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Westdeutsche Zeitschrift

für

Geschichte und Kunst.

Herausgegeben

Prof. F. Hettner Dr. J. Hansen

Museums-Diret'tor in Trier. Archivar der Stadt KöJn.

Jalii<saiig; XIV.

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TRIER.

Verlag der Fr. Lintz 'sehen Bnchhandlung. 1895.

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HARVARD COI I FGE LIBRARY OCT 28 1905

HCHCrZOuLERN COLLECTION CIFT OF A. C. COOLIDGE

K. USTZSCHF. I)U<in>Kl < »t»"*' »' TRIRR.

Inhalt der Vierteljahrshefte.

Abteilung I.

Domaszewski, A. v., Die Religion des roinisi-hcn Heeres. (Hierzu

Taf. 1—5) 1

Gothein, £., Zur Geschichte der Rheinschitft'ahrt 281

II.

a) Altertum.

Jacobi, L., Grenzmarkierungen am Limes. Ergebnisse der im Jahre 18\)4

im Taunus erfolgten Untersuchungen. (Taf. 7 13) 147

Thomas, Chr. L., Die Ringmauern auf dem Goldgruben- und Dalbes-

berge in der hohen Mark im Taunus. Hierzu Taf. (>) 125

b) Mittelalter und Neuzeit.

Ausfeld, £., Der Königszug von Mainz nach Coblenz am 17. und

18. März 842 348

Detmer, H., Zur Geschichte der Münsterschcn Dombibliothek . . . 21)8 Hansen, J., Römische Nuntiaturberichte als Quellen zur Geschichte

des Kölnischen Krieges (1576—1584) 195

Heinemann, 0. V., Ein Zeitgenössisches Gedicht auf Franz von Sickingen 293

Lau, F., Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Stadt Köln . . 172, 815

Müller, J., Der Konflikt Kaiser Rudolfs H mit deutschen Reichsstädten 257

c) Recensionen.

Paul Giemen, Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. Zweiter Band 1. H. III. Dritter Band I. II. Angezeigt von Professor Dr. P. Lehfeldt 805, 854

Abteilung II.

Museographie über das Jahr 1894:

Lehner, H., Schweiz, Westdeutschland und Holland. (Hierzu

Taf. 14—22) 364

Schuermans, H., Döcouvertes d'antiqidtcs en Belgiiiuc .... 412

Abbildungen.

Taf. 1—5 zu V. Domaszewski : Die Religion des römischen Heeres S. 1 ff. Taf. 6 zu Thomas: Ringmauern etc. im Taunus S. 125 ff. Taf. 7—13 zu Jacobi: Grenzmarkierungen am Limes S. 147 ff. Taf. 14—21 zur Museographie von Mainz *) S. 379 ff. Taf. 22 zur Museographie von Trier S. 397 ff.

Clich^s.

Aedicula des Adlers S. 11. Altar der dii nülitares etc. S. 19. Altar der Nymphen S. 157. Altar der Virtus S. 41. Azizosstatue S. 65. Eponarelief Saarbrücken S. 897. Herculcsstatue S. 49. Koi)f einer röm. Statue in Birkenfeld S. 395. Monimosstatue S. 65. Münzen S. 34, 74, 114. Relief mit Signum S. 4. Ringwälle im Taunus S. 127. Sechs- götterstein in Birkenfeld S. 895, 396.

*) Durch ein bedanerliches Miss Verständnis des Steindruckers ist die Beseidmunif aMnieum Mains" anf den Tafeln 14—21 ausgefallen.

Inhalt des Korrespondenzblattes.

(Die Citate gehen auf die Nummern des Korrespondenzblattes. Die mit * ver- sehenen Nummern beziehen sich auf das Limcsblatt.)

Wissenschaftliche Misceiianea.

Borch, L. V., Freie Eigenleute der Grundherrschaft 55.

Ergänzung und Berichtigung zu 1894 Nr. 10 und 11 104.

Keussen, Eine Kölner Steinurkunde aus dem 12. Jhdt. 103.

Koehl, Eine neue Deutung der sog. Jupiter-Gigantensäulen 53.

Körber, Mainzer römische Inschrif- ten 44.

Lau, F., Die erzbischötlichen Beamten in der Stadt Köln während des 12. Jahrhunderts 11. 54.

Ein Verzeichnis der Kölner llicher- zeche (9. Aug. 1389—9. Aug. 1391) zugleich ein Beitrag zur Ergänzung des „Neuen Buches" 117.

Lehn er, H., Zu dem neuen Monnus- mosaik in Trier 102.

Maue, H. C, Nochmals die hasti- feri 64,

Riese, A., Zur Provinzialgeschichte des römischen Germaniens 65.

Schumacher, K., Gewandnadeln mit Fabrikmarke 6.

W., Aufschwörung des Herzogs Franz von Braunschweig -Giffliorn (1508 1546) für das Kölner Domka- pitel 16.

Praehistorische AltertOmer.

Grabhügel der Früh-La Tenezeit bei Götzingen 105*, der jüngeren Bron- zezeit bei Osterburken 105*, in der Pfalz 109.

Höhle „Heidenofen" bei Niederbrom- bach 8.

Neolithische Steingeräte Pfalz 75.

Wall und Scherben bei Irnsing 114*, 123*.

RVmlsche AltertOmer.

Bauten, Absteinung an der inneren Linie

in Baden 122*, bei Fiegenstall 107*. Anbauten am Kastell in Cannstatt

112*. Badeanlage Baldringen 17. Basilika Aachen 3.

Begleithügel an der inneren Linie in Baden 122*.

Brücke über den Neckar bei Cann- statt 112*.

Bürgerliche Niederlassung beim Kastell Zugmantel 116*.

canabae (Lehmbaracken) bei Cann- statt 112*.

Cisternc Baldringen 17.

Durchfalirt am Limes bei Gundels- halm 106*.

Einbau im Kastell Cannstatt 112*.

Erdwohnungen im Kastell Zugman- tel 116*

Gebäude der 30. Legion Köln 41.

Gehöft bei Marienhof bei Büdesheim 108*.

Grabe hen in Baden 105*, an der Mümlinglinie 105*, am Schambach - thal 114*, unter der via principalis des Kastells bei Hesselbach 120*.

Grenzsträsslein am Limes Müm- linglinie 105*.

Kanal Köln 2.

Kastelle: Arzbach-Augst 115*, Bök- kingen 110*, Burgstall bei Gunzen- hauson (Zwischenk.) 106*, Cannstatt 112*, Ilainhaus bei Würzberg 121*, Hesselbach 120* , Langendiebaih (Zwischenk.) 104*, Okarben lOi)*, Osterburken 105*, Rinschheim (Zwi- schenk.) 105*, Theflenhofen 113*, Zugmantel 116*.

Keller Baldringen 17.

Kolonnenweg Neckarburken- Schlossau 122*.

Limes äussere Linie Baden 105*, Ellingen-Kaldorf 107*, Grauer Berg- Kemcl 116*, Neckar - Mümlinglinie 105*, Rinschheim - Hönehaus 105*, Schambachthal-Donau 114*.

Mithraeum Saarburg i. L. 108.

Mosaikböden: in Münster b. B. 78, in Trier 68, 102.

Pfahl, mit Steinen verkeilt, im Felch- bachthal 107*.

Pfahlreihe am Limes Ellingen-Kal- dorf 107*, am Limes im Odenwald 118*.

Pfeiler im Limes Ellingen-Kaldorf 107*.

Porta decumana am Kastell Theilen-

hofen 113*. Quadratischer Bau in Aachen 3. Schanze bei Irnsing a. 1). 123*. Strasse hinter dem Limes bei Gun-

zcnhauscn 106*, Pforzheim-Solitude

111*. Tempel des Juppiter Dolichenus

Köln 41. T 11 r m e : am Limes Ellingen-Kaldorf

107*, bei Gundetshalm 106*, an der

Miimtinglinie lOö*. Vcrpfühlung an der Odenwaldlinic

118*. Vcrsteinung in Baden 105*. Villen: bei Baldringen 17, im Son-

ilorteich bei Tiefenbach 105*, beim

Stockbronnerhof bei Xeckarburken

UXo*. W a c h 1 1 ü r m e nördlich von Neckar- burken lüö*. W eg bei Winnenberg 110. Wohngebäude zw. Bachenau und

Obcr-Griesheim 105*.

. Skulptur- und Architekt urreste.

(irabsteine: Gastmahlscenen Mainz 44, Köln 41.

Götterfiguren: Epona (oder rei- tende Matrone) Cannstatt 112*. Gi- gantenreiter Schierstein 53. Mer- currelief Grosskrotzenburg 117*. Mithrasrelief Saarburg i. L. 108. Nantosuelta Saarburg i. L. 108. Sol, Kolossalbüste, Saarburg i. L. 108. Sucellus Saarburg i. L. 108.

Vorschiedenes: Composita-Kapitell Mainz 40. Gewandtigur, sitzend, Cannstadt 102*. Mauerdeckel von llainhaus b. Wi'irzberg 121*. Säule Speicher 46. Skulpturreste aus der Pfalz 66. Zinncndeckel Böckingen 110*.

Inschriften.

A u f s eil r i f t e n : auf Brenneisen Ba- den 105*, auf Gewandnadeln 6, Zug- mantel 116*. Graffiti Mainz 40, Zug- mantel 116*, auf Krug Trier 9, auf Mosaik Trier 68, 102, auf Terra- cotta Baden 105*. Töpferstempel Baden 105*, Mainz 40, Zugmantel 1 16*, auf Ziegeln Langendiebach 104*, Okarben lOi)*, Zugmantel 116*. Zie- gelstempel Grosskrotzenburg 117*.

Baninschriften: Bonn 80, Mainz 40, 44.

Grabinschriften von Civilper- sonen: Bonn 80, Mainz 40, Spei eher 46, Trier 69.

Grabinschriften von Militär- personen: Mainz 40, 77, Köln 41.

Votivinschriften: an die Aufaniae und Tutela loci Mainz 40, an Jup- piter Grosskrotzenburg 117*, Köln (Dolichenus) 41, an Matronen Bonn 80, Köln 1, an Mercur Grosskrotzen- burg 117*, an Mithras Saarburg i. L. 108, an Nantosuelta Saarburg i. L. 108, an die Nymphen Mainz 40, an Sucellus und Nantosuelta Saarbura: i. L. 108, an die Tutela loci Mainz 40.

Inschriftfrasmente: Grosskrotzen- burg 117*, Höhebuckel 119*.

Ccnturiac: Claudi Secundi Mainz 77 L. Flavi Pudentis Mainz 44. C. Poni Yalentis Mainz 44. M. Sili Januari Mainz 44.

Cohortes: IUI Vindelicorum Gross- krotzenburg 117*.

Legiones: I adiut. Mainz 44, VllI Okarben 109*, X g. p. f. Köln 41, XIV Okarben 109*, XXI Okarben 109*, XXII pr. p. f. Langendiebacli 104*, Mainz 40, 77, Okarben m)*, Zugmäntel 116*, XXX v. v. p. f. Köln 41. Transrhenana Aachen 3. UJpia Victrix Aachen 3.

Numeri: Catthar. Zugmantel 116*.

Notubilia varia. xVndangus 40. Astigi 41. Aufaniae 40. Bemalung eines Reliefs 117*, bene- ficiarius consularis 40. Catthar. 116*. Gamuxpcrus 40. hastiferi 41, 64. Modestiniana 69. Nantosuelta 108. Niedergermanische Statthalter 41. Pa])ina (tribus von Astigi) 41. Su- cellus 108. Trever 69. Tutela loci 40. üdravarinehae 1.

liömische Gräber. Begräbnisstätte bei Winnenberg 110. Gräber bei Cannstatt 112*. Kisten- gräber bei Baldringen 17, bei Win- nenberg 110. Sarkophag aus Klein- Winternheim 44. Urnengrab Gusen- burg 67.

liömische Kleimiltertü mer.

Glas: Fensterglas Baldringen 17, Glasreste Zugmantel 116*.

Holz: Pfähle Limes Ellingen-Kaldorf 107*, im Odenwald 118*.

Metall, Bronze: Beschlag Gunzen- hausen 106*, Zugmantel 116*. Ge- wandnadeln 6, Gusenburg 67, Limes Ellingen - Kaidorf 107*, Zugmantel 116*. Griffe Zugmantel 116*. Pferd-

eben Okarben 109*. Schale Bald- ringen 17. Täfelchen mit Inschrift Grosskrotzenburg 117*.

Eisen: Beschläge Zugmantel 116*. Brenneisen Rinschheim 105*. Dop- haken Zugmantel 116*. Haken Gun- zcnliausen 106*. Handwerkszeug Zug- mantel 116*. Lanzenspitzen Bald- ringen 17, Zugmantel 116*. Nägel Zugmantel 116*. Rasiermesser Zug- mantel 116*.

Silber: Hirschbein Zugmantel 116*.

Weissmetall: Gewandnadel mit In- schrift Zugmantel 116*.

Terracotta: Figur mit Fabrikanten- inschrift Baden 105*.

T hon: Amphorenbruchstücke Cann- statt 112*, Zugmantel 116*. Becher Cannstatt 112*. Gefältelte schwarze Gefässe Zugmantel 116*. Grabgefässe Baldringen 17, Gusenburg 67, Win- nenberg HO. Krug mit Aufschrift Trier 9. Krug Zugmantel 116*. Reiter aus Pfeifenthon Zugmantel 116*. Schwarze und graue Gefasse Okarben 109*. Sigillata Cannstatt 112*, Okarben 109*, Zugmagtel 116*.

Fränkische Altertümer. Gräber in Frankfurt a. M. 45.

MOnzen.

Bronzemünzen des 3. und 4. Jahrh. Pfalz 6(>, Saarburg i. L. 108. Miinz- funde Baldringen 17, 111, Köln 79. (lodius Albinus Zugmantel 116*. Divus Augustus Okarben 109*. Con- stantinus Köln 79. Constantinus jun. Köln 79. Constantius H Baldringen 17, 111, Köln 79. Crispus Köln 79. Decentius Baldringen 17, 111. Fausta Köln 79. Faustina Zugmantel 116*. Geta Zugmantel 116*. Helena Köln 79. Licinius Köln 79. Licinius iun. Köln 79. Magnentius Baldringen 17, Hl. Maxentius Köln 79. Nero bis Traian Okarben 109*. Septimius Severus Zugmantel 116*. Severus Alexander Okarben 109*, Traianus Zugmantel 116*. Urbs Constanti- nopolis Köln 79. Urbs Roma Köln 79.

Fundorte.

Aachen 3. Arzbach-Augst 115*. Ba- den 105*, 122*. Baldringen 17, Hl. Böckingen HO*. Cannstatt 112*. Drachenfels bei Dürkheim 75. El- lingen 107*. Frankfurt a. M. 45. Grosskrotzenburg 117*. Gunzen- hausen 106*. Gusenburg 67. Hain-

haus bei Würzberg 121*. Heidenburg bei Kreimbach 66. Irnsing a. D. 114*, 123*. Kaidorf 107*. Kernel 116*. Köln 1, 2, 41, 79, 103. Langendiebach 104*. Lindeiskopf (Pfalz) 76, Mainz 40, 44, 47. Ma- rienhof (bei Büdesheim) 108*. Mittel- franken 107*. Münster (bei Bingen) 78. Niederbrombach 8. Obermoschel (Pfalz) 109. Odenwald 118*, 119*, 120*. Pfalz m). Pforzheim 111*. Saarburg i. L. 108. Speicher 46. Thcücnhofen 113*. Trier 9, 68, 69, 102. Winnenberg (Birkenfcld) HO.

Litteratur.

AltmannW. u. E. Bernheim, Aus- gewählte Urkunden zur Erläuterung der Verfassungsgeschichte Deutsch- lands im Mittelalter 61.

Andreac, E. C. A., Geschichte der Jagd im Taunus 12.

Becker, J. , Die Land vögte des Elsass und ihre Wirksamkeit innerlialb eines Jahrh. (von 1308—1408) 20.

Beiträge zur Geschichte vornehmlich Kölns und der Rheinlande 48.

Below, G. V., Landtagsakten von Jülich-Berg 1400—1610 57.

Bernheim. E., s. Altmann.

Bianchetti, E., I sepolcreti di Or- navasso 70.

Bijdragen en Mededeelingen van het historisch genootschap te Ut- recht 16. Bd. 85.

Böhmer, H., Willigis von Mainz 50.

Bonnardot, F., s. Wolfram.

Bonner Jahrbücher 96. und 97. Heft 80.

Brüll, W., Chronik der Stadt Düren 97.

Clemen, P., Die Kunstdenkmäler der Städte Barmen, Elberfeld etc. 29.

Cumont, F., Textes et monumcnts tiffurds relatifs aux mysteres de Mithra 15.

Decker, A., Die Hildeboldsche Ma- nuskriptensammlung des Kölner Doms 95.

De J enge, W. F., De Mercurius Gallo- Belgicus (1592—1625) 62.

Dopsch, A., s. Frhr. von Schwind.

Ehren berg, Hamburg und England im Zeitalter der Königin Elisa- beth 114.

Finot, S., Inventaire sommaire des archives dt^partementales, departe- ment du Nord 8. Bd. 86.

Franz, Ostfriesland und die Nieder- lande zur Zeit der Regentschaft Albas (1568—1573) 113.

Fundbe richte aus Schwaben Jahr- gang II 42. Gothein, E., Bilder aus der Kultur- geschichte der Pfalz nach dem dreissigjährigeQ Kriege 11.

Ignatius von Loyola und die Gegen- reformation 101.

Heyd, W., Bibliographie der Würt- tembergischen Geschichte 22.

H 0 e n i g e r , Kölner Schreinsurkun- den 28.

Jansen, M., Die Hersogsgewalt der Erzbischöfe von Köln in Westfa- len 88.

Kaufmann, Die Entstehung der Stadt Mühlhausen und ihre Entwickelung zur Reichsstadt 2L

Keutgen, F., Untersuchungen über den Ursprung der deutschen Stadt- verüassnng 49.

Kisa, A., Die Extemsteine 31.

Knipschaar, K., Kurfürst Philipp Christoph von Trier und seine Be- ziehungen zu Frankreich 58.

Köhler S. und E. Liesegang, Über Entausserung u. zukünftigen Uechts- erwerb 51.

Kondakow,N., Geschichte und Denk- mäler des byzantischen Zellen- Emails 4.

Krämer, F. L., Lettres de Pierre de Grot 60.

Küch, F., Düsseldorfer Schöffensie- gcl 59.

Küntzel, G., Über die Verwaltung des Mass- und Gewichtswesens in Deutschland während des Mittel- alters 32.

L c h n e r , H., Vorgeschichtliche Grab- hügel in der Eifel und im Hoch- wald 26.

Levy, L. und H. Luckenbach, Das forum Romanum der Kaiserzeit 81.

Liesegang, E., s. Kohler.

Lindenschmit, L., Die Altertümer unserer heidnischen Vorzeit 24.

Luckenbach, H., s. Levy.

Ludwig, Th., Die Konstanzer Ge- schichtsschreibung bis zum 18. Jahr» hundert 19.

Maag, R., Das Habsburgische Urbar 18.

Maassen, G. H. Gh., Geschichte der Pfarreien des Dekanats Bonn 13.

Mallinckrodt,G., Dortmunder Rats- linie seit dem Jahre 1500 99.

M e h 1 i s , C. , Der Drachenfels bei Dürk- heim a. d. H. 93.

Moldenhaucr, Fr., Geschichte des höheren Schulwesens der Rhein- provinz unter preuss. Regienmg 96.

Muller, S., llechtsboek van den l>om van Utrecht 89.

Norrenberg, P., Die hl. Irmgardis von Süchteln 27.

Oorkondcnboek van Groningen en en Drenthe 52.

Pirenne, H., L'origine des constitu- tiones urbaines au moyen-äge 100.

Redlich, O., Eine Wiener Briefsamm- lung 5.

R e h m e , . Das Lübecker Ober - Stadt- buch 115.

Ritter, F., Katalog der Stadtbiblio- thek in Köln 14.

Schäfer, D., Württembergische Ge- schichtsquellen 23.

Schäfer, K., Die älteste Bauperiode des Münsters zu Freiburg i. B. 71.

Scheins, M., Urkundliche Beiträge zur Geschichte der Stadt Münster- eifel und ihrer Umgebung 1. Bd. 2. Hälfte 90.

Schroeder,R., Fränkische Rechte 87.

Schult eis, K., GeFchichtlicher Atlas der Rheinprovinz 57.

Schwind, Frhr. v. und A. Dopsch, Ausgewählte Urkunden zur Ver- fassungsgeschichte der deutsch- österreichischen Erblande im Mit- telalter 94.

Stein, W., Akten zur Geschichte der Verfassung und Verwaltung der Stadt Köln im 14. u. 15. Jahrh. 57.

Stüve, C, Iburger Klosterannalen 98.

Vog t,G.,Bischof Bertram vonMetz 116.

Weiland, L., Fragment einer nieder- rheinischen Papst- und Kaiserchro- nik aus dem Anfang des 14. Jahr- hunderts 30.

Westdeutsche Zeitschrift XIV. Bd. 112.

Wintterlin, A., Württembergische Künstler in Lebensbildern 10.

Wolfram, G. und F. Bonnardot, Les voeux de l'epervier 84.

Württembergisches Urkunden- buch 6. Bd. 43.

Mittelalterliche und spätere Gegenetlnde.

Bauten in Aachen 3. Byzantinischer Zellenschmelz 4. Flügelgemälde der westfälischen Schule im Dom zu Köln 47. Gefäss (Karolingisch) Cann- statt 112*, Lindeiskopf in der Pfalz 76. Pfalz (Karolingische) in Nym- wcgen 34. Steinurkunde aus dem 12. Jahrhundert in Köln 103. Ver- zeichnis der Kölner Richerzeche 117.

Varia.

Grundsätze, welche bei der Herausgabe von Aktenstücken zur neueren (be- schichte zu befolgen sind 8;^.

Gelehrte Gesellschaften und Vereine.

Badische historische Kommission 7. Historische Kommission bei der kgl. bayrischen Akademie der Wissen- schaften 72. Frankfurter Historiker- tag 83. Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertums vereine 82. Konferenzen von Vertretern landesgeschichtlicher Publikationsin- stitute 56. Monumenta Germaniae historica 63. Gesellschaft für rhei- nische Geschichtskunde 35, 57. '

Berichterstatter und Mitarbeiter.

Anthes 118*, 119*. Back 8, 110. Borch, V. 55, 104. Braun 71. Eidam , 106*, 113*. Eilers 36. Fink 114*. I II. 13. Hettner 15, 46. Jacobi 116*. Kapif 112*. Kelleter 3. 18, 31, 59, 89. Keuffer 10. Keussen 33, 51, 103. Kg. 88. Kisa 1, 2, 41. Kn. 27, 29. Knipping 5, 14, 30, 32, 50, 52. Kochl 53. Kurber 40, 44, 77. Kof- Icr 108*, 120*, 121*. Kohl 107*. Lachenmaier 111*. Lau 54, 62. 1(X), 117. Lehncr 9, 17, 24. 26, 67, (J8, 69, 80, 81, 93, 102. 111. Mau/' 64.

Mehlis ?5, Iß, 109. Mettler 110*. n. 58, 97, 98, 99, 113, 114, 115, 116. P. 34. Riese 45. 65. Schumacher 6, 70, 105*, 122*. Soldan 118*. Stedtfeld 79. W. 12, 46, 25. Weber 4. Wendling 108. Winkelmann 43. Wolff 104*, 109*, 117*. Zange- meister 123*.

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uuter Redaktion der Vereinavorstände.

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Trier 73, 74, 118. Hauptversammlung 118. L c h n e r : Museimisbericht 1 1 H. Müller: Mithracum von Schwarz- erden IIS.

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Die Religion des römischen Heeres.

Von Professor A. Ton Domaszewski in Heidelberg.

Die Spuren der Überlieferung, welche auf eine be>sondere Gestalt 4ler Religion im Heere hinweisen, sind äusserst schwach und an sich in ihrer Vereinzelung kaum verständlich. Nur die festen Formen, welche diese Religion in den Culten der Lager geschaffen, belehren mit Sicherheit über das Dasein einer eigenartigen Entwickelung. Auch diese Bedeutung der Lagerculte ist nirgends unmittelbar gegeben. Erst aus den Beziehungen, welche zwischen gewissen Culten und den Institutionen des Heeres bestehen, erschliesst sich das Eigentümliche der Religion des Heeres. Selbst die Organisation des Heeres ist in ein tieferes Dunkel gehüllt, als man gewöhnlich anzunehmen beliebt, so dass die Untei-suchung oftmals Einzelheiten der Organisation feststellen musste, um die Grundlage zu gewinnen für die Frage nach der Religion 4es Heeres.

Die grenzenlose Zertrümmerung der Überlieferung hat den syste- matischen Aufbau ungemein erschwert und nur das Ineinandergreifen der verschiedenartigsten Formen der Überlieferung, Inschriften, Bild- werke, Münzen, wie auch der Grundrisse der Lagerbauten Hess mich endlich hoffen, die immer und überall zerrissene Kette in der Ent- wickelung der religiösen Gedanken richtig zusammengefügt zu haben.

I. Die dii militares und das Fahnenheiligtum.

Den Götten^erein der dii militares nennen drei Inschriften, ohne dass es unmittelbar erkennbar wäre, welche Gottheiten mit diesem Namen umfasst wurden.

Wattd. ZeitMhr. t, Gesoh. u, Kumt.' XIY, I. 1

2 V. Domaszewski

1 BS CIL. III 3472 -- Aquincum Dia müüaribus et Oenio loci pro salute ä teäitu impieratoris) Caes{ari8) M. Äur(^ü) Antonini Fit invicti AiigiusU) Clod{iu8) Marcdlinus [l{aU)]c(laviu8) *) tribiunus) mä(üum) leg{ioms) II a{diutricis) p{iae) fiiddis) Änt(ommanae) tran8lai{us) ex leg(ione) X fr{e' Unsi) AnUpniniana) numini eius semper dewtissmus. a 212—222.

2 = CIL. m 3473 Aquincum [Z>i> mäiiaribus [8]alutaribu8 [Hat]eriu8 S<Uum[%nu]8 leg(atu8) Aug(u8torum) [pr{o)] pr{aetore) cum .... cOroniano [/]i7(ib) trib(uno) mü(üum) ^). Vgl. auch Inschrift 14.

Diese Inschriften sind jungen Ursprungs und stammen aus einer Zeit, wo die Schutzgötter des Heei-es in Gegensatz treten zu Göttern aller Art, die allmählich ins Lager eingedrungen waren. Gleich unbe^ stimmt ist die Bezeichnung bellorum dei des Tacitus.

Er sagt hist. 3, 10 in der Schilderung der Revolte, welche im Lager zu Verona ausbrach, dass Antonius Primus den Statthalter von Pannonien Tampius Flavianus in Ketten werfen liess: sensit ludi- brium miles^ disiectisque, qui tribunal tuebantur, extrema vis parabatur, Antonius schützt den Bedrohten mit seinem Leibe. Max conversus ad si^na et bellorum deos, hostium potius exercüibus illum furorem, illain discordiam inicerent orahat Die Götter, die nach den signa genannt werden, standen demnach, wie diese, an der via principalis und waren vom Tribunal aus sichtbar. Konnte das Heer auf dem Marsche die Götter mit sich führen, so waren ihre Bildnisse kleine tragbare Figuren. Dies bestätigt die zweite Erwähnung bei Tacitus.

Ann. 15, 29: Er erzählt die Unterwerfung des Tiridates: dein paucis diebus interiedis magna utrimque specie inde eques cofnposüus per^ turmas et insignibics patriiSf hinc agmina legionum stetere fulgentibus aquilis signisque et simulacris deum in modum tempU: medio tribunal sedem curulem et sedes effigiem Neronis sustinebat^). Wo die Scene spielt, sagt Tacitus nicht; aber die ganze Erzählung fordert eine freie Ebene, in welcher beide Heere ihre ganie Streitmacht zur Schau stellen konnten. Wie wir uns die Anordnung der Heiligtümer zu denken haben, zeigen andere Unterwerfungsakte in Gegenwart der Kaiser selbst.

^) Der Mann ist sicher tribunus laticlavius gewesen. Vgl. Das Recht der Heeresreligion. Die translatio eines tribunus auch CIL. III, 8162.

2) Mommsen zur Inschrift und Dessau CIL. XIV p. 482 halten den Statthalter für identisch mit Ti. Aterius Saturninus der Inschrift CIL. XIV 246 aus dem Jahre 140. Der Begriff der dii militares ist erst im 3. Jahr- hundert entstanden, wie diese Untersuchung zeigen wird.

») In einer abgekürzten Darstellung eines ähnlichen Vorganges sagt Tacitus ann. 12, 17 apud effigiem Caesaris prombuit.

Die Religion des römischen Heeres. 3

SuetOD, Nero 13: dispositis circa fori tempJa armatis cchartibus curuJi residens apud rosira triunvphantis habitu, inter signa militaria aique vexilla.

Yexilla ist richtig hinzugesetzt. Es sind die vexilla der speca- latores und der eqnites praetoriani, sowie das vexillam der evocati^). Die Grötter fehlen hier ebenso scheinbar, wie in zwei anderen Fällen.

Dexippus fr. 24 (Müller III S. 682). '0 U TcüjiaftDV ßaadeu^ AöpTjXtavö^ ÖS ^7^6*6X0 dcptyfiivTjv t^v Touä^uYycov Tcpeaßefav, iq T^v uotepafav cpfjao^ •xpri[iaxitly/ nepl 6)'^ f^xouat, StixaTxe xoug oxpa- xcc&xai; (5)^ ig [tiyriy, ixTcXT/j^ew^ elvexa xöv fevavxfwv. *Enü Sk xaXCb^ etxev aöxö i^ Siaxöaftrjat^, StcI ötprjXoO ßi^ijwcxoc H€x£tDpog ß^ßrjxe, xal 4Xoüpyf5a äjitc^x^v, x^v uÄaav xagtv iTCofet djiq)' aöxöv {iOvo£i8f]. IlapEoxT^aavxo 8fe xaJ xöv Iv xeXet 5aot ipx^^ xtva^ Jirt- xexpa(A|ji£vot, a6|i7ravxeg dq?' ?7t7r(i>v. Kaxöirtv 54 ßaotX^tö^ x& oi^jiaxa ^Jv xfjs ^TccX^xxoü oxpaxtÄ^*), 8e efatv äexol xp^^o^ ^«^ efxöveg ßaatXefoc xal axpaxo7c£S(ov xaxaXoyot Ypi|X(iaat XP^^'O^'S 6rjXo6|i€vot. ä 84 au|i7tflEvxa divaxsxa|i£va Tcpoucpatvexo StuI ^^oxcov ^pyup(ö|i£v(i)V. Das Eelief der Traianssänle, welches die Unterwerfung Decebals dar- stellt^, stimmt damit völlig ttberein.

Auf dem Tribunal hat der Kaiser mit seinem Stabe Platz ge- nommen und hinter ihm stehen die signiferi der Praetorianer ^).

Warum weder die Schriftsteller noch das Relief der Götterbilder gedenken, erklären das umstehend und die beiden auf Taf. III Fig. 2 und Taf. II Fig. la und b abgebildeten Reliefs*).

^) Die Fahnen S. 76 und schola speculatorum.

') 'EnilixTog arffcctid sind die Praetorianercohorten, deren signa durch den charakteristischen Schmuck umschrieben werden. Die Fahnen S. 58 Anm. 3. Denn damals ergänzten sich die Praetorianer aus der Elite der Legionen.

•) Fröhner PL 102.

^) Der Künstler drückt die Praetorianersigna sonst durch 3 gleich- gebildete Signa aus d. h. durch die Fahnen einer Cohorte (Die Fahnen S. 59 Anm. 1). Nur in dieser Scene sind 6 Fahnen dargestellt. Durch die doppelte Zahl wollte der Künstler die Gesamtheit der Praetorianersigna an- deuten ; ebenso wie er durch 2 Manipelsigna regelmässig alle Signa der Legion bezeichnet Die Fahnen S. 40 Anm. 2.

") Das im Text eingestellte Glicht stellt dar das Belief des Museo Lateranense : Benndorf und Schöne Nr. 115. Vgl. die Fahnen S. 65. Taf. III Fig. 2 ist der Trajansäule entnommen, vgl. Froehner Nr. 32. Nach einer Pho- tographie, die ich Cichorius verdanke. Taf. II Fig. la und b ist entnom-

1*

V. Domaszewski

Die Götter wurden also an den Praetorianersigna getragen und ihre Anwesenheit bei dem Unterwerfungsakte ist selbstverständlich, aber minder wesentlich als die der Signa. Die drei Götter sind: Jupiter, Mars^) und Victoria.

Durch eine merkwürdige Gunst des Zufalles sind auf diese Weise die Cultbilder aller dii mili- tares erhalten.

Wenn das Relief Taf. II Fig. la und b Vic- toria auf den Manipelfahnen der cohore III prae- toria zweimal darstellt und der Künstler der Traianssäule den Mars sogar auf allen drei Manipel- fahnen der Gehörte bildet, so muss es das Vorrecht bestimmter Gehörten gewesen sein, die Götter zu führen. Da Victoria, dem Range nach die dritte unter den Gottheiten der dii militares '•), auf dem Signum der cohors III getragen wurde, so ist es klar, dass die Gehörte der Traianssäule mit dem Mars, dem zweiten Heeresgotte, nur die secunda sein kann und der Jupiter der cohors prima zu- kommt. Natürlich ist es eine Freiheit des Künst- lers, dass das Götterbild, welches nur einmal existieren kann, zweimal oder dreimal dargestellt wird, ebenso wie es nur eine künstlerische Frei- heit ist, dass Victoria, um sie auf der ersten Scene des Krieges, der siegreich sein sollte, nicht fehlen zu lassen, an dem vexillum der evocati befestigt ist, wo die complicierte Figur sich besser entfaltet. Nur wenn der Kaiser selbst ins Feld zieht, konnten die Heeresgötter an den Signa der Praetorianer befestigt sein. Aber das Recht die Götter im Felde zu führen hängt am Heerescommando ^').

men dem Relief im Palazzo Albani, Zoega Bassiräievi I, 16, Die Fahnen Fig. 5. Die Abbildung ist hergestellt auf Grund einer Photographie, die ich Heibig und Petersen verdanke. Fig. la stellt den oberen Teil des rechten Signums dar, Ib den unteren Teil des linken Signums.

^) Die Figur kann trotz ihrer eigentümlichen Bildung nur Mars sein, der zweite Heeresgott der Römer und der Schutzgott der Praetorianer. Des- halb hat der Künstler gerade ihn gewählt und nicht Jupiter. Vgl. Mars ; die dii peregrini und die Lagertempel der Hauptstadt.

10) Vgl. Victoria.

") Vgl. S. 9.

Die Religion des römischen Heeres. 5

In der Eaiserzeit besass also dieses Recht jeder Commandant eines exercitus provinciae ^^. Dieser konnte die Götter nur an den Manipel- signa einer Legion befestigen lassen, da es eigene Träger der Götter- bilder, die als Chargen kenntlich sein mössten, nicht giebt.

Es ist nicht die Entfaltung militärischen Prunkes, welche den Feldherm mit dem Stabe und der Stabswache auf das Tribunal führte, sondern es ist der Ausdruck eines bestimmten militärischen Gedankens. Der Unterwerfungsakt vollzieht sich in praetorio. Deshalb nennt Dexippns cl ev teXsi, d. h. nach der Xomenclatur seiner Zeit, den praefectus praetorio, die duces und die praefecti legionis, sowie die comites ").

Auf den Scenen der Traianssäule erscheint der Kaiser meist in Begleitung zweier Männer, die an ihren porträtähnlichen Zügen erkenn- bar sind. Der eine ist zweifellos sein praefectus praetorio Tiberius Claudius Livianus^^), der so wenig vom Kaiser zu trennen ist, wie die Garde selbst, die ihn stets begleitet. Der zweite ist der rangshöchste seiner comites, also Licinius Sura. Dies seigt seine Inschrift CIL. VI n. 1444: .... %mp(erator) Caesar Nerva Traiafnus Äiig(u$tus) Germanicus] Dacicus gentem Dacorum et regem Decebalum hello supe- ravU süb eodem duce leg(ato) pr(o) pr(aetore) ab eodem donato liastis puris VIII vexiUis VIII coranis muralibfus) II vaUarib(us) II classieis II auratis IL Er war comes, da für seine Legation jede Determinierung fehlt. Die Art, wie die Inschrift mitten im cursus bonorum die Unterwerfung Decebals nennt, illustriert das Relief, wo

^>) Ich habe Neue Heidelb. Jahrbb. IV S. 184 Anm. 6 darauf aufmerk- sam gemacht, dass es einen exercitus Romanus schlechthin nicht giebt, son- dern stets ebensoviele exercitus unterschieden werden als selbständige Heeres- kommanden. Das ist bedingt von dem Begriffe der Magistratur, wie ihn Mommsen festgestellt hat. Noch unter Marcus nennen die Münzen die con- cordia and die fides exercituum Cohen IIP n. 66. 199—202. Erst mit Caracalla tritt der Begriff des Reichsheeres ein, Cohen lY^ n. 78 fides exercitus und CIL. VI 231. Diese veränderte Stellung des Heeres prägt sich weiter darin aus, dass nunmehr alle Truppenkörper den Namen des Kaisers führen : Anto- niniana n. s. w. Es sind nicht mehr die Heere des Staates, sondern es ist das Heer des Kaisers : Tetat, c'est moi. Dass die Götter auch in Abwesenheit des Kaisers ins Feld mitgefuhrt werden, sichert Tacitus bist. 3, 10, oben S. 2.

^') Zum Generalstab gehören ausser den comites, die primipilares und evocati. Dass diese zusammen den Generalstab bilden, zeigt die Lagerord- nung des sog. Hyginus zur Evidenz und bestätigen alle übrigen Zeugnisse. Tgl. auch Minerva.

»*) Hirschfeld, Untersuchungen S. 224.

6 V. Domaszewski

Sura neben dem Kaiser auf dem Tribunal erscheint. Seine Stellung ist die eines Generalstabchefs gewesen**), wofür den Römern ein tech- nisches Wort fehlt.

Ganz anders ist der Unterwerfungsakt aufgefasst auf einem Relief des Constantinbogens'^.

Das Relief stammt von einem Monumente des Kaisers Marcus. Dies beweist der kahle, bärtige Mann, der hinter dem Kaiser auf dem Tribunal steht ^'). Denn derselbe Mann erscheint als Begleiter des Kaisers sowohl auf den Reliefs der Marc Aurelsäule *®), als auf dem bekannten Relief des Conservatorenpalastes '®). Wie er zu benennen ist, hat der gefälschte Kaiserbrief*®), aus welchem Hamack die echten Stücke zurückgewonnen, gelehrt. Genannt ist ausser dem Kaiser nojiTcyjiavö^ 6 T^iiexepo; TcoXIjiapx©^ ; das ist, wie Hamack bemerkt, des Kaisers Schwiegersohn, Claudius Pompeianus. Obwohl 7ioX£(xapxo$ nur den Titel dux**), welchen die Feldherm des Marcomannenkrieges führen, wiedergiebt, so wird doch Pompeianus gleich Sura als General- stabschef zu fassen sein. Die Enge der Bildfläche hat den Künstler bestimmt, die Disposition der Scene wesentlich zu ändern. Vor dem Tribunal stehen, dem Kaiser zugewandt, die Offiziere; unter ihnen an hervorragender Stelle ein Mann, der nach Petersen die Züge des Com- modus trägt. Unmittelbar unter dem Tribunal zu Füssen des Kaisers steht ein Barbarenfürst, Commodus zugewandt, den der Kaiser als neuen Schützling des römischen Volkes zu bezeichnen scheint. Hinter den Offizieren stehen signiferi, an ihren Tierfellen kenntlich, welche teils vexilla, teils Götterbilder, die auf Postamenten stehen, tragen. Und zwar sind Götterbilder und Fahnen in zwei Gruppen geordnet, die vor den zwei Bogen einer Porticus sichtbar werden. Diese Porticus ist die Eingangshalle, mit welcher sich das Praetorium eines Stand-

^*) Die Verleihung der Orden nach der consulariscben Rangstufe (Mar- quardt, Staatsr. II S. 579), aber in doppelter Zahl findet sich sonst nie und ist vielleicht eine Folge der Ausnahmsstellung Suras, obwohl man sie auch auf die Teilnahme an beiden Kriegen beziehen kann.

") Taf. III Fig. 1 = Rossini archi triomfali T. LXXI; hier nach einer Photographie, die ich Petersen verdanke.

*^) Petersen bestätigt mir dies nach seiner Untersuchung des Originals. Vgl. Rom. Mitt. 1890 S. 74.

") Bellori Colonna Antonina tav. 20 u. 24 nach Photographieen, die Petersen genommen.

") Die Fahnen S. 78 Fig. 9G.

»ö) Sitzungsberichte der Beriiner Akad. 1894 S. 879.

") CIL. III 1457 und VIII 9365, cf. CIL. III 7505.

Die Beligion des römischen Heeres. 7

Jägers gegen die via principalis öffnet **). Mit Recht bemerkt Petersen, dass das Texillam zur linken Seite des linken Götterpaares nur wegge- lassen ist, nm mit dem Kopf des Kaisers nicht in Kollision zu geraten. Die Götter, welche die yexilla einschliessen, sind also den beiden Trappen, die darch die vexilla angedeutet werden, eigentümlich. Diese Truppen sind notwendig Kaisergarden, weil der Akt sich in praetorio vollzieht und zwar sind es Gardereiter, weil nur Reiter vexilla in der Mehrzahl haben können. Der gerüstete Gott mit Lanze und Schild kann nur Mars sein und bestimmt diese Truppe als die equites speculatores der Praetorianer **). Der zweite Bestandteil der Garde sind die equites ^ingulares des Kaisers, die ebenfalls unter dem praefectus praetorio stehen**). Die Elite dieser Gardereiter sind wahrscheinlich die hasti- larii^^;. Der Schutzgott der equites singulares ist der männliche Gott der linken Gruppe. Petersen beschreibt ihn nach dem Originale:

Hercules (?) kräftig, r. Fuss vorgesetzt; Arme waren beide

gesenkt: Stütze am r. Oberschenkel und für ein Attribut

der linken Hand tiefer seitlich in den Falten des Vexillums.

Wie der Gott zu ergänzen ist, zeigt das Taf. IH Fig. 3 abgebildete

Relief»«).

Aber der Hercules der equites singulares ist in Wahrheit der Donar der Germanen *^), und es ist eine bewusste Symbolik, dass dieser Gott, dem Kaiser näher als Mars, über dem Haupte des besiegten Ger- manenfürsten schwebt; gegen den er seine Macht gekehrt hat**).

Ein völlig anderer Geist spricht aus dem Reliefe des Kriegers Traian und des frommen Denkers Marcus. Mit Absicht legt der Künstler allen Nachdruck auf den göttlichen Schutz und nicht auf die Sieges- kraft des Heeres »'^J. Nur in den Begleiterinnen der beiden Kriegs-

'') Die Deutung des Gebäudes auf das Praetorium ist absolut sicher <durch das tribunal, das gerade an dieser Stelle stehen muss.

'*) Vgl. schola speculatorum.

") CIL. VI n. 224. 228 und Henzen, AnnaH dell' instit. 1886 n. 1—18.

**) Vgl. schola speculatorum.

^*) Abgebildet nach einer Photographie, die ich Haverfield verdanke. Vgl. Bruce wall p. 327.

") Vgl. Die Germanischen Götter.

^^) Von seinen eigenen Göttern verlassen zu werden ist für den antiken Menschen das letzte Zeichen des Unterganges.

'*) Diese Denkweise des Kaisers lässt es erst verständlich erscheinen, warum jene Legende der Christen, nach welcher der Kaiser seinen Sieg ihrem Gotte zugeschrieben, unter ihnen selbst so leicht Glauben fand. Vgl. Rhein. Mus. 49 S. 612 ff.

8 V. Domaszewski

götter tritt der Sieg hervor. Denn auch die Figur zur Rechten des Mars ist Victoria, weil die Victoria des Praetoriums ein FaUhom tragt '®).

Nach allen diesen Zeugnissen ist es sicher, dass damals als Tiri- dates sich vor dem Bilde Neros demütigte, die Fahnen und die Götter in der Mitte der römischen Schlachtlinie am Tribunal standen und zwar als Zeugen des Vorganges. Denn das ist der Grund, warum man das Fahnenheiligtum im freien Felde aufbaute. Auch sonst wird der Schwur, um die Rechtsverbindlichkeit zu verschärfen, vor den Fahnen geleistet.

Liv. 26, 48, 12: obstringere periurio non se solum suumque Caput, sed signa müüaria et aquilas^^) sacrameniique religionem, Ta- citus ann. 15, 16; Ädiecit iure iurando JPaeti cautum apud sigtia^^.

Aus diesem. Grunde wird der Treueid für den Kaiser an eben dieser Stelle geschworen. Denn dass die Statue des Kaisers im Fahnen« heiligtume steht, ist dennoch nebensächlich, obwohl ihm das sacramen- tum gilt, weil der Gebrauch noch aus der Zeit der Republik stammt.

Tac. h. I, 55: Inferioris tarnen Germaniae legiones solletnni kalendarum lanuariarum sacramcnto pro Gdlba adactae primani quinianiqvie turbidi^ adeo ut quidam saxa in Galhae imaglnes iecerint. Ät in superiare exercitu quarta ac duoetvicesima legiones ipso- kalendarum lanuariarum die dirumpunt imagines Galbae^^),

Im Marschlager selbst ist ein besonderer Raum für den Gottes- dienst bestimmt. Es ist dies der freie Platz zwischen dem Feldherm-^ zeit und der via principalis, auf welchem die Altäre stehen. Hygin. 1 1 : aris institutis in praetorii parte ima '*). Der Raum muss von beträcht-

»0) Vgl. Taf. II Fig. la und die Heeresgötter der Republik.

•*) Diese Stelle ist wegen der aquilae eine Fälschung der sullanischeni Annalistik; aber für die Zeit Sullas ist sie beweisend.

»*) Vgl. auch TertuUian Apol. 16 unten S. 13.

*') Durch die Eaiserbilder ist der Schwur vor den signa bezeichnet. Vgl. auch Plutarch Galba 22. 'EnijXd^sv ?J vovfijjvia tov niftoTov firivog, rjv TiaXdvdag 'lavovagiag xccXovar rod Öl ^Iukkov avvayayovrog avroifg tnl rov OQUOV, ov Ed'og ^OTiv ofivvsiv vnhg rov aVTonQaTOi^og, rüg ulv bixovag rot» rdkßa nQOOsX&ovTfg cctfirgi^av xcci xctTianaaoev. Über die Stelle des Tacitus^ vgl. noch Epigr. Mitt. XVI S. 21 Anm. 15.

'*) So glaube ich jetzt schreiben zu müssen statt des überlieferten aeris institutis in formam parUs imae. Lange. hat zuerst vermutet (bist. mut. 68, 4), dass formam aus forum verdorben wäre und das forum der Name jenes freien Platzes gewesen. Danach hat W. GemoU geschrieben in fori parte ima. Denn die Überlieferung ist nicht zu halten, weil forma nur dea Plan bezeichnen kann, hier aber das Lokal bezeichnet sein muss. Da aber

Die Religion des römischen Heeres. 9"

lichem Umfange gewesen sein, denn auf der Traianssänle findet der Kaiser mit seinem ganzen Gefolge Platz, um das Opfer darzubringen '^).

Nur hier können die Bildnisse der Götter gestanden haben, weil die Götter von ihren Altären nicht zu trennen sind*®). Auch gehören, die Götter nicht einer einzeben Truppe an, sondern sie sind die Götter des ganzen Heeres und der Träger des göttlichen Schutzes ist der Feldherr.

Appian. b. c. 4, 134 : NtxTj, xpi>CFoOv dvflc-^Tjiia Eoaaiou xaxeTceaev*

Plutarch Brutus 39: A^yexat 6e xal Tcpöxepov *^) fev Hq, tivl xoi Ttojin^ XP^^^ KoLodox} Ntxrjv Statpepoiiivrjv Tieaetv oXtaä^vxo^ xoö cp^povxo^.

Da es Cassius' Victoria ist, die der Unfall trifft, so besass auch Brutus seine eigenen Götter. Das Recht, die Götter zu führen, hat also- an den Auspicien gehangen *^), die nichts anderes sind als der Verkehr der Feldherren mit den Göttern.

Das Fahnenheiligtum der Standlaser.

Im Standlager führt jede Truppe ihr Sonderdasein und so müssen, die Götter des Heeres hier eine Stätte der Verehrung finden. Es ist dies der geheiligte Raum, der die signa birgt und nun auch den Göttern, des Heeres Aufnahme gewährt.

G. Gemoll, Hermes XVH S. 167 gezeigt hat, dass in der Lagerbeschreibnng oben und unten der Richtung von der porta decumana zur porta praetoria entspricht, so ist W. GemoUs Vorschlag sachlich unmöglich. Denn er rückt die arae an den unteren Rand des Platzes. Aber das Relief der Traiansäule and die Analogie der Tempelhöfe zeigt, dass die Altäre in der Mitte des^ freien Platzes gelegen haben. Deshalb schrieb ich in foro partis imae, d. h. des Praetoriums. Nur erhebt sich gegen diese Änderung das Bedenken, dass die Bezeichnung dieses Platzes als forum nicht nachzuweisen und geradezu unmöglich ist. Er ist vielmehr ein integrierender Teil des praetorium, ebenso wie auguratorium und tribunal (Tacit. ann. 2, 13), welche beide an der via principalis selbst liegen. Da nun der metator mit C. 10 die Beschreibung des Praetoriums unterbrochen hat, so scheint mir die Wiederholung des Wortes praetorium geboten.

'^) Fröhner PI. 35. Die Grösse des Raumes bestätigt Ammian 24, 6, 17, der an dieser Stelle 10 Stiere opfern lässt.

••) Die Signa sind bei den einzelnen Truppenkörpem, Hygin. C. 3 u. 14 und meine Erläuterungen S. 46 und 57 und die Fahnen S. 40 Anm. 3.

•') D. h. vor der lustratio exercitus, die der Entscheidungsschlacht voranging. Arch. epigr. Mitt. XV S. 19.

'^j In der Eaiserzeit hat der Kaiser mit dem Imperium auch die Auspicien an die Kommandanten der Provinzialarmeen mandiert. Vgl. S. 4 und das Recht der Heeresreligion.

10 V. Domaszewski

Tacitus ann. 1, 39 berichtet, wie der Führer der Senatsgesandt- schaft Munatius Plancus in das Lager der ersten Legion flüchtet**). Illic Signa et aquilam amplexus religione sese tutäbaiur ac ni aquilifer Calpurnius vim extremam arcuisset, legatus popuU Bomani Eomanis in -castris altaria deum commaculavisseL Es sind die Altäre der Götter, weil die signa keine dei, sondern numina sind*®). Ebenso sind Fahnen und Götter vereinigt im Praetorianerlager.

Herodian 4, 4, 5: 6^ Sk eiaineaey iq, xb azpaxdneSov 5^ xe xiv ve(J)v, Sv-S« xi Gri[ieia xal xa (ä^aXfiaxa xoO oxpaxo7c£8ou Tipoa- xüvelxat.

Der dritte Gegenstand der Verehrung in dem Fahnenheiligtum ist die Statue des Kaisers. Bezeugt ist dies für das Praetorianerlager: Tacitus h. 1, 36 ut non contenti agmine et corporibus in suggestu. in quo paulo ante aurea Galhae statua fuerat^ medium inter signa 'Othonem vexillis^^) circumdarent. Für das Legionslager : Tacitus ann. 4, 2 (von Seian) colique per tJieatra et fora effigies inter que signa legionum Kineret ^^), Sueton. Tib. 48 Sf/riacis legionibus quod solae nullam Seiani imaginem inter principia coluissent. Principia sind das praetorium und ■die angrenzenden Lagerräume der Offiziere**): Hygin. 14 via principalis quae a principiis nomen obtinet, weil sie zwischen diesen durchführt. Demnach bedeutet inter signa nur die Aufstellung im Fahnenheiligtume und nicht, dass die Statue zwischen den Fahnen stand.

Trat der Kaiser nach seinem Tode in die Reihe der divi über, so blieb seine Statue an ihrem Orte oder sie muss bei engen Räumen in den Hof vor das Fahnenheiligtum gebracht worden sein. Tacit. ann. 1, 43: Germanicus spricht vom Tribunal aus: tua, dive Auguste, caelo recepta mens, tua, pater Druse, imago.

") Über die ganze Situation vgl. Korrbl. d. Westd. Zeitschr. XII <1893) Sp. 262.

^^) Tacitus ann. 2, 17 vom Adler propria legionum numina. Vgl. numina castrorum.

^^) Die Vexilla sind die Fahnen der speculatores, die den Kaiser ge- macht haben, während die signa an der Wand zu beiden Seiten des l^uggestuB stehen.

*') Sueton Tib. 65 itnagines aureas passim colL

^^) Dies bezeugt auch die Skandalgeschichte des Vinius, Tacitus bist. 1, 48 in ipsis principiis stuprum ausa est. Flutarch Galba 12: öiisp^sigev h xoig f^Qxdoigy u ngiyninia xaXovai *P(ofiaioi, Die griechische Übersetzung «teilt die Bedeutung ausser Zweifel.

Die Beligion des römischen Heeres. H

Die Angabe des Tacitas, Otho wäre an Stelle der Statue Galbas auf den snggestas getreten, zeigt, dass diese Statuen lebensgross waren. Dies allein macht es schon unwahrscheinlich, dass das Heer die Statue regelmässig ins Feld geführt hat. Vielmehr sind für diesen Zweck die imagines der imaginiferi geschaffen**), die selbst unter den signa mit einbegriffen werden. Sueton. Calig. 14 aquilas et signa Romana Caesarumque imagines^^) adoravit, CIL. XIV, 3608 Ignotus auf infensos p(qpulo) B(omano) reges signa Bomana adoraturos in rtpam, -quam iuebatur, perduxU.

Wenn dagegen bei dem Schaustück der Unterwerfung des Tiri- dates die goldene Statue des Kaisers auf die sella curulis gestellt wurde, in der Art wie die divi bei der Pompa circensis aufziehen, so entspricht dies nur dem Göttlichkeitsschwindel von Neros persönlichem Regimente. Seiner Eitelkeit genügt erst die Widerholung der Komödie in Rom.

Über die innere Einrichtung des Raumes ist es noch möglich im Wesentlichen Klarheit zu erlangen. Sowohl die Götterbilder*^) als

aquila et signa standen in Schreinen. Die aedicula des Adlers nennt Dio 40, 18 sait Sk veci)^ jitxpö; xal dv (xuxtb Xpuaoö^ Äexö; ESpOxat. Dargestellt ist sie auf dem Schwerte des Tibe- rius***) (vgl. das nebenstehende Gliche) angedeutet auf einem Relief von Vimi- nacium*^, kaum mehr verständlich auf einem Relief aus Condercum *®). In den Seitennischen standen die

**) Die Fahnen S. 70 Anm. 1. An den dort angeführten Stellen ist der sprachliche Ausdruck entscheidend; es ist immer vom Herunterreissen des Bildes die Rede. Plutarch berichtet dagegen von den Aufrührern in Mainz, Galba 22: tug filv (hovag zov Fillßa ngoafl&ovTfg uvirQSilfav xai naxbcnaöav. Die statuae und imagines werden hier scharf geschieden, auf die einen geht das Umwerfen, auf die anderen das Herunterreissen. Taci- tus h. 1, 55 fasst beides zusammen dirumpunt imagines Galbae\ eine Stelle, die deutlich zeigt, dass Plutarch den Tacitus nicht benützt haben kann.

**) Es sind alle imagines der imaginiferi, auch die, welche divi dar- steUen. Vgl. die Fahnen S. 71.

*^) Taf. II Fig. 4 hier nach einer Photographie, die ich Haverfield ver- danke, vgl. Bruce, wall p. 333.

^^) Die Zeichnung ist angefertigt nach der im Mainzer Museum herge- stellten Nachbildung des Schwertes, in *'s der Originalgrösse.

^») Vgl. Arch. epigr. Mitt. XV S. 192.

^) Eph. ep. VII n. 1010.

12 ▼• Domaszewski

MaDipelsigna. Der Adler ist seinem Wesen nach keine Fahne, sondern das Symbol des Jupiter optimus maximas, des höchsten der Schatz- götter des Heeres**). Deshalb tritt, wenigstens in späterer Zeit, beiden Auxilia an Stelle des Adlers das Bild des Jupiter selbst. Dies zeigt das Cultbild des Dolichenus aus Kömlöd**), vgl. Taf. IV, Fig. 1.

Das Relief stammt aus einer Zeit, wo die orientalischen Sonnen- götter den Jupiter der Römer aus der Herrschaft über das Lager ver- drängt hatten*^). Die Anordnung der Signa zu beiden Seiten der aedicula ist für die Bedeutung entscheidend.

Im Lager der Praetorianer dagegen ist dem Geiste dieser Truppen gemäss das Standbild des Kaisers der Mittelpunkt, um den sich die- Signa ordnen**)

Die Signa sind die eigentlichen Cultbilder des Fahnenheiligtums^ und standen deshalb an der Rückwand der Eingangsthür gegenüber. Josephus, B. J. 6, 6, 1 xojJifaavTe^ t4^ a>j|iafa^ e?; zb £epöv xal •ö-^lievot TfJ$ ÄvaioXtxfjs tcuXtjs ävTtxp^);, e8*uaav xe aötat^ aöxoS-t xal TÖv Ttxov jieta fieytox(i)v eöcprjfxcöv öcTCe(f rjvav aöxoxpaxopa. Die Legionare, welche den Tempel mit den Waffen in der Hand genommen, verehren ihre signa, wie sie es im Lager gewohnt sind. Die Symbolik des Opfers ist klar : die aquilae sanctae haben über Jehova triumphiert. Plinius n. h. 13, 23: aquilae certe et signa pulverulenta illa ei cuspi- dibus horrida unguuntur festis diebus, utinamque dkere possemus quis primtis instituisset ! ita est nimirum, liac mercede corrupiae orbem terrarum devicere aquilae. Das höchste Fest des Heeres ist der Sieg. In gleicher Weise wurde den signa geopfert vor dem Auszug ins Feld bei der lustratio **). Aber es gab auch einen kalendarischen Festtag der Signa; es ist dies der natalis aquilae, der Geburtstag der Legion*^).

^^) Das bezeichnet die Sprache völlig deutlich, indem sie aquila et Signa verbindet, also den Adler von den Fahnen unterscheidet. Vgl. Die Heeresgötter der Republik.

") Abgebildet nach Desjardin-Romer Taf. V u. VI (CIL. III 3316).

*') Vgl. Orientalische Götter.

**) Dies hat Hirschfeld arch. epigr. Mitt. II, 181 richtig erkannt und nur zu weit ausgedehnt. Vgl. Tacit. bist. 1, 36 (oben S. 10), wo medium irUer signa die Anordnung der Fahnen bezeichnet.

") Arch. epigr. Mitt. XVI S. 19.

") Vgl. arch. epigr. Mitt. XV S. 184. Den Inschriften CIL. II 2552 bis 2556 liegt nur ein echtes (Nr. 2552) Exemplar zugrunde, das selbst bi& zur Sinnlosigkeit interpoliert ist.

Die Religion des rumischen Heeres. 13

*3 = CIL. n 6183 Emporiae I(ovi) o(pHmo) m{aximo) vexiUaJbio P]e- gwms VII g{eminae) f(dicis) [s\ub cura luni Vidoris (centuHoms) legijonia) ei[u\8d{em) ob 9ta[t]aZtfm aquilae.

Denn der Altar ist errichtet worden um das Opfer darzubringen. Auch die Kaisertage: den Geburtstag des Kaisers, den Tag seiner Thronbesteigung und den Tag der feierlichen Erneuerung des Eides am 1. Januar muss das Heer gefeiert haben. Aber der bürgerliche Ka- lender ist dem Heere ebenso fremd wie das bürgerliche Tagwerk ^^). Deshalb sagt Tacitus ann. 1, 16 Castris aestivis ires simül legiones habebantur, praesidente lulio Blaeso: qui fine Augusii et initiis Tiberii ixudUis ob itistUium intermiserat solita munia. Eo principio lascivire miks disciplinam et läborem aspemari. Das römische Heer lebt auch im Frieden das Leben des Krieges, das keine Feiertage kennt.

In allen Zeugnissen, Schriftstellern wie Bildwerken, werden die Signa entweder allein genannt oder sie gehen den Göttern wie auch •dem Kaiser voran. Dies bestätigen nur die Inschriften:

4 = CIL. III 3526 Aquincum Excubüortum ad tuteHam) 8igtior(um) et imagin(um) sacrarium) P. Turran{tu8) Firmus vet(eranu8) ex comic{uiario) leg(ioni8) II ad{iuiricis) Antoninianae p(ecuniä) 8(ua) a 8cHo Te8{tibwt) Sa- bino II et Amdlino C08. a. 216.

5 = Brambach 693 Niederbiber*®) in h(onorem) d{omu8) d(mnae) Getiio vexülariiorum) et iinagim(ferorum) Aitianu8 Coresi vex(ülanu8) For- tontus Constäutm imag{inifer) Signum cum aedic{u)la et tab{u)l(am) mar- moream d(ono) d{ederunt) imp(eratore) d{omino) n(08tro) Gordiano Aug(u8to) et Avida co8. a. 239.

Es ist also wahr**) was TertuUian berichtet: Apol. 16 Eeligio Homanorum ioia castrensis Signa veneratur, signa iurat, signa omnibtis deis praeponü.

Das excubitorium ^^) der Inschrift Nr. 4 ist das Wachlokal der

*^) Nichts in den Datierungen der Altäre fuhrt auf den bürgerlichen Kalender.

**) Das ist ein Denkmal des CoUegium der Victorienses ; aber es ist im Kastell selbst gefunden. Das CoUegium wird deshalb militärischen Charakter gehabt haben. Über die imaginiferi der Collegia vgl. CIL. III 7900. 8018.

'^')'Oder vielmehr fiir seine Zeit ist es, so wie er es hinstellt, nicht mehr wahr, da gerade damals der Kaisercult die alte Lagerreligion zu er- sticken begann. TertuUian benutzt diese offenbar tralaticische, vielleicht varronische Definition der Lagerreligion, um das Kreuzzeichen nachzuweisen. Aber das Signum ist eine Lanze (vgl. die Fahnen S. 50) und kein patibulum.

^) Vgl. Jordan, Topogr. II S. 573: cohortes vigüum quorum excubi- toria XIIII; Eph. ep. VII n. 1222 excubat XII k. Mar.; CIL. VI 3010 genta exctibäori.

14 V. Domaszewski

Mannschaft, welche den Dienst vor dem Heiligtume hatte. Diese Ab- teilung gehört zur Stabswache, welche den Dienst in principiis thut. Die in Ostia unmittelbar neben dem Heiligtume der Vigiles gefundenen Grafiti erklären sich daraus.

6 = Ephem. ep. VII 1217 scUw d{omino) n{o8tro) Severo Alexandro pk> fdict \ Aug(u8to) statümem [fe]cmtM principis dxeru{m) XXX^^), \

7 = Ephem. epigr. VII 1218 M. Mikenius Itdms hucinator coh{oHis) VII i Vigiäum) "). '

Die Notwendigkeit dieses Heiligtum bewachen zu lassen, denn Ehrenwachen kennt der römische Dienst nicht, liegt in dem materiellen Werte der Gegenstände, welche dieser Raum barg. Alles ist hier von edlen Metallen®^). Aber dies ist nicht der einzige Grund; die Fund- umstände einer Inschrift haben unsere Erkenntnis hier weiter gefördert. |

8 = CIL. VII 1030 Bremenium Q[enio) d{pmini) n(ostn) et signorum c6h{ortis) I VardiUl{orum) et n(umen) explor<xtar{um) Brem{ensium) Gor- {dianorum) Egnatius Lucüianus leg{atu8) Äug^ustt) curante Casaio Sabino \ trib(uno).

Der Stein ist gefunden an der Rückwand des Praetoriums in einem Räume, den Bruce folgendermassen beschreibt **) : One of these Underground receplacles C7S differed from an ordinary tank, The wood- Cid represenis it as it appeared to a spectator sianding on ü$ sotUhern edge. Three of Us sides consisted of solid masonry of excellent work- manship, the fourih was formed of large flags, hacked wUh clay, A ßight of Steps led into the vault on Us north side, the entrance at üie

•*) Auch in den excubitoria der Hauptstadt dauert der Wachdienst einen Monat lang CIL. VI 3062 en Kalendas Julias in Ka. Augu.\ Ball. d. c. m. XIV p. 268 (ex K,) Febr. in pridue Kai Martias, ; CIL. VI 3053 mese suo. Das ganze Detachement der Vigiles in Ostia hatte 4 Monate Dienst und wurde dann abgelöst CIL. XIV n. 230 8(u8cepit) v(otum) id. Apr. 8(ölmt) r(eüer8U8 d. h. nach Rom) id. Aug.; Ephem. epigr. VII n. 1216 [ex] id. Ang- in idus Dec. Weil der Wachdienst 4 Monate dauert, stehen die Vexillationen unter 4 Centurionen, d. h. es sind 4 Verbände in der Stärke je einer Centurie hergestellt worden Eph. ep. VII n. 1210, CIL. XIV n. 13 u. 14; in letzterer Inschrift ist zu ergänzen [Cassius] Lig[us Mb. pra^. vexil\lat[ioni8]. Vgl. Eph. ep. VII n. 1203 und CIL. XIV n. 13. Mit der Soldzahlung haben jene Termine nichts zu thun, denn diese erfolgte an den Ealenden des Januar, Mai und September. Eph. ep. VII p. 460 und Arch. epigr. Mitt. XVI S. 21.

^^) Der hucinator bläst die Wachablösung, Marquardt St.-Verw. II S. 420.

**) Die Götterbilder S. 9, Die Kaiserstatuen S. 10, Die Signa, vgl. Die Fahnen Abschnitt III.

»*) the wall (1867) p. 318. Vgl. jetzt auch Obergerm. -raet. Limes 44, S. 8 fg.

Die Religion des rumischen Heeres. 15-

fooi of ihe stairs being closed hy a stone slab moving in a groove upon iron wheels. In one comer of ihe qpartement, at ihe bottom, was an arched Channel, ihe course of tvhich was not ascertained, The tvhole receptacle had evidently been provided toith a stone covering. Has this vauU been ihe aerarium of ihe sUxtionf The Altar figured on page 315 (= Nr. 8) was found here,- ü lay as if it had been casually thrown in.

Die Vermutung von Bruce ist durchaus richtig; der Keller ist das Aerarium. Der Altar, welcher in dem Heiligtume stand, war beim Einstürze des Fussbodens in den darunter liegenden Keller gefallen*'*). Die Wache diente also auch zum Schutze des Aerariums. Es bestätigt dies nur, was wir über die Aufbewahrung der Gelder im Lager wissen ^^). Sueton Domitian 7 : geminari legionum castra prohibuit, nee plus quam müle nummos^^) a quoquam ad signa deponi, quod L, Antonius apud duarum legionum hibema res novas moliens fiduciam cepisse etiam a depositorum summa videbatur, Yegetius 2, 20 Illud vero ab antiquis dimnüus institutum est, ttt- ex donativo quod milites consecuntur, dimidia pars sequestraretur apud signa et ibidem ipsis miliiibus servareiur.

Deshalb berichtet Tacitus von den Aufruhrern in Köln ann. 1, 37: turpi agmine, cum fisci de imperatore rapti inier signa interque aquilas veherentur ^®).

Andere Baarmittel befanden sich nicht im Lager, weil die Offiziere von der Geld Verwaltung prinzipiell ausgeschlossen sind. Denn auch die Verwaltung dieser Depots bei den signa haben nicht die Offiziere, son- dern principales der Truppe. Vegetius 2, 20: haec ratio apud signi- feros, ut nunc dicunt, in confinio serväbatur. Et ideo signiferi non solum fideles, sed etiam litterati homines eligebaniur.

Der aquilifer und die signiferi jedes Manipels sind also die Buch- führer der Kasse und deshalb haben sie discentes, die sie in dieser

•*) Die Aufbewahrung thesaurierter Gelder in Heiligtümern ist fiir antike Denkweise selbstverständlich. Man braucht ja nur an das Aerarium Satumi und an den Parthenon zu erinnern. Vgl. Hirschfeld, Untersuchungen S. 3 Anm. 4, wo jedoch vita Alexandri 39 nicht auf Gelder zu beziehen ist.

^^) Zangemeister hat dies bemerkt Limesblatt S. 75.

•') D. h. 250 Denare oder annähernd ein Jahressold des Legionars. Marquardt, St.-Verw. II S. 96.

«^) Wenn die Truppe nicht gefechtsbereit ist, sind alle signa an der Spitze der Colonne, Josephus B. J. 3, 6, 2 ^nsircc al ürjiJLalcci nsQuaxovacii tov aBvhv rolg Uifolg dl tjxolov^ovv ol aalmyxtal und die Bildwerke, die Fahnen S. 7.

16 V. Domaszewski

Kunst unterweisen®^). In schwierigen Lagen, wo auch der miles ge- gehört sein will, sind diese Principales die Vertrauensmänner der Truppen. Tacit. ann. 1, 48: JEas die Briefe des Germanicus CcLccina. aquiUferis signiferisque^ et quod maxime castrorum sincerum erat, occuUe recüat, Hist. 1, 56: aquilifer qiiartae legionis epulanti Vitellio nuntiat quartam et duoetvicesinmm legiones, proiedis Galbae imaginihus, in senattis ac populi Romani verba iurasse.

Die Fundumstände der Inschrift Nr. 8 lehren auch, dass das Heiligtum in praetorio stand. Ebenso liegt in Ostia das Heiligtum der divi Augusti an der Rückseite eines Säulenhofes, der selbst noch einen Teil der Anlage bildet; denn auch hier haben sich die Basen der Kaiserstatuen gefunden ^*^).

Auch in Carnuntum liegen die Heiligtümer am Ende eines grossen Säulenhofes ^»).

Die gleiche Anlage kehrt dann wieder in vielen Kastellen der Rheinlande ''*).

«») discens aquüiferu(m) CIL. VHI 2988 und 2568, 22. discens signiferorum 80 ist aufzulösen (vgl. discentes capsariorum CIL. VIII 2553). CIL. VIII 2568, 8. 9. 10, 2569, 4. 5. 25. Der gemeine Legionär konnte nicht lesen und schreiben (vgl. arch. epigr. Mitt. XVII S. 33). Deshalb sind von den monera befreit die librarii, qui docere possunt Dig. 50, 6, 7 und es ist dies einer der Gründe, weshalb das Avancement vom gregarius zu den Bureau- chargen der Stäbe (beneficiarii) notwendig durch die Zwischenstufe der drei taktischen Chargen signifer, optio, tesserarius führt. Endlich ist die Kenntnis der Buchführung der Grund, weshalb die signiferi in Functionen verwendet werden, die mit ihrer tactischen Bedeutung scheinbar unverträglich sind, CIL. VIII 18224 I(ovi) o(pUmo) m(aximo) Dolicheno p(ro) p(rogre88u) Flav. Studiosi Sabinma Ingenuus et Aurdius Sedatus signiferi leg(ioni8) III Aug(u8tae) agentes curam macelli v. l. a. s. cum azutortbus suis ; die adiutores sind librarii (Mommsen CIL. VIII 18072) und zeigen, in welcher Eigenschaft die signiferi die Verwaltung des macellums führen. Ebenso verwalten sie die Ziegeleien, Brambach 1301, 1302 sig{nifer) leg(ionis) XXII pr(imigeniae) p(iae) f{ideUs) Optio navaltorum. (Über die navalia vgl. Mommsen CIL. III 11382). Er heisst optio, weil er an der Spitze eines Detachements steht, das zum Ziegel- streichen bestimmt ist. So trägt der signifer auch die Sorge für das Ein- hauen einer Inschrift CIL. VI. 220. 1058.

'0) Taf. I Fig. 1, nach Notizie degli Scavi 1889 S. 78. Dass hier keine Spuren aufgefunden wurden, welche auf die Verehrung der Signa hinweisen, kann nicht befremden. Die Vexillationen der Vigiles hatten keine Fahnen der Truppe und überdies wechselten ihre Vexilla mit den Vexillationen. Vgl. die Fahnen S. 24.

71) Taf. I Fig. 2, nach Arch. epigr. Mitt. VIII Taf. III.

'*) Darüber sind die Resultate der deutschen Limesforschung abzuwarten.

Die Beligiou des römischen Heeres. 17

Das Heiligtum bezeichnet sowohl Tacitus ann. 1, 39 (oben S. 10) als die Inschrift Nr. 4 nur nach den signa und ebenso sagt Statins Theb. 10, 176'*) verUum ad eoncili penetrale domumque signorum. Demnach führte der Raum, in welchem die signa aufbewahrt werden, keinen Namen, sondern galt trotz seiner speziellen Bestimmung nur als ein Teil des Praetoriums. Die Bauinschrift ist uns sowohl aus dem Lager der Legionen, als aus dem der Auxilia erhalten.

9 = CIL. III 905 Potaissa Imp{erator) Caes(ar) L. Sept{imiu8) Severus P(iu8) Pert(inax) Aug(u8tus) Aral)(icu8) Adiabenic{m) p(mt(tfex) max{imu8) trib{unicia) pot{e8tate) III imp(erator) VII co[n)8{tä) II pro-

co{n)8(ul) p{(Uer) p{atriae) leg(wm) V Mac{edonicae) p(iae) p don(ö)

dedü dedkante P. SepHmio Oeta leg{ato) Augiustf) pr{o) pr{adore) cura agente Tib. C[l(audio)] Claudiano leg(ato) Aug{u8ti) a. 195.

10 =r CIL. III 6230 Novae ^*) [imp(erator) Caes[ar) dim M. Atdxmwi Germ{anici) Sarmä]t{ici) fil{ius) divi Commodi [frater divi Antonini Pii nepas divi Hadriani p]ronepo8 drin Tra[iafu Parthici aim(ep08) divi Nervae adn(epo8) L, Septimius Seo]eru8 Pius Pert{inax) Aug{u9tu8)

[ et imp{eraJtor) Ca\e8{ar L, Sep{timi) Severi [ . . . . ßius

M. A]ur{diu8) Antoninw Piu8 [ legiioni) I It(<üicae)

d{om) ded{erunt) ded{icante) . . . leg{ato) Aug{u8torum) pr{o) pr(aetore). Bechts ein Eber.

11 == CIL. VII 106 Isca ") [Imperatore8] Caesares L, Septi[miu8 Se- vems Piu8 Pertinax Aug{u8tu8) et M. AureUua Antomnu8 Ä\ug{ti8tu8) et P.

SeptinUus [Geta nob(äi8imu8) Caesar leg(ioni) II Aug(n8tae) vetustate c}orru- ptum [restituerufU ded(icante) ieg(ato) Aug(u8tarum) pr(o) pr(aetore)],

12 = Brambach 7 Roomburg Impieratores) Cae&(are8) L. Septimvus Severu8 Pius Perti[nax et] M, Aurdius Antonmus Aug{u8ti) et P. 8ept{i'

tnius) Geta nob(äis8imus) [Caesar] numero expl{oratorum) Bat{<iv(mm)

Cur .... Antoninianorum [d{ono) d(ederunt)] ^*) Q. Venidio Buf\o leg{ato) Aug{u8torum) pr(o) pr{aetore)].

*») Diese wichtige Stelle hat Hirschfeld arch. epigr. Mitt. TL S. 181 nachgewiesen.

^*) Die Steine, welche Fürst Mavros in seinem Landhause aufgestellt hatte (jetzt im Bukarester Museum), stammen aus Niedermoesien. No. 6223 (vgl. Bonus eventus) und 7591 ( = No. 14) sind Altäre des Fahnenheiligtums der leg. I Italica von Novae. Altäre dieser Art sind so ausserordentlich selten, dass der Fürst notwendig auf Reste des Fahnenheiligtum gestossen sein muss. No. 6230 ist die Inschrift eines Epistylbalkens, wie die Zeilenlänge beweist, und die Fassung im Nominativ weist eben auf das Fahnenheiligtum hin. Der Eber ist das Fahnentier der legio I Italica. Vgl. Die Heeresgötter der Eepublik.

'*) Auch hier sind zwei Altäre des Fahnenheiligtums gefunden worden CIL. VII n. 103 (Genius des Kaisers), 104 (Orientalische Götter).

^«) Die Überlieferung CVR COQ ist so nicht haltbar. CVR könnte der Beiname der Exploratio sein. Vgl. Korrespondenzbl. 1889 Sp. 49.

Wutd. ZeitMhr. t Ooioh. n. Kaut. XIV, I. 2

18 V. Domaszewski

13 = CIL. VII 585 Cilurnum Imp{erator) Caesar M.] Aurei{iusy [Antonmm Pius fdix] Aug(u8tu8) [sacerdos atnplissimus invicti Solis Ela- gdbali pipntifex) m(axmu8) tr]ib{umcki) p{otest<Ue) IV co{n)8(ul) lllp{ater} piatriae) divi [Äntonini Magni filius] divi Seüer{i) nepos et M. Äur(eliu8) Severus Alexander nob(tli88imu8)] Caesar imper[ak)ris M. Aur{ein) Anionini cansobrinus] alae II Astur{um) [Antonimianae)] vetusta[te cordapsum resti-

tu]erunt 2>er Marium Valerian[um leq[atum) Aug{u8tt) pr(o) pr{aetore)] instante Septmio N. . . o prae[/{ecto) alae] dedicatum III Kai» Nocem. Grato et SeU^uco cos.], a. 221. Die Bauwerke, welche die Kaiser in sonst nie wiederkehrender Weise als ihr Geschenk an die Truppen bezeichnen, sind geweiht ge« Wesen, also für die Zwecke des Lagercultes bestimmt. Alle anderen Gegenstände und Gebäude, welche dem Lagerculte dienen, sind eben- falls Geschenke und bei den Truppen römischer Bürger vom Statthalter, dem Stellvertreter des Kaisers, geweiht'''). Demnach können jene Gebäude No. 9 13 nur die vornehmsten Heiligtümer des Lagers^ die Heiligtümer der Fahnen gewesen sein. Wenn dem Fahnenheilig- tume der Name fehlt, so ist dies ein Beweis, dass das Lager im Grunde genommen kein Heiligtum besitzt, sondern nur einen Platz in Praetorio, wo geheiligtes Geräte aufbewahrt wird. So befremdend dies scheint, so ist dies doch nur eine notwendige Folge der Idee, welche alle Einrich- tungen des Lagers durchdringt. Das Lager der Römer ist ein Marsch - lager und kein Standlager. Denn die Sprache unterscheidet wohl zwischen castra hiberna und castra aestiva ''^), aber sie hat keinen Aus- druck für den Begriff des Standlagers '^). Auf dem Marsche kann das Heer keinen Tempel mit sich führen. Deshalb ist das Fahnenheiligtum

^^) Wo die Weihung fehlt, handelt es sich entweder um Weglassung des Vermerkes, wie bei unbedeutenden Gegenständen, oder die Rechtsstellung der Truppe bedingt es. Vgl. das Recht der Heeresreligion.

^^) Daher kann die Sprache den Begriff der Garnison nicht anders ausdrücken als durch hiberna et aestiva. Vgl. Arch. epigr. Mitt. XVII S. 34. Die Macht der Thatsachen hat es mit sich gebracht, dass aestiva das Cbungs- lager des Sommerdienstes (Tacit. ann. 1, 16. 31) und zuletzt das Marschlager wurde, Vita Marci 29. Hygin. 48. Vgl. Rhein. Museum 49 S. 615.

^*) Von castra stativa spricht man nur im strategischen Sinne, wenn eine Truppe während einer Operation den Lagerplatz längere Zeit inne bat. Alles das ist wieder der Ausfluss eines noch höheren Principes, welches alle römischen Heereseinrichtungen als das wahrhafte Lebensprincip geschaffen hat. £s ist der Gedanke der absoluten Offensive, in welcher der römische Soldat erzogen wurde. Vgl. die Heeresgötter der Republik.

Die Religion des römischen Heeres.

19

nie eine organische Institution des Heeres geworden und alles was zu seiner Ausstattung dient, behält den Charakter der freiwilligen Spende. Dass vier dieser Bauinschriften von Septimius Severus herrühren, ist eine Folge der historischen Entwicklung der Heeresreligion. In gleicher Weise hat Septimius Severus das Heiligtum der Vigiles in Ostia umge- baut; hier steht der Kaiser inmitten der Fürsten, die ihm auf dem Throne vorangegangen waren. Die letzte Ursache dieser sacralen Lager- bauten ist aber das Eintreten des Kaisercultes unter dieser Dynastie, welcher dazu bestimmt war, die Fahnenreligion des Principats zu verdrängen.

Die gewichtigsten Zeugen für die Religion des Heeres sind dem- nach alle jene Gegenstände und Gebäude, welche dem Lagercult gedient haben. Einer der Altäre ist durch den reichen Inhalt der Inschrift so belehrend, dass er als typisches Beispiel vorausgestellt werden soll. 14 = CIL. in 7591 Novae Dis müüaribus Genta Virtuti aquäae 8anct{ae) signisque leg{ionis) 1 Itcä{icae) Secerianae M. Aurd{iu8) lustus domo Horrei Margensis miunicip'o) Moesiae superioris ex {trecenario) pifimus) p{ilu8) d(ono) d(edit) Dedicat{um) XII Kai. Oct. luliano et Crü- pino (08. per Annium ItcUicum leg{atum) Aug(usti) pr{o) pr{aetore) a, 224.

Nach den unsterblichen Göttern stehen jene gött- lichen Wesen, deren Dasein an die Existenz der Truppe gebunden ist und die götter- gleichen Fahnen, deren Un- tergang den Tod der Truppe nach sich zieht ®^). Die Eigen- tümlichkeiten dieser Altäre treten deutlich hervor. Es ist ein Cultaltar und kein Votivstein, geweiht vom Statt- halter und errichtet von dem- jenigen Offizier der Legion, welchem der Schutz des aquila obliegt®^). Auch der Dedicationstag des Altars ist merkwürdig; er findet sich auf keinem anderen Denkmal

80) Arch. epigr. Mitt. XV S. 189.

81) Marquardt, St.-Verw. II S. 354.

Dem officiellen Charakter der In-

2*

20 V. Domaszewski

und ist kein Festtag des römischen Kalenders. Dennoch ergiebt sich seine Bedeutung aus der Bestimmung des Altars; es ist der dies natalis aquilae, der einzige notwendige Festtag der Legion®*). Die legio I Italica ist demnach am 20. September des Jahres 67 gegründet worden *').

Auf diesem Wege fortzuschreiten und nach den gemeinsamen Kennzeichen jene Denkmäler, welche den Lagerculten gedient, aus der Masse der anderen auszusondern, wftre möglich. Aber es giebt ein Merkmal allgemeinerer Art, welches einfacher zur Erkenntnis der Religion des Heeres fahrt. Die Truppenkörper als Gesamtheit haben in vielen Fällen Altäre errichtet. Es ist auch ohne Beweis klar, dass Altäre dieser Art nicht entstanden sind auf Grund des persönlichen Glaubens einzelner Soldaten, sondern dass sie ihre Entstehung jenem Glauben verdanken, in dem sich eine ganze Truppe vereinigte.

Durch eine Gunst des Zufalles ist in dem Lager der equites singulares zu Rom eine Gruppe von Altären zu Tage getreten, welchen die Beziehung auf die Gesamtheit der Truppe deutlich innewohnt und die überdies einen geschlossenen Götterverein in stets^ gleicher Folge der Namen nennt. Es sind jene AMre, welche die Gesamtheit der aus dieser Truppe entlassenen Veteranen in den Jahren 132 141 errichtet hat'**).

15 = lovi optimo maximo, lunoniy Minervae^ Marti, Victoriae; Herculi, For- tunae, Mercurio; Saluti Felicüaii, Fatis; Campestribus', Sävano, ApöUini, Dianae; Eponae; Suleois et Genio singvilarium,

Dass dieser Götterverein kein einheitlicher ist, sondern in ver-

schrift gemäss nennt der Offizier seine Heimat wie in den officiellen Listen der Soldaten. Vgl. Die Fahnen S. 21.

") Mit Recht hat Hübner das Datum der Inschrift CIL. II n. 2552 auf den dies natalis der legio VII gemina bezogen, CIL. II Suppl. praef. LXXXIX. Vgl. Seite 13, No. 3.

8') Die Truppenverschiebungen für den Albanerkrieg begannen nicht vor dem Jahre 67. Rhein. Mus. 47, 214. Das umstehende Glicht ist her- gestellt nach einer Zeichnung, die ich Tocilescu verdanke.

8*) Henzen, Annali deir Institute 1885 S. 825 if. Alle Götter nennen 4. 9. 10. 12. 13. Auf dem ältesten Altare No. 3 lovi optimo maximo, lunoni, Minervae, Herculi, Fortunae, Felicitati, Saluti, Fatis, Genio singularium ist die Reihe sichtlich unvollständig. Es fehlen Mars, Victoria und die Cam- pestres, die notwendig sind, aus einem Grunde, den ich nicht zu erkennen vermag. Die topographische Besprechung des Fundes durch Lanciani, welche Henzen in Aussicht stellte, ist leider nie erschienen.

Die Religion des römischen Heeres. 21

schiedene Grnppen zerfällt ®^), lehrt der erste Blick. Sichtlich sind die römischen Götter des Krieges an die Spitze gestellt und hier wird die Analyse beginnen müssen.

Dieser "Kreis der dii militares kehrt in gleicher Vollständigkeit

nur noch auf einem Denkmal wieder.

i6 = CIL. VIII 24Ö5 und 17953 Mena^'a I(pci) o(pttmo) m{aximo) Iun(oni)

reg{inae) Minervae Marti Vict(oriae) Aug(ustorum trium) pro salute imp{e-

ratorum) L. Septimi Seoeri Pii et M, Aurdi Antonini Aug{ustorum) et

P. Septimi Getae vexiU{atio) Ieg{ioni8) III Aug{ustae) p[iae) v{indici8)

morans in procinctu cur(ante) Aemüio Emerito dec(urione) al(ae) I Pannio- niarum) Sat[urnino] et Gallo cos. V K. Mais v. s. a. 198.

Um die Beweiskraft dieser Inschrift zu prüfen, bedarf es einer genaueren Untersuchung.

Dieser Posten war an dem Fundorte wenigstens am Anfang des 3. Jahrhunderts ein stehender, der in bestimmten Zeiträumen abgelöst wurde ®^). Das Datum bezieht sich wahrscheinlich auf die Ablösung *^^). Vexillationen dieser Art sind noch an anderen Punkten Numidiens und sonst im Reiche nachzuweisen.

17 = CIL. Vill 18025 (cf. Cagnat l'annöe epigraphique 1888 n. 1) El- Gehara Soli invicto MUhrae [lu^ius Florus [{centurio)] leg{ionis) III Aug{u8tae) , . . , us Pastor [de]c(urio) alae I Pann{pniorum) [Polmponim Ma[xi]mus h[ene)f{iciarius co{n)s{iilaris) ü. s. l, a.

18 = CIL. VIII 2482 (cf. 17976) Gemellae Vic[toriae) Aug(u8tae) pro 8al(ute) d(ominorum) n{ostrorum) Valeriani et Gaüieni \^Aagu8'\t{orum) mi- l{ites) l(egionis) [III Aug(wftae) II p{iae) v{indicis) Te\!itit\Uae e Bad(ta) GemeU(as) regressi die XI Kai. Nov. Vdusiano II et Maximo cos. votam 8olver{unt) per Valente{m) (centiirionem) leg{ionis) s{uprä) s{criptae) L. Vo- lumnius Cresces op[tio) pri(ncipis) M. Aurel{ius) Licin<us opt{io) C. Geini- nius Victor opt{io)^^). Exculpsit et sc(ripsit) Donatus. a. 253.

Diese zahlreichen Detachierungen sind eine Eigentümlichkeit der numidischen Armee ®^j. Sonst treten diese Vexillationen nur vereinzelt

^^) Ich habe die Gruppen durch die Interpunktion (;) angedeutet ; dass sie gerade so zu scheiden sind, ist erst zu beweisen.

««) Die anderen Inschriften CIL. VIII 2464 (cf. 17952), 2466 (cf. 17954), 2467 Cef. 17955) zeigen, dass der Posten kaum 20 Legionare gezählt hat- Dazu kam aber eine Abteilung Auxiliarreiter. Vgl. S. 22 Anm. 91.

®^) Das Datum fällt vor den Anfang des 5. Monates und viermonatlich ist der Dienst solcher Vexillationes. Vgl. S. 14 Anm. 61.

**) Der Posten ist von ungewöhnlicher Stärke, da drei optiones auf den Stand einer halben Cohorte führen.

'*) Mommsen, Epb. epigr. IV p. 528.

22 Domaszewski

auf und zwar immer an der Grenze der Provinzen. So in Spanien an der Meeresküste ®®). Vgl. Inschrift Nr. 3.

In Moesia inferior an der Grenze von Thrakien und Moesien:

19 = CIL. III 7449 civitas Montanensium Der Commandant ist ein centurio, dem ein decurio und ein beneficiarius consularis beigegeben sind. Die Vexillatio selbst zählt 76 Mann, d. h. sie hat die Stärke einer Legionscenturie®^).

In Pannonia superior an der Grenze Dalmatiens: In Topusko ist eine ganze Reihe gleichartiger Altäre oberpan- nonischer Legionare gefunden worden, welche die Stationierung einer vexillatio an diesem Orte in hohem Grade wahrscheinlich machen.

20 = Viestnik XIV p. 66 Süvano Fla(mus) Albinus mä{es) legiionis) XIIII g(eminae) v, $. l. l. m. und ö andere gleichlautende Steine.

In Obergermanien an der raetischen Grenze:

21 = Brambach 1564 Welzheim l{oDij o{ptimo) m[aximo) müiU[8 legiionis)] XXII p[r(imigeniae)]

Die Stationsorte beweisen, dass solche Detachierungen bestimmten Zwecken dienten, welche mit der Überwachung des Grenzverkehrs zu- sammenhängen müssen.

Wenn auch in diesen Inschriften der Legionsvexillationen die dii militares weitaus überwiegen, so können sie doch wegen der Ausnahmen ^*) für die Religion des Heeres nichts beweisen und die scheinbar wichtigste Inschrift ist thatsächlich für die Untersuchung von geringem Werte. Sie lehrt nur, dass die Rangordnung der Heeresgötter bei allen Truppen- körpem dieselbe ist.

Jupiter optimus maximns.

An der Spitze des Göttervereines der equites singulares steht Jupiter optimus maximus, der Schirmherr des römischen Staates und

®<*; Der Fundort der Inschriften CIL. II 2552 bis 2556 ist ebenso ver- dächtig wie ihr Inhalt. Vielleicht ist das einzige echte Stück (vgl. S. 12 Anm. 56) ebenfalls in Emporiae gefunden.

**) Die Inschrift ist vollständig und das Verzeichnis der Legionare sicher zu Ende, ohne dass unter ihnen ein eques legionis genannt würde. Die Reiter, welche der Vexillatio beigegeben waren (CIL. III 12378 ist nicht veteranus zu ergänzen), werden Auxiliarsoldaten gewesen sein und sind deshalb auf dem Steine der vexillatio nicht genannt (vgl. No. 16. 17). Dagegen ist der decurio, der früher in der Legion gedient hatte (vgl. meine Note zur Inschrift), mit aufgenommen, aber gegen seinen Rang am Ende der Liste hinzugefügt.

^^) Entscheidend ist die Nennung des Mithras Nr. 17, weil dieser Gott in der Religion des Heeres unmöglich ist. Vgl. dei externi.

Die Religion des römischen Heeres. 23

Heeres, begleitet Yon den Göttinnen, die mit ihm die Trias Capito- lina bilden.

Der älteste Altar, der ihm gilt und im Fahnenheiligtum ge- standen hat, ist:

22 = CIL. VIII 1839 (cf. 16499) Theveste lovi Au[gu8tö] dedicanU Cn. SueOio jP/. . . . leg{ato) ÄugCuati) pro p[riaHore)] Q. Mantius Q. /. C<im(üia) .... AUm Pompeia [p{rimu8) p{üu8)] leffiionis) III Aug(ustae) d{e) s{uo) [Jiecü)].

Die Ergänzung primus pilus sichert schon die Grösse der Lacke, noch mehr die Art des Steines, der alle Kennzeichen der Altäre des Fahnenheiligtums an sich trägt. Gesetzt ist er jedenfalls nicht vor Olignla, da sonst der Höchstcommandierende, der Proconsul von Africa, genannt sein mflsste "**). Dessau wollte die Inschrift m domitianische Zeit rücken. Aber die Inschrift ist weit älter, so alt als das Legionslager zu Theveste. Die folgende sicher aus domitianischer Zeit stammende Inschrift eines Lageraltars ist ganz anders abgefasst.

23 = CIL. III Suppl. 13443 ad Flexum »') I{ovi) o(ptmo) m(aximo) lunoni reginae Mineroae ceterisque dis deabusque Genio legionis XIIII gem{inae) M{artiae) V(ictricis) ....

Um die Zeit dieser Inschrift zu bestimmen, ist es notwendig, •auf die dunkle Geschichte der pannonischen Legionslager näher einzu- gehen. Als die XIIII gemina noch vor Traians Dakerkrieg in Pan- nonien eintraf*^), hatte die XIII gemina das Lager von Yindobona, die XV Apollinaris das Lager von Camuntum inne, die eben für ihre Be- satzungen Raum boten. Deshalb muss ad Flexum bereits damals das Lager der XIIII geworden sein^*). Nachdem die XIII gemina die Provinz verlassen und ehe die X gemina zum Ersätze eingetix)ffen war ®^, entstand noch ein 4. Lager in Brigetio^^).

•*») Vgl. das Recht der Heeresreligion.

^*) Die Inschrift ist an der Burg von ungarisch Altenburg eingemauert zusammen mit CIL. III 13444 leg(io) XIIII G{emna) Mfartia) V(ictnx) (centuria) P. Fanni MaxsimL Nach den Maassen der Itinerare lag aber hier ad Flevum, wohin Ptolenuieus 2, 14, 3 die legio XIIII gemina setzt.

") Korrbl. d. Westd. Zeitschr. 1891 Sp. 283.

•*) Vgl. für Köln, Korrbl. d. Westd. Zeitschr. 1893 Sp. 263.

^) Die Legion ist um eben diese Zeit nach Pannonien verlegt worden. Vgl. Rhein. Museum 46 S. 604 Anm. 3.

'') Also auch in Pannonien hat man die Legionslager in der Richtung "des Stromlaufes vorgeschoben wie in Moesien. Vgl. Neue Heidelberger Jahrb. I S. 198.

24 V. Domaszewski

CIL. in 11365a viexiOaUones) l{egionum) XIIII et XV.

Dieses Lager war bestimmt für die XXX Ülpia-Victrix. CIL. III 10974 [F}ortu[nae] sacrum PrMciVi[n«] Hüario müea legiianü} XXIX] ü{lpiae) Viictricis v. 8. l [m.]»«).

Traian hat diese Legion, wie die Ziffer lehrt, als die 30. seines Heeres errichtet. Bei seinem Regierungsantritt hat aber Traian wahr- scheinlich nur 28 Legionen gezählt. Die Möglichkeit, diese Ziffer zu fixieren, hat erst Mommsens Beobachtung geschaffen, dass Yespasiaa die im batavischen Aufstand vernichteten Legionen des Rheinherres, die I, IUI Macedonica, XV Priraigenia, XVI, aufgelöst ®^. Von den Legionen dieses Heeres haben weiterbestanden nur die V Alaudae, XXI Rapax und XXn Primigenia, deren Adler nicht in Feindeshand gefallen waren ^****). Da Vespasian zwei Legionen, die IUI Flavia und die XVI Flavia neu errichtet hat*®') und die in den Bürgerkriegen gebildeten I adiutrix^ II adiutrix, VII gemina beibehielt, so zählte sein Heer 28 Legionen '***)> Eine dieser Legionen war in Domitians Dakerkriege vernichtet worden '"^)^

*') Wenn kein Zufall spielt, setzt ein miles den Altar im Gamisons- ort, in einem anderen Lager nur dann^ wenn dieses Lager das Hauptquartier ist. Brigetio ist also der einzige Ort, welcher mit Wahrscheinlichkeit als Gamisonsort der XXX ülpia, deren Anwesenheit in Pannonien früher nur aus Ziegeln bekannt war, in Anspruch genommen werden kann. Die spätere Besatzung dieses Lagers, die I adiutrix, steht unter Traian noch in Dacien CIL. III. 8062.

*») Ephem. epigr. V p. 201, 213, 226.

"0) Arch. epigr. Mitt. XV S. 190.

»<>*) Arch. epigr. Mitt. XV S. 190.

"*) Unter Nero bestanden 27 Legionen, Borghesi, Oeuvres IV p. 240; 4 hatte Vespasian aufgelöst, aber 5 neu gebildete hinzugefügt.

^^') Die Vernichtung einer Legion bezeugt Dio 68, 9, 3 Tqocioivos oqtj TS ivTSTfixi'Ofiiva flaßs xai h ovroig rd ts onXa tu ts firjX«V7jfiaTa Ttai Tii aixfiu^oaxa rd rc arjfialov v6 inl tov ^ova%ov ccXbv Uaße. Sueton, Do- mitian 6 suscepit necessario unam (expecUtionem) in Sarmatas legione cum Ugato simui caesa. Zuletzt hat Ritterling Westd. Zeitschr. XII S. 236 ff. die Vernichtung zweier Legionen aus diesen Zeugnissen erschlossen. Aber wir wissen so wenig über Domitians Donaukriege, dass ich wenigstens aus- so dürftigen Excerpten keine Schlüsse zu ziehen wage, die sich an der That- sache stossen, dass eine zweite Legion, die unter Domitian vernichtet wurde, nicht nachweisbar ist. Wenn auch Sueton sagt, dass die Vernichtung der Legion die Ursache des Sarmatenkrieges gewesen, so kann doch der Adler in die Hände der Daker gefallen sein. Die Cherusker sind gewiss die Sieger der Varusschlacht und doch haben ihre Verbündete, die Bructerer (Tac. ann. I, 60) die Marser (Tac. ann. 2, 25) und die Chatten (Dio 60, 8> die drei Adler gewonnen.

Die Religion des römischen Heeres. 2b

an ihre Stelle war aber die I Minervia getreten, so dass Traian das Heer wieder in der von Vespasian festgesetzten Stärke übernahm. Die vernichtete Legion kann nur die V Alaudae sein, für welche Zeugnisse aus flaTischer Zeit noch ganz fehlen. Dagegen hat die XXI Rapax noch unter Hadrian bestanden, wenn die Worte der vita 15, 13 qui habet triginta legicnes Glauben verdienen. Sie werden aber bestätigt durch eine Inschrift, die frühestens unter Hadrians Regierung geschrie- ben ist und noch die XXI Rapax nennt ^^). Auch sie ist unterge- gangen, aber durch missio ignominiosa *®*). Die 29. Legion Traians kann nur die II Traiana sein. Sie wird zuerst genannt im Jahre 101^ auf einer äg\'ptischen Inschrift *®®). Man wird deshalb annehmen dürfen^ dass sie zum Ersätze für die nach Arabia verlegte III Cyrenaica er- richtet wurde und als zweite des ägyptischen Heeres die Nummer U erhielt. Dies bestimmt die Entstehungszeit der XXX Ulpia; sie ist erst nach dem zweiten dakischen Kriege errichtet worden. Die XIV Gemina ist später in Camuntum an Stelle der XV ApoUinaris getreten und zwar jedenfalls vor dem Ende der Regierung Hadrians'*^').

Diese lange Erörterung war unerlässlich um zu zeigen, dass der Altar No. 23 an der Wende des 1. und 2. Jahrhunderts geschrieben sein muss.

Die Capitolinische Trias kehrt wieder auf den Altären der Veteranen,.

welche aus den Legionen entlassen wurden *®*).

24 = CIL. III 1078 Apulum I(ovi) o{ptimo) m{aximo) lunoni reginae

Minervae veterani legiionis) XIII Ge(nunae) m(isst) h{one8ta) m(is8ione)

per lulium Bassum Ieg{atum) Aug{ustt) pr(o) pr{aetore) Idibus Decemb.

Pofaiano et Adiano cos, müites fac(U). a. 135.

^®*) CIL. III 6813. Der Mann ist senatorischer Commandant der legio 11 Traiana, ebenso wie der bei Benndorf, Reisen in Lykien I n. 76; Renier za Spon rech. 2. Aasg. p. 106 ist ein [praep(o8ito) yexill(ationum)] iussu imp. Hadriani Aug. [leg. II Traian.] fort, et leg. III Cyr. genannt. Vielleicht dass die II Traiana am Anfang der Regierung Hadrians zum exercitus Arabiae- gehörte.

^^^) Ihr Name ist eradirt, Mommsen, Inscr. confoed. Helvet. n. 248. Legionen, welche durch Verlust des Adlers in der Schlacht zu Grunde gehen,, wie die Varianischen und die IX Hispana (CIL. VI! n. 241 als Bauinschrift beweisend), sind nie eradirt, sie sind den ehrlichen Soldatentod gestorben. Dagegen ist die von Gordianus aufgelöste legio III Augusta immer eradirt; es ist die damnatio memoriae eingetreten, ebenso wurde die von Elagabal aufgelöste III Gallica eradiert. CIL. III n. 186.

!••) CIL. III n. 79.

»«^) Arrian fxrrrjtg ö.

i<»8) Über diese Altare vgl. Mommsen Arch. cpigr. Mitt. VII S. 188 ff..

26 V. Domaszewski

25 = CIL. II 3327 Tugia Numini 8ac(rum)? l(ovi) o(ptimo) m{aximo) [Iu]non[t] E[eg(inae)] M[in{ervae)] vot(um) solvenint lib{eiües) mer{üi) ve- iera[ni] leg{ioni8) VII gem[in{ae)] piae fdicis.

26 = CIL. III 7754 Apulum I(oot) o(ptimo) m(aximo) veterani legiio- nis) XIII ge(minae) müüea facti Serviano et Sura et Traiano cos. a. 102/3.

Noch eine dritte Gruppe von Inschriften ist für die Religion des Heeres streng beweisend. Es sind die Cultaltäi-e der Canabenses jener Lagerstadter ^*'**), welche vor den Wällen der Lager ein Gemeinwesen besassen. Die angesehensten der Canabenses sind die aus der Truppe, die das Lager bewohnt, entlassenen Veteranen ; sie bestimmen die Form ^es Cultes.

27 = CIL. III 6166 Troesmis [I(ovi) o(ptimo) m{aximo) Ian{(mx) regit- nae) Mineroae p]ro saHute) Imp[eratori8) Caesiarü) Tra(iani) Hadr{iani) Aug(usti) C. Val(erio) Pud^ente) vet{erano) le(gioniis) V Mac{edonkae) et M. Ulp(iö) Leontiiö) mag{istri8) Canabe{n8ium) et Tuc{cio) Äd(iano) aed{ile) dipno) d{ederunt) vet{erani) et ciives) B{omani) cons{tstente8) ad ^nab{as) leg{ioni8) V M(acedonieaey

^8 = CIL. III 6167 Troesmis Hpoi) o{ptimo) m(aximo) I[un{oni) reg(i- nae) MinerDae] 8ac{rum) pro 8a[l{ute) Impieratoris) Cae8(ari8) T. Ad{ii)] Had(riani) Anton(ini) lAug(u8ti) Pii et Veri] Cae8(ari8) c[iües) B{otnani) Tr[oe8mi con8i8t(entes) mag{isterio) [Ge]mini Aqiul[ini et . . , qui et 8ig[na

et templum per] mi88[u?

.29 = ('IL. III 7474 Durostorum I(ooi) o{ptimo) m(aximo) pro salute im-

p(eratori8) Caes{ari8) T. Adi Hadriani Antonini Aug{u8ti) et Veri

Caes{arts) templum et statuam c{ivibu3) R(omani8) U conaistentibus in Ca-

nabis Adis legiionis) XI Cl(audiae) Cn. Oppius Soterichu8 et Oppius Seoerus

fil{iu8) eius de 8uo fecerunt dedicatum est per Tib{erium) CUaudium) Satur-

ninum leg{atum) Augiusti) pr{p) pr{aetore) Tib. Cl{audio) Itdiano leg(ato)

Aug{u8ti).

Die Aufstellung der Altäre unter jeder Regierung**®) muss einer

T)estimmten Ordnung des Cultes in den Lagerstädten entsprechen. Auch

hier musste wie im Lager selbst der Genius des Kaisers verehrt werden

und das Standbild des neuen Herrschers in einer Kapelle seinen Platz

■erhalten. Aber wie im Lager gelten die Opfer nicht dem Genius des

^Kaisers, sondern den Heeresgöttern.

Erwuchs aus den Canabae eine Stadt, was vor Diocletian nur im Innern des Reiches geschah***), so blieb die Trias Capitolina die Schutzgottheit.

*®®) Mommsens Untersuchung Hermes VII 30t ff. ist grundlegend fiir das Verständnis dieser eigenartigen Gemeinwesen.

^*®) Deshalb kann die Inschrift No. 29 nichts beweisen für die Zeit, in welcher Durostorum das Lager der legio XI Claudia wurde. Vgl. auch CIL. III p. 1389 Cap. V praefatio.

"*) Vgl. Genius beneficiariorum.

Die Religion des römischen Heeres. 27

-30 = CIL. VIII 2611 cf. p. 954 Lambaesis Impieratoribus) Caesiaribus) Antanino III et 0]eUi II Aug{u8Hs) co{n)8(uhbu8) [aedes loois opHmi maximi

lunonia] Beginae Minervae et Genii Lambae[si8^^^) pecunia publica mum- dpa Lamb<ie]sitanorum unno et mensibus . . [restituta est^^^) dedicarUe] M. Aurdio Cominio Ca8sian[o c[larissimo) v(iro) [leg{ato) Aug{ustorum trium) pr(p) pr{aetore) patrono mun]icipü. a. 208,'9.

31 = Brambach 1281 Moguntiacum in [h{(morem d(omu8) d(ivinae) loci o(ptimo) m{€LJcimo) et] lunom Beginae et Minervae diu deabusque im- [mortalibus pro] salute et in[columttate] d(<munarum) no8tro[rum Diodetiam et] Maxitnian[i semper] Atigu8tor[um et Constanti] et Maximia[ni nob(ili8si' unorum) Cae8(arum)] civUas Mog[unt{iacensium) dedicaute] . . Aurdio Av[. . . . [praeside p{rooinciae] G[ermaniae) siuperioris) Kai

Jnpiter optimus maxinms ist auch der Schutzgott der Auxilia. Aber es ist kein Zufall, dass der Altar aus dem Fahnenheiligtum ^er Auxilia den Gott doch nicht nennt.

32 = CIL. VII 1031 Bremenium Genio et signis cohiprtia) I F(idae) Vardul{lorum) c(ioium) Romanorum) eq(uitatae) (müiariae) T, Licinius Valerianus trib(unus).

Auch als der Kaisercult der Provinzialen unter Gordian end- gültig im Lager siegt (vgl. oben Inschrift No. 8), tritt nur der Genius •des Kaisers an die Spitze. Denn Jupiter optimus maximus ist der Schutzgott der Römer und den Peregrinen fremd, die grundsätzlich das Recht hatten, ihre eigenen Götter zu verehren. Nur als Heeresgott hat er gleich Mars und Victoria in dem Fahnenheiligtum der Auxilia Auf- nahme gefunden.

In allen Auxiliarlagern, deren Umgebung wirklich untersucht wurde, finden sich in grosser Zahl Altäre des Jupiter optimus maximus, errichtet von der Gesammtheit der Truppenkörper **'^). Aber nicht im I^ager selbst standen diese Dedikationen, sondern wie die in zwei Fällen genauer bekannten Fundumstände beweisen, in ganzen Gruppen ausserhalb des Lagers zusammen mit den Altären anderer Götter **®). Wenn nun die cohors I Aelia Dacorum in Brittanien nicht weniger als zwanzig solcher

^^') Gerade darin, dass der Genius von Lambaesis im Tempel der Heeresgutter verehrt wurde, zeigt es sich deutlich, dass dieser Tempel das alte Heiligtum der Canabenses ist. Vgl. Fortuna.

^") Die Ergänzung restäuta est scheint mir notwendig, weil der Tempel in Lambaesis seit der Begründung des Lagers bestanden haben muss.

"») CIL. III 821. 1344. 6257. 7848. 7849. 7865. 11918. CIL. VII 315. 317. 340—342. 373. 374. 377. 378. 383—387. 435. 808—825. 877—879. 937. 975. 1066. 1083. Ephem. epigr. III n. 185 ff., VII 967. 1071, arch. joum. I (1893) p. 23.

"«) CIL. Vn 372 ff. und Eph. ep. HI p. 314 n. 185.

28 V. Domaszewski

Altäre an einem Orte hinterlassen hat^^^) und die cohors II Commage- norum in Dacien anter demselben Praefecten dreimal einen solchen Altar setzt ^*®, so handelt es sich um die Erfüllung eines Gebrauches, für den die Veranlassung Jahr für Jahr wiederkehrte. Wie dieser Ge- brauch zu erklären ist, haben die Gelübdesteine der equites singulare^ gelehrt. Diese Altäre sind die Gelübdesteine der aus den Auxilia ent- lassenen Veteranen. Ihre dürftige Fassung entspricht der Herkunft von der barbarischen Reichsgrenze.

Drei dieser Altäre haben für die Organisation des Lagercult^ eine besondere Bedeutung.

.33 = CIL. VII 882 Petrianae? [1(oü{) oiptimo) m{aximo)] etnum[im] [Äug(u8ti]i] n(08tri) co{hor3) 11 Tungror{um) (müiaria) Gor{diana) eq(\utata) [c(ivmm)'\ L(atinorum) cui praeest T, Cl(audiu8) Claud[ianus] praef{ectu8)' instante Ad{io) Martine princ(ipe) X Kai, J. . . ***) imp{eratore) d(omino) niostro) G(ordiano) Augiusto) 11 [et] Pompeiano cos. a. 241.

34 = CIL. VJI 879 Petrianae? l{ooi) o(ptimo) m(aximo) cohors 11 Tungr{orum) (mUidria) eq{uitata) c(»rium) L(atinorum) cui praeest Alh{ius) Severus praef{ectu8) Tung(rorum) insta{nte) Vic(cio) Seoero princip[e].

35 = CIL. VII 880 Petrianae? l(oüi) o{ ptimo) m{aximo) [c]oh{or8) 1[1} Tung[ror{um) [m]ä(iaria) eq(uUata) c{iviuni) L{atinorum) cu[i pr]aee8[t] Aure[l{ius)] Optatus p[rae]f[ectus) [in]8tan[te] Mesisio) Ops[equente] p[r]in' c\ipe]

In den Cohortes equitatae, wie bei den equites singulares des Kaisers führt der höchste Decurio den Namen princeps ^*^). Eine Inschrift'**) nennt jedoch principes der ordinati, also der Centurionen einer Auxiliarcohorte, so dass auch an der Spitze der Centurionen der Cohorte ein princeps gestanden haben wird. Er trägt hier die Sorge für die Errichtung dos Monumentes. Seine Funktionen müssen sich demnach auch auf die Lagerculte erstreckt haben "'). Auf allen diesen Altären ist Jupiter optimus maximus allein genannt und es giebt auch keine Altäre, welche der Juno regina oder der Minerva, als Mitglied der Capitolinischen Trias, von ganzen Truppenkörpem gesetzt wären. Diese Göttinnen existieren also für das Heer nur dur(;h ihre Verbin- dung mit Jupiter Capitolinus.

"^) CIL. VII p. 143 ff. "8) CIL. HI 7848. 7849. 7865.

"•) Es ist das Datum der Entlassung der Veteranen und wahrschein- lich X Kal(enda8) JaD(uarias).

120) Verhandlungen der 42. Philologenversammlung S. 357. ">) CIL. III 7631. Vgl. schoUe der auxilia. "*) Vgl. Das Recht der Heeresreligion.

Die Religion des römischen Heeres. 29

Minerva, Minerva geniesst. im Heere als selbständige Göttin eine weitgehende Verehrung. Sie ist die Schutzgöttin einer Reihe von principales.

a) Spielleute:

36 = Bramhach 1738 Steinbach"') Minervae aeneatores oohiortis) I Seg{uanorum) et Baur{acorum) fq{uüatae) v. s. h L m.

Die verschiedenen Bläser der Gehörte : tubicines, comicines, bucina- tores sind unter einem Namen, der sonst nicht technisch ist, zasammen- ^efasst ^**).

37 = CIL. m Suppl. 10997 '") Aquincum Minervae Äug(ustae) 8acr{ufn) scola iubicinum ex wt(q) pos(uit) Imp{eratore) d(omino) n(ostrd) Alexandra III et [Di\one cos), a. 229.

b) Verschiedene Gattungen der Schreiber. 1) Beamte des tabularium principis "*).

38 = CIL. VIII 18060 Lambaesis Genio tabül{arit) princiipis) Minervae Augu8t(ae) "^).

39 = Brambach 1883 Argentoratum In hipnorem) d{omus) d{ivinae) Minervae 8anct{a)e et Genio loci C, Amandim Finäus opt{io) princi[p{i8)] et T. Cdswt Victorinus libr(ariu8) principie refecerunt Mudano et Fabiane cos. C, Q. Caütus opt(io) pr{incipi8) inchocUum d{e) 8{uo) petfecit. Duob(us) Au- g[u8ti8) Seoero III et [Ant]onin(o) cos. a. 202 1").

*") Der Stein stammt aus Miltenberg, dem Lager der Cohorte. Vgl. «cholae der auxilia.

^^*) Tubicines besassen die auxilia schon unter Tiberius: Brambach 1289 (cf. 1233. 1234) die cohors Ituraeorum, welche als Schützen notwendig in aufgelöster Linie fochten. Ein cornicen ist erst im Jahre 210 nachzu- weisen, Brambach 1284. Die Einführung dieses Bläsers bezeichnet die Ver- änderung in der Taktik der auxilia, weil der cornicen für das statarische Gefecht, wie die Legionen es führen, bestimmt ist, vgl. Die Fahnen S. 8. Damals hatten also die auxilia den Charakter der levis armatura verloren. Wahrscheinlich ist dies eine Einrichtung Hadrians, der die numeri in ihrer späteren Bedeutung schuf (CIL. II I 12601 und zwei unedierte Inschriften des Alutalimes, welche demnächst im Auctarium zu CIL. III Suppl. erscheinen werden), welche die taktischen Aufgaben der auxilia übernahmen.

^'^) Die Bedeutung der Inschrift hat Mommsen a. a. 0. erkannt.

"•) Über das tabularium principis vgl. Mommsen CIL. VIII 18072.

*") Auch diese Inschrift hat Mommsen a. a. 0. zuerst richtig beurteilt.

**') Diese Inschrift kann sich wegen der Chargen, die sie nennt, nur auf das tabularium principis der legio VIII Augusta beziehen, das für den Dienst der Legion und nicht des Legionsstabes bestimmt ist. Sie beweist zwingend, dass diese Legion mit allen ihren Cohorten in Strassburg stand, wie Strassburg überhaupt von Augustus bis in die spätesten Zeiten Legions- lager geblieben ist.

30 V. Domaszewski

Es sind zwei Beamte des tabularium principis, die nacheinander die Wiederherstellung besorgen.

2) Das Tabularium der Auxiliarcohorte.

40 = Brambach 1727 Nekarburken Minervae pro aalute imp(eratori8} v{08tri) lihrari^'^^),

3) Ein Tabularium bestand auch im Hauptquartier der Pro- vinzialarmee.

41 = Brambach 974 Moguntiacum Beae PdUadi C. Äur(diu8) Festinu» (centurio) gtrator c . . gnatiani leg(ati) tabularium pensäem a solo fecit admtore Cossio Martina Praeaente et Eoctricato. a. 217.

Die Organisation des Armeestabes lässt sich in wesentlichen Punkten noch erkennen.

42 = Cagnat ann^e epigr. 1891 n. 146 Köln Pro aalute imp{eratoris) n{08tri) I{ovi) o{ptitno) m{aximo) ceterisque diis et genta loci M, Verecun- diua Simplex (centurw) leg{ionia) XXX Ulp{iae) curam agena atratarum et peditum aingularium co{n)8(ülari8) v. [s. l] l Macrino et Cdao coa, a. 164.

Der Centurio strator, dessen Bedeutung sein Titel nur erraten liess^^®), ist also der Stallmeister, die stratores sind die Bereiter und die pedites singulares werden auch als Stallburschen verwendet *^^). Die Inschrift No. 41 bezieht sich auf das tabularium der Stallverwaltung und der adiutor ist der dem centurio für die Führung der Geschäfte beigegebene Schreiber ^'^).

Der Centurio strator ist nicht der einzige ins Hauptquartier ab- kommandierte Legionscenturio.

^*') Die Beziehung auf die auxilia sichert der Fundort.

180) CIL. II 4114, VIII 2749. 7050, Brambach 453. Alle Inschriften stimmen darin überein, dass der centuiio strator ein Officiale des Statthalters ist. Deshalb hat Borghesi Oeuv. IV p. 145 in dem legatus der Inschrift Nr. 41 mit Recht den Statthalter von Obergermanien erkannt. Es wäre völlig irrig zu glauben, dass der centurio strator CIL. VIII 7050 zugleich primuspilus und der CIL. II 4114 zugleich hastatus gewesen ist. Vielmehr beziehen sich diese höchsten Centurionate auf das spätere Avancement, das sie der Empfehlung des Statthalters verdankten (vgl. arch. epigr. Mitt. X S. 24). Die Ehrenstatuen, die sie errichten, sind der Ausdruck der Dankbarkeit.

"*) Die pedites singulares des Statthalters bildeten, wie jetzt sicher steht, einen numerus, vgl. Arch. epig. Mitt. X S. 22. Die Ziegel CIL. III 12633 zeigen, dass man sie auch zum Ziegelstreichen verwendete. Es sind über- haupt die ins Hauptquartier abkommandierten Fusssoldaten der Auxilia.

^'*) Adiutor ist nur ein anderer Name für librarius. Mommsen CIL. Vm 18072.

Die Religion des römischen Heeres. 3 t

Brambach 453 HerseP") ... ger]maniae infenaris {*]tem Hispaniae- citer{ioris) T. Fla{viu8) Dubitatus strat{or}eiu8 M. Alpinius Firmanus P. Adius Marinus P. Iidius Memori[n]u8 (centuriones) leg{ionis) L MineripiaeY prae^di sanctissmo.

CIL. III 7741 Apulum Offiziere haben ein Denkmal pro salnte des Statthalters der drei Dacien errichtet. Erhalten sind 3 Cen- turionen der beiden dacischen Legionen und 2 comicularii. Nach der Disposition der Namen zu schliessen, waren auf dem jetzt fragmen- tierten Monumente weit mehr Centurionen genannt.

Erfolgte in Niedergermanien die Abkommandierung ins Haupt- (luartier aus beiden Legionen gleichmässig, so betrug hier die Zahl der Centurionen des Hauptquartiers acht. Die Verwendung dieser Cen- turionen lässt sich noch bestimmen. Ein zweiter steht an der Spitze der equites singulares des Statthalters *'*), ein dritter fungiert als exercitator der equites singulares des Statthalters ^^% ein vierter ist der princeps praetorii^'^, der Chef des gesamten Armeestabes, soweit er aus Centurionen und Subalternen besteht. Ihm sind ein optio und exceptores zugeteilt. Die andern Centurionen standen zur freien Ver- fugung des Hauptquartiers und erhielten ihre Verwendung in ausser-

***) Die Inschrift ist aus Bonn verschleppt.

*") Cn.. III 10360 und II 4083 (vgl. Mars Campester), über die Zu- sammensetzung des numerus der equites singulares vgl. Arch. epigr. Mitt. X S. 22.

"5) CIL. in 7904 (vgl. Campestres) und II 4083 (Mars Campester); in letzterer Inschrift sind ausnahmsweise wie der Wortlaut zeigt, beide Funktionen in einer Hand vereinigt Dass dieser exercitator aus der Provinzialarmee selbst genommen wurde, ist selbstverständlich. Centuriones deputati giebt es nur in Rom (Marquardt, Staatsv. II S. 494 Anm. 10) und in den von Rom direkt abhängigen Offiden der Provinz (Hirschfeld, Untersuchungen S. 80 Anm. 1). Dessau, Inscr. lat. sei. 2417, hat dies Verhältnis nicht erkannt und Jung, Fasten der Provinz Dacien S. 16 ist ihm blindlings gefolgt, um mir dann noch den Widersinn in den Mund zu legen, dass die zweite Stadt Daciens Sarmizegetusa militärisch zu Moesia superior gehört.

i»8) Ephem. epigr. IV p. 231, 2—4 und p. 232 19 und 19» Der optio praetorii n. 19 aus Sardinien zeigt zwingend, dass die Charge dem Hauptquartier angehurt, p. 231 n. 2 ist ex{ceptor) pr(tncipi8) pr[aetorn) zu lesen, n. 4 ist princeps praetorii legionis XIII Oeminae korrekt, weil das Hauptquartier Pannoniens unter Nero Pettau ist (Tacit. bist. 3, 1). Dieser princeps praetorii ist der Vorläufer des princeps der officia des 4. Jahr- hunderts. Auf den Inschriften aus Lambaesis ist gerade die Organisation des Armeestabes verdunkelt, weil in Numidien Armeecommando und Legions- commando zusammenfallen. Vgl. Schola des officium comiculariorum.

32 V. Domaszewski

ordentlichen Commanden, wie besonders als praepositi der Auxiliar- truppen '^').

4) Das officium corniculariorum , wie es nach seinen Vor- ständen heisst

43 = CIL. III 10437 Aquincum Min(ervae) Aug{ustae) ofßcium corni- culariorum V. 8. l m.

c) Die armaturae.

44 = CIL. III 10435 Aquincum MarU et N%nerv{ae) Äugiustü) colile- gium) armatura(rum) legijonis) II adiitUricis) p{iae) /{iddis) Antonimanae a. 212-218.

46 = CIL. VIII 2636 Lambaesis Marti et Minervae Äug(usti8) sacrum Aurdius Gaius evok{atus) scolae suae v. s. l. a. Die Bedeutung des Wortes armatura erläutert nur Lydus de mag. I, 46 iTcXofieXexyj. Die Richtigkeit seiner Erklärung beweist der Altar No. 44. Denn ihre dienstliche Bestimmung als Exerzier- meister ist der Grund, warum sie dem Gotte des Krieges und der Göttin der Kunst den Altar setzen. Wie alle anderen durch die gleiche dienstliche Bestimmung verbundenen principales bilden auch die armaturae ein Collegium, dessen Heiligtum schola heisst. 46 =5 CIL. X 3344 Misenum achdla armaJtur(arHm) [ded]icata idib. Aprüih. [Quin\tiUo et Prisro cos. a. 169. steht auf einem Altar, der im 4. Jahrhundert als Statuenbasis ver- wendet wurde.

Die Inschrift auf dem Gesimse bezeichnet die Nische, in welcher ■der Altar stand, und nicht das Collegium *^®).

Der Schöpfer jener militärischen CoUegia ist Hadrian, der noch Dio Cassius als der Reformator des Heerv/esens galt, wie es zu seiner Zeit bestand.

^'^) Es liegt doch im Wesen militärischer Einrichtungen, dass man diese ausserordentlichefi Verwendungen nicht von Rom aus regelte, wo das Bedürfnis gar nicht vorausgesehen werden konnte, sondern dem Commandanten der Provinzialarmee freie Hand liess. Deshalb werden die praepositi immer -den Centurionen der Legionen des Provinzialheeres selbst entnommen. Wenn -die Numeri regelmässig von praepositi kommandiert Verden, so liegt der Grund darin, dass diese praepositi dem Praefecten oder Tribunen der Auxiliar- cohorte, welcher der numerus attachiert ist, untergeordnet waren. In dieser technischen Verwendung ist es ein stehender von Hadrian neu eingeführter Offiziersgrad.

i'^J Mit schola armaturarum kann die Inschrift eines Altars nicht be- ginnen. Als unter Septimius Severus die principales, dank der liberalissima stipendia, ihre Heiligtümer neu bauen oder ausschmücken, erhalten auch die Bauinschriften eine entsprechende Ausführlichkeit. Das Collegium wird nur auf der Inschrift No. 37 schola genannt, sonst ist schola immer die Nische.

Die Heligion des römischen Heeres. 33

Wir wissen aus einer Inschrift, dass ein evocatus der Lehrmeister der armaturae ist. 47 = CIL. VI 3736 >»») Rom [Victö]n(ae) G]er[man]icae sacr{um) . . V]ibülHu8 M. /. \Bo]m(üia) Fdix Ateste [ev]oc{atus) Äug(ustt) exerat{a- tor) [ar}maturar{um) voU> [po]su% ob tr%umph[um Aii]gusiorum ****) [sig]num aereum tropae[is insigtie] dedi (quingentis) {denarüs) [coUegio ar]matu[rarum pra€torid]norutn^^^), a. 176. Demnach wird der evocatus, der den Altar No. 45 seiner schola schenkt, der evocatus der armaturae legionis III Augustae sein '*^. Die Zuteilung nur eines Offiziers aus dem Praetorium ^*') des Kaisers an die Legionen der Provinzen muss einen bestimmten Zweck gehabt haben. Einen Offizier mehr konnte man in jeder Legion nach Belieben creiren. Vielmehr ist der evocatus der Legion derjenige Offizier, welcher die mili- tärischen Neuerungen, die man in Rom im Praetorium des Kaisers anzu- wenden oder zu erproben für gut fand, auf die armaturae der Legionen und somit auf die Provinzialheere tibertrug. Auch das ist eine Schöpfung Hadrians '**). So tritt die Bedeutung Minervas in ihren Altären her- vor; sie ist die Göttin der Kunst und auch der Kunst des Krieges. Es ist die griechische Pallas. Vgl. No. 41.

Mars. In der Kaiserzeit wurde der Kriegsgott der Latiner zum Mars ultor. Mit kluger Berechnung hatte Augustus den Anspruch auf den Thron in die Pietät für den ermordeten Adoptivvater zu hüllen ge- wusst. Als das Werk der Rache vollzogen war, erhob sich auf dem Forum Augusti der Tempel des Gottes. Und ihm als dem Heeresgotte

*'*) Die Ergänzungen nach meiner Revision des Originals.

**°) Es ist der Triumph des Kaisers Marcus über die Germanen, nur dann erklärt sich, dass der evocatus Augusti ob triumphum Augustorum also die Anticipation des Augustustitels, wie später so häutig bei Geta das Weihgeschenk Stiftet. Ins dritte Jahrhundert kann die Inschrift kaum gesetzt werden, wenn man nicht annimmt, dass der evocatus aus den Cohortes urbanae stammte, die Italiener blieben, was seine Verwendung nicht wahr- scheinlich macht.

**^) Die Ergänzung scheint mir gesichert durch die Analogie von cquites praetoriani, speculatores praetoriani, die auch principales sind.

"«) evocati als exercitatores auch CIL. III 3470 (Mars Cam'pester) und III 10378. Die Centurionen der Legion, zu welchen der evocatus gezählt wird, können kein ('oUegium bilden. Vgl. das Recht der Heeresreligion.

***) Die Legion hat nur einen evocatus, der aus dem Praetorium stammt. Mommsen, Eph. ep. V p. 153.

'**) CIL, VI 2379b, VI, 27 und 36. Vgl. auch S. 5 Anm. 13.

Waatd. ZeiUohr. f. Oeach. a. Kanat. XIV, I. 3

34 V. Domaszewski

der neuen Dynastie verlieh Augustus die Privilegien des Jupiter Capi- tolinus ^**). Auch als Schutzgott des Praetoriums ist Mars, Mars ultor, wie die eigentümliche Bildung des Gottes beweist '**).

Die ganze Kaiserzeit behauptet sich diese Vorstellung. Das Tropaeum von Adamclissi ist dem Mars ultor geweiht**^) und noch für Julian ist der Mars des Heeres, Mars ultor. Auf den Altären des Fahnenheiligtums ist er in den zwei ersten Jahrhunderten nicht genannt (vgl. oben die Inschriften No. 22 und 23), und noch unter Alexander Severus, wo die allgemeine Bedeutung des Jupiter als des Schirmherm des römischen Volkes bereits zurücktritt, erscheint Mars nur als einer der Götter in der Reihe der dii militares (vgl. oben die Inschrift No. 14). Seine allgemeine Ver- ehrung unter den Auxilia beweisen nur die Veteranenaltäre **^).

Erst um die Mitte des dritten Jahrhunderts entwickelte sich die Geltung des Mars als Hauptgott des Heeres.

48 = CIL. VIII 2634 Lambaesis i*») Deo Marti müüiae potetiU in Jionorem leg{ionis) III Aug{ustae) Valertanae Sattonius lucundus p{rimus) p{tlurs) quiimmus leg{ione) renovata apud aquilam viiem posuit votum dedit dedicante Veturio Veturiatw v{iro) c(larissinw) Ieg{ato) Äug{ustarum trium) pr(o) pr(aeU>re), a. 2ö3.

49 = CIL. III 10256 Teutoburgium 0. Äur[eliu3] Martinus praef^ectus) [cdae I c(iviiim) B(omanorum)] Signum Mari{is) vic{toris) älae I c{ivium) B{omanorum) don{6) po8{uerunt).

Damals, als Valerianus die legio III Augusta wiederherstellte, stand man am Anfang jener Zeit, in welcher das Reich von beständigen Kriegsstürmen erschüttert werden sollte. Kein Gott wird auf den Münzen der Kaiser des untergehenden Römertumes häufiger genannt, als Mars. Diese neue Marsreligion hatte das Heer aus sich selbst er-

"») Sueton Aug. 29.

»") Abbildung nach Cohen I* p. 99 n. 258. Es ist derselbe Typus wie auf der Münze No. 193: Marti tUtori, Nach Petersens Untersuchung des Originals ist der Gott auf der Traianssäule (vgl. Taf. III Fig. 2) nackt, trägt einen Helm, in der Linken eine Stange; an der rechten Hüfte sind Reste von Falten eines Gewandes erhalten.

"') CUj. m n. 12467.

1*«) CIL. HI 793. 7854. VII 706. 826; MaHi müitari CIL. VII 390. 391. Auch die Bedeutung dieser Altäre ist durch die Inschriften der equites singulares gesichert, deren Veteranen im Jahre 139 lovi optimo maximo, im Jahre 143 Marti sanctissimo allein den Altar setzen.

***) Nach Renier ist der Altar auf dem Friedhofe gefunden; er ist also verschleppt worden.

Die Heligion des römischen Heeres. 35

zeugt, im Gegensatz zu der religiösen Politik der orientalischen Dynastie. Sie findet ihren Ausdruck darin, dass das Fahnenheiligtum zum Tempel des Mars wird ^^% wie es die Inschrift No. 48 erkennen lässt und ein zweites Denkmal direkt bezeugt.

50 = Brambach 467 Bonn In h{onorem) d{omus) d(ivinae) pro salute imp{eraiorum) Diocletiani et Maximiani Äug{ustorum) Constanti(i) et Maxi- miani noh{äi8simorum) Ccte8(arum) templum Martis müüaris vetustate con- lapsiim Auridius) Si[n]tus praef{ectus) leg{ionis) I M(inerviae) a solo restäuit die XIII Kai Od. Tusco et Antdino cos. a. 295.

Deshalb setzt unter Diocletian der Statthalter von Numidien den Altar *^»).

51 = CIL. VIII 2530 (cf. 18041) Lambaesis [Marti] *") patripro salute adque incolumUate [d(omnorum)] n{ostrorum) [Diocletiani et Maximiani] "')

M, Aurdius Decimus vXir) p(erfectissimus) p{raeses) p{rovinciae) N(umidiae) ex principe peregrinorum votum sdvit.

**®) Das Fabnenheiligtum des Principats hat keine Cultbilder der Götter gekannt, vgl. S. 9 ff. Die Statue, welche auf der Basis Nr. 48 stand, ist aber das Cultbild des Raumes, weil sie der primus pilus errichtet.

***) Dieser Altar und der an den genius castrorum, ebenfalls erst eine Bildung jener Zeit (vgl. genius castrorum) sind gefunden dans Je camp, derriere le praetorium, sur un de de piedestale und dans le camp, derriere le praetorium, sur un de d'autd ; also beide in situ. Hier lag der innere Hof des Lagerheiligtums wie in Camuntum Taf. I Fig. 2. Die Fundamente der Heiligtümer in Lambaesis liegen noch unter der Erde. Man hält irrig den erhaltenen Bau in Lambaesis für das ganze Praetorium, es ist nur der Hof A des Lagers von Camuntum.

^**) Nach der treffenden Ergänzung Cagnats. Denn Mars pater ist der Name des Hecresgottes unter der diocletianischen Dynastie. Kenner teilt mir über die Prägung der Caesares dieser Dynastie Folgendes mit: „Vor der Abdication führen die beiden Caesar en Chlorus und Galerius die Schutz- götter ihrer Adoptivväter Herculius und Jovius im Rv. der Goldmünzen, nach der Abdication schlagen sie als Augusti Votamünzen, die den Votamünzen der alten Augusti nachgebildet sind, aber schon den Hinweis auf Nikomedia haben. Die neuen Caesaren Severus und Daja treten mit neuen Typen Marti patri und Soli invicto auf. Nach Chlorus Tode behält Galerius als Jovier den Jupiter conservator bei, Severus tritt als neuer Augustus an Stelle des Chlorus und übernimmt dessen Münzrevers Herculi Victori; an seine freige- wordene Caesarenstelle tritt Constantin, der mm Marti patri aufnimmt, welchen Severus als Caesar eingeführt hatte und behält diesen, so lange er (/aesar ist, bei, wogegen Da^ja, als er Caesar wurde und so lange er solcher blieb, den So! invictus führt, d. h. jenen Schutzgott, welchen Galerius als Caesar am Anfange der Goldpräge von Nikomedia hatte." Die näheren Aus- fuhrungen giebt Kenner in dem demnächst erscheinenden 26. Band der numis- matischen Zeitschrift.

»5») (T. CIL. VIII Index p. 1058. Wilmanns ergänzte Carini et Nu-

3*

36 V. Domaszewski

Auch als Julian die alte Religion neu zu beleben gedachte, blieb Mars der höchste der Götter des Heeres.

Ammianus 24, 6, 17: Äbunde ratus post haec prosperitates similis advcntare, conplures hostias Marti parabat tiltori, et ex tauris pulcher- rimis deccni ad hoc perductis, 7iondum aris admoti voluntate sua novem procubtcere tristissimij decimus verOj qui diffractis vinculis lapsus aegrc reducttis est, mactatus mimosa signa monsiravit, quibus visis exclamavit indig)iatus acrüer Julianus Jovemque testatus est nulla Marti tarn sacra facturum: nee resecravit ceJeri morte praereptus.

Die ganze Tragik von Julians Schicksal malt sich in diesem Opfer, das seinem Tode voranging. Der Kaiser, dessen schwärmendes Gemüt den reinen Glauben der Väter mit heisser Sehnsucht erstrebte, hatte dem Heeresgott der Römer in seiner letzten Gestalt geopfert und glaubte jetzt zu erkennen, dass er darin gefehlt, weil er dem Schirm- herm des römischen Volkes Jupiter hätte opfern sollen, der aus dem Bewusstsein des Heeres bereits entschwunden war. Erfüllt von dem Zweifel an der Wahrheit seines Glaubens ist Julian waffenlos in den Tod geritten und so ist das Wort „Nazarener du hast gesiegt", das die christliche Legende dem Sterbenden in den Mund legt, wahr, wenn es auch der Kaiser niemals gesprochen haben kann. Julian hatte die Einflüsse des Christentums, wenn solche bestanden, aus den Lagern wieder entfernt, denn er rühmt sich auf einem Meilenstein aus Pannonien (CHi. ni 10648) ob deleta vitia temj^orum praeteritarum.

Den Zustand der Heeresreligion unter seiner Regierung geben die Heiligtümer des Lagers von Carnuntum wieder ***). Das mittlere Heilig- tum, dessen Cultbild nicht mehr aufgefunden wurde, ist der Tempel des Mars.

Mars Campester.

52 = CIL. II 4083 Tarraco Marti Campestri sac{rum) pro sal{ute) M. Aur(ßi) Cmnmodi Aug(usti) et equit(um) sing(ularium) T, Aur(elius) Decimwt (centurio) legiidm) VII G(eminae) fdiicis) praep{ositus) simul et camjtii- doctor) dedic{atum) K. Mart. Mam€rt{ino) et Rufo cos. a. 182.

meriani. Aber auch der Parallelaltar des Genius castrorum entspricht nur der diocletianischen Periode.

^^*) Das Lager kann nur jenen Zustand repräsentieren, in welchem die Römer es verliessen. Unter Valentinian ist aber Carnuntum noch die erste Festung der Donaulinie. Vgl. CIL. III p. 550 und besonders Ammian 30, 5, 2 descrtnm quidem nunc et squälem sed ducton exercitus perquam opportunum CIL. III 10596. Ob Constantius das Heidentum der Grenzheere anzutasten gewagt hat, ist Hei seiner Art Christentum sehr fraglich.

Die Religion des römischen Heeres. 37

53 = CIL. III 3470 Aquincum " Marti Aug{ustö) sac{rum) G. Cu8p{iu8) Secundus exercitator leg{ioms) II adi{utricis) pro saiute milüu{m) et sua quod evocatus vooit centurio soloit l. m.

Die Chargen der beiden Offiziere, welche den Altar gesetzt haben, beweisen, dass Mars auch der Schutzgott für die Vorübung zum Kriege auf dem Exerzierplatz ist ^ ^^).

Victoria. Im Heere ist Victoria die pei-sönliche Siegeskraft des Feldherm. Es beweisen dies schon die Spiele aus der Zeit der Republik zu Ehren der Victoria SuUana und der Victoria Caesaris ^^^). Auch die eigent- liche Bedeutung des Omens vor der Schlacht bei Philippi, als die Victoria des Cassius zu Falle kam, liegt in dieser Beziehung auf den Feldherrn *^^j. In dem Fahnenheiligtum der Kaiserzeit ist Victoria die Siegeskraft des Kaisers.

54 = CIL. in 11082 ^^^) Brigetio Victoriae Aug{u8torum) n{ostrorum) et legiionis) I adi{utricis) p{iae) f{ideli») ( Antoninianae ) F. Marius P. /". Sextianus EpJieso p(nmus) ij{iliis) d{ono) d{edü) dedicante Egnatio Victare leg{ato) Aug{ustC) itrip) pr(a€tore) et Cl(audio) Pisone leg{ato) leg{ionis) V Idus lunias Apro et Maximo cos. a. 207.

Das Kalenderdatum ist ein Siegestag, der bereits im Jahre 197 ge- feiert wurde *^^). Am 1. Juni des Jahres 193 starb Didius Julianus; also wird Septimius Severus am 9. Juni in Rom eingezogen sein. Es ist dies der Geburtstag seines Principates.

55 = Brambach 464 Bonn Victoriae Aug(usti) G, Publicim C. filius SeptinUa Siscia Priscilianus 2)(^rimus) p(ilus) legiionis) I M{inerviae) [Seve-

rianae] p{ia€) f{iddis) d(ono) d{edit) dedicante Fl{avk>) Apro Comodiano

leg{ato) Aug(ii9ti) pr{p) pr{aetore) et Aufidb Coresino Marcdl[ino] leg(ato) legiionis) eiusdem . . Kcd, Mains d{omino) n{ostro) \^evero Alexatidro^ Aug{ii$to) COS. a. 222. JDas Kalenderdatum könnte der Tag sein, an welchem Alexander Severus im Jahre 221 die Caesarwürde erhielt *^^").

*^*) Aus demselben Grunde ist Mars auch mit Minerva auf den Altären Nr. 44 und 45 verbunden.

ISO) CIL. 12 S. 357. Es ist die Göttin selbst, die so heisst, und nicht die einzelnen Siege des Feldherrn.

"') Vgl. S. 9. Warum die Stimmung im Heere der Befreier eine so verzweifelte war, habe ich gezeigt, Neue Ileidelb. Jahrbb. IV S. 185.

^*^) Der Stein ist an der Kathedrale zu Raab eingemauert, aber er kann nur aus Brigetio stammen.

'^^) CIL. VI, 224 (vgl. Germanische Götter S. 48).

"®) Am 1. Januar besass Severus Alexander die Caesarwürde noch

38 V. Domaszewski

Beide Inschriften sind die Cultaltäre des Fahnenheiiigtums. Ganz anders ist die Fassung der Inschrift unter Elagabal.

56 = CIL. XIV 2257 ager Albanus Victoriae aeter{nae) d((mini) n(ostri) imp{eratoris) Caes(ari8) Marc(i) Äureli Antonini pii fdiciis) Äu-

g(u8ti) ponti[f{icis}] maximi trib{unicia) potiestate) III co(n)8{iUis) III p{atri8) p{atriae) divi Severi nepotis leg{io) II Parthica Äntom[ni]ana p'ia) fiiddis) f{dix) aet{erna) devota numini [m{aiesiati)[q{ue) e]iiis. a. 220. Eben die legio II Parthica trug vor allem Schuld daran ^^*), dass dieser Auswurf der Menschheit den Thron bestieg ^^*). Die Victoria aeterna ist Elagabal ebenso eigentümlich ^^^), wie jener Legion der Bei- name aetema. Es ist aber auch der Beiname orientalischer Sonnen- götter^^*), und in diesem Sinne wird ihn Elagabal gebraucht haben. Bedeutsam ist es auch, dass der Altar gesetzt ist von der Gesamtheit der Legion und nicht von dem Warte altrömischer Religion, dem primus pilus. Auch hier treten als Zeugen für die Art des Cultes Veteranenaltäre

57 = CIL. XIV 2258 ager Albanus Victoriae redu<ns d(ominorum) n{ostro- rum) [imp{eratoris) Caes{ari3) M. Iidi Phüippi] pii fdicis Aug{usti) et

[Otacüiae Severae] Aug{nstae) [con]iugi d{otnini) nipstri) milites Ug(ionis) II

PartMicae) [Phüippianae] p(iae) fißdis) f{elicis) ael(ernae) q(ui) m{{litare)

c{oeperunt) Oclatinvo Advento cos. quorum iunnvna cum tribus et patrüs inserta sunt devoÜ numini inaiestatique eorum d{imisst) X K. Aug. Pere- grino et Aemüiano in his [centuriones] et evoc{atus) Aug(ustomm) n{ostrorum) cura agente Pompon{io) lulio [p]r{aefecto) ^®^) leg{ioni$) eius(dem). a. 244. und ein Altar der Canabenses ein.

nicht, weil er erst für 222 zum Consul designiert wurde. Das älteste Datum für die Caesarwürde ist CIL. VI 3069 (d. 1. Juni) verglichen mit 2999 (im Juli), auch 3015 ist notwendig aus dem Jahre 221, weil Elagabal im Juli 222 bereits tot war.

"») Die 78, 34, 2.

"2) Die Entschuldigung des Caesarenwalmsinns gilt am wenigsten für Elagabal. Er war ein zielbewusster Despot im Sinne eines orientalischen Priesterkönigs. (Vgl. Orientalische Culte). Auch die Scheusslichkeiten per- sönlicherer Art, welche das Entsetzen der Nachwelt beinahe allein überliefert hat, wurzeln, wie Rdville mit Recht bemerkt, in seiner religiösen Überzeugung.

"') Deshalb ist CIL. VIII 9754 Victoriae Aetcrnae Aulg{u8ti sacerd{otis)

ampliissimi) imp{eratoris)] Caesar is Antonini M. Antonius ProcuUeius ex equestri-

btis turmis ob honorem aedüitatis d{eae) d{ono) d{edit) auf Elagabal zu ergänzen.

Auf Münzen früher Coh. IV^ p. 70, aber nicht als die Victoria des Kaisers.

"*) CU.. III 988. 1286. 1301a. 1783. 3158b. 3327. 5788. 6758 und sonst.

Bezold bemerkt mir: In den Teil El-Amama-Inschriften (London Nr. 31 ed.

V V

Bezold p. LXII) wird der Sonnengott „ewig" (samas däritum) genannt.

^«^) R ist überliefert, aber es muss heissen Hl = praefectus, da diese

Die Religion des römischen Heeres. 39

58 = CIL. III 1158 Apulam Victoriae Aug(usti) L. Mius T. [f{üiu8)[ Gcder{ia) Leuganus Clunia vet{eranus) legiionis) XIIII G(eminae) M{artiae) V(ictnci8) aedis custos c[ivium) R{mnanorum) Ieg(iofiis) XIII nomine suo et C, Iul{ii) Patcrni ßi(i) sui d(ono) d(edit).

Die aedes, deren custos der Veteran ist, ist die aedes der cives Romani, qui consistunt ad legionem.

Für die Auxilia beweisen die Verehrung ausser den Veteranen- altären *^^) zwei Cultbilder der Fahnenheiligtümer selbst.

59 = CIL. VII 513 cf. Eph. ep. 3 p. 133' Cilumum Victoriae Au- g{ustorum) AJfeno Senecioni co{n)8{ulure) fdix Ala J[ J] Asturum [m(«tont«)] pra{efecto). r. und 1. Genius cUatus, d. h. Victoria

60 = CIL. VII 396 Uxellodunum supra coronam lauream: Victoria Augustorum; intra coronam a Victoriis sustentatatam : D{omimrum) n(o8trorum).

Ebenso wird in zahlreichen Inschriften Victoria als die Victoria des Kaisei*s gefasst *^^). Das sj)ecialisiert sich zur Victoria eines be- stimmten Sieges *^®), so dass die Victoriae der verschiedenen Siege wieder zu einer Einheit verwachsen können ^^^).

Der Lokalisierung der Culte in den Standlagem entspricht es, wenn Victoria auch als die Siegeskraft der Trappe erscheint. Vgl. In- schrift No. 54.

61 = CIL. VII 217 Mancunium Victoriae Tegionis VI Victricis Valie- rius) lUtfus V. s. l. m.

Das Heer des sinkenden Reiches verehrt nach Mars als Schutz- gottheit Victoria. Auch ihr Bild gehört zu den .häufigsten Münztypen der Zeit; auch sie wird zur ersten Gottheit des Lagers.

62 = CIL. III 5565 Bedaiura Victoriae Augustae [sacyum pro salute^n {d(pminorum)] n(ostronnn) Maximini et [Con]sta7itini et Licini [se\mi)er Au- g{ustorum) Aur{elius) Senecio [t'(ir) p{erfecti8simus)] dux templum numini [et]us ex voto a novo fieri iussit per instantiam Val(eri) Sambarrae p{rae) piositi) eq(uitibus) Dalm{atis) Aquevesianis Comit(atensibus) l. l, m. ob Vic- toria facta V. K. Iidias Andronico et Probo cos. a. 310.

Dieser Tempel ist, wie der Tempel des Mars militaris, keine neue Gründung, sondern zeigt, dass diese Auffassung der Victoria schon im Heere des dritten Jahrhunderts Wurzel gefasst.

Legion nicht von einem Legaten, sondern von einem Praefekten befehligt wird. Wiener Studien VII S. 297.

^ß«) CIL. VII 394. 395. 726.

-") CIL. III 1072. V 7643. VI 789. 790. VIII 70. 2351. 2677. 4201. 4582. 4765. 8455. 9022. 9195. 10832. 10871. X 3816. 6515. XIV 68. Eph. epigr. V 1263. 1319. VII 13. 46. 387. 388.

1«) CIL. VI 377. VII 200. VIII 965. 2354. 4202. 4583. 8303. 8304.

*«9) CIL. VIII 8170. Eph. ep. V 576. 953.

40 ^' Domaszewski

Besitzt Victoria im Heere kein selbständiges Dasein, sondern er- scheint nur an den Subjekten, welche die Träger dieser Siegeskraft sind, so gilt dies noch in höherem Masse von den anderen Personifikationen.

Fortuna, Honos, Virtus, Pietas, Bonus eventus.

Das älteste Zeugnis für die Verehrung der Fortuna im Fahnen- heiligtum ist ein Altar der Canabenses.

63 = CIL. III 1008 Apulunf ^^^) Fortunae Aug{ustae) sacrum et Genta Canabensium L. Süius Maximus v[et{eranus)] leg{wnis) 1 ad(iutrici8) p{%a€)

fitddis) magistra{n)8 primus in Can{abi8) d{otio) d{edü) et Süia lamuiria et Süius Ftnninus.

Der erste Kaiser, welcher das Bild der Fortuna auf seine Münzen setzte, ist Vespasian, und zwar im ersten Jahre seiner Regierung ^^*). Der Sohn des Bürgersmannes aus Reate hatte allen Grund, die Tüyji zu preisen.

Aber die Betonung der Tö^tj im Heere ist dem römischen Geiste zuwider, der da meinte, das Walten des Zufalls meistern und nach seinem Willen lenken zu können ^'*). Es scheint mir deshalb möglich, dass erst Vespasian diese Gottheit ins Heer eingeführt hat.

Nur die Beziehung auf den Truppenkörper ist sicher erkennbar.

64 = CIL. III 10992 Brigetio [I(ovi)] o(ptinio) [m[aj:imo) e[xau]dito[ri\ et F[o]rtun[ae] forti88ima[e] leg(ioms) I adi(utricis) p{iae) f^idelis) Ä[ct?(c- rianae)] T, Sere , . . Diogen[es'\ . . .

65 = Brambach 1033 Mainz Fortunam superam honori aquÜae legio- nis XXII pr{ifnigeniae) p(iae) fijdelis) M. Minicius M, fil{ius) Quir{ina) Lindo Mar ....

Die Beziehung auf die Persönlichkeit des Kaisers ist im Heere nicht zu belegen, scheint jedoch bestanden zu haben, da diese AuflFas- sung sich vereinzelt auch sonst findet ^^^).

Die allgemeine Verehrung, der Gottheit bezeugen nur die Altäre ganzer Truppenkörper "*).

Virtus wird sowohl auf die Truppe (vgl. oben Inschrift Nr. 14) als auf den Kaiser bezogen ^'^). Wir besitzen nur ein Denkmal, das

i'ö) Der Altar ist wie Nr. 58 unter Traian geschrieben. Vgl. Mommsen CIL. m p. 182.

»") Cohen Vespasian n. 171—199. 401.

1") Polyb. I 37.

1") CIL. VIII Index p. 1082.

"*) CIL. ni 3315. Vn 617, 1063. Brambach 1732.

»"5) CIL. VII 45. VIII 7094—7098. Eph. VII 141. Korrbl. 1894 Sp. 187.

Die Religion des römischen Heeres.

41

aus einem Fahnenheiligtum stammt, aber es ist zugleich das Cult- büd ''%

Hon OS gilt der Legion und besonders ihrem Adler. Vgl. Inschrift Nr. 65.

66 = Keller Nachtrag II 2ob Mainz I(oci) o(ptimo) fn{aximo) Sabaaio [c]onservatori honori aquilae leg(ioms) XXII pr{imigeniae) p{iac) ß^idelis) [Alexandrianae M, Äur{elius)] Gennanus . . . *^^.

67 = Westd. Zeitschr. XI S. 298 Mainz Pietati leg{ionis) XXII pr{i- migeniae) [Alexandr(mnae)] p(iae) ßüleiis) et honori aquüae L, Domäiu[s

Iul]i[antis iu]nio[r tr]i(bunus ?) [L. D]omüi luliam quondam p{rimi) p{tli) fil{iti8) d{ono) d(ecUt) ob merita dedicante Maximio AUiano c{larissitno) v(iro) legiato) Aug[u8t%) [p]ro pr(aetore) G{ennaniae) [s{u2)enoris)] V Kai. April. [d(omim)] n{ostro) Ä[l]e[x]and[r]o [Äug(usto) III et] Bione cos. a. 229.

68 = Keller Nachtrag II 134b und 97b "«) ^ Mainz [ et h]ono[ri aquilae

(ONO <E G'XXII (N I A N

F T E R E A T I N Ä

)R A

10 C C C D;

V I T 0(^

D N I mJ

AVG

B A L B I N

*^*) Eph. epigr. III p. 134 n. 100 (Cilumum). Abbildung entnommen Lapidarium septentionale p. 472. Vgl. oben No. 59.

^'^) Derselbe Altar Brambach 972 nach einer fehlerhaften Kopie. ^^^) Hier nach meiner Revision. Z. 6 las Keller noch EA.

42 V. Domaszewski

l]eg{ioni8) XXII [pr[%migeniae) piiae) fißdis) Antoni]}vian[ae . . . M.

Tälim ^^^} M.] f. Tere[taui Rufus] Atinae 1ionö\ra[tu8 i»«) . . ,

p{nmu8) p(äu8) leg{ionis) s{upra) s(criptae) d{ono) d{edit) ex] (trecenario)

d[edic(ante) Ä]väo [leg{ato) Äiig(iisti) pr(o) pr{aäore) G(cnnaniae)

siuperioris) . . . .] diomino) n{ostro) im[p(eratore) Äntonino] Äug(usto) IUI et] Balbin\p II cos.], a. 213.

69 = Keller Nachtrag II 134a Mainz In h{onorem) L. Septwii Severi Pertinacis Aug(ustt) inoicti imp{eratoris) et M. Äurdi Anlonini Cae- a{arui) legioni XXII pr(imigeniae) p.iae) /(ideli) Jionoris virtutisque causa cioitas Treveromm in öbsidione ah ea defensa.

70 = Keller Nachtrag II 22(1 und 106b "*) Mainz . . . , i et nulmi-

^ I-E T N V |: AST R O (DRICL- LEG

;/ / / / / / /

P-F-LEG-S^ D E D I C A N'i C L E M E

/ / / / / / / / / /

nü){us) ^®^)] ca8t)v[ru7n h07i]oriq{ue) leg{ionis) [XXII 2^{i^»igeniae) p{iae) f{tdelis) Alcxandnanae] s Du [p(rimus)] p{üus) leg{ionis)

s(upra) [s{criptae) d(ono) d{edü) . . . dedican\te Sex Catio] '*^) Clemen[te legiato) Aug{nsti) pr{o) p{raetore) G{ennaniae) s{uperioris)] . . .

*^®) Es ist der Mann, dessen Inschrift in Atina gefunden wurde CIL. X 5064 M. Tiüius M. f. Ter(eUna) Bufiis (centuno) legionis) XX Val{eriae) Vic- t{ricis) ex {trecenario) coh(ortis) IUI pr{aetonae) p(iae) v{indici8) princeps castrorum {centurio) coh(ortis) XII urb(anac) et I Vig{üum) evoc(atu8) Aug{ustorum) a. 208. Nur bei einer Karriere dieser Art konnte ein Italiener unter Septimius Severus Centurio der Praetorianer sein.

^^^) Eine Ergänzung der Zeile 7. 8 ist natürlich unmöglich. Der Officier muss im britannischen Kriege gefochten haben (vgl. Anm. 179). Seine Ver- dienste werden genannt sein, die die Ursache seiner Beförderung waren. Vgl. CIL. XII 2230.

^8^) Die Lesung beruht auf meiner Revision.

^^'^) Die Ergänzung numinibus, nicht numini, sichert schon die Lücke, und ebenso der Sinn, weil es ein numen castrorum in dieser Zeit nicht geben kann. Vgl. genio castrorum.

^^^) Die Ergänzung hat Zangemeister gefunden Westd. Ztschr. XI S. 317.

Die Religion des römischen Heeres. 43

71 = CIL. III 10285 Aquincum i^) ViHuti et Homn L. Ulpius Mar- cdlus legiqtiis) Aug{usti) pr{o) iyi'(aetore) Pannon{iae) inf{erioris) v. s.

Die Beziehung dieses Steines auf das Fahnenheiligtum ist durch die Reliefs an den Seitenflächen: 1. Victoria, r. Mars, gesichert. Der Stein stand als Votivaltar des Statthalters im inneren Hofe ^®^) des Lagers von Aquincum.

Die Vertretung dieser Gottheiten in dem Göttervereine der e<iuites singulares durch Salus und Felicitas ist gewiss eine beabsichtigte. Salus und Felicitas sind sonst im Heere nicht nachzuweisen und könnten doch in den zahlreichen Zeugnissen für den Cult der Legionen nicht fehlen, wären sie den Bürgertruppen nicht fremd gewesen. Honos und Virtus sind jene Eigenschaften, welche für den Römer den Inbegriff der Tugend bilden ^^^) , der Ausdruck des Volkscharakters und die letzte Ursache der unerreichten politischen und militärischen Erfolge dieses Volkes ^®^). Für das hohe Alter des Cultes im Heere sprechen besonders die Siegestempel aus der Zeit der Republik ^®^). Deshalb wird ganz allgemein bei den Auxilia, obwohl die Zeugnisse noch fehlen, Salus und Felicitas an Stelle von Honos und Virtus getreten sein.

Der Ausdruck dieser militärischen Tugenden sind die dona mili- taria ob virtutem donata. Die orientalische Dynastie hat diese Ehren- zeichen für immer beseitigt und wie zum Hohne erscheint auf dem Altare Mammaeas (Inschrift No. 14) die virtus legionis, obwohl das Heer durch ein halbes Jahrhundert von Niederlage zu Niederlage fortschrei- ten sollte.

Pietas (No. 67) als Eigenschaftsgöttin ist gewiss so alt als die Verleihung des Titels pia fidelis an die Truppenkörper, wofür bekannt- lich die Ehrung der dalmatischen legio VII und XI durch Claudius das erste Beispiel bildet.

*") Der Altar kann nach Fünfkirchen nur durch einen Sammler ver- schleppt sein. Überhaupt ist Fünfkirchen als Fundort irgendwie bedeutender Inschriften mehr als zweifelhaft. Vgl. CIL. III Suppl. Fünfkirchen im Auctarium.

"«) Vgl. CIL. I 33 und 34.

"*) Deshalb hat der Senat den Altar der Fortuna redux vor dem Tempel von Honos und Virtus errichtet. Denn im Ancyranum 2, 29 ist doch zu ergänzen Aram Fortunae reducis ante ae'jdes Honoris et Virtutis adportam [Capenam pro reditu meo 8e]natus consecravit. Honos und Virtus blickten dann nieder auf den Altar, der zu Ehren desjenigen römischen Mannes er- richtet worden, in welchem die nationalen Tugenden im höchsten Grade ver- körpert sein sollten.

>") Preller, Mythologie II S. 249.

44 V. Domaszewski

Auch Bonus eventus, für welchen die Zeugnisse erst am Ende des 2. Jahrhunderts hervortreten, wird älteren Ursprangs sein.

72 = CIL. III 6223 Novae Bono eventui legiionis) I Jtal(icae) M. JMacriua Geminus Bononia p(nmti8) p{ilu8) d{ono) d{edit) M[ain{ertino)\ et Eufo. a. 182.

Aus der Schola der equites legionis stammt der Altar

73 = Brambach 1034 Mainz Bonum eventum eq(uüum) legiionis) XXII pr{imigeniae) p(iae) f{idelis) Älbanius Agricda et Macrinius Iidi{d\nus q(uon)d(am) cives SiimeKocenses) [Po]mpeia7io et Padigniano cos. a. 231.

und aus dem Heiligtum der stratores der Altar

74 = Brambach 983 Mainz pro scdute d{ominorum) n{o8trorum) sanc- tissvnorum imp{eratorum) bono eventu mü{itwft) exercitus G{erfnaniae) 8{upertori8) Matermus Perlectus mü{es) [l]€g(ionis) \XX]II p{rimigeniae) p{iae) f{idelis) strator co(n)s{ulari3)

Da diese principales beim Stattlialter Dienst thun, so ist der Bonus eventus auf das ganze Heer von Niedergermanien ausgedehnt.

Die Stellung dieser Eigenscliaftsgötter im Systeme der Heeresre- ligion ist eine verschiedene, je nachdem sie auf den Kaiser oder auf einen Truppenteil bezogen werden. Nur wenn der Kaiser Träger der Eigenschaft ist, sind sie als dii militares, als die allgemeinen Götter des Heeres, zu fassen. Dagegen sind die Eigenschaft sgotter der Truppen- körper in der Kunst durch die Mauerkrone als numina castrorum cha- rakterisiert *®®).

Disciplina. Sie bezeichnet die kriegerische Zucht, durch welche das römische Heer sich vor Allem ausgezeichnet hat. Als Münzbild erscheint sie nur auf den Münzen Hadrians aus der letzten Zeit seiner Regierung ^®^). Sie sind, wie Eckhel bemerkt hat *^®), geprägt worden zur Erinnerung an Hadrians Heeresreform. Auf diesen Münzen wechselt die Aufschrift disciplina und discipulina. Ebenso auf den Altären.

75 = CIL. VII 896 Petrianae? discipidinae . VC ! ! . . . VST^ isi).

76 = CIL. VIII 9832 Altava DiscipUme militari.

11 = CIL. VIII 10657 Bir uum-Ali Disciplinae militar(i)

Man darf mit Bestimmtheit sagen, dass dieser Cult von Hadrian

188) Ygi Numina castrorum.

"») Cohen IP S. 151a. 540—549. Die Münze des Antoninus Pius mit derselben Legende Cohen IP S. 305 n. 351 scheint ein ünicum und ist wohl falsch gelesen.

190) D. N. VI S. 507.

191J Wenn die Lesung des Steines zuverlässig ist, so könnte der Text ursprünglich DP C^:S AVGVSTI gelautet haben.

Die Religion des römischen Heeres. 45

begründet wurde. Der Altar der Göttin kann nur in dem Heiligtum auf dem Exerzierj)latze gestanden haben '^*).

II. Die dii peregrini, die Lagertempel der Hauptstadt. Die Götter der AnzUia.

Die Auxiliarformationen der Kaiserzeit sind, dem älteren Prinzip nach, hervorgegangen aus den Contingenten föderierter Gemeinden ^^^). Aus dieser Art ihrer Entstehung erklären sich alle Eigentümlichkeiten ihrer Organisation ; darauf beruht auch das Recht der peregrinen Truppen- körper, ihre nationalen Schutzgötter im Fahnenhoiligtum zu verehren. Nur wenige dieser peregrinen Truppenkön)er haben ihre einlieitlich nationale Zusammensetzung bewahrt und nur bei diesen können wir er- warten, die Verehrung der nationalen Götter auch in der späteren Kaiser- zeit, der alle unsere Zeugnisse angehören, noch zu finden. Es sind dies seit Hadrian vor allem die Numeri ''-**) , nur dass von ihren Culten bisher kein Zeugnis zu Tage getreten ist, welches aus dem Fahnen- beiligtum stammt. Jedoch treten auch hier zum Ersätze die Altäre ganzer Truppen körper ein.

Germanische Götter.

Die Numeri jeder Provinz sind von Hadrian nicht in der Provinz selbst ausgehoben, sondern aus den Peregrinen anderer Provinzen ge- bildet worden.

In Britannien standen Raeter, Noriker, Gallier aus der Belgica und Germanen. Während aber die Raeter ihren Altar setzen

78 = Ephem. epigr. VII 1092 Jedburgh I{ovi) o{ptimo) m[aximo) V€[xi\U latio B{a)etorum Gae8a{torum) q{uorum) c{uram) a(git) Itä{ius) Sever{us) trib{unu8).

dem Schutzgott des römischen Heeres, und die romanisierten Kelten der Belgica den römischen Cult angenommen haben,

79 = Ephem. epigr. III p. 134 und 103 Procolitiae Genio hii[i]u8 loci Texandri et Sunici v€x{ülatio) cohor(tis) II Nervtorum,

halten die Germanen immer an ihren nationalen Göttern fest.

80 = CIL. VII 303 vgl. arch. journ. I p. 319 Brovonacae Deabiis matribus Tramar(inis) vex{tÜatio) German{oruin) [Bro\v{onacen8ium) [G6]rd(ian0' rum) "*) pro saltUe et re[ditu ?) t?. s. /. m.

1»«) Vgl. S. 36 und Campestres.

*»*) Vgl. Deutsche Litteraturzeitung 1892 S. 1040. Es ist unmöglich die Entwickelung der Auxilia während der Kaiserzeit in diesem Zusammenhang erschöpfend zu behandeln.

**\> Ober die numeri vgl. Mommsen, Hermes XIX, 219 und XXII, 549.

"') Die Ergänzung sichert die Analogie von Nr. 82 u. 88 ; der nume-

46 V- Bomaszewski

81 = Ephem. epigr. VII 1040 Borcovicium Deo Marti Thingso et duabus Älaisiagis Bed(a)e et Fmmüen{a)e et n{umini) Äug(a8ti) Germ[afu) cives Tuüianti v. s. l. m.

82 = Ephem. epigr. VII 1041 Borcovicium Marti et duabus Älaisiagis et n{umini) Äug(usti) Ger{mani) cives Tuxhanti ctinei Frisiorum Ver(covi- cianorum) Se[ve\r(%ani) Alexandriani votum solveru[nt] libent[es].

83 Arch. Journal I (1894) p. 293 Lanchester Deae Garmangabi et n{umin%) [G]ordiani Aug{usti) nipstri) pro sal(ute) vex{illatümis) Sueborum Lon . . . Gor'\(lianorum) votum solvemnt m{eritat).

Die Unbeugsamkeit der Bewohner des nördlichen Britanniens, welche zweimal die römische Herrschaft, unter Nero wie unter Hadrian, an den Rand des Abgrundes gebracht, wird die Ursache sein, dass hier auch die Auxiliarcohorten fortfuhren, sich ausserhalb der Provinz zu ergänzen.

Die in der cohors 11 Tungrorum dienenden Germanen bekennen sich zu ihren Göttern.

84 = CIL. VII 1072 Blatum Bulgium Deae Rigambedae pagus Vellaus milit(ans) coli{orte) II Tung{rorum) v. s. l m.

85 = CIL. VII 1073 Blatum Bulgium Deae ViradesÜii pagus Con- drusti's inili[t]ans in coh{orte II Tungro{rum) sub Silmo [A]uspice praef(ectö).

Die Raeti dagegen zu den römischen Heeresgöttern.

86 = CIL. VII 1068 Blatum Bulgium MaHi et Vtctoriae c{ives) Raeti milit{antes) in coh(prte) II Tungr{orum) cui praeest Silciu[8] Äuspex prae- f{ectus) V. s. l, m.

Auch die Altäre der numeri Obergermaniens, die aus Britanniern gebildet sind, gelten nur den römischen Gottheiten *^^. Die bevorrechtete Stellung der germanischen Culte muss demnach eine tiefere Wurzel in der Organisation des Heeres haben. Diese Wurzel ist noch nachzuweisen.

Die Götter, welche die equites singulares nach den dii militares nennen, sind den übrigen Lagern des Heeres mehr oder minder fremd. Die erste Gruppe umfasst Hercules, Fortuna und Mercurius und scheidet die dii militares von den Personificationen der Salus und Felicitas. Wer sich daran erinnert, dass die eciuites singulares aus den germanischen Leibwächtern des Kaisers hervorgegangen sind, wird auf Grund der eigen-

rus heisst nach dem Kastelle, in welchem der Stein gefunden wurde. Dies beweist, dass,, wie zuerst Ha^erfield vermutet hat, dieser Ausdruck vexillatio, der früher nur ein Detachement bezeichnete, technisch wird für stehende Truppenkörper. Aber schon in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts wird der Einfiuss germanischer Heereseinrichtungen auf das römische Heer- wesen so fühlbar, dass die nationale Bezeichnung in römischer Form cuneus in die Sprache eindringt. Nr. 82.

"«) Brambach 1600. 1733. 1745. 1751, 1757.

Die Religion des römischen Heeres. 47

t&mlicheD Geltung der germanischen Culte im Heere, hier die germa- nischen Götter Donar und Wodan erkennen müssen '^'). Fortuna ist die römische Göttin, welche das Heer in jener Zeit bereits verehrt, die also in diesem Götterverein nicht fehlen kann. Wie Victoria neben Mars steht, so wird Fortuna zu Hercules getreten sein, genau in demselben Sinne, wie Salus und Felicitas bei den Peregrinen-Truppen Honos und Virtus ersetzen. Wenn aber Hercules und Fortuna auf vier Altären, zweimal zusammen mit den sicher germanischen Suleviae, fehlen, so kann dies keine Nachlässigkeit des Concipienten sein, weil die Götter früher und später in der Reihe auftreten. Diese Ausnahme muss vielmehr ilire Begründung finden in der Besonderheit der Culte dieses Lagers.

Die Lagertempel der Hauptstadt.

Es ist eine Eigentümlichkeit der hauptstädtischen Lager, dass sie einen Schutzgott besitzen, dessen Tempel im Lager selbst steht.

Für die Praetorianer ist dies Mars. Er regiert in jenem Monate, in welchem die Sonne im Zeichen des Skorpion steht, das Geburts- gestim des Kaisers Tiberius und die Nativität der Garde, die dieser Kaiser in ihrer späteren Bedeutung erst geschaffen hat '®*).

87 = CIL. VI 2256 Rom ~ T. Adio Malco fecton »»^) equüi praetorian{o) coMprtis) III pr{aetoriae) qui et urb{amcianu8) item antistes sacerdos tetnpli Martis^^^) castror{um) pr{aetoriorum).

Der Schutzgott der castra percgrina ist Jupiter redux.

88 = CIL. VI 428 Rom pro salute et redüu d{omini) n{a8tri) imp{era- toris) Caesaris C. lulio Vero Maximino jp/o'°*) fdici invicto Aug[usto)

^'^) Hercules verehrt die cohors II Tungrorum CIL. VII 635 und die vexillatio Germanicianoram CIL. XII 5733, unter welchen ebeufalls Soldaten einer Cohors Tangroram zu verstehen sind (Hirschfeld a. a. 0.), endlich die cohors I Nervana Germanorum CIL. VII 936. Vgl. auch CIL. VII 924.

i»8) Vgl. Arch. epigr. Mitt. XVII S. 34.

i»9) Dessau hat gezeigt, dass tector eine Charge der Praetorianer ist, Inscr. lat. sei. 2090.

^^^) Die Inschrift ist erst um die Mitte des dritten Jahrhunderts ge- schrieben (vgl. schola speculatorum), stammt also aus einer Zeit, wo Mars der Herrscher im Lager ist. Aber die Lagerterapel der Hauptstadt sind alteren Ursprungs, wie der Jupiter redux der castra peregrina beweist. Denn dieses Lager ist vom Standpunkt der römischen Heeresorganisation eiue ganz künstliche Schöpfung (vgl. Genius castrorum peregrinorum) Hadrians, das in seiner Einrichtung an Vorhandenes sich anschliesst. t'berdies ist auch noch am Ende des dritten Jahrhunderts das Fahnenheiligtum der Praetorianer nicht der Tempel des Mars.

***) Ursprünglich stand Severus Alexander und Mammaea.

48 V. Domaszewski

Domitius Bclssus (centurio) fr{umentariu8) agens vice principis peregrino- rum templum lovt's reducis c{astrorum) p[eregrinorum) omni cidtu de suo eocomavit. Dass Jupiter in den castra peregrina als redux verehrt wurde, beruht auf der Garnison dieses Lagers, die sich bloss aus solchen Sol- daten zusammensetzt, welclie zum Dienste nach Rom aus den Provin- zialarmeen abkommandiert waren ^®*). Der Hauptbestandteil sind die frumentarii. Gerade ihr Dienst forderte, dass sie den grössten Teil ihres Lebens auf Reisen zubrachten **^^).

Nach diesen Analogieen müssen auch die castra der equites singu- lares einen Schutzgott besessen haben.

Der erste Gott dieses Lagers nach den dii militares der Römer ist auf den Altaren Hercules oder vielmehr in diesem Lager gehört er noch zu den dii militares selbst. Ebenso wie dem Jupiter und Mars **^) haben die Veteranen ihm und dem Genius des Kaisers statt all den anderen Göttern einen Altar errichtet.

89 = Henzen ann. 1885, 14 Rom Herculi et genio imp{eratoris). a. 142.

Man wird also annehmen dtirfen, dass in jenen Jahren, wo Her- cules Fortuna und die Suleviae in der Reihe der Götter fehlen, die Veteranen diesen Göttern einen besonderen Altar setzten.

Diese Bedeutung des Hercules als Schutzgott des Lagers giebt anderen Altären der equites singulares erst ihre richtige Bezieiiung.

90 = CIL. VE 224 Rom Herculi invicto et dibus omnibus deabusqiue) sacrum pro salutem imp{eratari8) L. Sept[im%) Severi et M. Aurdio Anto- nino Caesari Aug{usti8) n{08tris) et C. Fulvio Plautiano c{Iari8simo) v{iro)

pr(aefecto) pr(actorio) et tribunis Helio Monimo Trebio Germano exercüa- toribus Hdius Sabinianus Aurd{ius) Titianus Genio t[urmae) Optati ob reditum numeri votis fdicissimis T. Fla{vius) Eespectus, C. Severin[i]u8 VitaliSy Secius GemeUinm Pude(n)8 (h)a8(tüarii)^^^) fecerunt dedicamrU F. Idus luniaa^^^) Laterano et Rufino cos. a. 197.

91 = CIL. VI 226 Rom Herculi iuricto 8ac{rum) Genio num{eri) eq{uifum) 8iug{ularium) Aug{ustorum) n{ostrorum) pr{o) mlute imp{era' forum) Caesarijum) L. Heptimi Severi et M. Aureli Antonini et Getae

Caesaris et luliae Aug{ustae) matri ca8tror{um) et Augiustorum) et Plau-

2"*) Vgl. meine Bemerkungen Marquardt St.-Verw. II* 494 Anm. 10. ^^^) CIL. III 2063 frumentanus qui cucurrit anjm XL. «0*) Henzen a. a. 0. 12 und 13.

*o^) Vgl. 3257. Die 3 hastilarii gehören alle drei dem Stande der Turma an.

208) Über das Datum vgl. S. 37 Inschrift Nr, 54.

Die Religiou des rumischen Heeres.

49

iülae Äug{wftae) et C. Fulci Plaufiani pr{aefecti) pr{aetorio) c{laris»imi) r(i>i) totiusque dämm dieinue et tri{buHis) Occio Valente et Ociavio

Pisoni et (cefiturionibiis) exser{citatoribus) Fl{ano) TitiafW et Äur{eUo) Lupo C. lulius Secundus r€xil{larius) {a)ere mo deo d€d{it). dedicatum id. Sept.*^'*) Serero III et Äntonino Aug{HStis) n{ostrü) cos, a. 202. Den offiziellen Charakter dieser Altäre***®) beweist die Nennang sämtlicher Offiziere, wie auf den Veteranenaltären der Truppe.

Hercules ist als Gott des Sieges entweder allein oder vor allen anderen Göttern genannt, d. h. er ist der Hauptgott des Lagers.

Diese Geltung des Hercules ist schon im dritten Jahrhundert auch in die anderen Lager des Westheeres eingedrungen, auch da, wo. im Heere die germanischen Elemente nicht überwogen *®®). Deshalb ist auf den Münzen des Kaisers Postumus, der zuerst im Westen ein Sonderreich begründet hat, die Prägung mit dem Typus des Hercules ebenso reich als mannigfaltig; Mars hingegen fehlt so gut wie ganz.

Während in Lambaesis die Altäre des Praetoriums dem römischen Heeresgotte Mars und dem Genius castrorum gelten*^®), hat das Lager in Gamuntum unter Julian drei Heiligtümer; in der Mitte den Tempel des Mars, links das Heiligtum des Genius castrorum, rechts den Tempel des Hercules. Seine Statue ist das einzige Marmorwerk von Bedeutung, das je in Camuntum zu Tage gekommen ist**').

Studniczka sagt darüber: „Herculesstatuette aus grobkörnigem weissem Marmor mit gelblicher Patina, H. samt 0,06 h. Plinthe bis zum abge- brochenen Halse 0,70. Arbeit wohl nachhadrianisch, aber ungewöhnlich gut und sorfältig auch auf der Rückseite ausgeführt." Wenn man aber im vierten Jahrhundert ein Marmorwerk älterer Entstehung in diesem Tempel aufzustellen für gut fand, so beweist dies nicht minder für die Bedeutung des Cultes. Ist die Anerkennung des Donar in der Ge- stalt des Hercules so alt im römischen Heere und die Geltung dieses Cultes schon im dritten Jahr-

>^^ Es könnte ein Siegesdatum des Partherkrieges sein. "8) Genau derselben Art waren CK. VI 226. 227. 228. 209) Ygi^ Genius centuriae.

*»«) CIL. VIII 2529. 2530. In Lambaesis ist keine Spur einer Vereh- rung des Hercules erhalten.

2") Abgebildet nach Arch. epigr. Mitt. VIII S. 67.

Wutd. Zeitaohr. f. Qesch. a. Kunst. XIV, I- 4

50 V. Domaszewski

handert auch bei dem Grenzheere des Westens anerkannt, so fällt auf den Namen Herculius, den Maximianus angenommen, ein neues Licht. Denn dann ist die eigentliche Ursache dieser Namengebung die Verehrung des Donar im Westheere, den die Krieger germanischer Herkunft seit Jahrhunderten in Hercules wiedererkannten, und die ganze Zukunft des Westreiches prägt sich darin aus, dass der Herrscher des Westens nach dem deutschen Gotte heisst.

Germanische Gottheiten sind noch die Suleviae der Bataver, die den Stock der equites singulares bilden, die Alaterviae derTungrer:

92 = CiL. Vn 1084 Nether Cramond Matrib{u8) Alaten^s et ma- tribius) campestribius) coh(ors) I Tungr{prum) wHt{ante) lllpift .... [{centurione)] leg{wnü) XX V{alen{ie) V^wtneis).

und die dea Coventina der Cugerni:

93 = Ephem. epigr. HI p. 314 n. 186 Procolitiae Deae Coreii1iti{n)e cohipriis) I Cuhenioruvi Aur{€lim) Campester v€t{erauus).

Die keltischen Gottheiten. Keltischen Ursprungs sind die Camp est res.

94 = CIL. VII 510 vgl. arch. Journal I (1894) S. 299 Condercum Matr{ihuH) trihus Campest r (ihm) et Genio alae H[i]s})anorum Anturum [Pupienae Balbinae] Gordianae T , . . Agrippa praefieHus) templum

a 8ol[o resjtituit,

95 = CIL. III 7904 Sarmizegetusa Eponnh{us) et Campestrih{uii) sacr{um) M. Calrentius Vu'tor {centurio) legi{onvi) IUI F(laviae) f{irmae) exerc{itator) eq{uitum) »ing{ularium) '^*) C. Atndi Nigrini leg{ati) Au- g{usti) pr{o) pr{aetore) v. s. l. m.

96 = CIL. Vi 768 Rom Sulecü et Campestrihus sacrum L. Aemi- lius Quintus (centurio) legiionia) VII geminae rotum solvit laetua lihens dedicavit Villi Je. Septemh, Bradua et Varo cos. a. 160.

Der Centurio ist sicher ein exercitator der equites singulares,

weil nur diese Reiter die Suleviae verehren.

97 = CIL. III 11909 Pföringen Campentiribus) et Eponae ala I sin- giidarium) p{ia) f(idelis) c{ivmm) B{(>manornm) qui praeest Aeliu^ Ba^ia- nus praef(ectus) i\ a. l. hm,

98 = CIL. VII 1029 Bremenium Campestribus cok{ors) I fida Var- diidlorum) [e(]{uitata)

99 == CIL. VII 1080 Newstead Campest r{if ms) sae^rum Ael{iu8) Mar- cm dec{urio) alae Aug{nstae) Vocatitiorum. r. s. l. 1. m,

100 = CIL. VII 1129 Castle-hill Campestvibus et Bnttani{ci.<) Q. Pi- centius lustus praef{ectus) coh{oriis) IUI Gallorum^^^) r. s. 1. 1. m.

«»») Vgl. Seite 31 Anm. 135.

**') Auch die anderen Cohorten, welche die Campestres verehren, CIL. VII 1084. Brambach 1585. 1596, werden equitatae gewesen sein. Hadrian hat den Unterschied des Grenzhecres und der im Innern der Provinzen

Die Religion des römischen Heeres. 51

Alle diese Inschriften stimmen darin überein, dass die Campestres die Scbützgötter der Reiterei der Aoxilia sind. Ihr Eintritt in den Kreis der römischen Heeresgötter ist demnach eine Folge einer tiefeingreifenden Änderung in der Organisation der Auxilia. Die Auxiliarreiterei, wie sie in der Kaiserzeit bestand, ist aber nach ihrer Grandlage eine Schöpfung der Republik. Mit der Zulassung aller Italiker zum Bürgerrecht ver- schwand notwendig die frühere Art der Auxiliarreiterei, die Contingente der föderierten italischen Gemeinden. Einen Ersatz für diese unentbehr- liche Waffe konnte nur in den Provinzen gefunden werden. Die Ent- stehung dieser neuen Art von Auxiliarreitern wird erkennbar an dem Auftreten einer neuen Offiziercharge des praefectus equitum, der den älteren praefectus socium ersetzt*"). Zuerst wird so genannt Fimbria bei Velleius 2, 24, wahrend die Livianische Überlieferung ihn als legatus bezeichnet*'*). Beides ist richtig, weil es im freien Ermessen des Armee- kommandanten liegt, welchen der Offiziere seines Stabes er den Befehl über die Auxiliarreiter übertragen will*'*^). Wo immer wir Schlachtbe- richte aus der letzten Zeit der Republik besitzen, sind die Auxiliarreiter Hispanier oder Gallier *^^). Also nur durch die gallischen Reiter können die Campestres ins Heer gekommen sein, denn den Hispaniern ist der Matronencult fremd.

Das Heiligtum des Exerzierplatzes.

Der Tempel der Inschrift Nr. 94 kann nur im Lager selbst ge- standen haben, weil der Genius der Truppe nur hier verehrt wurde. Er wohnt der Truppe inne und begleitet sie auch ins Feld, aber ausserhalb

stehenden Operationsarmee geschaffen. Das Grenzheer besteht aus den kleineren Körpern, welche alle Waffengattungen vereinigen: die Cohors als schwere Infanterie organisiert (vgl. S. 29 Anm. 124), mit einer Abteilung Reiter, und den numerus als leichte Infanterie, welche der Cohorte zugeteilt ist. Diese liegen an der Grenze selbst, die Legionen und die alae liegen weiter zurück, in Obergermanien hinter dem Rhein. Die einzige Ala, welche das Diplom CIL. III Suppl. No. L nennt, liegt in Mainz, Brambach 985. 1087. In Pannonien und Cappadocien ist das anders; aber die Grenzverteidigung ist nicht nach einer Schablone geordnet.

^^*) Es ist für die Textkritik von Bedeutung, dass die Epitome des Yalerios Maximus den C. Titius richtig praefectus sociorum nennt, der voll- ständige Text dagegen fälschlich equitum praefectus, Val. Max. II, 7, 9.

*«*) Linus per. 82. Gros. 6, 2, 9. Aurel. Victor de vir. ill. 70. Dio fr. 104 Dind. i<7ro<rrvar i/yog. Strabo 13 p. 624 macht ihn zum zafiiag, Appian Mith. 52 zum idimTrjg, was insofern richtiger ist, als Fimbria kein imperium hatte«

*"«) Plutarch Antonius 1.

'") Vgl. Plutarch Crassus 25. Appian b. c. 2, 42. Plutarch Antonius 57.

4*

52 V. Domaszewski

des Lagers hat er keine dauernde Stätte der Verehrung. Diejenigen Inschriften, welche durch den militärischen Grad der Dedicanten für die Bedeutung der Gottheiten beweisend sind, rühren von den Exerziermeistern her Nr. und 96. Demnach heissen die Campestres nach dem Cam- pus, dem Exerzierfelde, und dort hat der Tempel gestanden, dessen einzige Gottheit die Campestres sind. Bei der Bürgertruppe tritt an ihre Stelle Mars Campester. Die gallischen Matronae sind römisch benannt worden nach der Stelle ihrer Verehrung im Lager und gerade durch diese Taufe ist es bezeichnet, dass sie rechtsfähig geworden sind in der

Religion des Heeres.

Epona. Epona verehren auch die Bürgertruppen.

101 = CIL. III 3420 Aquincum Epone Aug^mtae) Apuleiuü Jammrius eq{ue.s) leg{ionis) II addutricis) p{iae) /{idelis) r. .<. /. iw.

Sie ist also nationalrömischen Ursprungs und ihre gemeinsame Ver- ehrung mit den Göttinnen der Reiterei Nr. 95 und 97 beruht auf ihrer religiösen Bedeutung als Göttin des Stalles.

Dea Suria.

Die nationale Zusammensetzung bewahrten unter den Auxilia der Kaiserzeit auch die im Orient gebildeten Schützen, weil die Kunst des Bogenschiessens bei diesen Völkern heimisch war. Von einer dieser Truppen ist uns der Cultaltar der Schutzgottheit erhalten.

102 -= CIL. VII 758 Magnae *") Deae Suriae »tth Calpurmo Agrieola leg{ato) Aug{usii) pr{o) pr{aetore) A. Licimua Clemens prae/{ecius) co- h{orfis) I Hamior[um]. a. 162.

Die Nennung des Statthalters ist ein sicheres Kennzeichen des Cult- altars***). Geschrieben ist der Altar in einer Zeit, wo die Culte des Heeres noch durchaus römisch sind^*^). Es kann deshalb nur auf der Besonderheit der Organisation der Truppe beruhen, dass sie die Dea Suria im Fahnenheiligtum verehren. Demnach ist die Heimat dieser unbe- kannten Hamii, die sicher Schützen *^^) waren, der Orient. Illyrisch-thrakische Götter.

In dem Götterverein der equites singularas ist Epona von den Campestres, zu welchen sie begrifflich gehört, losgerissen durch eine neue Trias: Silvanus, Apollo, Diana.

^^^) Aus demselben Orte stammt das bekannte Gedicht CIL. VII 759. 21«) Vgl. das Recht der Heeresreligion. 220J Vgl. orientalische Culte.

"1) Schon im Jahre 124 nennt das Diplom CIL. III Suppl. n. XLIII die cohors Hamiorum sagittariorum in Brittanien.

Die Religion des römischen Heeres. 53

Was Silvanus, Apollo und Diana im römischen Heere sollen, wäre gänzlich unerfindlich, wenn nicht die Herkunft der equites singulares auch hier die Lösung brächte. Die ecjuites singulares rekrutieren sich nicht nur aus Germanen, sondern auch aus den Bewohnern der Balkan- halbinsel ***). Deshalb sagt eine ihrer Inschriften **^) scheinbar sinnlos : Batavi sive Thraces adlecti ex provincia Germania inferiori.

Wir wissen aber, dass Silvanus in lUyricum die römische Bezeich- nung für den Landesgott ist. Die Griechen sind es, die den lUyriern das Bild des Gottes geschaffen haben, und so trägt der Gott, der in dem Schatten der Urwälder Dalmatiens wohnt, die Ztlge des griechischen Pan***). Apollo und Diana sind die Hauptgötter der Westthraker '*^). Nur in diesem Gebiete und vereinzelt bei den stammverwandten angren- zenden Völkern der Moeser und Daker heisst Diana regina und geht auf den Altären Apollo sogar voran **^).

Aber Silvanus, Apollo und Diana sind im römischen Lager so gut zu römischen Göttern geworden wie Hercules und Mercurius. 103 = CIL. VI 3712 Rom Silrano sacr{um) et Gen{i6) et^uiUim) sin- ff{ularium) Aug{ust{) M. Uljnus Friuius aeditumus signum cum base d(oHo) d{edit).

Vgl. Taf. II Fig. 2 *^^*). Da Silvanus hier mit dem Genius der equites singulares verbunden ist, so muss das Relief als Cultbild des Gottes aus einem Heiligtum des Lagers selbst stammen. Für welches

*") Mommsen, Ephem. epigr. V p. 188 ff.

"») Annal dell. Inst. 1885 Nr. 25.

*2*) Das hat R. v. Schneider gezeigt: arch. epigr. Mitt. IX S. 35 ff. Dieser Silvanus ist auch gemeint auf den Altären von Topusko S. 22 No. 20.

2**) Auch die cohors Hemesenorum verehrt eine Diana CIL. III 10304 . [Di]anae Äu{f{ustae) [p]ro salute d(omini) n{08tri) [i]mp{eratori8) Al€xan[dr]i Atufiusti) vetierani) [co]h{orti8) (müiariae) Heme[se]norum [v.] «. l m. Aber dieser Altar stammt aus einer Zeit, wo die orientalischen Culte unter dem Einflüsse der Dynastie ins Heer dringen, so dass ^s ganz unklar ist, welche Gottheit die Truppe, die damals ganz aus Hemesenern bestand (CIL. III 10318), sidh bei diesem Namen dachte. Auch die Beziehung von Brambach 1600. 1751 es sind beides Altäre von nnmeri, vgl. Seite 46 ist unklar.

2") CIL. III 7447. 12370. 12371. 12373. Diese Denkmäler stammen alle ans der civitas Montanensinm, aber es ist dies der einzige, auf romani- siertem Boden gelegene Ort der Westthraker, dessen Inschriften einiger- massen bekannt sind. Vgl. auch Dumont Mölanges p. 509. Aus Dacien und Moesien: Diana regina CIL. HI 1003. 6160, aus Dacien: Dianae et Apol- lini III 8023.

3s«a) Die Abbildung ist entnommen Bull, della comm. arch. di Roma TL Tav. XIX.

54 V. Domaszewski

der vielen Heiligtümer, die jedes Lager umschloss, das Bild bestimmt war, lässt die Inschrift nicht erkennen.

Bie Xiandeis^ötter.

Dacien: Liber.

104 = CIL. III 1092 Apulum Libero patri sacrum pro salute im- p{eratori8) Caes{aris) M, Aur{eli) Commodi Antonini Äugiiisti) pii p{atris) piatriae) L. CaUisim L. f. Velina Secxindm Fakrione p{rimiui) p{ilus) legiionis) XIII g{eminae) d(ono) d{edit) stib Vespronio [Can]dido co{n)8(tilare) dedic{ante) CjaereUio Sa[b]i[n]o l[€g(ato)]. a. 183/5.

Dieser Gott, dessen Altar im Fahnenheüigtume der Hauptstadt Daciens stand, ist dem Heere gänzlich fremd. Wie es kam, dass unter Commodus Liber an der ersten Gultstelle des dacischen Lagers einen Platz der Verehrung erhielt, lehrt die Geschichte des Heeres. Es ist dies eine Wirkung der lokalen Conscription, die Hadrian fdr die Legion begründet hatte ^*'). Als dieser Altar errichtet wurde, bestand die Legion von Apulum seit langem ausschliesslich aus Dakern. So tritt hier dasselbe Prinzip in Wirksamkeit, das die Culte der Auxilia von Anfang an bestimmt hatte. Liber ist der römische Name für den Hauptgott der Daker. In keiner Provinz ist der Cult des Liber und der Libera so weit verbreitet als in Dacien**®), und die Reliefs lassen erkennen, dass eigentümliche Vorstellungen mit dem gewohnten Bilde des griechischen Dionysus verschmolzen waren. Vgl. Taf. III Fig. 4 **').

Das Gebiet der Provinz Moesia inferior erstreckt sich über den ganzen Süden des von den Dakem bewohnten Landes **°). So hat der Gott der Daker auch in Novae, dem Hauptquartier der Provinz, Auf- nahme gefunden und wurde im Fahnenheiligtum der legio I Italica verehrt.

105 = CIL. III 750 (cf. p. 992) Novae Libero patri C. lulius Caria- nu8 p{rimH8) j>(i7m«) leg{ionis) I Ital{icae) ex egiuite) Romano.

Auch in Unterpannonien, wo Liber dieselbe Göttergestalt ist wie in Dacien*^*), ist er im Fahnenheüigtume nachzuweisen.

^") Erst damals ist das Princip geworden. Vgl. Die Fahnen S. 31, Anm. 1.

"8) CIL. III 792. 896. 930. 1065. 1091. 1093. 1094. 1261. 1303. 1355. 1411. 1548. 7682. 7683. 7684. 7765. 7916. 7917. 12572.

^'') Relief in Thorda, im Besitz des Photographen Botar. Ein gleich- artiges Relief aus Surduk (Niederpannonien) ist in Wien. R. v. Schneider teilt mir mit, dass er in dacischen Museen noch 8 weitere Reliefs dieser Gat- tung aufgefunden hat.

"0) Arch. epigr. Mitt. XIII S. 137.

"^) Vgl. Anm. 229.

Die Religion des rümisclien Heeres. 55

106 = CIL. m 3464 Aquiticum Libero Aug{tisio) C. aodius Satur- ninus p{rimus) p{äiis) leg{ionis) II adüutrkis) p{i4i€) f{idel%s),

Pannonien: Sedatas, Trasitns.

107 = CIL. III 11929 Pfünz Sedato scbcrum coh{ors) I Br{€ucorum) ex r{oto) s(olnt) l{ibenti) c{otHm) so(lutum) c(uram) a{gente) Iid{io) Maximo dec{nrione).

Die in Raetien stationierte Cohorte der Breucer war ursprünglich in Südpannonien formiert worden. Dass Sedatus ein pannonischer Gott ist, zeigen zwei andere Altäre, die in Pannonien selbst gefunden wurden ***).

108 = CIL. III 10355"«) Aquincum Sedato Aug{usto) sacrum Fublius Ael{ius) Crescens tnagister coH{egi%) centonariorum «?. s, L ?«. Faustino et Rufino cos, a. 210.

Wenn hier die Feuerwehr ***) der Hauptstadt von Niederpannonien Sedatus als Schutzgott verehrt, so wiederholt sich dies in Ratiaria in Obermoesien.

109 = CIL. m 8086 Ratiaria Sedato Aug{ii8to) pro sal{ut€) Severi et Antonini Aug{ustorum) et Genio coU{egi) fabr{um) Q. Aelius Anto- nimuf dec{iirio) primus büiellarius), tnagister coU{egi) 8{upra) s{€r%pii) d{ono) d{edit).

Die eigentümliche Erscheinung, dass die Feuerwehr von Ratiaria den Schutzgott der Pannonischen Feuerwehr entlehnt, legt den Gedanken nahe, dass Yulcanus und Sedatus den Römern wesensgleich waren. So wird es erst verständlich, wie es kommt, dass Yulcanus, den im ganzen Heere kaum einer der zahllosen Yotivsteine einzelner Soldaten nennt, in Pannonien der Schutzgott einer Auxiliarcohorte

110 = CIL. III 3646 Cirpi Vokano Aug{mto) sacrum co?i{ors) II Alp(tnorum) eg{uitata) cui praest A. Plautim Fah{id) Bassianm Roma pra(efectu8)

und der Canabenses des Lagers von Aquincum ist.

111 = CIL. III 3505 Aquincum Volcano sacrum cet(erani) et c{ives) R{otnani) co{tt)8{i8tentes) ad leg{ionem) II ad{iutri€em) curam agentib{us) Va!{erio) Respecto et IJtedio Max[i]m[i\no ma[(ß{i8tri8)'\.

Also auch Sedatus ist im römischen Heer zum Römer geworden.

Trasitus.

112 = CIL. HI 10963 Totis Trasito.

113 = CIL. III 4444 cf. 11092 Carnuntum Trasito G, Cas{sius) Apro- nianus c{ustos) a(rmorum) in ho{norem) col{legii) [ü.] s. L l. m.

'3-2) CIL. III 3922 belehrt nur durch den Fundort.

^33) Der Stein stammt gewiss ebenso wie 10336 aus Aquincum; auch 10334 ist, wie 10377 zeigt, aus Aquincum verschleppt.

^^*) Dass diese collegia Feuerwehren sind, hat Hirschfeld Sitzungsb. d. Wiener Akad. 107 S. 239 f. gezeigt.

56 V. Domaszewski

Es ist ein Heeresgott, weil No. 113 aus der schola der armorum custodes stammt. Nach dem Fundorte von No. 112 kann er der Gott der Azali*^*) sein.

Britannien: Cocidius.

Ein Heeresgott des nördlichen Britanniens ist Cocidius. Die Altäre wurden ihm errichtet von den Vexillationen aller Legionen, welche am Neubaue des südlichen Walles unter Septimius Severus beschäftigt waren ***), von der Gesamtheit einer Cohorte **') und den Praefekten der Cohorten *^®). Für seine AuflFassung als Heeresgott ist entscheidend, dass er mit Mars*^^) geglichen wird.

Die typische Gleichung der Landesgötter mit bestimmten Gestalten der römisch-griechischen Götterwelt kann nicht erst eingetreten sein, als jene Culte im Heere Aufnahme fanden, sondern muss in weit frühere Zeiten zurückreichen, weil sie entstanden ist unter dem überwältigenden Einfluss der Cultur des herrschenden Volkes. So erscheinen denn die Schutzgötter der Donauländer schon auf einem Relief des Beneventer- Bogens, das an der Attica der Aussenseite, links von der Inschrift, also an hervorragendster Stelle steht, vgl. Taf. V Fig. 3 **®). Erhalten sind Liber und Libera, Diana Regina und Silvanus. Ihnen gegenüber ist der Kaiser mit seinem Gefolge zu denken. Nicht als der Besieger, sondern als der Beglücker der Donauländer hat der Künstler den princeps optimus gefasst, nachdem die Leiden des Krieges unter den Segnungen seiner Regierung getilgt waren. Das zweite Relief rechts von der In- schrift, vgl. Taf. V Fig. 1^^*), kann nur eine That verherrlichen, die ein würdiges Gegenstück zu dem Vorgang des ersten Relief bildet. Auch hier hat der Künstler klar gesprochen. Zwischen zwei Sti-ömen stehend nimmt der Kaiser die Huldigung einer besiegten Provinz entgegen. Den Kaiser und die besiegte Provinz zwischen dem Euphi-at und Tigris

"») Forbiger IH S. 338.

"«) CIL. VII 644. 800. 801. 802. 876. 914.

2") CIL. VU 803.

"8) CIL. Vn 701. 953. 974.

"») CIL. VII 286. 643. 886. 914. 977.

**°) Meomartini, I manumenti e le opere (Varte della citUi di Benevento 1889 tav. XXVII, Vgl. Petersen, röm. Mitt. 1892 S. 241 f. Die Fig. 1, 2, 3 auf Tafel V sind hergestellt nach Photograph ieen des Photographen Pensa in Benevent.

"1) Meomartini tav. XXVI, Petersen a. a. 0. p. 242. Die Inschrift des Beneventer Bogens CIL. IX 1558 ist aus dem Jahre 114 n. Chr. Die Unterwerfung Mesopotamiens ist also noch ins Jahr 114 zu setzen.

Die Religion des römischen Heeres. 57

stehend, stellen die Mtlnzen dar, welche die Erobemng Mesopotamiens feiern. Nichts anderes verherrlicht der Beneventer Bogen. Hier trägt der römisch gewordene Euphrat die Brücke, welche Mesopotamien an das Reich fesselt; der Grenzstrom Tigris ergiesst frei seine Gewässer.

Die Reception dieser peregrinen Gottheiten hatte sich auf der historischen und rechtlichen Grundlage der römischen Heeresbildung voll- zogen. Indem die Götter in römischer Gestalt verehrt wurden, haben die Culte die Unterthanen dem herrschenden Volke genähert, ohne den nationalrömischen Charakter des Staates und der Religion zu gefährden.

Anders ist die Entwicklung der orientalischen Culte im Heere.

Orientalisohe Cnlte.

In dem Werke der Wiederherstellung des römischen Staates bildete für Augustus die Neubelebung der nationalen Religion eine der wesent- lichsten Aufgaben. So lange seine politische Schöpfung gedauert, hat auch seine Auffassung der Staatsreligion unbedingt geherrscht. Erst als die national-römische Form des Staates unter den bewussten An- griffen der regierenden Kreise selbst ins Wanken gerät, da lockerte sich auch die Geschlossenheit der nationalen Religion.

Augustus Gedanke, dass diese Art Superstition am wirksamsten

durch die stillschweigende Verachtung, die jedes römischen Mannes

Pflicht sei, eingedämmt werde***), hat in der Periode des Principats

die Haltung der Regierung bestimmt. Noch gegen das Ende dieser

Zeit hat Antoninus Pius der reinen Pflege römischen Glaubens seine

Aufmerksamkeit zugewandt.

114 = CIL. VI 1001 Rom S{enaM) p{opulu8)q{u€) B(omanu8) Imp{e-

ratori) Caesari T, Ädio Hadriano Antonino Äug{usto) Pio p{atri) p(atria€)

pantißici) max(mo) trib{unicia) pot{estaJte) VI co(n)s[ul%) III optima

maximo^ue) prindpi et cum sumTna benignücUe iustissimo ob insignem ergo

caerimonias puhlicm curam ac rdigionem.

Dies bestätigt die von Interpolationen der Spätzeit ganz freie

Vita des Kaisers 13, 4: et qui rite comparetur Numae, cuius felici'-

totem pietatemque et securitatem caerimoniasqne semper obtinuit^ und er-

^*^) Sueton, Aug. 93: Peregrinariim caerimoniarum sicut veteres ac praeceptas reverentissime eoluit, ita ceteras contemptai habnit. Namque Athenis initiatus, cum postea Romue pro tribunali de privUegio siwerdotum Atticae Cereris cognosceret et quaedam secretiora proponerentur, dimisso coimlio et Corona circumstantium solus audiit disceptantes. At contra non modo in peragranda Aegypto paido deflectere ad visendum Apin su2)ers€dit, sed et Gttium nepotem, quod ludaeam praetercehens apud Hierosolytna non auppli- casset, conlaudavit

58 V. Domaszewski

lautern die Münzen **^). Wie endlich Kaiser Marcus von der Deisidai- monie des Orientes dachte, lehren seine Selbstgespräche.

Die einzige rechtliche Basis für die Ausbreitung orientalischer Culte lag in den national organisierten Truppenkörpem des Ostens. Aber gerade hier lässt es sich zeigen, dass ihr Glaube gar keine Wir- kung geübt hat. Jene Dea Suria der Hamii bleibt in Britannien gänz- lich unbekannt*^*). Im Lager sind diese Culte ebenso undenkbar, als sie unvereinbar sind mit dem Weichbild einer römischen Stadt **^). Wenn sie dennoch allmählich in der Nähe der römischen Lager sich einnisteten, so hat dies seine Ursache in besonderen Eigentümlichkeiten der Organisation des Heeres. Die Centurionen der Legionen dienen grundsätzlich während ihrer Laufbahn in allen Teilen des Reiches, so dass derselbe Mann aus dem Occident in den Orient und wieder zurück in den Occident gelangte. Sie sind die Träger des fremden Samens**^).

115 = CIL. III 4418 . Camuntum Inmcto Mithre C. Saddius Barbarus (centuriO) Ieg(ioni8) XV ApoHlinaris) ex voto ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! **').

116 = CIL. VII 506 Conderum l{ovi) o{ptimo) [m(aximo) I}olic]heno numini[b]us Attgiusti) pro salute imp{eratoria) Caesaris T. Ädi Hadr{iani) Antonini Augutti Pii p{atri8) p((Uriae) et leg(ioni8) II Aug(u8ti) M, Li- humms Fronto {centurio) leg{ionis) eiusdem v. s. l. m.

117 = Brambach 1584 Köngen Soli invicto Mithrae sacrum P. Nas[(d]' lius Pr[oc]linu8 [(centurio)] leg{ionis) VIII Augiustae) v. s. l. m. a. 148 '**).

118 = CIL. VIII 2627 Larabaesis lovi o(ptimo) m(aximo) Hdiopoli' tano C. Itäius Vcüerianus (centurio) leg(ionis) III Aug(ustae) XVI Flia- viae) f(irmae) bis IUI Scyt(kicae) bis pro salute sua ^ Liciniae Aguüinae uxor(is) suae et luli Proculi (centurionis) leg(ioni8) V Mac(edomcae) et III G(ü(licae) et XXII Primig(eniae) fratris sui et Variae Aquäinae uxoris eins et luHae Aquüinae ß(iae) eorum posuit^*^),

119 = CIL. Vni 2638 Lambaesis lovi optimo maximo HdiopoHtano sanctissimo sacrum P. Seim P. /. Arn(iensi) Bufas Teate Mfirrucinorum praef(ectu8) leg(ionis) III Aug(ustae)^^^).

2") Eckhel d. n. VII p. 29.

'^**) Die einzige Inschrift dieser Göttin, die ausserhalb dieses Lagers gefunden wurde, CIL. VII 272, ist überdies sicher falsch gelesen, weil sie keinen Sinn giebt.

^*^) In Rom liegen die Cultstätten ausserhalb des Pomoeriums.

^*^) Ich habe auch den Mithrascult hereingezogen wegen seiner orien- talischen Herkunft, obwohl seine rechtliche Stellung eine völlig andere ist

^*^) Über die Zeit vgl. S. 25. Eradiert ist vielleicht ein Consulat Domitians.

2") cf. Brambach 1590.

'^*^) Die Inschrift dürfte noch aus dem zweiten Jahrhundert sein.

2^<)) Dem zweiten Jahrhundert gehört auch die Inschrift CIL. III 356ö

Die Religion des römischen Heeres. 59

Die Steine sind wahrscheinlich entstanden aufgrund der GeMbde, welche diese Offiziere im Orient gethan und nach ihrer Versetzung und Beförderung im Abendland gelöst haben. Erkennbar wird der Einfluss dieser Culte in der Nähe der Lager erst unter Commodus,

120 = CIL. III Uli Apulum Soli invicto aedem restäutt C. Caerdlius Sahinus legiatus) Aug{u8ti) leg{ioms) XIII Geminae. a. 183/185,

wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass die römische Cultur Daciens zum Teile auf orientalischer Colonisation erw^achsen war***).

Besonders lehrreich ist das Dolichenusheiligtum in Carnuntum. Es lag ausserhalb des Territoriums der Legion; die Dedicanten sind, so weit ihr Stand erkennbar ist, Centurionen, die datierten Inschriften sind ans der Zeit des Commodus ***»).

Die geltende Anschauung, dass die orientalischen Culte im Abend- lande zur Zeit der Antonine allgemein verbreitet gewesen wären, hat in den Urkunden wenigstens nicht die geringste Stütze^**).

Wenn aber unter Septimius Sevenis diese Culte überall ans Tages- licht treten und unter der Dynastie von Emesa auch die römische Re- ligion des Heeres zu überwältigen drohen, so ist es der Einfluss der Regiei-ung gewesen, welche diese Entwicklung befördert, wo sie sie nicht ins Leben rief.

Von den beiden merkwürdigen Dolichenusreliefs (vgl. Taf. IUI

an, welche einen praefectus legioofs nennt. Ebenso war Gavius Maximus der praefectus praetorio des Antoninas Pius, unter Hadrian praefectus legionis, CIL. ni 5328. Also kann der Titel unmöglich wie Wilmanns wollte, Ephem. epigr. 1 p. 81 £f. an Stelle des Titels praefectus castrorum legionis getreten sein, der noch unter Septimius Severus vorkommt, Brambach 481 (a. 201). Vielmehr ist praefectus legionis eine verkürzte Ausdrucksweise, die seit Hadrian üblich wird. Denn Tacitus kennt sie noch nicht.

'*0 ^S^- ^'L- ^^^ P- ^^^' Lambaesis ist der Dolichenuscultus so alt als das Lager CIL. YIII 18221 und wahrscheinlich auch der Cult der Isis und des Serapis C. VIII 2630, a. 155 wird der Tempel erweitert Aber Nu- midia gehört nach der Organisation dem Orient an. Dies zeigen die Steine der nach Born abkommandierten Frumentarii, Ephem. epigr. IV p. 455 if., die einen einzigen frumentarius leg. III Aug. nennen (n. 16) und die Ergänzung der orientalischen Legionen aus Soldaten der legio III Augusta CIL. VIII 18042 Ab. Es entspricht dies nur der historischen Stellung der Landschaft.

2"*) Arcb. epigr. Mitt. XVI S. 42 ff. und CIL. III S. 11129 flf.

2»i^ Wer die Mithrasinschriften, wie sie Cumont jetzt gesammelt hat, durchsieht, erkennt auf den ersten Blick, dass fast alle, welche für den Glauben freigeborener Leute beweisen können, dem 3. Jahrhundert angehören.

60 V. Domaszewski

Fig. 1 und 2) ist das eine (la und b) zu Kömlöd in Niederpannonien *^^) gefunden und trägt die Inschrift:

121 = CIL. III 3316 -- Kömlöd lovi Dukheno P. Äel{ius) Lucüius (centurio) coh(or^) I Älp{inorum) €q{uüatae).

122 Das andere verstümmelte stammt aus Traisenmauer in Noricam^'*,^

Das Relief der Rückseite B war in dem Relief der Vordei*seite A durch einen Falz befestigt. Auf dem Relief 121 wird Dolichenus von Victoria begränzt, Hercules und Minerva erscheinen zu seinen Füssen. Auf der Rückseite ist Dolichenus im Besitze des Fahnenheiligtums.

Auf dem Relief 122 ist der untere Teil der Vorderseite dahin zu ergänzen, dass in dem untersten Reliefstreifen der Gott in der Aedicula stehend dargestellt war, während auf der Rückseite Mars gebildet ist. Dolichenus ist also an Stelle des Jupiter optimus maximus als Gott des Lagers getreten und dies sind die Altarbilder selbst '^^).

Beide Truppenkörper haben mit dem Orient nicht den geringsten Zusammenhang, so dass der Geschmack für den Religionswechsel nicht spontan bei ihnen ei-\N'acht sein kann. Vielmehr sind diese Cultaltäre in ihrer völlig gleichen Arbeit auf Befehl der Regierang entstanden, welche das Heer mit dem neuen Glauben beschenkte. Wer in dieser Weise an dem römischen Geiste des Heeres gefrevelt hat, ist bekannt, es ist Elagabal.

Der Gott dieses Kaisers ist auf einem Altare der Legionen genannt.

123 == CIL. III 4300 Brigetio Deo Soli Alagabdl Ammudati mäiües) leg{ioni8) I odyiutricia) bis p{iae) f(iddis) constiantis) . . .

Wie der Altar der Victoria aeterna Elagabals (Nr. 56) ist auch dieser von den Soldaten gesetzt, nicht vom primus pilus. Welcher Zeit dieser Altar angehört, bestimmt die Nennung des Gottes, dessen Vereh- rung mit den Hohenpriestern von Emesa selbst gestorben sein muss *^^). Herodian berichtet 5, 5, 7 : Ttpcaexa^e xe Tiavia^ zobq Twjiatwv ap-

2") In Pest. Desjardius- Romer Taf. V. VI. Hiernach abgebildet auf unserer Taf. IUI als Fig. la und b.

2^^) In Wien. Das Publikationsrecht des Denkmals verdanke ich der einzigen Liberalität des Vorstandes der Sammlung R. v. Schneider. Nach einer von ihm mitgeteilten Photographie abgeb. auf Taf. HII als Fig. 2a, b, c.

^**) Der centurio Nr. 121 ist also der centurio princeps, der die Auf- sicht über das Fahnenheiligtum hat. Vgl. S. 28.

^^^) Schon die unauslöschliche Schande, die sich an diesen Gott knüpfte, gestattet keinem späteren Kaiser, sein Andenken wieder zu beleben. Dass die damnatio memoriae auch den Gott traf, zeigt die Erasion des Priestertitels sacerdos amplissimus dei invicti Solls Elagabali, z. B. Inschrift No. 13.

Die Religion des römischen Heeres.

61

Xovxo^, xaJ ei xtve; Srjfioofa; 9v<jI(x^ iTctieXoöat, izpb xöv äXX(ov S'eöv, oö; Si] xoXoöacv EepoupyoOvieg, övo|i(iv^etv xöv v£ov -S-söv 'EXayaßaXov, und in der offiziellen Titulatur des Kaisers geht sacerdos amplissimus dei invicti Solls Elagabali dem pontifex maxiraus voran. Deshalb kann ich in Nr. 123 nur den Hauptaltar des Fahnenheiligtums erkennen. Ist Elagabal der Hauptgott, so erklärt dies wieder die Form der Altar- bilder 121. 122. Es ist eine Nachahmung des kegelförmigen Meteoriten, und die Streifen, in welche das Relief zerfällt, sind die Nachahmungen des Gewebes des Tuches, das den Stein umhüllte, wenn auch der Relief- schmuck auf den Bronzetafeln den Zwecken des Lagercultes angepasst sein wird.

Dargestellt ist die Umhüllung auf den Münzen des Praetendenten Uranius Antoninus ^^') und angedeutet auf den Münzen Elagabals.

Als Elagabal an dem Orte sein Grab gefunden, für den er ge- boren war, erkannte der neue Regent Roms, Mamaea, die Notwendig- keit einzulenken und entschloss sich, wenn auch zögernd, die alte Religion im Heere herzustellen. So ist im Jahre 224 der Altar Nr. 14 ent- standen und vielleicht um dieselbe Zeit Nr. 32.

Aber die orientalischen Culte behaupten sich im Heere, weil die Verleihung des Bürgerrechts an alle Nationen des Reiches sie alle mit einem Schlage rechtsfähig gemacht, vorausgesetzt, dass die Regierung die Einreihung eines solchen Cultes in die Heeresreligion verfügte. Die Dynastie, welche aus einem Weibe und einem Kinde bestand, also zur Herrschaft nach römischer Anschauung nicht berechtigt war, hat aber die Ausbreitung dieser Culte im eigensten Interesse nur befördert.

2") Auf den Münzen Cohen IV p. 325 No. 15. 19, p. 349 No. 366 erscheint auf dem Conus (vgl. Herodian 5, 3, 5) ein Adler, der notwendig ein Schmnck des göttlichen Steines sein muss, ebeLSo wie im oberston Streifen der Reliefs ein Adler sitzt. Die obigen Abbildungen stellen dar ein Bronze- medaillon Elagabals nach Cohen 2. Aufl. Nr. 19 und einen Aureus des Ura- nius nach Cohen 2. Aufl. No. 1.

62 V. ßomaszewski

Durch eine Laune des Zufalls ist es gekommen, dass bedeutende Rest« des Praetoriums von Mainz in einer Mauer begraben liegen, welche mit der im Jahre 1200 n. Chr. erbauten identisch sein dürfte. Vgl. Lehne bei Brambach No. 1033 (= 65.)

Dieser Fundstelle entstammen Nr. 41. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 73. 74, ausserdem folgende Steine:

124 = Brambach 975 Mainz Miner vae Fortunae reduci et Genio huius loci ceterisque diu deahusque imm[ortalihm]

125 = Brambach 976 Mainz In h{onorem) d{omus) d{ivinae) Larihuti sira{torHm) co{n)s{ularw) leyimnis) XXII p{rhmgenme) p(me) f{ideJis) reter[a]ni m{i8si) h(onestd) m{i,mone)

126 = Brambach 978 Mainz leg{io) XIIII ge{mina) M{artia) r(«Wrtr) {ceniuria) C. Senti^^^).

127 = Keller, Nachtrag II n. 50b Mainz in h{onorem d{omu.si) r/(/ri- nae) deo Mer[curio], . . .

128 = Westd. Zeitschr. XI S. 296 Mainz [luliae Augustae] Caelesti deae [m<itri imperaio]ris Cacsaris [M. Aureli Anton^ini pii felicii^ [Au- guHti Par1h]ici maximi [Britannici maxi]mi Germanici [maximi ei matr]i ftenatus putri[ae item castror]nm in honorem [legioni^ XXII A]ntam- nianae pr{imigeniae) [2)(i<ie) flidelia lut Qnirina An iana . . .

129 = Westd. Zeitschr. XI S. 315 Mainz n{eo) invi[cto Soli] iinp{e- ratori) Cae[s{ari) M. Aure\lio Anto[nino] pio feUc[i Augus]fo Parth[ico majc{im€)] Britanni{co pont]ifki max{imo) tnb{unici€a) j){otesfate) . . . co{n)s{Hl)i IUI p{atrt) [2}{atria€) proco{n)s(HU)] Q. lunius [. . f. Quin- tia{nuH leg{atus)] eins pr{o) [pr{aetore) Germa]niae su[periori8] devo- ti[s8imtift] numin[i eim di[cati8fn]mi4^qHe.

In der ganzen Reihe dieser Steine ist, mit Ausnahme des Baur Steines (Nr. 126) keiner, der nicht aus einem Heiligtume stammt, so dass folgendes Fragment ebenfalls von einem Altare herrührt.

130 = Keller, Nachtrag II 236 f. Mainz . . . leg. XXII 2>]r(imi'

v% n r

^L- FI L- HIP PI

SA D Y A N / A U C Y B I R A

'^^) Dass ein Baustein aus flavischer Zeit in dieser Masse liegt, beweist, dass auch das Praetorium damals umgebaut wurde.. Die zahlreichen Bau- steine dieser Legion und der I adiutrix führen auf einen vollständigen Umbau des Lagers. Mainz ist während des batavischen Aufstandes nicht genommen worden (Tac. h. IV 61), geriet aber in harte Bedrängnis (Tacit. h. IV, 37). Wahrscheinlich war das Lager wie das in gleicher Zeit entstandene Vetera ohne Rücksicht auf die Möglichkeit einer feindlichen Belagerung angelegt (Tac. h IV 23),' so dass eine Erneuerung der Befestigungen notwendig wurde.

Die Religion des rumischen Heeres. 63

geniae) p{iae] /[idelw) . , . , L. fil{iufi) Hippi .... C]adi/an[d]a ^

. . . , a Cyhira.

Orientalischen Göttern sind geweiht: Nr. 66 dem Sabasius und Nr. 130, weil diese Städte auf einen orientalischen Cult schliessen lassen *®®), wahrscheinlich auch Nr. 70. Wenigstens für Isca in Bri- tannien wissen wir, dass auch hier dieselbe Bereicherung des Fahnenheilig- tums unter Severus Alexander eintrat.

131 = CIL. VII, 104 erkennbar ist noch das Jahr der Weihung 284 "*).

Und aus der Schola der signiferi zu Bonn stammt

132 = Brainbach 151 Bonn In h{onorem) d{omus) d{innae) pro salute im{j>eratoris) Severi Alexandri Au(j{mii) Deo Apollini Byspro Luinae) Soliique) . . militefi l€g{ioni.s) XXX UQinae) V{ictncia p{iae) f{idelis) mth aira agente T. FQavü) Apri Commodiani leg{ati) Aug{usti) p{ro) ]}(raetore) et Cannuti Modesfi leg{ati) legiionis)^ es folgt 1 imaginifer und 5 candidati r. ». L m. Maximo ii{erum) et Aeliano cos. a. 223.

Die Beinamen der Soldaten sind thrakisch, aber dennoch kann der Gott ein Orientale sein, wie seine Begleiter zeigen.

Die Frauenhand Mamaeas ist in dieser sanften Beeinflussung er- erkennbar. Aber die Rekruten der Germanen^ welche ihre nationale Religion selbst unter dem Principat bewahrten, haben in Mainz Mutter and Sohn beseitigt *^'). Und endlich hat das Heer wenigstens im Westen den orientalischen Spuk den orientalischen Herrschern ins Grab nach- gesandt.

>^9) Der Buchstabe zwischen X und A kann nur I oder eine Ligatur ▼on BDP mit N gewesen sein. Da Cybira im südlichen Phrygien unweit der karischen Grenze liegt, Hippus in Carla selbst (Mela, I, 177, 1 und Plinius 5, 29, wo Hippini zu lesen ist), so wird die Endung wie in Alabanda, Lab- randa, Caryanda, Laranda zu ergänzen sein und die Stadt ist Cadyanda, Benndorf, Reisen in Lykien H S. 238.

2*0) Die Schrift stimmt völlig Überein mit den Altären des dritten Jahr- hunderts, die aus demselben Funde stammen. Es scheint, dass in Zeile 2 das Cognomen dem L. fil(iu8) voranging.

*«^) Die Vorderseite Eph. epigr. III p. 197 ist bis auf das P der letzten Zeile, das p(rimu8) [p(ilus)] bedeuten wird, unverständlich.

'*') Herodian 6, 8, 2. Der Alexander Mamaeae ist niemals ein Mann geworden. Selbst Herodians flache Schilderung lässt noch die ganze Kläg- lichkeit des Kaisers erkennen, und Dio wusste, warum er über diese Regie- rung schwieg. Die Vita des Kaisers gehört der völlig getrübten Überliefe- rangsreihe an. Die Erwähnung der Christen hat sie mit dem gefälschten Schreiben Haddans in der Vita Saturnini gemein. Welches Vertrauen kann man dann der sonderbaren HeiligencoUection, die sich der Kaiser gehalten haben soll, noch entgegenbringen? Die Überlieferung ist so schlecht, dass ich nicht einmal auf Zeit und Art der Fälschung zu schliessen wage.

64 V. Domaszewski

Die Culte haben zunächst den Sturz der Dynastie überdauert.

133 = Brambach 645 Remagen in hiptwrem) d{omus) d{icinae) Areias Mari nun meerdos Bolkheni donum donarit equiiibus cohorivf I F . . . Becio et Grato cos, a. 250.

134 = Henzen ann. 1885 n. 38 Soli invicio pro salute imp{eratoria) sie et Genio n(umeri) eq{nitum) sing{idarium) eorum M. Uip[ius) Chresimus 8ace[rd{os)] loris I)olich[e}ii] r. s. l. l [m.]. Vgl. Taf. III Fig. 5«"»).

Beide Priester werden ebenso wie der sacerdos antistes des Mars (No. 87) der Truppe, welcher sie diese Altäre setzen, angehören und zeigen, dass die alte Rechtsordnung der Heeresreligion in völliger Auf- lösung ist. Aber die Wirkung der orientalischen Culte reichte noch weiter. In Dacien, wo der Boden durch die orientalische Colonisation vorbereitet war, ist einer dieser Götter um die Mitte des Jahrhunderts statt des römischen Mars des Westheeres der Hauptgott des liagers geworden.

135 = CIL. 875 Potaissa Deo Aj^izo bono 2A^^^^o conserra]tori pro salutem d{ominorHm) [n{ostrorum) Vaieriani et Gat]liem Aug{ustorum ) et V(deria[ni nobilisfi{imi) Caeft{aris)] et (hrneliae Salon ina[e ÄH{/{ustae)

et Genio] leff{ionis) V Mac{edonicae) III piae fideli.^ Douatus

praefievtus) hg{ionis) eiuHde[m .... templum inceptiim perfecit

Dieser Azizus scheint in Apulum dieselbe Geltung genossen zu haben, weil nur in diesen Lagern des Westreiches diesem Gotte Altäre gesetzt werden^®"*). Auch in Lambaesis ist sein Cult ins Lager auf- genommen worden.

136 = CIL. VIII 2665 Lambaesis Beo bono puero pro salute d{omini) n(ostri) L. Bomiti Aurelinni p{ii) f(ideUs) inr{icti) Aug{usti) M. Au- rel{ius) Fortunatiis v(ir) e{gregius) praef{ectus) leg{ionis) III Aitg{u8tae) Aurelianae et Aelia Optata c{lariiiMma) i\emina) con{iiuT) v. ss. l. «?. a. 270/275.

Wer dieser Gott war, lehrt uns nur eine Rede des Kaisers Julian : Orat. IV p. 195 Hertl. xijv "ESeaaav otxoOvre^, kpöv il acövo; *HX(oi) x^pfov, MovcfAOV aÖTcp xat "Al^t^ov au^xaS-tSpucuatv. atvfTxeaS'ai (fTjotv 'Ia|jißXtxo^ w; 6 M6v:{Ao; [ih 'Epjifjs eirj, 'A^iQoq 5k "ApYjt;, *HXio'j 7capc5poc, noXkä, xal dyaä'a Kp nepl yfjv iTzo)(&x&üoyzeg xoTccp, und eine syrische Quelle, über welche mir Nöldeke schreibt:

„Die Notiz des Julian, dass Ares bei den Edessenem *A^iC,o^ genannt sei, hat, so weit ich sehe, in der syrischen zum grossen Teile aus

^^^a) Die Abbildung ist entnommen Bullet, della comm. archeol. coinm. di Roma 1886 Tav. V.

*ö») CIL. III 1130—1136. Der Cult ist hier schon unter Commodns heimisch, Mommsen CIL. III 1132.

Die Religion des rumischen Heeres.

65

Edessa stammenden Litteratur nor einen einzigen Reflex, näm- lich in dem im Anfange des 3. Jahrh. geschriebenen Dialog über das Fatum (in „dem Buche von den Gesetzen der Länder" Cureton Spie. Syr. S. 13, 24 des syr. Textes, cf. S. 16, 11 der Obersetzung, wo Cureton Mars the fierce übersetzt), wo Ares als Sterngott das Epi- theton 'Azizä, der „Gewaltige" oder „Gewaltsame", hat."

IMe planetarische Bedeutung des Mars ist aber für das Praeto- torium anerkannt seit Tiberius und dies wird im Heere die Brücke ge- schlagen haben zu dem St^mgotte "A^i^OQ.

Warum Julian den Gott genannt hat, lehrt das Lagerheiligtum zu Camuntum. Hier sind im inneren Hofe vor dem Marstempel die Statuen zweier orientalischer Götter gefunden.

Der gewappnete Gott mit dem Cultbilde des Hauptgottes auf der Brust ist der TcapeSpo^ 'A^t^o;, der Mars des Ostens, und der mit dem Kinde im linken Arm ist der Hermes des Praxiteles, im orien- talischen Gewand, M6vt(io^*^).

Aber von selbst kann sich dieser Cult im Heere des Abendlandes nicht entwickelt haben, geschweige denn an Stelle der Verehrung des

"*) Abgebildet nach Arch. epigr. Mitt. VIII Taf. I und II. Der Monimos ist 1,60 m hoch. Studniczkas' Versuch, beide Statuen aut Elagabal zu deuten, scheitert an der damnatio memoriae des Kaisers, so wertvoll seine Bemer« kungen sonst sind.

Wettd. Zeitschr. f. Gesch. a. Kunst. XIV, I- 5

66 ^' Domaszewski

Mars getreten sein. Vor Gallien liegt die Herrschaft des Philippus, der aus der Trachonitis stammte *^^). Seit Jahrhunderten war Edessa im Be- sitze der Araber gewesen und das Fürstentum der Abgaros und Mannos das angesehenste unter den Arabern des Euphratlandes *^^. Deshalb wird dieser Kaiser es gewesen sein, der den Mars des Ostens im Heere des Westreiches zu offizieller Geltung brachte. Wenn aber dieser Gott in Dacien auch nach dem Sturze des Fürsten sich im Besitze des Lager- heiligtums behauptet, so darf man wohl vermuten, dass das gleiche für die Lager des Orientes gegolten**®*). Julian vereinigte in Camuntum die Lagergötter des ganzen Reiches, den Mars des Westens wie den des Ostens und den Kriegsgott der Germanen.

Von den unbedeutenden Cultbildem des Marstempels ist erhalten ein Jupiter und wahrscheinlich der Genius legionis, vgl. Taf. V Fig. 4 und 5 *®'').

Nichts kann das Dahinschwinden der nsttionalen Religion leibhafter vor Augen führen, als dieser Jupiter neben den lebensgrossen Cultbildeni der orientalischen Götter.

Del extern! >«').

So mannigfach der Ursprung der dei peregrini ist, allen diesen Göttern ist es gemein, dass sie Stämme verehren, welche dem Reiche angehören. Dies bestimmt die Grenze, welche als eine durch den Be- griff des römischen Staates gegebene, die Reception unrömischer Culte nie überschritten hat.

Deshalb ist Mithras, trotz seiner allgemeinen Verbreitung in allen Teilen des Reiches und unter den Soldaten selbst nie ein Heeresgott geworden, denn er ist ein Perser. Diese rechtliche Stellung des Gottes bestimmt die Art der Verehrung, es ist kein öffentlicher Cult, sondern an das Privatleben in der Weise gefesselt, dass das Heiligtum selbst ein Teil des Privathauses ist*®^. Mit dem römischen Staatsgedanken

*«») Tillemont III p. 263.

«««) Mommsen, Rom. Gesch. III S. 48.

^^^.») Ein Sonnengott ist unter Diocletian sicher der Heeresgott des Ostens. Vgl S. 35 Anm. 162.

2^0 Arch. epigr. Mitt. II S. 181 ff. Die Abbildungen sind hergestellt nach Photographieen, die ich R. v. Schneider verdanke. Der Jupiter ist 0,52 m hoch.

^*^) Als technisch für ausländisch im Gegensatz zu reichsangehörig wird extemus verwendet, Ancyranum I, 13. 14. Der Begriff ist allerdings ein schwankender, Mommsen, bist. Zeitschr. 64 S. 404.

869^ Wo es sich um die Culte freigeborener Leute handelt. Das zeigt sehr lehrreich CIL. HI 10461—4 verglichen mit dem Mithraeum Freigelassener CIL. HI 7922 ff.

Die Religion des römischen Heeres. 67

verschwindet auch diese rechtliche Schranke. Die Kaiser seihst hekennen sich zuletzt als Anhänger des Gottes.

137 = CIL. in 4413 Camuntum D(eo) S{oli) i{nmcto) Mfithrae) fau- tori imperii mti lovii et Herculii reliffiosissimi Augusti et Cciesares sacrarium restituerunt.

Völlig ausserhalb der rechtlichen Voraussetzungen der Heeresreligion steht der Ghristengott. Er gehört keinem Volke an. Dennoch hätte sich sein Cult unter den Soldaten des Westreichs verbreiten können. Nur besitzen wir an dem Heiligtum in Camuntum den urkundlichen Beweis, dass noch unter Valentinian, als das Christentum seit einem halben Jahrhundert rechtsfähig geworden, der alte Götterglaube, wie ihn Julian wieder hergestellt, unverändert weiterbestand. Valentinian hätte dies nicht aufrecht erhalten, wenn es dem Geiste seines Heeres und seiner eigenen Überzeugung zuwiderlief. Die einzige Spur des Christen- tums aus einem Donaulager ist

138 = CIL. 11026 Brigetio

in tympano:

Caput

Mphinus Medusae delpMnus

protome M. Iti(liu8) Iu8t{us) militdbit sacro comitatu augustalis q{ti%) v{ixit) a{nna8) XL et Maxentie con{iugx) eius q{uae) r{ixit) a{mws) XXXV Proclinus mü{e8) leg{wnis) p{rimae) a{diutricis) sorori [s\ue et c{on)par[i] oh m(emoriam) [p{<mendmn)] c{uravit) sepulchrum [f]ec[it], Mommsen bemerkt a. a. 0.: „Augustalis est opinor qui nomi- natur ex officio praefecti praetorio apud Cassiodorum 11, 30."

Die Skulpturen dieses Steines, welcher im vierten Jahrhundert zum zweitenmale benutzt wurde ^^^), um diese Grabschrift darauf zu setzen, sind weggemeisselt bis auf den rechten Delphin. Wenn aber der Schwager es nicht wagte, das Christentum des Todten, der unter den Palasttruppen diente, offen auszusprechen, so zeigt dies besser als irgend etwas die religiöse Meinung seiner Kameraden.

Das Heidentum der Westheere ist die notwendige Voraussetzung für Julians Versuch, den alten Glauben wiederherzustellen. Wäre Heer und Kaiser nicht eines Sinnes gewesen, so hätte Julian auch den Ver- such nicht wagen können. Denn jede Politik fordert reale Faktoren der Macht. Der hinsterbende Aberglaube der gebildeten und ungebildeten Heiden war keine solche Macht. Aber die Barbaren des Heeres hingen noch an ihren Göttern.

>'^) Von der ursprünglichen Inschrift ist Zeile ö F erhalten«

6*

68 V. Domaszewski

III. Der Oeniiu des Kaisers und die Heiligtümer der prineipales.

In der Rangordnung des Lagerhimmels hat der Genius des Kaisers seinen Platz nach den unsterblichen Göttern.

139 = Annali 1885 n. 11 I(ovi) o(ptitfw) m{ax\nw) et Genio imx)(era1orus) T(itt) Äel[i] Hadr[i]ani Antonini Aug{u8ti) P[ii] p{atrin) p{atriae) a. 139.

140 = Annali 1885 n. 15 Marti sanctissimx> et Genio imp{eraforis) T. AeJi Hadriani Antonini Pii p{atri8) p{airiae) a. 143.

141 = Annali 1885 n. 14 Herculi et Genio imp{eratori^) T, Aeli Hadriam Antonini Fit p{atri^) p{atriae) a. 142.

Diese Steine der Veteranen lassen über die offizielle Geltung keinen Zweifel, so dass das Zeugnis folgender Inschrift vollwichtig ist,

142 = Annali 1885 n. 23 lovi Ivnoni \ Soli Lunae \ Herculi Minervae \ Marti Mercurio \ Campestribus \ Terrae Caelo \ Mari Nepiuno \ mairi- htis Suleis Genio imp{eraforis) M. Uljjius Noniu» veteranus Aug{u8lf) cive^ Nemens r. s. l. m,

obwohl der individuelle Geschmack des Barbaren die Göttergestalten wie ein buntes Knäuel durcheinandergewirrt hat*'^).

Wie wenig der Principat die Göttlichkeit des kaiserlichen Genius im Fahnenheiligtum betont wissen wollte, zeigt die Fassung der In- schriften, die dem kaiserlichen Genius gelten. Die Inschriften nennen den Kaiser nur als Menschen und Regenten

143 = CIL. III 6168 Troesmis Imp{eratori) Caesari T, Aelio Hadriano Antonino Aug{u8to) Pio p{atri} p(atriae) T. Claudius) Celsus j>r(fwi«/j) p{ilufi) leg{ionis) V Macedonicae.

144 = CIL. VIII 2533 Lambaesis [Imp{eratori) Cae^{ari) divi Traiani Parth(ici) fil(io) dii^i Ner]vae n[€poti Tra]iano Had[riano Au'\g{uHto) pont{ifki) maüc{imo) [trib{unicia) p]ot{e8tate) XIII co{n)8{uli) III p{airi) p{atriae) dedicante [Q. Fa]bio Catullino leg{at)o Aug{uHti) pro pr{ae- tore) . . , 8 C{ai) f{iliu8) Camil{ia) Meino[r] [Al]ba Pompeia [p{rimns) p{ilu8) leg{ionis) III Aug{ustae)'\ *"). a. 129.

145 = CIL. VIII 2535 Lambaesis Imp{eratori) (\ae8ari\ T, Aelio Ha[driano] Antonino [Aug{usto) Pio] pont{ifici max{imo) tr[ih{unieia) pot{estate) VII co{7i)ü{tdi) III p{airi) [p{atriae)\ dedica[nte] C. Prasfina Me8s[alino] leg{ato) Aug{usit) pro [priaetore)] P. Timinius P. f{ilitis) Pal[at{ina)] Tertullu8 Roma p{rimus) p{ilus) leg{ionis) III Ang{nstae^ a. 148"*). .......

'^') Auch die Zeilenabteilung ist offenbar beabsichtigt und 5 Paare mit den Campestres und Suleviae bilden denn auch glücklich ein Zwölf- göttersystem.

'^') Das Jahr der Aufstellung ist zugleich das, in welchem das Fahnen- heiligtum des Lagers von Lambaesis ausgebaut war.

^''^) Die verspätete Weihung ist allen Statuen dieser Art gemein und

Die Religion des römischen Heeres. QQ

Unter Marcus kam die Sitte auf, dass sich alle Tribunen oder alle Centarionen der Legion als diejenigen nennen, welche die Statue er- richtet haben.

146 = CIL. III 6578 Alexandria Imp{erator{) Caesari M, Aurel{i6) Antonino Aug(usto) Armeniavo Medw(o) Parth{ko) German{ico) Sarma- t{ico) maxim{o) trib(nnicia) poi€st{atf) XXX imp{€ratori) VIII co{ny siuli) III p{atn) p{atriae) trib{uni) leg{ifmui) II Tr{aianae) fori{i8). a. 176"*).

147 = CIL. VIII 18065 Lambaesis Imp{eratori) Ca€s{ari) M. Aurelio Antonino Aug{tisto) diri Antonini fil(io) dici Hadriani nep(oti) dioi Traiani Part(hie{) pronep(oti) divi Xenae ahnep{oii) trib{unicia) po- ({estate) XVI co{n)s{tdi) III primi ordines et centuriones et ecocatus leg{ioniii) III Aug{mtae) dedic{ante) D. Fonteio Frontiniano leg{ato) Aug{usti) p{ro) p{raetore) co{n)s{ute) des{ignato), Es folgt das Ver- zeii-hais der Centarionen nach Cohorten geordnet, a. 162.

148 = Brambach 1038 Mainz .... primi o[rdines et cefUurioites et ecocatiis leg{ionis) XXII pr{imigeniae) p{iae) f[id€lis)] coh{ors) pri[i/nd\ es folgte das Verzeichnis der Centurionen . . dedicatae Ci[lone II et Libone cos.] a. 204 "«).

Bei den Auxilia stehen Statuen dieser Art in den Scholae.

149 = CIL. VIII 6581 Alexandria [Imp{eratort) Caes{ar{)] Divi M, [Antonini Pii Gernmnici Sannatici] fiUo divi Commodi fratri dici An- ton[ini] Pii nepoti dici Hadriani pronepoti dici Traiani Parthic{i) abnep{oti] dici Nercae abnepoti L. Septimio Severo P[io] Pertinac{i) Aug{u8to) Adiabeni[co Parth{ico) nuiJC{imo) pontUfici)] m<ix{imo) tribuni- ci(ae) potestatis VII im[p{eratori) XI] co{n)8{uli) II p{atri) p{atriae) proconsulii) Decuriones alares ceteranae Gallic{ae) et I Thrac{um) Mau- rietanae). Es folgt das Verzeichnis der Offiziere*'').

150 = CIL. lU 6760 Ancyra ... [coh . . . f g. . . . centuriones e]t

decuriones (4 Namen) [co]h. II Hispanorum ... es folgten die Offi- ziere dieser Cohorte*'").

der doch auffallend lange Zeitraum, 10 Jahre nach dem Regierungsantritt, wohl daraus zu erklären, dass der Genius des Kaisers als Caesar bereits im Fahnenheiligtume stand.

2"*) Die Aufstellung der Statue ist, wie Mommsen im Corpus bemerkt, veranlasst durch die Anwesenheit des Kaisers im Oriente.

2'^) Die Basis trug die Statuen aller drei Augusti, deshalb dedicatae.

*'') Die beiden Alae standen also in demselben Lager.

'^'^) Die einzige Analogie zu diesem Fragment bilden die Inschriften No. 147—149. In Ancyra war also der cxcrcitus der Provinz, welcher Gala- tien so wenig wie Lycien (CIL. III p. 1993 Dipl. LXXVI) gefehlt haben kann, stationiert. Dies erklärt, warum in Ancyra, der griechischen Stadt, so viele lateinische Inschritten gefunden werden und das Ancyranum selbst im lateinischen Originale erhalten ist.

70 ▼• Bomaszewski

In dem Lager der Praetorianer ist die Statue errichtet von der ganzen Besatzung*'^.

151 = CIL. VI 1009 Rom M. Aurelio Caesari Imp{€ratoris) Caesaris T, Aeli Hadriani Antonini Aug{mtt) Pii fd{io) dwi Hadriani nep{ot%) divi Traiani Parthici pronep{oti) divi Nervae ahnep{ott) co{n)- 8{ult) Petronius Mamertinus et Gavius Maximus pr{aefecti) pr{a€torio) tribuni cohortüim praetoriarum decem et urbanarum trium catturiones colwriimn praetoriarum et urbanarum et staforum eoocati cohortes prae- toriae decem et urbanae X XII XIII centuriae statorum optinio ac pimimo, a. 140.

In den Castra peregrina von den Offizieren:

152 = CIL. VI 1110 Rom [Corneliae Saloninae safictissimae Au- gustae coniugi Imp{eratoris) Caes(aris) P. Lw{inii)] GaUi{ent] Au- g{ustae) [matri P. Lic{init) Corn{elt) Vat\eriani nobil[i8simi Ca€]8aris

[centuriones] deputati et supernume{rarii et ßrum^ntarii cum

et lusto trib{uni8) et Aurelio [principe pe]regrifiorum et Au- relio [stib princijye] peregrinorum [n{umint) m{aiestatique) eiu4

dica]tissimi curante do v(iro) e{gregio) ex kan^l ....

Bei den Auxilia sind diese Eaiserstatuen regelmässig errichtet von der Gesamtheit des Truppenkörpers. In die Legionslager ist diese Sitte erst unter Gordian eingedrungen unter der allgemein wirkenden Strömung der Zeit, den gemeinen Soldaten über seinen Offizier zu stellen*®^). Er- richtet wurden die Statuen aus der Truppen eigenen Mitteln*^*) und so erklärt sich das Schwanken in der Zeit der Aufstellung, die keineswegs an den Regierungsantritt des Herrschers gebunden ist *®*). Wie man sich geholfen, wenn das Geld zu den Bronzestatuen oder auch die Fähig- keit, solche zu bilden, gefehlt, zeigt Fig. 4 auf Taf. II, vgl. S. 11.

^") Die cohortes urbanae müssen seit Vespasian in den castra prae- toria gelagert und dem Befehl des praefectus praetorio unterstanden haben, weil sie in den Diplomen mit den cohortes praetoriae verbunden sind (CIL. III p. 2024), ebenso in den Entlassungslisten (Eph. ep. IV p. 323). Bei dem Sturze der julischen (Joseph. Ant. I, 19 2, 3) und der claudischen Dynastie (Tac. h. 3, 68) werden sie gegen die Praetorianer ausgespielt. Nach dem Tode des Commodus verlautet nichts von ihnen. Septimius Sevems hat, wie die Diplome zeigen, die Verbindung wieder gelöst und den urbanae die Kaserne am forum suarium gebaut.

a«o) CIL. ni 3520. 3521.

«") Die Soldaten bezeichnen dies CIL. III 797—798. 1379 mit ex quaestura sua, worunter die bei den Signa deponierten Gelder zu verstehen sind. Vgl. CIL. III 1378 ala I Hisp(anorum) Campag(onum) Antoniniana indulgentia eius aucta liberalit[at]ibusque ditata. Und deshalb steht CIL. VI 1056. 1057. 1058 das Verzeichnis der ganzen Cohorte auf dem Steine.

882) Vgl. die Liste der erhaltenen Statuenbasen.

Die Religion des römischen Heeres. 71

Bekannt sind Kaiserstatuen aas allen Teilen des Reiches : Hadrian *^^), L. Caesar *•*), Pias"*), Mjircns*»«), Veras "^), Commodas*^, Septimias Severus*®*), Caracalla*^'*), Macrinus *•*), Diadamenianos "*), Severus Alexander *^^, Maximinas***), Gordianus "*), Philippas"«), Philippas ianior*»'), Gallas«»«), Gallienus"»), Valerianus Gallieni fil.«®®), Claadias»'^*).

Die Erhaltang der Kaiserstataen des zweiten Jahrhanderts ist be- dingt von den säenden Lagerbaaten des Kaisers Septimias Severas. Die Divi des Fahnenheiligtams sind zagleich die Ahnengallerie des Kaisers '®').

"») CIL. m 1371 (a. 119—138) und die Inschrift No. 144.

2") Eph. ep. VII n, 1197 (a. 137).

"*) Eph. ep. VII n. 1198 (a. 138). CIL. III 5654 (a. 140), 5906 (a. 141), 5912 (a. 141), und die Inschriften No. 143 und 145.

"«) Eph. ep. VII n. 1199 (a. 140) und die Inschrift No. 147 als Caesar; Eph. ep. VU n. 1200 (a. 162). CIL. III 1372 (a. 164), 3318 (a. 163), 6658 (a. 162). CIL. Vin 17587 (a. 164).

"0 Ephem. ep. VU 1201 (a. 162). CIL. UI 1373 (a. 164). CIL. VÜI 17588 (a. 164).

"«) CIL. III 6052 (a. 185). CIL. VI 1023 (a. 177). Cagnat an. epigr. 1892 n. 52 (a. 183/4). Vgl. Note 289.

^*^) Ephem. epigr. VII n. 1203 (a. 195 steht auf Rasur wahrscheinlich des Commodus, weil die Vensierungen mit n. 1200 übereinstimmen). Eph. ep. VII n. 1204 (a. 207). CIL. III 1377 (unter Mevius Surus cos. III Daciarum), 3664 (a. 198), 7467 (unter Mevius Surus cos. UI Daciarum), 10278 (a. 201), 12337 (a. 199).

"«) Ephem. epigr. VII n. 1205 (a. 207), 1207 (a. 211). CIL. III 795 (a. 213), 1378. 3237 (a. 212), 10279 (a. 211/18). Brambach 3. 1424 (a. 212). CIL. VI 1055 (a. 205), 1056 (a. 205), 1057 (a. 205), 1058 (a. 210), 1059 (a. 210), diese beiden trugen ursprunglich die Statue Getas, der 210 Angustus wurde, bei der Restitution der Inschriften auf Caracallas Namen wurde die Datierung 210 festgehalten, weil die Standesliste der Truppe aus diesem Jahre war, Cagnat an. epigr. 1892 n. 53 (a. 211) und Inschrift No. 129.

"0 CIL. III 12339.

«") Ephem. epigr. VII 1209 (a. 219).

"») CIL. III 797. 3638 (a. 230). Korrbl. V Sp. 2.

»w) CIL. m 10375, VII 621.

"«) Ephem VII 1210 (a. 239). CIL. III 3331 (a. 240), 3520 (a. 240).

"«) CIL. m 1379 (a. 245).

"') CIL. m 1380.

««) CIL. m 4270 (a. 252).

"») CIL. in 8010 (a. 257/60).

^^) CIL. III 130 (a. 253/9).

»öl) CIL. III 3521 (a. 270).

^^^) Das Heiligtum in Ostia ist im Jahre 207 umgebaut. Deshalb hat der Kaiser ein zweites Standbild im Hofe erhalten, ebenso wie Caracalla und Domna.

72 V. Domaszewski

Die Aufstellung der Statue des Caesars im Fahnenbeiligtum ist bereits von Hadrian verfQgt worden, der diese Form über die Xachfolge zu bestimmen erdacht hat. Erst Septimius Severus hat auch den Genius der Kaiserin in das Lager eingeführt, wo er sich fortan behauptet. Wir kennen Statuen von Julia Domna^^^), Mamaea*^*), Tranquillina *®^), ßalonina ^•^). Hier ist der Einfluss der Syrerin Julia Domna fühlbar, die orientalische Herrschaftsbegriffe in die dynastische Politik einführte. Ihren Ausdruck findet die neue Stellung der Kaiserin in den neuen Titeln mater Augusti et senatus et patriae et castrorum.

Der Titel mater castrorum bezeichnet die Aufstellung des Genius der Kaiserin im Fahnenheiligtum, wie der Titel mater senatus et patriae die gleiche Verehrung im Senat und an allen Stätten des Kaisercultes. Diese Mitherrschaft der Frau ist unrömisch und unrömisch ist auch der Titel mater Augusti, d. h. die Mutter des Sultans, wie im Orient seit Alters. Der römische Geist verabscheut das Weiberregiment über- haupt und vor Allem das Weiberregiment im Heere ^^''); die Familie, der Septimius Severus entstammte, war aber seit zwei Jahrhunderten ro- manisiert ^®*'), orientalischer Denkweise völlig entwöhnt. Deshalb wird auch das Eintreten des Kaisercultes in die Heeresreligion das Werk der Kaiserin

«08) Eph. epigr. VII 1206. CIL. HI 1376, VH 963. Korrbl. V Sp. 3. 80*) CIL. in 798. 3639. Limesblatt No. 1 S. 5. »08) Ephem. epigr. VII n. 1211. »o«) Vgl. oben Inschrift No. 152.

807) Die aufdringliche Art wie Livia die mater Augusti et senatus et patriae und Agrippina die mater castrorum spielten, musste Tiberius, an dem jeder Zoll ein Römer war, aufs tiefste erbittern. Und so hat der Principat, so lange er römisch war, immer gedacht.

808) Die Vita c. 1 sagt scheinbar sinnlos maiores, equites Romani ante civitatem omnibus datam. Der Schreiber hat thöricht genug die Bürgerrechts- verleihung durch Caracalla im Sinne (Momrasen, Staatsr. HI, 699), aber seine Quelle meinte, bevor alle Leptitaner das Bürgerrecht erhielten, also vor Traian (CIL. VIII p. 3). Glieder dieser Familie waren lange vorher in der ehren- vollsten Weise zum Consulat gelangt (Vita c. 1) und der nahe Verwandte des Kaisers Plautianus (Ilerodian 3, 10, 6) führt die flavische Tribus, die Quirina (CIL. XI 1337). C. Fxav[io\ C. /. Qmlr{ina)] Flautia{nö] praef{ecto) p[raet{orio) ac ne[ce8sario] dam[morum nostrorum]. Unter den Flaviern aber wurde das Bürgerrecht an Provincialen nicht verschleudert, sondern ' die Verleihung ist der Ausdruck völliger Romanisierung. Wenn die Vita 19 Afrum quiddam usque ad senectutem sonans sagt, d. h. der Kaiser sprach afrikanische Latinitat, so macht die gefälschte Tradition Caes. 20 Punica doquentia prmnptior daraus. Deshalb kann ich auch an die Tante Vita 15, 7 (ist deutlich interpoliert), die kein Latein versteht, nicht glauben, obwohl es bei einem Frauenzimmer minder anstössig erscheinen soll.

Die Religion des römischen Heeres. 73

sein^ die sich Domna nannte, nicht minder ein orientalischer Herrschafts- titeP**®*. Zur vollen Entwicklung gelangte diese Tendenz erst unter dem Sohne dieses Weibes. Vgl. No. 128 und 129.

Hier ist Julia Domna, wie Zangemeisters treffende Ergänzung ge- lehrt hat, zur Juno Caelestis von Karthago geworden und Caracalla ist, wie Keller erkannt hat, gleichfalls ein Gott, der den Namen invictus Sol führt»«»). Welcher Gott es ist, lehrt vielleicht die Inschrift 3»**):

153 = CIL. HI 3463 Aquincum Hammoni I{om) o(ptim6) m{aximd) ei Lar{ihus) mtl{itaribus) cet€risq{u€) dis M. Caecüius Bufinus tri(bunu8) lat{iclavius) leg{ionis) IV FQaviae) v. 8. l. m.

Sonst steht der Name des orientalischen Gottes als Cognomen Jupiters gefasst, hinter Jupiter optimus maximus, nur hier steht er voran»*'). Da seit Caracalla die Legionen den Namen des Kaisers führen, so wird der Stein noch unter Septimius Severus geschrieben sein.

Ebenfalls in Aquincum ist der Altar gefunden:

154 ^= CIL. in 10407 lunoni üaelesti Q. Caecüüis Ruflniis Crepereianus co{n)s{al) legiatas) Aug(usii) pr{o) pr{aetore) v. s. l, m.

Der Altar ist vor Caracallas Regierung geschrieben»**) und stammt, wie eine ganze Gruppe mit ihm in derselben Mauer gefundener Altäre erkennen lässt, aus dem Praetorium^*»).

155 = CIL. III 10415 J{ovt) o{piimo) m{aximo) Q. Caecüius Rufmus Crepe- reianus co{n)s{ul) leg{atus) Aug{ustorum) pr{o) pr(aetore) v. 8, l. m.

308 a) Vgl. Vita Septimii Severi 3, 9.

3«^) Die Ergänzung sichert Korrbl. d. Westd. Zeitschr. 1894 Sp. 187 Scili inuicto imp{eratori) C. Paulinius lustus b(ene)f{icianus) co{n)s{ularis). Es ist Caracalla selbst, der als Sol invictus angeredet wird, wie der Parallelaltar zeigt: Virtuti invkti imp{eratori8) C. FauUnius lustus h{€ueficianu^) coin)- 8{ularis). Doch sind die Steine nach dem Fundbericht zu schliessen, sowie auch die anderen dort gefundenen als Baumaterial verwendet worden.

^^^) Die eigentümliche Erscheinung, dass der tribunus der legio IIU Flavia, die in Singidunum stand, den Altar im Fahnenheiligtum der legio II adiutrix setzt (vgl. das Recht der Heeresreligion), ist wahrscheinlich so zu erklären, dass dieser M. Caecilius Kufinus der Sohn des Statthalters Q. Cae- cilius Rufinus Crepereianus ist, welcher den Altar der Juno Caelestis setzte (No. 154). Man kann sich den Vorgang so denken, dass M. Caecilius Rufinus seinen Vater in die Provinz begleitete und in Aquincum die Ernennung zum tribunus der moesischen Legion erhielt. Vgl. Lares militares.

'*^) Ausserdem noch CIL. III 8084 . . . leno J{ovi o{ptimo) m{axitno) Äufietius) Surianus ex voto renovavü. Der Mann ist syrischer Herkunft.

312) Rhein. Mus. 1890, 205 ff.

2'') Den gemeinsamen Fundort habe ich im Auctarium des Supple- ments nachgetragen.

74 V. Domaszewski

156 = CIL. III 10396 I)is et Genio procinciae C. Val(entis) FiuUns le(i(a- tuit) Aug{usti) pr{o) pi'iaetore),

157 = CIL. m 10399 Fortun{a)e huiiis loci C. Valerius Fudern kg(atu^) Äug{mti) pr{o) pr{aetore),

158 = CIL. III 10438 Minervae Hctrici C. Val(eniis) Ttulens leg{atm) Au- g{ii8ti) pr(o) pr(aetore). Dieser Legat ist zwischen 196/98 Legat von Germania inferior'**), verwaltet also Pannonia inferior noch unter Commodus.

159 = CIL. III 10470 Urbi Borne L. Cassiiis Marceüinus l€g{atui<) Aug{u4sii) pr{o) pr{aetore) co{n)8{ul) des{ignatus). Ebenfalls vor Caracallas Re- gierung "").

160 = CIL. ni 10436 Marti Victoriae Fortunae r€d{tici) pro s{al]{ute) imp{e-

ratoris) Caesar{is) [M, Iul{ii)'\ F[hüippi Aug{u8tt) et M. Iul{ii) Fhilippi] nobi{lissim]i Caesa[ris] Afius Acitus ! ! ! ! ! ! !

161 = CIL. in 10424 I{ovi) o{ptimo) m(aj:imo) et dis deabusque omnibn^ T. Clementius Silvinus v{ir) e(jgregins) a{gen8) v{ice8) pUaesidis) 8. l. l. m. Unter Gallienus *'•).

Als Juno Caelestis in das Fahnenbeiligtnm eingedrangen war, erhält sie auch in dem Heiligtum einer Statio der beneliciarii consularis ihren Platz.

162 = CIL. III 10955 Tüskevär [Cael]e8ti Beg{itiae) pro sal{ute) d{ominorum) n{ostrorum) Aug{ustorum) s{acrtim) G. Iul{iiis) Comstans b{ene)f{ici<irius) ('o{n).s{ularius) et lulia Severa eitis tentpulum [ejow^^i- tuerunt pro se suisq{ue) oliiijnibus incolumibus v. s, l, m. Das templum ist die aedicula des Cultbildes.

Septiraius Sevenis ist es gewesen, der die Göttin von Karthago in den römischen Olymp einführte. Das zeigen seine Münzen ^^^).

Nach der Entwicklung der orientalischen Culte im Heere ei*wartet man deshalb auch in Hammon eine karthagische Gottheit ^^®), und zwar jene, welche man auf den punischen Inschriften erkennen wollte. Nöldeke schreibt darüber:

„Tausende von punischen Inschriften beginnen so: „Der Herrin, der TNT, Antlitz des Baal, und dem Gebieter, dem Baal HMN, was

3") Brambach No. 6.

^^^) Dessau hatte die Güte, mich darauf aufmerksam zu machen, dass Cassius Pius Marcellinus, welcher in den Saecularakten Eph. epigr. YIII p. 292 genannt wird, der Sohn dieses Statthalters sein könnte.

31«) CIL. ni 3424 = unten Inschrift No. 166.

3") Eckhel d. n. VII 183. Abgebildet nach Cohen 1. Aufl. Septi- mius No. 130.

»") Genannt ist der Gott auch CIL. HI 11128 (a. 234). VIII 9018 (a. 246).

Die Religion des römischen Heeres. 75

gelobt liat NN. ..." Was das aber im Einzelnen heisst, weiss niemand. Eine einzige gute Bilinguis könnte da mehr helfen, als un- zählige weitere Exemplare. Dass TNT (njn) eine Göttin, ist klar; sie kommt anch in einigen Personennamen wie njncs^N „Mann der TNT'' vor. Ob aber die Aussprache Tanith richtig, weiss der Himmel; sie kann auch ganz anders vocalisiert gewesen sein. Was feiner „Antlitz des Baal" ist, weiss auch niemand. Vermutlich ein Epitheton, denn der bestechende Vorschlag (ich weiss augenblicklich nicht mehr von wem?), es als Genitiv zu fassen: „der Tanith vom Baalantlitz" und dieses als eine Örtlichkeit zu fassen wie nnp^DBn „Haupt (d. i. Vorgebirge) des Melqart", dieser Vorschlag hält doch kaum Stand. Auf der Inschrift des Eschmunazar steht hy^ ütff mnit^y „Astarte, Name BaaPs" (was freilich auch „Astarte des Himmels Baals" ÜU^ oder „Ast., der Himmel B's" sein könnte). Nun weiter: „Gebieter" übersetze ich bloss, weil es ein ganz anderes Wort ist als das, welches ich mit „Herrin" wieder- gebe. Herrin nni (hebr. rahbä\ Gebieter pN (hebr. ädhön). pn bV2 scheint als ein einziger Name zu gelten, aber auch hier ist wieder durchaus nicht sicher, ob HMN Apposition zu Baal oder Genitiv „Baal des HMN" (wobei zu beachten, dass „Baal" wieder nichts als „Herr", ^Besitzer" ist). Und wie die Vocale von ]on sind, ist uns wieder ganz unbekannt.

Ich weiss wohl, dass an diese Namen die schönsten Combinationen geknüpft worden sind, aber so steht es. Allerdings kommt Baal HMN noch auf einer Inschrift des eigentlichen Phöniciens vor, wie auf der- selben und einer anderen auch ]DnSs „Gott (El)HMN", aber die sind wieder so dunkel, dass nichts damit zu machen. Sehr wahrscheinlich ist allerdings, dass HMN allein kein Gottesname ist. Es ist doch zu beachten, da wir bis jetzt keinen Personennamen kennen, worin es vorkommt, was bei einem so ungeheuer oft genannten Ausdruck höchst auffällig wäre, wenn er eben einen Gott bezeichnete. (TNT kommt in 4 bekannten Namen vor, allerdings nur mit im Ganzen 7 Vertretern). Es ist nun nicht unwahrscheinlich (wie schon Gesenius vermutet), dass HMN dasselbe Wort ist, das uns in dem verpönten hamniänlm des Alten Testaments begegnet und das etwa einen Pfeiler oder dgl. be- zeichne (s. Ed. Meyer's „Baal" in Roscher's mythol. Lex.); mit der Sonne hat es sicher nichts zu thun (wie man vielfach nach einer falschen Etymologie angenommen hat). Ob die Aussprache hammänim richtig, ist übrigens auch noch nicht ganz sicher. Die jüd. Überliefe- rung hat nämlich die Tendenz, die Götzennamen absichtlich falsch aus-

76 V. Domaszewski

zusprechen wie : Mölech, MoXox ^ür Malk (hebr. Melech\ ^ÄscJitöreth für 'Äschtart (hebr. *'Äschterefh). Natürlich ist der ägyi)t. Amun ganz fern zu halten. Ist HMN ein Pfeiler oder dgl. (wie die Aschera), so kann man „Herr des Pfeilers" übersetzen; entsprechend kommt, wie ge- sagt, zweimal auch El HMN vor, das dann „Gott des Pfeilere** wäre.

Dass dieses Wesen mit Mehiart identisch, haben wir, so viel ich sehe, keinen Gnind anzunehmen."

Hat man in Inschrift No. 153, nach Nöldeke, an den ägyptischen Amnion zu denken'^®»), so ist dies der Gott in der Mainzer Inschrift (No. 129), weil er mit Juno Caelestis zugleich Heeresgott geworden ist.

Caracalla hat die volle Göttlichkeit des Herrschers, welche auf seinen Münzen die Strahlenkrone der divi ausdrückt, sofort zu Beginn seiner Regierung proklamiert.

163 = CIL. III 5935 Eining [Dominia nostris M. Aurelio Antonino et P. Septimio Getue Augustis et Inline] Aug{u8tae) matri A.ug{ii8torum) et kast(roruni) I(om) o(ptimo) [m{aximo)] et Iun{oni) reg{inae) ei Mi- ner{cae) sac{rum) G€n[i\o coh{ortis) III Brit{tamiorum) aram T. Fl{avius) Felix praeflectas) ex voto posuit l. m, Dedicavit Kai. Dec, Gentiano et Basso cos. a. 211.

Der Offizier hat nur die Intentionen, wenn nicht den Befehl der neuen Regierung begriffen, als er, wahrscheinlich bei Übernahme des Commandos, denn darauf wird das Datum gehen, die Cohorte mit dem Altare beschenkt.

Demnach wird der einfach gefasste Altar

164 = CIL. VII 440 Lanchester Num{ini) Aug{asti) et Geniio) co- h{ortls) I fiidae) Vardullornm ('(iriuni) R{omanorum) eq{uitatae) {miliariae) suh Antistio Adrento leg{ato) Augimti) pr{o) 2Jr{aetore) T . . Titinniis tri{buHUs) d(pno) d(edit)

unter Caracalla geschrieben sein^'**).

Elagabal ist durch seine religiöse Überaeugung verhindert worden, dem' Beispiele seines Vaters Caracalla, den er durch eine Lüge, die seiner würdig war, adoptiert hatte, zu folgen. Sicher verschwindet unter Mamaea der Genius des Kaisers wieder vom Altare der Legion. Vgl. Nr. 14.

^^®») Dass der Sohn Mamaeas Alexander genannt wurde, erklart sich daraus.

^^^) So weit ich die Statthalterreihe Britanniens iiberblicke, liegt kein Grund vor, diesen Antistius Adventus mit dem gleichnamigen Manne aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts notwendig zu identificieren. Denk- bar wäre es allerdings, dass bereits Commodus bei den Auxilia den Kaisercult der Provinzialen zur Geltung gebracht. Der Genius des Kaisers erscheint zuerst auf seinen Münzen.

/

Die Religion des römischen Heeres. 77

Aber je niederer die Herkunft der späteren Kaiser ist und je geringer ihr wirkliches Recht an dem Throne, desto mehr drängte das Bedürfnis, das Leben durch die göttliche Weihe zu sichern, in die Bahnen Caracallas.

Schon unter Gordian wurde der Genius des Kaisers bei den Auxilia die erste Gottheit des Lagers. Vgl. No. 8.

Diese Stellung des kaiserlichen Genius prägt sich deutlich darin ans, dass die Heeresgötter jener Zeit Mars und Victoria auf dem Cultbilde des Lagers als seine comites erscheinen. Vgl. Taf. H Fig. 4 und S.U.

Deshalb fahren seit Postumus, dem ersten reinen Soldatenkaiser, die Götter auf den Münzen den Beinamen comes. Der Göttethimmel wird zum Hauptquartier, die Götter werden der Generalstab des Kaisers.

Der Unterschied iu der Rechtsstellung der Auxilia und der Le- gionen verschwindet durch die Bürgerrechtsverleihung Caracallas. So erhält der Legionsaltar dieselbe Form.

165 zr CIL. VII 103'*') Isca N{uminibus) Äug(ustorum) Geiiio

leg{ionis) II Äug(ustae) in honorem [aquilae] pirimns) p^iJufi)

d{ono) d{edit) d[e]d{icaUim) Villi . . . Octob.^^') . . . p[fr] C coin)-

s{ularem). curante . . . [/€]</[«]/o [leg{ioms)] eiutid{em).

Trotz der veränderten Bedeutung des Kaisercultes im Lager be- wahren die Inschriften der Kaiserbasen die alte Form. Erst unter Gallien wird dem Genius des Kaisers ein besonderer Altar gesetzt.

166 = CIL. III 3424 Aquincum Genio im(j)eratonn) P. Lic{inf} Gal- liern inricti Aug[usti) Clementius Silnus r{ir) e{f/regim) a{gens) r{ice.si)

p{raesidis) ei Val{eriiu^) Marcellinus praefectun leg{ioms) prot{ector) Au- g{uMi) n{ostri) agens r{ice8) l{egafi) municipes ex pronncia Raetia s{nl- reriint) l{aeti) l{%hentes) m{erito). Paterno et Archesilno cos. a. 267. Dass diese municipes gemeine Soldaten der legio II adiutrix

sind***), zeigt die Nennung der beiden höchsten Offiziere, unter deren

Kommando sie stehen.

'*^) Die Copie Ephemeris epigr. III p. 1 17 ist nicht besser, sondern inter- poliert. Dies bestätigt mir Ilaverfield, der zwei Fragmente der Haupt seite im Museum zu Caerleon wieder aufgefunden hat.

/:

^I I O D

i ^ ) V G

■»^) Das verdorbene Datum ist der Geburtstag der Legion. Vgl. S. 20. '*•) Und zwar sind es jene municipes, die aus Raetien rekrutiert sind.

78 ^- Domaszewski

Gerade dieser Kaiser bat den Anspruch erhoben, auch in seinem Geiste und seinem leiblichen Wesen den Göttern za gleichen. 167 = CIL. III 8193 Scupi Invicto [i]mp{eratoH) i>(io) /[elici) GaU Ueno Aug{usto) dis animo voUiique compari r{es) %){nhlica).

Kurze Zeit später unter Aurelian wird die Göttlichkeit zum Glaubenssatz des vollendeten Dominats ^*'). Für den Gottkaiser hat der Lagertempel keinen Raum mehr.

Dass der Prinzipat denn die Fortführung dieser Sitte unter dem Dominat des dritten Jahrhunderts ist nichts als die Nachwirkung der Gewohnheit auf den Basen, welche den Genius tragen, die volle Mensch- lichkeit des Herrschers in der Reihe der Amtstitel festhält, genügt allein um zu sehen, dass ein Kaisercult im Lager dieser Zeit gar nicht existiert. Deshalb fehlt auch der Genius des Kaisers auf den Hanptaltären des Fahnenheiligtums. Es kann nicht anders sein. Denn der Kaiser- cult ist geschaffen für die Unterthanen, denen wenigstens im Osten diese Art Glaube ein Bedürfnis war. Das Heer des römischen Volkes steht Yor Allem in den Lagern der Legionen, die dem Prinzipe nach Italiker geblieben sind bis auf Hadrian, wie das Offizierscorps der Legionen, die Centurionen bis auf Severus '**^*). Caracalla brach die Schranke nieder, welche das herrschende Volk und die Unterthanen trennte durch die Verleihung des Bürgerrechtes an alle Reichsangehörigen. So waren auch die Bürger reif geworden für den Ausdruck der Knechtschaft. Aber Caracalla hat nichts geschaffen, er hat nur vollendet, was sein Vater vorbereitete. Es zeigt dies der Cult der scholae. Soholae j^rinoipallain.

Vor dem Hofe der drei Lagertempel liegt in Carnuntum ein zweiter weit grösserer Hof. Schon die Dimensionen des Raumes von 41,85 m zu 37,85 m zeigen, dass dieser Platz nicht etwa die ver- sammelte Legion des Lagers aufgenommen haben kann, weil höchstens anderthalbtausend Menschen hier stehen können. Auch ist der Platz für den miles nicht innerhalb des Praetoriums, sondern auf der via principalis, die vor dem Praetorium das Lager seiner ganzen Breite nach durch- schneidet. Dies beweist für das Standlager die Schilderung des Tacitus ann. 1, 39 über die Vorgänge im Lager der legio P**) und die Über-

Auch das ist charakteristisch, milites genügt nicht mehr, weil auch die Offi- ziere No. 57. 123 noch miteinbegriffen sind. Es ist die reine Herrschaft der Pike.

»") Mommsen, Staatsr. II» S. 760.

»"») Vgl. auch S. 112 f.

»") Vgl. darüber meine Darlegung Korrbl. d. Wd. Ztschr. XH, Sp. 262.

Die Religion des römischen Heeres. 79

reste des Praetoriams von Lambaesis. Im Norden des Praetoriams, also in der Praetentara, sind Basen gefanden, weiche, wie Wilmanns gesehen hat, die Standpl&tze der Cohorten bezeichnen''^).

168 = CIL. VIII 2536 Lambaesis Imp{eratore) Caesare diri Hadriani f{Hw) din Traiani Part{hici) nepote divi Nervae pronepote T, Adio Hadriano Antonino Aug{mto) Pio imp{eratore) II p(mt{ifiet) majr{imo) tnb{umcia) potestate Villi co{n)s{üle) IUI p{atre) p{atriae) C. Prastina Messahno leg{ato) Aug{ttsti) pro pr{aetore) leg{io) III Aug{usta) cohiprs) L

An demselben Orte waren noch erhalten die Basen der cohors II,

IV, VII, vmi, X.

In Lambaesis ist nar der äussere Hof des Praetoriams, darch spätere Umbaaten rerändert, erhalten and hier sind gefunden:

169 = CIL. Vni 2527 Lambaesis Genio legiwnis) III Aug{un1a€) p{iae) v{indiciH) pro salute imp(eratorum) Caes(arum) L. Septimi Sereri Pii Pertinacis Aug{u8ti) et M. Aureli Anionini Aug{u$ti) et L. Septimii

Getae Caes{arts) Aug{nisti) et luliae Augtintae matris Aug{ustoruvi) et

castrar{um) dedicant[e) Q. Anicio Fausio leg{ato) Aug{u8torum) pr{o) pr{aetore) c{laris8imo) v{iro) co{n)8{ule) de8{igtiato) T. Arranim Batus signifer ex (sest^rtium) III mH{ibus) n{umum) de 8U0 pomit a. 198.

170 = CIL. VIII 2528 Lambaesis Genio Lambaesis pro salute Im- p{eratorum) Caes{arum) L. Septimi Severi Pertinacis Aug(usti) et M, Aureli Antonini Aug{ust{) et L. Septi^nii Getae (hes{aris) Aug{usti)

et luliae Aug{ustae) nmtri Aug{ustorum) et ca8tror{um) dedicante Q. Anicio Faust{o) leg{ato) Aug(ustorum) pr{o) pr{aetore) c{laris8imo) t^iro) co{n)s{ule) de8{ignato) L, Baehius Faustianus sig{nifer) leg{ionis) III Augiustae) p{iae) v{ifhdici8) L. Baehi Felicis ret{erani) ex signifero filius Votum solvit. a. 198.

Diese beiden, gleichzeitig gesetzten Cultalt&re sind noch in situ gefunden, No. 2527 au praetorium^ sur un piedestcU demi-ci^Undrigue, und No. 2528 au praetorium, sur unpiedestcd demi-cj^lindrique, orne sur les cotes de feuiUages et de rinceaux. Ihre Erhaltung an dieser Stelle verdanken sie ebenso wie die aus dem inneren Hofe stammenden Altäre No. 2529 [Marti] patri (vgl. S. 35) und 2530 Genio castrorum nur dem Umstände, dass sie der Heeresreligion des vierten Jahrhunderts völlig entsprachen. Als sie zuerst aufgerichtet wurden, mOssen die signiferi in diesem äusseren Hofe eine Cultstätte besessen haben. Nun heissen die Heilig-

"*) Nach Renier gefunden au nord du camp, was doch zu verstehen ist au nord du praetorium dans le camp. Denn was diese 6 Basen neben- einander im freien Felde sollen, würde man sich vergeblich fragen. Wie im Marschlager, so bildet auch im Standlager die praetentura das vorderste Drittel der Lagerflftche.

gO V. Domaszewski

tümer der piincipales immer schleclithia scholae, d. b. Nischen, so dass diese Kapellen notwendig in einem grösseren baalichen Zusammenhang gestanden haben müssen, der die Nennung des Ortes zwecklos machte. Die Scholä der signiferi hatte aber in Lambaesis, wie die Altäre No. 169 und 170 beweisen, ihren Platz im äusseren Hofe des Prae- toriums. Das entscheidet über den Ort aller anderen Scholae.

Die Tribunen und Centurionen hatten das Recht, den inneren Hof zu betreten. Hier stehen die von ihnen errichteten Kaiserstatuen und hier müssen auch ihre gemeinsamen Altäre gestanden haben.

171 = CUj. Vm 18239 Lambaesis Sil[vano] Äug{u8to) sa[cr(um)] cen- turiones l€g{iones) III Äug{ustae) curante Meinmio Donato decimo pilo.

Diese Inschrift stammt, wie Schmidt mit Recht bemerkte, aus der Zeit nach der Wiederherstellung der Legion durch Valerian; also aus einer Zeit, wo die lUyrier, die dem Heer die Kaiser gaben, unter den Offizieren das wichtigste Element bildeten. So ist der Gott der lUyrier, Silvanus, in das Heiligtum der afrikanischen Legion gelangt.

Auch in der Hauptstadt bestand dieselbe Scheidung.

172 = CIL. VI 2961 Rom C. lulim Secumlus {centurio) coh{orHs) I Vig{ilum) p09uit sihi coUegisque suis et fuiuris. Diese Basis trug ein fi'ir Cultzwecke bestimmtes Gerät.

Danach ist auch der innere Hof in Carnuntum bemessen, wie der äussere für die Principales. Offiziere zählt die Legion: den praefectus legionis, 6 tribuni und 60 centuriones ^^^). Principales im weitesten Sinne sind alle die, welche noch zu den immunes gehören und deren Funktion in einem speziellen Titel zum Ausdruck kommt. Taktische Chargen zählte die Legion allein 180, drei uuf die Centurie, dazu kommen alle den Offizieren zugeteilten principales und die equites legionis, so dass ihre Zahl tausend übertroffen haben muss. Bei den grossen Cult- handlungen, wie dem Opfer am dies natalis aquilae, versammelten sich die Offiziere im inneren Hofe, die principales an ihrer Schola, die milites auf der via principalis^^').

Die Scholae der principales lassen sich noch im wesentlichen rekonstruieren.

1) Das Officium corniculariorum des Statthalters.

173 = CIL. VIII 2586 Lambaesis'**) qui imagines sacras aurea^ fecerunt cornicularii 2 Mann, comm€ni{ariemes) 2 Mann, einer davon ist

'*') Ich gebe die Normalzahl, ohne auf das Einzelne hier eingehen zu können.

'*') Vgl. auch das Recht der Heeresreligion.

"*) Die Provenienzangaben Reniers für dieses Denkmal wie för die

Die Religion des römischen Heeres. 81

der commentarietms des tnb{unm) leg{ion\s)y speculatores 4 Mann'*")^ heneficiarii co{n)s{ularis) 30 Mann, quaestionarii 5 Mann, befief[iciarii) tiribuni) s€xm(estns) 5 Mann, haruspex l Mann. Rechts cura agente C. Memmio Victore {centurione) leg{ionis) III Au{gustae) "®). Dies ist die rechte pila der schola; die Zahl der principales dieses Officiums ist nicht vollständig ^^^). Die Zasammensetzang des Officiums ist nicht allgemein beweisend für die Officia solcher Provinzen, wo der Statthalter mehrere Legionen unter seinem Befehl vereinigte. Aber die ZateiluDg des tribnnus sexmestris an das Hauptquartier ist gewiss all- gemeine Norm.

In dem Heiligtume derjenigen Hauptlager, wo der Statthalter seinen Sitz hatte, der tlber mehrere Legionen gebot, gliedert sich dieses Heilig- tum in mehrere Scholae.

174 = CIL. III 3524"') Aquincum scola speculatorum legionum I et II adiutHciiun xnarum fidelinm S€renanar{uin) ref'evta per eosdem qiiorum nomina infra scripta sunt dedicante Fl{(mo) Aeliano leg{nto) Aug{u8ti) pr{o) pr(aetore) Kai. Octob. Modesto et Probo con. Es folgen 20 Namen curante Aur{elio) Pertinace frumentario.

175 = CIL. III 4402 Camuntum HercuU Aug{usto) spec{ulatorea) I\annoniae) 8(uperioria),

Auch das ist kein Zufall, dass der einzige Altar einer schola, der

in Carnuntum gefunden wurde ^^^), dem Hercules gilt, sondern ist eine

meisten gleichartigen, können nichts beweisen fUr den ursprünglichen Auf- stellungsort der Steine. Das Officium des Statthalters, das im Tempel des Aesculap Eaiserbilder errichtet denn das sind die imagines sacrae, vgl. Inschrift Xo. 4 ist eine Absurdität.

'-•) Warum nur 4 speculatores genannt sind, habe ich erklärt, Rhein. Mus. 45 (1890) S. 210 Anm. 2.

"•) Dieser wird der princeps praetorii sein. Vgl. S. 31.

"^) Ich muss mich hier wie bei den anderen scholae auf das Not- wendigste beschränken, da eine erschöpfende Behandlung nur im Zusammen- hang einer Untersuchung über Rangordnung und Avancement gegeben werden kann.

"*) Vergleiche über diese und folgende Inschrift Rhein. Mus. 45 (1890) S. 205 ff.

"*) Der Altar wurde noch in situ gefunden, weil er aus demselben Heiligtum stammt wie No. 176, das nicht ganz zerstört wurde. Nur der innere Hof und die Tempel sind von den Steingräbern der späteren Zeit einiger- massen verschont geblieben. Da dieses Officium, das wenigstens durch zwei Denkmäler noch vertreten ist, das vornehmste des Lagers ist, so wird es dem inneren Hofe zunächst gelegen haben. Der äussere Hof ist sonst voll- ständig geplündert. Also waren die scholae in dem äusseren Hofe nach dem Range der principales aufgestellt, was durch die militärische Ordnung an sich gegeben ist.

WMtd. Zeitsohr. f. Gesch. n. Knast. XIV, I. 6

82 V. Domaszewski

Folge derjenigen Ordnung der Lagerculte, wie sie im vierten Jahr- hundert bestand.

Dennoch waren diese scholae zu einem gemeinsamen Heiligtume verbunden. Vgl. No. 43. 176 = CIL. III 4452 Camuntum imp{eraton) Caes{ari) M. Aur{elio) pio felici Aug{mto) Parth{ico) majc{imo) Brit{anmco) max{imo) ponti- fiici) maMuno) trib{Hnicia) potiesiate) XVI imp{eratori) II co{n)s{uli) III de9ig{naio) IUI p(atri) piairiae) proco(n)fi{uli) cornicitlarii commen- tarie^ises speculatores legionum III Antoninianor{um) I\annoniae) s{ii' periorin) derotisMmi numini eius. Es folgen die Namen der 3 comit-u- larii, 3 commentarienses und 30 speculatores des Statthalters von Pannonia superior. a. 213.

Dass diese Basis den Genius des Kaisers trug, stellen hier die Fundumstftnde ausser Zweifel. Der Genius des Kaisers lag noch neben der Basis (vgl. Taf. II Fig. 3 88»*).

R. V. Schneider schreibt mir: ^Dass die Figur des Genius zur Basis gehört, entnehme ich einem in unseren Aktenfascikeln aufbewahrten handschriftlichen Berichte A. v. Steinbücheis über einen Ausflug nach Carnuntum im Sommer 1816. Er spricht darin von ^einer sehr nied- lichen Statue von schönem Marmor, aber ohne Kopf und an den Füssen beschädigt, welche mit der linken Hand ein Füllhorn hielt. Sie wurde nach der Inschrift des Postamentes, welches auch von Marmor ist und unstreitig zur Statue gehört, von den corniculariis, den commentarieosi- bns und den speculatoribus dreier von den Antoninen benannten Legionen dem Caracalla gesetzt\ Auch in seiner Beschreibung des Theseums (Wien 1817 nnd 1829) nennt er No. 16 einen 'grossen Untersatz in Gestalt eines Opferaltars, Inschrift und dazu gehöriger und darauf stehender Figur des Genius der Stadt Camuntum, die nebenbei war aufgedeckt worden\ Die Späteren haben diese deutlichen Angaben Stein- büchels übersehen oder mit Unrecht missachtet. Steinbüchel Hess sie nach einem englischen Relief (Lyvons Magna Britannia T. IV n. 7 p. CLXXIV) ergänzen. Neu sind der Kopf, dessen Mauerkrone erst ich wieder entfernen liess, die r. Brust, der r. Arm mit der Patera, der linke zum Teil, das spitze Ende des Füllhorns, der unterste Teil der Beine mit den Füssen, die Plinthe. Die Proportionen des Körpers sind durch Anfügung eines Teiles des Thorax dem Restaurator zu kurz geraten; er erscheint gedrungener und von kindlicheren Formen, als wohl ursprünglich der Fall war".

'•*•) Abgebildet nach einer Photographie, die ich der Güte R. v. Schnei- ders verdanke.

Die Keligton des römischen Beeres. BS

Nach den Manzbildern zu schliessen, wird der Kopf den Modius getragen haben. Vgl. S. 96.

2) Das Officiam des legatos legionis.

Es kann in Lambaesis, woher unsere Denkmäler fast alle stammen, nicht existieren; aber in den Lagern der Provinzen, welche mehrere Legionen zählten, hat es bestanden.

3) Das Officium des praefectus legionis.

177 = M^moires de la Sociät^ nationale des antiquaires de France T. 54 (1894) p. 7 SA. "*) Lambaesis [D{omifm) 7t(ostris) iribm Au]g{ustis{ Arab{icis) Adi[ab)enicis) Parth{i€is) maa:i(wts) pro inc]olumitatc doniu[8 divinae scholam cum im]agimb{uA) »acris fece\r{unt) et oh eam soUemni- tatem d]ec{r€rerunt) uti duplis stipend[iis suin arca fiat regi-esAt] de exp{editione) fel(ici8sinm) Mesopot[amica mil{it€s) duplarii l]eg{ioms) III

Aug(ustae) p{iae) r{indicis) gtwrulm nomina s]uhiecta mint

Aemilius Cattiamis cor{mculani) L h{ene)f(iciani)

prae]f{ecti) T, Flavius Surus actar[his [Hecundum] legem

scholae [coUegis] priorihus denarios c(entum) quaestor [adnumerabit]. Nach den cornicularii ^^^) können nur die beneficiarii gestanden haben ^^^, weil dies das Bangvcrhftltnis fordert; der actarius tritt hier wie in dem officium des legatus legionis für den fehlenden commentariensis ein ''^). Dem officium gehören auch librarii '**), immunes und discentes an^^^), so dass es schon deshalb nicht voUstfindig genannt sein kann. Wie Cagnat bemerkt, sind zwei dieser Officialen der erhaltene cornicu- larins und der actarius vor dem Feldzug optiones gewesen ^^). Sie sind

*^) Mit den treffenden Ergänzungen Cagnats, die ich nur an wenigen Stellen weitergeführt habe.

'**) Die zwei comicularii des Officiums sind wahrscheinlich eine Eigen- tümlichkeit derjenigen Provinzialheerc, welche nur eine Legion zählen, so dass die Funktionen des praefectus legionis vielleicht in diesem Falle eine weitere Gompetenz als sonst begriffen. Ephem. epigr. lY p. 414. CIL. YIII 17625.

"•) Die beneficiarii müssen nach der Analogie der Officia der anderen Offiziere weit zahlreicher gewesen sein als die 2 in dieser Inschrift fehlenden Namen erkennen lassen.

»»') CIL. in 7763: Mius Alexander actarius l{egaU) legionis) XIII geminae.

"8) Brambach 146.

»»») CIL. III 3565 P. TarruUnio Stel(atina) Froculo Taurini evocato legiionis) II ad{iutricis) 8tip{endiorum) XL VI ann{orum) LXVII h. s. e, C. Cornelius Fdix comicular{ius) praef{ecti) leg{ionis) eiusdem h{eres) ex t{estamenio) /{aciendum) curavit ei immunes et disceni{es),

»*») C-IL. VIII n. 'iö54 = No. 180, wo beide wiederkehren und ihre Beförderung durch den Zusatz COR und ACT in der Liste ersichtlich ge- macht ist.

6*

84 V. Domaszewski

also darch Avancement in das collegiam eingetreten und die collegae priores werden jene sein, an deren Stelle sie getreten sind***).

4) Das Officiam des tribunus laticlavius.

178 = CIL. Vm 2Ö51, cf. 18046 Lambaesis Imp{eratori) CaesiaH) L, Septimio Serero Pio Pertinad Äug{u8to) Arah{ieo) Adiah{enico) Parth(wö) maximo et M. Aurelio Antonino Aug{usto) AugtMti n{oHtn) fiho et [L.] Se\j[i\t\mi{o) Ge[tae nobil{issiino) Cae]s(ari) Augusti n{ostri)

Antonini [fratri] fdio domini n{o8tri) Severi et luUae Aug{ustae) matri

Aug{ustoi^m) et ccistrorum dedic{ante) Q. Anicio Famto leg{ato) Au-

g{mtorum) pr{o) pr{aetore) co{n)s{ule) desig{nato) cornicuUrim et h{ene)'

/[iciarii) Intidami mil{ites) l€g{ionis) III Aug{u^t^e) p{iae) v{indicis) ex

arca sua fecerunt, quorum nomina mbiceta sunt. Es folgt 1 cornicu-

larius und 11 beneficiarii.

Der tribunus laticlavius bat ein eigenes officium, an dessen Spitze

der cornicularius stebt, der allen anderen Tribunen fehlt, weil er der

ranghöchste Offizier der Legion ist und nach der Dienstordnung der

Stellvertreter des Legatus**^.

5) Die beneficiarii der anderen tribuni.

179 = CIL. VIII 18078 Lambaesis L. Septim[i^ Getae imp{eratons) Caes{aris)] L. Sep[timi Severi Pii Pertin{a€is)] Aug{usti) Alrab(ici) Adiaben{ici) Parth(ici) max{imi)] fH{io) M. lAur{€li) Antonini Aug{usti) fratri] n[ohil{isfnmo) Caes{ari) dedicante Q. Anicio Faun]to 1eg(ato) A\\ig{ustx) pr{o) pr{aetore) co{n)s{nle) beneficiarii] trib[unorum]. Es folgen die Namen»*»). Es ist die Basis der Statue Getas, die in der Schola stand.

6) Die Signiferi.

Wir können die Existenz dieses coUegiums, welche die Altäre Nr. 169. 170 sicher bezeugen, noch nachweisen aus der Charge optio signiferorum ***). Denn das Statut des coUegiums der cornicines (Nr. 182) zeigt, dass in jenen CoUegien, deren Mitglieder dem Range nach gleich- stehen, bei denen also ein durch die Organisation gegebener Obmann fehlt, ein optio die Leitung hat^**). Der optio der signiferi beweist

»*^) Das CoUegium bestand seit Hadrian, aber der Neubau der Schola wurde mit der Anlage einer arca verbunden.

»«) Vgl. Rhein. Museum 1893, 243.

»**) Die erhaltenen Namen sind alle verschieden von denen des Col- legiums der Inschrift No. 178.

»**) Brambach 1048. CIL. III 1124. 1202, XIT 2929.

"*) Das ist nicht der Fall bei den Optiones, weil der Rang dieser Offiziere sich nach dem Range des Centurio richtet, in dessen Centurie sie dienen. CIL. VIII 18072.

Die Religion des römischen Heeres. 85

demnach, dass es anter den signiferi der Legion keinen Unterschied der Funktionen giebt, oder dass die Legion nar eine Art von signa besass ^%

7) Die Optiones.

180 = CIL. VIII 2554 Lambaesis Pro salute Äug{ii8torum) optianes scholam suam cum statuis et inuiginibus domus [di]cinae, item diis con- serratoribus eorum, ex largissimis stipendiia et lifjeraUtatib{iis) quae in eoa conferunt, fei'er{uni), curante L, Egnatio Myrone q(uaestore); ob quam sollemnitaiem decreverunt ut collega profkiscetis ad spem suam confirmamlam accipiat sestertium octo mil(ia) n(ummum) veter{ani) quoque mistn accipiant Kai. lan. anularium singuli sestertium sex mi- l{ium) n(ummum) quae anulariti suo die quaestor sine dilatione ad- numerare curabit. Es folgen 64 Namen.

8) Die tesserarii.

181 = CIL. VIII 18070 Lambaesis [Imp{eratori) Caes{ari) L. Sep- timio Se]cero Pio Pertin{aci) Arab[i€o Ädiabenico Pafthico maximo Ang{u^to) et M. Au]reli4} Antonino Aug{usto) et L. [Septimio Getae

Caes{art) Aug{usto) et luliae Augustae tnatr]i Aug{ustorum) et castrorum ded[icaHte Q. Anieio Fausto leg{ato) Aug{ustorum) pr{o) pr{aetore) co{n)s{ule)'] des{ignato) tesserari leg{ionis) III Aug{ustae) p(iue) [v{indicis)

scholam ex largissimis stipendiis fecerunt] ob quam sollemnitatem [de- crecerunt arca iit fiat ex qua iis qui ex eo colle]gio dimitentur singulis anular[i n{omine) dentur (sestertium) .... m{ilia) n{ummum) cur]an[t]e (.\ [Iu\lio Tertidlo qu{a)€s[tore].

9) Die tubicines. Vgl. No. 37. 10) Die cornicines.

182 = CIL. VIII 2557 Lambaesis Pro Felimtate et incolumitatem saeculi dominorum n{ostrorum) Aug{ustorum) L. Sep{timi) Severi Pii Pertinacis Aug{usti) et M. Aureli Antonini AMg{usti) [et L. Septimi Getae Caes{aris)] Aug{usti) et luliae Aug{ustae), matri Aug{ustorum) et castr{orum) et [Fulviae PlautilUie Aug(ustae)] Antonini Aug{usti) nostri [coniugis].

cof{nicines) leg{ionis) III Aug{usfae) p(iae) v{indicis).

Es folgen 35 Namen, dem ersten ist opt{io) beigeschrieben. Scamnari n{omine) dabunt col{legae) qui fac{ti) fuer{int) denarios DCCL. Si qui d{e) col(legis) tram{are) pro{ficiscetur), cum pro{nwius) s{it) (u:c{ipiet) vini{icum) pro{c€Ssus) m{iles) denarios CC, €q{ues) a{utem) [(denarios)] B.

It[€]m vet{e)ranis anularium nomine denarii B.

Item, si qui ex coll{egio) amplio{re) grad{u) profiiciscetur), accip{i€t) denarios B.

**•) Es bestätigt dies nur, dass es keine Signa der Cohorten giebt. Die Fahnen S. 23.

86 V. Domaszewski

Jtem, si qui ohitum naturae red(diderit), acc{ipiet) ?ier{€s) ips(ius)

sive proc{urator) denarios Z>.

Item, quod abom{inamur\ si q{ui) loc{um) 8u[um] amis{ent)j accipiet

denarios CGL.

[T]t[e]m, qui arc{a) 8olut{i) sunt et si quis de iironib{us) ah liae die

satis arcae fec{erit)y accipiet quitquit debet{ur).

Lex fact{a) XI kal{etulas) Sep{tembres) Plautiano II et Geta II cos,

[G]e[m]in[u']s Antoninus FHinus Marcus. Die Zahl der cornicines ist wohl verständlich. Die erste Cohorte zählte 5 Centurien '*'), alle anderen 6 '*®). Dieser Zahl der Centurien entsprechen die cornicines, wenn für die Gohorten mit Ansnahme der ersten die alte Vereinigung zweier Centurien unter einer Fahne, der manipulns ^^®) noch bestand. Dann sind 32 cornicines milites und 3 equites. Die Legionsreiterei hatte aber drei vexilla'^®).

11) Die armaturae. Vgl. No. 44. 45.

12) Die armorum custodes. Vgl. No 113.

13) Die mensores.

183 = CIL. in 10976 Brigetio Genio Mem[or(um)\ [lelg^iünis) I adi{utricis).

14) Das Spitalpersonal.

184 = CIL. VIII 2553 Lambaesis Imp{eratoribus) Caes{artbu8) L. Septimio [Severo Pio Pertinaci Aug{u4it6) et M.'\ Aurelio Antonino P[io Aug(usto) et L. Septimio Getae Caes(art) Aug{u8to)] et luliae Aug{ustue) matri Aug{ustorum) et [castrorum dedicante Q. Anicio] Fausio co{n)s{ule) ampl{iorem) ex largilssimis) stipendiis quae in] eos conferunt fecerunt optiones üalet[udinarii medici cajjsarit] pequari librarius et discentes capsasio[rum et librari? ob quam so]lemnitatem decreverunt universi arca u[t fiat ex qua veterani qui ex] eodem collegio dimittentur anulari n{omine) sing[uli ncdpiant kal. inn. (sesterium) . . mil{ia) n(ummum)] item discentibus proport{ione) scamnari sui (sestertium) (miUe) n{ummum) [.swa die quaestor adnumerare cur{abit)].

Die Ergänzungen beruhen auf Dig. 50, 6, 7, wo unter den im- munes genannt werden optiones valetudinarii medici capsarii und später librari qui docere possunt.

Die capsarii können nur nach der capsa heissen; sie sind also die Lazarethgehilfen, die in ihrer capsa Verbandzeug, Schienen u. dgl. tragen. Die discentes capsariorum sind Rekruten, welche ihnen zur

M') CIL. VIII 18072. "«) CIL. m 6580. "•) Vgl. die Fahnen S. 22. «0) Vgl. No. 189,

Die Religion des römischen Heeres. 87

Aosbildang beigegeben sind. Die Tierärzte fehlen in der Inschrift ganz. Und doch hat das Veterinarinm im Lager bestanden und zwar in enger Verknapfang mit dem Yaletudinarinm^^^). Ich erkenne deshalb in den pequarii, deren Bedeatnng ganz unbekannt ist'^^, die Tierärzte.

15) Die eqaites legionis.

185 = CIL. VIII 2550 Lambaesis Impieratori) (Jaes{ari) dici M, Änionini G€r(tnanwi) Sar(trMtici) fil{io) diri Commodi fratri dici Pii Antonini ne2){otis) divi Hadriani pronep{oti) dici Traiani Parthici abniepoti) diri Nerme adn{epott) L. SepHmio Severo Pio Pertinaci Aug{iisto) Arahico Adidbenico Parthico p{ontiflci) m(aximo) trib{unicia) potestate VI imp{eraton) XI co{n)s{uli) II patri patriae proco{n)s{uli) et imp{eratori) Caeft{ari) M. Aurelio Apiton[ino A]ug{u8to) L. Septimi Sereri Pii Pertinacis Aug(mti) w(o»/rt) ßio et [L. Septimio Getae Caeif{ari)] L. Septimi Severi Pii Pertinticis Aug{u8tt) n(08tri) filio Imp{€' ratoris) Cae8{aris) M. Aureli Antdnini [frat{rt)'\ ei luliae Domnae Augustae tnatri castrorum dedicante Q. Anicio Faiisto leg{ato) Aug{u8to- rum) pro pr(aetore) c{larissimo) r(iro) co{n)s{ul€) desig{nato) eq{uites) leg(ionis) III Aug(ustae) p{iae) v{indicui),

186 = CIL II 2663 Leon Imp(eratori) Caesiart) M. Aurel{io) An- tonino Pio felici Aug{u8to) Parthic{o) max{imo) Brit{annieo) niax(inio) pontif[iei) »nax{imo) trib{unicia) pot{eHtate) XVIIII co{n)s{tUi) IUI imp{eratori) III p(atri) p(atriae) proc{onsüli) equites in his actarius leg{ionis) VII Gem{inae) Antioninianae) p{iae) tel{icis) decoti numini tnaiestatique eiiis dedivat{um) VII K, Od, Cattio Sahino II et Cor- (nelio) Anullino cos, a. 216.

''^) Hygin. Kap. 4 und meine Erläuterung S. 47 und 56. Der Train ist im Marschlager eingeschoben, weil die fabrica, die Feldschmiede, mit dem Tierspital verbunden ist. Der Lärm, den sie verursacht, stört die Kranken des valetudinariums. Im Standlager existiert keine Schmiede. Die Waffen filr die Truppen kamen normal aus dem Zeughaus in Rom. Tacitus bist. 1, 38 aperiri dcinde armamentarium iussit. rapta statim arma, sine more et ordine militiae, ut praetorianus aut legionarius insignibus suis distingueretur : miscentur auxiliaribns galeis scutisque. Das Zeughaus in Bom enthielt also Waffen für alle Truppengattungen. Es beruht dies auf den Einrich- tungen der Republik, die nur armamentaria publica in Rom kennt (Cicero Rab. perd. 7, 20), weil das Heer dem Prinzip nach kein stehendes ist und keine Standlager hat, so dass noch Caesar die Zeughäuser der macedonischen Könige in Demetrias (Plutarch Brut. 25) benützte. Es fehlen daher den Truppen auch in der Kaiserzeit, als die Standlager armamentaria erhielten (Brambach 6. CIL. YII 446), die Chargen, welche sich auf die Erzeugung der Waffen beziehen. Vgl. Korrbl. XI p. 230.

3'^) Die geläufige Beziehung auf die prata legionis beruht nur auf einer falschen Auffassung dieses Begriffes. Vgl. S. 100.

88 V. Domaszewski.

187 = CIL. VIII 2593 Lambaesis A€l{ius) Semrus eq{ue8) leg{ianiji) III Aug{u8tae) {centuri^) Iul(i) Candüli explkitus desiderio animo.sui arani quam vocerat Fortunae Aug{usti) T)ibens) a{nimo) reddidit eamque dedic{avit).

Es ist ein offizieller Altar, weil der eques seine Centuria nennt ^^^).

188 = Brambach 390 incerta HercuU lamtarinius Moderat{us) cot- {legio) eq{uitum d(ono) d{edii).

Die Beziehung auf die Legionsreiterei ist nicht sicher, weil die- selbe Einrichtung bei der Auxiliarcohorte bestand. Vgl. Nr. 133.

Aus dem Heiligtum der equites legionis III Augnstae stammt auch die Liste:

189 = CIL. VIII 2562: An der Spitze fehlen 2 Chargen. Eine war auf das Gesimse gesetzt, also als die höchste bezeichnet. Es ist vielleicht der Optio equitum '**). Die 3. und die 4. sind vexülarii [eq{uitum)] ^**). Dem- nach wird auch die 2. ein texillarim equitum gewesen sein. Dann folgen t€88{erarius) [€q{uitum)] viagiister) 'k{ampi?) Jiaiit(ilariu^)^^^) cur{ator) 8co{lae). Ausser den principales sind nur 41 milites genannt, das ist für drei oder auch nur für zwei vexilla viel zu wenig, so dass also die Liste auf einer zweiten pila weiterging.

Dennoch kann die Zahl der Legionsreiter nicht sehr gross ge- wesen sein, sie war vielleicht so gross wie zur Zeit Neros ^^').

B. J. 3, 6, 2: Mey oög auTig (Vespasian der Armeecomman- dant) T0U(S xe JTTtXIxToug Töv Tis^öv xaE fTCTcecüv (= equites et pedites singulares) xal loug Xoyxo^^poug ^*') l^wv. zIkzzo 5e aux^) zh TStov xou

36S) Ygi darüber Arch. epigr. Mitt. X S. 36. Nur einmal kehrt dies wieder CIL. III 11239, weil die Inschrift dem 1. Jahrhundert angehört, als die Grabsteine noch den Inhalt der latercula militum genau wiedergaben. Die Fahnen S. 21.

«*) Vgl. CIL. VIII 2568, 18.

''*) In der Legion haben nur die equites vexilla CIL. 16549 (vor Uadrian), Verhandlungen der 42. Philologenversammlung S. 239, Die Fahnen S. 26.

^^*) Die Bezeichnung hast, gilt auch für die 4 folgenden Namen, so dass also 5 hastilarii anzusetzen sind. Wie die Zeugnisse liegen, ist es wahr- scheinlich, dass Vespasian diese Reiter abgeschafft und Hadrian wieder ein- geführt hat. Meine Ausgabe des Hygin. S. 70.

^^^) Das heisst die Leute sind mit lanceae ausgerüstet und gehören zum Stabe des Armeecommandanten. Da unter den Praetorianem die specu- latores allein lanceae führen, so sind die l.oyxoq)6^ot die speculatores des Statthalters. Sie sind die Leibwächter aus der Bürgertruppe wie die equites singulares aus den auxilia. Die Einrichtung geht auf die Republik zurück bell. Afr. 37, 1 speculatores apparitoresque omnes ut sibi praesto essent. Im Heer des Antonius bilden sie eine Cohorte, Die Fahnen S. 75. Schon im

Die Religion des römischen Heeres. 89

Tflcyiiaxo^ [TCTitxöv etxoa: Tzpb<; TOtg ^xax&v liznelq. Vespasian ver- wendete also die Legionsreiterei als Stabskavallerie. Dies wird ihre eigentliche Bestimmung sein, zunäclist beim Commandanten der Legion. Dieser General, der in der Organisation des römischen Heeres unseren Divisionsgeneralen verglichen werden darf, besitzt keine singulares, also dem Anscheine nach keine Stabscavalleiie. Die Realität militärischer Verhältnisse zeigt aber, dass er ohne solche den mannigfachen Aufgaben seiner Stellung gar nicht gerecht werden kann. Die Schi ach tencavallerie der alae und equites singulares des Kaisers hat als taktische Chargen decuriones, duplicarii und sesquiplicarii und als Träger der Tarmafah- nen signiferi. All das fehlt den Legionsreitern. Sie stehen im Stande der Centurien und demgemäss haben sie als Fahnen vexilla, die Fahnen detachierter Truppen. Wenn man sie als Stabscavallerie fasst, so erklärt sich die geringe Zahl der Reiter und überhaupt ihre Existenz. Ver- wendbar zur Attaque sind sie trotzdem und wurden wenigstens unter Tiherius, wenn notwendig, eingesetzt.

Die Bedeutung der scholae als Cultgebäude ist klar ausgesprochen in der Weihung durch die Statthalter. Deshalb werden sie auch immer von den Soldaten aus eigenen Mitteln errichtet. Welchen Charakter dieser Cult des Lagers unter Septimius Severus trug, bezeugen die In- schriften nicht minder klar. Die Namen der Kaiser stehen auf den erhaltenen Epistylbalken im Dativ ^^**), sie sind also die Gottheiten der Schola und gehen deshalb den unsterblichen Göttern voran ^^^j. Die Gebäude sind tempelartig und die Nische bildet nur die Rückwand ^^^). In diesem Tempel stehen die statuae und imagines, d. h. Geniusstatuen und die Medaillons der kaiserlichen Familie ^^'), die Bilder der dii con- servatores '^^) mit ihren Altären '^^). Wie der Bau tectonisch ausge-

Heere des Polj'bius stehen nebeneinauder 6, 31, 2 oi tcov tndiKTcov Innimv ilxoltHTOi -Aai Tivfg rav iO'elotrcrjv atgctTtvofitvav rfi rav vnuvmv ;p«pirt Erstere sind die aus den extraordinarii, also den auxilia, abkommandierten singulares, letztere Legionare, über deren Benennung wir nichts wissen, weil die Geschichtserzählung in lateinischer Sprache für diese Zeit keine tech- nische Korrektheit besitzt.

«») No. 177. 178. 181. 184. 185.

»w) No. 180.

'*<*) Erhalten nur 180. Die eigentliche Bauinschrift stand über der Thur dieses Tempels und lautet ähnlich wie bei den in Anm. 358 aufgezählten Fällen.

»") No. 180 und 173. 176. 179. 186.

««2) N0.3I8O.

»«) No. 36. 37. 43. 44. 45. 46. 73. 113. 170. 175. 187. 188.

90 V. Domaszeweki

fahrt war, Hesse sich nur durch ein Studium der Überreste in Lambaesis feststellen. £s hing von den Mitteln der einem Collegium angehörenden Soldaten ab und der Zahl und der Bedeutung der principales, so dass nur die allgemeine Anlage einheitlich gewesen sein wird.

Die arcae haben mit dem Collegium als solchem und der Religion des Lagers nichts zu thun. Alle Zwecke, denen sie dienen, sind profan. Errichtet werden diese arcae aus Anlass der Einweihung der neuge- bauten oder umgebauten Scholae. Dass sie an das Heiligtum anknQpfen, haben sie mit der gemeinsamen Sparkasse aller milites ad signa ge- mein. Die Zugehörigkeit zu der Kasse ist durch die Zugehörigkeit zum Collegium bedingt und erlischt durch den Tod des Mitgliedes, Entlassung, sei es honesta missio oder ignominiosa, endlich durch Avancement, weil das Mitglied notwendig in ein anderes Collegium übertritt. Diese Kassen haben auch mit dem militärischen Dienste nichts zu thun, so wenig wie die Kasse ad signa. Denn der Austritt ist auch demjenigen Mitglied gestattet, das in dem Collegium verbleibt. No. 182 am Schlüsse: Item qui arca soluti sunt et si quis de tironibus ab hoc die scUis arcae fecerit, accipiei quitquit dehetur.

Die Scholae der Auxilia. Auch bei den Auxilia bestand diese Einrichtung.

1) Decuriones. Vgl. No. 149. 150.

190 = CIL. lil 7626 Alsö-Ilosvae P. Äel{ias) Patt/m[w> templ{um) instituit pro sc suor[u]mque salute Genio sancto scolae decurionum (der ala I Frontoniana).

2) Centuriones

19t = CIL. 1117631 Alsö-Kosäly [Ge]nio s[co]l€8 ordhiatorum mce{ura' (jeniihus) L. Cilio [Ä]eliano et [T]ib{erio) Aurel{io) Bo . . . principibus po8{u€runt).

Diese Scholae beweisen, dass Centuriones und decuriones der Peregrinen-Truppen principales sind^^*).

3) optiones.

192 = Bonn. Jahrb. 46, 112: Genio opiionum coh{orti8 III) Aquitanorum.

4) equites der Cohortes equitatae. Vgl. No. 133. 188.

5) aeneatores. Vgl. No. 36.

«**) Hygin. C. 16. Beide Chargen werden regelmässig aus den Sol- daten der Auxilia selbst besetzt, Arch. epigr. Mitt. X S. 29 Anm. 1. Der Unterschied zwischen milites und Centuriones als Offiziere, in unserem Sinne gefasst, hat erst die Kaiserzeit herausgebildet ; zu dieser Art Centurionat ist nur der römische Bürger berechtigt.

Die Religion des römischen Heeres. 91

6} Die duplicarii eines numerus.

193 = CIL, VII 1037 Bremenium D{€ae) }{{omae) s(acrUM) dupliicarif) n(amen) exploratorum Brefnen(ietmum) aram instituerunt n{umhii) eius (\ Va€p{io) (liaritino trib{uno) r. «. /. m.

Die Einrichtung gilt also fQr alle Chargen der Auxilia. Sie findet sich in gleicher Weise bei den hauptstädtischen Truppen.

Scholae der Praetorianer. Schola specnlatorum.

194 = CIL. VI 215 Rom rejc{ill<iHus) L. Locer(iua) L, (fHiun) Sabina Coivftitutus Volaterra, opt(io) C. lulius (\ f{ilius) (ktm{ilia) Pri- minwf Raremia fac{tus) (centurio) scolam ,c€tu,state corruptam pecunia Xntblica restituemlum [curarunt ii]€m ae^k'u(\am de suo marmore ador- narerunt

Schon Kellermann hat erkannt, dass diese Inschrift wegen des Fundortes sich auf Praetorianer beziehen mflsse. Der Yexillarius be«- zeichnet eine Reitertruppe. Um diese Truppe selbst zu bestimmen, ist es notwendig, das Avancementsgesetz der Praetorianer zu erörtern. Auch hier gilt wie bei allen Truppen, dass das Avancement zu den Principales, die an Rang über den signifer stehen, nie vom gregarius ausgehen kann, sondern stets die Bekleidung einer der drei taktischen Chargen : tesserarius, optio, signifer voraussetzt'^^). Ausnahmsweise kann eine der taktischen Chargen sofort zum evocatus vorrücken*®**"). Die princi- pales, welche an Rang über diesen Chargen stehen, das Officium des praefectus praetorio und des cornicularius tribuni werden nach der Dienst- ordnung notwendig evocati'®^), ebenso wie der höchste aller principales der cornicularius praefecti praetorio notwendig centurio wird. Der optio equitam steht aber an Rang den taktischen Chargen gleich, auch er ist durch eine Zwischenstufe von der evocatio getrennt'®^). Demnach ist No. 194 kein optio equitum gemeint.

Innerhalb der Centurien der Praetorianer stehen'®*), obwohl sie

"») CIL. II 2610; III 2887. 7334; VI 2454. 2794. 3661; IX 1609; X 1763. Wüm. 1598.

»««) CIL. V 7160; VI 2578. Deshalb ist in den Veteranenlisten an- gemerkt, dass diese evocati ex signifero sind CIL. VI 2379a 2, 21; 5, 51.

'•^) unter den Inschriften der Veteranen der Praetorianer fehlen sie aus diesem Grunde ebenso wie in den Entlassungslisten (vgl. über diese Bor- mann, £ph. ep. IV p. 317 ff.), wo sie in dem einfachen evocatus enthalten sind.

»•») CIL. VI 2440.

"') Vgl. besonders die Entlassungslisten.

92 y- Domaszewaki

eine selbständige Truppe bilden ^'^), die Speculatores. Der einfache speculator steht an Rang bereits den taktischen Chargen gleich^'*); der Centurio der specalatores steht an Rang über dem centurio praetoria- nus^^*). Schon dieses Rangverhältnis beweisst, dass sie die Elite der Kaisergarde bilden ^^^). Dies bestätigt Tacitus bist. 2, 11: Ipsum Othonem coniitabantur speculatorum lecta corpora cum ceieris praetariis cohortibus. Der Ausdruck ist wie immer bei Tacitus mit voller Prägnanz gewählt. Sie umgeben den Kaiser auf der Reise, Sneton, Galba 18 : descendentem speculator impulsu turbae Imicea prope vulneravit und selbst beim Mahle, Sueton, Claud. 35: neque convivia inirc ausus est nisi ut speculatores cum lanceis circumstarent. Sie sind, da sie den Kaiser im Felde schützen, beritten, Tacit. bist. 2, 33: cum ipso prae- tariarum cohortium et speculatorum equitunupie valida fnanus^^^), Sie haben eine eigentümliche Bewaffnung ^^^j, welche auf einem Relief des Kaisers Marcus dargestellt ist^^^). Über ihre Organisation wissen wir ausser der Einteilung in die Gehörtes praetoriae, dass sie zur Zeit von Galbas Ermordung 24 in einer Cohorte standen ''^^^), also im ganzen Praetorium an die 300^'®). Nun führt der rangshöchste der Cen-

"0) CIL. III p. 1960. Dipl. XII.

3") CIL. VI 2755 und Orelli 3206.

»") CIL. X 6674. , ^'^^) Deshalb schickt der Narr Caligula seine Sicgesbulletins unter ihrer Bedeckung nach Rom, als wäre es seine eigene Person, Sueton Cal. 44.

»'*) CIL. IX 395 (unter Nero).

^") Sueton Caligula 52 specidatoria caliga, TertuUian de Corona 1 speculatoriam morosisshnam de pedibns absotcü, d. h. sie ist durch ein compli- ziertes Flechtwerk von der gewöhnlichen caliga verschieden. Über die lancea vgl. die Stellen im Texte und Anm. 376.

"«) Die Fahnen S. 78 Fig. 96. Der Fusssoldat vor dem Kaiser ist ein speculator, weil er eine lancea trägt. Zu Pferde hätte er den Kaiser verdeckt und soll doch nur seine Leibwache andeuten, die unentbehrlich ist, weil auch diese Scene in praetorio spielt.

''*) Otho gewann die speculatores (Tacit. h. 1, 25), 23 speculatores erwarten ihn am miliarium aureum (Tacit. bist 1, 27) und bringen ihn ins Lager, einer kehrt in den Palast zurück, um die falsche Nachricht zu bringen (Tacit. bist. 1, 35). Von der Cohorte, die die Wache hatte (1, 31), heisst es dilapsis speculatoribus cetera cohors, also standen in der Cohorte 24 specu- latores. Wie diese principales es wagen uud durchsetzen konnten, einen neuen Kaiser zu machen, wird erst durch ihre Bedeutimg als Elite der Kaiser- garde historisch verständlich.

*^*) Das Praetorium zählte 12 Cohorten, also 288 speculatores, oder, da es wohl eine runde Zahl gewesen ist, 300.

Die Religion des römischen Heeres. Q*i

turionen des Praetoriums den Titel trecenarius. Dieser Titel kann, wie Mommsen bemerkt hat^^^), nicht eine Gehaltsstufe bezeichnen, sondern wird von der Stärke der Abteilung genommen sein, welche dieser Cen- tario befehligte ^^^). Ich glaube deshalb, dass der trecenarius die 300 specnlatores des Praetoriums befehligte und deshalb unter den Centarionen des Praetoriums dem Range nach am höchsten steht. Daraus erklärt sich wieder, warum der trecenarius an keine bestimmte Cohorte gebunden ist; er war wie die specnlatores dem Stande einer Cohorte nur zugeteilt.

Die Inschrift No. 194 kann demnach nur die Bauinschrift an der inneren Aedicula der Schola der specnlatores sein. Dann ist der Texillarius. der auf die Stabscavallerie allein passt, verständlich und ebenso der optio, den Tacitus wie auch einen tesserarius bezeugt^®*).

Dem zweiten Bestandteil der Kaisergarde, den equites singulares, kann ein solches Elitecorps nicht gefehlt haben Ich glaube, sie hiessen hastilarii. In einer Turma dienten drei dieser principales (No. 90), was auf eine sehr grosse Zahl schliessen lässt. Auch bei den equites singulares finden wir den vexillarius (No. 91)^®'), ganz entsprechend dem vexillarius der specnlatores Die Schlachtcavallerie der alae und der equites singulares ist mit Wurflanzen bewaffnet, wie ihre Grabreliefs zeigen. Deshalb glaube ich, dass die hastilarii nach der hasta heissen, mit denen sie als Stabscavallerie ausgerüstet waren, wie die specnlatores mit lanceae.

•^•) Ephemeris Epigr. IV 242 ff. hat Mommsen die Inschriften der trecenarii zusammengestellt und im Wesentlichen richtig erläutert.

•••) Der Centurio speculatorum auf der Inschrift CIL. X 6674 ist ein von Nero nach Antium deducierter Veteran. Unter diesem Kaiser findet sich das erste Beispiel des trecenarius (Mommsen No. 80), während der centurio speculatorum später nicht mehr existiert. Nero wird die Zahl der Leib- wächter vermehrt und dem entsprechend den Titel neu geprägt haben.

*•*) Tacit. bist. 1, 25: Barbium tesserarium speculatorum et Veturium optionem eorundem. . Plut. Galba 24 iv rovroig Ovstovqios xorl Bugßiogj 6 gilv oxriatVy 6 81 xfaaeQUQiog- ovroi yuQ xalouvrai oi öiayytlcav xai öiOTtT'qiftov vm- QTiatag tBlovvTfs. Ich kann bierin nur eine schlechte Übersetzung von tessera- rius und optio erkennen und nicht von specnlatores, von denen Flutarch gar nicht spricht.

»»•) CIL. VI n. 3239. 3253. Es wird auch kein Zufall sein, dass die hastilarii und der vexillarius die beiden hervorragenden Siegesdenkmäler No. 90 und 91 gesetzt haben. Vgl. die hastilarii der equites Icgionis oben S. 88 Anm. 356.

94 V. Domaszewski

Aber beide Elitereitereien wurden am die Mitte des dritten Jahr- hunderts ersetzt durch die tectores.

Über die tectores der Praetorianer vgl. No. 87. Die tectores der equitfs singulares nennt *^^)

19Ö = Dessau, inscr. select. 2190: pro salute eqfuitum) RingCidarium) Genio

ttinnes Herciüi sancto Aur(eUus) Hennogenes et , , . iliu^ Sahinua et

AurfeliusJ Mciximianus teclflores nfutnerij sfupraj s(cripti) [tfurmnej]

Maximi ejc votum tu[r]maHbiis hene iner[en]ies animo pleno posuerunt

columna et lucerna aenea Decio Aug(usto) II et Grato cos. a. 250.

Die Zahl der tectores ist genau dieselbe wie die der hastilarii

No. 90 und die Art der Weihgeschenke die gleiche. Deshalb vermute

ich das Eintreten der einen Truppe fttr die andere. In eben jener

Zeit verpflichteten sich die Stabsoffiziere und Generale'*^*), das Leben

des Kaisers, der in Mitte seines Heeres oft am meisten gefohrdet war,

mit ihrem Leibe zu schützen, was in der Verleihung des Titels pro-

tector divini lateris zum Ausdruck kommt. Derselbe Gedanke hat auch

die Umtaufe der Leibwächter des Kaisers veranlasst.

Scholae der cohortes urbanae.

Auch hier ist nur ein Zeugnis erhalten.

196 = CIL. VI 218 Rom milites cohfortisj XII urhCanaeJ A. Apo- nius Sahinianus Tuder fcenturiaj Veri stipfendiorumj XVIII C. Au- relim Alexander Dyrr(achio) fcenturiaj Trebi stipfetidiorumj XVIIII L. Aelius Donatus Bener (enti) fcenturiaj Trebi stipfendiorumj XIII imugines domin[o]rum nfostrorumj et aediciäam et aram de suo feceruni dedicaverunt VII Kai Octohr. duofbusj AugfustiaJ Severo III et Anto- nino Pio cos, a. 202.

Auf der Rückseite

T. Tussatiius [Restijtutus Tuder t[mafginiferj cohfortisj] XII urbfanaej fcenturiaj Vernas[i aedicu]lam vetustate i'lexatam ad]plicfajtis columni[s et renovatis] ornamentis cum [imagfinej dfominij nfostrij et] signo

Victoriae et una cum Frimitir[o AugfustiJ] nfostrij verna pedi-

seq[uo] . . . Abigei? fecferuntj. Da die immunes kein Collegium bilden können, so ist die Von Henzen vorgeschlagene Ergänzung imaginifer die einzig mögliche. Sie bestätigt die Dreizahl der Soldaten, welche das Heiligtum ursprünglich gestiftet haben. Denn nur diese principales existieren unter Septimius Severus notwendig, den drei Augusti entsprechend, in der DreizahP*^'*).

"») Auch CIL. VI n. 3261 ist [te]c(tor) zu ergänzen.

"*) Vgl. meine Bemerkungen Marquardt, Staats v. IP S. 610.

S8&

') Vgl. die Fahnen S. 73.

Die Religion des römischen Heeres. 95

Die ganz veränderte Geltang, welche der Kaisercnlt anter Sep- timias Severas im Heere gewonnen, hat in jener Zeit lebhaften Wider- spruch erfahren und zwar von Seiten der Christen. TertuUianus Schrift de Corona oder der Tractatus tlber den christlichen Soldaten, wie er Sein soll, ist in der Absicht geschrieben, den neuen Götzendienst zu bekämpfen. Nach Rhetorenart beginnt er mit einem fingierten Falle ^^®). Ein speculator d. h. der höchste caligatus im Reiche, bekennt sich beim Kaiseropfer'®') als Christ. Der Frevler wird vor die praefecti, d. h. die praefecti praetorio gefahrt'®^; das letzte Schicksal des Martyrs lässt die Schrift im Dunkeln, indem sie die Polemik auf Grund der Ex- position entfaltet '®^. Far die Geschichte des Heeres ist dies doch von Bedeutung, weil es zeigt, dass, in Afrika wenigstens, Christen im Heere dienten und zwar solche, welche an dem neuen Glauben keinen Anstoss nahmen. Die Regierung konnte Schriften dieser Art nur als Aufreizung zur Felonie betrachten und man begreift, dass der Kaiser gegen die christlichen Prediger eingeschritten ist.

IV. Nnmina eastrornm.

Der Begriff tritt nur einmal auf, vgl. No. 70, so dass seine Geltung schwer zu bestimmen ist. Vor et numinibtis stand der Name eines Gottes. Da der Stein unter Severus Alexander geschrieben ist.

***) Oder er beruht auf einem leeren Gerüchte. Die Kaisergarde be- stand unter Septimius Severus aus der Elite der illyrischen Legionen, denen der Kaiser den Thron verdankte (Marquardt, Staatsv. IP 479). Aus diesen 10000 Kriegern waren 300 als speculatores ausgewählt. Dass einer von diesen Christ gewesen, ist so unwahrscheinlich wie möglich und hätte er es wirklich, gewagt, bei dem grossen Opfer, das sich an die Liberalitas anscbloss, dem neuen Kaisercult der Dynastie offen aufzusagen, so wäre sein Schicksal der Tod gewesen. Statt dessen wandert er in den carcer und erwartet seine Aburteilung, die zur Zeit der Abfassung der Schrift noch nicht erfolgt war.

**') Das Opfer bezeichnet das Aufsetzen des Kranzes. Eben deshalb erinnern die Soldaten in den Inschriften der scholae an die liberalitates. Es sind militärische Donative und keine liberalitas, wie die Münzen sie preisen.

»*•) Es giebt kein anderes Lager, wo die praefecti in der Mehrzahl existieren. Der Kaisercult wurde sofort nach der Begründung der neuen Dynastie eingeführt (siehe oben S. 19 und die Inschriften der Scholae). Die Schrift fällt also vor die Zeit, in welcher Plautianus allein Gardepraefect ist. Vgl. Hirschfeld, Untersuchungen S. 230.

'«») Neugierige Leute hätten damals wie heute nach dem Namen des Martyrs fragen können. So schweigt die Schrift darüber wie über alles, was Zeit und Ort deutlich bezeichnen würde.

96 V. Doroaszewski

so darf man den Namen eines orientalischen Gottes erwarten '^®) Wenn aber die numina zu dem unsterblichen Gotte im Gegensatze stehen, so kann man darunter auf Grund des Altars 14 nur die Genii der Truppen und die signa verstehen. Schon dem Kaiser wird regelmässig namen beigelegt ^^') und ebenso bezeichnet Tacitus die aquilae als numina legionis ^^*). Aber auch die auf die Truppe bezogenen Eigen schaftsbe- griffe sind nicht dii, sondern numina, vgl. No. 14. Denn die virtus der Legion steht an Rang unter dem Genius.

Als gemeinsames Attribut führen die numina castrorum die Mauer- krone'^'»), und deshalb ist in der Figur 2 auf Taf. V, deren Haupt mit der Mauerkrone geschmückt ist und die in der Hand ein vexillum tr&gt, auf welchem 5 Adler sitzen, als virtus quinque legionum zu fassen »ö2b) ygl. S. 41.

Dagegen trägt der Genius des Kaisers und der Genius exercitus den Modius^^^^). Denn ihre Geltung erstreckt sich auf das ganze Heer des Reiches, es sind dii militares'**'«^).

Genius legionis, alae, cohortis, numeri.

Der eigentliche Sitz der Verehrung für den Genius eines Truppen- körpers ist das Fahnenheiligtum, vgl. No. 14. 23. 32 135 und S. 66. Aber sein Geist erfüllt das ganze von den Truppen bewohnte Lager- Denn er ist kein Geist einer Örtlichkeit, sondern lebt mit jedem Sol- daten, der der Truppe angehört.

So wurde er auch verehrt

1) im Heiligtum des Exerzierplatzes, vgl. No. 94 und S. 51.

2) in den scholae, vgl. No. 91. 169.

3) in den Heiligtümern der administrativen Unterabteilungen des Truppenkörpers.

'^°) Auch er wird den Beinamen ^conservatori' gefuhrt haben wie No. G6 ; es ist derselbe Begriff, der in der Inschrift 180 wiederkehrt und bezeich- net die Schutzgötter, die der Kaiser aus dem Pantheon der Spätzeit sich er- koren hat ; ebenso auf den Münzen des dritten Jahrhunderts.

'**) numen et maiestas; es ist die göttliche und menschliche Seite seiner Gewalt. Auf den Basen der Kaiserstatuen ist die Formel numini maiestatiquc devotissima stehend, weil sie den Genius tragen.

392) T^c. Ann. 2, 17.

8ö2a) Vgl. Genius centnriae und Bruce Lapidarium septentrionale p. 400.

892 b) Die Abbildung ist dem Bogen von Benevent entnommen. Meo- martini XVI Petersen röm. Mitt. 1892 S. 252.

«»«c) Cohen p. 374. VI« p. 186 und sonst.

892 d) Schon unter dem Principate, wie die Zusammenstellung mit den dii militares No. 135. 136. 137 beweist.

bie Religion des Römischen Heeres. 9^

a) der Centnria

197 = CIL. in 6577 Alexandria Genio sancto legionis et commäntpu' lorum bonorum Q, Caecilius Kaletulinus optio posuit.

Der Genias commanipolorom bonorum ist der Genius Centuriae.

b) der Turma

Ein sicheres Zeugnis fehlt, aber No. 103 kann dort gefunden sein.

4) Im Heiligtum des tabularium principis.

198 = CIL. m 6638 AeUa Capitolina . . . . Genio ^^) legfionisj X

FrCetensisJ .... Uns Sabinus wa***) princeps [legCionisJ e{\us-

dem d(ono) d(edit).

Der princeps ist hier in derselben Weise genannt wie sonst der primus pilus auf den Altären des Fahnenheiligtums. Der Princeps ist der Vorstand des Tabulariums ***).

5) Im Heiligtum der statio des beneficiarius consularis, der den Aoxiliartruppen zur FQhrung der Verwaltung beigegeben ist.

199 = CIL. III 10306 Intercisa IfomJ optimoj mfaximoj pro sfalutej impferatoriftj M. Aur(eli) Antonini Pii AugfmtiJ et Genio cohfortisj (miliariae) HemCesenorumJ Antoniniatme TL ClfaudiwtJ Procus bfefiefi- ciarius) cofnjHfularisJ legfionisj II ad(iutricis) pifaej fidfelisj Antoni- nianae impferatorej AntonfinoJ IUI et CaelfioJ BaihfinoJ it(erum) cos, a. 213.

Das ist der Cultaltar der statio und nicht einer jener Gelflbde- steine, wie sie die beneficiarii consularis bei ihrer Ablösung zu setzen pflegten **•), weil die Votivformel fehlt.

*") Die Ergännzung Reniers ist meines Erachtens völlig sicher. Denn der Genius des tabulariums an den man auch denken könnte wird nie als der Genius des tabulariums des Truppenkörpers bezeichnet, weil die Be- ziehung auf die Truppe durch die Lage des tabulariums in praetorio von selbst gegeben ist.

'*^) Hier steht die Origo, also eine Stadt.

*'*) Der Fundort der Inschrift macht es in hohem Grade wahrschein- lich, dass das Lager der X Fretensis sich bis auf die Terrasse Ehankd er- streckte. Bei der bedeutenden Längenausdehnung eines Legionslagers lässt sich dies mit Josephus B. J. VII, 1 leicht vereinigen. Lag die Front des Lagers gegen den Tempelberg, den es beherrschen sollte, so ist das Prae- torium auf die Terrasse Khank^ anzusetzen und es wird wahrscheinlich, dass das Grab des Erlösers auf dem Fahnenheiligtum der X Fretensis steht.

'**) Die Altäre, welche Zeugnis ablegen für die stationes, sind als Yotivsteine für denselben Ort mehrfach bezeugt. Das Datum der Weihung, welches durch das ganze Jahr schwankt, geht demnach auf die Ablösung. Ausdrücklich sagen dies die Altäre : CIL. Vlil, 17626 [I(ovi)] o{ptitno) m{aximo) [M]afti Vit^pori] dii[8] i\u\vantibus \^ge\moque stationis Vazcu[vi]tanae . . Sa- turninus [b(ene)f{iciarius)] leg(ioni8) III Au[g{uHtae ex]pleta statione promotus

Wvttd. ZeiUohr. f. Gesch. n. Kunst. XIV, I. 7

98 V* Domaszewski

Die YerweDduDg der beDeficiarii consularis im Verwaltungsdienste hat ein Denkmal ausser Zweifel gestellt. Auf diesem sind die Amtsin- signien des principalis dargestellt.

200 = CIL. III 12895 Salona DfisJ MfanibusJ Q, AemüfioJ Bufo bfeneficiarioj cofnjsftdarinj Aemih'a Aphrodite patrono.

Rechts die Schreibmappe mit dem Griffelkasten, links eine Stange mit Querholz und einem Griff zum Herausziehen, wie bei den Signa; es ist die Stange, welche die statio das Bureau bezeichnet. An dieser Stange sind 2 mir unverständliche herzförmige Gegenstände befestigt »»').

Diesem Charakter als BCkreaubeamten entspricht die Zuteilung von Schnellschreibern.

201 = CIL. VIII 17634 Vazaivi lianus bfenejfficiariufij [et]

exceptores [ex]pleta staiione cum suis omnibus v. s. I. a.

Die Stationen der beneficiarii zerfallen in zwei Gruppen, von denen eine für die Verwaltung der Truppen selbst bestimmt ist. Sie sind nachzuweisen bei den Vexillationen der Legionen, vgl. No. 17, 19 und bei den Auxilia. In folgenden Lagern der Auxilia haben sie sich gefunden: Dacia: Also Kosaly'^®), Varmezö^'*), Homrod-St. Mar- ton*®^), Veczel*^*), Rakovitza-Kopaceni"'). Pannonia inferior: Teuto- burgium*®^), Intercisa*®*). Germania superior : Jagsthausen ^"^), Stock- stadt *ö«}, Seligenstadt*»^), Cannstadt*»»), Koengen*«»), Böckingen *»°),

ad [{centurionatiim)] Ug{ionis) II lUüicae v. s. l m. 17628 exada staiione, 17634 expieta statione (== N. 201). Deshalb wird auch unterschieden CIL III 3949 iieiium) 8tat{ianem} hab^ens); VII 996 prima statione, Brambach 1575 8tat{ione) Oerata. Die Ablösung erfolgt also in festen Terminen wie bei den vexillationes.

"0 Abgebildet Bull. Dalmat 15 tav. I.

»»«) CIL. III 823. 826. 827.

»»») CiL. m 7646.

*oo) CIL. ni 7719.

*oi) CIL. m 7859.

<»») CIL UI unedierte Inschrift . *w) CIL. III 3270.

*o*} No. 199.

*05) Brambach 1617—1619; Westd. Zeitschrift VI p. 77.

*••) Bonn. Jahrb. 82, 209.

*ö») Brambach 1405.

<o«) Brambach 1574. 1576.

*«») Korresp. d. Westd. Zeitschr. I 249.

*»«) Brambach 1588.

l)ie Religion des römischen Öeeres. Öd

bei GuDdelsheim*'*). Germania inferior*"»): Aßciburgium*"^), Dotten- dorf*"«), Oberwinter *"^), Remagen***). Britannia: Borcovicium*^*), Habitancium***).

Der Zufall allein hat unsere Kenntnis hier wie immer bestimmt. Nicht die Grösse der Lücken, sondern das Vorkommen entlang dem Laufe der Grenzen und in Obergermanien auch an der inneren Linie der Verteidigung beweisen fQr die Bestimmung, um es modern auszu- zadrQcken, als Bureaus der Armeeintendanz, die anderen Stationen liegen an Punkten, welche fQr den Verkehr auf den Reichsstrassen wichtig sind*»^).

Für die Organisation des Heeres ist der Posten an der Grenze des territorium legionis von Wichtigkeit.

202 = CIL. III 10429 Aquincum Ifoi'iJ ofptimoj m((iximo), Innoni reginae sacrum M, Ulp(iu8) Emerifun et Tib, Cl(audius) Exsuperatus bfenej/ficiariij co(n)8(ularisJ legfionisj II adi(utricis) agetiies curam leg(ionis) et colonia ÄqfuincumJ v. l. tn. s. Famtino et Bufino cos. a. 210. In der Erläuterung dieser Inschrift habe ich geirrt und Mommseu bemerkt mit Recht: beneficiarii dno cum curam agere non potuerint nisi legionis, item colonia in lapide est, non coloniae, evidenter apparet aram dedicatam esse a duobus beneficiariis pro legione et a colonia. Der Altar bezeichnet die Stelle, wo das Territorium der legio 11 ad- iutrix*^^ an das Gebiet der colonia Aquincum*^') stiess Hier hatte sowohl die Militärverwaltung eine statio der beneficiarii errichtet als auch die Gemeinde ein Bureau ihrer Beamten. Es zeigt dies, dass der Verkehr zwischen beiden Gebieten kein freier war und dass das terri- torium legionis seinen Charakter als Festungsrayon bewahrt hat. ür- sprtlnglich hiess dieser ftlr eine Festung einfach unentbehrliche Raum, auf welchem im Umkreise des Lagers keine Niederlassung gestattet war^

"1) Brambach 1606.

«IIa) Hier können die Castelle nur vermutungsweise angesetzt werden.

*»b) Brambach 231.

♦"c) Brambach 512. 513.

*»d) Brambach 641 bis 643.

'><) Brambach 647.

"») CIL. VII 645.

*") CIL. VU 996.

^^^) Eine erschöpfende Behandlung kann nur durch eine Untersuchung über die viae militares gegeben werden.

*»•) CIL. HI 10418.

^^^) Die Colonia lag südlich vom Lager in der Richtung nach dem Bloksberg. CIL. III 10418 und p. 1891.

7*

100 T. Domaszewski

prata^*®), d. h. Wiesen; also nicht einmal Bäume, welche die Aassicht versperren konnten, Hess man stehen. Was hier darch die Bedürfnisse des Garnisonslebens der Standlager hervorgerufen, an Gebäuden entstand, hiess canabae, d. h. es waren Buden von Holz, die im Falle einer Belagerung rasch beseitigt werden konnten, indem man sie in Brand steckte. Die spätere Zeit hat auch auf diesem Gebiete steinerne Bauten, ein Amphitheater, Bäder, ja Privathäuser errichtet^**), ohne dass das territorium legionis seinen rechtlichen Charakter als Festungsrayon ver- lor. Es bleibt ein Teil des Lagers, das Glacis der Festung. Städte sind aus den Canabae nur im Innern des Reiches hervorgegangen, wo die Festung zur blossen Kaserne wurde *'^).

Genius praetorii.

Der Ort für die Verehrung des Genius praetorii, des Lebensgeistes des Stabes, ist das Praetorium und zwar das Fahnenheiligtum selbst.

Das lehrt zunächst der Fundbericht Bruce wall p. 212: Several apartements were found supported upon pillars. One of tJie roams had a circular recess and on the autaide of U teere found three noble altars, tvüh their faces dotvnwards.

Die Beschreibung lässt sich in zwangloser Weise auf das Fahnen- heiligtum deuten. Die Inschriften sind:

203 = CIL. VII 704 Vindolana I(ovi) ofptimoj mfaxinioj ceterisque diis immort(alihm) et GenfioJ praetor(ii) Q, Petroniu8 Q. f. FabfiaJ Urbicus praeffecfusj cohfortisj IUI Gallorum ! ! ! ! ! ! ! ! ex Italia domo Briscm votum solvit pro se ctc suis.

204 = CIL. VII 703 Vindolana Gefiio praetorii sacrum PHuauius Secundus praefectiis cohfortisj IUI Gallorum.

«8) CIL. II 2916. 6807; HI 13520.

^^^) Schon im ersten Jahrhundert hat das Gefühl der Macht und Sicherheit Qber die militärische Rücksicht die Oberhand gewonnen, so in Vetera, Tacit. bist. 4, 22, und hat dann die Verlegung der Lager wie in Vetera und Carnuntum notwendig gemacht.

^'^) So in Apulum und Lambaesis. Aber in Mogantiacnm, Bonna, Isca, Deva, Novae, Durostorum sind nie Städte entstanden. Die römischen Städte in der Nähe von Carnuntum und Viminacium basieren auf den älteren Ansiedlungen der Barbaren an diesen wichtigen Handelsplätzen. Vgl. Arch. epir.g Mittl. X, 1 ff . und R. v. Schneider, Die Erzstatue vom Helenberg S. 21. Aquincum ist der Vorort der Eravisci CIL. III p. 1691 und die rö- mische Stadt so alt wie das Legionslager. Die Negotiatoren sind eben wie immer bei römischen Occapationen den Soldaten vorangegangen.

Die Religion des römischen Heeres. 101

205 = CIL. VII 705 Vindolana IfoviJ oCpiiino) mCaximo) et Genio [pra^/an't] *'*). . . .

Das bestätigt das Relief der folgenden Inschrift, welches die Be- ziehang auf das Fahnenheiligtam aasdrückt.

206 = CIL. II 2634 Asturica signa militaria tria I(ovi) oCptimo) mCaximo) Soli inoicto Libero patri Genio praetor (ii) Q. MamilftusJ Capiiolinm iuridficusj per Flaminiam et Umbriam et Picenum legfatusj Augfugti) per Asturiam et Gallaeciam diix leg(ionis) VII [gCeminaeJ] pfiaej [ffeliciitj] praef(ectm) aer(arii) SatfurniJ pro salute sim et suorunu

Der Altar stammt aus dem Praetorium des iuridicus von Asturica

nnd Callaecia, der in Asturica seinen Amtssitz gehabt haben wird.

Während eines Krieges hat der iuridicus das Commando aber die

legio VII dieser Provinz geführt und zum praefectud aerarii Saturni

ernannt, weiht er den Altar. Aber der Bildersc})muck lehrt auch, dass

er ein militärisches Officium gehabt hat. Ebenso wird der Genius praetorii

verehrt im Sitze des Statthalters von Hispania citerior.

IJ07 = CIL. II 4076 Tarraco IfoüiJ ofptimoj m(axiino) lunoni Mi-

nervae Genio praetorii consularis diis i[uvanti]bus *^^) T. FlfavimJ

Titianus legCatm) ÄugCustorumJ pr(o) prfaetore) . . . a eins dicaoerunt.

Das Praetorium des Statthalters wird als praetorium consulare bezeichnet, im Gegensatz zu dem Praetorium des iuridicus und dem Praetorium des legatus legionis VII, welche dem Statthalter unterge- ordnet sind.

Aus dem gleichen Grunde sagt die Inschrift

208 = CIL. III 1019 Apulum Genio praetorii huius M. ValferiusJ Longinus [vfirj cflarissimusj legfatusj] legfionis) XIII G[emfinaeJ] Se- cerianae cum suis tot um soleit.

Denn in Apnlum befand sich auch das Praetorium des Gonsularis triam Daciarnm.

Als das Lager faktisch stehend geworden^ geht der Name prae- torium auf die Centralbauten der Lager über,' in welchen das Fahnen- heiligtam steht und der Genius praetorii wird zum Genius loci.

209 = Cagnat, ann^e ^pigraphiqae 1891, 115 A'in Chekour [Ge^nio loci ....?. Neon praef(ectus) [coh(ortis)] I ÄstfurumJ et Cal^aecforumJ] praetorium per munus a s{ol]o composuit et feciL

So bezeichnet denn in No. 1 der Genius loci das Praetorium; denn die dii militares wohnen im Praetorium, ebenso No. 42 das

^^^) Die Lesung Hübners Genio diis q(ae) costodibfas) ist unmöglich richtig, weil der Genius eines Namens nicht entbehren kann.

^'') Die Lesung Hübners P[enati]bu8 ist sachlich unmöglich. Haverfield las schon vor Jahren IVENIBVS ; es dürfte IVVANTIBVS stehen. Vgl. CIL. ,Vni 17619 17626.

102 Domaszewski

Heiligtam der stratores liegt im Praetorium, und No. 157 wird die Fortuna im Praetorium als Fortuna huius loci gefasst.

Im Praetorium befanden sich noch eine Reihe von Heiligtümern.

Das Heiligtum des Tabulariums.

210 = CIL. VIII 18072 Lambaesis In hemicyclio: [Ta]bidarium prin- ci[pis cum im]ag(inihus)^ d{om'\us divinae option[€S cohfortiftj prQmae de suo fec€ru[nt] Q. [Senijpronius Felix p(rinii) pfütj P. Ael[ius Ma- crinus] priufcipisj L, [Vale]riu8 lanuarim hasftatij C. Iu[lCiusJ] LonginrnnfusJ [p]rfincipüij pos(terioris) C. [Änt]onius Silvanu^ hasCtati) posfteriorMj. in latere sinistro: Tahtdarium prim(ipi8) \c]um imugCini- busj domus divinae r[e]novatu7n ah Uipio [Ä]ntonin[o p]rincfipej et option[€8] cohCoriisJ pri[m{aej] et adiu[tCor€sJ] de suo /[e'icerunt M. Au- relfiusj Aureliamis pfrimij pfilij, in latere dextro : M. AurelfiusJ Teren- tius prCineipis) pr(ioris) C. Manil(im) Donatm hasCtati) prfiorisj Q. Aebutius Saturnin)i8 prCineipis) posCterioris) M. AurelCius) Licinius hasCtati) posCterioris) C. lulCius) Saturninus C. ItüCius) Numidtus lih[rarii] princCipis).

Wie in den Scholae ist auch hier der Eaisercult unter Septimins Severus in den Vordergrund getreten, neben ihm stehen die dii con- servatores, vgl. No. 38. 39. Und wie beim Praetorium wird der (renius tabularii zum Genius loci, vgl. No. 39.

Das Heiligtum im Tabularium der Stallverwaltung, vgl. No. 41.

Das Heiligtum der stratores, vgl. No. 42. 72 und unten Lares militares.

Das Heiligtum der equites singulares.

211 = CIL. III 5822 Augusta Vindelicum BCis) mCanihus) Victorini Longini eqCuitis) alCae) II FlCamae) singCularium) ClCaudius) Latinum aedituus singidarium hCeres) fCaciundum) cCuramt).

Der aedituus ist der aedituus der singulares des Statthalters, der seinen Sitz in Augusta Vindelicum hatte ^^^).

Genius valetudinarii.

212 = CIL. III 10403 Aqmncum Genio v[aJetudinarii] "*) legCionis) II adiCutricis) pCiae) fCidelis) SevC^rianae) templlum] a solo sum[ptibus suis] cum cubicu[lo et porticu] fecit . . .

^^) Der Statthalter ist genannt CIL. III 5810. 5785. 5788, sein Officium 5812. 5814. 5815. 5823. Diese Officialen wie die Statthalter selbst fehlen auf den Inschriften von Castra Regina. Diese Ordnung geht auf jene Zeit zurück, wo Raetia eine procuratorische Provinz war und in castra Regina keine Legion lag.

*^*) Einen Genius veteranorum kann es nicht geben, weil diese keine Einheit bilden (vgl. die Fahnen S. 25), sondern unter den anderen Bürgern

Die Religion des römischen Heeres. 103

Genius horrei.

213 = Brambach 694 Niederbiber Idm Octob. Genio horrei n(unieri) Brittonum ....

Auch die anderen Lagerbauten, wie das armamentarium^'^) und das ballistarium**^), die basilica equestris exercitatoria**'), d. h. die Reitbahn, werden ihren Genius besessen haben. Nachweisbar ist noch:

Das Heiligtum der Lageruhr.

214 = CIL. III 1070 Apnlam ICooi) oCptimo) mfaximoj et lunoni RestinfaeJ pro salfute) impferatorisj M. AurCeli) Antonini Pii Aug(usti) et luliae AugfustaeJ niatris Augfusti) M. Ulpfitis) Mucianus milfesj leg(ionis) XIII Gem(inae) korologiar(ius) **^) templum a solo de suo ex roto fecit Falcone et Claro com. a. 193.

Das Datum am Schlüsse bezieht sich, wie Mommsen bemerkt, auf die Leistung des Gelübdes ^'^), der Mann hat es gelöst und das Heilig- Inm gebaut, als er unter Caracalla Uhrwächter wurde.

Die Gülte der Gebäude können sich erst in den Standlagern ge- bildet haben. Mit der Organisation des Heeres auf des innigste ver- wachsen sind 'dagegen die Culte der administrativen Unterabteilungen.

Genius centuriae. Für das Verständnis der Organisation ist es von grundlegender Bedeutung, dass die Legion keinen Genius cohortis kennt. Ebenso fehlt der Ck)horte der Gommandant, die Fahne und principales. All dies zeigt, dass die Legionscohorte kein administrativer Verband, sondern wie der Manipel lediglich eine taktische Formation ist*^®). Weil die Co- horten der Hauptstadt, die cohortes praetoriae, urbanae, vigilum, nach dem Vorbilde der Legionscohorte gebildet sind^^^), so fehlt auch ihnen der Genius cohortis. Es zeigt nur das völlige Schwinden der nationalen Religion, dass man am Ende des dritten Jahrhunderts von einem Genius

aufgehen und in den Lagerstädten sich mit den cives Romani qui consistunt ad legionem zu einer Einheit verwachsen.

«*) CIL. Vn 446. Brambach 6.

«•) CIL. VU 1045. 1046.

*") CIL. vn 928; HI 6025.

^^^ Ich glaube so ist aufzulösen nach Analogie von CIL. III 10501 T. Ael(iu8) lastus hydraulanns salariarius legOonis) II ad(iutrici8), dem Soldaten, der die Wasserorgel spielt, welche unserer Musikkapelle entsprochen haben wird.

^^ Es wird das Jahr semer Einstellung ins Herr sein.

^'^ Die Legionscohorte und die Cohorte der Auxilia haben also nichts als den Namen gemein.

«») Die Fahnen S. 28.

104 V. Domaszewski

cobortium praetoriaram spricht. Denn der Lebensgeist der cohortes praetoriae ist der Genius imperatoris selbst (vgl. S. 12), der am Ende des dritten Jahrhunderts aus dem Fahnenheiligtum verschwand.

215 = CIL. VI 216 Rom Ginio (sie) et Fortunae tutdaeque huius loci cohortium praeioriarum jo{{]uni v[in]dicar[u]m ! ! ! ! ! ! ! ! ! I ! ! ! aeterni

Augusti VcUerei [e]t Dalmateus princftpesj cCastrorumJ ex

■v[o]to f[€ce]runt] devoii numini maie8ta[ttq]ue eius

und im vierten gar sagt

216 = CIL. VI 233 Rom Genio cohfortiumj *^^) primae ÄufreliusJ MaxtmÜianm vir clarissimus praefCectusJ vigüihua.

Mommsen hat im Index CIL. III p. 1161 darauf aufmerksam gemacht, dass die Altäre des Genius centuriae errichtet sind von dem signifer, optio und tesserarius und alle späteren Funde haben dies im Wesentlichen bestätigt ^^^). Es sind die drei taktischen Chargen, die allein für den Dienst der Centarie von Bedeutung sind und der Centurie angehören. Auch hier ist der Cultaltar als Geschenk kenntlich.

217 = CIL. III 11107 Camuntum Bis deabusque et GfenioJ fcen- turicte) eius L. ÖcUventftusJ Victor optio dfonoj dfeditj, 1. ein Füllhorn, r. der Genius Centuriae. Vgl. Taf. IV Fig. 3*»»).

Aber auch die armorum custodes setzen solche AMre***); dem- nach gehören auch diese zu den Principales der Centurie. Die Votiv- altäre dieser Chargen sind als Weihgeschenke an den Genius zu fassen und die Veranlassung liegt in der Beförderung oder dem Austritt aus dem Dienst.

218 = CIL. VIII 2531 Lambaesis Genio (centuriae) G, ServiUm Ro- gatus optio dimissus votum solvit.

Dieselben Heiligtümer der Centurien bestanden auch bei den haupt- städtischen Truppen. Die Inschriften der aediculae selbst, welche uns in grosser Zahl geblieben sind, zeigen, wie die Einrichtung der Heilig- tümer im Einzelnen gewesen.

a) Cohortes praetoriae.

219 = CIL. HI 207 "») Rom Genio centuriae G. Tu . . . . [Si- gnum] et aediculam oynni in{8trutnento et colum]nis et canceUo aereo cum \ara sumptu suo renavavit] Ä. Pontius L. /. ScapftiaJ Priscus

^^ Die Abschrift hat COHH. Es ist der Genius aller Cohorten der Vigiles, von dem ein Teil der prima zugedacht ist.

^) signifer CIL. HI 4287. 7493. 10402; optio CIL. HI 1026. 11107. 13456. Eph. ep. IV 937; tesserarius CIL. III 3422; Brambach 1027.

«^a) Abgebildet nach einer Photographie, die ich R. v. Schneider verdanke.

*M) CIL. m 3452. 3422. 31114. Bramb. 1024.

485^ Die Ergänzungen habe ich vervollständigt.

Die Religion des römischen Heeres. 105

*••) architecfus*^^] ordinatiis missus hon[esta nmsione ex prae-

tö\rio ab optima maximo im[peratore Traiano AugfwftoJ revocatus ab] imfperatorej Caesare Traiano H[adriano ÄugfustoJ Torquato] II et Libone cos. d(ono) [d(edit)\ a. 128.

220 = CIL. VI 212 Rom Gen(io) (centuriae) signum Genium cen- turiae cum aedictUa et marmoribm . exornata et aram sua pecunia fever (unt) (centurio) C. Veiurius C. f, PolfliaJ Rufinu« L(epido) Hfegio) item ecocati^^^) et milites quorum nomina (et medicus coh(ortis))*^*) in ara et aedicid(a) scripta sunt dedicata est Kai, Mai, imp(eratore) Commodo III et Burro cos. a. 181.

221 = CIL. VI 213 Rom Signum Geni centuriae cum aede mar- moribus exornata et ara sua pecunia fecerunt (cetiturio) Q. f. Crufstu- minaj Tuder et evocati et milites quorum nomina in ara scripta sunt dedicatfaj Kai. Tunis Imp(eratore) M. Aurelio Comnwdo Antonino Äu- gfustoJ III et L. Antistio Burro cos. a. 181.

222 = CIL. VI 214 Rom Genium centuriae [si]g[n]um ar[a]m aed(emj a(ere) collato stia pecunia fecerunt ii quorum nomina in ara inCfra) sfcriptaj s(unt) iribuno T. Flavio Geniale**^) (centurione) C. Vaberio Fomponiano dedicfataj Kai. Decembr. Mater no et Bradua cos. a. 185.

223 = Bull, deir Inst. 1882, 38 Rom T. Flavius T. f Tro(mentina) Froctdus Salon(a) (centurio) de suo dedit manipularibus suis in Genium cetituriae suae ponefidum (sestertium) CCCC n(ummos) ad quam sum- mam adiecit (centuria) eius (sestertium) CCC n(ummos) eisdem qui mensam aereatn et protectum fecerunt positus III Non. Mai. imp(era- tore) Traiano Hadriano II C. Fusco Salinatore cos. a. 118.

b) Vigiles.

224 = CIL. VI 219 Rom Q. Fabio CatuUino M. Flacio Apro cos. coh(ors) IV (centuria) C. Codi C. f. Papiria Valent(e) Tusculo aediculam marmoream cum calvis aereis centuria ex pecunia sua fecit; item C. Coelius Valens (centurio) ex pecunia sua centuriae pa(vjimentum stracit. a. 130.

225 = CIL. VI 221 Rom C. Clodio Crispino cos. Q. Ramurio Martiale pr(aefecto) C. Maesio Tertio s(ub)pr(aefecto) L. Numerio Albano tr(ibuno) (centuria) C. luli C. f. Sergia Büß Jader principales infra acripti aediciUam et Genium centuriae d(ono) d(ederuni). a. 113.

^^^) Es fehlt die Heimatstadt.

^^} ordinatus wird von architecti gesagt CIL. XI 20; das erste ist allein möglieb, weil der Mann ein evocatos ist. Vgl. CIL. VI 2725.

^'^) Die evocati gehören ebenso dem Stande einer centuria an, wie die speculatores und deshalb baben auch sie die Fahne des Detachements, das vexillum.

^') Der medicus ist, wie Mommsen bemerkt, eingeschoben ; sie gehören nicht zum Stande der Centuriae, wie die Inschrift CIL. VI 1058 zeigt und hier der Zusatz cohortis, sondern jeder Cohorte ist eine Anzahl zugeteilt.

**^) Das ist der Gardepraefect Julians Vita 3, 1. 8, 6.

106 V. Domaszewski

226 = CIL. VI 222 Rom C. Calpurnio Pisone M. Veltio Bolano COS. Q. Eamurio Martiale pr(aefecto) T. Flavio Prinio trfibunoj T. Scaenio Clemente (centuriane) aedicula facta cum Genio a Gremo Factindo bfeneficiarioj tribfunij quam M. Ceienio Silvano (1 Serio Augurino cos. C. Tettio Maximo prfaefecioj T. IlfavioJ Änterotiano sfubjjjrfaefectoj Q. Plotieno Salino trfibunoj cöhCortis) V. Vig(ilum) TL Claudius Ti. f. FabfiaJ Messalinus HeracelfeaJ (cenlurio) cohfortisj s(upra) sfcriptaej vetustate corruptam adampliacit columnis purpuriti- cis calvis aereis marmore et omni ornamento a novo ex pecunia furfuraria (centuriae) suue fecit volentibfusj manipid(is) suis quorfumj nomina in tabfulaj aerfeaj scripta sunt. a. 111/156.

Die Anlage des Heiligtums ist danach klar***). Es ist eine Aedicula nach Art jener im Hause des Epidius Rufus zu Pompei. Der Schrein, in welcher der Genius steht, hat die Form eines kleinen Tempels. Der Raum zu Füssen der aedicula ist durch ein Gitter eingefriedet und hier ist der Platz für den Cultaltar sowie für die Weihgeschenke.

227 = CIL. VI 375 Rom P. Äelius P. f. Ser[g]ui ApoUinCaris) Nicop(olis) factus milfesj ann(orum) XXI missus honesta mi^one annforumj XXXVII ex cohfortej VI prfaetoriaj (centuria) Vitani Cor- neliuni ex voto lovi conservat(ori) et comma(nipulis) suis et futfurisj Signum cum base dfonoj dfeditj l. m. C. Bellicii) Torquato P. Sal[vio'\ [JwZtano] cos, a. 148.

Weihgeschenke gleicher Art sind Altäre, an den Genius centu- riae***), an Hercules invictus**^), ein Bildnis des Hercules döfensor***) und eine Tafel mit den Bildnissen der Kaiser, welche die Vigiles zum Danke für die Verleihung des Bürgerrechtes in die Capelle des Genius centuriae gestiftet haben **^j.

Die aus romanisierten Provinzialen gebildete Garde des Septimius Severus hat den Herculescult der equites singnlares angenommen ***•). Für die Provinzialarmeen zeigt den gleichen Einfluss besonders das Relief Taf. III Fig. 3, welches der Zeit des Septimius Severus angehören wird**^^).

^*^) Die Ansicht Bormanns Eph. epigr. IV 320, dass das Fragment der Standesliste einer Centurie der Praetorianer CIL. VI 2382 von einer solchen aedicula stammt, ist zweifellos richtig.

*") CIL. VI 208. 209. 217.

*«) CIL. VI 328 (a. 222).

***) CIL. VI. 210 (a. 208).

*«) CIL. VI 220 (a. 203).

*«a) Anm. 443. 444 und CIL. VI p. 720.

445b) Vgl. auch S. 7. 49 und No. 171. 188.

Die Religion des römischen Heeres. 107

Genias tarmae.

228 = Limesblatt 1, 42 Osterburken Genio T. I[m]ti Ättiani lustius Attianm dfecurioj de suo pos(mt),

£s ist der decario selbst, der als principalis den Altar der Tarma setzt •*^^).

Auch hier wurden Weihegeschenke gestiftet, vgl. Xo. 90. 195. Genii der principales.

Ais collegia haben die principales einen Genius, vgl. No. 183. 192.

Der Genius der beneficiarii consularis wird auch in den Stationes dieser principales verehrt.

229 = Brambach 1791 Altripp In hfonoremj dfomiutj d(icinae) Genio bfenejfficiariorumj cofnjsfularisj GfermaniaeJ sfujferiorkj et loci Con- cord(iueJ carfiarumj Htat(ionum) C. Iiü(iua) Adcentus h(ene)f(iciarins) coCnJ.f(idariaJ iM[pCera(oreJ] M. AurfelioJ Commodo AuyfttstoJ III Burro cos, P. 8. l. l. MI. templfumj' rest(ituit). a. 181.

Dasselbe Heiligtum der statio nennt

230 = CIL. m 11676 Atrans . . . . h(ene)t(iciariw) cofnXularis) kgfionisj II Ital(icae) templum cestustate conlapsum et in ruinam con- cersum sumptu h[uo restituit]

und auch andere Götter fanden dort Aufnahme. No. 162.

Genius stationis. Da die statio ursprünglich beweglich ist und mit dem beneficia- rius wandert, so hat auch die statio ihren Genius ^^^).

231 = CIL. VIII 17625 Vazaivi Gradico patri Genio statfionisj Vtuaim et diis conseroatoribiis M, Baebiwi Speratm corfniindariutfj

praef(ectiis) legCionia) III Aug(witae) pfiaej cfindicisj vol. ». /. a. **^).

Und durch das Stehendwerden der stationes wird auch der Genius stationis zum Genius loci, vgl. No. 229**®).

Genius scholae. Der Genius des Collegiums der Principales ist die Schutzgottheit der Schola. Bilden verschiedene principales, wie bei dem Officium des Statthalters von Numidien, ein CoUegium No. 173 und eine gemein- schaftliche Schola, so ist der Genius dieser Schola der Lebensgeist***).

«»c) Vgl. CIL. III 10958 und oben S. 90.

**^) Das zeigt das Relief oben S 98.

^^^ Der beneficiarius consularis ist zur Zeit seiner Ablösung zum comicularius praefecti avanciert; als solcher setzt er den Altar. Vgl. CIL. VUI 1782a

«^") Und die Steine der beneficiarii S. 98.

**^) Deshalb wird die loschrift CIL. III 876 aus Potaissa auf die be-

108 V. Domaszewski

232 = CIL. VIII. 2603 Lambaesis Genio scholae suae P. Äurfeliu^J Felix speculator UgftonisJ III AugfustaeJ domo Thamug(adi) donum dedit.

233 = CIL. VIII 17628 Vazaivi Deo Marti genioque sancto

scolae bfenejfficiariorumj Poconim Castus bCeneJfficiariusJ cofnJsCtdarisJ legftonisj III ÄugfustaeJ cum suis exa^^ta statione v. s.

Genius provinciae. Um dieselbe Zeit, wo der Hauptgott der Provinz in das Fabnen- heiligtum aufgenommen wurde, bat auch der Genius der Provinz hier eine Stelle der Yerebrung gefunden, vgl. No. 156.

234 = CIL. III 995 Apulum Daciis trihus et Genio Ugfionis) XIII geminae C. Caelius ItUianus trfibunusj IfatiJcflaviusJ dfpnoj dfeditj.

Urbs Roma.

In nichts prägt sich die ganz veränderte Bedeutung, welche Sep- timius Severus dem Kaisercult des Lagers gegeben bat, so deutlich aus, als in der für den Kaisercult der Provinzialen typischen Verehrung der I)ea Roma, welche gleichzeitig auch im Heere entsteht, vgl. No. 159 und No. 193.

Es ist nur eine weitere Consequenz, dass auch der Genius der Stadt, an welcher das Lager liegt, eine Heeresgottheit wird, vgl. No. 170. Genius castrorum peregrinorum.

Dieses Lager ist die Kaserne aller nach Rom aus der Provinz ab- kommandierten Soldaten ^^^). Ein Lager dieser Art ist in dem römischen Heere eine völlig künstliche Schöpfung. Der alte Begriff des Marsch- lagers, dessen Lebensgeist der Lebensgeist der Truppe ist, hat für diese Kaserne keine Geltung Das einzige Band, welches die Besatzung dieses Lagers verbindet, ist das gemeinsame Wohnen in der Kaserne, und so ist der Lebensgeist dieser Soldaten, so lange ihre Verwendung dauert, der Lebensgeist der Kaserne. Aber das Gefühl, dass der Genius nicht am Räume haftet, sondern in der Truppe lebt, ist auch hier lebendig geblieben.

Wie der Genius der beneficiarii mit diesen principales, so wandert auch er mit den frumentarii, dem Hauptbestandteil der Besatzung.

235 = CIL. VI 230 Rom Pro salute impferatori^J CaesfarisJ M, ÄurCeliJ Severi Alexandri AugCustiJ Genio sancto kastrforumj per(e-

grinorumj totitisque exercituus Q, Haterius Valerianus frumfentariusj

neficiarii des legatus legionis V Macedonica zu beziehen sein. Ebenso bilden die centuriones und decuriones der cohors equitata eine schola S. 90 und No. 150 und verehren einen Genius scholae. *W) S. 47.

Die Religion des römischen fieeres. l09

UgCionisJ VIII Ätig(u8tae) et M, Aurelim Sophaeiietus frumCentarius) Ug(ionis) XIII gemfinaej Severianarum stationem cottegis suis impendii fecerunt.

236 = Clli, XIV 7 Ostia Genio castrorum peregrinorum Opiatianus et Pudens frumCentaritJ fratres ministeru) !!!!!!!!! vota solrerunt.

Und der princeps peregrinoram setzt seltsam genug den Altar sogar im Atrium Yestae.

237 = Bull. dell. com. mun. XI p. 213 Rom Pro saJute domini nostri imperatorftsj Severi Alexandri Pii Augusti et luliae Maesae et luliae Ärntae Mameae sanctissimarum Augustarum Genio sancto kastrorfu9nJ peregrinorum T. Flainus Domitianus domo Nicomedia quod speculator legfionisj III Parthicae Severianae vorit hastatus legionis X Fretenais princeps peregrinorum reddedit.

Ein Fahnenheiligtum hat dieses Lager nicht, sondern nur ein Heiligtum des Genius.

238 = CIL. VI 221 Rom Genio sancto castrorum peregrinorum Aurfe- liusj Alexander [c]analiclarius quod peregre constitutus vovit aedil(is) castrorum [vo^tum libens solvit.

Der Aedilis ist, wie Mommsen bemerkt, der aedituus des Heiligtums. Innerhalb des Lagers bilden die frumentarii einen Numerus. Dies kommt zum Ausdruck im

Genius militum frumentariorum.

239 = CIL. VI 232 Rom [G]enio sancto [milfitumj frumentfariorumj]

B. Cornelius D, ß(ius) Arm. Fabia domo Karthag(ine) mil(€s) frumen- tfariusj legfionisj III AugfustaeJ votum stisceptum libens animo solrit.

Genius domus. Das Haus und das Lager schliessen sich aus. Und doch gehört auch dieser Begriff zu den technischen der späteren Zeit.

240 = CIL. in 7512 Arrubium ... pro sa^ute dfominorumj nfost- rorum] T, Fl(avius) Apollinaris praef(ectus) alae I DardanforumJ qui et domum a solo [s]umptibus suis fecit [ad]ventantibus [c]oUegis felidter,

241 = Brambach 485 Bonn IfomJ ofptimoj m(aociino) et [He\rculi et

[/Sijteano et [Ge']nio domus M us Nepotianus praef(ectus)

castfrorumj c[tt]w Marcdlo e\t Nep]otiano et Festo filis \ded]ic(atum) XIII Kai. Od. ImpferatoreJ Commodo VI et Septimiano cos. a. 190.

Dass die domus die Amtswohnung des praefectus ist, sagt die Inschrift No. 240 deutlich genug, weil das Haus auch fOr die Nachfolger im Commando der Ala bestimmt ist. Also die Stabsoffiziere haben in der späteren Zeit ausserhalb des Lagers gewohnt, auch eine Folge des Stehendwerdens der Lager.

Lares militares.

Auch der Cult der Lares ist dem Marsclilager notwendig fremd.

llO V. Öomaszewski

Erst in einer Zeit kann dieser Galt ins Lager gekommen sein, als aas dem Zelte der Soldaten die bleibende Wohnung vieler Jahre warde.

In dem Sinne von Haaslaren sind sie gefasst No. 125. Denn gerade die Organisation der stratores, deren Bestand aas den Mann- schaften beider Legionen Obergermaniens zusammengesetzt war, sodass nar der gemeinsame and vorübergehende Dienst im Praetorio die stratores za eines Einheit verbindet, zeigt die Absicht der veterani, mit der Lösung des Gelübdes den Schatzgöttern ihrer letzten Wohn- stätte Dank za sagen. Ihre Lares sind also nicht die Lares des Legions- lagers selbst, welche als Lares militares, ebenso wie dei militares, im Fahnenheiligtam verehrt warden, vgl. No. 153 and 242 = CIL. III 3460 Aquincum Ifoi^iJ oCptinioJ m(aximo) et Lafri- bmj mU(iiarihm) ceierisque dis C. lulius PisibanfusJ Max\m(uü) Aemi- IfiusJ Papt43 trfibunusj latficlaviusj Jeg(ionis) II adfiutricis) r. s. 1. m. Es erscheint mir möglich, dass dieser Gült erst ins Lager kam im Znsammenhang mit dem Kaiserealt, für welchen als Gottesdienst des Haases die Verehrung der Lares neben der des kaiserlichen Genius ebenso typisch ist, wie die Yerbindang der Dea Roma mit dem Genios des Kaisers in den öffentlichen Galtstätten der Provinzen. Es bestätigt dies die Zeitbestimmang aach dieser Inschrift; wie Dessau mir be- merkt ist der Triban wahrscheinlich ein Nachkomme des Gonsuls, welcher in dem Fragmente Fasti feriaram liatinaram GIL. 1^ S. 56 genannt wird.

y. Das Beeht der Heeresreligion.

Die Organisation des Heeres bestimmt die Formen des Rechtes. Der Träger des imperiams ist aach der Träger des göttlichen Schatzes ^^'). Aaf den Inschriften der Kaiserzeit tritt dies hervor in dem Akt der Dedicatio, welche eine res profana in eine res sacra verwandelt.

Dig. 1, 8, 9 Sacra loca ea sunt, quae publice sunt dedicata, sive in civüate sint sive in agro, Sciendum est locum publicum tunc sacrum fieri posse, cum princeps cum dedicavit vel dedicandi dedit potestatem. Diese Weihe beschränkt sich im Heere aaf das Galtgebäade and das Galtgeräte der aas römischen Bürgern gebildeten Trappen. Der Statthalter vollzieht die Weihe an seinem Amtssitze persönlich, sonst überträgt er sie an den nächsthöchsten. Offizier, den Legionslegaten ^^').

"1) S. 4 u. 9.

*»«) No. 9. 14. 22. 48. 54. 55. 67. 68. 70. 104. 144. 145. 147. 165. 169. 170. 174. 178. 179. 181. 184. 185. Es sind nur das Fahnenheiligtam und seine beiden Höfe loca sacra. Nr. 104 bestätigt, dass die Dacia Apulensis eine selb- ständige Provinz ist, weil der Statthalter, der zugleich Legat der Legion ist, den

Die EeligioD des römischen Heeres. Hl

In Rom and in Italien ist der princeps selbst zur Dedicatio berafen, aber auch hier tritt Mandierong ein^^^).

Das Recht Altäre za setzen innerhalb des heiligen Bezirkes hat der Statthalter^^) nnd notwendig auch der Legionslegat, obwohl Zeug- nisse fehlen. Denn der nächstböchste Offizier, der tribunns laticlavins, besitzt dieses Recht ^^^); der einzelne tribnnas militnm nicht, sondern nur die Gesamtheit ^^'). Ebenso besitzt das Recht der höchste der Centurionen, der primus pilus*^^) und die Gesamtheit der Centurionen*^®).

Als Wächter der aquila sancta ist es der primus pilus, welcher das Innere des Fahnenheiligtums ausstattet und die Sorge far die An- stellung der Auspicien trägt. ^^^) Das Zeugnis für diese Stellung des primus pilus gehört sicher noch dem Principate an. Septimius Severus wird es gewesen sein, der die Hai-uspicin zu ausschliesslicher Geltung brachte, so dass der Haruspex ein militärischer Official des Statthalters wird^^^).

Die principales allein bilden coUegia und haben das Recht Altäre in ihren scholae zu setzen*^*) wie die tactischen Chargen in ^en Heilig- tümern der administrativen Verbände *^^j. Ftlr das Heiligtum des tabu-

Altar weiht. Femer zeigt Nr. 14, dass Norae das Hauptquartier von Moesia inferior war, der Statthalter vollzieht die Weihung selbst, weil er am Orte anwesend ist, ebenso wie in Mainz und Lambaesis; dagegen in Brigetio No. 54, in Isca No. 165, die keine Hauptquartiere sind, hat die cura der Legat; ebenso in Bonn 55 und Yetera 132, weil Köln Hauptquartier ist No. 42.

*^*) Das will das curantibus auf den Basen des Heiligtums in Ostia besagen. Ephem ep. VH p. 1204-1211 und oben Nr. 57.

*»*) No. 71. 129. 136. 154 bis 161.

*«) Vgl. Rhein. Mus. 48, 243. No. 1. 2. 153. 234. 242.

"«) No. 146.

«^) No. 14. 22. 48. 54. 55. 65. 66. 67. 68. 70. 72. 104. 105. 106. 143. 144. 145. 165.

*w) No. 147. 148. 152. 171. 172.

«') Vgl. das Relief Die Fahnen Fig. 5 und hier Taf. II Fig. la und Ib. Der Löwe der flavischen Legionen ist mit dem Scorpion des Tiberius Terbunden« D. h. es ist eine Fahne der von Vespasian restituierten Prae- torianer (Tac. h. 4, 46).

*««) No. 173. Es ist dies ein neuer Beweis, dass die Lagerbeschrei- bung des Hyginus vor dem Eintritt des Dominats geschrieben ist. Das ganze Auspicien wesen war ja sinnlos geworden unter der Herrschaft des absoluten Monarchen. Vgl. auch S. 5 Anm. 12. Hadrian hat das Auguratorium in Rom hergestellt CIL. VI 976.

*«i) No. 36. 37. 40. 43. 44. 73. 101. 113. 133. 169. 170. 175. 176. 179. 186. 187. 188. 190—194. 196.

«*) No. 197. 217. 218. 228.

ll^ V. bomaszewski

lariums ist erkennbar, dass der princeps hier dieselbe Stellung hat wie der primus pilus im Fahnenheiligtum, und auch die principales Heilig- tümer setzen*«'). Für die Heiligtümer der stratores und singulare wird dieselbe Bestimmung gegolten haben wie für die Scholae der prin- cipales^"). Dagegen hat der miles gregarius gar keinen Anteil an den Heiligtümern und deshalb ist sein Platz bei den Culthandlungen auf der via principalis*«*).

Die Cultger&te und Cnltgeb&ude der peregrinen Truppen sind nicht geweiht*««) und der einzige römische Bürger dieser Truppe, der Com- mandant, hat auch allein das Recht Alt&re zu setzen*«^). Auf diesen Altären ist der Statthalter nur als Höchstcommandierender genannt*«^*). Mit der Bürgerrechtsverleihung an alle Reichsangehörigen verschwindet der Unterschied und auch die Gultgebäude der Auxilia werden geweiht*«^).

Da aber die Gultgebäude und Cultgeräte der Auxilia ebenfalls für den römischen Gultus bestimmt sind, so ist der Rechtsunterschied, wo- nach die Qualität der res sacra diesen Dingen fehlt, in einer tieferen Ursache zu suchen. Nun weiht der Statthalter in gleicher Weise wie im Lager selbst auch die Altäre der Ganabenses*«®). Dies zeigt, dass der Rechtsunterschied am Boden haftet.

Wo immer das Heer römischer Bürger peregrinen Boden betritt, nimmt der Boden des Lagers notwendig die Qualität des ager Romanus an, da hier die Anspielen eingeholt werden können. Das ist nicht der

*«) No. 38. 39. 198. ' *«*) No. 41. 42. 74. 125.

^^^) S. 80. Nur der miies praetorianus hat das Uecht Altäre in dem Heiligtum des Genius Centuriae zu weihen (No. 227), weil er dem Range nach den principales der Legion gleichsteht. CIL. VI 2601. 2672.

*••) Nur der Statthalter der tres Daciae Mevius Surus S. 71 Anm. 289 hat auch die Kaiserstatue der Auxilia geweiht, ein doppelter Verstoss gegen das Recht, weil die Truppen peregrini sind und weil diese Funktion in der Competenz des Unterstatthalters der Provinz liegt. Vielleicht war er (ygl. No. 9) ein Verwandter des Kaisers.

*«T) No. 32. 92. 102. 163. 164. 203—205. Erst mit der Verleihung des Bürgerrechtes an alle Peregrinen wird der princeps als Wächter des Heiligtums (No. 33—35. 121) eingetreten sein.

*•'») No. 12. 59. 102. 164. Deshalb ist der unbekannte Anociticus ebenfalls ein Heeresgott: CIL. VIT 604 Beo Änocitico iudiciis optimorum maximorumque impferatorumj stih Ulp(io) Marcello cofnjsfularej Tineius Longus in prefectura equitufm) lato clavo exorn[a\tns et qfuaestorj dfesi- gnatm). Erst im 3. Jahrhundert setzt der Statthalter selbst den Altar No. 8.

*") No. 13 und Altar 163 unter Caracalla.

"») Nr. 29.

Die Religion des römischen Heeres. 113

Fall in den Sonderlagern der peregrinen Trappen. Dieser Boden ist zwar ager pablicns, aber peregrinus. Dagegen ist der Altar Nr. 46, weil er auf italischem Boden steht, geweiht, trotzdem den classiarii das Bürger- recht fehlt. Deshalb sagt Gaias II 7a item quod in provinciis non ex auäariiate pqpuli Bamani consecratum est, proprie sacrum non est, sed pro sacro habetur.

Selbst der Boden der römischen Militärcolonie bleibt ager pere- grinus, das volle römische Bodenrecht, das ins Italicnm, muss noch speziell verliehen werden. Ans diesem Rechtssatze wird erst die schwierige Stelle des Ancyranum verständlich. Gr. 9, 21 fF ['An" ex]efvou t[o]ö evtauToö, l[(p*] Nato; xat UonXio; [AjsvxXot uiraxot iyiyoyxo, Sxe üTiiXetTiov od 57j[(i6]atat TzpoaoSoi äXXote [xJv S^xa |iuptaatv, dEXfXote] Si uXecoatv aetTtxÄ;- xai ipyuptxa; cjuvTa5et$ dx xfj; i(Afj; uTiap^eü); SSü)xa. Diese Stelle steht am Schlüsse der Aufzählungen jener liberalitates, welche der Kaiser seinen Soldaten gespendet. Un- mittelbar vorher geht die Errichtung des aerarium militare zur Ver- sorgung der Veteranen. Diese Worte beziehen sich auf die Hilfe, welche der Kaiser den Coloniae civinm Romanorum der Provinzen, deren Boden tributpflichtig geblieben, gespendet.

VI. Die Heeresreligion Diocletians.

Die Formen des Cultus sind in Garnuntum erbalten: Ausser den schon behandelten Tempeln des Mars und Hercules ^^^*) findet sich dort als drittes Heiligtum der Tempel des Genius Castrorum. 243 = CIL. III Ulli Carnuntum GfenioJ cfastrorumj IfoviJ o(ptimo) m(aimmo) pro salfutej AugfustiJ. Es folgen die Namen der Princi- pales*'®). Die Auflösung der alten Religion bezeichnet die Voranstellung des Genius vor Jupiter optimus maximus.

Diese neue Form des Geniuscultes ist erst eine Folge der dio- cletianischen Heeresreform, als die grossen Legionslager der früheren Zeit das Quartier mannigfacher unter einander nicht mehr organisch verbundener Abteilungen wurden.

*••») Auch in Aquincum hat dieser Tempel bestanden CIL. III 10406: Herctüi AugfustorumJ ÄurelfrusJ Firminus preffectusj leg(ionis) II adifii- tricisj ex protfectorej v. s. l. m. dfominisj nfostrisj [D]iocletiano IUI et Maximiano Äug(ustisJ cos. a. 290.

*^^) Das Officiam ist das des vierten Jahrhunderts, wenn auch eine sichere Auflösung der Notae, welche die principales bezeichnen, schwer zu finden ist.

WMtd. Zeitichr. f. Oeach. u. Kunst. XIV, I. 8

114 V. Domaszewski

Das zweite bekannte Denkmal stammt aus Lambaesis.

244 = CIL. VI 2529 Lambaesis Genio castrorum legfionüj III Au- gfustae) pro salute et incolumilate d(ominorum) n(ostrorum) [Diodetiam

et Maodmianx] M. Aurel(ius) Becimus vfirj pferfectissimus) pfraesea p(rovinciae) NfumidiaeJ ex principe peregrinorum votum solvit. Daneben erhielt sich der Gült des Genius Legionis, dessen Bild im Marstempel stand, wie der Fund in Carnuntum (S. 66) gelehrt hat :

245 = CIL. III 1646 Singidunum Genio legfionisj IUI FflariaeJ f(irmae) [pfroj sfalutej] ÄugfustorumJ Diocleiiani [et Maximiani A\u'

relfiiisj Maooimlinlus ex praef(ecto) legfionisj eittsdem votum posu[it']. In der Hauptstadt sind der Genius cohortium praetoria- rum No. 215 und der Genius cohortium vigilum No. 216 dem Genius castrorum der Legionslager gleichzeitige Bildungen.

So tritt denn auch ein Genius als Heeresgott ein, welcher an den Signa der Praeto rianer getragen wird^^*).

Derjenige Genius, welcher zur Qual der Numismatiker auf unendlichen Mfinzreihen Dio- cletians und Maximians allein herrscht, ist der Genius popnli Romani. Dieser wird die Gottheit der Signa sein.

Das völlige Verblassen der nationalen Reli- gion tritt in diesem Vorwalten des Genius- cultes, der von seiner ursprünglichen Grundlage ganz losgelöst ist, deutlich hervor. So konnte sich der Übergang in die christlichen Cultformen durch einfache Tilgung der letzten concreten Göttergestalt des Mars vollziehen.

VII. Die Heeresreligion der cbristlichen Kaiser.

Die Altäre aus dem Praetorium von Lambaesis No. 169. 170. 244 zeigen, dass unter den christlichen Kaisern der Geniuscult erhalten blieb, während die Heiligtümer der Heeresgötter niedergerissen wurden und der Mars pater No. 51 sich in einen pater verwandelte, bei dem jeder an den pater noster qui es in coelo denken konnte, wie bei dem Genius an die Schutzengel.

*") Die Abbildung auf Taf. V Fig. 6 ist einer Photographie des Denk- mals CIL. VI 1203 (vgl. Hülsen, röm. Mitt. 1893, 281) die ich Dr. J. Haller verdanke, entnommen. Das mittlere Signum trägt den Genius mit dem Modius (vgl. S. 96) geschmückt, die signa r. und 1. Victoria, Der Genius ist als höchstor Heeresgott gefasst.

Die Religion des römiscbeu Heeres. 115

VIIL Die HeeresgStter der Republik.

Für die Heeresgötter der Republik besitzen wir nur ein Zeugnis, Cicero de divinatione I, 35, 77 : quidf hello Punico secunäo nonne C. Flaminius consul iieriim neglexit signa rerum fiUurarum magna cum clade rel piiblicaef quiexercUu Imtrato^'^^ ) cum Ärretium versus castra moüisset et contra Hannibalem legiones dticeret, et ipse et equus eius ante Signum lovis Statoris^'*^) sine causa repente concidit tiec eam rem Juibuit religioniy öbiecto signOy ut peritis videhatur , ne committeret proelium, idem cum tripudio auspicaretur, pullarius diem proelii cofn- mittendi differebat^'^^) : tum Flaminius ex eo quaesivit, si ne postea qiiidem pulU pascerentur, quid faciendum censereL cum ille quiescendum respondisset, Iflaminius: praeclara vera auspicia si esuricfUibus pullis res geri poterit, saturis nihil geretur, itaqtce signa convelli et se seqtii iiissU: quo tempore cum signif er primi hastati Signum non posset movere loco^"^^) nee qtiicquam proficeretur, plures cum accederent, Flaminius re nuntiata suo more tieglexit: itaque tribus iis karis concisus exercUus aique ipse interfectus est, magnum illud etiam quod addidit Caelius es folgt das Erdbeben.

Die Omina ereignen sich teils auf dem Marsch, teils im Lager unmittelbar vor der Schlacht am Trasimen. Das Götterbild des Stator wird hinter dem Feldherra getragen; deshalb stürzt der Feldherr vor dem Bilde. Die beiden anderen Omina sollen die Schlacht selbst verhindern. Der pullarius meldet vom auguratorium das Versagen der Vogelzeichen. Als der Feldherr dennoch den Befehl zum Ausmarsch

*") Vgl. Arch. epigr. Mitt. XVI S. 19.

^^^ Die gewöhnliche Ansicht, welche die Situation vor den Stator- tempel eines römischen Municipiums verlegt, steht nicht nur im Widerspruch mit Ciceros Worten, sondern übersieht, dass der Consul auf dem Wege von Rom nach Ärretium (Polyb. 3, 75) auf der via Cassia vorrückend nur die latinische Colonie Sutrium passierte, der emen Statortempel zuzuschreiben wir nicht das geringste Recht haben. Übrigens ist sehr fraglich, ob ein römisches Heer ohne zwingenden Grund das Pomerium einer Stadtgemeinde überschreiten darf.

*''*) Die Befragung der Vogelzeichen geschieht unmittelbar, bevor das Heer aus dem Lager zieht. Vgl. Mommsen, Staatsr. P S. 84.

*^^) Die Signa der Legion werden wie späterhin in der pedatura des primus pilus gestanden haben, also an der via principalis, dem praetorium gegenüber. Es ist ja notwendig, dass der Feldherr das Wunder mit eigenen Augen sieht Da die hastati das erste Treffen bilden, so ist es vollkommen richtig, wenn der Manipel des hastatus primus die Spitze des Heeres bildet.

116 V. Domaszewski

erteilt, vermag der Fahnenträger derjenigen Abteilung, welche zuerst das Lager verlässt, das Signum nicht aus der Erde zu ziehen. Die Omina sind an sich richtig erdacht. Dass sie auf die Situation wie wir sie aus Polybius kennen, absolut nicht passen denn sie setzen eine rangirte Bataille voraus belehrt nur über den Wert des Caeliani- schen Geschichtswerkes. Der Jupiter stator war den Annalisten der Sullanischen Zeit unverständlich geworden. Wie sie die Omina des Caelius doch nutzen, lehrt zunächst Livius 22, 3, 9 iratus se ex consüio proripuü signumque simul itineri pugnaeqiie cum prqposuisset*^^) Hmmo Arretii ante moenia sedeamus' inquit %ic enim patria et Betiates sunt. Hannibal emissus e manüms perpqpuletur Italmm vastandoque et urendo omnia ad Bomana moenia perveniat, nee ante nos hinc moverimus quam, sicut olim Camillum ab Veiis, G, Flaminium ab Arretio patres acci- verinf. haec simul increpans cum ocius Signa convelli iuberet et ipse in equum insiluisset, cquus repente conruit consulemque lapsum super caput effudit: territis omnibus qui circa erant velut focdo omine indpiendae rei insuper nuntiatur, Signum omni vi moliente signifero convelli nequire, conversus ad nuntium ^num litteras quoque inquit ^ab senatu adferSj qu€te me rem gerere vetent? abi, nuntia, effodiatU Signum, si ad convellendufn manus prae metu ohtorpuerit^'^'') und noch schöner Plutarch Fabius 3 {i^v Ineiae töv OXajJtCvtov, iXkä cpif)aa(S oöx dvl^eaS-at Ttpoatövxa T^ Ttoji-jj xöv 7c6Xe(iov oö5', öoTrep 6 TtaXatö^ KocfitXXos *'®), Sv x^ TcoXet 6ta|xaxetaSac irepl auxfj^, xov |iiv oxpaxöv i^dcyetv äxiXeuae xoi>€ )(ikidpy(p\}^, auxös 8^ inl xöv ittttov aXXofievo^ oöSevö^ aix(ou 7cpo5ifiXou napdXiytdi fevxpojioü xoO Xrnzox) yevo|i£voü xal Tixoplvxog i^ineae xal xaxevex'S'Ctc: inl xecpaXijv*^^) 8|i(i)$ oöSev Sxpe?j;e xfjs yvwjiTj^.

^^') Das enthält eine Unmöglichkeit und malt den Eampfeseifer des Gonsuls in alberner Weise. Das Signum profectionis (Polyb. 6, 40) und das Signum pugnae (Die Fahnen S. 79) schliessen sich logiBch wie praktisch aus. Entstanden ist die Albernheit, indem der Annalist, welcher den Gonsul schon von Ariminum nach Arretium, eine Strecke, wo jede Gommunication fehlt, gefuhrt hatte, die Omina in Arretium stattBnden lassen musste, weil er für die Schlacht selbst die bei Polybius erhaltene Fassung acceptiert hatte.

^^^) Florus sagt 1, 22, 14 nee de dis posmmus quaeri imminentem teme- rario duci dadem praedixerant insidentia signis examina et aquiiae prodire ndentes. Es ist der Gemeinplatz für die Omina einer unglücklich verlaufen- den Schlacht. Man sieht, mit welcher Freiheit die Epitome, welche Florus benützt, den Livius behandelt hat.

^^^) Hier ist der Gamillus wieder, wenn auch etwas anders gedreht als bei Livius.

*'^) Dass der Gonsul auf den Kopf fällt, also mausetot gewesen w&re, ist nur ein Übersetzungsfehler des Griechen.

Die Religion des römischen Heeres. 117

Die Qaelle dachte sich die Situation in Eom also vor dem Tempel des Jnpiter stator auf der via sacra ; denn das römische Heer marschiert aus der Stadt. Das ist natürlich ebenso unmöglich, wie der Consul innerhalb des Pomeriums zu Pferde*®^).

Die Legende führt den Ursprung des Jupiter stator wie des Jnpiter feretrius auf Romulus zurück. Schon darin liegt es, dass wenn der eine ein Heeresgott war, auch der andere es sein muss. Für Jnpiter feretrius besitzen wir ebenfalls ein Zeugnis, das ich nach diesem Zusammenhange für beweiskräftig halte. *

Dio 55, 5 (Augustus) x^jv Satpvr^v ig xoO Atö^ xoö (pepe- xptou Tiapi vop.clJ6p.evov ioi^veyxe. Was konnte Augustus bestim- men, diesem Gotte die Ehre des Triumphes zu erweisen, wenn er nicht in seinem Bestreben die alte Religion wieder zu beleben, einem ver- schollenen Gebrauche folgt. Hat er doch den verfallenen Tempel dieses Gottes wiederhergestellt und so manche sacra, die in Vergessenheit ge- raten waren, wie die Titienses, die Arvalbrüder und so vieles andere neu belebt. Man kann daran denken, däss für den Fall, dass der Feldherr die spolia opima erwarb, dem Feretrius der Lorbeer gebührte. Damals erstattete Augustus die Gabe im Namen seines Lieblingssohnes Drusus, dem der jähe Tod die Ehre des Triumphes geraubt; so könnte er ihm die höchste Form des Triumphes zugedacht haben. Wie dem auch sei, eine tiefere religiöse Veranlassung lag für einen Mann wie Augustus zweifellos vor, von dem Herkommen, das die Republik festgestellt, ab- zuweichen.

Diese Nachricht des Dio gestattet aber auch, die Stelle des Ancyranum, in welchem Augustus von den Triumphen spricht, die er abgelehnt, zu ergänzen: 1, 22 24: Q^os^^^) pro vidojris trium-

*^^) Dass der Träger des imperiums innerhalb des Pomeriums nicht reiten darf, zeigt das uralte Gesetz, wonach der Dictator das Pferd erst auf Grund eines Volksbeschlnsses besteigt (Mommsen, Staatr. 11 159 Anm. 3). Die Dictatur ist geschaffen für eine eminente Kriegsgefahr, vor Allem, wenn Rom selbst belagert wurde. Die Servianische Mauer zeigt, dass dies in ganz TerschoUener Zeit nicht selten eintrat. Dann muss aber der Feldherr not- wendig auch im Amtsgebiet domi reiten.* Die Erklärung dieser Bestimmung, nach welcher der Obergeneral regelmässig zu Fusse geht, ist doch militärisch nicht zu halten. Mit echt römischer Zähigkeit hat man an dem Buchstaben des Gesetzes festgehalten, als die Voraussetzungen, welche das Gesetz her- vorgerufen hatten, längst verschwunden waren. Als Vitellius (Tacit. hist. 2, 89) in das besiegte Rom einreiten will, da bestimmen ihn seine Freunde ab- zusteigen und in der praetexta, also nicht als Feldherr, einzuziehen.

*^\ qiws bat mir Burheler angegeben.

118 V. Domaszewski

phos mihi sefnatus decrevity iis sujpersedi. Jfovi aiUem laurjus äeposui; in Capiftolio votis quae] quoque hello nuncufpaveram solujtis.

Augastus hat nur den actiscben Triamph gefeiert und zwar diesen kraft seiner konstituierenden Gewalt. Die späteren Triumphe hatte nach der Constitution der Senat zu bewilligen. Warum im zweiten Satze die technische Formel in gremio lovis, welche die Kürze der Lücke ausschliesst, vermieden wurde, zeigt eben die Darbringung des Lorbeers an Jupiter feretrius, dessen Cultbild notwendig ein Standbild gewesen sein muss. Dann ist auch die Interpunktion vor in Capilolio verständ- lich. Denn das Auszugsgelübde wurde notwendigerweise dem Jupiter optimus maximus geleistet, also auch auf der area Capitolina gelöst.

Die Kaiserzeit kennt den Jupiter feretrius und Jupiter stator nicht mehr als Heeresgötter; also fällt die Aenderung in die Zeit der Republik. Die durchgreifende Aenderung der Heeresreligion geht auf Marius zuiUck. Plinius berichtet n. h. 10, 16: Romanis eam ((Kjuilam) legionibus C, Marius in secundo consulatu suo prqprie dicavit. erai et antea prima cum qtuiUuor aliis, lupi, minotauri e^jui aprique singur los ordines anteibant pamis ante annis sola in aciem portari coepta erat, reliqua in castris relinquebantur. Marius in totum ea obdicaviL

Die spätere Einteilung der Heeresgötter bei der 1., 2. und 3. Cohorte der Praetorianer^®^») und des aquila in dem' Manipel des primus pilus zeigt *^^**), dass die ordines die C^nturien der triarii sind, so dass diese Symbole der Götter wie notwendig bei der letzten Reserve ausserhalb der Gefechtslinie der hastati und principes eingestellt waren. Als die Cohortenstellung eingeführt wurde, standen 7 Manipeln der triarii in der Gefechtslinie der beiden ersten Treffen der normalen acies triplex. Deshalb Hess man die göttlichen Tierbilder im Lager und es bezeichnet paucis ante annis den Zeitpunkt jener wichtigen tactischen Reform ^®*ß).

Das erste dieser Tierbilder bedeutet den Jupiter, das zweite den Mars*®*), den zweiten Heeresgott des späteren Lagerhimmels. Marius wird es gewesen sein, der ihnen die dritte Gottheit Victoria, die per-

*"») S. 4.

*"b) s. 3. 19.

^8io) In der Kaiserzeit hat die cohors prima im ersten Treffen ge- standen Tac. bist. 2, 43, aber das Heer führte damals das Cultbild des Jupiters selbst ins Feld S. 4.

*"^) Deshalb ist es Mars ultor selbst, den auf dem Brastpanzer der Augustus-Statue voa Primaporta die zurückgestellte Fahne entgegennimmt

Die Religion des römischeii Heeres. 119

sönliche Siegeskraft des Feldberrn, beigesellte, offenbar nach dem Vor- bild der hellenistischen Condottiers*®'). Hierin kommt die Veränderung der Stellung des Heeres, das neue monarchische Prinzip, das es belebt, am schlagendsten zum Ausdruck.

Aber jene Tiersymbole führen auf einen weit älteren Zustand der Religion. Sie stammen aus einer Zeit, wo die Latiner ihre Götter noch in den Tieren verkörpert sahen. Wie die anderen Götter zu nennen sind, lehrt die uralte Trias, an welche Wissowa mich erinnert, Jupiter, Mars und Quirinus. Er schreibt mir: „Diese Trias erwartet man hier ebenso wie bei der spolia opima (Fest. p. 189 zu verbessern nach Plutarch, Marceil. 8., Serv. Aen. VI 860) beim Abschlüsse des foedus (Polyb. HI 25, 6), im Ritual der Salier (Serv. Aen. VHI, 663), bei der Devotion des Decius Mus (Liv. VHI, 9, 6)". Entscheidend für die Bedeutung des Quirinus als Heeresgott ist die Nennung beim foedus. Ata XfS-ov, xaxöE zi TcaXatöv IS-o^, inl Sk to6tü)v töv "Apr^v xai TÖv 'EvuaXtov. Denn auch in der Kaiserzeit sind die Heeres- götter die notwendigen Zeugen des Vorganges.

Den aper führen als Fahnentiere in der Eaiserzeit zwei Legionen, die I. Italica*®*) und die XX. Valeria Victrix. Bei der ersteren ist die Bedeutung klar. Sueton Nero 19: conscripta ex Italicis senum pedum tironibus nova legione, Sie bestand also aus römischen Bürgern bester Herkunft, und ich sehe nicht ein, wie man Quirites von Quirinus etymologisch trennen kann. Die Bildung der XX. Valeria Victrix ist nicht hinreichend bekannt. Aber diese Bedeutung der alten Tierbilder wird auch Tiberius geleitet haben, als er diese Legion unter das Zeichen des aper stellte*®*).

Dann aber können die beiden anderen Tiergestalten nur Jupiter

^'') Man braucht sich nur an die Münzbilder dieser Feldherm wie den berühmten Stater des Agathokles und Denkmäler, wie die Nike von Samotbrake des Demetrius Poliorketes zu erinnern, um sich dessen bewusst zu werden. Das Füllhorn dieser Göttin ist ein Zeichen, dass diese Siegeskraft zugleich eine segenbringende ist. Vgl. S. 8.

*^*) Die Bauinschrift des Fahnenheiligtums No, 10 und die Münzen, die Fahnen S. 65. Doch ist der aper nicht die Nativität, weil er auf dem Relief rechts steht, also wie die Reliefs der H Augnsta und der IV Ma- cedonica lehren, in zweiter Linie. (Arch. epigr. Mitt. XV S. 188). Das zweite Münzbild, der Stier des iulischen Heeres, ist vielmehr die Nativität, welche Nero gewählt.

"*) Vgl. Korrbl. der Westd. Zeitschr. 1803 Sp. 263. Dieser Legion fehlt also die Nativität ganz.

120 V. Domaszewski

Feretrius und Jupiter Stator symbolisieren. Als loves minores gehen sie dem Quirinus voran.

Der späteren Zeit galten sie beide als Differenzierung des Jupiter. Und doch kennt die Schwurformel nicht den Jupiter optimus maximus, sondern nur den Feretrius und zwar als ersten Gott. Noch die Culte der Kaiserzeit lehren es, dass Jupiter als Gott der Capitolinischen Trias nicht von Anfang an der oberste Heeresgott war. Weder die Cult- bilder noch den Cult selbst der beiden Göttinnen, die ihn begleiten, kennt das Heer der Eaiserzeit, ein sicheres Zeichen, dass diese Göttinnen dem ältesten Glauben fremd sind*®®). Der römischen Legende ist Jupiter optimus maximus eine Schöpfung der Tarquinier. Den Feretrius und Stator dagegen danken die Römer dem Romulus. Auch der Adler ist ein Fremdling, er ist der Bote des griechischen Zeus; der Vogel des augurium augustum der Stadtgründung ist der vultur. Die griechi- schen Culte führt die Legende auf die Tarquinier zurück. Diese ver- schollene Dynastie, die den Tempel gebaut, welchen die Republik nur geweiht, hat ihren Schutzgott zum obersten Heeresgott erhoben und so nannte man ihn optimus maximus. Aber schon vor dieser Zeit hatte das Heer den Gott der lichtumflossenen Höhe in der doppelten Gestalt des Jupiter Feretrius und Jupiter Stator verehrt. Auf der Siegesstrasse, die zum heiligen Berge des Jupiter hinaufführte und deshalb via sacra heisst, standen die Siegestempel der beiden Götter, wie auch der erste Siegestempel der Republik diese Strasse schmückt. Noch verehrte man den Jupiter auf dem Berge in freier Himmelsluft; hier, ausserhalb der Stadtgrenze, brachte man die Gelübde dar, die der Sieger löste. Es ist die doppelte Eigenschaft des Heeres, die Schlagkraft und die Wider- standskraft, die Feretrius*®'') und Stator symbolisieren, die Offensive und Defensive. Die innerste Natur jenes Heeres, dessen gleichen die Welt

*8«) Vgl. S. 28.

*87j Über die Etymologie von Feretrius teilt mir Osthoff folgendes mit : „Wenn Feretriits sich begrifflich gut mit ferire zusammenbringen läset, würde ich in dem Formalen kein Hindernis gegen solche Annahme sehen. Es wäre unbedenklich, ein nomen instrumenti *feTe'tro-m * Schlagewerkzeug , Waffe zum Treffen' oder auch ein ähnlich gebildetes nomen actionis ^fere-tro-m *fere-trä 'das Schlagen, Treffen' vgl. fidge-tru-ni fulge-tra 'das Wetter- leuchteu, Blitzen' vorauszusetzen; davon käme Fere-tr-iu-s 'der schlagende, Schlagen bewirkende Gott'. Das Verhältnis der Wortbildungen Fere- ir-iu-s: fer-io Hesse sich auch durch Parallelen, wie gr. dli-TQ-io-g 'zum Mahlen gehörig', clltT^-ta ntr. pl. 'Mehl': <xk-ia, ago-rg-io-g 'zum Ackerbau gehurig*: uqo tqo-v, agoaij einigermassen illustrieren^.

Die Religion des römischen Heeres. 121

vorher nicht gesehen und niemals wieder, sehen soUte, offenbart sich in dem Gedanken, der am Anfang seiner Geschichte steht, dass der Gott der Verteidigung nur der Hemmer der Flacht ist. Denn siegreicher Angriff ist das Lebensprinzip dieses Heeres und der Gott des Angriffs der höchste der Götter des Heeres.

Wie Jupiter optimus maximus den älteren Heeresgott entthronte, so haben ihm Elagabalus, Dolichenus und Heliopolitanus nach beinahe tausend Jahren das Scepter entwunden. Unter seinem Schutze war der römische Staat zum Horte aller Völker des Mittelmeeres geworden. Als ihn die Herrschaft der Orientalen verdrängt hatte, kämpften die Kaiser der romanisierten Illyrier unter dem Zeichen des Mars ein Menschen- alter gegen eine Welt in Waffen, um den zersprengten Staatsbau mit dem Schwerte zusammenzuschmieden. Endlich schien es, dass Diocletianus lovius das Werk der Neugeburt des römischen Staates vollendet hatte*®*). In Wahrheit stand der Genius populi Romani, der Heeresgott der lovier und Herculier, an der Leiche des römischen Glaubens und des natio- nalen Staates.

<>>) Deshalb nannte er sich lovius und bezeichnete den Mars im Heer als pater, den Stammvater des römischen Volkes S. 3ö.

Nachtrag.

Zu S. 46 f. : Die germanische Herkunft des Hercules und Mercurius der equites singulares hat eben in ausführlicher Darlegung auch Zangemeister Nene Heidelberger Jahrbücher V (1895) S. 46 ff. nachgewiesen.

S. 73: Über den Namen Donma teilt mir Nöldeke folgendes mit: „Domna halte ich für eine Übersetzung des syrischen Namens Martha, das uns zuerst in NT. begegnet, d. i. „Herrin*'. Er kommt in verschiedenen Formen vor. Ebenso das Masc. Märä und Nebenformen. Griech. KvqIos, KvQhf später meist Kvgog^.

WMtd. Zeitsohr. f. Gesch. a. Kunst. XIV, I. 9

Register.

adiutor 30. aeneatores 29. aestiva (castra) 18. Alaterviae 50. Ancyranum 69; (1, 22)

117; (2, 29) 43; (Gr. 9,

21) 113. Anociticus 112. Apollo 52 f. aquila 12, 41, 120. aquilifer 15.

Aquincum 73, 100, 113. arca der principales 90. armamentarium 87. armatura 32 f. armorum custOB 104. Augusta Vindelicum 102. Auspicien 111. aaxilia 22, 45, 98; Altäre

27 ; centuriones 90, 108 ;

decuriones 90 , 108 ;

Götter 45; Kampfweise

29; princeps 28, 112;

Reiterei 51. Azizus 64 f.

beneficiarii con8ulariB99f. Beneventer Bogen 56, 96. Bonus eventus 44.

Campestres 50 f. Ganabae 26 f., 99; Altäre

26, 39, 40, 55. Gapitolinische Trias 22,

26 f., 120. capsarii 86. Carnuntum 16, 35, 36, 49,

65, 67, 78, 100, 113. centurio deputatus 31 ;

exercitator 31 ; strator

30. Christentum 36, 63, 67,

95, 114. Claudius Livianus 5. Claudius Pompeianus 6. Cocidius 56. cohors equitata 50. cohortes urbanae 70, 94. collegia militum 82, 79 f. comites 5, 77.

cornicen 29, 86. Coventina, Dea 50. curare 111.

Dacia Apulensis 110.

Dea Suria 52, 58.

Dedicatio 110.

dei comites 77.

dei conservatores 96.

dei externi 66.

dei militares 1 f., 34, 96,

114. dei peregrini 45. Diana 52 f., 56. Dictator 117. Disciplina 44. divi 10, 71.

Dolichenus 12, 59 f, 64. Dona militaria 6. 43. Donar 7, 47, 50. Durostorum 26.

Elagabal (Gott) 60 f.

Epona 52.

equites singulares des

Kaisers 7, 47 f., 93;

Götterverein 20. equites singulares des

Statthalters 31, 88;

Heiligtum 102. e?ocatu8 5, 33, 91. exceptor principis prae-

torii 31. exercitator 31, 33. exercitus 5 ; Stab des 30,

81, 88, 99. exercitus Galatiae 69. Exerzierplatz, Heiligtum

51.

Fahnenheiligtum 9 f. Felicitas 43, 47. Flavius Genialis 105. ad Flexum 23. Fortuna 40, 47, 102. frnmentarii 59.

Generalstab 5 f. Genius alae 51. 96. Genius castrorum 35, 113.

Genius castrorum pere-

grinorum 108. Genius centuriae 103. Genius cohortis 96. Genius domus 109. Genius exercitus 96. Genius militum frumen-

triorum 109. Genius horrei 103. Genius des Kaisers 68 f.,

96. Genius legionis 66, 96,

114. Genius loci 101, 102, 107. Genius numeri 96. Genius praetorii 100. Genius populiRomani 114. Genius cohnrtium praeto>

riarum 104. Genius der principales

107. Genius provinciae 108. Genius scholae 107. Genius einer Stadt 108. Genius stationis 107. Genius turmae 107. Genius valetudinarii 102. Genius cohortium Vigi-

lum 104, 114. Germanische Götter 45. Götterbilder des Heeres

2, 9, 35, 119.

Hamii 52.

Hammon 73 f.

Haruspiciu 111.

hastilarii der equites le- gionis 88, der equites singulares des Kaisers 7 93.

Hercules 7, 47, 60, 106. 113.

Herculius 50.

Heeresgötter der Repu- blik 115.

hiberna 18.

bonos 41 f.

horologiarius 103.

hydraularius 103.

Hygin de cast met. 8, 111^

imagines 11, 94. Jerosalem 97. JoYiiis 121. Isea 17. Juno 28, 120. Jano caelestis 73 f. Jupiter 4, 36, 66, 113. Jupiter feretrius 117 f. Jupiter optimus maximas

22. 120. Jupiter redax 48. Jupiter Stator 115 f. iuridicos Asturiae et Gal-

laeciae 101.

Kaiser Augostus 38, 57, 117.

Tiberius 72.

Caligula 92.

Nero 11, 119.

Yespasianas 40, 88.

Domitianus 23.

Traianus 7, 56.

Hadriaous 29, 32, 33, 44, 47, 50, 88.

Pias 57.

Marcus 7, 33, 58.

Commodus 54, 59, 76.

Septimius Severus 37, 72.

Elagabalus 38, 60.

Caracalla 71, 76.

Severus Alexander 38. 63, 76.

Gordianus 77.

Philippus 66.

Gallienus 77.

Postumus 49, 77.

Diocletianus 35, 66, 113, 121.

Maximianus 50.

Julianus 36, 64 f.

Yalerianus 67. Kaiserin Julia Domna 72 f.

Mamaea 43, 61, 76. Kalender des Heeres 13. Kasse ad signa 15, 70. Kaisercult 19, 68 f., 96, . 110.

Kaiserstatue 8, 10, 12, 68 f. Keltische Gottheiten 50. Köln 23, 111.

Landesgötter 54 f.

Lares der stratores 110.

Lares militares 109.

legio: beneficiarii tribu- norum 84, cohors 103, 112, cornicines 86, equi- tes 86, 88, praefectus 38,ö9,83,princepsll2, tribunus laticlavius 84, 1 1 1 , tribunus sexmestris 81.

Legionen: Traians 25, Yespasians 25.

Legionslager: moestsche 23, pannoniscbe 23.

legio I Italica 20, 119, I Minervia25, II Augusta 77, II Parthica 38, II Traiana 25, III Cyre- naica 25, Y Alaudae 24, YIII Augusta 29, X ge- mina 23, XIII gemina 23, Xim gemina 23, XXI Rapax 25, XX Ya- leriall9,XXXUlpia24.

Liber 54 f., 56.

Licinius Sura 5.

Mainz 27, 62, 100, 111.

Mars 4, 7, 33 f., 47, 49, 60, 66, 77.

Mars campester 36, mili- taris34f.,pater35,121, ultor 33 f.

Marschordnung 15.

mater Augusti 72, castro- rum 72, patriae et se- natus 72.

Mercnrius 47.

Mesopotamien Unterwer- fung 56.

Minerva 29, 60, 120.

Militärmusik 103.

Mithras 22, 66.

Monimus 64 f.

municipes 77.

natalis aquilae 12, 20, 77. Novae 17, 111. numeri 29, 32, 45, 51. Numidia 59. numina castrorum 95.

'Lager, Bodenrecht 112, officium comiculariorum

Uhr 103. I 81.

Lagertempel der Haupt- : Opfer an die signa 12, 80,

Stadt 37. I 112.

Lambaesis 27, 35, 49, 59, | optio navaliorum 16, prae-

79, 114. I t.orii31,signiferorum84.

Orientalische Culte 57. Orientalische Schützen 52. Ostia 16, 71.

pedites singulares des Statthalters 30.

pequarius 87.

Pietas 43.

Poetovio 31.

praefectus equitum 51.

praepositus 32

Praetorianer, Avancement 91, Signa 3, 111.

praetorium (Lagerban) 6, 14 f., 35, (des Marsch- lagers) 8, (Stab des Kai- sers 3.

prata legionis 100.

primipilares 5.

primus pilus 19, 85, 38, 60, 111.

princeps praetorii 31.

Quirinus 119.

Recht der Heeresreligion

64, 110 f. Urbs Roma 108.

Sabasius 63.

Salus 43, 47.

Schola 32, 78 f., 107.

Schwur 8.

Sedatus 55.

Signa 85, 111.

signifer 15 f.

Silvanus 52 f., 56, 80.

speculatores des Kaisers 7, 91 f., des Statthal- ters 81, 88.

Sol invictus 35, 66, 73.

Stallverwaltung , Heilig- tum 102.

Standlager 18.

Strassburg 29.

stratores 30, 102, 110.

Suleviae 47, 50.

Tabularium 29, 102, 112. Tarquinier 120. tectores 94. Tempel des Mars milita-

ris 35, der Yictoria 39. territorium legionis 100,

112. Tertullianus 13, 95. Theveste 23. Tierbilder der Legionen

118.

Trasitas 55.

trecenarias (Centurio) 93. tubicen 29.

vexillatio (der Legionen) 21 f., 98, (der vigiles) 14, (= numerus) 46.

vexillum 3, 4, 7, 89, 93.

Veteranen 102.

Yeteranenalt&re 20, 25, 28, 34, 38.

via principalis 10, 78.

Victoria 4, 8, 9, 37 f., 60, 119.

Viminacinm 100.

Virtus 40, (legionis) 96. Vulcanus 55.

Wachdienst 14. Wodan 47.

Tafeln.

I Fig. 1: 16, 71.

l Fig. 2: 16, 36, 49,

65, 78, 100, 113. II Fig. lau. Ib: 3, 111. II Fig. 2: 53. II Fig. 3: 82. II Fig. 4: 11, 70, 77.

III Fig. 1 : 7. UI Fig. 2: 3, 34. III Fig. 3: 7, 106. III Fig. 4: 54.

III Fig. 5: 64.

IV Fig. la u. b.: 12, 60. IV Fig. 2a, b, c: 60. IV Fig. 3: 104.

V Fig. 1: 56.

V Fig. 2: 96.

V Fig. 3: 56.

V Fig. 4: 66.

V Fig. 5: 66, 114.

V Fig. 6: 114.

-<oa>-o~

^vtö. z^n,c(it . xffi f<!if. VI.

Die Ringmauern auf dem Goldgruben- und Dalbesberge in der Hohen Mark im Taunus.

Ton Christ. Ladw. Thomas, Architekt in Frankfurt.

(Hierin Tafel VI).

Die Ringwallanlagen, auf den beiden benachbarten, das Heidetränk- thal abschliessenden Bergköpfen (Dalbesberg und Goldgrubenberg) ge- legen, müssen nun für eine einzige zusammengehörige Wehranlage an- gesehen werden, nachdem es mir im April vorigen Jahres gelungen ist, ■den doppelten Zusammenhang der beiden Bergberinge aufzufinden und die unzweifelhaften Teile und Spuren des südöstlichsten Aussenwallzuges in einem sich nach unten erweiternden Abstände vom Ringwalle des Bergkopfes, dem Berghange entlang, quer durch das Heidetränkthal bis an den südlichen äussersten Wallzug der Goldgrubenbefestigung ziehend, nachweisen zu können.

Der gegenseitige Anschluss der beiden Aussenwälle findet an der- jenigen Stelle im Thal statt, woselbst die heutige Landstrasse, sog. Kanonenstrasse, den in einer Krümmung von Nordosten in das Thal herabziehenden Goldgrubenberg-Aussenwall vor seinem südlichsten Ende •durchschnitten, d. h. an derjenigen Stelle beseitigt hat, wo er ehemals mit dem von Nordnordwesten ins Thal steigenden Felsgrat, zunächst dem Heidetränkbach, zusammentraf.

Das unterste Ende dieses Felsgrates, sowie ein Teil des Berg- hanges samt Wall ist durch den zur Anlage der Landstrasse nach Schmitten erforderlichen tiefen Terrainausschnitt total abgetragen worden. Aber ein glücklicher Zufall hat es gefügt, dass noch ein Stück des aus dem Fluchtlinienverlauf der vorhandenen Wallstrecke nachweisbaren Wallendes als noch deutlich sich abhebender Erdwall an dem Südrande der sog. Kanonenstrasse liegen geblieben ist. Südlich, direkt nebenan,

Wettd. Zeitoohr. f. Oesoh. q. Kunst. XIY, U. 10

126 Chr. L. Thomas

läuft auch noch ein Stück des alten tief ausgefahrenen aber nur einge- leisigen Fahrweges^) zum Heidetränkthal, mit der neuen Strasse diver- gierend, jetzt allerdings völlig verwachsen in der Thalrichtung weiter,, als Thorweg zwischen jenem Überbleibsel und dem links ihn flankierenden Rest des vom Dalbesberg kommenden steinernen Wallarmes hindurch. Denn hier in der äussersten Waldecke, zunächst dem Wiesengrund endigt derselbe als südlicher Flankenwall des daselbst befindlichen Thores und zeigen sich die unzweifelhaften Spuren dieses im rechten Winkel ein- gezogenen Wallendes, dessen ehemalige Ausdehnung als eine längliche» zur Steingewinnung abgehobene Vertiefung, im Anschluss an grosse Fels- blöcke sich bemerkbar macht. Diese letzteren sind die vereinzelten Reste des anschliessenden Hauptwalles. Man findet die gleiche Er- scheinung nochmals an Stelle der abgefahrenen nördlichen Thorflanke am Nordwestthor.

Dieser ehemals enggedrängte Wegdurchlass zwischen Urselbach und felsigem Berghang, woselbst die beiden Aussenwälle vom Dalbes- und Goldgrubenberg bis auf die Weite der Thoröffnung sich nähern^ und die schroffen Felsgrate von Nordwest herabziehend sich vereinigen^ der Wiesenplan aufhört und der abwärts geneigte alte Weg in den dichten, wasserdurchrauschten Wald tritt, dieser wichtige Zugang in den grossen Ringwall ist noch durch einen Eigennamen aus alter Zeit aus- gezeichnet. Auf der Stumpff 'sehen Karte wird uns derselbe mit „Lebers- loch" genannt; ebenso befindet sich auf dieser Karte entsprechend meiner Annahme, dass das unterste Westthor in dem hinteren, west- lichen Wallarm in der Thalsohle, aber jenseits des Baches gelege» haben wird, für diese Stelle eine besondere Bezeichnung: „die Esch".

Der erst neuerdings aufgefundene, vom Dalbesberge in langgezog- ner Kurve zu Thal schreitende grosse Flankenwall hat auch in den Wiesen seine unverkennbaren Spuren zurückgelassen. Besonders zwei mächtige Felsstücke, wovon eines noch in der Waldecke, eines auf dem Wiesengrunde gelegen ist, sowie die vom Bergwasser klar gespülten, tiefgehenden Bachränder zeigen in ihrer Reihenfolge den weiteren Ver- lauf des ehemaligen Steinwalles in der Thalsohle.

') Dieser tief ausgefahrene, eingeleisige, alte Fahrweg läuft heute noch wohl erhalten, aber verwachsen mit seinen für die in entgegengesetzter Richtung oder leerfahrenden Fuhrwerke erforderlichen Neben- und Abzweig- wegen in östlicher Richtung als sog. Gaulshohl durch den Wald, dicht neben der Chaussee herziehend, an der Hohenmarkspinnerei vorüber bis zum „Hans- rotensteg" u. s. f. Er war jedoch niemals ein zur Ableitung des Heidetränk- baches bestimmter Graben; schon die Niveauverhältnisse schliessen dies aus.

Die Ringmauern auf dem Goldgruben- u. Dulbesberge i. Taunus. 127

Nun kommt eine kurze Strecke am jenseitigen Abhang, welche durch mehrfache Weganlagen, Steinbrüche, Wasserkanäle etc. zur Hohen- mark-Spinnerei total durchgraben und verändert ist und nur weniges erkennen lässt. Aber die Richtung ist ja zweifach,- einmal von unten dem Wiesengrunde aufwärts, das andere Mal vom Berghange hernieder kommend, völlig sichergestellt, so dass der ehemals mit in die Wall- linie eingezogene Felsgrat gleich hinter dem Kaiserin-Friedrich- Fahrweg gelegen als weiterer Fixpunkt hervortritt, von wo ab als- dann, mit allerdings vielfacher Unterbrechung an den alten Wegkreu- zungen, das kräftige und wohlerhaltene Steinwallproiil bis zum Anschluss an die Südwestecke des schleifenartigen, langgezogenen Steinwalles auf der Höhe des Dalbesberges gesehen und verfolgt werden kann. Fast rechtwinklig findet hier der Anschluss in felsigem Terrain statt. Diesen obersten Teil zeigt schon die Stumpff'sche Karte.

In der Planskizze auf Taf. VI ist der Verlauf der Innen-, Aussen-

128 Chr. L. Thomas

und Flankenwälle nach eigenen Abschreitungen und Aufnahmen darge* stellt, die von den bis jetzt vorhandenen Abbildungen und Beschreibungen oft wesentlich abweichen (siehe die Zusammenstellung auf S. 127). Ich glaube jedoch aussprechen zu dürfen, dass die Darstellung in Bezug auf Gestaltung und Verlauf der Wallstrecken Anspruch auf den Grad von Richtigkeit machen kann, der unter sorgfältigster Verwertung der General- stabskarte, aber ohne Zuhilfenahme besonderer Messinstrumente und Auf- grabungen erreichbar ist. Dagegen sind die beigefügten Querproiile mittelst Messlatte und Nivellierinstrument ermittelt. Es ist nicht zu bestreiten, dass nur durch geometrische Aufnahmen der Wallzüge die genauesten Massverhältnisse und die präzisen Eurvengestaltungen ge- fanden werden können ; vorher aber müssen immerhin die nur zu häufig kaum noch erkennbaren, auf weite Flächen verteilten Spuren verwischter und bis jetzt unbekannt gebliebener Stein- und Erdwälle aus dem Wüste von Erdhäufangen und Felstrümmem herausgefunden und zu einem zusammenhängenden Ganzen geordnet sein.

Die Generalstabskarte ist in fünffacher Vergrösserung der Plan- skizze (siehe Taf. VI und S. 146 Anm.) zu Grunde gelegt und die wesent- lichsten Brechungspunkte der darauf kaum angedeuteten beiden Wallan- lagen auf den Bergkuppen sind als zuverlässig angenommen worden, von der Voraussetzung ausgehend, dass diese wenigen Linien vorzügliche Ausgangsstellen zu den weiteren umfassenden Aufnahmen abgeben würden.

Vieles ist leider seit der Zeit meiner ersten Aufnahme verschwun- den; wie denn die Zerstörung an den Felsen und Wällen der beiden Bergkuppen durch schwunghaften Steinbruchbetrieb und Abfahr in den letzten Jahren einen ganz erschreckenden Umfang angenommen hat.

Betrachtet man die eigentümliche Form der Wallzüge auf dem Dalbesberg etwas genauer und weiss, dass sich zweifellose Spuren einer ehemaligen Mauer auf der in der Zeichnung punktierten Strecke, aber ohne Ansatzreste an den Anschluss - Stellen nachweisen lassen, so wird man mit Recht annehmen dürfen, dass die jetzt weithinziehende, in sich geschlossene Wehranlage auf dem Dalbesberge ursprünglich als eine beinahe konzentrische Doppelanlage und Bekrönung nur des vorderen Bergkopfes angelegt worden war und erst nachträglich ein die ur- sprüngliche Anlage erweiternder Umbau hier stattgefunden haben muss.

Ich beginne meine Schilderung eben dieser Anlage absichtlich mit dieser baugeschichtlichen Betrachtung, weil auf diese Weise die heutige eigentümliche Gestaltung leicht verständlich wird. Es scheint, dass die erste kleine Doppelringanlage, die nur von einer massig grossen Anzahl

Die Ringmauorn auf dem Goldgruben- u. Dalbesberge i. Taunus. 129

ZuflachtSHchender erbaut worden war, dann einer grösser gewordenen Bevölkerang hinsichtlich ihrer Anfnahmefähigkeit nicht mehr genügte; auch war der anschliessende höher gelegene Bergrücken gegen Süd* Westen ein gefährlicher Stützpunkt, der dem Angreifer grossen Vorteil bot.

Man entsprach demzufolge der Forderung beider Bedürfnisfragen, bezüglich Aufnahme und Sicherheit, indem man die oben genannte Mauerstrecke abbrach und unter Verwendung des sich ergebenden Ma- teriales den höher gelegenen Bergrücken schleifenartig mit einer neuen Mauer in den Bereich der Verteidigung zog. Ausserdem baute man um diese erweiterte Hochburg die in die Thalsohle ziehenden Flanken- wälle und hatte durch diese ausgedehnte Anlage eine ausgiebige und gesicherte Zufluchtsstätte für sehr grosse Volksmengen geschaifen. Ein ähnlicher und gleichzeitiger Entwicklungsgang ist bei dieser An*» nähme für die Befestigung des anschliessenden Goldgrubenberges voraus- gesetzt. Die Gesamtlänge aller nachweisbaren Wälle und der mit in die Anlage gezogenen Felsgrate erreicht nach meinen Messungen die stattliche Summe von ca. 10000 Metern.

Die Ringe des Dalbesberges sind nach Osten, wo ein mächtiger Felssturz den Zugang des Berges mit etwas Nachhilfe leicht unmöglich macht, nicht ganz abgeschlossen. Insbesondere lehnt sich der äussere, beiderseits tief in das unwegsame Chaos eingreifende Wall schliesslich an die schroffen Gesteinsmassen, welche ja an und für sich, vielleicht auch noch durch etwas Zuthun eine Mauer abgaben. Der kleinere Innenwall hat gleich hinter dieser Stelle seinen Zugang.

Der Zugang in den zwischen den Ringen liegenden Zwinger hat sich an der nördlichen Vereinigungsstelle des Aussenringes mit dem nördlichen Flankenwalle befunden, an welchen sich der kürzere Wall- arm mit einer nach innen gezogenen Abbiegung dem langen Flanken- walle anschmiegt. Diese Stelle liegt wie nur noch wenige andere un- berührt und liess bei genauerem Zusehen das weiter unten Beschriebene feststellen, das als Kriterium zur Entscheidung der Eingangsfrage dienen soll.

Es ist bekannt, dass unberührte, auf wenig abschüssigem Terrain stehende, allmählich einsinkende Trockenmauern mit der Zeit dach- förmig zweiseitig abfallende Steinwälle bilden, mit einem mehr oder weniger ausgeprägten Grat oder First in der Mittellinie. Waren nun zwei solcher nachträglich zerfallenen Mauern ehemals so mit einander anfgefOhrt worden, dass die eine derselben recht- oder schiefwinklig mit der anderen gradlinig fortlaufenden vor deren Ende im Zusammen-

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hang stand, dann mnss als heutiges Ergebnis des Zerfalles an dieser Kreuzungsstelle der Walle auch der Kreuzungspunkt der beiden Wall- firsten sich finden, d. h. es müssen die beiden gratartigen, höchsten Wallrückenlinien ohne jegliche Einsenkung aufeinander treffen.

Die uns an dieser Stelle entgegentretende Erscheinung ist aber ganz anderer Art. Hier gehen die fraglichen, sich vereinigenden Wall- teile so ineinander über, dass die dachförmigen, absteigenden Wallflächen sich erst in ihren unteren Partien durchschneiden, die Firsten der Wälle aber gar nicht bis zu einander reichen und die Vereinigungs- stelle der Wälle in ihrer Mitte eine Einsattelung zeigt, welche dem ehemaligen Durchgange der in schiefer Richtung sich zugewandten Mauern entspricht. Die nach innen gezogene Einbiegung des Walles erhöht die Wehrhaftigkeit dieses Einganges, ist dem Übereinandergreifen der Wallarme des Altkönigs gleich zu achten und bildet eine Thor- flanke, deren Anlage nachweisbar am Lebersloch einfache, an den drei oberen Thoren der gegenüberliegenden Befestigung des Goldgrubenberges je doppelte Anwendung gefunden hat.

Es lässt sich dagegen einwenden, dass der Verlauf der beiden die Thoröffnung bildenden, resp. freilassenden Wallarme derart ist, dass der von aussen in der Längsrichtung der Thoröffnung zur Rechten ge- sehene Mauerzug, als die aussenliegende der beiden Thorflanken, den Verteidigern des Thores nur schwachen Stützpunkt zu gewähren ge- eignet erscheint. Bei den Thoren der gleichaltrigen Altkönig-Ringmauer dagegen ist der Thorpass so geführt, dass dem eindringenden Feinde der innere der beiden Wallarme zur Rechten bleibt und der Verteidiger dadurch eine überlegene Position hat. Die Verschiedenheit in Anlage und Wehrhaftigkeit kann trotzdem die Erklärung der beschriebenen Stelle als alte Thoranlage nicht entkräften, weil diese Erscheinung andernorts auch wahrzunehmen ist, ja die Ringwälle des Silberich und der Wildenburg *) diese Verschiedenheit der Thoranlagen sogar mehrfach in ein und demselben Bering aufweisen.

Weitere, als die bis jetzt geschilderten Unterbrechungen oder Eingänge Hessen sich an den Steinwällen des Dalbesberges nicht mehr nachweisen. Gräben sind an keiner Stelle der Wälle auf der Höhe des Dalbesberges wahrzunehmen und nur an einer kleinen Strecke des nordwestlichen Flankenwalles ist am untersten Ende, zunächst dem

*) Friedr. Kofler, Vier Ringwälle im Hunsruck, Westdeutsche Zeitschr. VIII (1889) S. 312 und 316.

Die Ringmauern auf dem Goldgruben- u. Dalbesberge 1. Taunus. 131

Heidtränkbach auf eine Länge von ca. 260 m eine flache, unten wei- tere grabenartige Vertiefung vorgelegt. Die Mauer selbst überschreitet gradlinig den Heidtränkbach und geht in der gleichen Richtung als breite Steinrassel steil aufwärts, um schliesslich mit dem oberen Ende an der westlichen Ecke der Innenwallanlage des Goldgrubenberges so ^nznschliessen, dass nun auch der weitere Verlauf des anschliessenden, den Berg weiter hinauf ziehenden Walles nur um ein Geringes von der bisherigen Richtung abweicht. Von dieser Stelle ab ist der in nordöst- licher Richtung aufwärts ziehende, sehr starke Wall bis zum Beginne der runden Umbiegung nach Osten gleichzeitig Innen- und Aussenwall, weil an den Ecken dieser Strecke die innere und äussere Hauptmauer in «inander übergehen und der weite Vorhof zwischen beiden verschwindet.

Alte Wegdurchführungen haben in der Thalsohle, zur Seite des Heidtränkbaches, durch diese Mauer geführt. Welche von beiden sich mit dem notwendiger Weise hier anzunehmenden Thore deckt, lässt sich ohne Aufgrabung nicht feststellen. Die Stelle des das Heidtränkthal überquerenden Steinwalles, woselbst noch Spuren wahrnehmbar sind, die mit einer Thorflanke übereinstimmen können, liegt auf der Westseite des Heidtränkbaches. Auf der östlichen Seite treten die Reste des §t«inwalles bis zum Bachrande vor, und nur der neue Chausseekörper überdeckt mit seiner ganzen Breite kurz vorher die Walllinie. Gleich hinter dieser Thalquermauer, an der Innenseite derselben, befindet sich -eine flache Furt, durch welche der östlich gelegene alte Weg das jen- seitige Ufer und wahrscheinliche Thor erreicht und nordwestlich weiter zieht. Diese Stelle der Thalseite ist durch die Überlieferung bei der Bevölkerung mit einer Benennung ausgezeichnet, die auch von Fr. Scharff*) mit „Esch" angegeben ist.

Sämtliche Wälle des Dalbesberges sind reine Steinwälle, die im Innern den mehr oder weniger erhaltenen untersten Teil einer Mauer in sich bergen. Verschiedene durch mich aufgenommene Profile lassen keine allzugrossen Schwankungen in der Stärke der ehemaligen Mauern erkennen. Durch die in der letzten Zeit ausgeführten totalen Ab- tragungen ganzer Wallarme war es mir einigemal vergönnt, in der durch den Abbruch gebliebenen senkrechten Durchschnittsfläche des noch übrigen Wallteiles die ehemals senkrechte Richtung der Aussenfronten, manchesmal aber auch nur den untersten Ansatz der Maueraussenflächen in mehreren dem Transport durch allzugrosse Schwere sich widersetzen-

^) Die hohe Mark im Taunus S. 324.

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den Steinblöcken zu sehen und aufzunehmen. Diese und jene Profile habe ich dem Grundplan der Oesamtanlage beigefügt. Den eigenartigen Auf* bau und die Festigung der ehemaligen Mauern mittelst eingelagerter und zwischengespannter Holzstämme, habe ich im Archiv f. Anthropo» logie B. XXII nachgewiesen. Sie ist auch für die stärkeren Innen- mauern zutreffend.

Ein auffälliger Unterschied besteht zwischen dem grössten Teil der Goldgruben-Aussen- und Innenwälle und denen des Dalbesberges. Erstere sind in ihrer Stärke und Höhe, besonders auf den dem Linden- berg zugekehrten Seiten wesentlich mächtiger; ausserdem ist hier ein zum Teil tief eingeschnittener, breiter Graben mit einem nochmaligen ^ durch den Grabenaushub gewonnenen Vorwall dem Hauptwalle vorgelegt. Währenddem ein Teil der inneren Abschnitts- und Umzugswälle aus Steinen besteht, ist der mächtige Aussenwall ausser dem bereits ge- schilderten, aus dem Heldtränkthal steil aufsteigenden Arme durch eine zuweilen stark mit Steinen untermischte Erdschüttung hergestellt.

Trotzdem auch auf dem Goldgrubenberge gewaltige Quarzitfels- stttrze, besonders am südlichen Hange nach dem Heidtränkthal zu (die Nord- und Ostseite zeigen viel Thonschiefer) die wehrhafte Bergfornk verstärkten und viel Steinmaterial abgeben konnten, scheint man doch nicht in dem Masse wie jenseits allenthalben genügendes Steinmaterial zur Hand gehabt zu haben, und man hat sich dem Anscheine nach zur Herstellung der Mauern bezügl. Konstruktion und der Wahl des erfor- derlichen Mauermateriales den vorhandenen Verhältnissen an Ort und Stelle angepasst, gleichwie dies bei den Ausgrabungen der gallischen Mauern von Mursceint bei Gabors nachgewiesen worden ist*).

Denn Mauern haben ehemals auch hier die sorgfältig und gross- artig angelegte Wehranlage umschlossen dies hat schon Herr Oberst von Cohausen, Ringwälle und ähnliche Anlagen im Taunus etc.. Braun- schweig 1861, ausgesprochen die allerdings, wenn Erdmauem, mehr noch als die Steinmauern durch raschere Fäulnis der Holzeinlagerung der jetzigen Form zugeführt wurden. Waren es aber Erdmauem, dann konnte ihre Festigkeit und senkrechte Aussenseite nur durch grosse rostartige, eingelagerte Holzmassen*) erreicht worden sein, und deren

*) Revue archdologique. Nouv. Sörie 1868 p. 252.

*) Fr. Scharff, Die Goldgrube im Taunus S. 313, berichtet: „Bei An- lage des neuen, vom Madkreuz auf halber Höhe des Westabhanges durchge- führten Weges ist der westliche Innenwall 20 Schritte hinter der Stelle, wo er im rechten Winkel nach Nordost umbiegt und zum Haupt- resp. Aussenwall

Die Kingmauern aaf dem Goldgraben- u. Dalbesberge i. Taunus. 133

senkrechte Fronten werden nach Analogie der gallischen Erdmanera ausserdem zwischen den sichtbar liegenden Stammenden mit Steinen aus- gesetzt gewesen sein mtlssen.

Ein vorzüglich erhaltener Walldurchschnitt (Profil f) befindet sich an der Durchbruchstelle des Hangelsteinfahrwegs durch die nordöstliche Wallstrecke neben dem Hangelsteinthor. Hier liegt, in dem fast senk- recht erhaltenen Walldurchschnitt wohl zu sehen, die ehemals vertikale- Steinschichtung nach rückwärts gesunken im Böschungswinkel des Walles unter der Grasnarbe, ganz so, wie man die Restspuren der geschilderten Konstruktion im günstigsten Falle erwarten darf, wenn die kreuzweise^ und massenhaft eingelegten Holzröste durch Zersetzung verschwunden und demzufolge die Mauer nach innen zusammengesunken ist. Stellt man diese Beobachtung mit der von Fr. Scharff im Herbst 1870 ge-^ machten^) zusammen, so hat man die beiden Hauptformen der durch den Zerfall auftretenden Zerstörung; denn Scharff's Beschreibung zeigt deutlich die diesmal ganz nach aussen übergeneigte und abge- stürzt« steinerne Frontverkleidung. Ähnlich wie auf dem Dalbesberge^ sind die vom Heidetränkthal aus nur schwer zu erklimmenden Fels- stürze') als willkommene Schutzwehren z. T. durch seitliches An-

wird, durchschnitten und abgetragen worden. Unter dem Schutte dieser zusammengebrochenen Mauer fanden die Arbeiter einen Kanal von 18 20 cm im Gevierte, der aus flachen Bruchsteinen zusammengestellt und überdeckt war. An einer anderen Stelle des neuen Weges, unfern dem Metzger- pfad, im Innern der Befestigung, da wo die StumpfiPsche Karte kleine Wälle angiebt, stiess man beim Wegräumen des Steinschuttes auf eine eiserne Klammer, Handmühlstücke und Topfscherben". Man wird nicht fehlgeben, wenn man diese zufällig erhalten gebliebene Lagerung eines Teiles des- Mauermaterials nicht ftir einen Abflusskanal, sondern für die unverrückte Steiapackung eines vermoderten Rostbalkens erklärt. Wenn auch die un- bedeutende Stärke der gefundenen Eisenklammer die Annahme der Ver- wendung derselben zum Zusammenhalt einer Mauer - Holzkonstruktion aus- schliesst, so sprechen doch andere Erscheinungen und Umstände überzeugend für einen wesentlichen Unterschied der Mauerkonstruktion von der des Alt- königs und Dalbesberges, wie ich sie für die dort befindlichen reinen Stein- mauern s. Z. nachwies.

•) Fr. Scharff, Die Goldgrube im Taunus S. 312. Er findet die Erd- wäUe auf der Aussenseite noch mit einer Steinschichte bedeckt und sagt : „so dass es den Anschein hat, als sei eine Mauer von der Höhe des Walle» nach dem Graben herabgestürzt^.

') Fr. Scharff, Die hohe Mark im Taunus S. 324, schildert die Zer- störung, welche durch die Industrie und die Strassenbauten am Leberslocb,. nsbesondere an der ganzen westlichen Seite der Goldgrube hervorgerufeik

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schliessen der Mauerzüge mit in das Yerteidigungssystem gezogen. Leider hat hier die Vernichtung an Fels und Wällen derart gewütet, dass für die Innenwallanlage sich kein weiterer auch nur in Sparen erhaltener Eingang als der in der Südostseite nachweisen lässt. Die drei oberen Thoranlagen der grossen äussersten Walllinie sind dagegen in den aus gemischtem Material hergestellten Wallzügen mit doppelten Einbiegungen grösstenteils noch recht gut erhalten. Selbst das Nord- westthor, das durch die Anlage eines alten und eines neuen Fahrweges {Metzgerpfad) zweimal durchschnitten ist, lässt noch zweifellos, ganz ähnlich wie im Lebersloch, in dem abgetragenen, jedoch steinigen, vege- tationsarmen Streifen die genaue Bestimmung der ehemaligen Lage und <jrundform der nördlichen Thorflanke zu. Ein krüppelhafter Eichstamm mit grünem Laubdach, der ehemals in dem hochgehäuften Steinwall dieser oberen eingezogenen Flanke aufwuchs und zur Fristung des kümmerlichen Daseins seine Wurzeln durch das lose Gestein bis zum darunter befindlichen Mutterboden entsenden musste, dann aber beim Abräumen freigelegt worden ist, zeigt deutlich in seiner bis auf 1,40 m hoch reichenden knorrigen Missbildung die ehemalige Wallhöhe. Die Wallaussenseite der unteren Flankenecke ist durch die beiden Wegan- lagen und die Benutzung derselben derart zurückgedrängt, dass es nicht Wunder nehmen kann, wenn man sich s. Z. durch diese verstümmelte Oestaltung zu der Annahme berechtigt glaubte, es hätte ehemals an dieser Stelle das oberste Wallende sich in der Richtung des Hauptwall- zuges, aber im Abstände der gewöhnlichen Thorweite vor das Ende des unteren Walles vorgeschoben.

Der weit ausgedehnte Wallkörper der äussersten Linie ist leider auch an allen für Fuhrwerk erreichbaren Stellen aufgerissen, und die fortgesetzte Reihenfolge teils flacher, teils tiefer Gruben zeigt die Aus- raubung des ehemals auf- oder eingelegenen Steinmaterials. Der von Nordost nach Südwest in die Mündung des Heidetränkthaies ziehende Arm ist überhaupt nur eine Kette solcher vertieften Verwüstungsstellen,

•worden ist : „Die Quelle abgegraben und verlegt ; der Bach fast wasserlos ; die ganze westliche Seite der Goldgrube ein Steinrutsch ; mit den Rasseln und zackigen Felsen, die über den Bäumen emporragten, sind auch diese letzteren meist verschwunden'*. Ferner (Goldgrube im Taunus S. 310) : „Dieses Fels- <;haos, das bis in den an dieser Stelle Heidetränkbach genannten Schellbach herabreicbte, trug den Namen Klemmsteine*'. Die hiermit geschilderte Ver- wüstung hat inzwischen an gleicher Stelle und in gleichem Masse 30 Jahre hindurch weiter gewütet.

Die Ringmaaern auf dem Goldgrutnen- u. Dalbesberge i. Taunus. 135

durch deren zwischenliegende erhöhte Beste man sich nnr mühsam den ehemaligen Wall vergegenwärtigen kann.

Die halbkreisförmige Aasbiegung des nördlichsten Teiles der ganzen Wehranlage, mit ihren dreifach hintereinander liegenden Wallzügen und der terrassenartigen Abstufung macht der Klarlegung wegen des äusserst dichten, kaum betretbaren Tannenbestandes, des unregelmässigen und wechselnden Verlaufes und der vorgeschrittenen Zerstörung ganz beson- dere Schwierigkeit.

Der zweite Hauptwall (Innenwall) läuft mit vorgelegtem Graben von der östlichen Ecke gegen sein nordwestliches Ende auf der oberen Kante der flachen Abdachung des Goldgrubenberges und endigt sehr nahe dem Aussenwalle, an einem durch früher hier vorgenommene Aus- grabung freigelegten senkrechten Felsen. Der vorgelegte Graben ver- liert sich jedoch schon vor Erreichung des letzten Längenviertels.

Hinter der letzten Hälfte dieses erst nach Nordwast, dann nach Südwest ziehenden Wallarmes steigt das Terrain immer noch an, doch ist gleich oberhalb des erwähnten Felsens der höchste Punkt der Berg- kuppe erreicht.

Hier befindet sich nun nochmals als besonderer Abschluss der nicht starke, hinterste der drei Wälle. Er ist aus Steinen zusammen- getragen und zeigt in seinem Verlauf nach Nordwesten eine bis an den Rand des kleinen Plateaus vorspringende Ecke. Von da ab läuft der linke Arm in südlicher und nach aussen gekrümmter Bichtung den allmählich abfallenden Hang hinab, verliert sich aber leider in dem steinigen, mit dichtem Unterholzbestande überwachsenen Boden, kurz vor dem alten, das Ganze durchquerenden Fahrweg®). Die Bichtung des letzten wahrnehmbaren Teiles dieses Wallarmes führt zu der Ver- einigungsstelle des verlängerten südlichen Nordwestthor - Flankenwalles mit dem sehr abgetragenen mittleren Felsgrat. Dieser letzte, durch die Nähe des alten Fahrwegs schon früh verschwundene Wallteil hat sonach ehemals als Mauer die Bekrönung derjenigen Erdböschung gebildet, welche von der Durschnittstelle des alten Metzgerpfades ab als oberster Beginn des genannten Felsgrates zu betrachten ist und sich als auf- fellige Abstufung bis dahin bemerkbar macht. Der andere, rechte Wall- arm, zieht von jener oben gelegenen Wallecke allmählich niedersteigend,

*) Auf der Stumpffschen Karte von 1830, die im Frankfurter Stadt- archiv II handschriftlich aufbewahrt wird, ist dieser Weg mit der Benennung ^Metzgerpfad*^ eingezeichnet

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mit nach innen gekrümmter Richtung erst dem Hange des Bergkopfes entlang, nähert sich dabei dem nächst vorliegenden zweiten Walle bis auf eine ganz geringe Entfernung und ist bis zum zweiten Hügel un- sichtbar, von dessen rechtem Hange ab dann aber beide Wälle wieder divergierend in südöstlicher Richtung weiter ziehen. Dabei umzieht der oberste Wall in leichter Schwingung noch den in schwacher Neigung^ abfallenden Gipfel, um sich schliesslich gradlinig und rechtwinklig an die im rechten Winkel umgebogene und hier in nordwestlicher Richtung- verlaufende zweite Haupt- oder InnenwalUinie anznschliessen.

Die östliche Strecke des grossen Aussenwalles, zwischen Nordost- und Südostthor gelegen, zeigt nochmals einen durch innere Wallanlage abgegrenzten Hofabschnitt. Dieser innere Zwerchwall zieht in nördlicher Richtung ohne jede Unterbrechung vom südöstlichen zum nordöstlichen Teil des Aussenwalls und hat seine Vereinigungsstellen mit diesem ia der Nähe der flankierten Thoröffnungen. An diesen innem Zwerchr wall, ungefähr in der Mitte seiner Längsausdehnung, schliesst sich aber- mals ein innerer Abschnittswall an.

Dieser bis jetzt ebenfalls nicht bekannt gewesene Wall zieht erst- gradlinig von der oben am Plateau gelegenen rechtwinkligen nordöstlichen Ecke des zweiten Haupt- resp. Inneriwalles über das Ende des vorge- legten Grabens, diesen ausfüllend, und von da weiter mit scharfer Biegung nach Osten auf abfallendem Terrain zu der vorhergenannt^n Anschlussstelle des Abschnittswalles zwischen den beiden Thoren. Die Vereinigung dieser beiden Abschnittswälle findet im rechten Winkel statt, doch lässt eine Einsenkung im Profil des vom Berg herab kom- menden Abschnittswalles zunächst der Yereinigungsstelle auf eine ehe- malige Durchgangsöffnung schliessen.

Alle diese im Innem des Hauptwalles sich befindenden Abschnitts- wälle sind bezüglich ihres Zwecks mit Sicherheit schwer zu erklären^ Sie beginnen übrigens grösstenteils auf sogenannten Terrainkanten und folgen in ihren Längsrichtungen annähernd den Linien, welche mit dem. Brechungswinkel zweier, aneinander grenzenden, verschieden geneigten Ebenen der Bergabhänge hervortreten. Sie teilen auf diese Art die grossen, zwischen den Hauptwällen eingeschlossenen Ebenen in kleinere Bezirke und sind ihrer I..age nach recht wohl geeignet, dem durch eine Überrumpelung an einer Stelle bereits über den Hauptwall vorgedrun- genen Feind sofort neue Schwierigkeiten zu bereiten und als gut ge- wählte Verteidigungslinien die Ausbreitung desselben hinter der ganzen Länge des Hauptwalles vorerst zu verhüten. Diese Abschnittswälle er- reichen nirgends die Stärke der anschliessenden Hauptwälle.

Die Bmgmauern auf dem Goldgruben- u. Dalbesberge i. Taunus. 137

Der von der südlichsten Ecke des zweiten Haaptwalles in süd- licbei* Kichtung dem Ostthor im Heidetränkthal zueilende Felsgrat zeigt in seinem obersten abgeflachten Teile bis zur Stelle, wo bei steilerer Neigung auch die Felsen schroffer aufragen, den Anschluss eines Stein- walles. Die mit jenem an dessen unterem Ende zusammentreffende andere Felskante, deren Steinrasseln und mächtige Trümmer früher den steilen südwestlichen Hang des Berges zunächst dem Heidetränkbach bedeckten und im Volksmunde die „Klemmsteine" genannt worden ivaren, hat meiner Erinnerung nach keine Spuren eines Maueraufbaues gezeigt, aber auch ihrer schroffen und gleichsam gehäuften Beschaffen- heit halber keines solchen bedurft.

Die Befestigung des Goldgrubenberges zeigt im Gegensatz zu den Dalbesbergbefestigungen tiefe Wallgräben, je einen dem nach Norden und Nordosten gelegenen inneren und äusseren Hauptwalle vorgelegt. Die weniger starken, in ihrem Verlaufe so merkwürdigen Abschnitts- vfälle im Innern der Bergfestung haben keine Gräben zur Seite und dürften erst nachträglich in die fertige Wehranlage eingefügt worden sein.

Die beiden trichterförmigen, oben quadratischen Gruben, die seit- lich an dem das Nordostthor durchziehenden Fahrweg gelegen und bis jetzt keine genügende Erklärung gefunden hatten, einigemal sogar für ehemalige Wasserbehälter zum Unterhalt der Ringwallbevölkerung an- gesehen worden sind, stehen zur Goldgmbenbefestigung und der Zeit ihrer Benutzung in gar keiner Beziehung, sondern gehören ihrer Ent- stehung nach der Neuzeit an. Durch eingehende Untersuchung der weiten wallumzogenen Fläche nach Erscheinungen, die auf eine künst- liche Entstehung zurückzuführen sind, habe ich unter anderem auch die Stelle des ehemals bedeutendsten Grubenbaues „in der Goldgrube", dessen die Homburger Bergbau-Akten Erwähnung thun, aufgefunden. !Nach den urkundlichen Berichten war dasselbe im Bau am weitesten vorgeschritten und hatte zur Ventilation ein durchschlägiges Lichtloch. Ton dem Stollenmundloch, das nach der Beschaffenheit der örtlichen Terhältnisse und der oberen Schichten mit Thürstock-Zimmerung ver- sehen sein musste, ist heute nichts mehr vorhanden, denn dessen Stelle, auf halber Höhe des Berges, ist durch die Anlage eines neuen Fahr- wegs im Jahre 1870 rechtwinklig zur Stollenrichtung überdeckt worden. Dieser Fahrweg, welcher durch Anschüttung auf dem Berghange mit -einer äusseren Trockenstützmauer hergestellt wurde, überquert mit dieser das obere Ende eines offenen Einschnittes im Terrain, wo einst der Stollen unter der aus verwittertem Thonschiefer bestehenden Bergober-

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fläche seinen Anfang genommen hat. Die rechts unterhalb des Ein- schnittes lagernde Schutthalde zeigt noch einen Teil des vom Grubenbau herrührenden Gesteines; die Richtung des Einschnittes vor dem über- deckten Stollenmundloch ist aber auch die Richtung des Stollens selbst und zeigt den Zusammenhang der beiden trichterförmigen Gruben mit dem Stollen, denn jene liegen senkrecht über der Richtungslinie des Stollens. Diese beiden trichterförmigen Gruben zeigen heute noch, nach so vielen Jahren der mutmasslichen Entstehung, eine so auffallend zu- gespitzte Form, und die Böschungen der Vertiefungen sind so ausserge- wöhnlich steil, dass zu dieser bleibenden Erscheinung eine tiefliegende, immer noch fortwirkende Ursache angenommen werden muss. Ver- gleicht man damit das nach den Bergbauakten bis 1722 nicht durch- schlägig gewordene Lichtloch des „unteren Stollens am hangenden Stein", das unfern der Höhe des Hangelsteines im Berghange als eine noch gut erhaltene, doch geringe Vertiefung mit umgebendem Erdauf- wurf erhalten ist, so zeigt dies im Gegensatz mit seinem in geringer Tiefe unverrückbar festen Boden die normale Verflachung der Böschungen und grössten Vertiefung in der Mitte. Die Summe dieser Erscheinungen ergiebt mit Bestimmtheit, dass die oberen beiden Erdtrichter die oberen Enden, die Pingen, zweier Schächte sind, welche ehemals mit Zimme- rung versehen, allmählich zu Bruche gegangen, und deren Füllung mit dem darunter befindlichen Stollen im Zusammenhang stehend durch das Versickern der Tragwasser immer noch etwas nachsinkt. Eine dieser Pingen ist der Rest des urkundlich erwähnten durchschlägigen Lieht- loches, während die runden flachen Vertiefungen (Mardellen) im sonstigen Bereiche der Ringmauern bekanntlich den Erbauern und der Benützung der Ringmauern ihren Ursprung verdanken.

Die nicht bedeutenden, bis jetzt bekannt gewordenen Funde aas der Goldgruben-Befestigung, die über die Erbauer oder die Benutznngs- zeit Aufschluss zu geben geeignet erscheinen, glaube ich in Nachfolgen- dem gedrängt zusammenfassen zu sollen. Ein freihändig gefertigter Spinnwirtel aus der untersten Schuttlage des Innenwalles unterschei- det sich in nichts von den beiden, die wir s. Z. auf dem Altkönig gefunden; alle mit Ausnahme eines einzigen bis jetzt bekannt gewordenen, im Bereiche der Goldgruben wälle gefundenen Topfbruch- stücke haben der Beschreibung nach, oder zeigen die rohe Technik und Form der rohen Gefösse vom Altkönig; das eine, leider unbedeu- tende, aber doch mit allen Merkmalen des gleichen hohen Alters ver- sehene Fragment zeigt die volle Übereinstimmung in Material und

Die Ringmauern auf dem Goldgruben- u. Dalbesberge i. Taunus. 1 39-

Technik mit den ledergelben edlen Gefässformen vom Altkönig; aber erst die durch Herrn Dr. A. Hammeran im Jahresbericht des Taunus- klubs, Frankfurt a. M. 1879, S. 75 mitgeteilten Fundstücke aus dem Jabre 1867: eine Scheere und die Hälfte einer solchen, eine Eisen - kette von 8 Gliedern und 25 cm Länge, ein eisernes Messer von 13,2 cm Länge mit ringförmigem Ende des eisernen Griffes und die Hälfte eines blauen Glasarmringes, von 5 6 cm Durchmesser, zeigen in Gemeinschaft mil den vorgenannten keramischen Funden, in Be2ug auf Typus und Technik unserer Gegend, die volle Übereinstimmung mit den La Tenefunden aus den Ringwällen des Altkönigs, die gelegentlich der bekannten Aufgrabungen des Herrn Oberst von Cohausen freigelegt, jetzt teils im Provinzialmuseum zu Wiesbaden, teils im Frankf. Museum aufbewahrt werden; das Gesamtbild dieser Funde aber findet eine äusserst reichhaltige, übersichtliche Parallele in den Funden aus dem grossen Gräberfelde am Bahnhof zu Bad Nauheim, die als Dieüenbach- sche Sammlung sich im Museum von Frankfurt befinden. Wie mir ein Augenzeuge berichtet, sind die von Herrn Pfarrer Hannappel angeführten Funde, sowie diejenigen von Herrn Dr. Fr. Scharff durchaus nicht zu- sammenliegend oder stets in den Wallresten gefunden worden, sie müssen demnach auch keine unmittelbare Beziehung zu einander haben; sie ergaben sich meist vereinzelt bei den zur Gewinnung ebener Wegflächen erforderlichen Abhebungsarbeiten ganzer Strecken resp. Lose, wie solche an einzelne Arbeiter für bestimmte Summen vergeben zu werden pflegen ; von Zeit zu Zeit wurden dann die Sammelfunde abgeholt. Diese Thä- tigkeit der beiden Forscher fiiUt nicht zusammen, sondern liegt um circa ein Jahrzehnt auseinander. Auffallend ist die erstaunliche Menge und die Form der gefundenen Reste von ehemaligen Handmühlen aus Basaltlava, deren Provenienz nach dem in meinem Besitz befindlichen reichen Material vorwiegend der hiesigen Gegend zuzuweisen sein dürfte. Sie haben alle, ohne Ausnahme, die jüngere kreisrunde Gestalt mit schalenartigem, doppelkonkavem und durchbohrtem Läufer und gewölb- tem Bodenstein ^). Am südlichen Berghange und im Steinmaterial des zweiten Hauptwalles findet man Eisenerze. Ein schönes Stück schlackigen Bodensatzes aus einem Rennofen, sowie ein Stück des quarzsanddurch- mischten Bindemittels aus hartgebrannter Thonerde vom Aufbau des

*) Diese Form der Handmühlen ist diejenige, welche unter den Fund- objekten der La Tänestation im Museum von Neufchätel allein vertreten ist. Ausser den im Museum von Neufchätel befindlichen Mühlsteinen sind in der La Tänestation keine weiteren gefunden worden.

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letzteren fand ich, unter sich nahe gelegen, bei dem Steinmaterial des -Südöstlichen Innenringwalles. Das nach unten konvexe, nach oben mit •ebener Fläche begrenzte, ziemlich kreisrunde Stück Schlacke von 10 cm Durchmesser zeigt an seiner unteren metallischen Fläche die vorzüg- lichen Abdrücke der beim Erkalten erstickten Holzkohlteilchen, wo- gegen die Oberfläche durch die blasige Masse der leichteren mineralischen Substanzen mit noch eingeschmolzenen Partikelchen derselben gebildet ist; auch die von Herrn Pfarrer Hannappel erwähnte Schmiedezange und eine zweite, dem Frankf. Museum überwiesene, die entgegen der Legende, wie mir der Finder sagte, auch auf der Höhe des Berges, nahe dem InnenwalL an der Ostseite gefunden worden ist, deuten auf ehemalige Eisengewinnung an Ort und Stelle, zu einer Zeit, da die Steinhäufungen der Wälle nur ihres spärlichen Erzgehaltes halber noch -einige Bedeutung hatten. Die von Herrn Dr. Fr. Scharff 1870 dem Frankf. Museum überwiesene eiserne Klammer, die man am Metzger- pfad gefunden hat, ist nur 11 cm lang und an ihrer stärksten Stelle -8 mm dick.

Nach Friedr. Scharff, Die Goldgrube im Taunus S. 311, sind um 1840, beim Wegbau, in der Thalsohle des Haidetränkbaches, ohn- weit der Quelle also da, wo jetzt die Spuren des ehemaligen äussersten südöstlichen Walles bei seiner Überquerung des Thalgrundes festgestellt worden sind „2 bis 3' tief gelegte Platten gefunden if Orden, mit Totenumen oder Aschenkrügen, auch Lanzenspitzen". Weder diese Funde und die Beschreibung, noch die örtlichen Verhalt- Jiisse berechtigen zu der Annahme, dass dies Grabfunde gewesen seien. Ich vermute vielmehr, dass an diesem bachdurchströmten, ehemals 5chluchtenartigen Ende der Thalenge, mit der mächtigen quersperrenden Abschlussmauer die unterste Steinlage und sonstigen Koste der hier be- dingten aussergewöhnlich gefestigten Mauer zu suchen und diese im nun angeschwemmten Wiesengrunde der vorderen Thalsohle damals ge- funden worden sind. Danach wären die vermeintlichen, daselbst gefun- denen Lanzenspitzen die zugespitzten stabartigen Eisenteile, welche man An dieser nach jeder Richtung so sehr gefährdeten Stelle, zur vollen Widerstandsfähigkeit der Konstruktion, durch die kreuzweis gelegten Eoststämme getrieben haben muss. Denn nicht allein der Feind fand hier eine geeignete Angriffsstelle, auch der verwüstenden Wirkung der zeitweisen Wasserstauung und ünterspülung musste hier begegnet werden. (Schwierigkeit der Anlage von Wasserdurchlässen in modernen Damm- bauten im Gebirge). Die durch ihre auffällige Lage ausgezeichneten

Die Riogmauern aaf dem GoMgraben- a. Dalbesberge i. Taunus. 141

Steinplatten aber dürften gutgewählte, lagerhafte Quarzltbruchsteine ge- wesen sein, die in ihrer ehemaligen Lage, als unterste Schichte der kombinierten Holz- und Steinmauer, eingeschlämmt und als der unver- gängliche Rest erhalten geblieben waren. Das Gleiche gilt für die eisernen Yerbindungsteile, die man in diesen, durch die Zersetzung des Holzes geschaffenen Zwischenräumen der Steine fand. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich diese besondere Festigungsweise, mittelst eiserner Nägel, ausserdem durch die erforderliche Überbauung des Schellbaches bedingt sehe, die brflckenartig den starken Wasserlauf bei dem Aus- tritt aus der Thalschlucht (Klemmsteine) überspannt und mit Rücksicht auf die Wehrhaftigkeit nur die zum Wasserdurchlass mindest erforder- liche Öffnung gehabt haben dürfte. Der heutige Schellbach gewährt für die damaligen Verhältnisse kein zutreffendes Bild, denn der grösste Teil des aus dem Tlialkessel zwischen Feldberg und Altkönig entstammenden Wassers wird seit Erbauung der Hohen-Mark-Spinnerei in einem künst- lichen, hoch oben am Hange des Dalbesberges gegrabenen Kanäle der Rohrleitung zur obersten Turbinenanlage zugeführt. Die Totenurnen sind keinesfalls in ganzem Zustande gehoben worden, sondern die regel- mässig am inneren Fussende einer Ringwall-Mauer, in der Nähe der Thore . oder an sonst gefährdeten Stellen sich vorfindenden grösseren Mengen von Gefässscherben dürften zu dieser nachträglichen Benennung Veranlassung gegeben haben. Auch in dieser Fundangelegenheit dreht es sich um einen Sammelfund, der nachträglich durch Herrn Pfarrer Hannappel von den Arbeitern erworben wurde; zur sachgemässen Be- obachtung und Bergung der Funde zugleich mit den Grabarbeiten des Wegbaues war kein Gewährsmann zur Stelle. Nach einer gütigen Mit- teilung des Herrn Baumeisters L. Jakobi in Homburg v. d. H. beßnden sich ausserdem im dortigen Saalburg-Museum ein kegelförmiger Stein mit längs durchgehendem Loch aus Basaltlava, 19 cm lang, 16 cm Durchmesser, gefunden in der Wallmauer; ein Wirtel aus Thon mit SV« cm Durchmesser und eine Lanzenspitze aus Eisen, an den Wällen gefunden; ein Pferde-Schuh aus Eisen, gefunden an den W^ällen nach dem Heidetränkthal hin; eine Lanzenspitze aus Eisen und eine gut er- haltene Bronzemüuze von Commodus, beide vor dem „Stollen am Hangenden Stein ^ gefunden; eine Anzahl Mühlsteine und Gefässscherben aus dem Innern der Ringwälle. Von den Ringwällen des Dalbesberges oder aus deren Umgebung sind bis jetzt keine Funde bekannt geworden. Da die Zusammengehörigkeit beider Anlagen nun durch die beiden das Heidetränkthal zweifach abschliessenden Mauern erwiesen ist, er-

Weitd. Zeitaohr. f. Geioh. u. Knnat XIV, II 11 i

142 Chr. L. ThomM

scheint es mir sehr wahrscheinlich, dass unter der Bezeichnung „Alte Höfe" eben diese beiden im Zusammenhang stehenden vorgeschichtlichen Ringwallanlagen zu verstehen sind, von denen jetzt allerdings wahr- scheinlich durch die verloren gegangene Kenntnis der doppelten Ver- bindung und Zusammengehörigkeit*®) veranlasst nur noch die be- kanntere südliche Anlage für sich allein die dialektische Bezeichnung „alte Höf« trägt.

Diese Bezeichnung „alte Höf" (nicht „alte Hof") reicht wie so viele ähnliche z. B. alte Burg, Hühnerburg, Altking, Alt -Schanz etc. in sehr frühe Zeiten unseres Volkslebens zurück, in Zeiten, in denen über Zweck und Erbauer der Anlagen jedoch nur noch unklare Über- lieferungen vorhanden waren ; der Zusammenhang der beiden Bergbe- ringe aber durch den damals noch ungestörten Verlauf der gemeinschaft- lichen äussersten Wallumschliessung jeglichem vor Augen gelegen hat, so zwar, dass die beiden Anlagen auf den beiden Bergköpfen mit ihren doppelt aufeinander treffenden Vorhof wällen, nur von dem Bach durch- flössen, sich wie zwei nachbarliche Hofraiten mit ihren Umzäuniungen einander angeschlossen haben.

Die trennende Zerstörung und Abfuhr der verbindenden Wälle im Heidetränkthal kann erst in späterer Zeit und allmählich stattgefunden haben, als man in den Markgemeinden begann, sich der Verwendung von Steinmaterial zu Bauzwecken mehr und mehr zuzuwenden ").

Die Hohe-Mark-Akten des Frankf. Archives zeigen, wie ausgiebig man ehemals in Wald, Feld und Wiesenland alle besonderen Erschei- nungen und Bodengestaltungen mit Benennungen versehen hat. So reich und sorgfältig findet man darin die Namensgebung durchgeführt, dass

*<*) Der gründliche Kenner und Forscher E. Neuhof, Regierungsrat, Homburg 1780 (Nachricht von den Altertümern in der Gegend und auf dem Gebürge bei Homburg, S. 11), der die bis auf den heutigen Tag wohlbe- kannte VerbinduDgsmauer vom Dalbes- und Goldgrubenberg im hinteren Teil der Heidtränk wie untenstehend beschreibt, hatte trotzdem keine Ahnung mehr von der Zusammengehörigkeit und einheitlichen Umschliessung der bei- den Bergberinge und demzufolge auch nicht von dem Umstände, dass beide nur Teile einer einzigen, grossartig angelegten Befestigung sind. Er weiss nur, dass „die starke Mauer, die den Goldgrubenherg umzieht, ihre Beziehung auf eine andere hat, die über den Dalwigsberg lauffet''.

^^) Denn den Märkern war es ja gestattet, im Bereich der Hohen Mark Steine nach Bedürfnis zu holen. In der Ordnung von 1594 wird diese Be- fugnis bezüglich der vorhandenen Schieferkauten ausgesprochen, vgl. Fr. Scharff, Das Recht der hohe Mark (1865) S. 191.

t)ie ftingmaaem atit dem Öoldgniben- u. t)albe8berge i. Taiinud. 143

daraus gefolgert werden darf, man habe die ehemals gewaltige weg- sperrende Kingwallanlage auf dem Goldgrubenberg nicht namenlos ge- lassen. Leider geben diese Akten keine Nachricht über die Alten Höfe, während die nahe gelegene Hühnerburg und der Hühnerstein mehrfach genannt werden. Die Karten, welche schliesslich zu Ende des vorigen und Beginn des jetzigen Jahrhunderts zum Zwecke der Markteilung an- gefertigt wurden, zeigen in der Schwankung und dem Fehlen mehrerer Benennungen die Veränderlichkeit und Vergänglichkeit der lokalen Namensgebung. Stückweise und nur oberflächlich sind darin einzelne Teile der Dalbesbergwälle eingezeichnet, von den Wallzügen auf dem * Goldgrubenberg dagegen nichts. Die von dem letzteren an der Süd- westseite nach der Heidtränk abfallenden Felsgräte resp. -häufungen (Klemmsteine) hat man wohl nur mit Bezug auf Wert beziehungsweise Unwert des Waldbodens eingetragen.

Die mündliche Überlieferung allein hat die alte Benennung der grossen Volksburg aufbewahrt, wenn auch wahrscheinlich irrtümlich nut als Bezeichnung der auf dem Dalbesberge gelegenen kleinem Hälfte. Es mag dies seine Ursache in der ununterbrochenen Ausbeute der Steinwälle auf diesem Berge haben, die die Beziehungen zwischen dem Markbewohner und diesem Teil der alten Anlage und somit auch deren Name wach erhielt.

Wie eine „hochgewölbte Strasse" zogen einst die weit schimmern- den Quarzitmassen um den Kopf dea Dalbesberges, zwei gewaltige Arme lang gestreckt über die steil abfallenden Berglehnen in das Heidetränk- thal entsendend. Man sah sie einst von den Strassen der Ebene, sowie von der Höhe der umliegenden Berge als breite Bänder den Wald unterbrechen. Ähnlich, aber vermindert ragen noch jetzt die Reste, be- sonders im Winter sich weiss vom dunkeln Walde abhebend, weit in das Land hinaus und bringen sich stets aufs Neue in Erinnerung. Auch die wiclitige Teilungsvomahme der Hohe-Markwaldungen, die im Jahre 1813 endlich zum Abschluss gelangte, musste sich mit dem Ge- biet der Dalbesbergwälle näher befassen, denn die Teilungs- und Grenz- schneise des damals neu geschaffenen Frankfurtischen und Nassauischen Hohe ^Markanteres wurde mitten durch die Walllinien des Dalbes- berges gelegt.

Ganz anders liegen die Verhältnisse des auf dem sogenannten Goldgrubenberge befindlichen Wallburgberings. Die Teilung von 1813 hat die Anlage nicht berührt; die neue diesseitige Trennungslinie des Frankf. Anteiles zieht als Grenzschneise dahinter vorbei. Die sogen.

11*

144 Chr. L. Thomas

Erdwälle, durchaus mit Haidekraut und Heidelbeeren grün überwachsen, dem Baum- und Strauchwuchs willig Platz und Nahrung gewährend, sind erst beim Betreten des Ringwallgebietes und in unmittelbarer Nähe als allerdings weit hinziehende Erdwellen am Waldboden sichtbar ; vielerlei Wege aus alter und neuerer Zeit durchkreuzen und durchschneiden jetzt die Erdhäufungen, so dass die Anlage in der späteren Zeit, als der neue Name Goldgrube als Bezeichnung für den Berg sich breit machte, dem seinem Walde bereits entfremdeten Märker keine Beachtung mehr abnötigte. Die wenigen reinen Steinwälle erreichen bei weitem nicht die Stärke der auf dem Dalbesberg befindlichen Hauptwälle.

Der Name der Goldgrube reicht nicht in sehr frühe Zeit zurück '*). Er bezieht sicli ursprünglich auf den Beginn des Versuchsbergbaues auf der Höhe des Berges ^^). Dieser wird später erweitert und in den Homburger Bergbauakten als oberer Stollen und Schacht mehrfach ge- nannt. Auch erscheint darin 1719 22 bei Beschreibung der in den Hangelstein und oberhalb desselben getriebenen Stollen und Schachte der Name Goldgrube bereits kurzweg als Bezeichnung des Berges. Es ist also sicher, dass der Bergbau hier weiter zurückreicht. Denn der- selbe ist um diese Zeit schon recht ausgedehnt ^*) und es ist urkund-

") Römer-Büchner (Beiträge zur Geschichte der Stadt Frankfurt etc., S. 100) hat leider nicht angegeben, in welchen Frankfurter Akten der Name Goldgrube schon im 16. Jahrhundert vorkommt; auch ist nicht ersichtlich, ob sich der Name auf jenen Berg in der Hohen Mark bezieht, oder auf den Felddistrikt gleichen Namens bei Niederursel, der schon zur Herrschaft Frankfurt gehörte. Dagegen wurde der Berg samt Waldgebiet erst bei Zer- stückelung der ca. 25000 Morgen haltenden Markwaldung im Jahre 1813 Frankfurt zugeteilt. Der fragliche Stollen selbst trägt weder jetzt, noch zur Zeit des Bergbaues den Namen Goldgrube, und er wird in den Homburger Berg- bauakten 1719 22, nach Fr. Rolle, als „Stollen am hangenden Stein nach der Goldgrube hin'', im Gegensatz zu dem anderen auf der Höhe befind- lichen Stollen und Schacht „in der Goldgrube" genannt. Die Annahme des römischen Ursprunges ist durchaus unbegründet. Weder römische Gräber noch römische Gebäudereste finden sich am Berg. Ebenso wenig ist die Bauart der Stollen etc. spezifisch römisch, denn die Gruben sind unter der Leitung der Bergbauverständigen Weis, Schreiter und Friedrich ausgeführt worden. Nach einem Protokoll aus den Akten der Hohen Mark wurde 154.^ beschlossen, einen Waldteil am Goldgrubenherg auf 3 Jahre in die Hege zu legen. Man bedient sich im Protokoll bezeichnender Weise des Namens Goldgrube nicht, sondern beschreibt die Lage des Berghanges wie folgt; „Der Berg unwendig der Magtkreuz herüber bis auf die Ursellerbach und bis auf die unterst Scbellbach." Fr. Scharff, Das Recht der hohe Mark S. 195.

»') Siehe Fr. Scharff, Die hohe Mark im Taunus, S. 322.

Die Ringmauern auf dem Goldgruben- u. Dalbesberge i. Taunus. 145

lieh erwiesen, dass in dieser Gegend schon vor 1662 vielfach durch Bergknappen im Auftrag des Christ Waldbotten, Landgraf Wilhelm Christoph, nach Eisensteinen gegraben worden ist *^). Der Name kann aller Voraussicht nach nicht vor diese Zeit zurückreichen. Denn hätte man damals die Vermutung auf den Goldinhalt des Berges ge- habt, so wQrde man auch damals schon den Abbau angestrebt haben. So schürfte man allenthalben nur auf Eisen und hat vermutlich dabei das täuschende Mineral, den Eisenkies, gefunden, welcher mit seinem Goldglanze die Markbevölkerung insgesamt irrfahrte. Man hat später trotz Erkenntnis des Irrtums doch mit der Hoffnung auf Besserung des Gesteins (der Schwefelkies ist zuweilen gold- oder silberhaltig) von selten einer illustren Gewerkschaft eben auf Grand der ersten Schürfung den Bergbau zweier Graben aufgenommen. Und so finden wir ihn ur- kundlich plötzlich 1719 im vollen Betriebe auf edles Erz; das Ergeb- nis vieler Jahre bestand jedoch nur in etwas Schwefelkies*^).

Gleich wie die rechtlichen Verhältnisse der Hohen Mark im Laufe der 4 Jahrhunderte trotz des Weistums von 1401 und des Märkerdings gewaltige Änderangen erfahren haben, und wie sogar die Grenzen der Hohen Mark ungeachtet der öfteren Begehung Verschiebungen unter- worfen waren, so hat auch die neue Bezeichnung in einer Zeit, in der die volkstümlichen Überlieferungen kaum noch Beachtung fanden, an- knüpfend an ein bezüglich des zu erwartenden Goldes die Hab- sucht erregendes Ereignis, sich fest gesetzt und die ältere Benennung des Berges samt seinen Wällen ganz vergessen lassen.

Die Ausbeutung der Wälle des Goldgrabenberges, die grössten- teils durch Aufgrabung das einliegende Steinmaterial zu Tage fördert, wird hauptsächlich erst seit der letzten fünf Jahrzehnte betrieben, in einem Zeitraum, in dem bereits jede Erinnerung an die alten volks- tümlichen Traditionen der Wallanlage geschwunden gewesen sein müssen, und eine Namenserhaltung, wie auf der jenseitigen Höhe, dem Dalbes- berge, bereits ausgeschlossen war.

Auf beiden nachbarlichen Höhen aber hat sich in den letzten Jahren der Ausbrach und die Abfuhr derart gesteigert, dass davon nicht allein die alten Wehranlagen betroffen werden, sondern dass jetzt gleich- zeitig mit den Restspuren der Wälle auch die überbaut gewesenen Berg- köpfe bis tief in den felsigen Kern aufgespalten werden und verschwinden.

'*) Fr. Rolle, Taunasbote 1869 Nr. 14 ff.

") Fr. Scharff, Das Recht der hohe Mark, S. 61 und 191.

^«) Fr. Scharff, Die Goldgrube im Taunus, S. 314.

146 Chr. L; Thomas

Haben diese steilen Höhen und hoch getürmten Mauern den Be- wohnern der vorliegenden Ebene in dunkler Vorzeit bei kriegerischer Bedrängnis vortrefflichen Schutz gewährt und zur Bergung von Hab und Gut gedient, und sind letztere von den zur Höhe Flüchtenden nur mit gewaltigem Aufwand von Kraft und zäher Ausdauer damals errichtet worden, so sehen wir jetzt unter den veränderten Kulturverhältnissen und Lebensbedingungen den umgekehrten Verlauf der Dinge sich voll- ziehen. Abermals ersteigen die Bewohner der Ebene und berechtigten Erben mit Ross und Wagen doch zu friedlicher Arbeit die Höhen, um die dort gehäuften und anstehenden Steinschätze mit der erstaunlichen Kraft modemer Hilfsmittel zu lösen und zu Nutz und Frommen io Ge- meinde und Haus der Ebene zuzuführen, die dieses geschätzten Materials diesmal zur Erhaltung und Erweiterung ihres hochentwickelten Strassen- netzes zu gedeihlicher Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Verhält- nisse nicht wohl entbehren kann. Es ist trotzdem höchst beklagenswert, dass diese grossartigen Schöpfungen einer frühen Vorzeit bis jetzt durch keine geeigneten Bestimmungen geschützt sind und sie den modernen Kulturarbeiten, wie hier, so oft schonungslos zum Opfer fallen müssen. Denn viel zu kurz ist die Spanne Zeit, seit der diese Denkmale mensch- licher Thatkraft in ihrer Bedeutung für die vorgeschichtliche Forschung richtig erkannt sind. Allenthalben ist die Vernichtung in neuerer Zeit über den Rest dieser auf uns überkommenen ehrwürdigen Monumente hereingebrochen, die auch auf den entlegensten Höhen davon nicht verschont geblieben sind. Und wenn auch die Zerstörung in vielen Fällen vorerst nur eine partielle ist, so ist doch dadurch eine er- schöpfende Forschung an diesen beredten Zeugen einer bedeutsamen Epoche im kulturgeschichtlichen Entwicklungsgange der Bevölkerung ungemein erschwert, wenn nicht unmöglich geworden ^^).

^^) Bezüglich der beigegebenen Abbildungen sei bemerkt, dass im Clichö auf S. 127 die verschiedenen Planskizzen nicht in der Grösse, wie sie von den verschiedenen Autoren veröffentlicht worden sind, dargestellt sind, sondern in halber Grösse, so ist z. B. die Aufnahme Stumpff's im Massstab 1 : 20000 veröffentlicht Auf Taf. 6 war von mir gezeichnet im Massstab von 1 : 5000 in fünffacher Vergrüsserung der Generalstabskarte von 1 : 25000, aber zum Zwecke der Veröffentlichung wurde sie auf 1 : 10000 verkleinert.

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147

Grenzmarkierungen am Limes.

Ergebnisse der im Jahre 1894 im Tnunns erfolgten Untersnchnngen.

Von L. Jaeobi in Homburg v. d. H.

Über die Untersuchung der Grenzvermark ung am Limes, welche 1893 im Taunus begonnen und 1894 mit Erfolg vom Rhein bis zur Donau weiter geführt wurde, ist in den Limesblättern berichtet. Was im Limesblatt Nr. 7 und 8 über die Yermarkung der römischen Reichsgrenze gesagt wurde, hat sich im Grossen und Ganzen bestätigt, wenn auch bei den weiteren Forschun- gen ausser den vorausgesehenen Modifikationen dank der Umsicht und der energischen Forschung der Herren Streckenkommissare noch manche Neuig- keiten zum Vorschein gekommen sind.

Die diesjährigen Arbeiten im Taunus galten hauptsächlich den Unter- suchungen der Hügel und Schanzen, und nur insoweit, als diese im Zusam- menhang mit der Yermarkung des Limes standen, auch dieser selbst. Die bei letzterem gemachten Beobachtungen wollen wir des besseren Verständ- nisses wegen vorausschicken.

I. Vermarkung der römischen Reichsgrenze.

Der durch einen verdeckten Graben hergestellte Grenzzug ist im Taunus überall, wo der Spaten angesetzt wurde, gefunden worden imd scheint somit ein Zweifel an seiner Continuität ausgeschlossen. Die Entfernung des Grenzgrabens von dem Erd- und Steinwall schwankt nur wenig und beträgt zwischen 5,30 m bis 6»00 m etwa 20 röm. Fuss = 4 Passus *) ; nur an den Stellen, wo sich Hügel befinden (Taf. VH, VHI, IX), weicht die parallele Richtung ab. Hier ist der Abstand manchmal ein grösserer, was sich leicht durch das Bestreben erklären lässt, bei Feststellung der definitiven Grenze und bei Anlage des Limes womöglich die älteren Grenzmarken, die wir in den Hügeln zu erblicken glauben, noch einzuschliessen. Die Tiefe des Grenzgräbchens beträgt je nach den Bodenverhältnissen zwischen 0,60 bis 1,00 m, bleibt jedoch auch im anstehenden Gestein, wo es mit Aufwendung grosser Arbeitskraft in die festen Quarzite des Taunuskammes eingehauen ist, in der Regel 0,70 m tief. Die Breite beträgt 0,50 bis 0,70 m und ist immer gross genug, dass ein Mann darin stehen und den Graben aus- werfen konnte. Eine fortlaufende Aussteinung findet sich hauptsächlich an Stellen, wo Steinmaterial unmittelbar in der Nähe lag, oder an steilen Abhängen, wo eine Festigung des Grenzzugs gegen Witterungsein- flüsse erforderlich war, und wo es sonst die Bodenbeschaffenheit verlangte-

1) ■cheint, dasB anch bei den AbBteckungen der Kastelle, Tttrme etc. der FasBui »1b MaasB so Grande liegt. An der Saalbnrg iet es besondere auffallend, die Lftnge beträgt 147,50 m, Breite S2I,50 m; der PaBBQB (Doppelschritt) bat nach Hultsch 1,479 m, woran* Bieh fOr die Saalbnrg 100 anf 150 Passus ergiebt. Gymnasialdi rektor Dr. £. Schulze in Homburg hat zuerst darauf hingewiesen, vergl. Didaskalia vom 24. Mftrs 1896. Bei den Tflnnen, die im Taunus in der Regel 4,50 m Seitenlange haben, erhält man fa«t gena^ 8 •i&f 8 PaiBU«.

148 L. Jacobi

Die weiteren Beobachtungen im Taunus haben ergeben, dass zur definitiven Feststellung der Reichsgrenze das Gräbchen selbst das wichtigste und haupt- sächlichste Merkmal war. Das Einlegen von Kohlen, Scherben, fremdlän- dischen Steinen, angekohlten üülzern etc. war nur da nötig, wo es zweifelhaft erschien, ob nicht nach einer gewissen Zeit sich die wieder eingefüllte Erde mit dem gewachsenen Boden so verbinden würde, dass ein genaues Erkennen des Grenzzugs schwierig und dadurch ein Grund zu Grenzstreitigkeiten werden könnte. Letzteres traf besonders überall da zu, wo die Gräben in Löss, losem Sand, Bimsteinsand , Kies oder feuchtem Boden ausgehoben wurden. Als eklatante Beispiele führe ich die Vermarkung in losen Steinrasseln am Weissen- stein, Kieshübel und Klingenkopf und in sumpfigen Wiesen der Bachthäler im Taunus an, ebenso die rinnenartige Aussteinung mit Platten am Kieshübel, wie an dem Abhang bei Ober-Bieber. Wäre an den erstgenannten Strecken der Graben ohne besondere Beigaben Läufer, Kohlen, Scherben her- gestellt worden, so wäre es nach kurzer Zeit vollständig unmöglich gewesen, den Grenzzug noch zu erkennen. Die losen, wieder hineingeworfenen Steine hätten sich an die anderen, die keine scharfe Grabenkante bildeten, so angefügt, dass sie nicht zu unterscheiden gewesen wären, sodass die Herstellung des Grenzgrabens eigentlich keinen grossen Zweck gehabt hätte. An den anderen Strecken in sumpfigen Wiesen und im Sandboden, der durch das steigende und fallende Grundwasser in steter Bewegung ist und sich verschiebt, ver- ändert sich das Profil eines ausgefüllten Grabens sehr rasch und verschwindet zuletzt vollständig. Auch haben Merkmale wie kleine Sterne, Scherben eta in solchen Gräben keinen grossen Wert, sie werden durch den beweglichen Boden bald nach rechts, bald nach links gedrängt und sind unsichere Grenz- zeichen. Es waren daher für solches Gelände, um allen Grenzstreitigkeiten vorzubeugen, andere Vermarkungsarten notwendig unter denen ich die von Holz besonders hervorhebe.

Man schachtete tiefere Gräben aus und stellte angekohlte Holzpflöcke oder Pfähle auf die Grabensohle, wie wir auch aus den Schriften der röm. Feld- messer erfahren, in denen verschiedentlich auf Holzpfähle als Grenzzeichen hingewiesen wird^). Man sicherte die Richtungslinie und den Bestand des Grabens noch dadurch, dass man Langhölzer beilegte. Am Limes im W^ürt- tembergischen, dicht an der bayr. Grenze bei Mönchsroth, sah ich in dem nassen Wiesengelände ganze Baumstämme aus Föhrenholz, die mit ihren Querästen dicht an die aufrechtstehenden 0,40 m hohen Holzstümpfe angelehnt waren. Eine ähnliche Methode bei der Festlegung der Grenzpunkte in sumpfigem Boden ist heute bei uns noch gebräuchlich und wird als gesetzlich gültig an- gesehen. In der Prcuss. Grundbuch-Ordnung ftlr Schlesien vom 5. Mai 1872 heisst es im § 67 Absatz 4: „In sumpfigen Wiesen sind, wenn die Yermar- .,kung nicht durch Gräben erfolgt, angekohlte Holzpfähle, welche inderErde „noch mit einem ebenfalls angekohlten Querholz versehen sind, verwendbar'^- Auf die Verschiedenartigkeit der Yermarkungen will ich hier nicht näher eingehen, in den Limesblättem ist darüber von allen Seiten berichtet worden. Es kann nunmehr mit aller Sicherheit angenommen werden, dass

2) Vgl. auch Siculu« Flaccas, RqdorfT. S- U2.

Grenzmarkierungen am Limes. 149

am ganzen Limes eine ziemlich gleichmässige Methode, die je nach der Be- sohalTenheit des Bodens und des zur Verfügung stehenden Materials' sich ändert, zur Anwendung kam. Ich sah am Rhein, an der Donau, im Taunus an den Strecken, wo Wall und Grahen, Steindamm oder gemörtelte Mauer (Teufelsmaner) noch vorhanden und an solchen Stellen, wo die äusseren Spuren verschwunden sind, das Gräbchen mit und ohne Aussteinung, mit und ohne Signa, mit angekohlten Langhölzern und Ilolzstümpfen meist unabhängig vom Steinmatcrial, ob Quarzit, Schiefer, Kalk- oder Sandstein in der Herstellungsweisc überall ziemlich gleich, woraus geschlossen werden dürfte, dass die röm. Grenze vom Rhein bis zur Donau eine einheitliche und nahezu gleichzeitige Anlage ist.

Obgleich man in diesem Jahr davon absah, grössere Strecken der Yer- markung aufzudecken, ist es doch gelungen, äusserlich sichtbare Grenzsteine aufzufinden. Schon in meinem vorjährigen Berichte sprach ich die Vermutung aas, dass der verdeckte Grenzzug auch äusserlich mit Steinen oder durch Lochbäume markiert gewesen sein dürfte; bestimmte Anzeichen konnte ich damals nicht anführen. Nachdem nun aber Professor Mommsen in seiner klaren Abhandlung über den Begriff des Limes ^) das Vorhandensein sicht- barer Merkmale als eine Notwendigkeit hingestellt hatte, war ich bemüht, der Sache noch einmal näher zu treten, doch war dies ohne Abräumung und Blosle- gung grösserer Strecken der Vermarkung nicht möglich. Erst die Untersuchung der Hügel gab Veranlassung dazu. Bei dieser Gelegenheit fanden sich bei drei Hngelgruppen Weissenstein, Kieshübel und Klingenkopf (Taf. VIT, VIII und IX) an den Knickpunkten A und Fig. I A des Gräbchens über den Boden hervorstehende Grenzsteine, die zweifellos immer sichtbar, aber jetzt durch Moos und Humus so verdeckt waren, dass sie nicht mehr auffielen und erst durch eine Aufgrabung sich erkennen Hessen. Diese Steine sind nicht mit dem Eisen bearbeitet, aber von Natur aus so gebildet, dass sie allerdings aussehen, als seien sie zu dem Zweck besonders hergerichtet; auf Taf. VII, VIII und IX, Fig. a, b, c ist ihre Gestalt und Lage am besten ersichtlich. Die Steine haben eine Höhe von 0,70—0,80 m und einen Durchmesser von 0,50 bis 0,70 m; sie sind mit kleineren Quarzitbrocken fest eingekeilt und ragen 0,30—0,40 m über den Boden hervor. Am Weissenstein ist es nur ein einzelner Stein, der an der Aussenseite genau den stumpfen Winkel der Aus- steinung zeigt, so dass man an eine absichtliche Bearbeitung glauben könnte, was aber bei dem spröden und festen Material fast ausgeschlossen ist. x\m Kieshübel und Klingenkopf sind zwei sehr grosse, ebenfalls festgekeilte Steine in der Art gesetzt, dass an dem recht bedeutenden Knick je eine Seite des Steines die Fluchtlinie des Grenzzuges angiebt. Die zuletzt genannten Steine sitzen noch unberührt, deijenige am Weissenstein wurde ausge- graben und nicht ohne Mühe gehoben; unter dem Steine lagen nur Kohlen- stttcke von Eichenholz. Auch fanden sich zwischen den genannten Knicken in unregelmässigen Abständen gleichfalls hervorstehende, besonders festgekeilte Steine, die sich durch eine hellere Farbe hervorheben und meist aus weiss- lichen Quarziten bestehen. Die wiederholten Begehungen der Limes-Strecke

S) \gl „Der Begriff des Limes«, Westd. Zeittcfar. Jafarg. XIII S. 131.

150 L. Jacobi

Saalburg-Feldberg, die wohl noch in ihrer Ursprünglichkeit erhalten ist, er- gaben eine grössere Anzahl solcher absichtlich eingesetzter Steine, so dass man für die besagte Taunusstrecke die unterirdische Aussteinung und darüber die sichtbare Absteinung als wahrscheinlich, ja als sicher annehmen kann. Die Frage, ob mit dieser eben besprochenen Auffindung der sichtbaren Grenzsteine eine weitere Untersuchung des Grenzzuges in dieser Richtung noch zu veranlassen sei, möchte ich verneinen, doch würde es sich empfehlen, das Gräbchen noch auf längere Strecken freizulegen und ganz ausräumen zu lassen ; es würden sich dann vielleicht noch wichtige Anhaltspunkte für die von den Römern angewandte Yermessungsmethode finden lassen*).

II. Die sweite Linie des Limes.

Bei den oben erwähnten Untersuchungen lag es nahe, die schon öfters besprochene zweite Linie zu suchen. Schon im vergangenen Spätherbst hatte ich mir diese Aufgabe gestellt, auch einige Spuren entdeckt und sie bereits im Limesblatt 7 und 8 angedeutet; doch genügten diese nicht, da sie im Verfolg nicht zu einem wirklichen Ergebnis führten. Wiederholt angeregt durch Prof. Mommsen, besonders durch seine Abhandlung „Der Begriff des Limes*' und durch die Stelle bei Baibus ^), die in der Übersetzimg lautet: „Sobald als wir (die Römer) das feindliche Land betraten, erforderten die „Operationen unseres Kaisers sofort methodische Vermessungen. Es „waren in einem bestimmten Zwischenraum zwei Parallelen herzustellen, fiir „die langhingestreckten hohen Wälle, welche die Operationsbasis sichern „sollten** nahm ich trotz verschiedener Misserfolge die Arbeit wieder auf. Erst kurz. vor Winter gelang es mir durch einen glücklichen Griff der Sache etwas näher zu kommen; ich richtete meine Aufmerksamkeit nochmals auf die im vorigen Jahr an einem Durchgang des Pfahlgrabens an der Saalburg aufgefundenen eigentümlichen Markierungen, die aus mit Steinen umstellten Pfostenlöchem und einzelnen absichtlich gesetzten Steinen bestanden. Diese traten allerdings nur an alten Limes - Eingängen, wo ein Graben nicht vor- handen war, und sehr vereinzelt an der Wallwurzel hervor; sie liefen längs der Richtung des Wallanfangs und waren etwa 20 röm. Fuss von der Aus- steinung entfernt. Mir schien anfanglich dieses Maass für den Abstand der Parallelen zu gering, und ich suchte wiederholt vergeblich vor der Aussteinung und hinter dem Wall nach der zweiten Linie. Die Vermutung Mommsens, die- selbe falle möglicherweise mit dem grossen Erdwall zusammen, brachte mich auf den Gedanken, dass die schon gefundenen Spuren am Pfahlgrabeneingang doch Punkte der gesuchten Linie darstellen könnten. Allerdings musste dann da, wo der Limes ans Graben und Wall besteht, die zweite Linie durch die

4) Wikhnnd der Dracklegnng dieses Berichts (Mai 1895) fand ich bei der Unter- suchung eines darch den Umesgraben angeschnittenen Grenahttgels einen 90 cm hohen obaliskenförmig gebildeten Stein, der auf einem Quarmitplftttchen, anter dem sich ein aas der Ebene stammender bearbeiteter poröser Ba»alt befand, anfeass. Darunter l«g wagrecht eine 35 cm lange mit der Spitxe nach Westen gekehrte gut erhaltene röm. I*ansenspitse. Es scheint diese Markiernng keine snfftllige sa sein, »ondern von der Limes-Abateckang hersnrOhren. Die Stelle liegt M m nordöstlich von dem Htigel and seichnet sich aasser- dem noch durch besonders hervortretende Steinsetaangen ans.

5) Die Schrift«B der röm. Feldme«s«r 1 S. 98.

GhrenzmarkieruDgen am Limes. 151

Aasschachtang des Grabens und den Aufwurf des Walles verschwunden sein, oder konnte nur wenige Spuren hinterlassen haben. Bestärkt wurde ich noch durch die gütige Mitteilung des Kgl. Abteil ungsbaumeisters Spannagel, dass bei der durch den Bahnbau Homburg - Usingen notwendigen Abtragung einer grösseren Strecke des Pfahlgrabtos, am Eingang des Köpperner Thals (Loch- miihlkastell), sich unter dem Wall eine mit ihm und dem Grenzgräbchen parallel laufende Absteinung gefunden habe, die man für die zweite Linie ansprechen könnte ; doch erst die Nachgrabungen an denjenigen Strecken, wo der Limes Steinwall ist, ein Graben nicht besteht und niemals vorhanden war, haben zu einem wirklich sicheren Ergebnis geführt.

An der Kante des Steinwalls, die nach dem Grenzgräbchen hin liegt, aber noch gedeckt durch den Steinwall selbst, fand sich eine Bezeichnung, welche in einem seichten etwa 30 cm tiefen Gräbchen') bestand, das mit schwarzer Culturerde ausgefüllt war; die Entfernung von der Aussteinung be- trug 20 röm. Fuss. Einschnitte an verschiedenen Stellen des Steinwalls er- gaben schliesslich, dass sich auch in diesem Gräbchen in gewissen Entfer- nungen künstlich gesetzte, fest eingekeilte Steine fanden. Sie scheinen die eingemessene Linie noch besonders zu bezeichnen und haben wahrscheinlich bei der Absteckung zur Fixierung derselben gedient. Bemerkenswerte und be- sonders markierte Stellen mit solchen Steinsetzungen haben sich am Klingen- kopf, Kieshübel und Weissenstein gezeigt. Nun wurden zunächst einige Stellen, wo Steinwall sich an Graben und Wall anschliesst, untersucht; hier sassen grössere Steinplatten, ebenfalls eingekeilt, in Form von Läufern und zwar in der Richtung des Grabenanfangs. Verschiedene Stichproben auf längeren Strecken machten es zur Gewissheit, dass wir in dieser Markierung die zweite Linie zu suchen haben.

Betrachtet man das oben Mitgeteilte im Zusammenhang mit der 1893 gefundenen äusseren Grenzmarkierung (Aussteinung) und dem Pfahlgrabcn überhaupt, so lässt sich über die Entstehung des Limes und der einzelnen Stadien derselben etwa folgendes annehmen : Nach der ersten Grenzabsteckung, auf die wir später bei der Beschreibung der Hügel zurückkommen werden, folgte in gewissen Zwischenräumen die Einmessung und Herstellung des Limes. Die eingemessene und durch Lichtung des Waldes ca. 20 röm. Fuss breite Schneise (das gewöhnliche Maass einer römischen Strasse) ist der Grenz- weg am Ende des röm. Gebiets'), er wird durch zwei parallele Gräbchen markiert. Auf Taf. X sind die verschiedenen Entstehungsstadien des Limes, wie ich sie mir denke, dargestellt und zwar zeigt Fig. I das erste Stadium:

6) Der Streckenkommissar Prof. äixt machte auf der Limesstrecke Tolnaishof- Sindringen Ähnliche Beobachtungen; er scheint auch die zweite Linie in dem unter dem Wall liegenden Gr&bchen gefunden su haben. Er bemerkt hierüber im Limesblatt Nr. 12 S. 960: „Was aber als merkwürdig noch au erwähnen ist, ist der Umstand, dass nach der Ton Oberstlientenant Palis vorgenommenen Messung die Grensmarkiernng an diesen swei Stellen unmittelbar unter den (dort nicht mehr sichtbaren) Wall f&llt. Daraus ergiebt sich die Oewissheit, dass die Grensmarkierung der Anlage von Wall und Graben Toraus- geht, wie auch die Wahrscheinlichkeit, dass mit der Aufführung der letsteren die erstere in ihrer Bedeutung surücktrat''.

7) Mommsen, Böm. Geschichte Bd. V S. 111 und 118, Tcrgl. auch seine Abhandlung «Der obenrheiniKhe Limes** in der Westdeutschen Zeitschrift lY S. 48 ff.

152 L- «facobi

die Festlegung des eingemessenen Grenz wegs (Limes) durch zwei seichte Gräbchen a und a^; das zweite Stadium: Fig. II die Aussteinung b: das ur- sprünglich kleine Gräbchen ist erweitert, vertieft, ausgesteint, d. h. markiert und ist ein eigentlicher Grenzgraben geworden; das zweite Gräbchen b* ist noch vorhanden; das dritte Stadium: Fig. III die Anlage des Grabens und des Walles das zweite Gräbchen, das für die Herstellung des Grabens die Richtung bildete, verschwindet und zwar wie bei der Anlegung des röm. Stadtgrabens die Furche, die eine Seite des Grabens abgiebt; der offene Grenzgraben wird verdeckt und nur noch an einzelnen hervorragenden Steinen oder Lochbäumen äusserlich kenntlich, Fig. Illb. Eine Modifikation hiervon giebt Fig. IV, die Anlage des Steinwalls. Der steinige Boden bereitet zu viele Schwierigkeiten, einen Graben herzustellen, es wird ein Steinwall angelegt, das zweite Gräbchen wird durch ihn teilweise bedeckt und bleibt dadurch erhalten. Wieviel Zeit zwischen den verschiedenen Stadien liegt, läset sich schwer sagen, doch möchte ich bei dem derzeitigen Stand der Untersuchungen und mit Berücksichtigung der Stelle bei Baibus und der Ausfuhrungen von Mommsen glauben, dass zwischen der Aussteinung und der Errichtung des Pfahlgrabens keine lange Zeit verstrichen ist, und dass es nicht ausgeschlossen erscheint, dass beide gleichzeitig hergestellt sind, d. h. dass sofort nach der Einmessung und Absteinung mit der Herstellung der Wälle begonnen wurde. Die von Prof. Löschcke am Limes der Rheinstrecke gemachte Beobachtung, dass Teile des Grenzgräbchens mit der aus der Tiefe des Limesgrabens ent- nommenen Erde eingefüllt waren, würde eine Bestätigung des Gesagten sein.

ni. Die Hügel.

Weiter berichte ich über die Untersuchungen der Hügel, jedoch mit der Einschränkung, dass ich nur die Ergebnisse aufführe und auf den Gang der umständlichen und umfangreichen Grabungen nur dann zu sprechen komme, wenn sie zum Verständnis der Sache nicht zu umgehen sind.

Die Hügel am Pfahlgraben im Taunus sind schon ^öfters Gegenstand eingehender Erörterungen gewesen und auch von v. Cohausen (Grenzwall) in den Bereich seiner Betrachtungen gezogen worden. Auch andere Limes- forscher, besonders Kofler, haben Ausgrabungen dieser eigentümlichen An- lagen vorgenommen und die Ergebnisse veröffentlicht, vgl. Limesblatt Nr. 9. Man nannte sie Begleit- oder Wohnhügel, erklärte sie für Überreste von Fanalen oder von Nebengebäuden, Stallungen u. s. w., die für die Besatzung der nahe dabei gelegenen Türme erforderlich gewesen seien. Dass auch Hügelgräber oft am Limes liegen, ist bekannt, vgl. die Berichte in den Limesblättem. Aber Hügel ohne jeden Inhalt kann man schwerlich für Gräber halten, da doch eine Spur der Beigaben vor allem Knochen oder reich- liche Asche übrig geblieben sein müsste. Die Ähnlichkeit mit Grabhügeln mag Veranlassung gewesen sein, dass sie schon in alter Zeit als Heidengräber (Rittergräber) bezeichnet wurden und wenigstens im Taunus unberührt blieben, während die daneben liegenden Turmreste, die durch Zusammen- sturz auch eine hügelartige Gestalt annahmen, immer aufs neue durchwühlt wurden. Doch sei hier gleich bemerkt, dass unsere Hügel im Gegensatz zu den Hügelgräbern meistens von einem sichtbaren Rundgraben umschlossen sind.

GrenzmarkieruDgen am Limes. 153

Die Untersuchungen haben es wahrscheinlich gemacht, dass die Hügel im Taunus keinem der oben angeführten Zwecke gedient haben können, sondern lediglich zur Festlegung der röm. Reichsgrenze angelegt wurden, und dass die bei uns erhalten gebliebenen Hügel sowohl am Limes als auch seitwärts nicht Überreste, sondern die wirklichen und zwar die ältesten Grenzmale und zugleich die Fixpunkte der Standlinie sind.

Erst im vergangenen Jahr bei Auffindung der Aussteinung des Limes begann ich diesen Hügeln eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken und suchte sie mit der Festlegung der Grenze in Zusammenhang zu bringen. Was damals im Limesblatt 7 und 8 S. 226 darüber gesagt wurde, hat sich nicht allein bestätigt, sondern die Ausgrabungen haben noch manches Neue gebracht, so dass von ihrer weiteren Untersuchung am ganzen Limes die Lösung noch manchen Rätsels zu erhoffen ist.

An der Strecke S a a 1 b u r g bis zum Zwischenkastell Altes Jagdhaus liegen sieben Hügel und zwar am Weissenstein, Kieshübel und Rosskopf je zwei ganz nahe beieinander, am Klingenkopf nur einer. Besonders auffallend erscheint, dass der £rd- oder Steinwall über die sonst intakten Hügel hin- zieht und darauf aufgebaut ist. Wir haben auf Taf. Yll, YIII und IX die wich- tigsten dargestellt, vergl. auch das im Limesblatt Nr. ö darüber Gesagte. Hierdurch lässt sich zweifellos feststellen, dass die Hügel vor Anlage des WaUes bestanden haben, und dass ihre Erhaltung durch gewisse Gründe be- dingt war. Bei der Aufgrabung der Hügel musste mit der grössten Vor- sicht zu Werke gegangen werden, stand man doch einer ganz fremden Sache, von der uns auch die Schriftsteller nichts Bestimmtes überliefern, gegenüber, und es konnte leicht etwas, was zur Beurteilung der Anlagen un- erlässlich war, zerstört werden. Nach Feststellung der Hauptgesichtspunktc nnd nachdem man annähernd wusste, worauf es bei den Untersuchungen in erster Linie ankam, Hessen sich die Grabungen der übrigen Hügel rascher fördern, so dass wir schon jetzt in der Lage sind, den folgenden Ausführungen die Ergebnisse von 12 Hügeln zu Grunde zu legen. Die hier beigefügten und zum Verständnis notwendigen Zeichnungen beruhen auf genauen Auf- nahmen und Nivellements, die immer auf das Gräbchen, das an den in Frage kommenden Hügeln in der Regel ausgesteint oder besonders markiert ist, eingemessen sind. Das alte römische Grenzgräbchen hat auch bei unseren Messungen gute Dienste geleistet. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass die Hügel auf Grund genauer Vorschriften errichtet sind, so dass, wenn auch manchmal Abweichungen vorkommen, sich doch in Bezug auf die Maassc und die Konstruktion eine ziemliche Gleichroässigkeit konstatieren lässt. Der flache Randgraben, der den Hügel umgrenzt, hat in der Regel einen Halbmesser von etwa 6,00 m = 20 röm. Fuss (2 X 10 Fuss == 2 Messlatten) ; es ist dasselbe Maass wie von der Aussteinung bis zum Stein wall oder dem Anfang des ErdwaUs. Es scheint kein blosser Zufall, dass sich dieselben Maasse am Limes öfter wiederholen, sie scheinen eine praktische Bedeutung gehabt zu haben. Es wird allgemein angenommen und mag auch sonst in den meisten Fällen zutreffen, dass der um die Hügel herumziehende concentrische Graben nur zur Gewinnung der für die Hügel nötigen Erde ausgeworfen wurde. Nach den im vergangenen Jahr bei Auffindung der Ausstein ung gemachten

1&4 L- ^ftcobi

Beobachtungen lag mit Rücksicht auf diese Hügel die Frage nahe, ob sich nicht unter den flachen Rundgräben ebenfalls eine besondere unterirdische Markierung befände. Die Ausgrabungen ergaben hierüber Folgendes: Unter den flachen Gräben der Hügel ist noch ein besonderes, in der Regel spitz zu- laufendes, auch manchmal fast rechtwinkelig in den festen Boden genau aas- geschachtetes Gräbchen, auf dessen Sohle Kohlen, rum. Scherben und ab- sichtlich gesetzte Steinchen liegen. An den Hügeln des Rosskopfs war es (1 m unter dem Boden liegend) mit vielen Stückchen von Niedermendiger Mühlsteinen (fremdes Material) ausgelegt, am kleinen Feldberg dagegen mit zerschlagenen Taunus-Quarzitbrocken ausgestückt ; aber auch hier in dem fast senkrechten, jedoch schmalen, 1,40 m tiefen Gräbchen fanden sich Bruchstücke von gewöhnlichen rumischen Gefässen und besonders Kohlen. Zunächst wurde die die eigentlichen Hügel bildende Erde abgeräumt, wobei festgestellt werden konnte, dass sich in dem ganzen Aufwurf keine Spur von Scherben oder einer sonst auffälligen Beimischung fand, und nur das aus dem flachen Rundgraben ausgehobene Material einfach nach innen geworfen war. Unter der aufge- schütteten Erde kam ein festgestampfter Boden zum Vorschein, der an einigen der Hügel mit Steingerölle und mit Lehm oder Letten, der aus tiefer lie- genden Schichten stammte, durchsetzt, an anderen mit Steinen belegt oder gestückt war. Ein Nivellement zeigte, dass nicht nur die Bodenfläche wage- recht abgeglichen, sondern auch der darunter befindliche Erdboden vor- her eingeebnet war. Anschliessend hieran wurde die schon im vergange- nen Jahr an dem östlichen Hügel des Weissenstein (vgl. Limesblatt Nr. 7 und 8) aufgefundene, damals nicht ganz ausgegrabene Vertiefung näher unter- sucht. Es stellte sich bald heraus, dass 4 solcher viereckiger Vertiefun- gen, die etwa 1,80 m vom Mittelpunkte des Hügels entfernt liegen, eine Seitenlänge von 0,80—1,00 m und eine Tiefe von 1,00 m hatten, vorhan- den waren. Am Weissenstein sind diese Vertiefungen in das feste Quarzit- gestein eingehauen und scheinbar mit losen Steinen ausgefüllt gewesen; sie bildeten unter sich ein Quadrat von etwa 3,60 m X 3,60 m (vgl. Tafel VH). Auf der Sohle zweier dieser Löcher fanden sich Kohlen und ein grosser eiserner Nagel. In der Mitte des Hügelbodens war eine Vertiefung nicht zu finden, nur einzelne grosse künstlich gestellte Sieine standen noch im Innern des durch die 4 Löcher begrenzten Raumes. Die. Aufgrabungen der Hügel am Rosskopf führten zu demselben Ergebnis. Die 4 Vertiefungen wurden in annähernd denselben Abmessungen gefunden, nur zeigte sich bei sorgfäl- tiger Durchsuchung, dass die etwas unregelmässig hergestellten Löcher wieder absichtlich mit Steinen derart ausgestellt waren, dass in der Mitte dieser Ausfiillung eine viereckige 0,30 m X 0,30 m messende Öffnung, welche fast hohl und nur mit loser Erde ausgefüllt war, zum Vorschein kam. Dass diese Einrichtung nicht schon am Weissenstein, wo sie sicher vorhanden war, ge- funden wurde, hat nur darin seinen Grund, dass jeder Anhaltspunkt fehlte und dass, wie sich später herausstellte, die eigentlichen Pfostenlöcher sich dichter ausgefüllt hatten und dadurch von der übrigen Ausfüllung nicht leicht zu unterscheiden waren. Die Herstellung der Vertiefungen hatte wahrschein- lich nur den Zweck, Holzpfosten bequem aufstellen zu können; die Grösse dieser Eingrabung war schon deswegen erforderlich, um die Pfosten senkrecht

Grenzmarkierungon am Limes. l55

einrichten, mit Steinen umstellen und mit Erde fest einstampfen zu können. Infolge dieser Beobachtung wurde bei den weiteren Hügelgrabungen ein Hauptaugenmerk auf die Auffindung dieser Pfostenlöcher gerichtet, und es gelang, dieselben, ohne das umschliessende und festgestampfte Material zu zersturen, zu finden. Diese Pfahllöcher sind unterdessen an sämtlichen 12 untersuchten und teilweise freigelegten Hügeln nachgewiesen; sie zeichnen sich besonders durch ihre regelmässige quadratische Form aus und sind scharfkantig bis zur Sohle, die durchschnittlich 1 m von der künstlich her- gestellten Bodenfläche des Hügels liegt. Wie der Boden, so sind auch die Sohlen der Pfostenlucher wagrecht unter sich angelegt, so dass sie von dem Boden einen gleichmässigen Abstand haben.

Als eine besondere Eigentümlichkeit müssen noch die maucrartigen Steinsetzungen einzelner Hügel, die jedesmal zwischen den Pfostenlöchem nach aussen scharfkantig und nach innen unregelmässig geschichtet sind, be- zeichnet werden. Schon v. Cohausen (Grenzwall) fand diese bei flüchtigen Darchgrabungen der Hügel am Weissenstein und Kieshübel und erklärte sie für Turmreste, was auch auf den ersten Blick das Nächstliegende schien. Nach den jetzt vorgenommenen systematischen Ausgrabungen jedoch ist diese Auffassung nicht mehr aufrecht zu erhalten. Die im Taunus ausgegrabenen Türme haben tiefe Fundamente von 0,85 m Stärke, sind mit Mörtel gemauert und verputzt gewesen; sie haben sicher zum Aufenthalt von Menschen ge- dient. Dagegen sind die unter den Hügelaufwürfen gefundenen Steinpackun- gen auf der glatten Bodenfläche ohne Eingrabung und ohne Mörtel schichten- förmig aufgesetzt. Sie sind an einigen Hügeln noch bis zu 0,80 m hoch imd nur mit soviel Erde überschüttet, als zu ihrer Verdeckung und Erhaltung nötig war. Viel höher scheinen sie nicht gewesen zu sein, die geringe Stärke von 0,40—0,60 m würde dies kaum zulassen, besonders wenn man das un- regelmässige Steinmaterial in Rechnung zieht.

Einige weitere bemerkenswerte Ergebnisse der Hügeluntersuchungen seien noch erwähnt: In dem westlich liegenden Hügel des Weissenstein fand sich ausser den turmartigen Mauerresten und den vier Pfostenlöchern noch ein 0,60—0,70 m breiter, in den Quarzitein gearbeiteter, 1,40 m tiefer Graben, der seinen Anfang am Steinwall nimmt und in südöstlicher Richtung den Hügel durchschneidet und nach dem Inlande bis zu den Fundamenten eines Pfahlgrabentnrms verläuft. Von hier ab ist die gerade Verlängerung des Grabens mit aufrechtstehenden eingekeilten Steinen, unter denen sich Kohlen und römische Scherben fanden, markiert. Eine genaue Verfolgung dieser aus- gesteinten Linie war bei dem dichten Waldbestand zur Zeit nicht an- gängig, und m%n musste sich mit einer Einvisierung begnügen; dieselbe führte nach der 'Richtung des Emesberg, in das Gebiet der Quellen des Kirdorfer Baches, etwa Vj* km südwestlich von der Saalburg. Da nach den rüm. Feldmessern bei den Vermessungen und Grenzfestlegungen die Quellen als Fixpunkte angenommen wurden und darauf hingewiesen wird, dass an dem Scheidbom Altäre^) stehen (auch heute noch werden bei Wald-

8) Prof. Mommsen bemerkt hierxu: „Radorif, Feldmesser 2, 2ö6. Die Angabe beruht aof dem Frontincnmmentar (Feldm. p. 19, 89) und ist danach von Lachmann (p. 115, 1)

156 L Jacobi

messungen Quellen als Hauptpunkt der Vermessung benutzt und Steine ge- setzt), so lag der Gedanke nalie, an diesen Quellen Grabungen vorzunehmen % Bestärkt wurde ich darin durch eine Nachricht von E. Neuhof **), nach welcher am Ende des 17. Jahrhunderts am Emesberg in einer der Quellen des Kir- dorfer Baches ein Sarg(?) mit Inschrift und bildlichen Darstellungen zu Tage gekommen, aber beim Bau des Homburger Schlosses 1685 eingemauert worden sei ; eine damals aufgenommene und bei Nenhof abgedruckte Zeichnung zeigt ausser den schwer in Zusammenhang zu bringenden Buchstaben einen Krug, einen Hammer und eine Hand. Die in diesem Sommer darauf hin vorge. nommenen Nachgrabungen an einer der Quellen, die durch einen daneben aufgeworfenen Hügel besonders gekennzeichnet war, ergaben zuerst zwei ausgesteinte ziemlich tiefe Gräbchen, welche bis zur Quelle liefen, oder von dort ihren Ausgang nahmen; das eine zog in der Richtung nach Westen, das andere nach Nordosten dem Gipfel des Emesberg , so dass es aussah, als sei hier ein besonderer Punkt markiert. Die Auffindung einiger römischer Scherben ermunterte zu weiteren Aufgrabungen, die ziemlich umständlich waren, weil erst das stark zuströmende Wasser abgeleitet werden musste. Nach längerer mühevoller Arbeit fanden sich in einer Tiefe von fast 3 m unter dem Waldboden profilierte Sandsteinstücke, die von dem Sockel eines Altars herrührten ; in weiterer Tiefe ergab sich ein grösseres Bruchstück von einem bearbeiteten Sandstein, auf welchem ein Hammer erhaben dargestellt ist, genau wie auf der von Neuhof gegebenen Zeichnung. Nachdem nunmehr der ganze Schutt aus der wohl ursprünglich von den Römern an dem Berghang hergestellten kesselartigen Vertiefung ausgeräumt war, fand sich auf der Sohle ein aus gelblichem Vilbeler grobkörnigem Sandstein (Rotliegendes) hergestell- ter wohlerhaltener Altar. Er trägt auf der Vorderseite die eingerahmte, unten folgende Inschrift ; die Bekrönung ist in der üblichen Weise als Nach- ahmung der gekreuzten Opferhölzer mit Schale hergestellt; in dem Dreieck zwischen den Rosetten ist ein Kreuzchen erhaben ausgearbeitet. Das Stein- bruchstück mit dem Hammer gehört nicht zu diesem Altar, höchstwahrschein- lich zu dem bei Neuhof erwähnten „Sarg", und ist vielleicht damals bei der Ausgrabung abgeschlagen worden. Bei der Gewissenhaftigkeit übrigens, mit der Neuhof geschrieben hat, liegt jetzt umsomehr kein Grund vor, an seinen Angaben, wenigstens in Bezug auf den Fund selbst, zu zweifeln.

vermarkungsweise dem Hyginng sugeteilt worden. Auf Jeden Fall sind sie heillog ver- dorben : *aepe qttorundam aul monumenta aut /otsae aut quorundam taeellorum out fontium nnde rivi ßuminaqtie inripiunt, observandur ßnis ierritorwrum. Dass Quellen als Fixpankte fttr die Termination dienen konnten, versteht sieb von selbst und wird belegt durch groma- tische Urkunde (Rudorflf S. 259). Altäre aber haben nur Eufällig, eben wie Grabsteine für die Grensbestimmung gedient (vgl. Feldin. 341, 5); die arae an den Grensen, von denen HyginuB p. 198, 15. 199, 8 (vgl. p. 4, 22 = U4, 9) spricht, sind nicht sacraler Katur, sondern beschriebene Grenxsteine*.

9) Da die nötigen Geldbeträge zu diesen Arbeiten von der Reichslimeskommission nicht 2ur YerfAgung standen, waren zwei eifrige Förderer der Saalbarggrabungen, Herr Robert Fiersheim von Frankfurt und Frau Dr A. v BrQning so freundlich, die erforder- lichen Mittel fttr diese Untersuchung zu geben.

10) Nachricht van den Altertttmern in der Gegend und auf dem Gebirge bei Hom- burg V. d. Höhe von Elias Neuhof, Homburg v. d. Höhe 1780, S. 36 etc.

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Grenzmarkierangen am Limes. Die Inschrift des Steines lautet:

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Am Rosskopf wurde gleichfalls am westlich liegenden Hügel eine Mar- kierung aus festgestellten Steinen gefunden, die ungefähr denselben Verlauf nach dem Inland nimmt Man dürfte daraus vielleicht auf eine allgemeine Vermessung des Inlandes schliessen können.

Wenn ich noch anführe, dass bei den bis jetzt geschehenen Ausgra- bungen der Hügel von der Saalburg bis zum Roten Kreuz in den Rundgräben, auf den Sohlen der Vertiefungen der Pfostenlöcher, römische, auch ein paar vorrömische Scherben, Mühlsteinstücke, Kalksteine, Kiesel, grosse und kleine Nägel, Kohlen und Asche gefunden wurden, und wenn ich noch besonders ein Schieferplättchen mit eingeritzten Buchstaben JANV ////**), das unter (lern Aufwurf zwischen der Steinsetzung des Hügels am Stockborn lag, erwähne und sage, dass in der Erde, welche die Hügel bedeckt, sich keine Kulturreste fanden, so glaube ich im Grossen und Ganzen alles das bis jetzt bekannte Thatsächliche und Bemerkenswerte mitgeteilt zu haben.

Anschliessend an die oben beschriebenen Ausgrabungen möchte ich nunmehr in Folgendem einen kurzen Überblick über die Resultate geben und gleichzeitig versuchen, von der Herstellungsweise und dem Zweck der Ver- markung ein Bild zu entwerfen. Ich weiss zwar, welche Schwierigkeiten hiermit zusammenhängen, doch kann ein vorläufiger Versuch, auf Grund der

11) Der Schiefer mit der Inschrift \Ag auf dem geebneten Boden, etwa 1 m von der Miti« der Anlage nnd war durch den Hügelaufwurf etwa 0,80 m hoch mit Erde zugedeckt. Das Material, rötlitiher Dachschiefer, stammt aus der Nähe, wahrscheinlich von einem der römischen Schieferbrttche am Stockbom oder Roten Krenss; besonders wird noch bemerkt, dass die Inschrift ganz deutlich ist und sich vor dem Anfangsbuchstaben eine glatte Fläche von 6 cm befindet.

Weitd. Z«ittchr. f. Qesoh. n. Kunst« XIV, IL 12

158 L' J^obi

Überleffung und Yergleichang, unter Heranziehung der technischen und geo- metrischen Werke von alten und neuen Schriftstellern, wohl gewagt werden. In den rönuschen Feldmessern und den ihnen verwandten Schriften, soweit sie durch die Werke von Mommsen, Rudorff, Lachmann, Stöber, Cantor, Nissen u. s. w. bekannt wurden, finde ich nichts, was sich ohne weiteres auf unsere Anlagen am Limes anwenden liesse. Nur durch die Abhandlung „Der Begriff des Limes^ von Mommsen und die mir von demselben Verfasser freundlichst zur Verfügung gestellten Nachträge und eigens zur Grenzforschung geschrie- benen Mitteilungen war es mir möglich, Anhaltspunkte zu finden, die es doch wahrscheinlich machen, dass die Hügel am Limes und die damit in Verbindung stehenden Anlagen zum Zweck der römischen Grenzfestlegung errichtet wurden. Es ist dabei allerdings Manches zum Vergleich herange- zogen, was nicht lediglich zur Termination, sondern zu anderen gromatischen Vorschriften gehört, doch wird man wohl annehmen können, dass ein tech- nisches Verfahren, das bei einer Methode verwendet wurde, auch im Prinzipe bei der anderen zu Grunde lag. Wir entnehmen aus den Beschreibungen, dass überhaupt Verfahren bekannt waren, ohne dass sie jedesmal besonders erwähnt werden. Es ist dies auch heute der Fall; es giebt in der Technik zahlreiche Vorschriften, die nicht gedruckt und immer als bekannt voraus- gesetzt werden, und die man in den Lehrbüchern gar nicht mehr besonders hervorhebt. In der praktischen Feldmesskunst wie überhaupt in der Praxis giebt es viele Manipulationen, die man durch Übung lernt und überall da anwendet, wo sie zur Lösung einer Aufgabe erforderlich erscheinen, ohne davon besonders zu sprechen. Den Hat Mommsens, bei Übertragung der Verfahren die grösste Vorsicht zu üben, habe ich befolgt und mich soviel als möglich an das Thatsächliche gehalten.

Die für unsere Abhandlung in Frage kommenden Hügel liegen alle an hervorragenden benachbarten Punkten, von denen man eine Übersicht nach dem linken und dem rechten Hügel hat, jedoch nicht in gleichen Abständen von einander, und wenn man die Richtung des Limes ins Auge fasst, so findet man, dass fast immer die höchsten Punkte des Grenzzuges gewählt sind. Nachdem einmal die Abtretung des Gebietes vereinbart und die unge- fähre Richtung festgestellt war, fiel dem Agrimensor die Aufgabe zu, auf Grund der gromatischen Institutionen eine geometrische Absteckung der Grenze vorzunehmen und Hauptpunkte des Grenzzugs zu bestimmen *'). Doch ehe Letzteres geschehen konnte, musste die Festlegung einer Standlinie voraus- gehen. Diese Aufgabe war bei den unvollkommenen Messinstrumenten der Römer nicht sehr leicht, besonders in gebirgigen Gegenden, wie im Taunus,

12) Ich habe dies »uf Grund der heutigen Praxis so angenommen und stOtse mich auch noch auf Vorschriften bei Frontin Über Limitation, die sieh meines Erachten« anch auf die Termination, die hier am Limes in Frage kommt, übertragen lassen. Die Stelle (Frontinns S. 33^) lautet nach der Übersetzung Ton Stöber: „Jedes Gebiet, das vermessen „werden soll, muss atuerst umgangen werden, und es sind bei dieser Gelegenheit an allen „Eckpunkten Signale aufsupflanzen, die von der Hauptlinie im rechten Winkel eingemessea „werden. Ist dieses geschehen, so stellt man das Instrument auf, richtet es horisontal und „fUngt, von der ersten Hauptlinie ausgehend, an, die zweite Parallele su bestimmen, in- „dem man in gleichen Zwischenräumen auf den beiden ftussersten Punkten Signale recht- ^winkelig bestimmt und sodann die notwendigen Zwischenpunkte etnvisiert."

ßrenzmarkierangen am Limds. 159

der zweifellos mit dichtem Wald bewachsen war. Nach der Sachlage und den Analogieen ist nicht anzunehmen, dass die Römer bei der Besitzergreifung von neuem Gebiete sofort in den Wäldern grosse Lichtungen vorgenommen und den Limes hergestellt haben; solche Arbeiten nehmen viele Leute in Ansprach und erfordern längere Zeit ; es musste daher zuerst eine ungefähre GrenzabsteckuBg vorausgehen, genau wie heute noch und wie es jüngst in Afrika geschehen, wo zwischen deutschem and englischem Colonialgebiet vor- läufige Grenzlinien festgelegt und einzelne Fixpunkte hergestellt wurden. Die definitive Grenzabsteinung soll und kann auch dort erst erfolgen, wenn das Land angebaut ist und die Landes Verwaltung es erfordert. Zur Absteckung einer geraden Linie und zur Bestimmung der rechten Winkel kam das Groma zur Anwendung, ein Instrument, das unserem heutigen Kreuzkopf ähnlich war. Nach den Beschreibungen kann man sich ein solches als ein auf einem mit eiserner Spitze beschlagenen Holzstab befestigtes Winkelkreuz, an dessen Enden vier Lote hingen, vorstellen (vgl. Stöber S. 73), eine recht primitive Einrichtung, die zu ihrer Handhabung viel Umstände erheischte. Zur Be- stimmung des Meridians gebrauchten die Römer das gnomon (vgl. Stöber S. 77). Nach den mir von Prof. Mommsen gemachten Mitteilungen wurde von den Römern bei Einmessung der Reichsgrenze and Festlegung der Standlinie der Meridian nicht bestimmt, was sich auch wohl daraus erklären lässt, dass sie keine orientierten Karten hatten und nur Handrisse anfertigten.

Betrachten wir zunächst die Hügel-Anlagen, wie sie im Taunus ent- standen zu sein scheinen, und wie sie ursprünglich ausgesehen haben mögen :

Auf Taf. XI, Fig. I— IV ist dargestellt, wie die verschiedenen Stadien gedacht werden können. Fig. I das ursprüngliche unebene Gelände ; Fig. II die mit einem Rundgräbchen markierte Fläche, wie sie unter den Hügeln noch gefunden wird; Fig. III Querschnitt eines Hügels; Fig. IV Recon- struktion des ursprünglichen Bestandes. Hygin bemerkt ausdrücklich, dass zur Aufstellung der Instrumente eine wagrechte Ebene nötig sei, er sagt: »vorerst beschreibe auf einer ebenen Fläche einen Kreis und stelle das Gnomon in den Mittelpunkt desselben." Es ist wohl anzunehmen, dass dieser Kreis sichtbar auf dem Boden durch Furchen (Gräbchen) markiert wurde.

Bei Vitruv (I. Bd. 6. Cap.) findet sich in dem Abschnitt über die n Verteilung und Lage der Gebäude innerhalb der Stadt** eine Stelle, die zur Bestimmung der Windrichtung eine Manipulation angiebt, die auch wahr- scheinlich den Vorarbeiten zu den Hügeln zu Grunde gelegt war, es heisst: „Man setze mitten innerhalb der Stadtmauern eine Messplatte wagrecht auf, oder glätte den Boden nach Richtscheit und Wasserwage so ab, dass man der Messplatte nicht bedarf und stelle auf dem Mittelpunkt dieses Platzes einen ehernen Zeiger auf.**

Die unter den Hflgelaufwürfen gefundenen wagrechten Flächen mit den Rundgräben entsprechen dem Obigen, und ich glaube, dass auf den kreis- förmigen Stellen, worauf die Hügel aufgeworfen sind, ein ähnliches Verfahren stattgefunden hat. Für die Aufstellung des gromas war dieses wohl nicht aOtig, dagegen scheint für die Aufrichtung der Grenzzeichen und Fest- legung der Richtungs- und Fixpunkte eine Abgleichung des Bodens erforder-

12*

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lieh gewesen zu sein. Im Übrigen können auch noch andere Grunde eine solche umständliche Anlage bedingt haben, vielleicht geben sp&tere Unter- suchungen bestimmtere Anhaltspunkte.

Von diesen erhöhten Stellen aus war die Einvisierung der Linien nicht schwierig, es bedurfte hierzu keiner grossen Lichtungen, zumal die Tbäler einen freien Blick gestatteten; eine schmale Schneise genftgte. Allerdings waren die Entfernungen von Hügel zu Hügel in der Regel zu gross, um mit blossem Auge eine genaue Einvisierung der Linien zu ermöglichen ; es müssen besonders bei Änderung der Richtung Zwischenpunkte vorhanden gewesen sein, und diese sind gefunden worden. Sie geben uns heute noch die Rich- tung der ersten Grenz-, richtiger : Standlinien an. Über die Beschaffenheit der Hauptpunkte der jetzigen Hügel ist oben berichtet und besonders auf die Pfostenlöcher aufmerksam gemacht worden ; dieselben kann man zunitchst als Reste von besteigbaren Holzgerüsten, die wohl an einzelnen ungünstig gelegenen Punkten zur Ausfiuchtung erforderlich waren, ansehen; doch scheint es mir, dass sie nicht lediglich diesen Zweck hatten, sondern ich halte sie auch fUr die Spuren der nach der Einmessung errichteten Fixpunkte, sowie Grenzzeichen, und gelange nach dem weiteren Fundbestand und den in alter und neuerer Zeit angewandten Messungsmethoden zu folgender Erklärung: Die Hauptpunkte, wo sich jetzt die Hügel befinden, wurden zuerst mit Signal- stangen in der Weise bezeichnet, dass sie mit den an den Zwischenpunkten ebenfalls errichteten Signalen eine Flucht bildeten. Waren Hindemisse im Wege, so dass der Zwischenpunkt mit den zwei Hauptpunkten nicht eine gerade Linie bilden konnte, so entstanden in den Thälern Knicke, in denen die Fluchtlinien zusammenliefen und der Grenzlinie manchmal eine abweichende Richtung gaben. Nach Beendigung dieser Einfluchtung wurde die durch Flucht- stäbe (metae) abgesteckte Linie durch besondere Merkmale gekennzeichnet, was durch Errichtung eines parallel zur Fluchtlinie gelegenen quadratischen Aufbaues geschah, der den doppelten Zweck die Unverrückbarkeit des Messpunktes und gleichzeitig die Herstellung eines sicheren Grenzmales hatte. Lief nun von einem dieser Punkte die Grenze gradlinig weiter, so genügte eine Markierung, wie am Klingenkopf und Feldberg; nahm jedoch die Grenze eine andere Richtung und entstand ein Knick, wie am Kieshübel und Weissen- stein, so war zu deren Einvisierung ein zweiter Punkt, der in der vorge- dachten Weise hergestellt werden musste, erforderlich, so dass dann durch die folgenden Zwischen- und Knickpunkte die Standlinie in ihrem weiteren Verlauf festgelegt wurde. Hierbei möchte ich eine Notiz erwähnen, die mir kürzlich zufällig in die Hände kam, und die mir für die Klärung der rätsel- haften Anlagen besonders wichtig erscheint ^') ; es heisst da wörtlich : „Die „eingebürgerte Schreibart „Grenze" ist nach den etymologischen ünter- „suchungen unrichtig. Bei den Slaven war granica (sprich: granitza) ein als „regelrechtes Rechteck aufgestellter Holzstoss mit scharfen deutlichen „Kanten, altslavisch: gran (czechisch: hrany), nicht selten ein Rechteck von „Holz mit Erde ausgefüllt. Die Kanten des Rechtecks dienten zur genauen

18) LandmeBsknnst und Landmesser bei den alten Römern, Vortrag des Kedaktenrs £meliu8 in Cassei, 1894 (Zeitschrift des Bheinisoh-Westf&liscben Landmesser-Vereins).

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„Aasmittelung der graden Linie, welche als Markscheide von einem dieser „Zeichen zum andern hinlief'^). In sp&terer Zeit erlosch das Bewusstsein ^für den ursprünglichen Begriff der granica und man übertrug diese Bezeich- „nung auf die Linie selbst, welche als Grainz, Graintze, Grenze in das „Deutsche einwanderte und hier die alte Bezeichnung marka vollkommen „verdrängte**.

Die Ähnlichkeit mit den Ergebnissen der Hügeluntersuchungen ist un- verkennbar. Die in den Hügeln gefundenen mauerartig gesetzten Steine ent- sprechen dem als regelrechtes Rechteck aufgestellten Holzstoss des Mittel- alters, der wie unsere Anlagen ebenfalls scharfkantig mit Erde ausgefüllt war. Diese Anlagen hatten sicherlich verschiedene Bedeutung, sie gaben einmal die Richtung der eingemeesenen, den Erdboden schneidenden Linie an, dienten als Kontrole bei Nachmessungen und waren bei der definitiven Herstellung des Grenzznges von Wichtigkeit; doch scheinen sie auch noch einen an- deren Zweck den der Grenzbezeichnung gehabt zu haben, sie er- setzten einfach den Grenzstein. Die Aufsetzung eines gewöhnlichen Grenz- steins genügte in den Waldungen nicht, bearbeitete und grosse Steine waren für Strecken, die vom Verkehr entlegen waren, damals schwierig und vielleicht kaum zu beschaffen. Man fand sich mit den gegebenen Verhältnissen ab, errichtete aus dem zur Hand liegenden Material ein kistenfdrmiges Mal, den gromatischen Vorschriften entsprechend, das als Grenzmarke durch seine Grösse auch den Landesbewohnern mehr als ein einfacher Grenzstein impo- nierte und nicht ohne grosse Mühe zu beseitigen war.

Über die Herstellung dieser Anlagen, für die ein Namen erwünscht wäre -> Grenzhügel? Eckhügel? will ich folgendes sagen: Dass das von dem Feldmesser angewandte Verfahren nicht überall gleich war, er- sehen wir schon aus den Schriften der römischen Feldmesser. Dass bei diesen Arbeiten der Ortsgebrauch und das vorhandene Material maassgebend waren, ist selbstverständlich. Man wird wohl mit Recht annehmen dürfen, dass die Grenzabsteckung früher als die Erbauung der Kastelle und Türme erfolgt ist und Baumaterialien, Kalk etc. nicht zur Hand oder sehr unbequem zu beschaffen waren. Man sah sich deshalb gezwungen, die auch den Urein- wohnern bekannte Holzkonstruktion für die Markierung der Grenzpunkte anzuwenden. Eichenholz war im Überfluss vorhanden, und unbearbeitete Steine ohne Mörtel aufeinander zu setzen, versprach keine Dauer. Die starken Holzbalken, 0,30x0,30 m, die, nach den vorhandenen Löchern zu schliessen, gebraucht wurden und 1 m tief im Btfden festgestampft waren, sprechen dafür, dass man eine solide Konstruktion anwandte ; sie drückte die Absicht aus, eine unverrückbare und nicht leicht zu zerstörende Anlage zu schaffen ^'). Dass man im Taunus nicht überall zwischen den Pfostenlöchern eine Steinsetzung gefunden hat, mag darin seinen Grund haben, dass man

14) Es wird wobl auch hier die Einvisierung stattgefanden haben, bevor die Rechtecke definitiv angelegt wurden.

15) Prof. Mommsen macht auf Holzgrenxzeichen aafmerkaam und führt u. a. eine Stelle aas dem Oromatiker Gains an (Teldm. p. 907, 8), wo von den termini Ugnei und den pali die Bede itt ^nie werden gepicht nnd dann tief in den Boden eingelassen and sngedeckt".

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fiich an Stellen, wo kein passendes Steinmaterial zur Hand war, mit einer Auszimmerung von Balken, vgl. Taf. XI, Fig. III und V, oder mit einer Aus- füllung von Erde oder Rasen begnügte. Waren diese Zwischenräume mit Holz ausgefüllt, so ist dieses längst vermodert. Ich erinnere an den Block- verband, der in jener Zeit allgemein üblich war und heute noch in Holz- gegenden im Gebrauch ist. Der Qrenzpunkt wurde in der beschriebenen Weise fertig hergestellt und dann der Hügel darüber aufgeworfen; ob dies geschah, um dem aus Holz gezimmerten Werk eine grössere Dauer gegen Witterungseinflüsse oder gegen die Zerstörung von Menschenhand zu sichern, ist nicht nachweisbar, doch kann beides möglich sein.

Ein Vergleich mit den in den Schriften der römischen Feldmesser bei- gegebenen Zeichnungen lässt in Bezug auf Form und Grösse eine merkwürdige Ähnlichkeit erkennen (Taf. XI, Fig. VI) Fig. 288; sie werden dort S. 341, 16 „Area in quadrifinio^ genannt und stellen einen Grenzstein vor. Maasse sind auf der Zeichnung nicht eingeschrieben, aber nach der angegebenen Steinein- teilung müssen sie ähnliche Abmessungen gehabt haben. Die unsrigen sind etwa 15/15 röm. Fuss im Quadrat und 3 röm. Fuss hoch ; höher scheinen sie nicht gewesen zu sein ^®).

Die weiteren Darstellungen in den Feldmessern, die auf Taf. XI, Fig. VI und VII nachgebildet sind, können auch in Vergleich gezogen werden; sie deuten eine ähnliche Vermessungsmethode und Grenzbezeichnung an, wie solche im Taunus angewendet scheint.

An den Ecken den Knickpunkten sind quadratische Aufmaue- rungen, an den Zwischenpunkten Steinsetzungen und einzelne hervorragende Steine angegeben. Dass die runde Aufmauerung in Brunnenform nicht ein wirklicher Brunnen ist, geht daraus hervor, dass durch das dargestellte ab- gegrenzte Gebiet fliessendes Wasser durchläuft und Tiefbrunnen dadurch nicht erforderlich waren. Die Brunnenform galt auch als Grenzmal. Dass die Hügelform der Grenzpunkte nicht erst im Laufe der Zeit entstanden ist, wie es bei Bauresten von Türmen oftmals geschieht, bei denen sich durch Zu- sammensturz und Verwitterung eine hügelartige Erhöhung bildete, wird noch dadurch erhärtet, dass der Limes-Erd- oder Steinwall mit intaktem Profil über die Hügel hinzieht, ebenso spricht der Rundgraben für eine gleichzeitige und ursprüngliche Herstellung der Hügelform.

Zu den Pfostenlöchern möchte ich noch folgendes bemerken: sie sind teilweise hohl und mit loser Erde, die durch die Verwesung entstanden sein mag und von oben allmählich hineingefallen ist, ausgefüllt worden. Auch die Zwischenpunkte, wo vorübergehend die Signale zur Einmessung standen, müssen äusserlich gekennzeichnet gewesen sein, denn an einzelnen Strecken im Taunus, die selbst von der Waldkultur noch wenig berührt sind, fanden

16) Nach Professor MommBeni Ansicht gehört die Area in guadrifinio mitsamt den Zeichnungen sa den späteren Zusätzen, welche sich unserem gromatischen Corpus snge- fagt haben, und ich hätte füglich einen Vergleich mit derselben weglassen können. Da aber, wie schon oben gesagt, zwischen den in den röm. Feldmessern angeführten Anlagen und den unseren eine gewisse Ähnlichkeit unverkennbar ist, so glaubte ich, doch im In- teresse der weiteren Untersuchungen darauf hinweisen eu sollen.

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sich Merkmale, die sich besonders durch kreisförmige Steiusetzungen aus- zeichnen.

Die nachrömische Bevölkerung hatte wohl keine rechte Ahnung von der inneren Beschaffenheit eines Grenzhügels, doch wusste sie sicherlich, dass die Hügel Grenzpunkte, sei es nun, dass es Hügelgräber oder Grenzzeichen waren, bezeichneten; denn die alte Römergrenze blieb auch in späterer Zeit noch vielfach Territorial- oder Gemeindegrenze.

Mit dieser Grenze wurden auch die Grenzzeichen übernommen, und diese blieben dem Volke heilig und unantastbar, schon aus diesem Grunde sind solche Hügel vielfach intakt auf uns gekommen. Ob die Grenzbezeich- nung mit Hügeln in Deutschland schon in vorrömischer Zeit angewandt wurde, ist fraglich, dass sie sich aber in nachrömischer Zeit erhalten hat und lange im Gebrauch war, dürfte bekannt sein. Sogar in unserer Zeit werden sie in einzelnen Gegenden in Deutschland noch zur Yermarkung errichtet und als rechtlich anerkannt. In dem Erlasse des Freuss. Finanzministers vom 25. Oct. 1881 zur Erneuerung des Grundsteuerkatasters für den Geltungsbereich der Preuss. Grundbuchordnung, im 6. Absatz des § 67 heisst es: „In Gegenden, „in denen grosse Besitzstände vorherrschen und deshalb kein sonderlicher „Wert darauf gelegt wird, ob die Grenzmarken grösseren Raum einnehmen „oder nicht, ist die Yermarkung durch Grenzhügel weit verbreitet und auch „als ausreichend anzusehen, wenn unter dem Hügel in gehöriger Tiefe der „eigentliche Grenzpunkt durch unverwesliche Gegenstände (wie Schlacken, „Ziegelstücke, Glas, Thon, Forzellanscherben u. dgl.) scharf markiert ist^ ^'). Solche Hügel sind z. B. in Schlesien vielfach zur Grenzlegung der grossen Gutsbezirke angewandt. Wir sehen gleichzeitig daraus, dass heute noch wie in röm. Zeit zur Sicherung der Grenzpunkte ebenfalls unverwesliche Gegenstände eingegraben werden. Auch Prof. Tocilescu teilte mir mit, dass in Rumänien in ähnlicher Weise die Eckpunkte der Grenzen mit Hügeln be- zeichnet werden und dass bei Errichtung dieser Eckhügel verschiedene Cere- monien gebräuchlich sind.

Die Ergebnisse meiner Nachforschungen an den Hügeln am Limes selbst wurden auch noch anderweitig bestätigt. Südöstlich vom Rothenkreuz (Feldbergcastell) liegen in einer Entfernung von 170 m rückwärts vom Limes zwei Hügel, von denen der eine mit Rundgraben, der andere mit einem quadratischen Graben '^), der nur an den Ecken abgerundet ist, umzogen wird. Infolge ihrer rückwärtigen Lage vom Ffahlgraben wurden diese Hügel nicht für rumisch gehalten, sondern als spätere Verschanzungen angesehen; v. Gohausen (Grenzwall) hat sie mit dem Namen „Umgrabungen^ bezeichnet. Zunächst wurde nun der röm. Ursprung dieser Hügel durch Auf^ndung des verdeckten Gräb- chens und römischer Gefassreste nachgewiesen; die weitere Untersuchung ergab, dass die auch hier gefundenen Löcher die Richtung einesteils nach dem Gipfel des grossen Feldbergs, andemteils nach dem südwestlich gelege- nen „MaiseP* hatten. Bei Verfolgung dieser Richtung fanden sich in be-

17) G. Hansi, OreiuTermarkungen, GrensBeichen etc. 8. Aufl. Berlin 1895.

18) Der StreckenkommiBBU Kohl hat im Weiltinger Forst (Bayern) einen ähnlichen Hflgel mit einem 1,40—1,50 m tief in weichem Gestein eingehaltenen Grftbchen gefanden, Tergl. Limeeblatt Nr. 10 S. 309.

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stimmten Entfernungen kreisförmig aufgesetzte Steinhaufen, die Reste der Zwischenpunkte, an welchen sich noch bei einzelnen in der Mitte ein qua- dratisch hergestelltes Loch erkennen Hess, das wahrscheinlich ebenfalls, wie an den Hauptpunkten, zur Ajufsteliung der Visiersignale diente. In der That führte die eine Linie nach dem Grossen Feldberg, die andere nach dem Maisei; auf letzterem fand sich der vermutete Hügel mit Rundgraben, in Gestalt und Abmessung den anderen gleich. Die nur flüchtig vorgenommenen £ingrabungen ergaben den römischen Ursprung. Auf dem Gipfel des Grossen Feldbergs hat eine Untersuchung nicht stattgefandon, doch erzählen Geming wie Rössel von Mauorresten, die möglicherweise beim Bau des Feldberg- hauses verschwunden sind, und ist nicht ausgeschlossen, dass bei genauen Untersuchungen' dort doch noch Spuren gefunden werden.

Durch diese ganz neuen Beobachtungen ist es wahrscheinlich gewor- den, dass die erste Grenzabsteckung Standlinie im Taunus nicht an allen Strecken die gleiche Richtung wie die spätere definitive Grenze hatte. Für die Errichtung des Limes und der Castelle kamen aber noch andere Gründe und Rücksichten in Betracht. Bei der Feldbergstrecke lässt ein Blick auf die Karte dieses annehmen-, man wollte den höchsten Berg des Taunus noch voll im Besitz haben und musste daher den Limes an seinen nördlichen Fuss legen, wodurch sich die eigentümliche Ausbuchtung des Pfahlgrabens von selbst ergab. An der Maiseistrecke, die ebenfalls eine auf- fallende Abweichung zeigt, mag dies aus ähnlichen Gründen geschehen sein, auch hier liegen die Grenzhügel hinter dem Limes. Es ist jedoch auch nicht ausgeschlossen, dass an anderen Strecken sich auf jenseitigem Gebiete noch Grenzhügel finden, wie dies bereits an der Saalburg am eisernen Schlag , wo zwei Grenzhügel einige Meter hinter der Aussteinung liegen, nachgewiesen ist. Ob der mächtige Hügel mit Rundgraben, der den Namen „Drususkippel" führt und etwa 1500 m nördlich von der Saalburg (im Aus- land) liegt, zur ersten röm. Grenzabsteckung gehört, muss durch Untersuchungen noch geklärt werden.

Schliesslich führe ich noch an, dass 1878 auf dem etwa 600 m südlich vom Limes hochgelegenen Herzberg (Inland) durch Abtragung von Steinen zum Wegebau etc. ein Hügel zerstört wurde, auf dessen Sohle sich Stücke von Syenit vom Odenwald (Signa) befanden; dieser Fund, der damals nicht erklärt werden konnte, ist im Saalburg-Museum aufbewahrt. Nach den jetzt gemachten Beobachtungen zu schliessen, dürfte auch dieser Hügel als ein Fixpunkt bezeichnet werden und mit der römischen Vermessung im Zusam- menhang gestanden haben.

Zur Erläuterung des oben Gesagten habe ich auf Taf. XIII, Fig. I einen Lageplan beigefügt, auf welchem der Limes mit den Castellen, Türmen und Hügeln von der Saalburg bis zum Maisei und die Absteckungslinie -r- die Standlinie eingezeichnet sind. Die von den Hügeln von der Saalburg bis zum Maisei als sicher nachgewiesenen Standlinien sind ausgezogen, die ver- muteten dagegen nur punktiert ; auf Taf. XIII, Fig. II ist eine schematische Darstellung der Strecke Weissenstein-Kieshübel gegeben. Die erste Richtung die Standlinie ist mit einem starken Strich ausgezogen, die äussere Grenzlinie Aussteinung und die mit ihr parallel laufende zweite Linie

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ist punktiert, (der darch das äussere und innere Gräbchen eingefasste Streifen ist der Limes). Der Pfahlgraben und Steinwall sind schraffiert. Die heutige Grenze ist mit Strichpunkten und den Grenzsteinnummem kenntlich ge- macht. — Es erübrigt noch zu dem Abschnitt über die Hügel mitzuteilen, dass Ende des Jahres der Strockenkommissar Geh. Rat Soldan, der im Oktober d. J. mit den Herren Dirigenten der Reichslimes -Commission sowie dorn Vorsitzenden des Ausächussest die Hügelgrabungen im Taunus eingehend besichtigte, später im Odeuwalde an der Mümlinglioie mit dem Sondiereisen an yerschiedenen Hügeln Untersuchungen anstellte, die zu einem analogen Ergebnis fährten. Soldan fand in etwa 6 Hügeln die gleiche Steinsetzung und dieselben Pfostenlöcher in gleichen Querschnitten und in den nämlichen Abmessungen von einander wie an den Hügeln des Taunus; an einzelnen waren ausser den Löchern an den vier Ecken auch solche dazwischen, wahr- scheinlich die Stelleu der Holzzangen. Auch ist es ihm, wie er mir mit- teilte, noch gelungen, daselbst einige bearbeitete Steine, die besonders mar- kiert waren, zu finden. Die eine Marke ist der von dem Streckenkommissar Kreisrichter Conrady auf dem Greinberg (Grenzberg) in dem Gräbchen ge- fundenen ähnlich (vergl. Limesbl. No. 11) und hat folgende Form:

Ich möchte diese Einritzungen mit einer Markierung einzelner Grenz- punkte und mit der Bezeichnung der Richtung in Zusammenhang bringen. Auch am englischen Limes *^) ist schon früher auf einem bearbeiteten Stein eine solche Marke gefunden^ und derselbe deswegen als Grenzstein (boun- dary stone) erklärt worden.

Im Taunus sind bis jetzt derartig markierte Steine nicht vorgekommen, was darin seinen Grund haben mag, dass das dortige Steinmaterial (Quarzit) nicht die geringste Bearbeitung zulässt. Doch ist nicht ausgeschlossen, dass auf den aus eichenen Balken hergestellten Yermessungs- und Grenzanlagen ähnliche Einkerbungen vorhanden waren. In Wäldern, wo es durch den Holzbestand schwer ist, die Richtung ohne Weiteres zu finden, werden die Einteilungssteine mit solchen Marken und Einritzungen auf ihrer Kopffläche bezeichnet, so dass man bei jedem Stein sofort die Richtung der Schlag- einteilung findet. Dieses Verfahren hatte bei den teilweise verdeckten Grenz- zügen der Römer wohl besonders den Zweck, die Grenze leicht wieder auf- finden zu können, ohne umständliche Nachgrabungen vornehmen zu müssen. Der Königl. Reg.-Baumeister Spannagel, der seit einigen Jahren bei dem Bau der Homburg-Usinger Eisenbahn hier als Abteilungsbaumeister thätig ist und, wie schon oben gesagt, ein besonderes Interesse an unseren Limesforschungen genommen und sich eingehend damit beschäftigt hat, war so freundlich, die vorliegende Arbeit zu prüfen und sie mit den ihm be- kannten Ergebnissen im Taunus zu vergleichen ; er hat darauf hin eine treff- liche Abhandlung geschrieben, die er mir in dankenswerter Weise zu benutzen gestattete. Ich lasse sie hier im Wortlaut folgen:

19) L»pidmriQm leptentrionale of the north of England 1875, S. 452.

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„Bei dem grossen Gewicht, welches die Römer auf eine mit peinlicher Sorgfalt durchzuführende Vermarkung, auf eine dauernde örtliche Kennzeich* nung des Grundbesitzes legten, ist es wohl nicht fraglich, dass nicht allein das privatrechtliche Landgebiet, sondern auch das Reichsgebiet in seinen Grenzen örtlich genau bezeichnet und eingemessen wurde. Die Ergebnisse der Messungen wurden aus den Feldbüchern aber nur in Form von Handrisseu in ihre Karten aus Leinen oder Erz übertragen, da die Messungen auf so schwacher mathematischer Grundlage beruhten, dass danach Karten in unse- rem Sinne, die eine Gegend vollkommen orientiert in verjüngtem Maassstabe darstellen, nicht angefertigt werden konnten. Ausserdem soll der verjungte Maassstab erst im 16. Jahrb. erfunden worden sein. Man musste sich damit begnügen, in den Plänen die Entfernung der einzelnen Punkte von einander einzuschreiben, diese selbst in ihrer Form einzuzeichnen und im Uebrigen ia einem Yermarkungsverzeichnis durch genaue Beschreibung der verschiedenen Zeichen und Formen, sowie der Messvorgänge den Grenzzug so zu schildern, dass er danach von einem Sachverständigen leicht wit*der aufzufinden und auch bei dem Verschwinden einzelner Zeichen wiederherzustellen war.

Um nun einen Grenzzug, wie er einen Staat umschliesst und dessen Verlauf von mancherlei Erwägungen beeinflusst wird, einigermaassen durch llandskizzen festlegen zu können, war unbedingt eine Standlinie (Operations- basis, rigor) erforderlich, welche leicht zu durchfluchten war und die unter Vermeidung von vielen Knickpunkten sich im Gelände dauernd festlegen Hess. Von dieser festgelegten Linie aus, den Seiten eines Polygonzuges der heu- tigen Uorizontalmessungen vergleichbar, konnte alsdann die Einmessung des eigentlichen Grenzzuges erfolgen.

. Diese Standlinie ist allem Anschein nach durch die jetzt aufge- deckten Grenzhügel Eckhügel im Taunus festgelegt worden. Dieselbe zieht sich, da die Grenzhügel fast sämtlich auf besonders hervorragenden Punkten liegen, die noch jetzt vielfach als trigonometrische Polygonpunkte benutzt werden, in gerader Flucht von einem Hügel zum andern und ihre Richtung wurde später dauernd durch die Seiten der in den Hügeln gefun- denen Stein- oder Erdkisten bezeichnet. Die eigentliche Grenze bildet der durch zwei parallele Linien eingefasste Geländestreifen „limes*', und als der wichtigste Teil derselben erscheint seine äussere Linie, das ausgesteinte Gräbchen. Dieses Gräbchen ist es, das in seinen Hauptknickpunkten von der Standlinie, der Verbindungslinie der Eckhügel, aus eingemessen wurde und zwar auf dieselbe Weise, wie uns Hyginus und Frontinus die Einmessung der Peripheriegrenzen beschreiben, durch rechtwinklige Coordinatenmessung.

Versuchen wir nun, uns unter Beachtung der gromatischen lieber- lieferungen den Weg klar zu machen, den die Feldmesser der Römer ein- zuschlagen hatten, nachdem das eroberte Land in Besitz genommen war.

Gang der Arbeiten zur Herstellung des Limes. Zunächst handelte es sich darum, möglichst nahe der vielleicht schon vorhandenen alten Völkergrenze, oder der ins Auge gefassten neuen Grenze hervorragende Punkte aufzufinden, die nicht zu weit von einander entfernt, einen guten Ueberblick über das naheliegende Gelände ermöglichten und gegenseitig zu übersehen waren. Hohe Stangen, vielleicht auch besteigbare Holzgerüste,

Grenzmarkierimgen am Limes 167

lieBseQ trotz der Bewaldung der Höhenzüge leicht erkennen, ob der Punkt geeignet und beizubehalten war. So von einem zum anderen Punkte fort- schreitend, legte man die St an dl in ie fest, ohne besonders umfangreiche Aasholzungen vornehmen zu müssen. Nunmehr wurden die Längen der Standlinie (Seitenlängen des Polygonzuges) nach fiinfluchtung von Zwischen- punkten eingemessen und so die Längeneotfernuogen von Winkelpunkt zu Winkelpunkt ermittelt (Taf. XIII, Fig. III). Eine Messung der Winkel au den Brechpunkten der Standlinie (der Eckhügel) hat wohl nicht stattgefunden, da, wie schon oben erwähnt, die Karten nur Handrisse waren und da die Winkel, wie sich weiter unten ergeben wird, in der Natur dauernd bezeichnet wurden.

Jetsft ging man daran, die eigentliche Grenze herzustellen und zwar zunächst das äussere Grenzgräbchen (Taf. XIII, Fig. IV) Hierbei sprachen andere Rucksichten mit, wie bei der Bestimmung der Standlinie. Es kam bei Wahl der äusseren Grenzlinie hauptsächlich darauf an, sich dem Gelände und den örtlichen Bedingungen anzupassen, wichtige Punkte: Quellen, Fundorte von Erzen und Thon, Haine, geeignete Plätze für Anlage von Castellen u. 8. w. in Besitz zu nehmen, sodass dieses Grenzgräbchen natürlich viele Knick- punkte und kleine Seitenlängen besitzt. Die Eckpunkte 1, 2, 3 dieser eigent- lichen Grenze bezeichnete man durch fest verkeilte grosso Steine und setzte zwischen diese besonders bezeichneten Eckpunkte in gewissen Abständen klei- nere Steine Läufer oder verband auch diese noch durch eine zusammen- hängende Reihe von Steinen. Nachdem so die Eckpunkte des Grenzgräbchens und die Flucht im Allgemeinen bezeichnet waren, konnte die Einmessung der- selben von der Standlinie aus erfolgen. Der Feldmesser geht, nachdem er so- wohl die Standlinie als auch die Eckpunkte des Grenzgräbchens mit Flucht- stäben (metae) bezeichnet hat, von dem Eckpunkt a aus mit seinem groma in der Flucht der Standlinie a— b soweit vor, dass er dem einzumessenden Eckpunkte 1 des Grenzgräbchens gegenüber steht und rückt nun sein groma so lange, bis sowohl die Fluchtstäbe der Standlinie, als auch der Eckpunkt des Grenzgräbchens in den Visieren seines Winkelkreuzes erscheinen, er hat nunmehr den rechten Winkel ermittelt und kann Abscisse (Abstand des Auf- stellungsortes des groma vom Eckpunkt der Standlinie) und Ordinate (Ab- stand des groma vom Eckpunkt des Grenzgräbchens) mit seinen Messlatten (decempeda, pertica) einmessen und in sein Feldbuch (Wachstafeln, cerae, auf Baumrinde) mit dem Griffel (Stylus) einschreiben. In dieser Weise werden die einzelnen Punkte des Gräbchens sämtlich auf die Standlinie rechtwinklig eingemessen, besonders umfangreiche Holzungen waren auch jetzt noch nicht nötig, es genügte ein Durchforsten einzelner Visierlinien. (Ob auch die Längen zwischen den Eckpunkten des Grenzgräbchens zur Controle eingemessen worden sind, mag dahingestellt bleiben, unumgänglich nötig für die Aufzeichnung war dieses nicht.)

Nachdem vielleicht erst jetzt das Grenzgräbchen auch zwischen den Eckpunkten mit Läufern und zwischen diesen mit gewöhnlichen Steinen ausgesetzt war, war die Herstellung der zweiten parallelen Limes-Linie, des inneren Grenzgräbchens, eine leichte Aufgabe^ die keine besonderen Fachkenntnisse erforderte (Tafel XIII Fig. V). Man brauchte nur eine kleinere Abteilung Soldaten auszuschicken mit dem Auftrage, von dem ausgesteinten

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Grenzgräbcheu aus nach dem Inland zu in gewissen Abständen zwei Messlatten 20 röm. Fuss ungefähr rechtwinklig zum Gräbchen vorzustrecken, den so gefundenen Punkt irgendwie zu bezeichnen und dann diese eirzelnen Punkte durch ein Gräbchen zu verbinden. Eine zweite Arbeitergruppe konnte darauf den ganzen Streifen zwischen beiden Grenzgräbchen abholzen und der limes, der Querweg Mommsen's, welcher die in das Ausland führenden Strassen schneidet, war hergestellt. Ob nunmehr Graben und Wall oder Mauer in unmittelbarem Anschluss an die geschilderte Einmessung errichtet worden sind, mag dahingestellt bleiben, jedenfalls aber sind die Eckpunkte der Stand- linie schon nicht mehr gebraucht worden, als Wall oder Mauer hergestellt wurden. Es geht dieses daraus hervor, dass der Wall Qber die Grenzhügel hinweg zieht.

Grenz- oder Eckhügel der Standlinie. Es mag nun ver- sucht werden, die Eckhügel, wie sie die Aufgrabung uns gezeigt, zu er- klären. Jedenfalls ist anzunehmen, dass diese Stein- oder Erdkisten wegen der mutmaasslichen geringen Höhe nicht zu der ursprünglichen Coordinaten- messung benutzt wurden, dass vielmehr hierfür später wieder entfernte, hohe Stangensignale dienten, die über die Baumwipfel hinausragten.

Nachdem aber sämtliche Messungen beendet waren, ging man an die Errichtung von Steinkisten oder Erdkisten, die in der Flucht der beiden an- stossenden Standlinien angelegt und später mit Erde hügelformig überdeckt wurden und die nunmehr den Winkel a b c (Tafel XIII Fig. VI), welchen beide Standlinien miteinander bildeten, örtlich dauernd festlegten und zwar so sicher, dass derselbe heute noch nach fast 2000 Jahren zu erkennen ist (vgl. Tafel VII, VIII, IX).

Diese ermöglichten es später auch bei Verschwinden irgend eines Winkelpunktes denselben wieder aufzufinden, indem nach Aufdeckung eines benachbarten Hügels nur die Fluchtlinie in der Seitenrichtung der Erdkiste herzustellen und die nach dem Plane bekannte Länge abzumessen war. Sollte auch die Fluchtlinie nicht genau mit der ursprünglichen zusammenfallen, so konnten doch sicher am Endpunkte der gemessenen Linie bei einiger Auf- merksamkeit leicht Spuren des verschwundenen Endpunktes gefunden werden. Selbst bei böswilliger Abtragung des ganzen Hügels mit der Steinkiste hätte immer noch das um den Hügel gezogene Gräbchen einen Anhalt zur Wieder- herstellung der Fluchtlinie geboten.

An denjenigen Stellen, wo die Standlinie keioen Winkel bildete, wo vielmehr wegen zu grosser Entfernung der benachbarten Eckpunkte ein Zwischenpunkt nötig war, genügte natürlich, wie z. B. am Klingenkopf, ein einziger Hügel. Aus den schematischen Skizzen Tafel XIII Fig. IV und Y ist auch zu ersehen, dass Fälle vorkommen können, wo der Hügel nicht im römischen Gebiet, sondern ausserhalb des eigentlichen Grenzzuges angelegt werden musste'^.

IV. Schanzen.

Gleichzeitig mit den vorher beschriebenen Untersuchungen der Hügel ging auch eine solche der im Taunus gelegenen sogenannten Schanzen Hand in Hand. Obgleich nun diese Forschungen noch nicht zum Abschluss

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gekommen und positive Ergebnisse noch nicht zu verzeichnen sind, so möchte ich, da immerhin gewisse Anhaltspunkte gefunden wurden, doch der Sache wegen Einiges darQber mitteilen, und zwar mit dem Wunsche, dass die anderen Herrn Streckencommissare in ihren Bezirken, in denen sich solche Schanzen befinden, weitere Beobachtungen machen und dadurch die Lösung dieser noch nicht genügend erklärten Anlagen fördern möchten.

Bei den bis jetzt untersuchten Schanzen^ von denen eine grosse An- zahl rückwärts vom Limes liegt, konnte mit ziemlicher Sicherheit festgestellt werden, dass sie nicht, wie oftmals angenommen, zur Verteidigung gedient haben und auch niemals bewohnt waren. Dass sie röra. Ursprungs sind, ist bei den von mir untersuchten Anlagen der Preussenschanze, dem Eichel- garten, der Rundschanze am Zugmantel wegen der röm. Funde als be- stimmt anzunehmen. Welchen Zweck könnten diese immerbin umfangreichen und mit grosser Mühe hergestellten Umwallungen gehabt haben?

Nach dem Fundergebnis und den dabei gemachten Beobachtungen halte ich sie für Anlagen, die mit der Vermessung des Limes oder vielleicht mit der römischen Inlandvermessung zusammenhingen und besonders wichtige Punkte bezeichneten. Indes bin ich mir bewusst, dass bei der Beurteilung derselben noch die grösste Vorsicht geboten ist.

In der Preussen-Schanze (Taf. XII Fig. I), die eine Grösse von 73 m auf 60 m hat, fand sich nicht ganz in der Mitte in Metertiefe eine trocken, jedoch regelrecht gemauerte dreieckige Vertiefung a, vielleicht ein Trifinium (?), an welche sich etwa 1,20 m tief ein sauber in den gewachsenen Boden hergestelltes Gräbchen an der Langseite des Dreiecks anschliesst: b. Das Gräbchen läuft etwa 10 m schnurgerade, dann macht es bei c einen stampfen Winkel, geht von hier aus etwas gebogen bis zur Umwallung, durchschneidet diese wie den davorliegenden Graben und zieht auf eine grössere Entfernnng, ohne die angenommene westliche Richtung zu verändern, weiter. Leider konnten die Grabungen der beschränkten Mittel wegen nicht fortgeführt werden. Bemerkenswert ist, dass das Gräbchen an dem Drei- eckpankt mit kleinen Steinchen ausgeschlagen ist, genau wie an dem Gräb- chen der Hügel am Rotenkreuz. Gefunden wurden auf der Sohle Kohlen von Eichenholz und am Knickpunkt 1,10 m tief drei Münzen, eine unleser- liche Ton Bronze und zwei von Silber: Vespasian und Trajan. Das Gräb- chen läuft teilweise mit einer der östlichen Aussenseiten der Schanze parallel (vergl. Tafel XII Figur I).

b. Eichelgarten (Tafel XII Fig. III). Diese schanzenartige Anlage liegt ca. 300 m rückwärts vom Pfahlgraben auf einer hohen Stelle des dor- tigen Geländes; sie ist fast wagerecht eingeebnet, mit einem Wall umgrenzt, und aussen zieht ein im Boden verdecktes Gräbchen herum, welches sauber in den gewachsenen Boden eingearbeitet ist Ausser Kohlen und einigen wenigen römischen Scherben hat sich in demselben und auch in der aller- dings nur hier und da aufgegrabenen Fläche der Schanze nichts gefunden, doch hat sich im Inneren direkt an der jetzigen Gemarkungsgrenze von Lenzhahn, die in einem offenen Graben besteht und die Anlage durchzieht, ein durch ein in den Urboden eingearbeitetes Gräbchen (0,35 m tief) markierter Kreis (a) gefunden. Es könnte hier der ursprüngliche Standort des

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Instruments vielleicht des gnomons gewesen sein (bei der castellartigen Anlage der Schanze könnte eine Orientierung stattgefunden haben), der uns in seiner anfänglichen Beschaffenheit erhalten ist. Daas die jetzige Gemar- kungsgrenze in einem Znsammenhang mit einer römischen Teilungslinie steht, ist möglich, doch bis jetzt nicht nachweisbar.

c. Rundschanze am Zugmantel (Taf. XIII Fig II). Ueber diese merkwürdige Anlage, die ztrischcn dem Gastell Zugmantel und dem Pfahl- graben liegt, haben bereits Rössel (Rom. Grenzwehr S. 101) und v. Cohansen (Rom. Grenzwall S. 158) berichtet. Letzterer hielt sie für eine mittelalter- liche Befestigung. Eine Durchgrabung bat jedoch ihren röm. Ursprung er- geben. Diese sogenannte Rundschanze, die auf dem höchsten Punkt des Zugmantels errichtet ist, hat meines Erachtens denselben Zweck gehabt wie die Grenzhügel ; sie unterscheidet sich von diesen nur durch ihre Grösse und den wallartigen Aufwurf, der sich an den Rundgraben anschliesst; der durch diesen Wall begrenzte innere Raum ist abgeglichen und steigt etwas nach der Mitte (vergl. Fig. II, C— D). Eingrabungen in dieser dicht mit Wald bewachsenen Fläche haben bis jetzt nichts von Belang zu Tage ge- fördert, dagegen fanden sich auf der Sohle des verdeckten Gräbchens unter dem Rundgraben röm. Gegenstände, Scherben von Terra sig. und ge- wöhnlichem Thon, Ziegelstücke, Nägel und Stücke von röm. Glasscheiben. Be- merkenswert ist hier, dass das regelrecht in den Boden gearbeitete Gräbchen äusserlich kaum sichtbar ist. Die Erde für den Rundwall scheint aus dem Innern der Anlage entnommen zu sein. Ich vermute in dieser noch gut er- haltenen Anlage einen Hauptpunkt der röm. Absteckung und Einmessung des Limes im Taunus, doch wird sich auch hierüber erst, nachdem weitere Auf- grabungen stattgefunden haben, und noch ähnliche Schanzen untersucht sind, ein sicheres Urteil fällen lassen. Im Uebrigen sei noch bemerkt, dass diese Rundschanze auch bei der neueren Landmessung zugrunde gelegt und ein trigonometrischer Stein dort aufgestellt ist'^).

V. Kardo und Decumanus ^^).

Die Auffindung der Grenz- Aussteinung am Limes legte die Frage

20) Profesgor MommBen bemerkt folgendes sn den Schansen: „Über die Erdschansen eine Vermutong aiiszusprechen wage ich kaum. Darin scheinen die beiden nntersucbten sich mit den Begleithttgeln au begegnen, dass ein Mittelpunkt darin festgelegt wird denn der Triangel der Preussenschanze und der Kreis in dem Eichelgarten kennen nicht wohl einen anderen Zweck gehabt haben als der Balkenverband der Begleithttgel. Römisch sind die Anlagen doch iweifellos, und wenn sie nicht Verteidigungsswecken gedient haben, was können sie anders bezweckt haben als Orensflxiernng, Termination? Aber das möchte dech zu fiberlegen sein, ob nicht neben der Fixierung der Orenzpunkte militftriBche Postiernng oder Avisierung dabei ins Auge gefasst worden ist? Wie der Oberbau dieser Anlagen beschaffen war, ist rein conjectural; wilre nicht eine Einrichtung fUr Beobach- tnngsposten oder dgl. denkbar, auf erhöhte und umwallte Punkte gestellt, wenn auch nicht eigentlich befestigt? Wäre es nicht angezeigt die bekannten Grenahfigel und Erd- schanzen in einen Übersichtsplan einzutragen? der Gesamtlauf wäre vielleicht lehrreich. Hyginns 192 spricht davon, dass man sich bei der Limitation vor Abirrung von den ge- raden Linien zu htlten habe und sagt in dieser Verbindung: eulti» lo<A9 linutem ttüei» opHme servabimut, das heisst : 'auf Ackerland wird man die Bichtung das limes am besten einhalten durch Furchen', des Pfluges nämlich."

21) Ueber die Bedeutung des Kardo und Decumanu« Tgl. Budorff 2. Bd. S. 34V und Stöber 8. 60.

Grenzmarkierungen am Limes. l7l

nahe, ob sich nicht auch die Absteckung der Castelle, welche wohl in ähn- licher Weise, wie die der Tempel- und Städteanlagen hergestellt war, auffinden Hesse. Zunächst dachte ich an Gräbchen und Aussteinung der Hauptlinien, des Kardo und des Decumanus. Bereits Ende März suchte ich an der Saalburg in den Axen des jetzigen Castells, fand aber nicht das Gewünschte, sondern die Reste und Spitzgräben eines älteren kleineren Castells. Auch bei den weiteren Nachgrabungen des im Innern noch wenig berührten Castells Feldberg hatte ich keinen Erfolg. Erst die Untersuchungen des Castells Zugmantel im Juli führten zur Entdeckung der ursprünglichen Ab- steckung des Lagers. Decumanus, die Linie von Ost nach West, und Kardo, die Linie von Nord nach Süd sind dort fast genau orientiert und als Gräbchen, welche wie das Grenzgräbchen am Ijimes in den ge- wachsenen Grund, ungefähr 0,35 m tief, eingearbeitet sind, an vielen Stellen, wo sie nicht durch spätere Ueberbauten zerstört worden, gut erhalten. Im Gasten Zagmantel gehen die Linien des Decumanus und Kardo durch die Thore, bezw. fallen mit den Axen des Castells zusammen. Nochmalige Un- tersuchungen am Castell Feldberg ergaben, dass der Decumanus und Kardo seitlich nordöstlich lagen; an der Saalburg sind neuerdings ebenfalls sichere Spuren, bestehend in Gräbchen und in Löchern, welche in Zwischen- räumen liegen, 1 m im Quadrat gross und 1,20 m tief sind, gefunden worden. Aehnliche Löcher finden sich auch im Castell Zugmantel. Die Untersuch- ungen sind selbstverständlich noch nicht zum Abschluss gekommen, doch möchte ich bemerken, dass bereits Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass wahr- scheinlich in den Römerstrassen die Absteckungslinien für die allgemeine Landesvermessung festgelegt sind, vergl. Stuber S. 94; hierdurch wird die Gradlinigkeit der Strassen jedenfalls mitbedingt gewesen sein. Inzwischen ist es auf Grund der oben mitgeteilten Entdeckungen den Herren Limesstrecken- commissaren Hofrat Fr. Kofier und Prof. G. Wolff gelungen, in Friedberg und llofheim die Absteckungen der beiden Castelle, d. h. den Decumanus und Kardo aufzufinden, was besonders für die Feststellung des Castells Fried- berg, wo das röm. Castell unter der mittelalterlichen Burg liegt und die Grabungen sehr beschränkt werden mussten, von grossem Werte war**).

VI. Die Umitation (vergl. Taf. XIII Fig. I, Castell Feldberg).

Rückwärts vom Castell FeUberg hat sich genau im rechten Winkel mit der Hauptstrasse, die nach dem Inland führt, eine Parzelleoeinteilung gefunden, die durch ein 0,30—0,40 m tiefes in den gewachsenen Boden ein- gearbeitetes Gräbchen bewirkt wird, in welchem ebenfalls Kohlen und röm. Scherben niedergelegt sind und in Abmessungen festgekeilte, die Richtung angebende Steine sitzen. Auch hier befanden sich in einzelnen dieser Gräb- chen in gewissen Abstän len quadratische Löcher, manchmal 1 m tief in den Boden gearbeitet, in denen Kohlen lagen und die zu der Limitation in irgend einem Zusammenhang stehen werden. Prof. Luigi Pigorini hat bei seinen Ausgrabungen in der Po-Ebene am Schlüsse vorigen Jahres ähnliche P>-

33) Anch Pigorini hat bei seinen AuBgrabnngen von Niederlassungen „der Italiker in der Poebena" den Kardo und Decuniannt gefunden. Vgt. seine Abhandlang: La terra- Castellazo di Fontanellato Borna 1895.

172 fr. Lau

scheinungen gefunden, auch er ist der Ansicht, dass diese Vertiefungen im Zusammenhang mit der Limitation und dem Eardo stehen. Hoffentlich werden die folgenden, der Limesforschung noch zur Verfügung stehenden Arbeitsjahre auch über diese, noch in Dunkel gehüllten Anlagen mehr Licht bringen. Die Ergebnisse meiner Untersachungen sind ans der Wirklichkeit, aus dem offen Daliegenden und wieder Ausgegrabenen genommen worden. Sie stimmen im Grossen und Ganzen mit dem, was Mommsen scharfsinnig aus den alten Schriftstellern gewonnen hat, überein. Die erzielten Resultate verdankt man dem Zusammengehen der Theorie und Praxis, sie lassen gewiss den Wunsch gerechtfertigt erscheinen, dass auch bei den ferneren Limes- forschungen auf demselben Wege weitergearbeitet werden möge!

-<De>-

Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Stadt Köln.

Von Dr. Friedrieh Lau in Köln.

L Das SchSffencollegium des Hocbgerichts zu Köln bis zum J. 1396 ').

Wie über den Anfängen der Kölner Stadtverfassung vor dem 12. Jahrhundert ein fast undurchdringliches Dunkel schwebt, das auch durch die Bemühungen so vieler Forscher nur zum kleinsten Teile ge- lichtet werden konnte, wie diese Forschung zwar in vielen Fällen an- sprechende Vermutungen, aber doch selten sichere Ergebnisse zu Tage gefördert hat, so giebt auch die erste Ausbildung der Kölner Gerichts- verfassung der Forschung so manches Rätsel auf, dessen Lösung nur durch Annahmen, die je nach der Eigenart des einzelnen Historikers immer einen mehr oder weniger subjektiven Charakter tragen werden, zu ersetzen ist. Einer Erörterung dieser Fragen nachzugehen, ist nicht der Zweck der nachfolgenden Abhandlung. Es gilt hier vor allem das urkundlich sicher Beglaubigte festzulegen und die einzelnen ermittelten Züge zu einem möglichst einheitlichen Gesamtbilde zu vereinigen, auf Grund dessen es dann später vielleicht gelingen wird, der Lösung der genannten Rätsel näherzukommen.

I. Das Alter des Schöffencollegiums.

Erst im Anfange des zwölften Jahrhunderts werden die Schöffen zum ersten Male urkundlich erwähnt. Im Jahre 1103^) treten die-

*) Dieser erste Teil der Beiträge erscheint mit einigen unwesentlichen Abänderungen gleichzeitig in der Festschrift für Herrn Geh. Commerzienrat Dr. von Mevissen. Eine weitere Untersuchung über das Kölnische Patriciat ist für eines der nächsten Hefte bestimmt.

') Hansisches Urkb. III S. 385 (1103 Dez. 4).

beitrage zur Verfassungsgesctiiclite der Stadt Köln. l73

selben bereits in ihrer Eigenschaft als städtische Eommuhalbehörde auf, in den Jahren 1135 42') enthtlllt die erstmalige Nennung der Schöffen und Schöffenbrüder die Existenz der genossenschaftlichen Organisation derselben, die erfolgte Bildung eines Schöffencollegiums. Es braucht kaum betont zu werden, dass gerade die letztere Form eine längere Entwickelungszeit zur unerlässlichen Voraussetzung hat, und dass schon TOT dieser Organisation Schöffen existiert haben müssen. Möglich ist daher, dass die Institution der Schöffen bis in die fränkische Zeit zu- rückgeht, es ist aber ausgeschlossen, etwas Zuverlässiges darüber fest- zustellen.

II. Die genossenschaftliche Organisation des Schöffen- collegiums. Das Schöffencollegium zerfiel, getreu der bei fast allen städtischen Korporationen wiederkehrenden Schablone, in zwei Hauptklassen, 1) die Schöffen, die unter sich wieder in die Schöffenamtleute (officiales sca- binorum, Schöffenamtleute, verdiente Schöffen) *) und die Schöffen schlecht- weg geschieden werden, und 2) die Schöffenbrüder. Die Schöffenbrüder sind die Anwärter auf das Schöffenamt, die erst durch Wahl in später zu erörternder Form in den Verband der Schöffen aufrückten. Sie ge- nossen bereits einen Anteil an den finanziellen Erträgnissen des Amtes, besonders an den Reichnissen der Schöffenmeister*), und in der ältesten Zeit an den Einktlnften des Schöffenschreins ^. Genauer begrenzt sind ihre Funktionen und ihre Teilnahme an den Verhandlungen des Schöffen- collegs erst in den Statuten von 1370 75'), die ihnen das Recht zu- sprechen, an den Gerichtssitzungen, doch ohne Stimmrecht, teilzunehmen! Eine solche Teilnahme war jedenfalls nötig, um die künftigen Schöffen den vielßiltigen Geschäften, wie sie grade einem städtischen Schöffen- collegium oblagen, gewachsen zu machen. Die Zahl der Schöffenbrüder-

') Hoeniger, Schrelnskarten Mart. 1 V. 1.

*) Das von Glasen, Schreinspraxis S. 69, im Auszuge mitgeteilte statu- tom Bcabinorum de candelis findet sich noch in einem Fascikel des Schöffen- schreins, der im Besitze der Fahneschen Erben ist (Mitt. H. XX S. 98 Nr. 105). Eine Abschrift desselben verdanke ich Herrn Prof. Hoeniger. Es scheint etwa den Jahren 1220—30 anzugehören. Aus demselben geht, wie auch von Hegel, Chroniken XIV S. XLU richtig hervorgehoben ist, die Einteilung der eigent- lichen Schöffen in Schöffen und Schuffenamtleute zuerst hervor.

^) Vgl. über dieselben weiter unten.

') Dies ergieb^ sich aus der citierten Scbreinseintragimg von 1135—42.

') Stein, Akten I Nr. 312 S. 558 ff.

WMtd. Zeitflohr. f. Qescli. n. Kunst. XIV, II. 13

174 Fr. Lau

stellen lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen^), wahrscheinlich hat dieselbe im Laufe der Zeit öfters geschwankt, je nachdem die Erträg- nisse des Schöffenamtes die Schaffung weiterer Stellen zuliess, oder eine Verminderung derselben rätlich erscheinen Hess. Die Gründe, die zu der Schaffung dieser eigenartigen Institution beigetragen haben, liegen verhältnismässig klar zu Tage. Es war der Wunsch möglichst viel Verwandte und Bekannte der Einkünfte des Schöffenamtes teilhaftig zu machen, zusammen mit dem Streben, das gewonnene Amt der Familie zu erhalten, was diesen weiteren Verband ins Leben rief. Besonders der erstgenannte finanzielle Grund wird durch die Weiterentwicklung des Instituts bestätigt. Die Schöffenbrüderämter verloren allmählich vollkommen ihren Charakter als Amt und nahmen den einer Präbende an. Während im Anfange des 13. Jahrhunderts die Wahl durch das Collegium der Offizialen wenigstens formell gewahrt wurde, gingen im Laufe der Zeit die einzelnen Schöffenbrüderstellen in die Hände eines jeden Schöffenamtmannes über, der die ihm zustehenden Stellen je nach Wahl vergeben, ihre Einkünfte für sich behalten und auch vererben konnte. So vermachte der Schöffe Werner Overstolz in der Rheingasse seinem Sohne, dem Schöffen Johann und dessen Frau „omnia bona sua mobilia et inmobilia, officia fratrum scabinorum et officiatorum, que habet in manu sua (1333 Oct. 16)" ^), so finden wir in den früher citierten Statuten von 1370 75^») bereits weltliche und geistliche Schöffen- brüder von einander unterschieden. Vermutlich hat es schon damals ^% sicher 1387, auch „Schöffenschwestem" gegeben. Es ist dies eines der

8) 1180 werden 22 genannt (Qu. I 90) ca. 1230 (362 k. 1. f. la; Qu. II Nr. 418, wo die Datierung unrichtig ist) 15, ca. 1235—37 (vgl. Beilage I) c«. 30 neu gewählt.

^) Schöffenschrein 355 f. 61b. Die officia officiatorum sind als die Stellen unverdienter Amtleute in den Sondergemeinden zu fassen, wo die ver- dienten Amtleute um diese Zeit ebenfalls eine Anzahl von unverdienten Ämtern zu verteilen hatten (Liesegang, Sondergemeinden S. 96). Vielleicht handelt es sich auch um unverdiente Ämter der Richerzeche.

8») Stein I Nr. 314 § 8.

^^) Die mit dem Schöffenkollegium nahe verwandte Richerzeche hat eben dieselbe Entwicklung durchgemacht. Ein neu aufgefundenes Verzeichnis der Richerzeche aus dem Jahre 1391, das demnächst veröffentlicht werden soll, beweist, dass die unverdienten Ämter gleichermassen von den verdienten Amtleuten als Pfründen an männliche und weibliche Personen, geistlichen oder weltlichen Standes, vergeben wurden und dass dieselben einzelne Ämter in ihrer Hand behalten konnten.

beitrage zur Verfassangsgeschichte der Stadt £öln. 175

vielen Beispiele f&r die im alten Köln herkömmliche rücksichtslose Aus- nutzung der gegebenen Vorteile durch die herrschenden Geschlechter, für das Hineintragen privater Rücksichten und finanzieller Ausbeutung in fast alle Institute der Verfassung und Verwaltung. Eine weitere Consequenz dieser Auffassung wäre es gewesen, wenn auch die Ver- erbung der Schöffenstühle auf den Sohn eingeführt worden wäre. Wir werden jedoch sehen, dass die Schöffen diesen letzten, äussersten Schritt nicht gethan haben, dass in Bezug auf die Schöffenwahl es bei dem früher gültigen Wahlmodus auch im 14. Jahrhundert geblieben ist.

Die Zahl der Schöffen scheint 25 betragen zu haben. Als Erz- bischof Eonrad die, wie gezeigt werden wird, widerrechtlich auf eine geringere Zahl zusammengeschmolzenen Schöffen absetzte, ergänzte er das CoUegium auf diese Normalzahl. Die Schöffen bedurften nach ge- schehener Wahl der Anwäldigung durch den Burggrafen, später nach dem Übergang der Burggrafschaft an die Erzbischöfe, stand dieses Recht den letzteren zu. Um in den engeren Verband der Schöffen- amtleute aufzusteigen, mussten die Schöffen ein Jahr lang das Amt des Schöffenmeisters bekleiden und den diesem auferlegten „Dienst" ") aus- richten. Die Leistung dieses Dienstes war obligatorisch, wer nicht die unten erwähnten „servitia" ausrichtete „ita ut honest um est et consue- tum, nuUam cum scabinis habebit communionem et ab omni beneficio suo officii scabinatus privatus nullam deinceps tam in curia, quam in domo civium recipiet partitionem". Die Zahl der jedesmaligen Schöffen- meister betrug 2 *^, anfangs war vielleicht nur einer ^*) vorhanden. Über ihre Funktionen ist nichts bestimmtes überliefert. Von den in den Statuten von c. 1370 75") genannten Schreinmeistem, die alle 7, resp. 6 ^^) Wochen wechselten, sind sie wohl zu unterscheiden, die-

**) Dieser Dienst bestand nach dem oben citierten Statut in der Liefe- nmg von Wachs an die Schöffenoffizialen, Schöffen und Schöffenbrüder. Im nächsten Jahre hatte der Meister „tortellos et nebulas et panem, qui unnet (?) didtuT, vinum et moretum" zu beschaffen ; „ita ut officium scabinorum lauda- bile Sit et honestum". Ausserdem mussten Wachskerzen an die Klöster St, Mauritius, Weyer und Walberberg gegeben werden, Scab. 2 IV 8 (c. 1197 1212). Inbetreff des erstgenannten Klosters vergl. Lac. I Nr. 564 (1198), wo es von den Schöffen heisst, „qui patrocinium advocati^ in possesslonibus predicti monasterii [s. Mauritii] habent^.

") Qu. m Nr. 442 (1297 Febr. 22).

»») Qu. I Nr. 80 (1171).

") Stein I Nr. 312.

") ib. Nr. 313 [1385].

13»

176 Fr. Lau

selben waren schon verdiente Schöffen. Hier, wie in den AmtleutecoUe- gien der Sondergemeinden *^) ist der gleiche Vorgang eingetreten, dass die Schreinmeister die eigentlichen dienenden Meister in den Hinter- grund gedrängt haben. Wahrscheinlich hängt aber auch die Schaffang der letzteren Beamtung mit der Einrichtung des Schöffenschreins zu- sammen. Erst die verdienten Schöffen sind die einzig vollberechtigten Mitglieder des CoUegiums, sie allein erliessen die Statuten. In ihrer Hand allein lag endlich flas Wahlrecht.

in. Die Voraussetzungen der Schöffenmässigkeit und die Wahl der Schöffen. Die Schöffen mussten frei von körperlichen Fehlem, unbe- scholten, ehelicher Geburt*') und, dies kann man auch für die frCHiere Zeit behaupten, geerbte *®) grundbesitzende Bürger sein. Weitere Voraus- setzung war die Zugehörigkeit zur Schöffenbrüderschaft. Die Wahl lag in der Hand der verdienten Schöffen '^), die Form der Wahlhandlung ist nicht überliefert, doch ist aus dem Umstand, dass es, wie noch be- wiesen werden wird, den Schöffenoffizialen wohl häufig, aber nicht immer, gelang, ihren Sohn in das Collegium zu bringen^ zu schliessen, d^s nicht dem einzelnen Schöffen die Berechtigung zustand, ein Mitglied zu ernennen, sondern, dass derselbe in einem bestimmten Turnus das Vor- schlagsreclit hatte, dessen Genehmigung oder Ablehnung von der Mehr-

^^) Liesegang, Sondergemeinden S. 118.

") Vgl. Qu. n Nr. 384, Schied I 4 (S. 381) und III 4 (S. 388) Qu. I Nr. 76, Gefälschter Schied S. 557 und Qu. V Nr. 166 (1377 Febr. 16): Die Schöffen sollen den neuen Schöffen wählen „uss getzale der scheffenbrudere den byrffsten, ersamsten ind den wysten, den sy under den haven mugen, die van den geschlechten syn bynnen Colne ind die euch dem scheffendoim zeemlich sy.

^^) Dies galt bekanntlich auch als Vorbedingung für die Wählbarkeit als Schöffe im Niederich (Hoeniger : Schreinskarten IP S. 52). Inwieweit auch der Wohnsitz in der Altstadt unbedingte Vorbedingung für die Wahl zum altstädtischen Schöffen war, lässt sich für das 12. Jahrhundert bei der Lückenhaftigkeit der Quellen nicht sicher feststellen. Im 13. Jahrhundert ist dies Prinzip sicher schon nicht mehr massgebend gewesen, da sich auch in Airsbach wohnhafte Personen im Schöffenkollegium finden. Auch im Niederich ist dasselbe 1344 Sept. 29 (Qu. IV Nr. 273) aufgegeben. Schieds- spruch des Schöffen Franco vom Home: Item dico, quod unusquisque ciyis Coloniensis, qui est in iure suo et honore, ubicumque residet in civitate Coloniensi, potest esse scabinus.

") Bestätigungen des Selbstergänzungsreohtes hei Hegel 1. c. S. XL, Anm. 5.

Beiträge zur Yerfassungsgeschichte der Stadt Köln. 177

heit der Ofiicialen abhing, ähnlich wie dies später bei dem engen Rat der Fall war. Diese Art der Selbst-Ergänzung barg von vorneherein den Keim zu Missbräuchen in sich. So warf denn auch schon Erzbischof Konrad 1258^®) den Schöffen vor, dass sie nulla sede vacante scabi- nomm . . eligunt et ad sedes non vacantes scabinos, femer dass sie bei Erledigung eines Schöffenstuhles die nötige Neuwahl ungebührlich hin- ausschöben und die Zahl der Schöffen verminderten, dann jedoch auf einmal eine grössere Zahl von Schöffen zum Teil gegen Geldabgaben wählten nnd so wieder die festgesetzte Zahl überschritten. Es ist interessant und wirft ein grelles Streiflicht auf die Moralität der damaligen Schöffen, dass sich dieser Missbrauch urkundlich belegen lässt. In den Jahren 1235—37**) wählten 15 Schöffenofficialen auf eiumal 8 Schöffen, sie nahmen weitere 7 Schöffen auf, denen sie die Anwartschaft auf die zu- nächst zur Erledigung kommenden Sitze gaben und ernannten endlich, wie schon erwähnt, ca. 30 Personen zu Schöffen brüdem. Inwieweit bei dieser illegalen Wahl und ähnlichen auch Bestechung und andere eigen - nfitzige Bestrebungen eine Rolle spielten, ist selbstverständlich unerweis- lich, aber bei der Ungeheuerlichkeit des Verfahrens ist die Anwendung solcher Mittel wohl wahrscheinlich. Einen anderen Grund für die will- kürliche Ergänzung des Schöffencollegs hat schon Arnold'^) richtig be- tont, es .sei der Wunsch der Schöffen gewesen, das Amt möglichst bei der eigenen Familie zu erhalten. Es ist eine glänzende Bestätigung dieser scharfsinnigen Vermutung, dass aus dem genannten Wahlgange in der That 6 *^) Söhne der wählenden Officialen als neue Schöffen her- vorgingen. Die Schiedsrichter verwarfen von rechtswegen den geschil- derten Missbrauch, es darf aber mit Grund bezweifelt werden, dass dies von nachhaltigem Erfolg war; denn als Erzbischof Konrad 1259 die Schöffen absetzte, betrug die Gesamtzahl derselben wieder nur 18, die damaligen Schöffen hatten also die beschworenen Bedingungen des Schiedes nicht erfüllt, und dies wird, obwohl es in der Absetzungsur-

*«) Schied I 33, 34.

") Vgl. Beilage I.

") Freistädte I S. 405.

^^) Vgl. Beilage I : Man beachte auch die Reihenfolge der neu gewählten Schöffen: Dem unter den Schöffenamtleuten an zweiter Stelle stehenden Mathias von der Lintgasse entspricht unter den neuen Schöffen sein Sohn Johannes, ebenso entspricht der Zahl der 15 Schöffenamtleute, die Zahl der neuen Schöffen mit Einrechnung der Schöffenanwärter.

^) In derselben wird den Schöffen ausser anderm vorgeworfen, dass sie Minorenne zu Schöffen gewählt und sich hätten bestechen lassen (Qu. II

178 Fr. Lau

kunde^^) nicht erwähnt wird, einen der Gründe gebildet haben, die dem Vorgehen des Erzbischofs die legale Grundlage gaben. In späterer Zeit scheinen derartige Schwankungen in der Zahl der Schöffen seltener ge- worden sein.

IV. Die Schöffenfamilien. Inwieweit hat sich nun auf Grund der Wahlform, wie sie eben geschildert, ein bestimmter Kreis von Schöffenfamilien gebildet, inwie- weit ist eine Erblichkeit von Schöffenstühlen innerhalb bestimmter Fa- milien erkennbar? Es ist bekannt, dass die Untersuchungen Zallingers die früher allgemein anerkannte Lehre von der Existenz eines recht- lich geschiedenen Standes von Schöffenbarfreien für das Gebiet, wo der Sachsenspiegel entstand, als den thatsächlichen Verhältnissen nicht ent- sprechend und unhaltbar erwiesen haben. Aber immerhin liegen in der Stadt Köln andere Verhältnisse vor. Dort die Bildung der Schöffenbank in jedem einzelnen Falle aus den gerade anwesenden Personen, hier die Existenz eines geschlossenen Collegiums. Die Untersuchung, wie sich die Verhältnisse in dem von jenen ländlichen Gegenden so verschiedenen und räumlich begrenzten Stadtgebiet gestaltet haben, ist deshalb keines- wegs überflüssig. Auf Grund der urkundlichen Überlieferung, besonders mit Benutzung der Schreinsbücher, lässt sich über diese Frage ein sicheres Urteil gewinnen. Es ergiebt sich, dass die Annahme bestimmter Schöffenfamilien falsch ist. Familien, die Jahrhunderte lang im Schöffen- collegium nachweisbar sind^^)» verschwinden aus demselben, ohne dass sich als Grund dafür ^^) anführen liesse, dass dieselben in ihrer sozialen

Nr. 394). Vor der Absetzung hatte Konrad bereits den Bat in seinem Sinne reformiert. Man vergleiche die beiden Vertragsurkunden von Köln und Utrecht (Hansisches Urkundenbach III S. 400, von 12Ö9 März 23, in denen die Stadt- obrigkeit als iudices, scabini, ceterique consules iurati etc. bezeichnet wird und in deren einer die aus der Hagenschen Darstellung genugsam als Führer der demokratischen Partei bekannten Conradus Blome und Herimannus Sapiens genannt werden. Dadurch werden die Bemerkungen Liesegangs (Son- dergemeinden S. 46) hinfällig. Hegel hat seine frühere Ansicht (1. c. S. LXI) geändert und für das Auftreten des Rates gegen die Schöffen die oben nach- gewiesene Reform desselben durch den Erzbischof zur Erklärung herange- zogen (Städte und Gilden II S. 338).

3'^) Als Belege dafür habe ich in der Mevissen-Festschrift S. 113 die Stammbäume der Familien Raitze und Jude mitgeteilt. Im übrigen vgl. Das kölnische Patriciat bis 132Ö in Mitteil, aus dem Kölner Stadtarchiv H. 24, 25, 26.

^^) Man könnte bei den Raitze an Übergang in den Landadel und Auf- hören des Bürgerrechts denken. Ebenso wie die obengenannten Familien verschwinden aber auch die Grin, die seit 1149 als Schöffen nachweisbar

Beiträge zur Yerfassangsgeschichte der Stadt Köln. 179

Stellnng oder ihrem Grundbesitz so zurückgegangen wären, dass sie viel- leicht nicht mehr der Ehre des Schöffentums für würdig erachtet hätten werden können. Die rücksichtslose Ausnutzung des einmal gewonnenen Vorteils, wovon das eben erwähnte Wahlverfahren Zeugnis ablegt, hatte eben auch die Kehrseite, dass diejenigen Familien, die durch die bisher im Besitze der Schöffenstühle befindlichen Geschlechter von denselben fern gehalten worden waren, jeden sich bietenden günstigen Zufall aus- nutzten, um ihrerseits die ersehnte ehrenhafte Pfründe für sich einzu- heimsen. Es ist die krasseste Familien- und Protektionswirtschaft, die man sich auszumalen vermag. Wenn daher Familien Jahrhunderte lang in dem Besitze von Schöffenstühlen sich behaupteten, so ist dies aller- dings ein Kennzeichen dass dieselben eine hohe soziale Stellung ein- nahmen, dass ihre Verwandtschaft, Gevatterschaft und Freundschaft mächtig und zahlreich genug war, um ihnen den Besitz des Schöffen- stuhles zu sichern, aber man wird diesem doch nur rein zu&Uigen Um- stand zu Liebe niemals einen besondem Kreis von Schöffenfamilien innerhalb des Patriziats konstruieren können. Man wäre sonst ge- zwungen etwa alle 50 Jahre einen neuen Kreis von Schöffenfamilien auf- zustellen. Das Kesultat ist in der Kürze gefasst: Es fand stets eine mehr oder weniger grosse Verschiebung der Schöffenstühle innerhalb der Geschlechterverbände statt, und dank dieser Verschiebung sind fast alle bekannten Familien zu einer oder anderen Zeit im Besitze von Schöffen- stühlen gewesen '').

V. Das Schöffencollegium als Gerichtsbehörde. Das Schöffencollegium als Gerichtsbehörde tagte in dem Gerichts- lokale auf dem Hofe. Es war in dieser Eigenschaft zuständig für alle Kriminal- und Civilsachen, für die ganze Stadt und deren Bannmeile (burgban, banmile, districtus civitatis). Den Vorsitz führte der Erz- bischof*®), der Burggraf und Stadtvogt und deren Vertreter, der Unter-

sind, aus dem CoUeg and bei ihnen ist, wie bei den Jude, die erwähnte An- nahme nicht zulässig. Das Gleiche gilt auch von den Mommersloch.

^^ Besonders lange Zeit sassen im SchöffencoUeg die Overstolzen 1235 1396, die Gir in der gleichen Zeit. Die von der Aducbt kamen z. 6. erst 1383 in dasselbe.

'*) Hegel fuhrt als eventuellen Vorsitzenden auch den König an (1. c. XLUI). An und für sich ist es kaum zweifelhaft, dass der König, wie überall, so auch hier bei seiner Anwesenheit als höchster Bichter den Vorsitz über- nehmen konnte, in der von H. angegebenen Urkunde findet sich jedoch der citierte Passus nicht. Derselbe stammt lediglich aus dem Privileg Eb. Konrads von 1239 JuU 23 (Qu. U Nr. 198), das 1242 Mai (Lac. U Nr. 267) von Fried-

180 Fr. Lau

graf lind Untervogt. Nach dem Übergang der Barggrafschaft auf die Erzbischöfe trat der Greve (Untergraf) **) an die Stelle des Burggrafen ; das Amt des Untervogts, früher ein lebenslängliches, verschwindet nm 1250, an seiner Statt führen in der letzten Hälfte des 13. Jahrhun- derts einzelne Schöffen den Titel Untervogt, Vogt oder Richter ^^. Höchst wahrscheinlich sind dies die ältesten Schöffen, die beim Aus- bleiben der Oberrichter oder von deren Stellvertretern den Vorsitz über- nahmen, ein Recht, das dem SchöffencoUegium zuerst 1314 durch König Ludwig ^^) verliehen und später durch Kaiser Karl*^ bestätigt wurde. Die Gerichtssitzungen fanden zur Zeit des laudum Conradi- num^*) täglich statt, später (1370 5)**) an den vier ersten Tagen einer jeden zweiten Woche, wobei es jedoch dem Richter freistand, auch in der sonst gerichtsfreien Woche Sitzungen anzusetzen, an denen die Teilnahme der Schöffen nicht obligatorisch war. Die schweren Sachen mussten innerhalb drei Tagen ^^) entschieden werden, die leichten sofort.

rieh II bestätigt wurde. Ein Beispiel für den Gerichtsvorsitz des Erzbischofs bildet die von Glasen: Schreinspraxis S. 72 mitgeteilte Schreinseintragung, besser bei Alfter Bd. 26 S. 24 (1230 Nov. 19).

*') Das Amt des Untergrafen war im 13. und 14. Jahrhundert, wie auch schon im 12. kein lebenslängliches, die Amtsdauer ist in der Regel 10 Jahre (vgl. Lau, erzb. Beamte S. 40). Dieser Unterrichter brauchte merk* würdiger Weise kein Schöffe zu sein. Keine Schöffen sind Franco vom Herne (Patriciat II Birclin-Vom Hörn Nr. 43) und Gottfried Hardevust (ib. III Hardevust Nr. 123). Auch der bekannte Greve Hermann von der Kompforte wurde erst während seiner Amtsthätigkeit Schöffe (vgl. Beilage I) und Geschlecht Kompforte I Vorbemerkung.

»<>) 178 f. 24 a (1290 März) Hildegerus Overstolz tunc advocatus f. 25 b (1290 Sept. 4) Th(eodericu8) Gir tunc advocatus, 133 f. 27 b (1292 Aug. 30) Gobelinus Parfuse tunc index, Weisses Buch Bl. 80 b ff. (1326 Juli 2): Mathias de Speculo subadvocatus miles. Über die Gerichtsbarkeit des Vogtes handelt folgende Schreinseintragung (360 f. IIa 1323 Mai 14). N.s, quod dominus . . Rutgerus, nobilis advocatus Coloniensis, elegit et acceptavit, si Gerardo Scherfgin non satisfecerit de undecim marcis pagamenti Goloniensis infra festum beati Jacobi apostoli, quod extunc ad iudicium Ire non debeat nee nuncii sui facere aliquas arrestaciones, quousque dicto . . Gerardo fuerit

OD (I

satisfactum de undecim marcis antedictis. Actum anno domini m ccc XXIII in vigilia penthecostes.

«1) Qu. IV Nr. 22 (1314 Dez. 5).

»2) Qu. IV Nr. 306 (1349 Febr. 8).

") Hegel, 1. c. S. XLIII.

") Stein I Nr. 312, § 4 und 5.

35) Dieselbe Frist wird den Schöffen auch 1395 gesetzt Stein I Nr. 317 § 2.

Beiträge zur Verfasssiingsgeschichte der Stadt Köln. Igl

Über die richterliche Thätigkeit des Schöffencollegiums geben die älteren Bmchstflcke des Schöffenschreins einen annähernd klaren Auf* schluss, Sie zeigen, wie mannigfach schon damals die Anfordernngeh waren, die der lebhafte noch immer wachsende städtische Verkehr und Wandel an die richterliche Behörde stellte. Leider fehlen derartige Zeugnisse für die spätere Zeit fast ganz, und nur sehr vereinzelte^) begegnet in den Büchern des Schöffenschreins noch eine Eintragimg, die sich von den gewöhnlichen formelhaften Nota durch ihren Inhalt abbebt. Wohl aber ist es auf Grund der Bücher möglich, eine genaue Aufstellung der Fälle zu geben, wo bei dem Grundstücksverkauf, bei Erbschaftssachen u. s. w. das Schöffenurteil notwendig war. Eine solche zu geben liegt jedoch selbstverständlich ausserhalb der Grenzen dieser Arbeit").

VI. Das Schöffencollegium als Schreinsbehörde. Neben den richterlichen Funktionen der Schöffen steht unabhängig ihre Thätigkeit als Schreinsbehörde. Als Gerichtsbehörde tagten sie auf dem Hofe, als Schreinsbehörde auf dem Bürgerhause. Wann sie zuerst begonnen haben, den Schöffenschrein e®), oder besser gesagt, das Stadtbuch zu führen, steht nicht sicher fest. Immerhin ist anzuneh^men, dass der genannte Zeitpunkt etwas später liegt, als der Beginn der Schreinspraxis in den Parochieen. Von dem Charakter eines Grund- buches sind freilich die älteren Teile des Schöffenschreins noch weit genug entfernt, und mit Recht bezeichnet der Herausgeber dieselben als Stadtbuch. Als Gründe für die Schaffung des Schreines haben wir vor allem zwei zu vermuten, einmal die Notwendigkeit, ein Grundbuchamt zu haben, vor dem nicht nur räumlich in der Stadt zerstreute Erb- schaften, sondern auch solche vor der Stadt übertragen werden konnten, dann auch den persönlichen Wunsch der Schöffen, sich ebenfalls einen Anteil an den Erträgnissen der neu eingeführten Schreinspraxis zu sichern. Mit dem Ansprüche, nicht nur für die ganze Stadt, sondern auch für deren Bezirk kompetent zu sein, trat der neue Schrein auf. Grundstücke im Niederich'®) und in Airsbach, Höfe in der Umgegend werden in ihm eingetragen und weiter geführt. Es gewährt ein ge- wisses Interesse zu verfolgen, wie im Laufe der Zeit der Bezirk des

••) Vgl. einige Beispiele (Beilage Nr. 4).

^') Vgl. die wichtigeren Fälle bei Liesegang Sondergemeinden S. 121. '^ Die ältesten Teile stammen aus der Zeit um 1150. Hoeniger IP S. 290. ") Scab. 2 V 13 und passim.

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Schreins immer mehr zasammenschrampft, bis er im Anfange des 14. Jahrhunderts den Umfang gewonnen hat, den er später beibehielt, den Raum innerhalb der alten Mauer. Es ist das langsame Zurückweichen der centralisierenden Gewalt gegenüber den Sonderbestrebungen, die sicli in den vorstadtischen Schöffen-*^) und AmtleutecoUegien verkörperten. Der Schöffenschrein blieb demnach nur das Grundbuchamt für die ganze Altstadt. Es ist nunmehr festzustellen, ob sich daraus eine Über- ordnung des Schreins über den übrigen Schreinen der Altstadt und des weiteren ein Aufsichtsrecht des Schöffencollegiums über die Schreinsbe- hörden entwickelt hat. Neuerdings hat Hegel ^^) im Gegensatze zu dieser früher von Ennen und Liesegang vertretenen Meinung die Ansicht auf- gestellt, dass vielmehr der Richerzeche die Bewahrung des Bürgerschreins obgelegen habe, dass sie als solche die obere Instanz in Schreinssachen der Burgerichte gebildet habe. Zum Belege für seine Ansicht beruft er sich auf eine Stelle aus dem Amtleutebuch von Airsbach**), wo es in einem Nachtrage zu den Statuten von 1376 Juli 23 heisst: It sij zo wissin, dat unse heirrin de verdeinde amptlude gemeinlichin oever- dragin haint, dat so we eyn urdel beroefft vur me schrijne up dat huyss vur unsse heirrin van der rijcherzecheit, de sal setzin eynen verdeinden amptman zo bürge as vur 5 marc. Es ist begreiflich, wenn Hegel aus dieser Stelle den obenerwähnten Schluss zieht. Trotzdem ist seine An- nahme in einem Teile ein Irrtum, der allerdings durch den vollstän- dig kritiklosen Abdruck der Amtleutebücher in den Quellen verzeihlich wird. Vollständige Klarheit über die Frage lässt sich eben nur durch das Zurückgehen auf die Originale gewinnen und erst durch die Ver- gleichung der Parallelstellen derselben ergiebt sich folgender Sachverhalt: die Burmeister oder dienenden Meister der Sondergemeinden übten als Beauftragte ihrer Genossenschaft die Gerichtsbarkeit über Klagen in Geldschuld **) und Schreinssachen. Von dem Urteile dieser Richter und der urteilfindenden sieben Amtleute, stand dem Unterlegenen das Recht der Berufung*^) an sämtliche verdienten Amtleute oder an den „Schrein" zu. Dies ergiebt sich aus folgenden zwei Stellen Amtleutebuch Laurenz f. 6a Nachtrag zu den Statuten von 1320 Sept. 29: Vort

^^) Vgl. über die Stellung zu den Schöffen von Airsbach, Beilage 3. *0 Städte und Gilden II S. 331. ") Qu. I S. 299.

") Vgl. Kruse, Richerzeche, Savigny Zeitschr. IX S. 208. **) Liesegang hat in seiner Schrift „Die Sondergemeinden^ diesen Punkt völlig ausser Acht gelassen.

Beiträge zur Verf&ssuogsgeschichte der Stadt Köln. 183

willen wir, so wilg amtman eyn urdeil bereiffe ove gesnnne voyr unse heirren, de ir amt virdeint haint, inde woyrde he des virvunnen mit deme meistin parte der amtmanne, de van geboyde da sint, so gilt he dri Schillinge zu boysin. Aposteln f. 24b 1324: Item statnimns, qnod si qnis persona appeliaverit a sentencia data apud magistros dictos vorderere vel magistnim superiorem ad scrinium officiatomm nostrorum, si offidatns est et devictus faerit, solvet marcam in pena. Ein Nicht- amtmann hat einen Amtmann für die Mark zum Bargen zu stellen, wenn dieser nicht innerhalb 3 Tagen den Betrag entrichtet, wird ihm sein Amt gep&ndet. Die Strafe teilen die Amtleute unter sich, welche das Urteil gefitllt haben. Ganz dieselben Bestimmungen finden sich auch in den Amtleutebüchem von Alban**) (Gerichtsgebühr 1 mr), Martin*^) (ebenfalls 1 mr), Columba*^) (3 sol, später 1 mr), Peter**) (5 sol, später ebenfalls 1 mr). Sehen wir von dem für unsem Zweck bedeutungs- losen Unterschied der Gebühren ab, so ist die Sache überall die gleiche : Von den Gerichten der Burmeister ist die erste Berufungsinstanz das Amt, und da die Verhandlungen des Amtes vor dem Schreine statt- fanden, der Schrein. Von dem Urteile dieser Instanz war wiederum die Berufung möglich : I^aurenz f. 6a, anschliessend an die vorher citierte Eintragung: Were ug sagge, dat sig eynig unser amtmanne bereiflfe eyns urdeyls voyr de scheffenen of voyr dat amt van der rigerzeggeyt inde he des da neydervellig werde, so gilt (he) zo boyssen zwa marc*'). Aposteln f. 24a: Item statuimus, si aliquis officiatus noster, vel non officiatus appeliaverit a sentencia data apud scrinium ofticiatorum ad summum officium *®), solvet quinque marcas in pena. Wiederum bedarf der Nichtamtmann eines Amtmannes als Bürgen für diesen Betrag. Peter f. 10a: Item ordinatum, quicunque officiatus a scrineo de sentencia se proclamaverit supra domum civium, si victus fuerit, solvet duas marcas. Ebenso nennt das Amtleutebuch von S. Martin **) als Sitz der Berufungs-

") Qu. I S. 273.

") ib. S. 252.

*0 Amtleutebuch Columba f. 23b, f. 26 a.

**) Amtleutebuch Peter f. 8b, 10a, IIb.

") Dieser Satz ist von Ennen, Quellen Bd. II Vorrede p. X nachträg- lich gedruckt. Der für das Verständnis des Sachverhalts unumgänglich not- wendige vorhergehende Satz ist auch dort fortgelassen.

*^) Gleichbedeutend steht zwei Absätze später von gleicher Hand ad samxnum iudicium.

") Qu. I S. 253.

184 Fr. Lau '

Instanz das Bürgerhaus und bestimmt als Busse die Summe von 5 Mark, dasjenige von Celumba belegt die Berufung an ein „anderes Gericht" *^ mit einer Busse von 5 sol, resp. 1 mr, und bedroht in einer zeitlieh etwas sp&tern Statutenniederschrift ^^) denjenigen Amtmann, der die be- rufende Partei unterstützt, mit dem Strafsatze von 5 mr. Das Amt- leutebuch von Alban enthält keine Bestimmung über die obere Be- rufungsinstanz, in dem von Brigiden fehlt eine solche betreffend die Berufung überhaupt gänzlich. Aus den angeführten Stellen ergiebt sich klar, wie die erwähnte Stelle des Airsbacher Buches zu fassen ist. Sie handelt über die Berufung vom Schreine der Parochie an die Richer- zeche von der unteren an die obere Instanz. Es ergiebt sich demnach folgender Zusammenhang: Über den Burrichtem der Sondergemeinden steht die Gesamtheit der Amtleute, über diesen eine höhere Instanz, die abwechselnd als Richerzeche, Schöffen oder Richerzeche, höchstes Amt oder höchstes Gericht bezeichnet wird und auf dem Bürgerhause ihren Sitz hat. Welches ist nun dies Gericht auf dem Bürgerbause, an dem Schöffen und Richerzeche teilnehmen? £s kann nur eines sein, das Bürgermeistergericht der Richerzeche auf dem Bürgerhause, dessen Existenz zwar erst im Jahre 1375^) aber doch noch in der letzten Zeit des Bestehens der Richerzeche urkundlich nachweislich ist. Schon Kruse ^^) hat darauf hingewiesen, dass das spätere sogenannte Amtleate- gericht des Rates als Fortsetzung dieses Gerichtes der Richerzeehe be- trachtet werden müsse. Diese Ansicht findet durch folgendes eine Stutze: Als im Jahre 1391^*^) der Rat die Schöffen und die mit ihnen verbau-

st) Qu. I S. 267 (5 8ol. der Geburmann) Col. Amtlb. f. 19 b (l mr der Amtmann).

") ib. f. 26 a b.

*») Stein, Akten I S. 114.

**) Kruse, Richerzeche Sav. Zeitschr. IX S. 181. Gegen die von Ldese- gang: Sondergemeinden S. 120 und Sav. Zeitschr. XI S. 48 vertretene Ansicht, dass das Amtleutegericht erst im Jahre 1396 von dem demokratischen Rate eingeführt worden sei, vgl. man die Bestimmungen über die Amtleute von 1400 Sept. 1 (Stein I Nr. 65) : Ind dye amptlude sullen sitzen bij den burger- meisteren op dem raithus, wannee sij dyncgen, urdele zo w^sen ind" vort zo doin, as van alders van den amptluden gewoenlich ys geweist . . ge- lijch dye andere amptlude, dye vurzijtz saiszen. Die Ansicht L's ist demnach falsch.

^^) Das auch von Stein nach Hamm gegebene Datum 1391 wird ge- sichert durch die gleichzeitige Niederschrift dieser Schreinsordnung im Amt- leutebuch zu Airsbach f. 14 a— 16 b, wo von gleicher Hand derselben die Be-

Beiträge zur Verfassungsgesc hiebt e der Stadt Köln. ]g5

dene Richerzeche ihrer Ämter und Herrlichkeiten entsetzte und das Bürgermeisteramt zu einem Ratsamt umschuf, erliess er im Anschluss an diese Massregeln eine Schreinsordnung, deren eine Bestimmung lautet : Voir wurde in eynchen gebuyrhusen, id were ouch zo Nederich of zo Orsburg, van eyman eynich urdel geschuldigeit van den amptluden Mir dat schryn, so mach eicklich partye, dey wilt, van deym schryne dat urdel vort schuldigen vur unse heren vanme raede, den dat up dey zyt dunresd.ages geburt zo wysen« In diesem Jahre trat dem- nach an die Stelle der bisherigen zweiten Instanz eine Ratskommission oder ein Ratsgericht, das wir mit Fug und Recht als das Amtleutegericht bezeichnen dürfen.

Wenden wir die so gewonnenen Ergebnisse nunmehr auf die von Hegel citierte Stelle an, so ergiebt sich, dass aus derselben nicht der Schluss zu ziehen ist, dass die Richerzeche mit der Bewahrung '<ies Schöfifenschreins betraut gewesen sei. Immer wird der Schrein als der- jenige der Schöffen bezeichnet und nirgends findet sich in den Karten und Bachern bis 1325 überhaupt ein Amimann der Richerzeche mit diesem Titel bezeichnet, gleichermassen kommen auch die Bürgermeister höchst selten vor und nie in Sachen, die auf die Schreinsführung Be- zug haben.

Die Stellung des Schöffenschreines gegenüber den anderen Schreinen, wie sich bis zum 14. Jahrhundert herausgebildet hatte, lässt sich in der Kürze folgendermassen feststellen : Das einzige, was ihn von den übrigen Schreinen scheidet, ist seine räumlich ausgedehntere Kompetenz. Es konnten in ihm alle Grundstücke eingetragen werden, die innerhalb der alten Mauer lagen ^^). Von dem Schöffenschrein waren Übertragungen der einzelnen Häuser in die Schreine der Sondergemeinden ohne weiteres möglich. Es genügte die Beurkundung zweier Schöffen an den be- treffenden lokalen Schrein, dass das beztlgliche Grundstück im Schöffen- schrein auf den Namen einer bestimmten Person geschrieben sei, um ohne weiteres die Anschreinung derselben in dem Schrein der Sonder-

merkung hinzugefügt ist: Notandum, quod premissa per circumspectos vires doroinos consules civitatis Coloniensis sunt ordinata et statuta. Sab anno domini m ccc nonagesimo primo. Vgl. dazu Stein, Akten I S. 700/701. In den Statuten von 1437 § 119 wird als Berufungsinstanz der Rat als Gesamt- heit bezeichnet. Bemerkenswert ist, dass auch damals noch die Busssumme den alten Ansetzungen gleich war, 1 mr für die erste, 5 mr für die zweite Instanz.

'^) In S. Aposteln ragte dieser Bezirk über die alte Mauer hinaus.

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gemeinden zu ermöglichen, und umgekehrt urkundeten auch die Amt- leute an den Schöffenschrein, wenn der Übertrag eines Hauses ans ihrem Grundbuch **) in den Schöffenschrein beabsichtigt war. Auch die durch Schöffenurteil erdingten Häuser und Renten u. a. brauchten nicht im Schöffenschrein geschrieben zu werden, auch hier konnte der Be- rechtigte die Beurkundung durch die Schöffen an den Parochialschrein veranlassen. Der Schöffenschrein stand also neben, nicht Aber den anderen Schreinen. Allein zuständig war er dagegen für die Xieder- legung von Testamenten, aber auch hier nur bei Verfügungen über liegendes Gut ^') innerhalb der alten Mauer. Die Schöffen selber genossen sowohl bei der Eintragung von Grundbesitz^^), wie auch bei der Ein- legung und Abänderung ihrer Testamente bestimmte Vorteile. Wem unter den Schöffen in der älteren Zeit die Aufsicht über den Schrein oblag, ist nicht überliefert, wahrscheinlich waren es nur die verdienten Schöffen, und die Schaffung dieses engeren Verbandes steht vermutlich mit der Einrichtung des Schöffenschreins im ursächlichen Zusammen- hang. Später wechselte die Aufsicht über den Schrein alle 6 **), resp. 7 Wochen und das Amt der Schreinmeister ging innerhalb des Kreises der verdienten Schöffen um. Die Einkünfte des Schreines bildeten einen wesentlichen und wie anzunehmen ist, den grössten Teil der Ge&lle^') des Schöffenamtes. Schon früh begegnen Klagen über übermässige Ge- bühren*^), später griff auch der Rat^) ein und bestimmte die zu er- hebenden Sätze.

^^) Bemerkenswert sind die Strafandrohungen in den Amtleutebüchcm gegen diejenigen Amtleute, die irgend jemand mit Rat oder That dazu ver- anlassen, ein im Bezirk gelegenes Haus im Schüffenschrein anschreinen zu lassen, z. B. Amtleutebuch Laurenz f. 8 a. Vort willen wir, so wilg amtman unse geschreyge mit rayde of mit dayde up dat huys zuge in der scheffenen schryn, wurde he des virvunnen van zwen unsen amtmannen, so gilt he zo boyasin eyne marc.

^*) 362 m f. 31a: Es sollen nur Testamente über Grundbesitz inner- halb der alten Mauer aufgenommen werden: infra antiquum mumm et extra non, quod domini scabini nulli optinent hereditatem extra antiquum murum [1334].

•») Stein I Nr. 314 § 1—3 und 7.

•») Nr. 312 § 1 und Nr. 313 § 1.

«*) Eine ältere Abrechnung über die Gebühren findet sich im Schöffen- Schrein 362 e f. 4 b [1271], die Gebühren für eine Urkunde „testimonium" be- trugen damals 3 sol.

") Vgl. Qu. II Nr. 384, I 32. •») Stein, Verbundbrief S. 271.

beitrage zur Verfassungsgeactiichte der Stadt kölo. lg?

VII. Das Schöffencollegium als höchste Kommanalbehörde. Schon im Jahre 1103 •*) erscheinen die Schöflfen in ihrer Eigen- schaft als leitende Behörde der Stadt, als Schöffensenat. Sie werden zn der Feststellung der Zollsätze far die Kaufleute von Lattich nnd Huy von Erzbischof Friedrich hinzugezogen, die Bestimmung erfolgt iudicio scabinorum, wobei selbstverständlich nicht an ein eigentliches richterliches Erkenntnis zu denken ist. Grade dieselbe Amtshandlung nehmen, wie bekannt, die Schöffen auch später mehrere Male^**) wahr. Mit anderen angesehenen Borgern zusammen verleihen sie 1149 den Bettziechenwebem den Zunftzwang^''). 1159^^) bestimmen sie als Ober- behörde über die Sondergemeinden die Amtsdauer der dienenden Meister und Amtleute in denselben. Das Schöffencollegium vereinigt demnach in dieser Zeit die Funktionen des späteren Rates mit denen der Richer- zeche**). Über die Zeit, wann dasselbe diese Befugnisse zuerst aus- geübt hat, wann die nach der allgemeinen Ansicht früher getrennten Sondergemeinden sich zu einem einheitlichen Verwaltungskörper zusam- mengeschlossen haben, fehlt es an verlässlichen Nachrichten. Es mag jedoch die Vermutung gestattet sein, dass dies vor der Zeit geschehen ist, wo. die beiden grössten Vorstädte Kölns, Niederich und Airsbach, in den Mauerring der Altstadt einbezogen wurden, da dieselben doch sonst wohl neben den altstädtischen Schöffen irgendwelche organisierte Vertretung in der Centralleitung der Stadt gefunden hätten. Die Rats- competenz ist in dieser Zeit demnach an eine in sich geschlossene Cor- poration gebunden. Weil dieselbe nicht durch Wahl der Bürger sich ergänzte, sondern durch Ck)optation, weil femer die communalen Funktio- nen, ebenso wie die richterlichen von iliren einzelnen Trägem auf Lebenszeit ausgeübt wurden, ist dieser Schöfifensenat von dem späteren Rate trotz aller anscheinenden Ähnlichkeit doch durchaus verschieden.

«*) Hans. ürkb. III Nr. 601 (1103 Dez. 23): Hoc autem testimonium sancitnm (est) et astipulatum iudicio scabinorum.

««) Für Verdun (Scab. 1 I 3 (ca. 1160—61), Cornelimunster (Mari, et Durand Coli. I S. 829 (1155), Dinant, Qu. I S. 563 (1171), Andenne u. Nivelle, Qu. I Nr. 114 (ca. 1200), Erbach, Qu. H Nr. 59 (1218).

") Qu. I S. 329 (1149). Vielleicht steht die verstümmelte Schreins- eintragung (Scab. 1 V. 6 ca. 1150—80) mit dem Zunftaufsichtsrecht eben- falls im Zusammenhang.

••) Qu. I Nr. 73 (1159) im übrigen vgl. Hegel, 1. c. S. XLIV.

") Diese hat die Zunftaufsicht schon ca. 1182, ist Oberbehörde über den AmtleutecoUegien der Sondergemeinden im 14. Jahrh. Vgl. oben S. 183.

188 Pr. Lau

VIII. Die Stellung des Schöffencollegiums in der städtischen Verfassung während der Geschlechterherrschaft. Eine Umbildung des Schöffensenates zum Schöffenrate wäre da- durch zu ermöglichen gewesen, dass die lebenslängliche Dauer des Schöffensenates aufgehoben und statt dessen eine jährliche Erneuerung ^*') der Schöffen durch Wahl der Bürgerschaft eingeführt worden wäre. In diesem Falle wäre auch ein direkter Zusammenhang zwischen dem früheren Schöffensenat und dem Rate anzunehmen. Aber in Köln ist eine derartige Umformung der alten Behörde nicht erfolgt. Die Ein- setzung des Rates bedeutet hier vielmehr die Loslösung der Ratscom- petenz von dem bisherigen Personenkreise des Schöffencollegiums und die Übertragung eben dieser Competenz auf eine neue, jährlich wechselnde Behörde. Über die Zusammensetzung des ersten Rates, einer ephemeren Erscheinung, die nur in einer erhaltenen Urkunde von 1216'*) ge- nannt wird, ist aus den Zeugen derselben nichts zu ermitteln; ebenso wie sich der Inhalt derselben mit den späteren „Schöffenbriefen" deckt, werden auch die genannten weltlichen Zeugen lediglich als Schöffen be- zeichnet. Welcher Art also die Elemente waren, die Anteil an der Stadtverwaltung begehrten und wohl hauptsächlich aus diesem Grunde die Errichtung der neuen Behörde durchsetzten, ist nicht festzustellen. Sie mögen in den angesehenen Familien bestanden haben, welche ihre sociale Stellung zu einer Anteilnahme an der Stadtverwaltung zu be- rechtigen schien, die aber nicht hoffen konnten in dem engen Rahmen des Schöffencollegiums in absehbarer Zeit zu einer solchen zu gelangen. Dass schon im 12. Jahrhundert derartige Familien bestanden haben, und der Schöffensenat schon damals sich selber nicht immer mehr als alleinige berechtigte Behörde ansah, lehrt die in manchen Fällen ge- schehene Zuziehung auch ausserhalb seines Kollegiums stehender Barger zu seinen Beschlüssen. Die Zahl dieser Familien hatte sich aber seit- dem, sei es durch Zuzug von aussen, sei es durch die Stadterweit^ning von 1180, sicherlich vermehrt. Andererseits ist es auch nicht ganz unmöglich, dass die Zünfte, deren unruhiger Geist bereits in jener Zeit auch dem Erzbischof'*) zu schaffen machte, bei der Einsetzung des Rates die Hand im Spiele gehabt haben. Eine demokratisierende Ten- denz spricht sich in der Schaffung dieser Behörde ohnehin aus, mag

^<^) Jährlich wechselnde Schöffen gab es u. a. in Lille (Hegel, Städte und Gilden 11 S. 170), Gent (S. 181), Brügge (S. 186), Ypern (S. 193). '») Westphäl. ürkb. IH Nr. 1702. ") Caesarius, Vita Engclberti III .37, ed. Gelenius.

beitrage zur Verfassungsgeschichte der Stadt Kuln. IgO

nun der neue Rat einem weiteren Kreis von angesehenen Familien oder der Einwirkung der ganzen Gemeinde sein Entstehen verdanken. Ob überhaupt Schöffen'') und wie viele von ihnen diesem Rate angehört haben, bleibt vollkommen unsicher.

Der neue Rat war, wie erwähnt, nur kurze Zeit in Thätigkeit, es gelang dem thatkräftigen Erzbischof Engelbert denselben zu beseitigen und wieder trat der Schöffensenat in seine frühere Funktion als Ge- meindebehörde. Erst 1242'*) wird der Rat wieder urkundlich genannt, es ist der zweite, nunmehr von Erfolg begleitete Versuch. Wann die Barger diesen entscheidenden Schritt gethan haben, ist nicht sicher nachzuweisen. Es kann ebensowohl unter Erzbischof Heinrich '^), 1225 bis 1238, wie in den ersten Jahren der Regierung Konrads geschehen sein. Gegen diesen neu geschaffenen Rat richteten sich bekanntermassen die Beschwerden des Erzbischofs im Schiede von 1258. Der Punkt, der an dieser Stelle allein in Frage kommt, die Beteiligung der Schöffen an demselben, lässt sich aus den Angaben des Erzbischofs und der Antwort der Schiedrichter nicht mit der wünschenswerten Deutlichkeit erkennen. Zwar geht daraus hervor, dass Schöffen gewöhnlich im Rate sassen, ihre Zahl erfSihrt man jedoch nicht, ebensowenig ob dieser That- sache eine rechtliche Abmachung zu Grunde lag, ob also, was an und für sich unwahrscheinlich ist, sie als Vertreter des Schöffencollegiums'^) dem Rate angehörten, oder als solche der Bürgerschaft. Dies ist überhaupt der allein ausschlaggebende Punkt für die Beurteilung des Einflusses des Schöffencollegiums auf die Ratsregierung. Nur dann könnte man doch noch von einer verfassungsmässigen Beteiligung des- selben an der Verwaltung, die der Rat ausübte, reden, wenn etwa nachzuweisen wäre, dass die Schöffen in irgend einer bestimmten Zahl in den Rat kraft ihres Schöffenamtes hätten gewählt werden müssen. Es fehlt aber für eine solche Annahme jeglicher Beweis''').

'') Die Wahrscheinlichkeit spricht allerdings eher dafür.

'*) Qu. II Nr. 225 (1242 Nov. 21).

") Hegel, Verf. LXII.

'*) Dem Erzbischof und den sich seiner Auffassung nach Möglichkeit annähernden Schiedrichtern galten allerdings die Schöffen allein als die voll- berechtigten Ratsherren, die Nichtschuffen nur als gewohnheitsmässig hinzu- gezogene oder hinzugewählte Personen.

'') Die späteren Eidbücher enthalten keine Bestimmungen darüber, dass Schöffen im Rate sitzen müssten, erst später wird unter dem Einfluss der inneren Streitigkeiten festgestellt, dass Schöffen nur in bestimmter An- zahl demselben angehören dürften.

W«itd. Zsitichr f. Oeioh. n. Knnst. XIV, II. 14

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Wir dürfen deshalb annehmen, dass, wenn sich bis an das Ende des 14. Jahrhunderts stets einige Schöffen im Rate finden, dieselben eben auch nur Ratsherren sind, die nebenher zufällig Schöffen waren. Es ist kein Gegenbeweis gegen diese Annahme, dass der Erzbischof den ausgewiesenen Schöffen als eines ihrer Rechte zusicherte ^^), es mftssten stets mindestens fünf Schöffen in den Rat gewählt werden. Diese Be- hauptung kann selbst im guten Glauben geschehen sein, es ist dies in der That die annähernde Zahl'^) der Schöffen, welche sich in den überlieferten Rats Verzeichnissen findet, aber gleichwohl bürgt dies nicht dafür, dass dieselbe nicht anfangs nur einem Zufall ihr Entstehen ver- dankte, die infolge des Selbstergänzungsrechtes des Rates dadurch, dass die austretenden Schöffen wiederum Mitglieder der Korporation an ihre Stelle wählten, den Charakter einer gewohnheitsmässigen Beteiligung und auf dieser fussend den einer Berechtigung annahm. Die feststehende Formel iudices, scabini, consules etc. bedeutet deshalb nicht mit Sicher- heit, dass das Schöffencollegium als solches einen Anteil an der Stadt- verwaltung, soweit sie der Rat übte, hatte, sondern spiegelt nur die Thatsache wieder, dass einige Herren des Rates nebenbei auch Mit- glieder des Schöffen coUegiums waren.

Ist es demnach zum mindesten sehr zweifelhaft, ob die Be- teiligung der Schöffen am Rate einem Rechtsgrunde ihren Ursprung verdankt, so liegt das Sachverhältnis allerdings ganz anders bei einem anderen Institut der Kölner Verfassung: bei der Richerzeche. Es ist der auch von Stein ®®) genügend betonte Umstand, dass stets ein dienen-

") Qu. V Nr. 97 (1375 Juli 12).

'*) Stein, Zur Vorgeschichte des Verbundbriefs (Westd. Zeitschr. XII S. 185) berührt in seiner höchst beachtenswerten Abhandlung diesen Punkt gleichfalls, doch sind ihm bei seinen diesbezüglichen Zahlenangaben einzelne Irrtümer untergelaufen, die hier berichtigt werden mögen: 1305 (Qu. III Nr. 528) sassen 5 Schöffen im Rate, nämlich ausser den drei ausdrücklieh so bezeichneten noch die Ritter Gottfried Grin (Patriciat II Grin Nr. 118) und Heinrich Scherfgin (III Scherfgin Nr. 65), 1319—20 5 (Stein, Akt. I S. S\ Heinrich vom Spiegel auf dem Schachzabel war ebenfalls Schöffe (III Spiegel Nr. 48), 1320/21 (Stein 1. c.) 6, nämlich die drei zuerstgenannten Ritter und ausserdem Gerhard von Benesis, Johann von Gürzenich und Dietrich Gir, 1321 (Qu. IV Nr. 105) 4, Philipp vom Spiegel Ritter, 2 Werner Overstolz, Franco Gir, 132(5 (Qu. IV Nr. 133) 5: Hilger von der Stessen, Rüdiger Raitze, Johann vom Hörn, Werner Overstolz (Sandkaule), Gerhard Scherfgin, 1334: (>. 1343: (i, 1344: 4. Die letzten drei Angaben Steins sind richtig.

8°) Vgl. das Bürgermeisterverzeichnis bei Stein, 1. c. S. 189 Anm. 143. Hinzuzufügen sind die Bürgermeister von 1334 April 29 (Lac. III Nr. 280),

Beiträge zur Verfassungsgeschichte der StJ^dt Köln. 191

der Meister der Richerzeche, einer der beiden Bürgermeister, ein Scböife Spin miisste, der dem Schöffencollegium als solchem eine feste Be- teiligung an dieser Behörde sicherte. Und gerade weil die Bürger- meister neben ihren sonstigen ausgedehnten Befugnissen, das Ehrenamt als Präsidenten der Freistadt Köln, als ihre Vertreter nach aussen tiber- kamen, musste die Beteiligung der Schöffen an der Besetzung dieses Amtes denselben einen fortdauernden Einfluss auf die Stadtregierung und in Verbindung damit auch eine besonders geachtete Stellung im städtischen Gemeindewesen verschaffen. Die Fälle, wo die Schöffen in ihrer Gesamtheit als Collegium vom Rate zur Entscheidung hinzuge- zogen werden, berühren sich stets mit ihrer Eigenschaft als richter- liche Behörde, es sind Urteile über Vergehen^*), Änderungen des E'rb- rechts®*) u. s. w., alles Beschlüsse, wo der Rat die Mitwirkung der- selben mit Fug und Recht nicht entbehren oder umgehen konnte.

fein Bürgermeister ist Schöffe) und 1369 (Rentenregister Nr. 1 f. 4 a) (ein Bürgermeister ist Schöffe). Die Angabe, dass 1320/21 beide Bürgermeister Schöffen gewesen seien, ist ein Irrtum (vgl. deutsche Litteraturzeitung 1894 Spalte 654). Das nachweisliche Vorkommen zweier Schöffenbürgermeister beschränkt sich daher auf das Jahr 1344. Möglicherweise ist der eine der beiden damaligen Bürgermeister, Johannes Scherfgin, erst während seines Amtsjahres Schöffe geworden. Diese Möglichkeit liegt im erhöhten Grade auch für die verdienten Amtleute der Richerzeche vor, so dass man aus dem gelegentlichen zahlenmässigen f'berwiegen der Schöffen in den Amtsleutever- zeichnissen doch wohl nicht mit Sicherheit schliessen kann, dass des öftcrn beide Bürgermeister Schöffen gewesen seien. Es sind 1282 unter 12 Amt- leuten 9 Schöffen (vgl. Stein Anm. 148, dazu Daniel 0 verstolz (Patriziat II Overstolz Nr. 229), Henricus Hardevust (ib. III Hardevust Nr. 93) und Til- mannus Gir (ib. II Gir Nr. 64), von denen sich eine Anzahl 1297 unter den verdienten Schöffen (Qu. III Nr. 441) wiederfinden, 1326 12 Schöffen und 12 NichtSchöffen. Die von Stein als drei verschiedene Verzeichnisse aufge- führten Niederschriften von 1369, 1368—73, 1381 sind die Listen der Renten- empfönger von der Dom wage, die erste von 1369 (Rentenregister Nr. 1 f 4 a) nennt 16 Schöffen und 9 Nichtschöffen. Diese liiste wurde mit Ausscheidung der inzwischen verstorbenen Personen in die Rentenregister Nr. 2 (f. IIa) (Qu. I S. 415) und Nr. 3 (f. 7 a) übernommen.

") Qu. III Nr. 441 (1297) Febr. 11), wo Richter, die verdienten Schöffen (diese sind es allein, die hinzugezogen werden, die damaligen Schöffen- meister stehen als jüngste Mitglieder des engeren Verbandes am Ende der Scböffenreihe), die verdienten Amtleute der Richerzeche, soweit sie nicht Schöffen sind, die Ratsherren über Bestrafung eines Vergehens gegen die Be- stimmungen betr. den Weinverkauf in den Immunitäten Bescliluss fassen, vgl. andere ähnliche Fälle bei Stein 1. c. S. 186.

") ib.

14*

192 Fr. Lau

In der Stellung der Schöffen zum Erzbischof war im Jahre 1279®') eine bedeutungsvolle Wandlung eingetreten. Der in diesem Jahre er- folgte Übergang der Burggrafschaft auf die Erzbischöfe war notwen- diger Weise auch von einschneidendster Wirkung auf das Verhältnis der Schöffen zu denselben. Konnten vorher Zweifel darüber obwalten, ob die Übernahme des Schöffenamtes zugleich eine Abhängigkeit von dem Erzbischof als Gerichtsherrn begründe, so war eine solche Ungewissheit fortan nicht mehr möglich. Wie der Erzbischof nunmehr alleiniger und unbestrittener Inhaber des hohen Gerichts wurde, so waren auch die von ihm angewäldigten Schöffen lediglich erzbischöfliche Gerichtsbeamte. In diesem Verhältnisse zum Erzbischofe einerseits, in den Verpflichtungen, welche die Schöffen, soweit sie als Ratsherren, Bürgermeister oder ver- diente Amtleute der Richerzeche zugleich Beamte der Stadt waren, dieser gegenüber zu erfüllen hatten, andererseits lagen die Keime zu inneren Konflikten, die zu Zeiten des Friedens zwischen Erzbischof und Stadt wohl vertuscht und latent bleiben konnten, aber bei allen, sei es äusser- lichen, sei es innerlichen Streitigkeiten und Auseinandersetzungen dieser beiden widerstrebenden Gewalten mit Notwendigkeit sich zeigen mussten. Jedesmal waren dabei die Schöffen vor die Wahl gestellt, ob sie treue Bürger und untreue Schöffen, ob treue Schöffen und untreue Bürger sein wollten. Aus diesem inneren Gegensatze heraus hat sich der Kampf des Rates gegen die noch immer bedeutende Beteiligung der Schöffen am Stadt regiment mit Naturnotwendigkeit ergeben. Die einzelnen Phasen dieses Kampfes und den endlichen vollständigen Sieg des Rates hat Stein ^*) in dieser Zeitschrift in klarer und einwandsfreier Weise ge- schildert. Am Ende dieser Verfassungsperiode waren die Schöffen wieder das, was sie vor dem Beginne derselben gewesen, eine einfache richter- liche Behörde. Nur eins war es, was sie daneben aus den Tagen ihrer Macht in die neue Zeit hinüber retteten, die Führung des Schöffen- schreins. Im Genüsse dieser beiden Rechte führte das Schöffencollegium fortan ein Stillleben neben dem nunmehr unumschränkt herrschenden Rate der Zünfte, ein letzter Zufluchtsort für die gestürzten Geschlechter, in dem diese sich noch geraume Zeit mit Hülfe des Selbstergänzungs- rechtes zu erhalten wussten.

") Lac. II Nr. 727.

") Zur Vorgeschichte des Kölner Verbundbriefs Bd. XII S. 162 ff.

Beitrage zur Yerfassimgsgeschichte der Stadt Köln. 193

Beilagen.

I. Protokoll über eine Schöffenwahl ca. 1235—37. Notum Sit, quod officiales scabinorum scilicet Waldaverus Hirne ^), Mathias de Lintgazzen, Ludewiens de Molengazzen j Henricus de Zudindorp, Herimannus Grin, Berwinns Grin, Vogelo de porta Martis, H[enricus Parfuse] ^} , Theodericus filius L(udewici) de Mftlingazzen, Simon comes, Theodericus de Niderig, Gerardns Scherfwin, Johannes de Lintgazzen, Theodericus de Pavone, et Richolfus Scherfgin in eligendis scabinis et fratribus scabinorum unanimi ; sententia convenerunt et per iuramentum et sententiam confirmaverunt, quod YIH scabini, scilicet [Gerardns, Gerardi filius] | Johannes, filius Mathiae, Ludewicus, filius Ludewici de Mftlingazzen, Henricus iuoior de Zudendorp, Johannes Overstoltz [Godejschalcus Overstoltz, Theodericus de Erenporzen et Henricus, filius L(udewici) de Mftlengazzen in simul invest[iti in sedes scabi] I natus locabuntur et sententiam dicere iurabunt. Item Johannes, filins Theoderici de MMingazzin, Johannes, [frater?] Theoderici de sancto Maaritio et Henricus Scherfwin electi in officium scabinorum simul [intra- bunt, si] V . . i loca vacaverint. Item Theodericus Gir, Ludewicus de Pavone et Herimannus comes . . . ^) | Ioc[is] vacantibus simul intrabunt. Item nomina

fratrum Ricolfus, filius Pelegrini Nigri^j, Gerardus filius ^) ' nepos . . ,

Gerardns, filius llenrici de Zudindorp, Alexander, filius Herimanni Grin ^)

filius . . . ^) I filius U(lrici) de Marporcen, Henricus de Ervethe, Symon Gebure, Johannes, filius Th(eodorici) . . . ') Gerardus ; Gerardus Scherfwin, . . ^), filius J(ohanni8) de Lintgazzen, Ludewicus de Pavone, et Gerardus, filius Richolfi Scherfgin. Item Mathias filius . . . ^*), Gerardus filius ").... Sifridus de Nussia, Herimannus ^^) Overstolz, Herimannus, filius .... ^\ Hen '| ricus de Ervethe, Ludewicus . . . . '^) filius S(ymoni8) comitis, Kenerus Birclin,

Bruno Scherfwin, J(ohannes) ...**) || Gerardus de Pavone, Herimanno **},

Gerardus de Aquila.

Entnommen aus dem Fascikel des Schöffenschreins (362 k. 2 f. 8 b). Für die Datierung ergeben die vorhergehenden und nachfolgenden Eintragungen keinen unbedingt sicheren Anhalt. Als untere Zeit- grenze ist mit Sicherheit das Jahr 1237 nachzuweisen, da in einer Urkunde dieses Jahres (Qu. nr. 166 1237 Dez. 24) einige der hier neugewählten Schöffen schon in amtlicher Thätigkeit erscheinen, die obere ist nicht mit gleicher Sicherheit festzulegen, liegt aber jedenfalls falls nach 1230. Der Anfang der Eintragung gedruckt bei Glasen, Kölnischer Senat S. 6.

IL Ebd. 362 k. 1 f. 7 a. [1290 1300]. Item notum sit, quod Jacobus aurifaber comparens in iudicio coram iudice et scabinis, si Symonem, filium Ludolfi aurifabri uUo

1) t^ber der Zeile. 2) Nach Glasen 1. c. 3) Etwa swei Worte unleserlich. •— 4) Über der Zeile. 5) Etwa swei Worte erloschen. 6) Ein Vor- und Zuname unleser- lich. — 7) Etwa zwei Worte unleserlich. 8) Ebenso ein Wort. 9) Desgl. 10) Perga- ment eingerissen. II) Ein Wort durch Abbröckelung verloren. 12) Henricus (?) 13) Zwei Worte erloschen. 14) Etwa drei Worte wie bei 11. 15) Ein Käme unleserlich. ^ 16) Drei bis Ti^r Worte wie boi 11.

194 Fr. Lau

umquam tempore infestaverit verbis vel operibus, [si ijdem Symon testiücare poterit cum personis fidedigais, quod infestacio sit predicti Jacobi, sine sen- tencia scabinorum amiserit vitam suam super gratiam Symonis supradicti.

Ebd. 362 m f. 14 b 1311 Aug. 6.

Item notum sit, quod Agnes, filia quondam Gerlaci dicti SwendefuUe

querimoniam faciens in iudicio de Cristiano, filio Grozwini, de patente facto,

quod dicitur bligendait, ubi dictus, Cristianus publice fatebatur in iudicio

sub testimonio iudicum et . . scabinorum, quod ipsa Agnes esset legitima

mo

uxor sua. Datum ut supra. [Datum anno domini millesimo ccc undecimo. feria sexta post festum beati Petri ad sincula].

III. Stellung der altstädtischen Schöffen zu denen von Airsbach. Airsb. Panthal. f. 18 a. ca. 1230. N. s., quod Methildis, que uxor fuit Cunradi, venit in presenciam scabinorum civitatis et scabinorum de Overburg et coram iudice et obtinuit iuramento, quod maritus suus .Cunradus in tantis debitis eam reliquerat, quod sine sua hereditate ipsa debita persolvere non posset, unde sententia scabi- norum dedit ei, quod Gertrudis, puer prescripte Methildis, cum sua hereditate et matris Methildis debita patris de iure ambo tenentur solvere. Inde d(atum) t(estimonium) ut i(ure) de(buit).

IV. Schöffenschrein 346 f. 15 a 1331 März 16. Rechtsweisung der Kölner Schöffen für diejenigen von Deutz. N. s., quod cum scabini Tuicienses venerint^^) ad presenciam domi- norum scabinorum Coloniensium exponentes et proponentes, quod sex licet Septem eorum conscabini concordaverint super quadam sententia concorditer *^ ferenda, tarnen . . duo scabini, videlicet . Ailgerus de Tuicie et L&dewicus de Keldenich, eorum conscabini, hanc sentenciam contradixerint, quesiverunt a dominis nostris, quid iuris . . dominus terre, eius officiatus, scultetus, aut scabini in hoc haberent, domini nostri diffinierunt pro iure, quod quia ipsi Ailgerus et Ludewicus eorum sensum dixerint, iuxta meliorem intentionem suam, quod nee dominus terre, scultetus, officiatus, nee scabini aliquid iuris in hoc haberent.

0 0 0

Actum anno domini m ccc XXXI sabbato post letare.

Ib. f. 15 b. N. s., quod scabini Tuicienses venerint^') ad presenciam dominorum scabinorum Coloniensium petentes sententiam super eo, quod cum sententia quedam transiverit inter eos et Ailgerus de Tuicio necnon Lude- wicus de Keldenich ipsam sententiam coram domino . . archiepiscopo Co- loniensi et alibi revocavcrint, quid iuris dominus terre aut scabiai Tuicienses in hoc haberent, domini scabini Colonienses diffinierunt pro iure, quod quia non culpaverint ipsam sententiam, sed simpliciter recitaverint, quod nichil iuris . . dominus terre, nee scabini, uec'^°) aliquis^^) in co habere dinos- cerentur. Datum wie vorher.

17) Hs. veninerit. 18) Über der Zeile. 19) He. veninerit, 30) Über der Zeile.

Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Stadt Köln. 195

N. s., quod scabiui Tuicienses venerunt ad preseutiam scabinorum Coloniensium exponentes, quod cum quidam ad querimoniam alterius ad clau- suram Tuiciensem depositus fuerit et ipse per seotentiam de huismodi clau- sura quitus iudicatus fuerit, utrum ille conquerens eandem penam pati debeat et quid iuris dominus terre, scultetus, aut scabini in hoc habeat, domini nostri scabini diffinierunt pro iure, quod satis in hoc perdiderit qui queri- moniam suam perdiderit et quod nichil iuris, nee dominus terre, nee scultetus, nee scabini, nee aliquis in hoc habeat. Datum wie vorher.

V. 1338 Mai 29 Verfahren über liegendes Gut eines flüchtigen Schuldners. N. s., quod cum Johannes Buckingh profugus factus fuisset et quedam dehita aliquibus suis creditoribus teneretur et esset obligatus ipsique credi- tores medietatem domus vocate Heren Johanshüys in Lintgassin, que medietas fuit Johannis Buckingh predicti pro suis creditis per iudicium dominorum scabinorum procuraverint occupari, domini nostri scabini attendentes iusticiam*^) et affectantes solucionem fieri creditoribus antedictis commise^unt dominis Godeschalco Overstolz, domino Johanni Overstolz in Ringassen, domino Jo- hanni de Lyntgassen et domino Everhardo Gyr, magistro cirium, scabinis Coloniensibus, ut ipsi dicte domus medietatem venderent et creditoribus pre- dictis satisfacerent pecuniam ex huiusmodi vendicione provenientem inter dictos creditores proportionaliter distribuerent, unde predicti domini scabini ad iussum communium dominorum scabinorum eandem medietatem ^'^) vendi- derunt et ipsam donaverunt et remiserunt domino Uenrico de Speculo militi,

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scabino Coloniensi . . . Actum anno domini m ccc tricesimo VIII feria sexta ante^) penthecosten.

21) über dor Zeile. 22) hereditatem geatr. 23) gestr. pu.

»-<^{J>— 0

Römische Nuntiaturberichte als Quellen zur Geschichte des Kölnischen Krieges (1576—1584).

Von Joseph HasseD.

Unter obigem Titel hat Max Lossen in dem soeben erschienenen ei-sten Hefte des 75. Bandes der Sybelschen Zeitschrift eine ziemlich umfangreiche Erörterung über die von mir herausgegebenen beiden Bände der 'Nuntiaturberichte aus Deutschland 1572 1585' veröif entlicht, deren gnindsätzliche Ausführungen mich zu einigen Gegenbemerkungen veran- lassen. Es war leider nicht möglich, eine Entgegnung meinerseits noch in demselben Hefte der genannten Zeitschrift zu bringen. Da mir aber daran liegt, die Lossenschen Einwände, soweit sie die Bedeutung der Nuntiaturberichte als historische Quelle im allgemeinen und die Art

196 J- Hansen

ihrer Herausgabe betreifen, unmittelbar zu würdigen, nachdem sie ausgesprochen worden sind, so habe ich mich entschlossen, nicht erst das Erscheinen eines neuen Heftes jener Zeitschrift abzuwarten, sondern an dieser Stelle meiner Ansicht Ausdruck zu geben, um so mehr, als Lossen seine Ausführungen an ein Thema aus der westdeutschen Ge- schichte angelehnt hat.

Bevor ich aber auf die wesentlichen Punkte der Lossenschen Aus- führungen eingehe, will ich auch an dieser Stelle nicht unterlassen, einige Einzelfragen kurz zu erörtern, in denen L. meine Darlegungen angreift.

In Bezug auf die von mir „wieder aufgerührte Streitfrage" über die Regalienverleihung an nicht confirmierte Bischöfe (vgl. a. a. 0. S. 9) ist der Thatbestand der folgende. L. behauptete (Kölnischer Krieg I, 624) zum J. 1578*): „Man war am kaiserlichen Hof neuerdings in Bezug auf die Verleihung von Regalien viel zäher geworden, als zu Zeiten Maximilians. Dies wurde damals einem Versprechen zugeschrieben, welches König Rudolf beim jüngsten Regensburger Reichstag dem Kar- dinal Morone gegeben haben sollte : künftighin keinem erwählten Bischof die Regalien zu verleihen, bevor derselbe gemäss den Konkordaten der deutschen Nation die päpstliche Konfirmation erhalten habe*)." L. ist geneigt, diese Begründung für zutreffend zu halten. Die Belege, die er anführt, sind bayerische Äusserungen vom März und Mai 1578^). Aus den Nuntiaturberichten ergiebt sich aber Folgendes.

Die Behauptung, dass ein solches Versprechen einem päpstlichen Nuntius gegenüber abgegeben worden sei, wurde seitens der Kurie schon 1576 mit Bezug auf Max II. aufgestellt (I, S. XXXI Anm.). Morone hatte ferner den Auftrag, 1576 in Regensburg zu versuchen, von Max II. eine bestimmte weitere Erklärung in dieser Hinsicht zu extrahieren (ebd.). Morone machte diesen Versuch in einem Memorial vom 4. Oktober 1576

^) Es handelt sich am die Erteilung der Regalien an den Electeu Gebhard Truchsess von Köln.

^) Eine bestimmte Erklärung in dieser Richtung hatte K. Ferdinand I abgegeben (1562 Nov. 7, vgl. Ritter, Gegenreformation I, 194).

') Haeret in aula Caesaris intrusi Coloniensis frater, ut vel infeudatio- nem quam vocant et regalia, vel certe indultum aliquod emungat. De priore forsan, cum id contra canones, contra Germanicae nationis cum S. Sede con- cordata et eam, quae cum Smi D°i N. legato Morono nuper admodum repetita est conventionem, omoino sit futurum, minus videtur esse peri- culi; alterum tarnen, ne artibus quibus ii hodie jam sunt deditt obtineatur, verendum est (Hz. Albrecht an den Nuntius Portia, 157Ö Mai i).

Rom. Nontiaturber. als Quell, z. Gesch. d. Küln. Krieges (1576-1584). 197

(II, S. 164 Anm. 2). Da der Kaiser aber am 12. Oktober starb, er- hielt er überhaupt keine Antwort mehr auf dieses Memorial.

Nun behauptet man auf bayrischer Seite 1578, nuper admodum^ sei eine *conventio' über diese Angelegenheit mit Morone (Rudolf II. persönlich wird nicht genannt) wiederholt worden. Lossen nimmt an, dass dies in Regensburg 1576 zwischen Morone und K. Rudolf ge- schehen sei. Rudolf hat mit Morone, wie sich aus den Nuntiaturbe- richten ergiebt, in Regensburg eine einzige Unterhaltung gehabt, und zwar am 10. Oktober 1576, also noch bei Lebzeiten Max II. Über ihren Inhalt ist nichts weiter bekannt, als die von Lossen S. 10 Anm. 1 wieder abgedruckte Notiz Morones, in der von der Frage der Regalien- verleibung nicht die Rede ist. Lossen ist geneigt zu glauben, dass eben in diesem Gespräch das betr. Versprechen abgegeben worden sei. Zur RegrOndung dieser Annahme reichen aber m. E. die enväihnten baye- nscfaen Angaben nicht aus. Viel wahrscheinlicher ist mir, dass die- selben auf eine unbestimmte Kenntnis von Morones Auftrag im Jahre 1576 und von der Art seiner Erledigung zurückgehen **). Denn Rudolf II. weigerte sich eben im J. 1578, aus welchem die bayrischen Angaben stammen, am 18. Oktober dem Nuntius Malaspina gegenüber ausdrück- lich, das von der Kurie gewünschte Versprechen abzugeben. Malaspina berichtet über diese erste gut beglaubigte Äussening Rudolfs II. in dieser Angelegenheit nach Rom: 'lo non so quello che S. M** habbi promesso agli altri nuntii, dico ben che a me non Tha voluto promettere di non dar regalie avanti la confirmatione' (I, S. XXXI Anm. 1). Erst im Dezember erklärte Rudolf auf weiteres Drängen, er werde Nichtcontir- mierten nur kurze Lehnsindulte gewähren^). Und erst im J. 1582 ver- sprach er, wiederum auf weiteres Drängen, dem Legaten Madnizzo, dass er von jetzt ab keine Indulte mehr gewähren werde ^).

*) Rudolf wird, wie bemerkt, in dem betr. Schreiben Bayerns persön- lich nicht genannt, und es ist zu berücksichtigeD, dass er zur Zeit seines Gesprächs mit Morone noch nicht die Regierung führte, also ein bindendes Versprechen schwerlich abgegeben haben wird.

') Bericht Malaspinas d. d. 1578 December 6: In materia delle re- galie .... spero che sarä servita S. S**, perche Timperatore mi diede parola di voler far cosi, cioe di concederle per poco tempo et non proro- garle, caso che manchino di mandar per la confermatione a Roma (Vatik. Archiv Germ. vol. 99 fol. 49). Ich habe Regalien und Lehnsindulte keines- w^^ verwechselt, wie L. glauben möchte.

') II S. 5ßl : (Pimperatore) promise al securo di non dare per Tavenire indulti ad alcuno non confirmato, berichtet Madruzzo am 29. Sept. 1582

198 J. Hansen

Bei dieser Sachlage sehe ich in der unbestimmten Wendung der bayrischen Angaben keinen Beweis für die sonst nicht belegte Annahme, dass Rudolf II. in liegensburg 1576 dem Legaten Morone das bezeich- nete Versprechen abgegeben habe, ein Versprechen, das er im J. 1578 ausdrücklich ablehnte.

Dass meine gegen L.'s Darlegungen gerichteten Ausführungen') über den Charakter der Kölner Nuntiatur Kaspar Groppers (1573 1576) als einer ausserordentlichen L. nicht überzeugt haben, bedauere ich^). Wenn ich aber auch persönlich Einsicht in die Groppei-schen und die übrigen einschlägigen Berichte genommen und eben aus ihnen meine Auffassung gebildet habe, so bin ich doch \sie L. der Ansicht, dass, falls diese viel erörterte Frage überhaupt noch einmal behandelt werden soll, gewartet werden muss, bis auch L. diese Berichte bekannt ge- worden sind, d. h. bis sie im Druck vorliegen, was in kurzer Zeit der Fall sein wird. Ich werde diese Gelegenheit benutzen, um meinei-seits die Motive für Groppers seltsames Verhalten in Köln^) auf Grund von hiesigem Material noch einmal zu beleuchten. Vorläufig kann ich nur erklären, dass die Einwände L.'s mir unerheblich erscheinen. Dieselben setzen eine Einheitlichkeit der curialen Praxis in Bezug auf die Nuntia- turen voraus, die thatsächlich nicht vorhanden war.

Einen 'Grundirrtum' meinerseits sieht L. S. 4 in der Überschätzung des römischen Einflusses auf die Erledigung der Kölner Angelegenheit, verweist aber für den Nachweis desselben auf das demnächst, über zwei Jahre, zu erwartende Erscheinen des 2. Bandes seines 'Kölnischen Kriegs'. Auch die Entscheidung über diese Frage wird also vorläufig wohl ver- tagt Averden müssen. Ich möchte jedoch auch bis dahin nicht missver- standen werden. Es liegt mir durchaus fern, wie L. anzunehmen ge-

(Rudolf handelte später aber nicht nach dieser Zusage, vgl. Stieve, Politik Baierns I, 201 Anm. 2).

7) I, S. 719 ff.

») Zu S. 7 Anm. 1. Meine Angabe über die Stellung des Cardinals von Como unter Plus V. geht zurück auf sein eignes Expose aus dem J. 1572, in welchem er Gregor XIII. gegenüber erklärt: 'havendo io havuto sin qui cura di scrivere a nuntii in tutto il tempo del pontificato di Pio V , prede- cessor suo'. (Vgl. 1 S. XXIII Anm. 2). Das Schreiben an die Nuntien ge- hörte zum Geschäftsbereich des Staatssekretärs. Ob die Angabe Como^s un- genau ist, vermag ich mit dem mir hier zugänglichen Material nicht zu prüfen.

^ Ich habe es liisher (I S. 728, und danach Lossen a. a. O. S. 12} auf eine Gemütbskrankheit zurückgeführt.

Rom. Nuntiaturber. als Quell, z. Gesch. d. Köln. Krieges (1576—1584). 199

neigt ist, die Bedeutung der andern von ihm erwähnten Faktoren ^®) für die Entscheidung in Köln zu unterschätzen. Ich habe im Gegenteil selbst darauf hingewiesen ^^), dass das mit verhältnismässig geringem eignem Kraftaufwand erreichte Ergebnis in Köln die kühnsten Hoff- nungen der Kurie erfüllte, und ich habe die charakteristischen Äusse- rungen Minuccis angeführt **), die beweisen, dass man sich in Rom wohl bewusst war, den Erfolg nicht sich allein, sondern daneben vor allem dem unerwarteten Entgegenkommen zu verdanken, welches die römischen Pläne und Massnahmen in Deutschland fanden. Wenn ich also behauptet habe, „der Erfolg der katholischen Restauration in Köln sei in erster Linie der Initiative der päpstlichen Regierung zuzuschreiben", so liegt der Nachdruck auf: Initiative. Das zielbewusste und rück- sichtslose Vorgehen der Kurie vom ersten Augenblick an, wo sie sichere Nachrichten über Gebhard Truchsess' Verhalten in Händen hatte, ihr sofortiger Entschluss, den Erzbiachof, der bis dahin vortrefflich bei ihr angeschrieben war, abzusetzen, ihr unentwegtes Festhalten an der Person des Herzogs Enist als Gegencandidaten, trotzdem derselbe erst ihrem Befehl gehorchend den Kampf in Köln aufnahm, gaben dem Vorgehen der katholischen Faktoren in Deutschland den festen Sammelpunkt und die einheitliche Richtung. Dass daneben für die Durchführung des Kampfes diese anderen Faktoren unentbehrlich waren, ist mir nicht und überhaupt wohl niemanden zweifelhaft gewesen. Unter den treibenden, anregenden Kräften steht aber m. E. die Kurie im Vorder- grunde. Es wird abzuwarten sein, ob diese Auffassung durch L.'s Buch erschüttert wird.

^^) d. i. des Hauses Wittelsbacb, der katholischen Partei im Kölner Kapitel und der kaiserlichen Kommissare.

») II, S. XCIII.

») II, S. 659.

^^ S. 17 erwähnt L., ich spreche die 'ideinung' aus, dass Rudolfs II. Archiv bis auf geringe Reste verschollen sei. Meine Angabe geht auf die ausdrückliche Feststellung von Stieve zurück, der dem Schicksal dieses Archivs eine besondere Untersuchung gewidmet hat (vgl. Verhandlungen über die Nach- folge Rudolfs II, in den Abhandlungen der Müncheuer Akademie XV (1879) S. 1 Anm.). -— Die Berichte der kaiserlichen Kommissarien aus den Jahren 1582 1584), auf deren Bedeutung L. an dieser Stelle hinweist, habe ich leider bei meinem nur wenige Tage umfassenden Aufenthalt in Wien (1890) nicht benutzen können. Dass die Reichshofratsakten dieser Zeit (unter denen sich die Berichte befinden) von Bedeutung sind, habe ich allen Grund zu glauben, nachdem ich in Bd. I aus diesen Fascikeln eine Reihe wesentlicher Ergänzungen zu Lossens erstem Band habe bringen können. L. hatte für den

200 J- Hausen

Wenn ferner L. in diesem Zusammenhang betont, dass ich Akten der deutschen Archive für meine Edition nicht benutzt habe, und daran grundsätzliche Erwägungen über die Veröffentlichung der römischen Materialien überhaupt knüpft, so mnss ich zur Erklärung zunächst auf meine Vorbemerkung im ersten Band meiner Edition verweisen, wonach „die an und für sich schon nicht im Plan unserer gesamten Edition liegende systematische Ausbeutung der deutschen Archive sich hier noch besonders aus dem Grunde verbot, weil Max Lossen diese Arbeit für den im J. 1882 veröffentlichten ersten Band seiner Geschichte des Kölnischen Kriegs und für den voraussichtlich bald erscheinenden zweiten Band bereits ausgeführt hat". Die Edition der Nuntiaturberichte hat vor allem den Zweck, der deutschen Forschung das italienische Material bequem zur Verfügung zu stellen ; im Rahmen dieser Edition kann, wie ich unten darlegen werde, unmöglich auf alle deutschen Archivalien Rücksicht genommen werden. Um so weniger ging das in dem vorliegen- den Fall an, wo es dem Herausgeber bekannt war, dass Lossen seit mehr als zwanzig Jahren sich die Durchforschung der deutschen Archive für eine Darstellung der Geschichte des Kölnischen Kriegs zur besondem Aufgabe gestellt hatte. Also z. T. grade mit Rücksicht auf L. habe ich meine archivalischen Forschungen nicht auf die von ihm bezeich- neten Materialien ausgedehnt.

Was endlich das von Lossen (S. 3) geäusserte allgemeine Bedenken über das Anschwellen der Edition der Nuntiaturberichte betrifft, so wird sich für die Epoche von 1572 1585 (über die ich genauer informiert bin) im Fortgang der Arbeiten das Mass der Beschränkung von selbst finden '^). Dass eine Beschränkung erforderlich, ist kein neuer Gedanke; es ist von mir z. B. schon in Berichten aus dem März 1890, also mehrere Jahre vor Beginn der ganzen Edition, geäussert worden. In den bisher erschienenen ersten Bänden der Edition handelt« es sich aber neben dem Hauptzweck vor allem auch darum, den ganzen Betrieb der im 16. Jahrhundert neu eingerichteten Nuntiaturen offen darzulegen,

ersten Band seiner Darstellung die Wiener Akten überhaupt nicht angesehen. Ich musste die Durchsicht der betr. Fascikel zu früh abbrechen und mich für die spätere Zeit mit den Auszügen begnügen, die v. Bezold aus ihnen entnommen hat (Briefe des Pfalzgr. Joh. Casimir). Überhaupt darf ich an dieser Stelle wohl bemerken, dass mir zur Sammlung des in den zwei Bänden der Nuntiaturberichte herausgegebenen Materials nur zwei Jahre (1889 bis 1891) zur Verfügung gestanden haben.

^^) Ich selbst bin übrigens bei der Fortsetzung nicht mehr beteiligt.

Rom. Nuntiatarber. als Qaell z. Gesch. d. Köln. Krieges (tö76~15d4). 20l

und es hätte nach meiner heutigen Auffassung in dieser Beziehung wohl noch mehr geschehen können als geschehen ist, es hätten namentlich die Quellen, aus denen die Nuntien in Deutschland schöpften, und die Werkzeuge, deren sie sich bedienten, noch genauer festgestellt und vor- gefahrt werden können. Das lässt sich aber noch nachholen. An einer Stelle hoffe ich es selbst demnächst zu thun, und nachzuweisen, wie es vor allem die unmittelbaren Anregungen und Wünsche der jesuitischen Kreise waren, welche die Thätigkeit der Nuntien beeinflussten ; und L. seinerseits macht (S. 16) darauf aufmerksam, wie sehr Minuccis Berichte von den Briefen bayrischer Räte abhängig sind. Im übrigen ist es mir, vrie gesagt, nicht zweifelhaft, dass die späteren Arbeiten in allmählicher Progression Kürzungen der vorhandenen Berichte für den Druck vor- nehmen werden. Mit dem blossen Entschluss zur ^Selbstbeschränkung* bei der Fortsetzung, die Lossen empfiehlt, dürfte der Sache aber schwer- lich gedient sein. Denn bei der Herausgabe der römischen Akten kommen besondere Umstände in Betracht. Einmal die eigenartigen Ver- hältnisse des Vatikanischen Archivs, auf die näher einzugehen nicht er- forderlich ist. Daneben aber noch ein anderes. Wer in Rom, fem von allen litterarischen Hülfsmitteln, die in Deutschland jede grössere Bib- liothek darbietet, und fern von der Möglichkeit, deutsche Archivreper- torien zu benutzen, den Stoff* zu einer Aktenpublikation über die Gegen- reformation in Deutschland sammelt, ist gar nicht in der Lage, feststellen zu können, ob in irgend einem der vielen deutschen Archive für eine bestimmte Frage wichtiges, vielleicht ebenso wichtiges Material vorliegt, wie in Rom, und ob er mit Rücksicht darauf römische Akten unver- öffentlicht lassen darf, die, wenn auch vielleicht nicht durch die in ihnen berichteten Thatsachen so doch durch ihre Nüancierung von Bedeutung sind. Ganz anders läge die Sache, wenn wir eine Anzahl von Aktenpublikationen aus den Archiven der für diese Zeit massgeben- den katholischen Reichsstände bereits besässen. Das ist aber bekannt- lich nicht der Fall, die Veröffentlichungen von Stieve und Ritter aus den Wittelsbachischen Akten setzen erst später, mit dem J. 1590, ein. Der im J. 1860 von Cornelius entworfene Plan der Sammlung und Herausgabe der Wittelsbachischen Dokumente von 1559—1650 durch die Historische Kommission in München ist, soweit er den bayrischen, katholischen Zweig des Hauses betrifft, bisher erst für die Jahrzehnte nach 1590 verwirklicht, und das damals mit Recht betonte Bedürfnis, verwandte Unternehmungen an andere Männer und andere Regenten- bäuser anzuschliessen, um eine sichere Grundlage der deutschen Ge-

202 J. Öanseü

schichte dieser Zeit zu schaffen, hat leider bisher nur Kellers Akten- sammlung zur Geschichte der Gegenreformation am Niederrhein und in Westfalen veranlasst. Wie lange sich das wichtige Material für diese Zeit der Forschung manchmal entzieht, dafür genüge ein Beispiel. Lossen hat die Berichte der kaiserlichen Kommissarien aus den Jahren 1582 bis 1584, die in Wien beruhen und die er a. a. 0. S. 17 zu den wertvollsten Quellen über den Kölnischen Krieg zählt, erst im Jahre 1892. also im 22. Jahre seiner Beschäftigung mit den Akten des Kölnischen Kriegs, kennen gelernt. Er glaubte früher, ohne die Wiener Akten auskommen zu können. Denn im ersten Band seines Werkes erklärte er, dass er zwar seine Forschungen gerne auf das Wiener Archiv aus- gedehnt hätte, dass aber die übergrosse Fülle des bereits gesammelten Materials ihn nötigte, „an irgend einem Punkte abzubrechen, es andern überlassend, unvermeidliche Lücken auszufüllen." Wenn dieser Ge- sichtspunkt, von dem Lossen bei der Ausarbeitung seines zweiten Bandes zum Vorteil der Sache abgewichen ist, bei einer Darstellung erlaubt ist, so ist er bei einer Aktenpublikation, die sich notwendig auf eine bestimmte Quellengruppe beschränkt und der unmöglich jahrzehntelange Vorarbeiten voraufgehen können, geboten. Mit der Thatsache, dass bei der fortschreitenden Veröffentlichung und Verwertung der deutschen Archivalien manches römische Aktenstück an Bedeutung verlieren wird, muss man rechnen. Denn ein allgemeines Kriterium für Kürzung der römischen Quellen mit Rücksicht auf später bekannt werdendes deut- sches Material giebt es nicht, die „Selbstbeschränkung" wird also immer nur von Fall zu Fall und mit grösster Vorsicht anzuwenden sein. Der von mir betonte und auch von Lossen anerkannte Grundsatz, dass diplomatische Depeschen einen besonderen Wert für die Forschung be- sitzen, wenn ihre Verfasser als handelnde Personen, nicht als beobach- tende, mehr oder minder unbeteiligte Zuschauer auftreten^ dürfte m. E. in den meisten Fällen, aber auch nicht immer, ausschlaggebend sein. Die hier in Rede stehende Abteilung der ^Nuntiaturberichte aus Deutsch- land' hat die Aufgabe, die Akten der päpstlichen Regierung über ihre deutsche Politik während des wichtigen Pontifikats Gregors XIII. all- gemein zugänglich zu machen, sie soll aus den römischen Akten selbst klar erkennen lassen, auf welchen Grundlagen und mit welchen Mitteln die Werkzeuge der Kurie den umfassenden Plan der Gegenreformation in Deutschland durchgeführt haben. Dass eine Darstellung dieser grossen Bewegung oder einzelner Teile derselben auch alle übrigen Quellen zu Ijerücksichtigen hat, bedarf keiner Erörterung. Ebensowenig aber, dass

Rom. Kuntiaturber. als Quell, z. Gesch. d. Köln. Krieges (1576—1584). 203

für diese DarstelluDg auch die Kenntnis der Nuntiaturberichte, und dieser an erster Stelle, weil der Anstoss der Bewegung von Rom aus- ging, unentbehrlich ist.

Lossen ist in Bezug auf den Kölner Krieg unter diesem Ge- sichtswinkel betrachtet er die Nuntiaturberichte in einer besonderen Lage, da er seit 25 Jahren das Material für eine Darstellung dieses Krieges in den deutschen Archiven sammelt. Ihm wird natürlich eine einseitige Quellenpublikation eine solche sind die Nuntiaturberichte ohne Zweifel nicht so viel Neues bringen können, als der übrigen Forschung, welche die Schätze nicht kennt, die Lossen in langer Arbeit bei sich angesammelt hat. Auch Lossen wird aber wohl nicht leugnen wollen, dass von den gedruckten aktenmässigen Quellen über den Kölner Krieg die Nuntiaturberichte bis jetzt die wichtigste sind. Und im übrigen ist es, auch nach dem Inhalt der beiden vorliegenden Bände, nicht erforderlich, die Nuntiaturberichte ausschliesslich vom Standpunkt der Kölner Verwicklungen zu betrachten. Als eine Quelle ersten Ranges für die Geschichte der Gegenreformation überhaupt werden sich die Nuntiaturberichte mit jedem folgenden Bande deutlicher erweisen.

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Zur Geschichte der Münsterschen Dombibliothek.

Von Bibliothekar Dr. H. Detmer zu Münster i. W.

Die kurzen Notizen, die sich über die ehemalige Dombibliothek zu Münster i. W. erhalten haben, bis dieselbe infolge der anabaptistischen Wirren 1 534 fast völlig vernichtet wurde und bis erst durch eine reiche testamentarische Zuwendung des Domdechanten Gottfried von Raesfeld vom Jahre 1586 der Grund zu einer neuen ansehnlichen Büchersamm- lung gelegt ward, sind wiederholt zusammengestellt *). Weiteres Material zur Geschichte der Münsterschen Dombibliothek findet sich, abgesehen von einigen nur ganz trocken aufzählenden Katalogen, weder in dem Akten- noch in dem Handschriftenbestande der Königlischen Paulinischen Bibliothek mehr vor, in die nach der Säcularisation des Bistums die Dombibliothek aufging. Glücklicher Weise aber lässt sich die Lücke in mancher Beziehung noch ausfüllen mit Hülfe aktenmässiger und hand- schriftlicher Bemerkungen, die sich im hiesigen Königlichen Staatsarchive

*) Zuletzt von meinem Kollegen Dr. Bahlmann im „Korrespondcnzblatt" der Westdeutschen Zeitschrift Jahrg. 10 (Trier 1891) Sp. 84/89 und 114 ff.

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erhalten haben. Sie geben uns gelegentlich erfreulichen Aufschluss über das Wachsen und Gedeihen und über die Verwaltung der Dombibliothek. An der Hand dieser zum grössten Teil noch nicht benutzten Quellen versuche ich in folgendem die Geschichte der für unsere westfälische Provinz besonders wichtigen Büchersammlung zu ergänzen.

Doch vorerst noch Einiges über die Zerstörung der ältesten Münsterschen Dombibliothek, von der wohl kaum ein Rest erhalten ge- blieben ist. Sie hatte lange ihren Platz in der Vorhalle der Domkirche, im sogenannten Paradies, gehabt, bis sie zu einem guten Teile durch eine am 7. September 1527 entstandene Feuersbrunst vernichtet wurde. Der Einzige, der uns von diesem Brandunglück berichtet, ist Hermann von Kerssenbroick *). Zwei Stellen seines Werkes kommen in Betracht, die hier nach dem ältesten erhaltenen Manuskripte angeführt sein mögen, da die oft citierte im Jahre 1771 erschienene mangelhafte Übersetzung Ungenauigkeiten enthält, die selbst in der zweiten Auflage derselben von 1881 noch wiederholt werden. Kerssenbroick sagt in der Einlei- tung zu seiner Wiedertäufergeschichte: Veterem autem instructissimum et irrecuperabilem thesaurum omnes totius Westpbaliae bibliothecas nobilitate auctorum et antiquitate librorum super- antem flamma cum paradiso eius repositorio aono 1527 die 7 Septembris absumpsit. In ea enim autographa multorum auctorum et libri ex corti- cibus arborum facta conservata fuisse dicuntur und dann in seiner Erzählung der Ereignisse aus dem Jahre 1527: Nee solum KnipperdolliDgns, sed ne factiosorum quisquam liaguae suae frenum iniicere eaoique a mordacibus suis dicteriis et obloquiis in ponti- ficios continere potuit. Cum enim septimo die Septembris per incuriam eorum, qui plumbeas laminas tecti paradisiaci consolidatioDe firmiori refi- cerent, (ubi forte ignem negligeotius custodivissent) paradisum episcopalis iudicii consessum nocturna flamma corripuisset ac non tantura teclum, sed etiam admirandae vetustatis bibliothecam, irreparabilem totius Westphaliac thcsauram, in qua praeter Codices ex arborum libris confectos multorum quoque doctorum virorum autographa aliaque insignia ipsius Caroli Magui monamenta conservata extiterunt, absumpsisset et in cineres convertisset, atque illud incendium bonos vires maxime doctos ad lacrimas effundendas fere commovisset, factiosi rident, cachinnantur, prae gaudio exultant . . . Wir dürfen annehmen, dass schon bei diesem Brande leider viele unersetzliche litterarische Schätze ein Raub der Flammen geworden sind, und müssen hinzufügen, dass, was etwa, wie die stattliche Sammlung Rudolfs von Langen, noch gerettet wurde, sehr bald darauf zu Grunde

') Corfeys Nachricht (Geschichtsquellen des Bistums Münster Bd. 3 (Münster 1856) S. 326) geht gewiss auf Kerssenbroick zurück.

Zur Geschichte der MünsteMchen Dombibliothek. 205

ging bei dem wQsten, vaDdalistischen Xreiben der Anabaptistea. Kerssen- broick schrieb sein umfaDgreiches Werk zwischen den Jahren 1566 und 1573. £r sagt ausdrücklich, dass zu seiner Zeit die Bibliothek, die sich damals an der rechten Seite des oberen Stockwerkes im Kapitel- hause befand, nur unbedeutend ausgerüstet gewesen sei ; sie habe nur ans wenigen Werken bestanden, Geschenken des gelehrten Hermann von dem Bosche und des Domdechanten Rotger Schmising'). Wie wir weiter unten sehen werden, sind diese Zuwendungen an die Dombibliothek in ihren Hauptmassen erst im Jahre 1548 gemacht worden.

Ganz systematisch in der Vernichtung der noch gebliebenen Druck- werke und Manuskripte, der Urkunden und Privilegien, der Ratsproto- kolle, Gerichtsakten und Rentenverzeichnisse gingen gleich beim Beginn ihrer Herrschaft die Wiedertäufer vor. Kerssenbroick weiss zu be- richten, wie am 24. Februar 1534 nicht nur die Reliquien und Zier- rate des Doms und anderer Kirchen ihrer Zerstörungswut zum Opfer fielen, sondern wie an diesem Tage mit anderen Büchern zusammen auch die an Handschriften reiche Sammlung Rudolfs von Langen zer- rissen und verdorben wurde*). Bald darauf fährt er fort: Qaicquid ex superioribus motibus in templis integrum relictum fuerat, dis- perditur; libros ex omnibus templis in campum dominicum congestos cum literis consignatis exurunt, libros vero rationum et acta iudicialiam cau- sarum discerpant ac per vicos disiieiunt, und erzählt endlich, wie um die Zeit des Sonntag Lätare (15. März) 1534 auf Mattfays' Geheiss alle Bücher mit Ausnahme der Bibel auf den Domplatz zusammengetragen und dort verbrannt wurden^).

^) „Bibliotheca in guperiori tabiilato (seil, domus capitularis) ad dextram parumestinstructa, cum tantum habeat quosdam auctores ex donatione M. Hermanni ßuschii, de nobili genere orti ac viri citra controversiam doc- tissimi poetacque lauro insigniti, ac Domini Rotgeri Smysingi decani**.

*) Den richtigen Text hat schon Bahlmann a. a. 0. Sp 88 gegeben. Seine Auffassung im Gegensatz zu der flüchtigen und irrigen Übersetzung ist durchaus zutreffend. Auf Langeu's Bibliothek beziehen sich wohl die Worte des Frankfurter Bürgermeisters Justinian von Holtzhausen, der aus dem Lager von Munster berichtet: ^sagen wunder, wie ein schone liberie sie verprent haben, geacht über zehen dansent gülden wert, on die privilegia und änderst'^. (Geschichtsquellen II, 342).

^) „Circa dominicam Laetare, quae fuit 15 Martii, idem ille Matthis- son praecipit, ne quis in urbe cuiuslibet generis auctores seu libros praeter vetus et novum testarnentum habeat, contrectet seu legat ; hos enim solos ad salutis negotium suffleere; reliquos vero omnes ad campum dominicum illico perferant. Quo eum incredibilis libroruin multitudo perlata fuisset, qui etiam

W«ttd. Zeitsohr. f. Gesch. n. Kunst. XIY, II. 15

206 H. Detmer

Diese wiederholt schon verwerteten Angaben Kerssenbroicks, der sehr oft aus gleichzeitigen Quellen schöpft^), geben uns ein dnixhaus richtiges Bild von der fanatischen Art, wie die Wiedertäufer die litte- rarischen Erzeugnisse der früheren Zeit verwüstet und mit den wich- tigsten rechtlichen Dokumenten aufgeräumt haben. Anschaulicher noch wird es, wenn wir die Thatsachen aus dem Munde der dem Zerstörungs- werk Nahestehenden selbst berichtet hören. Schon am 29. Januar 1535 giebt Johann Klopriss in seinem Verhöre zu Brühl an: ,,Was da ist gewesen van briefen und siegeln und bucheren, auch der stat Privile- gien, das sie alles verbrant^).** Johann von Leiden äussert sich in seinem Bekenntnisse am 24. Juli 1535 zu Dülmen: „Item sin die brieve und segeile, vort Privilegien, regesteren und alle ander bueke und reke- nongen in dem upruere durch Johan Thisen bevel int irst verbrant worden, und dat durch der oirsacken, so alle ding gemein sin, gein eigendomb wesen und niemantz meher erbeiden, sonder sich allein auf Got verlaeten solde^).*' Ganz Ähnliches bekennt Enipperdollinck in seinem Verhöre am selben Tage^j und gleichzeitig gesteht Krechling: „Item dieweil auch aller menschen ja sal ja sein, neen neen, derhalven hebben se alle ehre segele, breve und register umbracht und verbrant, up dat man damit kein woker weder dryven könne ^^j.^ Eine Flug- blatt endlich aus dem Jahre 1535 „die Ordnung der Widerteuffer zu Münster*' betitelt ^^), hat einen Abschnitt „wie es zu Münster ergangen ist von der zeyt, alls die statt ist beleger t worden**. Die hier geboteneu Nachrichten, die zum grössten Teil in die Münstersche Bischofschronik übergegangen sind, gehen auf den Bericht des Hermann Ramert zurück '^), eines gewesenen Anhängers der Wiedertaufe, der am 19. Juni 1534 heimlich Münster verliess, um die durch Hille Feiken beabsichtigte Er-

ultra viginti millibus florenorum valebant, in ignem ibi excitatum coniecti in favillam rediguntur** . . .

') Die zuletzt angefahrte Stelle ist der „Warhafftigen Ilistoria*' des Dorp (Strassburg 1536) entnommen (Bl. C. 4^). Dieselbe Quelle benutzte Ilamelmann (Opera geneal. bist. ed. Wasserbach. Lemgoviae 1711 S. 1221).

^ Niesert: Miinsterische Urkundensammlung I (Coesfeld 1826) S. 1:^2.

^) Geschichtsquellen II, 374.

») G€schichtsquellen II, 378.

^0) Niesert a. a. 0. S. 194.

") Abgedruckt in der Zeitschrift für vaterl. Gesch. Bd. 17 (Münster 1856) S. 240 ff. Einen Originaldruck besitzt das hiesige Staatsarchiv.

**) Vgl- meine Ausführuagen in der Zeitschrift für vaterl. Gesch. Bd. 51 (Münster 1893) S. 107 ff.

Zur Geschichte der Münsterschen Dombibliothek. 207

mordung des Bischofs Franz zu verhüten. Hier heisst es: „Die capitels kamer oben und unden sind alle fenster, benck und was darinnen was zerprochen, die lyberey gar verderbt, und alle bücher, die darauff waren, verprennet, und die auff dem chor waren, die nit verprennet waren, dieselbigen alle zerschnitten und zer- rissen worden."

Sicher ist, dass nach dem Brande von 1527 und nach dem noch vernichtender aufgetretenen wüsten Treiben der Wiedertäufer von der einst wohl recht stattlichen Münsterschen Dombibliothek Nichts, oder so gut wie Nichts erhalten geblieben ist'^), und dass mit der Sammlung von Büchern für den Dom von.Neoem vorgegangen werden musste.

Zur Erkenntnis der Geschichte, des allmälichen Entstehens und Wachsens einer neuen Dombibliothek in Münster schien es mir notwen- dig zu sein, die etwa noch vorhandenen Testamente der Domherren zu durchforschen. Lag doch die Annahme nahe, dass gerade in den Kreisen der höheren kirchlichen Würdenträger und der Domgeistlichkeit hier sich das Interesse für das Znstandekommen eines reichhaltigen und gut ge- ordneten Bücherschatzes an der Kathedrale am lebhaftesten betätigen würde. Eine grosse Anzahl solcher Vermächtnisse, die überhaupt auch sonst noch manches wertvolle Material zur Kultur- und Sittengeschichte der früheren Zeit enthalten, sind im hiesigen Königlichen Staatsarchive aufbewahrt. Sie reichen bis in die dreissiger Jahre des 16. Jahrhun- derts. Ihnen sind die zunächst folgenden Angaben entnommen.

Das älteste dieser Testamente und der damit zusammenhängenden Sacbaufnahmen, in denen Bücher überhaupt erwähnt werden, ist das des am 5. Februar 1632 verstorbenen Domvikars Heinrich Sternemann. In dem über die Nachlassenschaft aufgestellten Inventar heisst es:

,,ltem invenerunt ibidem bibliam cum concordantiis, sermones Pomerii de

tempore, sermones eiusdem de sanctis, item manipulum cnratorum, item

tractatum de vitiis" und bald darauf ist in den Receptis secundum tenorem inventarii vermerkt :

„Hos libros distribuimus inter amicos domini testatores*^. Dann folgen der Zeit nach mehrere Testamente, die über Bücher Nichts enthalten, so die des Kanonikus Wilhelm Staell (1534), des Vikars Arnold Lübbeken (1535), des Dechanten Heinrich Hake (1537), des

'') Unter den von Staender in seinem Catalogus chirographorum (Bres- lau 1889) S. 192 angeführten 32 Handschriften der Dombibliothek könnten der Zeit nach hier höchstens 6, die Nummern 3, 52, 347, 355, 380 und 381 in Betracht kommen. Anhaltspunkte, wann sie der Bibliothek einverleibt wurden, finden sich nicht.

15*

208 H- Detmer

Domherrn Philipp von Hoerde (1538), des Vikars Hermann Mersch- mann (1538). Einen Einblick in eine reichere Büchersammlung er- halten wir erst durch das Testament des Jobannes Hertogen genannt van Camen, der am 15. September 1541 als Domvikar verstorben ist. Sein letzter Wille ist vom 13. M&rz 1536 datiert. Die Hauptmasse seiner aufgesammelten Werke vermachte er einem gewissen Dietrich Scheve. Ich führe von ihnen, weil sie Bezug haben auf die Wieder- täufer-Litteratur, folgende an: „Bericht und antwortb brodor Johann is Heller up etzliche falsche artykell. Bescheytlick und unstrafflich ant- wortb up de duytschen artykell Bernhard! Rothman durch Ghristia- num Adelphum Stenerensem. Noch unstraffliche und merckliche antwortb des selffte up 44 artykell Dirici Buytmanss. Catapultum fidei in plerosque pseudopropbetas Johannis Daventriensis. Noch eine disputation Petri und Diriri Buytmanss. Malleolnm christianum Johanne Hellero authore: assertiones eiusdem unici baptismatis contra anabaptistas.^^ Den Dom bedenkt der Erblasser zwei Mal, indem er der Marien-Kapelle am Umgang sämtliche geschriebenen Teile des Breviers schenkt und ferner bestimmt: „Josephum et Egesippum de hello Judaico in de gcrkameren to leggen." Dass Alles wirklich geschehen ist, be- zeugen nicht nur die Worte im Rechenschaftsberichte der Testaments- vollstrecker, sondern die jetzt der Königlichen Paulinischen Bibliothek angehörige Josephus- und Hegesipp- Ausgabe von Mailand 1513 trägt noch heute die von gleichzeitiger Hand schön eingetragene Notiz:

„Hunc librum donavit et assignavit Dominus Johannes Kamen huic sacrario

ecciesiae maioris Monasterii anno 1541^.

Nirgends geschah bisher einer Dombibliothek Erwähnung. Auch noch in der Computatio executorum des am 18. April 1546 verstor- benen Domherrn Andreas Valcke werden die im Inventar namhaft ge- machten Bücher, darunter Emsers Übersetzung des Neuen Testaments, die Responsiones Doctoris Gropper contra Bucerum, ein Speculum Saxoniae, unter die Neffen des Valcke verteilt **) Aber im folgenden Jahre finden wir, und zwar gleich in ziemlich bedeutsamer Weise, die ersten Spuren einer neuen Büchersammlung fQr den Dom. Der Urheber einer solchen, oder wenigstens derjenige, der zuerst etwas Wesentliches für die Neube- gründung einer Dombibliothek gethan hat, ist der gelehrte Domdecfaant Rotger Schmising, von dessen Geschenkgebung uns auch Kerssenbroick erzählte. Er starb am 23. Januar 1548. Das für uns wichtige Testa-

^*) Reccpta de bonis inventis : Item ibidem invcnimus nonnallos libros, qaos reposuimus pro filiis fratris domini testatoris.

Zur Geschichte der Münsterschen Dombibliothek. 209

ment trägt das Datum des 3. November 1547 und hat in dem hier in Betracht kommenden Abschnitt folgenden Wortlaut: „Item Corpora utriusque iuris cum doctoribus et alios quoscumque libros meos selectiores et qui digni videbuntur executoribus, nt reponantur ad bibliothecam novam, do ecclesiae Monasteriensi ibidem in usum com- munem reposcendos, salvo quod ca'pellano meo domino Johanni Norder- mann, si aliquot ex libris huiusmodi sibi utiles commendatos et ad vitam suam privatim ntendos petierit, illud ipsum concedi et permitti debeat. Item domino Joanni de Aquis concionatori do et lego Originis opera per Erasmum recognita in duobus voluminibus". £r vermachte also seine sämtlichen Bücher mit wenigen Ausnahmen, so weit seine Exekutoren sie für passend dazu erachten würden, der Dom- kirche, damit sie zu einer neuen Bibliothek und zum allgemeinen) öffentlichen Gebrauch aufgestellt werden Dass also vor Schmisings Legat eine Dombibliothek hier in Münster noch nicht wieder bestand, das geht aus diesem Testamente mit grösster Sicherheit hervor und wird weiter bestätigt durch die schriftlichen Yermerkungen, die sich in einzelnen der früher in Schmisings Besitz gewesenen und jetzt auf der Pauüna befindlichen Bücher in deutlichen Zügen erhalten haben. So heisst es beispielsweise im Lexicon biblicum per Andream Placnm, Coloniae 1543, und im Compendium iuris canonici Petri Ravennatis, Coloniae 1507: „Y. D. Rotgerus Smisiuck decanus maioris ecclesiae Monast. logavit hunc librum eidem ecclesiae ad bibliothecam instruendam anno 1548** und in der Baseler Ausgabe des Eusebius, Hieronymus etc. von 1536: 3Y. D. Rotgerus . . . pro institueuda bibliotheca".

Im Inventar wird leider kein einziges der Schmisingschen Bücher

dem Titel nach angeführt, wohl aber die Zahl derselben genau genannt.

Es lautet dort:

9 . . . Dicti domini executores ... in dicta stuba quadraginta novem

libros in asseribus compactos magnos et viginti duos alios libros parvulos

etiam in asseribus compactos, item quinquaginta octo libros magnos et

parvos in pergamenis compactos una cum nonnuUis aliis libris incompactis''.

Es waren also neben einigen ungebundenen 49 grosse (Folio) und 22

kleine (Oktav) Bücher in Holzband, sowie 58 grosse und kleine Bücher

in Pergamentband, zusammen mithin 129 Bände. Der grösste Teil

derselben wird den verschiedenen theologischen Disciplinen, sowie dem

Kirchenrechte angehört haben.

Neben dieser seiner eigenen Zuwendung für eine neue Dombiblio- thek in Münster hat Rotger Schmising in seinem Testamente noch eine andere wichtige Yerfügung getroffen und damit den ausgesprochenen

210 H. Detmer

Willen eines seiner Freunde und Verwandten, des berQhmten Huma- nisten Hermann von dem Busche, erfüllt. Wir erfahren hier, dass Buschius selbst, der grösste westfälische Gelehrte und Dichter seiner Zeit, seine sehr ansehnliche und an Schätzen reiche Bibliothek nach seinem Tode (1534) für Studienzwecke im Besitze der Münsterschen Domkirche hat wissen wollen. Danach ist die Angabe des oft unge- nauen Hamelmann'^) zu berichtigen, als ob Schmising das Domkapitel bestimmt habe, die Buschius'sche Sammlung zu kaufen, und als ob der Bruder Hermanns, der Mindener Domdechant Burchard von dem Busche, erst darauf hin sie dem Kapitel freigebig schenkte.

Die Bibliothek Hermanns von dem Busche war im Laufe der Zeit wir können nicht mehr feststellen, ob die ganze, oder nur ein Teil derselben in die Hände Schmisings gelangt. Da dieser nach des Mindener Domherrn Tode (1542) dessen Testamentsvollstrecker gewesen ist, so mögen damals schon die Bücher nach Münster gekommen sein, um mit Zustimmung auch der Wittwe des Humanisten nach dessen Ver- fügung dem Dome zugeteilt zu werden. Längere Zeit war das unter- blieben. Jetzt bestimmte Schmising letztwillig:

„Item sunt adhuc apud me libri quondam domini Hermanni Bnschii per ipsum et demum post eins obitum uxore ipsius manifestante idqne rat um et gratum habente capitulo et ecclesiae Monasteriensi donati et ad biblio- thecam novam nunc nondum inchoatam in ecclesiae et studiosorum usum reponendi. Quod cum hactenus nondum factum sit, velim et rogo, ut quam primum fieri poterit executores mei curare diguentur, ut dicti libri ad re- positorium novum in dicta bibliotheca ad hoc praeparatum bono ordioe reponantur, idque fiat sano iudicio peritorum et harum rerum experientiam habentium''. £r fährt aber unmittelbar fort:

„Quoniam quidem inter dictos libros pleraqne Lutheri et aliorum maxime recentiorum schismaticorum et hereticorum opuscula, quae meo iudicio melius fuerit in bibliotheca non reponi, sed vel perdeuda vel sine offendi- culo utenda doctis ac piis viris committere; inter hos praecipue velim domino Patre in domo Fontissalientis ^^; eiusque opera et consilio utantur executores, condigna sibi et domui remuneratione pro laboribus ut par est de meis salva''. Also einige Schriften Luthers und Werke anderer „Ketzer" sollen aus- geschieden, und deren Verbleib soll abhängig gemacht werden von dem Urteile gelehrter katholischer Männer, in erster Linie von dem des Vor-

^^) A. a. 0. S. 312. Sie ist dann weiter in neuere Werke übergegangen. "} Damals Johannes Crampe. Vgl. Zeitschrift fUr vaterl. Gesch. Bd. 6 (1843) S. 98.

Zur Geschichte der Münsterschen Dombibliothek. 211

Stehers im Fraterbause. £iQ anderer Fall ganz ähnlicher Art wird ans weiter unten begegnen.

Wieder müssen wir hier, und zwar mehr noch, als bei den Werken Schmisings, beklagen, dass das Inventar keine einzige Titelangabe macht. Es wäre von grossem Interesse gewesen, wenn wir auf diese Weise die ganze Büchersammlnng kennen gelernt und auch dabei erfahren hätten, welche „ketzerischen** Werke der gelehrte und immer streitbare Humanist nach und nach fflr sich gewonnen hatte. Nur Qber die Zahl der Bücher erhalten wir auch hier Aufschluss: »Ascendentes cameram supra stubam, in qua inveneruut septuaginta quin- que libros in asseribus et viginti quinqae libros in pergamenis compactes; olim ad quondam magistrum Hermannum Buschium spectant . . .** £s sind also genau 100 Bände. Im Rechenschaftsberichte endlich lesen wir, dass die Schmisingschen Bücher alle, von denen des Buschius nur die 75 Holzbände dem magistro fabricae übergeben wurden „ad novam bibliothecam bono ordioe reponendam maiorem et meliorem partem, reliquos cum iudicio domioi patris Fontissalientis iuxta clausulam testamenti legendos et seponendos*'. Die 25 in Pergament gebundenen Werke sind hier also nicht wieder besonders erwähnt.

Schon Hamelmann ^^) bemerkt, dass die Buschius'sche Bibliothek reich ausgestattet gewesen sei mit in Italien gedruckten Werken. Das bestätigt sich vollständig, wenn ich nun ganz kurz den Titel, den Druck- ort und das Druckjahr der 20 verschiedenen Werke aufführe, die ich bis jetzt als aus dem Legate des Humanisten stammend in der König- lichen Paulinischen Bibliothek aufgefunden habe. Alle tragen von der- selben schönen, gleichzeitigen Hand, die die Geschenke des Schmising kenntlich macht, die Notiz: „M. Hermannus Baschius assignavit (donavit, legavit) hunc librum biblio- thecae maioris ecclesiae Monasteriensis''. Aristotelis libri logici. Paris, 1510. Aristotelis opera a. Jo. Argiropolo, Hermolao Barbara .... traducta.

Venetiis, 1505. Verschiedene Schriften des Aristoteles, Theophrast, Alexander Aphro-

disiensis Theodore Gaza interprete. Venetiis, 1504. Decem librorum moralium Aristotelis tres conversiones. Paris 1505. Mit

mehreren Beibänden. Maximi Tyrii sermones, Cossuo Paccio interprete. Romae, 1517. Piatonis opera a Marsilio Ficino traducta. Paris, 1518. Homeri Odyssea. Argentorati, 1510.

") A. a. 0. S. 312.

212 H. Detmer

Bessarionis Cardinalis Niceni iu calumniatorem Platoois II. 4. Venetiis,

1503. Strabo : de situ orbis. Veuetiis, 1502. Mit Solinus : do mirabilibus mundi.

Brixen, 1498. Justioi historiae. Yenetiis 1507. Mit Orosius. Yenetiis, 1499 und Li-

gurinus S. 1. e. a. Ovidii Metamorphoses cum Raphaelis Regii enarrationibus. Yenetiis,

1509. Mit Terentius. Yenetiis, 1497. Seuecae Tragoediae cum commentariis Bernhardini Marmitae et Danielis

Galetani. Yenetiis, 1498. Mit Macrobius. Yenetiis, 1500 und Galenus.

Yenetiis, 1494. Commentationes Philippi Beroaldi in Suetonium. Yenetiis, 1510. Yitruvius per Jocundum castigatior factus. Yenetiis, 1511. Mit Lactan-

tius Firmianus. Yenetiis, 1509. Yitruvius, Sextns Julius Frontinus, Angeli Politiani Panepistemon. Yenetiis,

1493. (Sammelband mit vielen Beibänden). Raphael Yolaterranus : commentariorum urbanorum libri. Mediclani, 1513. Textus de sphera Jobannis de Sacroboseo. Paris, 1507. Opus Cyrilli Patriarchae Alexandrini in evangelium Joannis, a Georgio

Trapezontio traductum. Paris, 1508. Mit Arrianus, quem latinitate

donavit Barthol. Facius. Pisauri, 1508. Epistolae Sancti Hieronymi. S. 1. 1496. Job. Franc. Pici Miraudulae liber de Providentia Dei contra philo-

sopbastros, 1508. Mit Probi instituta artium, 1509 ; libri paraphraseos,

Themistii. Yenetiis, 1499; Epitoma Jobannis de Monte Regio in

Almagestum Ptolemaei. Yenetiis, 149Q.

Wir sehen, die meisten der Bücher sind Ausgaben griechischer und lateinischer Klassiker, und in einem Bande sind häufig verschiedene Werke zusammengebunden. Bei einer weiteren von mir beabsichtigten sorgfältigen Durchforschung des Bücherbestandes in Münster wird sich gewiss der Katalog der Busche'schen Sammlung wesentlich vervollstän- digen lassen. Ich hofife, einen solchen in nicht ferner Zeit bibliographisch genau veröffentlichen zu können. Jedenfalls genügt wohl diese Probe schon, um darzuthun, dass durch die Schenkung des Buschius an die Münstersche Doinkirche der engeren Heimat des Dichters ein wertvoller Schatz litterarischer Seltenheiten erhalten geblieben ist. Dafür hat es glücklicher Weise nichts verschlagen, dass das Domkapitel schon in den Jahren 1588 und 1589 sich seines reichsten Bücherbesitzes selbst ent- äusserte, indem es denselben den eben angelangten Jesuiten zum Geschenke machte. Es mag in der ersten Freude darüber geschehen sein, dass der Lieblingswunsch des am 23. Oktober 1586 verstorbenen thatkräftigen Dechanten Gottfried von Raesfeld sich erfüllt hatte, und die Mitglieder der Gesellschaft Jesu festen Fnss in Münster fassten. Die meisten der

Zur Geschichte der Münsterseben Dombibliothek. 213

Bttsche'schen Bücher (von den angeführten bilden nur zwei eine Aus- nahme) tragen den Vermerk: „Liber Societatis Jesu Monasteriensis 1588 (oder 1589) dono rev. et nob. capituli ecclesiae cathedralis." Wie die Bachersammlung der Jesuiten in Münster den eigentlichen Stamm der heutigen Königlichen Paulinischen Bibliothek bildet, so gehören die Werke aus dem Besitz des Busch mit zu ihrer schönsten Zierde.

Aus dem Schmising'schen Testamente sei schliesslich der Voll- ständigkeit wegen noch folgende Stelle angeführt: „Item Goesswynn van Raesfelt zelliger tho Empten hefft my irtydtz etz- licke Juristen boyke gelenth, der eyn deyll in tydt der wedderdopischeu uproir bynnen Münster verbleven, doch den mheren und besten deyll noch by my vorhanden, uod synt alle grothe volumina in bredder myt brunen ledder overthogen gebunden, so dat se van mynen und zelligen Buschii bokeren woU tho unterscheiden und tho erkennen, und synth in alle noch twelff stucke edder volumina. Desolven zall men Goissens zelliger vorges. erven wedder tho stellen, und vor de umbgekomen boiker vorges. eyns geven twintich daler, der se doch nicht werdt (myns achtens), so se schorn vorhanden weren'^. Diese zwölf juristischen Bücher wurden nach dem Rechenschaftsbericht den Erben zugestellt.

Jetzt war wenigstens in Münster eine Dombibliothek wieder vor- handen ; und wenn sie auch nicht zahlreiche Bücher enthielt (die Schmi- sing*sche und Busche'sche Sammlung ergeben vereint ja nur höchstens 229 Bände), so konnte der wertvolle Inhalt doch einigermassen ent- schädigen. Für eine numerische Vergrösserung der Bibliothek bieten die erhaltenen Testamente der Domgeistlichkeit in den zunächst folgenden Jahren keinen Anhaltspunkt. Entweder ist von Büchern gar nicht die Rede, oder es werden zwar, wie bei dem Pastor zu St. Michael und Domvikar Eberwin Wegener im Testamente vom 30. Okt. 1581, einige wenige Bücher genannt, ohne dass über deren Verbleib eine Bemerkung hinzugefügt wird. Im Inventar des Domherrn Rutger Ketteier vom 29. März 1582 (das Testament vom 18. Febr. 1574 bietet Nichts) sind im Ganzen neun Werke namhaft gemacht, dann aber heisst es weiter : „Noch 181 stuck bücher mehren teils in octavo in bredder und pergamen gebunden, darunder veel scholasticalia gewesen, welche alle in specie zu designiren die hern executoren unvonnötea erachtet, dan dieselben in einen grossen koriT zusamen gethaa uud verschlosseu". Die Exekutoren werden mehrfach mit Büchern bedacht. . Ich führe ein Beispiel aus dem Testamente des Vikars Ulrich Verne (stirbt am 4. Juni 1575) an, das nebenbei auch des Klosters zu Ueberwasser gedenkt. „Ick geve den hern zu Overwater up dat huiss, dar se plegeu tho etten, myne bibeln, concordantias maiores sacrae scripturae, Calepinum und Lau-

214 H. Detmer

rentii Vallae clegantiaruin libros io brederen gebunden, der up dem baiss ad mensam tho gebruicken. Dem dechen gove ick myne coUectanea, die ich gescbreven und colligeirth up de evangelia und epistolas durch dath jair, und homiliarium tomos Eckii de tempore et sanctis dre boche und oich postillen Konninckstein de tempore et sanctis in eucn boke und so he noch welck sunderlinges begerde ^% dat hie myner daii by gedencke in synen gebede. Die anderen myne boke geve ick mynen handtgetruwen nha ehren willen tho gebruken". Am häufigsten sind Schenkungen an Verwandte und Freunde. Freilich stellt sich der Nachlass an Büchern nur selten als ein grosser dar. Ganz ansehnlich für die damalige Zeit war nur die Bibliothek des am 19. Oktober 1571 als Pastor zu St. Jakob verstorbenen Berthold Travel- manu. Ans dem Inventar lassen sich im Ganzen 334 Bände beraus- rechnen, darunter ein Manuskript auf Pergament, „liber statutorum seu privilegiorum der kercken Sunth Jacob**. Titelangaben finden sich sonst nicht im Inventar. Mit Ausnahme der Werke des Chrysostomus und des Beda sowie des Katechismus Francisci Sounii and weniger anderer Schriften, die einzelnen Verwandten besonders vermacht wurden, fiel im Testamente die ganze Sammlung den Neffen des Verstorbenen zu. In- teressant ist hier wieder die Einschränkung, die Travelmann macht, mit Bezug auf nicht gut katholische Bücher:

„Dewyle ick oick etliche suspecte authoren hebbe manck mynen boikeren, de verbodden sinth van der hilligen Romischen kercken, sie sinth dan Philippi, Brentii, Lutheri etc. und etliche mehr, de oick van mir iu ein register sint upgeschreven, de solt nicht in die voirgeschreven gyffte ge- taldt syn. Dan myn entlich will und begher is, dath de dem w. bereu üecano Beatae Mariae Virgiuis und pastori Divi Lamberti werden overge- lauget; und van dennen syn ich begheren, datt iro w. und 1. de boike nicht sunder ergerniss konde gelesen werden wolden tor stundt verbernen, und so etlichen geraden der to verkopen gelherden, godtfruchtigen preisteren, datt sodaine gelde moichte umb Gods wylleu gegeven werden; so oick etliche dair van ime geraden, armen preisteren to geven, sette ick alles an der beiden guiduncken, als ire w. und 1. in sodanen vall voir sick gedaiu hebben.

Wiederholt werden auch die Büchernachlasse durch die Exeku- toren zum Verkaufe ausgesetzt. Dann wird der Einband genauer be- zeichnet und der Wert der einzelnen Werke abgeschätzt. Den ersten Fall der Art hier finde ich bei der Nachlassenschaft des Domherrn Theodor von Merveldt (st. 1585). Da es immerhin von Interesse ist, zu erfahren, welchen Geldwert man damals einzelnen litterarischen Er-

^^) Recepta: Insuper ad libitum suum delegit pro singulari quadam memoria canones proviucialis concilii Colouiensis.

Zur Geschichte der Münsterschen Dombibliothek. 215

Zeugnissen beilegte, so lasse ich ans dem Inventar wenigstens einige Notizen hier folgen:

Des hilligen Romischen Richs Abscheidt ein Volumen in weiss ledder gebunden in fol. 4 Mk.

Corpus iuris civilis in quinque partibus in folio mit roiden ledder ge- bunden, gantz neuw, 46 Mk. 8 sh.

Consilia Wesenbecii 3 Mk. G sh.

Nicephorum in fol. mit weiss pergamein gebunden, 3 Mk.

Opera Ciceronis in novem tomis in octavo mit wissen ledder gebunden, 3 Mk.

Observationes Latinae linguae Schon . . . 5 sh.

lAurentii Yallae elegantiae . . . 3 sh.

Jamblichi de mysteriis Aegyptiorum in decimo sexto 2 sh.

Hippocratis opera medica in octavo 5 sh. 4 d. £in späterer Rechenschaftsbericht tlber das Inventar des Johannes Lo- man (st. 1634) giebt an, dass dem Aestimator fQr die Abschätzung von 58 Werken im Gesamtwert von 48 Reichsthalern 19 sh für seine Mahewaltnng 6 Schillinge bezahlt wurden.

Wir sehen, kein einziges der bisher seit Schmisings Gabe ange- fahrten Testamente bedenkt die Dombibliothek. So konnte der Dechant Gottfried von Raesfeld am 15. Juli 1586 wohl sagen: „Nachdem eine liberie des thnmbcapittnls von bucheren sehr bloss nnd leddigh ist.** Aber er knüpft an diese Worte ein Legat, durch das er den Anspruch hat, wenn nicht als Neubegründer, so doch als wesentlichster Förderer der Bibliothek zu gelten. „Sein schönes Portrait, offenbar ein Meister- werk eines (Hermann) Zum Ring*^),** schmückt noch heute den statt- lichen Saal der Königlichen Panlinischen Bibliothek und ruft in dank- bare Erinnerung znrück, dass seiner Gabe ein guter Teil der älteren Bacherschätze verdankt wird.

Gottfried von Raesfeld, der in der Münsterschen Geschichte als einer der Thatkräftigsten wirkte in unermüdlichem Kämpfen für katholische Lehre und für katholischen Glauben im Sinne der Gegenreformation, hat anch für die Umgestaltung und Festigung wissenschaftlicher Bildung rastlos gearbeitet. Es ist hier nicht der Ort, genauer darauf einzugehen. Er hat kein Opfer gescheut, seinen Zweck zu erreichen, und in diesen Kreis seines Wirkens fällt auch die Vervollständigung der Dombibliothek. Im ersten Zusatz zu seinem Testamente^") vermachte Raesfeld

^') Nordhoff: Denkwürdigkeiten aus dem Münsterischen Humanismus (Münster 1874) S. 21.

'^) Das Haupttestament, bereits vom 9. August 1575 datiert und im hiesigen Staatsarchiv im Original erhalten, hat kein auf die Bibliothek bezüg- liches Legat. Den uns interessierenden Text der Zusatzbestimmungen, die

216 H. Detmer

dem Domkapitel am 15. Juli 1586 alle seine „gate, bestendige und catholische bucher zum vortheill einer instruirter und beständigen liberien*. Ein besonderes Verzeichnis der Bücher soll aufgenommen werden. Zur Herstellung einer sicheren Verwahrung der Bücher durch Ketten sind 100 Thaler angewiesen. Wer vom Domkapitel mit der Aufsicht und Verwaltung der Sammlung betraut sei, der solle für seine Mühe jähr- lich die Zinsen eines dafür zu belegenden Kapitals von 100 Thalem geniessen. Doch erscheint es Raesfeld gleich darauf, dass mit diesem Legat „zu stendiger underhaltungh bemelter liberien nit allerdings ge- holffen und gedienet" sei, und so vermacht er weiter 500 Reichsthaler, ans deren jährlichen Zinsen „obgedachte bibliothec alle jar and zu ewigen dagen sali underhalten, augmentirt, zugekaufft und verbessert werden an guten, bestendigen bucheren, Sonderlings so viell die religion belangt, keine bucher kauffen, die nit der warer, orthodoxer catholiscber religion gemess und unver hotten sein". Zu dem für die Besoldung des Bibliothekars ausgesetzten Kapital von 100 Thalern fügt er ein weiteres von 200 Thalern hinzu. Endlich soll dem Domkapitel jährlich um Martini oder an dem darauf folgenden Tage über die Verwaltung Rechenschaft abgelegt werden, und im Notfall soll Visitation eintreten.

So weit das Testament, das nicht nur eine für die damalige Zeit ansehnlich reiche Zahl guter, alter Bücher unverteilt beisammen hielt und der öffentlichen Benutzung zugänglich machte, sondern das auch Vor- sorge traf für die Erhaltung guter Ordnung, für die Kosten der Ver- waltung und, was die Hauptsache ist, das endlich auch noch Mittel gewährt zur Vervollständigung des Bücherbestandes.

Ein Verzeichnis der geschenkten Werke ward dem Wunsche Raes- feld's entsprechend im Jahre 1589 vollendet und ist in der Paulinischen Bibliothek aufbewahrt^*). Im Grossen und Ganzen gibt es noch heute Zeugnis von der Reichhaltigkeit und dem Werte der Sammlung haupt- sächlich auf theologischem und kirchenrechtlichem Gebiete. Nur schwach ist das Fach der Profangeschichte vertreten **). Aber schon Bahlmann führt mit Recht an, dass sich leider genau nicht feststellen lasse, was Raesfeld an Büchern besass. Das verhindern später gemachte Titelein-

im Archive nur in gleichzeitigen Abschriften beruhen, hat schon Bahlmann a. a. 0. Sp. 115 ff. abdrucken lassen.

*0 Ms. Nr. 258 (Nr. 754 des Staender'schen Kataloges).

'^) Aus der Gesamtsumme von 1443 Bänden entfallen 884 auf die Theologie, nur 85 auf die Geschichte.

Zur Geschichte der Münsterschea Dombibliothek. 217

tragnDgen, die nicht immer, besonders zuletzt nicht mehr, als Zusätze zum alten Stamm der Bibliothek zu erkennen sind. Einzelne Perga- mentblätter sind mit dünnen neu beschriebenen Papierseiten überklebt, durch die die alten Titelvermerke noch mehr oder minder deutlich hin- durchscheinen. Ganze Papierlagen wurden eingefügt. £s scheint mir, als habe der Katalog bei einer späteren Bücherrevision mannigfache Veränderungen erfahren. Leider sind auch niemals die Druckorte und Dmckjahre der verschiedenen Werke angeführt. Nur eine Durchmuste- rung des gesamten alten Bücherbestandes der Paulina an der Hand dieses Kataloges würde ein annähernd getreues Bild des einst Raesfeldschen Besitzes geben. Erleichtert wäre diese Mühe vielfach schon dadurch, dass zahlreiche Bücher auf dem figurenreichen Deckel noch heute das Raesfeldsche Wappen vereint mit dem Merveldtschen tragen.

Raesfeld hat übrigens einige seiner Bücher auch anderweitig ver- macht. In seiner dritten ^Additional-Disposition^ verfügt er: « Meine bueber, so auff dem hause Lüdinckhausen sein in die kirche gehörigh und sonsten, sollen bei dem hause Lüdinckhausen verpleiben ^ Für- sorge für unbemittelte Studierende bekundet die Bestimmung: „Item meine böche, die ich dannocli ein gude anthall habe und velle daran gelecht, für irsten die Scholasticalia so viell der etlichen Studenten dienen mochten und nicht so vermögend seindt zu kauffen und lust haben zu Studiren, dass sie denen umb Gottes willen gegeven und ausgetheilet werden." Und endlich fördert Raesfeld den Plan für eine besondere Büchersammlung an der Kollegiatkirche zu St. Mauritz mit folgenden Worten : „Item zu erbowung einer liberien zusteur verordne ich einmals zu verrichten zwantzigh Reichsthaler eins und zwei block oder planken druger geschnittener bredder, und dannoch etliche übrige bocher zu bathe und behueff derselben liberien in macht einer verzeichnus verordne ich bei coUegiatskirche zu S. Mauritz." Über diese geplante Sammlung habe ich weitere Nachrichten nicht gefunden.

In sofern eigentlich erst Raesfeld die Münstersche Dombibliothek numerisch und einem vielseitigen Inhalte nach auf eine Höhe brachte, von der aus sie wohl mit ähnlichen Sammlungen an anderen Orten wetteifern konnte, so wird er auch heute noch als der Neubegründer derselben betrachtet. Nur dürfen wir nicht vergessen, dass er hoch- herzig ein Werk fortsetzte und durchführen konnte, das schon fast 40 Jahre vor ihm der Dechant Rotger Schmising geplant und begonnen hatte. Von seinen Zeitgenossen ist Raesfeld dankbare Anerkennung geworden. Der Chronist Melchior Röchell hebt rühmend sein Legat

2l8 H. Detmer

hervor*'); und es fehlt auch nicht die Dichterstimme, die ihn preist und seine Gabe besingt. In dem schon oben erwähnten 1589 vollen- deten Kataloge wird zuerst ein Auszug aus dem Raesfeldschen Testa- mente gegeben, dann folgt von einem unbekannten Verfasser:

In reverendi ac nobliis D. Godfridi a Rassveld Decani Bibliothecam Encomiasticon. Sacro Godfridus reverendus in ordine Christi

De Raesfeldiaca nobilitate satus, Yivus et in terris et vivus in aethere, cleri Westvalici verum perpetuumque decus, 5 Nobilis ut vita, sie claro nobilis ortu

Yirtute enixus vincere stemma suum. Consiliis pollens prudentibus egit id unum, Publica qua posset parte luvare bona. Hoc monumenta locis diversis edita clamant, 10 Hoc obiecta ocuUs Bibliotheca probat. Cuius si pretium, si docta volumina spectes,

Natio per terras vix dabit ulla parem. Hie, reverendo Del mystes, venerande sacerdos, Munere praescripto quod mediteris habes. 15 Hie tibi sunt licitae dulcissima fercula mensae, Hie est cui figas oscula blanda venus. Hie Jovis aeterni flamen mysteria pandit,

Hie resonat celsi Musa beata poli, Hie vetus in variis loquitur lex edita linguis 20 Et cum Mose quidem qoisque Propheta Dei.

Hie tuba^^) victoris qui nunc cum patre triumphat

Te vocat ad sacrae proelia militiae, Et quao victuro manibus vibranda sit^^) hasta, . Et quae sint sanctis arma movenda canit. 25 Hie cum discipulis uno docet ore magister, In coelum recta qua gradiare via. Quae patres, eadem ti:aduDt documenta nepotes.

Unus in bis loquitur Spiritus, una fidcs. Adsunt aethereo profuso lumine docti, 80 Omnia qui scriptis explicuere suis,

Qui res obscuras verbis, sermone, figuris

Non liquere rüdes usque latere vires, Qui loca, quae certa coUidi parte vidcntur, Conciliaverunt acribus ingeniis. 35 Haereticis si quid blasphemo prodiit ore Divini Stratum militis ense iacet,

*') Geschichtsquolleu des Bistums Munster III S. 92. ") Ms.: tibi. »<>) Ms.: Sic.

Zur Geschichte der Miinsterschen Domhibliothek. 219

Dogmata sectarum quasi sint oracula divum

Quae prima facie fronteque sola vides, Sed iungas patres sponsaeque examina Christi 40 Unica quae veri firma columna datur,

Vana videbuntur mendacia, somnia, fraudes

Clarius in medio quam solet axe dies. Ut dictis Sit firma fides, hos perlege libros,

Ordine qui iuxta conveniente iaceut. 45 Qui cupit annales veterum cognoscere, fidos

Remm custodes, tempora, facta, viros, Hie habet historicos teuui non aere coempto^,

Qui vere referunt ordine cuncta suo. Quae snb naturae, sub Mosis lege per orbem, 50 Sub Christi variis gesta notata locis,

Quae sub gentili sunt observata popello,

Sub recutitorum plebeque Christiadum, Et demnm toto quicquid memorabile mundo

Et calamo dignum perpetuare fuit. 55 Nee tibi, qui calles divina volumina iuris,

Ipsa manus Crassi larga negavit opes Quicquid iuris habet conscriptum pagina libris.

Hie tibi suppeditat non sine laude locus. Ins tibi vis canonum, tibi vis civile, librorura 60 Copia fecundo praebet utrumque stilo.

Non leges, non qui rationis acumine legum

Nodos dissolvunt, cernis abesse*') viros. Ut iudex iusto lites examine discat,

Ut tribuat cunctis vindice iure sua, 65 Ut defendantur, qui sunt sine crimine noxae,

Ut sontes poenae subiiciantur, habes. Vulnera qui curas dextro vel ApoIIine febres,

Quae multum valeant, hie tibi parta vides, Quae vis naturae, quae vis innata sit herbis, 70 Quae sit in humano corpore causa mali,

His male perceptis hominum quot corpora perdis,

Aufers quot vitam, queis reparare studes. Totius haud sophiae generalia dogmata desunt.

Hie qui quaerat habet, qui sapuisse velit. 75 Quisquis amat doctas divinae Palladis artes,

Huc celer accurrat doctaque scripta legat. His in Musarum campis hortisque Minervae

Oblectet sese mentis et arva colat. Utatur medicus praesenti munere laetus 80 Et qui iura colunt et cui sacra placent,

Sentiat ut tandem Christi respublica sccum.

'') Ms. adesse.

220 H. Detmer

Magnitici hi sumptus commoda quanta ferant, Quanta sacerdoti, medico, iurisque perito, Toti doctorum commoda quanta gregi 85 Sentiat et dicat devoti cordis ab imo:

Haec qui fundavit vivat in arce Dei, Vivat in aeternum laetus conviva Tonanti, Vivat et aethereis gaudeat usque bonis. Als Quelle fQr die weitere Geschichte der Mttnsterschen Dombiblio- thek tritt nun zu den Testamenten eine Handschrift hinzu, die sich jetzt auf dem hiesigen Königlichan Staatsarchiv befindet*'^). Sie hat den Titel: „Copiarium Jitterarum originalium bibliothecae cathedralis ecclesiae Mo- nasteriensis, a reverendissimo et perillustri domiuo Godefrido a Raesfeldt eiusdem ecclesiae decano, aliisque piae memoriae benefactoribus fundatae et instructae, anno 1709 conscriptum.*'

Die ganze Anlage derselben, die zahlreichen unbeschriebenen Blätter zwischen den einzelnen Abschnitten ihres Inhalts weisen deutlich darauf hin, dass sie gleichsam ein übersichtliches Repertorium für wicli- tige Schenkungen an die Bibliothek und ftkr grössere Bücherei nkäufe sein sollte, und dass ursprünglich beabsichtigt war, dasselbe weiter zu führen. Das ist zwar leider nur mangelhaft geschehen. Immerhin aber sind die Angaben wichtig genug, um sie hier zusammenzustellen und sie an der Hand einiger Testamente zu prüfen und zu ergänzen. Sie sind in vier Abschnitte eingeteilt :

1. Nomina fundatorum et benefactorum, qui bibliothecam annuis redi- tibus seu proventibus pecuniariis auxerunt.

2. Nomina fundatorum et benefactorum, qui bibliothecam libris ia- struxerunt.

3. Fundationis et originalium litterarum autbentizatae copiae cum extractu restantium pensionum ex registris et computationibus biblio- thecae desumpto anno 1709.

4. Speciticatio librorum post annum 1707 ex mediis bibliothecae com- paratorum eorumque pretium.

Wie schon das Titelblatt ergiebt, sind die Verzeichnisse im Jalire 1709 angelegt worden. Es lässt sich aber auch feststellen, auf wessen Veranlassung das geschah. Auf der Rückfläche der ersten Seite der Handschrift, vor dem Titelblatte, nämlich befindet sich erfreulicher Weise eine Zusammenstellung der Namen sämtlicher Bibliothekare der Dombibliothek bis hin auf Johann Adolph Zumhaschen, der im Jahre 1761 sein Amt antrat. Im Ganzen sind 16 Namen aufgeführt mit näheren Angaben, deren 10 erste von einer Hand geschrieben sind, derselben Hand, die der wesentlichste Teil des Manuskriptes zeigt. Unter

") Ms. I, 59.

Zur Geschichte der Müostersch en Dombibliothek. 221

No. 10 ist genannt Joannes Kording vicarius . . . , und es heisst dann, immer noch in denselben Schriftzflgen, weiter: „obiit anno 1707, 26 Augusli; post huius obitum gratia . . . capituli obtigit mihi Adamo Gerardo Hönigh vicario , , ."• Das Todesjahr sowie alle weiteren Namen und Daten sind dann von verschiedenen Händen eingetragen worden. Der 11. Bibliothekar A. G. Hönigh also Hess im Jahre 1709 die Ver- zeichnisse anlegen, ist vielleicht selbst der Schreiber gewesen.

Bevor nun gleich der Inhalt der Handschrift näher angegeben werden soll, möge zunächst das Verzeichnis der Bibliothekare in seinem Wortlaute folgen.

Nomina Bibliothecariorum.

1. Bernardus Bttren vicarius S. Stephani, dein SS. Joannis et Pauli; obiit anno 1638, 8. Julii. (Über seine testamentarische Ver- fügung weiter unten).

2. Joannes Coccius vicarius SS. Laurentii et Vincentii, obiit anno 1644, 21 Decembris. (In seinem Testamente vom 13. August 1644 giebt er über seine Amtsverwaltung mit folgenden Worten Rechenschaft) :

Ad bibliothecam reverendissimi capituli quod attinet, sciat reverentia vestra

omnes libros eiusdem in genere mihi commissos quam diligentissime a me

CQStoditos, nuUos destructos, deperdltos aut suffuratos, aut mutuo aliis

traditos, nisi paucis de capitulo dominis, quorum manus in pulpito ibidem

hac super re deprehendentur. Percepta et exposita pro libris meo tempore

coemptis in rationibus meis pro bibliotheca coufectis clare liquent, quas

rationes meas occasione datas reverendissimo capitulo praesontari poterit

et nullam huic rei ioesse difficultatem opinor.

Seine Breviere und die anderen Bücher schenkt Ck)ccius testamentarisch

armen Studenten, die sich auf ein geistliches Amt vorbereiten. Nur

Kerssenbroicks Geschichte vermacht er dem Dechanten zu Überwasser.

3. Bernardus Doerhoff vicarius capellae B. M. V. im ambitu; obiit anno 1667. (Auf seinem Testamente, über das gleich unten Näheres, ist der 15. Februar 1668 als Datum seines Todes verzeichnet).

4. Bernardus Eneyerbein vicarius SS. Dorotheae et Caeciliae in armario, obiit 1670.

5. Henricns Poppe vicarius secundus S. Petri; resignavit anno 1678 factus exin sacellanus bursae; obiit vero anno 1703.

6. Bernardus Gerdeman primissarius capellae B. M. V. in am- bitu; resignavit anno 1681 expost factus sacellanus cellerariae et vica- rius S. Antonii.

7. Christophorus Jacobus Molle vicarius 11,000 Virginum; re- signavit et obiit anno 1686.

WMtd. Zaitaehr. 1 0«sota. n. Knnit. XIV, IL 16

222 H. Detmer

8. Godefridas Cappios vicarius Omnium Sanctoram, resignavit aoDO 1691 factus pastor in EwerswiDkell.

9. Joannes Gerardas Detten vicarias primos 4 Evangelistaram, ia caius locam anno 1700 in generali capitolo S. Martini substitatus est

10. Joannes Kording vicarias SS. Dorotheae et Caeciliae in armario; obiit anno 1707, 26. Angusti. Post haios obitam gratia . . . capitnli obtigit mihi

11. Adamo Gerardo Hönigh vicario Omniam Sanctomm ; obiit 1720.

12. R. L. Leachterman vicarias Dorotheae, cui anno 1730 in capitnlo generali sabstitatas est

13. Josephns Reineras Lion vicarias S. Stephani, qni obiit 13. Decembris 1741, in caias locam in generali capitnlo S. Jacobi 1742 nominatas

14. Everhardas Franciscas Bolten, qni obiit 1745, in caias locam a generali capitulo nominatas

15. Joannes Ignatias Pathays, qai obiit 4. Febraarii 1761, cai saccessit

16. Joannes Adolphns Zamhaschen diaconas primas sammi altaris cathedralis. Er wird im Adresskalender für das Ilochstift MQnster noch far das Jahr 1800 als Dombibliothekar angefahrt. 1801 er- scheint als sein Nachfolger der Vikar Melchior Hagebök. Einer gQtigen Mitteilang meines Kollegen Bahlmann verdanke ich die Notiz, dass hier noch im Jahre 1816 in der Person des 1818 nach Bonn berufenen Wecklein, Professors für orientalische Sprachen an der hiesigen Uni- versität, ein besonderer Dombibliothekar fangiert hat.

Der erste Abschnitt unserer Handschrift führt die hauptsächlichsten Geldlegate auf, die der Dombibliothek zugewendet wurden. Nach Er- wähnung der uns bereits bekannt gewordenen reichen Raesfeldschen Schenkung wird mitgeteilt, dass der Dechant Heidenreich von Lethmate und der Vikar Hermann Biderwandt je 100 Reichsthaler vermachten, und dass weitere Legate seitens der Vikare und Bibliothekare Bernhard Büren und Bernhard Doerhoff zuflössen. Nur über die beiden letzteren habe ich die testamentarischen Bestimmungen auffinden können. Sie lauten :

1. Büren: Item eiusdem capituli bibliothecae obligatio centum daleronim a domino scholastico Drosten piae memoriae supra praedium Bentlage sigil- lata . . . cum pensionibas cessis et cedendia detur, sie tamen, ut inde tres daleri in usum et augmentiim librorum quam diu soWuntar a bibliothecario impendantnr, duo daleri Bemardo Loman olim famulo meo, nunc eustodi summi templi, singulis annis ex perceptis solvantur. Post ipsius obitam aliis tribus eustodibus duo illi daleri dentur. Sextum dalerum bibliothecarius pro

Zar Geschichte der Münsterschen Dombibliothek. 223

tempore propter emonitionem habeat. (Die noch erhaltene Quittung des Biblio- thekars Coccius über dieses Geschenk ist vom 31. August 1638 datiert.)

2. Doerhoff: Similiter ad bibliothecam cathedralis ecciesiae lego pen- sionem sesqui daleri in termino Michaelis mihi restantem ex praedio maiore Storberock in Senden de anno 1633 et omnibus sequentibus insolutam, quae ad 50 daleros se extendit hoc anno 1665. Etiam ad bibliothecam ecciesiae cathedralis lego pensionem, quam mihi debet dominus Korff, dominus in Laer- kotten, scilicet sex florenos in termino dominicae Palmarum de novem annis insoluta, nempc de anno 1637, 40, 46, 47, 50, 51, 53, 55, 61; ad haec unum florenum ex praedio Boiman de Septem annis restantes, scilicet de anno 1636, 37, 40, 46, 47, 50 et 51.

Wie schlecht übrigens hier, uAd aach sonst noch häufig, die Zinsen an die Bibliothek entrichtet worden, das geht aas den Auszügen hervor, die ans ansere Handschrift im dritten Abschnitt aas den Rech- nangsbüchem mitteilt. Probeweise lasse ich die auf das Bürensche Legat bezüglichen Angaben folgen:

£xtractas restantiaram pro bibliotheca. Vigore emonitoriorum medietas huius pensionis, seil. 3 Rtlr. (custodes enim et bibliothecarius alteram medietatem ip- sismet in privato exegere usque ad annum 1669) restat pro bibliotheca de anno 1633 usque annum 1641 inclusive, sunt duodecim anni, ad 36 Rtr.

Pro anno 1645, 46, 47 et 48 solvit tum temporis colonus sperans se priorum annorum remissionem a capitulo im- petraturnm, quod tamen non obtinuit. De annis 1649 usque 1660, sunt etiam 12 anni, hi tres imperiales denuo restaut insoluti ad 36

De anno 1661 usque 1669 ad novem annos (ut quinque pro

ceuto) medietas facit .22 14 s

Ab anno 1670 usque 1690 utrimque inclusive in compu« tationibus reperitur pro quota custodibus et bibliothe- cario competente solutos esse ex mediis bibliothecae et inter exposita relatos anuue 2 Rr. 20 s., unde pro illo tempore integralis pensio ad quinque imperialis biblio- thecae vicissim competit et facit de modo dictis annis 105

Summa

199 Rr. 14 8.

Contra usque ad annum 1690 ad bibliothecam soluti et

computati in toto

ö9 15

Quibus a superiori summa . . . subtractis restabunt ex

praedio Bentlage ad bibliothecam solvendi 139 Rr. 27 s.

salvis restantiis custodibus summi templi et bibliothecario

usque ad annum 1670 in privato competentibus. Ab anno 1690 usque 1708 inclusive haec 5 imperialium pensio

a cultoribus praedii saepedicti rite praestita et ad com-

putationes relata.

224 H. Detmer

Bei der Doerhoffschen Schenkung wird die noch ausstehende Ge- samtsumme auf 120 Kr. 15 s. berechnet. Dazu bemerkt Hönigh: Anno 1709, 7. Novembris praeinsertorum extractus et clausulae testameuti copiam communicavi domino Bischopingh vicario et emonitori capellae B. M. y. in ambitu eum in ünem, ut si haec capitalia in futurum redimi contingat, restantiarum a domino Bernardo Doerhoff vicario praefatae ca- pellae ad bibliothecam legatarum ratio habeatur.

Im zweiten Abschnitte der Handschrift werden die Namen derje- nigen angeführt, denen die Bibliothek Zuwendungen von BQchern ver- dankt. An der Spitze steht wiederum Grottfried von Baesfeld. Erst nach ihm ist. Rotger Schmising erwähnt (legavit varios libros), und dann folgen, eingeleitet durch die Worte: „similiter dederunt varios libros^, die Namen von achtzehn Wohlthätern. Sie sind ohne weitere Bemer- kungen zusammengestellt, weder in chronologischer, noch in alphabetischer Folge und scheinen nur gelegentlich aufgefundenen Schenkungsvermerken in den Büchern selbst entnommen zu sein. Wir finden verzeichnet:

Hedenricus a Lethmate decanus.

Theodorus a Plettenbergh cellerarius et senior.

Arnoldus a Kaesfeldt.

Temmonis a Bucholtz executores. (Er starb als Domherr am 6. April 1626. In seinem Testamente vom 16. Dezember 1624 ist von seinen Büchern nicht die Rede. Doch lesen wir in der 3*^ pars computationis : „Sixtinus in 4^ pro bibliotheca capituli cathedralis ec- clesiae hingelegt und dahin transferiert." In der jetzt in der Panli- nischen Bibliothek aufbewahrten Ausgabe des tractatus de regalibus Regneri Sixtini, Cassellis 1614, steht handschriftlich eingetragen: ^Ad domini Temmonis a Bocholtz canonici . . . libros inventrizatos spectat. Sui executores ad usum bibliothecae rev. capituli anno 1629 transtule- runt et illi donarunt"^).

Bomardus a Mallingkrott decanus. (Er starb im Jahre 1664. Seine Schenkung, von der ich in den Testamenten nichts auffand, muss sehr reich gewesen sein. Zahlreiche Bücher der Paulinischen Bibliothek tragen Mallinckrodts Namen, darunter den Vermerk: Ad bibliothecam cathedr. eccles. Monast.).

Nicolaus Aid Gehmen.

Doctor Batzen.

Nicolaus Steenlage Ordinis Praedicatorum prior in Bispinghove et per Saxoniam provincialis nee non summae aedis concionator. (Er starb 1589. Neben anderen Büchern wird ihm das älteste bekannte Manu- skript der Wiedertäufergeschichte Kerssenbroicks verdankt. Es hat

Zur Geschichte der Münsterschen Dombibliothek. 225

auf dem Titelblatte die Notiz: Nicoiao Steinlagen . . . pertineo anno 1574. Coias exeeutor . . . Arnoldus Bueren decanus . . bibliothecae rev. capitnli dono dedit anno 99).

Christiauus Cappius vicarius.

Michael Dalius typographus.

Ludolphus Wyseman vicarius.

Hermannus Beventrup cameralis.

Hermannus Biderwandt vicarius.

Hermannus Buschius.

Andreas Yalcke. (Das schon oben angeführte Testament dieses am 18. April 1546 verstorbenen Domherrn hat Biicherlegate nur für dessen Neffen).

Joannes Camen.

Joannes Hageboken vicarius.

Godefridus Herdinck vicarius. Dnreh die erhaltenen Testamente lassen sich die Angaben unserer Handschrift leider so gut wie gar nicht ergänzen. Ausser in dem In- ventar des 1645 gestorbenen Domherrn Kaspar Schmising dictus Korff, der ein ^breviarium Romanum in octavo, sambt anderen btlcheren, dar von ein nngebundener tomus auctore patre Theodoro Schmisinck, ad bibliothecam cathedralis ecclesiae verehret^, finde ich testamentarisch der Dombibliothek nur noch von Seiten des Bernhard Büren das Kräu- terbuch Adami Loniceri vermacht. Auf den ersten Blick scheint das sehr auffällig zu sein, um so mehr, da wir wiederholt bei den Anlagen zu den Testamenten ganz stattliche und wertvolle Büchersammlnngen inventarisiert bemerken. Aber diese wurden teils der Familie der Ver- storbenen erhalten, teils und das ist wichtiger einer anderen Bibliothek zugewandt, die, nicht viel jünger als die Dombibliothek, sich grösseren und allgemeineren Interesses zu erfreuen gehabt hat. Das ist die Sammlung der Jesuiten. Wir sahen sclion oben, wie der Gesell- schaft Jesu sehr bald nach ihrer Niederlassung in Münster vom Dom- kapitel selbst wichtige und ganz gewiss nicht doppelt vorhandene Werke ans der Dombibliothek geschenkt wurden. Von der Mehrheit des Ka- pitels begünstigt, brachte der Orden bald auch eine Büchersammlung zu Stande, die diejenige des Domes schnell an Zahl der Bücher überflügelte. Selbst Verwalter der Dombibliothek, wie Büren und Dörhoff, vermachten ihre Druckschriften dem Kollegium Societatis Jesu. Wie reich der Zu- flnss an Büchern dahin war, das lässt sich, mehr noch als aus den erhaltenen Testamenten, aus den zahlreichen verschiedenen Herkunfts- vermerken erkennen, die sich noch heute in den Werken aus der frühe- ren Jesuiten-Bibliothek vorfinden.

226 H. Detmer

Der dritte und umfangreichste Teil der Handschrift giebt uns zunächst einen wortgetreuen Auszug aus dem Raesfeldschen Testament und macht uns sodann in beglaubigten Abschriften mit verschiedenen Kapital- und Zinsverschreibungen zu Gunsten der Bibliothek bekannt. Ans den Rechnungsbüchern wird stets dabei vermerkt, wie hoch sich bis zum Jahre 1709 noch die Restforderungen belaufen. Ich setze die Inhaltsangaben dieser Urkunden, wie sie von Hönigh formuliert wurden, kurz hierher und fQge jedes Mal die noch ausstehenden Beträge hinzu.

1. Litterae sigillatae loquentes erga dioecesin Monasteriensem super Sorte capitali 800 imperialium et annuc 40 imperialium reditu in termino Furilicationis B. M. V. sublevando ex camera nummularia sab speciali hypo- theca molendini in Stattlohn et praedii schultetici Probstinck in Saetlohn, dat. anno 1573, pridie Parificat. Copia authentica cessionis super prae- missa obligatione, quam haeredes Gertrudis Buren, viduae Michaelis Wegandts consulis in Ahauss, transferunt in Bemardum Buren bibliothecarium, dat. anno 1620, 14 Novembris.

Restforderung, capitali salvo, bis 1678 1080 Rr. Ab anno 1697 usque huc (1709) ex camera nummularia solutio rite facta.

2. Gutsherliche verschreibuitg herren thumbkelners Diederichen von Plettenbergh auf Lüdke-Cappenbergs erbe über 100 alte Rr. haubtsumm und 6 Rr. iährliche renthe in behuef eines . . . tumbcapittels bibliothec, dat. anno 1622 in vigilia Epiphaniae.

Bis 1708 belief sich die noch ausstehende Summe auf 428 Rr. Hönigh fügt hinzu: Ob tenuitatem praedii ad contributiones et pachtas vix sufficien- tis praescripta pensio in hodiemum usque diem percipi aut extorqueri non potuit

3. Gutsherliche verschreib ung . . . Diederichen von Plettenbergh auff Grote Kendrups erbe kirsfpels Sandorp über 50 Rr. capitali und 3 darab in termino SS. Philipp! et Jacobi iährlicher zinse in usum bibliothecae, dat. anno 1629, 1 Maji.

Bis 1690 waren an Zinsen noch 146 Rr. 14 s. zu entrichten. De anno 1690 usque 1700 creditur solvisse, abinde vero usque annum 1708 incl. solutio indubitate facta.

4. Consentbrief . . . Diederichen von Plettenbergh auf Reckevehrts Erbe im kerspel Nienberge sprechendt über 50 Rr. haubtsumb und 3 Rr. jährlichs pension in behuef eines zeitlichen bibliothecarii, dat. anno 1624, 20 Apriüs.

Im Ganzen standen bis 1690 noch 135 Rr. 14 s. an Zinsen aus. De anno 1691 usque huc consequenter solutum.

5. Consentbrief . . . Diederichen von Plettenbergh auf zelleren Schele und dessen im kirspel Telgt belegenen erbe haftend von 50 Rr. capital und 3 Rr. pension.

Hönigh sagt: Notandum, consensus huius originales litteras mihi non esse extraditas nee hucusque reperibiles, quamvis expressam de consensu mentionem faciat dominus Bemardus Doerhoff bibliothecarius in emonitorio de anno 1645. Die Restforderung bis 1690 ist auf 151 Rr. 14 s. berechnet.

Zur Geschichte der Münsterschen Dombibliothek. 227

De anno 1690 usque 1700 an et quantam solutem sit non constat. De anno tarnen 1701 usque 1708 utrimque inclusive vigore emonitoriorum solvuntur a modernis cultoribus dicti praedii Schele annue 2V2 Hr-

6. Consensus rev. domini scholastici maj. Henrici a Droste super prae- dio Bentlage parochiae Amelbuhren de capitali 100 et pensione 6 imperia- lium in usam Bemardi Buren vicarrii de anno 1618, 28 Junii. Clausula testamenti quondam domini Bemardi Buren.

Testament und Abrechnung sind schon oben mitgeteilt.

7. Consensus dominicus rev. domini obedientiarii in Lembeck Godefridi a Droste super praedio Koep parochiae Greven de sorte capitali 50 nee non 3 imperialium interesse in usum bibliothecae, dat. anno 1625 ipsa die S. Ur- sulae (21. Oct.).

Nicht entrichtet siad bis 1689 101 Rr. 14 s. Utrum de anno 1690 usque 1699 utrimque inclusive solutio facta sit, asserere nequeo, cum emoni» torinm herum annorum mihi non sit cxtraditum. De anno 1700 usque 1708 solttti sunt annue 2Vs Kr.

8. Littera consensus sub manu Henrici de Ledebuhr et Georgii Vogel- poeth uti mandatariorum rev. domini Reinardi de Mettemigh obedientiarii in Hiddinxell super praedio Grosse Wischman parochiae Bulleren de capitali 100 et sex imperialium annua pensione, dat. anno 1626, 7 Januarii, ex legato rev. Domini a Lethmaten.

Bis 1690 sind 212 Rr. rückständig. Dann gingen his 1708 die Zinsen richtig ein.

9. Consensus vicarii 10000 Martyrum summae aedis Bartholdi Huick . . . super praedio Niehoff parochiae Albersloh ratione capitalis 50 et pensionis trinm imperialium ad bibliothecam annue praestandae, dat. anno 1624, 25. Februarii.

Nicht eingegangen waren bis 1690 70 Rr. 14 s. Ab anno 1691 usque 1708 solutio 2 Vi imperialium laudabiliter continuata est.

10. Gutsherliche verschreibung hern Francisci von Lethmate, obedien- tiarii in Greving, sprechend auf das im Eirspel Roxell belegene grosse Jock- weges erbe über 100 Rr. haubtsumb und sechs in termino Martini fälliger zinse in usum Henrici et Catharinae Nunningh coniugum, dat. anno 1632, lO. Novembris. Praemissi consensus dominici cessio Henrici Nunningh ce- dentis in Joannem Kölner, pastorem in Roxell, cessionarium, dat. anno 1653. Altera cessio super eadem obligatione ab J. E. C. Riccius in usum Joannis Gerardi Detten tergo prioris cessionis inscripta.

l'ensiones praescriptae obligationis ad annum 1708 solutae sunt annue quinque imperialibus.

So weit die YerschreibuDgen. Hönigh fügt ihnen schliesslich noch zwei weitere Forderungen hinzu, die die Bibliothek schon seit Jahren vergeblich geltend gemacht habe. Es sei auch wenig Aussicht vor- handen, dass sie je erfüllt würden. Beide Male handelt es sich um abhanden gekommene Bücher. Ein Buchhändler, Bernhard Kracht aus Schermbeck, hat 1647 mit Genehmignng des Domherrn B. v. Mallinck-

228 H. Detmer.

rodt sämtliche Werke des Augustinas in 6 Bänden, die zasammen aaf 18 Rr. abgeschätzt waren, erhalten, ohne gleich Zahlung za leisten, fQr die sich Mallinckrodt verbürgte. Nach 10 Jahren bot Kracht bei aber- maliger Anwesenheit in Münster dem Domkapitel an Zahlungsstatt einige andere Bücher an, die aber, weil bereits in der Dombibliothek vorhan- den, nicht angenommen wurden. Die 18 Rr. sind bis 1709 nicht ent- richtet worden. Im selben Jahre 1647 entnahm Bernhard v. Mallinck- rodt aus den Dubletten der Bibliothek, die mit Zustimmung des Kapitels verkauft zu werden pflegten, eine Anzahl alter Bücher. Es waren im Ganzen 17, deren Titel und abgeschätzter Wert genau verzeichnet sind. Von dem vereinbarten Preise blieb die Hälfte mit 12 Rr. zunächst un- bezahlt. Auch dieser Betrag wird bis zum Jahre 1709 fortlaufend als ausstehend notiert.

Der vierte und letzte Abschnitt der Handschrift sollte ein über- sichtliches Verzeichnis aller Bücher geben, um die seit 1707 die Doni- bibliothek aus eigenen Mitteln sich vermehrte, mit Hinzusetzung der dafür gezahlten Preise. Entweder ist das Register, selbst in den ersten Jahren, nur sehr mangelhaft geführt, oder, wenn das nicht der Fall, so beweist es, dass auf Vervollständigung der Sammlung durch Ankäufe herzlich wenig verwendet ward. Von Hönigh, der der Bibliothek noch bis zum Jahre 1720 vorstand, stammen nur noch zwei Notizen her, einmal, dass 1710 auf speziellen Wunsch des Domkapitels die Acta publica Lundorpii in 15 Bänden für einen Preis von 137 Rr. 9 s. 4 d. erworben und für 16 Rr. eingebunden wurden, dann, dass im Jahre 1715 auf Geheiss des Kapitels eine grössere Büchersammlung aus der Nachlassenschaft des Eleemosynar Hermann Schulte gekauft ist Es waren im Ganzen 40 Werke, und der Gesamtpreis dafür betrug 37 Rr. 18 s. 2 d. Ich mache einige Bücher namhaft, besonders diejenigen, in denen sich noch heute Herm. Schulte als der einstmalige Besitzer nach- weisen lässt:

Sporer: theologia moralis. fol. 5 Rr. 3 s. 6 d.

Imhoff : notitia procerum. fol. 2 10 6 ^

Lud. Engels: ad ius canonicum. 4^ 2 9 ^ 4

Abraham a S. Clara: grammatica religiosa. 1 7 ^

Wilh. Stanihurstii tessera militis christiani, et eius-

dem de passione Christi. 8** 24

Comenii ianua linguarum. ^ 3 6

Vinitoris compendium sacrorum rituum. 8** „14„—

Novum Testamentiim in lingua Gallica. 8^ 14 6

Loarte: instructio confessariorum. 8** - 2 4 -

Zur Geschichte der Münsterschen Dombibliothek. 229

Ei*st Pathuys (1745 1761) machte dann wieder einige Ein- tragungen, aber nicht mehr als 11 (darunter Gretseri opera omnia in 17 Bänden für 85 Rr.), und fünf Mal ist dabei versäumt, den Preis hinzuzufügen. £s ist kaum glaublich, dass die Dombibliothek so spär- lich aus den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln vermehrt sein sollte. Viel eher ist anzunehmen, dass sehr bald unterlassen wurde, das Ver- zeichnis regelmässig weiterzuführen.

Hier endet die Handschrift, die als Nachtrag nur noch einige unwesentliche Obligations-Urkunden aus den Jahren 1737, 1744, 1746 and 1751 enthält, also aus der Zeit der Verwaltung des Bolten und Pathuys. Weiteres Material zur Geschichte der Münsterschen Dom- bibliothek ist im Staatsarchive hier nicht vorhanden. Sind auch die Testamente der Geistlichen im Ganzen nicht sehr ergiebig gewesen, und zwar in erster Linie, weil später die Büchersammlung der Jesuiten vor derjenigen des Domes stark begünstigt wurde, so haben sie doch die einzigen authentischen Nachrichten über den Plan zur Begründung einer neuen Dombibliothek und über die Ausführung dieses Planes gebracht. Die Bibliothek ist im Anfang dieses Jahrhunderts, wie bekannt, in die jetzige Königliche Paulinische einverleibt worden. Wann und unter welchen Verhältnissen das geschehen ist, darüber werden wohl nur die Akten im Provinzial-Schulkollegium zu Münster Auskunft geben können, aus denen uns Bahlmann weitere Mitteilungen versprochen hat. Ganz sicher ist, dass ein guter Teil der wertvollsten alten Schätze, die jetzt in unserer Sammlung aufbewahrt werden, der ehemaligen hiesigen Dom- bibliothek zu verdanken ist.

Weatd. Z«itoehr. f. Geioh. u. Kuait. XIV, II. 17

Zur Geschichte der Rheinschifffahrt.

Ein Vortrag von Eberhard Gothein.

Unter den Strömen Deutschlands ist der Rhein nicht nur der grösste und wichtigste, sein Lauf und sein Stromgebiet sind auch am reichsten und mannigfachsten entwickelt. Seine einzelnen Teile sind in ihrem natürlichen Charakter scharf von einander unterschieden, sie haben sich daher auch ein jeder eigenartig für sich entwickeln müssen. Zugleich aber sind alle Abschnitte dieses Stromgebietes unter einander durch die grosse Wasserstrasse zu einer Einheit verknüpft und deshalb auf einander angewiesen. Mag auch die oberrheinische Wirtschaftsge- schichte wesentlich die Beziehungen ihres Gebietes zum schwäbischen Hinterlande, mag die niederrheinische vorwiegend den Zusammenhang mit der Hansa ins Auge fassen, dennoch wird sich weder die eine noch die andere der Aufgabe entziehen dürfen, den Rhein als Ganzes, selbst sein Mündungsgebiet, die Niederlande, nur als Abschluss des Strom- systems zu betrachten.

Der Rheinlauf, soweit er für den Verkehr in Frage kommt, be- ginnt mit dem mächtigen Becken des Bodensees, das den eigentlichen Mittelpunkt Oberschwabens bildet. Nur die fortgesetzte Ungunst der politischen Verhältnisse hat es verhindert, dass Konstanz, einst die geistige Metropole dieser Landschaft, sich auch zu ihrer beherrschenden Stadt ausgebildet hat. Eigentlich ist die Gunst seiner Lage nur ein- mal ganz heiTorgetreten, als das grosse Konzil, die bedeutsamste inter- nationale Versammlung des Mittelalters, diesen Platz wählte, gleichsam als den gelegensten Transitplatz des geistigen Verkehrs. Damals Hess man alle Verkehrsbeschränkungen, alle Organisationen, innerhalb deren engbemessenen Kreise sich sonst das gesamte Wirtschaftsleben mittel- alterlicher Städte bewegte, für die Dauer des Konzils fallen, und sofort

WeitcU Zeitachr. f. Gesch. n. Kunst. XIV, UI. 18

232 E. Gothein

stellte sich heraus, welches unvergleichliche Verkehrsmittel der Bodensee bildet, mit welcher Leichtigkeit von allen Seiten her die Zufuhren er- folgten und bei einer enormen Steigerung des Konsums sich dennoch alle Preise erniedrigten*) eine Lehre, die einstweilen noch verloren bleiben musste.

Bis Schaffhausen erstreckt sich auf dem ruhig fliessenden Strom die Schifffahrt des Bodensees, und auf dieser Strecke sind im Mittelalter mehrfach Versuche gemacht worden, Städte zu gründen, die den Ver- kehr von Konstanz abziehen sollten. Dann beginnen die Hindernisse, welche zunächst bei Schaffhausen selbst eine völlige Unterbrechung des Wasserweges veranlassen und hier notwendiger Weise einen Platz des Güterumschlags entstehen Hessen. Auf der Strecke bis Basel, wo sich der Rhein zwischen Schwarzwald und Jura hindurchzwängt, besitzt er wohl überall die zur Schiffahrt nötige Tiefe; aber sein Bett ist von Felsbarren und Klippen durchsetzt, durch welche eine Reihe von ge- fährlichen Strudeln gebildet werden. Mit dem Knie, welches er bei Basel macht, tritt er nun in die oberrheinische Ebene, um sie erst bei Bingen, bei seinem Eintritt in die Mittelgebirge, zu verlassen. So gleich- massig diese grosse, an Breite zunehmende, von Randgebirgen ähnlicher Bauart eingerahmte Ebene auch dem Blick erscheint, so verschieden- artig gestaltet sich doch gerade in ihr der Rheinlauf. Bis Breisach reicht noch der flache Schuttkegel, den sich der Rhein von Alters her gebaut hat. In flachen Rinnsalen zwischen Geröll und Schotterbänken, an kein bestimmtes Bett gebunden, suchte der Strom hier ursprünglich seinen Weg; nur wo sich Felsen im Überschwemmungsgebiet selber finden, oder wo ein Stück des festen Hochgestades sich dem Flusse i

nähert, bestand ein natürlicher Brückenkopf. Auch solche Orte waren, |

wie das kleine Neuenburg, der Gefahr der Unterspülung ausgesetzt, oder i

wurden, wie das grössere Breisach, durch den Eigensinn des Flusses bald dem rechten, bald dem linken Ufer zuerteilt. Noch bis Strass- burg behält der Rhein im Wesentlichen dieses Aussehen; breite Sand- bänke durchsetzen überall sein Bett und verschwinden nur unter dem Hochwasser, um nach Kurzem wieder hervorzutreten. Der Rhein ist in der That auf dieser ganzen Strecke noch das „gewaltige Wildwasser", als welches ihn der Mann, der diese Wildheit zuerst gebändigt hat, der badische Oberst Tulla, der Schöpfer der Rheinkorrektion, bezeichnet hat.

^) Über die wirtschaftlichen Begleiterscheinungen des Konzils s. meine Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwalds L

Zur Geschichte der Rheinschifffährt. 233

Strassbarg, die natürliche Hauptstadt des Oberrheins, wo sich die Strassenzüge, die aas den Pässen des Schwarzwaldes und der Yogesen herkommen, mit dem Rhein und der stilleren 111 schneiden, macht auch für den Stromlauf den grossen Abschnitt. Von hier ab verändert sich sein Bild. In langsamerem Laufe gräbt sich der Rhein in dem lockeren Alluvialboden sein geschlängeltes Bett. So lange man ihnen nicht künst- lich wehrt, greifen seine Windungen an der Seite der Strömung immer weiter aus, bis sie zu einer Schleife geworden sind, und das nächste Hochwasser den engen Hals derselben durchbricht. Dann bleiben die Altwasser als Spuren des früheren Laufes zurück, sie erfüllen mit ihrem Netze das ganze breite luundationsgebiet ; die Besiedlung, die alten Strassenzüge rücken nicht über den Rand des Hochgestades hinaus, der auch noch durch die Erosionsarbeit des Flusses beständig benagt in geschweiften Linien, oder auch in Schollen aufgelöst, die Niederung begleitet, etwa wie im Tieflande die Geest neben der Werth einhergeht. Nur einzelne Klöster, in früher Zeit mit diesem unsicheren Besitze ausgestattet, Honau, Selz, haben sich anfangs in die eigentliche Niede- rung hineingewagt. Wo festes Ufer ansteht und frühzeitig die Kunst der weiteren Befestigung nachhalf, konnten auch städtische Ansiedlungen, Speier, Worms, später auf ungünstigerem Boden Mannheim in vergleichs- weise gesicherter Lage entstehen.

Diese Strecke des Flusslaufs reicht bis Oppenheim. Hier zuerst tritt der Rhein wieder über eine Schwelle felsigen Bodens und sofort gewinnt er ein völlig verändertes Ansehen, ohne dass sich die Gefahren für die Schifffahrt sehr verminderten. Durch die Verengung seines Thaies von Bingen abwärts werden seine durch die beiden bedeutendsten Nebenflüsse vermehrten Wassermengen aufgestaut, so dass er zuletzt im Rheingau fast einem See gleicht. Er greift jetzt nicht mehr nach Aussen, aber er verändert sich unablässig in seinem Bette selber. Von Oppenheim abwärts begegnen uns in zunehmender Anzahl die Auen, kleine Inseln von wechselndem Bestand. Der Fluss giebt und nimmt sie nach Belieben. Mir liegt eine umfangreiche Schrift aus einem Prozess, den Kurpfalz mit Kurmainz i. J. 1575 über das Eigentum dieser Auen führte, vor ^). Genau wird hier die Geschichte dieser An- schwemmungen etwa von der Mitte des 15. Jahrhunderts an aufgezählt. Keine einzige dieser Inseln, deren man allein in der Nähe von Ingel- heim 25 zählte, datierte damals aus älterer Zeit. Von allen waren

>) Bad. Gen. Landes-Archiv Pfalz Gen. Nn 5684.

18*

234 E. Gothein

die Schicksale noch in Erinnerung; wir hören, wann sie zuerst er- schienen sind, wie sie sich verändert haben, wie sie abgespült, ein Stück abwärts „verschoben" sind, oder sich an andere „angehängt** haben. Fortwährend entstehen neue „Sande" und verschwinden bis- weilen schon nach wenigen Jahren. Als ein blosses Geschenk des Flusses sollen sie auch zum Fluss gehören; das Reich, und an seiner Stelle der Pfalzgraf am Ehein, macht deshalb allein Anspruch auf sie; das Rheingauer Weistum gab dem Landesherren, dem Kurfürsten von Mainz, nur so weit Recht am Rheine, als er mit seinem Pferde hin- einreiten oder mit einem Hammer werfen möchte. Sobald sich eine Aue über dem Wasserepiegel erhob, wurde sie vom Gerichte in Ingel- heim in Besitz genommen und verliehen. Dann wird sie mit Weiden- anpflanzungen notdürftig befestigt und gewährt bald als Jagd-, Fischerei- und Weidegrund einen reichen Ertrag, bis sie schliesslich doch wieder dem Element, das sie geschaffen hatte, zum Opfer fällt. Ein unsicherer Besitz blieb sie auch in anderer Hinsicht ; denn über die Zugehörigkeit herrschte beständig Zwist zwischen den beiden Ufern. Es herrschte hier selbst in den friedlichen Zeiten am Ende des 16. Jahrhunderts ein fast unablässiger kleiner Krieg. Wenn die Ingelheimer ausrückten, um die Weiden zu schneiden, läutete man wohl auf dem rechten Ufer die Stuimglocken, rückte mit bewaffneter Mannschaft aus und richteu^ wohl gar von den zahlreichen Türmen des Rheingaus die Stücke auf die Auen. Gelang es dann, die geschnittenen Weiden den Nachbarn zu entführen, so Hess man es an Spott und Hohn nicht fehlen.

Kein grösserer Gegensatz, als wenn man aus dieser lachenden Landschaft, in der sich der Fluss breit entfaltet, in die Enge der Berge kommt. Wieder beginnen mit dem Binger Loch die Felsbarren, die den Fluss durchqueren und verengen und der Schifffahrt beträchtliche Hindemisse in den Weg stellen. Allein schon nach der Einmündung der I^ahn und der Mosel beginnt das Flussbett sich wieder zu erweitem. Von neuem begegnen uns Inseln, diesmal von festerer Art, nicht leicht verschiebbare Auen wie im Rheingau. Erst bei Köln aber nimmt der Fluss seinen Tieflandscharakter an ; seine Breite und Tiefe nehmen hier beträchtlich zu ; er folgte früher seiner Neigung sich in Arme zu teilen, bald in diesen, bald in jenen die Masse des Wassei-s zu wälzen, und noch heute gewahrt man überall, schon von Bonn ab, die Spuren alt^r Flussbette, die bereits im Mittelalter landfest gemacht worden sind. An der Stelle, wo der Rhein aus dem deutschen Reichsgebiet austritt, spaltet er sich dann auch endgiltig in Arme und erreicht damit sein

Zur Geschichte der Rheinschifffahrt. 235

Mündungsgebiet, das holländische Delta, lange Zeit hindurch ein schwan- kendes Land, in dem auch der Rhein seine veränderliche Natur be- wahrt. Bedeutung und Blüte der holländischen Städte haben zum guten Teil davon abgehangen, nach welcher Seite der Rhein den Strom richtete. Erst am ICnde des 17. Jahrhunderts ist der Waal der Haupt- strom geworden, während der Leck völlig zu versanden drohte, wie der alte Rhein vei-sandet war; und damals glaubte Dordrecht Amsterdam den Rang in der Flussschilffahrt ablaufen zu können.

Es ist ersichtlich, dass die Entfaltung der Schifffahrt ganz von den Bedingungen, die ihr durch die Vei-schiedenheiten des Stromlaufes jjestellt sind, abliängt. Der Verkehr w^ar genötigt, die mannigfaltigen Sohifffahrtshindemi^se zu bewältigen; an ihre gründliche Beseitigung dachte erst die Neuzeit. Am ganzen Oberrhein, also der verwahr- losctsten Strecke des Flusses, hat man sich während des Mittelalters begnügt, den Seitenbächen aus dem Schwarzwald ihren Lauf durch künstliche Ijandgräben anzuweisen und hat notdürftig genug für ihre regelmässige Räumung und Herstellung Sorge getragen, die den an- rstossenden Gemeinden oblag. Vom Rheine aber sagt ein Weistum, welches der Kurfürst von der Pfalz im 16. Jahrhundert über seine Ge- rechtsame bei den „Rheinleuten", den Vertretern der in der Pfalz von I^auterburg bis Bachai-ach gesessenen Fischer, erfragte: „Es ist nicht Gebrauch von Alters zum Rheine zu bauen, sondern was er giebt und nimmt, so ist es Recht". Die Altwasser zumal erschienen wohl gar als ein besonders nutzbarer Teil des Flusses, denn ihr stilles und schlammiges Gewässer bietet die besten Fischereigründe. In jenem selben Weistum fragen die Besamten des Kurfürsten: „Wie man die Altwasser gemacht habe?", worauf dann freilich die Fischer etwas verwundert antworten : „Ihres Wissens mache man die Altwasser nicht, sondern kämen sie durch die Überschwemmungen und Durchbrüche von selber". Sollten nun auch die Zölle recht eigentlich in der Hand der Regalherren für die Erhaltung des Wasserweges dienen, so war doch deren Interesse, da man den Verkehr nur immer glaubte belasten zu können, weit mehr der Fischerei zugewandt. Für diese hat man auf dem Rhein fiHhzeitig, erst durch Weistümer, dann durch Landesord- nnngen, dann durch Verträge hinreichend gesorgt und eine Verwaltung eingerichtet, die, wenn sie nur auch pünktlich ausgeführt worden wäre, jede Raubfischerei verhindert haben würde. Wie wenig man dabei an die Schifffahrt dachte, zeigt die sonst treffliche Rheinordnung des Kur- fürsten Philipp von der Pfalz vom Jahr 1488, die den Fischern nur

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auflegte, den Rhein vierzehn Schuh breit offen und unversperrt zu lassen. Immerhin war es in der Pfalz noch am besten bestellt. Hier hatte man schon früh dem Rhein durch den einen oder andern Durchstich nachgeholfen, hier sorgte man wenigstens seit den Zeiten des Kurfürsten Karl Ludwig, der seine Lehrjahre in der Verbannung in Holland durch- gemacht hatt€, leidlich für die Befestigung des Ufers durch Weiden- pflanzungen, und bald nach der Gründung von Mannheim entwarf der Deichhauptmann dieser Stadt, ein eingewanderter Niederländer, Pläne für einen besseren Dammschutz der ganzen Umgegend. Hier war auch der Dammbau Landessache, während in fast allen andern oberrheinischen Territorien auch der Schutz vor den Rheinfluten den anstossenden Ge- meinden überlassen blieb. Weiter aufwärts fand man denn auch nur wenige Dörfer, die sich durch Dämme geschützt hatten ; überall sonst bezeichnete der Rand des Hochgestades auch die Grenze des Überflutungsgebietes. Ganz anders war es mit dem Strombau am Niederrhein und in Holland bewandt. Eine uralte Kunst des Deichbaus, durch die das beste Stück des Landes dem Flusse erst abgewonnen werden musste, ist hier heimisch. Freilich da hier zunächst die einzelnen Genossen- schaften der Grundbesitzer jede für sich sorgte, brachte dies eine ge- wisse Zersplitterung der Thätigkeit mit sich. Nicht an Deichen, aber wohl an einem Deichsysteme fehlte es. Die Regalherren schienen ur- sprünglich nur so weit ein Aufsichtsrecht in Anspruch genommen zu haben, als die Deichbauten des einen den anderen schadeten oder die Wasserstrasse beeinträchtigten. So finden mr frühzeitig, dass holländische Dammbauten, weil sie diesen Anforderungen nicht entsprachen, wieder abgethan werden mussten; so geben noch im 13. Jahrhundert die Landesherren besondere Erlaubnis, wie der Erzbischof von Köln den Bürgern der Stadt Rees, gegen die zerstörenden Fluten des Rheinstroms Wälle und Bauwerk zu errichten. Schon im 14. Jahrhundert sind hier die Formen des Deichverbandes, wie er seitdem bestanden hat, ausge- bildet, und wahrscheinlich reichen sie in viel ältere Zeit zurück. Auch in den Städten war die Dammbaupflicht nicht anders als in den länd- lichen Gemeinden geordnet. Auch wenn der Kölner Rat einen Damm- bau oder bei niedrigem Wasser eine Befestigung des Ufers abwärts der Stadt beschloss, liess er den Bürgern von den Kanzeln ver- künden, dass sich jeder am bestimmten Tage selber mit den nötigen Gerätschaften einfinden oder durch einen starken Knecht vertreten lassen solle').

^) Köln. Arch. Ediktensammlung, Dammbau in Poll 1575—1580.

Zur Geschichte der RheinscbifTfahrt. 237

Als dann die Landesherrschaften erstarkten und den Kreis ihrer Tbätigkeit erweiterten, begannen sie am Niederrhein auch sofort mit eigenen Bauten vorzugehen, um mehr Zusammenhang in die inselartig vereinzelten Deichsysteme zu bringen. So verwandte schon Herzog Adolf von Cleve die Schätze, die ihm durch den Sieg im Cleverhamm zugefallen waren, aufs nützlichste in dieser Weise. Im J. 1575 gab dann Herzog Wilhelm die erste ein ganzes Territorium umfassende Deichordnung, da aus dem Mangel einer solchen für alle Ämter am Rhein Nachteile erwachsen seien. Hier wird die Selbstverwaltung der Deichverbände geordnet und ohne dass sie beeinträchtigt wurde, in ihr Gleichmässigkoit hergestellt. Hieran haben dann die genaueren Ord- nungen Friedrichs des Grossen und die Gesetzgebung unserer Zeit an- geknüpft, ohne doch wesentliche Änderungen einzuführen. Daran aber, den Rheinlauf selber zu vertiefen und zu verbessern, im Interesse 6ßr Schifffahrt wie der Anwohner, konnte Niemand denken ; denn dass man hin und wieder einen Rheinwörth durch Weidenpflanzungen zu befestigen suchte, ist doch kaum hierher zu rechnen. Nur die Holländer mussten auch hierbei der Natur jederzeit nachhelfen, und die grossen Summen, die sie zeitweilig, z. B. am Ende des 17. Jahrhunderts, auf die Ver- tiefung des Rheinbettes verwandten, erregten die Verwunderung der be- nachbarten Fürsten und ihrer Räte, die immer nur gewöhnt waren, vom Rhein Einkünfte zu beziehen und nichts auf ihn zu ver>venden. Erst in unserm Jahrhundert ist das Bett des Rheines durch die grosse Korrektion, die von dem am meisten gefährdeten Oberlauf ihren Aus- gang genommen hat, zu dem geworden, was es heute ist: einer Art Kunstprodukt, einem Werke der Technik.

Es ist klar, dass die Entfaltung der Schifffahrt ganz von den Bedingungen, die ihr durch die Verschiedenheiten des Stromlaufs gestellt sind, abhängt. In erhöhtem Masse war dies der Fall in einer Zeit, als man die Zustände hinnahm, wie sie nun einmal lagen, ohne an eine künstliche Verbesserung zu denken; Grade in diesen Zeiten aber, im eigentlichen Mittelalter bevorzugte der Verkehr die Wasser- strasse. Sie war trotz aller ihrer Hindernisse und Schwierigkeiten doch immer noch bequemer und sicherer als die meisten Landstrassen. Lamprecht hat darauf aufmerksam gemacht, wie Karl der Grosse und Ludwig der Fromme ihre Reisen, wenn es sich nicht gerade um Kriegs- züge bandelte, gerne zu Schiffe machten, wie der Erzbischof von Trier in der Mitte des 13. Jahrhunderts mit seinem ganzen ritterlichen Ge- folge in 40 Schiffen ohne die Lastschiffe die Mosel herab&hrt. Selbst

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aufwärts bevorzugen diese Erzbischöfe die langsame Beförderung auf der vielgewundenen Mosel. Die Fischer von Coblenz sind gehalten, sie bis nach Trier zu geleiten. Ebenso werden im ältesten Stadtrecht von Strassburg die Fischer für die Beförderung des Bischofs auf seinen Eeisen verpflichtet. Abi' auch Kaiser Friedrich III. hat seine Reisen am Rhein noch wiederholt zu Schiffe gemacht. Die Scharen von Wall- fahrern, die grossen Reisegesellschaften früherer Zeit, miethen regel- mässig ein Schiff; solche Brüderfahrten begegnen uns regelmässig auf ihrem Wege den Rhein aufwärts. Noch am Ende des 16. Jahrhun- derts bilden sie eine ständige Rubrik in den Zollregistern der Kur- pfalz. Was uns besonders in Erstaunen setzt, ist die Thatsache, dass selbst auf der heute unfahrbaren Strecke oberhalb Basel die Personen wie die Waaren auf dem Wasser befördert werden. Der Kaufmann, welcher' über den Arlberg kam, bestieg auf dem Bodensee das Schiff; derjenige, welcher die Pässe Graubündens gewählt hatte, nahm den Weg durch den Walensee, die Limmat, die Aare in den Rhein. Zahl- reiche Itinerarien berichten von den Fährlichkeiten, namentlich auf dem stürmischen Walensee, aber man blieb bis ins 16. Jahrhundert bei dieser Route, die im Mittelalter selbst Zürich zu einem Knotenpunkt des Schiffsverkehrs machte. Nachgelassen hat der Personenverkehr auf dem Flusse erst im 16. Jahrhundert, gleichzeitig mit dem Waaren ver- kehr; und das weist darauf hin, dass weit mehr die wirtschaftlichen Gründe als die Unbequemlichkeiten zu diesem Rückgang Anlass gege- ben haben. So konnte denn ein kühnes Projekt, das an der Wende des 17. Jahrhunderts die wirtschaftlichen Hindernisse des Rhein Verkehrs beseitigen wollte, auch sogleich damit umgehen, die Personenbeförderung in grösstem Massstab auf den Strom zu ziehen. Der Nahverkehr blieb so wie so immer den Marktschiffen, die von den grossen Stapelplätzen ausgingen.

Überall waren auf den gefährdeten Strecken Hilfskräfte zur Unter- stützung der Schiffer nötig, oder auch die Schiffer selber beschränkten sich auf diejenige Strecke des Flusses, die ihnen genau bekannt war. Daraus entwickelten sich je länger, je mehr die Monopolbestrebungen der einzelnen Schifferschaften: jede sucht den Nachbar aus ihrem Ge- biet nach Möglichkeit auszuschliessen, dennoch aber in das seinige über- zugreifen. Diese Tendenzen der Schifferschaften fielen nun wieder zu- sammen mit den Absichten der Handelspolitik der grösseren Städte, und stets unterstützten die einen die andern. Der Rheinfall bei Schaff- hausen bildete ein absolutes Hindernis; durch die grosse Stromschnelle

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bei Laufenburg liess sich hingegen die Schifffahrt nicht abschrecken, eine eigene Genossenschaft, die der Laufenknechte, besorgte das Durch- fahren der Schiffe an starken Seilen. Unablässig haderten die Schiffer von Laufenbarg mit denen von Basel über das Recht der Waaren- und Personenbeförderung aus der Schweiz. NocV hartnäckiger waren die Streitigkeiten der Basler mit den bis Strassburg abwärts gesessenen Schiffern. Die Geschichte der Schifffahrt am Oberrhein bewegt sich fast ausschliesslich in diesen Differenzen, die durch Geering in seiner Handels- geschichte Basels ihre Darstellung gefunden haben. Man kam zu Ver- trägen, in denen der Rheinlauf streckenweis ausgeteilt war, und in denen noch weiter zwischen den Rechten an der Thal- und an der Bergfahrt unterschieden war. Freilich kam schon vor dem Ende des 16. Jahrhunderts die ganze Fahrt auf dieser gefährlichen Strecke zwischen Strassburg und Basel fast ganz in Abgang. Die berühmte, von Fisch- art besungene Fahrt des glückhaften Schiffes von Zürich nach Strass- burg war wohl ein Probestück dieser Schifferkunst, aber zugleich auch ihr Abschluss. Für den Lokalverkehr mit dem oberen Elsass genügte das stillere Fahrwasser der lU, und in unserm Jahrhundert hat es bis zur deutschen Besitzergreifung geschienen, als ob der Rhein im Elsass durch die Kanäle, die das Land mit Frankreich in Verbindung setzen, ganz in den Hintergrund gedrängt werden solle.

Wenn die Strassburger Schiffer aus dem Rheinarme, mit dem sich die III und Breusch in ihrer Stadt vereinigen, stromab in den offenen Rhein hinausfuhren, so hatten sie zuerst alle Vorsichtsmassregeln ge- troffen, namentlich aber das Strombett darauf hin untersucht, ob es durch hineingeschwemmte Baumstämme nnfahrbar gemacht sei. Mit Pflöcken wurde das Fahrwasser abgesteckt. Gleiche Dienste leistet die Fischerzunft in Germersheim, wie denn diese überall innungsmässig organisierten Fischerschaften die beste lokale Kenntnis des Wassers in ihrem Bezirk besassen. Über diesen erstreckte sie sich freilich selten hinaus, und deshalb durften sich auch die Fischer nicht an der eigent- lichen Schifffahrt beteiligen, sondern werden nur als Hilfsarbeiter ver- wendet. Im 16. Jahrhundert war es üblich, dass die Steuerleute, die im Gebiet der Abtei Selz gesessen waren, den Rhein aussteckten und die Schiffe bis gegen Mainz geleiteten. Am Mittelrhein war vor Allem Bingen der Platz, wo man sich mit Steuerleuten versah; ein grosser Teil der Bevölkerung des Städtchens bestand aus solchen. Genossen- schaften, ähnlich jenen von Laufenburg, hatten in mehreren der kleinen Rheinstädtchen bis hinter Andernach ihren Sitz.

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Mit besonderen Schwierigkeiten war jederzeit die Bergfahrt ver- knüpft, bei der man das künstliche Beförderungsmittel der Zagpferde bedurfte.

An der Mosel bestand der Leinpfad seit der Römerzeit. Auso- nius erwähnt ihn, und auf dem Jgler Monument ist zudem ein Kahn, der von 2 Männern geschleppt wird, zu sehen. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass der Leinpfad am Rhein, mindestens abwärts Cob- lenz, ebenfalls aus dem Altertum stammt. Am Mittelrhein begegnete seine Anlage keinen Schwierigkeiten. Diese beginnen erst in grossem Masse oberhalb Speyer; eine gleichmässige Fortführung des Leinpfades in dem Gewirr von Altwassern und toten Armen war unmöglich. Noch im vorigen Jahrhundert bediente man sich hier statt der Pferde der Menschenkraft, um die Schiffe notdürftig aufwärts zu bringen. So wollen denn auch die Klagen über den Zustand des Leinpfades auf allen Zoll- kapiteln der rheinischen Kurfürsten, wo man jederzeit auch alle An- gelegenheiten der Schifffahrt einer Beratschlagung unterzog, nicht ab- reissen. Wohl waren z. B. in der Pfalz nicht nur die eigenen Unter- thanen des Kurfürsten, sondern auch die der übrigen Rheindörfer ver- pflichtet, auf das Gebot der kurpfälzischen Beamten jederzeit an der Ausbesserung des Leinpfades mit zu helfen ; aber gerade solche Rechte, von den anderen Territorialherren eifrig bestritten, dienten oft dazu, das ganze Unternehmen zu vereiteln. Eng verbunden scheint das Recht des Leinpfades mit dem Geleitsrecht zu sein, wie es die Sache ergab, aber auch bei der Bemessung der älteren Zölle kommt die Benützung des Leinpfades in Betracht. Jedenfalls wird ursprünglich die Bergfahrt höher besteuert als die Thalfahrt. Eine Erklärung der Zolltarife, als ob diese ursprünglich ganz frei ausgegangen sei, scheint mir einstweilen noch zu gewagt.

Der wechselnde Zustand des Fahrwassers machte die Benützung von Schiffsgefässen verschiedener Grösse auf den einzelnen Strecken ge- radezu erforderlich. Die primitive Beförderung von Waaren auf Flössen, wie sie etwa auf der Weichsel gebräuchlich war und in dem Handel Danzigs ihre Rolle spielt, war auf dem Rhein niemals von besonderer Bedeutung. In den bekannten ältesten Goblenzer Zolltarifen wird zwar das Floss bei der Verzollung dem Vollschiff gleich gerechnet, doch geht daraus nicht ohne Weiteres auch die Benützung für den Transport her- vor. Die Murgschiffer, die wichtigsten unter den rheinischen Holzflössern, durften nur ausnahmsweise auf ihren aus Sägeborden bestehenden Flössen Güter laden. Wohl aber bediente man sich namentlich oberhalb Strass-

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burgs vielfach grosser, roh aus Balken ohne Anwendung von Eisen, nur mit Pflöcken zusammengefügter Schiffe, die zur Bergfahrt nicht tauglich waren und deshalb, am Ziele angelangt, zerlegt und als Holz verkauft wurden. Auch im Kölner Holzhandel, dessen Ordnungen seit dem 14. Jahrhundert erhalten sind, kommen diese Schiffe, die zum Materialwerte verkauft werden, vor. Sehr häufig war es, dass der Schiffer das alte unbrauchbare Schiff überhaupt im Stich Hess, und es war der bessere P^all, wenn er es zuvor aufs Land gezogen hatte, wo es alsdann all- mählich zerfiel; häufig genug begegnet man aber auch im Fahrwasser den Resten verlassener oder verunglückter Schiffe, und gerade im Kölner Winterhafen wird über diese Hindernisse am meisten geklagt Im Gegensatze hierzu waren auf dem Rhein oberhalb Basel nur sehr stark gezimmerte Schiffe, die den Felsen und Stromschnellen widerstehen konnten, brauchbar. In den letzten Jahrhunderten fassten die Schiffe, die zwischen Basel und Strassburg gingen, höchstens 1500 Ctr., von Basel bis Mainz höchstens 3000 Ctr, von Mainz bis Köln 4000 Ctr.

So beträchtlich waren die Unterschiede aber doch erst geworden, seitdem die Ausbildung der Stapelrechte jeden durchgehenden Schiffs- verkehr beseitigt hatte. Seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts hatte man erst begonnen die grösseren Schiffe zu bauen, aber dieser tech- nische Fortschritt erfreute sich keineswegs der allgemeinen Billigung. Es zieht sich vielmehr fast von jener Zeit ab ein ununterbrochener, wenn auch nicht gerade hartnäckiger Kampf gegen die grossen Schiffe durch alle Kapitelstage und alle Verhandlungen der Rheinuferstaaten. Bald beklagt man es, dass durch die grossen Schiffe den kleineren die Konkurrenz unmöglich gemacht werde und befürchtet, dass sie, wenn sie erst zur völligen Herrschaft gelangt sein würden; dem Kaufmann nach ihrem Gefallen die Preise diktieren würden, bald beschwert man sich, dass durch sie die ohnehin langsame Verfrachtung noch langsamer werde, weil sie jederzeit mit der Abfahrt warteten, bis sie volle Ladung hätten; bald befürchten die Kaufleute von ihnen für sich verstärkte Konkurrenz, weil diese kapitalkräftigeren Unternehmer eine verstärkte Neigung zeigten, Handel und Schifffahrt mit einander zu verbinden ; bald argwöhnten die Zollherrschaften, dass durch die erhöhte Schwierigkeit der Durchsuchung des Schiffsraumes auch die Gefahr des Schmuggels erhöht werde.

Dennoch hatten selbst die grössten dieser Schiffe einen sehr ge- ringen Tiefgang. Selbst bei dieser flachen Bauart drohte die Gefahr, auf den Grund zu geraten, beständig. Das Verbot der Grundnihr,

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ausdrücklich, soviel wir wissen, zuerst von Kaiser Friedrieh II im J. 1235 zu Gunsten der Strassburger, die dieser Zusicherung auch am meisten bedurften, erlassen, war die erste Voraussetzung aller Sicher- heit der Fahrt. Immerhin war dieses Verbot auf einem Binnenstrora leichter durchzusetzen als das des Strandrechtes an den Seeküsten. Bei so notwendiger Vorsicht ging denn die Reise mit einer uns unbegreif- lichen Langsamkeit vor sich. Bei der Personen fahrt, die sich flacher Fahrzeuge, aber zugleich der Ruder bediente, ging es immerhin etwas rascher vonvärts. Allein die 1 9 Stunden Fahrt des glückhaften Schiffes» von Zürich nach Basel, während deren der Breitopf nicht kalt wurde, bleiben eine Ausnahme. Das Marktschiff von Mainz nach Frankfurt bedurfte einschliesslich der bequemen Mittagspause in Höchst den ganzen Tag, und die Personenfahrt von Mainz bis Strassburg dauerte regel- mässig etwa 8 Tage. Aber die Frachtschiffe auf dei-selben Strecke konnten bei ungünstigem Wasserstande wohl bis an 34 Tage brauchen. So blieb denn auch der Plan des Kölners Gerwin von Beiwegh, im J. 1699 eine Galeerenfiottille auf dem Rhein einzurichten, die mit uner- hörter Schnelligkeit Personen und Güter befördern sollte, trotz des grossen Interesses, das ihm die sämtlichen rheinischen Kurfürsten ent- gegenbrachten, ein blosses Projekt.

Die Personenbeförderung als der leichtere und weniger verant- wortliche Teil der Schift'fahrt unterlag auch weniger strengen Bestim- mungen. Zwar wurden die Übergriffe der Fischer, die sich nach dieser Seite hin mit Vorliebe richteten, überall zurückgewiesen, sonst aber nahm man es mit der Regelung der Konkurrenz nicht zu genau. Öfters beschwerten sich die Schiffer hierüber, ohne doch in diesem Punkt viel zu erlangen, während sonst der Rat ihren Ausschlussanträgen immer ein offenes Ohr lieh. Auch in Strassburg Hess man, als die Rangfahrt für die Frachten eingerichtet wurde, die Pei-sonenfahrt frei. Anderer- seits gelangte man gerade bei der Pei-sonenfahrt auf den Marktschiffen zwischen nahe gelegenen Orten zuerst zu festen Tarifen.

Im Übrigen aber drängte der ganze Zustand des Verkehi-swesens auf eine genossenschaftliche Organisation der Schiffer hin, und je mehr die Verkehrspolitik des späteren Mittelalters darauf hinausführte, die einzelnen Strecken des Rheinlaufes gleichsam als gesonderte Abschnitte in den Besitz eines Platzes zu nehmen, um so mehr mussten sich auch diese Genossenschaften festigen und abschliessen. Dahin zwar kam es nie, dass sie die freie Schifffahrt auf dem Rhein, die niemand eifriger als die mit der Aufsicht über den ganzen Rheinverkehr betrauten vier

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Kurfürsten im Munde führten, ganz ausgeschlossen hätten. Die Gross- wirtschaften des früheren Mittelalters haben den Absatz ihrer Produkte, namentlich der ausschlaggebenden Waare, des Weines, noch selber in der Hand behalten. Grössere Klöster besitzen oft in ziemlich weit ent- legenen Städten das Recht des Ausschanks ihrer Weine, den sie dann gewöhnlich selber hierher beförderten. Die zahlreichen Zollbefreiungen für Landesherren und geistliche Stifter lassen auch später diesen Eigen- handel nicht unbeträchtlich erscheinen. Ganz regelmässig haben sich die Hofhaltungen mit Schiffsladungen von Fischwaren und anderen Pro- dukten Hollands jährlich einmal versorgt ; aber je länger um so weniger war es üblich, dass man sich hierzu eigener Schiffe bediente. Die Statuten der Strassburger Schifferschaft stellen aber doch noch den Grandsatz an die Spitze, dass ein jeder seine eignen Waren verfrachten und verführen könne, ohne an die Zunft gebunden zu sein. Als eigne Waren gelten aber hier wie anderwärts auch alle Kaufmannsgüter, die erkauft sind, nicht blos der Erwachs auf eigenem Gute. Solche Sta- tuten binden also auch nicht den Kaufmann, dem man ja nach dem geltenden Handelsrecht nur den Handel mit selbsterkaufter Ware allein zaliess; sie besagen nur, dass Niemand ausser den Zunftgenossen die Waren Anderer verfrachten darf. In der That hat der Eigenhandel auf dem Rhein niemals ganz aufgehört. Namentlich seit dem 17. Jahr- hundert wird oft darüber geklagt, dass die Schiffer zugleich für eigne Rechnung kaufen und für andere Frachten besorgen wollen. Diesen wird dann stets, z. B. in Köln, eingeschärft, dass sie sich entweder zu dem einen oder dem anderen Berufe entscheiden müssten, verboten aber wird ihnen der Eigenhandel niemals.

Die Schifferzünfte am Rhein gehören überhaupt zu den jüngeren genossenschaftlichen Bildungen des Mittelalters. Freilich berichtet be- reits die älteste monumentale Urkunde der Rheinschifffahrt, der rö- mische Neptunusstein, der an der Brücke zu Ettlingen eingemauert ist, von einem Contubernium nautarum; doch mag das eine Genossenschaft von Flössern oder Fährleuten gewesen sein. Die Fischer, als grund- hörige Leute, die in der Mehrzahl der Fälle ein herrschaftliches Eigen- tum, das sogar oft als Regal betrachtet wurde, ausnützten, standen überall in einer genossenschaftlich organisierten Fronhofsverfassung ; auch für jene fest ansässigen Hilfsarbeiter der Schifffahrt, wie die Lanfenknechte u. a. m. war eine solche angezeigt. So bildeten auch die Rheinarbeiter in Köln und die „Krahnenkinder", wie die Riesen- gestalten der Verlader nicht gerade bezeichnend offiziell hiessen, eine

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Oenossenschaft mit strenger Ordnung, die sogar den Lohn gleicbmässig verteilte. Die eigentlichen Schiffer aber gelangten zu einer zunftm&ssigen Gliederung erst, als das Zunftwesen die gleicbmässig durchgehende Or- ganisation der gewerbtreibenden Stände geworden war. Auch dann hatte es noch grosse Schwierigkeiten, gerade dieses Gewerbe zu einem städtischen zu machen, und noch grössere, einer so gestalteten Zunft Ausschlussrechte zu verschaffen. Der Zolltarif der Basler Schiffer wurde erst 1351 gegeben; allerdings ist in ihm die Rede von Satzungen, die sich bisher die Schiffer selber gegeben hätten und die fortan zu Gunsten der allgemeinen Verordnungsbefugnis des Rates abgestellt werden. In- dem die Genossenschaft öffentliche Rechte erhält, schränkt man zugleich ihre Thätigkeit ein. In der That, fast mehr gegen die Schiffer als fQr sie scheint dieser Zunftbrief gegeben zu sein, wird ihnen doch vor allem eingeschärft, dass sie keinen Schiffer, der zu Basel lädt, verhindern sollen. In dieselbe Zeit fällt die Stiftung der Strassburger Zunft. £s blieb hier der Schifferschaft dauernd in Erinnerung, dass sie sich am spätesten innerhalb der allgemeinen Bürgergemeinde abgegliedert habe; sie wollte noch so halb und halb zu den aristokratischen Eonstaffelo gehören, und völlig hat sie auch später nicht auf eigenen Handelsbe- trieb ihrer Mitglieder verzichten wollen. Weiter abwärts dienten be- sonders die Stapelrechte dazu, um eine Trennung der Schiffer in ein- zelne Abteilungen zu veranlassen. So hatte Köln zwei Schiffergeseil- schaften — als eigentliche Zünfte sind sie nicht einmal zu bezeichnen die oberrheinische und die niederrheinische. Das Recht des Rates, für sie Verordnungen zu erlassen, war aber mehr als zweifelhaft, da die allgemeine Ordnung auf dem Rhein den vier rheinischen Kurfürsten zustand. Auch sind die Kölner Schiffer oft und noch im 18. Jahr- hundert vom Kurfürsten von Köln zu Versammlungen berufen worden. Durch Festsetzung des Kapitelstages der Kurfürsten erhielten i. J. 1609 die Schiffer bestimmte Satzungen, in denen aber nicht sowohl ihre Ge- nossenschaften als vielmehr nur Lehrzeit und Ausbildung, also Fragen, die die Sicherheit der Schifffahrt betrafen, geregelt wurden. Auch der Zunftbrief, den hierauf die Stadt Köln ihren Schiffern i. J. 1620 aas- stellte, enthielt nicht mehr. Erst in den Wirren des 30jährigen Krieges i. J. 1637, als jegliche Ordnung zu zerfallen drohte, suchte der Rat seinen Schiffern einige Vorrechte zu sichern, indem er sogenannte alte Gebräuche statutarisch festlegte Diese besagten , dass kein Mosel- schiffer andere Waren, als die auf die Mosel bestimmt seien, in Köhi laden dürfe, und dass der Kölner Schiffer allen anderen oberländischen

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vorzuziehen sei, wenn er gleichen Preis fordere. Hieraus konnte man ein EinStands- oder Zugrecht dieser Schiffer, nicht aber ein ausschliess- liches Privileg folgern. Auf dem Niederrhein wäre auch das unmöglich gewesen, weil die holländische Konkurrenz hier viel stärker entwickelt war. Selbst in den Zeiten ängstlicher Pflege lokaler Interessen hat der Niederrhein nicht völlig seinen Charakter als internationaler Verkehrs- weg verleugnen können.

Ihre schärfste Ausgestaltung gewannen diese Korporationen erst nach dem dreissigjährigen Kriege. Sich sparsam in das knappe Stück Brod einzuteilen: das ist damals der Gipfel aller Yerwaltungsweisheit bei allen Zanften. Unter diesem Gesichtspunkt richtet man allerwärts die sogenannten Rangfahrten ein, d. h. man stellt eine bestimmte Ord- nung, einen Rang der Schiffer auf, nach dem sie zur Beförderung der lagernden Waren berufen werden. Rasch nach einander nahmen alle grösseren Städte am Rhein diese Einrichtung an. Es schien dies System anfangs im Interesse der Kaufleute zu liegen; denn über nichts hatten diese so häufig geklagt als über die Unpünktlichkeit der Schiffer, die regelmässig so lange mit der Abfahrt warteten, bis sie volle Ladung hatten, während bei der Rangfahrt meistens der Abgang der Schiffe an bestimmtön Tagen geregelt war. Allein bald stellte sich heraus, dass die freie Konkurrenz der Schiffer doch für den Kaufmann viel grössere Vorteile biete. Als sogar im 19. Jahrhundert nochmals durch Vertrag der Kölner und Amsterdamer Kaufmannschaft eine solche „Beurtfahrt" zwischen den beiden Städten eingerichtet wurde, war man deshalb doch bedacht, im Übrigen den Kaufmann von der Verpflichtung zur Benützung, den Schiffer vom Zwang zum Beitritt frei zu halten. Ebenso hätte es scheinen mögen, dass durch die Rangfahrten zersplitterte Kräfte zu einer kräftigen Einheit zusammengefasst würden, dass sich die Schiffer- schaften zu eigentlichen Betriebsgenossenschaften umgestalten müssten. Aach haben die Magistrate der Städte solche Erwägungen angestellt, aber in Wirklichkeit bedeutete diese Austeilung doch nur Beschränkung des Einzelnen, und auch für die Schifffahrt selber war nicht das System der regulierten Kompagnie, sondern die freie Konkurrenz von Nöthen. Besser bewährten sich diese Einrichtungen auf dem kleineren Gebiet der Personenfahrt. In Köln hatte man freilich auch hiermit während des 17. Jahrhunderts eine Reihe vergeblicher Versuche angestellt, ehe man seit 1703 zu festen Ordnungen gelangte.

Weit früher hatten bereits die Genossenschaften der Flösser am Oberrhein jene Prinzipien der regulierten Kompagnie angenommen.

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Schon im 15. Jahrhundert erscheinen sie hei ihnen völlig durchgeführt. Zwei derselben kommen namentlich in Betracht. Zunächst die Kinzig- fiösser, die in dem Schwarzwaldstädtchen Wolfach und den umliegenden Thälern ihren Sitz hatten und eine eigentliche Zunft bildeten, sodann die Murgschifferschaft, die wichtigste dieser Genossenschaften. Das Kinzig- holz ging nur zum kleinsten Teil über Strassburg hinaus, während die Murgschififer die Rheinorte bis nach Mainz mit ihren Sägewaaren ver- sorgten. Sie bilden eine Genossenschaft von bäuerlichen Wald- und Sägemahlenbesitzern, die zugleich mit ihren Knechten das Flössen auf Murg und Rhein besorgen. Der Holzhandel ist auf dieser Strecke kein freies Gewerbe. Die Städte und ebenso die Fürsten haben ihre Holz- höfe und für jeden derselben feste Lieferungskontrakte mit der Murg- schifferschaft. So konnte die Austeilung der Produktion sich einiger- massen nach dem Bedarfe richten. Der Margschiffer fuhr nicht ab- wärts Mainz oder höchstens Bingens. Mainz, wo sich das Holz des Schwarzwalds und das „Mainholz^ aus dem Spessart begegnen, ist wäh- rend des ganzen Mittelalters der wichtigste Platz des Holzhandels. „Menzerbretter^ sind auch am Niederrhein eine beliebte Waare. In Köln hatte der Händler, der Holzmenger, freiere Hand als am Ober- rhein. Mehr als von eigentlichen Flössen ist hier immer von Holz- schiffen die Rede; und diese kommen sogar bisweilen aus dem Nieder- lande. Hier handelte es sich also schon früh um einen überseeischen Holzbezug.

Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts griff die Holz- flösserei vom Oberrhein unmittelbar nach dem Niederrhein über, als der Vorstand der Murgflösser, ihr Hauptschiffer Jakob Käst, die Ge- nossenschaft in eine solche Abhängigkeit von sich gebracht hatte, dass sie fast nur noch die Rolle seines Lieferanten spielte. Er dehnte seine Handelsbeziehungen bis in die Niederlande aus; damals zuerst sah der Rhein ein einheitlich geleitetes Schiffahrtsunternehmen von grössten Dimensionen zu einer Zeit, als die gewohnten, hergebrachten Organisa- tionen verknöcherten.

Wieder übernimmt gleich nach dem westfälischen Frieden der Holzhandel, die Flösserei, die Führung auf dem Rhein. Was kann Deutschland dem Welthandel damals auch anders bieten, als die Produkte seiner Wälder, da die Bemühungen dem W^einhandel seine Stellung wieder- zuerobern von geringem Erfolg begleitet waren. Jetzt aber liegt der Holzhandel ganz in der Hand der Holländer, die nicht mehr wie die Holzhöfe des Mittelalters Bordwaaren, sondern das lange geschonte

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Eichenholz und das Langhholz, „die Holländer Dickbalken ^ zum Schififs- bau und zu den Pfahlrosten ihrer Städte begehren. Das neugegrün- dete Mannheim, der Vorposten Hollands in Deutschland, wird seitdem Mittelpunkt des Holzhandels. Diesen Einzelhändlern sind im vorigen Jahrhundert die privilegierten Flosskompagoieen nachgefolgt, die die Ausbeutung der Hochwälder und die YerfQhrung des Holzes gleichzeitig in grossem Umfang betrieben. In einer Zeit, wo alle andere Schiif- fahrt auf dem Rhein dahinsiechte, zeigte wenigstens dieser eine Zweig Leben und Betriebsamkeit, trug er einen internationalen Charakter.

Der Grund hierfür ist nicht schwer zu ermitteln: Man hat den Holzhandel auf dem Rhein weniger chikaniert als irgend einen andern Teil der Schifffahrt. Stapelrechte waren hier nicht geltend zu machen, wo alles darauf beruhte, dass der Niederländer unmittelbar am Ober- rhein einkaufte, und die Zölle mussten hier gelinder als bei irgend einem andern Artikel gehandhabt werden, weil für das rheinische Holz die Konkurrenz mit dem niederländischen auch ohne dies schwer genug war. Schon im Anfang des 16. Jahrhunderts hat der Markgraf Christoph von Baden den Kurfürsten Ludwig von der Pfalz mit Erfolg gewarnt, 3er Holzflösserei die Zollbegünstigungen zu entziehen. Andern- falls, meinte er, werde es mit dem Holze gehen wie mit den Elsässer Weinen, die auch bei Menschengedenken aus dem Handel auf dem Rhein verdrängt worden seien.

Will man nun den wirtschaftlichen Erfolg, den die Schifffahrt auf die Entwicklung der Rheinlande ausgeübt hat, bestimmen, so hängt dieser zugleich von zu viel anderen Bedingungen ab, als dass dies hier anders als andeutungsweise geschehen könnte. Nitzsch hat seiner- zeit gemeint, dass sich die besondere und vermeintlich langsamere Ent- wicklung des Oberrheins daraus erkläre, dass man hier erst später die Bedeutung des Wasserweges erkannt habe, und dieser Orakelspruch ist oft wiederholt worden. Ich weiss jedoch keinen Sinn damit zu ver- binden. Dass die Schifffahrt auf dem Oberrhein unvergleichlich grösse- ren Schwierigkeiten unterlag als auf dem Niederrhein, haben wir ge- sehen, aber ebenso, dass man sich gerade in der früheren Zeit am Wenigsten dadurch abschrecken liess. Nicht nur der Dichter Ermoldus Nigellns berichtet von dem Verkehr des Elsass mit den Niederlanden und sieht in der Ausfuhr des Überschusses des oberrheinischen Wein- baus den grössten Vorteil für beide Länder; auch die Zollprivilegien der Strassburger Kirche aus der Karolingerzeit erweisen die direkten Beziehungen der Strassburger Kaufleute zu den niederländischen Höfen.

Westd. Zeitachr. f. Gesch. u. Kunst XIV, IH. 19

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So steht auch weiterhin der Elsässer Wein ebenbürtig im Handel neben dem rheinischen; im Anfang aber war er ihm entschieden überlegen. Wir sahen soeben, dass man um 1500 noch ganz genau wusste, warum er seinen Markt eingebüsst habe. Man wird sagen können, t dass sich bis zum Schlüsse des 13. Jahrhunderts der durchgehende Verkehr auf dem Rhein beständig gesteigert hat. Material wie das der Koblenzer Zolltarife reicht zwar zu statistischen Schlüssen nicht aus, in der Sache aber hat Lamprecht an ihm mit völliger Sicherheit erwiesen, dass im Laufe des Mittelalters der durchgehende Verkehr erst allmäh- lich einem Zwischenverkehr, der sich nach den Absätzen des Stromes gliederte, gewichen ist. Wenn in den Zollrollen seit dem 14. Jahr- hundert doch noch Züricher und Basler stehen, so ist das blosse De- koration ; sie sind aus den älteren Vorlagen übernommen. Anders aber ist es damals noch mit den Strassburgern bestellt, und ebenso währt die direkte Schifffahrt von den Niederlanden, ja von England bis über Köln hinaus fort.

Für das mittelrheinische Land ist namentlich um des Weinex- portes willen die Schifffahrt die Grundlage ihrer ganzen Blüte gewesen. Es ist öfters ausgesprochen worden und an sich klar, dass eben der Weinbau, der in einer sonst wesentlich naturalwirtschaftlichen Zeit die bedeutendste Handelswaare lieferte, den raschen wirtschaftlichen Auf- schwung der Rheinlande veranlasst habe. Der Weinhandel aber war wiederum ganz auf den Wasserweg angewiesen. Er hat ihn auch später nicht verlassen, als eine verkehrte Politik fast alle andern Waaren vom Rhein verdrängte. Der Wein für die Thalfahrt, die Häringe und Stock- fische für die Bergfahrt waren zu allen Zeiten die charakteristischen Waaren, neben denen alle übrigen zurücktraten.

Zwei Gründe haben besonders dahin gewirkt, die Bedeutung des Rhein Verkehrs abzuschwächen; sie haben ihn seit dem 14. Jahrhundert bis in die ersten Jahrzehnte des 19., zwar in ungleichem Masse, aber doch unablässig gelähmt: die Stapelrechte und die Ausgestaltung des Zollwesens. Das Stapelrecht besteht in der Verpflichtung des Kauf- mannes, seine Waaren an der Stapelstadt auszuladen. Häufig wird hiermit die andere Verpflichtung verbunden, die Waaren eine bestimmte Zeit hindurch im Kaufhaus der berechtigten Stadt feilzubieten, ehe er sie einladen und weiterführen darf. Der Ursprung dieser Stapelgerech- tigkeiten bedarf noch der Aufklärung, soviel sieht man auch jetzt, dass sie sich erst allmählich und unter beständigem Widersetzen der davon Betroffenen entwickelten. Der Dortrechter Stapel, der die freie Schiff-

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fahrt von der See auf den Rhein hindern sollte, trug noch am Ende des 15. Jahrhunderts Spuren eines gewaltsamen Ursprungs. Die Dort- rechter fuhren den Schiffen, die ihn brachen, nach, suchten sie zu kapern nnd führten sie, wenn ihnen dies gelungen, auf den Richtplatz. Dort wurde an ihnen eine symbolische Hinrichtung vollzogen ; ein Pfahl ward mitten durch sie geschlagen und die Planken wie der Leichnam eines Missethäters der allmählichen Verwesung preisgegeben. Als die Kölner von Kaiser Karl IV die erste ausdrückliche Anerkennung ihres Stapels erhielten, wobei sie sogar allen Landhandel über Köln hinaus verboten wissen wollten, da beriefen sie sich wohl, namentlich was die Arrestierung des ungehorsamen Kaufmannes anlangt, auf ihren alten Brancb; in Wahrheit handelte es sich wohl um eine in allen wesent- lichen Stücken neue Liste von Wünschen. Den Kölnern wird damals das Ziel vorgeschwebt haben, ihre Stadt ähnlich, wie Brügge dies war, zu einem allgemeinen Platz des Umtauschs, zu einem Emporium, nach dem alle Ilandelswege hinführten und an dem sie alle endeten, zu machen; nur dass sie ungleich Brügge. sich auch alle Vorteile für den eigenen Handel sichern wollten. Wie wenig sie mit solchen Ansprüchen durchdringen konnten, zeigen die Proteste, die alsbald von allen Seiten einliefen und den Kaiser veranlassten, das Privileg zwar nicht geradezu aufzuheben, aber durch seine Erklärungen kraftlos zu machen. Stück- weise ist dann Köln, .eigentlich erst seit dem 15. Jahrhunderts, zu seinem Stapel gelangt. Als die Absicht, zu einem eigenen Zoll zu ge- langen, den man sich durch die Opfer des Neusser Krieges verdient zu haben glaubte, vereitelt war, hat Köln erst mit Entschiedenheit und wachsendem Glück nach dem Stapel gestrebt. Als die Kurfürsten arg- wöhnisch wurden, hat es i. J. 1497 ihnen noch entschieden versichert, dass nur für die von den Niederlanden kommenden „Ventwaren*', Fische, Batter und Käse, die Verpflichtung gelten solle, und dass sie nur zu dem Behuf eingeführt sei, um bei diesen leichi verderblichen Waaren eine Garantie für die Käufer zu schaffen. Durch die Umpackung in in Köln sollten sie erst zum vollwertigen Kaufmannsgnt gemacht und als solches beglaubigt werden. Damals beteuerte man noch, dass der Stapel für allen andern Handel und für die Schifffahrt keine Hemmung mit sich bringen solle. Wenig später hat man sich bei Maximilian doch ein unzweideutiges Privileg verschafft, durch das dem Niederländer die Bergfahrt, dem Oberländer die Thalfahrt über Köln hinaus untersagt wurde. Man hat auch noch weiterhin auf den Kapi- telstagen eiuige Male die Versicherung gegeben, dass Alles beim Alten

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bleiben solle, aber gestützt auf jenes Privileg hat man dann doch den Stapel im Laufe des Jahrhunderts immer schroffer ausgebildet. Dann hat vom Ende des 16. Jahrhunderts ab bis zum Aufhören der Reichs- freiheit Kölns Handelsgeschichte nur in der Verteidigung des Stapels und der verschiedenen Eaufhausordnungen, die auf ihn gebaut waren, bestanden. Einmal in den verworrensten Zeiten des dreissigjährigen Krieges, die trotzdem für den Grosshandel nicht eigentlich die un- ganstigsten waren, hat man ihn nochmals in wesentlichen Punkten suspendiert und eine halbe Handelsfreiheit eingeführt; dann hat man diese Vorrechte immer ängstlicher ausgebildet, immer engherziger in ihnen allein den Grund für Kölns Wohlstand gesehen. Und doch hat man sie nicht ganz festhalten können. Den Niederländern hat man es immer erlauben müssen, Tuff und Mühlsteine unmittelbar von Andernach aus zu laden ; und den Unterthanen von Jülich-Berg bat man wenigstens verstatten müssen, ihre selbsterkauften Güter an Köln vorbeiznführen. Die niederrheinischen Städte und die Generalstaaten selber haben wohl hin und wieder versucht, Köln zu veranlassen, freiwillig seinen Ansprach aufzugeben, sich im Ganzen aber in die lästigen Bestimmungen gefügt, die ihre Schiffer freilich so oft wie möglich zu umgehen suchten. Die Opposition ging von den benachbarten Landesherren, zumal den drei geistlichen Kurfürsten aus, die den Stapel nie anerkannt haben und bald mit den langsamen Mitteln des Kammergerichts, bald mit den raschen der Selbsthilfe ihm beizukommen suchten.

Schon von Köln kann man nicht behaupten, dass sein Stapel durchaus den Stromverhältnissen entsprach, und die Umladung hier wünschenswert gewesen wäre, wie denn auch dieser Gesichtspunkt in den Debatten über Nutzen oder Schädlichkeit des Stapels nie berührt wird; geradezu ein unerhörtes Hemmnis war aber der Mainzer Stapel. Als die Kurfürsten sich der freien Stadt bemächtigt hatten, behaupteten sie, dass auch hier der Stapel von Alters hergebracht und nur durch die bürger- lichen Wirren der letzten Zeit in Vergessenheit geraten sei. Kurfürst Berthold liess sich von König Maximilian in den Zeiten ihrer innigsten Freundschaft den Stapel bestätigen und erwarb damit eigentlich erst die Rechtsgrundlage für ihn. Wenigstens gegen das Oberland hat man ihn von da ab geltend gemacht Dass er nichts anders sei als eine Schutz« massregel für die Mainzer Schiffer und Faktoren, ohne dass eine natür- liche Nötigung vorgelegen hätte, hat man auch damit gezeigt, dass gerade für die Zeit der lebhaftesten Schifffahrt, während der Frank- furter Messe das Stapelrecht ruhte. So lange diese währte, unterbrach

Zur Geschichte der Rheraschifffahrt. 251

man die unmittelbare Verbindung Strassburg- Frankfurt nicht. Erst nach dem dreissigjährigen Kriege haben die Mainzer Kurfürsten mit dem Stapel vollen Ernst gemacht, um ihre völlig gesunkene Stadt zu heben. Auch gegen Frankfurt, wohin man bisher die von Köln kom- menden Schiffe ohne Umladung, sobald sie darum nachgesucht hatten, hatte passieren lassen, richtete man jetzt diese Massregeln, schien doch den Mainzer Herren immer, als ob Frankfurt nur auf Kosten ihrer Stadt aufgeblüht sei. Durchzusetzen haben die Kurfürsten auch damals ihren vollen Anspruch nicht vermocht ; aber fortan war der Kampf gegen den Mainzer Stapel fast noch lebhafter als der gegen den Kölner; es machte dabei nichts aus, dass die Kurfürsten von Mainz, wenn es sich um Köln handelte, dieselben Argumente gegen den Stapel leidenschaft- lich vorbrachten, die sie, wenn es ihren eignen Besitz anging, ebenso leidenschaftlich zurückwiesen.

Wiederum machte oberhalb Mainz erst Speier, meist schüchtern aber bisweilen auch heftig Stapelrechte geltend, und dann behauptet Strassburg, ohne den Namen des Stapels einzuführen doch thatsächlich seine Rechte. Nur war, wie wir sahen, der Kaufmann, der seine Waaren selber verfrachtete, von der Umladung frei, und musste sich nur, was sich nahezu von selbst verstand, mit einem Steuermann versehen.

Eine der wichtigsten Bestimmungen in den Stapelgesetzen ist jederzeit, dass zwischen den Stapelplätzen nicht ausgeladen werden darf. Der Schiffer musste in Köln hierauf einen Eid leisten; wer diese Vor- schrift übertreten hatte, durfte in Zukunft weder am Werft anlegen, noch den Krahn benützen; er war durch diese Zwangsmassregel, die statt aller andern Rechtsmittel dienen musste, aber besser als irgend eines veröng, dem Willen der Obrigkeiten der Stapel platze preisgegeben. Mit Mühe und Not haben sich wenigstens die klevischen Städte von dieser unleidlichen Vorschrift emanzipiert. Gegen Mülheim, Deutz, Düsseldorf und namentlich Neuss war Köln immer auf der Hut, um jeden Anlauf dieser Art, zu selbständiger Handelsbedeutung zu gelangen, im Keime zu ersticken.

Diese Zustände machten vor Allem die Einrichtung der Markt- schifFe nötig. Sie dienten keineswegs nur zur Vermittlung des kleinen Güter- und Personenverhehrs an den Markttagen, sondern mit ihnen werden auch nach den Zwischenplätzen die für jene überhaupt be- stimmten Waaren befördert. Von Mainz und Köln gehen dieselben daher nach allen Seiten ; und wenn die Frankfurter Kaufleute über den

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Mainzer Stapel klagen, so geschieht dies namentlich darum, weil sie sich an den einzigen, höchst lässigen und teuren Marktschiffer daselbst gewiesen sehen. Wenn dagegen auch einmal in Trier von einer „navis nundinarum Francofurtensium" die Rede ist, so darf man das nicht mit Lamprecht als ein regelmässiges Marktschiff auffassen; es ist vielmehr ein zur Frankfurter Messe bestimmtes Schiff.

Wenn man von den Hindernissen, die durch die Stapelrechte be- reitet werden, spricht, so sind dabei im Wesentlichen die Zeiten des 17. und 18. Jahrhunderts zu verstehen. Selten hat sich wohl ein Privileg so schwer gerächt an denen, die es besassen und rücksichtslos ausnützten, als in diesem Falle. Der Stapel hat, wie sich Schritt für Schritt im Einzelnen erweisen lässt, bewirkt, dass Mainz und Köln schliesslich ihren Eigenhandel fast völlig eingebüsst haben, dass sie blos Plätze der Spedition blieben, und noch dazu einer Spedition, die an sich unnötig, die eine wahre Last für den fruchtbaren Handel war! Das Vorrecht der Nachbarn aber hat Frankfurt und hat die bergischen Städte nicht verhindert, zu wahren Grosshandelsplätzen in dieser selben Zeit zu werden.

Zur gleichen Zeit stellte ein genialer Fürst, der seine Bildung im Auslande genossen hatte, ein Experiment eetgegengesetzter Art an; Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz gründete Mannheim mit der Ab- sicht, seinem verwüsteten Lande einen Ausfuhrhafen zu verschaffen. Zum ersten Mal sah der Rhein einen Freihafen, den Verzicht eines Landesherrn auf Zölle zu Gunsten eines einzelnen Platzes, eine völlige Unbeschränktheit des Verkehrs. So bedeutend die Vorteile waren, die die Pfalz hiervon zog ihr rasches Aufblühen legt davon Zeugnis ab so konnte doch ein solches vereinzeltes Experiment nur einen partiellen Erfolg haben. Mannheim blieb eine Oase des freien Verkehrs inmitten von Landschaften, die ihre Sperrmassregeln nur verschärften. Die Ein- sichtigen waren auch hier fast nur die Fremden, die Kolonisten, die der Kurfürst herbeigezogen hatte. Als ein holländischer Handelsherr riet, statt des ergebnislosen Streites über den Stapel möge sich die Pfalz lieber mit Mainz vertragen und den Weinen des Rheingaues freie Durchfuhr bei Bacharach und Caub gewähren, da erregte diese Zumu- tung, ein Recht aufzugeben, den höchsten Zorn der kurfürstlichen Be- amten : ,,Da man es in der Stapelsache mit Mainz nun einmal zum Äussersten getrieben, so müsse man auch bis zum Ende fortfahren"^, war ihre Beamtenweisheit. Schliesslich hat dann Karl Ludwig doch mehr Zugeständnisse gemacht, als späteren Kurfürsten lieb war, Mann- heim aber blieb vereinzelt und darum machtlos.

Zur Geschichte der Rheinschiflffahrt. 253

So sind dann auch andere, kQhn gedachte Projekte, die Schifffahrt auf dem Rheine zu hehen, die alten Fesseln zn sprengen, den grossen europäischen Handelsverkehr auf die Wasserstrasse zurückzubringen, schon im Entstehen gescheitert. Keines war grösser als das erwähnte des Kölners Bürger Gerwin von Beywegh i J. 1699, der eine ständige Galeerenflotte, die in gröster Geschwindigkeit zu Berge wie zu Thal von Amsterdam bis Strassburg fahren sollte, die gleichmässig für Handels- wie für Kriegszwecke bestimmt war, ins Werk zu setzen suchte. Dass er die Bedenklichkeiten der fürstlichen Kanzleien zu überwinden, die sämtlichen Kurfürsten zu gewinnen wusste, zeigt, dass auch sie für grössere Gesichtspunkte zugänglich waren; an dem hartnäckigen Be- harren der Stadt Köln auf ihrem Sta|)elrecht und an der Gleichgiltigkeit der Wiener Hofkaozlei prallten alle solche Erwägungen ab, ohne einen Eindruck zu hinterlassen.

Das eigentlich entscheidende Moment für die wirtschaftliche Ein- wirkung der Rheinschifffahrt hat aber nicht einmal beim Stapel, sondern jederzeit in den Zöllen gelegen. Nicht als ob ich hier auf diesen Ge- genstand, der eine besondere Behandlung für sich beanspruchen würde, eingehen könnte. Freilich hätten wenige Gebiete der Wirtschaftsge- schichte eine gründliche, prinzipielle Behandlung so nötig wie dieser. Bedürfen doch Ursprung, Wesen, Ausbildung, Einwirkung der Regalien noch überall einer sorgfältigen Untersuchung. Unter den Faktoren, durch die das Recht und die Wirtschaft des Mittelalters bestimmt werden, sind wenige so bedeutsam gewesen, keiner ist so wenig er- forscht. Was nun die Zölle im Besonderen anlangt, so gestehe ich, dass mich die Beweisführung Lamprechts für die Existenz grundherr- licher Zölle, d. i. die Berechtigung des Grundbesitzers, den Verkehr, der durch seinen Besitz geht, zu besteuern, nicht überzeugen kann. Natür- lich erkennt Lamprecht daneben das Regal, auf dem die Zölle des Königs beruhen, als vorhanden an, und die späteren Territorialzölle er- scheinen ihm gleichsam hervorgegangen aus der Verbindung dieser beiden Elemente. Einer neueren Arbeit war es vorbehalten, selbst die Zölle des Königs nur als Grundzölle, die dieser an seinen Pfalzen erhob, darzustellen. Eine solche Ansicht führt sich doch eigentlich selber ad absurdum. Dass der König von Anfang an das Eigentum am schiff- baren Flusse als Regal in Anspruch genommen hat, steht durch eine fortlaufende, nie unterbrochene Reihe von urkundlichen Äusserungen von der Karolingerzeit an fest. Wem auch das Ufer gehören mag, das Wasser bleibt doch des Königs. Mir scheint, dass auch alle fürstlichen

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Zölle späterer Zeit sich entweder auf königliche Verleihung oder doch auf die öffentlichen Rechte ihrer Inhaber zurückführen. Das Verkehrs- recht ist wie das Bergrecht aus der Wurzel des Begals erwachsen. Wo sich der Anspruch des Grundeigentümers geltend macht, da ist er kein Recht, sondern ein Unrecht, nicht anders als bei der Grundruhr.

Wie gedankenlos und wie habgierig zugleich die Zölle vervielfäl- tigt und ausgebeutet worden sind, wie alle Gewalten des Reichs, von den gross ten bis zu den kleinsten, an dieser scheinbar unversieglicben Quelle geschöpft haben, das ist öfters und für den Rhein noch in jüngster Zeit dargestellt worden. Immerhin ist auch hier noch viel und fast das Beste zu thun. Denn einmal haben sich an der Frage der Zollerhebung politische Geschichte und Handelsgeschichte immer am engsten berührt; sodann aber bleibt auch noch die wichtigste Aufgabe zu behandeln : die Rückwirkung der Zölle auf die Wirtschaft muss noch erst im Einzelnen verfolgt werden. Die enorme Verteuerung aller Waaren durch sie hat am Meisten dazu beigetragen, die einzelnen Landschaften und ihren Verkehr zu isolieren; sie hat diesen Krystalli- sationsprozess, wenn man ihn so nennen will, am Meisten gefördert. Ausser der Menge der Zölle kam hier als erschwerender Umstand vielfach noch ein Prinzip der Zollerhebung hinzu, das sich schon im Goblenzer Tarif von 1304 ausgebildet zeigt: n&mlich die Fernergesesse- nen höher zu belasten als die Näheren. Es wiederholt sich dieser volkswirtschaftliche Irrtum selbst bei den Gebühren des Kölner Erahns, die nach dem gleichen Gesichtspunkt abgestuft sind. Später sind wohl noch in Holland die Weine verschiedener Provenienz in ungleicher Höhe besteuert worden, am Rheine selbst hat man eine gleichmässige Ver- zollung als Regel anzusehen. Etwas trugen wenigstens die Zollisapitel der rheinischen Kurfürsten dazu bei, eine gewisse Gleichmässigkeit hier durchzuführen.

Am Oberrhein ist die Anzahl der Zölle zwar geringer gewesen als am Mittelrhein, wo der Schiffer, namentlich in der Thalenge zwischen Bingen und Koblenz, eigentlich nie von einer Zollstätte wegfahren konnte, ohne gleich die nächste zu erblicken, oder am Niederrhein, wo die Zollbeträge am höchsten waren und seit den niederländischen Kriegen zu den Zöllen die ebenso schweren Licenten hinzukamen, aber aus diesen Gründen hat doch der Oberrhein, dessen Waaren alle diese Beträge zu zahlen hatten, am meisten unter ihnen gelitten. Mir liegt ein pfäl- zisches Zollregister vom Ende des 16. Jahrhunderts vor, in dem alle Schiffe einzeln, ihre Besitzer und ihre Befrachtung angegeben sind; es

Zur Geschichte der Rheinschifffahrt. 255

legt nur das dentliche Zeugnis dafür ab, bis zu welcher Bedeutungs- losigkeit die oberrheinische Schifffahrt damals bereits herabgesunken war, sie konnte sich nicht heben, solange die Bedingungen dieselben blieben. Auch das aufstrebende Mannheim musste einstweilen noch- in diesem Kampfe erlahmen.

Anders war es freilich am Niederrhein. Eine gewisse Bedeutung hat hier die Schifffahrt immer behalten, aber auch hier wurde der Landweg Voständig wichtiger, und die Klagen, dass die Städte Bremen und Harjburg den Handel an sich zögen, immer lebhafter. Die fran- zösische Herrschaft hat dann auch in diesen Dingen höchst ungleich <;<;wirkt. In Köln hat sie durch Einrichtung eines Freihafens einigen Anstoss zu entschiedener Regsamkeit gegeben. Der Stapel ward zwar dem Namen nach aufgehoben, aber weil man eine allgemeine Verwir- rung befürchtete, blieben die Verpflichtungen der einzelnen Schiffer- schaften dieselben. In Mainz, das doch sonst seine revolutionären Ge- sinnungen gern zur Schau trug, blieb alles beim Alten. Die Eifersucht gegen Frankfurt, der Wettbewerb der französischen Stadt mit dem kleinen Schutzstaate, wurde lebhafter als je. Wie konnte aber über- haupt die Schifffahrt aufblühen, wenn der Rhein auf seiner längsten Strecke die Zollgrenze war, die dem schärfsten Prohibitivsysteme, das man je gesehen hat, diente, und wenn seine Mündungen gegen das Meer gleichsam abgemauert waren!

Der Wiener Kongress hat sich zuerst zu dem Gedanken einer völligen Freiheit des Rheines aufgeschwungen, wohl der fruchtbarste Gedanke, den er gehabt hat. Wohl wurden alsbald Zweifel laut, wie weit nun dieses grosse Prinzip der Wiener Akte auch in Wahrheit durchgeführt werden würde; aber die Denkschriften der Kölner Han- delskammer aus den nächsten Jahren zeigen auch, wie hoffnungsfreudig der Handelsstand wieder in die Zukunft zu blicken begann. Einstweilen waren es die Holländer, die mit gewagten Interpretationskünsten das Schicksal von ihren Rhein-Transitzöllen abwenden wollten. Nachdem man ihnen die Auslegung, dass Waal und Leck nicht der Rhein seien, abgeschnitten hatte, beharrten sie darauf, dass „jusqu'ä la mer" „bis an das Meer", nicht „bis in das Meer" zu übersetzen sei. Erst als sie sich selber in Not sahen, im Jahre 1831, gaben sie nach. Ehe die letzten Spuren einer Zollerhebung im deutschen Binnenlande ver- schwanden, hat es doch noch bis zum Jahre 1866 gedauert.

Wenn der Rhein heute in einem Bette strömt, das ihm mensch- liche Kraft angewiesen und befestigt hat, wenn seine Tiefe achtsam für

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E. Gothein.

das Bedürfnis der Schiffahrt reguliert ist, wenn die Dampfer der Nord- see schon jetzt bis nach Köln hinauffahren und binnen absehbarer Zeit unsre alte Metropole wieder in die Reihe der grossen Seehäfen ein- treten wird, wenn der Rhein zur Hauptverkehrsader des mittleren Europa geworden ist, so ist dies alles das Werk des neunzehnten Jahr- hunderts. Die Geschichte der Rheinschifffahrt ist auch in unseren Tagen geblieben, was sie von jeher war : ein getreues Spiegelbild der deutschen Geschichte. Auch sie fahrt uns zu jener Erkenntnis, die aller Geschichschreibung, mag sie sich auch mit verschiedenen Namen nennen, gemeinsam ist : Dass der Staat zwar nur die Kräfte, die das Kultur- und Wohlfahrtsleben der Nation entwickelt, in seiner Hand zu- sammenfassen kann, dass aber auch die Wirtschaft eines Volkes nur in einem starken, selbstbewussten Staate gedeihen kann.

Der Konflikt Kaiser Rudolfs II. mit den deutschen

Reichsstädten.

Von Reallehrer Johannes Milller in Augsburg.

Nach dem 12. Artikel des Augsbarger Religionsfriedens vom J. 1555 sollten y,in denjenigen Reichsstädten, in welchen eine zeither beide Religionen, die katholische und die protestantische, im Gang und Gebrauch gewesen, selbige künftig auch also bleiben, und kein Teil sich unterstehen, des andern Teils Religion und Kirchengebräuche ab- zuthun oder ihn davon zu bringen". Diese durchaus klare Bestimmung, die ihrem Wortlaut nach auf keine anderen als die paritätischen Reichs- städte bezogen werden konnte, legte ein Teil der Katholiken dahin aus, dass der kirchliche Rechtsstand jeder Reichsstadt in dem Stand bleiben müsse, in dem er zur Zeit des Abschlusses des Augsburger Friedens gewesen. Diese Auffassung, die nach einem zuverlässigen Zeugnisse des päpstlichen Nuntius Commendone (siehe dessen Bericht vom 14. Jan. 1561)^) unzweifelhaft im Sinne Kaiser Ferdinands I, des Haupt- forderers des Religionsfriedens, gelegen, hatte sich weder unter diesem Kaiser, noch unter dem versöhnlichen Regiment Maximilians II recht hervorgewagt. Als im Jahre 1574 Erzherzog Ferdinand von Tirol als Landvogt im Elsass der Stadt Hagenau das jus reformandi zu bestreiten wagte und die Reichsstädte zu Gunsten Hagenaus und zur Erhaltung der Freiheiten und des alten Herljommens der Städte eine Gesandtschaft an den Kaiser nach Wien geschickt hatten, gab ihnen derselbe die VersicheiTing, dass „seine Intention niemals gewessen, den Reichsstädten an ihrem im Reiche hergebrachten Stand, habenden Freiheiten und Ge-

^) Bericht des Nuntius Commendone v. 14. Januar 1561, Miscell. di storia Italica VI S. 44.

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rechtigkeiten etwas zu präjudiciren, dieselben za schmälern oder in einen Zweifel zu ziehen. Was aber die heilsame Konstitution des Religionsfriedens betrifft und wer desselben fehig oder nit, wollen S. Kays. Majest. den Verstand solcher Constitution nit disputiren, sondern lassen dieselbe in ihrem Werth bleiben" ^). Von gleich toleranter Ge- sinnung zeigte sich Kaiser Maximilian II in der Aalener Reforraations- angelegenheit. Als nämlich diese Reichsstadt, deren Rat bis zum Jahre 1575 der alten Lehre angehangen hatte, im April 1575 „durch die Erleuchtung des h. Geistes den Irrtum des leidigen Pabstthums erkannt hatte und die Lehre der Augsb. Conf. bei sich einzuführen entschlossen war, allein an ihrem Vorhaben durch den Probst von Ellwangen als Collator der Pfarre, Frtlhmesser und Kaplaneyen unter dem Vorwand verhindert wurde, dass sich allerhand Sekten, Wiedertäufer, Zwinglianer und andere einschleichen möchten", Hess es Maximilian II ungehindert geschehen, dass sich die Aalener mit Hilfe des Herzogs Ludwig von Wtlrttemberg der Umtriebe des EUwangener Probstes erwehrten und die Reformation in ihrer Stadt bis zum Jahre 1576 zur Durchführung brachten^). Von Kaiser Rudolf II nun, der infolge seiner streng katholischen Erziehung in Spanien gleich von seinem Regierungsantritt au eine ausgesprochene Abneigung gegen den Protestantismus und die Protestanten kundgegeben hatte, war eine solche tolerante Gesinnung nicht zu erhoffen, ebenso wenig wie von der neu auftretenden Gene- ration der katholischen Füreten, einem Wilhelm V von Bayern, einem Julius Echter von Würzburg, einem Balthasar von Fulda. Diese Fürsten, sämtlich Zöglinge der Jesuiten, waren ganz von den exklusiven religiösen Ideen erfüllt, w^elche eben damals der gelehrte italienische Jesuit Robert Bellarmin in seinen Vorlesungen am Collegium Germanicum in Rom aufstellte und zu rechtfertigen suchte. Bellarmins Meinung und festeste Überzeugung war aber die: Es ist jeder Staatsgewalt heiligste Pflicht, ihren Unterthanen keine Glaubensfreiheit zu gewähren und, wo dieselbe etwa einmal eingeräumt w^orden ist, sie mit Stumpf und Stiel wieder auszurotten *). Wenn nun solche extreme Anschauungen

^) Resolution des K. Maximilian II. v. 8. Dezember 1574 auf die Erb. Frei- und Reichsstädte durch ihre ansehnliche Legation allerunterth. furge- brachte gravamina und Beschwerden. St.-A. d. Augsburger St.-Arch.

') Häberlin, Neueste deutsche Reichsgeschichte IX S. 520 526.

"*) R. Bellarmin „Disputationes de controversiis fidei" (Rom 1586), vergl auch M. Ritter, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation II S. 73 ff.

Der Konflikt Kaiser Rudolfs 11. mit den deutsch. Reichsstädten. 259

bei der Mehrzahl der katholischen Reichsstände einmal zur Herrschaft gelangt waren, so mnsste es zu Einzelkonflikten zwischen den streitenden Parteien, beziehungsweise zwischen dem Oberhaupt und den einzelnen Ständen des Reiches kommen, die um so weitere Kreise zogen, je grösser die Bedeutung des in seinen Rechten sich verletzt fühlenden Reichsstandes war. Ein solcher Konflikt zwischen dem Kaiser und der Gesamtheit der Reichsstädte ergab sich nun in den ersten Regierungs- jahren Rudolfs IL aus der Ende der 70er Jahre auftauchenden Frage, ob die Reichsstadt Aachen, die zur Zeit des Abschlusses des Augsburger Religionsfriedens noch durchaus katholisch war, jetzt das jus refor- mandi besitze. Da Ursache und Verlauf des Streites zwischen dem Kaiser und den Städten ohne einen Einblick in die Genesis der Aachener Reformationsbewegung unverständlich sein würde, so muss hier zunächst über letztere ein gedrängter Überblick gegeben werden.

Die freie Stadt Aachen, an der wichtigen Grenzscheide zwischen Jülicher, Lütticher und niederländischem Gebiet gelegen, war nebst Köln die einzige grössere deutsche Reichsstadt, welche im Zeitalter der grossen europäischen Kirchentrennung der alten Kirche treu geblieben war. Zwar hatte auch in die Mauern dieser Stadt die Reformation um die Mitte des 16. Jahrhunderts Eingang gefunden. Aber der Ver- such der Aachener Protestanten in den Jahren 1559 und 1560, das Recht öfifentlicher Religionsübung für sich zu erlangen, war an dem gemeinsamen Widerstand des Kaisers Ferdinand I, des spanischen Königs Philipp II und des Jülicher Herzogs gescheitert. Der Rat von Aachen hatte unter dem Druck der genannten Fürsten am 7. März 1560 das Statut erlassen, dass künftig zu dem Rat und den städtischen Ämtern nur kundbare Katholiken zugelassen werden sollten^).

Aachen war jedoch den Einwirkungen des niederländischen Pro- t^tantismus viel zu sehr ausgesetzt, als dass derselbe sich durch diese eine Zurückweisung von der wichtigen Grenzstadt ganz hätte aus- schliessen lassen. Als mit dem Ausbruch der niederländischen Unruhen im Jahre 1566 der schwere Druck der spanischen Regierung in Brüssel auf die benachbaiten deutschen Protestanten leichter zu werden begann, als sich besonders seit Anfang d. J. 1567 tausende von niederländischen Emigranten über die anstossenden deutschen Lande ergossen, erhoben sich die westdeutschen Protestanten mit erneuter Zuversicht. Auch in Aachen, wo in diesen Jahren neben drei calvinischen Gemeinden auch

«^j M. Ritter a. a, 0. I S. 223.

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eine lutherische Gemeinde sich gebildet hatte ^), erfolgte um die Mitte der siebziger Jahre des 16. Jahrh. eine scharfe Wendung in den kirch- lichen Verhältnissen. Die Protestanten, damals wohl schon die Mehr- heit innerhalb der vierzehn politischen Zünfte (Gaffeln) bildend, setzten im Jahre 1574 bei der Präsentation der von den Zünften vorzuschlagen- den 112 Ratsherrkandidaten, aus denen der amtierende Rat die Hälfte zum Ersatz für den alljährlich zur Hälfte ausscheidenden Rat erwählte, die Wahl mehrerer Glaubensgenossen durch. Als diese sich weigerten, die nach dem Statut v. J. 1560 zur Aufnahme in den Rat vorge- schriebene Gläubenserklärung abzugeben, und der Rat infolge dessen mit ihrer Aufnahme zögerte, stellten die Zünfte demselben die wirtschaft- liche Schädigung Aachens bei weiterer Ausschliessung der meist wohl- habenden Protestanten so eindringlich vor, dass er sich zu dem Be- schlüsse verstand, es seien fortan neben den Katholiken auch Bekenner der Augsburger Konfession zu Ratssitz und Ämtern zuzulassen').

Der Aachener Stadtrat war nun wohl zunächst zu keinen weiteren Zugeständnissen an den Protestantismus geneigt und glaubte solchen Versuchen auch dadurch zuvorzukommen, dass er den neu eintretenden Ratsherren das Gelöbnis abnahm, „in Religionssachen keine Änderung einzuführen oder einführen zu lassen". Aber die Verhältnisse waren stärker als der Wille des durch ängstliche Rücksichten auf die benach- barten Fürsten ' gebundenen Stadtregimentes. Als sich nämlich die Aachener Protestanten allmählich ihrer Macht in der Stadt bewusst wurden, bewog sie ihr wachsendes Selbstgefühl, den Schleier des Ge- heimnisses von ihrem bisher nur in Privathäusem abgehaltenen Gottes- dienst mehr und mehr wegzuziehen. Insbesondere trugen die zahlreichen Sakramentspendungen und Beerdigungen, die eine von 1576 bis 1579 in Aachen wütende Pest zur Folge hatte, zu diesem fast unmerklichen Übergang des protestantischen Gottesdienstes vom Konventikelwesen zur freien Religionsausübung bei^). Inanbetracht dieser Verhältnisse sah sich Kaiser Rudolf II. schon im J. 1577 veranlasst, den Bischof von Lüttich und den Herzog von Jülich nebst einem seiner Räte mit einer Kommission zur Untersuchung der Sache zu betrauen®). Vor allem griff aber die burgundische Regierung von Brüssel aus in den Jahren

*) J. Hansen, Beiträge zur Geschichte von Aachen I S. 25.

^) M. Ritter a. a. 0. I S. 564.

■) Summarischer Bericht, was seit den Jaren 1558 und 1559 bis in das jetzige 1582. Jar in diesem K. Stuel und Stat Aachen sowohl in Religions- als andern politischen Sachen sich zugetragen. St.-A. d. Augsb. Arch.

Der Konflikt Kaiser Kudolfs IL mit den deutsch. Reichsstädten. 261

1579 und 1580 mit gewohnter Energie in den Fortgang der Aachener Reformationsbewegang ein, indem sie die Aachener aufgrund alter, mit den Brabanter Herzögen abgeschlossener Verträge zunächst zur Fern- haltung der ans den Niederlanden geflohenen Protestanten, des weiteren aber auch zur Erhaltung des orthodoxen Glaubens ermahnen liess^^. Diese Einwirkungen seitens des Kaisers und Spaniens vermochten jedoch die in Fluss geratene Reformationsbewegung in Aachen nicht zu hemmen. Im April d. J. 1580 traten nämlich die Calvinisten und die Lutheraner, jede Partei mit besonderen Eingaben um Gestattung der öffentlichen Religionsübung an den Rat heran ^^). Mit diesen Anträgen war die wichtige Frage zur Entscheidung gestellt, ob das grosse katholische System in Nordwestdeutschland, das bisher mit allen Mitteln aufrecht erhalten worden war, an einer Stelle durchbrochen werden sollte. Diese Eventualität liess den Kaiser, sowie die benachbarten Fürsten auf un- verzügliche Gegenmassregeln denken. Noch im April 1580 schickte Rudolf IL ein Abmahnungsschreiben an den Aachener Rat; zugleich liess er durch den Herzog von Jülich und den Bischof von Lüttich auf die Aachener einwirken, dass sich dieselben zu dem nach der Ansicht überzeugungstreuer Katholiken durchaus ungesetzlichen Schritt nicht hinreissen liesen ^^). Nach den Kommentaren, die ein Bellarmin und seine deutschen Geistesverwandten, wie die kaiserlichen Hofjuristen Eder und Erstenberger, (vgl. z. B. „die evangelische Inquisition wahrer und falscher Religion" v. J. 1579) eben damals zu dem Augsburger Religionsfrieden lieferten *'), mussten nämlich ihrer Kirche treu ergebene Katholiken das leise Nachgeben des Aachener Rathes gegenüber den dortigen Protes- tanten für durchaus ungesetzlich halten. Was nun diese gelehrten Theoretiker mit einem überwältigenden Aufwand juristischen Scharfsinns in ihren Schriften zu beweisen unternahmen, das suchten kleinere Naturen, bei denen Leidenschaften der verschiedensten Art an die Stelle echter Geisteskraft traten, sofort in Thaten umzusetzen. Ein typisches Beispiel eines solchen Eiferers scheint der damalige Dechant an der Aachener Stiftskirche, namens Franz Voss (Fuchs), gewesen

•) M. Ritter a. a. 0. I S. 572.

10) Haagen Geschichte der Stadt Aachen II S. 162 ff. ") Summarischer Bericht, was seit den Jaren 1558 und 1559 etc. St.-A. d. Augsb. Arch.

>>) Summ. Bericht, was seit den Jaren 1558 und 1559 etc. ") M. Ritter a. a. 0. II S. 76.

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zu sein**). Auf seine Veranlassung kamen im Jahre 1579 zwei Jesuiten nach seiner Vaterstadt. Er äusserte sich sowohl im geheimen, wie öffent- lich von der Kanzel so heftig gegen die Protestanten, dass sogar seine Glaubensgenossen ob solchen Gebahr ens nicht geringes Missfallen empfan- den. Er entblödete sich z. B. nicht, das Augsburger Bekenntnis mit einem gemeinen Frauenhause zu vergleichen, das man losen Buben höchstens aus Not, bis mans ändern und bessern könne, nachgeben dürfe. In- sonderheit hat sich Voss bemüht, die Gemüter der konfessionell geschie- denen Blutsverwandten gegen einander zu verbittern und zu verfeinden. Durch seine Wühlereien brachte er es denn auch endlich dahin, dass am Vormittag des 11. Oktober d. J. 1580 etliche Hundert katholische Bürger teils mit, teils ohne Gewehr im Aachener Münster sich zu- sammenrotteten, von da^ auf das Rathaus zogen und vom Rat mit Gewalt forderten, dass er die Ratspersonen und Bürger Augsburger Konfession mit der Schelle aus der Stadt verweisen lasse. Solche Vor- gänge erzeugten nicht nur bei den Protestanten, sondern beim ganzen Rat, auch bei den Katholiken, zu dem schon geschöpften vorigen Ver- dacht neuen Argwohn und stärkeres Misstrauen *^). Zur Beseitigung alles Missverstandes ordnete der Kaiser im November d. J. 1580 eine neue Kommission ab, mit der er wiederum den Herzog von Jülich und den Bischof von Lüttich betraute. Der Verlauf dieser vom 17. No- vember bis 6. Dezember thätigen Kommission ist in mehr als einer Hin- sicht wichtig ^^). Einmal ward hier zum erstenmal im Namen des Kaisers von den subdelegierten Räten Jülichs und liüttichs die Behaup- tung aufgestellt und zu begründen versucht, dass aus dem oben er- wähnten 12. Artikel des Augsburger Religionsfriedens „a contrario sensu unvermeidlich erfolgt, dass den Reichsstädten, darin zur Zeit des Ab- schlusses des Friedens beide Religionen in Übung nicht gewesen, die

**) Nuntiaturberichte aus Deutschland, 3. Abt., II S. 536 und biy6. Auf den Antrag des Legaten Madruzzo v. 5. Sept. 1582 bei der Kurie, dem Dechanten Fr. Voss (als „persona molto buona, ma molto miserabile" bezeichnet ihn der Kardinal in seinem Schreiben) für seine Treue und Standhaftigkeit im kathol. Glauben ausser den gewöhnlichen Dekanatseinkünften noch zwei Präbenden zuzuwenden, beschloss man in Rom diese Aufbesserung. (Como an Madruzzo v. 22. Sept. 1582, ebd. S. 55()).

") Summarischer Bericht, was seit etc. St.-Akt. d. Augsb. Arch.

*•) Summarische Deduction oder Anzeigung dessen, was die Kays, sub- delegirten Commissarien in Religionssachen im Monat November nechst abpe- loffenen Jars bei einem Erb. Rat des K. Stuels und Statt Aachen geworben und femer darauf hinc inde fürgelaufen. St.-A. d. Augsb. Arch.

Der Konflikt Kaiser Rudolfs IL mit den deutsch. Keichsstädten. 263

Augsbarger Konfession künftig anzustellen nnd zuzulassen gänzlich be- nommen und abgestrickt sei" ^^). Das von übereifrigen Geistlichen aus- geheckte Sophisma war damit von der kaiserlichen Regierung als gesetzliche Waffe gegen eine ganze Gruppe von Reichsständen anerkannt worden, ein politischer Missgriff, der sich, wie wir sehen werden, am Reichs- oberhaupt in kürzester Zeit bitter rächen sollte. Sodann bestritten die kaiserlichen Kommissäre dem Augsburger Magistrate das Recht, in Re- ligionssachen Änderungen vorzunehmen, darum, weil die Jurisdiction

^') Das rätliche Bedenken der Ev. Reichsstätte an Aachen wegen Auf- richtung der Augsb. Confession ; Ulm, 26. Aug. 1580 (St.-A. d. Augsb. Arch.). Die herzoglich jülichsche Regierung hatte dieser Anschauung in ihrem Namen schon in einem unter dem 7. Juli 1580 an den Aachener Rat gerichteten Schreiben Ausdruck gegeben. Nicht wenig bestürzt über die Unverfroren- heit, mit der Jülich seine parteiische Auslegung des Angsburger Religions- friedens den Reichsstädten zu oktroyieren suchte, hatten die Aachener den im August des J. 1580 zu Ulm versammelten StäQtetag um ein Gutachten darüber ersucht, wie sie sich in der Sache weiter verhalten sollten. Die Städte fassten, nachdem sie die Aachener in ihrem Antwortschreiben auf „die fast gleiche Handlung der Stadt Hagenau und deren Span mit dem Erzherzog Ferdinand von Österreich, sowie auf die Anstellung des ministerii confessionis augusti in andern mehr Reichsstädten seit der Aufrichtung des bemelten Re- ligionsfriedens" aufmerksam gemacht, ihr rätlich Bedenken in diese Worte zusammen: „Da nun in diesem kein Zweifel, dass die E. Reichsstätt Stände des Reichs sein, auch allen des h. Reichs constitutionibus und Verabschie- dungen nit weniger dann die höheren Stände jeder Zeit unterworfen und fähig gewesen und noch sein, aber der gedachte Religionsfriede ingemein verordnet, dass die K. Majest, auch Churfürsten, Fürsten und Stände des Reichs keinen Stand des Reichs von wegen der Augsb. Confession und der- selben Lehr, Religion und Glaubens halber vergewaltigen oder wider sein Gewissen und Willen von dieser Augsburger Confession, Religion, Glauben, Kirchengebräuchen etc., so sie nicht allein dazumalen aufgericht, sondern auch nochmals aufrichten werden, in ihren Fürstentümern, Landen und Herr- schaften drängen oder durch mandat oder anderer gestalt beschweren sollen, so hatt ein E. Rat der Stadt Aachen als einer uralten Stadt des h. Reichs endlich zu erkennen, was Im in solchem gebühren wolle. Dieweil aber nit allein einem E. Rat zu Aachen, sondern auch gemeinen E. Reichsstädten an dem vil gelegen, dass sie bei berürten Iren Freiheiten, Rechten und Gerech- tigkeiten erhalten würden, wird ein E. Rat der Stadt Aachen Im selbst und gemeinen Reichsstädten zum besten das bemelte Fürgeben, als ob die Reichs- städte nit Stände des h. Reichs sein sollten und was sonst noch deshalb zu Abbruch und Nachteil berürter Reichsstädte Privilegien und Gerechtigkeiten aufgesucht wird, mit sonderem Ernst und gebürender Bescheidenheit an seinen Ort zu verantworten, zu widersprechen und sonderlich des beneficii des vilbemelten Religionfriedens zu behelfen und zu handhaben wissen. '^

Vartd. Z«iteohr. f. OMoh. n. Kunst XIY, HI. 20

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des Herzogs von Jülich mit derjenigen der Stadt konkurriere, die Stadt Aachen also nicht anderen freien Reichsstädten gleich za achten sei. Der Herzog von Jülich besetzte das Amt eines Yogtmaiers in der Stadt, dem der Vorsitz im Schöffengericht und die meisten Befugnisse gericht- licher Exekutionen zugeteilt waren; seinem Patronat unterstand neben anderen Beneficien die Propstei des altberühmten Stiftes, femer die Scholasterei, also das gesamte Schulwesen der Stadt, endlich die Stelle des Erzpriesters, des Vorsitzenden im geistlichen Gericht, dem sog. Sendgericht. Das waren nun zwar bedeutende Rechte, die durch diese Befugnisse dem Herzoge von Jülich in dem Gerichts- und Kirchenwesen Aachens eingeräumt waren. Ob aber aufgrund dieser von einem späteren Reichstag (Regensburg 1594) ausdrücklich „als zu weit ex tendiert" be- zeichneter Befugnisse Jülich den Aachenern kurzweg das jus reforraandi und damit zugleich die Reichsstandschaft absprechen durfte, das war denn doch noch eine Frage, die nur auf reichsgerichtlichem Wege zur Ent- scheidung gebracht werden konnte. Der Kaiser, der Hort und die Quelle alles Rechtes im Reiche, konnte sich zu einer solchen un- parteiischen Auffassung nicht durchringen. Am 11. Januar 1581 langte in Aachen ein kaiserliches Schreiben an, in welchem auf den Bericht der kaiserlichen Kommission hin die Aachener heftig getadelt wurden, dass sie unter dem Schein der von den kaiserlichen Vorfahren gegebenen Privi- legien und mit ungereimter widerwärtiger Deutung des Religionsfriedens, auch wider die alten Ordnungen der Stadt den Sekten und Feinden der wahren katholischen Religion in Aachen Platz gegeben hätten ; vier Wochen darnach befahl ein weiteres kaiserliches Mandat, dass die Aachener bei den demnächst stattfindenden Ratswahlen genau nach der Ratsordnnng vom J. 1560, also mit steifer Handhabung der alten wahren katholischen Religion, zu wählen hätten. Unter solchen Verhältnissen erachtete es der Rat von Aachen für nötig, wegen der besondem, Aachen allein angehen- den, wie auch wegen der alle Reichsstädte betreffenden Beschwerden sich an die Reichsstädte um Beistand zu wenden. Dieser Entschlass brachte nun die ultramontane Partei in Aachen erst recht in Harnisch. Vor allem that sich jener Dechant Voss wieder hervor. Er bezeichnete von der Kanzel aus alle diejenigen, welche die vom Aachener Rat an Frankfurt gerichtete Werbung um Beistand befürworteten, als Verächter ihres Glaubens, als Feinde ihres Vaterlandes und als Rebellen gegen Kaiser und Reich; er stiftete etliche katholische Bürger an, unter sich einen Ausschuss von 60 Deputierten aufzuwerfen und die bevorstehende Abordnung nach Frankfurt mit aufrührerischen Bedrohungen und Be-

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schimpfangen der nach Frankfurt verordneten Ratspersonen zu verhin- dern ; er brachte den einen der beiden Bürgermeister, Leonhard v. Hoven, nebst etlichen wenigen katholischen Ratsverwandten dazu, sich vom ordentlichen Rat abzusondern und für sich selbst einen besonderen Rat anzustellen^^). Diese Absonderung, sowie die im Mai des Jahres be- vorstehenden neuen Ratswahlen bewogen dann den Kaiser im April 1581, eine neue Kommission nach Aachen zu entsenden und zwar diesmal, neben Jülich, und Lüttich den Präsidenten des Reichshofrates Phil, von Winneburg und den kais. Rat Phil, von Nassau -Sprinkenburg. Als diese beiden Kommissarien nebst den Jülichschen und Lüttichschen Sub- delegierten gegen Ende des Monats Mai in Aachen eintrafen, fanden sie zwar die Wahlen schon beendet, zugleich aber infolge derselben die Stadt in heftiger Bewegung. Als nämlich bei der Ergänzung des Rates wieder Protestanten aufgenommen worden waren, wurde von selten der katholischen Mitglieder dagegen Protest erhoben, und als dann am 25. Mai der grosse Rat zur Wahl der Bürgermeister und sonstigen Amtsträger zusammentrat, war die offene Spaltung erfolgt : 48 katholische Ratsherren auf der einen Seite, 80 Anhänger der Neuerung von 1574 auf der anderen Seite traten zu zwiespältiger Bürgermeisterwahl auseinander^^). Mitten in diesem Streite befand man sich, als die kaiserlichen Kommissarien anlangten. Da trat am 29. Mai Philipp von Nassau vor den protestan- tischen Ratsteil und verlangte in grobem herrischen Ton die Entfernung sämtlicher Protestanten aus Rat und Ämtern, sowie die Auslieferung der zu den Ratsämtem gehörigen Schlüssel; im Weigerungsfalle werde er gegen die Ungehorsamen als Majestätsverbrecher nicht bloss mit Kon- fiskation ihrer Hab und Güter, sondern auch mit Leibesstrafe verfahren. Auf die Kunde von diesen Drohungen, sowie davon, dass die abgewichenen katholischen Ratsmitglieder ihre Amtsschlüssel bereits an die kaiserlichen Kommissarien abgeliefert hätten, brachen nun die Protestanten und die ihnen freundlich gesinnten Katholiken in einem grimmigen Auflauf los: sie Hessen die Sturmglocken läuten, erbrachen das Zeughaus, fuhren die Kanonen auf dem Markt auf und rotteten sich bewaffnet zur Ver- teidigung ihres Rates zusammen. Über diesem entschlossenen und dabei doch massvollen Auftreten der Aachener Protestanten ein einziger Katholik war bei dem ganzen Auflauf getötet worden verlor die Gegenpartei den Mut. Bereits am 30. Mai Hess sich der katholische Teil

^^) Summarischer Bericht dessen, was seit den Jaren 1558 u. 1559 etc. *•) Zeitschrift des Aachener Geschichichtsvereins X S. 228 ff., vgl. auch M. Ritter a. a. 0. I, S. 578.

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des Rates mit dem protestantischen zu einem Vergleich herbei, kraft dessen beide Teile ihre Bürgermeister fallen Hessen und sich zu neuer Wahl der Bürgermeister und Amtsträger vereinigten. Diese neue Wahl fand am 5. Juni statt, also noch bM Anwesenheit der kaiserlichen Kommissarien in der Stadt, da dieselben erst am 6. Juni von Aachen abreisten. Zuvor, am 2. Juni, ward zu Ehren der kaiserlichen Eommissarien, sowie zur Feier der Versöhnung der Parteien auf dem Rathaus ein grosses Fest- mahl gegeben, wobei die Gesandten öif entlich vermeldeten, dass sie an dem getroffenen Frieden grossen Gefallen trügen, dass die Aachener nur dabei verharren möchten und dass sie dem Kaiser genau referieren wollten, wie nun die Sachen beschaffen seien. Diese Versicherungen waren eitel Heuchelei; denn die von den Kommissarien an den Kaiser abgestattete Relation über ihr Kommissorium, deren Wortlaut den Aachenern trotz allen Bitten bezeichnenderweise stets vorenthalten blieb, war durchaus parteiisch, voll von Übertreibungen und Entstel- lungen. Ebenso unaufrichtig war die von einzelnen katholischen Ratsmit- gliedem am 30. Mai vollzogene Aussöhnung; denn teils unmittelbar mit den Kommissarien, teils nach Verlauf von drei Wochen entfernten sich neben einer. Anzahl katholischer Geistlicher im ganzen sieben Rats- personen aus der Stadt, in der festen Absicht, den Kampf gegen die in ihrer Vaterstadt obsiegende Neuerung mit Anklagen beim Kaiser und bei den katholischen Ständen fortzusetzen*®). Den Wünschen dieser Ausgewichenen kam der kaiserliche Hof auf das bereitwilligste entgegen. Er erliess zwei Mandate an die Stadt, das eine vom 21. Juni 1581, das andere vom 17. August 1581, welche die Kassation der protestan- tischen Ratsherren und Amtsträger, die Ausweisung der Prediger nebst deren Anhängern und die Rückberufung der geflüchteten katholischen Geistlichen und Ratsherren anbefahl. Wenn die Stadt den Mandaten binnen sechs Wochen nachgekommen sei, solle sie Verzeihung erhalten, im anderen Falle aller Freiheiten und Privilegien verlustig gehen**). Das zweite verschärfte Mandat vom 17. August war des Kaisers Antwort auf die in bescheidenem Tone gehaltene ausführliche Defensions- schrift der Aachener vom 25. Juli 1581**). Denselben blieb nun

^^) Summarischer Bericht dessen, was seit dem Jare 1558 etc. St.-A. d. A. Arch. Vgl. auch die Aachener Ratswahlen v. J. 1581 und 1582 von J. Hansen in d. Zeitschr. d. Aach. Geschichtsvereins X S. 222 ff.

**) Summarischer Bericht dessen, was seit dem Jare 1558 etc. St-A. d. A. Arch. Vgl. auch Häberiin, N. d. R. XI, S. 358 und 366.

»«) Häberiin, a. a. 0. XI, S. 358 und 359.

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nichts anderes mehr übrig, als sich an protestantische ReichsstHnde, vor allem an die weltlichen Kurfürsten und an die übrigen Reichsstädte um Hilfe und Beistand zu wenden. Nachdem die weltlichen Kurfürsten bereits im Juli Fürbitte für die Stadt Aachen beim Kaiser eingelegt hatten *'), nahm sich vor allem die Ende August in Speyer tagende Reichsstädte- versammlung der bedrängten Stadt an. Nicht als ob unter den reichs- städtischen Obrigkeiten nicht auch ängstliche Gemüter gewesen wären, welche teils wegen der calvinischen Neuerungen der Protestanten Aachens, teils wegen des demokratischen Zuges, der durch die ganze Aachener Bewegung ging, gewisse Bedenken trugen, den Aacheneni hilfreich bei- zuspringen. Erwägungen solcher Art finden sich z. B. in der vom Augsburger Rat am 17. August 1581 ausgefertigten Instruktion für seine Gesandten zum Speyerer Städtetag. „Die Gesandten sollen in- sonderheit diesem nachfragen, ob die zu Aachen der Augsburger Kon- fession verwandt oder dem Calvinismus anhängig seien ; denn da sie mit dem Calvinismus verhaftet, könnten wir nicht sehen, wie man sich ihrer anzunehmen Fug und Recht hätte, weil der Calvinismus in den Religions- frieden nicht einbegriffen". Und weiter: „Da gleich die von Aachen der Augsburger Konfession zugethan wären, wäre hierin noch zu distingnieren. ob man bestreite, dass die Erb. Städte selbst des Re- ligionsfriedens fähig und Reichsstände seien, auch ihre Session und Vota im Reichsrat geben, oder ob den Bürgern in den Reichsstädten solches gebühre. Der Privatbürger halber halten wirs nicht dafür, dass sie Macht haben sollten, als Stände des Reiches Ändenmg in der Religion in den Städten ihres Gefallens vorzunehmen ; denn sonst würde es dahin kommen, dass die Städte ihren Bürgern, sie wären gleich zwinglisch oder anderen Sekten anhängig, die Ausübung der Religion frei lassen müssten, was eine grosse Konfusion geben würde. Aber den Obrigkeiten in den Reichsstädten als Gliedern des Reiches hülfe man billig ihre Freiheiten erhalten" '*). Aber solche Bedenken konnten nicht Stand halten, als der Abgesandte Strassburgs, dessen Bemühungen die sofortige Einberufung des Speyerer Städetages überhaupt zu ver- danken war, in der Sitzung vom 26. August den Städteabgesandten mit unerschrockenen Worten klar machte, dass es sich bei dem Vorgehen der katholischen Partei gegen Aachen um einen wohlüberlegten Streich gegen

") Häberlin, a. a. 0. XI, S. 359 und 360.

'^) Instruction des Rates von Augsburg für seine zum Speyerer Städte- tag 1581 abgesandten Deputirten. den Ratsherrn Mathäus Stamler und den Advokaten Wemher Sauter, v. 17. August 1581. St.-A. d. Augsb. Arch.

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den von der Mehrheit des deutschen Volkes hoch und heilig gehaltenen Augsburger Religionsfrieden, zugleich aber um eine Schmälerung der verhassten reichsstädtischen Freiheiten und Gerechtigkeiten handle. Nachdem die Aachener Gesandten in ihrem Vortrag vor allem betont hatten, dass der im Juni 1581 getroffenen Vergleichung, ebenso wie die kaiserlichen Kommissarien, die gesamte Bürgerschaft zugestimmt habe und nur etliche 13 bis 14 unfriedfertige, nachher aus Aachen entwichene Personen gegen das Friedenswerk weiter agitierten *^), stellte der Strass- burgische Syndicus Paul Hochfelder folgenden Antrag: Der Kaiser ist durch eine eigene städtische Gesandtschaft an das gnädige Verhalten seines Vaters, des Kaisers Maximilians II in einem ähnlichen Falle (Hagenau ist gemeint) zu erinnern und zugleich zu bitten, die Ton den Aachenern unter sich getroffene Vergleichung anzuerkennen*^. Diese

^^) Dass die Aachener Bewegung zum guten Teil auf die Machinationen einiger weniger Glaubenseiferer zurückzufuhren ist, geht unter anderem aus einer charakteristischen Episode im Verlaufe der im Frühjahr 1584 in Aachen vor sich gehenden Kommissionshandlung hervor. Die den Aachenern von den Beichsstadten beigegebenen Abgesandten Strassburgs und Heilbronns berichten hierüber an den im Aug. 1584 zu Speyer versammelten Städtetag folgender- massen: Es hatte auch Dr. Ealenbeckh, Sächsischer Verordneter, nachdem einer vom Adel, des Baths und noch der Gatholischen Beligion zugethan, so vor drei Jaren auch mit an den K. M* Hof gewesen, begert, im die drei für- nembsten von den Aussgewichenen (wahrscheinlich Dechant Voss, Stadt- secretär Job. Thenen und Leonhard von Hoven) under die Augen zu stellen, sie gegenwertig zu überzeugen, dass die pacification, so in anno 1581 mit beiden thailen getroffen, nit allein von beiden thailen were angenommen und zu halten versprochen, sondern auch von den damalen gewesenen Kays. Com- missarien approbirt und ratificirt worden, mit vermelden, Irer K. M. wurde zu gnedigsten gefallen gereichen, dass sie sich under einander selbst wider verglichen, welches alles die Aussgewichenen jetzt nit mehr gestendig sein wolten. Als nun dieselben drei im Beysein der Subdelegirten alles solches auf des vorgemeldeten Adeligen Verhalten gestendig sein müssen oder nit weiter widersprechen khönnen, hatte darauf Dr. Eulenbeckh Inen zum hef- tigsten Ire Ungebüer und dass sie diese neue Unruhe erweckt, undersagt und Inen zu erkennen gegeben, dass sie allein, deren so wenig in der Zal, die weren, die der K. M. das ganze Contributionswesen strittig gemacht, dieweil die Erb. Statt umb dieser sache willen die Gontribution Irer M. nit einwilligen wollen und infolge davon auch die höheren Stände mit ihrer Gontribution zurückhielten. (Belatio, was sich bei Verrichtung der K. Gommission in Aachen i. J. 1584 in unser der beiden Statt Strassburg und Heilbronn abge- sandten Beysein begeben. St.-A. d. A. Arch.)

'^) Protokoll und Abschied des Speyerer Städtetages v. J. 1581 (24- Aug.— 1. Sept.). St.-A. d. Augsb. Arch.

Der Konflikt Kaiser Rudolfs II. mit den deutsch. Reichsstädten. 269

reichsstädtische Gesandtschaft ging, da die Gesandten im September und Oktober einerseits Jülich und Lüttich zu besänftigen, andererseits die zu Düsseldorf weilenden Ausgewichenen zur Rückkehr nach Aachen zu be- wegen suchten, erst im Dezember des J. 1581 und im Januar des J. 1582 vor sich*^).

Inzwischen waren aber die fürstlichen Nachbarn Aachens, da der Kaiser vor Massregeln zur gew.altsamen Durchführung seiner Mandate zurückscheute, auf eigene Faust gegen die Stadt vorgegangen. Nachdem der Herzog von Jülich schon anfangs Oktober den Aachenern den Ver- kehr gesperrt und die im Jülichschen anzutreifenden Güter der Aachener konfisziert hatte, begann im Dezember 1581 auf Anreizung Jülichs und Lüttichs der niederländische Statthalter Alexander von Parma seine Truppen ins Aachener Gebiet vorzuschieben und dasselbe mit Plünderungen und Verwüstungen heimsuchen zu lassen. Mitte Januar, eben als die städtische Gesandtschaft am kaiserlichen Hof zu Wien angelangt war, war die liage Aachens eine ganz verzweifelte geworden, da von Seiten der Spanier alle Anstalten zu einer wirklichen Belagerung getroffen worden waren **). Dazu wollte es aber der Kaiser damals doch nicht kommen lassen. In einigen Monaten trat der von ihm bereits berufene Reichstag zusammen ; wenn er auf demselben seine Fordeningen betreffs einer Türken- steuer durchsetzen wollte, so durfte er die protestantischen Stände jetzt nicht allzusehr vor den Kopf stossen. Er dekretierte also am 20. Januar, sodann nochmals am 10. März 1582 an Jülich und Burgund, dass die- selben ihre Gewaltmassregeln gegen Aachen einstellen sollten; er ver- ordnete die Kurfürsten von Trier und Köln als neue Kommissarien und Hess es dann geschehen, dass der Rat von Aachen dieser neuen Kom- missionshandlung mit der Erkläning auswich, er könne ohne die Be- teiligung der mitinteressierten protestantischen Stände sich darauf nicht ein- lassen*^). Inzwischen war auf die flehentlichen Hilferufe Aachens von den Städten auf den 6. April 1582 nach Heilbronn ein neuer Städtetag ausgeschrieben worden. Derselbe hatte sich, da die Herzoge von Jülich und Parma den kaiserlichen Befehlen vom 20. Januar und 10. März 1582 keine Folge geleistet hatten, mit der Frage zu beschäftigen, welche Mass-

*') Protokoll des v. 6. 9. April 1582 zu Heilbronn versammelten Städtetages. St.-A. d. Augsb. Arch. Vgl. auch Häberlin a. a. 0. S. 544 ff.

^*) Schreiben des Rates von Aachen an den Rat von Frankfurt v. 22 imd 31. Dez. 1581, desgleichen an den Rat von Nürnberg v. 10. Januar und 11. Februar 1582. St.-A. d. A. Archivs.

") M. Ritter, a. a. 0. I S. 579.

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regeln nun weiter zu ergreifen seien, nachdem die gütlichen Mittel ohne Erfolg geblieben waren. Strassburg, das als sorgsamer Wächter reichs- städtischer und evangelischer Freiheit schon in seinem Schreiben an die ausschreibende Stadt Ulm vom 24. Februar 1582 auf die von Spanien drohende Gefahr gewaltsamen Eingreifens in den deutschen Religions- streit hingewiesen^") hatte, machte auf dem Städtetag im Namen der rheinischen Städtebank den Vorschlag, dass die Städte von sich aus den Aachenern mit einer eilenden Hilfe beistehen sollten, da bei dem langsamen Zustandekommen der Kreishilfen Aachen inzwischen eine Beute der Spanier werden könne ^^). Für dieses Vorgehen waren nun die oberländischen Städte nicht zu gewinnen; sie hielten vielmehr in Übereinstimmung mit der Instruktion des Augsburger Rates vom 28. März 1582 an seine Städtetagsgesandten dafür, dass für Aachen die gewöhnliche Kreishilfe zunächst genüge, und dass man behufs Vei*- hinderung ähnlichen Vorgehens gegen andere Reichsstädte die Sache vor den demnächst zu Augsburg zusammentretenden Reichstag bringen solle'*). Der Heilbronner Städtetag stimmte den Vorschlägen Augs- burgs zu, d. h. die Aachener blieben, da eine Kreishilfe in Monaten nicht zu erwarten war, auf ihre eigene Kraft angewiesen*'). Durch einen glücklichen Ausfall anfangs April gelang es ihnen auch wirklich, die Spanier zur Aufhebung der Blockade zu zwingen und sich dieselben bis auf weiteres vom Halse zu halten'*). Die Entscheidung der prin- zipiellen Streitfrage aber, d. h. der Frage, ob die einseitige Auslegung des 20. Artikels des Augsburger Religionsfriedens seitens des kaiserlichen Hofes wirklich zu Recht bestehen sollte, wurde auf den am 3. Juli in Augsburg eröffneten Reichstag verschoben.

Der Kaiser hatte, da er den nach der Ratsordnung vom J. 1574 gewählten Aachener Magistrat als solchen nicht anerkannte, Aachen

*°) Schreiben des Rates von Strassburg an den Rat von Ulm vom 24. Februar 1582. St.-A. d. A. Archivs.

**) Protokoll des Heilbronner Städtetages vom 6.-9. April 1582. St-A. d. A. Arch.

•*) Instruction des Rates von Augsburg für seine zum Heilbronner Stadtetag (April 1582) abgeschickten Gesandten, die Ratsherren Eonrad Mair, Mathäus Welser, Gregor Henning und den Advokaten Dr. Gg. Tradel, vom 28. März 1582. St.-A. d. A. Arch.

**) Abschied des Heilbronner Städtetages v. 9. April 1582. St-A. d. A. Arch.

»*) Relatio historica des Mich. Eytzinger v. J. 1583 S. 26—36. (Vgl. auch Häberlin a. a. 0. XI S. 542 und 543).

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nicht zum Reichstag beschieden ; trotzdem waren Bevollmächtigte dieser Stadt zu Augsburg erschienen, hatten ihr Kredenzschreiben beim kur- mainzischen Kanzler abgegeben und waren von demselben auch nicht zurückgewiesen worden. Auf Veranlassung der Kurie hatten aber auch die Aachener Ausgewichenen zur Vertretung ihrer Sache eine eigene Gesandtschaft, darunter den uns schon bekannten Dechanten Voss, zum Augsburger Reichstag geschickt'*), und diese Gesandtschaft beschwerte sich am 5. Juli beim Kaiser darüber, dass die protestantischen Abgeordneten Sitz und Stimme im Städterat angenommen hätten. Zwei Tage danach, am 7. Juli, benutzte der päpstliche Legat Madruzzo eine, ihm vom Kaiser gewährte Audienz, demselben die elende Lage der Aachener Katholiken und die Wichtigkeit des Aachener Handels auseinander zu setzen. Als nun am 9. Juli, morgens 9 Uhr, die Städte wegen der Streitigkeiten Augsburgs mit dem Reichs-Marschall beim Kaiser Audienz hatten und unter den vorgelassenen Gesandten auch der Aachener Bürgermeister Job. lenzen aus Versehen vom Kaiser begrüsst worden war, ward Lonzen nach beendigter Audienz von einem Trabanten zum kaiserlichen Sekretär Erstenberger, zu dem kaiserlichen Rat Trautson und dem Vicekanzler Vieheuser berufen und ihm von denselben vorgehalten : Der Kaiser wäre nicht wenig befremdet gewesen, dass er und seine Mitverwandten, ob- wohl sie sich der kaiserlichen Kommission ungehorsamlich widersetzt und deshalb auch nicht zum Reichstag vorgefordert worden, sich dennoch bei der Mainzer Kanzlei angezeigt, im Reichstag erschienen und die Session genommen; das alles gebühre ihnen nicht. Darum befehle ihnen der Kaiser hiemit ernstlich, dass sie sich „ebenso wie ihre Widerpart" der Räte enthalten und darein nicht kommen sollten. Lonzen zeigte das Vorkommnis sofort dem Städterat an und bat den- selben um ein Gutachten, was die Aachener Abgesandten hierin thun sollten. Die Städte wählten hierauf zu Beratung der Pappenheimschen und Aachenschen Sache folgenden Ausschuss: a) Strassburg, Lübeck, Frankfurt, Speyer; b) Regensburg, Augsburg, Nürnberg, Ulm^*).

'^) „Si patriae tuae libertatem amas^, so schrieb unter dem 20. Juni 1Ö82 von Augsburg aus der dem kaiserl. Hof beigegebene päpstliche Nuntius BoDomi an jenen Voss, „si catholicos restitui cupis, curandum tibi est quam diligentissime, ut prlmo quoque tempore legati aliqui (sique potes tu ipse) Augustae adsint, causam vestram et catholicae religionis acturi. Tu ne cede adversariis, sed contra nitere et viriliter age hoc praesertim comitiorum tempore, in quo non deerunt vobis et patroni et defensores acerrimi.^ (Vgl. Nuntiatarberichte aus Deutschland, 3. Abt. 2. 6., S. 466 Anm. 2).

••) Städterats - Protokoll des Augsb. Archivs über den Augsburger

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Dieser achtgliedrige Ausschuss fasste die Beschwerden der Aachener, sowie die Beschwerden Augsburgs über Anmassungen des Erbmarschalls, des Grafen Pappenheim, kurz zusammen und beantragte, dieselben den höheren Ständen, bezw. dem Kaiser mit der Erklärung zu übergeben, dass vor Abstellung dieser gravamina sie sich weder an einer Reichstagsbe- ratung, noch an einer Bewilligung für die Türkensteuer beteiligen könnten. Diese am 19. Juli übergebenen Beschwerden der Städte richteten sich nun zunächst gegen den Kaiser selbst, der wider den klaren Wortlaut des Religionsfriedens und des kaiserlichen Dekretes vom 8. Dezember 1574 die Reichsstädte nicht wie andere Reichsstände des Religionsfriedens für durchaus fähig erklärt, der ohne vorhergehendes rechtliches Verfahren sogleich die achtsmässige Exekution gegen Aachen ausgesprochen und dieselbe Stadt vom Reichstage ausgeschlossen habe. Sodann enthielten die städtischen Beschwerden einen Protest gegen das den Reichsconstitutionen ganz zuwiderlaufende Verfahren der Nach- barfürsten (Jülich, Lüttich und Burgund), die unter dem Schein eines prätendierten Interesses die Exekution gegen Aachen mit der That aus- geführt hätten. Und endlich wendete sich die eine der städtischen Be- . schwerden gegen das Reichskammergericht, das in der Aachenschen Sache den erbetenen Prozess bereits am 19. Oktober 1581 waren die Aachener beim Kammergericht um ein Strafmandat auf den Reli- gionsfrieden gegen den Herzog von Jülich eingekommen so lange hinausgezogen habe, dass die Stadt inzwischen *in die äusserste Be- drängnis geraten sei^^).

Dieses mutvolle Auftreten der Städte brachte den Kaiser in keine geringe Verlegenheit, zumal gerade in derselben Zeit infolge des Magde- burger Sessionsstreites der Fürstenrat seine Sitzungen eingestellt hatte und Rudolfs ei*ster Reichstag also an Sonderinteressen zu scheitern drohte. Als jedoch durch den Eifer der katholischen Partei und die Nachgiebigkeit des Kurfürsten August v. Sachsen der Magdeburger Bis- tumsadministrator Joachim Frieilrich von Brandenburg gezwungen wurde, auf seine Session für diesmal zu verzichten, und die beiden oberen Kollegien

Reichstag vom Jahre 1582. R.-A. d. A. Arch. Vergl. auch in Nuntiaturbe- richte aus Deutschland, 3. Abt. II S. 456 Madrazzo*s Bericht an Como t. 10. Juli: plo con tal occasione ho pregato anco il signor Trautsohn che di- sponga S. M. cesarea rimediare toste alli disordini d^Aquisgrano et a qneste intnisioni de commissarii impertinentL'^

»') Häberlia a. a. 0. XH S. 80-^.

Der Konflikt Kaiser Rudolfs II. mit den deutsch. Reichsstädten. 273

zu weiteren Beratungen tlber die Türkensteuer schritten'^), da glaubte Kaiser Rudolf den Trotz der Reichsstädte durch die äusserste Schroff- heit brechen zu können. Er erteilte den beiden oberen Kollegien, Vr eiche ihm die „ganz befremdliche Beschwerdeschrift" der Städte vom 19. Juli zugestellt hatten, am 30. Juli eine Resolution, in welcher er seine Verfügungen in der Aachener Angelegenheit nicht nur streng aufrecht erhielt, sondern auch das Eintreten der Städte für die unge- horsame Reichsstadt Aachen als ein gefährliches Komplott bezeichnete, für das eine gebührende Strafe zu finden ihm der Kürfürsten- und Fürstenrat ihren Rat und Beistand nicht versagen würden. Welchen Ingrimm beim Kaiser und seinem Hof die vermeintliche Antastung der kaiserlichen Hoh- heitsrechte durch die trotzigen Städter hervorgerufen hatte, davon zeugt unter anderem die Thatsache, dass man sich in der kaiserlichen Kanzlei nicht scheute, den in der erwähnten kaiserlichen Resolution vorkommenden Namen Dr. Tradels, des Augsburger Ratskonsulenten und freimütigen Wort- führers der Städte bei den Verhandlungen des Reichstages, in den Spott- namen Radler, d. h. Rädelsführer umzukehren, ein Vorgehen seitens der kaiserlichen Regierung, das man nicht anders denn als eine grobe Verletzung der guten Sitte und des Anstands bezeichnen kann^^). Die Städte Hessen sich jedoch weder durch Drohungen, die gegen sie selbst ge- richtet waren, noch durch läppische Beschimpfungen ihres Sprechers einschüchtern, ebensowenig wie sie sich durch die Missgunst der Mehrheit des Kurfürstenkollegiums, das ihnen auf Grund veralteter Reichstagsge- bräuche zunächst eine Abschrift der kaiserlichen Resulution vom 30. Juli verweigerte, in ihrem Beginnen irre machen Hessen *'^). Sie wussten sich in Übereinstimmung mit der Mehrheit des Fürstenrates, welche, von dem unerschrockenen Kanzler des Pfalzgrafen Job. Casimir, Dr. Ehern, einem geborenen Augsburger geführt, die Städte bei der Ver- teidigung ihres Postens erfolgreich unterstützte, so dass die von den Gegnern versuchten unlauteren Mittel, die Städte mürbe zu machen, wie mehrfache Vorforderang zu nicht angesagten Reichsratsitzungen,

*«) M. Lossen, Der Magdeburger Sessionsstreit auf dem Augsburger Reichstag von 1581. Abh. der III. Cl. d. b. Ak. d. Wiss. XV. Bd. lU. Abt.

*") Auszug aus den ProtokoUen der v. J. 1466—1582 abgehaltenen Reichstage. R.-A. d. A. Arch.

-*•) Städterats-ProtokoU des Augsb. Archivs über den Augsb. Reichs- tag v. 1582 (Sitzungen vom 1., 2., 3. und 4. August). Vgl. auch HäberHn a. a. O. XII S. 446 etc.

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Fälschung der Votenabgaben im Fürstenrat seitens des Vorsitzenden, des Salzburger Erzbischofs, ohne jede Wirkung blieben*^).

Am 1. August wiederholten die Städte ihre Erklärung vom 19. Juli mit der angehängten Bitte, ihnen die Anzeige ihrer Beschwerden nicht ungnädig zu vermerken, sondern sich gegen sie als Mitglieder der Reichsversammlung mitleidig zu erzeigen, bei der Überreichung der Duplik der höheren Stände an den Kaiser in puncto cx)ntributionis die zweite Erklärung der Städte auch vorzubringen und ihnen Ab- schrift von der Resolution vom 30. Juli zukommen zu lassen. Sie fügten auch noch bei, dass, wenn ihren geklagten Beschwerden abgeholfen würde, ihre Oberen trotz des notorischen Rückganges des Wohlstandes der Städte die von den höheren Ständen bewilligten 32 Römermonate wohl auch bezahlen würden. Auf die erste von den Städten vorgetragene Bitte, ihre Erklärung der von den höheren Ständen erstatteten Re- lation an den Kaiser anzuhängen, vermeldete der Mainzische Kanzler in der Reichsratsitzung vom 1. August, dass sich die höheren Stände darin dem Herkommen gemäss verhalten, d. h. dass sie den Städten darin willfahren würden. Betreffs der Kommunikation der begehrten Abschrift der kaiserlichen Resolution bemerkte er jedoch, dass man diese Sache bis jetzt nicht habe erledigen können. Die Frage, ob die höheren Stände zur Mitteilung der Resolution an die Städte verpfliclitet seien, wurde nämlich in den nun folgenden Sitzungen des Kurfüi-sten- und Fürstenkollegiums aufs ernstlichste erwogen, viel ernster, als die Fassung des zweiten Bedenkens der Reichsstände auf die Duplik des Kaisers in Sachen der Türkenhilfe. Der von den höheren Ständen ausgearbeitete Entwurf dieses Bedenkens, der in der gemeinsamen Sitzung der Reichsstände vom 2. August zur Verlesung kam, fand fast in allen Stücken die Billigung der Reichsstädte. Dieselben wünschten das Kon- zept nur an einer Stelle geändert zu sehen, nämlich da, wo die von den Städten übergebenen Beschwerden als Privatsache bezeichnet wurden. Der Sprecher der Städte erinnerte die höheren Stände daran, dass diese Beschwerden, da sie doch das ganze Kollegium der Städte beträfen, nicht für eine Privatsache angesehen werden könnten, und dass deshalb die höheren Stände diesen Ausdruck aus ihrem Bedenken ausmerzen möchten. Nach kurzer Beratung erklärten sich dieselben bereit, das den Städten anstössige Wörtlein Privathandlung durch den Ausdruck „solcher ihrer Sachen wegen" zu ersetzen, für welche günstige Milde- rung sich die letzteren dann auch unterthänigst bedankten.

**) V. Bezold, Briefe des Pfalzgrafen Johann Casimir I S. 527.

Der Konflikt Kaiser Itudo<fs It. mit den deutsch. Reichsstädten. 275

Während nun in den Sitzungen des St&dterates, bezw. des Stadt- ansschusses, vom 3. und 4. August über die Erklärung der Städte auf die kaiserliche Triplik in puncto contributionis, sowie über einen aus frühe- ren KeichstagsprotokoUen anzufertigenden Auszug beraten wurde, durch welchen der vom Kaiser und mehreren Reichsständen erhobene Vorwurf, dass die Städte mit ihrer Absonderung in der Türkensteuerbewilligung eine Ungesetzlichkeit begingen, entkräftet werden sollte, fanden im Kurfürsten-, insbesondere aber im Fürstenrat die heftigsten Debatten über die oben erwähnte verfassungsrechtliche Streitfrage statt. Die geistlichen Kurfürsten und Fürsten behaupteten nämlich, dass die kaiser- liche Resolution, da sie ausschliesslich an die oberen Stände gerichtet gewesen, den Städten nicht mitzuteilen sei. Die weltlichen Kurfürsten und die Mehrzahl der weltlichen Fürsten waren dagegen der Ansicht, dass man den Städten die Mitteilung der Resolution vor einer Be- antwortung derselben bewilligen müsste, damit denselben nicht unge- hört eine beschwerliche Strafe zuerkannt würde. Die erstgenannte An- schauung vertrat im Fürstenrat besonders Salzburg, während die ent- gegengesetzt« Meinung in den Reichstagsgesandten des Pfalzgrafen Job. Casimir ihre eifrigsten Verteidiger fand. Als man nun im Fürstenrat am 4. August über den Punkt zur Abstimmung kam und die Mehrheit der p&lzischen Anschauung beifiel, sachte Salzburg das Abstimmungs- ergebnis zu vertuschen, indem es bei der Relation des Fürstenratsbe- schlusses an das Kurfürstenkollegium den von ihm vertretenen Stand- punkt als denjenigen der Fürstenmehrheit ausgab, ein Fälschungsver- sucb, der durch die Wachsamkeit der pfälzischen Gesandten sofort als solcher nachgewiesen und damit vereitelt wurde**). Übrigens war der Kurfürstenrat auch der milderen Auffassung der strittigen Frage beige- treten, so dass die Vertreter Augsburgs, nachdem ihnen der Mainzische Kanzler die Erlaubnis der höheren Stände zum Kopieren der kaiserlichen Resolation angezeigt hatta, am Sonntag den 5. August endlich Abschrift davon nehmen konnten*^). Der Städteausschuss benützte nun diesen Sonntag, sowie den darauf folgenden sitzungsfreien Feiertag (Tag des hl. Sixtus) dazu, auf die in der kais. Resolution erhobenen Vorwürfe eine ausführliche Defensionsschrift auszuarbeiten. Die letztgenannte Schrift, den oben erwähnten Auszug aus früheren Reichstagsprotokollen,

^2) Häberlin a. a. 0. XII S. 449—459.

^*) Städterats-Protokoll d. Augsb. Arch. (Reichsratsitzungen vom 9. und 11. Aug. 1582).

276 J. Müller

sowie ihre endgültige Erklärung in puncto contributionis übergaben die Städteabgesandten in der Reicbsratsitzung vom 7. August den höheren Ständen zur Weiterbeförderung an den Kaiser. Bezüglich der Türken- hilfe erklärten sie, dass sie wegen ihres notorischen Unvermögens bei ihrer Eventualbewilligung von 32 Monaten bleiben müssten. In dem Auszug aus den Protokollen früherer Reichstage brachten sie den Nach- weis dar, dass die Einreichung von Beschwerden an den Reichstag und die bedingungsweise Bewilligung von Steuern durchaus keine Ungesetz- lichkeit in sich schlössen, sondern auf altem Herkommen beruhten. Ein jeder Stand habe das Recht, soviel zu bewilligen, als er wolle oder geben könne; es habe diesfalls keiner dem andern etwas zu prä judi- zieren. In ihrer Defensionsschrift erklärten sie ernst und fest: Es wäre ihnen nicht bewusst, sich in ungebührlichem Tone beschwert zu haben, sie hätten vielmehr ihre Beschwerde mit mehr Bescheidenheit vorgebracht, als es die Beschaffenheit der Sache habe leiden wollen. Um so mehr hofften sie, dass der Kaiser ihrer geklagten Notdurft ab- helfen werde. Dies könne aber nicht allein dadurch geschehen, dass der Kaiser die Reichsstädte für Stände des Reiches erkläre, was ohne- hin seit etlich hundert Jahren notorisch wäre, sondern dazu bedürfe es im Abschied des jetzigen Reichstages einer feierlichen Erklärung, dass künftig weder sie, noch irgend ein Reichsstand wider den Religions- und Landfrieden mit Kommissionen, Dekreten oder Befehlen beschwert werden dürften*^).

Diese entschiedene Sprache der Städte, eine wahre Oase in dem dürren Sandmeere sonstiger Bedenken und Gutachten dieser illustren Versammlung, führte nun allmählich zur Scheidung der Geister in den beiden oberen Reichsräten. In den gemeinsamen Sitzungen vom 9. and 11. August war die Trennung noch nicht recht ersichtlich; da hofften die Anhänger des Kaisers und der alten Kirche die Städte immer noch von ihrer Eventualbewilligung abzudrängen und ihnen das Zu- geständnis zu entreissen, dass angesichts so hochwichtiger, zur Beratung stehender Angelegenheiten ein Bestehen auf Erledigung sogenannter Pri- vatbeschwerden als nicht loyal zu betrachten wäre*^). Als aber in der

**) Häberlin a. a. 0. XII S. 449. Vgl. dagegen Madruzzo's Bericht V. 4. Aug. 1582 in Nuntiaturberichte aus Deutschland II S. 497, wonach den Katholiken bei der Abstimmung die Mehrheit mit 33 gegen 24 Stimmen geblieben wäre.

**) Nach dem Bericht Madruzzo's vom 7. August (Nuntiaturberichte aus Deutschland, 3. Abt., II S. 498) hätten die Reichsstädte ihre Erklärung zum

Der Konflikt Kaiser Rudolfs II. mit den deutsch. Reichsstädten. 277

Reichsratsitzung vom 13. August der Sprecher der Städte auf das un- gestüme Andrängen des Kurmainzischen Kanzlers, sich nunmehr cathegorice in puncto contributionis zu erklären, abermals die runde und nette Er- klärung' abgab, dass sie von wegen des grossen Abfalls der Kommerzien solche Kontribution bei ihrer armen Bürgerschaft einzubringen, ja auch Gewissens halber sie über ihr Vermögen zu beschweren nicht zu verant- worten wüssten, es sei denn, dass ihren Beschwerden abgeholfen würde ; als an demselben Tage die Städte sich unter einander das feierliche Ver- sprechen gaben, sich in dieser Angelegenheit niemals zu trennen, sondern bei der einmal gefassten Erklärung zu beharren*^, da begannen die Gegner das Visier allmählich zu lüften. In den Sitzungen des Fürsten- rates vom 16. und 18. August stellten Österreich und Salzburg den An- trag, dass die Städte, weil sie dem Kaiser trotzig die Kontribution ver- weigert, zur Strafe anzuweisen wären ; die Aachener hätten den Anord- nungen des Kaisers unbedingt zu gehorchen. Diesem Antrag stimmten die geistlichen Fürsten selbstverständlich zu*'). Im Kurfürstenrat, wo der städtefeindliche und mit Augsburg insbesondere verfeindete August von Sachsen das Zünglein an der Wage bildete, fand man, dass die Städte keine erheblichen Ursachen gehabt hätten, sich auf die geschehene Art zu beschweren. Denn was die besondere Beschwerde der Stadt Aachen be- treffe, so ergebe sich aus dem kaiserlichen Bericht (der Resolution vom 30. Juli beigefügt) soviel, dass dieselbe in ihrem Stand zu lassen sei.

1. Artikel der kaiserlichen Proposition, bezw. ihre Defensionsschrift schon am 5. August im Reichsrat verlesen, wären aber wegen des anzüglichen und un- Yerschämten Tones derselben von den höheren Ständen zu erneuter Beratung der Sache angewiesen worden. Diese Darstellung muss schon deshalb auf falschen Informationen beruhen, da am 5. und 6. August als an Feiertagen überhaupt keine Sitzungen stattfanden.

*•) Die Erklärung Dr. Tradels in der Reichsratsitzung vom 13. August lautet wörtlich : „Die E. Statt haben I. K. M. wie auch den höheren Stenden ihr äusserstes vermögen hievor schon zu erkennen gegeben, welches dermassen beschaffen, da sie was weiteres bewilligen sollten, dass von wegen des grossen Abfalls der commertien solche Contribution bei ihrer armen Bürgerschaft nit einzubringen und zu erlangen, ja auch gewissenshalber sie über ihr vermögen zu beschweren nicht zu verantworten wissen. '^ Als der Mainzer Kanzler zum Schlüsse der Sitzung in die Städtabgesandten drang, ihre Eventualbe- willigung doch wenigstens auf 40 Monate zu erhöhen, erklärten sich dieselben öffentlich gegen die höheren Stände: „Es wäre alles weitere Verhandeln in dieser Sache vergebens, man würde die Stände damit nur unzeitig und zu lang aufhalten." (Städterats-Protokoll d. Augsb. Arch. über die Reichsrat- unn Städtratsitzungen v. 13. Aug. 1582).

*') Häberlin a. a. 0. XII S. 460.

278 J. Müller

Wegen der Wiederherstellung der Einigkeit zwischen Bürgerschaft und Geistlichkeit in Aachen möchte es wohl ratsam sein, dass der Kaiser nochmals beide Teile vor seine Kommission bescheide und sie womöglich in der Güte vergleichen liesse. Falls aber solche nicht erfolge, würde der Kaiser nach erhaltener Relation seiner Kommissarien die Sache zu ent- scheiden wissen. Nach der Ansicht der drei weltlichen Kurfürsten sollten die Kommissarien von beiden Religionen bestellt werden*^). Im Gegensatz zu diesen teils recht lahmen, teils ganz städtefeindlichen Vor- schlägen votierte die weltliche Fürstenbank dahin, dass sie nicht be- finden könnte, warum die Städte zu bestrafen seien. Es wäre ein altes Herkommen, dass nicht allein von besonderen Ständen, sondern auch von den Reichsstädten fast auf allen Reichstagen Beschwerden unbe- straft vorgebracht und erledigt worden seien. Dass sie aber in Kon- tributionssachen soviel, als sie wollten, und diese Summe auch nur eventuell bewilligen könnten, das hätten die Städte aus den Exempeln von dergleichen Absonderungen von 160 Jahren her genügend nachge- wiesen. Es wäre also vielmehr der Kaiser zu ersuchen, die gegen die Städte gefasste Ungnade fahren zu lassen, in der Aachenschen Sache unparteiische Kommissarien von beiden Religionen zu verordnen, über- haupt gegen die Reichsstädte in Profan- und Religionssachen nach den- selben Grundsätzen zu verfahren, wie gegen andere Reichsstände *^).

Am 24. August trat der Fürstenrat mit dem Kurfürstenrat über diese reichsstädtische Angelegenheit zur Relation und Korrelation zu- sammen. Als nun der fürstliche Referent, der Bischof von Seckau, an- zeigte, dass die Mehrheit des Fürstenrates sich in Sachen der Städte mit den Kurfürsten vergleichen, den Städten ihr Verhalten verweisen wolle, erklärte Dr. Ehem, dass dieser Mehrheitsbeschluss des Fürsten- rates nur dadurch zu Stande gekommen sei, dass Stände, welche dem Reiche nichts kontribuieren, oder solche, welche an der Aachener An- gelegenheit interessiert seien, mitgestimmt hätten. Die Fürsten Augsb. Konfession begehrten darum, dass ihr Bedenken dem Kaiser auch über- geben werde ^®). So kam es denn, dass dem Kaiser am 25. August zwei ganz verschiedene Gutachten übergeben werden mussten, das eine im Namen der Kurfürsten und der angeblichen Mehrheit des Fürstenrates, das andere im Namen der Fürsten und Grafen der Augsburger Kon-

") Häberlin a. a. 0. XII S. 462 und 463.

*») Häberlin a. a. 0. XU S. 441.

^^) Y. Bezold, Briefe des Pfalzgrafen Johann ('asimir I, S. 526.

Der Konflikt Kaiser Rudolfs iL mit den deutsch. Keichsstädten. 279

fession, beide dem Inhalt nach den oben skizzierten Abstimmungen vom 24. Angust entsprechend.

Was sollte nun der Kaiser in dieser von ihm selbst heraufbe- schworenen peinlichen Lage thun? Den Fordeningen der Städte nach- zugeben, hinderte ihn einerseits sein reizbares fürstliches Selbstgefühl, anderseits die Rücksicht auf die fernere Geneigtheit der katholischen Reichsstände, insbesondere auch des päpstlichen Legaten, des Kardinals Madruzzo, der ihm durch sein kluges und energisches Auftreten zu Beginn des Reichstages die Wege in dem durch Sessionsstreitigkeiten gespaltenen Fürstenrat geebnet hatte ^^). Der Kaiser versuchte es also wohl vor allem auf den Rat des Legaten Madruzzo, der bereits am 9. August, dann nochmals am 23. August wegen des Aachener Handels beim Kaiser Audienz gehabt und dabei denselben nicht nur auf die üblen Folgen eines den Protestanten günstigen Entscheides in dieser Sache für die katholische Kirche, sondern auch für die Wahrung des kaiserlichen Ansehens aufmerksam gemacht hatte ^*) nochmals mit einer Einschüchterung der Städte durch das Einsetzen seiner ganzen kaiser- lichen Autorität. Diese Taktik wäre vielleicht von Erfolg begleitet gewesen, wenn der Kaiser durch sein persönliches Auftreten den Städte- gesandten hätte imponieren können. Bei dem scheuen, verschlossenen Wesen Rudolfs IL jedoch, zum Teil erzeugt durch ein lästiges körper- liches Übel, war mit ziemlicher Bestimmtheit vorauszusehen, dass der Versuch misslingen würde. Und so geschah es auch. So wenig nun Kaiser Rudolf II. für eine Heldenfigur geschaffen war, so kommt doch seit seinem persönlichen Eingreifen in die reichsstädtischen Angelegenheiten in die bisher schleppenden Verhandlungen des Reichstages dramatisches

^^) M. Lossen, Der Magdeburger Sessionsstreit auf dem Augsburger Reichstag v. 1582. Abh. d. IlL Cl. d. b. Ak. d. W. XX. Abt. HI.

") Nuntiaturberichte aus Deutschland, 3. Abt., II S. 503 und 520. Madruzzo's Berichte an Como vom 9. und 23. August. Madruzzo an Como V. 9. Aug.: Hora vedend'io cosl incerto et pericoloso il camino di questo negotio, mi risolsi di parlame giovedi con la Mt^ dell' imperatore, massime per le male consequenze, che ne derivaranno alle cittä d'Aquisgrano et Co- lonia etc. Madruzzo an Como vom 23. Aug.: Et perche in questo caso (seil. 11 voti essere divisi) h libero a S. M*» l'appigliarsi a quäl parte le piace, giovedi ne feci seco il piu caldo officio che potei, aciö ella approbasse il parer piü commune de principi, quäle ^ anco eguale fra gFelettori, mostrando che ciö non solo serve al beneficio de catholici d'Aquisgrano dalla causa commune della religione, ma anco all' autoritä et dignitä della M^» S., alla quäle la determinatione degl' aversari pregiudica con ristringimento notabile.

Westd. Zeitochr. 1 Q«tch. n. Kunst. XIV, in. 21

280 J. MüUer

Leben. Die Bollen waren auf beiden Seiten derart verteilt, dass der päpstliche Legat und des Kaisers Räte, vor allem Hans Trautson und der Sekretär Erstenberger, . das vorwärts drängende, der Kaiser selbst und die Mehrheit der höheren Reichsstände das zurückhaltende Element bildeten. Auf Seite der Reichsstädte, die die einmal ergriffene Posi- tion zu verteidigen hatten, stand Strassburg in der vordersten Linie der Kämpfer; wie ein Aldermann erhob es immer wieder seine treu- herzig warnende Stimme, wenn im Städterat gegenüber den Anzapfungen des Kaisers und der höheren Stände unsichere Kantonisten von der ge- meinsamen Sache abzufallen drohten. Ausser Strassburg waren dann besonders noch Nürnberg und Lübeck, jenes das Haupt der fränkischen Städtegruppe, dieses die Führerin der Hansastädte, stets klar zum Gefechte. Zu den Städten mit etwas zweifelhafter Gesinnung und Haltung gehörte nun vor allem Augsburg. Der einflussreichste Mann Augsburgs war damals Anton Christof Rehlinger, seit 1574 Stadt- pfleger, „ein Mann von grossem Verstand und Erfahrenheit", wie ihn P. V. Stetten in seiner Augsburger Chronik schildert „aber doch in seinen Unternehmungen vielleicht etwas zu heftig" ^'). Letzteres Urteil mag ja bezüglich des Verhaltens Rehlingers in dem bald darauf ausbrechen- den Kalenderstreit stimmen; während des Augsburger Reichstages von 1582 und in den vorhergehenden gemeinsamen Beratungen der Reichs- städte jedoch hat sich Rehlinger als höchst vorsichtig lavierenden Staatsmann erwiesen, der strenge Beobachtung der Reichskonstitutionen mit erfolgreicher Förderung der Interessen Augsburgs sowohl, sowie der kath. Kirche Rehlinger war nämlich ein ergebener Sohn der alten Kirche zu vereinigen wusste. Der oben mitgeteilte Passus aus der Instruktion Augsburgs an seine Gesandten zum Speyerer Städtetag im August 1581 wirft schon ein Licht auf die vorsichtige Haltung des Augsburger Rats in dem Aachener Reformationsstreit. Noch deutlicher verrät ein im Konzept erhaltener Brief des Stadtpflegers Rehlinger, am 22. April 1583 an den bayrischen Herzog Wilhelm V. gerichtet, die innerste, den Aachenern durchaus ungünstige Gesinnung des Angs- burger Rates. Auf des Herzogs v. Bayern Aufforderung an Augsburg, auf die übrigen Reichsstädte behufs Bewilligung der Reichskontri- bution einzuwirken, antwortete Rehlinger im Namen des Stadtrates, dass sich Augsburg zu seinem Teil trotz aller Ungelegenheit in dem Aachener Handel von den übrigen Städten mit Fug nicht wohl abson*

*) P. y. Stetten, Geschichte der Stadt Augsburg I S. 712.

Der Konflikt Kaiser Rudolfs II. mit den deutsch. Reichsstädten. 281

dem könne, nachdem die Sache in dieser Stadt also geschaffen sei, d. h. weil in der 'Augsburger Bürgerschaft die Protestanten die Mehrheit bildeten**). Dieser aus der aristokratischen Verfassung Augsburgs er- klärliche Zwiespalt zwischen den Anschauungen der Mehrheit der Bür- gerschaft und denjenigen des Stadtregimentes wird uns im Verlauf der Reich tagsverhandlungen noch mehrfach begegnen. Einen Einfluss auf die Gesamthaltung der Reichtstädte in der Aachener Sache vermochte diese antiprotestantische Politik der Augsburger Patrizier jedoch nicht auszuüben.

Am 27. August Hess also der Kaiser den Ausschuss der Städte vor sich fordern und demselben in seiner Gegenwart durch den R.- Vicekanzler Dr. Vieheuser folgende Eröffnungen machen: Es seien ihm die von den Städten vorgebrachten Beschwerden wohl bekannt. Gleich- wie er nun nicht abgeneigt sei, denselben zu eines jeden Zufriedenheit abzuhelfen, so sei er auch dazu erbietig, ihre ferneren Klagen anzuhören und sich darauf der Gebühr nach zu erzeigen. Dagegen hätte sich der Kaiser nicht versehen, dass die Städte ihn allenthalben würden verklagt und verunglimpft haben. Er begehre daher, dass ihn die Städte künftig mit solchen scharfen Anzüglichkeiten verschonen und ihm den Respekt erzeigen sollten, der ihm als ihrem höchsten Haupt gebühre. Desgleichen verlange der Kaiser, dass die Städte in dem Punkte der Türkenhilfe von ihrer Eventualerklärung abstehen und sich diesfalls mit den höhe- ren Ständen vergleichen sollten. Dies wolle er den Städten gewiss zu Gnaden erkennen.

An eben diesem 27. August erfolgte auch die kaiserliche Resolution auf das von den beiden höheren Kollegien vor zwei Tagen übergebene Gutachten. In dieser Resolution äussert der Kaiser, dass er zwar genug Ursache hätte, die Urheber dieser Verkleinerung und Zerrüttung der Gebühr nach zu strafen. Allein in Anbetracht der von den anderen Ständen geschehenen Intercession, sowie in der Hoffnung, dass die Städte ihre Absonderung im Punkte der Türkenhilfe aufgeben und sich gehor- sam erzeigen würden, wolle er es diesmal dabei beruhen lassen und sein öfteres Erbieten sowohl wegen der Erledigung ihrer Beschwerden, als auch in allem andern, was die Städte als des Reiches Mitglieder und der Reichsconstitutionen fähige Stände betreffe, wiederholt haben. Was aber insbesondere die Aachensche Handlung angehe, Hesse sichs der

") Schreiben des Stadtpflegers Ant. Christ. Rehlinger an den Herzog Wilhelm V. v. Bayern vom 22. April 1583. Stadtetagakten des Augsb. Archivs.

21*

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Kaiser gefallen, dass die Güte nochmals versucht würde ; er wäre daher entschlossen, selbige entweder durch Kommissarien oder am kaiserlichen Hofe selbst zum ehesten vorzunehmen und keinen Fleiss zu deren güt- lichen Beilegung zu sparen. Sollte aber wider Vermuten die Güte nicht stattfinden, wolle er sich so verhalten, wie es seinem Amt und den Rechten gemäss wäre^*).

Diese Resolution nebst dem kaiserlichen Vortrag rief nun unter den Städten eine tiefe Erregung hervor ; am 28. Aug., da man im Städterat über weitere Schritte in der Angelegenheit zur Beratung zusammentrat, drang der Antrag Strassburgs, die Sache einem Ausschuss zur weitei-en Be- ratung zu überweisen, erst nach hartem Kampfe durch. Abgesehen von den kleinen schwäbischen, rein katholischen Städten Rottweil, Schw.- Gmünd und Überlingen, welche es nun für selbstverständlich erklärten, dem Kaiser die 40 Monate pure zu bewilligen, waren auch Städten, wie Esslingen, Heilbronn, Köln, Frankfurt, Zweifel gekommen, ob ihre kleinen Republiken der Hochflut des kaiserlichen Zornes würden Stand halten können, d. h. ob sie die zu erwartenden kammergerichtlichen Prozesse über sich ergehen lassen sollten^*). Augsburg, das an der Erledigung der reichsstädtischen Beschwerden vor allem wegen seines Streites mit dem Erbmarschall interessiert war, erklärte noch am 29. August, als es bereits in den achtgliedrigen Städteausschuss gewählt war, dass es nicht verstehen könne, weshalb man in dem Reichstagsabschied wegen der Beschwerden Verordnung zu statuieren begehre. Für Aachen, meinten die Augsburger Gesandten gar, habe man mit der Erklärung des Kaisers, dass er die Städte für Stände des Reiches und des Reli- gions- und Landfriedens für fä,hig erkenne, genug erreicht. Ihre Herrn hätten deshalb Bedenken, ob es auch gut sei, sich femer auf solche Weiterungen einzulassen. Das war, wie man sieht, eine zwar die eigenen Interessen wahrende Politik, aber auch eine Politik, welche der Sache der Städte kühl bis ans Herz gegenüberstand. Wie wohlthuend stach doch gegen solche Kaltsinnigkeit der Augsburger Patrizier das Verhalten der Nürnberger oder Lübecker ab ! Erstere erklärten in der- selben Sitzung vom 29. August, dass es Aachens halber nicht genügend sei, Kommissionen zu verordnen, sondern dass zur Entscheidung der Frage, ob Aachen die Macht habe, das exercitium religionis nach Gefallen auf-

") Häberlin a. a. 0. XH S. 470—472.

") Konzept des Städterats-ProtokoUs über die Städteratsitzungen vom 28. und 29. Auguat 1582. St.-A. d. A. Arch.

Der Konflikt Kaiser Rudolfs IL mit den deutsch. Reichsstädten. 283

zurichten, ein reichsgerichtliches Erkenntnis erforderlich sei. Der Lü- bccksche Gesandte aber traf wohl den Nagel auf den Kopf, indem er von der Handlungsweise Kaiser Rudolfs urteilte: „Ich sehe von S. M. keinen Effekt, sondern allein Worte", d. h. deutsch gesagt, die Thaten entsprechen bei diesem Monarchen in dem vorliegenden Falle keines- wegs seinen hochtrabenden Worten ^^).

Der achtgliedrige Stadtausschuss (Regensburg, Nürnberg, Ulm und Augsburg von der oberländ. Bank, Köln, Strassburg, Lübeck und Worms von der rhein. Bank) war nun so zusammengesetzt, dass Ansichten, wie sie von Augsburg in der Städteratsitzung vom 29. August entwickelt worden waren, darin nicht zur Geltung kommen konnten. Strassburg konnte zur Unterstützung seines Antrages, von der Eventualbewilligung vor Erledigung der städtischen Beschwerden keinesfalls abzuweichen, noch zwei besonders gewichtige Gründe ins Feld führen. Erstens würde es bei den weltlichen Fürsten und Grafen, welche den Städten bei ihrem Vorgehen bisher so kräftig sekundiert hatten, ein seltsames Ansehen haben, wenn sie nun auf eine blosse Schrift des Kaisers hin ihre Rechte nach Helotenait feige preisgeben würden; sodann wäre es die höchste politische Unklugheit von ihnen, wenn sie die sich jetzt bietende günstige Gelegenheit, ihre Gleichberechtigung mit den beiden oberen Ständen mit Hilfe eines Teiles dieser selbst ein für allemal feststellen zu lassen, ungenützt vorübergehen lassen würden. Diese Gründe schlugen denn bei der Beratung der dem Kaiser zu erteilenden Antwort in der Städte- ratsitzung vom 30. August auch vollkommen durch ; mit Ausnahme der vier Städte Rottweil, Überlingen, Schwäb.-Gmünd und Dinkelsbühl er- klärten sich sämtliche Städte dahin, dem Kaiser die Türkenhilfe nicht zu bewilligen, es sei denn, dass ihren Beschwerden zuvor in der That abgeholfen werde ^*). Am 31. August morgens 8 Uhr übergaben sie diese ihre Erklärung, welche sie mit den ihnen als Reichsständen zu- kommenden Prärogativen des näheren begründeten, dem Kaiser zu eigenen Händen ^^) ; am 4. September wurden die Gesandten der Reichs- städte insgesamt vom Kaiser zur Audienz befohlen, um seine weiteren Eröffnungen in dieser Sache entgegenzunehmen. Den Inhalt der am Vormittag des 4. und am Vor- und Nachmittag des 5. September

*") Konzept des Städterats-Protokolls über die Städteratsitzungen vom 28. und 29. August 1582. St.-A. d. A. Arch.

*«) Konzept des Städterats-Protokolls über die Städteratsitzung vom 30. August 1582. St.-A. d. A. Arch.

»») Häberlin a. e. 0. XU S. 473—477

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stattfindencfen Unterredungen zwischen dem Kaiser, bezw. seinem Vize- kanzler einerseits Rudolf IL selbst ergriff nämlich dabei nie das Wort und den Städteabgesandten anderseits auch nur in extenso mitzuteilen, das dürfte wegen der Eintönigkeit der immer wiederkeh- renden Motive von keinem weiteren Interesse sein. Es genügt hier wohl auf diejenigen Momente kurz hinzuweisen, welche der Sache eine neue Wendung gaben oder wenigstens zu geben versprachen. Dazu gehört nun vor allem die Thatsache, dass die Städte am 4. September auf die von dem Vizekanzler an Dr. Tradel gerichtete Frage, wie doch diesen Beschwerden abgeholfen werden möchte, demselben einen kurzen schriftlichen Aufsatz überreichten, in dem sie die Mittel angeführt hatten, welche nach ihrer Ansicht zur Abhilfe ihrer Beschwerden dien- lich wären. Diese Mittel waren nun, abgesehen von einem Passus, der sich auf den Streit Augsburgs mit dem Reichsmarschall bezog, folgende zwei: 1) Der Stadt Aachen ist die freie Religionsübung zu bewilligen und zur Beilegung ihrer Privatirrungen ist eine paritätische Kommission zu verordnen. 2) Den Städten ist eine Recognition auszustellen, dass die Bewilligung der 40 Römermonate allein dem Kaiser zu Ehren und nicht darum geschehe, weil die Städte den Beschlüssen der höheren Stände sich zu unterwerfen schuldig wären.

Ausserdem sollte dem Reichsabschied noch folgende Erklärung beigefügt werden: „Weil die Reichsstädte Stände und Mitglieder des Reichs, demnach gleich den Kurfürsten und übrigen Ständen des Re- ligions- und Landfriedens fähig sind, so dürfen sie hierfür ebenso* wenig wie irgend ein anderer Stand gegen den Religions- und Landfrieden, auch andere Reichsconstitutionen mit einigen Kommissionen, Dekreten und Mandaten beschweret werden; sondern wann sie oder ein anderer Stand des Reiches sich wider die Ordnungen ungehorsam erzeigen und dadurch eine Strafe verwirken, so sind sie laut der Reichsordnung mit ordentlichen Rechten zu convinciren. Sollten aber trotzdem Kommis- sionen, Dekrete oder Befehle gegen sie ergehen, so sollen dieselben kraftlos und unbündig sein, auch durch niemand exequiert werden dürfen. Seilten aber welche darwider einige Exekution anstellen, sei es durch Sperrung der Commertien, Victualien, oder sonstwie mit Bedrängnis und offener thätlicher Gewalt, so sind solche Exekutoren ipso facto in des Reiches Acht gefallen^®)."

Solche Zumutungen hätten wahrscheinlich auch einen von der

••) Häberlin a. a. 0. XII S. 489—491.

Der Konflikt Kaiser Rudolfs 11. mit den deutsch. Reichsstädten. 285

Hoheit seiner Stellung weniger erfüllten Herrscher stutzig gemacht. Nun mag man sich aber die Entrüstung eines Rudolf H. denken, der die überspanntesten Begriffe von seiner kaiserlichen Autorität vom spanischen Königshof nach Deutschland mitgebracht hatte. Dergleichen habe man nie erfahren, solche Zumutungen, die das Ansehen seines Herrn ganz zu Grunde richten müssten, seien noch keinem Kaiser gemacht worden, so rief der Vicekanzler den Mitgliedern des städtischen Ausschusses entgegen, als sich dieselben am Vormittag des 5. September bei demselben wiederum einfanden. Ihre nach Materie und Form nichtsnutzige Schrift sei so beschaffen, als ob man den Kaiser in einem Turm hätte und von ihm sich Urfehde schwören lassen könne. Doch wisse man wohl, dass dieses Vorgehen nicht im Sinne der Gesamtheit der Städte liege, sondern das Werk nur einzelner weniger sei, die die übrigen zum Bösen verführten. Den Verführern wie den Verführten aber gebe er zu be- denken, dass sie es mit dem Kaiser zu thun hätten, welcher, nach Gott im Himmel, ihr Gott auf Erden und ihr höchstes und einiges Haupt sei. Zu ihm, der sich so milde gegen sie erboten, ihren Beschwerden abzuhelfen, sollten sie Vertrauen haben. Doch wenn sein treuherziges Bitten und Ermahnen durchaus nichts helfe, so hätten sie wohl zuzu- sehen, dass ihr endlicher Untergang aus ihrer Beharrung folgen würde. Mit diesen und ähnlichen Worten bestürmte der Vicekanzler die Städte- abgesandten am Vormittag des 5. September; bezüglich Aachens aber blieb er bei seiner Meinung, dass sich die Städte dieser Reichsstadt und ihrer Privatbeschwerden anzunehmen keine Ursache hätten^*). Dass die Städte sich durch den Aufwand bedeutender Stimmmittel von ihrer gegenteiligen Ansicht nicht abdrängen lassen würden, war für einen klagen Mann vorauszusehen. So war die ganze Scene wahrscheinlich doch nicht viel anderes, als ein wohl präparierter Entrüstungsspektakel, den der schlaue Höfling zur Befriedigung des verletzten Fürstenstolzes seines Herrn aufführen zu müssen glaubte.

Auf Nachmittag 3 Uhr desselben Tages waren die Städteabge- sandten in das kaiserliche Quartier bestellt, um daselbst ihre endgültige Erklärung vor dem Kaiser selbst abzugeben. Da den Städten die gewährte Frist zur weiteren Beratung der wichtigen Sache zu kurz schien, schickten sie zwei Abgesandte von Regensburg und Goslar an den Vicekanzler, um bei ihm anzuhalten, dass sie bis morgen oder wenigstens bis um

•*) Städterats-ProtokoU des Augsb. Arch. (Verhandlungen der Städte mit dem Kaiser am 4. und 5. Sept. 1582).

286 J, MüUer

5 Uhr heute Nachmittag einen Anfschnh erlangen möchten. Sie be- kamen aber von ihm die angnädige Antwort: die Städte hätten den Kaiser so heftig vor den Kopf gestossen, dass er ihnen keinen Auf- schub bewilligen wolle.

So erschienen denn nachmittags 3 Uhr die Stadteabgesandt«D vor dem erztlmten Monarchen, der von den Erzbischöfen von Mainz und Trier, dem Bischof von Würzburg, dem Yicekanzler Dr. Vieheuser and den Geh. Räten v. Trautson und v. Harrach umgeben war. Nach- dem Dr. Tradel die von den Städten kurz vor der Audienz entworfene Erklärung, dass sie bei ihrem gestrigen Entschlüsse zu beharren ge- dächten, verlesen hatte, mussten sie abtreten. Der Kaiser besprach sich nun zuerst mit den bei ihm anwesenden Fürsten, sodann mit den vor- gedachten Geheimen Räten ; dann liess er die Städte wieder hereinrufen und ihnen durch seinen Yicekanzler folgendes eröffnen : Ihre hartnäckige Widersetzung im Punkte der Türkenhilfe und ihre Absonderung darin von den höheren Ständen sei wider allen Gebrauch und Herkommen, die Verwirklichung ihres Begehrens aber, wegen ihrer Beschwerden einen besondem Artikel in den Reichstagsabschied einzurücken, würde die Autorität des Kaisers, sowie das Ansehen der höheren Stände zum höchsten lädieren und schwächen. Dass der Mehrzahl der ^tädte eine solche böse Absicht innewohne, das verm^e er nach seinem väterlichen und milden Erbieten gegen sie nimmermehr zu glauben. Die gutherzigen Städte, deren es gewiss noch viele unter ihnen gebe, ermahne er also nochmals, sich in Ansehung der Tfirkenhilfe der Gebühr zu erzeigen; von den Widerspenstigen aber fordere er, sich deshalb mit den höheren Ständen zu vergleichen. Im übrigen zeige er sämtlichen Städten an, dass die von den oberen Ständen geschehene Bewilligung allein als Reichsbeschluss in den Abschieii gesetzt werde und dass in dem Ab- Si'hied zugleich Mass und Onlnung gegeben werde, wie gegen die Un- gehor^men zu verfahren sei.

Nachdem sich die Städteabgesandteo kurz über die zu erteilende Antwort beraten, trug Dr. Tradel in ihrem Namen dem Kaiser folgendes vor: Die Städte könnten ihr Verlanen, dass dem diesmaligen Reichs- tagsabsohied um ihr^r Sicherheit willen ein Artikel betreffs Abstellung ihrvr IV^ohwenien einverleibt wenie. nach einem ganz ähnlichen Fall auf dem Au^bur^r Reichstai? v. J. Iöö9 durchaus nicht für unbillig halten. IVuuals hätten die Städte dem Kaiser Ferdinand I, nachdem sie sich üKt die Hohe ihn^ Anschlags zur Unterhaltung des Reichs- kÄmmenin^riohts K^hwert bellen, den erlK«hten Beitrag nur unter der Be-

Der Konflikt Kaiser Rudolfs IL mit den deutsch. Reichsstädten. 287

dingnng bewilligt, dass dem Beichstagsabschied ein besonderer Artikel über die Verschonung der Reichsst&dte mit künftigen derartigen Kon- tributionen eingereiht würde. Des Kaisers Grossvater- habe keinen An- stand genommen, den von den Städten begehrten Zusatz in den Reichs- tagsabschied V. J. 1559 einrücken zu lassen; angesichts eines solchen Präcedenzfalles hätten die Städte nicht daran denken können, dass ihnen ihr heutiges Verlangen zu Ungnaden ausgelegt würde. Was übrigens des Kaisers Meinung betreffe, dass der Städte Verlangen nur das Werk einiger weniger sei, so sei Se. Majestät darin irrig berichtet; ausser den vier Städten Rottweil, Überlingen, Schw.-Gmünd und Dinkelsbülil, die die Kontribution pure bewilligt hatten, seien alle Reichsstädte in dieser Frage eines Willens und eines Sinnes**).

Die Städte vermochten weder durch den Hinweis auf das Ent- gegenkommen eines Ahnen bei einer ähnlichen Gelegenheit, noch durch die Feststellung ihrer Einhelligkeit und wahrscheinlichen ünzertrenn- lichkeit in dem vorliegenden Fall den Kaiser von seinem einmal ge- fassten Standpunkt abwendig zu machen ; nach nochmaligen vergeblichen Ermahnungen an die Städte, sich mit den höheren Ständen zu ver- gleichen, schloss der Vicekanzler diese denkwürdige Audienz mit den drohenden^ Worten : „So lässt es Se. Majestät der Kaiser, mein gnädiger Herr, bei seiner vorhin geschehenen Erklärung und endlichen Anzeige bewenden".

Dem starken fürstlichen Selbstbewusstsein, dem solche stolze Worte entsprangen, entsprachen nun aber zum Heil des deutschen Volkes durch- aus nicht gleichwertige Machtmittel bei dem rein kirchlichen und dynasti- schen Interessen dienenden Kaiser. Sollte der kaiserliche Fiskal etwa gegen die zweiundsechzig Reichsstädte, welche die Kontribution nicht bewilligt hatten, am Kammergericht Prozesse anstrengen ? Das hätte zu unendlich langwierigen Verhandlungen geführt, die grösseren Städte, wie Strassburg, Nürnberg, Lübeck etc., an deren Beiträgen dem Kaiser vor allem gelegen, war, hätten sich der Exekution wahrscheinlich mit Gewalt widersetzt; zudem war man, da die Türkensteuem von den Fürsten und Grafen ausserordentlich langsam einzugehen pflegten, in dieser Beziehung auf städtische Vorschüsse („Furlehn") geradezu angewiesen. Kurz, wirkliche Strafmassregeln gegen die Städte, das hatte der Vicekanzler den Ge- sandten Regensburgs und Goslars auch offen zugegeben, waren am kais.

•*) Städterats-ProtokoU des Augsb. Arch. (Verhandlungen der Städte mit dem Kaiser am 5. Sept. 1582).

288 J. Müller

Hof auch im Ernste kaum je erwogen worden ^^). Der Kaiser versuchte es vielmehr nochmals „mit milder Ermahnung und Erbieten **. Es war am Nachmittag des 12. September, nachdem fast alle wichtigeren Reichs- tagshandlungen bereits erledigt waren, dass der Städteausschuss zu dem kais. Yicekanzler und den beiden Geh. Räten v. Trautson und v. Harrach beschieden wurden. In der Einleitung seines Vortrages bezeichnete der Vicekanzler als Grund des abermaligen Versuches des Kaisers, mit den Städten wegen des Kontributionspunktes ins Reine zu kommen, die vorliegende äusserste Gefahr der ungarischen Grenzen. Damit nun der Kaiser zu diesen unleidlich grossen Ausgaben der Hilfe der Städte nicht länger ermangle, lasse er sie nochmals fragen, was denn die Städte noch für anliegende Beschwerden hätten, und ob sie nicht selbst Mittel und Wege anzugeben wüssten, wie solchen Beschwerden abzuhelfen sei. Liessen sich solche Mittel nur einigermassen mit der Aufrechthaltnng der kaiserlichen Autorität vereinigen, so wolle er sich dieselben gefallen lassen®*). Diese Sprache klang nun schon etwas freundlicher, als die am 5. September beliebte Weise; immerhin aber war es auffallend, dass man sich auf kaiserlicher Seite noch so stellte, als ob man die Städtebe- schwerden nicht genügend kenne, und dass man wiederum den Städten die undankbare Aufgabe zuschob, die Mittel zur Abhilfe ihrer Beschwer- den selbst anzugeben. Gewitzigt aber durch die schlimmen Erfahrungen vom letzten mal, lehnten die städtischen Gesandten die Aufforderung des Vicecanzlers dieses mal bescheidentlich ab und erklärten sich bereit, die Mittel, wie den Städten zu helfen sei, unterthänig von den kaiser- lichen Räten zu vernehmen. Und was vernahmen sie nun da hinsicht- lich der beiden Punkte, die ihnen besonders am Herzen lagen? Der endgültige Bescheid des kaiserlichen Vicekanzlers, ein Produkt kraft- loser ünentschiedenheit, wie fast alle wichtigeren Regiei-ungsentschliessun- gen Rudolfs H, lautet wörtlich also:

„1) Das Reformationsrecht Aachens betreffend : Wie sich K. M. schon mermals erbotten, den gebrechen der Stadt Aachen abzuhelfen, so ist Sy auch noch erbietig, durch dero Commissarien zwischen den bürgern von Aachen die gute zu versuchen, und im fall sie bei einem oder an-

*') StädteratsProtokoU des Augsb. Arcb. (Unterredung des K. Vice- kanzlers Dr. Vieheuser mit den Reichstagsgesandten von Regensburg und Goslar am 5. September 1582).

^) Wörtlich : „Es ist des Kaisers allergnädigstes Erbieten, den Städten in Abhelfung derselben gravamina die Hand zu bieten und alles dasjenige zu leisten, was I. K.M. salva imperial! autoritate zu leisten immer möglich ist'

Der Konflikt Kaiser Budolfs 11. mit den deutsch. Reichsstädten. 289

dem teil entstünde, alsdann die sach gen Hof zu ziehen und darin ob- liegenden kaiserlichen ambts zu erkennen, was den Rechten, der Billich- keit, auch den Reichsconstitutionen gemes wäre.

2) Ebenbürtigkeit des reichsstädischen Collegiums mit den beiden oberen Räten betreffend : S. M. d. Kaiser erklärt die Städte für stend und mitglieder des Reichs und daher aller Reichsconstitutionen f&hig. Was dieselben bisher I. K. M. Yorfaren an Reichscontributionen treuherzig geleistet, das ist aus keiner Schuldigkeit, sondern allein denselben zu allerunterthänigsten ehren und gehorsam beschehen. Ob aber die Städte den oberen Ständen oder den mereren nachzufolgen schuldig, das stellten I. K. M. an seinen Ort und wäre eine question, so die Stände und Städte miteinander zu verfechten und auszutragen hätten^*)."

Bei der ersten Beschwerde also ein absichtliches Umgehen des Kernpunktes der Streitfrage, nämlich offene Verwerfung oder Anerken- nung des Reformationsrechtes Aachens und damit anderer Reichsstädte; statt dessen ein ostentatives Hervorheben eines nebensächlichen Punktes, von dem die Städte von vornherein erklärt hatten, dass sie sich darein nicht mischen wollten. Bei der zweiten Beschwerde aber ein unmänn- liches Zuschieben einer verantwortungsvollen Entscheidung von den eigenen Schultern auf fremde. Solche seltsame Bescheide, um die man wahrlich nicht den Kaiser, die Quelle alles Rechtes im Reiche, hätte anzugehen brauchen, konnten die Städte unmöglich zufrieden stellen. Deshalb legten sie gegen die Bewilligung der 40 Römermonate, insofeme sie eine bedingungslose war, am 18. September, zwei Tage vor der Veröffentlichung des Reichstagsabschiedes, Protest ein. Da der Kaiser, wie gesagt, den Widerstand der Städte mit Gewalt nicht zu brechen wagte, so folgten zwischen beiden dreijährige Verhandlungen, deren endliches Ergebnis war, dass sich die Städte zur Bezahlung der Steuer herbeiliessen, ohne dass ihren Forderungen betreffs Aachens von der kaiserlichen Regierung wirklich Rechnung getragen worden wäre^^).

Der Verlauf dieser Verhandlungen lässt die Vergeblichkeit jedes Versuchs dieser Zeit, den Städten zu irgend einem nennensweiten Ein- fiuss auf die politische Entwickelung Deutschlands zu verhelfen, auf das unzweideutigste erkennen. Auf dem im Juli 1583 zu Dinkelsbühl statt- findenden Städtetag verwahrte sich noch eine ansehnliche Städtemajorität es waren damals erst vierzehn Reichsstädte, meist kleinere ober-

•») Städterats-Protokoll des Augsb. Arch. (Unterredung des K. Vice- kamzlers mit dem Städteausschoss am 12. Sept 1582). ««) M. Ritter a, a. 0. I S. 587.

290 J- Müller

schwäbische, von den gemeinsamen Augsburger Beschlüssen abgefallen, „weil sie, in der Landvogtei Schwaben gelegen, von Österreich aller- hand Gefahren zu gewärtigen, wenn sie bei I. K. M. in Ungnade sein sollten" feierlichst gegen die Gewohnheit Kaiser Rudolfs IL, „die Städte in die Irrungen zwischen ihnen und ihren Benachbarten, wie auch zwischen ihren Privatbtirgern von ihren ordentlichen Richtern wider ihre habenden Freiheiten, wider den Land- und Religionsfrieden, auch I. K. M. sondern, mit den Ständen des Reichs getroffene Vergleichung, ohne Mittel an den Hof zu ziehen" ®'). Die Mehrheit, welche diesen Protest gegen Kaiser Rudolfs Übergriffe im Reichsjustiz- wesen einlegte, war nun aber durchaui keine innerlich feste, homogene Masse. Da war zunächst Nürnberg mit seiner bekannten Ängstlichkeit und übergrossen Friedensliebe ein höchst unsicheres Element in dem städtischen Trutzbündnis. In seinem Schreiben vom 25. Juni 1583 an seine Dinkelsbühler Städtetaggesandten (Baumgartner und Hörl) ^ebt sich diese Zaghaftigkeit des Nürnberger Rates in folgender, recht be- zeichnender Weise kund: „Es irrt uns nit, was Strassburg, Lübeck und dergl. Statt thun, alldieweil dieselben auf des Reichsgrentzen ent- sessen und dermassen entlegen, dass sie nach ein geringen Zorn und Ungnad nit vil fragen, mit andern Stätten aber, sonderlich uns, hat es eine weit andere gelegenheit. Dem ob sich wol der K. M. betrohung ansehen lesst, als ob I. K. M. den ordentlichen Weg, d. i. mit des K. Kammergerichts Processen wider die Stätte fürzunemen willens, so ist man doch nit gewis, ob es endlich bei demselben bleiben würde, oder ob nicht vielmehr I. K. M. andere weg, dadurch den Erb. Stätten auch wehe geschehen kann, an die Hand nehmen möcht. Unseres eracht^ns kann es soviel nicht schaden, wann man gleich I. M. zu diesem mal unterth. angebotten hette, I. K. M. die erste und nechstkünftige frist auf eine Protestation, dass es den Erb. Stätten an voriger Eventualbe- willigung und Bedingimg allerdings unvorgreiflich sein sollte, folgen zu lassen, und dass man sich auf solchs unterth. vertrauen versehen wollte, I. K. M. würde hierzwischen der Erb. Stätte gravamina eingedenk sein und denselben nachmalen allergn. abhelfen^®)." Von viel grösserer Be- deutung für die G'esamtpolitik der Reichsstädte als die unsichere Haltung Nürnbergs war aber die von dem zielbewussten Stadtpfleger Ant. Christ.

*^) Fernere Erklärung der Städtebotschafter auf die Replik der Kais. Commissarien, datiert 5. Juli 1583, Dinkelsbühl.. St.-A. d. A. Arch.

*^) Schreiben des Rates von Nürnberg an seine Städtetaggesandten in Dinkelsbühl v. 25. Juni 1583. Nürnberger Kreisarchiv.

Der Konflikt Kaiser Badolfs II. mit den deutsch. Beichsstadten. 291

Rehlinger geleitete Politik Augsburgs in dem Aachener Streit. Auch Augsburgs ablehnende Haltung gegen „alle Weiterungen in dem unleid- lichen Handel" wurde durch die Rücksicht auf materielle Interessen der Stadt in nicht geringem Grade beeinflusst ®^). Aber ausschlagge- bender als diese materiellen Interessen war für Rehlinger doch die Er- wägung, dass durch eine nachdrückliche Unterstützung der Aachener und ihrer Freunde im Reiche der verhasste calvinisch - demokratische Geist in Deutschland gefördert werde, und diese Eventualität liess den vorsichtigen Augsburger Patrizier sogar die Konsequenzen übersehen, welche sich aus dem höchst bedenklichen Übergreifen des Reichshofrates über seine Machtsphäre für die kirchliche Freiheit der Reichsstädte ergaben. Es war doch nichts anderes als eine Art Vogelstrausspolitik, wenn der Augsburger Rat in der oben erwähnten Instruktion an seine Gesandten vom 18. Juni 1583 erklärte: „Sollte bei diesem Tag von andern Statten begehrt werden, die E. Stätte hinfür mit Commissionen und Mandaten von Hof aus zu verschonen, so halten wir ein solches Ver- langen von uns aus gar nicht für ratsam und für notwendig. Dann wie die tägliche Erfahrung zu erkennen giebt, pflegen I. K. M. wohl sogar zwischen Fürsten, Grafen und Herren Commissiones und Mandata ausgehen zu lassen, welche Mandata den Stätten vielmals zu guten ge- schehen. Es würden sich also die Stätte hierdurch das Mittel, dessen sie sich zu Erhaltung und Handhabung ihrer Freiheiten wider die be- nachbarten vermuglicheren Stände oft nützlich gebrauchen können, bei I. M. selbst abschneiden'®)."

Bei solchen Anschauungen der beiden grössten städtischen Ge- meinwesen Oberdeutschlands war es kein Wunder, dass der Dinkelsbühler Städtetag vom J. 1583 dem Kaiser zunächst eine Abschlagszahlung von vier Römermonaten bewilligte. Diesen vier Monaten Hessen die Städte im Februar 1584, wo sie abermals in Dinkelsbühl tagten, weitere sech- zehn Monate folgen, da inzwischen die von Rudolf II. zugesagte pari- tätische Commission, aus Trierer und sächsischen Subdelegierten be- stehend, in Aachen zu Stande gekommen war. Als nun diese Kommis-

*') Instruction des Augsb. Rates für s. Gesandten zum Dmkesbühler Städtetag v. 18. Juni 1583 : „Unsere Stadt ist mit Landgütern nicht versehen, sondern mit dem Haus Österreich und dem Fürstentum Baiem allenthalben umringt, damit die burger guten Teils täglich ihre Commertien und Nahrung suchen, auch der Zufuhr von allerlei Proviant gewarten müssen, also dass der K. M. Ungnade halber diese Stadt vor andern Stätten viel grössere Ge- fahr zu gewärtigen." St.-A. d. A. Arch.

'<») St.-A. d. A. Arch.

292 J. Müller

sioB bezüglich des Hauptpunktes der Aachener Streitigkeiten, des exer- citiom privatum et publicum religionis befunden hatte, dass derselbe „zum thail far sich selbst, zum thail auch von wegen der benachbarten Fürsten angegebenen Interessen der Hochwichtigkeit sei, dass sie denselben dieser Ort und auf diessmal keine endtliche erclärung und ausschlag geben kflnden, sie also solches zu I. E. M. allergnädigster Resolution bestellen müssten*' ^^), da war der trotzige Sinn der ehrsamen Städter schon be- deutend gemildert. Die im Aug. 1584 zu Speyer tagende Städt^yer- sammlung wagte nur noch, die K. M., mit bescheidenlicher Erinnerung der Erb. Städte Herkommens, allerunterthänigst zu ersuchen, „I. K. M. möge seine Erklärung allergn. dahin richten, damit die Statt Aachen, als ein bekannter Stand und Mitglied des Reichs, bei den Reichs-Constitu- tionen, Religion- und Profanfrieden, auch bei hergebrachter Irer Rathswahl und ordentlichen Rechten gelassen werden möchte'^ ^^. Doch es sollte noch besser kommen. Obwohl nämlich nach der Rückkehr der ausge- wichenen Aachener in ihre Vaterstadt im J. 1584 durch deren ungebühr- liche Aufführung in Aachen neue Zänkereien entstanden und damit für die Städte erhöhter Anlass zur Wahrung des Rechtsstandpunktes in der Aachener Sache gegeben war, obwohl die Delegierten des Kaisers in der im September 1585 zu Dinkelsbfihl tagenden Städteversammlung betreffs Aachens nur die vage Erklärung abgaben, „I. K. M. werde nicht feyren, noch ainichen Fleiss, Müh und Arbeit sparen, wie die Strittigkeiten in ermelter Statt Aachen auch ehest widerumb zu Rue gebracht werden, allein dass man mit I. Maj. umb des Werks Wichtig- und Weitläufigkeit willen der Zeit und Weil mit Geduld er- warten müsste'', so verstand sich doch „in Ansehung der grossen Not und Bedrängnis der armen Christen an den hungarischen Grenzen, auch des Türken Tyrannei und Macht" auch der bis dahin fest gebliebene Teil der Reichsstädte zur Bewilligung der noch restierenden 20 Römer- monate '*).

So hätte denn das Ergebnis des überaus heftigen Konfliktes in nichts anderem bestanden als in einer um mehrere Jahre verspäteten

^') Abschied der von Kaiser Rudolf IL nach Aachen abgeordneten Commissarien, bezw. Subdelegirten der Churförsten von Trier und Sachsen. St.-A. d. A. Arch.

") Abschied des Speyerer Städtetages v. 24. Aug. 1584. St.>A. d. A. Arch.

^'} Abschied des DinkeLsbühler Städtetages Yom 27. Dez. 1585, abge- druckt in Jak. Fels' 2. Beitrage zn der deutschen Reichstagsgeschichte, 2. Teil, H. Schiessers summarischer Extrakt der Städtetagabschiede von 1447—1586.

Der Konflikt Kaiser Rudolfs 11. mit den deutsch. Keichsstädten. 293

Bezahlung der TflrkeDsteuer seitens der Reichsstädte? So scheint es auf den ersten Blick ; in Wirklichkeit verhält sich die Sache aber doch etwas anders. Der Kaiser, der den Reichsstädten offenbar einmal hatte „spanisch'' kommen wollen, war mit diesem seinem ersten und letzten exotischen Versuch bei den Deutschen übel angekommen. Zuerst vom hohen Piedestal seines autokratischen Selbstbewusstseins den biedern Reichsstädten! seine Befehle diktierend, dann, als die Ehrsamen und Getreuen sich einer eigenen Meinung erktthnten, zu unausführbaren Drohungen greifend, musste sich der stolze Habsburger mangels der bekannten drei zum Kriege nötigen Dinge zuletzt dazu bequemen, jahre- lang bei den missachteten Reichsstädtem um einzelne Steuern zu betteln, die ihm bei einem geringen Entgegenkommen im Jahre 1582 im ganzen und auf einmal ' bewilligt worden wären. Ein solches Debüt konnte gewiss nicht zur Förderung des kaiserlichen Ansehens dienen, an dem Rudolf II. doch so viel gelegen schien. Für das reichsstädtische Bürger- tum aber, das durch das unerschrockene Vorangehen Strassburgs noch einmal zu einmütigem Handeln fortgerissen worden war und das darum auch einen vorübergehenden politischen Sieg errungen hatte, war durch den endlichen Ausgang des Konfliktes der unwiderlegliche Beweis er- bracht, dass ihm zur kraftvollen Vertretung sowohl städtischer, als auch gesamtvaterländischer Interessen eben die Eigenschaften fehlten, welche im politischen Leben allein nachhaltige Erfolge zu verbürgen im Stande sind, nämlich Mut und Gemeinsinn.

Ein zeitgenössisches Gedicht auf Franz von Sickingen.

Mitgeteilt vom Oberbibliothekar Prof. Dr. 0. v. Heinemann in Wolfenbüttel.

Lieder auf Franz von Sickingen begegnen in der zeitgenössischen Litteratur nur äusserst spärlich. Wohl wird sein Name in dem einen oder anderen Gedichte jener bewegten Zeit, in der er lebte, genannt, aber einen seiner historischen Bedeutung entsprechenden Widerhall hat er in ihnen nicht gefunden. So gross zeitweilig sein Ansehn war, so überraschend seine Unternehmungen meistens wirkten und so tragisch sich namentlich sein Ausgang gestaltete, so ist meines Wissens doch nur ein einziges kurzes Lied, das sich lediglich auf seine Katastrophe bezieht und sich sowohl in Uhlands deutschen Volksliedern (Nr. 182) wie auch in der durch v. Liliencron veranstalteten grossen Sammlung von

294 0. Y. Heinemann

historischen Volksliedern der Deutschen (Nr. 366) abgedruckt findet, bis- her bekannt geworden. Und doch darf man annehmen, dass die Dichtung der Zeit ihn vielfach, gefeiert und dass bei seiner Stellung zu der grossen religiösen Bewegung es seiner Person auch nicht an heftigen Angriffen yod gegnerischer Seite, die sich in Spott- und Hohnliedem entladen mochten, gefehlt haben wird. Manche dieser Lieder müssen sich einer gewissen Popularität erfreut haben, da die Melodie, nach der sie gesungen wurden, auf andere damals umlaufende Lieder überging. Dies bezeugt nament- lich ein auf Ulrich von Hütten gedichtetes Lied '), das den Titel führt „Ain new lied. Im Ton wie man singt: Franz Sickingen das edel blfit, der hat gar viel der landsknecht güt.'^

Das unten mitgeteilte Gedicht, das nicht eine einzelne Episode aus Sickingens Leben behandelt, sondern seine gesamte politische und kriegerische Thätigkeit zu schildern und seine Stellung gegenüber der kirchlichen Bewegung zu kennzeichnen unternimmt, findet sich hand- schriftlich, mit einer Anzahl gleichzeitiger Drucke zusammengebunden, in einem Mischbande der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel (104. 16. Quodl. 4*^), wo ich es zufällig auffand. Es füllt abgesehen von dem Vorsatzblatt mit dem Titel acht Quartblätter und ist von min- destens vier verschiedenen aber gleichzeitigen Händen geschrieben, die sich leicht unterscheiden lassen. Allem Anschein nach ist das Lied i. J. 1524, also unmittelbar nach Sickingens Katastrophe, verfasst und niedergeschrieben worden. Dafür spricht schon der Umstand, dass sämtliche 31 Drucke, die mit dem Gedichte in dem bereits bezeich- neten Bande vereinigt sind, soweit sie eine Zeitbestimmung haben, den Jahren 1522, 1523 oder 1524 angehören und dass sich unter ihnen auch der von Ulmann*) längere Zeit vergeblich gesuchte Originaldruck von Kaspar Sturms bekanntem Bericht über den Kriegszug der drei verbündeten Fürsten gegen Sickingen und dessen Tod') befindet, der offenbar gleich nach diesen Ereignissen verfasst und gedruckt worden ist. Dazu kommt der Charakter der verechiedenen Hände, die bei der

*) V. Liliencron, a. a. 0. III. Nr. 351, wo bemerkt ist, dass das Lied auf Sickingen selbst sich leider bisher nicht wiedergefunden habe.

*) Franz von Sickingen S. 365, Note 2.

») Der Titel lautet: Wie die drey kriegssfürsten , Nemlich 1 Trier, Pfaltz, vnd Hessen, Frantzen || von Sickingen vberzogen. Inen || seine an- henger eins tayls ge- 1| strafft, auch etlich Schlösser || gewunnen vnd Erobert j haben. Ist geschehen !| wie hernach {| volget. Das von Ulmann benutzte Exemplar befindet sich im Besitze des germanischen Museums zu Nürnberg.

£ia zeitgenössisches äedicbt auf Franz von Sickingen. 295

Niederschrift des Liedes mitgewirkt haben und die sämtlich den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts angehören, sowie endlich der Um- stand, dass der Verfasser von manchen der berichteten Ereignisse in einer Weise redet, die ihre annähernde Gleichzeitigkeit mit der Ent- stehung des Gedichtes bekundet.

Der Verfasser des Liedes wird sich kaum ermitteln lassen, doch geht aus diesem selbst soviel hervor, dass er der katholischen Partei angehörte, und wenn man seinem Werke auch weder einen besonderen dichterischen noch auch einen geschichtlichen Wert zuschreiben kann, so ist es doch bemerkenswert als ein Zeugnis für die Bedeutung des Ritters, der selbst einem politischen und kirchlichen Gegner eine ge- wisse unwillkürliche und naive Anerkennung abzunötigen gewusst hat.

Ein warhafftige knrtze Anzaygung der dreyer Churfarstenn vnnd Farstenn Kriegssnbung wider Frantzen von Sickigen geübt

Wer auff diese Welt thut pawen

Vnnd im selbst zu uil vertrawen,

Meint, Gluck muss im alzeyt peystan,

Der feit unnd muss des Schaden han,

Wie sich dan solchs in kurtzen Tagen

Augenscheinlich hat zugetragen,

Davon ich etwass wil sagen.

Es wass ein Edelman, genant

Frantz von Sickigen, wolbekannt,

Wolreden, wyss und fursichtig,

An zeytlichen Gut habhafftig,

Mit gutten Schlössen versehen,

Dem ich nye vbels bort iehen.

Zu dem etlich vssgeleufFen Leute

Von Wormbs, so forchten ihrer Heute,

Sich fugten mit Anzayg Beschwer,

So von ir Oberkeyt in wer

Begegnet, hatten Hilff vnd Rath

Vnnd sie zu rechten mit der That,

Dan in dem Reich allein er wer

Der armen Verdruckten Beschirmer,

Dauan wurd er Eer vnd Nutz han. Die Wormbsioh

Damit bewegten sie den Man,

Das er sich ir wolt nemen an.

Sagt darauff ab Wormbs der Stat,

Fugt inen zu manchen Vnradt,

Nam in erstlich ein Schiff mit Gut,

Das im Purgem noch wee thut,

Kuckt mit einem Zeug für die Stat:

Westd. Zeltochr. f. Oeioh. n. Kunst XIV, lU. 22

296

0. y. Heinemann

Die nam bjr WeyMenaw.

Der Zug für Metz.

Der Zug wider

den

Landgraven.

Aber die Herren von dem Badt

Prachen im die Euntschafft fein

Mit Yerenderung der Wacht allein,

Darumb er yngeschaift abziehen must,

Deshalb er in die Beben wüst.

Der selbig Krieg weret ein gut Zeit,

Bis sich das Bomisch Beich drin leyt,

Vnnd macht zwischen in ein Vertrag*).

Nach dem wider ein Zuch geschach

In das Herczogthumb Lotterick,

Dryn er das Schloss Schaumberg ^) erzwick,

Ynnd müst im geben der Herczog

Sechtausent Gulden, das er zog

Yss dem Landt vnd keinen Schaden thet.

Für sein Spruch, die er zu in hett.

Verschrieb im ierlich ein Dinstgelt

Sechshundert Gulden, das er stelt

Das obgemelt Schloss wider zue

Dem Herczogen vnnd wehr zu Bue.

Nach der Sach er erzürnen thet

In dem heyligen Beich die Stet,

Dan er in sechs Lastwegen nam

Mit Gutter'), dardurch mancher kam

In Verderben unnd grosse Not,

Darin er plieb pyss in sein Todt.

Disswegen trugen ein grosses Gut

Das im nach grosser Macht sein Mut.

Mit diesem allen er nichts wass

Gesettiget, sunder dacht furpass.

Wie altzeit der Gewonheit ist.

Den Gluck beystett zu aller Frist,

Vnd zoch mit Herscrafft vber Metz

Die nit erwartten seiner letz.

Sonder vertrugen sich mit Willen,

Gaben im heimlich in Stillen

Funffvndzwaintzig tausent Gulden gut

Dardurch gestillet wart sein Mut^).

Zog darauff mit seinem Kriegshere

Vnd schlug vur Darmstat sein Leger,

Das gehört dem Lantgrauen zu

Von Hessen, dem liess er kein Bu,

*) Über die Wormser Fehde cf. Ulmann a. a. 0. 31—48. *) Schauenburg bei Tholey, zwischen Saarbrücken und Birkenfeld. •) Bei Weissenau in der Nähe von Mainz. Vgl. über diese Ereignisse Ulmann a. a. 0. 67.

') rimann a. a. 0. 97—100.

Ein seitgenössisches Gedicht auf Franz von Sickingen. 297

Biss das ein Vertrag gemacht wart,

Frantzen zu zalen auif ein fart

Fnnflfvndreyssigtaussent Gulden

Von dem Lantgrauen von Hessen.

Solch Gelt auch von Metz der Stat,

In einem Monat er sye peyde lat

Erobert an all ander Nam.

Nach dem ein sonder Handel kam, d»« LnÄerit

Des er sich für ander annam.

Das was Luthers des Munchs nuue Lere,

Der er sich belud gar viel mehre

Dan zugepurt einem Eriegsman,

Nam sich der ausgelauffen Munch an

Vnd liess in teutschs Mess lesen,

Hilt Hütten und ander Wesen,

Darauss nit wol mocht Geluck kommen,

Dan in Schrifft schmechten sie die Frommen,

Durch die er ganz verfuort wart,

Vnnd geweist, als wer er der Art,

Der das gantz Reich solt reformiren,

Dordurch thetten sye in verfueren.

Der gemein Adel im Tröstung gab.

Im beyzustehen mit irer Hab,

Dan sie wurden gar hoch beschwert

Von Fürsten für ander auff Erd.

Verschriben gen Lauda") ein Tag,

Darauff hört einer des andern Clag,

Vnnd machten in Geheim ein Anschlag

Wie sie sich mochten machen frey

Von Fürsten vnnd beschlossen darpey.

Zerlangen der Geystlichen Gut.

Den Anschlagt hielten sye in Hut,

Darmit nit der wurd offenwar.

Damach vber ein viertel Jar

Frantz sich vmb Volck bewerbet thet.

Der Fürsten ein ieder Acht het.

Wie doch der Tzugs wollt vsshiengeen.

Im Ende wurden sye das versteen,

Dan er das Her wendt in Stieff Trier.

Der Bischoff bewarb sich auch schier

Mitt Volck, ermant syn Bundsgenossenn,

In mitt Hilff nitt tzu uerlassen.

Nun, das ir wist, wer sye warenn,

Pfaltzgraff Ludwich der hochgeborenn

Vnd Landtgraff von Hessen dy tzwenn

*) Der Rittertag in Landau ist gemeint. Ulmann 250.

22*

298 0. T. HeiDemann

Liessenn ir Schiff hinabgienn

Den Reyn mitt Volck woll beladenn.

Mittler Tzeytt thett in Frantz Schadenn,

Ruckt für Sant Wendel •), das pald gewann,

Fing darin manchenn Edelman,

Zog hin für Trier den rechtenn Weg,

Acht nit, ob der Bischoff drin leg,

Legertt sein Geschütz ynd schoss hyneyn.

Die Burger fürten Trawrens Schein.

Und als man acht, ess wer gewunnenn,

Wu Wilhelmm von Haberen*®) nit kommenn.

Wer nit Pfaltzgraffenn-Yolck in Statt,

Der sulchs vff das mal verhutt hatt.

Demnoch tzog Frantz widerumb ab.

Der dem Stieff tzu Trier ein boss letz gab

Mit prant, wie man das mach schawenn

An Weysenn vnnd armen Frawenn,

Trent sein Volck, leget sich genn Eberburg.

Die Fürsten warn keins lengem porg.

Sonder wolttenn ernstlich straffenn

Die, so hettenn helffen schaffen

Frantzen tzu beschedigen Trier,

Legtten sich mit irem Volck fir

Cronberg") dye Furstenn alle drey

Vnnd bewarttenn ir Eer dopey,

Schossen nit lang, das innen ward

Tzu Cronberg vffgethon dye Portt.

Indem der Wintter nechnen thett,

Darumb dye Fürsten daucht tzu spett,

Weytter tzu liegen in dem Veld.

Bstelttenn Reysig mit irem Geltt,

Legtten die in yre Leger,

Ob Frantz auff Bitt der Cronberger

Den Yren Schaden woltt fwegen.

Das sy mit Fleyss solttenn lügen

Vnnd demselben thun Widerstandtt.

Der Pfaltzgraff tzog heim in sein Landtt,

Het vor etzlich Landtsessen gemantt,

Sye soltten im Hilff ertzaygtt han,

Das sye in kein Weg woltten than,

Darumb er sy citirtt für sich,

Sich tzu purgiren öffentlich

») So. von Trier. ") Pfälzischer Marschall.

") Städtchen mit Schloss des mit Sickingen verbündeten Ilartmuth von Cronberg, nw. von Frankfurt.

Ein zeitgenössisches Gedicht auf Franz von Sickingen. 299

Nach des Reichs Beformation: Welcher Frantzen hett Hilff gethan Heimlich oder auch öffentlich, Der solt sehen erkennen sich Gefallen syn in die Straff vnd Peen. Dieselb Purgacion nicht wil fuegen, Dan es waren die, darauf Frantz het Sein Trost geseczt ynd was er thet, Geschach dur ir Hilff vnd Zuthan. Darvmb namen sye mit der Pfalcz an Ein Vertrag nach seinem Gefallen. In wardt eingepunden allen, Das in dieser Vhed keiner solt Franczen ein Hilff thun, ob er wolt Furstengnad vnd das Sein wehalten. Sye mustens Got lassen walten Vnd stilsten, wie hardt in das Wardt. Dadurch Francz erzürnet was Vnd schrib der Pfalcz ein Absagprieff. 0 Francz, von dem dir Vngluck lieff. Hest du dich in dem bass bedacht Vnd mher auf der Pfalz Macht geacht, Das wer dir zu Guttem kummen. Obschon Pfalcz den dye het genomen. Das magstu wol geduldet han, Dan sye der Pfalcz waren zugethan. Als nun Pfalczgraff der hochgepom Den Ernst ersach, das thet im Zorn, Wolt Franczen fort nit schonen mer, Dieweyl er was bricht seiner Ger Aus des von Minckwicz") Niderlag Vnd Brieffen, auch mundlicher Sag. Schickt sich mit sein Pundtzgnossen Nach dem Winter gar vmbzustossen Franczen vnd die im Hilff thetten. Zwuschen solcher Zeyt do beten Habemn vnd seine Geselschafft gut Vff Franczen Luth zu streiffen Mut Vnd stiessen im Veld auff sein Sun, Hilchin^^) vnd ander im zegethun, Worfen die al im Feldt nider. Deckten sich zu stellen wider

**) Nickel von Minkvntz, einer von Sickingens Werbern. S. über dessen Niederwerfung und Verhaftung durch die Hessen: Ulmann 292.

*^) Von Lorch. Vgl. über diesen Zwischenfall: Ulmann 318.

300 0. V. Heinemann

Gen Lauttern") vnd an ander Ort,

Wuhieu die Pfalz sye wurdt bescheiden fordt.

Sye stehen sich als Piderleut,

Zu Germerssheim ^^) ligen sye heut.

Das was Franczeh ein gros Abschlag,

Der ihm geschah auf disen Tag.

Francz der Pfalcz etlich Dorff verprant.

In mittler Zeyt die Kelt yerschwandt,

Das man im Felde bleiben mocht.

Die Fürsten rüsten sich wie doch

In ein Feld mit grosser Macht,

Geschickt all tag zu einer Schlacht.

Theten dergleychen, als wolten sye

Sich legem für Ebenberg**) hie

Eroberung Nan- Vnd santen doch von inen palt

•t»i.

Ein Anzal Pferdt, die mit Gewalt

Solten wol verhueten NanstaP'),

Das Niemant drin noch draus dismal

Komen mocht, biss die Fürsten drey

Mit irem Volck khomen herbey,

Das dan dermassen wardt volbracht.

Francz lag darin, wenig er dacht,

Dass im sein Mauern solten han

Also in kurczer Zeit gelan.

Die Fürsten legren sich dafür,

Schossen dasselbich nach irer Ghur.

Francz vnd die Sein hielten sich wol,

Wie ein Eriegsman pillich thon sol.

Vnd wiewol er umlegert was.

Noch schickt er XL Perdt mit Mas

Von im, darvnder den Sun*^) sein.

Ach, het er gefolgt vnd wer allein

Mit seinem Volck zogen heraus,

Er war nit todt pliben im Haus.

Die Fürsten schössen mit der Macht.

Das Fallen von dem Gemeuer prach(t)

Gar grossen Schaden den im Schlos.

Francz von Sickigen das verdros

Vnd wolt wesehen, wie das wer

Zu wenden, ging auf ein Wehther.

Schos einer gleich zum Loch hinein.

^*) Kaiserslautem in der Pfalz.

") Ebenda.

**) Die bekannte Sickingische Feste im Nahethal.

*^) Auch Landstuhl genannt, bei Kaiserslautem.

*^) Sickingens jüngster Sohn Hans Konrad.

Ein zeitgenössisches Gedicht auf Franz von Sickingen« 301

DrafF ein Baicken, der schlug im ein

Dieff Wunden in die Seyten sein.

Von dem Schlag er viel vberab,

Darvon erschrack mancher Eriegsknab.

Sye namen in vnd trugen dan

In ein Gewelb, da er Rhue mocht han

Vnd von dem Schiessen sicher leg.

Got wol in han in seiner PÜeg.

Francz, als er sach, das Got wolt han

Von hin zu scheiden, ret er schon

Mit denen, so pey im waren:

Nachdem sy wol betten gefaren

An ihm, wolt er sie verfuren nit

Vnd den Fürsten schreiben mit I*it,

Das Schlos von im zu nemen an,

Doch das sie ein iden Kriegsman

Frey Hessen ziehen mit ir Hab,

Die vom Adel er im ergab

In ein ritterlich Gefencknus.

Wiewol im das pracht Wetrubnus,

Noch dannoch sein erlich Gmut wolt.

Das man von im Gutz sagen solt.

Also wardt das Schlos aufgethan.

Da sach man manchen herausgan,

Der sich Arbeyt hett erlitten.

Die Fürsten kamen geriten,

Gingenn tzu Frantzen all drey hynein.

Ach Gott, er lag in Sterbens Pein.

Der edel Fürst Ffaltzgraff Ludwig,

Als er in sach, betrübt er sich

Vnnd trug mitt im gross Mitleyden.

Frantz thett also vonn hinen scheydenn

('hristlich vnd mitt Bestendigkeyt,

Wye ein Man, der im Hertzenleydtt

Vnd auch yn Frewdt ist vnuertzeytt.

In sechs Tagen vngeuerlich

Thetten dye Fürsten gewislich

In das Schloss Nanstal sechsstausentt

Viervndsechtzig vnd vierhundert

Schuss. Ich gelaub, das sey kein Kriegsman,

Der solches Schiessenn mehr gehortt han.

Nach dem schickten sye für daz Hauss

Trachenfels ^*), forderten herawss Brobemng

All j. j TrMhenfeli.

Alle die, so do inen waren. Dasselb ergab sich an all Sparrenn.

^^) In der Rheinpfalz östlich vom Donnersberg gelegen.

302

0. V. HeiDeibann

Erobernng Hohenbnrg.

Handelung dem Schloss Dhan.

Eroberung Lutzelburg.

Eroberung Ebernburg.

Hochenburg 'ö) woltten sie auch han, Das mog inen auch nit vorstan. Dye tzwey Schloss sie auch pranntenn gar, SchlayiFtenn dye in Podenn furwar, Forderten auch auff das Schloss Dhan ^% Darauss ine vil Schaden wass gethan. Als solchs Bischoff von Speyer vemam, Gar pald er zu den Fürsten kam, Zaigtt in an, sein aygen das wer Vnnd ging vom Stiift zu lehen her, Patt dasselb vndtzerprochenn lan Laut des Reichs Reformation. Die Fürsten namen solchs Hauss ein, Legtten pald ir Pfleger darein, Dye soltten sechs Wochen halttenn, Damach, dasselb tzu verwalttenn, Tzustellen dem Bischoff tzu Speyer. Bey den Fürsten wass kein Feyer, Sonder schickten ir Haubttleutt pald Für Lutzelburg "), das sye mit Gewaltt Dasselb auffordernn soltten, Ob sie ir Gut behaltten woltten. Die sie auch ergabenn inn Gnad, Der Haubtman das auch verprant hatt. Darnach tzogen dye Fürsten frey Für Ebemburg gemenlich all dry, Liessen das durch iren Emholt Auffordernn, darumb in Gnad solt Von den Fürsten ertzaigt werdenn. Schenck Ernst sagt '*), auff diser Erdenn Solt ditz Hauss sein Kirchoff wesenn, Darinnen tzu sterben vnd tzu gnesen, Wolt das in kein Wegk auffgebenn, Solt im darauff geen sein Leben. Trieb darbey vil seltzamer Wortt, Das tzu dieser Sach nit gehordtf). Bischoff Jörg von Speyer, ein Fürst gut Gebomn von dem pfalczgreuschen Plut^*), Ylents er sich auffmachen thet, Rydt zum Fürsten vnnd thet sein Pet,

^^) Sämtlich in der Rheinpfalz östlich vom Donnersberg gelegen. Dhan hiess auch Thanstein. ") Oberhalb Zabem.

") Schenk Ernst von Tautenberg, Schlosshauptmann auf der Ebemburg. ") Vgl. darüber ülmann, 391. ") Er war der Bruder des Pfalzgrafen Ludwig.

Ein zeitgenössisches Gedicht auf Franz von Sickiogen. 303

Ob er den Krieg noch sönen möcht,

Die armen Kinder er bedöcht,

Das er den Gnad möcht erlangen.

Mitterzeyt schossens mit Schlangen

Plyenin vnnd von dem Schloss heruss,

Der edel Fürst nicht richtet uss,

Die Yrsachen ich beleyben loss.

>ütterzeyt wardt gelegt das gross Geschoss,

Nach der Triualtigkeiten Tag,

Am Montag der Anfang geschach

Mit dem Haubtgeschütz in die Capell.

Manch eysen Kugeln ward gar schnei

Von dem Pfaltzgrauen vnnd Hessen

Mit Gewolt hiennin gemessen.

Trier legert sich am andemn Ortt

Pym Kingrauensteyn, do wart gehört

Ein Tomel von dem Schiessen gross,

Das gar manchem im Hauss vertross.

Aasswendig am Hauss stund ein Stal,

DrjTi waren Pferd, ander Vihe zumal.

Die Fuessknecht prachen in die Mauer

Ein Loch, wiewol in das war sauer.

Nach prachten sie das Yhieh darvon.

Ob der Sach blieben etlich Man.

Die Fürsten schössen sechs Tag lang,

Vnnd machten den im Schloss so pang,

Das sie begerten einer Sprach,

Am Freytag darnach das geschach.

Die Theydung ward also funden,

Das sie das Hauss zu Stunden

Solten den Fürsten auffgeben,

Das in gefrist wurd ir Leben.

Am Sampstag vmb die neunte Stunde

Das Test Hauss Ebernburg begunde

Zu komen in der Fürsten Hant,

Dasselbig haben sie auch aussgeprant

Vnnd zerschleyfft in den Poden gar.

Yil Leut tauert das Hauss furwar,

Dieweil kein Hauss in deutschem Land

Für fester ist worden erkandt.

Das also sol zerrissen sein!

Ach, lebt Frantz noch, es prächt im Pein.

0 Frantz, by dir ein yeder sol

Exempel nemen vnnd sich wol

Bedencken, ee er sich begeyt

Zu begeben vast alle Leut

Vnd sonderlich sein Nachpaurenn,

304 0. V. Heinemann

Dan für dieselben hilfft kein Maurenn. Du warst des gantzen Lands ein Zyer, Het Dich nicht verfurt Dein Begyer Vnnd ander Leut Vertröstung gross. Darvmb fort halt ein yeder Moss, Lad nit mehr, dan er tragen mag, So kompt er nit in diese Klag. Nach dem han sich die Fürsten trendt Ynnd ist also der Krieg geendt Das hab ich anzaigen wollen Zu Nucz vil gutter Gesellen, Domit sie in kunfftiger Zeyt Gen den Fürsten fuern kein Streyt, Sonder in gehorsam leben. So wirt vuzweyffel vnss geben Got noch ein ernstlich Furnemen Gen dem Türeken vnnd das komen Wider her zu der Cristenheyt, Das bisher durch Vncinigkeyt Darvon mit Gwalt verloren ist. Das wer loblich zu aller Frist Vnnd brecht den Fürsten vnd Adel Mer Borns dan mit solchem Tadeln Gen einander Krieg zu fuerenn. Bey der That thut man spiurenn Ein adlich vnnd Cristengemuet. Das Ewangeli noch nit pluet Mit Pruders Lieb in dem llerczen. Got der lest mit im nit schertzenn, Wil nicht allein guete Wort han, Sonder das die Werck auch mitgan. Darumb wir all in bitten sollen. Das er des Glaubens ein vollen Vnns gnediglich wol geben. Füren mögen in Vertrawen Vnnd im End mit Freuden schawen Sein Glori, Ere vnnd Maiestat, Darzu er vnns beruffen hat Durch sein Leyden vnnd auch Sterben. Ach Got, lass vnns nit verderben, Ste bey an vnsemn leczsten End, Dan wir zu Dir des Hoffnung hendt: Damit wil ich die Sach beschliessen. Ich hoif, es werdt kein verdriessen, Das ich mit Warhe}^ beschrieben han Die grossen Geschieht des Edelman, Dergleichen keiner hat gethan

Ein zeitgenössisches Gedicht auf Franz von Sickingen. 305

Vor im in achthundert Jaren. Damit wol euch all Got sparenn, Gsundt vnnd mit Gnaden fuemn, Das man den Glauben mog spurenn In euch vnnd vnns allen gleich, Zu besitzn das Himelreich. Amen.

-K»

Recensionen.

Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. Zweiter Band. I. 11. III. Die

Kunstdenkmäler des Kreises Rees, der Stadt Duisburg und der Kreise Mülheim a. d. Ruhr und Ruhrort, der Stadt und des Kreises Essen, im Auftrage des Provinzialverbandes der Rhein- provinz herausgegeben von Paul Giemen, Düsseldorf, L. Schwann, 1892. 1893. Angezeigt von Prof. Dr. Paul Lehfeldt in Berlin.

Die Aufzeichnung der rheinischen Kunstdenkmäler schreitet rüstig von Norden nach Süden fort. Den Kreisen Kempen und Geldern*), Moers und Kleve ^) des Regierungsbezirks Düsseldorf sind hier vier Kreise desselben gefolgt, welche eine Fülle des Anziehenden und Beachtenswerten bieten, das Bekannte erweitern. Unbekanntes hinzufugen. Es sind im Wesentlichen vier Gebiete, welche unter brandenburgisch - preussischer Herrschaft zusammenge- wachsen sind. Das Hauptgebiet des Kreises Rees mit den Städten Emmerich und Wesel, die Stadt Duisburg und Kreis Ruhrort gehörten (wie die Kreise Moers und Kleve des 1. Bandes) vordem zum Herzogtum Kleve; Wesel war dessen „Herz", Kleve der „Kopf", wie ein altes Lied sagte. Kreis Mül- heim dagegen war ein Teil des Herzogtums Berg, das Gebiet von Essen ge- teilter Besitz der Abteien Essen und Werden.

Die ältesten auf uns gekommenen Anlagen von Menschenhand sind, abgesehen von Gräbern, die Reste, welche auf Befestigung, auf Kampf und Verteidigung zwischen Römern und Germanen, zwischen Franken und Sachsen weisen. Die Grenzscheide beider Stämme ging mitten durch das Gebiet des heutigen Kreises Essen, die Sprachscheide ist noch jetzt erkennbar. Eine starke Grenzwehr zieht sich im Osten des Kreises Rees von Isselberg erst nach Süden; bei Loikum sind Wälle und Gräben wohl erhalten, deren Er- scheinung von Giemen in anschaulicher Weise in Beschreibung und Abbildung dargestellt wird. Weiter ging die Grenzlinie nach Südosten, nach Scherm- beck und setzte sich im Kreis Ruhrort fort; bei Hünxe ist die bedeutendste Wall-Anlage am ganzen Niederrhein, ein dreifacher, symmetrischer Zug, da- neben Gartrop mit zwei Wallburgen.

1) Westdeutsche Zeitschrift XI (1892) S. 91 f.

2) Ebd. XII (1893) S. 91 ff.

306 Recensionen.

Den kriegerischen Werken folgten die Segnungen der Kultur, die Thätigkeit der Missionare. Aus dem 8. Jahrhundert stammt die kostbare Evangelienhandschrift in der Münsterkirche zu Essen, deren gemalte Ver- zierungen die Schule von Corbie bezeugen. Sie ist vielleicht erst später nach Essen gekommen, sowie die Elfenbeinschnitzerei des 7. Jahrhunderts und das Reliquienkästchen mit angelsächsischen oder irischen Elfenbein- schnitzereien des 9. Jahrhunderts in die Abteikirche zu Werden. Um 802 gründete Bischof Ludger an der landschaftlich schönsten Stelle des heutigen Ruhrthaies die Benediktinerabtei Werden. Sein in der Kirche aufbewahrter Becher (Abbildung bei Giemen) ist der älteste bekannte deutsche Kelch nächst dem Tassilokelch, diesem in der Form ähnlich, doch nur an Fuss und Kuppe mit Inschriften versehen, deren obere zugleich das Chronogramm 788 ent- hält. Der Körper des Heiligen ruht in der Vorhalle der jetzt die Krypta unter der Abteikirche bildenden Kapelle, von der die Mauern mit äusserer Blendbogen- und innerer Nischen-Architektur und innen die Wandpfeiler mit kerbschnittartig behandelten Kapitellen aus der Zeit bald nach 809 stammen.

In Essen stiftete Bischof Alfrid von Hildesheim vor 874 ein Nonnen- kloster und die dazu gehörige Münsterkirche. An ihrem Westteil schuf er nach einem Brande von 946 jenen bekannten, etwas künstlichen Bau, indem er, um einen dem Ostchor entsprechenden Abschluss zu gewinnen, ein Westchor in drei Seiten des Sechsecks nach dem Muster des Aachener Münsters ausbildete, dahinter aber einen ungleichseitig eckig gebrochenen Umgang anordnete, so ein Rechteck für den Turmbau dahinter herstellend. In der Zeit der entwickelten romanischen Kunst entstanden, wie anderwärts am Rhein, in den hier behandelten Gegenden grossartige Kirchenbauten, die freilich durch Natur und Menschenhand, besonders durch den Bildersturm des 16. Jahrhunderts ungewöhnlich stark zerstört sind. In Emmerich hat das Martinsmünster das Chor und die Krypta aus dem 11. Jahrhundert be- wahrt; die Säulen der letzteren mit ihren frühromanischen Formen bezw. antikisirenden Basen sind bei Giemen abgebildet, wie der Fussbodenbelag mit Mäander- und Palmetten-Schema; im Übrigen ist die Kirche in späterer Zeit vielfach verändert, aber seit 1874 in sachverständiger Weise restauriert Die kleinere, zweischiffige Abteikirche in Hochelten, 1129 geweiht, bietet in den Friesen anziehende Nachbildungen antiker, stilisierter Pflanzen, in den Kapitel- len Mischungen derselben mit deutsch phantastischen Thiergestalten. Der Rest des Kreuzganges im ehemaligen Prämonstratenserkloster zu Hamborn zeigt die schöne (zuerst in Echtemach auftretende) Bildung eines Rundbogens mit Unterteilung durch zwei offene Rundbögen auf einer Mittelsäule von reiz- voller Kapitellbildung. Einfach wuchtig wirkt die Vorhalle der Münsterkirche zu Essen mit den Würfelkapitellen ihrer Säulen. Der am vollständigsten erhaltene Bau ist die Stiftskirche zu Stoppenberg, von gebundener Grundriss- gestalt, lauter (mit spätgotischen Kreuzgewölben versehenen) Quadraten des Mittelschiffes und einer West- Vorhalle der Seitenschiffe, deren südlicher west- lich mit einem Turm endet, sowie des Chorvierecks, an das sich ein Halbkreis- schluss mit Kuppel legt. Rundbogige Fenster (die unteren später verändert) und Friese zwischen Lisenen vervollständigen die interessante Erscheinung.

Ein bedeutender weltlicher Bau ist das Schloss zu Broich. Der älteste

Recensionen. 307

Teil, im 12. Jahrhundert unter den Herren von Broich gebaut, ist die im Osten auf dem höchsten Teil des Hügels gelegene, unregclmässig gebrochene, doch annähernd kreisförmige Burg, an welche sich umfängliche Erweiterungs- bauten unter den Herren von Hohenlimburg um 1400 und unter den Grafen Ton Dhaun-Falkenstein in der Mitte des 17. Jahrhunderts, sowie Umbauten der Landgräfin von Hessen-Darmstadt gegen Ende des vorigen Jahrhunderts schlössen. Wie sich jede Zeit und ihr Wohn-Geschmack schon in der ver- schiedenartigen Grundriss- Anlage anders äussert, zeigt der beigegebene, in den Schraffierungen zwar nicht ganz deutlich zum Abdruck gekommene, aber höchst schätzenswerte Plan; solche Aufnahmen sind bei den Ungleichheiten der Bauten und des Terrains ebenso schwierig, wie nötig zur Veranschaulichung dieses Teiles der Kulturgeschichte.

Unter den Werken der Kleinkunst treffen wir hier auf die berühm- testen ihrer Art, die Kunstschätze der Essener Münsterkirche. Sie fallen zum grossen Teil in die Zeit des Kaisers Otto II und in die Einflusssphäre seiner byzantinischen Gemahlin, so der erzene siebenarmige Leuchter, die ver- goldeten und emaillierten Mathildenkreuze, der Deckel des Theophanu-Evan- geliars, die goldene Marienstatuette und Reliquiare etc. ; sind sie auch schon mehrfach ausgestellt und abgebildet, so ist doch die Beigabe guter Abbil- dungen in dem vorliegenden Werke zur Erläuterung sehr dienlich. Ihnen reihen sich die Schätze der Werdener Abteikirche und die Willibrordi-Arche in der Emmericher Münsterkirche an, deren Abbildung die verschiedenen Her- stellungs-Zeiten des eigentlichen Schreines, der aufgesetzten Kreuzigungsgruppe und des Untersatzes verfolgen lässt. Ein Reliquienkästchen des heiligen Alfrid in der Essener Münsterkirche aus dem 12. Jahrhundert ist interessant durch die Vereinigung von Schnitzerei, Einlage-Arbeit und Metallbeschlag.

Verhältnismässig selten finden sich hier bedeutendere Werke der romanischen Bildnerei. Ein Ejruzifixus aus der 2. Hälfte des 11. Jahrhuderts ist beachtenswert wegen seiner Grösse (der Körper 1,25 m hoch), seiner vollständigen Bekleidung mit Ärmeltunica und seiner Herstellung aus Holz, das ehemals mit vergoldeten Silberplättchen belegt war. Die Steinfigur des sitzenden Abraham mit einer Kindergestalt als Seele im Schoss, aus dem 12. Jahrhundert, muss ziemlich roh auch vor der Überarbeitung gewesen sein. In der Abteikirche zu Werden sind zwei Reliefs Geistlicher aus dem 11. Jahr- hundert hinter dem Hochaltar an der Wand befestigt. Mehr durch Grösse ragt ein 1 m hohes erzenes Kruzifix der Werdener Abteikirche hervor ; es ist noch unvollkommen durchgebildet und starr im Ausdruck.

Reste von Wandgemälden aus der Mitte des 12. Jahrhunderts haben sich in der Unterkapelle der Emmericher Münsterkirche erhalten. Im West- bau der Essener Münsterkirche kam 1883 ein Cyklus von Wandgemälden aus der 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts zum Vorschein, in dürftigen Resten, aber als die frühesten in den Rheinlanden und dem Inhalt nach wegen der Ver- bindung der überlieferten Darstellungen aus dem neuen Testament mit Bildern aus der Engelsgeschichte von besonderem kunstgeschichtlichem Wert. Giemen'' beschreibt eingehend, unter Beifügung von Autotypieen den Cyclus, in der Mittelkuppel das jüngste Gericht, in den Emporen-Nischen Christus, von edler Auffassung, wenn auch überschlank, mit den Aposteln, den Auferstandenen mit

308 Recensionen.

den Emausjüngern, zwischen den Bogenstellungen bezw, den Fenstern Ra&el mit Tobias, Gabriel mit Daniel, die Engel der Jakobsleiter mit Jakob, die Auferstehung und Petri Fischzug. an den Gurtbögen in Medaillons wohl Apostel mit Zuhörern, an den Zwickeln der doppelten Säulenstellung inner- halb des mittleren Rundbogens wohl die Brustbildnisse der Äbtissinnen, recht charakteristisch für den Stil. In dem östlich von der Vierung gelegenen Ge- wölbejoche wurden 1881 Deckenmalereien vom Ende des 12. Jahrhunderts aufgedeckt und wiederhergestellt, Darstellungen aus dem Martyrium der Heiligen Eosmas und Damianus. Alle diese Malereien bereichem unsere Kenntnis der romanischen Kunst und Kultur ungemein.

Die ehemalige Cistercienserinnenkirche in Saam aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts ist trotz ihrer Einfachheit höchst interessant. Der Grund- riss war streng romanisch: Halbkreisschluss (trotz des Cistercienserbaucs), Chorquadrat, dann, durch einen starken Triumphbogen getrennt, zwei Quadrate des Langhauses; Gratgewölbe auf Wandsäulen, aussen Rundbogenfriese zwischen Lisenen, welche darunter durch schräges Vortreten zu förmlichen Strebepfeilern werden; auch in den Fenstern schon die keimende Frühgotik. Einen Glanzpunkt des rheinischen Übergangsstilcs in jenen Gegenden bildet die Abteikirche zu Essen, der auch in dem Werk ein besonders liebevolles Eingehen durch Wort und Bild gewidmet ist. Nach den Bränden des 12. und 13. Jahrhunderts wurde der Bau 1257—1275 ausgeführt. Der Grundriss ist charakteristisch für die reiche, romanische Ausbildung der Benediktiner- kirche. Die Ereuzarme des Querhauses schliessen östlich in Apsiden, der dreiseitig geschlossene Chor wird von (freilich gerade geschlossenen) Neben- chören begleitet, so dass jene fünffache Altar-Anlage entsteht (von der ich eine Reihe von Vergleichspunkten gelegentlich der Kirche zu Panlinzelle in der Veröffentlichung der Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Bd. Herr- schaft Schwarzburg-Rudolstadt S. 143 f. gegeben habe). In der Einzel-Aus- bildung sind es einfache Verzierungen der Kapitelle, Friese und Profile; in der Gesamt-Gestaltung aber geben die grossen, unten dreifach, darüber zwei- fach gepaarten und von Blenden umschlossenen Spitzbogen - Fenster, über denen noch eine Reihe von Achtpass-Fenstem das Innere erleuchtet, dann der massige, hinter hoher Vorhalle mit Nebenschiffen vollständig eingebaute Westturm, zuletzt der hohe, achteckige, an die QuirinsMrche in Neuss er- innernde Vierungsturm den mächtigen Eindruck der weithin herrschenden Abtei. Seit 1886 findet eine stilgerechte Restauration statt.

Die ausgebildete Gotik findet Eingang zunächst in Duisburg, das sich wohl aus römischer Anlage und fränkischer Ansiedelung mit Kaiserpfalz früh zu selbständig reichsunmittelbarer Stadt erhoben hatte und zwar in den letzten Zeiten dieser Reichsfreiheit (1290 ward sie vom Kaiser den Grafen von Kleve gegeben). Die 1265 von Magdeburg hergekommenen Minoriten bauten im neuen Stil ihre Kirche, lang und schmal, schlicht, aber charakteristisch in Strebepfeilern und Fenster - Masswerken. Ungefähr gleichzeitig begann die grossartige Bauthätigkeit an der Essener Münsterkirche, die sich aber bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts fortsetzte, zum Teil durch Zerstörungen, bezw. Restaurationen veranlasst. Die romanischen Teile wurden benutzt, verbaut. Das Chor (14. Jahrb.) erhebt sich mit einem Gewölbe auf Säulen und Halb-

Recensionen. 309

Säulen mit gat stilisierten Blätterkapitellen zu bedeutender Höhe; das Lang- haus wirkt schön durch Ebenmässigkeit der Säulen und Gewölbe. Giemen behandelt, unterstützt durch G. Humanns Vorarbeiten, recht eingehend die Kirche, welche seit 1840, besonders seit 1880 sorgfältig restauriert mit der Johanniskirche zusammen eine der imponierendsten Baugruppen bildet. Die Kirche in Hünxe, welche im 14. Jahrhundert unter Benutzung romanischer Teile ausgebaut wurde, ist von regelmässiger Anlage, eine Pfeilerbasilika mit dreiseitigem Ghorschluss und mit Westturm.

Die Werke der Kleinkunst und Bildnerei treten in der Zeit der Früh- und Hochgotik sichtlich gegen die der früheren und späteren Zeit zurück; sie sind steif und derb, wenn auch charaktervoll, mehr interessant, als schön. Die dieser Zeit angehörenden heüigen Gefasse und Reliquiare der Essener Münsterkirche sind ^Zeugnisse dafür, im Kirchenschatz zu Hochelten eine silberne Michaelstatuette und mehrere Pastoralien, in Marienthal eine hölzerne lebensgrosse Kreuzigungsgruppe, in Rees eine thronende Maria mit dem Kind auf dem Schoss. Für mangelndes Schönheitsgefühl entschädigt oft starke Empfindung, so in dem überlebensgrossen Kruzifixus in der katholischen Kirche zu Dinslaken einer Figur mit schmerzlichem Ausdruck, langem Körper, flacher Brust und magern Gliedern.

Eine neue grosse Blütezeit begann im 15. Jahrhundert mit dem Grafen Adolph H, seit 1417 erstem Herzog von Kleve.

Es entwickelt sich die ostklevische Bauschule, welche fast ausschliess- lich in Haustein baute (wie die westklevische in Backstein), unter Kölnischem und holländischem Einfluss. Ihr gehören die schönsten Kirchen der Zeit und Gegend an. Drei bedeutende Kirchen stehen in gegenseitigem Zusam- menhang, die Salvatorkirche in Duisburg (Bau von 1426 ff.), die Aldegundis- kirche in Emmerich und die Willibrordikirche in Wesel. Die beiden ersteren Kirchen zeigen in den die Seitenschiffe nach Osten fortsetzenden und wie das Mittelchor in drei Seiten des Achtecks geschlossenen Nebenchören das System von S. Urbain in Troyes und des Regensburger Domes. Der mächtige Westturm der Duisburger Kirche ist für den Weseler Turm vorbildlich ge- worden. Wie am Turm, sind überhaupt die Fenster der Salvatorkirche ungemein gross und im Yerhältnis zum sonstigen Bau reich gestaltet. Die abgebildeten Konsolen des Südchor-Gewölbes sind recht charakteristisch für die Spätgotik. An Bedeutung ragt die der Hauptsache nach 1483 gebaute Aldegundiskirche in Emmerich hervor, deren unten viereckiger, oben acht- eckiger, seit 1854 mit schlankem Helm bedeckter Westturm die ganze Stadt beherrscht. In Wesel ist die gleichzeitig mit der Maternakirche gebaute Willibrordikirche nächst dem Xantener Dome die bedeutendste gotische Anlage am Niederrhein, von sehr regelmässigem Grundriss, mit reichen, künst- lichen Stemgewölben imd mit ausgezeichnetem Turmbau, an dem unten das riesige Portalfenster, oben der eigentümliche Abschluss mit Pfeilern auf Halb- pfeilem, die wieder auf Kragsteinen ruhen, bemerkenswert erscheint. Die Kirche ist unter denen der hier vorliegenden Hefte am besten illustriert (auch die frei unterschnittenen Gapitell- Verzierungen), und so eine Lücke der deutschen Kunstgeschichte ausgefallt. Die katholische Kirche zu Dinslaken, ein Bau von der Mitte des 15. Jahrhunderts, ist eine ebenfalls regelmässige,

310 ftecensionen.

durchweg gewölbte dreischiffige, dreijochige Säulen-Hallenkirche mit dreiseitig geschlossenem Chor und einem von Seitenkapellen eingebauten Westturm.

Von den zahlreichen Schlossern, die sich Herzog Adolph II erbanen Hess, ist nur das in Wesel, jetzt Kommandantur, einigermassen im alten Schmuck erhalten geblieben. Das Aufblühen der Städte unter ihm und seinen Nachfolgern bekundet sich in dem Bau stattlicher Rathäuser (Rees, Wesel) und Bürgerhäuser. Bis zur Virtuosität steigerte sich das Kunsthandwerk. Die ungemein reich geschnitzten Chorstühle des Emmericher Martinsmünsters von 1483, zweireihig, in der zweiten Reihe achtsitzig, bieten besonders in den Wappentafeln prächtig stilisierte Helmdecken, die unmittelbar als Vorbilder für ähnliche Aufgaben der Gegenwart dienen können. In der Kirche zu Mil- lingen befindet sich ausser dem prächtigen, durch aus^m Weerth veröffent- lichten Sakramentshäuschen noch ein zweites, ebenfalls spätgotisches Sakra- mentshäuschen von einfacherem Aufbau, aber geistvollerer Einzelbildung, von welchem Clemcn eine Abbildung giebt. Ein hölzernes, ehemaliges Tabemakel- Thürchen in der katholischen Kirche zu Dinslaken ist ebenfalls mit Recht abgebildet; die durchbrochen geschnitzte Rose mit Fällung von Fischblase ist ein gutes Beispiel solch einer spätgotischen Lösung.

Die Monstranz der Emmericher Aldögundiskirche ist eines der grössten und prächtigsten Werke der Klevischen Hof-Goldschmiedekunst um 1500, in Architektur-Bildung, mit musizierenden Engeln, Heiligen und Christus als Weltenrichter zwischen Maria, Johannes und* posaunenblasenden Engeln ; ihr ähnlich, nur noch grösser (91,6 cm hoch) und prächtiger die Monstranz in der katholischen Pfarrkirche zu Rees mit reizender Fialen - Architektur, mit Engeln, Heiligen, einem Christus, der das Kreuz in den Armen hält, und oben Kelchen, aus denen Engel mit den Leidenswerkzeugen herauswachsen.

Trefflich sind die Reliquiare und figürlichen Goldschmiede - Arbeiten in der Emmericher Münsterkirche und in der Werdener Abteikirche aus spät- gotischer Zeit. Nicht weniger als dreizehn kostbare Reliquiare, darunter höchst eigenartige, besitzt die Abteikirche in Hochelten. Unter den Prachtstücken der Essener Kirchen bekundet eine reiche Monstranz in der Gertrudiskirche das Festhalten am gotischen Stil noch im Jahre 1521.

Die Emmericher Bildschnitzer-Schule entwickelte sich der Kalkarer und Kölner ebenbürtig, mit eigenem Charakter; die Frauengestalten sind von schmalschulteriger und kleinbrüstiger Bildung mit lieblichen Köpfen, zier- lichen, dabei nicht mageren Händen und in Gewändern mit gebrochenen Parallelfalten. Die Männer, besonders ältere, sind energischer, individueller gebildet. Gute Beispiele bieten die Holzschnitzwerke in der Kirche zu Domik, in der Aldegundiskirche zu Emmerich (durch wohlgelungenen Auto- typien veranschaulicht), der Münsterkirche zu Essen (mit Autotypie der Kos- masfigur). Ein Hauptwerk der benachbarten Kalkarer Bildschnitzerschule ist der um 1510 gefertigte Hochaltar der Weseler Fraterherrenkirche, der einzige am Niederrhein mit lebensgrossen Figuren; in der Mitte die realistisch auf- gefasste Grablegung (mit Lichtdruck illustriert). Ebenda ein vorzügliches Werk der Kölner Schule um 1450, die lebensgrosse Holzfigur des heiligen Martin. Der Hochaltar der katholischen Kirche in Dinslaken hat ein grosses Schnitzwerk mit gemalten Flügeln (innen Christi Einzug in Jerusalem, Abend-

Recensionen. 31]^

mahl etc., aussen hoch bedeutende Bilder der Evangelisten), eine nieder- ländische, wahrscheinlich Brüsseler Arbeit um 1490.

Am Ende der Periode steht der schöne Grabstein mit der betenden Figur des Abtes Grimhold, f 1517, in der Werdener Abteikirche; einer der wenigen besseren Grabsteine, deren Zahl in diesen Gegenden auch nicht gross zu sein scheint.

Um 1509 entstanden die Deckengemälde der Weseler Willibrordikirche, Heilige, Engel und Pflanzen; die Blattornamente, die hier „in der Art von Makartbouquets" aus den Ecken hervorwachsen, sind von einem ausserordent- lichen Reichtum der Formen und graziösester Zeichnung, der Reichtum an Motiven und phantastischen Blüten ist fast unerschöpflich. Etwa gleichzeitig ward die Duisburger Salvatorkirche ausgemalt, in welcher Figurenreste und omamentale Flächenverzierungen erhalten sind; eine beigegebene Abbildung eines schablonierten Musters lässt deutlich den Einfluss der Weberei erkennen.

Ein grosses Dreiflügelgemälde in der Kirche zu Haldem mit einer figurenreichen Kreuzigung im Mittelteil und mit je vier Darstellungen aus der Geschichte Christi vom ölberggebet bis zur Erscheinung im Garten auf den Innenseiten der Flügel und je vier aus der Legende Johannis des Täufers und eines anderen Heiligen aussen, ein bedeutendes Werk, gehört nach Giemen der westfälischen Schule unter leichtem niederländischen Einfluss an und hat grosse Verwandtschaft mit dem Soester Kreuzigungsbild im Berliner Museum, das wohl zwischen 1470 und 1500 entstanden ist; der beigegebene Lichtdruck lässt die lebendige Komposition erkennen.

Die Renaissance - Bewegung tritt ein; der Humanismus des 16. Jahr- hunderts äussert sich auch hier auf geistigem und künstlerischem Gebiet. Duisburg wird aus einer Handelsstadt allmählich eine Gelehrtenstadt. Herzog Wilhelm, der die Reformation annahm und sie dann wieder verwarf, fasste den (ein Jahrhundert später ausgeführten) Plan, Duisburg zur Universitäts- stadt zu machen. Hier wirkte u. A. der berühmte Erdkundige Merkator (t 1594), seine Gedenktafel mit Brustbildnis hängt in der Salvatorkirche.

Die Malerei der niederrheinischen Renaissance steht erst unter west- fälischem, dann unter niederländischem Einfluss. Ein Hauptwerk des Dort- munder Meisters Heinrich Dünnwege, das Gerichtsbild im Weseler Rathaus (durch Lichtdruck wiedergegeben), eine Gerichtsverhandlung voll Realismus bei geringen phantastischen Zuthaten, zeichnet sich durch frische und indi- viduelle Charakterisierung der handelnden Personen, geschlossene Komposition und leuchtende Farbengebung aus. Einem dem Dünnwege nahe stehenden Maler schreibt Clemen das grosse Dreiflügelbild in der evangelischen Kirche zu Schermbeck von 1506, Kreuzigung, Darstellungen aus Christi Leben und Leiden und Heiligenbilder, zu. An die Harlemer Meister und Jan Joest erinnert das bedeutende Gemälde der Taufe Christi im Spital zu Rees. Den glänzendsten Ausdruck findet die damalige Kunst in dem Altarwerk der Essener Münsterkirche, welche im Mittelschrein eine Marienfigur, auf den Flügeln die 1524 von Barth, de Bruyn vollendeten Gemälde der Geburt, Anbetung der Könige und Kreuzigung enthält; dies Werk „bezeichnet den Höhepunkt der Jugendperiode des Künstlers und steht an Frische weit über dem Xantener Altarwerke".

WMtd. Zeitiohr. f. Oesoh. n. Kunst. XIY, TLl. 23

312 Recensionen.

Auf anderen Gebieten der Kunst müssen wir allmählig Rückgang ge- wahren. Wohl erkennen wir noch eine prächtige Blüte der Kunststickerei z. B. in den Gewändern der katholischen Kirchen zu Rees und Hambom um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Die 1578 gestifteten Prachtpokale des Weseler Rathauses, gleich ausgezeichnet durch Schärfe der Umrisse und Weich- heit der Formen sind Erzeugnisse der Kölner Goldschmiedekunst. Der Lettner der Weseler Willibrordikirche von 1604 ist eine interessante Holzschnitz- Arbeit, ganz antikisierenden Geschmackes. Aber an selbständiger Bildnerei und Baukunst war wenig Rühmliches aufzuzeichnen. Manche ganz schmuck- volle Wohnhäuser finden sich in Emmerich ; das Haus des Herrn von Weiler in Empel hat einen prächtigen Erker von 1570, das wohl eine Einzel-Ab- bildung verdient hätte. Im Übrigen wird die Kunst nur ein leeres Blatt Wohl ist, wie anderwärts, viel Schuld auf den dreissigjährigen Krieg zu schieben, zu dem sich hier noch die unsicheren Zeiten des Erbfolgestreites gesellten. Allein, während wir in anderen Gegenden des Rheines, selbst des verarmten Mittel- und Norddcutschlands wenigstens entschiedene Bestrebungen eines Aufschwunges erkennen können, fehlen hier anscheinend solche. Aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts stammt der Hauptbau des umfangreichen Schlosse» Schellenberg (der ältere aus dem 14., der neuere aus unserem Jahr- hundert) ; Turmbau und Innen- Ausschmückung, darunter eine Decke mit Stuck- verzierung und Malerei sind ohne sonderlichen Reiz. Es ist bezeichnend, dass den Hauptteil des Interesses die Befestigung der Stadt Wesel im 17. Jahrhundert beansprucht. Dies sowohl in künstlerischer wie in tech- nischer Beziehung.

Alte Pläne und Ansichten unterstützen diesen sehr gut behandelten Teil der Clemen'schen Aufzeichnungen; es ist dankenswert, dass der Ver- fasser auch dieses meist von der Architekturgeschiclite umgangene Gebiet der Bauthätigkeit mit erschliesst.

Im 18* Jahrhundert entwickelt sich wieder eine ganz tüchtige, wenn auch nüchterne Baukunst, die sich in manchen Schlossbauten äussert. Das Schloss zu Diersfordt ist eine verhältnismässig umfangreiche Erneuerung dieser Periode. Eine gewisse Kunstblüte verdankt ihr Dasein der Prachtliebe der Äbte und Fürstäbtissinnen von Essen. So entstand der Umbau ihres Sommer- sitzes Borbeck, der durch Giebel und Türme ganz wirkungsvoll im Gesamt- Eindruck ist, so in Steele die riesige Anlage des Waisenhauses, in Werden das Abteigebäude. Das Rococo wird durch einige städtische Wohnhäuser, u. A. in Duisburg, ganz hübsch vertreten. Gegenüber den Stilwandelungen giebt der aus dem 18. Jahrhundert stammende Berger Schul t-Hof in Hünxe, dessen Grundriss Giemen beifügt, einen vortrefflichen Typus des unverändert gebliebenen, westfälischen Bauerhauses, dessen Gebiet in den Kreis Ruhrort hineinragt.

Aus den hier gemachten Angaben über die rheinische Denkmaler-Ver- öffentlichung wird der Leser sehen, welche Fülle von anziehenden Darstel- lungen und Mitteilungen seiner bei dem Lesen der vorliegenden Hefte harren. Über Form und Art der Behandlung ist schon bei Gelegenheit der ersten Hefte gesprochen worden. Mit sich gleich bleibender Liebe und Kenner- schaft hat der Verfasser auch diese Kreise durchforscht Besonders schatzens-

Recensionen.

313

wert ist das Einfügen der Bilderhandschriften in die Aufzeichnungen (unbe- schadet späterer selbständiger und weiter gehender Veröffentlichung) und das stärker vortretende persönliche, urteilende Element; in dieser Beziehung könnte der Verfasser noch etwas weiter gehen, gewissermassen Licht und Schatten der Kritik auf die zu behandelnden Gegenstände stärker auftragen, um das Bild des Ganzen aus der Fülle der Einzelerscheinungen charakte- ristischer hervortreten zu lassen. Die Abbildungen, auf die ich schon gele- gentlich hingewiesen habe, sind höchst schätzenswerte Beigaben an Zahl (zusammen 13 Lichtdrucktafeln und 130 Zinkdrucke), zum grossen Teil künst- lerisch wertvoll. Die für den vorliegenden Zweck gelungensten scheinen mir die des Architekten Baum zu sein, dann die des Regierungsbaumeisters Amtz und des Architekten Pützer; ihnen gesellen sich die zierlichen Zeichnungen von Giemen selber. Noch hier und da einige Details wiederzugeben, die bei Gemälden die Formen- und Pinsel-Behandlung, bei kunstgewerblichen Arbeiten das Technische wiedergeben, wäre erwünscht. Die Lichtdrucke sind sehr schön klar (von Kühlen in M.-Gladbach) wiedergegeben; dass dies nicht durchweg von den Zinkographieen, wenigstens den Autotypieen zu rühmen ist, liegt vielleicht an technischen Gründen, da Behandlung der Zinkstöcke, Papier und Schwärze gegenwärtig einem zu schnell wechselnden, oft gefähr- lichen Suchen nach neuen Verfahren ausgesetzt sind, wie ich an eigenen Veröffentlichungen erfahren muss. Doch wirkt dies nicht wesentlich störend ; die Hauptsache, dass Text und Abbildungen, wie es bei solchem Werke nötig ist, immer mehr zusammenwachsen und ein einheitliches Ganzes bilden, tritt mit jedem Heft erfreulicher hervor.

Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Stadt Köln.

Von Dr. Friedrieh Laa in Köln.

IL Das KSlner Patriziat bis znm Jahre 1396.

So verschieden und mannigfaltig? das Bild auch ist, das die politische Entwicklung der deutschen Städte dem Forscher darbietet, so ist es doch immerhin möglich, die Grundgesetze und Rechtsbegriffe, aus denen die politische Stellung und Verfassung derselben sich gebildet hat, in ihren Ilauptztigen festzulegen und nach ihrer allgemeinen Gültig- keit zu erkennen. In weit geringerem Grade gilt dies von der Zu- sammensetzung ihrer Bevölkerung und der Ausbildung der Standes- nnterschiede innerhalb der einzelnen Stadt. Diese ist so sehr von lokalen Bedingungen abhängig, dass es wohl ausgeschlossen erscheinen muss, in der Entwicklung in den Mauern einer Stadt ein für alle Orte Deutschlands gültiges Paradigma zu gewinnen. Aus diesen Er- wägungen allgemeiner Natur ergiebt sich der Gesichtspunkt, unter dem die nachfolgende Studie aufgefasst werden will und muss. Sie ist lediglich eine lokalgeschichtliche Untersuchung, die nicht ohne weiteres auf andere Verhältnisse bezogen werden darf, wenn auch nicht unmög- lich erscheint, dass sich an einem anderen Orte eine wenigstens ähnliche Entwicklung nachweisen lässt.

Auf Vorarbeiten von anderer Seite kann sich die nachfolgende Untersuchung im allgemeinen nicht stützen. Zwar hat sich schon der alte Glasen *) mit ehrlichem Eifer bemüht, Material für die Gaschichte des Kölner Patriziats zusammenzutragen, aber zu einer auch nur an-

') In den bekannten Schriften: Schreinspraxis, Edeles Colin, u. s. w. (Vgl. Quellen I p. X).

Weatd. Zeitaohr. f. Getoh. n. Kami. XIV, IV 24

316 Fr. Lau

nähernd erschöpfenden Behandlung der Aufgabe*) reicht das von ihm Geleistete nicht aus. Nach ihm hat Fahne einen erneuten Versuch in dieser Hinsicht unternommen, man darf sagen, zum Schaden unserer Erkenntnis, da die Flüchtigkeit seiner Arbeitsweise und die grosse Un- genauigkeit seiner Angaben die Forschung eher irreleiten als fördern können. Seitdem ist durch die Herausgabe der Kölner Schreinskarten des 12. Jahrhunderts durch Hoeniger das ältere Material leicht benutz- bar gemacht worden und der Herausgeber hat anlässlich dieser Arbeit auch Gelegenheit genommen, seine Ansichten tiber einige der inbetracht kommenden Fragen zu äussern^), mit denen sich ebenso wie mit den anderweitig geäusserten Meinungen die nachfolgende Darstellung eben- falls zu beschäftigen hat. Die hier gegebene Untersuchung stützt sich auf das gesamte erhaltene Material der Schreinskarten und Schreins- bücher bis 1325, für die Zeit von 1325 96*) auf einen erheblichen Bruchteil derselben, daneben sind die mir erreichbaren Urkunden des Kölner Stadtarchivs und die in Frage kommenden Urkundenbücher benutzt. Die Bildung des städtischen Patriziats im allgemeinen hat sich in der Weise vollzogen, dass innerhalb der breiteren Masse der städtischen Bürgerschaft sich ein engerer Kreis von Personen und Familien der politischen Herrschaft bemächtigt, der sich gegen die andere Bürger- schaft auch sozial nach unten abschliesst. Erst dann kann von dem Bestehen eines Patriziats die Rede sein, wenn diese zwei Momente, das politische und soziale, zusammentreffen. Das blosse Vorkommen ange- sehener Familien bildet noch keinen Beweis für das Vorhandensein eines Patriziats, so lange eben diese Familien noch nicht ihre soziale Schei-

*) In manchen Punkten besonders betr. die Lehnsbezichungen der Kölner Patrizier zu den benachbarten Fürsten hat Cl. die Schreinsbücher mit sehr gutem Erfolge durchforscht und nahezu ausgebeutet.

») Westd. Zeitschr. Bd. II S. 119 ff. Neuerdings Mcvissen- Festschrift S. 153 ff. Früher haben schon Arnold (Freistädte II S. 182 ff.) und Hegel in seiner Verfassungsgeschichte Kölns (Chron. XIII S. XXIV), v. Below, Entstehung S. 119 und Liesegang (Savigny - Zeitschr. Germ. Abteilung N. F. Bd. XI S. 48) ihre Meinung über den Gegenstand geäussert. Die von Ennen in seiner Geschichte der Stadt Köln über die Frage vorgebrachten Ansichten sind recht leichtsinnige und oberflächliche Behauptungen. Auch die Aufstellungen Nitzschs in seinem Werke „Ministerialität und Bürgertum" dürfen wohl im allgemeinen als widerlegt gelten.

*) D. h. alle Bücher des Schöffenschreins, diejenigen von Severin, Weyerstrasse, Gereon-Eigelstein und eine grössere Anzahl von Büchern der andern Schreine.

Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Stadt Köln. 317

düng von der übrigen Bürgerschaft erreicht haben, ein Verhältnis, das andererseits erst die Stetigkeit und Dauer des politischen Ansehens und der Macht für die betreffenden Geschlechter zur Folge hatte und verbürgte. Schon die lebensvoUe Schilderung, die Lambert von Hersfeld ^) von dem missglückten Aufruhrversuche gegen Erzbischof Anno giebt, bezeugt das Vorhandensein von angesehenen Bürgern (primores civitatis), welche die Leitung des Aufstandes übernahmen ; zahlreicher begegnen dann in den Urkunden des 12. Jahrhunderts die Namen von Personen, welche als viri illustres, probatissimi, meliores, maioris auctoritatis, be- zeichnet werden und unter denen dieselben Namen sich vielfach wieder- holen. Unter ihnen begegnen uns schon die Stammväter der Grin®), Jude''), Raitze*), Parfuse^), Scherfgin ^®), Von der Mühlengasse *^) und Cleingedank **), die später in den Kreisen der Geschlechter eine so grosse Rolle spielen sollten. Aber doch reichen diese urkundlichen Zeugnisse nicht hin, die Existenz eines bevorzugten Geschlechterstandes zu beweisen. Die spärliche Überlieferung der Schreinskarten gestattet nämlich kein sicheres Urteil darüber, inwieweit diese angesehenen Bürger und ihre Familien unter einander verschwägert und sozial von den übrigen Bürgern geschieden waren. Im Hinblick auf die Erfahrungen, die sich aus den reichhaltigeren Quellen des 13. Jahrhunderts gewinnen lassen, darf diese Frage für das 12. Jahrhundert sogar verneint werden. Wenn man nämlich von den genannten Familien absieht, so zeigt sich bei manchen anderen die Erscheinung, dass sie, welche im 12. Jahr- hundert" im Vordergrunde des politischen und sozialen Lebens standen, im Anfange des folgenden an politischem Ansehen verlieren und auch sozial in die Masse der städtischen Bürgerschaft zurücksinken. So sind die Nachkommen des 1182 zu den verdienten Amtleuten gehörenden Richolf, Schultheiss von Aachen "), die sich bis in den Anfang des 14. Jahrhunderts finden, niemals wieder zu politischer Macht emporge-

») Mon. Germ. SS. V. S. 211.

•) Mitt. H. 25 S. 378.

^) H. 26 S. 115.

8) Ib. S. 137.

*) Hoeniger, Mevissenfestschrift S. 262.

»<») Mitt. n. 26 S. 139.

") Ib. S. 128.

>2) H. 25 S. 370.

^') Vgl. über ihn Hoeniger 1. c. S. 258. Johannes scultetas de Aquis 6 f. 21b (1264). Henricus scultetus de Aquis 14 f. ö4b (1302/3), 193 f. 7a (1302 Jan. 13), 362ra f. 19a (1312 März 8). 277 f. 13a (1318).

24*

318 Fr. Lau

stiegen, diejenigen des Emund unter Macellen ^*), des Amtsgenossen des vorigen, bekleideten im 13. Jahrhundert nur noch das Amt von Schöffen in St. Severin, eine Stellung, die sie um diese Zeit mit Handwerkern teilten. Auch die vorher genannten Familien, die sich im Besitze der Macht behaupteten, sind selbst im 13. Jahrhundert noch keineswegs zu einer engen Familien-Verbindung gelangt, so dass man, weil die Be- wegung, die zur sozialen Abgeschlossenheit der Geschlechter ffthrte, doch von kleineren Schwankungen abgesehen, sich in der aufsteigenden Linie bewegt hat, das Vorhandensein eines Geschlechtverbandes für das 12. Jahrhundert in Abrede stellen muss. Die Entstehung des Patriziats ist sicher in dieser Zeit in die Wege geleitet, seine Anfänge mögen schon lange vor dieser Periode liegen, der Abschluss ist jedoch damals noch nicht erreicht. In der Überlieferung begegnet der Ausdruck „Ge- schlechter" erst in zwei Urkunden des Jahres 1263*^), nachdem kurz vorher in den Erörterungen der Schiedsricliter gelegentlich des grossen Schiedes ebenfalls das Bestehen einer solchen Personenklasse *^ zum Ausdruck gekommen war. In besonderer Schärfe und Klarheit tritt der Stand der Geschlechter in der Schilderung Gottfried Hagens, der sich selbst dank seiner Abstammung zu den älteren Familien der Stadt rechnen durfte, hervor. Zwar könnte man sich im Hinblick darauf, dass auch um diese Zeit ein absoluter sozialer Abschluss der Ge- schlechter noch nicht erreicht ist, versucht fahlen, auch diese urkund- lichen Zeugnisse Lügen zu strafen, aber es würde doch ein Fehler sein, den Massstab, den der in Äusserlichkeiten verknöcherte Geist der späteren Zeiten geschaffen hat, an diese lebensvolle Periode zu legen. Von jenem Standpunkte aus müsste sogar das Vorhandensein der Geschlech- ter bis 1396 völlig geleugnet werden. Jedenfalls stehen in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts diejenigen Familien in politischem Ansehen und Macht da, die diese Stellung bis zum Sturze der Geschlechter behauptet haben. Der Abschluss des Patriziats darf also im allgemeinen in diese Zeit verlegt werden.

Bevor an die weitere Untersuchung herangetreten werden kann, muss, um derselben einen festen Boden zu geben, zunächst die Frage aufgeworfen werden, nach welchen Kriterien die Zugehörigkeit der ein-

**) Später führen sie die Namen Wampleiz, vom Linhofe. Alfter 15 p. 121 (1285 Mai 30) Emnndus Wamplez, daneben ein Johannes faber. Alfter Bd. 30 p. 149 (1289 Dez. 1) Emundus de Linhove scabinus s. Severini.

") QueUen II nr. 449. 450.

") Qu. II nr. 384 S. 382. 19. 22. Vgl. Hegel 1. c. S. XXV.

Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Stadt Köln. 319

zelnen Familien zum Patriziat zu bestimmen ist. Die zeitgenössische Cberliefemng hat nns keine Aufzeichnung hinterlassen, die, wie der alte Ulman Stromer^*') es für Nürnberg gethan hat, die Namen der jeweilig oder einmal in dieser Periode zu den Geschlechtern gerechneten Familien wiedergiebt. Erst ein Jahrhundert nach dem Sturze der Ge- schlechterherrschaft hat der anonyme Verfasser der Kölhoffschen Chronik den Versuch einer derartigen Aufstellung**), sogar nach drei Rang- klassen, gemacht. Diese, deren Zuverlässigkeit schon von vornherein durch die demütige Abbitte des Verfassers an diejenigen Familien, die er viel- leicht ausgelassen haben sollte*'), in Frage gestellt wird, erweist sich nun bei näherer Prüfung als durchaus willkürlich und fehlerhaft ^% Nicht nur w^erden Zweige derselben Familie in zwei verschiedenen Rang- klassen ^') untergebracht, nicht nur wird eine ganze Reihe von ange- sehenen Geschlechtem völlig ausgeschlossen *^), es sind sogar solche auf- genommen^^), die wenigstens bis zum Ende des 14. Jahrhunderts noch gar keine Rolle im städtischen Leben gespielt haben. Diese Aufzeich- nung ist deshalb für eigentlich wissenschaftliche Zwecke völlig unbrauch- bar. Es muss also aufgrund der Quellen eine neue Feststellung der Geschlechter versucht werden. Die Überlieferung bietet nun hauptsäch- lich in zweifacher Hinsicht einen Massstab, um das Ansehen und die Macht der einzelnen Familien zu bestimmen, zunächst nach der Be- teiligung derselben an den wichtigsten städtischen Ämtern, und weiter, daneben und diese Feststellung ergänzend, nach der sozialen Stellung in dem städtischen Leben, die sich besonders in den verwandtschaftlichen Beziehungen der Familien ausspricht.

Unter den verschiedenen und bunten Bildungen, die das rege politische Leben der Stadt Köln geschaffen hat, ragen besonders drei

") Städtechroniken Nürnberg Bd. I S. 83.

»•) Chroniken Bd. 13 S. 325 ff.

**) Ib. S. 327 „Dairamb begeren ich oitmodelich . ., of einige unor- delicheit geschiet is in der setzunge der gesiechte, dat men dat niet quaelich wil upnemmen, want min meinunge is nie gewest, einigen stam zo beschemen, of zo uneren, ind bcgere vruntlich underwisung dairup.

••) Schon Fahne und Hegel 1. c. p. XXVII haben auf einige falsche Angaben aufmerksam gemacht.

**) Das Geschlecht Mommersloch und von der Poe.

*') Z. B. Parfuse, Von der Schuren.

2') Vom Guldenheuft, Vam Meroide (!), Vam Walde. Die Merode sind nie Patrizier gewesen. Auch die Von Mauwenhem, Stommel, Walraven kann man, wenigstens bis 1396, günstigsten Falles nur als Geschlechtsverwandte bezeichnen.

320 Fr. Lau

Verfassongsorgane, das SchöflfenkoUegium **) des Hochgerichts, die Richer- zeche**) und der Rat hervor. Für sie lässt die Überlieferung keine Zweifel darüber, dass wenigstens gegen das Ende unseres Zeitabschnitts die Zugehörigkeit zu den Geschlechtem zur unbedingten Voraussetzung der Beteiligung geworden war, wenn es auch zweifelhaft bleibt, inwieweit dies insbesondere für den Rat**) von Anfang an der Fall gewesen ist. Immerhin zeigen die überlieferten Namenslisten dieser drei Korporationen nur Namen von so angesehenen Familien, dass man alle diejenigen, die ans in diesen Stellungen genannt werden, ohne Gefahr einer grösseren Täuschung den Geschlechtem zuzählen darf. Anders steht es mit den übrigen Gerichts- und Verfassungsorganen der Stadt. Sie weisen eine sehr versclüedenartige Zusammensetzung auf. So würde es ein schwerer Fehler sein, wenn man, wie es von anderer Seite geschehen ist, die Amtleute der einzelnen Sondergemeinden schlechtweg als patrizisch be- zeichnen wollte. Die Bekleidung dieses Amtes hatte hauptsächlich nur für denjenigen Nutzen, der in der betreffenden Parochie ansässig war; die Verzeichnisse der Amtleute bieten deshalb gewissermassen ein ver- kleinertes Spiegelbild der in der einzelnen Gemeinde ansässigen Grund- besitzer. Infolge dessen sind die Kollegien der vornehmeren Stadtteile St. Brigida«^), St. Martin «8), St. Alban«») und St. Kolumba^ im 14. Jahrhundert fast ganz patrizisch geworden, diejenigen von St. Peter ^\), St. Aposteln '*) und Airsbach ^^) umfassen schon Personen von geringerer

2*) Vgl. oben S. 176. Die alleinige Berechtigung der Geschlechter fiir die Schöffenstellen wurde erst 1448 Jan. 25 aufgehoben. (Vgl. Stein I S. 758).

**) Die Richerzeche ist von anderer Seite als Abschluss des Kölner Patriziats bezeichnet worden (Hegel 1. c. p. LH), sie würde aber entschieden einen zu engen Rahmen für dasselbe abgegeben haben. Ende des 14. Jahr- hunderts sind übrigens nur die verdienten Amtleute, d. h. die gewesenen Bürgermeister, unzweifelhaft Angehörige der Geschlechter, die Inhaber der unverdienten Ämter nur zum kleinsten Teile.

^®) Weil wir über dessen Zusammensetzung in den ersten Jahrzehnten nichts Bestimmtes wissen. (Vgl. oben S. 188/89). In ganzer Schärfe wird die Notwendigkeit der Wahl aus den Geschlechtem erst im Eidbuche von 1341 ausgesprochen (Stein I S. 29).

") Vgl. Quellen I S. 24ö.

") Ib. S. 2Ö8 ff.

") Ib. S. 275.

»0) Ib. S. 270.

") Ib. S. 294.

") S. 288 ff.

") Schreinsb. Xr. 25 f. 69a (1349) und Quellen I S. 301.

Beiträge zur Yerfassungsgeschichte der Stadt Köln. 321

sozialer Stellung, und ganz tief sinkt dies Niveau im Niederich ^) und wohl auch in den übrigen Vorortsgemeinden ^^). Etwas günstiger für die Geschlechter stellt sich das Verhältnis bei den Schöffenkollegien der Vorortsgemeinden, wo die Art der Ergänzung, wahrscheinlich wie bei den Schöffen des Hochgerichts die Kooptation ^^), den Geschlechtem eine grössere Möglichkeit eröffnete, ihnen missliebige Elemente ^^) fernzu- halten, sobald sie einmal die Mehrheit im Kollegium erreicht hatten. Möglicherweise ist bei allen diesen Ämtern die Zusammensetzung im Laufe der Zeit gewissen Schwankungen untei-worfen gewesen ; wenn man sich jedoch das überall begegnende Bestreben^*) vergegenwärtigt, das einzelne Kollegium sozial zu heben und niedriger stehende Elemente nach Möglichkeit fern zu halten, so dürfte im allgemeinen der Schluss gerechtfertigt sein, dass die Zusammensetzung in früherer Zeit eher un- günstiger für die Geschlechter als günstiger gewesen ist. Jedenfalls, und das ist hier der wesentliche Punkt, geht aus den gegebenen Aus- fühi-nngen hervor, dass die Zugehörigkeit zu einem der zuletzt erwähnten Ämter keinen Massstab für die soziale Stellung der betreffenden Familie, kein Kriterium der Geschlechtsciualität abgeben kann. Bekanntermassen ist die Überlieferung der eigentlichen Urkunden über die Mitglieder der drei früher genannten Kollegien eine sehr lückenhafte, dagegen bieten die Schreinsbücher besonders für das Schöffenkollegium eine sehr erfreuliche Ergänzung derselben, da seit der zweiten Hälfte des 13. Jahr- hunderts die Schöffen sehr oft, im 14. stets mit diesem Titel bezeichnet werden. Auch in anderer Hinsicht ist für die spätere Zeit aus diesem Material eine Vervollständigung zu entnehmen. Diese ergiebt sich durch

'*) Vgl. Schreinsb. 247 f. 7a (1300) Amtleute von Niederich: presentibus W. Schunde et Job. pistore, tunc magistris, H. de Templo virgulatore, Pele- grimo Drenkere, Ratgero Sunere, Ludewico dicto Brune, Til(manno) fratre suo, Uenrico de Owe, Iwano, necnon et nunciis.

'*) Das kurze Verzeichnis von S. Severin (S. 297) zeigt allerdings viele Geschlechternamen.

'•) Vgl. für Severin das Weistum von angeblich 1326 (Mering, Ritter- burgen H. XII S. 105. Mevissenfestschr. S. 341).

3^) Schöffen von Airsbach werden Schreinsb. 29 f. 26a ff. (1353—56) angeführt, sämtlich Angehörige der Geschlechter, Schöffen von Severin (vgl. oben S. 318 Anm. 14) Urk. nr. 1240 (1328 Sept. 28), Schöffen von Niederich Schreinsb. 251 f. 4a f. 6ab (1309), Schöffen auf dem Eigelstein Quellen IV nr. 394 (1357 Dez. 16).

") Vgl. z. B. Statuten von St. Alban (Quellen I S. 272) über Aus- schliessung bestimmter Handwerkerklassen.

322 Fr. Lau

den damals feststehend gewordenen Gebrauch des Prädikats „dominus, Herr". Diese Bezeichnung kam um 1396 keineswegs allen Mitgliedern der Geschlechter zu, nicht einmal allen Schöffen^*) und selbst nicht allen Mitgliedern des engen Rates *^). Sie wird durchweg nur den Rittern, daneben soweit es sich feststellen lässt, nur den zeitigen und gewesenen Bürgermeistern beigelegt, vielleicht auch den verdienten Schöifen*^). Jedenfalls darf man die in den Schreinsbüchem als „Herren" bezeichneten Bürger im 14. Jahrhundert**) sicher den Geschlechtem zuzählen. Immerhin würde auch mit Hülfe dieser Ergänzungen noch kein vollkommen klares Bild über die Zahl der Geschlechter zu er- reichen sein. Ein weiteres Mittel, diesem Ziele annähernd nahe zu kommen, bietet aber, wie oben bemerkt, der Nachweis einer mehrfachen verwandtschaftlichen Verbindung der so festgestellten Geschlechter mit anderen Familien, natürlich erst von der Zeit an, wo der soziale Ab- schluss der ei'steren stattgefunden hatte. Auch die so zu ermittelnden Familien wird man mit einiger Sicherheit als Geschlechter, mindestens als Geschlechtsverwandte, bezeichnen dürfen. Bei der nachfolgenden Untersuchung sind sie im allgemeinen nicht berücksichtigt, um auf jeden Fall Trugschlüssen vorzubeugen.

Eine der wichtigsten Fragen, die bisher die Forschung betreffend das Kölner Patriziat aufgeworfen und zu beantworten gesucht hat, ist diejenige, aus welchen Elementen und Ständen der Bürgerschaft die

'®) Z. B. Everardus Hardevust in vico Reni scabinus (29 f. 91b).

*®) Vgl. die Ratsverzeichnisse (Quellen 1 S. 81), bei deren sehr flüch- tigem Abdruck diese Titulatur nur bei dem ersten Verzeichnis zum Ausdruck gebracht ist.

^^) Dass der Titel dominus allen geistlichen Personen beigelegt wurde, braucht wohl kaum bemerkt zu werden. Die von Ennen Gesch. I S. 449 ge- gebene Ausführung betreffend den Gebrauch des Titels „dominus'' für die Geschlechter ist unrichtig.

*2) Gegen diesen Gebrauch sticht derjenige des 12. Jahrhunderts be- deutend ab, wie ein Blick in die Register der Schreinskarten lehrt. Jeden- falls wurde der Titel „dominus'^ damals einem weit grösseren Personenkreise zugebilligt. Ergänzend mag noch bemerkt werden, dass der Titel „domina'* durchgängig den Wittwen der Geschlechter beigelegt wurde, auch in dem Falle, wo ihr verstorbener Gatte den Titel „dominus" nicht geführt hatte, z. B. 29 f. 8b (1344) domina Irmengardis, Wittwe von Johannes de Heuberg. Höchst vereinzelt ist die Bezeichnung „domicellus", z. B. 356 f. lila (1389) domicellus Johannes de Cusino, und „domicella", z. B. domicella Ida de Saltz- gassen ib. f. 41b (1340), ebenso der Ausdruck Baro = Miles, z. B. 29 f. loa dominus Johannes Quattermart quondam Baro.

Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Stadt Köln. 323

späteren Geschlechter entsprossen sind. Die letzteren selbst behaupteten schon im 13. Jahrhundert mit allem Nachdruck ihre Herkunft von freien Vorfahren. So lässt Gottfried Hagen, so recht der Verteidiger der Geschlechter, seinen Gerhard Overstolz sprechen: Ir Sit van reichter edelre art*^) Sint Colne alre eirst cristen wart, Van heren unde van scheffen kumen, so nennt er sie selbst „die edele gesleichte, dei her kumen sint van vrier art, sint dat Colne alre eirst kristen wart" **). Gemäss dieser Anschauung haben denn auch Arnold**) eine durchaus freie Abstammung des Stadt- patriziats und nach ihm Hegel *^ als Kern des Kölner Patriziats einen Kreis altfreier Familien angenommen, die sich im Schutz der Stadt- mauern ihre alte Freiheit zu bewahren gewusst hätten. Gegen diese Ansicht ist dann von anderer Seite*') Einspruch erhoben worden, aber man wird sich bei vorurteilsloser Betrachtung doch dahin bescheiden müssen, dass die Frage auch jetzt noch, wo die Schreinskarten einiges nene Material zur Beurteilung der Verhältnisse beigebracht haben, in ihi*en Einzelheiten unentscheidbar geblieben ist. Bei fast allen ange- seheneren Familien, den Overstolz, Quattermart, Hjirdevust, Gyr, Grin, Hirzelyn u. s. w. liegt keine Nachricht*®) vor, die gegen ihre freie Abstammung spräche. Freilich ist das Schweigen der Quellen auch noch kein Beweis für dieselbe. Die frühmittelalterliche Stadt ist be- kanntermassen ein hervorragend ausgleichender Faktor in der Über- windung der alten Standesunterschiede gewesen, in dieser Eigenschaft

*») Hagen v. 3561 ff.

*^) V. 3381 ff.

**) Freistädte H S. 187.

*«) 1. c. p. xxvn.

*') Hoeniger Westd. Zeitschr. H S. 245. Derselbe fasst die Sonderge- meinde St. Martin doch gar zu einseitig als alleinige Kaufmannsparochie auf, mindestens gehörten doch zu den vorwiegend von Kauileuten bewohnten Stadtteilen auch St. Brigiden, und der an Martin anstossende Teil von Airsbach.

*^) Die kaufmannische Beschäftigung, die von anderer Seite auch als Massstab für den Personalstand aufgefasst worden ist, kann für das 12. Jahr- hundert diese Bedeutung wohl nicht mehr beanspruchen. Etwas anderes wäre es, wenn diesbezügliche Nachrichten aus den früheren Jahrhunderten erhalten wären. Das Vorurteil, das in jener Zeit gegen den Kaufmannsbe- ruf bestanden hat, ist im 12. Jahrhundert jedenfalls schon überwunden. Ein Kaufmann des 12. Jahrhunderts kann deshalb an und für sich sicher von freier Herkunft gewesen sein.

324 Fr. Lau

lag, abgesehen von anderen Vorteilen, eine starke Anziehungskraft für in mehr oder minder in persönlicher Abhängigkeit befindliche Personen, denen dort die persönliche Freiheit winkte, falls es ihnen gelang, sich über Jahr und Tag den Nachforschungen ihres Herrn zu entziehen. Die leider so verstümmelten Eintragungen des Kölner Schöffenschreins ent- halten denn auch verhaltnissmässig zahlreiche Eintragungen, die von Inanspruchnahme solcher Leute durch ihre früheren Herren handeln. Dieselben betreffen aber, von einem einzigen, unsicheren Falle **^) abge- sehen, keine solche Personen, die als Vorfahren oder Venvandte ^®) der späteren Geschlechter anzusehen sind. Es ist deshalb keineswegs aus- geschlossen, dass eines oder das andere der Kölnischen Geschlechter von unfreier Herkunft gewesen sein kann, doch bleibt es immerhin fraglich, ob selbst bei grösserer Vollständigkeit unserer Überlieferung wir Nachrichten in dieser Hinsicht erwarten dürften. Jedenfalls be- durfte es auch in dieser Zeit des allgemeinen wirtschaftlichen Auf- schwungs eines längeren Zeitraumes, ehe die Nachkommen eines mittel- losen oder doch gering begüterten Hörigen denjenigen Grad von Ansehen und Reichtum erreichen konnten, der den längere Zeit an- sässigen Familien eine Verbindung mit ihnen wünschenswert, ihnen selbst die Beteiligung an den Ehrenämtern in der Stadt überhaupt möglich machte. Die Ministerialität hat scheinbar nur einen sehr ge- ringen Prozentsatz der kölnischen Geschlechter gestellt, sicher nach- weisbar ist der ministeriale Ursprung nur für die lleichsministerialen- familie „Schultheiss von Aachen" ^*). Zweifelhaft ist es dagegen, ob aus dem Ministerialitätsverhältnis einiger Vorfahren der späteren Ge- schlechter zu kölnischen Stiftern und Klöstern ein allgemeiner Schlnss auf die Abstammung von Ministerialen zu ziehen ist. Es scheinen viel-

") Scab. I IV 6 (c. 1167—80). Der dort genannte Erenfridus könnte mit dem gleichnamigen Stammvater der Lyskirchen identisch sein. Vielleicht gab es aber mehrere Personen dieses Namens. (Vgl. Mitt. H. 24 S. 82).

*^) Nur die den Geschlechtern verwandten Familien Halverocke (vgl. Scab. 1 IV 2) und Bierbiich (Schrcinskarten I S. 112 Anm. 2) stammten von Cerocensualen ab. Im übrigen scheint es, als ob auch freie, aus der Fremde zuziehende Personen öfters sich in das Cerocensualenverhältnis zu Kölner und auswärtigen Stiftern begeben haben, das ohne eine drückende persön- liche Abhängigkeit zu begründen, ihnen den Schutz der Kirche gewährte. (Vgl. Hoeniger 1. c. S. 242).

**) Vgl. Hoeniger, Mevissenhandschrift S. 258. Über das durch Fa- milienverhältnisse bedingte zeitweilige Eintreten von Ministerialen resp. Rittern in das Patriziat siehe unten.

Beiträge zur Yerfassungsgescbichte der Stadt Köln. 325

mehr von Seiten der Bürger die Erwägungen praktischen Nutzens bei dem Eintreten in diese Stellung massgebend gewesen sein, wie auch die stolzen Geschlechter der späteren Jahrhunderte das Eingehen solcher Verhältnisse nicht gescheut haben, um greifbare Vorteile zu erringen. Aus der kölnischen Judengemeinde ist vielleicht das Geschlecht der „Juden" *^) hervorgegangen, mit grösserer Sicherheit kann dies von dem Geschlecht von St. Laurenz behauptet werden, das auf den getauften Juden Eckebertus ^^) zurückzuftlhren ist, und später in seinen verschie- denen Verzweigungen die Namen Morart, Oveliunc, Kranz, Dreil geführt hat. Über den standischen Urspi-ung des Patriziats lässt sich nach dem Gesagten kein klares Bild entwerfen, und die Frage muss im allge- meinen offen gelassen werden.

Eine wenigstens etwas klarere Anschauung gestattet die Über- lieferung darüber, ob die Kölner Geschlechter altangesessenen oder zu- gezogenen Familien entstammten. Eine verhältnismässig geringe Anzahl der ei-steren führt nämlich Familiennamen, die von auswärtigen Örtlich- keiten ^), Städten und Dörfern entnommen sind. Freilich ist es auch bei diesen nötig mit äusserster Vorsicht zu Werke zu gehen. Eine grosse Reihe von Kölner Häusern war nämlich nach Städte- und Ortsnamen benannt, die häufig von den Bewohnern derselben als Fa- miliennamen angenommen wurden. So nennen sich die Nachkommen eines Hildebrandus Albus *^) in zwei Linien von Merzenich und von Lovenberg, nach zwei Häusern in der Salzgasse, so führte eine Ver- zweigung der seit dem 12. Jahrhundert in Köln ansässigen Familie Von der Aducht, später den Namen von Muntabur ^^) nach dem gleich- namigen Hause im Filzengi-aben. Die Familie von Hemmenrode stammte von einem Winricus de Ackera ab und erhielt den zweiten Namen von dem Hause Hemmenrode*') in der Salzgasse. Für das 12. Jahrhundert ist freilich die Gefahr der Täuschung wesentlich geringer, da, wenigstens soweit die Schreinskarten dies erkennen lassen, das Aufkommen der

") Vgl. Mitt. H. 26 S. 115.

*») Vgl. Hoeniger, Register S. 123 und 262.

^) Arnold 1. c. S. 201 machte auf Grund des ihm vorliegenden mangel- haften Materials die irrige Bemerkung, dass es in Köln keine Geschlechter, die sich nach anderen Orten benannt hätten, gegeben habe.

") Schreinsb. 196a f. 3a. 7a. 24b. 26a. 30b. Ö9ab. 91 f. 12a.

»•) Mitt. H. 25 S. 360.

*^ Schreinsb. 362h f. 8b. Die Mitteilung der ganzen Genealogie würde hier zu weit führen.

326 Fr. Lau

Hausnamen in der Hauptsache erst dem Anfang des 13. Jahrhunderts angehört. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes darf für folgende Familien eine Herkunft von auswärts angenommen werden : Von Stavem ^% Hoier (Von Hoye)"^^), Von Erclenz^*^), (Von der Lauben, Von Bayen), Von Lintlar- Schallenberg**), Von Mainz**), Schultheiss von Aachen*^), Von Ackera (Von Hemmenrode)**), Von der Salzgasse (aus Neuss) *^), Von Wippervurde **). Immerhin ist dies nur ein sehr geringer Brach- teil der gesammten Geschlechter. Bei den übrigen, die andersartige Beinamen führten, giebt die Überlieferung keinen Anhalt zur Entschei- dung der Frage. Der Name Overstolz findet sich zwar auch unter den Rathsfamilien von Soest *^), derjenige der Schönwetter unter denen von Dortmund und Arnsberg, aber diese urkundlichen Zeugnisse sind natür- lich doppeldeutig und darum nichtssagend. £s kann sich dort ebenso- wohl um Abkömmlinge der Kölner Familien handeln, wie andererseits z. B. die Overstolzen aus Soest stammen können. Andere von Köi-per- eigenschaften *®) oder Örtlichkeiten der Städte entnommenen Namen können in jeder einzelnen Stadt entstanden sein, ohne dass die so be- nannten Familien in irgend welchem verwandtschaftlichen Zusammen- hange zu stehen brauchen.

Diese Feststellungen über die Herkunft von auswärts geben natür- lich keinen Anhalt für Beurteilung des ständischen Urspnings, insofern als die zugezogenen Familien ebensowohl freier Herkunft gewesen sein

*►«) Hoeniger Reg. S. 261.

") Mevissenfestschr. S. 266.

•0) Mitt. 26 S. 111.

") Ib. S. 124.

") Schreinsb. 192 f. 12a.

•») Vgl. oben S. 324 Anm. 51.

•*) Die Familie stammt von der Sieg.

'*) Stammvater Hermannus aurifaber de Nussia.

*•) Sie stammte von Godecalcus de Wippervorde.

") Bertoldus Overstolt, Zeitschr. des Vereins für Soest und die Börde 1883/4 S. 88 (1245 Mai 31). Seibertz I nr. 294 (1257 März 12), nr. 383 (1278 April 3). Gerardus Sconeweder consul (Arnsberg) nr. 413 (1284 Nov. 11). Johannes Sconeweder, vergl. für Dortmund. Kübel, Dortm. Urkundenb. I 2. Register S. 721. In Arnsberg wird auch 1293 Aug. 3 ein Henricus Gyr als oppidanus angeführt (Seibertz I nr. 456).

^^) Z. B. der Name Rufus (Rotkopf), der sich in zahlreichen Städten als Geschlechtsname findet, woraus Roth von Schreckenstein Patriziat S. 365 sehr zu Unrecht gemeinschaftlichen Ursprung ableitet. Die Bezeichnung kommt auch oft als sogenannter Übername vor, z. B. Rufus-Hardevust, Rufos-Birklin.

Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Stadt Köln. äÖ'?

können, wie die schon früher in Köln ansässigen. Ebensowenig brauchen die letzteren als die „älteren Familien" betrachtet zn werden. Dieses Alter richtet sich nicht allein nach der Dauer der Ansässigkeit in Köln, sondern datiert erst von dem Zeitpunkt an, wo die einzelne Familie denjenigen Grad von Macht und Ansehen erreicht hat, der uns mit Fug berechtigt, sie den Geschlechtern zuzuzählen. Man könnte sich deshalb versucht fühlen, aufgrund der vorher festgestellten Kriterien für die Zugehörigkeit zum Patriziat, eine Aufzählung der Familien nach ihrem Alter zu geben. Die schon betonte Lückenhaftigkeit unserer Über- lieferung lässt jedoch einen solchen Versuch als allzu gewagt erscheinen. Nur im allgemeinen mag bemerkt werden, dass auch in dieser Hinsicht die Aufstellung der KölhofTschen Chronik sich als willkürliche Kon- struktion erweist. Z. B. sind die Raitze, welche dieselbe den zweiten Geschlechtem zurechnet, zweifellos bedeutend älter, als die ersten Klasse zugerechneten 0 verstolz von Effem. Die letzteren traten erst nach 1343*^®) in das Patriziat ein, zu einer Zeit, wo die Raitze schon gegen 200 Jahre als angesehene Familie im städtischen Leben gestanden hatten. Die Stadt Köln war von altersher eine Handelsstadt und verdankte ihrer hervorragend günstigen merkantilen Lage vor allem ihre Macht and ihr Gedeihen. Aus dem Kaufmannsstande ist denn auch die weitaus überwiegende Mehrzahl der Geschlechter entsprossen. In erster Reihe stand für dieselben der Tuch- und Weinhandel. Die Gewandschneider- brüderschaft, welche die eigentlichen Gewandschneider als erste Klasse umfasste, war zugleich die reichste und mächtigste der Stadt. Durch sie sind eine ganze Reihe von Familien zu Reichtum, Ansehen und politischem Einfluss emporgestiegen. Die Ahnherren der Overstolzen '*^, Schönwetter^*), Hirzelin'*), Vom Hirtz"), Schwarzen von Hirz'*),

*') Damals wurde das erste Mitglied der Familie Schöffe. Es handelt sich wahrscheinlich um eine Familie des Landadels, die erst nkch Verschwä- gerung mit den Overstolz Namen und Wappen der letzteren angenommen hat.

»•) Mitt. 24 S. 71.

'*) H. 26 S. 144. Gerade bei dieser Familie tritt es besonders deut- lich hervor, wie vor allem der Gewandschnitt Reichtum und damit zusammen politisches Ansehen beförderte. Nur die eine Linie der Schönwetter, die der Gewandschneiderbrüderschaft angehörte, ist bis in das Patriziat emporge- stiegen, die übrigen blieben sozial und politisch bedeutungslos, z. B. Johannes Schoinweder calciator (355 f. 83a 1336).

") Mitt. 26 S. 110.

^) Ib. 113.

") Ib.

328 Fr. Lau

gehörten derselben an, und noch bis zum Ende des 14. Jahrhunderts finden sich Angehörige der vornehmsten Geschlechter in ihren Reihen '^). Die übrigen Mitglieder der Bruderschaft, es handelt sich hier nur um die eigentlichen Gewandschneider, standen zumeist ebenfalls in verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Patriziern selbst. Sie bildeten vorwiegend den Kreis, aus dem das Patriziat fortwährend neuen Ersatz für ausgestorbene, verzogene und dem städtischen Leben ent- fremdete, oder verarmte Geschlechter zog, ebenso wie auch in anderen Städten die Gewandschneider die erste Stelle nach den eigentlichen Ge- schlechtern spielten. Über die Beteiligung der Geschlechter an dem regen Exporthandel nach den Niederlanden und England geben die überlieferten Urkunden nur einen sehr ungenügenden Aufschluss. In solchen Handelsbeziehungen werden Mitglieder der Familien Quatter- mart'^), Jude'''), Hirzelin'^;, Von der Aducht'^) genannt. Jedenfalls war auch diese Bethätigung des Handelsberufes durch die Patrizier eine sehr bedeutende. Das durch diese und andere kaufmännische Thätig- keit erworbene Kapital fand zunächst zum guten Teile seinen Nieder- schlag im liegenden Grundbesitz*^"), in Häusern, Marktständen, Yerkaufs- hallen und Werkstätten, und in Landgütern®^), Höfen und Dörfern in der Umgegend der Stadt und auch in weiterer Ferne. Die Grosskauf- leute wurden so auch zu Grossgrundbesitzern. Hierin lag eine An- reizung zu veränderter Lebensweise, die in ihren weiteren Folgen noch betrachtet werden soll. Neben diesen in Grundbesitz angelegten Kapital bildete sich in rasch steigendem Masse ®*) ein flüssiges, das den reicheren Geschlechtem den Übergang zum reinen Geldgeschäft, zum Banquierge- schäft im modernen Sinne gestattete. Die deutschen und englischen Könige, weltliche und geistliche Fürsten, endlich auch die Stadt Köln selbst, waren die Kreise, welche in ihren finanziellen Nöten die Hülfe der Geschlechter suchten und erhielten.

") Vgl. Quellen I S. 340.

^•) Mitt. 26 S. 134.

") Vgl. Hans Urk. HI S. 283 Anm. 6.

") Mitt. 26 S. 110.

7») Beilage Reg. D. Nr. 12.

*°) Nähere Mitteilungen hierüber sind überflüssig, da sich erst nach der Lösung der topographischen Preisaufgahe der Mevissenstiftung hierüber ein zusammenfassendes Bild geben lassen wird.

8») Vgl. Regesten C.

^«) Vgl. Regesten A und D.

Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Stadt Köln. 329

Von den jetzt als Handwerk bezeichneten Berufsarten wurde nur das Goldscbmiedehandwerk von einzelnen Geschlechtem betrieben, woraus sich das hohe Ansehen ergiebt, das diese Beschäftigung im Mittelalter genoss. Immerhin gehörten diese Goldschmiede aber nicht den ange- sehensten Linien des Patriziats an.

Neben diesen dem kaufmännischen Berufe ergebenen Familien finden sich im 12. Jahrhundert einzelne, wie besonders die Raitze, Mommersloch, Vom Neumarkt, die schon damals grösseren Grundbesitz besassen. Man wird daraus aber nicht die Berechtigung entnehmen dürfen, dieselben als ackerbautreibende Familien in Gegensatz zu den übrigen zu stellen. Wenn ein Gegensatz ^^) früher zwischen Ackerbau und Handel bestanden haben sollte, so ist er im wesentlichen in dieser Zeit schon überbrückt.

Schon oben wurde kurz berührt, dass die wachsende Ausdehnung ihres Vermögens und das Bedürfnis, das erworbene Kapital möglichst sicher und nutzbringend anzulegen, die früheren Kaufleute nach und nach zu Grossgrundbesitzem umschuf. Diese Entwicklung, die sich oft wohl unbeabsichtigt vollzog, insofern als die Erwerbung von Ländereien nur die Folge des Geldverkehrs mit den Fürsten und Adel war und die Grundstücke als Pfänder für nicht geleistete Geldzahlungen in den Besitz der Geschlechter gelangt sein mögen, bahnte den Übergang zu anderen Lebensformen an. Indem sie die Geschlechter zu Gutsnach- barn des Adels machte, legte sie in immer steigendem Masse den Grund zu dem Streben, sich dem letzteren auch äusserlich gleichzustellen. Die Entwicklung der Stände war noch nicht so weit vorgeschritten, um diesen Wunsch nicht erklärlich und durchführbar erscheinen zu lassen. Noch gab es keinen eigentlichen Adelsstand, und die Erwerbung der Ritterwürde hob den einzelnen Bürger auf die gleiche Stufe mit allen übrigen Rittern, ohne doch für dessen Nachkommen einen höheren Rang von vornherein zu begründen. Die Erwerbung dieser Würde wurde den Kaufleuten deshalb um so leichter, da die allgemeine germanische "Wehrpflicht sich in den Städtemauern in hohem Grade erhalten und die Unsicherheit der Strassen gerade dem Kaufmann die Waffenfüh- rung zu einer fast unabweisbaren Notwendigkeit gemacht hatte. Dazu kam als äussere Veranlassung auch besonders die Veranstaltung der Kreuzzüge, die für sonst ruhige Elemente den Anlass zu gesteigerter

•') Um so weniger, da sich z. B. Angehörige der Familie Mommers- loch später anch dem Handel zuwandten. Mitt. 26 S. 131. 137.

330 I^T, Lau

Wehrhaftigkeit boten. An dieser Bewegung haben auch die Kölner Eaufleute im bedeutenden Masse teilgenommen. Um diese Zeit findet sich denn auch der erste bekannte Ritter aus den Geschlechtem, der Ritter Gerhard vor dem Hofe, der auf der Kreuzfahrt sein frühes Ende fand. Die zunächst nach ihm genannten Ritter sind die Ritter Heinrich von Zudendorp ®*) und Goswin Minnevuz ®'^), denen endlich als besonders leuchtendes Beispiel dieser kaufmännischen Ritter, Gerhard Scherfgin*^, der Held des Turniers und der Schlachten, wie ihn Gottfried Hagen schildert, folgte. Immerhin sind dies nur noch vereinzelte Fälle, die besonders reiche und her\'orragende Mitglieder der Geschlechter be- treffen. Es scheint, da gerade die Darstellung Hagens die Übung der Geschlechter im Reiterkampf ausser Zweifel stellt und beweist, dass bei vielen derselben, die äusseren Grundlagen zur Erwerbung der Ritter- würde vollauf vorhanden waren, diese Würde noch nicht allgemein er- strebt worden zu sein. Dies ändert sich aber gegen das Ende des 13. Jahrhunderts. Die Ritter®^), welche um diese Zeit genannt werden, sind identisch mit den vorher erwähnten Grosskaufleut«n, die in den finanziellen Nöten der Fürsten sich als stets bereite Helfer erwiesen. Die Rittenvürde mag in manchen Fällen der bereitwillig gewährte, weil für den Erteilenden leicht zu gebende und wenig kostspielige Entgelt für derartige Dienste gewesen sein. Im 14. Jahrhundert nimmt dann die Zahl der Ritter des Kölner Patriziats in einer Weise zu, dass man füglich behaupten kann, die Sucht nach dieser Auszeichnung sei zu einer Art Mode geworden. Dieselbe begründete aber an und für sich nicht das Abgehen von den früheren Lebens- und Berufsgeschäften, der Ritter konnte unbeschadet seiner Würde Kaufmann bleiben. So finden sich denn unter der bereits früher erwähnten Brüderschaft unter den Gaddemen ®®) bis zum Ende der Geschlechterherrschaft auch Ritter, die vielleicht aber sicher ist dies keineswegs den Tuchhandel nur im Grossen betrieben oder durch Angestellte treiben Hessen. In dem Rittertitel allein lag also kein Zwang zu ausschliesslich rittermässiger

8*) Annalen 32 S. 14 (1235 März) Mitglied des Schöffenkollegiums vgl. oben S. 193.

^*) Aposteln Liber Rubens f. 21ab (1225 Mai) Gozwinas Mlnnevoz miles, als Schöffe genannt 1210 (Kremer Akad. Beitr. Bd. 2 ürk. p. 69/70 nr. 46).

") Vgl. 26 S. 139. Zur gleichen Zeit wurde auch sein Vetter Her- mann und dessen gleichnamiger Sohn Ritter.

") Vgl. Beilagen Reg. C.

") Vgl. oben S, 328 Anm. 76.

beitrage zur Verfassungsgesciiicbte der Stadt Köln. 331

Lebensweise, aber es lag andererseits in demselben, so darfen wir sagen, die Verlockung zu einer solchen. Diese Anreiznng, verbunden mit dem Besitze von Landgütern und der Verschwägerung mit den landgesessenen Familien bahnte den Übergang zum Landadel an. Auch diese Ent- wicklung beginnt schon im Anfange des 13. Jahrhunderts. Sie nimmt jedoch erst im 14. Jahrhundert grössere Dimensionen an. Die städtischen Mauern, in denen ihr Fehden-^®) und Thatendrang durch harte Straf- bestimmungen gegen di^ Fehdereisen ^^) gehemmt war, wurden für die Ritter zu enge und dies veranlasste viele derselben zum Austritt aus dem Bürgerverbande. So finden sich im 14. Jahrhundert mehrere Mit- glieder der früheren städtischen Geschlechter unter dem Jülichschen **) und Bergischen Landadel. Diese ausgetretenen Mitglieder wurden in vielen Fällen eine Quelle der Unruhen und Belästigungen für die Stadt, indem sie entweder vermeintes oder wirkliches Unrecht®') von Seiten der Stadt an dieser zu rächen trachteten, oder ihre Übergriffe gegen andere Städte und Fürsten diesen Veranlassung oder Vorwand boten, sich für erlittenen Schaden an der Stadt oder ihren Bürgern schadlos zu halten. Die in der Stadt verbliebenen Mitglieder der Geschlechter, denen der kaufmännische Beruf nicht mehr behagte, fanden dagegen in dem Söldnerdienste ^) der Stadt wenigstens z. T. Gelegenheit, ihre Wehrerfahrung nützlich zu bethätigen.

Wie schon erwähnt, hielten sich die Geschlechter bis tief in das 14. Jahrhundert hinein äusserlich fern von engherzigem Kastengeist und verschmähten keineswegs die Familienverbindungen mit Bürgerfamilien, die nicht dem eigentlichen Patriziat angehörten. Im Laufe der Zeit hatte sich unter dem Patriziat ein weiterer Kreis von Familien ge- bildet, die auch an Reichtum und Besitz den Geschlechtem nicht mehr

••) Als erste Familien, die in den Landadel übertraten, sind besonders die oben erwähnten Minnevuz, von Zudendorp und vielleicht Unmasse zu nennen.

»«) Stein I S. 5 § 7.

") Ib. S. 8 § 12.

"«) Quellen IV nr. 668 (1372 Ende) Hilger vom Stave Untersasse des Herzogs von Jülich Qu. IV nr. 435 (1365 April 4) R. Gerart Rotstock, Ge- schworener für den Herzog von Brabant, Herr zu Birtringen (Lac. III 794 S. 701).

»«) Vgl. Urk. nr. 2348 (1362 März 12). Datierte Briefeing. Nr. 48 Verwicklung mit Flandern wegen des R. Hilger vom Stave. Bekannt sind die langwierige Streitigkeiten mit dem R. Emund. Birklin und besonders dem R. Joh. Scherfgin.

•♦) Erstes Beispiel Quellen IV nr. 102 (1321 Okt. 7) Emundus imd Hilgerus Birklin, Johannes und Gobelinus de Rore.

W«ttd. Zalteohr. f. GMeb. «. Konat. XIV, rv. 25

332 Fr. Lau

wesentlich nachstanden. Es ist natürlich schwer und würde eine unge- mein genaue Kenntnis der Einzelheiten erfordern, die Gründe, welche die Geschlechter in jedem Falle veranlassten, eine Verschwägerung mit diesen Familien einzugehen, zu erkennen. Im allgemeinen aber scheint es wesentlich nur der Reichtum gewesen sein, der hier, wie auch sonst so oft, als ausgleichender Faktor der Standesunterschiede gewirkt hat. Mit auswärtigen Bürgerfamilien und Geschlechtem wurden dagegen, soweit dies nachweisbar, nur selten Familienverbindungen eingegangen, so sehr auch die weitreichenden Handelsverbindungen der Kölner und ihr dadurch bedingter persönlicher Verkehr und Aufenthalt in vielen anderen Städten dies von vornherein wahrscheinlich erscheinen lassen könnte. Die ermittelten Fälle beschränken sich zumeist auf Ebe- schliessungen mit Bewohnern der benachbarten Städte Neuss ^% Bonn ^% Dortmund^') und Aachen*®), bekannt ist mir femer nur ein Fall, der Utrecht ^^) und ein anderer, der das weitentlegene Brunn'®") in Mähren betriflFt. Weit zahlreicher sind dagegen, wie schon erwähnt, die Ehe- verbindungen mit dem benachbarten hohen und niederen Adel. Die ersten betreffen, wie wohl von vomherein klar sein dürfte, nur die reichsten und mäcJitigsten Familien unter den Geschlechtern, sie be- scliränken sich überdies auf einen verhältnismässig geringen Zeitraum *°'} das Ende des 13. Jahrhunderts und den Anfang des 14. Jahrhunderts.

'^) So waren die zwei Brüder Hermann und Nikolaus de Eoithiisen ans Neuss mit zwei Kleingedank verheiratet (Mitt. 25 S. 373). Henricas de Flore aus Neuss mit Gertrudis de Santkalen (316 f. 7b 1283).

**) D. Johannes dictus der Darre de Bunna h. Gertnidis Birklin ^34(> f. U>8a i:W6).

•») Der Schöffe Gobelinus [Gir?] h. Gertrudis, lilia Henrici dirti Pape linnrensis de Tremonia ^3621 f. 8a 1300).

*«) Symon de Aqiüsgrani h. Durechen Saphir (209 f. IIa v. 1233).

*') Johannes van der Warden in Utrecht h. Sophia Ton der liintgasse (Mitt, H. 26 S. 123^.

^^) Fahne S. 135: BUtza Haidevnst h. Constantin in Brunn.

**M Die ermittelbaren Fälle betreffen die folgende Geschlechter: Hel- poricus Oveline h. Gozwina de Milendonc ^Lac. ir S. 378 Anm. 3). Uildegems do Stossa h, Hadewigis de Wickerode, zwei Tochter der beiden Theodericns oomos de Moerse, resp. Harpemas de Lovenberg. Guderadis de Stessa h. llonriius de Schinna Edelherr. (Tgl. Hayn Ann. 48 S. 124 ff. und Mitt. 25 S. 37 IV Uildegems Ilenricus i^Birclin) R. h. Irmegardis de Gryphenstein (Mitt, 25 S. :)65\ Johannes de Xnwenare R. Edelherr h. Bonetta Jude (ib. 2l> S. 118V t^rardtts de Landescrone K Blanzeflors Baitze (ib. S. 138). Womcnis de Horr^o R. h. Aleydis de Sduana (ib. S. 147).

beitrage zur VerfassiUügsgeSchichte der Stadt Köln. 3B3

Nacli 1325 begegnet, soweit bekannt, nur ein ^°*) Fall dieser Art mehr. Dagegen nehmen um diese Zeit die Familienverbindungen mit dem niederen Landadel noch keineswegs ab, sondern bewegen sich eher in einer aufsteigenden Linie. Hierbei sind manche Familien *®*) sogar mehrmals in aufeinanderfolgenden Generationen in Yerschwägerung mit den Geschlechtern getreten. Bei manchen derselben haben sich diese Familienbande sogar so stark erwiesen *®*), dass sie den Übertritt vom Lande zur Stadt und endlich auch das Eintreten in die höheren städtischen Ämter zur Folge hatten. Immerhin sind solche Vorkomm- nisse nur. vereinzelt und vor allem nicht von Dauer gewesen, sodass sie auf die Zusammensetzung des Patriziats als Gesamtheit von keinem wesentlichen Einfluss waren. Über die Beweggründe, welche dieser Annäherung des Landadels wenigstens öfters zu Grunde lagen, lässt z. B. das im Anhang mitgeteilte Testament des reichen Ritters und Kauf- herrn Hilger Heynrich Birklin kaum einen Zweifel ^^'^). Die Verbindung mit den reichen Töchtern der Geschlechter konnte den Edelleuten nur Vorteile bringen. Jedenfalls wtlrde es unrichtig sein, in diesen Ver- schwägerungen mit dem Landadel einen Beweis für die unbedingte An- erkennung der Ebenbürtigkeit der Geschlechter von selten des ersteren zu sehen. Umgekehrt aber stellen diese Vorkommnisse vollkommen klar, dass auf seiten der Geschlechter auch hierbei das Bestreben vorlag, durch diese kostspieligen Verbindungen sich nach und nach die Gleichberechtigung mit dem Landadel zu erringen.

Die vorstehenden Ausführungen mögen genügen. Ein Versuch, eine in alle Einzelheiten gehende Kulturgeschichte des Kölner Patriziats zu geben, würde nur dann gerechtfertigt sein, wenn dasselbe sich in seinen Lebensgewohnheiten und Sitten wesentlich von demjenigen der übrigen Städte unterschiede, er würde überdies an der Lückenhaftigkeit

**') Rutgeras Raitze R. h. Irmengardis de Frenze (Fahne 1. c. S. 348).

^^^) Besonders häufig die Familien von Galen, Schilling von Rile und von Bomheim.

*^) Z. B. bei der Familie von Brempt, von der Theodericus de Brempt R., Gemahl einer Birklin, 1297 zu den verdienten Amtleuten der Richerzeche gehörte, (Quellen III nr. 441) und die bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts den nach ihr benannten Hof gleichen Namens bei St. Severin bewohnte. Ein weiteres Beispiel ist Johannes Vogt von Merheim, Ratsherr und Mitglied der Greifenpartei, dessen Familie schon früher mit denen Vom Spiegel in Verwandtschaft getreten war.

"*) Vgl. Reg. A. nr. 16.

25*

334 Pr. Lau

der Überlieferung ^®') mehr oder weniger scheitern mü3sen. Die politische Geschichte der Kölner Geschlechter müsste sich vollends zu einer Ver- fassungsgeschichte der Stadt erweitem, so sehr sind dieselben mit jeder Phase der letzteren verwachsen. Man mag über die Berechtigung der Bildung des Patriziats streiten, mag es selbst als einen Widersprach gegen die der deutschen Stadtverfassung zugrunde liegenden Anschauungen bezeichnen, jedenfalls zeigt die Thatsache, dass es in der überwiegenden Mehrzahl der deutschen Stadt« zu der Ausbildung eines Patriziats ge- kommen ist, die in den Zeitverhaltnissen begründete Notwendigkeit desselben. Den Geschlechtem war es vergönnt, unterstützt durch die Gunst der Verhältnisse, die Grösse Kölns zu begründen und seine Ver- fassung auszubauen und ihre Nachfolger in der Herrschaft der Stadt haben noch lange aus dem von ihnen in dieser Hinsicht hinterlassenen Erbe reichen Nutzen ziehen können.

100) Vielleicht wäre in dieser Hinsicht den im Düsseldorfer Staats- archiv aufbewahrten Testamenten von Krdner Bürgern noch mancher interes- sante einzelne Zug zu entnehmen.

A. Urkunden nnd Regesten Aber das Yermfigen der KSlner 6e- scblechter, insbesondere den Besitz an flfissigem Kapital.

1) c. 1231. Guderadis, Wittwe des Hartroann Gir, erhält durch rberpin-

kunft mit ihren Kindern freie Verfiigimg über 50 Mr. Zinsen ans Häusern zu frommen Stiftungen, sie soll 3 Söhnen und Töchtern je 300 Mr. mobilia auszahlen (362 K. 2 (217) f. 2b).

2) 1232. Heinrich, Sohn Heinrich von Erwethe erbt die Hälfte von 1800 Mr.

mobilia (Quellen H nr. 132 = 362 K. 2 f. 10h).

3) (•. 1232. Typoldus de Novo Foro giebt seiner Frau Godela 150 Mr. de

suis mobilibus. Bei kinderloser Ehe soll sie 100 Mr. als Wittum erhalten, (ik f. IIa).

4) 1236. Gerardus de Vinea (Elisabeth) geben ihrer Tochter Sophia (Pele-

grimus [Niger]) als Mitgift 7 Mr. Zins und 100 Mr. mobilia, von denen 50 Mr. in Grundbesitz anzulegen sind (362 K. 2 f. 21b).

1) Diese und die nachfolgenden Begestenreihen sind ein Versuch, die gedruckte und die, besonders in den Schreinsbflohern vorliegende, bisher ungedrucke ITberliefemDg nach bestimmten Oesichtspnnkten zu ordnen. Sie sollen die Übersichtlichkeit erleichtero und zugleich die eigentliche Abhandlung von der Notwendigkeit der AnfOhrnng vieler Kinjselheiten als Belege entbinden.

Nach Kruse, Kftlnische Geldgeschichte S. 119 betrftgt der Metall wert der Kfilner Mark nach heutigem Gelde im 13. Jahrhundert 4S,66 Mr., 1298—1300: 18,76 Mr, 1301-4: 16,27 Mr^ 1308—22: 15,60 Mr., 1386: 12,06 Mr., 1840: 6,64 Mr., 1842: 6,68 M., 1847: 6,68 Mr.. 13f>7-64: 5,29 Mr., 1370—78: 3,15 Mr., 1390-98: 2,84 Mr. Der Kanfwert des Geldes ist (ib. 8. 118) von 1200—50 6— 7mal, von 1250-1400 ca 4mal so hoch als der heutige. 100 Kölner Mark entsprechen also um 1230 einem heutigen YermAgen von ca. 2619« Mr.

Beiträge zur Yerfassungsgeschichte der Stadt Köln. 335

5) c. 1238. Aleydis, Tochter des Richolfus Hirzelin, erhält von ihren Eltern

125 Mr. mobilia und 18 Sol. Zins als Mitgift bei ihrer Heirat mit Uenricus Rufas (362 K. 2 f. 18a).

6) c. 1238. Cristina [de Lintgassen] giebt ihrem Gemahl Adolfus de Foresto

100 Mr. mobilia und einen Hausanteil (362 K. 2 f. 18a).

7) 1242. Godescalcus de Wippervurde (Richmodis) geben zwei Töchtern

je 200 Mr. mobilia und 6 Mr. Zins als Mitgift (362 K. 2 (217) f. 6a).

8) 1243 46. Gerardus Quattermart (Ekigilradis) geben ihrer Tochter Gertrudis

(Wemerus [Overstolz]) 80 Mr. mobilia und 1 Hausanteil (196b f. 2la).

9) 1278 August. Theodericus de Lintgassen hat seiner zweiten Frau Cristina

100 Mr. und 6 Mr. Zins Mitgift versprochen (362c f. 8a).

10) 1279 März. Hermannus Niger de Santkulen giebt seinem Sohne 100 Mr.

mobilia und 8 Mr. Zins, der Vater der Braut, Theodericus de Cervo, seiner Tochter ebensoviel (362 K. 2 f. 37a).

11) 1280. Der Ritter Gerhard Scherfgin giebt seiner Tochter Guderadis

(Otto Balg) 290 Mr. als Mitgift, davon 140 Mr. baar und 15 Mr. Haus- zins = 150 Mr. (Quellen HI nr. 198).

12) 1285 Dez. 24. Heinrich, Edelherr von Schinna, setzt seiner Braut Gude-

radis von der Stessen sein Schloss als Entgelt für die empfangene Mitgift von 1000 Mr. aus (Lac. H nr. 813 = Quellen III nr. 262).

13) 1286 August. Godefridus Rotstoc (Cristina) geben ihrer Tochter Agnes

(Theodericus Gir) 150 Mr. in parata pecunia und 4 Mr. Zins (Quellen HI nr. 266).

14) 1292 Juni 18. Ritter Johannes de Hersele und Frau Katharina, Tochter

des verstorbenen Ritters Daniel Jude, bescheinigen den Empfang der ihnen von diesem vermachten 500 Mr. (362 K. 1 f. IIa).

15) 1294 Okt. 22. Die Frau des Rudolfus de Honore erhält von ihrem Manne

300 Mr. Mitgift (75 f. 24b).

16) 1300 Jan. 20. Testament des Ritters Hildeger Heynrich Birklin.

Item notum sit, quod bone memorie dominus Hildegerus Heynrich dictus Birklin miles in testamento suo sie disposuit et ordinavit, quod domina Blitza, relicta sua, in omni hereditate, quam simul habebant, sita tam infira Coloniam, quam extra usufructum suum, quamdiu vixerit, optinebit et quod^) proprietas tocius hereditatis predicte Hildegero Birklin filio suo, militi, cedet et permanebit hereditarie et pleno iure, cum tali condicione, si dictus Hildegerus cum Blitza, matre sua, non posset equaminiter et bono modo de factis suis concordare, extunc ipsa Blitza optinebit hereditatem sitam infira Coloniam, prout ad eos spectat, cum terra ortulana cum vinea iacentibus extra muros civitatis Coloniensis ad dies vite sue, que post obitum eins ipsi Hildigero, filio suo, cedet et de\ . I- vetur, et ipse Hildegerus hereditatem sitam extra Coloniam optinebit.

Item ordinavit et disposuit idem Hildegerus Heynrich, quod Blitza predicta sit domina onmium bonorum suorum mobilium et quod de hiis uni puerorum suorum magis et alteri minus dare poterit pro

8) Hs. ttberflÜBsig que.

336 Fr. Lau

sue libito voluntatis et quod ipsa Blitza babeat potestatem dandi centum et quinquaginta marcas pro salute anime sue, ubi sibi \ide- bitur expedire. Actum anno domini m cc nonagesimo nono. In vigilia sancte Agnetis virginis.

Item notum sit, quod dominus Hildegerus Heynrieb predictus ordinavit et disposuit, quod solutis debitis suis et bonis apud . . dominos . . magnates terrarum et alias existentibus ipsa Blitza det et deliberet Henrico de Vorste, militi, genero suo, et Hadewigi, uxori sue, filie eins, trecentas marcas coloniensis pagamenti tunc currentis ad maritandam Blitzam, iiliam eorum, nepotem suam cum eisdem et quod domina Blitza dimittat eos quitos de debitis, quc ultra eas ipsis tenebantur. Sed si dicta Blitza ülia decesscrit ante maritacionem, quod absit, extunc ipsa domina Blitza dabit eisdem Henrico et Hadewigi predictis trecentas marcas in utilitatem alio- rum . . liberorum suorum convertendas.

Data(!) pagamentum fuit anno domini nonagesimo octavo feria quinta post festum beati Mathie apostoli (1299 Febr. 26).

Item notum sit, quod dominus Hildegerus Heynrich ordinavit et disposuit, quod solucione facta debitorum suorum domine Blitze predicte ipsa remittat Wemero de Rode militi, genero suo, et Lore, uxori sue, filie eins, ducentas marcas et insuper omnia debita, que tenentur, dimittat eis quita. Actum anno et die predictis (362/ f. 6b). 17) 1302 Aug. 3. Testament des Bürgers Eberbard -Anselmi ').

Item notum sit, quod Everardus, filius quondam Anselmi reeepit et elegit executores suos Johannem et Everardum, filios suos, ad solvendum omnia debita sua de bonis suis in parato. Item donavit et remisit quadringentas marcas dandas pro salute anime sue de bonis suis in parato. Item trecentas marcas deputavit per ipsos Johannem et Everardum pro iniuria sua dari de bonis suis in parato cum cccc marcis predictis, sicut est expressum. Item de bonis suis, que supersunt, donavit Cristine, filie sue, et Gobelino Hardevust, marito suo, trecentas marcas et liberis eorum quinquaginta marcas. Item dedit Johanni et Everardo, filiis suis predictis % videlicet cuilibet ipsorum cum uxore sua quadringentas et quinquaginta marcas. Item ^) donavit precipue eidem Johanni et Everardo et uxoribns eorum domum suam, quam inhabitavit . . , tali condicione, quod dabuot duabus . . sororibus eorum, monialibus, quamdiu vixerint sex mar- carum redditus annuatim de eadem. Item donavit . . duabus monia- libus predictis de alia hereditate sua sex marcarum redditus; quamdiu vixerint annuatim. Item dedit Petro, Yogolono et Thilmanno, tiliis suis, cuilibet eorum quingentas marcas. Item Gobelinus Hardevust, Johannes et Everardus supradicti verdient hereditatem prius eis

3) Er wird 1293 Nov. 11 (Ann. 88 p. 36-38) als Meister der Gewandschneiderbnidet- schaft genannt. Die Familie stand schon seit langer Zelt in fortlaufenden Familienbe- ziebnngen zu den Ueschlechtern.

4) H.s et oxoribus eoram gestr.

5) Der Sat« donavit- eadem gestr.

Beiträge zur Verl'assungsgeschichte der Stadt Köln. 337

datam et dividere debent hereditatem, quam relinquit, cum Petro, Yogolone et Thilmanno supradictis. £t siquid de bonis suis superest, hoc eciam divident et si defectus fuerit, hoc quilibet eorum pro- porcionaliter sustinebit. Et hec post obitum suum fecit'). Salva sibi potestate, si voluerit, quod potent hec mutare.

Datum anno domini m ccc secundo, feria sexta post Petri ad vincula (ib. f. 17b).

18) 1304. Aleydis Quattermart erhält von ihren Eltern bei ihrer Heirat mit

Hildegerus Rufus de Stessa eine Mitgift von 1000 Mr. und 65 Mr. Zins (Hayn: Annalen 48 S. 127).

19) 1313 Juli 20. Emelricus Longus vermacht seinen Testamentsvollstreckern

1000 Mr. de bonis suis mobilibus für milde Stiftungen (362m f. 28b)..

20) 1318 Nov. 9. Bruno de Lintlar giebt seiner Frau Aleydis 1200 Mr.

mobilia als Mitgift (362n f. 18b).

21) 1319 Nov. 16. Gerardus de Lintlar ebenso seiner Frau Hadewigis 800 Mr.

und 24 Mr. Zins (362n f. 2ob).

22) 1320 März 19. Ritter Hildegerus de Stessa übergiebt der St. Köln

5000 Mr. als Rentkapital (ürk. nr. 981).

23) 1323 Dez. 2. Durginis, domina de Naso, giebt ihrer Tochter Dureginis

(Daniel Jude) die Hälfte des Hofes Dedinroyde bei der Eigelsteinpforte für die versprochene Mitgift von 300 Mr. pag. und 12 Mr. Zins (152 f. 7a).

24) 1324 Nov. 16. Hermannus [Gryn] de Antiqua ürsa vermacht einer Tochter

300 Mr. und 10 maldra multri in molandinis Reni, einem Sohne 500 Mr. (3620 f. 21a).

25) 1345 Sept. 1. Theodericus de Schiderich giebt sein Haus „Schiderich" seiner

Frau Bela als Sicherheit für ihre Mitgift von 1000 Mr. pag. (225 f. 51a).

26) 1345 Okt 8. Lora, Wittwe des dominus Gerardus de Lyntlayr, vermacht

ihrem Sohne Heydenricus 600 Mr. baar und 1 Mr. Zins (366 f. 26b).

27) 1346. dominus Godeschalcus Overstoilz apud Ripam vermacht seinem

Sohne Johannes 500 Mr. (356 f. 31a).

28) 1346 Okt. 9. Ritter Ludolf, Vogt von Bomheim, bescheinigt den Empfang

von 2000 Mr. als Mitgift seiner 5^au Lora, Tochter des Hermannus [Hirmelin] de Hunone. (Quellen IV nr. 289).

29) 1352 Mai 18. Die Wittwe domina Floretta de Cornu giebt ihrem Sohne,

dem Ritter Rutgerus de Cornu bei seiner Heirat 1000 Mr., davon 600 Mr. baar und statt 400 Mr. 39 Mr. 11 Sol. Hauszins, die zwei Schwestern desselben, Nonnen, als Leibzucht dienen sollen (347 f. 103a).

30) 1370 Nov. 28. Ritter Hertwich von Winningen quittiert Johannes Hirzelin

über 2200 Mr. als Eiindteil seiner Schwiegertochter Aleid vom Home, Tochter des verstorbenen Ritters Franko (ürk. nr. 2656).

31) 1378 Januar 12. Dem Roilkinus de Honore wird die Hälfte von 50 Mr.

puri argenti und die Hälfte von 3000 Mr. pag. als Vermächtnis seines Grossvaters, des Ritters und Schöffen Wemerus de Speculo ausbezahlt (347 f. 49a).

6) Dieser wunderliche Sata ist unter der Zeile nachgetragen und durch Einweisungs- stricbe an diese Stelle verwiesen.

338 Fr. Lau

B. Begesten betr. das VermSgen, besonders den Kapitalbesitz der Biehtpatrizischen Bfirger.

1) 1311 Juni 19. Gerardus de Polenen vermacht seinen Testamentsvoll-

streckern 1050 Mr. (362m f. 13b).

2) 1325 Dez. 13. Druda, Wittwe des Bäckers Johannes de Brandinburch,

bestimmt 500 Mr. zu milden Stiftungen (362o f. 32a).

3) 1326 März 1. magister Johannes, faber de Lewenberg apud Altam

Portam, vermacht der Domfabrik 200 Mr. (362o f. 37b).

4) 1327 April 24. magister Petrus de Bruche vermacht seinem Sohne Petrus

400 Mr. de bonis suis promptioribus (362r f. 4Db).

5) 1327 Juni 26. Druda, Tochter des Wilhelmus Ilardrait, erhält mit ihrem

Manne RoiUdnus de Duncwalde 150 Mr. und verzichtet auf die übrige Erbschaft (362o f. 56a).

6) 1331 Dez. 20. Vertrag zwischen Johannes Kellinbach und Frau. Die

letztere darf, wenn sie überlebt, 700 Mr. für Seelenheilsstiftungcn ver- wenden. 300 Mr. erhält der Sohn, Kanonikus in Knechtsteden (355 f. 40b).

7) 1332 Mai 22. Ludewigus de Caliga und Frau. Vertrag. Heiratsgut der

Frau 400 kl. Gl., das des Mannes 400 Mr. pag, (355 f. 4ob).

8) 1332 Dez. 20. Bruno de Eylze und Frau. Vertrag. Sie behält als

Letztlebende 325 Mr. (355 f. 51b).

9) 1336 Juni 14. Johannes vanme Raitputze (Greta) vermachen ihren zwei

Söhnen 1800 Mr. (355 f. 86b).

10) 1341 Mai 12. Gerardus Cornegil vermacht 1000 Mr. und 2 mansiones

(325 f. 32b. 49a).

11) 1344 März 13. Vertrag zwischen Johannes de Santkulen pellifex und

Frau. Der Überlebende darf 200 Mr. für fromme Stiftungen verwenden (356 f. 18a).

12) 1347 März 2. Nesa, Wittwe des Mathias Scheyven, vermacht ihrer Tochter

Nesa 3000 Mr. pag. '), ein Haus mit Hausrat, omnia vasselamenta sua argentea, einer anderen verheirateten Tochter 600 Mr., ihr übriges Vermögen ihrem Sohne Paulus Scheyven (356 f. 32a).

13) 1347 März 16. Vertrag zwischen Johannes de Kuyninxdorp pistor und Frau-

Dieselbe darf, wenn sie ihn überlebt über 400 Mr. verfugen (ib. f. 32b).

14) 1350 Nov. 6. Gerardus Ylias camifex giebt seiner Frau 1000 Mr., ein

Haus und drei macella (ib. f. 49a).

15) 1360 Aug. 28. Lufredus van der Daunen aurifaber giebt 3 Kindern erster

Ehe 1200 Mr., seiner zweiten Frau 1000 Mr. (ib. f. 72a).

16) 1360 Sept. 15. Zelis de Orsoyen vermacht Leo Ottinus (Lombarde)

700 Mr. und 28 Mr. Zins (209 f. 95a).

17) 1367 April 2. Vertrag zwischen Henricus Eempe und Frau. Dieselbe

soll, wenn sie ihn in kinderloser Ehe überlebt, den Verwandten Sites Mannes 8000 Mr. auszahlen (356 f. 88b).

18) 1370 Juli 27. Vertrag zwischen Johannes de Turre und Frau. Bei

7) Diese so reich ausgestattete Tochter heiratete später den Geschlechter M»thi*a vom Spiegel (193 f. 60b (1362 Mftrs 13). Mathias Soh. war Qewandsohneider. (Quellen 1 S* S89}.

Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Stadt Köln. 339

Überleben des Mannes hat derselbe den Verwandten der Frau 2000 Mr. auszukehren (ib. f. 92a). 19) 1378 Febr. 5. Bela, Wittwe des Roilkinus de Nussia, alias van deym Busche vermacht ihrem Sohne 700 Mr., ihrer Tochter Bela (Jacobus de Seyndorp aurifaber) 700 Mr., ihre „clenodia in anulis, tutulis et aliis iocalibus" und ihre vestimenta bis zum Werte von 700 Mr. (ib. f. 100a) ').

C. Regesten betr. den Landbesitz der Gesehlecbter ausserhalb der Stadt KSln bis zum Jahre 1250.

1) c. 1150—61. Hupertus (Gilla) kauten ein AUod im Dorfe Uönningen

(Scab. 1 I 2).

2) c. 1161 70. Albero, Comes de s. Cecilia erhält Landbesitz in demselben

Dorfe zum Pfände (Scab. 1 II 1).

3) c. 1167—72. Thiedericus [von der Mühlengasse] (üda) kaufen ein Gut

in Merheim bei Longerich (Scab. 1 III 2).

4) c. 1167 72. Mechtildis in Menbirnisloche, Frau Ludwigs, giebt ihrem

Sohne ein Gut in Merheim (Scab. 1 III 3).

5) c. 1167 72. Ricolfus, scultetus Aquensis, kauft von seinem Onkel, dem

Zöllner Karl, ein Gut (Scab. 1 III 4).

6) 1211. Henricus Flache und Söhne verkaufen an Mechtem Güter bei

Geyen, teils AUod, teils Lehen (Lac. II nr. 36).

7) c. 120Ö— 14. Hermannus, ülius Henrici Razonis hat seiner Frau einen

Hof und Allod in Hönningen gegeben, diese verkauft (Scab. 2 V 2).

8) c. 1205—14. Mathias (von der Lintgassen) und Frau erhalten bei der

Erbfeilung einen Hof mit 2 Hufen AUod in Freimersdorf, ausserdem 45 Morgen Lehen (Scab 2 V 13).

9) 1229 Juli 12. Henricus, fitius GozeUni (EUsabeth) übemehmeu den Hof

von St. Gereon in Merheim in Erbpacht (Joerres: Urkb. nr. 90).

10) 1232. Johannes von der Lintgassen giebt seiner Frau 100 Mr. als Mit-

gift pro hereditate infra Coloniam tribuendas. Diese erhält von ihrer Mutter u. a. quartam partem unius mansus censualis apud villam Linde (362 K. 2 f. 9a).

11) 1234. Richolfus 0 verstolz (Elisabeth) geben ihrer Tochter Sophia (Bruno

[Buntebart]) 4 Mr. Zins, 2 Häuser et quartam partem bonorum sito- rum in vüla, que dlcitur Hurte, que fuerunt pinceme, in silvis et agris . ., et molendinum cum pratis (Quellen II nr. 148).

12) c. 1234. Bruno Buntebart giebt seiner Frau Sophia ausser zwei Häusern

und dem „cubiculum", in quo pater eiusdem B. pannos suos vendidit, duos mansos agri censualis iacentes Rile (362 E. 2 f. 4a).

13) 1234. HeydenricuB de Novo Foro und Frau geben an ihren Sohn Her-

mann Hausbesitz in der Stadt. SimUiter et curtim cum centum iuma- ^ Ubus et agri et XXX iumalibus feodi, siti in Volchoven et septimam partem allodii siti DoUindorp, tarn in ediüciis, quam in vineis.

8) Der bekannte Orosskapitalist Hermann von Goch ist bei dieser Zasammenstellung deshalb nicht mit berttcksichtigt, weil aber denselben eine Sonderarbeit von Seiten des •Herrn Dr. Hilar Schwan in Strassburg an erwarten ist.

340 Fr. Lau

14) 1235 März 5. Gerhard, Sohn des Kämmerers Otto (Gertrud, Tochter des Ritters Heinrich von Zudendorp), verkaufen an dominus Hildegerus Rufus 40 Morgen ,,in carapo Sirsdorp^ (Ann. 48 S. 14).

lö) 1236 Juli. Hermannus Rufus, Sohn des verstorbenen Hermannus Rufus de 8. Panthaleone, besitzt bona in Vrueren (ürfel), als Lehen von Dietkirchen und Severin, vermacht dieselben an Kl. Benden (Lac. II nr. 208).

16) c. 1237. Typoldus de Novo Foro giebt seinen drei Kindern Häuser

in Köln, Teile von 2 solchen, 3 Mr. Zins. Ausserdem „Lovenich unus mansus cum domo et curte**. Item XH iurnales in Danswilre. Item in Wintre domus cum curte et vinea, silvis et agris et censibus, denariis et pullis (362 K. 2 f. 17a).

17) c. 1239. Gertrudis, Wittwe des Ludewicus Wizlewen, vermacht ihrem

Sohn „quartam partem domus et vinearum sitarum in Erpele" (362 K. 1 f. 3b).

18) 1242. Godescalcus de Wippervurde giebt einer Tochter 200 Mr. mobilia

und 6 Mr. Zins als Mitgift. Gerardus, filius Petri Rufi, setzt dagegen sein Wohnhaus in St. Laurenz „*/» curtis Loevenich cum dimidietate sex mansorum et omnium ad dictam curtem pertinentium et dimidie- tatem molendini apud Geigene" (362 K. 2 (217) f. 6a).

19) 1248. Vogelo de Porta Martis (Gertrudis) übergeben ihrem Sohne Vogelo

(Guderadis) dimidietatem feodi, quod mansgut, apud Linde, nach ihrem Tode erhält er es ganz (362 K. 2 27b).

D. Regesten und Urkunden, betr. den Geschäftsverkehr, be- sonders die Geldgeschäfte der Kölner Geschlechter mit den welt- lichen und geistlichen Ffirsten und der Stadt K81n.

1) 1174. Der Zollmeister Gerardus ante Curiam leiht Eb. Philipp 600 Mr.

gegen Verpfändung des Zolles (Lac. I nr. 452).

2) c. 1180—84. Eb. Philipp verpfändet den Zoll an den Zolhneister Con-

stantinus [de s. Laurentio, Münzmeister] für 350 Mr. jährlich bis zur Deckung einer Schuld an diesen (Scab. 2 I 4).

3) 1237. Herzog Heinrich von Lothringen und Brabant belehnt den Her-

mannus de Uthe mit seinem Hause in Köln, bis ihm der Herzog 100 Mr. angewiesen hat (Quellen II nr. 168).

4) 1258 Aug. 1. Godefridus Hardevust und Frau, Bruno Hardevust und

Frau und die drei Söhne des Alexander Judeus kaufen von der Stadt Köln für 600 Mr. deren Besitz an Fleischbänken, Buden und Verkaufs- ständen (Quellen H nr. 386).

5) 1275 Juli 26. Daniel Jude, Bruno Hardevust, Mathias de Speculo, Theo-

dericus de Cervo, Cuno und Franco de Comu, Henricus Gerardus uod Philippus Quattermart leihen der St. Köln 1530 Mr. (Quellen HI nr. 109).

6) 1276 Okt. 2. Dieselben, dazu Heydenricus de Lintlo, leihen der St Köta

2704 Mr, (ib. nr. 113).

7) 1275 Dez, 7. Daniel Jude, Bruno Hardevust, Mathlas de Speculo, Hen-

ricus und Hildegerus Hardevust, Henricus de Windecken, Henricus

Beiträge zur Vecfassungsgescbichte der Stadt Köln. 341

Quattermart, Cuno de Comu, leihen der St. Köln die gleiche Summe (ib. nr. 118).

8) 1279 Juni 7. Daniel Jude R., Cuno de Comu, Waltelmus de Aqueductu

et socii, Gläubiger Walrams von Falkenburg - Montjoye für 1000 Mr. (Quellen III nr. 187).

9) 1282. Graf Rainald von Geldern schuldet dem Kölner Schöffen Ritter

Daniel Jude 300 Mr. Sterlinge (Hans. Urk. III S. 413 Anm. 1).

10) 1287. Graf Adolf von Berg schuldet dem Kölner Henricus Hildegheer

2000 Mr. (Ernst. Histoire de Limbourg VI S. 449).

11) 1289 April 5. Herzog Johann von Lothringen, Brabant und Limburg,

und Gottfried von Brabant, Herr von Arschot und Virson, entleihen von Gerardus Overstolz früheren Greven, R. Mathias de Speculo, Hen- ricus Flacke, dem Greven Franc o de Comu und Henricus Hildegherus Birclin 500 Mr. (Qu. III nr. 323).

12) 1297 Aug. 7. Graf Guido von Flandern, Markgraf von Namur, schuldet

dem Kölner Ricoard Manekin (Mennegin de Aqueductu) 1607 Livres 10 Sous für gelieferten Wein (Hans. Urk. III nr. 623).

13) 1298 Aug. 29. Constantinus [de Lysolskirgen] leiht König Albrecht

1200 Mr. (Lac. II nr. 1004).

14) 1301 März 20. Derselbe zahlt für den Erzbischof 1000 Mr. aus (Lac. II

nr. 1047).

15) 1303 Febr. 5. Erzbischof Wicbold verpfändet demselben für eine Schuld

von 6000 Mr. seine Einkünfte in der St. Köln (Mitt. H. 24 S. 83).

16) 1321 Juni 27. Hermannus Hirzelin de Schouwinburch, Richolphus de

Mummersloch, Wernerus de Speculo und Gerardus de Kusino, procura- tores creditomm des Erzbischofs, bekennen von Hermannus de Baculo 6V3 Libras 3 Sol. Gross. Turon. aus dem Bonner Zoll empfangen zu haben (ürk. nr. 1043a).

17) 1326 Nov. 22. N. s. quod Johannes Overstoltz de Porta elegit et accep-

tavit, si illustris princeps, dominus rex Bohemie, non satisfecerit Til- manno Overstoltz, fratri suo, et Bele, eins uxori, de debito, in quo ipsis tenetur infra festum purificationis beate Marie virginis, quod extunc quinquaginta marcarum redditus, sive usufructus, quos dicti coniuges eidem Johanni tenentur solvere, ipsis omni modo et forma, prout suprascriptum est, libere cedant et solute. Actum feria sexta*), que est sabbatum beate Cecilie. Anno domini m ccc XX sexto. Die genannten verzichten auf diese Verpfändung. 1327 Febr. 13. (feria sexta ante Valentini). (362o f. 53b).

18) 1328 Sept. 17. Godard Hardevuste, here van des Vaidz - Almers - hus

Gläubiger des Erzbischofs für 3450 Mr., erhält als Pfand dafür Anteil am Bonner Zoll (Quellen IV S. 142).

19) 1329 Juli 27. Derselbe ist im Pfandbesitz des erzbischöflichen Rhein-

zolls in der Rheingasse (ib. S. 164).

20) 1339 Jan. 29. R. Heinrich Quattermart, Eberhard Haxdevust in der

9) Eine falsche Auedracksweise des Schreibers, feria sexta bedeutet bekanntlich Freitag.

342 s, V Fr. Lau

Rheingasse und Christina, Wittwe Vetsamdere »), haben dem König Eduard III von England 5000 kl. Florentiner Goldg. vorgestreckt (Hans, ürkb. IIl nr. 649).

21) 1341 Mai 5. Graf Wilhelm IV von Holland bezahlt Heinrich und Til-

mann vom Kusin für gelieferten Wein 7öl Schilde = 56 ff 6 sol. 6 d., desgl. Juli 20 96 8* gr. (ib. S. 445).

22) 1342 Sept 30. Erzbischof Walram schliesst mit den Münzerhausgenossen

Lufard von Troyen, Werner vom Spiegel und Eberhard Hardevust einen Vertrag über Errichtung einer Münzstätte in Deutz auf Jahres- dauer (Kruse, Münzgeschichte S. 76).

23) 1344 Okt. 1. König Eduard III von England dankt für Beschirmung seiner

Gemahlin Philippa und die Bewahrung seiner (verpfändeten) Reichs- kleinodien durch die Kölner Kaufleute Johannes de Spegel, iügwin Gryn, Wilhelm de Kowolt »») und Genossen (Hans. Urk. II Anh. I nr. 86).

24) 1345 Aug. 23. R. Werner vom Spiegel, Eberhard Hardevust, Arnold

vom Palast, Gläubiger des Erzbischofs Walrams für 36000 Mr., von denen sie 19000 Mr. aus dem Bonner Zoll, dem Molter u. a. erhalten haben (Lac. III nr. 423).

25) 1346 Juni 16. Johannes Gyr und Johannes Scherfgin ebenso für 3000 Mr.

(ib. Anm.).

26) 1347 März 23. Nobilis matrona, domina Johanna de Kessenich, domina

de Hackenbroigh verpfändet an Ilutgerus Hirzelin (Sophia) ihren Niess- brauch am Hause Stotzhem für eine Schuld von 1000 Mr. (317 f. 36b).

27) 1349 Nov. 22. R. Johannes de Cervo, R. Gerardus de Rodestoc, Everardus

Hardevust und Arnoldus de Palacio leihen dem Bischof Engelbert von der Mark von Lüttich 7000 schw. FI. (Hans. ürkb. III S. 470 Anm. 1. Vgl. Urk. nr. 1951a). Zurückgezahlt in drei Raten 1350 Jan. 7, Febr. 4, Juni 25.

28) 1358 Juli 24. Arnoldus de Palacio leiht dem Erzbischof 4250 Gold-

schilde und erhält dafür erzbischöfliche Einkünfte in Deutz und Köln zum Pfände (Lac. III nr. 580).

29) 1364 Febr. 23. Johannes Hirzelin leiht dem Erzbischof 9000 Goldschilde

(ib. nr. 651).

30) 1372 Dez. 17. Schuld der Stadt Köln an Johannes Hirzelin 18580 Mr.").

31) 1372 Juli 8. Ritter Heinrich Rombliaen von Vossem quittirt 8 genannten

Kölnern über 23914 Mr. 8 Sol. als Schuld der Stadt an den verstor- benen Johannes Hirzelin (Urk. nr. 2756).

32) 1375 Juni 6. Schuld der Stadt bei Hedenricus Hardevust . 1200 Mr.

33) 1375 Juli 18, R. Henricus Rumlian von

Voissem 5400

34) 1378 Juni 23. Johann vanme Grine Hen- rieh van deme Palaiss et socii 22000 -

10) Der Name ist iweifelloe corumpiert, wahrscheinlich aus Yetscoldere.

Jl) Gemeint ist wohl der gleichseitige Schöffe Wilhelm Gyr von CoTolshoven.

12) Diese und die folgenden Nummern sind den StadtrechnungsbQchem (Einnahmen) entnommen, mit Benutaung der demnächst sum Druck gelangenden Bearbeitung Ton Herrn Dr. Knipping, der mir die Binsicht des Manuskripts an diesem Zweck gütigst geststtate. Es sind hier nur die grösseren Posten von 1000 Mr. aufwärts angefahrt

"I^ooo

Beiträge zur Verfassangsgeschichte der Stadt Köln. 34$

35) 1879 März 30. Schuld der Stadt bei Wernerus Panthaleon

senior 3600 Mr.

36) 1379 Oct. 5. « » n Johannes Florin . . 30Ö0

37) 1380 März 28. « Wernerus Panthaleon 3000

38) Juli 11. » » w Roilkinus de Honore 1360

39) Aug. 8. n « n » Wernerus Panthaleon

senior 4050

40) Nov. 28. d. Johannes [Harde-

Yust] de Boten . 8100

41) 1382 Juli 24. Wernerus Panthaleon|

Tilmannus Huprecht {

42) 13a3Febr.l3. ^ , d. Henricus de Ba-

colo et socii . . 1742

43) 13a3 Juli 15. n n » Johannes Jude . . 1000

44) 1383 Aug. 26. Gutkin de Ulreportzen 2750

45) i;384 Jan. 20. ^ Durgin Ilardevust . a3.33 4 Sol.

46) 1384 April 13. r n n n Gobelinus Walraven . 73.33 4

47) 1385 März 8. n « r « d. Henricus de Honore 6666 8

48) 1385 Aug. 2. d, Johannes de Boten 9000

49) 1386 Febr. 14. ^ d. Henricus de Honore 6200

50) 1386 April 11. « « n » Hermannus Hirtzelin 1000

51) 1386 Juni 27. p n n Cono Medebruer . . 1000

52) 1386 Juli 4. » » » « Johannes Hirtzelin |

Godefridus de Schal- i2a33 4 Sol. lenberg J

53) 1387 Jan. 16. ^ Durgin Hardevust . 1600 Fl.

54) 1387 Juli 17. ^ « » Johannes StoUe . . 33aS Mr. 4 ^

55) 1391 Okt. 18. d. Wernerus de Aq[ue-

ductu

Everhardus Harde- vuyst iunior

3368 10

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Der Königszug von Mainz nach Coblenz am 17. und 18. März 842.

Von Dr. Ed. Alisfeld in Coblenz.

Meyer von Enonau in seiner vortrefflichen Arbeit „über Nithards vier Bücher Geschichten", Leipzig 1866, hat auch den Zug der Könige nach Coblenz im März 842 höchst gründlich und umsichtig erörtert. Wenn in den nachstehenden Zeilen einige Punkte einer nochmaligen Prüfung unterzogen werden, so geschieht dies hauptsächlich deshalb, w$U der genannte Gelehrte die Ergebnisse seiner Forschung an den

344 £d. Ausseid

verschiedensten Stellen seiner Arbeit, Text, Noten, Excursen, niederge- lej<t hat, der leicht übersichtliche Text aber gerade diejenige Darstellung aufweist, welche, auf irreführenden Ansichten einiger „ortskundigen'' Herren beruhend, in einigen Punkten für anfechtbar gelten darf.

Die Könige Ludwig der Deutsche und Karl der Kahle zogen im Februar 842 nach der Zusammenkunft in Strassburg mit ihren Heeren auf verschiedenen Wegen in die Gegend von Worms und Mainz. In Mainz stiess Ludwigs Sohn Karlmann mit Baiern und Alamannen zu ilinen. Am 17. März erfolgte nach Nithards Bericht der gemeinsamo Aufbruch von Mainz in der Absicht, den Kaiser Lothar, welcher in Sinzig weilte, mit möglichster Geschwindigkeit anzugreifen und zu vertreiben.

Nithard (III, 7) berichtet über diesen Zug: „Ergo 16. Kai. Aprilis illis in partibus viam dirigunt, et Karolus quidem per Wasagum iter difficile ingressus, Lodhuwicus vero terra Renoque per Bingam. Karlemannus autem per Einrichi ad Confluentim in crastinum hora fere diei sexta venerunt".

Die Annales Xantenses melden zum Jahre 842 (Mon. Genn. Script. II, 227): „Et postea aestivo tempore Ludewicus et Karolus predato pago Yangionensium per angustum iter asperum Gronneorum Conüuentes civitatem petierunt".

Prudentius erzählt nur, dass Ludwig navali aparatu, Carl equestii aparatu nach Coblenz gelangte. Rudolf erwähnt den Zug, sagt aber nichts über den eingeschlagenen Weg.

Wir haben es demnach nur mit Nithard und den Xantener An- nalen zu thun, hinsichtlich des Prudentius aber nur festzustellen, dass er gleich Nithard den König Ludwig den Wasserweg benutzen, den König Karl auf dem Landwege nach Ck)blenz ziehen lässt. Auch die Xantener Annalen aber dürfen wir bald bei Seite legen, denn wir finden sie höchst mangelhaft unterrichtet und stossen in ihnen auf Nachrichten, mit denen wir trotz allen Nachdenkens, trotz vieler Grübeleien nicht.«? anzufangen wissen. Dass Ludwig und Karl „aestivo tempore" ihren Kriegszug unternommen hätten, ist Nithards durchaus zuverlässigem Be- richte nach völliger Irrtum. Aber auch über den Weg, den die Könige von Mainz aus genommen, ist der Annalist nicht unterrichtet, wenn er sie alle, im Gegensatz zu Nithard, der ausdrücklich drei Marschlinien angiebt, „per angustum iter aspenim Gronneorum" ziehen lässt. Un- fraglich hatte der rasche, in ungünstiger Jahreszeit erfolgte Zug der Könige nach Coblenz Aufsehen erregt, und dies um so mehr, als er

Der Königszug von Mainz nach Coblenz am 17. u. 18. März 842. 345

auf schwierigen Wegen za machen war. Das Letztere mochte beson- ders von Karls Zug über den Hunsrück gelten und auf diesen wird des Annalisten nähere Marschbezeichnung wohl zu beziehen sein. Was aber den Ausdruck „Gronneorum" anbelangt, so beruht er wohl unstreitig auf einem Missverstündnis des Schreibers. Die alte Lesart der Monu- menta „Groweorum" hat Meyer von Knonau in „Gronneorum** berich- tigt und damit glücklich die Möglichkeit beseitigt, den Ausdruck auf Cröv an der Mosel zu deuten. Aber auch mit dem „Gronneorum" weiss Niemand was Rechtes anzufangen. Meyer v. K. versucht*), es auf den Ort Gronau im Nassauischen Untertaunuskreis zu beziehen. Die von ihm selbst dazu geäusserten Bedenken, nämlich dass zwischen der Form Grunowe und Gronneorum doch ein beträchtlicher Unterschied sei; dass Gronau erst mehr als 3 Jahrhunderte später urkundlich ge- nannt werde; dass es auch etwas weit vom Rhein landeinwärts liege, wollen mir gar nicht allzu schwerwiegend erscheinen. Aber man wird sich doch wohl zu fragen haben: wie soll der Annalist oder dessen Quelle dazu kommen, den Namen eines jedenfalls damals (wie jetzt) ganz unbedeutenden Ortes als eine Landschaftsbezeichnung zu gebrauchen ; wie sollte dieser Name gerade in dem Gedächtnisse eines der durch- ziehenden Eriegsmänner so haften geblieben sein, dass er weiter ge- meldet und überliefert werden konnte ? Das erscheint wirklich undenk- bar und wir stehen der neuen berichtigten Schreibung des Ausdruckes ebenso ratlos gegenüber wie der alten. Nur glaube ich, man muss es ganz aufgeben, einen Volks- oder Ortsnamen hinter dem „Gronneorum" zu vermuten, wenn auch die uns überlieferte Handschrift der Annalen es offenbar so verstanden wissen will. Vielleicht Hesse sich der ur- sprüngliche, uns verloren gegangene Wortlaut der Stelle mit Hülfe des Wortes „gronna" Sumpf, „gronnosus" sumpfig (vgl. Du Gange) her- stellen. Es ist kaum zu bezweifeln, dass der Weg über den Huns- rück nicht nur rauh, sondern stellenweise auch sumpfig war ; schon die Jahreszeit, Mitte März, konnte dies mit sich bringen, um so mehr, als noch Mitte Februar wohl auch in dieser Gegend viel Schnee gefallen (Nithard IH, 5), demnächst aber wieder aufgetaut war^). Von einer

^) A. a. 0. Excurs VIH, S. 144.

') Dies ist daraus zu schliessen, dass zur Zeit der königlichen Reiter- spiele bei Worms, Anfang März, offenbar keine Winterlandschaft gewesen sein kann und dass die Überschreitung des Hunsrücks im Schnee, abgesehen davon, dass sie nicht in der Zeit vom 17. bis 18. März mittags anszufiibren gewesen wäre, sicher bei Nithard besonders Erwähnung gefunden hätte.

346 £cL Aasfeld

bestimmten Stelle der Strasse, nämlich zwischen Waldesch und Coblenz ist es aber ausdrücklich nachgewiesen '). Und wie bedenklich derartige Stellen einer eiligen Reiterschar sein mussten, liegt auf der Hand. Übrigens scheint der Ausdruck „gronna" im niederdeutschen Gebiete vielfach gebräuchlich gewesen und in Orts- und Flurnamen haften ge- blieben zu sein*).

Müssen wir so die Xantener Annalen ebenfalls für bedeutungslos bei der Feststellung der näheren Verhältnisse des Kriegszuges erklären, so bleibt uns nur Nithards Überlieferung, an deren Hand wir den Marsch der drei königlichen Heere verfolgen können.

Zunächst rauss für alle drei Heere geltend das Folgende fest- gesetzt werden : Der Weg, den sie in der Zeit vom 1 7. März MoiTsrens bis zum 18. März Mittags zurücklegten, bedeutet für jedes von ihnen eine tüchtige Marschleistung, nämlich 66 bis 100 Kilometer. Die Nachtstunden konnten kaum zu Hülfe genommen werden, denn auf den 16. März fiel der Neumond. Da man besonders günstige Beschaffen- heit der Heerstrassen entschieden nicht annehmen darf, waren die ge- nannten Entfeiiiungen von Fussvolk, selbst in geringer Zahl, nicht zu

>) Siehe Bonner Jahrbücher XXVI S. 6 f.

^) Du Gange sagt: „A Gronnis porro dicta aliquot oppida yolnnt, Groningam in Frisia, Gronaw in Agro Brunwicensi et Grunlngam in Episco- patu Halberstadensi*'. Ich lasse die Richtigkeit dieser Deutungen dahinge- stellt, möchte aber auf einige Flurnamen hinweisen, die mir aufge&llen sind. In dem Aufsatze von Schmidt, Rumerstrassen im Rheinlande, Bonner Jabr- hucher Heft 31, heisst es S. 85 f.: „Die Römerstrasse führte von Köln ab- wärts nicht in der Richtung der gegenwärtigen Chaussee, sondern näher an dem Rheine. Sie wird gegenwärtig die „alte Strasse" oder wohl auch die „Grünstrasse" genannt, weil sie nur als Feldweg benutzt wird und daher mit Gras bewachsen ist". Hierzu vergleiche man S. 111 derselben Abhandlang: „Die in dem Itinerar des Antonin angegebene Römerstrasse, welche von Colonia Trajana (Xanten) nach der Maas und auf einem Umwege nach Köln führte, hat der Verf. in der jetzigen „Grünstrasse" wieder anfgetunden. Sie ist in der Mitte der westlichen Front des Lagers ausgegangen und hat \\m den noch jetzt sumpfigen Heerde-Kamp herumgeführt". Bonner Jahrb. 80 S. 3 wird der „Grönen Pütz" im ürfkthale nördlich von Marmagen und Net- tersheim genannt. In Heft 68 derselben Zeitschrift S. 8 schreibt Müller über die grosse Militärstrasse von Trier nach Mainz : „Der südliche Arm zog sich über das Grünhaus an der Rnwer, die Büdlicher Brücke bei Gräfendhron nach dem Heidenpütz". Dass diese Beispiele, die übrigens leicht rermehrt werden könnten, keinen * sicheren Anhalt für die Deutung des „Gronncomm" bieten, weiss ich wohl. Immerhin könnten sie vielleicht einem findigen Teit- kritiker einen Anhalt für eine neue Konjektur bieten.

her Königszug von Mainz nach Coblenz am 17. u. 18. März 842. 34?

überwinden. Alle drei Heere können nur aus Eeiterei bestanden haben*). Auch die Reiterei aber vermochte in so kurzer Zeit nur dann Coblenz zu erreichen, wenn sie die einmal eingeschlagene Rich- tung beibehalten konnte und nicht durch irgend welche Verhältnisse aufgehalten oder gezwungen wurde, Umwege zu machen*^). Endlich kann die Grösse der drei Heere nicht bedeutend gewesen sein''), denn ansehnlichen Truppenmassen war ein Geschwindmarsch von solcher Aus- dehnung nicht zuzumuten; auch der mitgeführte Tross muss ganz ge- ring angeschlagen werden.

Karls Zug bezeichnet Nithard „per Wasagum iter difficile". Nur für diesen Weg, den er übrigens wohl selbst mitmachte, betont er aus- drücklich die Schwierigkeit, und dass sie erheblich war, ist gewiss nicht zu bezweifeln. Am frühen Morgen des 17. März von Mainz aufge- brochen mochte das Heer Bingerbrück (31 km) auf verhältnismässig guter Strasse bis 10 Uhr vormittags erreicht haben. Ob die Nahe damals hier überbrückt war, steht nicht fest ®), jedenfalls mag der Über- gang keine wesentlichen Hindemisse gefunden haben, wenn nicht gerade Hochwasser war, was in unserem Falle nicht anzunehmen ist, da sonst auf dem Rhein die weiter unten zu besprechende Schifffahrt nicht mög- lich gewesen wäre. Von Bingerbrück aus galt es die Höhe des Huns- rOcks zu ersteigen, denn nur diesen kann Nithard mit seinem „per Wasagum" meinen®). Die alte noch jetzt überall erkennbare Strasse'®)

5) Siehe Waitz, V. G. IV (2. Aufl.) S. 543 ff. ; Baldamus, Das Heer- wesen nnter den späteren Karolingern, 60 ff.

') Vgl. u. a. Baltzer, Zur Geschichte des deutschen Kriegswesens in der Zeit von den letzten Karolingern bis auf König Friedrich II. Lpzg. 1877.

^) Eine Vermutung über die Grösse der Heere auszusprechen, wäre gewagt. Wollte aber Jemand z. B. das ,4ngens'S das Nithard dem Heere Karlmanns beilegt, etwa nach unseren Begriffen deuten, so würde er sehr fehl gehen. So ist ja auch allgemein jene Qnellennachricht, es seien in der Schlacht bei Fontanetum auf Seiten Lothars mehr als 40000 Krieger ge- fallen, als unsinnig übertrieben anerkannt worden.

«) Vgl. Meyer v. K. a. a. 0. Anm. 223, S. 105.

") Siehe ebenda Excurs XI, S. 149. Demjenigen, der von Strassburg kommend über Worms nach Mainz und Bingen zog, blieben zur Linken die Vogesen und deren Ausläufer, Haardt und Donnersberg, stets sichtbar, so dass er leicht auf den Gedanken kommen konnte, mit dem gleichen Namen auch die nördlich anschliessenden, nur durch die Nahe getrennten Gebirgs- züge des Hnnsrücks zu bezeichnen.

**) Vgl. Bonner Jahrbücher 31 die vortreffliche Arbeit des Oberst- lieutenants Schmidt über die Rumerstrassen.

Waitd. Zeitoohr. f. Oesota. n. Kamt. XIV, IV. 26

348 Ed. Ausfeld

wird schon damals ausdrücklich als die nach Cohlenz führende bezeichnet in einer Urkunde des Kaisers Ludwig v. J. 820**): strata qua pergit ad Confluentium". Sie führt von Bingerbrück über RheinböUen auf der Höhe hin über Liebshausen, Kisselbach, Laudert rechts, Maisbom links lassend, nach Pfalzfeld. Bis hierher sind es von Bingerbrück aus etwa 38 km. Schwerlich so weit, wahrscheinlich nur bis Kisselbach **), etwa 30 km, wird Karl mit seinen Reitern noch am Abend des 17. März gelangt sein. Für den folgenden Tag blieben ihm dann noch etwa 30 km zurückzulegen, darunter diejenigen der höchsten Strasseneiiiebung bei Maisbom, 520 m ü. M., also etwa 446 m über dem Rhein bei Bingen. Indessen mochte diese Strecke, da sie sich ohne irgend welche erhebliche Steigungen und Senkungen auf der Höhe hält und erst vom Kühkopf bei Coblenz aus rasch nach dem Rheinthale abfällt, verhält- nismässig rasch zu überwinden gewesen sein, soweit nicht etwa sumpfige Stellen den Marsch behinderten. Berührt wurden wohl die Orte, bzw. die Gegend der heutigen Orte Norath, Leiningen, Ehr, üdenhausen, Waldesch. So konnte Karl sehr gut um die Mittagsstunde des 18. März in Coblenz eintreffen. Ermüdet mag seine Heeresabteilung allerdings gewesen sein **).

Ludwig der Deutsche zog Nithards Berichte zufolge „terra Re- noque per Bingam". Meyer v. Knonau ") fasst dies so auf, als wäre Ludwig bis Bingen mit Karl marschiert, hätte sich hier von diesem getrennt und zu Schiffe die Strecke bis Coblenz zurückgelegt. Mir

") Mittelrh. ürkb. I S. 58 f.

") Kisselbach wird 1006, Pfalzfeld 893 genannt. Mittehrh. Urkunden- bnch I S. 337 bzw. 194. Der Ansicht Meyers v. K. a. a. 0. Note 217, dass der Hunsrück um die Mitte des 9. Jahrh. wohl noch ganz unbesiedelt war, dürfte kaum zuzustimmen, vielmehr anzunehmen sein, dass viele der beute dort liegenden Ortschaften schon damals bestanden. Hierfür spricht wohl deutlich die oben erwähnte Urkunde Kaiser Ludwigs für die Abtei Prüm vom Jahre 820, welche eine grosse Anzahl Gemarkungsnamen auf dem Hans- rück anführt.

") Der Verf. der Besprechung von Dümmlers „Ostfränkischem Reich" in der Hist. Zs. IX S. 262 ist sehr im Irrtum, wenn er behauptet, lokale Kenntnis könne die Möglichkeit dieses Marsches binnen so kurzer Frist nicht zugeben. Für die etwa 74 km von Mainz bis Coblenz rechne man am 17. März 10, am 18. März 5 Marschstunden, so kommen auf den km etwa 10 Minuten. Fs Hessen sich aber längere Strecken sehr wohl im Trabe machen, so dass fiir die übrigen ein ganz gemächlicher Ritt angenonunen werden kann.

**) A. a. 0. S. 40 und Anm. 225.

ber Königszug von Mainz nacli Coblenz am l7. u. 18. März 84^. 349

will eher scheinen, ein Teil der Truppen Ludwigs habe schon bei Mainz Schiffe bestiegen und sei von hier aus (an Bingen vorüber) nach Coblenz gefahren, während ein anderer Teil den Landweg (über Bingen) längs des linken Rheinufers bis Coblenz gewählt habe. Oder aber, das ganze Heer Ludwigs sei bis Bingen marschiert und von hier aus teils zu Schiffe, teils den Rhein entlang nach Coblenz geeilt. Wenn Ludwigs Heeresmacht nur einigermassen bedeutend war, so dürfte es schwer ge- wesen sein, sie ganz auf Schiffen unterzubringen, auch müsste das Ver- laden sehr zeitraubend gewesen sein. Die etwa 92 km von Mainz bis Coblenz längs des Rheines wären aber sowohl zu Wasser wie zu Lande in anderthalb Tagen sehr wohl zurückzulegen. Denn auf den Landweg kamen, wenn wir auf den 17. März 10, auf den 18. März 5 Marschstunden rechnen, durchschnittlich 6 km auf die Stunde, wäh- rend die Schiffe vermöge der Stromgeschwindigkeit („auf sich fahrend", wie der Terminus technicus lautet) die Strecke von Mainz bis Bingen etwa in 4V2, die Strecke von Bingen bis Coblenz etwa in TV« Stunden durchfahren konnten *^). Da Ludwigs eine Heeresabteilung unserer Annahme nach den Rhein entlang, ohne Höhen übersteigen zu müssen und wahrscheinlich auf leidlicher Strasse marschierte, die andere aber auf Schiffen nach Coblenz gelangte, so ist nicht zu bezweifeln, dass beide in gutem Zustande ihr Ziel erreichten, jedenfalls in besserem, als die Heere Karls und Earlmanns.

Über Karlmanns Zug, den Nithard einfach „per Einrichi" be- zeichnet, hat Meyer von Knonau die Ansichten einiger Ortskundigen eingeholt und ist ihnen gefolgt*^). Meiner Meinung nach haben diese Uerren den freundlichen Dank des Geschichtschreibers nicht in dem Masse verdient, wie er ihnen gezollt ward. Denn man darf sagen, es ist bei den Haaren herbeigezogen, wenn man Nithards Worte so deutet, als sei Karlmann auch über Bingen und am linken Rheinufer bis Nieder- heimbach marschiert und hier erst habe er den Rhein überschritten, um von der Wispermündung (Lorch) über Ransel hinauf auf den Einrieb und durch diesen nach der Lahn und Coblenz zu ziehen. „Per Einrichi^^ kann und soll vielmehr nur heissen, dass Karlmann wenig rheinabwärts von Mainz über den Strom setzte, geraden Weges vom rechten Rhein-

**) Für diesen Nachweis, der allerdings aufgrund der heutigen Strom- verhältnisse aufgestellt ist, annähernd aber ohne Zweifel auch für die ältere Zeit Geltung haben wird, bin ich der Königl. Rheinstrom - Bauverwaltung in Coblenz zu Danke verpflichtet.

^•) A. a. 0. S. 40 und Anm. 226. Auch Excurs YIU, S. 143 t

26*

350 £d. Ausfeld

ufer aus das Rheingauer Gebirge erstieg, den Einrich hier erreicht* und quer durch ihn hindurch nach der Lahn oder nach dem Rheine bei Braubach hinabzog ^^). Jede andere Auffassung, und ganz besonders die des Dr. Rössel in Wiesbaden, lässt die Möglichkeit der Ausführunp des Marsches binnen anderthalb Tagen kaum zu. Bis Niederheimbach hätte Karlmann 40 km zu durchmessen gehabt, er wäre hier also nicht vor der Mittagsstunde des 17. März eingetroffen. Nun hatte er den Rheinübergang zu bewerkstelligen, der bei dem erheblichen Stromge- fälle*®) hier unbedingt grosse Schwierigkeiten machen musste. Und wenn Karlmann nur 500 Reiter mit sich führte, so dürfte ihn die-se Operation doch mehrere Stunden gekostet haben, sei es dass man Rosse und Reiter auf Kähnen und Fähren übersetzte, sei es dass die Reiter von Kähnen aus die schwimmenden Rosse nachzogen. Das letztere raschere Verfahren hätte wohl in der noch kalten Jahreszeit für die Gesundheit der Pferde, welche bereits 40 km gelaufen waren, grosse Gefahren gebracht und auch die Stromgeschwindigkeit möchte wohl diese Art des Übergangs erschwert haben. Um aber Rosse und Reiter io kurzer Zeit zu verladen und überzusetzen, dazu hätte es selbst nur die eben genannte Truppenzahl gerechnet einer grösseren Menge von Fahrzeugen bedurft *^), und wie diese mit einmal in Niederheim- bach zur Verfügung stehen sollten'®), ist nicht recht einzusehen. Nehmen wir aber auch an. Karlmann hätte den Rheinübergang von Nieder- heimbach nach Lorch wirklich bewerkstelligt und es wären damit nnr drei Stunden zugebracht worden, so hätte der Aufbruch von Lorch nach den Höhen des Einrich doch erst frühestens zwischen 3 und 4 Uhr

") Meyer v. K. a. a. ö. Anm. 222 S. 104 und Excurs VIII, Anm. 10 S. 144 hat diesen Weg sehr wohl ins Auge gefasst und ist nur durch die Ortskundigen verleitet worden, sich für den anderen zu entscheiden.

") Der Rhein hat heute bei mittlerem Wasserstande im Fahrwasser zwischen Mainz und Bingen eine Stromgeschwindigkeit von etwa 1,1 m in der Sekunde, bei Niederbeimbach von 1,9 m, zwischen Bingen und Coblenz 1,4 m (gütiger Nachweis der K. Rheinstrom-Bauverwaltung in Coblenz). Es leuchtet ein, dass das Übersetzen bei Niederheimbach trotz der geringeren Strombreite viel schwieriger und gefährlicher sein musste als in der Gegend von Mainz.

. *®) Für verschiedene militärtechnische Belehrung bin ich meinen Freun- den Herrn Hauptmann Go lisch vom 8. und Herrn Premier-Lieutenant Klotz vom 11. Pionier-Bataillon lebhaften Dank schuldig.

'^) Eine Fähre mag daselbst auch in alter Zeit wie später bcstaDdeo haben. Vgl. Bodmann, Rheingauische Altertümer S. 587.

Der Königszug von Mainz nach Coblenz am 17. a. 18. März 842. 351

Nachmittags beginnen können, denn eine Ruhepause musste für die Truppen, sei es in Lorch für die zuerst übergesetzten, sei es in Nieder- heimbach für die später überfahrenden, eintreten. Die fast 400 m Steigung bis in die Gegend von Ransel, die Rössel berührt wissen will, waren aber unmöglich rasch zu machen und Karlmann würde am späteren Nachmittag des 17. März kaum mehr als die etwa 9 km bis dahin zurückgelegt haben. So blieben ihm für den Vormittag des 18. März, wenn wir den möglichst kurzen Weg über Nastätten, Miehlen, Braubach, Niederlahnstein berechnen, immer noch an 42 km zu machen. Lassen wir Karlmann aber gar mit Rössel in das Lahnthal hinab und von da nach Coblenz ziehen, so verlängert sich der Weg noch um wenigstens 5 km. Diese 42 bis 47 km bis Mittag zu bewältigen und während dieser Zeit auch noch die Lahn und nochmals den Rhein bei Coblenz zu überschreiten, ist kaum thunlich. Jedenfalls wäre die Leistung eine grössere als der Marsch Karls über den Hunsrück, der etwa ebensoviele Kilometer beträgt, aber zwei Rheinübergänge vermeidet. Verfolgen wir Karlmanns Zug hingegen nach dem Wortlaute Nit- hards „per Einrichi", so ergeben sich die nachstehenden Marschver- hältnisse. . Mit Fahrzeugen, die bei Mainz jedenfalls eher bereit lagen, als bei Niederheimbach, wurden am Morgen des 17. März an eben der Stelle, an welcher Kaiser Ludwig am 7. Januar 837 den Rheinübergang mit seinem Heere ausgeführt hatte'*), nämlich etwa Schierstein oder Nieder-

'*) Vgl. Simsen, Jahrb. des deut. Reichs unter Ludwig d. Frommen, II, S. 196. Die Bezeichnung der Rheinübergangsstelle bei Prudentius: tribus forme infra memoratam urbem (Mainz) milibus deutet auf die Gegend von Schierstein und Niederwalluf. Über die Fährenverhältnisse am Rhein macht Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben II S. 246 einige Angaben. Vgl. auch Quetsch, Geschichte des Verkehrswesens am Mittelrhein S. 21 ff. Wie hier (S. 24) der Text des Weistums des Klosters Altenmünster bei Mainz a. d. J. 1486 „so farre (sollte heissen y,ferre^^) da her aber biss ghegen der Kirchen dye zu Walluf im dorlf leyt" auf die Fähre zwischen Budenheim und Walluf gedeutet werden konnte, ist unverständlich. Eine Fähre Walluf gegenüber ist eingezeichnet in einer handschriftlichen Karte des Rheingaus v. J. 1575, Original im Staatsarchiv zu Wiesbaden, Nachbildung in Band 17 der Annalen des Vereins f. Nassauische Altertumskunde u. Geschichtsforschung. Wichtig für unsere Frage erscheint mir die auf dieser Karte etwas landeinwärts ein- geschriebene Bemerkung: „do soll das fhar gestanden sein", da sie nicht allein den Schluss auf die Veränderung des Strombettes, sondern auch auf ein höheres Alter der Fährgelegenheit zulässt. Die in der Nachbildung nicht genau wiedergegebenen Worte hat mir das K. Staatsarchiv zu Wies- baden freundlichst nachgewiesen.

352 Ed. Ausfeld

walluf gegenüber, die Truppen eingeschifft und auf das rechte Rheinofer geschafft. Der Strom hat hier eine massige Breite und geringe Strö- mung und ähnlich wird dies auch vor 1000 Jahren gewesen sein. Von Niederwalluf aus führte die alte Rheingauerstrasse das Thal von Schlangenbad links liegen lassend über die Höhen der „Hohen Wurzel'' nach Bleidenstatt. Diese Strasse würde, selbst wenn man sie in der Gegend des heutigen Ortes Georgenborn verlassen hätte (am „Grauen Stein" etwa), um nach Nord- Westen zu die Höhe über Wambach und hiermit die nachher zu bezeichnende Strasse zu gewinnen, einen Umweg für die Richtung Walluf -Coblenz bedeutet haben. Der direkte Weg schlug die nordwestliche Richtung gleich am Rhein oder von Eltville aus ein und berührte die Gegend von Neudorf, Rauenthal, bzw. von Kiedrich, um über die „Grüne Bank" auf die Höhe und ziemlich gerade- aus nach Kemel zu führen. Dieser Weg lässt sich noch heute sehr gut verfolgen. Er ermöglicht ein bequemes Ersteigen des Gebirges in kürzester Zeit. Allerdings muss eine Höhe von 526 m (bei Kemel sogar 538 m), also eine Steigung von 446 m (bzw. 458 m) überwun- den werden. Wenn aber auch der Marsch zur Überfahrtstelle am Rhein (etwa 8 km) und die Überschiffung nach Walluf bis zum Mittag des 17. März dauerte, so war am Nachmittage doch noch sehr bequem Kemel (von Walluf etwa 11 km), auch noch die Gegend von Gronau, Nastätten und Miehlen, im Ganzen etwa 32 km von Walluf, zu er- reichen. Denn die Strasse hält sich, einmal auf der Höhe angelangt, durchweg auf dieser und gestattet ein rasches Vordringen. Es blieben dann, wenn wir den Weg über Braubach**) berechnen, für den 18. März etwa 28 km bis Coblenz zu machen, welche in der Zeit bis 10 Uhr leicht zurückgelegt sein konnten, sodass auch der Übergang über den Rhein, für welchen bei Goblenz wohl Hülfsmittel genug bereit lagen, bis Mittag gut zu bewerkstelligen war. Dieselben Entfernungen er- geben sich, wenn man Karlmann von Kemel aus anstatt über Miehlen Braubach, über Pohl Singhofen ins Lahnthal bei Nassau, von hier

'') Die alte Strasse Miehlen— Marienfels— Braubach, welche Kehlbach rechts, Dachsenhausen links liegen lässt und dann durch den Braubacher Wald am „Hilberstiel" und den neuerdings von Oberlehrer Dr. Bodewig aus Oberlahnstein aufgedeckten Hünengräbern vorbei führt, ist bis auf die Höhe über der Hartenfels- und der Hammermühle bei Braubach sehr gut zn ve^ folgen. Wie sie von da den Abstieg ins Rheinthal genommen, ist nicht recht zu erkennen, da durch Wasserläufe und neue Strassenanlagen die alten Strassenrcste zerstört worden sind.

Der Eönigszug von Mainz nach Coblenz am 17. u. 18. März 842. 353

längs der Lahn nach Ems und über die Lahnberge nach Ehrenbreit- stein Coblenz ziehen und am ersten Tage bis Pohl, etwa 34 km von Walluf, marschieren l&sst. ]5^ur wäre hier zu berücksichtigen, dass von Ems aus, will man nicht den weiten Umweg durchs Lahnthal über Niederlahnstein nehmen, abermals eine Höhe von etwa 330 m, d. h. etwa 241 m über dem Lahnthal, erstiegen werden müsste.

Es ist schon oben S. 350 Anm. 17 darauf hingewiesen worden, dass Meyer v. Knonau die soeben geschilderte Marschrichtung Karlmanns durchaus nicht ganz abgewiesen hat. Wir haben daher noch kurz auf die in seiner Anmerkung 222 angeführten GegengiUnde einzugehen. Er meint, Nithard würde neben dem Einrichgau gewiss auch den Gau Kunigeshundra erwähnt haben, wenn Karlmann diesen berülirt hätte. Dem ist entgegen- zuhalten, dass Nithard, was Meyer v. K. übrigens selbst ausdrücklich betont, ja dann auch den Rhein- und den Engersgau hätte nennen müssen, welche beide Karlmann nicht umgehen konnte, wenn er den. von dem „Kenner des Nassauischen Landes*' beschriebenen Weg ein- schlug. Auf dem oben für Karlmann in Anspruch genommenen Wege über Walluf brauchte nun aber der Gau Kunigeshundra gar nicht be- treten zu werden, vielmehr nur der Rheingau, der jedoch bei Kernel (11 km vom Rhein) bereits verlassen und mit dem Einrieb vertauscht wurde. Innerhalb dieses Gaus wurden dann die etwa 36 km bis Nieder- lahnstein gemacht, wo der Engersgau für die kurze Strecke bis Ehren- breitstein berührt werden musste. Auch bei der Annahme des Weges Nassau Ems Ehrenbreitstein fallen 25 km auf den Einrieb, 17 km auf den Engers-, 1 1 km auf den Rheingau. Dass Karlmann allerdings, wie M. v. K. Anm. 222 sehr hübsch und scharfsinnig ausführt, den Gau Kunigeshundra deshalb nicht betreten habe und nicht betreten wollte, weil dessen Graf Hatto auf Lothars Seite stand, das möclite doch anzuzweifeln sein. Denn wer hätte ihm daselbst Widerstand be- reiten können! und eine im Durchmarsch vorgenommene Plünderung, wie vorher die im Wormsfelde, hätte den Feinden Lothars doch nur Freude und Vorteil gewähren können, vorausgesetzt, dass sie sich nicht zu lange dabei aufhielten.

Als zwar nicht überall neues, wohl aber feststehendes Ergebnis der vorstehenden Untersuchung wäre kurz zusammengefasst etwa folgen- des anzusehen:

Der Marsch von Mainz bis Coblenz war auf allen drei von Nithard wirklich genannten Wegen in anderthalb Tagen für kleinere Reiterheere sehr wohl ausführbar. Nithards Angaben über die Dauer

354 ISd. Ausfeld

des Marsches sind also durchaus nicht in Zweifel zn ziehen. Karls Weg über den Hnnsrück muss als der schwierigste und längste ange- sehen werden. Ludwig scheint einen Teil seiner Reiter in Mainz oder Bingen eingeschifft, den anderen auf dem Landwege das linke Rbein- ufer entlang nach Goblcnz geführt zu haben. Jedenfalls benutzte er die Wasserstrasse und hatte vor den anderen Ileerführera den Vorteil voraus, seine Truppen in kampffähigem Zustande nach Coblenz zu bringen. Karlmann wählte den bei weitem kürzesten Weg, indem er den Rhein in der Nähe von Mainz, einige Kilometer unterhalb dieser Stadt, etwa nach Niederwalluf zu überschritt, den Rheingau an seiner östlichen Grenze durchquerte, den Einrieb in der Gegend von Kernel erreichte und in diesem Gau den grössten Teil des Marsches, sei e^ über Nastätten— Miehlen Braubach, sei es über Pohl— Nassau— Ems Ehrenbreitstein, zurücklegte. Eine Unklarheit in der Ausdrucksweise bei Nithard ist nur bezüglich des von Ludwig genommenen Weges zn erblicken. Hingegen ist die Marschangabe der Xantener Annalen „per angustum iter asperum Gronneorum" nicht für die Bestimmung der Gegend zu brauchen; sie bestätigt lediglich die Jiuch von Nithard an- gedeutete Schwierigkeit auf dem Marsche der von Karl dem Kahlen geführten Heeresabteilung.

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Recensionen.

Die Kunsidenkmäler der Rheinprovinz. Dritter Band. L If. Die Kunst- denkmäler der Stadt und des Kreises Düsseldorf, der Städte Barmen, Elberfeld, Remscheid und der Kreise Leunep, Mettmann und So- lingen, im Auftrage des Provinzialverbandes der Rheinprovinz heraus- gegeben von Paul Giemen, Düsseldorf, L. Schwann, 1895. Angezeigt von Prof. Dr. Paul Lehfeldt in Berlin. Plan und Ausführung des Werkes sind dieselben wie in den früheren Heften geblieben ^), so dass der Leser mit gleicher Freude die BeschreibuDgen und Abbildungen der in dem vorliegenden südöstlichen Teil des Regierungs- bezirkes Düsseldorf behandelten Bau- und Kunstdenkmäler aufnehmen wird. Der Litteratur wird teilweise ganz Neues, teilweise Bekanntes in neuem Licht und Zusammenhang geboten.

Römerbauten und Römerfunde treten hier gegen frühere Hefte zurück, der Natur des Landesgebietes entsprechend. In Bürgel (Kreis Solingen) hat sich ein ziemlich bedeutendes römisches Kastell erhalten, innerhalb dessen

1) Vgl. Westd. Ztscbr. XI (1892) S. 76 ff.; XU (1S98) S. 9. ff. uad XIV (1896) S.806.

Recensionen. .355

eine kleine Barg im Mittelalter gebaut warde. Germanische und fränkische Anlagen oder Funde sind ebenfalls hier nicht häufig; bei Hain und Hilden (Kreis Düsseldorf) befinden sich frühmittelalterliche Erdbefestigungen grosserer Art, von denen die erstere der Wallburg bei llünxe (Kreis lluhrort) ähnlich ist.

Dagegen ist früh unter dem Schutz der fränkisclien Könige hier Christen- tum und Kultur eingedrungen. Der hauptsächliche kirchliche Ausgangspunkt war die Klosterschöpfung des heiligen Suitbert (f 713) auf der Rheininsel unterhalb Düsseldorfs, dem seit Kaiser Friedrich 1 sogenannten Kaiserswerth. Freilich ist die jetzt bestehende Kirche nicht der Ursprungsbau. Ihr West- teil ist hochromanisch, nämlich das Langhaus (die bedeutendste romanische dreischiffige Pfeilerbasilika am Niederrhein nächst der Maria im Capitol- Kirche zu Köln) und das dreischiffige Querhaus sind um 1020 vollendet, wie Giemen als zweifellos annimmt, einfach, mit Balkendecke. Der reichere Ost- teil wurde im Übergangsstil wohl 1264 vollendet, seine drei über die Kreuz- arme hinaus verlängerten, dem älteren Kreuzhaus ungefähr gleich weiten, mit Kreuzgewölben versehenen Schiffe sind in drei aussen gebrochenen Chören geschlossen. In interessanter Weise sind die zwischen diese Chorschlüsse ge- stellten Osttürme unten im Innern in ihren Mauern dadurch verdeckt, dass zwischen die beiden Aussenmauern der beiden Türme ein geknicktes schmales Tonnengewölbe gespannt und davor nach der Kirche zu ein einfacherer, nach Osten zu ein reicherer, mit Knospenkapitellen auf starken Dreiviertel- säulen ruhender Bogen gestellt wurde. Eine kleine zierliche Vorhalle am nördlichen Querarm, ebenfalls, wie die Kirche selbst, bei Giemen abgebildet, zeigt, welche Wirkung (abgesehen von Details, wie Kapitellen) der Romanismus lediglich durch die Vereinigung von Rundbogenformen erreicht. Im Übrigen ist die Kaiserswerther Kirche, welche 1243 ihren Westturm verlor und besonders 1702 Beschädigungen erlitt, in glänzender Weise in den Jahren 1870 77 durch Rincklake wiederhergestellt und mit zwei Westtürmen ver- seben worden. Der in der Kirche aufbewahrte kostbare (durch guten Licht- druck wiedergegebene) Reliquienschrein des heil. Siutbert in Giebelhaus- Form, mit Kleebogen -Arkaden 1264 vollendet, bildet den glänzenden Abschluss der durch das Reliquiengetass von Xanten eröffneten Reihe der niederrheinischen Schreine zu Aachen, Deutz, Köln und Siegburg, in Aufbau und Ornamentik noch ganz romanisch, dem 1215 vollendeten Karlsschrein zu Aachen gleich, aber in den Figuren schon den zartesten und reinsten früh- gotischen Stil verratend. Die Burg, welche Friedrich II Barbarossa hier an Stelle jenes älteren (durch Heinrichs IV Entführung berühmten) Königs- hofes erbaute, weist trotz der Zerstörung von 1702 noch interessante Reste auf, deren genaue Untersuchung durch Giemen dankenswert ist (die Ansichten könnten etwas charaktervoller sein). Ein spätrömanischer Privatbau findet sich in Kaiserswerth noch in dem Männerpflegehaus des kath. ICrankenhauses ; auch hier ist eine schmuckvolle Fensterüberdeckung durch Rundbogen-Motive gewonnen (ein in der Mitte zusammenkommendes Bogenpaar, davor bezw. darüber ein vorderes auf Mittelconsole, davor ein Kleebogen). Die feestau- rierung dieses Hauses wie der Kirche ist im Wesentlichen dem hingebenden Eifer des Pfarrers Dauzenberg zu verdanken.

Der hervorragendste Kirchenbau des Übergangsstiles nördlich von Köln

356 Recensionen.

(neben der Abteikirche zu Werden und der Quirinskircbe zu Neuss) die 1214—36 gebaute Kirche des Damenstiftsklosters zu Gerresheim, eine schlanke kreuzförmige gewölbte Pfeilerbasilika mit rundem Chorschluss und hohem achteckigen dem Bonner verwandten Vierungsturm. Die Scheidebugen der Schiffe gleichen deneQ zu Werden, von den zu dreien angeordneten, schon spitzbogigen Fenstern der Querhausgiebel zeigt das höher geführte mittlere eigentümlich drei Kreisöffnungen übeinander (Nachklang der altchristlichen Baukunst?). Das Apsisgewölbe hat mit Rosetten geschmückte Rippen. An der Westseite und dem Südschiffe rundbogige Portale mit abgetreppten Ge- wänden, Ringen an Säulen und Bogenwulsten und reichen Kämpfergesimsen. Im Norden stösst das zweistöckige Kapitelhaus an die Kirche; von dem hier sich anschliessenden Kreuzgang (Spitzbögen auf gepaarten Säulen mit schönen Kapitellen) ist nur die als Schuppen für Feuerwehrgeräte dienende Ostseite, auch sie nur trümmerhaft erhalten; noch 1891 sind, um eine Feuerleiter unterzubringen, die Säulen aus einem Bogen herausgeschlagen worden. Grund- riss, Schnitt und Aufrisse vom verstorbenen Wiethase verdeutlichen den Text ungemein und übertreffen die Perspektiven an Genauigkeit. Manche Kunst- denkmäler fesseln uns in der Gerresheimer Kirche. Der Hoclialtartisch ist spätromanisch gehalten, durch Säulen mit Blattkapitellen geteilt, in den Feldern mit Kleebogen - Blenden auf Säulchen belebt. Der Sarkophag des heil. Gericus, dem Alfridssarkophag in dem Münster zu Essen entsprechend, aus Sandstein, ist ein Werk des 14. Jahrhunderts, an den Seiten durch Blend- bögen mit verzierten Wimpergen zwischen Fialen unterbrochen. Die Chor- stühle sind 1707 derb aber wirkungsvoll geschnitzt. Ein Holzcruzitix aus dem 12. Jahrhundert von schlanken edlen Formen und charakteristischer Kopfneigung hat noch Reste alter Bemalung. Durch aus'm Weerth bekannt ist der romanische Reliquienschrein mit limousiner Emails. Die vom Ende des 14. Jahrhunderts stammende, reich verzierte Monstranz aus vergoldetem Silber mit doppeltem Strebesystem zu den Seiten des aufrecht stehenden Schaucylinders ist im Werke durch Lichtdruck dargestellt; neben ihr die zeitlich und vielleicht auch dem Meister nach nahe stehende Monstranz in der Pfarrkirche zu Ratingen. Die ratinger Monstranz, inschriftlich von 1394, nach Giemen die bedeutendste des 14. Jahrhunderts am ganzen Rhein, ist im Gesamtaufbau einfacher, in der Detailentwickelung ungemein reich, am Fuss, Cylinder und Bekrönung mit durchbrochenen Strebewerken, Blattwerken und Heiligen- bezw. Jünglingsfiguren verziert. Die Kirche selbst zu Ratingen ist der dritte der bedeutenden Kirchenbauten des Kreises Düsseldorf aus dem 13. Jahrhundert. Die Stiftung ist eine der ältesten, wahrscheinlich von Kaisers- werth ausgegangen. Das dreischiffige, vor dem letzten Umbau funQochige Langhaus birgt in den mittleren Jochen seiner Seitenschiffe zugleich die Erd- geschosse der östlichen Türme, welche in kühner Weise unterfangen und mit ihren Ecken aui Säulen gesetzt sind, um im Innern nicht zu stören. Clemen hat hier richtig erkannt, dass diese beiden Türme und die (früheren) Um- fassungsmauern des Ostteiles von dem ältesten romanischen Bau (um 1165) herrühren. Später (nach 1260) wurde die Kirche nach Westen verlängert; von daher der mächtige, riergeschossige Westturm mit seinem mehrfach ab- gestuften, rundbogigen, rechteckig umzogenen Westportal. Die beiden alten

Recensionen 357

Türme wurden in der gedachten Weise unten geöffnet, als im 14. Jahrhundert die Kirche zu einer einheitlichen Hallenkirche umgewandelt wurde. 1892 wurde der Ostbau vor den beiden Türmen abgerissen und hier durch Wiethase ein geräumiger Erweiterungsbau errichtet. Der Gnmdriss bei Giemen giebt die Kirche vor 1891 wieder, eine Zeichnung stellt die Südseite ebenfalls vor dem Umbau, doch nach dem 1891 erfolgten Abbruch einer dem östlichen Joch vorgebauten Annenkapelle dar.

Eine stattliche romanische dreischiflige Pfeilerbasilika ist die Kirche zu Hilden. An ihr ist die Gliederung der Emporen bemerkenswert; nach dem Mittelschiff zu öffnen die Emporen sich mit je vier Doppelbögen, die je von einem gemeinsamen Kleebogen überspannt sind, die äussere Kappe der Kreuzgewölbe geht in jedem Joch direkt in die durch Yierpassfenster er- leuchtete, nischenförmig ausgerimdete Aussenmauer über, ein nicht häufiges (aber schon im Münster zu Aachen angewendetes) Mittel zur Entlastung der Aussenmauem.

Eine Menge kleinerer, dreischiffiger Kirchen des Romanismus und Übergangsstiles liegt um Düsseldorf herum, zum grossen Teil von Kaisers- werth aus gegründet und von dessen Kirche baugeschichtlich abhängig : Ben- rath; Bilk mit schönen Knospenkapitellen der Dienste und dem schönsten Turmbau des bergischen Landes ; Erkrath, dessen Innenwirkung an Bedeutung die meisten Kirchen dieses Schemas überragt (Autotypie bei Giemen); Ilim- melgeist mit wirkungsvoller Gruppierung und Emporgipfelung von den drei runden Ost- Apsiden zum Ghor-Rechteck bezw. Nebenschiff, weiter zum Mittel- schiff und zum hohen, mit schlankem Achteck -Helm aufsteigenden Turm; Hubbelrath; Itter, das 1862 stark und zum Schaden restauriert worden ist; Kalkum; Mündelheim mit sorgfaltig und schön ornamentierten Kapitellen im Innern und fünfgeschossigem Turm ; Wittlaer, mit ungewöhnlich breitem (den Ghor wie den Westturm an Breite übertreffendem) Mittelschiff, das durch Höhe und Helligkeit imponiert. In dem lenneper, mettmanner und solinger Kreis sind die Kirchen in Burg, mit hübschen Säulenstellungen im Ghor, Dussel (1888 nach Osten erweitert), Monheim und Richrath die hervor- tretendsten. Den Typus der einschiffigen, gewölbten Basilika giebt in geradezu normaler Weise die katholische Kirche zu Gruiten wieder.

Im Laufe des 12. Jahrhunderts entwickelte sich zugleich die Macht der Grafen von Berg, welche im folgenden Jahrhundert ihre Herrschaft gegen- über dem Erzstift Köln und den andern Grafengeschlechtern befestigten und aasbreiteten, sowie die Bedeutung der unter ihrem Schutze sich entwickelnden Städte. Düsseldorf, seit 1159 erwähnt, wurde gleich nach dem Siege bei Worringen 1288 zur Stadt erhoben, Elberfeld hatte seit 1176 die bergischen Grafen zu Vögten, seit der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts zu unbestrittenen Herren und wurde eine der Lieblingsresidenzen. 1348 kam die Grafschaft Berg an das Herrscherhaus von Jiilich und wurde mit ihr 1423 politisch ver- einigt; 1521 kamen dazu Reemsberg, Kleve und Mark.

In Düsseldorf wurde an Stelle einer älteren Kirche die Pfarrkirche 1206 in Backstein mit Details und Verblendungen von Haustein gebaut, dann 1370—94 in Backstein gotisch umgebaut und erweitert, nun als sehr breite dreiscbiffige Hallenkirche mit um den dreiseitigen Chor herumgeführten Seiten-

358 Becensionen.

schiffen und hohem Westturm, im Innern wesentlich schmuckToUer, als im Äusseren. Ihr um 1475 gestiftetes Sakramentshäuschen ist das glänzendste der Spätgotik am Niederrhein, ein Fünfseit, auf einem Kempfeiler und um- stellenden Säulchen, mit Uelmbekrünung und in reichster architektonischer Ausbildung mit Figuren, bis zur Höhe von 16 m aufsteigend. Das Pracht- Grabmal des Herzogs Wilhelm V (f 1592) ist in den Formen der italienischen Renaissance - Wandgräber (dreiteilig, antikes Triumphbogen-Motiv), aus ver- schiedenfarbigen Marmorarten wohl von Gilles de Riviere und Niccolo Pippi von Arras gearbeitet, die Figuren virtuos gemeisselt. Mit zu grosser Berech- nung ist die Figur des Herzogs verhältnismässig schlicht, sind dagegen die religiösen Darstellungen (jüngstes Gericht) mehr nach der Seite des Maleiischen und Weichen hin behandelt, die allegorischen Gestalten dramatisch lebhaft gehalten. Bei den Restaurationsarbeiten im Innern kamen u. a. Wandgemälde zum Vorschein, an den Chorschranken Einzelßguren von Heiligen aus der Frühzeit des 14. Jahrhunderts, einfach und zart; an der nördlichen Chor- wand, im Südschiii und neben der Sakristeithür aus der 2. Hälfte des 15- Jahrhunderts Darstellungen aus der Heiligenlegende, eine Anbetung der Könige, und besonders ein (von Prof. Lauenstein restauriertes) feines und be- deutendes Gemälde, Maria mit dem Kind auf dem Schoss sitzend, mit musi- zierenden und lesenden Engeln und dem knieenden Stifter in echt altkölnischem Stil ; über der Sakristeithür das Wandbild der heiligen Kümmemiss mit dem ausgezogenen Schuh, zu Füssen den knieenden Stifter, inhaltlich interessant. Im Kirchenschatz u. a. ein lebensgrosser Reliquienkopf aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts, stilisiert, doch mit ausgesprochenen Bildniszügen; eine der grössten und künstlerisch bedeutendsten Monstranzen aus der Zeit um 1500, aus einer böhmischen Kirche stammend, von Gustav Adolf an Herzog Philipp Wilhelm geschenkt; der schöne, spätgotische, aus vergoldetem Silber ge- triebene Buchdeckel mit der Krönung Marias, welcher auf der Düsseldorfer Ausstellung 1880 zu sehen war.

Ein spätgotischer Kirchenbau ist die Klosterkirche zu Beyenburg von 1485, später zum Teil restauriert (mit Dachreiter etc.), aber mit einigen alten guten Masswerk Fenstern und prächtigen (um 1700 umgeänderten) Chorstühlen.

Grössere geschnitzte oder gemalte Altarwerke des 15. oder 16. Jahr- hunderts sind in den hier behandelten Kreisen seltener, als in denen der früheren Hefte. Ein tüchtiges Dreiilügelbild in der Art der Schule von Barth, de Bruyn befindet sich in der Kirche zu Homberg. Viel ist in Privat- besitz gekommen.

Von weltlichen Gebäuden des Mittelalters enthält u. A. die Burg zn Angermund noch Gebäudeteile des 13. Jahrhunderts. Bedeutende Schloss- Anlagen finden sich in Burg an der Wupper (s. u.), in Hückeswagen, wo an den Chor der Kirche das Schloss im rechten Winkel stösst und hier in der Ecke ein Turm zusammen mit einem anderen Schlossturm und dem Kirch- turm die sonst einfache Gestalt belebt. Das Schloss des Herrn von Hems- berg in Rheindorf (Kreis Solingen), aus Bauten des 15. oder 16. und 18. Jahrhunderts zusammengesetzt, wirkt trotz wenig schmuckvoUer Ausbildung ebenfalls malerisch durch Gruppierung der Teile und durch hohe Dächer,

hecensionett. §59

sowie durch die Stellung bei der Kirche, deren alter Turm dahinter mit schlankem Helm aufsteigt. Das gräflich Mirbachsche Schloss zu Vorst ist eine sehr ausgedehnte Anlage, wohl geeignet, die IJefestigungskunst des 14. und 15. Jahrhunderts zu illustrieren.

Im 16. Jahrhundert nahm das Herrscherhaus, trotz der unglücklichen Umstände der Regenten selbst, dennoch Teil an dem Aufschwang der Kultur und so auch der Kirnst; mit glänzenden Festen ging eine bedeutende Ban- thättgkeit Hand in Hand. Düsseldorf ward 1511 zur Landeshauptstadt er- hoben und erblühte kräftig. 1570 ward das stattliche (1749 erneuerte) Rathans als ein dreistöckiger Backsteinbau mit vortretendem kuppelbekröntem Trep- pentnrm und Schweifgiebeln errichtet. Umfangreiche Schlossbauten entstanden überall im Lande. So das jetzt den Reichsfreiherren von Fürstenberg ge- hörige Hugenpoet, eine Gruppe von zwei Yorburgen und einem Herrenhaus, Bauten von 1500 und 1648—1696 (an Stelle eines mittelalterlichen); den Hauptschmuck bilden mehrere steinerne Kamine, besonders zwei von 1577 und 1578, die glänzendsten Werke der rheinisch-westfälischen Spätrenaissance unter niederländischem Einfluss. Dass sie ebenso schön im Aufbau wie in der Ausfühning der Ornamente und Figuren (biblischer und klassischer Reliefs, Figuren des alten Testaments und der Allegorie) sind, zeigen ein schöner Lichtdruck und eine Autotypie.

Ähnliche Anlage von rechtwinklich um einen Hof gruppierten Flügel- bauten weisen die Schlösser von Heitorf und Kalkum (um 1500) im Kreis Düsseldorf, von Graven und Nesselrode im Kreis Solingen auf. Gefällig restauriert ist das Schloss des Freiherm von Landsberg-Velen in Landsberg.

Der nach dem Erbfolgekrieg 1624 erfolgte Übergang des Landes an das (seit 1615) katholische pfalzgräHich bairische Herrscherhaus brachte manches Neue, Schwierigkeiten und Anregungen, ein neues kirchliches Wesen und einen im Laufe des Jahrhunderts immer mehr von Frankreich bceinflussten Fürstenhof.

Für die im Jahre 1619 nach Düsseldorf gekommenen Jesuiten wurde 1622 durch den Herzog Wolfgang Wilhelm die Andreaskirche begonnen und 1629 eingeweiht (in gleichem Jahre wie die Jesuitenkirche in Köln), eines der besten Beispiele des rheinischen Jesuitenstils, ein dreischiffiger Hallenbau mit zwei Türmen am Ende des Langhauses nach dem Chor hin, einem drei- seitig geschlossenen Chor mit Schweif kuppel, an den sich noch das aussen zwölf- innen sechseckige Mausoleum mit Schweif kuppel, Aufsatz und Kuppelchne anschliesst. (Clemen schreibt : nach Norden, während die Zeichnung das Mau- soleum in Axenfortsetzung der von Clemen als Westfa(;ade bezeichneten und demnach auch entsprechend orientierten Front angiebt). Die ganze Kirche ist im Innern (guter Lichtdruck bei Clemen) auf das Reichste architektonisch oma- mental und figürlich mit Stuck verziert (Vorbereitung auf Christum, Drei- faltigkeit, Engel, Propheten, Verwandte Christi, Evangelisten und Heilige, schliesslich Büsten der Heiligen Ignaz und Franz Xaver, die auch nebst anderen Heiligen in Holzfiguren an den Wänden aufgestellt sind). Den Altar schmückt ein bedeutendes Gemälde der Kreuzigung aus der Schule von Rubens. Der Schatz enthält eine grosse Anzahl von Silberarbeiten des 17. und 18. Jahrhunderts, zum Teil interessante Beispiele für Rococco-Omamentik

360 Recensionett.

im kirchlichen Dienst, sowie kostbare Paramente, sowie eine schwarze Men- gewandang mit gold- und silbergestickten Blumen, durch Autotypie wieder- gegeben.

Die für die 1650 nach Düsseldorf gekommenen Franziskaner gebaute Kirche enthält in ihrer Ausstattung manches ältere hervorragende Erzeugnis, so ein bronzenes Adlerpult von 1449 aus der Abtei Altenberg, dem aachener Lesepult ähnlich. Die 1680—97 gebaute Franziskanerkirche zu Neviges lässt aussen ionische Pilaster auf drei Seiten, mitteklterliche StrebepfeUer auf der vierten Seite sehen.

In Qräfrath wurde die im 13. Jahrhundert gebaute Klosterkirche nach Brand im Jahre 1690 mit Benutzung älterer Teile neu aufgeführt, im Innern in den schwungvollsten Formen des malerischen Barock ausgestattet, mit Säulen-Altären, deren gebogene und gebrochene Architrave architektonisch belebt erscheinen, wie die plastischen Werke zwischen den Säulen, danmter im Mittelaltar eine Mariengruppe in Wolken -Strahlenkranz, im Nordaltar eine Reiterstatue des heil. Georg mit dem Drachen fast theatralisch lebhaft. Der Schatz birgt prachtvolle Werke des Mittelalters, Monstranzen, Reliquiare (eines in Kreuzform von dem gleichen Meister, wie die zu Gerresheim und Ratingen), gotische Reliquientafeln mit Yierpass-Yerzierungen, auch eine by- zantinische Reliquientafel des 12. Jahrhunderts mit einer gemalten Madonna in verzierter Umfassung von vergoldetem Silber.

Das kriegerische Wesen der Epoche zeigt sich in Burgenbauten und Stadtbefestigungen. Das recht normale Beispiel einer Wasserburg vom Ende des 17. Jahrhunderts giebt Schloss Hardenberg mit doppeltem Graben und vier Ecktürmen auf dem ummauerten Zwischenwall. In den grösseren Stadt- befestigungen wurde das Fortifikationssystem zumal am Niederrhein unter direktem niederländischem Einüuss zu einer Kunst erhoben. Ist es schon oft nicht leicht, ein grösseres und verwickeltes Bauwerk mit seinen Jahrhunderte lang fortgesetzten Änderungen, Hinzuthaten und Zerstörungen dem Leser kurz und dabei deutlich vor Augen zu führen, so gilt dies in noch höherem Masse von rein praktischen Anlagenl, wie Stadtbefestigungen, deren allmäh- liches Umbilden zu den interessantesten Aufgaben des Kulturhistorikers ge- hört. So ist die periodenweise Darstellung des Stadtbefestigung von Düssei- dori doppelt schätzenswert, die Giemen durch Wiedergabe von Plänen der Zeiten des 13., 14., 17. und 18. Jahrhunderts, in gleichem Massstab, auf das Glücklichste unterstützen konnte. Nicht ohne Reiz ist auch die Stadtbe- festigung von Ratingen (bes. 16. und 16. Jahrb.).

Im Jahre 1690 wurde Jülich-Berg mit der Kurpfalz vereinigt und Düsseldorf Hauptstadt. Glänzende Projekte, so eine grossartige Schloss-An- lage am Rhein, kamen aus Mangel an Geldbewilligungen seitens der Stände nicht zur Ausfuhrung. Dafür baute der Kurfürst Johann Wilhelm die alte Residenz aus (1756 umgestaltet, 1872 abgebaut) und führte im Lande zier- liche Schlösschen auf. Eine Menge der damals bedeutenden auswärtigen Künstler wurden an den Hof gezogen und beschäftigt, Architekten aus Italien, der Bildhauer Gabriel von Grupello und der Maler Adrian von der Werff aus den Niederlanden; ausserdem die Maler Johann Franz Douven, Antonio Pellegrini, Domenico Zanetti und Andere. Damals entstand auch die be*

RecensioneA. 361

rühmte Düsseldorfer Gemäldegallerie, die 1806 zum Schmerz der Stadt nach München übergeführt wurde. Von Grupello ist u. Ä. die Reiterstatue des Kurfürsten auf dem Markt in Düsseldorf, 1711 aufgestellt, im Stil der da- maligen imperatorenhaft gehaltenen Bildsäulen ; das ruhig ausschreitende Ross gut und edel gebildet, der Kurfürst steif, weniger gelungen. Freilich passen auch das runde Gesicht und der untersetzte Körper wenig zu der Haltung des gerüsteten Feldherm, der mit Allongenperücke und Fürstenhut darge- stellt, den Kommandostab gebieterisch hebt. Wahrscheinlich auch von Gru- pello ist die stehende Bronzefigur desselben Fürsten, ebenfalls in Rüstung mit Feldhermstab, im Gartensaal des Jägerhofes zu Pempelfort; Marmor- werke von ihm sind die Büsten des Kurfürsten und seiner Gemahlin Maria Anna im Treppenhause der Kunstakademie, kleinere Bronzewerke eine Büste des- selben Fürsten, Figuren der Minerva und des Paris in der Landesbibliothek zu Düsseldorf. Gemälde von van Douwen kann man u. A. im Schlosa des Reichsgrafen von Spee in Heitorf kennen lernen.

Im 18. Jahrhundert wurden von den pfälzischen Regenten zunächst deren Stammlande mehr berücksichtigt; unter Karl Theodor aber nahm das Land und besonders Düsseldorf in der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts einen hohen Aufschwung. Der Bau von Lehranstalten und nützlichen Ge- bäuden wurde unternommen, doch entstanden auch Gebäude, die mehr zum Schmuck dienten. Das stattliche Jägerhaus in Pempelfort wurde im Über- gangsstil vom Roccoco zum Zopf nach französischen Mustern ausgeführt. In Benrath wurde 1755 durch den Architekten Nicol. de Pigage, der auch in Mannheim und Frankfurt a. M. thätig war, das Palais in höchst geschick- tem Grundriss und in vornehm villenartigem Stil ausgeführt und die Garten- anlage (de Pigage ist auch der Schöpfer der Schwetzinger Gärten) in wahr- haft künstlerischer Weise entworfen. Der Bildhauer Baumgärtgen war für den Hof thätig; eine von ihm in Marmor gearbeitete Statue des Kurfürsten Johann Wilhelm wurde auf dem Schlosshof zu Düsseldorf (an Stelle einer fortgekommenen Fontaine von Grupello) aufgestellt, neuerdings nach einem Hof hinter dem alten Galleriegebäude gebracht.

Elberfeld und das jülichsche Bergland traten im 16. und 17. Jahr- hundert an politischer Bedeutung gegen den Düsseldorfer Landesteil zurück. Dafür gewann es an Selbständigkeit. Diese äusserte sich in der energischen Durchführung der Reformation, welche gerade hier später durch den Pietismus eine besondere Färbung gewann, und in dem rapiden Aufschwung der Industrie. Giemen behandelt die geschichtliche Seite der Metall- und Textil - Industrie in seiner Vorrede kurz, doch interessant.

Im Gefolge hiermit entwickelte sich auch eine starke weltliche und kirchliche Bauthätigkeit in Elberfeld, Barmen, Solingen imd andern Orten. Die Häuser wurden in der alten Form des bergischen Hauses in Fachwerk mit Schiefer- oder Schindelverkleidtmg gebaut, mit etwas schmuckvollerer Ausstattung der Giebel, Fenster und Thüren. Sie sind freilich nicht an- nähernd zu vergleichen mit den reizvollen imd malerischen Bauten des Mittel- rheins und der Mosel oder Niedersachsens; auch die von Giemen gegebenen Abbildungen aus Elberfeld, Solingen und anderen Orten bekunden dies.

Zahlreiche Kirchen entstanden, der Strenge des reformierten Kultus

362 fteccnsionet).

entsprechend als einfache Saalbauten, nur in Zwiebelknppeln mit liatcmen- Aufsätzen etwas lebendiger gestaltet. Gute Beispiele geben die lutherische und die reformierte ICirche zu Elberfeld, erstere 1752, letztere mit Benutzung einer romanischen Apsis 1690 errichtet, die Kin^he zu Lennep. Reiz gewannen sie durch das Kunstgewerbe. Der Vorhof der evangelischen Kirche zu Mett- mann schliesst mit einem vorzüglich, um 1775 geschmiedeten (durch Licht- druck wiedergegebenen) Roccoco-Gitter ab.

Die neueste Zeit interessiert uns inbezug auf uffentliche oder private Sammlungen wertvoller Werke aus vergangenen Zeiten und durch Restau- rationen älterer Denkmäler.

unter den Sammlungen sind in Düsseldorf das Gewerbemuseum, das historische Museum und die Landesbibliothek bekannt; letztere von Clcmen sehr zweckentsprechend summarisch und doch mit den notigen Angaben für SpezialStudien behandelt ; bei den Bilderhandschriften (auch des Staatsarchivs) ist zu unserer Freude unbeschadet des in Aussicht gestellten Sammelwerkes auch im vorliegenden Heft dfts Bedeutsamste hervorgehoben, um dessenwillen ein Forscher nach Düsseldorf zu gehen hat. Eine so wohlhabende Stadt wie Düsseldorf hat begreiflicher Weise auch hervorragende Privatsammlungcn, besonders von Gemälden und kunstgewerblichen Erzeugnissen, so die des Herrn W. Dahl an holländischen Bildern, die des Herrn O. Ranters an römischen und germanischen Funden.

Die von A. Fahne zusammengebrachte Gemäldesammlung in dem Schlosschen zu Gerresheim, jetzt Herrn Pflaum gehörig, die grösste nieder- rheinische Privatsammlung, enthält namentlich Bilder des 17. und 18. Jahr- hunderts, besonders der Hofkünstler des Kurfürsten Johann Wilhelm (Nieder- länder und Italiener). Im Schloss Hugenpoet befindet sich die bedeutende, früher auf Haus Borbeck bewahrte Sammlung niederländischer und nieder- rheinischer Gemälde (Schule des Meisters des Todes der Maria).

Von bedeutender Restaurationsthätigkeit weiss das Schloss Burg (Kreis Lennep) uns Gutes zu lierichten. Im 12. Jahrhundert von den Grafen von Berg gegründet, im 13. ausgebaut, in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts und im 16. Jahrhundert in einzelnen Teilen (Palas, Thorhaus etc.) umgebaut, in den Kriegen des 17. Jahrhunderts mehrfach beschädigt, 1648 ziemlich zer- stört, nach 1707 wieder bewohnbar gemacht für bergische Amtleute, 1807 preussischer Staatsbesitz geworden, für Fabriken und noch untergeordnetere Zwecke vermietet, 1849 weiter demoliert, um Holz und Eisen für einen Bau in Elberfeld zu gewinnen, kurz in der traurigsten Weise misshandclt, wurde es 1887 durch das bergische Volk dem völligen Untergang entrissen. Auf Anregung des Herrn J. Schumacher wurde ein Verein gegründet, der dank der kräftigen Unterstützung hochverdienter Männer bis 1894 aus frei- willigen Beiträgen 130000 Mark zusammenbrachte. Nach Plänen des Archi- tekten Fischer in Barmen wurden unter genauer Berücksichtigung der vor- handenen Reste 1890 der Thorbau, in den folgenden Jahren der Palas und der Kapcllenbau und die übrigen Gebäude hergestellt, um nun für Erholnng» Feste und Sammlungen heimischer Kunst- und Industrie - Erzengnisse alter und neuer Zeit zu dienen. Ein wahrlich grosses und schönes Unternehmen! Abbildungen bei Clemen geben die Grossartigkeit des Bnrgkomplexes, den

ttecensionett.

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kunstgescilichtlichen Wert der alten Teile und die geschickte Ausführung der Wiederherstellung wieder, und so sehen wir hier am praktischen Bei- spiele, wie die Bestrebungen, die vaterländische Eunstpflege durch Rede und Schrift zu heben, auf gunstigen Boden fallend, allseitig Nutzen stiften. Der Weiterbau am Alten giebt auch im geistigen Sinn kräftige Gnmdlagen und Stützen zu neuen Entwickelungen und Fortschritten. Und darum sei auch die zur Erkenntnis dieser Güter beitragende Denkml^er- Aufzeichnung ferner- hin allen Wohlgesinnten empfohlen.

WMtd. Zeitschr. f. Gesch u. iCiinst XI V, IV.

27

Moseographie über das Jahr 1894.

1. Schweiz, Westdeutschland und Holland.

Redigiert von Dr. H. Lehner.

Schiveiz.

Q Basel, Hittoritcbet Museum I S. 518,

II, iv-vni.

Am 21. April 1894 wurde das Mu- seum in dem neuen Raum, der Bar- fQsserkirche, eingeweiht.

An Altertümern wurden erworben: 1) Griechisch: Vase mit Henkel und Trinkgefäss aus Thon, aus Ägypten.

2) Komisch: Grabmonument aus Angst, Inschriftstein aus Äugst, 2 Thon- lämpchen, eine Schüssel aus Bronze, gef. bei Martigny, eine Goldmünze des Munatius Plauens und drei andere römische Münzen.

3) Alamannisch: Ein Grab, aus- gegraben bei Brombach im Wiesenthal.

4) Aus dem 13. bis 19. Jahrb.: Grosse Mengen von Waffen, Thon- und Glaswaren, Hausgerät, Kostümen, Mö- beln, Gemälden, Kupferstichen, Metall- arbeiten , Textilgegenständen , Holz- plastik, Spielen, Skulpturen aus Stein, Elfenbein etc., Massen und Gewichten, Schlosserarbeiten, Staats- und Zunft- altertümern, kirchlichen Altertümern, Münzen und Medaillen, Glasgemälden, Architekturteilen, Büchern u. Modellen.

(Nach dem Jahresbericht des Ver- eins für das historische Museum und für Erhaltung Baslerischer Altertümer Jahrgang 1894.)

HohenzoUern.

Sigmaringen, FOrstl. Hohenzollenitches H6a Museum I S. 256, VI-VHI, X, Xll, XIII. Hauptsächlicher Zuwachs seit 1SU4.

A. Skulptur: Diptychon mit vier- zehn Scenen aus der Leidensgeschichte Christi. Hochrelief. Elfenbein. Jede der beiden Tafeln ist in drei horizon- tale, oben von gotischen Dreipässen abgeschlossene Streifen geteilt, welche ohne weitere ornamentale Trennung je zwei resp. drei Passionsscenen ent- halten. Die Darstellungen be^inneo links unten und gehen über beide Tafeln in folgender Reihenfolge fort: Judas empfängt den Verräterlohn. Der Judaskuss. Petrus und der Knecht des Malchus. Christus wird vor Pilatus geführt. Christi Verspot- tung. — Judas am Baume hängend.

Geisselung Christi. Pilatus wäscht sich die Hände. Die Kreuztragun^.

Christus stirbt am Kreuze. Die Kreuzabnahme. Die Grablegung. Christus erscheint der Maria Magda- lena. — Christus in der Vorhölle. n. 0,185, Br. (geöffnet) 0,195 m. Fran- zösisch, 14. Jh. (Aus der Sammlung Spitzer).

B. Metallarbeiten: 1) Zwei Pla- ketten, die Jahreszeiten ; je zwei alle- gorische Frauengestalten in antiker

Museographie.

36&

Gewandung mit den entsprechenden Attributen. Hochrelief. Bronze. H. je 0,10, Br. 0,09 m. Französisch, 17. Jh. 2) Plakette, das Urteil des Paris. Halb- relief. Bronze. Kreisrund, Dm. 0,057 m. Arbeit des Giovanni Fiorentino, um 1500. 3) Plakette, Jupiter Ammon, Brustbild, im Profil nach rechts Flach- relief. Bronze. Oval, H. 0,037, Br. 0,03 m. Italienisch, freie Nachbildung der Antike. Anfang des 16. Jh. 4) Pla- kette, Augustus, Brustbild, im Profil nach rechts. Flachrelief. Bronze. Oval, H. 0,047, Br. 0.032 m. Italienisch, freie Nachbildung der Antike. Anfang des 16. Jb. 5) Plakette, der ungläu- bige Thomas. Flachrelief. Bronze. II 0,078, Br. 0,059 m. Niederländisch, 16 Jh. 6) Plakette, Amor schlafend Halbrelief. Bronze. Rund, Dm. 0,061 m. Arbeit des Fra Antonio da Brescia, um 1500. 7) Plakette, Beweinung Christi. Flachrelief. Bronze. U. 0,046, Br. 0,042 m. Italienisch, Mittf^ des 16. Jh. 8) Plakette, Kreuzigung Christi. Halbrelief. Bronze. H. 0,113, Br. 0,077 m. Arbeit des Moderno, um 1500. 9) Plakette, Hercules den ne- meischen Löwen erwürgend. Halbrelief. Bronze. H. 0,077, Br. 0,058 m. Ar- beit des Moderno, um 1500. 10) Pla- kette, eine Muse (Melpomene ? ), Frauen- gest alt in antiker Gewandung, mit leb- hafter Handbewegung nach links ge- wandt. Halbrelief. Bronze. H. 0,0«, Br. 0,051 m. Arbeit des Peter Flötner, Nürnberg, 1. Hälfte des 16. Jh. 11) Bronzemedaille. Vs. Das Brust- bild des Fürsten von Rimini, Sigismund Pandulfus Malatesta, im Harnisch, linkshin. Umschrift: SIGISMVNDVS PANDVLFVS MALATESTA PAN F ' Rs. Ansicht des Kastells von Rimini. Umschrift: CASTELLVM SISMVNDVM ARIMINENSE M CCCC XLVI. Dm. 0,084 m. Arbeit des Matteo de' Pasti; bez. 1446. 12) Bronzemedaille. Vs. Das Brustbild des Erzherzogs Maximilian, von der rech- ten Seite, mit langem Lockenhaar, ein Kranzlein auf dem Haupte. Um- schrift: MAXIMILIANVS FR CAES F DVX AVSTR BVRGVND. Rs. Brustbild seiner Gemahlin Maria von Hurgund, von rechts, das Haar in ei- nen Knoten geschlungen. In ihrem Rücken ein Monogramm unter einer Krone. Umschrift: MARIA KARO LI

FDVX- BVRÖVNDIAE- AVSTRIAE- BRAB-C-FLAN: Dm. 0,048 m. Ar- beit des Giovanni de Candida, um 1477.

13) Bronzemedaille. Vs. Lorbeerbe- kränztes Bildnis des Caracalla als Knabe (freie Kopie einer römischen Münze) Umschrift: ANTONINVS PIVS AVGVSTVS. Rs. Ein nackter Mann (der Künstler?) sitzt, die Hände vor das Gesicht haltend, nach rechts gewandt; ihm gegenüber der schlum- mernde Todesgenius, auf einen Schä- del gestützt, in der Linken eine Flamme. Umschrift: 10 * SON FINE. Unten MCCCCLXVI. Dm. 0,09 m. Arbeit des Yenetianers Giov. Boldu, bez. 1466.

14) Bronzemedaille. Vs. Das Brust- bild des Dogen M. Anton. Memmo, nach rechts gewandt, im Dogenornat. Um- schrift: MARCVS ANTONIVS MEM- MO DVX VENETIARVM. Rs. Brust- bild des Cardinais Maphaeus Barberini, nach rechts gewandt, bärtig, mit Barett. Umschrift: MAPH S R E P CAR BARBERIN ' SIG IVST PRAE BONO LEG. Dm. 0,092 m. Arbeit des G. Dupr^, bez. 1612.

C. Kleinodien: 1) Armband mit sieben hochovalen in Gold gefassten Medaillons von verschiedener Grösse, welche in Pfirsichkern geschnittene, antikisierende Reliefköpfchen zeigen. L. 0,19, grösste H. 0,03 m. Die Fassung modern; die geschnittenen Kerne italienisch, Anfang des 16. Jh. 2) R ng, Hörn mit Messingbeschlag ; auf der achteckigen Messingplatte ein Krystalltafelstein. (Landsknechtsring.) Dm. 0,04 m. Schweiz oder Süddeutsch- land, Anfang des 16. Jh. 3) Ring, schmaler Goldreif mit einem Smaragd in hohem Kasten, dessen Flächen mit Email geschmückt sind. D. 0,025 m. Deutsch, 16. Jh.

D. Thonarbeiten: 1) Migolika- schüssel, kreisrund, auf Ringfnss. Im Spiegel S. Johannes der Täufer als Kind, in kreisrunder Umrahmung; als Randverzieruog ein Fries von Füll- hörnern und Palmetten. Blaumalerei mit Überdekoration von metallischen Lüsterfarben (Gelb und Rubinrot). Dm. 0,23 m. Gubbio, bez. 1531. 2) Majolikateller, rundlich, mit ausge- schweiftem Rande und muschelartigen Buckelungen, auf Ringfuss. Mit viel- farbiger Bemalung. Im Spiegel ein männliches Brustbild („OMERE"); da-

27*

366

Museographie.

ram ein breiter Fries mit Feldern, welche durch Vasen, Ranken und Masken ausgefüllt sind. Dm. 0,25 m. Faenza, Mitte des 16. Jh. 3) Majo- likateller, kreisrund, Blaumalerei mit metallischem Lüster. Im Spiegel eine nach links schreitende Frauengestalt, welche in der Rechten ein von Pfeilen durchbohrtes Herz, in der Linken eine Blume trägt. Der breite Rand zeigt vier durch radiale Streifen abgeteilte Felder mit Schuppenwerk und Pal- mettcn. Dm. 0,41 m. Diruta, Anfang des 16. Jh. 4) Schnelle mit senkrech- tem Henkel und Zinndeckel, Stein- zeng, braun glasiert. Auf der Brust ein hochovales Grotteskenrelief in der Art des Etienne de Laulne. H. 0,81 m. Raeren, Arbeit des Jan Emens, zweite Hälfte des 16. Jh. (Grob bei s.)

Baden.

37 Konstanz , Rosgarten - Museum von I

S. 255 durch alle folgenden Jahre.

Durch Umordnunffen der Sammlun- gen im Neubau ganz in Anspruch ge- nommen, muss ich heuer Schilderungen der neuen Funde und Erwerbungen in unserer Gegend unterlassen und mit nächstfolgendem Berichte nach- folgen lassen.

(Ludwig Leiner.)

38 Überlingen, Kulturhistorisches und Na- turallen-Kabinet I S. 256, IV—YIII, X, XI, XII, XIII.

Im letzten Jahre wurden für unsere Sammlung neu erworben: an Pfahl- baugegenständen: Steinbeile mit und ohne Handhaben, durchbohrte Steinbeile, Nephritbeile, Feuerstein- pfeilspitzen, Thongefässe, Spinnwirtel, Thonscherben , Geweihhämmer mit Schaftloch, Äxtchen und Nadeln aus Knochen und Geweihstücken etc. aus den Stationen Bodman, Sipplingen, Staad und Immenstaad, nebstdem noch Bronzegegenstände aus den Stationen Uhldingen und Lützelstetten ; aus der Hallstattperiode ein Antennen- SchwertgrifF aus Bronze, gefunden bei Überlingen ; an altertümlichen Waffen ein sog. Schweizer Morgenstern; an Me talig er äten ein altes Thorschloss, ein Messing-Bügeleisen, altertümliche Hufeisen, ein altertümlicher Sporn, eine Kollektion „Beschläge mit Gravierun- gen, das Überlinger Stadtwappen in Gusseisen; an Steindenkmälern

eine gotische Säule mit Meisterzeicheo, eine Säule mit Renaissance- Ornament; an Holzschnitzereien: zwei Kon- solen aus Eichenholz, ein Kruzifix ans Buchsbaumholz, einige Statuetten; an Hausgeräten: eine Standuhr mit Postament aus Salem, ein Körbchen mit Brocatstickerei, eine Ilandnudcl- maschine; an Trachten: eine Rad- haube mit goldgesticktem Boden, eine ächte Überlinger Goldhanbc, eine Schwarzwälder Haube mit goldgestick- tem Boden; an Münzen: eine mexi- kanische Kupfermünze, eine nordameri- kanische Silbermünze, einige ßraktea- ten; an Gemälden, Kupferstichen u. dergl. : ein Yotivbild vom ehemaligen Wallfahrtsorte Maria -Stein, 2 grosse Heiligenbilder aus der Schweiz, Porträt des Mystikers Amandus Suso, Abbil- dung des ehem. WaibePschen Patrizier- hauses (in Öl), ,.4 Landschaften der Umgegend von Überlingen (Aquarell- malerei), 2 Kupferstiche Claude Lor- rain'scher Landschaften, Portrat eines ehem. Überlinger Cavalleristcn , ein Lehrbrief aus Rottweil.

(Lachmann.)

Villingen, AltertOmertammlung I S. 250,40 VI, VHI.

Angeschafftwurden : Einzelne Costa m- stücke, eine ganze Trachtenfigur, ein Sopha und einige alte Sessel, verschie- dene Münzen und eine Sammlung von Weihnachts - Figuren (Krippenbilder), Aquarellmalerei aus dem Anfange des 18. Jahrb. Die Bibliothek wurde er- weitert durch Ankauf einiger neuer Geschichtswerke.

(Ferd. Stock er)

Karlsruhe, Grotsherzogl. Sammlungen 42 fOr Altertums- und Völkerkunde I S. 257, H— XIH.

Unternehmungen sind im Lauf des Jahres nicht vorgenommen worden.

Zuwachs der Sammlung ca. 160 Num- mern, darunter ein romanisches Fenster- gewände mit 2 Bogen, Tierfiguren und Ornament, aus Landstein, von der ehe- maligen Burg Schweinberg bei Buchen, ein römischer Meilenstein des Gordia- nus (s. Korrbl. 1894 XIII, 120) von Sinzheim, A. Baden, romanische Boden- fiiessen und andere Fundstücke von der Turmberg- Ruine bei Dorbach, eine Schnabelkanne von Bronze aus einem Grabhügel bei Rastatt (beim Bau der strategischen Bahn gefimden), ein klei-

MuBeographie.

367

ner jcemalter Flugelaltar mit der Figur des 111. Sebastian, 18. Jahrh., vou Liu- delbach bei Wertheim.

Eiue iu deu letzten Jahren begou- neneSammluug badischer Trach- ten und Hausgeräte ist soweit ge- diehen, dass so ziemlich sämtliche Landestrachten in Originalen repräsen- tiert sind Der Aufstellung stehen noch räumliche Schwierigkeiten entgegen.

Die Sammlung für Völkerkunde (5100 Nummern) hat namhaften Zu- wachs aus Süd- Afrika, West-Borneo, der Ostküste von Sumatra und beson- ders au3 Deutsch Neu Guinea von noch iu der Steinzeit lebenden Völkerschaf- ten erhalten. (E. Wagner.)

45 Mannheim, Vereinigte Sammlungen des Grossh. Hof-Antiquariums und des Alter- tumt-Vereint 1 S. 258, 11— XIII.

Unternehmungen: 1) Die Ausgrabung des Gräberfeldes am Atzelberg bei Uvesheim (A. Mannheim), vgl. Museo- graphie XI, 1, wurden im Okt. 1894 wieder aufgenommen und zu Ende ge- führt. Es ergaben sich diesmal 2 vor- römische Brandgräber (mit den früheren zusammen 6), davon 1 gestört (m. d. früh. zus. 3 gestört); 4 vorrömische Bestattungen (m. d. f. z. 6, davon 1 gestört), römische Brandgräber 14 (46), davon 6 (16) gestört. Die vorrömi- schen Brandgräber enthielten nurThon- gefasse der jüngeren Bronzezeit; die vorrömischen Bestattungen (La T^ne- Periode) allerlei Bronzeschmuck wie Ohrringe, Armringe, kleine Plättchen und Perlen von Bronze ; die römischen Gräber teilweise Reste von Holzsärgen mit Eisennägeln und die gewöhnlichen Beigaben an Thongefässen, darunter eine tadellos erhaltene Reliefschüssel von terra sigillata mit dem Stempel |VITlAll.g///|, ferner eiserne Messer, Scheeren, Glasreste und einige Münzen, MB. des Hadrian und M. Aurel. Eiue Gesamtpublikation der Ausgra- bungen wird vorbereitet. Eine Aus- srabung in Ladenburg, Gewann Lust- garten, förderte röm. Grundmauerreste mit teils Cementboden, teils Thonplat- tenbelag, zu Tage, deren Zusammen- hang früher zerstört und nicht mehr nachweisbar war; dabei keine nennens- werten Funde. Die Fortsetzung der Ausgrabungen der Reihengräber in Fendenheim (vgl. Museographie XI)

musste wegen Bebauung des Feldes verschoben werden.

Ztiwaclis: Römische Inschrift aus Ladenburg, gef. auf dem z. Z. von Gärtner Kaschuge gepachteten, dem Schulfonds Heidelberg gehörigen Grund- stück in den Burgäckern ** unweit (nördl.) der Römerstrasse nach Neuen- heim: Läufer von Sandstein, 2,75 m lang, 37 cm hoch, 23 cm tief; auf der einen, nicht sehr sorgfältig bearbeiteten Langseite T- FL ifn »m p in 21 cm hohen ziemlich nachlässig gearbeiteten Buchstaben (P ist offen). Dabei lagen noch zwei kleinere inschriftlose Stein- quader. In dem Acker, der z. Z. als Baumstück angelegt und deshalb für Grabungen unzugänglich ist, sind höchst wahrscheinlich bedeutendere römische Gebäudereste verborgen Ziegel mit Stempeln der XIV. Legion aus Hocken- heim (Amt Schwetzingen), gefunden 5 Minuten südlich vom Städtchen im neuen Kraichbachbett in einem zer- störten Bauwerk von angebl. kreisrun- dem Grundriss und 1,5 m Dm., das aus Ziegeln und mit Ziegelstücken vermengtem Mörtel hergestell war, vielleicht ein Töpferofen. Die Stempel (5 vollständig, 8 in Bruchstücken er- halten) zeigen verschiedene Typen: L XHII, LEG XIIII, L XHII G und L XIIU G W und sind nach G. Wolff in die Zeit von 70—83 p. Chr. zu setzen. Ebendort wurden beim Neu- bau der Brücke in der Bahnhofstrasse mehrere alte Hufeisen und im Pfarr- hof eine ornamentierte schwarzgraue Thonschüssel aus der Merovingerzeit gefunden. Eine römische Nieder- lassung in unmittelbarer Nähe von Hockenheim war bis jetzt noch nicht nachgewiesen, und insofern ist der Fund auch für die Strasseoforschung von Wichtigkeit. Die bedeutenden altern Funde, über die in den Bonner Jahrbb. X, 3 berichtet ist, lagen im Wiesengrund, eine Stunde westlich vom Ort, gegen Speier zu. Unter den Erwerbungen aus dem Mittelalter und der neuern Zeit sind zu nennen: Skulpturen in Sandstein aus Laden- burg, ein schmiedeisemer Lichtspahn- halter in Renaissancestil und eine be- malte Thonschüssel von 1758 mit dem Spruch : „Wan der Hass dete brennen wie das Feuer, so war das Holtz nit halb so deuer**. Unter den erworbe-

368

Museographie.

nen Portraits ist eine Büste Ludwig Haussen hervorzuheben. An das Re- volutionsjahr 1849 erinnern u. A. zwei Bilder, die Scenen aus dem Gefecht bei Waghäusel, und zwei andere, die den Übergang des badisch-pföl zischen Revolutionsheeres auf Schweizer Ge- biet (am 11. Juli 1849) darstellen. Zwei Fahnen des ehemal. Mannhc imer Bürgermilitärs wurden in der Samm- lung deponiert. Von charakteristischen alten hiesigen Gebäuden, die abge- brochen werden, wurden photogra- phische Abbildungen der Sammlung einverleibt, auch wurden die anläss- lich von siädtischen Festlichkeiten (z. B. Kaiserdenkmal enthüllung) er- schienenen Flugschriften gesammelt. Die Bibliothek erfuhr durch An- käufe, Schenkungen und Schriften- tausch mit etwa 100 befreundeten Vereinen und Instituten zahlreichen und wertvollen Zuwachs.

Für das Antiquarium (auf städtische Kosten) erworben: 1) Der Inhalt zweier Gräber (Arnoaldi- Veli), gef. bei Bo- logna. 2) Bemalte Terracottafigur, sitzendes Mädchen mit Fächer, aus Korinth. 3) Zwei archaische Thonge- fasse und eine Bronze - Strigilis aus Attika. 4) Ein Salbgefäss aus Ala- baster aus Korinth. 5) Ein Glasbecher aus Kreta. (Vgl. den demnächst er- scheinenden Bericht im Archäolog. Anzeiger).

Als Vereinsgabe für 1894 ist der von Professor Caspari verfasste Kata- log der Bibliothek, für 1895 die Ab- handlung von Prof. Mathy: Studien zur Geschichte der bildenden Künste in Mannheim im 18. Jahrb., ausge- geben worden. Das Verzeichnis der Pfälzer Münzen und dasjenige der Siegelsammlung, beide mit IHustratic- nen, wird 1896 erscheinen.

Die Neu-Aufstellung der vereinigten Sammlungen in den erweiterten Räu- men wurde durch die umfassenden baulichen Wiederherstellungen am Grossh. Schloss verhindert; eben des- halb mussten die Sammlungen auch während des laufenden Sommers ge- schlossen bleiben.

(K. Banmann).

Mittelrliein.

50 Darmstadt, Grotslierzoglicliet Museum I S. 263, lU, V-XIU.

Zugänge in 1894 '95 der archäolo- gischen, kunstgewerblichen und ethuo logischen Sammlungen. A. Archäo- logische Sammlung. 1. Römische (griechische und ägyptische) Al- tertümer, a) Ankäufe und Fuudc: 1 bauchiges Gefäss von gebr. Thou, Fund- ort Dieburg. 2 Münzen, Mittelbronzen, je eine des Vespasian und der älteren Faustina, Fundort Dieburg. 1 Klein- bronze, Avers: Salonina Aug., Revers: Pudicitia, Fundort Gemarkung Büttel- boni. Gewann Winkelseite, bekannte Römerstätte. 1 Bruchstück einer Re- liefplatte von rotem Sandstein, dar- stellend die Wocbengottheiten und Bil- der aus dem Tierkreise, wahrschein- lich aus einem Mithraeum stammend, Fundort Dieburg, Frankfurterstrasse; vgl. Abb Quartalblätter des Histor. Vereins für das Grossherzogt. Hessen, neue Folge, Bd. I Taf. XIII. 1 Stück einer Juppitersäule, oberer Teil des geschuppten Schaftes mit Composit- kapitell, das je eine Büste in der Mitte der 4 Seiten aufweist; beide Enden des Steines schliessen mit ge- raden Flächen ab, in deren Mitte sich je ein Zapfenloch befindet; Gesamt- höhe 1,35 m, Fundort röm. Brunnen in der Gemarkung Dieburg. Der Schlangenmensch war auch aufgefun- den, aber zerstört worden. Eine sehr grosse Anzahl Gefassscherben von grauem Thon und terra sigillata, auf einer der letzteren der Stempel IV- CVNDVS, 2 Haarnadeln von Bein, eine Anzahl eiserner Werkzeuge und Geräte, sowie 1 ganzes Schälchen von terra sigillata bilden die Ausbeute einer im Garten des Herrn Kreisstrassenmeisters Völker in Dieburg aufgefundeneu rö- mischen Abfallgrube, vgl. Quartalblät- ter des Histor. Ver. für das Grossher- zogtum Hessen, Neue Folge, I. Bd. S. 437. Stück einer Palmette von gebr. Thon, Fundort Dieburg, Garten dessel- ben Hrn. Völker. 1 rechteckiges Plätt- chen von scharf gebranntem Thon, 0,222 —0,10 m Seitenlänge und 0,041 m Dicke, an den Schmalseiten profiliert. Die Hälfte eines gl eichen Plättchens. 1 Dach- ziegel, 12 desgleichen, deren Falze weg- geschlagen waren; sie bildeten einen geschlossenen Plattenbelag von Smal 4 mit den Schmalseiten an einander ge- stossenen Ziegeln und waren in Mörtel verlegt. Bruchstücke von Säulenschäf-

Museographie.

369

ten and Basen ans rotem Sandstein; die Schaftstücke sind glatt, die Basis ist die attische mit einfach gekehltem unterem Torus. Ein kleines Stück eines Säulen kapitells mit Schilfblättern.

1 Sockelstück von rotem Sandsein, be- stehend aus Platte und Schräge. Bruch- stücke einer Schale von terra sigillata mit Reliefs : Bogenschütze zwischen je

2 Giganten; an der Aussenwand ver- tiefter Stempelrest ACI///// (Acilius?); 1 Scheibentibel von Bronze, 0,024 m Durchmesser, mit Email Verzierung : (tI eich armiges Kreuz mit ausgerundeten Zwickeln, in denen je 1 kleine Scheibe; l Schlossknopf von Bronze, 0,055 m laug, 1 Signalpfeife von Bronze; 1 Stück zerschmolzener Bronze; t eis. Lanzen- spitze, 0,815 m lanir; 10 eis. Nägel verschiedener Gestalt und Grösse; 1 eis. Schnalle; 1 Beschlag (eis. Platte, 0,065 m lang, mit starkem Nagel); 1 eis. Kastengriff mit gerilltem Bügel; 1 eis. Einsatz - Bohrer, 0,175 m lang; 1 Bandeisen ; 1 Schnitzmesser ; 1 Kör- per von gebranntem Thon, elliptischem Querschnitt und mit centraler Durch- brechung in der Richtung der kleinsten Ausdehnung, Grösse 0,125—0,087 m;| 1 desgl. in Gestalt einer an beiden ! Poleu stark abgeplatteten Kugel mit' centraler Durchbrechung der Höhe nach. Auf der oberen Abschnittfläche sind um die Öffnung herum in gleich- massigen Abständen 6 ringförmige Ver- tiefungen angebracht, erzeugt, wie es scheint, mit einer cylindrischen Röhre. Höhe 0,07 m, Breite 0,10 m. 1 Stück dickes, grünes Glas (Scheibe), 1 Münze, Grossbronze des Kaisers Marc Aurel. Gefunden zu Dieburg auf dem Grund- stücke des Herrn Zimmermeisters Seih an der Frankfurter Strasse bei der Untersuchung einer bis jetzt noch nicht aufgeklärten baulichen Anlage. Ära aus Sandstein; Höhe 0,55 m, Breite 0,41 m, Tiefe 0,27 m.

Auf der IN.(H)0-D-D

G E N 1 O Auf der

Uauptliäche : V I C I V V

L-MRtAWvS

ME S S O R "E

T- EVFEM VS

C V P I T V S

D D

(Die erste Zeile hat kleine Buchstaben; Genio sehr gross, vici v. v, wenig klei- ner als genio, von da an alles gleich- massig gross und zwar wieder etwas kleiner als vici c. v. Das H der ersten Zeile fehlt. Das F der sechsten Zeile wurde bei der liebung beschädigt). Leider lässt sich der Name der Nie- derlassung aus den Buchstaben V'Y nicht erkennen. Der Name MarHa- linius scheint noch nicht belegt zu sein. Bruchstück einer Reliefplatte. Höhe 0,29 m. Breite 0,325 m, Dicke 0,06—0,085 m. Vom Relief sind er- halten : 2 menschliche, mit Jagdstiefeln bekleidete Beine, sowie Vorder- und Hinterlauf eines Tieres: Diana mit dem Hirsche. Von der unter dem Relief befindlichen vierzeiligen Inschrift sind die beiden letzten Zeilen leidlich er* halten, nur fehlt das Ende der vor- letzten Zeile:

L V I N V S AR//// TAR»BTVR-E-V

Herr Geh. Rat Zangemeister vermutet* Silmntis argentarim (?) Biturix (?) ex voto. Bruchstück einer Ära, am Sockel und Gesims gleichmässig profiliert, der Höhe nach ungefähr In der Hälfte der Breite gerissen, die Inschriftfläche fehlt. An den Seiten Reliefdarstellungen, links praefericu- lum, rechts simpidum. Auf der Kopf- fläche ein Zapfenloch. Fundort der 3 Steine: ein ri>m. Brunnen in Die- burg. Demselben wurden weiter zwei grosse viereckige Sockelsteine mit je 1 grossen Zapfenloch entnommen. Früher fand man in demselben bereits einen Inschriftstein, der zu einem Schweinetrog geeignet erschien; die Inschrift ist vollständig ausgetilgt; fer- ner einen grossen altarähnlichen Stein mit gleichem Sockel und Gesims, ohne Schrift und Relief, der jetzt als Grab- stein dient, sowie Arme und Beine ei- ner Statuette, vielleicht des Genius vici. 1 weitbauchiger Krug gedrunge« ner Gestalt, ohne Henkel. Die Mün- dung fehlt Die Epidermis ist samt den einst aufgedrückten Ornamenten, deren Spuren noch erkennbar, und der dunklen Überfärbung geschwunden. Aus dem Rheine bei Wernes ausge- baggert. — 1 Mühlstein von Basalt- lava, am Rande mit Austiefungen zum Zwecke der Befestigung vers^en,

370

Moseographie.

Fundort Heppenheim a. d. B. 1 Stück Wandverputz mit bunter, strei- figer Bemalung, gef. iu den Trümmern eines röm. Gebäudes an der upuen Verbindongsstrasse zwischen Frank- furterstrasse und „Altstadt" in Dieburg. 4 sog. Thräneukrüge, 1 kl. Schale, 1 gr. Napf, sämtlich von rotgelbem Thon, gef. auf einem römischen Be- gräbnisplatze bei Anlage des neuen Friedhofes zu Dieburg, westlich der Chaussee Dieburg-Gross-Umstadt.

b) Geschenke: Bruchstück einer Schale von terra sigillata mit lUlief- darstellungen, je ein Hase und ein Hund in kreisförmigen Medaillons, da- zwischen ein Bäumchen. Gef. in der Fundamentgrube zu einem Neubau des Herrn Zimmermeisters Seib, Flur YIU, östl. des alten Kirchhofs zu Dieburg. Geschenk des Bauherrn ; vgl. Quartal- blätter, Neue Folge, Bd. 1 S. 440. Ein Löffel von Weissbronze, dessen Stielende beiderseits als jonisches Pilasterkapitell behandelt ist. Darunter an der Rückseite die Fabrikmarke ^H. Gef. bei Anlage eines Neubaus zu Hainstadt i. Odw., Geschenk des Hrn. Bürgermeisters Haas daselbst. Dabei befanden sich Stücke eines Gefässes von terra sigillata. £in eis. Messer mit schwerem Heft aus Bronze, dessen Ende ein streng stilisierter Löwenkopf bildet. Gesamtlänge 0,17 m, Fundort Gross-Umstadt, Geschenk des Herrn Friedrich Winter daselbst. Beilar- tiges Werkzeug von Eisen, gef. auf dem „Rückenbruch ** zwischen Heppen- heim a. d. B. und Lorsch. Geschenk des Herrn Weinhändlers Hähnlein in Heppenheim. 7 Münzen, Mittelbron- zen, von denen nur zwei, und zwar auf Faustina jun. und Marc Aurel bestimm- bar sind. Gef. beim Bau der Neben- bahn Weinheim-Fürth bei Birkenau. Geschenk des Herrn Pfarrers Strack zu Birkenau. 1 Mittelbronze Vespasians mit PROVIDENT und S C im Revers, gef. in Dieburg, Geschenk des Hugo Völker, Sohnes des Hrn. Kreisstrassen- meisters Völker in Dieburg. Kupfer- münze Trajans, mittlerer Grösse, mit Cos. VI im Avers und der Revers- legende S P Q R OPTIMO PRIN- CIPI ; im Felde S C. Darstellung im Revers : stehender Mars, auf der Rech- ten eine Victoriola haltend. 1 stark verschliffene Mittelbronze Marc Aurels.

Fundort der beiden: Feldgemarkung Dieburg, „Blutäcker", östl. der Frank- furter Strasse. Geschenk des Herrn Franz Weber I in Dieburg. Eine Scheibenfibel von Bronze mit buntem Email in ringförmiger, conceutrischer Anordnung. Fundort wie die vorge- nannten Münzen, Geschenk des Finders, Herrn Lehramtsassessors Dr. Henkel in Darmstadt. Ein Teller von terra sigillata mit dem gut abgedrückten Stempel AXANTICVS im Innern des Bodens. Eine flache Schale von grauem Thon. Gef. in dem röm. Gräberfelde in Grosszimmern bei Dieburg. Geschenk des Herrn Kreisstrassenmeisters Völker in Dieburg. Eine Schale von grauem, schwarz überförbtem Thon. Höbe 0,045 m, Bodendurchm. 0,06 m, Rand- durchm. 0,135 m. Fundort Büttel born, Geschenk des Herrn Georg Graf 11 daselbst.

c) Zur Ausstellung überlassen: Ein flacher Teller von terra sigillata mit dem viermal auf dem Boden abge- drückten Stempel BOLLI. Gef. in einem fränk. Grabe bei Weinheim in Rheinhessen. Übergeben von Herrn Dr. Greim in Darmstadt

2. Germanische Altertumer. L Praehistorische. a) Ankäufe und Funde : Ein Grabfund aus Klein-Gerau, vgl. Quartalblätter, Neue Folge, Bd. I S. 433 und Abbildungen auf Tafel 13: Ein schlichter Spiralarmring (etwas mehr als 3 Gänge) von Bronze. Die Enden verjüngen sich. Lichte Weite 0,057 m. Vgl. Fig. 5 d. Taf. Eine bogenförmige ]^adel von Bronze (Fig. 18), das obere Ende flachgeschlageu und zur Hülse gerollt; zum Kopf- schmucke gehörig (Spuren der Patina an der Schädeldecke). Länge 0/132 m. Bruchstücke einer gleichen. Ein Ohr- ring von Bronze (Fig. 15) mit einer der Länge nach durchbohrten Perle von Bein als Anhänger. Die Perle des zweiten Exemplars (Fig. 16). Eine Perle von Bein, die Mitte tritt scharf- kantig vor (Fig. 17). Bruchstücke von dünnen und kleinen Bronzeringen. Ein spiralförmiger Fingerring von dünnem Bronzedraht (Fig. 1 3), die Spirale macht 2 Gänge, die Enden spitz zulaufend. Weite 0,017 m Teil eines zweiten, etwas weiteren Stückes (Fig. 14). Zwei Gewandknöpfe von Bein (Fig. 10 u. 11), von der glatten Fläche, der Rückseite,

Muaeographie.

371

auB winklig durchbohrt. Querschnitt kegelförmig. Durchmesser 0,021 m. £ine Schale von gebr. Thou; Hohe 0,075 m, Randdurchm. 0,155 m, Boden- durch m. 0,075 m. Ein Spinuwirtel von gebr. Thon (Fig. 8). Ein kl. kugeliger Gegenstand von hart gebr. Thon mit trichterförmiger Vertiefung an einer Seite (Fig. 9). Bei Meliorationsar- beiten auf Grundstöcken der Gemeinde Büttelbom, Flur „Westerstädt", wur- den gefunden: 17 Feuersteinmesser; 1 Bog. nucleus (Feuersteinkern) mit einem Teil der „Rinde^; Bruchstück eines starken Stcinmeissels ; desgl. ei- nes Steinbeilchens ; 1 Stück Reibstein ; hemisphärischer Gegenstand von gebr. Thon, Höhe 0,044 m, Durchm. der Grundfläche 0,068 m ; Spinnwirtel von gebr. Thon, Querschnitt niedriges Tra- pezy mit scharfen Fingemägeleindrücken an der schräg abfallenden Peripherie ; Bruchstücke grosser Thongefässe. 1 Steinbeilchen, gef. in der Gemarkung Büttelbom ; 1 desgl., gef. ebendaselbst, in der Nähe des „Ueissfeldes^ ; 1 durchbohrtes Steingerät , rundlich, 0,037 m lang, gef. „im Frohngraben" der Gemarkung Büttelborn. 1 schel- lenformiger Anhänger von Bronze, gef. in der Gemarkung Eimsheim in Rhein- hessen bei Anlage des neuen Fried- hofes. — 2 Steingeräte, gef. in der Gemarkung Bettenhausen in Ober- hessen. — 1 Messer von Bronze, gef. in einer Torfgrube bei Pfungstadt, nahe der Bickenbacher Grenze.

b) Geschenke: Ein Grabfund aus dem Distrikt Rossbacherwald der Ober- försterei Windhausen, Kreis Alsfeld; vgl. Quartalblätter, Neue Folge, Bd. I S. 433 f. und Abb. Taf 13: Eine Bauge von Bronze, schlichtes Spiral- armband von 12 Gängen. Lichte Weite 0,055 m. Eine Gewandnadel von Bronze, sog. Radnadel (Fig. 6), Länge 0,20 m, Durchm. des Rades 0,062^0,065 m. Eine desgl., am obe- ren Ende als Doppelspiralscheibe ge- arbeitet, die sich aus dem Stifte her- aus entwickelt (Fig. 7); jetzige Länge 0,16 m, ungefähr 3 cm der Spitze fehlen. Quormass über den Spiralen 0,098 m. Ein kl. Stück Bronzeblech. £in Feuerstein. Übergeben von der Grossherzoglichen Oberförsterei Wind- haosen. 2 Beinringe von Bronze, 1 sog. Zinnenring von 34 Zacken, 1 desgl.,

von dem nur kurze Stümpfe die einsti- gen Zackenansätze zeigen; an einer Stelle stark vertragen; innere Weite 0,08—0,095 m. Gef. in einem Uügel- grabe der Gemarkung Messet; Ge- schenk des Herrn Dr. med. Uorn in Langen. 1 Steinbeilchen, gef. in Büttelbom, Geschenk des Hrn. Lehrers Martin daselbst. 5 Steingeräte, gef. bei Büttelbom, Geschenk des Herrn Jost Krauss daselbst. 1 Bruchstück einer Steinaxt, gef im Dorfe Grein, Geschenk des Herrn Pfarrers Schneider in Neckarsteinach an die Sammlung des Historischen Vereins für das Gross- herzogthum Hessen (mit dem Gross- her/oglichen Museum vereinigt).

H. Fränkische, a) Ankäufe: Ein Grabfund aus Gross -Umstadt: 2 eis. Lanzenspitzen, 1 kleine Schnalle von Bronze, 1 grosse Gürtelzunge von Bronze, 6 weitere Teile vom Gürtel- besatz, Bronze, Bruchstück eines eis. Messers, 1 eis. Schnalle, 1 desgl. Bruch- stück. — Gräberfunde vom Kirchberg bei Andernach: 1 Gürtelschliesse von Eisen, zweiteilig, mit Tauschierung in Bronze. Länj^e 0,213 m, grösste Breite (am Bügel der Schnalle) 0,06 m. 2 Schnallen mit Beschlagstück, Eisen mit Silbertauschierung. 1 rechteckiges Riemenbeschlagstück, Eisen mit Silber- tauschiemng. 1 zweiteilige Gürtel- schliesse, Eisen, Silbertauschierung und -Plattierung. 1 quadratisches Riemen- besatzstück, gleiches Material und Ar- beit 1 rechteckiges silb. Plättcheu in getriebener Arbeit. 1 rechteckiger Riemenbeschlag von Bronze, die unte- ren Ecken abgerundet. 1 Gewand- oder Haarnadel, Stift von Bronze, mit kugelförmigem Kopfe von vergoldetem Silberblech. 1 Bügel einer Schnalle von Bronze. Eine fünfteilige Zacken- fibel, Silber, vergoldet, mit Verzierun- gen in Kerbschnittmanier. 1 Paar Ohr- ringe von Bronzedraht mit Einhänge- schlinge. 1 runde Ringplatte von Silber mit ZelleuKlasarbeit : 6 almandinfarbige Glasplättchen über einer gerippten Silberfolie. 1 Scheibenfibel von Silber, belegt mit spitzovalen Kastenfassungen, in der Mitte eine solche in Vierpass- form, mit kleinen Rosettchen vor den Bögen des Vierpasses, der Rand mit Filigran eingefasst. 1 Ohrring von Bronze mit würfelförmigem Anhänger. 1 Fingerring von Bronze mit flacher

372

Museographie.

kreisförmiger Platte. 1 zweiteilige Gürtelschliesse von Eisen, die seitlichen Teile in langgestreckter Rechtecksform durchbrochen und mit einem gravier- ten Brouzeplättchen hinterlegt, Länge 0,29 m, grösste Breite am Bügel der Schnalle 0,065 m. 1 Zierbeschlag von Bronze in gesägter Arbeit, an der Rückseite ein Stift zur Befestigung. 1 kleine flache Kapsel von Silber, viel- leicht eine Ringplatte, in der Mitte eine kleine Glasperle, von da Stege nach den Zwickeln der Pässe, die vier Almandine eiuschliessen. 1 scheiben- förmige Fibel von Bronze mit gravier- ten Kreis- und Strichverzierungen. 1 unkenntliche, gelochte kleine Bronze- münze. 1 Fingerring von Bronze mit nahezu kreisförmiger Platte, darauf graviert ein gleicharmiges Kreuz mit Querbalken an den vier Enden; in den Winkeln je 1 Kreischen. 1 offener Armring von Bronze, an den verbrei- terten Enden mit Strichverzieruugen versehen. 1 Paar Ohrringe von Silber- draht, je ein Ende als Schlinge, das andere hakenförmig gearbeitet ; an die Schlingen anschliessend Spiralwicke- lungen, die je an einer Stelle von ei- ner aufgefassten länglichen Silberperle unterbrochen sind. 7 Ketten von Bern- stein-, Glas- und Frittperlen. 1 An- hänger, einmal durchbohrte und mit Strichen verzierte Hirschrose. 1 desgl., Schneckenhaus (Venus), an der Spitze auf einen eis. Draht gefasst. 3 Schalen und 1 Becher von Glas. 1 rundliches schwarzes Steinchen (Fiussgeschiebe). Ein Grabfund aus Nieder- B reisig, bestehend aus: 1 röm. Münze, Mittel- bronze, gelocht ; 1 offener Armring von Bronze, 1 Paar silberne Ohrringe, 1 glatter Ring von Bronze, 1 silberner Fingerring mit graviertem Monogramm, 1 Reif Glas- und Frittperlen, 1 Kamm von Bein, 2 Schlüssel von Bronze, vgl. den Katalog des Lempertz'schen Anti- quariats in Bonn für die Versteigerung vom 27. und 28. Nov. 1893, Grabfund Nr. 1 und Abb. auf der zugehörigen Tafel, Mitte der obersten Reihe. 1 Krug mit Henkel und Ausguss; auf den Aussenwandungen eingedrückte Ornamente. Fundort Worms.

b) Geschenke : 2 Perlen und 1 Wir- tel von gebr. Thon, deformierte Eisen- geräte, 1 Frauenskelett und andere Gebeine. Gefunden in Gräbern an der

Hauptstrasse in Büttelbom ; Geschenk des Grundbesitzers. 1 eis. Axt, gef. bei Büttelborn, Geschenk de« Hm. Lehrers Martin daselbst.

B. Kunstgewerbliche Samm- lung, a) Ankäufe : Altarschrein (Tripty- chon) aus Nieder-Erleubach, mit der Jahreszahl 1497, vgl Kunstdenkmäler im Gross herzogtum Hessen, Kreis Fried- berg, von Prof Dr. Adamy, S. 1 19 und Taf. XIII. Stück einer Ofenkachel, männlicher Kopf in halber Lebens- grösse, aus Dieburg. 2 eis Beile, bei Worms aus dem Rheine gebaggert.

1 Sidgburger Henkelbecher mit aufge- prägtem kreisförmigem Medaillon (Blu- men- und Rankenwerk). 1 Kollek- tion Frankenthaler Porzellan: l Kinder- gruppe, bunt bemalt, 3 tiefe und 3 flache Teller, 1 Teller mit durchbroche- nem Rande (Gitterwerk), 1 schalenar- tiger Teller, 1 grosse und 1 kleine runde Platte, 1 grosse und 1 kleine ovale Platte. Die Teller imd Platten sind mit Tier- und Landschaftabildern reich bemalt Ein Skulpturbruch- stück von rotem Sandstein, mit der Dar- stellung eines kleinen Engelskopfes. Fundort Dieburg.

b) Geschenke: Zierbeschlag von Bronze, in der Gestalt eines Blattes, gef. zuEppstein im Taunus, Geschenk des Herrn Stations Verwalters Lang- heinz in Dieburg 1 Steinkrug, Freche- ner Fabrikat, horizontal geriefelt. Ge- schenk des Herrn Konrad Wick I in Dieburg. Eisernes Hufeisen, gef. in der Gemarkung Dieburg, Geschenk des Herrn Gastwirts Scherer in Dieburg. Mehrere mittelalterliche Gefasse, Ge- schenk des Finders, Herrn Schmiede- meisters Augustin Gonstantin Thomas zu Dieburg.

c) Zur Ausstellung überlassen: 1 silberner, vergoldeter Pokal getriebe- ner Arbeit mit dem Meisterzeichen des Nürnberger Goldschmiedes Peut- müUer und dem Nürnberger Bescfaau- zeichen (N), aus der Zeit um 1610. Eigentum der Kirchengemeinde Kirtorf im Kreise Alsfeld.

C. Sammlung hessischer Lan- desgegenstände. Hausgeräte:

2 Kannen, Bauemmajolika, mit den Zeichen HB und HF (letzteres in Li- gatur) aus Dieburg. 1 brauner Stein- krug, sog. Bartmannskrog, mit einem Henkel; unter der bärtigen Maske

Museographie.

373

ein randliches Medaillon, darin ein bekrönter Schild, enthaltend 3 Sterne und darunter eine fünfteilige Blatt- rosette. 1 Taschen - Sonnenuhr aus £lfenbein nebst Compass und Grad- einteilung, gefertigt von Hans Ducher in Nürnberg 1565. 3 Kelsterbacher Kännchen, Bauernmajolika, weiss mit blauem Dekor, t viereckige Flasche, Steingut, blauer Grund mit Blatt- und Blumendekor in Grau. 1 desgl. mit umgekehrter Anordnung der Farben, mit Schraubenverschluss, in Steiogut. l grosser und 1 kleiner Bartmanns- krug mit Medaillon. 1 kleiner Stein- krug, blau, grau und rotbraun gefärbt, mit Ziundeckel. 1 horizontal geriefel- ter, bräunlicher Bierkrug von Steingut. 1 desgl. mit Zinndeckel und eben- solcher Einfassung am Fusse ; auf dem Deckel eingraviert : J-H-R ^ 3 Kelster- bacher Teller, Bauemmajolika, weiss mit buntem Dekor. 1 Zinnschüssel- chen mit Deckel, geperlter Band, am

Bauche ^,^q^ in einer Umrahmung von

Blatterzweigen. 1 Zinnschüsselchen ohne Deckel, darauf P * G eingraviert, mit Londoner Stempel. 1 Zinnteller mit 3 Füssen, Greifenklauen. 1 flaches Zinnschüsselchen , am Rande bogen- förmig gestaltet, der Körper schräg jiebuckelt, mit engl. Marke von 1810; F-B eingraviert. 1 Zinnteller, Rand siebenmal ausgebogen und geperlt. 1 Zinnschüssel mit zwei Henkeln, je 2 Delphinköpfe, die einander zugewendet an demselben Fische schlingen. 1 Leb- kuchenform, darstellend einen von 2 bekrönten Löwen gehaltenen Wappen- schild, auf dem ein linksläufig ge- schnittenes D steht. 1 eis. Öllampe zum Aufhängen, mit Dochträumer. 1 Leuchter, Fuss gewellt, von Zinkblech, Lichthalter von einer Cylinderspirale aus Eisendraht gebildet. 1 eis. Thür- klopfer, gerissener und gedrehter Ring. \ Nähkästchen, Holz mit eingeleg- ter Arbeit. 1 Znckerhammer, breite Schneide, mit gedrehtem HolzgrifT. 1 Tabakspfeife, Kopf von Holz ge- schnitzt, mitNeusilberbeschlag. Idesgl , Rohr mit Perlmutter eingelegt. 1 eis. Vorhängeschloss. 6 Ofenkacheln, dar- unter 2 Eckstücke, sämtlich mit Relief- figuren. 3 Holzformen. 1 Bartmanns- krug. 8 Teller, Bauernmsgolika, davon 7 mit der Kelsterbacher Marke und

2 mit Sprüchen. 1 Kelsterbacher Tasse mit Untersatz. 1 desgl. Kännchen, blau und weiss. 1 desgl. Salzfass, < Kleidungsstücke: 2 Anzüge, je

1 für Hochzeit und Kirmess, Volks- tracht von Pohl-Göns und Umgegend. Im Einzelnen : 1 Brautkrone, 8 Tuch- röcke, 2 Leibchen, 1 seidene fahle Mutze, 1 schwarzeKnopfmutze, 1 Kragen mit Achselverzierungen, 1 desgl. ein- facher, 2 Schürzen, 2 Hemden, l Hals- tuch, 2 Paar Strumpfbänder, 1 Krappeu- scbleife, 2 Paar Schürzeubänder, 1 Paar Haubenbänder, 1 Leibgurt, l Bandhaube,

2 Paar Strümpfe, 2 Paar Schuhe, 2 Taschentücher. 14 Paare und 1 ein- zelne Schuhschnalle von Messing und Neusilber, l Leibgurt von gelber, reich mit Gold durchwirkter Seide, mit handgenähter Silberstickerei, aus dem vorigen Jahrhundert. 1 Tüllhals- tuch, weiss, mit Handstickereien. 1 braunes, am Rande bunt besticktes Tuch. 1 grünes, gelb gefüttertes Wickelband. 1 Paar weisse Atlas- schuhe mit Ledersohlen, l blaues Häub- chen mit weissen Kreuzstemchen. 1 bunt gestickte, weisse Atlas - Unter- haube. 1 weisse Piqu^haube- 1 Hand- tuch mit blaupr Stickerei und weisser Häkelei. 1 Krone, Goldfiligran mit Perlen, aus Kirtorf. 1 Bauernhut, Dreimaster. 2 reich mit Gold bestickte weisse Atlashauben, aus Wald- Amor- bach. 1 Serviette von Leinen mit ein- gestickten biblischen Darstellungen und Sprüchen.

D.Münzsammlung, a) Ankäufe: 1 silbervergoldete Medaille auf das Turnfest in Darmstadt 1893 1 Me- daille von Britannia auf das Jubiläum des Mozartvereins 1893. 1 Conven- tionsthaler, Carl Theodor von der Pfalz, 1758. 1 desgl. Sigismund, Erzbischof von Salzburg, 17d7. 1 Luthermedaille in Guldengrösse, 1817. Revers: Hie murus aheneus. Eine feste Burg ist unser Gott. 1 Gedächtnisgulden auf das I. badische Landesschiessen, Mann- heim 28. Juni 1863. 1 Louisdor, Wilhelm IX., Landgraf von Hessen, 17 D F. 87. 1 kleine türk. Silbermönze. 1 5-Soldi, Italien, 1812 (Napoleon). 1 hess. Albus 1657, Landgraf Georg. 1 Hess.-Darmst. Kreuzer 1723. 1 desgl. 1862. 1 desgl. 1869. 1 Spielmarke, bairisches 2-Mark- stück in Miniatur. 1 4- Kreuzer, Bran- denburg 1715. 1 Kreuzer von Branden-

374

Museographie.

bürg 1747. 1 desgl. 1750. 1 3-Kreu- zerstück, FerdiuaDd von Oesterreich 1642. 2 l-Kreuzerstücke, Kurpfalz 1728. 1 Kreuzer, Bremeu 1776. 1 Va Groschen, Hannover 1858. 2 ver- schiedene Nürnberger Kreuzer von 1797. 1 2-Kreuzer8tück, Fulda 1762. 1 8 -Kreuzerstück, Würzburg 1691. 1 Pfennig, Braunschweig 1737. 1 Gro- schen, Salm, 0. J. 1 4- Groschenstück des Königs Sigismund August von Polen, 1569. 1 2-Sous8täck der französischen Republik. Tan 2. 1 Denar des röm. Kaisers Claudius, vgl. Cohen, I. Aufl.

1 162, 59, gefunden im Distrikt Sauern- grund der Gt'markung Gerauer Doma- nialwald. (Andere röm. Münzen siehe unter röm. Altertümer). Ein Münz- fund, der 1892 auf dem Acker der Frau Kaspar Schneider Wwe in Kestrich, Kreis Alsfeld, gemacht worden war:

2 gleiche Thaler Ludwigs V, Land- grafru von Hessen, 1623; 1 Piaster Philipps H von Spanien, 1573; 1 Thaler der Stadt Frankfurt ia. M., 1621; 1 desgl. 162^1; l Teston Heinrichs IV. von Frankreich, 16»)3; 1 V*-Piwter Philipps II von Spanien, 1566 ; 1 desgl. 1567, lö6(z), 1572, 1625; 1 Schilling der Königin Elisabeth von England, 0. J.; 1 Va-Schilling derselben, o. J. 1 kleine viereckige „barbarische^ Bronzemünze ; Avers : Nach rechts ge- wendeter Kopf mit Zackenkrone. Re- vers: Männchen nach links laufend, am Rande einige undeutliche Buchstaben.

b) Geschenke : 1 Bronzemedaille auf den k. k. Hauptmann Erdr. Heyer von Rosenfeld, Heraldiker und Genea- loge. Geschenk seiner Grossherzog- lichen Hoheit des Prinzen Wilhelm von Hessen. 1 2-Sou8Stück Ludwigs XVI von Frankreich, Tan 4, 1 Bronzeme- daille der Kaufleute von Paris mit Dar- stellung der Stürme des 14. Juli 1790, ffeprägt 1792. Geschenk des Herrn Kaufmanns Max Freund dahier. 2 Bronzemedaillen, Geschäftsmarken der „Uniformen- u. Militär-Effekten-Fabrik Darmstadf*. Geschenk des Fabrikin- habers Herrn Th. von Lynker. 1 Klein- bronze des römischen Kaisers Claudius Gothicus, Revers: Securitas Aug., ge- funden bei Worms, Geschenk des Herrn Fr. Winter daselbst.

E. Sammlung von Musikinstru- menten. 1 Clarinette, mit Silberklap- pen und Elfenbeinbesatz, in Etuis.

F. Waffensammlung. a) Ankäufe: 1 Radschlossbüchse. 1 Stossdegen, Knauf von Eisen, Heft von Holz mit Zwingen von Bronze. Gefunden bei Baggerarbeiten im Rheine bei Worms.

b) Geschenke: 4 sog. Krebse, Teil- stücke von Rüstungen; Geschenk des Bandagisttn Herrn Zimann zu Darm- stadt. 1 eis. Schwert ohne Scheide, 16. Jahrhundert; vgl. Typus bei Gimpel Taf. VI Nr. 3i. Gefunden beim Bau der Nebenbahn Weinheim-Furth ; über- wiesen vom Grossherzogl. Ministerium der Finanzen. 1 eis Kurzschwert mit Griff von Bein. Länge 0,39 m. Breite der Klinge 0,04 m Gefunden in Ober- Schmitten. Überwiesen von der Direk- tion der Oberhessischen Eisenbahnen.

G. Ethnologische Sammlung. 3 Speerspitzen und 1 Pfeilspitze von Feuerstein; Herkunft: Indianerterri- torium in Nord- Amerika. Geschenk des Herrn Dr. von Le Coq in Darmstadt

(L V.: Dr. Henkel).

Hanau, Bezirksverein für best. Getcli.52 und Landeskunde I S. 265, H— XI, XIII.

Erwerbungen :1. Römische Funde. 1 Bronzemünze des Antoninus Pius, gef. an der ROmerbrücke bei Hanau. 1 Bronzemünze des Antoninus Pius, 3 Legionssti^mpel (22. Legion), 3 Tup- ferstempel, Scherben von verzierten Si- gillataschüsseln und Reibschalen, Scher- ben von Thongefässen und eine durch- Inchte Thonperle, gefunden in Gross- Krotzenburg.

2. Aus dem Mittelalter. Eine kleine weisse Steingutvase und 1 brau- ner Steingutkrug mit 2 Henkeln, gef. beim Sielbau in Hanau.

3. Aus der Neuzeit. 1 Bruch- stück einer Ofenkachel aus dem 16. Jahrhundert; 1 grauer Topf aus ge- branntem Thon ohne Henkel, gef. beim Sielbau in Hanau ; 1 Spinnrad, aus dem Westerwald stammend; 1 alte Gold- wage mit Gewichten ; 1 Satz Gewichte aus dem Jahre 1790.

(Thormählen.)

Frankfurt a. M., Hittoritches MuMumd3 I S. 266, II— VIIL

Erwerbungen: Römische Zeit. Henkelglaskanne aus Köln. Schwar- zes Trinkgefass mit BarbotineraDken und Aufschrift : diligo te aus Köln. Kleines kugelförmiges Gefass derselben Art mit Aufschrift: amo te. Haar- nadel aus Bein, deren kugelförmiger

Maseographie.

3?5

Kopf mit fein verziertem Goldblech überzofiren ist, aus Heddernfaeim.

Volkerwanderun{?8zeit. Ans Gräbern bei Sindlingen : zwei in Eisen und Silber tauschierte Scheibenfiebeln, eine Franziska und eine Axt, Speer- spitzen, Skramasax und Schildbuckel, und Thongefässe, die einen Übergang von romischen zu eigentlich fränkischen Formen zeigen. Hervorzuhel)en sind einige Scherben mit roher Omament- bemalung in roter Farbe.

Mitttelalter und Neuzeit. Schöne in Kupfer gearbeitete vergol- dete grosse Monstranz aus dem Jahrh. aus einer Kirche in Trier stam- mend. Eine in Kupfer getriebene, durchbrochene , versilberte Kirchen- ampel aus dem 17. Jahrb. Zwei kupfer- versilberte Kirchenleuchter mit gewun- denen Schäften und ungewöhnlicher Form mit schwedischer Inschrift von 1711. Zwei messingene Leuchter mit glockenförmigen Füssen aus dem 17. Jahrh. Zwei kupfer vergoldete Abend- mahlskännchen. Porzellanügürchen aus der Ludwigsburger Fabrik des 18. Jhdts., Flora darstellend. Weiss gla- siertes Meissener Figürchen, Atalante darstellend. Holzstatuette des P. Fran- ziskus de Hieronymo 18. Jhdts. Kinder- tigürchen aus Teracotta 18. Jhdts. Die keramische Abteilung wurde durch einige Porzellane, Fayencen und ein irdenes Tintenfass von 1767 bereichert. Auch die Sammlung von Metall-, Glas-, Elfenbein-, Holz- und Textilarbeiten erhielt einige wertvolle Stücke.

Aus den Erwerbungen der städti- schen Kommission sind noch hervorzu- heben : ein gotischer Reliquienbehälter ans der Mitte des 15. Jhdts. in Giebel- dachform mit Krönung, in Holz ge- arbeitet und a tempera mit Wappen und Figuren bemalt. Gegossener Bronzekessel mit schön geschwunge- nem und verziertem GriiF aus dem 14. Jahrh. Grosse in Messing getriebene Nürnberger Schüssel, aus dem 14. Jh. Yerschiäene Möbel des 16. und 18. Jhdts. und dgL Erwähnt sei noch ein Goldschmuck der Empirezeit. Dem Museum geschenkt wurde ein Pracht- schlitten aus dem Besitze des Chur- fursten Carl Theodor.

(Nach dem achtzehnten Jahresbe- richt des Vereins fi'ir das historische Museum zu Frankfurt a. M. von 0. Donner von Richter).

Wiesbaden, Altertumsmuseum I S. 267, 56 II— XIV.

Vorrömisches. Bronze - Zind ein, wahrscheinlich einem Leder- oder Lin- nenpanzer aufgenäht, aus einem Ilall- stattgrab bei Dettenheim. Thonsrbale und Schlangenfibel aus Niederinj^el- heim. Grauschwarze Urne mit Über- resten vom Auerochs, ebendaher. Kleine dunkelschwarze Urne von etrus- kisrher Form, ebendaher. Eiförmiger Klopfstein aus Kieselschiefer, ebenda- her. Durchbohrtes Steinbeil aus Kie- seischiefer von Bechtheim. Graubraune Urne vom Lausitzer Typus mit Henkel, aus Ockenheim. Nrtzbeschwerer mit eingedrückten, gezackten Ornamenten. Bruchstucke grösserer, neolithischcrOe- fasse, Bruchstücke einer durch Finger- eindrücke ornamentierten, gehenkelten Tasse, ein in gleicher Weise verzier- ter Spinnwirtel, ein Klopfstein und Knochenreste aus Grosswintersbeim. Reichverzierte Urne der Bronzezeit mit Thonperlen, Spinnwirtel und Bruch- stück eines SchmelztOpfchens aus Bauchheim. Eine mit Dreiecken und Punkten verzierte Urne, neolithiFch, aus Königsstadt. Brodzepfanne mit etmskischem Stiel, angeblich aus Köln.

Kömisches. Achat- und Thon- perlen, kleine Fibel, 2 kleine Thon- näpfchen, Pfeilspitze aus Eisen. Was- serkrug vom Kranzplatz. 4 Ziegel mit Stempel der XXII Legion. Ein Paar römische goldene Ohrringe mit Steinen und Filigran^ angeblich aus Köln. Goldene Gewandnadel mit rotweisser Kamee, ebendaher. Bemalter Trink- becher aus Guntersblum. Thonscbäl- chen mit 2 Hängelöchern, ebendaher. Goldenes Armband aus dem Rhein. Thonlämpchen. Kleine Thonvase aus der Goldgasse. Römisches Bronzebe- steck mit chirurgischen Werkzeugen, aus dem Rhein gebaggert bei Mainz. Vogelfigur mit Jungen auf dem Rücken aus Thon, von Köln.

Fränkisches. Bronzenes Gürtel- schloss und kleine geschweifte Fran- cisca (aus den Gemarkungen Dotz- heimerstr.). Sübemes Arm- und Hals- band, gegliedert mit Intaglien- und Glasfiusseinsätzen.

Mittelalterliches. BronzeStrm- pel zum Einbrennen einer gotischen Ornamentik in Holz. Panzerbrecber mit Bronzeknopf unbekannten Fun<l- orts. Steingeschirr ältester Art, Topf

ä76

Museographie.

mit ruudem Bodeu, desgl. hoher Triuk- krug und Vase mit gefälteltem Fuss, sämtlich gereifelt, aus der Goldgasse. Schwarzgebrannte Urne aus der Gold- Zwei Eisenschlüssel.

Modernes. Porzellan von Höchst (Knabe mit Katze und Ilund). Eisen- ring mit Kamee. Thürschioss von Patersberg. GusseiserneOfenplatte aus Emrichshausen. Steinzengkrug (Bart- mann). Steinzeugkrug mit Henkel. Steinzeugtopf für Topfgewolbe (gerei- felter Becher). Siegburger und Nas- sauer Trinkkrug. Goldener Bauern- ring von Herborn. Grosse Kollektion von alten Landestrachten aus den ver- schiedensten Kreisen des Nassauer Landes , besonders charakteristisch durch die zierlich gestickten Kopfbe- deckungen der Frauen und Mädchen (sogen. Kommödchen).

(Nach dem Bericht des Konservators in den Annalen des Vereins für Nas- sauische Altertumskunde und Ge- schichtsforschung, XXVU. Bd. 1895).

58 Speyer, Museum I S. 260, H— XHL Erwerbungen: A. Vorgeschicht- liche Zeit. Hochaltertümlicher klei- ner Thonbecher, in unmittelbarer Nähe des seinerzeit bei Kirchheim a. d. Eck gefundenen sog. Eismenschen zutage gekommen, mit 5 durch Zusammen- petzen des feuchten Tbons zwischen Zeigefinger und Daumen hervorge- brachten Eindrücken, und bauchiger, durch senkrechte Rinnen oder Furchen verzierter Becher aus schwarzem Thon, gleichfalls aus Kirchheim. Wohler- haltener, in der Mitte durchbohrter Steinhammer aus weissgrauem Mate- rial, 15 cm lang und 5 cm breit und hoch, gefunden zwischen Hassloch und Iggelheim. Bronzekelt, 15 cm lang, an der Schneide 5 cm breit, mit bei- derseits sich berührenden Schaftlappen, die wahrscheinlich vorhanden gewesene Öse am hinteren Ende abgebrochen, im Rhein zwischen Ludwigshafen und Mannheim ausgebaggert. Zwei offene, mit gestrichelten Ornamenten versehene Bronze- Armreife, mit 12 anderen auf dem sog. Heidenacker an der uralten Hochstrasse bei Langmeil im Felde ausgepflügt. Kleine Bronze-Dolch- klinge und Bruchstücke eines Hals- reifes und einer spindelförmigen Nadel, in dem sog. Römer grab zwischen Gries

und Hursboru gefunden, wo schon früher ein Schwert und ein ca. 40 cm langer, am Ende sich verdickender Stab zum Vorschein gekommen waren. Bronze- fibel von H,2 cm Höhe und 6,9 cm Länge ; in der Nadel steckt eine schöne Thonperle der La Tene-Zeit : gelb mit blauweissen Tupfen. Zu einer klei- nen, dem Museum schenkweise über- lassenen Privatsammlung hauptsächlich römischer, in und um Speier gefunde- ner Altertümer gehören auch ein Stein - Werkzeug aus schwarzgrauem Material zum Schaben oder Glätten, eine schöne, 6,2 cm lange Pfeilspitze aus Stein. Netzbeschwerer aus Thon, Tbonwirtel u. 8. w. _- Die hauptsächlichste Be- reicherung aber brachte die Erwerbung einer Sammlung von Fuudgegenstän- den, meist prähistorischen, aus Grab- hügeln der Gegend von Hersebberg. Dazu gehören 13 Beile, Meissel oder Keile aus Stein, 3 GlätUteine u. s. w., 5 Bronzeringe in 4 verschiedenen Arten, offen oder geschlossen, verziert oder unverziert, 48 kleine Ringe, wovon ein Teil in verschiedener Weise durch Striche, Kerben, Knöpfe u. s. w. ver- ziert ist, 6 spiralförmig gewundene und ebensoviele wirtelartige kleine Bronze- ringe, 2 Bronzebarren (?) in Gestalt von offenen Ringen und 2 rippenfor- mige Bronzestücke, 2 seltene, nach Art der Morgensterne gezackte Stock- beschläge, 2 Lanzenspitzen, 2 Sicheln, ein Palstab, eine im Erhaltenen 44,5 cm lange Schwerlklinge und ein zu einem Schwerte ähnlicher Art, nicht aber zu diesem gehöriger Griff von 15 cm Länge, ein 19 cm langes Messer, ein als Zierbeschläg dienendes Radkreuz, 2 Nadeln von 17,5 und 18,5 cm Länge, jene durch Reifelung, diese ausserdem durch 2 Knöpfe verziert, 8 Bommeln, die grösste von 27, die kleinste von 11 mm Durchmesser, ein griechischer Gürtelhaken von 9 cm Länge, wie sämt- liche vorgenannten Gegenstände aus Bronze, eine gallische Perle, gelb mit blauweissen Augen, und eine gleich- falls der La T^ne-Zeit angehörige ring- förmige aus gelblichem Glas. Den Schluss mag ein äusserst rohes Bronze- figurchen von 6,5 cm Höhe bilden, das eine männliche, mit einem Helme bedeckte, sonst nackte Gestalt dar- stellt, welche, wie die durchbohrten Hände zeigen, in der gesenkten Rech-

Maseographiö.

37?

teu und iu der Lalberhobeneu Linken eine jetzt verlorene Lanze hielt.

B. Römische Zeit. Aus der oben erwähnten , hauptsächlich römische Funde enthaltenden kleinen Privat- sammlung stammen : ein schönes Glas, bauchig, mit engem Hals, aber weiter Mündung und breitem Henkel, Höhe 15 cm, Umfang 37 cm, eine weisse Terrakotta -Statuette einer Fortuna, in der Linken ein F&llhorn, mit der Rechten den Griff eines Ruders hal- tend, ein hübscher Terra sigillata- Becher, bauchig, nach oben sich ver- engend, 13 Urnen von verschiedener Form und Grösse, darunter eine grosse graue von 31 cm Höhe und 103 cm Urnüang, 6 Aschenkröge, 4 Grablämp- chen u. 8. w Die andere, besonders prähistorische Funde umfassende Samm- lung enthielt von Gegenständen rö- mischer Provenienz u. a. einen Bronze- löffel von 17 cm Länge, 7 kleinere Instrumente wie Schreibgriffel u. dgl. aus Bronze, 6 Fibeln, wovon besonders interressant eine 11 cm lange, reich ornamentierte, mit muschelähnlichem Kopfe, eine viereckige Bronzeschelle und 30 gerippte, blaugrüne Perlen von 1 3 cm Durchmesser. Ausschliess- lich aus römischen Funden bestand eine dritte käuflich erworbene Privat- sammlung, aus der hervorzuheben sind : 12 Gläser, 10 Terra sigillata-Gefässe, 11 andere Thongefösse, ein Bronze- becken von 4 cm Höhe und 26 cm Durchmesser mit 2 schöngeformten, massiven Henkeln, das Bronzebeschläg einer kleinen Kassette, 8 Bronzefibeln und zahlreiche andere Gegenstände aus Bronze, wie Löffel, Schlüssel, Ringe, B schlägstücke -ii. s. w. Von grösse- ren Funden erwähnen wir denjenigen verschiedener Skulpturfragmente aus Rothselberg, worunter das im Korre- spondenzblatt dieser Zeitschrift abge- bildete Köpfchen eines Attis, femer Funde bei Hausbauten in der Ludwigs- strasse dahier, die u. a. 2 hübsche Scha- len ans Terra sigillata und eine 9 cm lange Bronzefibel von seltener Form zu- tage förderten, verschiedene Funde von Kirchheim a. d. Eck, namentlich Terra sigillata-Gefässe von anderer als der in Rheinzabem und Umgegend ge- wöhnlichen Form, also wohl aus Eisen- berg stammend, 2 eiserne Werkzeuge von besonders guter Erhaltung aus

dem Torfgebrüche bei Laiidstuhl, näm- lich ein Spitzhammer von 23 cm Länge nnd 4,7 cm Höhe und ein Beil von 25 cm Länge und 5,9 cm Höhe, jener mit rundem, dieses mit ovalem Stiel- loch in der Mitte. Endlich mögen hier noch genannt werden: 5 Bronze- fibeln seltenerer Form, 2 Bronzesta- tuettchen eines Mercur und einer For- tuna, ein doppelbenkeliger Glaspokal von 13,5 cm Höhe und 9 cm Weite mit schönprofiliertem Fusse und ge- schmückt mit grossen, saphirblauen Tupfen, und eine beim Neubau des Konsistoriums dahier gefundene, im Erhaltenen 8 cm lange und 14 cm hohe, im Innern hohle Thonstatuette einer Epona, d. h. einer gallisch-ro- manischen Göttin der Fruchtbarkeit, die auf einem Pferde sitzend und einen Hasen im Schosse haltend darge- stellt ist.

C. Fränkisch -alemannische Zeit Eine grössere Anzahl von frän- kischen Perlen aus Glasfluss nebst 20 Bemsteinperlen und einem kleinen, flachen Anhängerzierrat. Von den Bernsteinperlen sind namentlich 3 von seltener Grösse, z. B. 3 cm Durch- messer, 2,7 cm Höhe und 11 cm Um- fang. — Prachtvolle Fibel von 8,3 cm Länge und 4,5 cm Breite aus Silber mit vergoldeten bandart gen Omameo- ten und 8 Almandineinlagen, in Epp- stein gefunden. Sternförmige, durch zwei ineinander gelegte Dreiecke ge- bildete Fibel aus Bronze mit einem gestanzten und an den 6 Ecken mit Stiftchen befestigten Silberüberzuge, aus einem Platten grabe bei Sausen- heim stammend. Ein Wurfbeil (Francisca) von 18 cm Länge, gefun- den in Dannstadt, und ein Hiebmesser (Scramasax) von 47 cm Länge aus Walsheim. Wohlerhaltener mero- vingischer Goldtriens von Orleans, einer- seits Kreuz zwischen 2 Sternen, da- runter eine kleine Scheibe, anderer- seits ein männlicher Kopf von rechts ; die Umschrift des Kopfes lautet AYRI- LIANIS, wobei A und V ligiert sind, die des Kreuzes BERTVLFVS.

D. Mittelalter Eisernes Schwert aus Rodenbach, 68 cm lang, wovon 16 cm auf den Griff entfallen, der aus einer eisernen, oben in eine Scheibe von 5 cm Durchmesser endenden Zunge besteht: die Scheibe ist in der Mitte

ä78

Museographie.

durcblüchert und ebenso wie die Zunge beiderseits mit Holz bekleidet, das durch zahlreiche regelmässig verteilte kleine Bronzestiftchen und durch- gehende Bronzeröhrchen festgehalten wird. Steinschleuder oder Baiester aus Zweibrflcken. Hölzerne Feld- flasche zum Stellen, 34 cm hoch, der Durchmesser des kreisrunden Gefässes 23 cm. In Speier gefundene Blei- bulle, einerseits mit der Umschrift: J^ PETRVS CESARIENSIS ARCHI- EPS (segnender Bischof), andererseits: PETKVS BAPTIZAT CORNELIVM (taufender Apostel). Petrus, lateinischer Metropolit von Caesarea in Palästina, erscheint nach Garns, Series episcopor. S. 452 im Jahr 1222; der dargestellte Vorgang ist der in der Apostelge- schichte Kap. 10 erzählte. Ovales Siegel von ca. 1260: ^ S' EB'HARDI * CAN SCE T'NITATIS 1 SPIRA (in einem Buche lesender Geistlicher, da- rüber Halbmond und Stern).

E. Neuere Zeit Eiserne Ofen- platte mit einer Darstellung der Ge- schichte vom reichen Manne und vom armen Lazarus, die Hauptscene von 4 Nebenscenen umgeben. Eiserne Schachplatte aus dem alten herzog- lichen Schlosse zu Zweibrücken mit dem die ganze Rückseite einnehmen- den gemalten Wappen der in Bayern und Baden noch jetzt ansässigen Grafen von Oberndorff. Marzipanform aus dem 16. Jahrhundert, 30 cm hoch und 15 cm breit, Bürger und Bürgerin, letztere mit Rocken und Spinnrad, in reicher Tracht darstellend. Drei Zunftsiegel von Bergzabern, nämlich der Bäcker und Müller, der Metzger und der Kühler. Schöne, 52 mm grosse und 58 gr. schwere silberne Medaille auf die Vermählung der Prin- zessin Maria Anna Augusta, Tochter Friedrich Michaels von Pfalz-Birken- feld, mit Friedrich August UI. von Sachsen 1769, geschnitten von Schaefer. Weisse Frankenthaler Porzellan- figur, einen Piqueur mit geschultertem Gewehr darstellend. Desgleichen eine farbige Gruppe von 15 cm Breite tind 18 cm Höhe: Knabe der einen Bären füttert, und ein farbiges Figürchen von besonders reizender Ausführung: Schnitterin als Personifikation des Sommers, Drei hübsche Bleistift- zeichnungen, das ehemalige kurpfäl-

zische Schloss in Dirmstein darstellend, von Fran^ois Boucher (1703—1770). Als Seltenheit ersten Ranges darf gelten : Architectura, Lehr- und Kunst- buch an Tag geben durch Jo*

han Jacob Ebelman von Speir. Getruckt zu Collen durch Johan Bussemecher im Jahr Christi MDC. Besonders reichen Zuwachs endlich brachte auch dieses Jahr unserer Sammlung älterer Speierer Druck<>, allerdings nicht so- wohl an eigentlichen Inkunabeln als an Drucken aus der zweiten Hälfte des 16. und dem Anfang des 17. Jahr- hunderts, darunter 6 von Bernhard Albinus zwischen 1581 und 1596 in Speier gedruckte Werke, wozu noch ein von demselben Drucker auf dem markgräfiich badischen Schlosse Staf- fort 1599 gedrucktes Werk von 8 Blättern und 555 Seiten in Quart sich gesellt; ausserdem Drucke von Smes- mann, David Albinus, Johann Tasch- ner, Elias Kembach und als Beweis für das bereits 100 Jahre nach ihrer völligen Zerstörung in der alten Reichs- stadt wieder erwachte geistige Leben Musikdrucke von Bossler um 1780, nämlich G. J. Vogler, Vesperae cho- rales und, dem Papste Pins VI ge- widmet, Psalmum Miserere etc.

(Prof. Dr. Harster.) Worms, Paulus - Museum I S. 261,^7

n-xui.

Von August 1894 bis September 1S95.

I. Unternehfmmgen: a) Untersuchung auf dem La T^ne-Grabfeld von Hep- penheim a. d. W. (s. Erwerbungen).

b) Ausgrabungen auf drei verschie- denen Steilen des Tafelackers der Firma Dörr und Reinhart. Es worden viele Sigillatascherben mit Stempeln gefunden. Besonders bemerkt zu wer- den verdient der seltene Töpferstem- pel: SoUenbeni. Femer wurde viel bemalter Stuck, eiserne Werkzeuge, eine schöne Schnallenfibel, ein Scheu- chen und eine Schüssel aus Bronze gefunden.

c) Untersuchung von Ausgrabungen auf dem Gebiet der Fabrik von Yalcken- berg. Es wurde ein wohlerhaltener Sarg gefunden mit einem von Gjps bedeckten Skelett, aber wieder ebne Beigaben.

d) Ausgrabung auf dem fränk. Grab- feld von Dirmstein. Im August 1894 wurden 30 Gräber untersucht, davon

Westd.Zeit3chr.Xiy. Taf.m

Westd.Zeitsehr.yjy. TafXY.

Westd.Zeit3chr.XIV. TafXW.

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Vi*t.

Westd.ZeitschrXIV. Taf.XW.

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Westd.Zeit3ckrXIV. Taf.XX.

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f*.f-

Maseographie.

3l9

10 unversehrte, mit unbedeatenden Bei- gaben ausgestattete ; im Winter 1894/95 wurden noch 9 erhalten e, gering aus- gestattete und 20 zerstörte Gräber an- getroffen.

II. Zuwachs: a) An prähistori- schen Altertümern: l)Steinzeit: Mehrere Feuerst einscbaber von dem Weinsheimer Zollhaus.

2) Bronzezeit: Eine Haarnadel mit nindem, verziertem Kopf, ähnlich den Pfahlbautennadeln, gef. in römischem Schutt (!) auf dem Tafelack er; eine grosse Doppelaxt aus Rotbronze, wie l>ei Lindenschmit: A. u. h. V. Bd. I H. I Taf 3 Nr. 7 und 8 vom Weins- heimer Zollhause; eine Urne mit einem gehenkelten Beigefässchen von der chemischen Fabrik von Remy; Scherben aus Trichtergruben bei Pfiff- ligheim.

3) La T^ne-Periode: Inhalt ei- nes Brandgrabes vom Grabfelde bei Heppenheim a. d. W., bestehend aus 18 grösseren und kleineren, zum grössten Teil erhaltenen, zum Teil vollständig zerstörten Gefässen, 4 Bronzefibeln vom Nauheimer Typus, 1 grossen und 3 kleineren Eisenfibeln, einer Pincette ans Eisen, einem Messer mit breiter Klinge aus Eisen, mehreren Stückchen I^ucherharz, einer Spindel aus Thon, einem kleinen Ringe aus gelbem Glase, mehreren Stücken eines hohlen Bronze- armringes und vielen Tierknochen als R«>8ten der Totenmahlzeit; aus Baden- heim ein Fund, bestehend aus 2 glä- sernen Armringen mit Yerzienmgen aus andersfarbigem Glase, Glasperlen, Spindel aus Thon, verschiedenen kleinen Bronzegegenständen und Resten von 2 Gefässen; aus G und he im eine grosse Bronzefibel vom Nauheimer Typus; vom Grabfeld bei Osthofen (Eisen- bahn) ein schön profilierter Krug und ein Teller, beide ohne Drehscheibe gefertigt.

b) An römischen Altertümern: Inhalt mehrerer beim Kasernenneubau an der Mainzerstrasse gefundenen Gräber, bestehend aus einigen Gefässen und Scherben. Eine von ihnen trug den Töpferstempel Perms-, eine röm. GuBsform aus Thon und ein Horn- instrument von der Wormatia- strasse; eine kleine Goldmünze von Nero; Räucherharz vom Grabfelde von Achmim (Ägypten).

c) An fränkischen Altertümern: Inhalt verschiedener Gräber des Grab- feldes von Wonsheim, darunter 5 tanscbierte Eisenfibeln, Waffen, dabei eine Spatha in Lederscheide, welche mit eingepressten Ornamenten verziert ist, Gefösse, Glasbecher, Porlenschnüre, Bronzebeschläge, eine Zierscheibe, eine Fibel und 2 meroving. Goldmünzen; aus G und heim: Perlen, 1 Lanze und 1 Schnalle; von dem Pfiffligheimer Grabfelde : Perlen und Waffen, gef. in einigen Gräbern nördlich der früher untersuchten Gräber. (Dr. Koehl.)

Entiricl'ehmg der anderen Abtei- lungen des Paulus- Museums seit Au- gust 1894. Zu sämtlichen Abteilungen sind kleinere Ergänzungen, aber keine grössere und wichtige Bereicherung hinzugekommen. Nur die Bibliothek und die Sammlung alter Porträts sind wesentlich vermehrt worden. Der Zu- wachs der Bibliothek beträgt ungefähr 25C0 Nummern, darunter sind auch in diesem Jahre wieder mehrere beson- ders seltene und wertvolle Ergänzun- gen der Sammlung der Wormser Druckschriften aus dem 16. Jahrb.; besonders erwähnen wollen wir von denselben : Eyn wolgeordent vnd nütz- lich büchlein, wie man Bergwerck suchen finden soll, von allerley Metall, mit feinen figuren, nach ge- legenheyt des gebirgs artlich ange- zeygt. Mit anhangenden Bercknamen, den anfahrenden bergleuien vast dinst- lich. Am Ende: Getruckt zuWormbs bei Peter Schöfern, vn volendet am fünften tag Aprill M. D. XVHI.

Kunst und recht Alchaui / ei büchlin wie es dann die altenn / prakticirt ha- ben noch nie mehe/ durch den Truck auszgan / gen noch iedermaun / zelesen worden. / Getruckt zu Wormbs durch Hans Meihel / zum Liechtenstein. Anno 1529.

Endlich der äusserst seltene erste Druck des Buches: „Der Frawen Rosengarten" verfasst von dem W^ormscr Arzt Eiicharius Rösslin 1513.

(Dr. Weckerling.)

Mainz, Originalsammlung des Vereins 69 zur Erforschung der rhein. Geschichte und Altertümer IS. 267, II-1V,VI-XIII.

Von Mitte JHi)i bis Mitte 1895, l. Aus- grabungen: a, Aufdeckung von Gräbern aus der sog. älteren La T5ne-Periode.

Nördlich von Hahnheim in Rhein-

Westd. Zeitaohr. f. Qesch. n. Kunst. XIY, IV.

380

Maseograpbie.

hessen auf sanft ansteigendem Gelände wurden bei Feldarbeiten mehrere alter- tümliche Gegenstände gefunden; eine hohe ohne Scheibe gefertigte Urne^ eine grosse eiserne Scheere und eine eiserne Lanze mit dünner, blattförmi- ger Klinge gelangten in den Besitz des Museums.

Im Verlauf der vom Altertumsverein unternommenen sorgfältigen Unter- suchung der FundsteUe und ihrer Um- gebung wurden nach und nach elf Grabstätten aufgedeckt, die der älte- ren La Tene-Zeit angehören.

Neben einer Gruppe von 30 Thon- gefässen verschiedener Form, konnten eine Reihe von Schmuckgeräten aus Bronze, Eisen und Glas geborgen wer- den; ausserdem bot die Ausgrabung Gelegenheit zu einer interessanten Be- obachtung hinsichtlich der Anlage der Gräber, die, mit einer Ausnahme sämt- lich Leichenbrand enthielten. Der Bo- den des Ackerfeldes und dessen gan- zer Umgebung ist sandig, er besteht schon in einer Tiefe von Vji Fuss aus sog. Schleichsand. Bei der Unter- suchung des Terrains stiess man an mehreren Stellen schon nach zwei Spatenstichen auf ringförmig verlau- fende 70 cm breite Streifen schwar- zer fetter Erde, die sich deutlich auf dem dürren Grunde abzeichneten.

Es war an diesen Stellen ein 70—80 cm tiefer Graben ausgehoben und dann mit schwarzer Erde, die aus ziemlicher Entfernung herbeigeholt werden musste, angefüllt worden. Wie sich sodann ergab, umschlossen die so gebildeten Ringe Grabstätten, und es zeigte sich die eigenthümliche Umgrenzung als allen hier aufgedeckten Gräbern ge- meinsam.

Die Grösse der Kreise war ver- schieden; der kleinste Durchmesser betrug 6 m, der grösste 12 m 80 cm.

Die 11 Gräber lagen auf einem Raum von etwa 1^2 Morgen zerstreut, sie zeigten keine regelmässige Gruppie- rung; die Entfernung zwischen den einzelnen Ringen betrug 5—9 m.

Innerhalb der kreisförmigen Grenzen etwa 50 cm unter der jetzigen Ober- fläche des Ackers fanden sich zahl- reiche, zerstreute Scherben, doch auch zerdrückte und wenig beschädigte Ge- fässe, o£fenbar noch an der Stelle, wo sie ursprünglich niedcrgestellt worden

waren. Durchschnittlich mögen die Grabstätten 6 bis 8 Beigefasse ent- halten haben.

Die eigentlichen Gräber lagen 1—2 m unter diesen Gruppen von Beige- fässen, sie stellten sich als Gruben dar, deren länglich viereckige Form durch die im Sand zerstreute Holz- kohle noch ungefähr zu erkennen war Die Länge dieser von' Nord nach Süd gerichteten Gruben wechselte zwischen 1 m 10 cm und 2 m; die Breite zwi- schen 40 cm und 1,40 m. Einmal war der Rand der Grube mit Steinen um- stellt. In diesen Vertiefungen fand sich die Asche der verbrannten Kör- per in Gefässen beigesetzt oder aaf dem Boden ausgeschüttet vor. Die Bei- gaben lagen nicht zerstreut, auch nicht in den Aschenbehältern, sondern auf einer Stelle vereinigt, seitwärts von den verbrannten Gebeinen.

Grab L Die aufTaf. XVI lio. 1 ab- gebildete schwarze und glänzend po- lierte Schüssel enthielt die Asche, sie stand 2 m tief und war mit Steinen umstellt. Dabei lagen eine grosse eiserne Fibula mit angeheftetem Fuss, die Reste einer zweiten, sowie mehrere unbestimmbare Eisenreste. Über dem Aschengefäss, nur 50 cm unter der Ackerfläche stand der grosse Krag Taf. XV No. 1, in welchem die Knochen eines jungen Ebers lagen; seitlich vom Rande der Grube waren vier kleine Gefässe aufgestellt, ein roher Topf, eine Schale aus naturfarbigem Tbon und der kleine Krug mit Becher, abgab. Taf. XVI Nr. 2.

Grab II enthielt die aufTaf. XV unter No. 2 und 3 und die auf Taf. XVI unter No. 3, 4, 5, 6 abgebildeten Thonge- fässe und Schmuckgeräte aus Bronze, ausserdem einen kleinen schwarzen Krug, ein gleichartiges Gefäss ans natiuiarbigem Thon und die Bruch- stücke eines rohen Napfes. Die Urne Taf. XV No. 2 besteht aus rötlichem Thon, der Halsansatz ist durch ein- gestochene kommaförmige Striche be- zeichnet, der Hals selbst ist schwarz und poliert, sie enthielt die Asche und stand 95 cm tief. Unter den Bronze- geräten ist die grosse Fibel No. 3 wegen der in unserer Gegend seltenen Form besonders bemerkenswert. Die Schlussplatte des Fusses schmückt eine Blume aus ehemals roten Korallen-

Museographi^.

381

Stückchen, die durch Einkerbungen ver- ziert und mit feinen Bronzenieten auf der kreisrunden Platte befestigt sind. Ebenso ist die Nadelrolle mit Korallen- stiicken verziert, die auf gleiche Art angeheftet sind. Von einfacherer Art ist No. 4. Der schmale Bügel zeigt ein längliches, eingraviertes Feld, das mit zahlreichen Kreisen undGentralpunkten gefüllt ist. Die runde Platte am Fuss trug ehemals eine Eorallenscheibe. No. 6 (Tafel XVI) stellt den Schluss- baken eines schmalen Gürtels dar.

Grab III brachte die Scherben eines rohen Aschenge fässes und drei blaue und gelbe ringförmige Glasperlen. Da- bei lagen noch eine eiserne Pinzette und Bruchstücke von zwei eisernen Fibeln mit angeheftetem Fuss. Die Zähne und Knochen eines kl. Schweines fanden sich nebst den Scherben ver- schiedener Gefasse im oberen Teil des Grabes. Die Vertiefung, welche die Asche enthielt, war mit Steinen um- stellt.

Grab IV unterschied sich von den übrigen Grabstätten indem es anschei- nend eine teilweise Bestattung ent- hielt. Die Grube war 1,80 m lang, 78 cm breit und 1,25 m tief, von Nord nach Süd gerichtet. In ihr lag ein mit Steinen umstellter und durch diese zerdrückter Schädel. Andere Knochen- reste konnten nicht wahrgenommen werden, doch fanden sich bei dem Schädel Stücke geschmolzenen Glases, die auf Verbrennung der übrigen Kör- perteile schliessen lassen. In dem Grab lagen ausser unbestimmbaren Eisenresten eine Thierkopf- Fibel aus Bronze (Taf. XVI No. 7) und die Reste eines zweiten Exemplars; ferner zwei Fibeln von Bronze (Tal. XVI No. 8), ein Armring aus Bronze mit kl. Puffern, eine Perle aus blauem Glas mit weissen Augen (Taf. XVi No. 9) und kleine Frag- mente von Zierraten aus Bronzedraht. Von Gefässen konnte nur die flaschen- förmige Urne Taf. XV No. 4 gehoben werden.

Grab V. Eine schwarze krug- artige, auf der Scheibe hergestellte Urne und ein hoher, nach dem Fuss hin nur wenig verjüngter Topf von roher Arbeit enthielten die Asche, in dem schwarzen Gefäss fanden sich mehrere Klümpchen eines schwärzlichen Harzes, das beim Anbrennen einen,

dem Weihrauch ähnlichen Geruch ver- breitete. Neben den Gefässen lagen 6 Nägel aus Eisen, deren breite Köpfe mit Bronzeblech überzogen sind. Diese Nägel lassen angerostete Holzteile er- kennen, sie hatten zur Befestigung des eisernen Buckels auf dem Schilde ge- dient. Da sie auf der Rückseite der Schildwand umgeschlagen worden waren, lässt es sich mit Sicherheit be- stimmen, dass dieselbe 2V2 cm stark war.

Von Gegenständen aus Metall sind ausserdem nnr Fragmente aus Eisen vorhanden, die möglicher Weise von einem Schwert herri'ihren könnten, sowie Bruchstücke zweier Bronzefibeln mit angeheftetem Fuss. Eine kleine ringförmige Perle aus blauem Glas lag bei den Fibelresten.

Über der Grube wurden die Scher- ben eines fast cylindrischen rohen Ge- fässes und zwei kleine scharf profi- lierte Schalen aus naturfarbigem Thon erhoben.

Grab VI enthielt wahrscheinlich die Asche von zwei Personen von Mutter und Kind. Die Überreste waren in einem krugartigen schwarzen mit der Scheibe gefertigten Gefäss und in einer Schüssel mit einwärts gebogenem Rande geborgen; bei der letzteren lag eine Bronzefibel mit angeheftetem Fuss (Taf. XVI No. 10) und das Fragment einer zweiten, sowie eine Kinderklap- per aus Thon. Über der Grube seit- lich standen noch zwei Gefasse von gleicher Art wie die Aschenbehälter und der fast cylindrische Topf mit rei- fenartig umlaufenden Wülsten (Taf. XVI No. 11), welcher auf der Scheibe her- gestellt ist.

In Grab VII war die Asche aut den Boden geschüttet; verhältnis- mässig reich zeigte sich die Ausstat- tung mit Schmuckgeräten.

In einer Gruppe beisammen lagen ein schön verzierter Halsring (Taf. XVI No. 12), zwei Armringe (Taf. XVI No. 13), der Armring No. 14 und ein viertes einfaches Exemplar mit ovalen kleinen Puffern: ferner eine Radkreuz - Ver- zierung (Taf. XVI No. 15), eine kleine Bronzefihel mit zurückgebogenem freiem Fuss, ein kleiner geschlossener Bronzering und das Schlussstück eines Gürtels.

28*

382

Museographie.

Über dem Grabe lagen Gefäss- scherben.

Auch in Grab YIII war die Asche anf den Boden geschüttet. Die Bei- gaben bestanden aus einem hohlen Hals- rin^ aus Bronze (Taf. XVI No. 16), einem zerbrochenen hohlen Bronzearmring, ebenda No. 17 drei leichten Bronzearm- ringen wie Taff. XVI No. 18 und einer eisernen Fibel mit aufgebogenem Fuss und Schlussknopf (Taf. XVI No. 19). Die Reste einer zweiten eisernen Fibel konnten nicht zusammengefögt werden.

Grab IX. Die Asche war in einer Schüssel aus naturfarbigem Thon ge- borgen (Taff. XV No. 5). Dabei lagen die schön verzierte Bronzefibel Taf. XVI No. 20, eine zweite Bronzefibel wie das Taff. XVI No. 8 abgebildete Exemplar, Reste einer Bronzekette, ebenda No. 21, ein kleines eisernes Messer, ein Stück Feuerstein und ein kegelförmiger Spinn- wirtel aus Thon. Von den Beigefässen waren nur Trümmer vorhanden.

Eine eiserne Schere, ein eisernes kleines Messer, die Reste mehrerer eiserner Fibeln anscheinend mit ange- heftetem Fuss und geschmolzene Stücke von blauen Glasringen stammen aus Grab X. Die Gefässe sind durch hohe, roh gearbeitete Thonurnen, zwei auf der Scheibe gefertigte schlanke Urnen (Taff. XV No. 6) und eine kleine Thonschale vertreten.

Grab XI lieferte den auf Taff. XV Nr. 7 abgebildeten schwarzen Krug ; er ist ebenfalls auf der Scheibe herge- stellt. Ausserdem wurden zwei glän- zend schwarze Schalen mit stark ein- wärts gebogenen Rändern, die Reste von eisernen Fibeln mit angeheftetem Fuss, eine eiserne Zwinge gefunden.

Die Kinnlade und einige Röhren- knochen eines kleinen Tieres lagen in einer der schwarzen Schalen.

Das auf Taff. XV No. 8 abgebildete auf der Scheibe gedrehte Gef^s wurde in einem früher zerstörten Grabe ge- funden.

Die Art der Anlage dieser 11 Grab- stätten lässt darauf schliessen, dass dieselben ehemals mit Hügeln be- deckt waren, welche durch den Acker- bau beseitigt wurden.

Dass die, ursprünglich wohl auf der Oberfläche dos Bodens, oder in seichten Mulden, aufgestellten Beigefässe jetzt bis 50 cm unter der Oberfläche ange-

troffen wurden, erklärt sich leicht durch die allgemeine Erhöhung, welche der Boden bei Einebnung der Hügel, sowie durch die vom Pflug und vom Wasser aus dem höher liegenden Teil des Ge- ländes herabgeführte Erde erfahr. Die anf dem Fuss der Sandhügel ringförmig eingefüllte schwarze Erde sollte wohl einem Gehege von Sträuchem die zu dauerndem Wachstum nötige Nahrung bieten. In der That lässt sich mit ziemlicher Sicherheit nachweisen, dass in nachchristlicher Zeit noch der Ge- brauch bestand, die Gräber durch Hecken (Dorngehege) zu schützen.

b. Aufsuchung röm. Brandgrä- ber im Gartenfeld, Mainz. Herr Bildhauer Däsem hatte im Jahre 1893 in seinem Garten in einer Tiefe von ca. 3 m 40 cm eine Anzahl rumischer Brandgräber gefunden und stellte sein Gebiet in dankenswerte Weise zur Untersuchung durch den Altertnms- verein zur Verfügung. Man fand aber nur noch ein Grab. Ein umfangreiches Gräberfeld, dessen Spuren an verschie- denen benachbarten Stellen bei Fan- damentanlagen beobachtet wurden, scheint also hier seinen Abscbluss ge- funden zu haben. Das Grab enthielt eine kleine fleckige, beim Brand miss- ratene Aschenurne ; sie hat eine glatte Standfläche und einen im Querschnitt dreieckigen Rand, dessen Aussenseite leicht gewölbt ist. Dabei fanden sich zwei rote Thonlämpchen, eine kleine Glasphiole, ein bauchiges Kruglcin aus weissgelbem Thon, ein grösserer Krug von gleicher Farbe, mit geripptem Henkel und mehreren Klumpen ge- schmolzenen grünlichen Glases. Uuter diesen Resten lag auch der Kopf und Hals eines aus Glas geformten Vogels, der wohl als Spielzeug diente.

An anderer Stelle wurden unter einer Schichte Holzkohlen Bruchstücke von 4 oder 5 grösseren und kleineren Thongef ässen, eine zerbrochene Lampe aus weissgelbem Thon, Beinknochen einer Gans und mehrere Rinderzähne aufgefunden.

Die Lampe zeigt das Reliefbild ei- ner Mänade, Taff. XVII Nr. 1. Das in rascher Bewegunar mit zurückgeworfe- nem Kopf und fliegendem Haar und Gewand dargestellte Weib hält in der einen Hand ein Messer, in der ande- ren ein Vierteil von einem Reh oder

Museograpbie.

383

anderem Wild; es scheint mit dem Fell des Tieres umgürtet zu sein. Auf dem Boden der Lampe ist erhöht ein T zu erkennen.

Ein Lämpchen aus Thon und eine Sibermöuze des Augustus wurden nebst Scherben und einigen Nadeln aus Knochen als Einzelfunde eingeliefert.

c. Ausgrabung auf dem frän- kischen Friedhofe bei Uabn- heim, Rheinhessen. Die Unter- suchung dieses Friedhofs war schon im Jahre 1892 begonnen worden. Im Spätsommer des verflossenen Jahres wurde sie fortgesetzt und es wurden 64 Gräber aufgedeckt. Die Tiefe der Grabstätten wechselte zwischen 1 und 2 m; die seichtesten Gruben enthiel- ten die einfachsten Beigaben. Die Lage der Leichen war wie gewöhnlich von Westen nach Osten gerichtet.

28 Gräber erwiesen sich als bereits in alter Zeit beraubt, die Knochen des Oberkörpers, bei welchen die Schatz- gräber die Schmucksachen hauptsäch- lich antreffen mussten, waren meist aus ihrer Lage geworfen und zerstört.

In einigen dieser Gräber wurden in- des noch einzelne schöne Schmuckge- räte gefunden, welche die Räuber übersehen hatten.

So konnten aus Grab No. 5 der goldene mit Filigran verzierte Anhän- ger (Taf. XX No. 1) und ein kleiner Glasbecher geborgen werden, während das zerstörte Grab No. 21 die schöne mit Granaten besetzte Rosettenfibula (Taf XX No. 2) geliefert hat.

Von den noch unberührt vorgefun- denen 36 Grabstätten erwiesen sich 5 Frauongräber als gut, ja reich aus- gestattet, die übrigen 31 zeigten im allgemeinen nur einfache Beigaben, in sechs Fällen fehlten diese ganz.

Aus 21 zum Teil schon durchwühl- ten Männergräbem wurden 9 Lanzen, 1 Spatha, 2 grosse Waidmesser, 4 kkinere Messer und 9 Pfeile erhoben, eine verhältnismässig kleine Zahl von Waffen.

Der eigentliche Scramasax, der Schild, das Beil kamen in diesem Teil des Friedhofes nicht vor.

Bei den 12 unberührten Männer- isräbern wurde die Verteilung der Waffen wie folgt festgestellt: In drei Grabstätten fand sich je ein Spiess, in einem Grab ein Langschwert, ö an-

dere Gräber enthielten je ein grösseres Messer oder einige Pfeile. Nur bei einer Leiche waren zwei Waffen, näm- lich ein Waidmesser und eine Lanze niedergelegt.

Auch in anderer Hinsicht zeigten die Männergräber einfachere Ausstat- tung als gewöhnlich; die für fränkische Gürtelschnallen und eiserne Beschläge so bezeichnende Tauschierung durch Silber oder Bronze Hess sich auf kei- ner der erhobenen Schnallen und Platten nachweisen; gläserne Trink- becher wurden bei Männerskeletten nur zweimal angetroffen.

In zwei Fällen sind Tierknochen neben, resp. über den menschlichen Resten gefunden worden. So barg das Grab No. 7 die Knochen eines jungen Ebers, die über dem Skelett eines Mannes lagen, und bei Grab No. 22 fand man das Gerippe eines jungen Pferdes, dem noch drei Backenzähne fehlen. Das Pferd lag etwa 60 cm von dem menschlichen Skelett entfernt, doch mit dem Kopf nahe an der lin- ken Hand seines Herrn, dessen Rechte den Speer hielt. Eine Thonurne, in welcher ein Glasbecher geborgen war, stand zu Füssen des Kriegers.

Was die Frauengräber betrifft, so zeichneten sich einige, wie schon be- merkt, durch wertvolle Beigaben aus.

Das Grab No. 1 enthielt eine sil- berne, vei]goldete Spangenfibula (Taf. XX No. 3), ein Amulet, Krystallkugel in Silber gefasst (Taf. XX No. 4) und eine Bronzenadel. Von anderen Geräten fanden sich: Ein Schabmesser aus Bronze, ein grauer Napf aus Thon mit eingestempelten Verzierungen und ein Becher aus Thon.

Reicher noch war Grab 12 ausge- stattet. Auf dem sehr mürben Skelett lagen in der Gegend des Halses Glas- perlen und eine Scheibenfibel aus ver- goldetem Silber, deren Oberfläche ganz mit geschnittenen in Zellen gefassten Granaten bedeckt ist (Taf. XX No. 5). Auf der Brust &nd sich die kleinere ebenfalls mit Granaten besetzte Fibula (Taf. XX No. 6). Unterhalb des Beckens lag eine Gürtelschnalle aus Bronze. Zu Füssen des Skeletts stand eine ganz verwitterte Urne aus grauem Thon.

Im Grab No. 27 wurden neben ver- schiedenen kleinen Geräten mehrere schöne bunte Glasperlen, eine silberne

384

Museograpbie.

Riemenzunge und ein Glasbecher von ungewöhnlicher Form (Taf. XXI No. 1) vorgefunden.

Das Skelett in Grab 39 trug eine Perlenschnur am Hals und am linken Handgelenk eine einzelne würfelförmige bunte Glasperle. Auf der Brust lag eine Scheibenfibula aus Bronze mit gestanzter Zierfläche und mit gelben und blauen Glasperlen besetzt (Taf. XX No. 7). Ein Gürtel mit eiserner Schnalle, ein kleines Eisenmesser und eine Urne aus Thon vervollständigten die Ausstattung.

Einen Glasbecher, sowie einen Spinn- wirtel aus grünem Glas mit weisser wellenförmiger Verzierung ergab das Grab No. 54. Ein grosser Glasbecher wurde einem halbzerstörten Grabe ent- nommen.

Die erhaltenen Thougefässe, im Gan- zen 27, haben zum grossen Teil die Xapfgestalt mit vorstehender Bauch- kante ohne Henkel; sie sind durch Einritzung wie auch durch den Stem- pel und das Töpferrädchen verziert. Becherartige Thongefässe sind nur dreimal vertreten, zweimal die gehen- kelte Kanne mit Ausgussröhre.

Ein Vergleich dieser Ergebnisse mit jenen, welche die Untersuchung des unteren Teils des Friedhofs im Jahre 1892 brachte, zeigt auffallender Weise, dass dort aus einer ziemlich gleichen Zahl unberührter Gräber eine grössere und mannigfaltigere Gruppe von Waffen erhoben wurde. Der Schild sowohl wie die Spatha waren mehrfach ver- treten. Auch ein Ango, wohl die seltenste fränk. Waffe, stammt aus einem Grab in der Niederung.

Es war auf Grund vieler Erfahrun- gen anzunehmen, dass die Sitte, die Verstorbenen mit allen Bedürfnissen des Lebens auszustatten, in dem höher gelegenen und älteren Teil des Fried- hofes deutlicher zum Ausdruck komme als in den niederen Regionen, die im allgemeinen einer späteren Zeit ange- hören, in deren Verlauf der alte Brauch allmählig schwand und zuletzt mehr angedeutet als ausgeübt wurde.

d. Bei Grabung eines Kellers stiess Herr Agent Kern in Sprendlingen, Rheinhessen, auf fränkische Grä- ber und machte in dankenswerter Weise dem Altertums verein sofort Mit- teilung von seinem Funde. Der Ver-

ein übernahm die weitere Untersuchung der Umgebung.

Das Fundgebiet liegt dicht bei dem Bahnkörper und dem Stationshaus von Sprendlingen, bei deren Bau schon vor Jahren ein Teil des Friedhofs au- geschnitten worden war.

Es wurden in diesem Jahre im Gan- zen noch 55 Gräber aufgefunden, vou denen 46 regelmässig untersucht wer- den konnten.

Zehn Grabstätten erwiesen sich als früher durchwühlt, davon waren vier als Frauen-, zwei als Männergräber zu erkennen; bei den übrigen war eine Bestimmung nicht mehr möglich, da sie nur noch Scherben und gänzlich vermoderte Knochenteile bargen. Vou den unberührt vorgefundenen Gräbern enthielten 13 männliche und 21 weib- liche Skelette, 2 konnten bestimmt als Kindergräber erkannt werden.

Als bezeichnend für dieses Grabfeld muss das häufige Vorkommen von Leichenbrettem erwähnt werden ; mehr- mals schienen auch die Leichen ganz mit Brettern umstellt zu sein. Mau wird in diesen Fällen auf regelrechte Särge schliessen dürfen, obgleich nur einmal eiserne Nägel gefunden wur- den, denn die Bretter konnten ebenso gut mit hölzernen Stiften zusammen- gefüst werden.

Die Gruppe der erhobenen Waffeu umfasst 14 Lanzen, drei Langschwer- ter, einen Scramasax, 18 Waidmesser von 40 cm Länge, eine Wurfaxt, eine Streitaxt, 5 Pfeile und 6 Schildbuckel.

Von diesen Waffen waren 9 Lanzeu und ein Schildbuekel schon vor Ein- treten der Beaufsichtigung gefunden worden; ihre Zugehörigkeit zu be- stimmten Gräbern war nicht mehr fest- zustellen. Die übrigen 32 Waff n- Btücke verteilen sich auf 13 unberührt vorgefundene Männergräber, von dencu die meisten zwei Waffen enthielten.

Die Messer bis zu 20 cm Länge sind hierbei nicht berücksichtigt, da sie ja in Männer- und Frauengräberu vor- zukommen pflegen.

Die 13 Grabstätten der Männer dürfen im allgemeinen gut ausgestattet genannt werden, einige zeichnen sirh durch zahlreiche Beigaben aus. So das Grab No. 18. Bei dem Skelette lagen eine Spatha, eine Wurfaxt, eine Lanze und ein 40 cm langes Dolch-

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messer. Der Gürtel war mit einer eisernen Schnalle geschlossen; dicht an demselben fanden sich zwei klei- nere Messer. Zu Füssen der Leiche stand eine Schüssel aus Bronzeblech mit zwei eisernen Henkeln (Taf. XXI No. 2), welche ein Rippenstück von einem Schwein, zahlreiche Eierschalen und einen gläsernen Trinkbecher ent- hielt. Das Grab war mit Brettern umstellt; auf dem Boden fanden sich Holzkohlen zerstreut.

Nicht minder stattlich war die Aus- rüstung des in Grab 31 ruhenden Kriegers. Die Rechte hielt den mit der Spitze nach unten gewendeten Speer; auf dem Unterarm fand sich der Buckel des Schildes; im linken Arm lag das Laugschwert und an der Hand ein 40 cm langes Waidmesscr. Feuerstahl und Stein lagen in der Gegend der Hüften, zu Füssen stand eine gehenkelte Kanne aus Thon mit Ausgussröhre.

Grab 26 enthielt ein Langschwert, ein langes Messer, einen Schild, drei Pfeile und verschiedenes Klcingerät, eine Pincette aus Bronze, Feuerstahl und Gürtelteile aus Bronze; zwischen den Kinnladen des zerfallenen Schä- dels fand sich eine Bronzemünze, deren Prägung nicht mehr zu erkennen war. Das Grab war mit Brettern umstellt.

Die erwähnten Pfeile sind von ver- schiedener Form. Üer eine ist mit Widerhaken versehen, der andere ist einfach blattförmig, während der dritte, abgeb. Tat. XXI No. 3, eine besondere Form zeigt, die in den rheinischen Reihengräbern meines Wissens bis jetzt noch nicht angetroffen wurde, wohl aber aus dem Gräberfeld von Reichen- hall in Bayern vorliegt. Der Pfeil zeigt drei Schneiden, die von der drei- kantigen Tülle auslaufen.

Wenn die 21 Frauengräber sich auch im allgemeinen nicht als besonders reich ausgestattet erwiesen, so wur- den doch aus zweien einzelne hervor- ragend schöne und interessante Fund- stücke erhoben.

Grab 3 enthielt, neben den gewohn- ten Beigaben und einem schönen Glas- becher, die auf Taf. XX No. 8 abgebil- dete reichverzierte viereckige Fibula. Die Oberfläche ist ganz mit geschnit- tenen Almandinen und Glasflüssen be- deckt, welche in Zellen aus Bronze-

blech gefasst, ein reiches und farbiges Muster bilden. Die Mitte der Fläche nimmt ein grosser ovaler indischer Granat ein, um den sich zunächst 6 kleine kreisförmige Zellen gruppieren. Die zwei seitlich stehenden waren ur- sprünglich mit Perlen oder weissem Schmelz besetzt, die vier anderen dienten zur Aufnahme von Nieten mit vergoldeten Köpfen, welche die Rück- seite der 6 mm dicken Fibula mit der Zierfläche verbinden helfen und zu- gleich die Platte mit der Nadelrolle sowie den Nadelhalter anheften. Die geschnittenen mit Goldfolie unterleg- ten Almandintafeln bilden gewisser- massen den dunkeln Grund, von wel- chem sich die zierlichen, vergoldeten Kanten der Zellen, sowie die hellen Emaileinlagen abheben. Die kleeblatt- förmigen Figuren vor den Ecken der Fibel sind hellgrün, während die Ecken selbst mit blauem Glas gefüllt sind.

Die länglich-viereckigen Zellen an den vier Seiten zeigen weisse und blaue Emaileinlagen.

Zur Befestigung der Zierfläche die- nen neben den erwähnten 4 Nieten, der umgebogene Rand des Blechstrei- fens, welcher die 6 mm hohen Seiten- flächen der Fibel bildet, und vier kleine durch die Ecken getriebene Bronzestifte. Die Metallteile des Schmuckstückes waren ursprünglich stark vergoldet.

Viereckige mit Zellenschmelz und geschnittenen Steinen verzierte Platten sind bisher nur als Gürtel- und Schnal- lenbeschläge bekannt und auch als solche von grosser Seltenheit.

Die Rundfibel Taf. XX No. 9 stammt aus Grab 25 ; dasselbe enthielt ausser- dem einen frei im Boden liegenden Glasbecher, eine Gürtelschnalle aus Bronze und etliche Eisenreste. Die Leiche war anscheinend in einem Sarg beerdigt.

Wie die Abbildung zeigt hat die Scheibe in der Mitte eine buckelartige Erhöhung, welche mit einem runden dunkelgelben Glasplättchen verziert ist. Von diesem gehen 4 Liniengrup- pen aus, welche die 4 Arme eines Kreuzes bilden, die ihren Abschluss durch halbkreisförmige Einlagen aus dunkelgelbem Glas finden. Die durch diese Einteilung gebildeten Felder sind mit schuppenförmig übereinander ge-

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Museographie.

schobenen concentrischeu Kreisen ge- füllt

Bei Grab No. 34 ist vor allem die Tftf. XX No. 10 abgebildete Gürtel- schnalle aus stark vergoldeter Bronze zu nennen. Die Platte des Doms ist mit Granaten auf Goldfolie besetzt. Die Köpfe der drei Nieten, welche die obere Platte mit der gleich grossen unteren verbanden und das dazwischen liegende Leder des Gürtels festhefte- ten, sind mit geperlten silbernen Rin- gen eingefasst. Zu Grab 34 gehört noch ein Fingerring aus Bronze, in dessen runder Zelle das Fragment eines Granats erhalten ist.

Die übrigen aus verschiedenen Män- ner- und i? rauengräbern gewonnenen Gegenstände aus Metall, wie Schab- messer, Scheren, Feuerstahl, Gürtel- beschläge etc., zeigen meist die ge- wohnten, oft beobachteten Formen. Eine zierliche, verzinnte Gürtelschnalle aus Bronze und ein länglich vier- eckiges, ebenfalls verzinntes Gürtel- beschläge treten aus dieser Gruppe hervor. Das letztere verdient aus dem Grunde Beachtung, weil die Flächendekoration durch eine Art von stilisierten Pflanzenranken , unseren Grabfunden im Allgemeinen fremd ist, und an die Verziernogen gleichartiger Gegenstände aus Reihengräbern Un- garns (Keszthely) erinnert.

Im Ganzen sind 8 Becher aus Glas gefunden, von welchen ö aus Frauen- gräbern und drei aus Männergräbem erhoben wurden.

Die Zahl der Thongefässe beträgt 39. Als seltenere Formen sind zu erwähnen ein flaschenartiges Gefäss mit engem Hals, zwei Schüsseln mit nach innen verdicktem Rande und zwei Henkelkannen mit Ausgussrohr.

Unter den in den Gräbern nieder- gelegten Speisen nahmen die Hühner- eier die erste Stelle ein; nur in ver- einzelten Fällen wurden auch Rippen- stücke von jungen Schweinen gefunden.

n. Vermehrung der Sammlungen durch Ankäufe und Geschenke, a. V o r - geschichtliche Altertümer aus Stein und Hörn. Drei polierte Stein- äxte und ein kleines Instrument zum Glätten der Thongefässe aus Gross- umstadt (wahrscheinlich aus Grab- hügeln der neolith. Zeit, welche in der Umgegend dieses Orts vorhanden sind) ;

je zwei Steinäxte aus Kronau bei Bens- heim und Unterlauterbach ; je eine aas Breitendiel im bayer. Odenwald, und aus Laubenheim bei Mainz. Die U tz- tere ist ein Geschenk des Herrn Peter Koch in Mains.

Zwei durchbohrte llammeräxte aus Grossumstait, und eine am Schaftloch abgesprungene Axt von seltener Form aus Wenigumstadt ; diese zeigt rings- um bis zu der nach unten verlängerten Schneide viele der Länge nach ver- laufende geschliffene Flächen.

Aus dem Strombett des Rheins stam- men 9 durchbohrte Hammeräxte, zum Teil von besonderer Grösse wie das Taf. XIV No. 1 abgebildete fein geschlif- fene Stück und zwei weniger sorgfäl- tig gearbeitete Exemplare, welche Herr Oskar Winterhelt aus Miltenberg dem Museum als Leihgabe uberlieas ; fer- ner eine durchbohrte Doppelaxt, ein zersplittertes Stück der gleichen Art und ein Keulenknopf (oder Netzbc- schwerer '4 abgeb. Taf. XIV No. 2.

Einige dieser Werkzeuge und Waffen sind aus Basalt, Diorit, Thonschiefer gefertigt, die meisten aber besteheu aus Rieselschiefer. Aus diesem Ma- terial ist auch das auf Taf. XfV No. 3 dargestellte Gerät gefertigt, welches wahrscheinlich zum Glätten des Lehm- bewurfs der Hütten oder des Estrichs diente

Von unbekannter Bestimmung ist ein flacher, am breiten Ende zweimal durchbohrter, spitz zulaufender Stein, abgeb. Taf. XIV No. 4, gefunden im Rhein.

Die Form im Allgemeinen erscheint ids zufällige Bildung« der Stein zeigt, abgesehen von der künstliclien Durch- bohrung und einer leichten Zuspitzung am unteren Ende, keine Spuren mu Bearbeitung Die Pfeilspitze aus Feuer- stein (Taf. XIV No. 5) ist als ein seltenes Fundstück zu bezeichnen, sie stammt aus dem Wald bei Bingen. Ein zwei- tes, grösseres Exemplar mit ausgebil- deten Widerhaken ist Geschenk des Herrn Gymnasiallehrer Fink ; der Fund- ort kann leider nicht mehr festgestellt werden.

Geräte aus Feuerstein und nament- lich Pfeile wurden in unseren Gegen- den nur in sehr geringer Zahl gefun- den; aus dem grossen neolithischeo Gräberfeld von Monsheim sind nur wenige kleine Messer aus diesem Ma-

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terial erhoben worden, Pfeile fehlten ganz. Diese Seltenheit erklärt sich aus dem Fehleu des Rohmaterials. Die vorliaudenen Gegenstände aus Feuer- stein wurden von anderen Gegenden her als Tauschware eingeführt.

Als ein ungewöhnliches Fundstück darf auch das auf Taf. XIV No. 6 abge- bildete Beil aus Hirschhorn betrachtet werden; dasselbe ist bei Kostheim, 3 m tief im Uferschlamm des Main üt'funden, an derselben Stelle, wo im vorigen Jahre bearbeitete üirschge- weih-Stangen und früher schon rohe Topfscherben und Steinbeile zu Tag gekommen waren. Das Geweih-Stück ist kurz über der Krone abgeschnitten uud ungefähr in der Mitte seiner Länge durchlocht zur Aufnahme des Schaftes. Die Schneide steht schief, da der in- nere poröse Teil des Geweihs nicht benutzt werden konnte; derselbe ist jetzt zum Teil verwittert

b. Altertümer der frühen Me- tall z e i t. Ein Dolch aus Kupfer 19, l cm Ung, gefunden im Rhein, mag den Übergang zu der nachstehend ver- zeichneten Gruppe von Gegenständen vermitteln.

Der auf Taf. XIV No. 7 abgebildete Dolch ist gegossen, aber weder nach- gefeilt noch ciseliert, er zeigt noch die sog. Gusshaut, wie fast alle bis jetzt aufgefundenen Kupferdolche. Die Klinge hat nach oben einen schmäleren An- satz gleich einer kurzen Griffangel; drei unregelmässig geformte Nietlöcher dienten zur Befestigung des Hörn- oder llolzgriffs; von der Spitze bis zu den zwei seitlichen Nieten läuft eine platt- gedrückte Rippe. An Grösse über- trifft der Dolch die mir bekannten gleichartigen Waffen aus den Pfahl- bauten Österreichs (Attersee und Mond- see) und der Schweiz. In der Alter- tumersammlung zu Mainz befindet sich, ausser diesem Dolch nur noch ein Gegenstand aus Kupfer, es ist ein schmaler Meissel, der ebenfalls, als Einzelfund, aus dem Rhein stammt.

Bronzeschwert 57,8 cm lang, gefun- den im Rhein bei Mainz, abgeb. Taf. XIV No. 8. Der obere Teil ist abgebrochen, doch lässt sich durch Vergleich mit vollständ'gen Funden gleicher Art mit Sicherheit annehmen, dass der abge- brochene Teil oben abgerundet war und zwei oder drei Nietlöcher zur Be-

festigung des jedenfalls gegossenen Griffs hatte. Die schmale Klinge, welche sich in der unteren Hälfte nur ganz allmählich verjüngt und im obe- ren Teil kaum merklich eingezogen ist, hat einen rautenförmigen Quer- schnitt. Eine schwach vortretende wulstige Mittel rippe läuft vom Griff zur Spitze. Obgleich an Alter den Schwertern mit Grifizunge nachstehend, müssen die Klingen d'eser Art doch den älteren Typen zugezählt werden. Spitze eines Bronzeschwertes aus dem Rhein bei Mainz. Das Bruchstück ist 12,^ cm lang, der Querschnitt rauten- förmig. Die Seitenflächen sind durch vier feine erhabene Linien, welche di m Um- riss der Klinge folgen, verziert. Lau- zenspitze aus Bronze 12 cm lang aus dem Rhein bei Mainz (Taf. XIV No. 9), Leih- gabe des Herrn Oskar Wiuterhelt ; aus dem Rhein bei Bacharach eine Pfeil- spitze aus Bronze mit schmaler Klinge und einem Dom am Ende der Tülle (Taf. XIV No. 10). Ebendaher der Knauf einer Streitkeule aus Bronze (Taf. XIV No. 11). Um die auch oben offene cm lange Bruuzeröhre stehen in drei Gruppen übereinander je 4 starke Zacken; die in der unteren und obe- ren Gruppe sind dreikantig, während die mittleren vier Ecken aufweisen. Mehrere der Zacken oder Stacheln sind schon in alter Zeit abgebrochen. Am unteren Ende der Tülle ist ein Loch sichtbar, durch welches der Niet- nagel getrieben war, der den Holz- schaft in der Tülle festhielt. Ein 15 cm langes Stück dieses Stabes ist noch erhalten.

Man hat die Stachelknöpfe mehr- fach als Beschläge von Hirten- uud Fuhrmannsstöcken, als Mittel zum An- treiben der Tiere erklärt. Wenn auch kleine Beschläge diesem Zweck dienen konnten, so sind doch Exemplare mit 3 cm langen Zacken, wie das hier ab- gebildete, sicher als Beschläge von Streit keulen zu betrachten, deren spä- teste Ent Wickelung in dem mittelalter- lichen Morgenstern zu erkennen ist.

Aus dem Rbeinhett stammt ferner eine Gruppe von 11 Axtklingen aus Bronze, sog. Kelte, in 6 verschiedenen Typen.

Kleine Axtklinge aus Bronze mit sehr flachen Randleisten (Taf. XIV No. 12). Diese Axt weicht von der gewohnten

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Museographie.

Form ab, indem sie in der Mitte vor- springende Kcken zeigt, mit welchen die eigentliche Klinge beginnt und die Randleisten ihren Abschluss finden.

Das kreisförmige Loch am oberen Ende hat der Kelt mit den häutig in Süddeutschland und massenhaft in Italien gefundenen Beilen dieser Art gemeinsam.

Zwei Äxte aus Bronze mit sog. Ab- satzkanten (Taf. XIV No. 13) ; Bronzeaxt mit Schaftlappen in der Mitte (Taf. XIY No. 14); 5 Bronzeäxte mit oberen Schaftlappen und Öse (No. 15); Hohl- kelt mit länglich rundem Schaftloch und Öse (No. 16), und ein ähnliches grösseres Exemplar, hohl bis zur Schneide (No. 17)

No. 16 ist wie die Hohlkelte im all- gemeinen nur etwa bis zum unteren Drittel hohl zur Aufnahme des Holz- schaftes, die Schneide blieb kräftig genug um ihren Zweck zu erfüllen; das vollständig hohl gegossene Beil aber ist eine sonderbare Spielerei, die sich weder zur Arbeit noch zum Kampf eignete. Da der Kelt am Schaftloch viel enger ist als in der unteren Hälfte, so ist die Einführung eines Holzkernes bis zur Schneide zum Zweck der Ver- stärkung nicht denkbar. Ähnliche Beile sind aus Nordfrankreich bekannt.

Sichel aus Bronze (Taf. XiV No. 18) und zwei Bronzemesser (Taf XIV No. 19 und 20); sie wurden aus dem Rhein' erhoben. Gleichen Fundorts sind die auf Taf. XIV No. 21, 22 und 23 abgebil- deten Nadeln und zwei weitere Exem- plare mit petschaftförmigem Kopf. Die unter No. 24 abgebildete Nadel stammt aus Eschollbrücken, Prov. Starkenburg. Offener, massiver Armring aus Bronze mit gegossener Verzierung durch Fur- chengruppen, gefunden in Rheinhessen. Fragment eines Armringes aus Bronze, gefunden im Rhein bei Mainz (Taf. XV No. 9). Die Verzierung ist teils im Guss, teils durch Gravierung herge- stellt. Vier Spinnwirtel aus Thon mit einfachen eingeritzten Verzierungen, aus Kleinhausen, Prov. Starkenburg. Geschenk des Herrn Kessler, und zwei gleichartige Exemplare, Geschenk des Herrn Dr. Nies.

c. Der sog. Hallstatt- Zeit ge- hört ein geschlossener , schwerer Bronzearmring an, mit kräftig vortre- tenden Rippen, die in Gruppen geord-

net mit glatten Stellen abwechseln (Taf. XV No. 17), Fundort Wohnbach bei Bürstadt in Oberhessen ^).

Ein vollständiger Grabfund aus Nier- stein, bestehend aus drei Thongeßlssen (Taf. XV No. 10, 11, 12), einem geschlos- senen Halsring aus Bronze (No. 13). zwei Fussringen (No. 14) und zwei offenen Armringen (No. 15 und 16) Die Urne No. 10, welche die Knochenreste enthielt, ist schwarz und sorgfaltig geglättet, die Strichverziernngen er- scheinen matt auf dem glänzenden Grunde.

Zierstück (Anhänger) aus Bronze (Taf. XV No. 1 8), aus Habnheim in Rheiu- hessen. Die um die Aussenseite des Halbmondes gruppierten Ösen trugen kleine Klapperbleche oder andere Hängeverzierungen.

d. Aus der sog. La Tene-Periode stammen eine Bronzefibel mit zurück- gebogenem Fuss und Schlussknopf, Fundort Hahnheim, Rheinh , die Hälfte eines Halsrings aus Bronze mit pet- schaftförmigem Abschluss, gefunden im Rhein bei Bacharach, und das Bruchstück eines reichverzierten Bron- zehalsringes mit hohlem Puffer, eben- daher. Ferner ein geschlossener Arm- reif aus Bronze mit dreiteiliger Ver- zierung und zwei kleine Bronzefibeln mit geschlossenem Fuss, Etnzelfunde aus Hahnheim in Rheinh.

e. Römische Altertümer. In der Petersstrasse wurden bei Funda- mentbauten zahlreiche Fragmente einer Überlebensgrossen Statue aus Bronze aufgefunden, die allem Anschein nach in Stücke zerschlagen worden war, um das Material zu schmelzen und zu an- deren Zwecken zu verwenden. Der interessante Fund gelanirte zum grössten Teil sogleich in den Besitz des Mu- seums, einzelne wichtige Teile der Figur wurden nachträchUch durch Hm. Dr. Dörr als Geschenk überlassen.

Es gelang bis jetzt aus den Frag- menten verschiedene Körperteile, wie das Gesicht, einzelne Finger und Partieen des Rumpfes znsammenzo- fügen. Auf Taf. XVII sind unter No. 2—6 einige Teile der Figur abgebildet

1) Binge dieser Art sind ans hessischen Grabhügeln in letzter Zeit mehrfach sa Tage gekommen sugleich mit sog. Zinnenringen. Geschlossenen Halsringen nnd Fassringen mit GusBzapfen, Bernsteinschmnck nnd Ge- f&ssen mit Graphitbemalnng.

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Die Statue scheint völlig nackt ge- wesen zu seiU) wenigstens fand sich unter den Bruchstücken auch nicht der kleinste Teil eines Gewandes. Dieser Umstand, sowie das bärtige Gesicht und die langen, wie durch Nässe zusammengeklebten Haarlocken könnten die Annahme rechtfertigen, dass das Bild einen Wassergott dar- stellte. Die Arbeit giebt sich in der Ausführung der einzelnen Körperteile als eine gute und künstlerische zu er- kennen. Die Behandlung der Fleisch- part ieen, der Hände, Füsse und Teile des Rumpfes ist breit und flächig, voll Sicherheit und Verständnis des mensch- lichen Körpers. Die Haarpartieen sind mit Geschmack geordnet und zum grössten Teil bis ins Einzelne ausge- führt; nur einige Locken zeigen eine abweichende Behandlung, wie z. B. das Taf. XVII No. 4 abgebildete Stück die feine Durchbildung vermissen lässt, welche bei No. 3 bewundert werden darf. Möglich dass diese Partie von der Ruckseite der Figur stammt, mög- lich auch, dass sie von einem anderen Bildwerk herrührt.

Die Augen der Statue waren aus Silber gebildet ; es ist ausgeschmolzen, nur einige Spuren desselben lassen sich noch an der linken Augenhöhle erkennen. Das aus 5 Teilen zuam men- gesetzte Fragment (Taf. XVII No. 6) stammt vielleicht von einem Attribut her, welches für die dargestellte Figur bezeichnend war. Der Fund besteht aus ca 300 grösseren und kleineren Bruchstücken.

Bronzegriff einer Pfanne, gefunden beim Kanalbau in Kastei (Taf. XVII Nr. 7). Der Griff ist der Länge nach gerippt und schliesst mit einem Widderkopf ab. Ein zweites gleichartiges Fund- stück zeigt als Abschluss den Kopf eines Hundes oder Wolfs; Fundort Bingen, abgab. Taf. XVII No. 8.

Einfacher Henkel eines Bronzekrugs, gefunden in Mainz. Reichverzierter Henkel aus Bronze von einem Krug oder einer Kanne (Taf. XVIII No. 1). Am oberen Teil, beim Anschluss des Hen- kels an den Gefässrand, ist der schön modellierte Kopf eines Greifen ange- bracht, dessen Augen aus Silber be- stehen. Mit Silber sind auch die er- haben gearbeiteten Blätter und Blüten einer Pflanzenranke eingelegt, welche

am Bügel herabläuft und denselben ge- schmackvoll ziert. Den Anschluss au die Gefässwand vermittelt ein Medusen- haupt. Das Weisse der Augen ist aus Silber gebildet, während die Augen- sterne wahrscheinlich durch dunkele Emailmasse hergestellt waren. Auf der Höhe der Wangen sind Silberstreifeu eingesetzt, wie um das natürliche Glauz- licht zu erhöhen; ebenso zeigen die kleinen Flügel auf dem Haupt und die Schlangenköpfo gut verteilte Silber- einlagen. Diese Arbeit gehört wohl dem 1. bis 2. Jahrhundert an.

Leuchterfuss ? aus Bronze, gefunden im Rhein (Taf. XVIII No. 2). Das Fund- stück zeigt in phantastischer Verbin- dung ein Greifen- oder Löwenbeiu und eine kleine geflügelte weibliche Büste, die als Sirene gedeutet werden könnte. Lampe aus Bronze, gefun- den in Mainz (Taf. XVIII No.3); über dem Henkel ist als Verzierung die Dar- stellung eines macerierteo Ochsen- schädels angebracht. Ebendaher ein sog. Lampenhaken aus Bronze, der zum Hervorziehen des Dochtes diente. Lampenständer aus Eisen, gefunden in röm. Sohuttschicht am Binger Thor« Mainz. Dieses Gerät, ohne Griff 13 cm lang und 7 cm breit, hat im all- gemeinen die Form einer Lampe und konnte vermittelst der an der flachen Griffzunge befindlichen Oese an einem Haken an der Wand oder an beliebiger Stelle befestigt werden. Schlüssel aus Bronze für ein Drehschlose, mit schönem durchbrochen gearbeitetem Griff, gefunden in Bingen (Taf. XVIII No. 4). Schlüssel aus Eisen mit Bronze- griff, für ein Drehschloss, ebendaher (Taf. XVIII No. 5). Die Verzierung des Griffs wird durch zwei Delphine ge- bildet, die zwischen den erhobenen Schwänzen eine Muschel halten. Zwei eiserne Schlüssel zu sog. Feder- oder Stechschlössern, gefunden in Mainz; diese Schlösser dienten meist zum Vorhängen.

Aus Mainz ferner ein eiserner An- kerschlüssel und zwei grosse, 21 cm lange Eisenschlüssel von Schiebe- schlössern Flachzängchen aus Bronze mit reich gegliedertem Griff (Taf. XVIII No. 6), und Zängchen aus Bronze mit Schieber (Taf. XVIII No. 7), gefunden 4 m tief in röm. Schnttschicht in Main/.. Die eine Klaue der Zange ist keil-

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förmig geformt und greift in einen entsprechenden Ausschnitt der anderen ein. Chirurgisches Instrument aus Bronze, Sonde mit Eiterlöifel (Taf. XVIII No. 8), Mainz, Kirchplatz.

Schreibfeder aus Bronze (Taf. XVIII No. 9). Die Form der Spitze zeigt No. 9a. Fundott Mainz.

Gerät aus Eisen, vielleicht Frag- ment eines Töpferrädcliens. Das 12 cm lauge dünne Grilfstängchen teilt sich am £nde gabelförmig. Die beiden flachen, leicht geschwungenen Zinken sind durch einen Nietstift verbunden, welcher die Axe des Rädchens gebil- det haben mag. Das Gerät ist unter zahlreichen Resten römischer Töpfer- waren am Peterseck in Mainz 4 Meter tief gefunden. Ebendaher ein Stylus aus Bronze; ein grosses Exemplar stammt aus Kastei.

Von dem zur Tracht gehörigen Klein- gerät sind zu nennen: Zwei Haarna- deln aus Bronze mit kleinen löffei- förmig gebildeten Köpfen, gefunden 8 m tief im Moorboden, Bingerstrasse. Sechs Haarnadeln aus Bein vom Ball- platz in Mainz und von Weisenau. Von letzterem Fundort stammt die mit der schön geschnitzten Büste einer Frau verzierte Nadel (Taf. XVIII No. 10), sie ist glänzend poliert. Auf der Rück- seite des Kopfes ist ein breiter Aut- steckkamm zu sehen, der den Haar- schmuck in der Vorderansicht wie eine Krone überragt. Der obere Teil einer anderen Nadel ist als ausgestreckte Hand gebildet. Goldener Fingerring gefunden bei Wörrstadt in Rheinhes- sen, abgeb. Taf. XVIII No. 11. Der Ring besteht aus zwei glatten und einem geperlten Reif, die zusammengelötet sind. Die Enden der beiden glatten Reife sind zu Schlangenköpfen ausge- arbeitet, welche die kleine rautenför- mige, mit Gold perlen besetzte Platte umgeben. Die 4 Ecken der Platte sind mit Rosetten aus Goldperlen verziert.

Rautenförmige Scharuierfibula aus Bronze mit blauen und gelben Email- einlagen, gefunden in Mainz (Taf. XVIII No. 12).

Vier Scheibenfibeln aus Bronze mit Spuren von Versilberung, gefunden bei Kreuznach (Taf. XVIII No. 13 und 13a). Die Oberfläche ist abgedreht und mit Gruppen von eingeschlagenen Kreisen

verziert; der Rand steht 3 mm über der Fläche. Die Rückseite der Fibeln zeigt die Federrolle mit Nadel nnd Nadelhalter. Fibeln dieser Art waren bis jetzt in der Sammlung nicht ver- treten.

Drei Armbrustfibeln aus Bronze mit zwiebeiförmigen Knöpfen und einge- hängter Nadel, gefunden am Kirch- platz Mainz zusammen mit dem unter No. 8 abgebildeten Instrument, resp. im Rhein. Hakenfibnla aus Bronze, deren Nadelhalter als breite Platte vorspringt, sefumlen in Mainz; eben- daher eine kleine Bronzefibel mit halb- kreisförmiger oberer Platte, halbkreis- förmigem Bügel und kurzem röhren- artigen Nadelhalter. Hängezierrat aus Bronze, mit Resten von Versilberung und Niello- Einlagen. Zwei mit Niello verzierte Bronzeknöpfe, Geschenk des Herrn P. Kessler, Mainz. Endbeochläge aus Bronze, von einem Gürtelriemen, am oberen Teil mit halbmondförmigen Ausschnitten verziert, gefunden in Bingen. Anhänger aus Bronze mit dreifachem Phallus, Mainz.

Von Gegenständen aus Metall sind noch zu nennen eine kleine eiserne Lanze, eine Sichel und ein Fleisch- haken aus Eisen.

Von den Fragmenten aus verschie- denen Stoffen seien erwähnt: Das Bruchstück von der Einfassung eines Schildes aus Bronze, und das aus Knochen geschnittene Mundstuck einer Schwertscheide

Zahlreich sind die Thongefasse ver- treten, unter welchen eine Gruppe von 18 Schüsseln, Tassen, Näpfen und Tellern aus sog. terra sigillata Beach- tung verdient.

Einige dieser Gefässe sind von fein- ster Art, namentlich gilt dies für einen kleinen Napf mit senkrechter Wan- dung und einige kleine Schüsseln mit Epheublatt- Verzierung auf dem umge- legten Rande. Drei Teller sind mit Fabrikstempeln versehen. Von den grösseren Schüsseln zeigen zwei eine reiche doch ziemlich rohe Verzierung. Diese schönen GeflUse wurden teüs durch Ankauf erworben, teils gelang- ten sie als Geschenke der Herrn M. M. Mayer, 0. Strebel und L. Seyler in den Besitz des Museums.

Verschiedene Baustellen in Mainz lieferten zahlreiche Reste von Gefassen

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ans terra sigillata, die, sofern sie durch Stempel oder Verzierung Interesse boten, der Sammlung einverleibt wur- den. Eine Anzahl solcher Stempel gelangten auch als Geschenke der Herren Professor Dr. Munier und Dr. Chr. Schmidt in das Museum. Sie sind in Nr. 5 des XIV. Jahrg des Korre- spondenzblattes veröffenSicht.

Ausserdem wurde eine Reihe von Thongeftissen verschiedener Art er- worben. Eine Graburne aus weiss- granem Thon mit glatter Standfläche und wulstigem Rande mit einem Kranze von aufgemalten roten Kreisen ver- ziert, stammt aus Bingen. Von glei- chem Fundorte ist eine Aschenurne mit grauen und schwarzen Zonen und eingestempeltem Muster verziert. Der Boden hat einen Standreif, der Rand ist nach aussen gewölbt, zeigt aber eine scharfe Kante. Aus Bingen fer- ner ein kleiner gehenkelter Krug ans rötlichem Thon mit Ausguss und geripptem Henkel und drei Näpfchen aus weissgelbem Thon von der Form kleiner Blumentöpfe. Kleine graue Urne mit glatter Standfläche und scharfem Rande, der Bauch ist durch eingeritzte abwärts laufende Linien verziert, gefunden in Weisenau.

Ans der Umgegend von Mainz eine grosse schwarze Aschenurne mit grauem Fuss; der Bauch des Gefässes ist in Zonen geteilt, die mit gekreuzten Strichen und gebrochenen Linien ver- ziert sind Der Boden zeigt einen Standreif, die Mündung ist wulstig. Eiue schwarze Aschenurne ; die grösste Weite liegt unterhalb der Mitte des Gefässes, das einen glatten Bo- den und flachen Rand hat und mit Fischgräten Muster verziert ist. Ein rötlicher Krug, 35 cm hoch, mit ge- kehltem Henkel. Die drei Gefässe sind Geschenk des Herrn Baumeister Roos. Schlanker rötlicher Thonkrug, 25 cm hoch, mit flachem und breit ausgelegtem Rand und gekehltem Hen- kel, gefunden in Mainz.

Von einem Grabfund bei Spiesheim stammen : Ein 44 cm hoher gelblicher Thonkrug mit Standreif und dreifach gekehltem Henkel; eine 20 cm hohe, 35 cm weite fast halbkugelige Schüssel aus geringem, grauem Thon, mit leicht einwärts gebogenem Rand und kräftig vortretendem Standreif; ein Teller aus

gleichem Material mit verwaschenem Stempel, eine Platte, und Reste einer Schüssel mit einwärts gebogenem Rand und breiter, umgelegter Randleiste. Zu diesem Fund gehört noch der eigenartig gebildete Fuss eines grauen Gefässes; innerhalb des 1 cm hohen Standreifcs tritt der Gef&ssboden trichterförmig zurück, während er ausserhalb des Reifs einen horizonta- len Vorsprung von 2 cm Breite bildet. Unter Augenhöhe stehend, scheint das Gefäss frei zu schweben, da der eigent- liche Stand verdeckt wird.

Ein doppeltgehenkelter Weinkrug mit spitzem Fuss, aus rot gebranntem Thon, 85 cm hoch, gefunden in der Schustergasse 6 m unter der Boden- fläche. Zwei grössere Weinkrüge von ähnlicher Form, Geschenk des Herrn Fabrikanten Traine, der sie auf seinem Gebiet im Gartenfeld erhob.

liampe aus rötlichem Thon , ge- funden in Mainz; die Verzierung stellt eine Amorette dar, die den Dreizack schwingend auf einem Delphin reitet. Vier andere Thonlampen zeigen im allgemeinen die gewöhnlichen Formen. Kinderklapper aus Thon in Gestalt eines Hundes, Fundort Mainz, Leih- gabe des Herrn 0. Strebel.

Verhältnismässig bedeutend war in diesem Jahre der Zuwachs an römi- schen Inschriftsteinen; es konnten 13 Denkmäler dieser Art mit der Samm- lung vereinigt werden, die fast alle als Geschenke übergeben wurden. So über- liess das Königl. Gouvernement drei Bausteine der ersten Legion. Das Bruchstück eines Bausteines der XXH. Legion übergab Herr Bauunternehmer Hauswald zugleich mit 4 Grabschriften und einem den aufanischen Göttinnen geweihten vorzüglich erhaltenen Altar. Einen kleinen, den Nymphen geweih- ten Altar schenkte Herr Kaufmann Otto, und das Fragment eines Grab- steines Herr Krimmel IL in Kostheim. Drei zusammengehörige Teile eines Grabsteins wurden ferner mit Erlaub- nis des Herrn Pfarrer Körner von St. Stephan aus dem Krenzgang dieser Kirche in das Museum Überfuhrt. Ein römischer Grabsarg mit Inschrift, seit- her als Brunnentrog benutzt, wurde von der Gemeinde Kleinwinternheim, gegen Lieferung eines neuen Wasser- behälters, dem Museum überlassen.

392

Maseographie.

Der Wortlaut dieser Inschriften und die nähere Beschreibung der Denk- mäler sind in den No. 5 und 9 des XIV. Jahrgangs des Korrespondenzbl. bereits veröffentlicht.

Die Steinskulpturcn sind nur durch zwei Fundstücke vermehrt wor- den, die aber besondere Beachtung verdienen; sie sind abgeb. Taf. XIX No. 1 und 2.

Das von einem Qrabmal herrührende Relief No. 1 war in dem Turm der Kirche d. St. Emmeran als Mauerstein verwendet und gelangte durch Ver- mittehmg des Herrn Pfarrers Wasser- mann in den Besitz des Museums.

Das Bildwerk stellt ein Gastmahl dar. Drei Männer, auf einem Polster ruhend, nehmen die Mitte des Bildes ein. Zu beiden Seiten sitzt je eine Frau auf einem Sessel mit hoher Lehne. Der dreifüssige Tisch im Vor- dergrund ist mit Speisen, anscheinend mit Backwerk, besetzt. Der Tisch sowohl wie das Polster und die Wand hinter den Figuren sind mit Teppichen behangen. Ähnliche Scenen erschei- nen bekanntlich auf mehreren Reliefs aus Neumagen im Trierer Museum.

Der auf Taf. XIX No. 2 dargestellte Teil eines Grabmals in Gestalt eines Hauses wurde in Kastell bei Gelegen- heit der Kanalbauten in einer Tiefe von 3,60 m aufgefunden und dem Mu- seum von der Bürgermeisterei in Kastell als Geschenk übergeben.

Das Haus ruhte ehemals auf einem steinernen Untersatz, der in einer runden Höhlung die Aschenurne barg, und bildete so gleichsam einen Vor- raum, der auch zum Niederlegen von Opfern gedient haben mag. Die thor- artige Öffnung war durch eine Platte verschliessbar, wie die Vorrichtungen zu beiden Seiten der Öffnung beweisen. Gleich hinter dem Eingang nämlich befindet sich rechts eine Vertiefung, welche dazu diente, einen vorstehen- den Dollen der Verschlussplatte auf- zunehmen ; links ist eine sog. Führung sichtbar, in welcher der andere Dollen der Platte ruhte und beim Heraus- nehmen derselben zurückgeschoben werden konnte. Die Sockel der Thor- pilaster springen nach dem Eingang hin vor und bildeten Widerlager für die Verschlussplatte.

Das Haus ist 67 cm lang, eben so

breit und 75 cm hoch. An den vier Ecken stehen kräftige Pfeiler, die et- was über die Wandfläche vorspringen und mit schwerfälligem Blattwerk de- koriert sind. Das vordere Giebelfeld füllt eine menschliche Halbfigur, ans deren Hüften kräftiges Rankenwerk herauswächst, das sie mit seitwärts gehaltenen Händen zu stützen scheint ; es sind die Spuren roter Bemal nng noch erkennbar. Das andere Giebel- feld nimmt ein dreiteiliges Akanthus- blatt ein. Die drei Seitenwände sind mit figürlichen Reliefbildem geschmückt. Auf der einen Fläche ist Herkules xa sehen, wie er, die Keule schwingend, den dreiköpfigen Höllenhund an einer Kette nachzieht Da« gegenüber lie- gende Bild zeigt Kastor und Pollnx mit den Pferden, während auf der dritten Seite Juno, Scepter und Schale haltend, den Pfau zu Füssen, darge- stellt ist. Zwei Vorhänge, deren Fal- tenwurf einfach und geschmackvoll ge- ordnet ist, schliessen dies Bild nach den Seiten hin ab. Die Ziegeldecke des ziemlich steilen Daches ist bis ins Einzelnem getreu der Wirklichkeit nachgebildet. Die Figuren sind leben- dig in der Bewegung imd gut model- liert. Dagegen rühren die PHanzen- motive auf den Pilastern und Giebel- feldern wahrscheinlich von einem gewöhnlichen Handwerker her; sie stehen in ihrer plumpen Rohheit in einem auffallenden und störenden Gegen- satz zu den Figuren.

f. Altertümer aus fränkischer Zeit. Goldener Ohring (Taf. XX No. 11 und IIa), gefunden bei Koblenz. An den Reif ist eine mit gekerbtem Gold- draht und Goldperlchen verzierte Scheibe festgelötet, welche ehemals eine Einlage aus Glas oder Edelstein enthielt. Die Rückseite der Zicrplatte bedeckt ein kunstvolles Gitterwerk aus feinen Goldstäbchen ').

2) Diese eigenartige Form von Ohrringen ist in dem grossen Reihengr&berfeld ron Keszthely in Ungarn so hftufig gefunden worden, dass man sie alt einen speaifisch ungarischen Typus zu beceichnen geneigt war. Da die sog. ^Körbchen-Ohrringe* aber bis Jetst in anderen ungarischen Grabfeldem eben so selten zn Tage kommen wie in sftd- dentschen und rheinischen Keihengrftbern, durfte diese Annahme wenig g^erechtfertigt sein. Das Museum in Mains besitst Jeta awei silbere und drei goldene Ohrringe der erwähnten Art, die sämtlich im Rheinland gefunden sind.

Museographie.

393

Fingerring aus Silber, mit blaaem Glasfluss besetzt, gefunden bei Ander- nach; Geschenk des Herrn Reiling, Mainz. Die Zelle, welche den Glas- fluss hält, ist mit dreifachem gekerb- tem Silberdraht umgeben. Den An- sehluss der Platte an den Reif ver- mitteln auf beiden Seiten drei in Klee- blattform aufgelötete Silberperlen.

Zwei Armringe aus Bronze mit kolbig verdickten Enden, aus einem frank. Grabe bei Laubenheim, resp. aus dem Rhein bei Mainz.

Schüssel aus Bronze mit gcpcrltem Rande, abgeb. Taf. XXI No. 4, gefunden bei Kreuznach, und eine Schüssel mit umgelegtem glattem Rande, aus Rhein- hessen.

Drei Thongefässe, eine kleine Schüs- sel, ein Becher und eine Ilenkelkanne mit Ausguss, gef. bei Oppenheim.

Eine Schale mit umgeschlagenem Rande aus grünem Glas, gefunden bei Bingen. Ebendaher ein Kamm aus Bein mit zwei Reihen von Zinken. Spatha mit Resten von Silbertauschie- rung und Steigbügel aus Eisen mit Bronze tauschiert, aus dem Rhein bei Mainz (Taf. XXI No. 5). Die Tauschie- rung bedeckt die gewölbte Aussen- seite des Bügels, nur der untere Teil ist ohne Einlagen. Während sich dieser Stegreif durch die Form wie durch die Verzierungsweise als der fränkischen Zeit angehörig zu erken- nen giebt, erscheint der Taf. XXI No. 6 dargestellte Bügel in jeder Hinsicht als fremdartig. Derselbe war ehemals stark vergoldet, die Reste der Ver- goldung sind fast überall sichtbar. Die eigenartig geformte Öse zum Durchziehen des Riemens ist vorn durch ein fest aufgerostetes kupfernes, mit Gold plattiertes Täfelchen ver- deckt, welches ursprünglich an dem Riemen befestigt war, worauf eine Niete am oberen Teil des Täfelchen hinweist.

Verschiedene Merkmale lassen auf eine Verwandtschaft des Fundstücks mit ungarischen Steigbügeln schliessen. Der Bügel wurde zusammen mit zehn ebenso gebildeten Stücken, bei Bingen aus dem Rhein gebaggert, seine Zeit- stellung ist vorläufig nicht anzugeben.

g. Gegenstände aus dem Mit- telalter und aus der neueren Zeit. Rest von dem Kopfputz einer

Frau. Er stammt aus dem im Be- richt 1891/92 erwähnten gruftartigen Raum, welcher bei Hahnheim in der unmittelbaren Nähe eines Brunnens aufgedeckt wurde und 6 Leichen ent- hielt. Der Brunnen war mit Scher- ben, die wahrscheinlich der späteren Karolingerzeit angehören, zum Teil gefüllt. Unter den Skeletteilen fiel namentlich der ausgesprochene Kurz- schädel einer Frau auf, dessen Stirn- knochen intensiv grün gefärbt waren und einzelne kleine festgerostete Bron- zescheibchen aufwies. Das nun nach- träglich in den Besitz des Museums gelangte Fragment des Kopfputzes lässt erkennen, dass dieser aus feinem Geflecht von Pflanzenfasern (Bast?) hergestellt und mit kleinen runden Bronzeplättchen benäht war, die zu- gleich mit Reihen weisser Glasperlen verschiedene Muster bildeten. Die Perlen erinnern lebhaft an die aus slavischen Friedhöfen in Norddeutsch- land erhobenen gleichartigen Schmuck- geräte. Was die Mauern betrifft, zwi- schen welchen die Leichen gebettet waren, so ist wohl anzunehmen, dass sie von einem zerstörten Gebäude und nicht von einer eigens hergestellten Gruft herrühren. Dafür spricht auch der in der Nähe befindliche Brunnen.

Zwei kugelige Töpfe von schwärz- licher Farbe mit kurzem dickem Rand; sie gehören dem frühen Mittelalter, vielleicht spätkarolingischer Zeit an; gefunden unter altem Mauerwerk in der Stadt. Eine graue Henkelkanne mit sehr kurzer Ausgussröhre, rohe Arbeit. Der Boden hat einen Stand- reif, der Rand ist gekehlt zur Auf- nahme eines Deckels, der Henkel zeigt drei Wulste; das Gefass ist im alten Schutt 2 m tief am Peterseck gefun- den, es mag derselben Zeit angehören, wie die genannten Kugelgefässe.

Fünf vasenartige Töpfe aus hellem und rötlichem Thon mit gerilltem Bauch, glattem Stand und aussen ge- wölbtem Rande, stammen aus dem 13. bis 14. Jahrhundert; in Mainz an verschiedenen Stellen beim Fundament- graben gefunden.

Drei braunglasierte Henkelkrüge verschiedener Grösse mit geripptem Bauch und gewelltem Fuss und meh- rere kleine Siegburger Krüglein mit gewelltem Fuss und trichterförmigem

mi

MuBeograpbie.

Hals (14. bis 15. Jahrhundert) alle aus Mainz. Der spätesten Zeit 1680 ge- hört ein schöner blau glasierter Krug an, der das Wappen des Kurfürsten Anselm Franz trägt mit der Umschrift: Dcxtcra domini exaltavit me. Anselm. Franc. D. Gr. Eps. Mog. E. I. R.

Ein Trinkbecher aus dunkelgrünem Glas von der im vorigen Bericht Taf. VI No. 12 abgebildeten Form, gefunden in Mainz.

Ein Glasbecher, dessen Fuss gleich- falls als Becher gebildet ist, gefunden 2 m tief beim Kasino zum Gutenberg.

Von Gegenständen aus Metall sind zu nennen: Ein kleiner dreifüssiger Leuchter aus Bronze, mit Dorn zum Aufstecken der Kerze, gefunden beim Kasino zum Gutenberg ; er gehört sei- ner Form nach dem 14. bis 15. Jahr- hundert an. Fragment eines gotischen Sporns aus Silber, reich mit Eichlaub verziert, aus dem Rhein bei Bacharach (Taf. XXI No. 7). Hundert und fünfzig eiserne Bolzen, gefunden in einer dicken Schicht von Brandschutt und Holzkohle. Dicht an der auf der hin- teren Bleiche gelegenen Fundstelle lief die mittelalterliche Stadtmauer vorbei. Die Bolzen, welche teils zu kleinen Armbrusten, teils zu sog. Mauer- armbrusten gehörten, waren wohl auf dem hölzernen Wehrgang hinter der Stadtmauer aufbewahrt und sind bei einem Brand mit dem Balkenwerk her- abgestürzt. Es wurde eine weit grössere Zahl dieser Geschosse aufgesammelt, viele wurden durch die Arbeiter ver- schleppt.

Kleines Eisenmesser mit Beingriff; der Knauf stellt einen mit hoher Mütze bedeckten Männerkopt dar.

Messergriff aus Bronze mit ähnlicher Bildung des Knaufs, Geschenk des Herrn Gottschalk, Mainz.

Schlüssel aus Bronze mit schön ver- ziertem, geschnittenem Griff, aus dem Rhein bei Mainz (Taf. XXI No. 8).

Pferdegebiss aus Eisen mit geschnit- tenen und eingehanenen Verzierungen (Taf. XXI No. 9). Die rosettenförmigen Scheiben zu beiden Seiten des Mund- stücks bestehen aus getriebenem Kupfer und sind graviert und vergoldet. Auf der Rückseite der Scheiben befinden sich Federn, vermittelst welcher sie in einer Öse festgehalten wurden. Das dem 17. Jahrb. angehörige wohlerhal-

tene Fundstück wurde aus dem Rhein erhoben. Zwei eiserne Degen aus dem Anfang des 18. Jahrb., gefunden im Main bei Kostheim, resp. im Rhein bei Nierstein.

Grosser eiserner Radspom ans dem Anfang des 18. Jahrb., gefunden bei Bingerbriick, Geschenk des Herrn Bau- meister Roos.

Demselben Geber verdankt das Mu- seum ein aus Silber getriebenes fein ciseliertes Bildwerk in Medaillenforra, Hiob auf dem Aschenhanfen darstel- lend; es stammt aus dem 18. Jahrb.

Aus der kleinen Gruppe mittelalter- licher Skulpturen ist eine gotische Madonnentigur hervorzuheben; sie ist durch die, auch die kleinste Einzelheit berücksichtigende Durchbildung sehr bemerkenswert, um so mehr, als das Material, roter Sandstein, einer so feinen Durchbildung nicht günstig ist Das Im 55 cm hohe Standbild stammt aus der Kirche des ehemal. Karmeliter- klosters.

Bei dem raschen Anwachsen der Sammlung in allen ihren Abteilungen war die Beschaffung neuer ausreichen- der Räumlichkeiten schon seit meh- reren Jahren als dringend notwendig erkannt worden. Dank der einsichts- vollen Fürsorge der städt. Vertretung ist jetzt durch Herstellung einer 700 Quadratmeter grossen an das Museums- gebäude anstossenden Halle, sowie durch Einrichtung von drei Räumen im Erd- geschoss des Schlosses diesem Bedürf- nis abgeholfen, und es erscheint die ungestörte Weiterentwickelung unserer Sammlungen auf Jahre hinaus gesichert. In der grossen Halle haben die rö- mischen Skulpturen und Inschriften, sowie die mittelalterlichen Skulpturen Aufstellung gefunden.

(L. Lindenschmit.)

Mainz, Rdmlsch-germanitches Contral-70 Museum I S. 268, II^IV, VI-XIII.

Vom August 1804 bis Auguxt 1895. Die Sammlungen wurden im Lauf dieses Jahres um 600 Gegenstände vermehrt. Die Gesamtzahl der in 5 Sälen vereinig- ten Nachbildungen aus Gips und Metall beläuft sich jetzt auf 14320 Nummern.

21 Staats- und Vereinssammlungen sowie zahlreiche Privatsaramler haben das Museum durch Zusendung von mehr als 2(XK) wichtigen altcrtiimlichen Fundstücken gefördert.

Museographie.

395

Die aus dieser reichen Zahl zur Nachbildung ausgewählten Altertümer waren alle geeignet, verschiedene in den Sammlungen des Museums be- stehende Lucken anzufüllen, oder das schon Vorhandene in erwünschter Weise zu ergänzen.

Unter den für die römische Abtei- lung gewonnnnen Funden ist eine grosse Gruppe von Gewandnadeln aus Urnenfriedhöfen Ostpreussens bemer- kenswert.

Auch der gelungenen Nachbildung einer römischen Signaltrompete muss als einer wichtigen Bereicherung der Sammlung römischer Kriegswaifen ge- dacht werden.

Die Nachbildung ist durch die In- strumentenmacher Gebr. Alexander in Mainz genau nach den in Berlin und Mainz befindlichen Originalen aus Me- tall hergestellt und dem Römisch-ger- manischen Centralmuseum als Geschenk übergeben worden.

Im Ganzen erhielten die römischen Altertümer einen Zuwachs von 250 Gegenständen. Ungefähr die gleiche Zahl von Nachbildungen wurde für die Abteilung der vorgeschichtlichen Funde gewonnen. Als eine der interessan- testen Gruppen ist hier der Depot- fund von Kronshagen in Schleswig zu nennen, der unter verschiedenem Schmuckgerät aus Bronze auch einige jener reich verzierten Hängcschalen enthält, deren ursprüngliche Verwen- dung ungewiss und deren Herkunft bis jetzt nicht aufgeklärt ist. Die Sammlung vorgeschichtlicher Altertü- mer in Hamburg vertraute diese wert- vollen Altertümer dem Museum zur Nachbildung an.

Die Grabfunde aus der sog. Völker- wanderungszeit wurden durch Urnen und Metallgeräte aus norddeutschen Brandgräbem, namentlich auch durch slavische Altertümer vermehrt.

Neben diesen in den Sammlungen des Museums bis dahin noch nicht vertretenen Formen sind auch einige wertvolle Grabausstattungen rheini- schen Fundorts nachgebildet worden, unter welchen der im Museum zu Worms aufbewahrte Grabfund von Wonsheim in Rheinhessen durch seine Bronzegefösse und Schmuckgeräte aus Edelmetall hervorragt.

(L. Lindenschmit.)

Westd. Z«itaehr. f. fleioh. n. Knntt. XIV, IV.

Rheinprovinz.

Kreuznach, Sammlung des ant.-hist. 76 Vereins I S. 268, V, VIII, XI, XII, XIII.

Ältere Bilder von Kreuznach und moderne Photographieen von alten Grabsteinen und anderen Monumenten aus Kreuznach und Umgegend ; ältere Drucke aus Kreuznach ; eine Gemeine- Ordnung des Hofj^erichtes zu Kreuz- nach mit notariellen Einzeichnungen von 1593—1764, und eine Stempel- ordnung von Karl Theodor 1768, so- wie der Erlass Friedrich Wilhelms IV bei seiner Thronbesteigung; ferner: anscheinend praehistorische Gefäss- reste von einem künstlichen Vertei- digungswall und Graben an der Gans, römische rote Gefässe vom Rotenfels, ein römischer Handspiegel aus einem Grab am Abhang desselben, eine sehr schöne römische Wage von Bronze mit Gewicht, römische und mittelalterliche Messer, Leitungsröhren und Münzen, ein Stück römisches Mosaik mit Orna- menten. (Prof. 0. Kohl)

Birkenfeld, Sammlung von AltertQmern 76a Im Gymnasium (Eigentum des „Vereins für Altertumskunde«*) III, IV, X, XI, XIII.

Zuwachs: Römische Gegen- __ stände.

a)Steindenk- mäler: Vonder Kirche zu I dar:

fc>^y^^T\/l) Kopf in ca. L » ^ J IVifacber Le-

bensgrösse, früher an der Giebelwand der Kirche einge- mauert, wohl ein Überbleib- sel einer römischen Statue. 2) Sechs- götterstein aus feinem rötlichem Sandstein, Cylinder von 56 cm Dm. und 56 cm Höhe, mit flach eingewölbten Nischen, 21 cm br., 46 cm h., durch glatte Flächen von 7 cm Breite ge- trennt; in den Nis- chen (von rechts nach links): 1. Vul- kan, 2. Venus, 3. Mars (? nur die

29

396

Museogr&phie.

(m%\

r ff MF

Beine erhalten), 4. Viktoria, 5. nackte weibliche Gestalt (Apollo ?) mit Leier, 6. ganz zerstört. Der Stein war bei der ursprünglich romanischen Kirche (t2. Jahrb.?) als Mauerstein iu der nördlichen Wand nahe dem Westende verwandt worden. H) Bruchstück eines Sandsteinblockes von dem gleichen Material wie 2), und mit der Inschrift MIDD (der mittlere Teil des M reicht nicht bis unten auf die Linie), ebenda gef. Von dem „Allhopp" (Althof) bei Wolfe rsweiler: Ein Sandstein- quader mit Ornament und ein Bruch- stück, 62 cm 1., 28 cm hoch, oben und rechts abgebrochen, mit der Inschrift :

I N s c;

Von der Burg Birkenfeld: Rö- mische Handmühle (s. Korrbl. der Westd. Ztschr. 1894 Nr. 99). Vielleicht ist es dieselbe, welche als Inventar-

stück der mittelalterlichen Burg auf- geführt wird.

b) Grabfunde: Kleine Aschenkiste aus Sandstein mit dachförmigem Deckel, gefunden zwischen Wickenrodt und Oberhosenbach (Geschenk des Hm. Pfarrer Dr. Veeck). Kleine Ascben- kiste aus Sandstein (ohne Deckel), Grabkrüglein und Scherben ausser- dem ein Napf von sehr roher Arbeit (vorrömisch) gefunden bei Win- nenberg, unweit Eisenbahnstation Sonnenberg, bei einem gesteinten Sei- tensträsschen. Krug von hellgelbem Thon ohne Henkel, 28 Vi cm hoch, 21 grösster Durchm., SVs HalsöfTnung, und Scherben zusammen mit Ge- fassen aus der La T^ne - Zeit und roheren ausserdem 1 eiserne röm. Scheere undeinBartme88er(?), gefunden bei dem alten Wege von Heimbach nach Leitzweiler auf dem „Schacher- hübel**. Gefösse von dem Begräb- nisplatz an dem „Rennweg*^ bei Burg- Birkenfeld. Von Hirstein (vgl. Westd. Zs. XI S. 250) aus dem Garten des Wirtes Hamm : Bauchige Urne von rötlichem Thon, 13 cm hoch, grösster Durchm. 16 cm ; Urne von blassrotem Thon, bimformig, mit aufgelegten dicken Strichen, die in drei Reihen schräg gestellt sind mit wechselnder Richtung, 17 cm h., grösster Durchm. 13 cm. Vom „Buchwald" bei Wall- hausen, nahe dem äusseren Fasse des Heidenkopfes **: 1 eiserner Meissel mit Tülle (vgl. Lindenschmit, Alter- tumer unserer heidnischen Vorzeit Bd. I Heft 12 Taf. 5 Nr. 13) und 1 eisernes Messer (vgl. ebenda Bd. III Heft 3 Taf. 5 Nr. 12).

c) Von der „Altburg" bei Bnn- denbach: Bruchstücke von Fachlcbm- wänden, Schlacken und 1 Gefassbenkel von Bronze, hohl, zusammengelegt, 5^2 cm lang, V^ cm Durchm.

(Back.) SaarbrOcken, Historischer Verein Nr 77 die Saargegend.

1. Der Verein Hess im Herbst 1894 die Sohle des Pillensteins (monolithes Pfeilermal bei Rentrisch) freilegen. Die Untersuchung ergab, dass der Stein nicht, wie bisher angenommen, auf einem Pflaster, sondern auf einer zertrümmerten Schicht sogenannter Eisengalle, welche die Sand- und Kies- schichten des Untergrundes durchzieht,

Westd,Zeit3ckr:XIV, Taf.XX.

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Pravinzial'- Museum Trier,

Museographle.

397

in 1,50 m Tiefe aufsteht. Ohne Fundergebnis.

2. Aus dem Nachlass des verstorbe- nen Kommerzienrats Um. Ed. Karscher gelangte als Geschenk der Familie desselben in die Sammlung römischer und germanischer Altertümer eine Epona, handwerksmässig ausgeführ- tes Bildwerk aus grauem Sandstein, 0,70 m hoch, 0,40 m breit, am Fusse 0,20 m stark. Die Göttin sitzt auf

einem Sessel mit hoher, oben abge- rundeter Rückenlehne, die Hände auf den Knieen haltend. Sie ist bekleidet mit enganliegendem Chiton, ausserdem der Unterkörper mit einem faltigen bis auf die Füsse reichenden Gewand. Das Haar ist gescheitelt die Füsse scheineu bekleidet zu sein, da Zehen nicht angedeutet sind ; im Schosse liegt ein Gegenstand (länglich-rundes Körb- chen?). Am Sitze unten rechts und links je ein aufgezäumtes Maultier in Relief. Fundstelle : Forbacherhof bei Neunkirchen ?

3. Der Sammlung aus dem Mittel- alter und der Neuzeit wurden zwei Nummern zugeführt.

(Wullenweber.) 80 Trier, Provinzial - MMseum I S. 269, II-XIII.

Die Ihilernehmungen des Museums begannen gleich zu Anfang des Etats- jahres mit der Fortsetzung der Unter- suchung der römischen Stadtbe- festignng von Trier. Die Unter- suchung galt diesmal zunächst dem nördlichen und westlichen Teile der

Stadtmauer. Es stellte sich heraus, dass die römische Stadtmauer von der porta nigra an nach Westen zunächst der mittelalterlichen Befestigung als Fundament diente. Die Nordmauer geht in stumpfen Winkeln ganz all- mählich in die Richtung der Westmauer über, welche nun etwa 30 40 m vom Ufer der Mosel entfernt dieser entlang läuft und bereits bis nahe zur Mosel- brücke festgestellt werden konnte. Die Mauerkonstniktion ist im wesentlichen dieselbe, welche auch im Süden be- obachtet wurde: Füllmauerwerk aus ziemlich rohen Bruchsteinen, nach den beiden Ansichtsflächen sauber mit gut zugerichteten Kalksteinen verkleidet. Während aber im Süden und Osten für die Füllung Schieferbruchstein be- nutzt worden war, besteht im Westen die Füllung meist aus rotem Sandstein. Man verwendete eben das nächstliegende Material : während im Süden und Osten Schiefer ansteht, brauchte hier im Westen der Sandstein blos vom linken Moselufer herübergeholt zu werden, wo er bis dicht an das Ufer heran- tritt. Wie auch bisher sonst beobach- tet wurde, setzt das aufgehende Mauer- werk gegen das Fundament mit einer schrägen und etwas gewölbten Dossie- rung ab. Das Fundament hat auch hier eine Breite von 3,60 m. Neu ist die Beobachtung, dass die Fugen der Kalksteinverkleidung mit einem roten Fugenstrich ausgezogen waren. Ein wohlerhaltencs Stück der Kalkstcin- verkleidung, woran dies zu sehen ist, wurde losgelöst und im Museum auf- bewahrt. Bisher sind auf der West- seite zwei Stadttürme entdeckt worden, die in der Grösse und Konstruktion mit denen des südlichen Mauerteils übereinstimmen. Die Entfernung zwi- schen den beiden Türmen beträgt an- nähernd 500 m. Versuche, auf der Zwischenstrecke noch mehr Türme aufzufinden, haben bisher zu keinem Resultat geführt. Möglich, dass man der Mosel entlang sich mit einzelnen Wachtürmen begnügen zu können glaubte und deshalb die Turmabstände thatsächlich soviel grösser waren, als im Süden der Stadt, wo als normale Turmdistanz 90 m ermittelt worden ist. Der eine der beiden Türme ge- währte noch ein besonderes Interesse durch den Umstand, dass er im 16.

29*

398

Museographie.

oder Anfang des 17. Jahrhunderts zu einem Versenk für ein darüber errich- tetes Gebäude benutzt und infolge dessen mit einer Menge von Gefässen und Gefässresten der damaligen Zeit angefüllt war. Die Scherben wurden sorgfältig gesucht und es Hessen sich einige schöne Stücke rheinischen Stein - zeugs wieder fast vollständig zusam- mensetzen. Es besteht die Absicht, den Turm teilweise zu erhalten. Nach- dem die Arbeit hier im Westen der Stadt soweit gediehen ist und auch im Osten noch einige bisher unsichere Punkte festgestellt wurden, bleibt nur noch die verhältnismässig kurze Strecke zwischen Krahnenufer und dem Süd- ende des Vorortes St. Barbara (etwa

1 km) zu untersuchen, wobei aller- dings eine Hauptfrage, nämlich die Verbindung der Brücke mit der Stadt- mauer, noch zu lösen ist.

In den Sommermonaten wurde eine zweite, ebenfalls von Erfolