagen im S'lorboften 25 fel^r beutlic^ am .^orijont erfennen."

läp fi(f) benfen, ba^ unfere Sfteifenben burd§ biefe Qx^ai}- lung fe^r in§ geuer gefegt tourben. (Sin toic^tigeS Sanb, ba§ i|r Sl^nl^err uncntbecft gelaffen, oB er gleich fo na'^e borBei geIom= men, in bem fonberBarflen guftanbe bon ber Söelt ftüdweife auf= so äufuc^en, mar ein toiditigeä Unternel)men, ha^ il^nen bon melir al§ einer ©eite 9lu^en unb 6!§re berfbrad^. 9Jlan jeigtc il^nen bon toeitem bieStefibeuä am.^oriäont al^ eine gro^e Blaue SJlaffe, unb p i^rer größten ^rteube lie§ fiel) toefttnärtg in ber ©ntfer»

SmtitH «apiteL 437

nung ein l^o!^c§ Ufer feigen, toelc!^e§ bie ^o^imanen fofllcid^ für bic fteiteÄüfte erlanntcn, bie mit günftigcmSöinb, obgleich tang= fam, gegen bie $Refibenj ju i^re 9ti($tung ju nel^men fdjien. ^an fa^te bal^er ben Sd^Iul, gleid^faüä bal^in äu fteuem, ju feigen, ob

5 man nic^t bic jd§öne Äüfic untertoegä abfc^neiben unb in il^rcr 6Jefettf(^aft ober too]§I gar in einem ber jd^önen 5patä[tc ben 2öeg nac^ ber 9tefibenj öoHenben fönne. 3Jlan na'^m öon ben ^a^ji» manen ^Tbfd^icb, !^interlie§ i^nen einige Stofenfränje, ©fabuliere nnb Signum S)ei*, bic öon i§nen, oB fie gleid^ beren genug "Ratten,

10 mit großer S^rfurdjt unb S)anf6ar!eit angenommen tourben.

Äaum Befanbcn fld^ unfcrc SBrüber in bem leiblid^en 3u= flanbe, in tectc^em tt)ir fie gcfe^en l^aBen, aU fie balb empfanben, ba§ i^nen gerabc noc^ ba§ Sefte fel^Ite, um i^ren 2ag fröljlic^ l^injubringen unb ju enben. 2llfibeg eniet il^rc ©efmnungen au§

15 ben feinigen unb fagtc: „(So too^I un§ aud^ gel^t, meine 33rü= ber, Beffer aU 9fJeiienbe ftd^ nur toünf(i)en bürfen, fo fönnen mir bod^ nid^t unbantbar gegen ba§ ©d^ictfal unb unfern SQßirt gc= nannt toerben, menn mir frei geftel^en, ba| mir in biefcm fönig= liefen Sd^tüffe, an biefer üppigen Stafel einen Dknget füllten,

20 ber bcfto unteiblid^er ift, je mel^r un§ bie übrigen Umftänbc bc» günftigt l^aben. %ü] 9ieifcn, im Sager, bei ©efd^äftcn unb .^»an» bclfct)aften unb loaä fonft ben untemcl^menben (Seift ber 2liänncr ju befc^äftigen pflegt, öergeffen mir eine 3citlang ber liebcnS» toürbigen ©efpieünnen unfreä 2eben3, unb toir fcf)einen bic un»

25 cntbel^rlid^c ©egenmart ber (SdE)öncn einen SlugenbtidE nid^t ju bermiffen, ^abtn mir aber nur toieber ©runb unb 23oben er» reidf)t, bcbedft unä ein ^a6), fc^lic^t unä ein Saol in feine bier 933änbe, gteid^ entbedfen mir, mag unä fe'^lt: ein freunbtid^eä Stuge ber ©ebieterin, eine .g>anb, bic fi^ traulid^ mit ber unfern

80 ,^ufammenfrf)Iie^t."

^ itleinc mcbailltnfSnnisc ^ciligntbilbar mit htm ,;eainm Oottc*" auf ber einen 6citc

438 9?clfe her SB^ne TOegaprajonJ.

„^^ f)alt", faßte ^anurg, „ben alten Söirt über bicjen 5|>un!t erft an] bie fcinfte Söetje jonbiert, unb ba er ntd)t l^ören lüoEte, auf bie grobefte Söeife Befragt, unb iä) l^abe nid)tg bon il^m erfaljren lönnen. 6r leugnet, ba^ ein tDeibtid)e§ @ef(^öpf in bem 5palafte fei. S)ie ©eltcBte be§ ^önig§ fei mit \f)m, il^re s f^raucn feien il^r gefolgt unb bie üBrigenermorbetoberentflol^en."

„(5r rebet nid)t toa^x", berfe^te ©piftemon, „bie traurigen 9tcfte, bie un§ ben Gingang ber S5urg bertoel^rten , tvaitn bie ßeic^name tapfrer SJiönner, unb er fagtc ja felbft, ba^ no(i) nie» manb toeggefc^afft ober Begra'Den fei." lo

„Söeit entfernt", fagte ^panurg, „feinen Söorten ju trauen, I;aBe ic^ ba§ <Bdjlo^ unb feine fielen f^lügel Betrad)tet unb im 3nfammenl)ange üBerlegt. ©egen bie red)te ©eite, too bie ijol^en Indien fcn!rc(i)t au§ bem SJleere l^erborfte'^en, liegt ein @ebäube, ba§ mir fo präditig aU feft ju fein fdjeint, l^ängt mit ber 9Ie= is fibenä hmä) einen @ang äufammen, ber auf ungetjeuern S3ogcn ftetjt. S)er Sitte, ba er un§ alle§ ju geigen fd}ien, l^at un§ immer bon biefer ©cite meggel)alten, unb td) toette, bort finbet fid) bie Sd^a^fammer, an beren ßröffnung un§ bicl gelegen toäre."

Sie SSrüber mürben einig, ba^ man ben SBeg ba'^in fud)cn 20 foEe. Um fein 3tufieljen ju erregen, marb 5panurg unb Sltcipl^ron aligefanbt, bie in tucnigcr al§ einer ©tunbe mit glüdlic^en 9la(^= ridjten äurüdfamen. ©ie l^atten nac^ jener ©eite 3U gel^eimc jtapetcntüren entbedt, bie ol^ne ©i^lüffel, burd) fünftli(^ onge« manbten S)rud fi(^ eröffneten. Sie inarcn in einige gro|e S3or= 25 jimmer geIommen,l)attenaBer95ebenfengetragen,meiteräu gelten, unb famen nun, ben SSrübern, n;a§ [ie QU§geri(|tet, an^uäeigen.

Anmerkungen des Herausgebers

za Band 9.

SBil^clm SDkiftcrö Sc^rja^rc (S. 1- 459).

Vorbemerkung.

„wu-

Der Torliegenden Aasgabe von Bach 1 6 des Ooetbeschen Romans heim Meisters Lehrjahre" wurde zagrunde gelegt: C = ßoeti^ei SBerte. Scaftdabi^e Sluägabe lHjUx ^anb. Stuttgart unb Zübinjon,

in ber 3. 0. GottQ'f(^«n »in^^aiiblung. 1827—30. (40 Bde. 8»): Bd. 18

(1830), a 1-326, Bd. 19 (1830), 8. 1- 358.

W = Goethe« Werke. Ueraosg. Im Auftrage der Großherzogin Sophie von

Sachsen, Bd. 21 und 22 CWeim., II. Böhlaas Nachf., 1898 und 1899), ■tand cur Zeit der Fertigstellang des Textes der vorliegenden Aasgabe noch au«. Nach dem Erscheinen von W zeigte es sich, daß C eine Reibe verderbter liOsarten enthalte. Diese sind in nnsem Stereotypplatten verbessert worden. Folgende Änderungen wurden gegenüber den I^esarten der ersten, bereits vor längerer Zeit gedruckten AbzQge von Bd. 9 auf Grund unserer nachträglich mit W verglichenen, dabei aber, wie stets, ihre Selbständigkeit behauptenden Textrevi:iion vorgenommen:

Crfte« »u(^ (S. 17-88).

6.1»,

Z.29.

Lies

herein

«20,

»•

3ett nur fo

«22,

«•

3bec »om

„22,

u.

9let8««fl

„24,

8.

1)exvormit»

,,25.

6.

„31,

27.

SBretc^cn (§0 immer)

„<o,

15.

ergöfte C$o imwur)

„*2,

17.

SSriitx

n«.

2.

ifftn

n6L

10.

trifte

V 5»,

11.

meiten unb langen

,67,

n 20.

biefc Setnbe

„71,

8.

in früheren ßeitea

27.

»einli^feU

„76,

28.

um einige

„80,

M 2.

3)i4

8-^,

„83.

fagU (mo o/t)

Swtitrt »u<5 (8.89—161). 90, Z. 26. Lies Sc^merjcn« (to öfter»)

91, 34.

erfte unb Ie|te

»», 31 f.

,bie Zreue, bie £ie6«^

bte

123, 22.

SDiabome (to meist)

„27.

audbnicfte (»0 <t/t)

133, 11.

betfammen

„141, „23.

SJIec^t^ilbe

„H2,„ 8.

^roleftotioiten

„148,„ 6f.

angegriffen

„80t

Jüngern unb von ber

9tatur glürfüc^a

begabten ^erfon

145, 6.

un< t^n ju

n »•

bie TOenfdJen

158, 28.

flretbenflerfa

«ritte! »u4 (8. 162-228). S.1&4, Z. 4. UeaZoIent, ba«

440

Anmerkungen dos Ilorausgeben.

S. 164, Z. 9. Lies (SefK^t 176,

178, 185, 192,

195, 197, 199, 205,

„208,

209, 210,

212,

15. 30 f. 16. 23. 29.

17.

6.

17.

13 f.

29. 22. 32. 12. 14. 19. 28. 1.

eine lange ßüt

©rfc^cinung nä^er

tJuftäte (so öfters)

©efc^öfte

nic^t aKein j^eraud^

l^elfen SBit^elmen (so meist) 9(au6t 3nbcffen ^at bagfid^balbbcrSJaum

be« gimmera aui'

fünt, ©c^Iofe^ofe fo feine übennäc^tige ütrgantifd^e Xüve (so oft) einige augenfittrfe fie ftd^ erholt Zrefflic^fciten

SSierte« S3u^ (S. 224 309). S. 226, Z. 9. Lies meinen groeifern 229, ,, 24. oDein aBenbä 240, 2. ben . . . ©reigniffen 250, 1. mit einem Son 256, 15. betrogen 259, 11. herantritt 260, 5. unb ^alf 265, 7. fc^roinbelt 277, 22. ,, ©ertnnung 278, 15. fe^jc^n 281, 22. joanben f«c§ fe^r 283, 8. in S^nen glelc^fam

21. ,, in »erbac^t, 285, 26. foaten 286, 10. rief id^ auä 292, If. ift ^o[;e 3eit, ba^

@ie auc^ 293, 10. fonnte 300, 18. biefe Spanier gegen

SBil^elm, 304, 14. mir cor jener 305, 23. ^ab' (so oft)

fünfte« Sud^ (S. 810 390).

S. 316, Z. 29. Lies roenigen 317, 16. nic^t ju Diel 318, 2. roarb

8. 320, Z. 821, » 322, 326, 327,

21. Lies bilrfe

331, 336, 337, 342, 349, 351, 359, 369, 370, .371, 374, 379, 382,

10. 27. 29.

1. , 10. 19. 20. 32. 30.

3. 16.

1. 31. 18. 26. 34 f. 11. 13. 16 f.

6. 19 f. 25 f.

ba^ baS alles

fönne

bic mir immer

n>ie i<$ nunmei^r

anbem

Uiigefc§icf[i(5feitcn

feiner ganjcn SSäüibe

am beften paffen werbe

bicfcm Unrocfen

nur auc^ oon

jiic^t ganj im Haren

auäft^liefeiic^e

in SBerbac^t

fuc^te

ber irrige

beim erften Stnblicf

brau«

betrügen (so oft)

Kac^a^menSrocrte

eben ber geit

iScgeben^cit

leiften, um

©ec^fle« »udj (S. 391—459).

8. 394, Z. 23. L 401, 19. „38 f. 407, 21. ., 416, 20.

417, 418, ., ., 423, 427,

» 432, 433, ,, 435, 436, » 437, 439,

,, 440. "

,, 447, 450, » 451, 456,

16. 33.

1.

6. 30.

7. 25. 33. 26.

3. 15. 18. 20. 23. 29. 14. 26. 20. 12.

3 Seele auc5 fo anber gimmer hinunter, felbft aUenfaUS äfieinungen roeniger

oI§ nichts im 2Be[ertt[ic§en SSerroanbte Sföie ber prte id^ bo($ oon rociten ^un ^atte i(§ aber Gr ^atte mir in feiner SJö^e gefdjiioinbe nur bisher allen toarb tDobel 3agb unb bei na^em ber gimmcr bat i§n nur, mein gieber, baä eine immer gleid^e

Bd. 9: Lehrjahre, Vorbomerkunir. 441

Wir Termerken noch folgende Abkfirznngen oft angeführter Werke': Biolschowsky = Albert BioUchowiky, Goethe. Sein Leben und seine

Werke. (Bd. 1: 5. Aufl., MOnch., 1904. Bd. 2: 1.— 3. Aufl., Münch., 1904.) Brann = Goethe im Urteile seiner Zeitgenossen. Zeitungskritiken , Berichte,

Notizen, Goethe und seine Werke betreffend, aus den Jahren 1773 1786,

gesammelt und herausg. von Julius W. Braun (Berl., 1883 85, 3 Bde.). „Briefe" = Goethes Werke. Herausg. im Auftrage der Grofiherzogin Sophie Ton

Sachsen. 4. Abteilung: Goethes Briefe (Weim^ 1887 ff.; bis 1903: 28 Bde.). Burkhardt = C. A.H.Burkhardt, Das Repertoire des Weimarischen Theaters

unter GJoethes Leitung 1791—1817 (Hamb. und Leipz., 1891). Dechent = Goethes Schöne Seele Snsanna Katbarina v. Klettenberg. Ein

Lebensbild im Anschlüsse an eine Sonderausgabe der Bekenntnisse einer

schönen Seele entworfen von Dr. phil. Hermann Dechent, Pfarrer

(Gotha, 1896). DQntzer = Wilhelm Meisters Lehrjahre von Goethe. Erläutert von Heinrich

Dfintzer (2. Aufl., Leipz., 1875). Friedlaender = Max Friedlaender, Das deutsche Lied im 18. Jahrhundert.

Quellen und Studien (Stuttg. und Berl., 1902, 2 [3] Bde.). „Gespräche" = Goethes Gespräche. Heransgeber Woldemar Freiherr von Bieder- mann (Leipt, 1889—96, 10 Bde.). Goethe-Humboldt = Goethes Briefwechsel mit den CkbrQdem von Humboldt.

Heransg. von F. Th. Bratranck (Leipz., 1876). „Goethes Mutter" = Karl Heinemann, Goethes Mutter (6. verb. Aufl., Leipz.

und BerL, 1900). Graef ^= Hans Gerhard Qraef, €k>ethe Aber seine Dichtungen. Versuch einer

Sammlung ' aller ÄuAerungen des Dichters Ober seine poetischen Werke.

Erster Teil : Die epischen Dichtungen (Frankf. a. M. , 1901— 02). Hcinemann = Karl Ileinemann, Goethe (3. verb. Aufl., Leipz., 1903). „Jahrb." = Goethe- Jahrbuch. Herausg. von Ludwig Geiger (Frankf. a. M.,

1880 ff.; bU 1903: 24 Bde.). ,yjubiläumsausgabe" = Goethes Simtliche Werke. Jubiläums - Ausgabe In 40

Banden. In Verbindung mit Konrad Burdach u. v. a. herausg. von Eduard

von der Hellen (Stuttg. und Berl., Cotta, o. J.). Lappenberg = J. M. Lappenberg, Reliquien der Fräulein Snsanna Catha-

rina von Klettenberg, nebst Erläuterungen zu den Bekenntnissen einer

schönen Seele (Hamb., 1849). Meyer = Richard M. Meyer, Goethe (2. Aufl., Berl., 1898). Morris = Max Morris, Goethe Studien (2. verändert« Aufl., Berl., 1902,

2 Bde.). Ricmann = Robert Riemann, Goethes Romantechnik (Leipz., 1902). 8<^h«ror = Wilhelm Boherer, Geschichte der deutseben Literatur (8. Aufl.,

Berl.. 1899). Seil" Mt = Briefwechsel zwischen Schiller und Wilhelm von Hnn>-

rm. Aufl., Stuttg., 1900). Set - = Schillers Briefwechsel mit Kömer (2. verm. Aufl., Leipz., 1874).

„Schiliors Briefe" = Schillers Briefe. Herausg. und mit Anmerkungen verschen

von Friu Jonas. Kritische GesamUugabe (Stuttg., Leipz., Berl., Wien,

o. J., 7 Bde.). „Schriften der G.-G." = Schriften der Goethe Gesellschaft. Im Anftrag« des

Vorstandes herausg. von Bernhard Suphan (Weim., 1886 ff.).

^ D«r folgend« UterarhUtorlaeh« Kommentar la d«n ««cbs «nten BQcbem Ist vom Heraasgeber der beiden letzten b«arbeit«k

^ 42 Anmerkungen des Herauigeben.

„Tagebücher" =r Goethe« Werke. Heraosg. Im Auftrage der Orofiherzogin Sophie von Sachsen. 8. Abteilung: aoethesTagebncherCWeim., 1887—1903, ISBde.).

Eiuleitnng des Herausgebers (S. 3 16).

S. 8, Z. If. Eine seiner „inkalkolabulsten Produktionen": „Gespräche", Bd. 5, S. 134.

Z. 11. 16. Febr. 1777: „Tagebücher", Bd. 1, S. 34.

Z. 18. 2. Jan. 1778: „Tagebücher", Bd. 1, S. 59.

Z. 21. 25. Febr. 1780: „Tagebücher", Bd. 1, S. 108.

Z. 24 f. bittexlic^ ju toeinen: „Briefe", Bd. 4, S. 231 f.

8. 4, Z. 2. 12. Nov. 1782: „Briefe", Bd. 6, S. 210.

Z. 6f. 8. Dez. 1785: „Briefe", Bd. 7, S. 138.

Z. 9. 21. Mai 1786: „Briefe", Bd. 7, S. 220.

Z. lOflf. auc^ bie[e« Sdud) bis {|l ba« SBefte: „Briefe", Bd. 7, S. 221.

Z. 20. 21. Juli 1788: „Briefe", Bd. 9, S. 4,

S. 6, Z. 3 f. 25. Dez. 1794: „Briefe", Bd. 10, 8.216.

Z. 4. 11. Febr. 1795: „Briefe", Bd. 10, S. 234.

Z. 9. 18. Febr. 1795: „Briefe", Bd. 10, S. 235.

Z. 19. Die vollständige Entstehungsgeschichte ist bei Graef, Bd. 1, S. 696 ff. zu verfolgen, wo auf gegen 400 Seiton alle Äufierungen Goethes und seiner näheren Umgebung über den „Meister" zusammengestellt sind.

Z. 26. „Tag- und Jahroshefte" : W, Bd. 35, S. 6.

S. 6, Z. 17. mil)ilm anafter« t^eatratifc^e Senbung: „Briefe", Bd. 6, S. 95 1; dazu W, Bd. 21, S. 329 ff.

Z. 29. Herders Bemerkung findet sich in dem Werk „Aus Herders Nach- laß", Bd. 1 , 8. 20 (Frankf. a. M., 1856).

S. 7, Z. 2. SchiUers Äußerung: „Schillers Briefe", Bd. 4, S. 186.

Z. 7. Goethes Antwort: „Briefe", Bd. 10, 8. 268.

Z. 15. An Merck: „Briefe", Bd. 3, S. 238.

Z. 28. „Tag- und Jahreshefte": W, Bd. 35, 8.8.

8. 8, Z. 14f. Bemerkung von Goethes Mutter: vgl. zu Bd. 9, S. 18, S. 6.

Z. 26. „Dramatisches Ebenbild" : „Briefe", Bd. 5 , 8. 352.

8. 9, Z. 2. „Pseudokonfession": „Briefe", Bd. 10, 8. 158.

Z. 26. Zu Eckermann: „Gespräche", Bd. 5, S. 134 f.

8. 10, Z. 14. An Knebel: „Briefe", Bd. 3, S. 213.

Z. 25 ff. An 8chUler: „Briefe", Bd. 10, 8. 244 f.

S. 11, Z. 3fl. 12. Juli 1796: „Briefe", Bd. 11, 8. 125.

Z. 9. Vgl. die „Einleitung des Herausgebers" zu den „Wanderjahren" in Bd. 11 dieser Ausgabe.

Z. 14. Lebensvorbilder. Vgl. unsere folgenden Anmerkungen zu Bd. 9: 8. 18, Z. 5 (Mari.^ne), 8. 58, Z. 12 (Ehepaar Melina), 6. 78, Z. 12 (Serie), 8. 105, Z. 1 (Pbiline), 8. 105, Z. 15 (Mignon; Harfner), 8. 134, Z. 32 (Abbe), 8. 144, Z. Iff. (Harfner), 8. 153, Z. 3 f. (Grafenpaar), 8. 180, Z. 15 (Jarno), 8. 194, Z. 8 (Prinz), S. 249, Z. 21 f. (NaUlie), 8. 267, Z. 19 (AureUe), 8. 273, Z. 23 (Felix), 8. 291, Z. 9 (Lothario), 8. 387, Z. 32 (Aurelie), 8. 391, Z. 1 („Schöne Seele" und ihr Kreis), und zu Bd. 10: 8. 8, Z. 5 (Lydie), 8. 21, Z. 5 (Therese), 8. 31, Z. 30 ff. (Frau V. Saint Alban).

Z. 21 f. „Epische Vorratskammer": „Briefe", Bd. 5, 8. 78.

Z. 22. „Politisch - moralisch - dramatische Tasche" : „Briefe", Bd. 5, 8.240.

8. 12, Z. 6. Vgl. Scherer, 8. 506; dazu Riemann, S. 47 ff. Über die Ähn- lichkeit des „Wilhelm Meister" mit den Wielandschen Bildungsromanen : J. Mi-

Bd. 9: Lehrjahre, Einleltang d. IT. Pkrallpomens. 443

nnr Im ^ahrb.", Bd. 9, S. 173 ff. (1888), wo «ach Ober den EinfloA des eng- liiehen RoniAns im 18. Jahrhundert auf Goethe ^handelt wird.

Z. 20. Searron: Tgl. zu Bd. 9, S. 105, Z. 1.

S. 14, Z. 18. Die haaptsäcblicbsten Besprocbnngen finden lich zn.sanimen- gertellt bei Brann, Bd. 2 (1787—1801), S. 162—166, 175—180, 221—245, 267—277, 284—303 (Friedrich Schlegel im ,rAthenSnm", Bd. 1, S. '47 ff.; Berl., 1798), 365— 876. Allerlei gehiUsige Epigramme gegen den „Wilhelm Meister" enthält der „MQcVen-Almanach fttr das Jahr 1797" (Pest [fingierter Dmckort]). Über die Aufnahme der „Lehrjahre" bei den Romantikem vgl. noch R. Haym, Die romantische Schule, 8. 134 ff., 277 t, 280, 830, 375, 381, 522 (Berl., 1870), sowie Osk. F. Waliel in den ,ySchrmen der G.-G.", Bd. 13, S. XXVmff. (1898). Die bis etwa nun Jahre 1890 erschienene Literatur über die „Lehrjahre" findet sich im wesentlichen verzeichnet bei K. Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deatschen Dichtung, Bd. 4, S. 682 ff. und 572 (2. Aufl., Dresd., 1891). Dazu sei •n dieser Stelle nur noch erwähnt die Dissertation : J. O. F.. D o n n e r , Der F.in- floft Wilhelm Meisters auf den Roman der Romantiker (Helsinf^ors, 1S94).

Z. 20 ff. „Odyssee der Bildung" n. i. w. : vgl. Hermann H e 1 1 n e r , Ge- schichte der deutschen Literatur im achtzehnten Jahrhundert, Bd. 4 (-^ Buch S, Abt. 2), 8. 106 (4. Aufl., Braunschw., 1894), sowie Heinrich v. Treitschke, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, Bd. 8, S. 684 (2. Aufl., Leipz^ 1886). Doch hatte schon vorher Berthold Anerbach („Goethe und die Erz&h- longsknnst Vortrag", S. 24; Stnttg., 1861) den Wilhelm Meister den „modernen Odysseos, der die Heimat der Bildung sucht", genannt.

An dieser Stelle seien ein paar Parallpomena eingeschaltet, die In TT, Bd. 21 , 8. 331 ff^ publiziert worden sind. Ein Notizblatt von der italienischen Reise, aus Rom, vermerkt einige Motive, die fUr Buch 5, Kap. 1, und fSr Buch 8, Kap. 10, in Frage kommen: gtlij Unarten

Cc^oucfcln bcp Xift^ ^«mbcnfnBpfe rorlfgnt oui bcT BoutciQc trinden ou< bcr €c^ügcl tffen

Auf einem anderen Blatt aus italienischer Zeit (1788) steht: gtlil Unarten.

2)fn XcHnr nlc^t rdn rffen

S)a< @[aS niC^t auitrincten [gestrichen und rlAtm rinoti nii'dnr-

hergestellt] aul ber %la\d)t tTincfat Hu< ber 6(^üff(I effen

SBil^flm ber eine unbebingte ffjipenj ffi^rt. In ^Sttfler ^VrenfteU lebt bebingt fi4 folt^e immer mc^r, eben totil er frc9 unb o1)nt fHüdfic^ten ^anbelt

Auf drei verschiedenen Soiton eines Notizbuches von 1793 ist femer xa lesen : [1.] ail^. beti ftttli^eit Iraum.

3n £aertc< ben 3Bunf4 unbebingt ju (eben

3n ^biline bie reine 6innlic5fcit

«be [lies: flbbi] ^«bogogifi^fr Traum p.J Bilbclm oefl^etif-^ flttlieber 7raum

£ot^ario l^eroifc^ acftiprr Traum

Sacrtei Unbebingtcr äBiO«

444 Anmerkungen des Herausgeoera.

abbe ^päbogogtfc^er pralt* Zraum

«P^itine (Seßenroärtlße Slnnlic^lelt i'elc^tflnni

Slurelie <^artnäcfic§> ^artnätfigeä Selbftquälenbe« ftfl^alten <Ctn>

emiUe SBcibL äfl§ ftttl. SBJirflic^fcit pxaiti\^

gulle ^äuälie^e reine 2Bir»i(^leit

Wlaxiane

SDJignon SBa^nftn be« SWigoerl^ältniffc«

[3.] 3d^ liebte aJJariane u. mugte fie oerad^ten, id^ cerad^tete 5p^i[inen unb

fte jroang mir eine iSeigung ab, ie^ ft^äjte Surelien unb fönte fie ni(^t lieben ic^

oere^re nein liebe fc^äge bete an [vgl. Bd. 10, S. 159, Z. 30 ff. dieser AnsgabeJ.

Ein letztes Paralipomenon ist unten, zu Bd. 10, S. 84, Z. 1 ff. abgedruckt.

Weitere Handscbriften zu Buch 1 6 sind leider nicht erhalten. Über

das Verhältnis der Drucke zueinander Tgl. W, Bd. 21, S- 833 ff.

erftc« f8n^ (S. 17—88).

S. 17, Z. 6. Wie Mariane zeigen auch Mignon, die Baronin auf dem Gr.ifenschlosse, Therese (violleicht auch Natalie, die „Amazone"; vgl. Bd. 9, S. 250, Z. 5) einen Hang zu männlicher Kleidung. Über diese uns sicherlich mehr als das ausgehende achtzehnte Jahrhundert befremdende Erscheinung vgl. Varnhagen, Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften, Bd. 1, S. 502 ff. (Mannh., 1837).

S. 18, Z. 5. Auch in den 1776 gedichteten „Geschyristem" heißt das Liebes- paar, gewiß nicht zufällig, Wilhelm und Mariane. Gerade Mariane und die alte Barbara muten besonders „erlebt" an, doch fehlt es an Belegen. An das Frankfurter Gretcben ist kaum zu denken , wohl aber an des Knaben Goethe Verkehr mit dem Frankfurter Scbauspielervölkchen im allgemeinen. Während eines Besuchs vom Jahre 1806 bei Goethes Mutter in Frankfurt, die eine Ab- schrift der sechs vollendeten Bücher der „Lehrjahre" erster Fassung auf einem Bücherbrette stehen hatte, erfuhr Ludwig Tieck von des Dichters ursprünglicher Absicht, den Roman mit einer Heirat zwischen Wilhelm und Mariane abzu- schließen. Vgl. R. K ö p k e , L. Tieck. Erinnerungen aus dem Leben des Dich- ters . . ., Teil 1, S. 329 (Leipz., 1855). Den Namen Wilhelm führt der Held als Shakespeare -Bewunderer; vgl. S. 231, Z. 27ff. dieses Bandes, sowie den Vers: ®illiam! ©tern ber fc^önften §ö§e in dem Gedicht „Zwischen beiden Wel- ten", Bd. 2 , S. 108 dieser Ausgabe.

8. 19, Z. 29. Inwieweit Goethe in Wilhelm sich selbst dargestellt hat, führt besonders Biolschowsky (a. a. O. , Bd. 2 , 8. 130 ff.) gut aus. Über Auto- biographisches aus Goethes Jugend vgl. unsere Anmerkungen zu Bd. 0, S. 18, Z. 5 , S. 20, Z. 1 ff. und 31, S. 22, Z. 13 ff., S. 36, Z. 13 und 27, 8. 81, Z. 19 ff., S. 85, Z. 27 ff., S. 94, Z. 30, 8. 105, Z. 15, 8. 106, Z. 10, 8. 133, Z. 27 ff., 8. 142, Z. 4 ff., S. 391, Z. 1, sowie Bd. 10, 8. 100, Z. 4ff.

S. 20, Z. Iff. In diesem und den nächsten Kapiteln steckt besonders viel Autobiographisches ; vgl. über den grämlichen Vater, seine Gemäldeliebhaberei und seinen Hausumbau, über Goethes Puppenspiel und seinen Besuch des Schauspiels, über seine eigenen poetischen Versuche in biblischen Stoffen und anderes den ersten Teil von „Dichtung und Wahrheit".

Z. 81. Das Puppenspiel mit den Figuren von Goliath und David erhielten die GeschvTister Goethe zu Weihnachten 1753 von der Großmutter (Bd. 12, 8.24

^ Diese beiden Wörter sind nachträglicher Zusatz.

Bd. 9: Lehijahre, Bach 1. 445

dieser Aiug*be). Diese« Pappenbjiaa befiudet sich beat noch im Fnmkfnr- ter Ooetbe - Hjtnse ; eine Abbildongr dAvon gibt Heinemann, a. a. O^ S. 33. Vgl. •ach Karl J fl g e 1 , Das Pappenbaas, ein Erbstück in der Gontardscben Familie (Frankl a. H., 1 857). Goethes Matter schrieb dem Sohne nach Empfang der ,4^hr- Jabre" am 19. Jan. 1795: »1^6° besten and schönsten Danck yor deinen Willhelm I Das war einmahl wieder vor mich ein Oandiom ! Ich fUhlte mich 30 Jahre jünger sähe dich and die andern Knaben 3 Treppen hoch die preparation enm Pappen- spiel machen sähe wie die Elise Betbmann brügel vom ältesten Mors kriegte und dergleichen mehr" (^^Schriften der Q.-Q.", Bd. 4, S.71; 1889). Stoffliche Nacbwirknngen sowohl des Pnppenspiels an sich wie der biblischen Dramatik seigt c. B. das „Jahrmarktsfest zn Plandersweilem" (W, Bd. 16, S. 20 ff.) mit seinen Marionetten and der Tbeatereinlage „Ahasver nnd Esther".

8. S, Z. 2f. Vgl. 1. SamueUs, Kap. 18, V. 7.

Z.13ff. Vgl. „Dichtung and Wahrheit", Buch 2 (Bd. 12, S. 96 dieser Ausgabe), wo ea von dem eingeschmuggelten Exemplar des Klopstockscben „Messias" heiAt: Z)ie 3Ruttcr ^ielt ei ^eimlic^, unb loir (Sefc^roifler demdil^tigten unS bedfelben, loann mir tonnten, um in grtiffatnben, in irgenb einem S>inlel ixr< borgen, bie auffaUenbfien Stellen auSioenbig ju lernen.

S. 88, Z. 23f. Vgl. „Faust", V. 1938 f:

S. 86, Z. 13. Auch Goethes Vater hielt darauf, gelernte Schneider ra Be- dienten cu haben, die mehr schlecht als recht für Wolfgangs Garderobe sorg- ten : „Dichtung und Wahrheit", Buch 6 (Bd. 12, 8. 277 ff. dieser Ausgabe), und ebenda. Buch 2 (a. a. O., 8. 63): ffieit beharrlicher hingegen war id), mit ^ilfe unfer« »ebienten, eine» 6(5neiber« »on ^rofeffton, eine Wüftfammer auJjujiatten, rotl(^ )u unfern £(^au> unb Zrauerfpieien bienen foQte, bie mit, nac^bem mix ben puppen Aber ben fiopf getoac^fen »oren, felbfl aufjufflbren £ufi Ratten.

Z. 27. Vgl. „Dichtung und Wahrheit", Buch 2 (Bd. 12, 8. 95 dieser Aus- gabe), wo Goethe von „Koppens ,Befreitem Jerusalem' nnd andren Über- •etsungen" spricht: 34 ^otte biefe fftmtlic^en S3änbe oon Äinb^eit auf fieifeig burt^gelefen unb teifoeife memoriert, »ei^alb id^ benn gur Unterhaltung ber &e* feüf($oft öfters aufgerufen ntirbc.

8. 41, Z. 26 ff. Jean Panl, Vorschule der Ästhetik, 8. 322 (2. Aufl., Stuttg. nnd TQbing., 1813) : „Man hat die Bemerkung gemacht, daA ein Jüngling eher ein gutes Trauer-, als Lust -Spiel dichte."

8. 46, Z. 2. Die ersten Gründungen von „National -Theatern", deren Be- stand nicht lange w&hrte, fanden In den sechziger nnd siebziger Jahren zu Hamburg (1767), Wien (1776) und Mannheim (1779) sUU; BerUn folgte 1780.

8. 48, Z. 1. Vgl. Bd. 9, 8. 42, Z. 25ff.

Z. 15. Über Goethes in historischem Fortschreiten sich wandelndos Ver- bUtnis zum Handelsstande vgL Jacob Minors Belege im „Jahrb.", Bd. 9, 8. 165 f. (1888); femer Georg Hein riet, Angust Twesten nach TagebUchem und Brie- fen, 8. 07 (BerL, 1890). Dazu „Briefe", Bd. 7, 8. 97, wo Goethe am 20. Sept. 1785 an Chariotte von Stein über Edelshcim, der ihn besncbte, schreibt: 6x (at mir manche« (ux C^aratfterifitd ber Ctünbe geholfen, roorauf ic^ fo ou4ge^e. Auch der Wilhelm der „Geschwister" (vgl. zu Bd. 9, 8. 18, Z. 5) ist Kaufmann ; femer mag man an den Ferdinand der „Unterhaltungen deutscher Ausgewan- derten" nnd seinen Vater denken : Bd. 10, S- 293 dieser Ausgabe. Am bedeut- samsten sind die AasfUhrungen der „Wanderjahre". Von unserer obigen Stelle sagt Schiller in einem Brief an Goethe („Schillers Briefe", Bd. 4, S. 81): „Die Apologie des Handels ist herrlich und in einem grollen Sinn."

8. 60, Z. 22ff. Vgl. Bd. 9, 8. 43, Z. 14.

8. 67, Z. 30 f. Vgl. d-is tragische Hauptmotiv in den „Wahlverwandtschaften".

44 G Anmorkangen de« Herausgeben.

S. &S, Z. 12. AU erste Quelle zur Konzeption des Khepaarea Hellna iüt vielleicht eine in Weimar seinerzeit viel erörterte Bogobcnhcit anzusehen ; das Weimarer Wochenblatt des Jahres 1777 berichtet nämlich, daft „Chrl^itoph Qottlieb Zschock aas Augsburg, Studiosus zu Jena, und Job. Louisa Kraufi zu Jena sich wider den Willen ihrer Eltern verlobt haben, entwichen sind und in einem ritlvrschaftlichen Orte Marisfcid haben trauen lassen". Vgl. darüber Düntzer, S. 8.

S. 60, Z. 3ff. Diese Szene erinnert an den Eingang des von Ooethe so hoch geschätzten Romans dos Abbi Pr6vost: „Histoire du Chevalier des Qrieux et de Manon Lescaut" (Amsterd., 1731), von dem Goethe eine ausfilljr- iiche, ursprünglich für den Schlaft des ersten Bandes von „Dichtung und Wahr- heit" bestimmte Nacherzählung niederschrieb {W, Bd. 26, S. 376—881, und Bd. 12, S. 501 zu 8. 240, Z. 27 dieser Ausgabe). Vgl. auch Riemann, S. 86 fc

S. 61 , Z. 24. Vgl. die ähnliche Szene in KleisU „Zerbrochenem Krug" (7. Auftritt), wo der Dorfrichter Adam die ihm wohlbekannte Frau MartUe ebenfalls förmlich um ihr Nationale angeht.

S. 72, Z. 14. ßefc^äftig im ÜRUgiggange. Eine Goethe geläufige Anti- these; vgl. im „Götz" (Bd. 7, 8. 103, Z. 15 dieser Ausgabe): i£(§reiBen ift gefc^äftiger SHit^iggang. VgL auch Johann Ellas Schlegels Lustspiel „Der ge- achäfftige Müßiggänger".

8. 75, Z. 20. „Der im Irr-Garten der Liebe herumtaamelnde Cavalier tu s. w." ist der Titel einer „Robinsonade" vom Jahre 1738.

S. 78, Z. 12. Serlo gleicht mehrfach dem großen Hamburger Theater- dirigenten Friedrich Ludwig Schröder, zwischen dessen Shakespeare-Bearbei- tung und der Hamlet-Aufführung in den „Lehrjahren" offenbare Beziehungen bestehen; vgl. dazu Th. Lüttke im „Jahrb.", Bd. 5, S. 345 f. (1884). Der Name „Serlo" ist durch einen Abt von Gloster in der Sage vom Tode Wilhelms II. von England belegt (Düntzer).

S. 79, Z. 20. Man denkt vor allem an Lessing, den Herausgeber der Reimarusschen „Fragmente", und den Hamburger Hauptpastor Goeze. Vgl. auch „Dichtung und Wahrheit", Buch 13 (Bd. 13, 8. 132 dieser Ausgabe) , und Goethes Aufsatz „Deutsches Theater" (W, Bd. 40, 8. 174 flf.).

S. 81, Z. 19 ff. Hier mag Goethe von fem sein Gemälde und Bücher sammelnder, bis ins Alter von einer italienischen Reise zehrender Vater vor- geschwebt haben: „Dichtung und Wahrheit", Buch 1 (Bd. 12, 8. 23 f. und S.38fr.).

S. 83, Anm. Goethe kannte die Sage wohl schon aus den „Acerra phi- lologica" (Bd. 10, 8. 148, Z. 26 und die dazugehörige Anmerkung am Schlüsse des Bandes). Die Szene ist von Gerard de Lairesse in zwei Gemälden be- handelt worden, deren eines Wlnckelmann in dem „Sendschreiben über die Gedanken von der Nachahmung der griechischen Wercke in der Malerey und Bildhauerkunst" („Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst", S. 76 ff. ; 2. verm. Aufl., Dresd. und Leij'Z., 1756) überaus lobend besprochen hatte. Es befindet sich jetzt im Besitze des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin zu Ludwigslast, eine größere Wieder- holung zu Karlsruhe. Vgl. Düntzer, 8. 129, Anm.

S. 85, Z. 27 ff. So trieb es Goethe selbst die Nacht vor Lilis Fenster („Dichtung und Wahrheit", Buch 20: Bd. 13, 8. 358 dieser Ausgabe), So wacht Eduard iu den „Wahlverwandtschafton" unter den Fenstern Ottiliens (Bd. 8, 8. 261 f. dieser Ausgabe).

Z. 28. Der Aasdruck „Sänger" fällt auf gegenüber Z. 24 ff. und Z. 32 dieser Seite.

S. 88, Z. 12 ff. üb6r Briefe and Brieftechuik in den „Lehrjahren" vgl. Ricmaon, S. 121 ff.

Bd. 9: Lehijahre, Bneh 1 nnd 2. 447

SttJCitC« ®UC^ (S. 89— 161).

8. S9, Z. 22ff. Vgl. du &hnlictae Bild Ton yorzeitig platzenden Fener- werkskörpem in den Versen an Minna HerzHeb : Bd. 1, S. 259 dieser AoBgabe. Vielleicht schwebte Goethe dabei der Schlaft des S. Anfzngs yon Shakespeares „Hamlet" vor: „Der Spat ist, wenn mit seinem eignen Palyer Der Feuer- werker auffliegt."

8. M, Z. 30. Solch« Antodaf^ stellt« Goethe selbst mit seinen Gedichten an, als er Leipzig yerliefi, nnd ehe er yon Frankfurt nach Strasburg ging.

S. 104, Z. 32. Daa Beiwort „wohlgebildet" ist bei Goeth« sehr beliebt, namentlich wenn ein« neu auftretend«, zumal Junge Person zuerst charak- terisiert werden soll. Vgl. Riemann, 8. 65f. nnd z. B.: 8. 111, Z. 34, S. 134, Z. 32, a 353, Z. 22 dieses Bandes; femer Bd. 10, S. 4, Z. 11, S. 2!>4, Z. 29, 8. 3S4, Z. 20, Bd. 11, S. 55, Z. 18 dieser Ausgabe.

8. 106, Z. 1. Über ein lebendes Gegenstäck zu Phlllne ygl. Goethes Brief aa Charlotte y. Stein yom 20. Jan. 1787 ans Rom : Sine rounberbare (Srfc^einung vor mir ^ier bcr gürfl von Salbed mit bem Sc^fitgen aui SarKbab. ^^ l)abt il)n befut^t, fie ober nur oon weiten gefe^en. Sit i|t mit bem Stfdjcff üon ^rng cer» iDanbt unb i^r alter 3)lann ift aud) mit ^ier, alfo lann ei loo^l nic^t fehlen, bag d ba< Stl^ouetti^en fe^. („Briefe", Bd. 8, S. 143); dazu nehme man die Briefe an Charlotte y. Stein yom 2. Sept 1786 („Briefe", Bd. 8, 8. 22: Ser ^rbem l^ab' a^ bie ^^Uinen» Silhouette re(^t emfllic^ SCicigt unb jte fe^r neugieng ge- macht Qerrat^e e< ia nic^t.) und an Karl August yom 20. Jan. 1787 (ebd., S. 138); yielleicht ist anch der Brief yom 23. Aug. 1792 in der „Kampagne in Frankreich" (Bd. 15, 8. 255 unserer An.sgab«) auf dieselbe Person zu beziehen. VgL femer Erich Schmidt in den „Schriften der Goethe - Gesellschaft", Bd. 2, & 871 (1887). Georg Ellinger glaubt ein Vorbild für Friedrichs Verhältnis mn Philin« in Leandre und Angelika des Searronschen „Roman comiqite" zu •rkennen („Jahrb.", Bd. 9, 8. 191 ; 1888); diese Ähnlichkeit steht auf so schwachen PflA«B wl« Oberhaupt der zuerst yon Garye und dann yon Scherer (a. a. O., 8. 5M) behauptete Kinflul dea Searronschen auf den Goethettehen Roman; TgL dazu auch Witkowskl, Ooeth«, 8. 141 (Leipz., Berl. nnd Wien, 1899), nnd Riemann , S. 74 ff. Dal Qoeth« den weit yerbreiteten Namen T^eander er- wähnt (Bd. 9, 8. 24, Z. 6), beweist nichts.

S. 106, Z. 15. Xlgnnn. Ein bei Goethes Art zu dicbt«n fast unbedingt anzunehmendes menschliches Vorbild ftXr dies« schCnst« Gestalt des Romans ist noch nicht mit yfiUiger Sicherheit erkannt worden. In der «raten Zeit der Konzep- tion belAt sie bei Ooeth« Obrigens „der Hignon" (s. B. „TagebQcher", Bd. 1, 8. 224). Freunde wie Knebel wufiten kein Modell zn bezeichnen („Briefwechsel rwlaehen Goethe nnd Knebel", Bd. 1 , S. 1 36 ; Lelpz„ 1851). Von einigen yerwandtea Gestalten berichten Goethe* autobiographische Schriften. So erzählt er in „Dich- tung und Wahrheit", Buch 8 (Bd. 12, S. 112f. dieser Ausgab«), yon dem hQbscbnn, einen Solotanz anffOhrenden Knaben Im Frankfurter Schanspiel, nnd ebenda in Bach 12 (Bd. 13, 8. 63 dieser Ausgabe) : ^n SRainj batte mir ein ^orfefpielenber Knabt \o n>o^t gefallen, ba^ tc^ i^n, loeil bie Vle^t gerabe cor b<r Zb^r loor, nocb ^ront« fürt einlub, t^m ffiobnung ju geben unb ibn ju befcrbem oerpracb- fSn tiefem Creignil trat roieber einmal btejenige Kigenbeit ^eroor, bie mi(b in meinem 'ntl'cn \o viel getoflet ^at, ba^ i^ nämttcb gern febe, n>enn jüngere 2l<cfen ficb um micb tterfammrln unb an midf ontnOpfen, noburC^ i<b benn freillt^ |ulc$t mit ibrem Scbidfal belaflet merbc An MIgnon nnd den Harfner zugleich wird man end- lich gemahnt bei dem Bericht der „Itallr-niBchon Reise" yom 7. Sept. 1786 (Bd. 14, S. 28 dieser An.igabe), zu einer Zelt alüo frc-illrh, als dl« „I^ihrjahro" schon lange Im Katat«b«n war«n: Sttoa eine 6tunb( von bem Crt« [Walchua-

448 Anmerkungen des üeransgebera.

»ee] begegnete mir ein artige« »benteuer: ein ^arfner mit feiner Soc^ter, einem m&b^tn ron eilf g^^ren, gingen oor mir ^er unb baten mi(^, ba8 illnb ein« junc^men. ffir trug ba« 3nftiument weiter etc. Mignonsche Gauklerkunst- BtUcke iah Goethe ferner, «einen Epigrammen zufolge, in Venedig 1790 (Bd. 1, 8. 213 ff. dieser Ausgabe). Man hat (Meyer, 8.82) auch auf Maxe Bren- tano als ein Modell zu Mignon hingewiesen. Die bemerkenswerteste Hypo- these über die Urzelle der Mlgnon-Öestalt ist von Richard Rosenbaum in den „Preußischen Jahrbüchern" vom Februar 1897 (Bd. 87, 8. 298—318) aufgestellt worden. Er sucht wahrscheinlich zu machen, dafi das Urbild Mignons ein etwa elfjähriges Mädchen namens Petronella gewesen sei, das 1764 zu Qöttiugen in der Truppe des italienischen Equilibristen Caratta auftrat und sowohl wegen seiner vollkommenen Leistungen wie besonders wogen seines romantisch -geheimnisvollen Wesens allgemeine Teilnahme fand. Fünf Qöt- tinger Studenten ließen noch in demselben Jahre ein Ileftchen mit Gedich- ten über das seltsame Kind erscheinen; Herausgeber der Sammlung war der bekannte Romanzendichter Daniel Schiebeier (1741 71), mit dem Goethe als Leipziger Student (vgl. Bd. 12, S. 862 dieser Ausgabe) persönlich Umgang pflog.

Rosenbaum hat seine Untersuchungen fortgesetzt im „Archiv für das Stu- dium der neueren Sprachen und Literaturen", Bd. 100, 8. 1 22 (1898). An ihn knüpft Rieh. M. Werner an, der im „Euphorien", Bd. 4, 8. 558 (1897), seiner- seits noch, einen ungedruckten Brief Johann Christian August Großmanns an Nicolai vom 24. April 1805 heranziehend, auf die berühmte, von Hiller erzogene und zur Sängerin ausgebildete Mara verweist, die als armes Mädchen mit ihrem die Harfe spielenden Vater in Leipzig herumgezogen war. Auch Herman Grimm läßt Rosenbaum gelten („Deutsche Rundschan", Bd. 90, 8. 472 f.; 1897), nennt aber daneben als ein literarisches Vorbild mit Nachdruck des Cervantes Novelle „La OitaneUa'^, die wir bereits als Quelle der „Preziosa" kennen. Vgl. ferner Lappenberg, 8. 171 ff., wo vom Raube eines elfjährigen Knaben aus dem Klettenbergschen Hause erzählt wird , und dazu J. Minor in der „Chronik des Wiener Goethe -Vereins", Bd. 11, 8. 5 t (1891), sovde A. Brandl im „V'uphorion", Bd. 4, S. 437 (1897), wo auf einen Mignon -Typus bei Laurence Sterne hinge- wiesen wird.

Eine schon früher flüchtig aufgestellte Hypothese nimmt neuerdings Alfons Matthes wieder auf in dem Buche : „Mignon. Groethes Herz. Ein Seelcn- aufschluß in drei Teilen: Herzensaufschluß, Dichtung^aufschluß und Lebens- aufschluß" (Schkeuditz- Leipzig, 1900). Er sucht nämlich (a. a. O., 8. 81 ff.) aasführlicb zu belegen, daß Mignons Urbild in Katharina Zimmermann (Porträte von ihr a. a. O., 8. 84 und 116) zu erblicken sei. Goethe schildert sie und ihr seltsam-melancholisches Wesen genauer in „Dichtung und Wahrheit", Buch 15 (Bd. 13, S. 228 dieser Ausgabe) und erzählt dort, seine Mutter habe das damals achtzehnjährige unglückliche Mädchen zu seiner Frau machen wollen. Vgl. über sie femer noch „Goethes Mutter", S. 91 f. Daß sie auf die Gestalt Mignons gewirkt hat, ist ganz wohl glaublich ; weniger leuchtet ein, daß ihr Vater, Johann Georg Zimmermann (vgl. Bd. 13, S. 226 ff. dieser Aus- gabe, sowie, zur teilweisen Berichtigung, R. Ischer, Johann Georg Zimmer- manns Leben und Werke, besonders 8. 142 ff. und 8. 171; Bern, 1893), wie Matthes a. a. O., 8. 87 ff. ausführt, die Gestalt des Harfners (vgl. zu Bd. 9, S. 144, Z. Iff.) in entsprechender Weise bestimmt habe. Ln übrigen hält die Schrift von Matthes mit ihren Prätensionen nicht gleichen Schritt. Ausgehend von der Gleichung, Mignon bedeute Herzchen (oder Liebchen), zwängt Matthes jede Stelle, in der vom „Herzen" die Rede ist, in ein Konstruktionsgerüst, wo- nach der Mignon -Typus, in immer anderer Verkörperung auftretend, Goethes ganzes Leben beherrscht Ähnliche Bedeutung hat für Matthes der Harfner;

r.<19: Lehrjahre, Buch 1 und 2. 449

in bfi!. 1 !";,-•'■ ••ht er die „Verkörperung des Genial - Pathologischen in Ooetl; - > - ! : vgl. dazu noch a. a. O., S. 31, 53 und 93.

Vf.:I. TW -M ,;. ;: . ndlich Goethes (auf Maddalena Riggi bezügliches) Ge- dicht „An Mi^on" („Über Tal und Flufi getragen", Bd. 1, 8. 57 f. dieser Aus- gabe) jowie ein anonjones Gedicht „Mignon, das wunderbare Kind in Wil- helm Meisters Lehrjahren", das im „Berlinischen Archiv der Zeit und ihres Geschmacks", Jahrg. 1799, S. 293 f. erschien und von Braun (a. a. O., Bd. 2, 8. 327 t) wieder abgedruckt ist.

unwillig über Madame de Stael, die Mignon nur als Episode des Romans beurteilte, erklärte Goethe später (am 29. Mai 1814) dem Kanzler von Müller, was freilich wohl mit Vorsicht aufzunehmen ist, es sei baä ganje SBevl bUfeä Ct^orafterä icegen gefc^rieben („Gespräche", Bd. 3, 8. 129). Über Walter Scotts Nachahmung seiner Miguon Gestalt (nämlich in dem Roman „reveril of the J'eak") iufiert sich Goethe gegen Eckermann („Gespräche", Bd. 5, S. 132, und Bd. 6, S. 50).

S. 106, Z. 10. Von seinem deutschen Fechtmeister und dessen franzö- sischem Rivalen erzählt Goethe in „Dichtung und Wahrheit", Buch 4: Bd. 12, 8. 167 f. dieser Ausgabe.

8. 107, Z. 4. Laertea führt seinen Namen natürlich nach dem von ihm dargestellten Bruder Ophelias im „Hamlet" : 8. 328, Z. 34 f. dieses Bandes.

8. 1(», Z. 33 ff., und 8. 110, Z. 29 ff. Vgl. mit Philinens Wohltätigkeit die GrunilsSfze des Hauptmanns in den „Wahlverwandtschaften" (Bd. 8, 8. 218 dieser Ansgabe) sowie die Wohltätigkeit der „schönen Seele" und Nataliena (Bd. 9, a456, Z.19ff.).

8. 109, Z. 5 ff. Das hier beschriebene Spiel hatte Goethe von den llme- naner Bergknappen aufführen sehen, wobei der Bauer plattdeutsch, die Berg- leute hochdeutsch sprachen. Vgl. darüber O. Schade im „Weimarischen Jahr- buch für deutsche Sprache, Literatur und Kunst", Bd. 4, 8. 344 ff. (1856).

8. 113, Z. 33 f. „Jägerhaus": vgl. „Faust", V. 809.

S. 119, Z. soff. VgU „Dlcbtong und Wahrheit", Buch 12 (Bd. 13, 8. C3 dieser Ansgabe).

S. 123, Z. 30. Die einzige Stelle der „Lehrjahre", an der Goethe mit (•ln«nn „ich" persönlich hervortritt.

Z. 31. Das Wort ist von Goethe an dieser Stelle geprägt worden.

8. 127, Z. 5. Der „gutmütige I'oltercr", Goldonis „Burbero benefieo" (Bourru bicnfaitant), war eine stehende Charakterrolle ; vgl. Rieh. M. Meyer in der „Jubilänrasat!sp:ibe", Bd. 23, 8. 327 (zu 8. 229, Z. 5), sowie im „Kuphorion", Bd. 7, 8. 274 (1900). Goethe nennt Herdem in „Dichtung und Wahrheit" ein- mal so: Bd. 12, 8. 443 dieser An.<<gabe. IfTlands Lustspiel „Der gnthersigo Polterer" (nach Goldoni) brachte Gnctlio am 30. Dez. 1812 auf der Weimarer BUbne «ur Anffllhrung (Bnrkhardt, 8. 114).

Z. 2d. Der Krieg, von dem öfters im Roman die Rede ist, schwebt ebenso In der I>uft wie der in den „Wahlverwandtschaften"; der Gedanke an ein )iist<prisrhes Zeitkolorit liegt Goethe sehr fem; zu denken Ist an den liaTrlsehen Krbf.l;.'. krieg (1778—79); vgl. zu Bd. 9, 8. 21Ö, Z. 22.

S. ISS, Z. 27 ff. f" - '' " 1 Lust an solchen dramatischen Improvisa- tionen während der h: d der letzten Frankfurter Zeit vgl. „Dich- tung und Wahrheit", : i'.i. 13, 8. lölf. dieser Ausgabe; besonders pflegte solche« Extemporieren auch die Weimarer Hofgesellschaft, s. B. In Ettcrubnrg.

S. 134, Z. 32. Die Figur det Abb^t (so wird er Bd. 9, 8. 458, Z. 11 snorst genannt), meint Srhcrur (•. a. O., 8. 563), Ist vielleicht durch Herder beelnftuAt.

450 Anmerkungen dos Ilerausgebors.

S. 130, Z. 1. Don Ansdmck „komponieren" fUr poetisches Schäften tndelt Qoethe l'ckermann gegenüber („Gtespräche", Bd. 8, S. 97 f.) sehr scharf; nichts- destoweniger bedient er selbst sich seiner niclit selten (vgl. Bd. 9, S. 325, Z. 1, und S. 140, Z. 7 f., Bd. 10, 8. 258, Z. 6 und Bd. 15, 8. 122, Z. 9 dieser Ausgabe, sowie „Gespräche", Bd. 4, 8. 305, Bd. 8, 8. 10).

S. 140, Z. 7ff. Vgl. oben, zu 8. 133, Z. 27 ff.

8. 142, Z. 4 ff. Vgl. „Richtung und Wahrheit", Buch 18 (Bd. 13, 8. 301 dieser Ausgabe), wo die junge Goethe-Stolbergsche Gesellschaft die „geheiligten Becher" zertrömmert, aus denen der „Bchönen Gesundheit" getrunken ist.

S. 144, Z. If. Die Gestalt des Harfners ist sicherlich nicht unboeinflufit von Johann Friedrich Krafft (gest. 1785): „Ein Mann, auf dessen Leben irgend ein dunkler Schatten lastote, den aber Goethe seiner ganz besonderen Ftir- sorge und eines nicht geringen Vertrauens wert hielt" (E. v. d. Hellen in sei- ner Auswahl „Goethes Briefe", Bd. 1, S. 312; Stuttg. und Berl. , Cotta, o. J.; vgl. über ihn auch Burkhardts knapp zusammengefaüte Feststellungen in der „Chronik des Wiener Goethe- Vorein.s", Bd. 11, S. 28; 1897). Am 11. Nov. 1778 schreibt ihm Goethe, ganz in der Gesinnung Wilhelm Meisters dem Uarfner gegenüber, z.B.: 3c5 niciä im ganjen Umfang, roaS baä l^cigt: ftc^ baä Sc^ictfal cineä ü)ienfrf)«n me^r, ju ben übrigen Saften auf ben ^ali binben, aber ©ie foUert niddt jU ffivunbe ge^en („Briefe", Bd. 3, 8. 257). Vgl. ans Goethes schönen, wahr- haft edlen Briefen an KrafTt (v. d. Hellen, a. a. O., Bd. 1, Nr. 244 bis 247, 253, 254, 256, 258, 262 ; Bd. 2, Nr. 269, 285, 298, 302, 304, 385) unter anderen noch die Stelle vom 23. Nov. 1778: Unb glauben Sie benn, bag 3^re S^ränen «nb ^i)T Segen nic^t^ fuib? („Briefe", Bd. 3, S. 258), oder unter dem 11. Dez. 1778: X>od) id) wetg, bog ben SDJcnfd^en oon jitternber 9lcroe eine SKüde Irren lann unb bag bagegen fein Sieben iiilft („Briefe", Bd. 3, S. 264). Krafft hat „verschiedne Länder" (,.Briefe", Bd. 4, S. 38) gesehen; Goethe übergibt einen jungen talent- vollen Knaben, ein SJermäc^tniS beg unglüd lief en Sinbauä („Briefe", Bd. 4, S. 59), der Obhut Kraffta, dessen i^ppocfjonbrifc^e, aUjuroeic^e unb gleich auä bem SDJaoS fc^veitenbe ©inneäavt („Briefe", Bd. 5 , S. 50) Goethes Geduld viel zu schaifon macht. Vgl. auch zu Bd. 9, 8. 105, Z. 15, wo auf verwandte Gestalten, die Goethe im Leben begegnet sind, gelegentlich der vom Harfner nicht zn trennenden Mignon mehrfach die Rede ist. Herder, der die „Lehrjahre" sehr ungerecht beurteilte („Schillers Briefe", Bd. 5, S. 186), schreibt an die Gräfin Baudissin („Ans Herders Nachlaß", Bd. 1, S. 21; Frankf. a. M. 1856): „Mir hat im ganzen Buch vorzüglich der alte Harfenspieler gefallen. Das ist mein Mann."

S. 146, Z. 3. Zu den IjTischen Einlagen des Romans vgl. besonders die Bücher von Rieraann (S. 139 IT.) und Donner; zn letzterem noch Osk. F. Walzel im „Anzeiger für deutsches Altertum", Bd. 22, 8. 224 ff. (1896). Solche eingeleg- ten Gedichte hatte Goethe wie im „Don Quixote", so auch in Oliver Gold.smitha „Vicar of Wakefield" gefanden ; über die Beziehungen zwischen beiden Romanen im allgemeinen: Siegmund Levy im „Jahrb.", Bd. 6, 8. 284 ff., 294, 298 (1885).

Im ganzen sind 11 Lieder in den Roman eingelegt, die in ihm auch zu- erst gedruckt sind; vgl. dazu Graef, Bd. 1, S. 697—701. „Was hör' ich draußen vor dem Tor" ist Ki)äter unter dem Titel „Der Sänger" mit gerin- gen Varianten den Balladen der Gedichte eingereiht worden: Bd. 1, 8. 101 ff. dieser Ausgabe. Eine erheblich mehr abweichende Fassung besitzen wir in einer Abschrift Herders; vgl. darüber Suphan im „Jahrb.", Bd. 2, S. 144 f. (1881). Dem ersten Druck war Reichardts Komposition für „Ciavier oder Harfe" beigefügt. Goethe schreibt ihm darüber (was zugleich für die Lieder auf S. 153, Z. 27 ff., und auf S. 155, Z. Iff. dieser Ausgabe gilt) am 21. Dez. 1795: 'Zii Sieber jum Sionian ftnb Bott 2Inmut§ unb SBebeutung, Bei einem coUlommenen Sor» trag t)cifef)[en fie gewiß i^re SäJirlung nic^t. („Briefe", Bd. 10, S. 351.) Auch

Bd. 9: I.«hrjahre, Buch 2. 451

Onethes Mntter infterte sich sehr erfreut dArQber: „Schriften der O.-G.", Bd. 4, «. 71 f. (1889). VgL ferner „Gespräche", Bd. 3, S. 285 und W, Bd. 35, S. 278 f. Clx-r eine Komposition Kömers: Schiller -Körner, Bd. 3, S. 172, und Graef, Bd. 1, 8. 760 ff. Cber Zeichnungen rn der Ballade von Konrad Eberhard, die Goethe vorgelegen haben, nnd in denen die.ser selbst die Züge des Sängers trügt, vgl. Graef, Bd. 1, S. 1037 und S. 1106. Cber die Kompositionen von Reichardt, Zelter, Conradin Kreutzer, Schubert, Schumann, Rubinstein u. a. handelt Fried- laender Im „Jahrb.", Bd. 17, 8. 190 (1896); dazu Friedlaender, Bd. 2, 8. 185 f. Sämtliche Lieder der „Lehrjahre" sind auch von Hugo Wolf in Musik gesetzt •worden.

S. H7, Z. 18 f. Das Lied „Der Schäfer putzte sich zum Tanz" steht auch im „Faust", in der Szene „Vor dem Tor" (Bd. 5, S. 56 f. dieser Ausgabe; V. 949 980); vgl. dazu Niejahr im „Jahrb.", Bd. 20, S. 173 f. (1899).

8. 153, Z. 3f. Als Urbild des Grafenpasres ist das Ehepaar Graf Wer- them auf Xeunheiligen deutlich zu erkennen (vgl. Schöll-Wahle, Goethes Briefe an Frau v. Stein, besonders Bd. 1, S. 291 f.; Frankf., 1899), dem Goethe im Februar 1780 mit Karl August einen ersten achttägigen Besuch abstattete. Die schöne nnd kokette Gräfin Johanna Louise, geb. v. Stein, war eine Schwe- ster des groBen preußischen Staatsmannes. Vgl. über sie auch Bielschowsky, Bd. 1, S. 2ö7f. Morris (a. a. O-, Bd. 2, 8. 27 f.) versucht die Herzogin Luise ebenfalls als Modell für die Gräfin heranzuziehen. Die Gräfin Werthem ist auch in der Leonore Sanvitale des „Tasso" wiedererkannt worden : Düntzer, 8. 123, und Meyer, S. 266.

Z. 5. Cber den Prinzen vgl. zn Bd. 9, 8. 194, Z. 3,

Z. 1 0 f. Wie König Sani durch Davids Harfenspiel : 1. Samnelis, Kap. 18, V. 10.

Z. 27 ff. „Wer nie sein Brot mit Tränen aß" (Bd. 1 , 8. 329 dieser Aus- gabe): vgl. zn Bd. 9, 8. 146, Z. 3ff., und zu Bd. 9, 8. 231, Z. 6ff.; dazu K. Ooedeke, Ein Gedicht Goethes vervollständigt. Im „Archiv für Literatur- geschichte", Bd. 12, 8. 478 (1884). Im ersten Dmck von Heicbardts Kom- position begleitet.

Als im Winter 1806 Napoleon von Berlin ans nach Ostpreußen vordrang, sehrieb die Königin Luise zn Ortelsburg am 5. Dez. die ersten vier Verse dieses Liedes in ihr Tag<>buch; vgl. Goethes Äußerungen darOber in den „Sprüolifn in Prosa", „EUiisches", Abt. 2, Nr. 153; Goethes „Werke", Bd. 19, 8. 43 f. (Bert., Hempel, o. J.), nnd „Goethes Unterhaltungen mit dem Kanzler Friedrich v. Müller", herausg. von C. A. H. Burkhardt, 8. 55 f. (2. verm. Aufl., Stuttg. 1698). Cber der Königin Liebe zn Goethes Liedern und deren von ihr selbst gesungenen R.' ' -'" ' n Kompositionen vgl. Reichardts Brief an (Joothe vom 1. Mai 1- „Schriften d. G.G.", Bd. 11, S. 130 (IH'M\).

Cber andere Komponi :, Schubert, Schumann, Marschner, Rubin-

«lein, LIszt): FricMllaender im „Jahrb.", Bd. 17, S. 190 (1896), und Friedlaender, Bd. 2, a 190.

8. 155, Z. Iff. In dieser Ausgabe In Bd. 1, 8. 328 f. Vgl. zu Bd. 9, S. 146, Z. 8 ff. Gleichfalls mit Kcichardts Komposition zusammen erschienen. I)i<f Komposition von Karl Friedrich Zelter hat Max Friedlaender in 'den „Solirifi.-n d. O.-O.", Bd. 11, 8. 87 (1896) veröffentlicht, nnd ebenda, 8. 144, d.iritbtr gebandelt; vgl. besonders „Briefwechsi'l zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1790— iai2", herausg. von Fr. Wilh. Riemer, Teil 1, 8. 3 (Bert., 183.1 f.), nnd „Briefe", Bd. 11, 8. 92 f. Cber noch andere Komponisten des

j j, 1 ^^1 ... ... c 1 ..j,^ Rubinstein): Friedlaender im „.Tahrb.", Bd. 17,

S. tider, Bd. 2, 8. 189 f., sowie ebenda, Bd. 1, Abt 2

(„M . . - '.

29*

452 Annierkuni^n des Iteransgobers.

^vittcS fSnify (S. 162—223).

S. 102, Z. Sff. Unter den GT«dichten als erste der „Balladen", in dleaer Ansgabe I5d. 1, 8. 101. Vgl. über das Allgemeine das zu Bd. 9, S. 146, Z. 3 ff. Gesagte. Über ältere Fassungen In Abschriften Herders und der Luise v. Göchhausen vgl. Suphan Im „Jahrb.", Bd. 2, 8. 144 (1881); dort steht in V. 9 (Äcbieter statt ffleliebter, und Franz Kahn („Jahrb.", Bd. 22, 8. 262 f.; 1901) sucht nicht ohne Berechtigung darzutun, dafi das Wort ©eliebter, das eine vollkommen neue Nuance in Mignons Verhältnis zu Wilhelm bringt, nicht dem beabsichtigten Texte entspreche, sondern vielmehr eine Verscbliinmbesserung aus (Sebteter bedeute, die nicht von Goethe selbst herröhren könne.

Auch dies Gedicht erschien in Begleitung der Reichardtschen Eomposi- tton, die von Max Friedlaender in den „Schriften d. G.-G." Bd. 10, 8. 92 (1896) neu gedruckt worden Ist. Über sie äußert sich Goethes Mutter In einem Briefe vom Dezember 1795 au ihren Sohn mit Enthusiasmus („Schriften d. G.G.", Bd. 4, 8. 95; 1889), Goethe in den „Tag- und Jahresheften" vom Oktober 1795: 9Ieirf;arbt ^atte aud^ bie «icber jum SBil^elm SUieifter mit ©iüd ju componivcn angefangen, rote benn immer not^ feine UReiobie ju: „Äennfl bu ba§ £anb", alä oovjüglic^ berounbert roirb (W, Bd. 35, 8. 47). Über weitere Kompositionen des Liedes vgl. „Gespräche", Bd. 4, S. 183 f. (Tomaschek, Spohr), und Max Friedlaender in den „Schriften der G.G.", Bd. 11, 8. 92—99 (1896), wo die bedeutendste von allen, die Beethovensche des Jahres 1810, die Goethe selbst nicht nach Gebühr schätzte, sowie die von Spontini und Tomaschek wieder abgedruckt und 8. 145 f. kommentiert sind. Zu Beethoven vgl. noch Bettina Brentano in „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde", Teil 2, 8. 194 und 206 (Berl. 1835). Über den Vortrag des Liedes vor Goethe In einer Gesellschaft beim Fürsten v. Schwarzenberg in Karlsbad am 6. Aug. 1818: „Tagebücher", Bd. 6, 8. 234, und „Gespräche", Bd. 3, S. 315 f. Der Dichter beschreibt den Vortrag des Liedes, wie er sich ihn denkt und wünscht. Im Roman selbst auf das Genaueste: 8. 163, Z. 17 ff.; vgl. damit den Vortrag des Wanderliedes in den „Wanderjahren", Buch 3, Kap. 1, und des Liedes in der „Novelle" (Bd. 10, S. 400 ff.). Über die Kompositionen von Reichardt, Zelter, Beethoven, Spohr, Schubert, Spontini, Schumann, Hiller, Liszt, Jensen, Rnbin- stein, Tschaikowsky , Ambroise Thomas und zahlreicher anderer vgl. auch noch Friedlaender im „Jahrb.", Bd. 17, S. 191 f. (1896), sowie Friedlaender, Bd. 2, 8. 186 ff., und ebenda, Bd. 1, Abt. 2 („Musikbeispiele"), 8. 206. Wie Goethe selbst gerade dieses Gedicht liebte, geht auch aus den „Wanderjahren" (Buch 2, Kap. 7) hervor, wo er Mignons Bild noch einmal herrlich herauf- beschwört und ihr Lied auf dem Lago Maggiore singen Läßt.

Das Lied, Im Jahre 1783 oder 1784 gedichtet, spricht Goethes eigene Sehnsucht nach Italien aus; vgl. Graef, Bd. 1, 8. 732. Dazu: Bd. 14, 8. 206, und Bd. 15, S. 102 dieser Ausgabe.

Z. 17ff. Hier schweben Schweizer Gegenden vor. Namentlich dürfte an das Gebiet des St. Gotthard zu denken sein; vgl. die Reisebeschreibung zum 16. bis 22. Juni 1775 In „Dichtung und Wahrheit", Buch 18, in Bd. 13, 8. 316 ff. dieser Ausgabe, besonders S. 320: nacEte loie Bemoofte gelfen mit ©c^nee bebecft, rucfitieifei- eturmroinb, SBoIten l^eran» unb oorbeifü^renb , ®eräufc§ ber SBaffev» fälle, bag ülingcln ber Saumvoffe in ber l^öc^ften ßbe, reo man roeber bie ^etatf fommenben noc^ bie Sc^eibcnben erblidte. ^ier loftet ber Ginbilbungäfraft mcf;t niel, fic^ S)ro$ennefter in ben flüüften ju bcnten. Vgl. auch „Wan- derjalire". Buch 2, Kap. 7, wo von der „Drachenbrut" gesprochen und die ganze Szenerie des Gedichts in der Wirklichkeit gezeigt wird: Bd. 11, 8. 234, Z. 1 dieser Ausgabe.

Bd. 9: L«hijahr«, Bach 3. 453

S. 180, Z. 15. Als Modell Ar Jarao ist Merek (Scberer, S. 563) and Karl AofTiut (llelncmann, S. S44) beranmziehen. Als Herold Shakespeares entspricht «r Herder In seinem Verhältnis znm jungen Goethe.

8. IS», Z. 23. Vgl. in den „■Wahlverwandtschaften" (Bd. 8, S. 347 dieser Ansgabo) die go^trickte Weste, die der Architekt von Charlotte nnd Ottili« zum Geschenk erhält. Am 1. Mai 1782, als Goethe also besonders eifrig mit dem Roman beschäftigt war, schreibt er an Charlotte t. Stein : 3<^ bancfe bi( bu gute für baS fc^öne, [ober oergönglit^e fflfflgen („Briefe", Bd. 5, S. 317).

S. 1S5, Z.3ff. Goethe entzog sich solchen traditionellen Ovationen in •einer Dichtiuig selbst nicht; vgl. „Vorspiel zur Eröffnung des Weimarischen Theater» am 19. September 1807": Sugteic^ erfc^eint ein SSunber» unb Zrofl» leic^en, b<t oere^rtcn regiercnben ^erjogin Jlamejtäjug im Stembilbe ( IV, Bd. 13, Abu 1, S. 28), und „Was wir bringen. Fortsetzung": im letnpel crft^eint beä Bereroigten Slamenäjug in einem Stemenlronje (TT, Bd. 13, Abt. 1, S. 103). Morris (a. a. O., Bd. 1, S- 336) macht im Anschlnfi an die vorgenannten Stel- len sehr wahrscheinlich, dafi in ,;Schillcrs Todtenfeyer" die Schema - Bezoich- nang ttrfi^eiaung (IF, Bd. 16, S. 562, Z. 6) in derselben Weise zu duuten seL

S. 191, Z. 13. „Konditor" bezeichnet (ebenso Bd. 9, S. 193, Z. 3, und S. 439, Z. 32) nicht blofl einen Zackerbäcker, sondern in älterer Bedentong einen plastischen Künstler, der anch ins Größere arbeitet, namentlich Aufsätze auü einem Holzkem herstellt, der mit bossiertem Zuckergnfi oder dergl. versehen nnd bemalt oder lackiert ist; Konditor erhält dadurch die Bedentang von Deko- rateur im allgemeinen.

S. 198, Z. 12. Mit dem Vetter ist wohl Lothario gemeint: Düntzer, S. 82.

8. IM, Z. 3. Der Prinx hat ZOge vom Prinzen Heinrich von Preafien entlehnt, über dessen Besuch in Eisenach am 9. Juli 1784 Goethe an Char- lotte V. Stein schreibt: ler ^rin} ^einri^ mar fe^r gnäbig ^ier. 3c§ ^abe einige ©eptiöge }u meinem 5ten [3.] 2«! im gtuge geft^offen („Briefe", Bd. C, S. 325); Vgl. dazu aach DQntzer, S. 15 und 69.

8. 196, Z. 32. „Xei ahominabUs piecea de Schaeketpear'^ hatte Friedrichs de« Oroften Schrift „De la litteratnre allumande" („Deutsche Litteratardeuk- male des 18. nnd 19. Jahrhunderts", in Neudracken heransg. von B. Seaffert, Bd. 1«, 8. 22; Heilbr., 18S3) gebrsndraarkt.

8. IW, Z. lir. Vgl. „Odys.see", Ges. 10, V. 230 ff.

Z. 12. Vgl. Bd. 9, S. 37, Z. 4.

8. ins, Z.2ff. Mit Kacine machte Goethe schon als Kind genauere Be- kanntschaft; vgL „Dichtung und Wahrheit", Buch 3: Bd. 12, a 107 nnd 127 dieser Ausgabe, wo er ihn mein Sbgott neimt. Vgl. femer noch „Gespräche", Bd. 5, 8. 59L, und Bd. 7, 8. 229.

8. 198, Z. 13 ff. Das stimmt nicht rocht zu den (Ihrigen Zoitvc-rhältnlsson ; denn sowohl Wielands Shakespeare -Cberseuung (Zürich, 1702 66, 8 Bde.) wie Leasinp« „Dramaturgie" fallen bereits in die sechziger Jahre, und wäh- rend der .-: ,'on viel« Shakesp«-.. iion voran der „Ham- let" — in :iDg Schröder» Ob> r -^jer Bühne ; vgl. DQntzer, S. 69. Dill .. ...'„-sehe Cbersetzunn t 1775 82.

Die von 1784 91 In Weimar spielende Trappe des Prinzipals Joseph lU'llomo hatte auch den „Hamlet" In der Schrodonffn'n Bi'nrbi'itmiij auf t1r>Tn 1;. '•■ri'iro : >■'., ti»m .las ihn ablösende, unter ' t) lt. r, in ii- -• k zäumt am 28. Januar 1' IT' ' ' Wähle, Das Wolu:

I,. ..", Bd. 6), 8. 18

tS. ••ud ObtT Ooethe.t .

bandult, wie der Dichlor s«;lbst es in „Dichtung und WaUrhuil", Uuuh XI ^IM. 1.1.

454 Anmerknngen des HeninaKeben.

8.51 f. dieser Ausgabe) tut. Von einer feurigen, wohlgelungenen Vorlesung des „Hamlet" lu Strasburg vor Friderike Brion erzählt „Dichtung und Wahr- heit", Buch 11 (Bd. 13, S. 28 dieser Ausgabe).

Im Jahre 1785 unterhielt sich Goethe viel mit Knebel Ober Shakespeare und „Hamlet": „K. I^. von Knebels literarischer Nachlaß und Briefwechsel", herausg. von K. A. Varnhagen von Ense und ITi. Mundt, Bd. 3, S. 878 (L,eii)Z. 1836). An Charlotte v. Stein schreibt er am 8. Jan. 1786 („Briefe", Bd. 7, S. 158) : Sluf bcn ülbenb fic^t mir bie greube beoor an beiner Seite b«n ^inlet burt^jugelju uub bir augjulcgen mai bu longe beffer roeifft. Kine eigene Be- arbeitung des Dramas, wie S. 345, Z. 311T. vermuten lassen könnte, besitzen wir von Goethe nicht; doch hat er als Leiter des Weimarischen Theaters den „Hamlet" zwischen dem 28. Jan. 1792 und dem 7. Sept. 1811 in Weimar, Lauch- stadt, Erfurt und Rudolstadt im ganzen neunzuhnmal zur Aufführung gobraelit. Bis 1799 legte er die Eschenburgsche und Schrodersche Übersetzung, bezw. Be- arbeitung zu Grunde, dann die Scblegelsche. Vgl. Burkhardt, S. 136.

Goethes Tagebuch vom 1. Jan. 1828 („Tagebücher", Bd. 11, S. 157) ver- merkt: aSil^erm aileifter über ^amlet, üßerfefet im Globe Tom. VI. No. JB.

S. 201, Z. 32 bis S. 202, Z. 17. Als erstes der Lieder „Aus Wilhelm Meister" in den „Vermischten Gedichten" aus dem Nachlaß; in W, Bd. 5, Abt. 1, S. 24. Im allgemeinen vgl. das zu Bd. 9, 8. 146, Z. 3flf. Gesagte. Ob das Gedicht von Haus aus für den Itoman bestimmt war, steht daliin ; jedenfalls erschien es in ihm zuerst gedruckt. Über eine Herdersche Abschrift mit Varianten: Suphau im „Jahrb.", Bd. 2, S. 110 f. (1881).

S. 205, Z. Uff. Vgl. Goethes „Faust" (besonders die I.Szene Im „Stu- dierzimmer") und den „Zauberlehrling".

Z. 29ff. Es ist immerhin auffallend, daß Jarno nicht die Friedrich be- drohende Exekution verhindert, da er ja nach Bd. 10, S. 109, Z. 15 ff. über die Person des Jungen nicht im Zweifel sein kann. Vgl. Riemann, S. 95.

8. 212, Z. 20 ff. Rieh. M. Meyer (a. a. O., S. 338) bemerkt treffend zu dieser Rede: „Shakespeare war Goethen selbst der Schlüssel zum Verständnis der Welt geworden, sein eigener Dank ist es, der in die schönste Lobrede übor- Üießt, die je ein Dichter einem Dichter gehalten hat."

S. 216, Z. 22. Jarno als Werber (vgl. Bd. 10, S. 14, Z. 13 ff., und 8. 80, Z. 22). Goethe konnte es nicht vergessen, daß im Jahre 1778, zu Beginn des bayrischen Erbfolgekrieges, preußische Husaren vom Korps des Generals v. Möllendorff ihre gewaltsamen Werbungen auch auf Weimarisches Gebiet übertrugen, was einen Notenwechsel mit Friedrich dem Großen zur Folge hatte ; vgl. seine diesbezügliche umfangreiche Eingabe an Karl August („Briefe", Bd. 4, 8. 3 ff.) und seine Tagebücher vom Ende des Monats Januar 1779 („Tagebücher", Bd. 1, 8. 78); ferner Bielschowsky, Bd. 2, 8. 330, und Morris, Bd. 1, S. 298. Auch Nicolais „Sebaldus Nothanker" weiß von dem schlimmen Treiben der Werber zu erzählen.

S. 219, Z. 2. Möglicherweise hatte die Gräfin Werthem den Dichter wirk- lich um eine Abschrift des Romans gebeten. Vgl. Goethes Brief an Charlotte v. Stein vom 28. Mai 1781 („Briefe", Bd. 5, S. 127): Sie SBert^ern ^at mir ein gor artig Scttelgen be? 3"'^'''ff«"^"''9 ^^^ SBil^cIm aJJeifterä gefc^rieben.

S. 222 f. und 8. 382. Zu der Verletzung der Gräfin durch das Anpressen des Briliantenporträts vgl. in den „Wahlverwandtschaften" (Bd. 8, S. 224 f. dieser Ausgabe) Ii:duards Besorgnisse für Ottilie, die ein ähnlich großes Miuiatur- bild ihres Vaters auf dem Busen trägt.

Bd. 9: Lebrjxhra, Bneh S nnd 4. 455

©icrtc« «u«^ (S. 224—309).

S. 826, Z.24ff. Daa Motiv des GelJgescbenkii an Wilhelm war in der ersten Fassong weni^r delikat gewandt; Goethe nahm in der Folge Schillemche Katichlä<re an (,^chlllers Briefe", Bd. 4, 8. 132 f^ und Graef, Bd. 1, S. 762, Anm. 2).

S. öl, Z. 6 ff. Vgl. zu Bd. 9, S. 146, Z. 3ff. In den Gedichten als Strophe 3 »u „Wer nie sein Brot mit Tränen af in dem Zvklns „^na Wilhelm Meister" („Venniächte Gedichte" ans dem Nachlaü; in W, Bd. 5, Abt 1, 8. 25).

S. SSO, Z. 24 ff. Mit dieser „Apostrophe" an die Schauspieler vgl. Goethes ,. Regeln für Schauüpielor" vom Jahre 1803 (W, Bd. 40, 8. 139 ff.), wo ebenfalls wiederholt die Mosik zum Vergleiche herangezogen wird. Zu S. ^7, Z. 6ff. vgl. a. a. O., 8. 163 : { 68. 3lu^ in ber fSrobe foQte man fi($ nic^tä eilau&en, mai ni4it im Etüde oortommen barf.

S. S46, Z. 1. Auf die „Lehrjahre" geht zum großen Teil die deutsche Zigeunerromantilt zurück; Walter Scott ahmte Goethe und deutsche Roman- schreibor bis zu Spielhagen ahmten Scott nach. Schon im „Götz" (Bd. 7, 8. 113 ff. dieser Aasgabe) hatte Goethe Zigeoner vorgeführt, über den zu beachtenden Ausdruck romantifi^ in Z. 12 vgl. Heynes (freilich unzulängliche) Zusammen- stellung in Grimms ,J)entschem Wörterbuch", Bd. 8 (1893), Sp. 155 ff.

S. 249, Z. 21 f. In >aUlie (der Name begegnet zuerst Bd. 9, 8. 457, Z. 23) kommt zum Teil das Wesen Charlottens v. Stein zum Ausdruck ; vgl. Scherer, 8. 563, sowie Bielschowsky, Bd. 2, 8. 547 f.

Z. 26. Den Begriff einer „Amazone" entwickelt Goethe in seiner Be- sprechung des anonymen Romans „Bekenntnisse einer schönen Seele, von ihr selbst geschrieben" (180C): W, Bd. 40, S. 368. Auch die Kugenie der „Natürlichen Tochter" (V. 127) heilit die SInia3onottO(^ter. Ebenso nennt Goethe in der „lu- lienis<*Jien Reise" die heilige Ursula auf einem Gemälde des Gian Francesco Caroto in Verona ama}onen()aft iungfräulii^ (Bd. 14, S. 57 dieser Ausgabe).

8. 250, Z. 27. Das Motiv zu Nataliens vermehrter Besorgnis ist Bd. 10, S. 9, Z. 31 f. dieser Ausgabe zu finden.

8. 2Ö8, Z. 24 f. Vgl. „Dichtung und Wahrheit", Buch 14 (Bd. 13, 8. 196 dieser Ausgabe): 3Sai mi4 (ti>t'r befonberd an i^n [Spinoza] fclJelte, mar bie flrenjenloje Unetflctmüjigteit, bie au8 iebem Saje ^laDorltutbtete. ^tnei roimber« lic^e SBort: „3Scr (Sott rc(^t liebt, mug niv^t verlangen, bag (9ott i^n wieber liebe", mit allen ben QocberfSfen, tcorauf ci ru^t, mit allen bcn (folgen, bie baraud ent^ Ipnv--" rr. iiff mein ganje« SJac^benlen. Uncigcnnütig ju fein In allem, am unc : in Siebe unb gveunbfc^taft, toor meine ^iSi^flc £ufl, meine SRojime,

aiei: I, fo bog jene« freche fyätere sSJort: „fflenn 14 bic^ liebe, »ai

geht's bi4) <iii'(" mir rei^t aui bem ^cr^en gefpro<4en ift. Man kann diese Qoethe- sebe „Maxime" in zwei Briefen an Kcstner und an dessen Lotte belegi-n („Briefe", Bd. 2, S. nnd S. 151).

S. 244, Z. 32 f., bis S. 26.5, Z. 10. In den Gedichten als zweites unter dem Titel ,^lgnou" in dem Zyklus „Ana Wilhelm Meister"; in unserer Ausgab« Bd. 1, 8. 327. Vgl. im allgemeinen das zu Bd. 9, S. 146, Z. 3 ff. Gesagte. Auch dies Gedicht erschien im Rouian zuerst gedruckt und in Begleitung der Relchardt- »eben Komi>os!tion. Am 20. Jnni 1785 ' ' '.Im das Gedicht an (" r

lotte V. Stein, die an diesom Tage nn reiste, mit den AV i

(„Briefe", Bd. 7, 8. 67): :Jiterbei ein i.'tcbct^: ^ .;i au« bem fec^flen [^ !• :u

vierten späterer ZAhlnngJ Suc^e. Cin :üieb, bas nun ou^ mein ift Vgl. dazu femer „Briefe", Bd. 7, 8.72. Von Schuberts beiden Kompositionen dieses Gedichts in Op. 62, das auch noch die Lieder „IIciQ' mirl: .' unl

„So labt mich scheinen, bis ich werde" enthält, bat Max Fr iu d<e Sammlung „Godlcbt« von Goethe In Kompositlnuen »< ...^. ... ..,,• ••»h.'-uu"

456 Anraerknngen des HeraaRKeben.

aufgenommen: „Schriften der G.-G.", Bd. 11, 8. 102 (1896); ebenda, 8. 146, be- richtet er ttber noch vier andere Kompositionen Schuberts auf diesen Text, den auch Beethoven viermal in Musik gesetzt hat; vgl. über diese und die nam- haftesten .späteren Kompositionen (von Zelter, Karl Loewe, Conradin Kreutzer, Schumann, Tschaikowsky) Friedlaender Im „Jahrb.", Bd. 17, 8. 190 f. (1896), und Friedlaendor, Bd. 2, 8. 190 f.

S. 207, Z. 19. Über Charlotte Ackermann (1757—75) als ein Modell zu Aurelie vgl. zu Bd. 9, 8. 387, Z. 32. Rieh. M. Meyer (a. a. O., 8. 14) denkt bei Aurolie auch an Goethes Schwester Coraelie, wie vor ihm schon Wilh. Scheror (a. a. O., 8. 344).

S. 270, Z. 16 ff. Diese Worte bedeuten den Haupt- und Höhepunkt der Goetheschen „lIamlot"-Interpretation, die von späteren Ästhetikern stets als geistreich bewundert, aber doch nicht widerspruchslos übernommen wor- den ist. Reiches Lob enthält A. W. Schlegels bedeutender Aufsatz „Etwas über AVilliam Shakespeare bey Gelegenheit Wilhelm Meisters" in den „Iloren", Jahrg. 1796, Stück 4 (vgl. dazu R. llaym. Die romantische Schule, 6. 158; Berl. 1870); doch schon der einst so begeisterte L. Tieck sagt später in dem Auf- satz „Bemerkungen über einige Charaktere im ,Hamlet' und über die Art, wie diese auf der Bühne dargestellt werden könnten" („Ausgewählte Werke in vier Bänden", herausg. von G. Wiikowski, Bd. 4, 8. 94; Leipz., Hesse, o. J.): „Derjenige, der sich ganz in dieses Labyrinth wunderbarer Absichten, verdeck- ter Motive und zweideutiger Charaktere vertieft hat, wird ebensowenig mit den Engländern, wie mit der Erklärung und Um<,'estaltnng nnsers großen Dichtt^rs (s. AV. Meister) einverstanden sein, so trefflich letzterer auch oft beobachtet, so fein er auch an so vielen Orten bemerkt hat" Karl Werder („Vorlesungen über Shakespeares ,Hamlet'", 8. 9; Berl. 1875) meint zu unserer Stolle: „Diese Auffassung des Charakters des Prinzen macht nicht das Treffliche in den Goetheschen Erörterungen ans das steckt ganz wo anders , sondern diese Charakteristik ist vielmehr das Irrtümliche darin, der schwache Punkt." Da- gegen bemerkt Werder (a. a. O., 8. 223) zu dem Bd. 9, 8. 279, Z. 23 bis 8. 280, Z. 13 dieser Ausgabe Ausgeführten : „Von Allem, was Goethe über den Hamlet gesagt, ist dies das Vorzüglichste. Der richtige Blick in die Art des Stückes ist damit gethan. Nicht ganz trifft er sie." Friedrich Th. Visch er („Shake- speare-Vortriigo", Bd. 1, 8. 240 f.; Stuttg. 1899) glossiert das von Goethe auf 8. 240, Z. 5 34 Gesagte folgendermaßen : „Diese Auffassung wird viel Wahres enthalten, aber ganz richtig kann sie nicht sein. So weich, so menschlich schön ist Hamlet nicht. Sein Wesen bewegt sich oft im Zickzack. Er hat einen sprühenden Zorngeist und dabei etwas Barockes, Heterogenes, ,einen Pfahl im Fleisch'. Die scharfen Gegensätze und Konflikte in ihm hat Goethe nach seiner Art nicht aufgefaßt. Er behandelt ihn zu wenig als nordischen Kauz und ver- gißt seinen Humor, der auf herbem Denken beruht." Goethe verweist auf seine „Wilhelm Meister"-Darlegungen zurück in dem teils 1815, teils erst 1826 gedruckten, wenig befriedigenden Altersaufsatz „Shakespeare und kein Ende" (IK, Bd. 41, Abt. 1, S. 52 ff.; besonders 8. 62); auch Schröders gedenkt er dort und der Weimarischen Aufführungen (a. a. O., 8. 69 ff.) ; ebenso bezieht er sich in „Dichtung und Wahrheit", Buch 11 (Bd. 13, 8. 51 dieser Ausgabe) auf die Ausführungen der „Lehrjahre", da wo er berichtet, wie er als Straßburger Student für Shakespeare gewonnen wurde. Vgl. auch Aug. Klingemann, Hamlet Trauerspiel in sechs Aufzügen von W. Shakespeare. Nach Goethes Andeutungen im „Wilhelm Meister" und A. W. Schlegels Übersetzung für die deutsche Bühne bearbeitet (Hannov. 1815).

S. 273, Z. 23. Bei dem Knaben Felix (Bd. 9, 8. 288, Z. 22 zuenst mit Namen genannt) und seinem Verhältnis zum Vater schwebt Goethe sein im Jahre 1789

Bd. 9: Lebijabre, Buch 4 tind 5. 457

greborener Sohn Angnst vor (Iloinemann, S. 333) ; daneben slchoi-Hch ancb Fritz T. Stein, an dussen Krzicbnng er so regen Auteil genommen hatte. Zn Felix' Alter vgl. die Angaben Bd. 9, S. 129, 273 und 276.

S. 277, Z. 23ff. Die Danae des Wielandschen „Agathon" hat gleichfalls die ■chIimm:^te Erziehang genossen; vgl. Riemann, S. 47.

S. 2S1 , Z. 25. Das Motiv begegnet in einem Briefe Karl Angnsts an Knebel vom 11. März 1785: „Frau von Seckendorff trägt immer den von dir erhaltenen Dolch in der Tasche; es scheint aber nicht, da& sie sich dessen jei:. i''n wird": ..Briefe des Herzogs Karl August von Sachsen-AVei-

m.-. .n Knebel und Herder", heransg. von H. Düntzer, S. 53 (Leips.

Ij- ,, ithcs Erzählung in „Dichtung und Wahrheit", Buch 13 (Bd. 13,

S. 151 dieser Ausgabe): Unter einer onfe^nlie^en S55affenfommIung befaS id) aud) einen loflficxrni roo^Igef(^iIiffcnen 5;o[(^. 5>iefcn legte xd) mir ieberjeit neten bai »ette, unb e^e id) ba« ii^t auälöfc^te, vix\u<5)te ic^, ob ti mir wo^l gelingen möäftt, bie fc^iorfe Spi^e ein paar 30U tief in bie 3?ruft ju fentcn.

8. 2i>8, Z. 13. "Wilhelms „schültrhafies Wesen". Vgl. Bd. 9, S. 292, Z. 11 und S. 321, Z. 22f. An Schiller sehreibt Goethe am 6. Dez. 1794 („Briefe", Bd. 10, S. 212): (Snblit^ fommt ba« erfle 33u(^ non ,^\ll)tlm Schüler", bet, ic^ loet^ nit^t JBie, ben SJamen „SUifler" erroift^t ^at.

Rieh. M. Meyer, Wilhelm Meisters Lehrjahre und der Kampf gegen den Dilettanti.^muii, im „Knpliorion", Bd. 2, S. 529 ff. (1895), dann auch In seinem „Goethe" (Mcyr, .S. 33'2 ff.) weist treffend nach, wie Wilhelm im Verlauf der ersten fünf Biicber des liom.ins als Typus des Dilettanten (des einzigen „Mei- ■ters", der aU solcher zur Welt komme) gefaM wird nnd Goethes, besonders im gemeinsamen Kampfe mit Schiller gegen den Dilettantismus erwachsenen theoretischen Kunstkatechismus geradezu praktisch belegt. Dazu nehme man aber auch Goethes tolerante Verteidigung des Dilettantismus in den „Wahl- verwandtschaften", Teil 2, Kap. 3 (Bd. 8, S. 308 dieser Ausgabe).

8. ft«, Z. 6. „Amerika." Vgl. Bd. 10, S. 12, Z. 18 ff. und die dazu ge- hörige Anmerkung am Schlüsse des Bandes.

8. S90, Z. 7. UnDerbefferlic^ natürlich im Sinne von: unübertrefflich.

8. Sdl, Z. 9. AU Modell zu Lothario ist Karl August heranzuziehen; ,1,,(.^. -.1 .. ..• r r ,1.., erstoron Verhältnis zu Ly die (Buch 7) vielmehr des Her- z< . in und helne abeutencrliche Liebesgesehichte mit einer

sc-:. i;nons Darsaincourt (DQntzer, 8. 13f.) vor. Nur an dieser

cr^Uii .SiijUo aud bin einziges Mal am SchlulJ der „Lehrjahre" (Bd. 10, S. 195, Z. 12 ilicser Au&gabe) steht die deutsche Namenafunn Lothar.

"^ •'"' " " Mas Harlekin -Kunsb>tOck betrieb auch die Jn~ ■'= ir-r«:,.

rir Krauv. Willemer; vgl. Krich Schmidt, CI 1

(1. rl , 1886); den in der Wiener Posse beliebten ..1 r

latte (loiihu Kcliun im „Hausball" angefahrt (S. 416, Z. 7 dieses Baiules).

S. S1I6, 7,. 31. Dea Ansdmrks „die Summe meiner Existenz" bedient sich Oi> •Ml ersten frenndschaftlichen Brief an Schiller vom 27. Aug. 1794

(..; 10, a lb'4); vgl. auch Bd. 10, S. 39, Z. 9 (bte Summe meine«

ia-:.,... - :, und Bd. 15, 8.54, 198 und 243 dieser Ausgabe.

8. «US, Z. 28. Vgl. Bd. 9, S. 42, Z. 25ff.

a?üwftc« iBuc^ (S. 310—890).

8. 810, Z. 1 ff. Vgl. Über die erste Hilfle de« Buches Schiller« aasflUir- liehen Br( ' -- -; .'.. . v, 15. Juni 1705 („Schillern Briefe", Bd. 4, 8. 185ff.): „Diese« ( > habe ich mit einer onlentllchen Trunkenheit und

mit einer ' iton Knipflndnng durchlosen. Selbst im Meister ist

i:i<-lita, wa» mich au 6tlilug auf Schlag ergriffen and in «einem Wirbel onfrey-

458 Aninerkunpren dwn UerAusgeberH.

willig mit fortgenommen hätto" n. s. w. Dazu Humboldt an Schiller, 31. Angnst 1795: „Briefwechsel zwischen Schiller uiid W. v. Uumboldt", heraoiig. von 'Alb. Leitzmann, S. 114 flf. (3. vorm. Aufl., Stuttg. 1900).

Z. 16flf. Sorgsam angebrachtes vordeutendes Motiv; vgl. Bd. 10, 8. 90 nnd S. 197. Morris (a. a. O., Bd. 2, S. 62) zieht bei ähnlicher Gelegenheit eine Stelle aus Riemers „Mitteilimgen über Goethe" an : „Goethe muüte alles motiviren und es hätte wie er einmal zu mir sagte in einem seiner StUcke oder Ro- mane nicht von einem Stückchen Kreide oder dergleichen Rede und Forderung sein können, ohne daß er es nicht schon früher unvermerkt und als hätte es nichts auf sich beigebracht oder angemeldet haben würde."

S. 817, Z. 4. Die „Leinwandfabrikation" findet später in den „Wandor- jahren" (Buch 3, Kap. 5 und 13) breiteste Behandlung.

S. 818, Z. 28. SWein eigene^ Qnnercä voüev ScQlacfen. Vgl. das ausgeführte, vom Schreiber von sich selbst gebrauchte Bild in Goethes Brief an Jacobi vom 17. Nov. 1782 („Briefe", Bd. 6, S. 92 f.).

S. 3t!3, Z. 15. Dies antithetische Gleichnis ist Goethe geläufig; vgl. Bd. 9, S. 433, Z. 6f.

S. 882 , Z. 27 ff. Goethe selbst vergoß beim Vorlesen solcher Stellen oft- mals Tränen ; vgl. dazu den Brief Schillers an ihn vom 2. Juli 1796 („Schillers Briefe", Bd. 6, S. 2): „Ich verstehe Sie nun g.inz, wenn Sie sagton, daß es eigentlich das Schöne, das AVahre sey, was Sie, oft biß zu Thränen, rühren könne."

S. 884, Z. IfF. Goethes Übersetzung entspricht weder der Wielandschen noch der Eschenburgschen genau.

S. 887, Z. 7. Anklang an Bd. 1 , S. 24 , V. 20 dieser Ausgabe.

Z. 11 flf. Betrachtungen über den Unterschied zwischen Roman und Drama begegnen gleichzeitig (am 5. Buche arbeitete Goethe etwa seit Mai 1795) vor allem in des Dichters Briefwechsel mit Schiller; dort findet sich tmter dem Jahre 1797 auch der zusammenfassende Aufsatz „Cljer epische und drama- tische Dichtung" (in W, Bd. 41, Abt. 2, S. 220ff'.). Vgl. femer „Gespräche", Bd. 1, S. 169 f., und Schüler -Humboldt, S. 231.

Z. 27. Man denke an „Werthers Leiden".

Z. 29f. Auf die „Gesinnungen und Begebenheiten" spielt Goethe In dem Brief an Schiller vom 8. Juli 1795 („Briefe", Bd. 10, S. 276) an.

S. 842, Z. 10 ff. Vgl. Goethes „Regeln für Schauspieler": 3n ber !pro6e ju 6eoba^tcn {W, Bd. 40, S. 162 f.).

S. 847, Z. 21 ff. Der „schönste Gredanke" bezieht sich auf Hamlets Wort (Aufz. 3, Szene 2): „Ein schöner Gledanke, zwischen den Beinen eines Mäd- chens zu liegen".

S. 848, Z. 1 ff. In den Gedichten unter dem Titel „Philine" in dem Zyklus „Aus Wilhelm Meister"; in dieser Ausgabe Bd. 1, S. 329f. Erster Druck im Roman, begleitet von Roichardts Komposition. Im allgemeinen vgl. das zu Bd. 9, S. 146, Z. 3 ff. dieser Ausgabe Gesagte, sowie Friedlaonder, Bd. 2, S. 192.

Z. 5 f. Vgl. W, Bd. 5, Abt. 1, S. 5, V. 1, und W, Bd. 50, S. 220, V. 199.

S. 350, Z. 2. Über das „Märchen, daß die Paradiesvögel keine Püüe hätten, immer in der Luft flögen, sich nur wenige Augenblicke mit ihren Schwanz- federn an Säumen aufhingen, von der Luft sich nährten, und was man sich sonst Wunderbares von ihnen erzählte", vgl. Düntzer, S. 113: „Die Sage war daher entstanden, daß man von den Eingeborenen die Bälge der Paradies- vögel nur mit abgeschnittenen Füßen erhielt."

S. 851, Z. 5. Zu dem Ausdruck „Schalk" vgl. Bd. 10, S. 871, Z. 2 dieser Ausgabe und diu dazugehörige Schlußanmerkung.

S. 352, Z. 19 f. und 31, und S. 353, Z. 10 ff. VgL zu Bd. 9, S. 334, Z. Iff.

S. 859, Z. 16 ff. Für diese Szene, die, wie mancher andere, auch Immer-

Bd. 9: L«hrjabre, Bach 5 und S. 459

mann ia den „K])Igonen" (Bach 7, Kap. 14) aar gAT za biuidg^reiflich nacb- gobildet bat, und flir die Tcrscbiedenen Moinungen über die Persönlichkeit des froheimnisvollen Besachs vgl. Humboldta and Schillers Briefe an Goethe vom 15. Juni 1795 (Goethe - Hamboldt , S. 3 1, und „Schillers Briefe", Bd. 4, S. 186), »owi« Humboldts Brief an Schiller vom 31. Aug. 1795 (Schiller - Humboldt, (i. 114f.). Die Lösung wird in Bd. 10, S. 111 und 150 gegeben. Hermann Ürimm, Goethe, Bd. 2, S. 156 f. (7. Aufl., Stuttg. und BerL, 1903), behauptet, ohne einen "Beleg anzuführen, Mignon habe sich im Ureutwurf dem Freunde hingegeben und Goethe sieb „durch Schillers Gesellschaft . . . luider verführen lassen, diesen höchsten, reinsten Effekt des Romanes zu zerstören, indem er dem 10 deutlichen Zage der Entvrickelnng entgegen Philine für die erklärt, welche in Jener Nacht sich zum Helden des Romanes hinwagte". Dafür spricht durchaas nichts. Vgl. auch „Schillers Briefe", Bd. 4 , S. 186.

Z. 20 f. VgL Bd. 8, S. 255, Z. 24 ff. dieser Ausgabe.

S. 861 , Z. 26 ff. Diese Bemerkung mu6 befremden nach der eben vorauf- gegangenen Schilderung von Mignons seltsam verändertem Wesen; vgL zu Bd. 9, 8.359, Z. 16 ff.

S. S67, 2L Iff. In dieser Ausgabe Bd. 1, S. 329. Vgl. zu Bd. 9, S. 14«, Z. 3 ff., sowie Friedlaender, Bd. 2, S. 190.

S. 874, Z. «ff. Vgl. Goethes „Regeln für Schauspieler" in W, Bd. 40, 8. 139 ff.

8. 882, Z. 2ff. VgU Bd. 9, S. 222 f. und die dazu gehörige Anmerkung am Schlosse des Bandes.

8. Sä7, Z. 32. Bei der SchUdenmg vom Endo AureUens, die hier stark an die Onina der Lessingscben „Kmilia Qalotti" gemahnt, hatte Goethe den Tod der feurigen Jungen Schauspielerin Charlotte Ackermann (t 1775) vor Aagen, einer Stiefschwester F. L. Schröders ; vgl. dazu Tb. Lüttke im „Jahrb.", Bd. 5, 8. 84« (1884), und W. v. Biedermann im „Jahrb.", Bd. 1, S. 26 (1880). Goethe lag die Schrift: Ernst Lor. Mich. Rathlef, Beytrag zu den letztem Tagen der Jüngeren Demoiselle M. M. Ch. A*»* (Hamb. 1775) vor. Vgl. die Rolle, die Leasings „Emilia Galotti" auch bei Werthers Tode spielt: Bd. 8, S. 142, Z. 16 f.

8. 890 , Z. 22 ff. In den Gedichten ata erstes des Zyklus „Aus Wilhelm Meister'', „Mignon" Oberschrieben; in dieser Ausgabe Bd. 1, S. 327. Cber das Allgemeine vgl. die Schlu&anmerkung zu Bd. 9, 8. 14«, Z. 3ff. Auch dieses Gedieht erschien im Roman zuerst und gleich mit der Reichardtschen Kumpo- ■itiun. Viktor Uehn führt geUtvoU aus („Jahrb.", Bd. 6, S. 2 13 f.; 1885), daß dieser dreistropbige Zwölfzeiler seinem inneren Wesen nach ein „achtes, dent- sches, den Tiefen der Seele entspnmgene* Sonett" seL Vgl. ferner Friedlaen- der, Bd. 2, 8. 101 1;

ec^ftCÖ ©nc^ (S. 391—459).

S. SOI, Z. 1. Art und Umfang von Goethes Autorschaft an Bach 6 M6t »ich nicht genau bestimmen. Der Arzt, der in Buch 5, Kap. 16 (Bd. 9, S. 383 dieser Ausgabe) das Heft übergibt, bemerkt dabei : nur ber Zitci ifl son meiner ^nb. Jedenfalls liegen mündliche und schriftliche ÄuAerungen des Fräulein Susann» Katbarina v. Klettenberg (1723 74) zugrunde: di i{) btt* ftlbe, au< bercn nntrr^altungen unb »tiefen bie »efenntniffe einer fcbönen Seele entflanbcn („Dichtung und Wahrheit", Buch 8: Ikl. 12, 8. 874 dieser Ausgabe). Sie war eine Cousine von Goetliei Mutter, auf die sie, zumal in deren früher Jag«^nd, Im Ilormhutischen Sinne starken EinfluA übte. De« Kn.%bon Wolf- gang „auf ViTl.in^fcn entworfenes" Gedicht „Poetische Gedanken über die Hollcnfalirt Jt :(u C'liristi'* dankt wohl ihr seine Kntstebang. Der Mittelpunkt der Frankfurter „Süllen Uu I^juide", wirkt« sie aoAcrordenÜlcb tief auch auf

460 Aamerknneren dM Herftusgebera.

Goothe ein, den sie sogar ihren EonvenCikeln zufiilirto. Ihr Tod, den die da- bei anwesende Fran Rat In einem Brief an Lavater vom 26. Olct 1774 („Schrif- ten der G.G.", Bd. 16, S. 252 ff.; 1901) ausführlich beschreibt, erschütterte Goothe tief. Vgl. über sie „Dichtnng and Wahrheit", in dieser Ansg.ibo beson- ders Bd. 12, 8. 374 ff. und 509, Bd. 13, 8. 73, 182 f., 203, 222, 435 f. Goethea Mutter schrieb nach der Lektüre des 6. Buches an ihren Sohn: „Habe Danck daß du der unvergeßlichen Kriettenborg]. noch nach so vielen Jahren ein so schönes Denkmahl gestifftot hast" („Schriften der G.-G.", Bd. 4, S. 93) und im nächsten Briefe (ebenda, Bd. 4, S. 96): „Du mein lieber Sohn! warst von der Vorsehung bestirnt zur Erhaltung und Verbreitung dieser unverwelck- lichen Blätter Gottes Seegen und Tausend Dank davor!" Darnach hat Goethe überkommenes Material selbständig redigiert, wozu auch die Mitteilung an Schiller vom 18. März 1795 („Briefe", Bd. 10, S. 244) stimmt: 34 betaut £uft baä rclifliofe »udj meineä SRomanS auSjuarbeiteiu Über die Bedeutung dieser (Toetheschen Bearbeitung sind die Meinungen geteilt. Dechent (a. ». O., 8. 72) behauptet, die „Bekenntnisse" seien „wesentlich das Eigentum der schö- nen Seele", und glaubt beweisen zu können , daß des Dichters Vorlage nicht bloße Tagebuchaufzeichnungen der Klettenberg gewesen seien, sondern „eine kurz vor ihrem Ende (um 1773) abgefaßte Biograpliie ans einem Gusse" (a. a. O., S. 77). Über Retouchioningen und Abweichungen von den historischen Tatsachen, die Goethe bewußt und sicherlich zum Teil doshalb vorgenommen hat, um noch lebende Personen wenigstens in einer Maske vorzuführen, vgl. Lappenberg, S. 289. Dechent selbst stellt denn auch solche Ungenanigkeiten zusammen ; vgl. a. a. O^ S. 74 f., 137 f., 144, 148 u. s. w. Dennoch geht DechenU wichtiges Buch, das, ebenso wie das Lappenbergsche , auch für alle Kebenper- sonen und Einzelheiten heranzuziehen ist, in dem Versuch, das 6. Buch als autobiographisches Zeugnis für das Fräulein v. Klettonberg in Ansprach zu nehmen, entschieden zu weit. Gegen ihn wendet sich Hans Glagau, Die moderne Selbstbiographie als historische Quelle, S. 60 (Marburg 1903), und Bielschowsky, Bd. 2, S. 690; auch Riemann (a. a. 0„ S. 15—22) vertritt die wohl- begründete Ansicht, daß Buch 6 nicht fremdes literarisches Eigentum darstelle, sondern zum mindesten durch Goethe von Grund ans überarbeitet worden sei. Aufsätze, Briefe und Gedichte der Klottenberg sind bei Lappenberg (S. 1 154) abgedruckt. Einen Nachtrag zu seinem Buche gibt Dechent („Die autobiographische Quelle der Bekenntnisse einer schönen Seele") in den ,,Be- richton des Freien Deutschen Hochstifts", Bd. 13, S. 10—59 (18ü7). Besonders wichtig ist noch H. Funck, Zeim Briefe von Susanna Katharina v. Kleiten- berg an J. K. Lavater, im „Jahrb.", Bd. 16, S. 83 ff. (1S95), und Derselbe, Goothe und Lavater, in den Schriften der „G.-G.", Bd. 16, passim. Vgl. ferner Heinemann, S. 15, 102 f., 116, 219; „Goethes Mutter", S. 54ff. und 70ff.; Düntzer, S. 22 ff.; Erich Schmidt in der „Vierteljahrschrift für Literaturgeschichte", Bd. 6, S. 592 ff. (1893). Weitere Spezialliteratnr, aus der wir noch Varnhagen von Ense Denkwürdigkeiten, Bd. 1, S. 456 ff. (Mannh. 1837), einen Aufsatz R. Jungs in den „Berichten des Freien Deutschen Hochstifts", Bd. 7, S. 55 68 (1891), and W. Beyschlag, Fräulein v. Klettenberg und Goethes „Bekennt- nisse einer schönen Seele" (Elberf. 1862; „Vorträge für das gebildete Publi- kum", Bd. 2) herausheben, gibt Dechent, ». a. O., S. 218 f. und K. Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung, Bd. 4, S. 572 (2. Aufl. , Dresd. 1891). Über Goethes religiöse Anschauungen im allgemeinen, worüber bei den „Wanderjahreu" mehr zu sagen ist, sei hier nur auf Oostorzee, Goethes Stellung zum Christentum (Bielef. 1858), Steck, Goethes religiöser Entwick- lungsgang, in der „Protestantischen Kirchenzeitung", Jahrg. 1880 , Nr. 22 f., und Filtsch, Goethes religiöse Entwicklung (Gotha 1894) verwiesen. Vgl. endlich

nd. 9: Lehrjahr«, Bach 6. 451

Doch nnser« SchlnAanmcrkung zn Bd. 9, S. 423, Z. 5, „Scblllers Briefe", Bd. 4, R. 234 ff., 261 nnd 823, ScbiUer-Hamboldt, 8. 203 f. und drsket (pasrim) , yro Goethe« tahlrtMchn SnlbützQu^iase, Rowie Schiller!), Uumboldts, Lottens v. Stein nnd anderer Glieder dos Ooetheschen Kreises briefliche Äußerungen nnd Vf teile TU finden sind. In der ,,.Tenaischen Al'.Eremeinen Liter.iturzeitung" vom 16. Jnll 1806 hat Goethe ausführlich einen bei Unger erschienenen Roman „Be- kenntnisse einer schönen Seele, von ihr selbst geschrieben" (1806) wohlwollend besprochen (lF,^ßd.40, a 367 ff.).

Z. 2. Der Ausdruck „schöne Seele" begegnet bei Goethe nicht selten; ■o in den ,jA"hrj .ihren" z. B. noch Bd. 10, S. 105, Z. 25 und (von Natalio ge- braucht) Ö. 202, Z. 14, sowie zu S. 84, Z. Iff. Kbenso in den „Geschwist«m" (Bd. 7, 8. 342, Z. 7 dieser Ausgabe). „Briefe", Bd. 10, S. 17 bezeichnet Goethe die Fürstin Gallitzln, ein andermal die Gräfin Werthem (vgl. Düntzer, S. 12) als „schöne Seele". Der BegriflF ist uralt (man denke an Piatos yn>x!i r-aXt]) nnd war, vorzüglich durciiden Pietismus in Aufnahme gebracht, dem 18. Jahr- hundert besonders lieb. Ronsse.<iu braucht ihn oft mit Nachdruck. Wieland Terfafite einen Aufsatz „Was ist eine schöne Seele ?" nnd bedient sich des Ans- druck.<i z. B. Im „Agathon", Buch 13, K.-»p. 7 (Wielands „Werke", heransg. von O. Klee, Bd. 4, 8. 37, Leipz. o. J.). Vor allem spielt er in Kants nnd Schillers moralphilosophisch - ästhetischen Schriften eine Rolle (vgl. besonders „Über Anmut und Würde" nnd „Cbcr die ästhetische Erziehung dos Menschen": Schil- lers „Werke", hcrausg. von L. Bellormann, Bd. 8, S. 95 nnd 250 ff.). Kine riichn NnchblOte erlebte er bei Jean Paul und bei Georg^e S.ind. Vgl. endlich noch die Znsammenstellungen bei Erich Schmidt, Richardson, Rousseau, Goethe, S. 318ff. (Jena 1875), O. Schultz-Gora, Zur Geschichte des Aus- drucks „belle äme", im „Archiv för das Studium der neueren Sprachen", Bd. 100, 8. 163ff. (1898) nntl lUch. M. Meyer, 400 Schlngworte, 8.46 (Sondi-rab- dmck »US den „Jahrbüchern für das klassische Altertum" n. s. w., Leipz. 190(.i).

S. S99, Z. 6. Narzifi ist Job. Daniel v. Ölen sc hl ager (geb. 1711), von dem Goethe in „Dichtung und Wahrheit", Buch 4 (Bd. 12, 8. 178 f. dieser Aus- gabe) spricht. Näheres über ihn in Bd. 12, 8. 499 dieser Ausgabe, sowie Lap- penberg, 8. 183 ff., Dechent, 8. 86 ff. nnd , Jubiläumsausgabe", Bd. 22, 8. 288 f. (zu 8. 185, Z. 7).

8. 400, Z. 33. Die.<ses Haus war das des Gro&vaters Goethes, des Schöffen Textor; hior erelsmete »ich bei einer Gosellschaft im September 1742, an der auch Fräulein v. Klettenberg teilnahm, der im folgenden geschilderte Vorfall. Der Hauptmann ist, den Akten des Frankfurter Stadtarchivs zufolge, ein hos- Kischer Lentn.int Lindlioliiicr. Vgl. darüber A. Riese in den „Berichten des Freien Deutschen Hi.cl.^tifis", Bd. 8, 8. 241—50 (1892).

S. 419, Z. 8. Der Oheim ist Johann Michael v. LoSn (gest. 1776); vgl. aarUber J^appenberg, 8. 189 ff. Diese Figur erfreute in Buch 6 Schiller und ■einen Kreis am meisten. Am 8. Juli 1796 schreibt er an Goethe betreffs des Oheims: „Ka ist unverkennb.ir, daQ Sie in diesen Charakter am meisten von Ihrer eigenen Natur gelejjt liahen" (.,.Sdiiller« Briefe", Bd. 5, S. 9).

8. 420, Z. 22 f. Fräulein v. Klettenborg gehörte in Wahrheit keinem Stifte an: Dechent, 8. 136. Vielleicht bewog den Dichter zu dieser Fiktion auch ein Porträt, das die Fnmndln, vlerundvierzif^ährig, in Nonnentnicht vorstellt; dieses Bild i.st z. B. reproduziert In „Dichtung nnd Wahrheit von Wolfgang V. Goethe, illustr. und kommentierte Ausgabe...., berausg. von Richard WUIker", 8. 2.'i4 (Leipz. 1903).

S. 4258, 7.. 32. Susanna v. Klettenberg bedient «Ich anch in ihren Briefen mohrfarh englischer AnsdrQcke: Lappenberg, 8. 141, 145f.

S. 423 , Z. b. Hier ist vor allem an Lavater gedacht nnd an sotno Schrift

462 Anitiorkungen dos Heransgebeni.

„Über die Macht des Gebetes", die er 1773 In seinem „Abgenötigten Olaabenn- bekenntnis" welter ausführte. Vgl. besonders „Schriften der Ö. -O.", Bd. 16 (1901): H. Fnnck, Goethe und Lavater; femer Dechent, 8. 183-ff. In I^- vaters Tagebuch vom 24. Juni 1774 (Funck, a. a. O., S. 282) heißt es: „Kine Weile bey Klottenberg: allein a. mit Goethe. Ein herrlicher Abend, von Gebetherhörungen." Lavater nannte sie „Cordata" (Punck, S. 286 ff. n. a.); über seine Beziehungen zur „Schönen Seele", zu Goethe In der Klettonberg- Poriode und zu Buch 6 der „Lehrjahre" vgl. bei Funck noch besonders a. a. O., S. 324, 340 f., 368 f.

S. 426, Z. 30. Philo ist der namhafte, ans Stuttgart stammende Staats- rechtlor Friedrich Karl Freiherr v. Moser (1723—98), der von 1752—56 and von 1759 64 als hessischer Legationsrat in Frankfurt lebte. Goethe spricht von seinem „sehr bedeutenden EinfluJB" für ihn In „Dichtung und Wahrheit", Buch 2 (Bd. 12, S. 93 ff. dieser Ausgabe; vgl. auch ebenda, Bd. 13, 8. 73). Näheres über ihn bei Lappenberg, S. 205 ff., Ledderhose, Ans dem Leben und Schriften Fr. K. von Mosers (Ileidelb. 1871), bei Dechent, a.a.O., 8.105 ff., und in den „Schriften der G.-G.", Bd. 16, S. 287 f. (1901).

S. 427, Z. 2. Die Bezeichnung der „Stillen Im Lande" fUr Pietisten findet sich auch In Bd. 11, S. 137, Z. 31 dieser Ausgabe.

8.43.'!, Z. 4. Der Oberhofprediger ist Joh. Phil. Fresenius (gest. 1761), von dem Goethe in „Dichtung und Wahriieit", Buch 4 (Bd. 12, 8. 164 dieser Ausgabe) berichtet. Er war der Seelsorger der Familie Textor und hatte Goethes Eltern getraut sowie ihn selbst getauft. Er ist der Verfasser eines noch im Jahre 1833 iu 8. Auflage erschienenen „Beicht- und Komraunions- buches"; vgl. über ihn Lappenberg, S. 227 ff., Dechent, S. lOlff., und Der- selbe, Die Seelsorger der Goetheschen Familie, im „J.nhrb.", Bd. 11, 8. 159 ff. (1890); fenier „Jubiläumsausgabe", Bd. 22, S. 286 (zu S. 168, Z. 12). Lavater über ihn in den „Schriften der G.-G.", Bd. 16, 8. 288 f.

S. 485, Z. 26. Über diesen adeligen Apostel, einen Herrn v. Biilow, vgl. Lappenberg, S. 242 ff.

S. 440, Z. 32. Dasselbe Motiv Bd. 10, S. 192, Z. 15 ff. dieser Ausgabe.

S. 452, Z. 31. Gemeint ist Friedrich Wenzel Neißer; vgl. über ihn Lappenberg , S. 247 ff. und 137 ff. (wo vier Briefe der Klettenberg an ihn ab- gedruckt sind), sowie Dechent, S. 146 ff.

S. 453, Z. 5. Gemeint ist ein ehemaliger genuesischer Hauptmann Johannes Loretz aus Graubünden (Lappenberg, 8.249, und Dechent, S. 147 ff.).

S. 4o4, Z. 5. Der Arzt ist der in Frankfurt lebende Dr. med. J. Fr. Metz (1724 82); derselbe, dessen geheimnisvollem Mittel Goethe im Jahre 1769 seine Genesung dankte; vgl. über ihn Dechent, S. 149 und 151, sowie „Schriften der G.-G.", Bd. 16, S. 253, 255 f, 289 (1901).

8. 456, Z. )9ff. Vgl. zu S. 108, Z. 33 ff.

Bd. 9 nnd 10: T.chijahre, Buch 6 nnd 7. 453

Anmerkungen des Heransgebers

zu Band 10.

mii^tlm S!)?ciftcrg Sc^rja^rc (Schluß)

(S. 1—202).

Vorbemerkung.

Der vorliogenJen Ausgabe von Goethes Koman .jWiUielin Meisters Lehr- jahre", Buch 7 und 8, wurde zugrunde gelegt:

N SBtl^elm 5Dleiflcr8 üc^rja^re, Gin SRomon. ^«rauSgcgebcn von (Soet^e. »crltn. »«9 3o^ann griebri^ Ungcr. 1795—1796, (4 Bde. Kl. S».) In Bd. 4 (1796), 8. 1 507 : Buch 7 und 8 unseres Rom.ans. Auch unter dem Titel : ®oet^eä 9Jeue Schriften. ZiniUx bis geengter »anb. iWit ÄurfilrftL gäc^f. |5rit»He» gium. SScrlin. S3« 3o^ann gvtebrie^ Unger. 1795—1796. Zur Vergleichung herangezogen wurden: i/^= Handschrift des siebenten Buches (wie sie in TF Torliegt) , die einzige, die uns von „Wilhelm Meisters Lehrjahren" erhalten ist, und zwar durch den glücklichen Zufall, daA Schiller das am 23. Juni 1796 („Schillers Briefe", Bd. 4, 8. 486) erbetene „Concept vom siebenten Buche, wovon die Abschrift filr Ungern gemacht ist", nicht an Goethe zurückgab. H amfafit 140 Qnart- blätter, ist von Goethe seinem Sekretär Geist diktiert und von ihm Reibst eigenhiindig dnrchgebessert worden. Näheres über /7in TT, Bd. 23, 8. 313 f.

y - ■= Ein fehlerhafter Nebendmck von N, der von Bedeutung ist, da er später an Stelle des echten Druckes N^ bei der Textrevision für Ä zugrunde ge- legt wurde; vgl. darüber TV, Bd. 23, 8. 314 f.

A = Soet^e'« SBerfe. tübingcn in ber 3- ®. Eotta'fc^en SSut^^anblung. 1806 —1810 (13 Bde. 8 0): Bd. 3 (1806), S. 227— 534.

n = ®oft^« SBerfe. Stuttgart unb Tübingen, in ber 3. ®. Gotta'f(^en »Ui^» ^anblung. 1815— 1819 (20 Bde. 8 <>): Bd. 4 (1816), 8. 227— 534.

B » = «oet^e"« SBerfe. DriginotJluggabe. fflien. »<v C^r. Äoulfuft unb «. Strm« brwfler. Stuttgart 3n ber 3. ®. (lotta'fe^en »u(^^anblung. (5icbrucft bei; Bnton Strauß 1810—22 (26 Bde. 8"^: Bd. 4 (1816), 8. 201— 604.

C' = ®oet^e'« ffierfe. SoüftcinMi^e Äuägobe Icjter ^nb. Unter bc« bur(^(au(5« tigflen beutft^en Bunbcä fi^üjenben ?rit)ilegien. Stuttgart unb Tübingen, in ber 3. ®. Sotta'fc^en Suc^^anblung. 1827—80 (40 Bde. Kl. 8°); Bd. 20 (1830), 8. 1—308.

C = dieselbe Austrabe in 8".

W ^^ Goethes Werke. Ilcransg. Im Auftrage der Orofiberaogin Sophie von Sachsen, Bd. 23 (1901; Weim. 1887 ff.). PieOrth ographie unserer Ausgabe ist dieDndenschc mit der fQr„MeyerN

Kl.i.isiker- Bibliothek" durchweg geltenden ICinscbrünkung, daA Änderungen,

welche den I^ut oder die Silbonzahl betreffen, strengstens ausgeschlossen sind.

Auch die I n t e r p u n k 1 1 o n , die sich mehr an C aU an AT anschließt, ist malivolt

modernisiert worden.

Die Abkürzungen für bftnfig angeführte Werke aind dieeelben wie ol>en S. 441 f.

464- AnmerVnnpen des TTerauFgeber».

©ic&cttteS )Ba(^ (S. 1—83).

S. 1, Z. 1 flf. In Bielschowskys niisfiihrlicher An.ilj-so des Romans (a. a. O., Bd. 2, S. 128 fif.) ist besonders zu rülimon, wie er die Bedeutuncf des 6. Buohes für die Ökonomie des Ganzen entwickelt und es durchaus als organischen Be- standteil der Gesamtdiclitung aufzuzeigen weiü. Vgl. zum Beginn des 7. Buches a. a. O., Bd. 2, S. 162 f.: „In schöner Symbolik hat Goethe den Eindruck auf Wilhelm dargestellt. Der Frühling ist in voller Pracht hereingebrochen; ein stürmisches Gewitter ist im Abzüge, und ein herrlicher Regenbogen glänzt über der liandsehaft. Die Bekenntnisse haben auf Wilhelm gewirkt wie Iphi- geniens Nähe auf Orest. Dort treffen wir auch die Bilder vom Gewitter und Regenbogen wieder. ,Die Erde dampft erquickenden Geruch und ladet mich auf ihren Flächen ein , nach Lebensfreud' und großer Tat zu jagen'."

Z. Iff. Am 23. Mai 1796 sclueibt Schiller an Kömer: „Vom Meister habe ich das 7 te Buch im Manuscript gelesen , und begreife nun , wie er im 8ten fertig werden kann und muß. Der Roman Ist, was das innere Wesen und den eigentlichen Geist betrifft, schon mit diesem 7ten Buche aufgelöst, welches wieder vortrefflich ist" („Schillers Briefe", Bd. 4, S. 451).

Z. 8. Auf on folgt: Zrätten lamen i§m in bie Slugen unrolOIÜrlic^ unb o^ne ?5eranlaffung. H.

Z. 9 f. Vgl. Goethes Gedichte : ^axt ®ebi^t, tote 5!egenBogen Strb nur auf bunKen ©ruiib gejogen (Bd. 2, S. 53 dieser Ausgabe) und SBenn ju ber SRegen» roanb !)3t)ö&uä fic^ gnttet (Bd. 4, S. 206 dieser Ausgabe).

Z. 18. Auf ^inftrebt. folgt mit Alinea : <rer SHegen tDcnbcte jid^, «unb» ber aieifenbe roarb genötiget abjuftcigcn unb ben Übcrrod ou« betn a«antelfac( ^ert)or= äUjie^en, er ^atte nic^t geglaubt feiner an bcm Reitern Sage ju Bebürfcn. Unter nnbcru ©ac^en brat^te er aud^ jugleic^ ben Schleier bc§ ®cifteä mit ^cn)or.> U. Daran schließen sich weiter in H unmittelbar die Worte auf S. 5, Z. 23 27: 2)er bis jurüdE !, die in einer Abschrift auf einem besonders eingeklebten Blatte an jener späteren Stelle eingefüg^t worden sind.

8. 2, Z. 6. betriegen B* C C (so immer).

S. 4, Z. 4. Artigen H.

S. 6, Z. 3. ©onberbare Zraumbilber ; vgl. Riemann, S. 15 und 24. Dieser Traum dient dazu, nach der langen Abschweifung des 6. Baches die handeln- den Personen dem Leser wieder nahe zu bringen.

S. 8, Z. 5. Ein Vorbild zu Lydle (der Name zuerst S. 10, Z. 31 genannt) findet E. V. Zenker (Beilage zur „AJlgemeinen Zeitung" vom ?0. Juni 1889, Nr. 199) in der Marqnise Branconi, was W. v. Biedermann in der wissenschaftl. Beilage der „Leipziger Zeitung" vom 24. Okt. 1889 mit Recht entschieden ablehnt; vgl. auch zu Bd. 9, S. 291, Z. 9.

S. 10, Z. 31. Siibie H (so immer).

8. 12, Z. 18ff. Amerika. Vgl. S. 117, Z. 19 dieses Bandes, Bd. 9, S. 289, Z. 6, und Bd. 11, S. 89 dieser Ausgabe, sowie Max Koch in den „Berichten des Freien deutschen Hochstifts", Bd. 10, 8. 489 (1894), wo ein Überblick von Goethes Äußerungen über die neue Welt geboten wird. Dazu nehme man ..Gespräche", Bd. 3, S. 185 und 314; Bd. 4, S. 12; Bd. 5, S. 21 und 167 ff.; Bd. 7,

Z. 26. nirgenbä H N (so immer). [S. 150.

Z. 34. nic^t fehlt H.

S. 13, Z. 30. »rübergemeinbe N^ Srübergemeine HN^—C.

8. 18, Z. 19. Auf roeinten." folgt mit AJinea: <3d^ glaube ber (Seifllft^e 5at aufgejetdpnet, cerfe^te ber 2lrjt.> E.

Z. 24. Auf üinb?" folgt: <jDiefe Umflönbe, oon bent [so] Sie mir evjä^iten, foBten bod^ Q^re Keugierbe aufä ^öc^fte gereist ^a6en.> H.

Bd. 10: Lehrjahre, Buch 7. 465

S. 21, Z. 5. Die Gestalt Thereseas mag von Betty Jacobi ZQge entlehnt haben, die Goethe In „Dichtung und Wahrheit", Buch 14 (Bd. 13, 8. 192 dieser Ausgabe), tun eines abnlicheu Charakters rühmt: £>ie lejtgebai^te voax geeignet, mü^ oödig ein}une^nien: o^ne eine Spur oon Sentimentalität richtig fül^lenb, fic^ mtinter ouibrücfenb, eine ^erriic^e SRieberlSnberin, bie, o^ne Sudbrud con Sinnlici^' teit, burc^ i^r tüc^ticic3 äSefen an bie iRubendfc^en grauen erinnerte.

Z. 29. Cljngcaijtet US—B^ (lo meist).

S. ä , Z. 6 f. Crft bU ober ] g über <erft fehlten er immer nur 3«!»«" J" befugen, bann fa^ er fte mäfi mtfft unb au($ mic^ nur juneilen an einem anbem Drt unb »erilo^Ien> H.

Z. 13. ein ^immlifc^el ] baS glücl[i(^fle IL

S. 28, Z. 22. geworben, wenn man etroaä fertig nennen barf Ä

S. A4, Z. 16. <jungcn> Kanne« //.

Z. 27, joorb {g aus war) HN A B^ war B C^ C.

Z. 34 bis S. 25 , Z. 1. wir bis felbft, BN^ wir erfl rex^t nur felbfl, iV' wir nur ertt bann re^t wir felbfi, Ä 0.

S. 25, Z. 2. i<if gesperrt H.

Z. 22. tieinei N~C ]. In H steht gleic^ed, was vielleicht nur durch ein Versebon um seine Geltung gekommen ist.

8.27, Z.2. wunbeni if A'J; in JV> auf der letzten Zeile; in N* fort- gelassen und weiterhin in Ä C t)erwunbem dafür wieder eingesetzt.

Z. 17 24. 8tUig bis Srout" ] <So ifl, rief er au8, wenn ic^ bcreinfl meine 9majone wieber ontreffe, biefe ©eftalt aüer (Seftoiten, wenn mt^ bie a^nbung nic^t trügt, trof meiner wunberKt^en Zräume ju meiner SJeft^ämung unb l:emiltigung feine »rttut> U.

8. 28, Z. 2. biefer SSefie II N^ biefer äBelt y^—C (erst Bcmays hat diesen Fehler entdeckt); Düntzer (a. a. O., S. 83 f.) konjiziort biefem äBefen.

Z. 17. Anf jeigt folgt: eine fotc^e fi[ar^eit an, jeigt mir H.

Z. 32. Auf an. folgt kein Absatz II y.

8. 29, Z. 22. liebte bis äugcnbltcf, ] g für <»erac5tete mic^ unb ic^ erinnere ndd), boj fie me^r aU einmal mit »itterfeit miebcr^o[te : wenn bie IRutter fo un* gewi^ fein (önnte aU ber i^ater, fo wUrbe man fc^werlic^ biefe 3){agb cor meine Zodf ter ^alten> H. Diese Bemerkung bat dann S. 30, Z. 27 31 ihren Platz gefunden.

8. SO, Z. 26. Wriner bis fein, ] g aus äReine Siutter li<eg ftc^ t>ai fo weit eefaaen> a.

Z. 31. leugnete IfA Uiugnete B^ leugne HB (äugne O^C

8. 81, Z. 24. war bis boc^ fehlt if.

Z. 30 fr. Düntzer (S. 123, Anm.) möchte in der abonteueniden Fr«u v. Saint Albas ein freie« Abbild der Qrüän Werthern sehen, die mit dem Bergrat v. Kin- ■iodel nach Afrika ging.

Z. 34 bis S. 82, Z. 2. enbtic^ bis einjuwiOigen ] enblii^ : i^ eine <anfebn[i4ie> Summe, bie ic^ ni(^t erfuhr, )u oerwiOigen, mit weicher fte eine 9(ei|e nac^ bem fiib(i(^en ^ranCreic^ antrat U.

S. 82, Z. 1. Wohl bewnbt« Anspielung anf TbUmrools leichtfertigen Ko- man T'rovinzen von Frankreich", dem nachmals

n.>. •..r G.G.", Bd. 8 [1893], 8. 84, Nr. 73«: Sieifen

inä , :., ,.

Z ö. abtauftf J g aas ertoufte H.

Z. 10 ff. Die ,4ierliner KlinUehe Wochenschrift", Jahrg. 1875, Nr. 23, rQhmt Goethe, daA er, obwohl der Symptomkomploz der Aphasie zuerst 1820 von Lordat aufgestellt worden sei, bereits in den „L(<hrjahren" „mit feinem Gefühl . . . einen Fall von Aphasie mit rechtsseitiger IJihmung ganz nebenher und doch mit vollster Dentlicbkeit beschrieben hat". VfL den Abdruck dleeer

fficf'Oe \'. 30

^ßß Anmerkungen dos IIcrauRgnbem.

Notiz Im „Jahrb.", Bd. IC, 8. 192 t (1895). Dazu neLiuo man den In den „Wander- jahren", Bachs, Kap. 13 boschricbenon anderen Fall von Aph.-uiiu und ihrem plötzlicbon Aufhören.

55. 11. reinen ] oolHommncn g für rid[itigert //.

Z. 80. gönnen g über <flcten> H.

S. 88, Z. 6—11. ®cnn bis fe[6ft ] SonberBar \d)itn mir ba&cl baß baS 2;eftanient nac^ meiner ®eburt gemacht mar lt.

Z. 30. an ^anben gc^n Iiy.

S. 85, Z. 6 32. tnbeffen bis onfte^ft? ] <iubeffen l^alten baS oiele nid;t für oome^m genug unb glauben fei i^rer Seftimmung gemäßer i^reu (Scifi auä» jubilben, wie mon nennt unb ftdj inbefjen oon i^rcn Someftifen bc^errfc^cn ju Iaffen> H.

S. 86, Z. 27. nun aud) fehlt H.

S. 40, Z. 4. jurücf <eä war eine ^crrlic^e Same> H.

S. 42, Z. 7. Auf SBo^ltätigfcit folgt: unb ©efc^äftigfcit H.

Z. 8. cianem fehlt II.

S. 44, Z. 24 ff. Nach Lektüre der Handschrift dieses Buches schrieb Schiller am 5. Juli 1796 („Schillers Briefe", Bd. 5, S. 15) an Goethe: „Manchem wird es wunderbar vorkommen, daß ein Roman, der so gar nichts ,sanscQlot- tischea' hat, vielmehr an manchen Stellen der Aristokratie das Wort zu reden scheint, mit drey Heurathen endigt, die alle drey Miüliourathen sind." Darauf- hin fügte Goethe, einem Schillerschen Vorschlage folgend, die obige Stelle ein; vgl. seine Beilage zum Brief an Schiller vom 9. Juli 1796 (17, Bd. 21, S. 333): iiot^arlo lann bcg ®e[egenf)eit, ba er oon ber Sliiftjebung be« geubal Sgfte^m? fpric^t, etroaä äußern roaä auf bie ^eirat^cn am Sc^iuffe eine fveperc 3Iuffic§t giefct. Der Zusatz war allerdings nötig, wenn man sich der Stelle in Buch 3 (Bd. 9, S. 196, Z. 20 dieser Ausgabe) erinnert, wo von der „ungeheuren Kluft der Ge- burt und des Standes" zwischen Wilhelm und der Gräfin die Rede ist. Ge- sprächsweise kam Goethe um das Jahr 1819 (?) noch einmal auf den Punkt zurück : vgl. „Ge.spräche", Bd. 8 , S. 352 und 356.

S. 47, Z. 6 ff. Bei Lotharios Ritt zu der einst geliebten Pächterstochter Margarete scliwebt Goethe sein im September 1779 unternommener Besuch bei Friederike Brion in Sesenheim vor, den er Charlotten v. Stein (vgl. „Briefe", Bd. 4, S. 66 f.) ausführlich beschreibt Vgl. auch in den „Wanderjahren" (Buch 1, Kap. 11) Lenardos Besuch im Pächterhanse.

Z. 31. oer^eurat^et H.

S. 48, Z. 3. oi^ngefä^r SN—B^ (*o meut).

S. 49, Z. 26. i^r ] mir Gl C Druckfehler.

S. 60, Z. 3 ff. Vgl. den Zyklus von Liebes- und Gespenstergeschichten in dou „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderton".

Z. 13ff. Durchaus eigene Erfahrung des Dichters, die ganz ähnlich in „Dichtung und AVahrheit", Buch 13 (Bd. 13, S. 126 dieser Ausgabe) zum Aus- druck kommt.

S. 61 , Z. 14. M.an mag bei dieser Stelle an Cornelie Goethe denken.

S. &*, Z. 19 ff. Vgl. „Italienische Reise«, 2. Dez. 1786 (Bd. 14, 8. 168 die.ser Ausgabe): fo jeigt fidj ber Orangenbaum mit Stuten, ^alb unb gonj reifen grüßten.

S. 55, Z. 27. Dies späte Wiedererkennen ist mit Rücksieht auf Bd. 10, R. 52, Z. 14, trotz Bd. 9, S. 278, Z. 20ff. und S. 311, Z. Stf., etwas dürftig motiviert.

S. 61 , Z. 1 ff. Goethes große psychologische Darstellnngsknnst in dieser Erzählung mutet in Barbaras Munde recht unwahrscheinlich und stilwidrig an.

S. 70, Z. 18. tjorgefpielt C Druckfehler.

nd. 10; LolirJ»hre, Buch 7 nnd 8. 467

8. 75, Z. 34 ff. Vgl. d&zn „Hermann und Dorothea", Ges. 5, V. 69f.

S. V6, Z. 2. oerlangt C^ 0 Druckfehler.

S. 78, Z. 17 ff. Für die Ausgestaltung des Ordenswesens bei Goethe nimmt Edmund O. v. Lippmann im ..Jahrb.", Bd. 15, S. 268 (1894) Piatos Dialog „Der Staat" als Qnelle an. In erster Linie aber kommen freiuiaurerische Bezüge in Betracht, vgl. darüber J. Pietsch, J. W. v. Goethe als Freimaurer (Leipi. 1880) und „Jahrb.", Bd. 2, S. 523 (1831), wo einige weitere Literatur angegeben Ist, Fenier besortiers : Veit V a 1 e n t i n , Goethes Freimaurerei in seinen nlcht- freimanrerischen Dichtungen, im „J.ihrb.", Bd. 22, S. 139 ff. (1901), namentlich S. 145, und endlich noch Guhrauer In den „Jahrbüchern der Literatur", Bd. 116, , Anzeigeblatt, 8. 100 ff. (Wien 1846). Man denke auch an die Rosenkreuzer-Loge im „GroB-CophU" (1791) und an Mozarts „Zauberflöte" (1791), deren Text Goethe 1798 In „Der Zanberflöte zweitem Teil" fortsetzte. Dem Tempelritterorden zu Wetzlar (vgl. Bd. 13, S. 93 ff.), der „Arkadia" in Rom (vgl. Bd. 15, S. 159 ff.) ge- hörte Goethe selbst an, wie seit 1780 der Loge „Amalia" in Weimar; vgl. dar- über den Gedichtzyklus „Loge" in Bd. 2, S. 117 123 dieser Ausgabe und lleinemanns Nachweise und Literatnrangaben in den betreffenden Anmerkungen am Schluase desselben Bandes. Hippels (des Verfassers der „Freyinäurer- reden", 1768) „Kreuz- und Quorzüge des Ritters A bis Z" (1793 f.) behandeln die geheimbündlerischen Neigungen der Zeit satirisch. Vgl. Dlintzer, S. 8öf.

S. Sl, Z. 17 f. tie bis flü^^tig entspricht dem berühm^en Anfang der „Aphorismen" des Hippokratos : „Vita brevis, ars longa, occasio praeceps, ex- perientia fallax, Judicium difflcile" (Medicorum graecorum Opera quae exstant, ed. & O. Kühn, 8. 706; Leipz. 1827). Über mögliche Beeinflussung durch Hippel oder Haller: Riouiann, S. 127f.

ajr^tcö iBu* (S. 84—204).

S. &t , Z. 1 ff. Für dieses, von Schiller im Manuskript gelesene und viel- fach beeinflußte Buch vgl. besonders seine Briefe an Goethe vom Juni und Juli 1796 sowie folgendes am 9. Juli desselben Jahres an Schiller gesandte Brief- beiblatt Goethes {W, Bd. 21, S. 333):

3um achten 9u((e. 1.) TAt fenttmentaU ^ovberung bei) üJltgnonä 2ob ju befriebigen. 2.) Jia Sorjditag »e« balfamiren« unb bie .-HcfleEion über boä iöaab jurücf ju rücfen. 3.) Sot^ario fonn bep ©elegen^eit, ba er von äuf^cbung beä geubal Sgfte^m« fpri^t, etroa« äußern toa« auf bie -teirat^en om S^luffe eine frepcre Shif' fic^t giebt. 4.) 55<r üJiorfcfe loirb früher erroä^nt, ol« greuub be« D^eim«. 6.) Xai ^läbifat ber fc^iänen Seele roirb auf aiatolien abgeleitet 6.) Dte ttrfc^einunfl ber (9räftn wirb motioiit [aus mobifUtJ. 7.) ffiernei« Äinbern roirb etwa« oon i^iren ^o^ren abaenoinmett. 8. 80, Z. 18. SJombre iV— tt 8. »7 , Z. 5. »icter N—G, Z.U. ,&au«^)aUif(^ tr—BK

Z. 15 ff. 3<^ fe^e jle Im Seifte . . . fbor einen „chronologlHchen Verstoft" in der handschriftlichen Fassung dieser Stelle vgl. Oraef, Bd. l, S. S22f. 8. SH, Z. 15. erinnerten N~C.

S.W, Z. 1 ff. Ix)tli:irii>s Ausführungen decken sich vielfach mit denen, die Im Jalire 1793 Justizrat v. Münchhausen In seiner Schrift „Vom Lehns- mann und Dienstmann" niedergelegt hatte; vgl. Düntzor In seiner Ausgabe (Kürschners „Deutsche Natlonallitoratur", Bd. 96, Abt. 2, 8. 22H; Stuttg. o. J.) tu dieser Stelle.

ÖO*

468 Anmerkungen de« Herausgeben).

S. 90, Z.2. aßavtefe N—0^ (to immer). Die ICiiifnhrung des MareheM Cipriani wird auf Schillera Rat fUr den Druck besser uioUviort als in def Handschrift; vgl. „Schillers Briefo", Bd. 5, 8. 5, und die zu 8. 84, Z. Iff. dieses Bandes abgedruckten Notizen Goethes.

S. 100, Z. 4 S. Man fühlt sich bei dieser Beschreibung sowohl an das Frank- furter wie an das Woiinarer Goethe -Uaus erinnert.

S. 103, Z. llflf. In den Gedichten als drittes der „Mignon"- Lieder in dem Zyklus „Aus Wilhelm Meister"; in dieser Ausgabe Bd. 1, S. 328. Vgl. iui all- gemeinen das oben zu Bd. 9 , 8. 146 , Z. S ff. in den Schlu&anmerkungon Ge- sagte. Aach dieses Lied, das einzige des 8. Buches, in einer Abschrift von Schillers Uand erhalten, erlebte im Koman den ersten Druck. Es sollte anfäng- lich in den „Musenalmanach auf das Jahr 1797" kommen: „Briefe", Bd. 11, 8. 106 und 109, sowie „Schillers Briefe", Bd. 4 , S. 464. Auf Schiller machte gerade dieses Gedicht den tiefsten Eindruck; „es ist himmlisch, es geht nichts dar- über", schreibt er an Körner („Schillers Briefe", Bd. 4, S. 466); vgl. femer „Schillers Briefe", Bd. 4, S. 467, und ebenda Bd. 5, S. 4, wo er unter dem 2. Juli 1796 an Goethe schreibt: „Besonders schmelzte das letzte Lied das Herz zu der tiefsten Rührung." Unter anderen hat bekanntlich Franz Schu- bert (in Op. 62) das Lied in Musik gesetzt, eine andere, nachgelassene, nicht weniger bedeutende Komposition von ihm hat Friedlaonder in seine Sammlung aufgenommen: „Schriften der G.-G.", Bd. 11, 8. 108 ff. und 147, sowie Fried- laender, Bd. 2, 8. 192. In Viktor Hehns schönem Aufsatze „Goethe und die Sprache der Bibel" („Jahrb.", Bd. 8, 8. 186 202; 1887) wird auch der „Wil- helm Meister" nach dieser Seite hin besprochen und besonders das obige Bild, das Anklänge an die Offenbarung Johannis, Kap. 6, V. 11, und an Hiob, Kap. 16, V. 19, aufweist (vgl. a. a. O., S. 195 f.).

S. 104, Z. 32. a^nlidje B C> C Druckfehler.

S. 116, Z. 5. ^onbelgroetfe N.

S. 121, Z. 31. fie N—C^ i(5 C Druckfehler,

S. 128, Z. 11. €onft fehlt N.

S. 128, Z. 11 ff. FUr den „Saal der Vergangenheit" macht Riemann (a. a. O., S. 19 ff.) ein beachtenswertes Vorbild in Hippels ,J^ebensläufen nach aufstei« gender Linie" (Teil 3, Bd. 1, 8. 45 ff.; Berl. 1781) namhaft.

S. 129, Z. 32. Zu der Losung „Gedenke zu leben", der Quintessenz des ganzen Romans wie des ganzen Goetheschen Dichtens, vgl. das Gedicht „Schwe- bender Genius über der Erdkugel" (Bd. 2, S. 401 dieser Ausgabe): Memento mori! gibt'ä genug

S>i-um, alä eilt oUer Änafterbart,

Cmpfe^l' id^ bir docendo:

ajJein teurer gfreunb, ttac^ beiner Slrt,

Kur irivere memento! „Memento mori" ist die Grußformel des Trappistenordens (vgl. „Wanderjahro", Buch 8, Kap. 1). Fräulein v. Klettenberg schrieb an den Mohrunger Pfarrer Sebastian Friedrich Trescho, der im Jahre 1762 seine sogen. Sterbebibel, be- titelt „Kunst selig und fröhlich zu sterben", hatte erscheinen lassen: „Sie liaben uns die Kunst zu sterben geschildert; möchten Sie doch auch einmal . . . etwas von der Kunst, glücklich zu leben, unternehmen" (Dechent, 8. 141 f.). Die Devise „Gedenke zu leben" fand auch besonders Schillers ganzen Beifall („Schillers Briefe", Bd. 5, 8. 9).

S. 132 , Z. 7 ff. Goethe hat wohl die nach Raffaelschen Kartons gewebten Teppiche vor Augen, die zu Fronleichnam in den Kolonnaden der Feterskirche

ßd. 10: I^hrjahre, Bach 8. 469

»ns;jphRn(rt rti werden pflegten, ond über die er sich Im Anfang des „Zweiten Römi " thalU" (Bd. 15, 8. 11 dieser Ausgabe) bewundernd ausspricht;

vgl. liscbe Reise", 31. Mai 17S7: Bd. 14, S. 382 dieser Ausgabe.

Über: , : - .-i die Anregung zu dieser Schilderung wahrscheinlich Kolum- barien, wie sie Qoethe In Rom gesehen hatte.

Z. 25 ff. Zum ErniUcr dieüer Qoetheschen Gedanken wurde Richard Wagner mit den^verdecliten Orchester des Bayreuther Festspielhauses.

S. 188, Z. 20 ff. Dies erneute Eingehen auf den „Lehrbrief" (Bd. 10, 8. 81 f), der kommentiert und erweitert wird, dürfte auf eine Anregnng des Schiller- Bchen Briefes vom 9. Juli 1796 („Schillers Briefe", Bd. 5, S.26) zurückzufuhren sein.

S. 148, Z. 26. Von den „Acerra philologica" spricht Qoethe auch in „Dichtung und Wahrheit", Buch 1 (Bd. 12, S. 47 dieser Ausgabe) und ebenso «ein Freund und Romanvorgänger Karl Philipp Moritz im „Anton Reiser" (herausg. von 0. Ellingor in den „Deutschen Literaturdenkmalen", Bd. 23, S. 21 und 164). Goethe erwähnt übrigens Anton Reiser zweimal in den „Wander- jahren": Bd. 11, S. und 118 dieser Ausgabe.

S. lt>l, Z. 15. Amerika. Vgl. zu S. 12, Z. 18 ff. dieses Bandes.

S. 159, Z. 11. gtaltöncr . . . ($o immer).

8. IBö, Z. 14. Se^aufpieler :f—0^ Sc^aufpiele 0 Druckfehler.

S. 160, Z. 9. Cjequien SDlignon« wie im „Ur- Faust" („Goethes ,Fanst* in ursprOnsücher Gestalt" . . . herausg. von Erich Schmidt, S. 75; 3. Abdruck, Weim. 1894), Cjequien ber 9Rutter Sretgen«. Vgl. auch, was Goethe im „Zweiten Römischen Aufenthalt" (Bd. 15, 8. 212) von den Cfjequien b«ä Äorbinal Si«conti berichtet Zu den „trochäisch daktylUcben, meist glykoneenartigen Reihen" der vorgetragenen Gesänge vgl. H. Henkel, Goethes rhythmische Prosa, im „Jahrb.", Bd. 21, S. 266 (1900), sowie Riemann, S. 145 ff. Auch hier ist an Vor bilder, besonders an Wielands „Agathen" zu erinnern.

S. 170, Z. 2 f. juglei^ JV— fogJeif^ O Druckfehler.

S. 175, Z. 23. mir N-C^ ml(5 C Druckfehler.

8. 177 , Z. 28 f. gciftü(^en fehlt N.

8. 181 , Z. 27. Saum NA B > Schaum B C^ C.

8. 1*4 , Z. 23. Mit der Bestattung Speratas und der Wunderwlrknng ihrer laiche vgl. tUe Cttilions In den „Wahlverwandtschaften" (Bd. 8, 8. 435 f. dieser Ausgabe).

S. 186, Z. 29. ?cvfon ffi Si ifl ju flberlegcn, roa« iiir hm, N^ ^orfon tft Si ifl bis t^un, N* fcifon ift? Überlegen tolr, wo« ju t^un fC9, A—ü.

8. 192, Z. 15 ff. Vgl. Bd. 9, 8. 440, Z. 20 ff.

Z. 22. »Icifler, Ä—C^ Wificr, iV». Ich halte SRifJer, da« auch von }V (wo übrigens die Lesarten falsch angegeben sind) übernommen ist, für einen bloben Druckfehler. Da» bloße „Mister" ist auch keine Anrede im Englischen.

S. 188, Z. 6 ff. Daü der Gr;if Wilhelmen durch seine solt-i.ime Vennutung gleichsam adelt und der Gesellscli.ift ebenbürtig macht, geht auf einen Rat Schillers zurück : „Schillers Briefe", Bd. 5, 8.29.

8. lOfl, Z. 10 ff. Mit dieser Szene vgl. die ähnliche der „Wahlverwandt- schaften" (Bd. 8, 8. 404 ff. dieser Ausgabe), wo die Liebendon, Charlotte nnd der M.ijor, während der Nacht an der Leiche des Kinde« wellen.

S. iW, Z. 15 ff. Diese schwachen Verse lassen sich als Zitat (ana irgend einem Libretto etwa) nicht belegen, strinmen also wohl von Goethe.

S. ao2, Z. 18. ^anbe(«roetfe If.

470 Anmerkungen des IIorauRgeberfl.

Uutcrljnltuugctt bcntfc^ci* 5(u§gcttianbcrtctt

(S. 205 342).

Vorbemerkung.

Der vorliegenden Ausgabe wurde zu Grunde gelogt:

C = &oct\)e'i SQ3eite. SöoUftftnbtge MuSgaBe Ie§ter ^lonb. ©tuttgart unb XÜBin» gen, in bcr 3. ®. Cotta'frfjen SBudi^nublung. 1827—80 (40 Bde. 8»). In Bd. 15 (1828), S. 79 262: unser Werk, unter dem verkürzten Titel: 2)ie auSgeroanberten.

(7* := Dieselbe Ausgabe in klein 8".

Zur Vorgleichung herangezogen vmrden:

J = Sie ^-loren eine auonatäfc^rtft ^aau8gegcBen oon ©(^iller. XflDingcn in bcr 3. 0. Cottaifc^en »uc^^anblung 1795. ©rfter fflanb. (Jrfteä Stüd S. 49 —78, jrocitc« etüd S. 1— 28. Sroetter S3anb. Sßierteä Stüd 8.41—67. »rltter S3anb. Siebentes ©tüd S. 50—76 ; neunte« Stüd S. 45—52. Der Titel lautet bis hierher tiberall: Unterlpaltungcn beutfd^cr Sluägeroanbcrten, von Stück 2 ab mit dem Zusatz: gortfegung. Endlich folgt das DJiä^ic^eu: Söieitcr S3anb. ge^ntcS etüd S. 108—152; vgl. die Lesart zu S. 308, Z. 1. (Der Druck lätt zu wünschen übrig; vgl. die Druckfehlerverzeichnisse ün 2., 5. und 12. Stück der „Hören".)

A = ©oct^e'« SBerfe. SÜBingcn in ber 3. ®. Cotta'fc^cn Söuc^^anblung. 1806 -- 1813 (13 Bde. 8 0). In Bd. 12 (1808), S. 157—342: unser Werk.

B = ®oet^c'8 äBerfe. etuttgart unb Zübingen, in ber 3. ®. Gotta'fc^en Sue^. l^anbtung. 1815—19 (20 Bde. 8»). In Bd. 13 (1817), S. 197—382: unser Werk.

ß 1 = ©oct^e'ä aScife. DriginaI=SluggaBc. SSien. SSep E^r. Raulfug unb ®. Slrm» bntftcr. Stuttgart. 3n bcr 3. ®. (Iotta'f($en S3ud)l;anblung. ©ebrudt ber) Mnton eUaug. 1816— 22 (20 Bde. 8"). In Bd. 13 (1817), S. 219— 423: unser Werk.

W = Goethes Werke. Herausgegeben im Auftrage der Groüherzogin Sophie von Sachsen (Woim. 1887 ff.). In Bd. 18 (1895), S. 93 273: unser Werk. Wir verzeichnen zu den auf S. 441 f. dieses Bandes gegebenen noch fol- gende Abkürzungen öfter angeführter Werke:

DUntzer = Heinrich Düntzer^, Erläuterungen zu den Deutschen Klassikern, Bd. 58 (Goethes Erzählungen I), S. 38—146 O-^oipz. o. J.).

Meyer von Waldeck = Friedrich Meyer von Waldeck, Goethes Märcbou- dichtungen (Heidolb. 1879).

Einleitau? des Herausgebers (S. 207 216).

über Goethes und seines Kreises Äußerungen zu den „Unterhaltungen" vgl. Graef, Bd. 1, S. 316 861, über Goethe und die Novelle im allgemeinen Riemann, passim, J. Minor, Tieck als Novellendichter, in den „Akademischen Blättern", Jahrg. 1884, S. 129—161 und 193—220, und Rudolf Fürst, Die Vor- läufer der modernen Novelle im 16. Jahrhundert (Halle 1897), besonders 8. 1 ß. und S. 189 ff.

S. 207, Z. 3. £itterarifd^er Sanäculottiämuä : W, Bd. 41, 8. 196—203.

Z. 5. 27. November 1794: „Briefe", Bd. 10, S. 207.

S. 208, Z. 29f. etaatSumiüäljung: Goethes „Werke", Bd. «9, 8. 351 (Berl^ Hempel, o. J.).

Z. 38. Vgl. „Schillers Briefe", Bd. 4, S. 76 u. 90.

* Damit wird die obige Bedeutung dieser Chiffre ungültig.

Bd. 10: üntortialtnngen deuUrJicr Ansgemuiderten , Einleit. d.U. 471

S. UM, Z. 3. Cbkriotte v. Stein : „Chulotte von Schiler und ihre t'rcnnde", IW. 2, 8. 299 (Stuttg. 1862).

Z. 12 ff. Reichardts Rezension : „Dentschland", Bd. 1 , 8. 62 f., 377 (Borl., Unger, 1796). Vgl. dazu ,;5chllIors Briefe", Bd. 4, S. 400, und „Briefe", Bd. 11, 8. 17.

•^.15. Zu W. Schlegels Rezension vpl. „Schillers Briefe", Bd. 4, S. 361, „Briefe", Bd. 10, S. 354, Graef, Bd. 1, S. 341 ff.

Z. 20. Unter anderen äußert sich auch Gervinus Kiemlich absprechend Ober die „Uutüsrhaltungen": „Geschichte der deutschen Dichtuag", Bd. 5, S. 645 (4. Ausg., Leipz. 1853).

Z. 30. Vgl. „Karl Immermann. Sein Leben und seine Werke, ans Tage- bOchem und Briefen an seine Familie zusammengestellt" (herausg. von Q. zu Putlitz), Bd. 1, 8. 290 ff. (Berl. 1870).

Z. 35. Über weitere Vorbilder der Rahmeneinkleidung vgl. Düntzer, S. 67 f.

S. 211, Z. 4 f. ffrjä^lungen auä Stalien unb S^ino: „Schillers Briefe", Bd. 4, S. 397, sowie Dttntzer, S. 62, und Heinemanns bibliographische Zu- b.-unmonstellnug zu den „Chinesisch - deutschen Jahres- und Tageszeiten" in Bd. 2, 8. 481 dieser Ausgabe.

S. Sl- , Z. 3. Vgl. Goethes Äußerungen Ober die Gattung des Märchens In Buch 1, Kap. 8 der „Wanderjahre" (Bd. 11, 8. 104, Z. 7 ff. dieser Ausgabe) sowie die Schilderung Bettina Brentinos, in welcher Weise der Knabe Wolf- g.-uig die Märcbuuerzählungen seiner Mutter aufnahm, in sich verarbeitete und weitorfOhrte („Briefwechsel mit einem Kinde", Bd. 2, 8. 250 ff.; Berl. 1835).

Z. 23. Meyer, S. .351.

Z. 26. Herm-onn Hondricb. Vgl. die Leipziger „Illustrierte Zoitung" vom 4. Dezember 1902, wo seine zehn Gemälde in vortrefflicher Aust*nhmng farbig wiedergejjeben sind, sowie Rudolf Steiner im „Magaziu für Literatur", Bd. 68, 8. 1173.

S. Ä13, Z. 27 ff. Tiecks „Schriften", Bd. 4, S. 120 f. (Berl. 1828).

Z. 32. Vgl. nach dem Hinweis von Morris (a^ >. 0„ Bd. 1 , S. 314) die Szene im „Unterirdischen Gewölbe" in „Der Zauberflöte zweitem Teil", W, Bd. 12, 8. 216 f.

S. 214, Z. 7. Zur Deutnng des Märchens. Als erste kündigte Char- lotte V. Kalb in einem etwa am 20. November 1795 geschriebenen Briefe f„Jahrb.", Bd. 13, S. .'j3f.; 1892) dem Dichter eine Deutung ' •■ ' ; ." an. Goethe bat frournllicli, sie ihm mitzuteilen („Briefe", Bd. 10, > -i-hab,

und er sandte die erh.ilteue Auslegung am 23. Dezember ,, , Itd. 10,

8. 353 f.), leider ohne Jede« Gutachten, an Schiller. ICbenso rasch war Prinz August von Gotha bei der Hand, dessen inten>rotlercudes Schreiben über diu Dichtung Goethe «m 15. Doromber („Briefe", Bd. 10, 8. 348 f.) gliiolifalLs au Scliiller sandte, ebensowenig selbst dazu Stellung nehmend. Schiller ant- wortete am 17. Deznmber („Schillers Briefe", Bd. 4 , 8. 353) : „Vjt ist prächtig, dab der scharfsinnige Prinz sich in den myitiscjien Sinn des Mährchens so recht verbiCcn hat. IIoffeMtüch lassen Sie ihn eine Weile zappeln". Der Prinz hatte in dem Briefe vom 13. Dezember (vgL Graef; Bd. 1, 8. 340, Anm. 1) witzig ausgofUlirt, daß der ungenannte Verfasser des „Märchens" niemand anders sein

kön;-'" -'- ' - '• -Vieh lebvmle Jünger und Kvangolist Johannes. Ausfuhr-

llcl. he am 21. Dezember („Briefe", Bd. 10, 8. 351 f.) mit

hnn. lung; seine eigene Deutung erklärt er dort nicht eher

herauügebva zu wollen, als bis er 99 Vorgänger vor sich sähe. Die Sache Hng an, dem Dichter viel SpaA zu machen. Kr betrieb eine Samroinng aller Deutungen, die er s<!" >,e Varianten („Briefe", B>1 " ' ""'.) ver-

mrlirto, und bat aud i einen Beitrsf ni dl<to<': - o^ne

Silbe („Ilriofe", r.<l. Ii , Dieser sandte einen n > .im

472 Anmerkungen des Uerausgeber«.

25. Dezember („Schillers Briefe", Bd. 4, S. 364) mit den Worten: „Kr ist mager genug, d.i Sie mir mit dem beßten schon zuvorgekommen sind. In dergloichon Dingen erfindet die Phantasie selbst nicht soviel, als die Tollheit der Menschen wirklich ausheckt, und ich bin überzeugt: die schon vorhandenen Auslegungen werden alles Denken übersteigen." Diese Interpretationen von Charlotte v. Kalb, Prinz August und Schüler waren es wohl, die Goethe in den Foliobogen zu- sammenfaßte, den er am 24. Juni 1816 folgendermaßen überschrieb (vgl. „Tage- bücher", Bd. 5, S. 891 f.) :

S)a8 SDlört^en, roelc^cS bie Unterhaltungen faer 3lu88P"""'''crten f(^[o^, labet

ju SJeutungcn ein, inbem Söilber, S^een unb Segriffe burc^ einanbcr fd^Iingt.

3ur 3^'* feiner (Sifd^cinunu oerfucf;tcn fic^ unfcie gfreunbc bavan. JJve? folc^er

Sluälegungen, roooon bie U^te einem grauenjtmmcr gehört, |abe i(5 in nac^ftei^cn»

bcr SabeUe ju erf)ttlten gefacht. ©.

Diese Tabelle befindet sich angedruckt im Goethe- und Schiller - Archiv zu Weimar.

Immer wieder verlangte man weiterhin nach Deutungen des „Märchens", das Goethe in bekannten Krei.sen gern vorlas. So im Juli 1810 Frau v. Eyben- berg in Karlsbad („Tagebücher", Bd. 4, S. 181), so Schubert („Aus den Tage- büchern Riemers", mitgeteilt von 11. Keil in der „Deutschen Revue", Jahrg. 12, Bd. 1, S. 16, und „Gespräche", Bd. 2, 8. 251), und noch Im Januar 1830 erklärte Marianne v. Willemer („Briefvrechsel zwischen Goethe und Marianne V. Willemer", herausg. von Th. Creizenach, S. 268 f.; 2. Aufl., Stuttg. 1878) dem Dichter, das „Märchen" bleibe ihr zum Teil verschlossen. Auch mit Thomas Carlyle, der es ins Englische übersetzt hat (vgl. Qraef, Bd. 1, S. 361), wurde im selben Jahre über den Sinn der kleinen Dichtung verbandelt („Goethes und Carlyles Briefwechsel", S. 95 u. 104 (Berl. 1887).

Weitere Ausleger.

Koralts. Vgl. .,Schriften", herausg. von Ernst Heilborn , Bd. 1 , 8. 360 (Berl. 1901): „Blumen" (1798).

Es Ist an der Zeit. Glänzend steht nun die Brücke, der mächtige Schatten erinnert

Kur an die Zeit noch, es ruht ewig der Tempel nun hier. Götzen von Stein und Metall mit furchtbaren Zeichen der Willkühr

Sind gestürzt, und wir sehn dort nur ein liebendes Paar An der Umarmung erkennt ein jeder die alten Dynasten, Kennt den Steuermann, kennt wieder die glückliche Zeit.

H. 0. Hotho. Vgl. „Jahrbücher für virissenschaftliche Kritik", Jahrg. 1830, Bd. 1 , S. 327 :„ ... bis zuletzt ein freundliches Märchen den Blick in eine Gegenwart eröffnet, die an der Zeit seyn soll. In dieser neuen Gegenwart opfert die alte Schlange sich selbst, damit sie den Grund- stein zu dem regsten weltliehen Verkehr bilde imd zu dem Tempel führe, von welchem aus Weisheit, Schein und Gewalt versöhnt die Welt be- herrschen, liebend mit Unschuld und Schönheit der Kunst vermählt, welche das unmittelbar Lebendige tödtet, doch das Todte zuletzt zu neuem Leben erweckt."

GÖBChel. Vgl „Unterhaltungen zur Schilderung Göthescher Dicht- und Denk- weise. Ein Denkmal" von Carl Friedrich Göschel (Schleusingen 1834, 8 Bde.); Bd. 1, S. 188 214: „Das neue Reich. Ein Mährchen". Die schöne Lilie wird hier als die blendende Gestalt der Freiheit gedeutet, deren wahres Wesen, nach langer Entstellung in das Gegenteil, sich auf das heiterste entwickle zur „Liebe, welche die Herrschaft wieder in üire

Bd. 10; Uaterhaltnugcu doatschor Ausgewanderten, Märchen. 473

Kechte einsetzt". . . . „Überall tritt aber die politische Seite dieses all- gemeinen Vi»rjüngfung«prozesseg heraus. Ans den nänden der uralten, legitimen Macht seiner Ahnherren erhält endlich der Junge König sein Recht zurück, aber die Liebe verklärt das Recht." Bei den unter irdischen Königen zieht Göschel die Kyffhäusorsage heran.

Härtung. Vgl. die Besprechung des oben genannten Göschelschen Buches durch A. Härtung in den „Jahrbüchern für -mssenschaftliche Kritik", Jahrg. 1837 Oiorl.) , Bd. 1 , Sp. 464—67. Kr findet Göscheis symbolische Auslegung zu weit getrieben, bewegt sich aber selbst in den gleichen Bahnen: „Ref. vermuthet vor der Hand, dafi das Land jenseits dos Stromes das Land der Ideale, die schöne Lilie die Idee, die Schlange die Gelehrsamkeit, der Mann mit der Lampe die prüfende Forschung, die Irrlichter der Witz, der Riese das Gebilde des Wahns nnd des Aber- glaubens vorstellen, und glaubt übrigens, daü die vorzüglichste Tendenz des Mährchena sei, die ausgesprochenen I^ehren zu veranschaulichen."

Wlock. Vgl. „Jahresbericht über das Donigyninasium zu Morseburg nebst drei Abhandlungen über Goothe's Lehr- und Wanderjahre Wilhelm Meisters, womit zum Osterexamen 1837 ergebenst einladet Carl Ferdi- nand Wieck, Rektor und Professor" (Merseburg). Fr sieht im „Mär- chen" die Fntwiokelungsgoschichte des Menschen und der Menschheit dargestellt ; der Fluß ist die Zeit, die schöne Lilie die Liebe, der Jüng- ling die Sehnsucht des sinnlichen Lebens nach dem Höheren, der Mann mit der Lampe das Licht der Vernunft; die Frau des Alten die Angst der Verzweiflung am sinnlichen Leben, der Fährmann das tierische Leben, die Schlange das Leben als die für sich seiende sinnliche Natur, der Mops die Negation des tierischen Lebens n. s. w.

Schwenck. Vgl. „Goethes Werke. Erklärungen" von Konrad Schwenck, 8. 192 (I>ankf. a. M.1846). Erkennt nur den Königen allegorische Bedeutung zu.

O.E. Gahraner. Vgl. „Jahrbücher der Literatur", Bd. 116, Anzeigeblatt, 8. 84 bis 106 (Wien 18^10). Polemisiert in ebenso eingehenden wie einsich- tigen Ansfülirungen gegen Härtung und Göschel, Indem er jede poli- tische und abstrakt-metaphysische Deutung ablehnt; nur im Tempel, in der Königin, in der Schlange, im Riesen läfit er die Allegorie gelten. Die Schlange ist Ihm das „Symbol dos das Mährchen durchdringenden natnrjjhilosophischen Gedankens von der natürlichen Verjüngung und Wiederherstellung". Zum Riesen bemerkt er gut: „Der Riese, welcher »Is kolossale Bild.siiule durch seinen Schatten den Stand der Sonne an- zeigt, erinnert an den großen Obelisken des Sesostris in Rom, ,dle8e« älteste und herrlichste vieler Monumente', wovon Goethe in der ita- lienischen Reise anführt, daß er in Rom zu Ehren Augusts aufgerichtet war, und als Zeiger der großen Sonnenuhr stand, die auf dorn Boden des Campus Martins gezeichnet war" (vgl. dazu Bd. 15, 8.63 und 74 dieser Ausgabe).

Grün. Vgl. Karl Grün, Cber Goethe vom menschlichen Stand]iunkto, 8. 158 ff. (Darmst 1S40). Er nennt das „Märchen" „die ba.ire Veraweiflung an Sinn und Verstand und das krankhafte Vorgnügen an dieser Verzweif- lung". Den ganzen Inhalt der „Unterhaltungen" bc-zoiehnet er in diesem ZuHammcnhnngo als „nervenzittornd"; „nirgends erscheint Goethe so reizbar nnd krank".

BoBenkranz. Vgl. Karl Rosenkranz, Ooetha nnd seine Werke, B. 818— 322: „Das Miirchcn von der Schlange" (Könlgsb. 1S47). Anch seine Deutung geht auf das Politische. Der Fluß ist der Rlieln, der Riese ein „Symbol der Zul!-' ■-"''•■■■" '"- -ir.i -,.., i—.!.. ,.ii.. ..i...... H-ii.'ko doa

474 Aniuerkungen des IlerausKebnrn.

Freihitndcls durch das froiwilligo Opfor des Reichtums [= der Schlange] mit fester Dauer bogrtindot".

Kaurogart. Vgl. Hermann Baumgart, Goethes Märchen, ein politisch-natio- nalos Glaubonsbekonntnis des Dichters (Königsb. 1875, 131 S.). Er findet im „Märclien" eine Darstellung der literargeschiehtlichen und politischen Verjüngung Deutschlands, wobwi er vor den spitzfindigsten allegorischen Deutungen nicht zurückschreckt. So ist die Hlltte des Fährmanns der „Notstaat" (a. a. O. , S. 121) vor dem Wiedererstehen des Reiches; die Frau dos Fährmanns, die von den Irrlichtern belästigt wird, stellt das Verhältnis der Aufklärung zur Volkskirche (S. 97) dar, der Mops ist ein „humoristisch - satirischer Hinweis auf die Anfänge der Romantik" (S. 129) u. dgl. m. ; wiederholt und beglaubigt werden diese exegetischen Ausführungen von einem Anonymus der „Grenzboten" in Jahrg. 53 (1894), Bd. 1, S. 31 ff.

Morris. Vgl. M,ax Morris, Goethe - Studien , Bd. 2, 8. 29—73 (2. verm. Aufl., Bcrl. 1!)02), handelt, bis ins einzelnste gehend, sehr ausführlich tlber das „Märchen" als Maskendichtung; a. a. O., Bd. 2, S. 86 f. faßt er seine Aus- führungen folgendermaßen knapper zusammen : „Es ist . . . nach der Cam- pagne in Frankreich. . . . Wenn Gäste da sind, darf die Demoisello Vul- pius nicht zum Vorschein kommen. Und so vieles Andere drückt auf seine [Goethes] Seele. Die Ehe seines Fürstenpaares ist nicht glücklich, sie loben ,in einer getrennten Gegenwart'. Von dem revolutionären Frank- reich droht den deutschen Dingen schwere Gefahr, er sieht sie kommen. Aber wofür ist er ein Poet? Ein Schwiuig des Zauberstabes, und eine glückliche Verwandlung aller Dinge bogiebt sich. Sein Mädchen, seine Frau ist verschönt, ihre ,schwarze' Hand weiß und rein, sein FUrston- paar in Liebe und Eintracht vereint, die Fürstin bewillkommt sein Mäd- chen, ,ihre neue Freundin', der Riese Frankreich wird unschädlich und harmlos, ein allgemeines Glück löst alle einzelnen Schmerzen in sich auf, und die goldene Zeit auf Erden bricht an. Das ist das ,Märchen' In den Unterhaltungen der deutschen Ausgewanderten."

ObBr Düntzers verschiedene Deutungsversuche vgl. seine genannten „Erläute- rungen", wo frühere Untersuchungen desselben Verfassers In Herrigs „Archiv", Bd. 2, S. 249 ff. (1847) und in dem Buche „Zu Goethes Jubel- feier. Studien zu Goethes Werken" (Elberf. und Iserl. 1840) zusammen- gefaßt werden. Über ihn, Giesebrecht, Cholevius, Goedeke nnd weitere Ausleger handelt das In seinem historischen Teil brauch'jare, sorgsam gearbeitete Buch von Friedrich Meyer von Waldeck, vgl. besonders S. 169 ff. und die beigegebene Tabelle am Schluß.

Meyers von Waldeck eigene Deutung scheint uns gleich den meisten anderen In der Annahme einer durchgeführten Allegorie zu weit zu gehen. Endlich sei auch noch auf Rieh. M. Meyers mehr ästhetische als politische Analogien auffindende Darlegung in seinem „Goethe", S.348f. (2. Aufl., Berl. 1898), und auf Georg Witkowski, Goethe, S. 193 (Loipz^ Berl., Wien 1899), wo das „Märchen" als „politisches Glaubens- bekenntnis" gefaßt wird, hinge^viesen , sowie auf die Beiträge von H. Ra- negg In der Beilage zur „Allgemeinen Zeitung", Jahrg. 1896, Nr. 271, und von Rudolf Steiner in der „Chronik des Wiener Goethe- Vereins", Bd. 5, S. 44 f. (1891), und im „Magazin für Literatur", Bd. 68, 8. 793 ff.; Vollständigkeit ist in diesen Literaturnachweisen weder beabsichtigt noch geboten. Die letzte, ebenfalls vorwiegend politische Anspielimgen su- chende Deutung des „Märchens" findet sich bei A. Blelschowsky, a. a. O., Bd.2,S. öOff.

Ttd. 10: Untorbaltungon deutscher Anseewaiiderton , Märchen. 475

Eine noch nicht pabliziorte, wohl einleuchtende Interpretation Paul ruchhammerfi, Ober dio ich mit froundlichor Einw!lli(,'ting do8 Vorfas- fassers hier berichten darf, schließt sich iui wesentlichen an Uamngart und Morris an. Die Dichtung sei „eine RoflexbewepiJnK auf Stimmungen, Hoffnungen und Befürchtungen, die der Baseler Friede hervorgerufen hatt«; sie wendet sich Jedoch . . . nicht an dio Zeitgenossen, sondern lediglich an die Zukunft. . . . Goethe cnvnrtct das Heil einzig von innen heraus auf orpanl-scliem Wege durch geistige Kräfte, d. h. durch das Er- wachsen und .Sichan.-ibroiten einer Bildung, die die Ufertrennung auf- hobt iwischen Ideal und Loben und in fextor Staatsordnung voIId reli- giöse Freiheit gewährt." Dio Technik des „Märchens" stellt l'ochhaniincr, worin ihm der Herausgeber nicht beipflichten kann, Dantes Vision am Baume der Erkenntnis („Purg.itorinm", Ges. XXXIQ an die Seite, der auch der Riese als Sinnbild für Frankreich entnommen zu sein scheine. S. 215, Z. 21 ff. Über diese äuüoro Anregung zum „Märchen" bringt Karl Schönbom in seiner Schrift „Zur Verständigung über Goethes ,Faust'", S. 15 f. (Brosl. 1838) einen undatierten Bericht bei, den er „einer sehr zuverlässigen Hand" verdanke : „Goethe im ,Paradios , einem Spaziergang längs des Sualnfers bei Jena, auf und nieder wandelnd, sah jenseits des Flusses auf bunter, mit Bäu- men besetzter, Wiese eine schöne Frau, der dio Natur eine herrliche Stimme geschenkt hatte, in weißem Kleide und buntem Turban mit andern Frauen nrnberstreifon, und hörte ihren Gesang über das Wasser herüber. In der Nähe des ,Parndieses' wohnte ein alter Mann, der um geringen Lohn jeden, welcher da wollte, in einem schmalen Kahn nach dem jenseitigen Ufer brachte. Als es schon dämmerte, kamen ein paar Studenten und scIiitTtcn mit HUlfo des alten Fischers lachend und den Kahn schaukelnd über den FluQ. Jener Abend erweckte, wie Goethe einmal erzählte, in ihm den Gedanken an das Märchen mit der grünen Schlange."

Z. 29. Über freimanrerischo Grundideen im „Märchen", die hauptsächlich in den Roden der drei Könige hervortreten: Guliraner in den ,,J.ahrbüchern der Literatur", Bd. 116, Anzeigcbl.itt, 8. 103 ff. (Wien 1846), und Meyer von Wal- dcck, S. 218 und 8. 2«. Vgl. auch zu Bd. 10, S. 78, Z. 17 ff.

8. 21«, Z. 1. Vgl. „Schillers Briefe", Bd. 4, B. 246 (29. August 1795).

8. 817 9 Z. 6 ff. Diese parteiische Auffassung von der historischen Lage der l'migranten wurde Goethe besonders verdacht.

8. 221 , Z. 7 ff. Vgl. G. V. Loepor im „Jahrb.", Bd, 7 , S. 336 (1886).

Z. 30 ff. Goethe bat bei dieser .Scliildening sehr wahrscheinlich den I'um- pclforter Kreis vor Augen, in dem er sich während dos Novembers 1792 unter ähnlichen äulieren Verh.iltnisson aufliiolt, und von dem die „Kampagne in Frankreich" (Bd. 15, 8. 385 ff. dieser Ausgabe) genauen Bericht gibt; namentlich dürfte bei der Baronosso dio Freifrau v. Coudonhoven, die Witwe des kur- mainzischcn (ieneral», vorschweben. Vgl. dazu J. Minor in der „Zeitschrift für deutsche l'hilologie", Bd. 20, 8. 78 (1888). An daa Landhaus der Fnniilio Laroche in Talehrenbreitstein, von dem Goethe wätirend seines Besucties im September 1772 so entzückt war, und das or In „Dichtung und Wahrheit", Buch 13 (Bd. 13, S. 120 dieser Ausgabe) anmutig beschreibt, ist wohl weniger zu denken.

8. 224, Z. 1. Cpofe J ($0 imvier).

S. 287, Z. 25. Zur Abreise de« Oehelmrat* vgl. die einander entgegen- gesetzten Ansichten von Schiller („Schillors Briefe", Bd. 4, S. 71) und WÜIl ScbleKol (a. a. O.; wieder abKodruckt bei Oraof; Ud. 1, S. 812).

47G Anmerknngon des HerauRgebers.

S. '228 , Z. 10 f. Man mag an den Qoetho bcfreaudeten nnd von Ihm hoch- goschätzten Karl Philipp Moritz (1757 93) denken, der vom Jahre 17S3 bis zu seinem Tode ein „Magazin für F.rfahmngsseeleiiknnde als ein Lelirbnch fUr Gelehrte und Ungelehrto" (Zeitschrift In 10 Bänden) heraosgogcbon hatte.

S. 281, Z. 11. sproteftante J.

Z. 25. %ex Siaud^ bei 2:age tinb bie flammen bei 9lad)t: Eine Ooethe ge- läufige Antitliuso, bei der vielleicht anch die Ranch- nnd Fenerbänle ans 2. Mos., Kap. 13, V. 21 (vgl. „Noten und Abhandlungen zum Westöstlichen Diwan": ^ixatl in ber SESüfte, Bd. 4, 8. 430, Z. If. dieser Ausgabe) vorschwebt. Übri- gens ist die Znsammenstellung schon im AssjTischen formelhaft; vgl. Friedr. Delitzsch, Zweiter Vortrag über Bibel nnd Babel, S. 18 (Stuttg. 1903). Man nehme femer hinzn die „Reise der Söhne Megaprazons" (S. 436 , Z. 1 f. dieses Bandes).

S. 232 , Z. 27 f. Anch das Programm der „Iloren" vom 13. Juni 1794, da» Schiller an dcmsolbon Tage an Goethe übersandte, schloü verfängliche Tages- fragen von der IJohandlnng aus; es helOt dort von dieser MonaLsschrift : „vor- züglich aber und unbedingt wird sie sich alles verbieten, was sich auf Staats- religion und politische Verfassung bezieht" („Schillers Briefe", Bd. 3 , S. 456) ; daü Goethe sich an diese Forderung gleich im ersten Stücke der „Heren" so wonig kehrte, war Schiller höchst unangenehm („Schillers Briefe", Bd. 4, S.71); Ueichardts Rezension nahm denn daran auch lebhaften Anstoß.

S. 284, Z. 27. anbete ] so alle Drucke, wobei etwa zu ergänzen wäre: „dies zn tun vermögen"; Senffert schlägt die Lesung anbetä oder onbcm vor.

S. 285, Z. 13. Diücffe^r auf fic$ felfift; vgl. S. 863, Z. 23 f. dieses Bandes.

Z. 18. SCücfs unb Sc^abenfvcube J.

S. 236 , Z. 3 ff. Goethe wählt gern Geistliche zum Erzählen von Geschich- ten; besonders ist auch an den, einen „Landgeistlichen" spielenden, „Histör- chen" eriählenden Abb6 der „Lehrjahre" zn denken.

S. 238, Z. 1. erftli£5 ] eniftiic^ BC» C.

Z. 3. D. h. doch wohl Artikel, die von geschlechtlichen Dingen handeln.

S. 289, Z. 1—24 ist, wie Düntzor (Goethes „Werke" in Kürschners „Deut- scher Nationalliteratnr", Bd. 14, S. 53, Anm.) gut bemerkt, vielleicht späterer Zusatz, veranlaüt durch Schillers Brief an Goethe vom 29. November 1794 („Schillers Briefe", Bd. 4, S. 70 ff. ; vgl. auch dessen Antwort vom 2. Dezember : „Briefe", Bd. 10, S. 208f.).

S. 240, Z. 31. Die Abhebung der einzelnen Erzählungen voneinander durch Spatien ist in den Originaldmcken nicht vorgebildet; ebenso stammen die rechtsseitigen Kolumnenüberschriftcn vom Herausgeber.

Z. 31 ff. Am 5. Dezember fragt Goethe bei Schiller an („Briefe", Bd. 10, S. 210f.), ob ihm etroa« oon einer ®efpenftermä|igen iKpftif if ation« ®e» fc^ic^te befannt feg, weld^e cor Dielen galten 3)!btle eiairon begegnet fe9n foQ? unb ob nicUeic^t in irgenb einem gountal baä SKä^rc^en fc^on gcbructt ift? roäie baä nic^t fo lieferte icb fie no(^ ... Sic fragen ja too^I bc? einigen fleißigen 3our» nallefern roegen ber Slaironifd^en ®efd^td[ite nai), ober flclten bie anfrage an ben Säüc^evtierlei^er SSoigt ber boc§ fo etroaä roiffen fottte. Schiller vrußte keine Aus- kunft zu geben („Schillers Briefe", Bd. 4, S. 77 u. 81), woraus Goethe gern entnahm, daü der Stoff wenig bekannt sei; nnd rasch ging er daran, ihn zn „travestieren" („Briefe", Bd. 10, S. 849).

Die Geschichte betrifft die berühmte Pariser Schauspielerin Clairon oder eigentlich Ciaire Josephe Hippolyte Leyris de laTude (1723—1803). i)er Prinz August von Gotha hatte die von einem guten Pariser Gewährs- mann erhaltene Erzählung im September 1794 der Herzogüa Luise von Wei- mar mitgeteilt, diese sie brieflich kurz darauf an Frau v. Stein weitergegeben.

Bd. 10: Unterhalton^n deutscher Ans^wandert«n. 477

Ooethe erfuhr sie entwodor von dorn ihm bcfreaudeton Prinzen anmittelbar oder ebenf&lli von dor Uerzogin. Kachmals, hn Jahro 1799, erschion die Qe- ■chicbte auch gedruckt, nämlich in den „Memoires d'HippoIyte Clairon", und «war mit einem diesen vorgesetzton Briefe der Clairon an den ihr von Paris aus bekannten Züricher J. H. Meister (vgl. „Biblioth^qne des M6moires relatifs 4 ITiistoire de France pendant le 18« giicle", Tome 6, p. 53ff.; Paris 1888). Goethe hielt sich für seine Krzähinng gon.in an den Bericht des Prinzen Angost. Knr nennt er die Clairon, die er znr Sängerin macht, Antonelli und siedelt sie »t.itt in Paris in Neapel an. Sein Genueser tritt an die Stelle eines Herrn v. S., sein „Tenor" an die eines Schauspielers Rosolli, dor iWanrt, buic^ fein Jilter unb feine Stelle e^mpürbig (oben, a 247, Z. 19), geht auf einen Präsidenten v. R. znrUck n. a. w. In den Hauptsachen sclilieüt sich Goethe indessen treulich der t'berlioferung an. Vgl. Düntzer, S. 44 f. und 8. 92 95, ferner Kürschners „Deutsche Nationallitcratur" : Goethes „Werke", Bd. 14, S. 23. Dazu sind zu nehmen: „Memoirs of the Margravine of Anspach, Formerly Lady Craven. Writton by herseif", Bd. 1, S. 134 ff. (ParU 1826), Dlintzer im „Archiv für neuere Literatur", Bd. 3, 8. 270 (1847) und in seinen „Studien zu Goethes Werken", 8. 22 (Elberf. u. Iserl. 1849). Das Grundmotiv in Anatole Frauce's ,',Histoire comiqw" erinnert auffallend an Goethes „gespenstermäüige Mystiflkations- geschichte". Obgleich France bereits in „Lt4 noca coriiUhiennu" von Goethe und seiner „Braut von Korinth" ansgegangeu ist, braucht mau in diesem noue- »ten Falle nicht eine unmittelbare Anlehnung anzunehmen ; es scheint vielmehr entweder eine zufällige Cbereinstimmung oder Benutzung derselben Quelle vorzuliegen; vgl. darüber Beilage zur „Allgemeinen Zeitung", Jahrgang 1903, Kr. 227 (7. Oktober) und Nr. 231 (12. Oktober). Über ähnliche Cbereinstimmung eine» Motiv» bei Goethe und Aiphonso Daudet vgl. zu Bd. 10, 8. 355, Z. 8 ff.

S. 24«, Z. 19. ataliäner JABC^O (to immer).

Z. 28. Tangen alle Drucke. Für so absolut sinnlos, wie es Wtnt, vormag Ich diu Lesart nicht zu halten.

8. 250, Z. 1. JHe !Dame ] (Sine Dome JABD^CO^; von Aug. Fresenius emeudtort.

8. 262, Z. 1 ff. Diese zweite Gespenstergeschichte beruht auf mündlicher Erzühlung; es geht das aus einem für die gesamten „Unterhaltungen" Inter- essanten Briefe hervor, den Charlotte v. Stein am 19. Februar 1795 an Schil- lers Gattin richtete („Charlotte v. Schiller und ihre Freunde", Bd. 2, 8. 299; Stuttg. 1862), nnd in dem es heißt: „Dem Goethe scheint's gar nicht mehr Ernst nm's Schreiben zu sein, da& er die bekannte Geschichte der Mademoi- selle Clairon, die er nach Italien transportirt, die vom Klopfen, welche mir Tor drei Jahren Herr von Paunewitz erzählte, daQ sie sich In seiner Eltern Haos zugetragen, und die ans des Bassompierre selir bekannten M6moirea, die er doch wahrhaftig nicht wird für eine Geifetergu.schichte wollen passireu lassen, indem sie sehr köri>erlich war, gut genug znm Inhalt eines so respeotabeln Journals wie die ,Horeu' hält".

8. 250, Z. 20 f. Vgl. „Memnires du Mareschal de Bassompierre, contenant Phlstoire de sa vie et de ce qui s'est fait de plus romarquable k la conr de France pendant ijnelqnea annees. Volume 1 (rovous et corrigöea en eette nou- vvlle editiun), i Cologne, 1692; Tome 2, k Amsterdam 1092." Hier steht die Geschichte von „la Itlte fcmme lingert" Bd. 1, 8. 158—162. Mit Bassom- pierres nächtlichem eroti.Hclien Abenteuer vgl. die Begebenheit am Schlüsse dor „Briefe aus der Schweiz" (Bd. 8, 8. 161 f. dieser Ausgabe). Goethe äulk-rt sich über Bassompierre auch in einem Brief an Knebel vom 23. Mal 1814 („Briefe", Bd. 24, 8. 286 f.) nnd schöpfte atu soinen „Memoires" den Stoff von „Uittor Kurts iJrantfnhrt" (vgl. Bd. 1, S. 375, zu 8. 111 dieser Ansgi^io).

478 Anmerkungen des neranK^ebeni.

S. 2Ö7, Z. 15. Die Besorgnis vor der Pest fUlut Goetlie, im Gegensatz zu seiner Vorl.igc, aIh feines nnd zngleicli gut vordentendes Motiv ein.

Z. 18. i)abe fi^lilt JA.

S. 259, Z. 10 f. Bassompiorre berichtet niclits von zvrci Leuten, die das Bettstroh verbrennen; es heißt dort einfach: „oü je trouvay que eelte lumiere ettoit la paille du lict que Von y bruloil" ; vgl. a. a. O. , Bd. 1 , S. 161.

Z. 14. Sotcitgräbcr. Bei Bassompierro steht corheaux, womit namentlich die Totenträger und Totengräber zur Pestzeit bezeichnet werden; vgl. a.a.O., Bd. 1, S. 161.

260, Z. lOiT. Es handelt sich nm eine kleine Familiengeschichte von dem Grafen d'Orgevillier , dem Schwiegervater eines der Vorfahren des Mar- schalls Bassompierre; auch sie steht in des letzteren angeführten „M6molres" nnd zwar Bd. 1 , S. 4—6. Die drei Gaben werden in der Vorlage als la cuil- liere de la mc^ure, la hague, le golelet bezeichnet. Die Brüder Grimm geben in den „Deutschen Sagen", Nr. 70 (Berl. 1816 u. 1818, 2 Bde.), die Sage nach der Originalansgabe von 1C66 wieder und sprechen in ihrer Übersetzung von einem Streichlöflfel (Streichmaas), einem Trinkbecher und einem Kleinodring, Über die Verwandtschaft der Sage mit der vom Schwanritter (Lohengrin), vom „Glück von Edenhall" und zahlreichen anderen vgl. Grimm, Deutsche Sagen, Nr. 41, 68, 75, 541, und Kr. Meyer von Waldeck, Die Memoiren des Mar- schalls von Bassompierre und Goethes „Unterhaltungen deutscher Ausgewan- derton", im „Archiv fUr das Studium der neueren Sprachen und Literaturen", Bd. 87, S. 254 (1891).

S. 261, Z. 11 fr. Vgl. Horaz, Satiren Buch 1, Nr. 3, V. 1—3 („Q. Iloratii

Flacci Sermonum et Epistnlarum libri", berausg. von Lucian Mueller, S. 33j

Wien 1891):

„Omnibns hoc vitinmst cantoribns, inter amicos

Ut numqnam indncant animum cantare rogati,

Iniussi numquam dosistant."

S. 262, Z. 24. „Italienische Seestadt": Die Quelle nennt Genua; Goethe umgeht den Namen, wohl auch deshalb, weil in den „Unterhaltungen" bereits ein Genueser aufgetreten ist (vgl. Bd. 10, S. 242, Z. 5).

Z. 24 if. Zum „P r o k u r a t o r". In einem Briefe an Goethe vom 28. Oktober 1794 („Schillers Briefe", Bd. 4, S. 49f.) spricht Schiller von der „Geschichte des ehrlichen Prokurators aus dem Boccaz" (vgl. anch seinen Brief vom 20. März 1795, a. a. O., Bd. 4, 8. 149 f.). Die Quelle ist aber nicht Boccaccio, sondern die im Jahre 1482 zuerst gedruckte Sammlung Antoine de la Sales(?): „Cent nouvelles nouvelles", und zwar die letzte Erzählung „Le saige Nicaise ou I'amant vertuenx"; vgl. darüber besonders Guhrauer in den „Jahrbüchern der J.iteratur", Bd. 116, „Anzoigeblatt", S. 81fr. (Wien 1846), M. Landau in der Beilage zur „Allgemeinen Zeitung" vom 24. November 1882, Nr. 328, 8. 4833 flf^ und „Jahrb.", Bd. 4, 8. 438 f. (1883), sowie die mit weiteren Literatnrangaben versehenen Zusammenfassungen in Goethes „Werken", Bd. 16, S. 12 fr. (Berl., Hempel, o. J.), bei Düntzer, 8. 102 fiF., und in Kürschners „Deutschor Nationai- literatur", Goethes „Werke", Bd. 14, 8. 25 f.

Die wesentlichste Änderung, die Goethe bei sonst zum Teil wörtlicher Übersetzung vorgenommen hat, ist, daß die schlieüliche Enthaltsamkeit der Frau nicht wie in der Vorlage rein durch die physische Erschöpfung bedingt wird, sondern auf einem moralischen Sich -Wiederfinden beruht; vgl. Schillers beistimmenden Brief vom 20. März 1795 („Schillers Briefe", Bd. 4, S. 150), wäh- rend Schlegel die bedeutsame Abweichung ganz tibersehen zu haben scheint (Graef, Bd. 1, S. 343). Nicht ganz konsequent ist Goethe in der stilistischen Überarbeitung seiner Vorlage; vgl. Riemann, S. 254.

Bd. 10; üntertialtnniren dentscbor Ausgewanderten, >Iärchen. 479

Cf>cr die älteste lateiniüche Fassang der bckanntou Novelle vgl. die von Miix Uemnann nach Albreclita von Eyb Abschrift heraosgegebene „lateinische ^farin»"* io der „Vierteljahrsehrift für Literaturgeschichte", Bd. 3, 8. 1 ff. (Weim. 1890). Hinfallig erscheint die Annahme, als nnmittelbare Vorlage snl vielmehr die rwöUte Erzahlong des 2. Toila (im Ganzen die 115.) von Celio Malespinis „Ducento novelle" (Venedig, 1609) anzusehen, deren Titel (vgl. a. a. O., Teil 2, S. 33 39) lanlet: „Viaggio di vm mercatanle per AUttandria, t dei prtctttl, ehe ditd» aUa nu> glie come n duttse gouernare nelV abtenza sua". Eine Änßemng W. V. Homboldts über den „Pn.knrator": „Jahrb.", Bd. 8, S. G4 (1887).

8. 860, Z. 26 f. Vgl. die feibnen S)u6cn im „Götz von Borlichingen" (Bd. 7, 8.61, Z. 5 dieser Aasgabe) sowie „Hermann und Dorothea", Ges. 2, V. 211 f.

8. 270 , Z. 28. joo^er fte lämen fehlt AB B^C^C.

8.276, Z. 21f. DOntzer (in Kürschners „Deutscher Nationalliteratur", Goethes „Werke", Bd. 14, S. 89, Anm.) erinnert hier an den Recbt8gmndsat7. : „Nnlla iniuria est, quae in volontem fit".

S. 281 , Z. 7 ff. Anschauung von Kants „kategorischem Imperativ".

8. dSS , Z. 33. „Samarkand und Ormus" in dieser Verbindung begegnen auch im „Westöstlichen Diwan" (Bd. 4, 8. 270 dieser Ausgabe).

8.2!^, Z. 13ff. Die Enählung von Ferdinand undOttilie ist Goethes eigene Erfindung. Bei der Schilderung des Verhältnisses zwischen den Lie- benden durfte Goethe an die Zeit gedacht haben, da er ähnlich, indem auch er Ober seine Verhältnisse lebte, mit der glänzenden, verwöhnten, ein wenig oberflächlichen Lili Schönemann verkehrte, von der er sich nach wechselvollem Brautstande lo.sriQ; vgl. Düntzer, S. 107.

Z. 14 f. Vgl. Goethes Verse: SSom 9?ater f)ab id) ble Statur n. s. w. (Bd. 2, S. 275 dieser Ansij.-ibi.-).

Z. 19. Ferdinand nennt Goethe auch den Werther in die Schweiz be- gleitenden Freund (Bd. 8, 8. 150 ff. dieser Ausgabe) sowie Fernando vorher den Liebhaber der „Stella". Auch der später folgende Name Ottilie war Goethe wert : in den „Wahlverwandtschaften" ftllirt ihn eine seiner geliebtefteii ^ö(^ter ; auch hier wird die elsassische Heilige vorgeschwebt haben; vgl. „Dichtung und Wahrheit", Buch 11, wo Goethe (Bd. 13, 8. f. die.ser Ausgabe) von der heili- gen Ottilie ert.'ihlt: . . . t^t 9lame prögte fi(5 ttef bei mir ein. Vgl. zur sorg- losen, bei Goethe sehr häufigen Form der Einführung den Anfang der „Wahl- verwandtschaften": Sbuorb fo nennen n>ir einen reichen Saron (Bd. 8, 8. 171 dieser Ausgabe).

Z.30. Qmti Seelen; vgl. „Faust" (Bd. 5 dieser Ausgabe), V. 1112, und dazu O. Pnlower Im „Jahrb.", Bd. 16, 8. 165 ff. (1895), Job. Nit-jahr, ebenda, Itd. 20, S. 179 (1899), and Morrh), a. a. O., Bd. 2, S. 294.

8. 2?4», z. I8f. nac^ fetner Steinung fehlt J.

8. 802, Z. 13. Über d«in Bogriff und den Wortgobrauch von SntiDidlung b«i Ooetlie vgl. O. l'niower im „Jahrb.", Bd. 19, 8. 236 (1898).

Z. Slff. Cber die Situation, „daft ein Liebhaber in der Ferne ein Idyl- lisches Eublisscmont vorbereitet", vgl. Scberer Im „Jahrb.", Bd. 5, S. 264 £,(1884).

S. 804, Z. 3. re^Kic^er ] Die Cottaschen Ausgaben schreiben seit 1840 „rpichlicber"; vgl. dc-n Artikel „rechtlich. 1." in Bd. 8 de« Griromschon „0«ut- kchon Wörtorbncbc»".

8. 806, Z. If. e<:(rei6etlf(^ J.

®0« aRärt^Ctt (S. 308—342).

8. 80^, Z. I. Wä^Tc^en (jur Sortfefung ber nnter^oUungen beutfc^ Hui« gcii'öttbfiten.) J.

b. 810, Z. 1 ff. Vpl. a. 4:11 , Z, V2 f. dieses Bandes.

480 Anmerkungen des Henni^geben.

S. 313, Z. 25ff. „Geradeza den ScblUHsel" für das Geheimnis der drei Könige flndot Morris (a. a. O., Bd. 2 , S. 46) in den „Walilverwandtscliaften", Teil 2, Kap. 3; dort heiüt es in „Ottiliens Tagobnche" (Bd. 8, S. 313 dieser Ausgabe) : ®ine SJoi-flcBung ber alten Sölfer ift ernft unb lann furchtbar ft^einen. Sie backten ficfe il^rc SSorfai^ien, in großen ^ö^len rinfläum^er auf Z^vonen ft^enb, in ftumiitcr Unterhaltung. 3)cm 9leiien, ber ^creintrat, loenu er würbig genug toar, ftanben fle auf unb neigten i^m einen aBiafommett. Blatt 15—17 von Gootbes GoUectaitien jur neuen Bearbeitung beä GeHini 1798 (W, Bd. 44, 8. 413ff.) ent- halten, worauf Morris (a. a. O., Bd. 2, S. 61) verweist, einen Auszug aus dem italienischen Roman „Guerino Mescliino". Auch dort ist von einer feuchten Felsengrotte und von einer schönen und dienstwilligen Schlange die Rede ; vgl. a. a. O., S. 414 : S)er arme (Suertno bagcgcn loagte fic^ ic^ roeij nic^t roie »iel Stufen immer locitcr hinunter big er an einen geioaltigen SBafferfaU lam. Über benfelben ging er auf einem weichen unb nac^gebcnben iöret I)inüber baä wie ein Sä!oafa<f anju= füllen luar, baä [er] aber ali er ber) feinem £i(^te nä^er bctrad)tcte für eine fc^red» lic^e unb ungeOcure Seetange crfonnte bie i^ni mit menfc^tic^er Stimme fagte u. b.w. S. 814, z. 27 f. golbene ] fiibente. J. S. 815, Z. 10. leicht fehlt ABB^C^C.

S. 817, Z. 26. Vgl. „Offenbarung Johaunis", Kap. 22, V. 10: „Die Zeit ist nahe". Ancli die Edelsteinpracht des „neuen Jerusalem" in der Apokalypse (Kap. 21, V. 11 21) mag noch auf das „Märchen" gewiritt haben, während die weitere Analogie, die Morris (a.a.O., S. 67f.) aufführt, nicht zwingend er- scheint.

S. 822, Z. 30. Sc^oofe in den Drucken.

S. 824, Z. 31f. Vgl. Goethes Brief an Schiller vom 26. September 1795 („Briefe", Bd. 10, S. 303f.): Selig ftnb bie ba 5öiä^rd)cn fc^reiben, benn aWä^rc^en fmb d Vordre du jour. S5er Sanbgraf oon Sarmftabt ift mit ä'uei^unbert ^^Jfers ben in ©ifcnacb angelangt, unb bie bortigen ffimigrirten bro^en ftt^ auf unä ju re» pliiren, ber G^urfilrft oon ittfc^affenburg wirb in Erfurt erroartet. 2i(^! worum fte^t ber Zcmpel nic^t am gluffe! 2ld^! warum ift bie SJrücfe nic§t gebaut! 3((^ wünfc^e inbefjen, roeil wir boc^ immer Süknfc^en unb Stutoren bleiben, ba^ S^nen meine ^vobuction nic^t mi^f allen möge; wie emft^aft jebe Äleiniglcit wirb, fobalb man fie lunftmä^ig be^anbclt, i)ai' i<^ auc^ bießmal wieber erfahren. 3d^ §offe bie ad)tje^n gigurcn bicfeä SramatiS f ollen, ali fooiel SRät^fel, bcm äiät^felliebcnben wilUommen fein. Vgl. zu dieser Stelle Graef, Bd. 1, S. 335f.; zu den ac^tje^n j^iguren vgl. das Xenion:

aJie^r alä jwanjig sperfonen fmb in bem aHä^re^en gefc^äftig. „Silun, unb waä machen fie bcnn alle?"

SJaä SKäl^rd^en, mein greunb. {W, Bd. 5, Abt. 1, S. 224, Nr. 137).

Gegen die „Unterhaltungen" richten sich folgende freche Epigramme des „Mücken -Almanachs für das Jahr 1797" („Pest" [!]): „Ipse atri velleris agnam. (Lykobas ^ citirt.) Schatten! euch Schlacht' ich den Bock, der die Sängerin Antonielli [so] Und das verwaisete Kind polternd als Spuk hat verfolgt." (S. 14.) liykobas. Thoren! ihr wisset noch immer den wahren Geschmack nicht zu finden! Sag' mir, wo blieb das Weib, welches der Marschall verließ?

Der Naine für Goethe im „Mücken - Aluianach"

Bd. 10: MSrchen, Die guten "Weiber. 481

Tiresias. Willst da sie dir ins Reisercg:ister verzeiclmen , so frage Herrn Anon^-miu, keiner giebt besser Bescheid. Anonymas (steigt auf). Einem geehrten Pablikum dicht' ich r.um Nutzen nnd Fronunen, Schreib ich die I.iebospratiiine. Leser, versuche die Kunst!

(S. 21.) Bassompierre erscheint. In den Spelonken finde ich Frauen mit zierlicher NachtmUtz', Unterröcken von Fries , Hemden vom feinsten Battist. (S. 29.)

Rechtfertigung (eingesandt Ton den deutachen Ausgewanderten).

M&hrchen und Liebesgeschichtchen erzählen die Ammen und Liebchen; Wir sind rechtliche Leut', sprechen auch Niemand in Schlaf. (8. 87.)

8. S2&, Z. 11. f^Sn farbig J.

8.8», Z. 10. ec^oofe BB^G'^G, Sc^o^ JA. Vgl. zu 8.322, Z. 30 und g. 358, Z. 27 dieses Bandes.

S. 330, Z. 9. Sc^rittfc^u^en J. Diese ältere, namentlich von Klopstock (▼gL besonders Ooetbes Ausführungen darüber in „Dichtung und Wahrheit", Buch 15 : Bd. 13 , S. 225 f. dieser Ausgabe) eifrig vertretene Form findet sich bei Goethe z. B. auch im ersten Epigramm „Jahraus, jahrein" (Bd. 2, S. 170 dieser Ausgabe) und in dem Gedicht „In das Stammbuch Johann Peter de Key- ■iers", V. 47 (W, Bd. 4, S. 202), sowie in Buch 2, Kap. 5 der „Wandcrjahre". 8.881, Z. 21ff. Qoetbesche Grundanschauung, namentlich im Hinblick •nf verworrene Zeiten gleich der Revolutionsperiode. Vgl. das Gedicht 39ür» lerpflie^t SJett «. Wtoj 1832 (W, Bd. 5, Abt 1, S. 153):

ein jeher fe^re cor feiner Ii)ür,

Unb rein ifl jebe« Stabtquartier.

Cin jeber übe fein' Eection,

€o wirb gut im 9iati>e fto^it. Dan halte man den „Bürgergenoral" (Bd. 7, S. 492 dieser Ausgabe) : Unb Suc^, Biter, foO jum £obe gereiften, loenn 3^r (Sucb auf bie ^ieftge SanbSavt unb tuf bie SSitterung t)erfte^t unb (Suer Säen unb Crnten bavnac^ einrii^tet. ^remb* fidnber lafit für ^i^ forgen, unb ben poHtif(^en Jö'mmel betrachtet aUenfaO« einmal 6onn» unb Jefttag« .... »ei fl(^ fange Jeber an, unb er icirb oiel ju tun finben. Vgl. auch ebenda , 8. 459 f^ sowie die „Reise der Söhne Megaprazons", wo (S. 431, Z. 12 ff. dieses Bandes) die Symptome des „Zeitflebera*' in entsprechen- der Welse beschrieben werden. Bd. 14, S. 356 dieser Ausgabe nennt sich Goethe ■Uien, bem oon 3ugenb auf «narc^te DerbrieSIt^er getcefen ot« ber tob felbft

2)ic guten äöciBcr (S. 343—373).

Vorbemerkung.

Der vorliegenden Ansarabe wurde zugrunde gologt: O = (Soet^'t fflerfe. y ■■- -■ "ruSgobe U%ux ^anb. etuttgart unb ZUbingcn, in ber 3. <». ffotta lolung. 1827—30 (40 Bde. 8"). In Bd. 15

(1828), 8. 263 3CI' rk.

0' = Dieselbe Au-s^abe In Klein ä<>.

Zur Vergluichung herangezogen worden )

«oet^e. X. 31

482 Anmerkungen des Heransgehors.

W = Goethes Werke. Herausg. Im Auftrage der Qroflherzogin Sophie von Sachsen (Weim. 1887 ff.), Bd. 18 (1895), 8.275—312, und damit:

11= FoUo-Handschrift im Goethe- und Schiller- Archiv zu Weimar, 24 Blatter umfassend, von Goethes Schreiber Geist nach Diktat geschrieben, vrobei offenbare Hörfehler untergelaufen sind; von Goethe nachträglich eigen- händig durchkorrigiert. H stellt wohl den ersten Entwurf dar, hat nicht als unmittelbare Druckvorlage gedient, bildet aber die Grundlage für alle Drucke. Näheres über die Handschrift berichtet Seuffort in W, Bd. 18, S. 424 ff.

J=t)le guten grauen, alä ©egenbilber ber böfen Söciber, auf bcn « u p f e r n beS bte^iä^rigen t) a m e n a t m a n a (^ ä. In : laf c^enbuc^ für !J)amcn auf ba§ 3a^r 1801. herausgegeben t)on §uber, Lafontaine, ¥f«ff£l «"*> anbem. ÜKit flupfem. Zübingen in ber 3. ®. ©otta'fc^en «uc^^anblung, S. 171—196. Unterzeichnet : D. ® ö t ^ C. Nach einer Revision von //, in der dem Taschen- buch eigenen Orthographie ; fiir die späteren Drucke nicht zu Rate gezogen.

S = (Soet^e'ä SBerfe. Stuttgart unb Zübingen, in ber 3. ®. Sotta'fi^en SSuc^^anb» lung. 1815— 1819 (20 Bde. 8»). In Bd. 13 (1817), S. 157— 195: unser Werk.

fit = ®oet^e'« 2Berfe. Original » Muggabe. SBJien. SBeg ©(ir. Äaulfug unb S. arm» brufter. ©tuttgart. 3n ber 3. ®. ©otta'fd^en SBuc^^anblung. ©ebrurft beg änton Straup. 1816— 22 (26 Bde. 8»). In Bd. 13 (1817), S. 177— 218: unser Werk. Die früher übersehene Wichtigkeit dieses Druckes ist erst spät erkannt worden ; vgl. darüber A. Fresenius in der „Vierteljahrsschrift für Literatur- geschichte", Bd. 6, S. 627 (1893), und besonders B. Seuffert im „Jahrb.", Bd. 15, S. 166—177 (1894), wo gerade an den „Guten Weibern" als einem „wahren Schatzkästlein für einen Philologen" nachgewiesen wird, daß B^ selbständig und vielfach als „Controle und Correctiv" neben B steht. Ein wenig bedeutendes Paralipomenon (vgl. W, Bd. 18, S.449), ent- haltend einige von Goethe eigenhändig niedergeschriebene, nur zum Teil für

die „Guten Weiber" benutzte Motive, lautet: 1 ®ef(^cncttte§ Sömen^nb^en

2. S)er aHjufel^r gelobte Jgunb.

3. SeQenbe ^unb nac^ bem fiopfjeuge.

4. 3)ie f(^önc SBöttgerin.

5. ®er gefällige greunb.

5. S)re9 Sliten ju leben, fc^wijen ftc^Icn unb ^a^nreg ntnd^en.

6. Äleine Scrupel. S5eä ßonoerft na^ ber Seichte, id) glaube feinen Sott

7. Siebe auä bem Stegreife.

Zu der zweiten Nr. 5 und zu Nr. 6 vgl. aus einem Quartjotizbuch der Italienischen Reise den später durchstrichenen Eintrag:

<3)re9 Srten in 3leapel ju leben, ju fc^roijen ba^ fruchtet ntt^t, ju flehten manco male, ^a^nrepe ju mad^en am beften.

Äleiner Scrupel beg Sonoerft nae^ «über in» ber S3ei£§te er glaube feinen (Sott.>

Unsere Abkürzungen öfters genannter Werke sind dieselben wie die 8. 441 f. dieses Bandes aufgeführten. Dazu kommt nur : Düntzer = Heinrich Düntzer*, Erläuterungen zu den Deutschen Klassikern.

Erste Abteilung : Erläuterungen zu Goethes Werken. XVI. Erzählungen IL

S. 94—126 (Leipz. o. J.). ,^endruck" = „Die guten Frauen" von Goethe. Mit Nachbildungen der Ori-

ginalknpfer [herausg. von Beruh. Seuffert]. In „Deutsche Literaturdenk-

* Damit wird die obige Bedeutung dieser Chiffre nngiiltig.

Bd. 10: Die gnten Weiber. 483

mMe dea 18. nnd 19. Jahrhunderts, in Neudrucken hcraosgA^ben von Bern- hard Seuffert", No. 21 aieilbr. 1885). Oraef bandelt aber unser Werk a. a. O., Bd. 1, S. 71—78.

Einleitung des Herausgebers (S. 345—346).

8. 845» Z. 2. „Dichtung und Wahrheit": vgl. Bd. 12, 8. 346 und weiterhin Bd. 14, 8. 160 dieser Ausgabe. Über Goethes namentlich im Alter stärker her- Tortretende Neigung , sich als Poet an Bildwerke anzulehnen : Meyer , S. 383 nnd 484.

Z. 8. Die sechs Doppel-Kupfer von Johann Heinrich Kamberg (1763 1840; vgL über ihn „Neuer Nekrolog der Deutschen", Bd. 18 (1840), S. 1292 f., ■orrie A. Conze in den „Preußischen Jahrbüchern", Bd. 26, S. 83 103 [1870]), sind jetzt in Nachbildungen leicht zugänglich im „Neudruck" sowie in der „Deutschen Nationallitcratnr", heransg. von Joseph Kürschner: „Goethes Werke", Bd. 14, S. 211—221.

S. 846, Z. 14. 22. Juni: „Tagebücher", Bd. 2, 8. 299.

Z. 16. 27. Juni: ebenda, 8. 300. 9. Juli: „Briefe", Bd. 15, 8. 84.

Z. 26. „Geselliger Scherz": „Tag- und Jahreshefte", 1800 (W, Bd. 35, S. 86).

8. 84«, Z. 27. Scberer, S. 567.

Z.29. Schiller an Goethe und CotU: „Schiller« Briefe", Bd. 6, S. 201 und 203 t

Z. 30. „Hanchen Ärger^: „Briefe", Bd. 15, 8. 144 f. und 333.

Z. 31. Knebel: in einem Brief an Frau Herder vom 1. Oktober 1800.

Z. 35. Q. Merkel, Briefe an ein Frauenzimmer Ober die neuesten Pro- dukte der schönen Literatur in TeuUchland, S. 138 und 143 (Berl. 180<3); Aus- zug bei Braun, S. 347. Seuffert, der sich am meisten um die „Guten Weiber" verdient gemacht hat, glaubt für die einzelnen Personen Weimarer Modelle gefunden zu haben und, mehr oder minder deutlich, in Sinklair Goethe selbst, in Armidoro Schiller, in Arbon Heinrich Meyer, in Seyton Bertuch, in Hen- riette Charlotte Schiller, in Enlalia Karoline Ton Wolzogen oder Amalie von Imhofr zu erblicken. Wir lassen dies dahingestellt; auch daA einzelnen unter den erzählten Geschichten literarische Vorbilder zugrunde liegen, ist wohl an- annehmen , aber nicht erwiesen. Vgl. dazu „Neudruck", 8. VU ff. und später „Jahrb.", Bd. 15, 8. 151—157 (1894). Gegen die Seuffertsohen Hypothesen wen- den sich ▼. Biedermann im „Archiv für Literaturgeschichte", Bd. 13 , 8. 396 f. (1885) nnd namentlich DOntzer in seiner Ausgabe der KUmchnerschen „Deut- •cben NaUonaUiteratur" : Goethes „Werke", Bd. 14, 8.203.

Der Holzschnitt auf 8. 357 dieser Ausgabe ist nach einem auf der kgl. ITnlversitätsbibliothek zu Leipzig (in der Hirzelscben Sammlung) befindlichen Original des „Taschenbuchs fUr Damen auf das Jahr 1801" hergestellt worden. Eine vielleicht vom Künstler selbst herstammende Beschreibung der Kupfer, die zum Teil in der Tat nicht ganz leicht zu deuten sind, befindet sich im „Onr** i und Schiller-Archiv". Der Dichter erhielt sie wohl seinerzeit von Cotta. S' hat sie in W, Bd. 18, 8.427—430 veröffenUIcht ; wir entnehmen Im folt,- dieser Publikation die Interpretation dea von uns reproduzierten DoppelbUdv» :

^evoir cU la CanailU. Ka Ist einer Fürstin In den Sinn gekommen, fran- sOtisebe Dichter zu Obersetzen. Di« Begeisterung kommt Ihr nur des N und ale ist gewohnt, das TintenfaA von der stehenden Zofe sich votki' SU wIAen. Das Kupfer stellt den Moment vor, wo Ihre Durchlanolit ' Nachdenken Ober eine schwierige Stelle eingeschlafen sind, und die Zofe, die Jeden Augenblick ihr Erwachen befürchten muA, in der permanenten Attitüde dea TintefaA-haltena verweilt, nnd, Übermannt vom 0«fDhl ihrer Sklaverey, sich

31*

484 Anmerknngeu des HeraTugebere.

eine Tbräne atu den Augen wischt. Man sieht Übrigens an der Wand das Por- trait iliros Herrn Gematiis, und zwar, des bescliränkten Raumes wegen, nur bis an dun Kopf.

„Simpathia. Umringt von Ihrer zahlreichen Uundefamilie und einem Fa- voritkätzchen promeniren Ihro Gnaden in dem Park. Sie scheinen, wie die gewandtragende Maschine und wie die HUndchen, verlohren im ßenufi der schönen Natur. Die Meditation spricht aus Ihrer Physiognomie, und scheint beim Kammerdiener nur eine ernsthaftere Wendung genommen zu iiaben. Das eine HUndchen, durchdrungen von sympathischen Gefühlen, möchte gern die Unterhaltung mit seiner Gebieterin wieder anknüpfen, aber es findet kein Gehör."

Die Unterschrift „Devoir de la Canaille" ist auf den Kupfern ausradiert.

S. 34S , Z. 80. St^nupftobadgftnger H, ©c^nupftobaCsfinger J.

S. S51, Z. 4if. Über die Karikaturenzeichnor der englischen Opposition und Goethes vermutliche Bekanntschaft mit ihnen vgl. Düutzer, S. 106.

Z. 5. ooIIgefacfteS ] roo^lgefacfteä BB^C^G.

Z. 16 f. Goethe war kein Freund der Hunde; vgl. z. B. das 73. seiner „Venezianischen Epigramme" (Bd. 1 , S. 220 dieser Ausgabe) :

SBunbem fann tnic§ nic^t, ba§ a3!e)if4>en bie ^unbe fo ließen; 2)enn ein eiBörtnlic^er Schuft ift, -wie ber SDlenjc^, fo ber §unb. sowie „Elegien I", XVXC (Bd. 1, S. 166 dieser Ausgabe) :

aJland^e %'6ne fmb mir SSerbru^, bodj bleibet am meiflen ^unbegebett mir ner^a^t; fläffenb jerrei^t e3 mein Dl^r. Vgl. ferner „Goethes Briefe an Charlotte v. Stein", herausg. von Scholl- Wähle, Bd. 2, S. 874 (3. Aufl., Frankf., 1899) und dazu einen Brief Charlotte Schillers an Goethe vom 22. Juni 1807, wo es („Jahrb.", Bd. 4, S. 254; 1883) heißt: „Ich habe bei Frau von Stein dem [so] Auszug »ur le chien de »auvage gesehen, und vrir haben Ihre Billigkeit bewundert, Aah Sie auch Ihre Feinde gern ehren . . .". Bekanntlich haben später Schopenhauer und Friedr. Th. Vischer den Hund gegen Goethe in Schutz genommen ; vgl. besonders des letzteren Roman „Auch Einer", Bd. 2, S. (154 und) 216 ff. (10. Aufl., Stuttg. und Leipz. 1903).

Z. 22. ®xa,\\ HJBB^a^.

S. 853, Z. 8. ejogration E, ®jageration BB^.

Z. 10. SKenfe^enfenner unb ^erjenälenfer ] SDJenfe^enlenner unb ^erjenätenner BC^C, iWenfc^en« unb ^erjenälenner B^.

S. 855, Z. 8. vor gerranb <gerranb unb ©arbano, jtoe? iunge ftorentis nifd^e ©belleute, lebten mit einanber con Sugenb auf in gutem SSerpItni^ 6ar» banoä Offenheit mad^te mit bem oerfc^ [offnen SBefen gerranbä einen ©ontraft, ber ifire SSerbinbung bcgünftigte SBenn gerranb oon bem offnen ©orbano nichts ju fürchten ^atte, fo war für Sorbano Stolj unb ^reube einen Zijtil beä Ser« traueng baä gerranb aller SBelt ocrfagte alä greunb ju beft^en ©ef^äffte unb Pu^lic^e SSer^äitrtiffe üerbanben fte, Vergnügen unb fiieb^aberepen führten fte auä» einanber unb fo erfc^ienen fte in manchem 6inne aH (Segenfäge jener ^reunb« f (Rafften, wie bie SBeit fie geroö^nKc^ Iennt> H.

Z. 8 ff. Die Verhältnisse liegen in dieser kleinen Erzählung ähnlich wie In den „Wahlverwandtschaften", als deren erste Vorstufe Seuffert („Jahrb.", Bd. 15 , S. 156 ; 1894) sie geradezu bezeichnet. In den „RoU en exil" (Kap. 4) verwendet Alphonse Daudet, ganz unabhängig von Goethe, dasselbe Motiv, der Geliebten als Zeichen der Verabscliiedung ein lebendes Tier zu liinter- lassen, und zwar angeblich nach dem Vorgange des Don Carlos. Vgl. dazu „Magazin für die Literatur des Auslandes", Jahrg. 1879, S. 759, und 1880, S. 42, femer Morris im „Jahrb.", Bd. 24, S. 242 f. (1903), der zeigt, dafi der vornehmen

Bd. 10: Die guten Weiber, NoTelle. 485

fleseUacbaft des 18. Jabrfannderta „das HOodebcn aU g^alantes Gescbenk an galante Damen und dadarcb als Verräter galanter Gtebelmnisse greläofig" war. irber Goetbescbe Stoffe nnd Motive bei Anatole France vgl. zn Bd. 10, 8. 240, Z.81ff.

Z. 15. riner Same fehlt BB^ C C.

S. 857 , Z. 3 £. ^ntenf ag g aoa Zintenf ag H.

S. 868, Z. 27. St^oofe C' C, von uns modernisiert. Vgl. oben, zu 8. 329, Z. 10«

S. 804, Z.26. Somanenfc^rriber (ans Äomonft^elber fl) ItJBB^C\

S. 865 , Z. 16 ff. Vgl. mit dieser Erzählung die von „Ferdinand" In den „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten" auf 8. 284 ff. dieses Bandes.

8. 867, Z. 18 f. bnirftcn H bruften J.

Z. 34. Bönig her grau HJ.

S. 868, Z. 7. je^en IIBBK

S. 809, Z. I ff. liier werden Anschauungen ausgesprochen, wie sie in lu-n Kreisen der romantischen Schule an der Tagesordnung waren; vgl. über dies Androgynen - Ideal besonders Ricarda H u e h , Blütezeit der Romantik , 8. 88 nnd 276 (Leipz. 1901).

S. 871, Z. 2 ff. Mit dem „Prorinzialismua" Sc^aU^eit bezeichnet der Schweizer (vgl. Oeorg Gefiner, Lavaters Leben, Bd. 2, 8.308; Winterth., 1802, 3 Bde.) „boshafte, mit k.ilter Freude am Webetun verbundene Laune". In der Tagebuch- und Brief-Publikation „Aus einer Reise in die Schweiz über Frankfurt, Heidelberg, Stuttgart und Tübingen im Jahre 1797" verzeichnet Ooethe tinter dem 28. Oktober allerlei Sugerungen ber Sc^alt^eit (Goethes „Werke", in der „Deutschen Nationalliteratur", Bd. 23 , 8. 176 f.). Ütn bte ffleiber, weibUdft St^dlfe, jur «S^aracteriflif berfelbtn notiert Riemer („Mittei- lungen über Ooethe", Bd. 2, S. 712; Berl. 1841) unter dem 24. November 1809.

Über Lavater nnd die „Schalkheit" vgl. Lav.iters „Physiognomische Frag- mente", Bd. 1, S. 23, 122, 228, 230; Bd. 2, 8. 76; Bd. 3, 8. 28, 69; Bd. 4, a 89, 127, 157, 407. Vgl. endlich noch Hegner, Lavaters Leben, 8. 248, Anm. (Leipz. 1836). Ein .,Kapitel von den Schälken" befindet sich Im Goethe- nnd Schiller -Archiv nicht; vgl. darüber W, Bd. 18, S. 450.

mot>tUt (S. 375 406). Vorbemerkunff.

Der vorliegenden Ausgabe wurde znfrrunde gelegt: 0 = &otit)^i 9Serfe. SoDftänbtge Aufgabe lettcr ^anb. Stuttgart unb tabingtn, in bcr g. &. Cotta'fc^en «uc^^anblung. 1827 80 (40 Bde. S% In Bd. 15 (1828), S. 801 336: unser Werk. C' = Dieselbe Ausgabe In kl. 8<».

Zar Vergleichung herangezogen wurde: W = Goethes Werke. Herausg. im Auftrage der Oro&hnrxogin Sophie von Sachsen (Weim. 1887 ff.). In Bd. 18 (1895), .S. 313 348: unser Werk. Durch W sind wir Ober den einzigen Originaldruck erheblich h'---.- gekommen. Dort ti.it G. Rocthe die 13 im Goethe- und Schiller -Arcl:. gefundenen Handschriften (H^ If**) »orgnam geordnet. K.r berichtet d . a. a. O., Bd. 18, 8. 458: „Von den meisten Stadien der Arbeit sind wenigsteuk I'robon vorhanden, und die chronologische Zihlung der Handschriften wird helfen, die Entstebnngtgeschlcbt« de* Texte* ancb Im Apparat möglichst an-

48ß Anraorknngon des Herausgebera.

■chauUch zu machen. Auf diese Anschaulichkeit kam mir alles an: die nn- ermlidlich feilende und umgießende Sorgfalt auch des greisen Goethe, die sich gar nicht genug thun kann, tritt nicht leicht so bis ina Kleine hinein zu Tage, wie an diesem Cabinetstück der Altersprosa."

Das ältere „ausrührliche Schema" der „Jagd", von dem „Qespriche", Bd. 6, S. 9 die Rede ist, hat sich nicht erhalten, wohl aber das während der endgültigen Bearbeitung angelegte, das wir in H* (Johnsche Reinschrift) nach W, Bd. 18 , S. 482—488 ohne Lesarten abdrucken :

1. JleBel SDiorgen.

2. ^alb bebecfter Sd^loJ^of. 8. Serfammctte 3äger.

4. ^albgefe^eneä (SewimmeL

6. J)eä gürften 2l6f(^ieb von her ®emo[in.

6. 3)ame allein.

7. 9f»eit«2oiIette.

8. Slnmelbung beS D^etmS.

9. unb be8 «Uialerä.

10. 3«it^""nä'^" ^^^ "ftf" Sd^loffeS. U. Sage im älUgemeinen.

12. Über ben SBalb ^eroorragenb.

13. mi SBalb.

14. 2tuf unb mit bem gelfen getaut.

15. geftefteä Oeftein.

16. (Seftreift.

17. ©roige Sauer.

18. ffiurc^auä oon uralten S3äumen Bcroac^fett.

19. 9SorfQ|e beä 2lu«bilbenä.

20. Saft ba^in ju reiten.

21. SJieHeic^t bie Sagb oon »eiten ju fe^en.

22. Sllfrebä J^ätigteit.

23. eie reiten buvc§ bie Stabt.

24. T'üv^ ben 3a^rmartt.

25. Suben, ^anbel unb SBanbcI.

26. fflilbe Z^ieve.

27. SluSgel^ängte SBilber.

28. S3or)a§ nac^^er einjutreten.

29. D^eim SReminiäcenj eineä S6ranbe§.

30. Umftänblic^ erjä^lt.

31. Slllgemein referirt.

32. gürftin lennt \d)on bie ©efc^ic^te. 83. Unangenehmer ©inbrud.

34. Stbgeft^üttelt.

35. 3n§ grepe.

36. Sinmut^iger 2Seg.

37. Sorten.

38. Stieg.

39. ®ebüfc5.

40. darauf SBalb.

41. ©rfte §ö^e.

42. £Rücfbli(f.

43. Schöne ©egenb.

44. Oberer £^eil beS alten Sc^loffeS fid^tbav aber umnebelt 4b. abroärt«.

M. 10: NoTrtle. 487

4«. ^a Don aSalb bebc«ft. 47. 9leue« =(^ro6. ♦8. Dtfrer ctabtt^eiL 49. %lui hie unb ba.

60. ^xxUdte Conbfc^oft.

61. 3<»^9t< ^öl^e.

52. CoUn: «nblief be« alten £(^[offe«.

53. SBunft^ eines bortigen aufent^altä.

54. Stabt faft ganj ju überfe^en.

55. fiaiib.

56. '§lu% im ganjen Sauf.

57. "Stmt gegenüber.

58. grieblic^er ©inbruct.

59. Setrac^tung beS reinen Überblicfä.

«0. 3m ©cgenfaj b<8 büigetlic^en fflefenS.

61. «in »ranb entfielt in ber SWitte ber Stobt.

62. «uf bem 'JJtarite.

63. D^eim mit einem 9Jeitfne<5t jurflcf.

64. gürflin unb «Ifreb aDein.

65. Sic fie^t bte längfl betannte Sef^reibung be< C^im*.

66. aifreb« Sorge fte juriid ju füJjren.

67. Z9geT aue bem ®ebUf(^.

68. %U<tft ber gürftln.

69. aifreb i^m entgegen.

70. e<^ieftt

71. 3el)lt

72. Xrjqex oorbep.

73. iCer gilrftin nac^.

74. Borfprung cor aifreb.

75. Serfolgung.

76. Ipger retarbirt bergauf.

77. gürftin fturjt.

78. ergebt fic^.

79. Ste^t neben bem ^ferbe.

80. Zpger ^eran.

81. aifreb au($.

82. S<i)ie%t.

83. t>er l9ger fäat.

84. aifreb com ^ferbc.

85. 9erocgung beiber.

86. Cr fnlet auf bem Z^ger.

87. tu^ier anftanb.

88. 8«8<f«8t« &nah{.

89. XuSgefpiocbener :Sunf4 )u reifen.

90. €<(on oft icieber^olt unb motioirt

91. ffiarum fl4 entfernen jeft eben ba er fo (fi(fret4 gcreorben.

92. ^S^erc Silbung ali Sonvanb.

[•] 9«. anfurtft ber grau mit bem Änaben. 97. 3a'nmer.

93. Die gagb no^t fx^.

[>] So finb, o^m tnbcrung ber Sa^lcn, bic SRotipe nac^trdglt^ umgefleat iDorbcn.

488 Anmerknne^on des Hcransgebon.

94. ©ie l^aben ben SBranb gef«^"- 96. Cilcn nodj ber Stabt

98. 8"foinmentreffen aUn.

99. £ier SRann fommt.

100. SJac^rid^t oon bem entroic^cneit Cüroen.

101. ütnftalt eines fireBjugä.

102. iffläc^ter oon ber »uig.

103. Gr^öl^tc gogbliift.

104. einhält ber %amilxe.

105. Gapitulotion.

106. grau Äinb unb üBäe^ter.

107. 3b9nif(^e SJarjienung.

Dazu kommen noch dio folgenden vier, anf einzelnen Blättern nnd Streife« ei'baltenen kleinen Paralipomcna :

[1] ginanäminifter fianbjägermeijier 6e9berfcitige 9ieJ;te

^onorio trot ein unb melbet bie [oder ben] [2] .^ö^e Sranb SSorab SRctarbation beS «pger« 513ont^er Stützt Crlöfung. r3] a3orIe(jte S. »L ^oitorio

Setter Sonnenblid Ainb [4] SWann ob

SDer gürft 8Iufb[ruc§] SPferbe Dorfü^ren anrebe an bie grau 3^r get[rau]t eu(§ 83eja]^ung

ilinb unb grau con SBartel begleü[et] Sßad&en fic^ auf ben SJBcg Weiftg am engen 2Beg jufam[men] getrog[en3 ftnben <3uncter> §onorio Si^enb [?] unb nad^benf[enb] [?] Slnrebe ber grau Sc5ön[er] junger §err Sitte

SBeisfagung oon Keife Unb groge X^aten Unsere Abkürzungen öfter angeführter Werke sind dieselben wie anf S. 441 f. dieses Bandes. Nur bedeutet fdr die „Novelle"

Düntzer = Heinr. DUntzer, Erläuterungen zu den Deutschen Klasd- kern. Erste Abteilung: Erläuterungen zu Goethes "Werken. XVL Bändchen. Erzählungen IL (Leipz. o. J.)

Graef handelt über unser Werk a. a. O^ Bd. 1, S. 211—240. Weitere SpezialUteratur ist auf S. 381 dieses Bandes verzeichnet; vg^ femer K. Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung, Bd. 4, S. 736 (2. Aufl., Dresd. 1891), Fr. Strehlke in Goethes „Werken", Bd. 16, 8. 136 (Berl., Hempel , o. J.) und Senffert im „Jahrb.", Bd. 19, S. 145, Anm. (1898).

Bd. 10: Noren«. 489

Einleitung des Herans^bers (S. 377 382).

S. 877, Z. 2 ff. 23. März 1797 : „TagebQcher". Bd. 2, 8. 62,

Z. 8. 28. April 1797: ^Briefe", Bd. 12, S. 104 f.

Z. 11. .,b«8ondere Liebe": ,^riefe", Bd. 12, S. 104.

Z. 12. ,^ohobieren" : „Briefe", Bd. 12 , S. 168.

Z. 16. 26. Juni: „Schillers Briefe", Bd. 5, S. 206 f.

8. «78, Z. 14. 27. Jnni : ,3riefe", Bd. 12, S. 170.

Z. 19. 6. Februar: „Schillers Briefe", Bd. 5, S. 338.

Z. 20. 4. Oktober: „Tagebücher", Bd. 10, S. 252.

Z. 34. DOntzer: EQrschners ,^entsche Nationalliteratur", Goethes ,,'Werke", Bd. 14, S. 155f.

Z. 26. „Tag- und Jahreshefte", 1797: TT, Bd. 35, S. 71.

Z. 29. 22. Oktober: Goethe -Humboldt, S. 280.

8. S79, Z. 9. Titel: „Gespräche", Bd. 6, 8. 39t Der Titel findet sich in keiner Handschrift: TT, Bd. 18, S. 460f.

Z. 22. Knebel : „Briefwechsel zwischen Goethe und Knebel", Bd. 2, S. 388 (Leipz. 1851).

Z. 23. Schultz : „Briefwechsel zwischen Goethe and Staatsrat Schultz", herausg. Ton H. DQntzer, 8. 356 f. (Leipz. o. J. [1856]).

Z. 24. „Goethe erwiderte": ebenda, 8. 361.

S> SSO, Z. 1 f. Paul H e y s e , Jugenderinnerongen und Bekenntnisse, 8. 347f. (3. Aufl., Bert. 1900).

Z. 8. Über den „StU" der „Novelle": „Gesprftche", Bd- 6, 8. 9 ff.

Z. 25. „Biblische Anklinge": Jesaiaa, Kap. 11, Y. 61, und Kap. 65, V. 25; dazu „Jahrb.", Bd. 19, 8. 144 (1898).

Z.29. Meyer, 8. 147.

Z. 86. Vgl. „Wanderjahre", Buch 3 , Kap. 1. Über romantische Vorbilder solch metrischer Kunst (Tieck, Friedrich Schlegel) : „Jahrb.", Bd. 19, 8. 165 (1898).

8. SSI, Z. 2 f. Vaduz . . . Rndolstadt: DQntzer in der Ausgabe von Goethes „Werken" der Kürschnerachen „Deutschen Nationalliteratnr", Bd. 14, S. 164.

Z. 9. Tei>l'^: Wie mir SenfTert nach dem Erscheinen seiner Schrift pri- vatim freundlichst mitteilt, findet sich im Claryschen Stadtschlosse und zwar in dem Zimmer, von wo man den entsprechenden Ausblick hat, noch jetzt da.s IVmrohr, dessen sich die NovellenrUntin bedient.

Z.12L Titine Ton I.igne: Tgl. Bd. 2, 8. 339 dieser Ausgabe and die An- merkung am Schlüsse desselben Bandes.

Z. 14. Christian von Dannstadt: DQnUer, & 29.

Z. 15. VgL meine Besprechung der SeuiTertaehen Schrift in den „Neuen JahrbOchom fQr das klassische Altertum etc.", Jahrg. 1903, S. 732 f.

Z. 181 Groftherzogin LnUe: Senffert im ,yjahrb.", Bd. 19, 8. 165 (1898) und Morris, Bd. 2, a 28 f. (und 8. 11 ff.).

Z. 27 ff. Seuffert („Jahrb.", Bd. 19) erkennt in Honorios Bitte um Urlanb daa „bOflsch verkleidete LiebesbokenntnU" (8. 138) und zieht (& 165) eine Pa- rallele zu „Tasso" : „Goethe , der aus unhaltbaren Beziehungen za Frauen weg nach Italien will, mag Uonorio den Keisovorwand dargeboton haben, wenn nicht die bald nach der ersten Konzeption der Dichtung g< ; ' ^ ""ufahrt

Dolbst vorschwebte". 0. F. GSiehel, Unterhaltongen inr .'^ .»etbo-

scher Dicht- und Denkweise, Bd. 2, a 285—251 (Behleu»- ■, bietet

„InterUnear-Glosaen" zu Goethes Dichtang , die fallongelajtsenen tadun weitor- spinnend. So wenig wie er befriedigt A. Lichtenhold („Zeitschrift fQr den deut- schen Unterrieht", Jahrg. 8, 8. 471 ff.; Leipt. 1894) mit Minen Aoslaasongen

490 Anmerkongren de« Herantgebert.

aber Honorlos Charakter und die „Idee" der Novelle, während er tlber Ooetbea epische Technik einige gute Bemerkungen beisteuert.

S. 881, Z. 34. Vgl. a. a. Gervinus, Geschichte der deatachen National- literatnr, Bd. 5, 8. 800 ff. (5. Aufl., Loipz. 1874).

S. SS4 , Z. 18. Uonorio sollte anfänglich den Namen Alfred führen.

S. 880, Z. 8. Die FUrstin wird hier die „schöne Liebenswürdige" genannt, wie „Wilhelm Meisters Wanderjahre" von der „Schönen-Guten", der „sinnigen Guten" sprechen.

Z. 33. Diese Stelle ist späterer, nicht gerade glücklicher Zusatz. Zu Ecker- mann sagte Goethe am 31. Januar 1827: einS mu^ bodj noc§ tu ber (Sjpofttion gef(5e^en. J'er fiöroe nemlii^ mug brüllen, roenn bie gürftin an ber Sube »orbei» reitet; roobei ic§ benn einige gute SRefletionen über bie gurt^tbarfeit bc8 geroalti» gen Xl^ieiS anftetlen [äffen fann.

S. 890, Z. 15 f. In den „Gesprächen mit Eckermann" („Gespräche", Bd. 6, S. 34) bemerkt Goethe: 'S)oä) einS mu^ \ä) noc^ t^un. ^ladf ben (Befejjen einer guten Gjpofition nemltc§ muj It^ bie iöefiger ber Xifiexe fc^on oorn auftreten taffen. SBenn bie gürftin unb ber D^eim an ber S3ube oorbeireiten, muffen bie £eute heraustreten unb bie gürftin bitten, aud^ i^re SBube mit einem Söefudj ju beglücfen. Eckcrmann stimmte zunächst bei, sprach sich aber acht Tage später unter Goethes Billigung dagegen ans, und der Zusatz wurde nicht gemacht („Ge- spräche", Bd. 6, 8.39).

Z. 11 ff. Im Mal 1797 las Goethe zufällig das 8. Buch von des Plinius „Historia naturalis": möglich, dafi die Schilderung des Löwen dadurch beein- flufit ist (vgl. „Jahrb.", Bd. 19, 8. 162). In Lavaters „Physiognomischen Frag- menten" hat Goethe unter den Schädeln anderer Tiere auch die eines Löwen und eines Tigers behandelt {W, Bd. 37, S. 351).

S. 406, Z. 24 ff. Über ältere Bearbeitungen diese« bekannten Motivi (be- sonders die Geschichte des Sklaven Androklus) vgl. Dtlntzer, S. 87.

2)cr ^augBatt (S. 407—416).

Vorbemerkung.

Der vorliegenden Ausgabe wurde zugrunde gelegt: W = Goethes Werke. Heransg. im Auftrage der Großhorzogin Sophie von Sachsen (Weim., 1887 ff.). In Bd. 18 (1895), 8. 349—358: unser Werk. Zur Vergleichung herangezogen wurde: T = Das Journal von Tiefurt. Mit einer Einleitung von Bernhard Suphan herausg. von Eduard von der Hellen (= „Schriften der Q.- G.", Bd. 7 ; 1892). 8. 50—52 und S. 76 79: unser Werk.

Über H (Handschrift im Weimarer Goethe- und Schiller - Archiv) vgl. Aug. Sauer in W, Bd. 18, S. 492.

Unsere Abkürzungen öfter angeführter Werke sind die gleichen

wie oben, S. 441 f dieses Bandes. Dazu kommt an Literatur noch in Betracht:

Burkhardt = C. A.H. Burkhardt, Das Tiefurter Journal. Literarhistorische

Studie, in den „Grenzboten", Jahrg. 1871, 2. Semester, Bd. 1, 8. 281—299.

V. d. Hellen = T (siehe oben).

Sauer = Wiener Neudrucke: 3. Der Hausball. Eine Erzählung 1781. [Her- ausg. von August Sauer.] (Wien 1883.)

Bd. 10: Der Haniball , Reis« d«r Sfihne Megapracons. 491

Einleitang des Herausgebers (8. 409—410).

8. 400, Z. 3. Die« ,^verÜssemeDt" laatote (nach dem FaksimUeabdrock bei V. d. Hellen, Blatt vor S. 1) folgendermaßen : „Es iat eine Qesellschaft von Gelehrten, Künstlern, Poeten and Staatsleuten, beyderley G^chlecbtes, cu- sammengetreten, und bat sich Torgenommen alles was Politick, Witz, Talente and Verstand, in unsem dermalen so merkwürdigen Zeiten, hervorbringen, in einer periodischen Schrift den Augen eines sich selbst gewählten Publikums, Tormlegen. Sie hat beliebt gedachter Schrift den allgemeinen Titel: Journal oder Tagebuch von Tieffurth zugeben, und selbige in ihrer Einrichtnng dem bekannten und beliebten JoumcU de Pari* vollkommen ähnlich zu machen ; nur mit dem Unterschied, daft davon nicht von Tag zu Tag, sondern nur wöchentlich ein Bogen ausgegeben, auch darauf nach WillkOhr, entweder mit baarem Oeld das auf das mindeste ein Goldstück seyn mufi oder mit beschrie- benen [so] Papier als Beiträgen, abonnirt werden kann. Zu Ende der itzt lau- fenden Woche wird der erste Bogen ausgegeben. Tieffurth den 15 Aug^ust 1781."

8. 410, Z. 22. „Kaiser Joseph IL" Am 3. Dezember 1781 schreibt Goethe an Knebel („Briefe", Bd. 5 , S. 228 f.) : S3on bem floifer benfe it^ auc^ wie bu. SBentt i^m baS (S(fl( roiO unb i^n fein Seniui ni(^t oerlägt, fo i^ er gemacht oiel o^:ie Sc^ioerbtftreic^ )U erobern. Dagegen ist zu halten: „Briefe", Bd. b, S. 109 nnJ 319, sowie Bd. 7, S. 200.

8. 41«, Z. 26. pin«becfenen ] ^inSbefcnen H; vgl. Sancr, 8. VI.

S. 415, Z. 33. Ein solches Rauchfangfener weist z. B. auch fn! ' - Büchlein der Wiener Stadtbibliothek auf: „Ein Neues | Pantomimisch' ■tiiel { von einem Aufzuge, I genannt: | Die Herrschaftskuchel { auf dem I. . Mit Bemardon | dem dicken Mundkoch. | Oder : | Die versoffenen Köche, | und die I verliebten Stubenmädel. I WIEN, I gedruckt bey Johann Thomas Edlen T. Trattnem, I k. k. Hofbuchdruckem und Buchhändlern. | 1770. I 18 S. S». VgL darüber und Ober die Behandlung ähnlicher Stoffe Sauer, S. IX ff.

S. 41G, Z. 7. Essenkehrer. VgL zu Bd. 9, & 295, Z. 8.

IRctfc bcr Sö^nc 9)?cga^ra5on8 (S. 417—438). Vorbemerkung.

Der vorliegenden Ausgabe wurde zugrunde gelegt: 9 = Ooetbe's poetische und prosaische Werke in zwei Bänden, unter den ■cbOtzenden Privilegien s&mmtlichcr Staaten des deutschen Bandes. Mit acht Stahlstichen. Stuttgart und TObingon. Verlag der J. O. Cotta'üchen Buchhandlung 1837 (4<^). In JOm awoiten Band«« Entter Abteilung", S. 445 449 : unser Werk. W -=■ (Soet^l SBerte. Herausg. Im Auftrag« der Orolherzogin Sophie von Sachsen (Woim., 1887 ff.). In Bd. 13 (1895), SA59 383: unser Work. Unser« Ausgabe sclilicbt sich eng an TFan, da Q sowie O und C' (vgl. oben, 8. 463) als posthume Drucke keinen teztkritischon Originalwert besitzon. IK beruht auf der Handschrift (U) im Weimarer Ooolho- und Schiller -Archiv, Ober die J. Wahl« In W, Bd. 18, S. 496 f. berichtet

Auch das zuerst in Q, Bd. 2, Abt. 1, S. 4.''>0 abgedruckte Paralipomenon gelben wir. oline I.os.Trton, nach W (H'1. IH, 8. 501 ff.):

492 Anmerkungen de« Herausgebers.

Ein vorgefundenes Stttck des Planes. 3Jl. crroac^t unb ruft Spiftcmon. Kat^ridjt oou ben Söhnen. Sie fominen an. anrebe.

€ie §aben flc§ proolanttrt. *

Sobicbe auf bie §äu6Iid^cn. toirb Qlleä eingejc^ifft man ge{)t ju fc^iffe. Oolfo von SJeapel.

SKeiter SReifc. p^d^en unb iRebe be« 3». 10

©ebancfcn ber fcc^ä SBrüber. 3R. wirft baS §. inä 3J!ecr. ffintfegen njater Sleife. Sr«r Steuerin. behauptet jie fepen be? ber Snfel ^apimanie. ©treit barüber.

Cntfc^eibung. 15

6ie fahren nac^ ber anbcrn 3nfeL spanurgoä SBorfc^tog. SSirb beraunbert. er fteigt au8, mit i^m x et. y.

er friegt fc^Iäge. 20

3L rettet i^n; entfc^ulbtgt i^n, man entbctft ben gnt^um. Sie locrben gut aufgenommen. S)te !papefiguen erjä^lcn ben 3uftanb i^rer 3nfel Offerte ob fie bleiben moUen.

SBebingungen: gefallen uid^t, gelten ab. 25

gal^ren nac^ <popimanie. flommen nacfitä an, fteigcn auS. ÜJlagquerabe. matten fic§ auf ben SBeg. Stlac^t, fongen ben ^>9gmäen.

SSringen i^n an8 gcuer. 30

erjä^lung beä ^pggmäen. 5Dlorgen§ nac^ ^apimnnie. 2Berben trübfelig empfangen. $iie aJlaSquevabe trügt nichts ein.

©rlunbigen nad^ näheren S'Msl- 35

erjä^len von ber Qnfel ber aJJonarc^omancn. SSulcan.

3erfpalten ber Snfel, 3 f^roimmenbe Steile. SReftbenj. Slriftemon na^ gefe^en. aRan jeigt pe ocn fern. Slbfc^ieb. •lO

Sie fal^ren fort, legen ftt^ Be? SBinbftiHe cor ander, folitifiren be§ ^aä)ti, f(§lafen ein. Crroad^en, fe^en bie 3nfel nic^t me^r. Sc^roimmenbc Cinfteblcr.

erjä^lung. 45

3)oc(trin. SSerfuc^e.

ainjeige ber SRefibenj. abfc^ieb.

^inben bie SRefibenj. 50

Sefc^riebeiu hole Borr. lafel bei Sebe? vv-

Bd 10: Reis* der Söhne MegApraaons. 493

KB^eigtn. SobaoerS.

CdfleUan. 5J »efe^en ft*.

Unleibiger gepond [?]. Sinf aO be3 ^anurgen«. 2Ber ben in bit See geroorfen.

SHe SJef benj gereinigt.

fRan geniest.

Cntbecfung bei ^amagenS. «0 loriä. »ferfuc^t ber Särüber.

^ätenfton. S3ebingung be« S3ater8. ' 6c(^fe bereben [7] ftc^.

SRorgen.

Cntbccfung. ^ Sefcl^reibung. SJenui nnb SRorS.

Zroft bev onbem.

Der Termatlicb geplante Fort^ng des Werkes wird skizziert bei DOntzer, S.2Sff. nnd bei Morris, Bd. 2, S. 2871

Die „sdiwimmenden Einsiedler" (Z. 44) dürften die Emigranten, beson- ders die im Auslände lebenden königlichen Prinzen von Frankreich bedeuten sollen. /4o/e Barr. (Z. 51) bezeichnet die Borromäiscben Inseln, so genannt nach d«m heil. Borromius (vgl. S. 185 dieses Bandes), im Lago Maggiore ge- legen, Ton dem in den Wanderjabren", Buch 2, Kap. 7, aosfUlirliche Scbilde- rang«ii g«boten werden. Zur Zafel be< Sebed (Z. 52) Tgl. endlich Morris, Bd. 2, 8.287.

Unsere Abkflrxnngen öfter genannter Werke sind dieselben wie auf S. 441 f. dieses Bandes. Nor bedeutet hier

DOntzer = Heinrich DOntzer, Erläuterungen zn den Deutschen Klassikern. 58. Bändchen: Goethes Erzählungen L (Leipz. o. J.). Auf S. 5 38 wird die „Reise der Söhne Megaprazons" erläutert. Desselben Verfassers frühere Auslassungen Über denselben Gegenstand in Uerrigs ,^rchiv für das Studium der neueren Sprachen nnd Literaturen", Bd. 3, S. 261 ff. (1847), und in den ipStadien zn Goethes Werken" (Eiberf. n. Iserl. 1849) sind hier verarbi;it«L

Einleitung des Heraosgeben (S. 419—422).

8. 419, Z. 1 C „Bedeutende .Fordernis" u. s. w.: Goethes „Werke", Bd. 27, B. 851 fr. (Berl., Hempel, o, J.).

Z. 28. „Kampagne In Frankreich" : Bd. 15 , S. 385 1 dieser Ausgabe.

8. 4», Z. 13. Vgl. „Dichtung und Wahrheit", Buch 4 (Bd. 12, S. 143 dieser Aasgab«): 34 . . . ei-fanb einen 9<oman oon fe^i bi< fteben 0ef4»iflent, bie, oon« cinanber entfernt unb in ber SBelt jerflreut, fi4 toe^felfeitig 9ta(4ri((t oon i^ren guflänben unb «mpfinbungen mitteilten.

Z. 16. Bei Jonathan Swift, anf der drittall von „Gullivers Reisen", ist, besonders in Kap. 3, viel von der fllegendea odw „schwebenden Inser' im Reiche der Imputier die Rede; vgl. dl« ObersaUnng von Fr. Kottenkamp, b. 179 ff. und S. 191 ff. (Lelps„ Reclam, o. J.).

Z. 17. Morelly, Nanfrag« des Isles flotUntea, ou BasiUad« da eilöbr» PUpai. ro«me hirotqu« Tradult de l'Indien par Mr. M****** (K M«ssin^ 1753, 2 Bde.). VgU Ober dles«n in Prosa geschriebenen Sosialroman Herrn. H e 1 1 n e r, (reschichte der firanzöslscben Literatur im 18. Jahrhundert , S. 519 f. (4. Aufl., Braunschw. 1881). Wieland besaA das Buch, das nachweislich sUrk auf ihn gewirkt bat. B. S«aff«rt nun b^iaaptet im „Jahrb.", Bd. 17, S. 234 ff. (189«|.

494 Anmerkungen dea Heraoagebers.

da& es auch die „Reis« der Söhne Megaprazons" beeinflußt habe. Das Motiv der schwimmenden Inseln an sich , die vorher zu einem Ganzen vereinigt ge- wesen sind, femer dasjenige, Inseln als Sitze verschiedener politischer Hin- richtungen darzustellen , sowie das dritte , dafi die eine der einander benach- barten Inseln Üppig , die andere arm und unfruchtbar ist , finden sich bei Mo- relly wie bei Goethe In einer Übereinstimmung, die eine Abhängigkeit der beiden Werke voneinander wohl einleuchtend macht.

Z. 21. „Dichtung und Wahrheit" .- Bd. 13, S. 38 dieser Ausgabe. Goethe er- wähnt Rabelais auch in den „Guten Weibern" : S. 359 , Z. 29 dieses Bandes.

Z. 26. Über Goethes eigene, etwas eigenmächtige, symbolisierende Namon- bUdungen in diesem Werke vgl. die zum Teil allerdings sehr pedantischen Be- merkungen bei Düntzer, S. 8 ff.

8. 421, Z. 1. „Als Papefiguen bezeichnet": vgl. in Rabelais' „Gargantua und Pantagmel", Buch 4, Kap. 45 (übersetzt von J. A. Gelbcke, Bd. 2, S. 144; Leipz. und Wien , Blbliogr. Inst. , o. J.).

Z. 24. Vgl. Düntzer, S. 29 f.

Z. 25. Vgl. Morris, Bd. 2, S. 285t

Z. 31. „Auslegung" : vgL noch K. Rosenkranz, Goethe and seine Werke, S. 296flf. (Königsb. 1847).

S. 422 , Z. 6. Da£ die „Reise der Söhne Megaprazons" das geplante zweite Märchen zu den „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten" (vgl. 8. 214, Z. 35 bis S. 215, Z. 7 dieses Bandes) darstelle, nimmt Friedrich Meyer von Waldeck, Goethes Märchendichtungen, S. 16 (Heidelb. 1879), an.

S. 423 , Z. 9. Zu dem Namen Panurg vgl. Goethes Coneerto dramatico composto dal Sigr Dottore Flamminio detto Panurgo $econdo (W, Bd. 38, 8. 3).

Z. 11 ff. Auf der „Italienischen Reise" waren Goethe, sowohl während der Seefahrt von Neapel nach Sizilien wie von Sizilien nach Neapel znrUck, die das Schiff scharenweis umspielenden Delphine angenehm aufgefallen: vgl. Bd. 14, S. 258 und 353 dieser Ausgabe ; nach der letzteren Stelle wurde ihnen vom Schiff ans auch mit Harpunen nachgestellt.

S. 424, Z. 5 ff. Bei dem künstlich verknoteten Tuche schwebt wohl der Knoten der Circe vor: „Odyssee", Ges. 8, V. 477 f.

Z. 18. Zur „Latemeninsel" gelangt Pantagmel bei Rabelais in Buch 5, Kap. 52.

S. 427, Z. 20. SSlumenfo^I, Sroccoli, ärtifc^oden nennt in dieser Reihen- folge auch die „Italienische Reise": Bd. 14, S. 374, Z. 11 dieser Ausgabe.

Z. 21 ff. Vgl. „Italienische ReUe", Sizilien, 30. April 1787: . . . un»

geheure SifteImof|en boc^ nid^t gan) unnit^ .... iDtit SSertounberung fal}cn

wir biefe beiben cinft^aften 3JJänner mit fc^aifen Xofc^enmeffern t)or einer folc^en Jjiftelgruppe fte^en unb bie oberften Zeile biefer emporftrebcnben (Sewäc^fe nieber» ^aucn; fte faxten oBbann biefcn ftac^lic^teii ©eroinn mit fpijen gingern, fc§ältcn ben Stengel unb nerje^rten baä Snnere beäfelben mit SBoljlgefaHen... 2er SBet« ttttin bereitete unS berglci^en Stcngelmarl unb oerftc^erte, fei eine gefunbe, fü^Unbe ©peife, fie roollte unä aber fo nienig fd^meden ali ber ro^e Äo^lrabi ju Scgefta. (Bd. 14, 8. 322 f. dieser Ausgabe.) Ebenda, 8. 205 nennt Goethe in« bianiff^e geigen, eine Kakteenart mit eßbaren Früchten. Vgl. auch zu S. 430 Z. 11 dieses Bandes.

S. 4S8, Z. 4. Vgl. Goethes Notiz aus Sizilien in der „Italienischen Reise" (Bd. 14, 8. 315 dieser Ausgabe) : S5er Setturin of mit größtem Slppetit ro^e Slrti* fc^oden unb flo^lrabi

B4. 10: RhIs« der SAfaii« M«^pnzon». 495

Z. 0. 6ie lafen in ben Zagebfli^cm i^rti ilttivattxt : d. h. in Rabelais' „0«rgantaa", Bach 4, Kap. 48.

S. 480, Z. 2. Als „Violettstrompf beceichnet einen Bischof auch die tecfaste der „Römischen Elegien : Bd. 1, S. 157 (V. 130) dieser Ausgabe.

Z. 11. Vgl. „lulienische Reise", Bd. 14, S. 350, Z. 20 und 28 dieser Aas- gabe, wo Goethe einen Malteser-Rittor als Stotrod bezeichnet

Z. 29 ff. Yom Kriege der Kraniche mit den Pygmäen handelt Homer in der „Uias", Ges. 3, V. 3 ff. Goethe knüpft daran in der „Klassischen 'Walpurgis- nacht'' des „Faust" an: Bd. 5, S. 312 ff. dieser Ausgabe. Auch bei Rabel.iis (a. a. O. , Bd. 1 , S. 280) wird von den Pygmäen , ihrer grotesken Erschaffiing durch Pant&gruel and den Kranichen als ihren Feinden gehandelt Nach deiu ersten Entwürfe (vgl. das oben, S. 492 abgedruckte Paralipomenon, Z. 29 ff.) sollte ein Pygmäe gefangen eingebracht werden und am Feuer selbst eine ErzUilong geben.

S. 481, Z. 5 ff. Satire auf die teleologische Weltanschauung, die Goethe •o verhaßt war wie Kant, Schiller und Herder.

Z. 12. Das „efibare Gold", durch dessen Genufi der Kranich am so voll- kommener wird, erinnert an das Motiv des ,^lärchens", wonach die grüne SctiUnge durch Verschlingen des Irrlicbtergoldes leuchtender wird (S. 310, Z. 1 ff. dieses Bandes).

S. 488, Z. 9 ff. Vgl. oben, & 480, die Anmerkung za S. 331, Z. 21 ff. diesen Bandes, wo Goethes VertiJUtnia zum „Zeitfieber" der Rerolutionsepoche ver- schiedentlich belegt ist.

S. 488, Z. 9. Bei den „Leichnamen tapfrer Männer" erinnert D&ntzer (a. a. O., S. 35) an die braven Schweizer, die bei der Erstürmung der Tuilorien am 10. August 1792 ihr Leben liefien, und derea Andenken Ttaorwaldsens herr- licher „Sterbender L(we" sa Lozem ehrt.

I n Ij fl 1 1

Seit«

"äSil^elm 3Kcii"ter3 Se^ria^rc(@d^Iufe) V

Siebentes SBud^ 1

9I^tc3 Su(^ 84

Unterhaltungen beutfd^er ?lu§gcnjanbecten . . . 205

©inteitung be§ §erau3geber§ 207

3)ic guten SBcibcr 343

©nicttung bcS §erau§ge6erg 345

^toüelle 375

©nlcitung bc§ §eiau§geBer§ 377

3)er ^augball 407

(Einleitung be3 §erau§geber8 409

Sieifc ber ©ö§ne aJicga^rajonS 417

Einleitung bc8 §erau§geberS 419

'»2lnnierhingen beä §erau§geber3 5U S3anb 9 439

^Änmerfungcn bcg ^erauSgeberS ju Sanb 10 462

■t^KJtC^«-

T)md 00m »ibttogrop^ife^ert gnfiitut in Setpjig.

PT

1891 COO Bd. 10

Goethe, Johann Wolf gang von Werke

PLEASE DO NOT REMOVE CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET

UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY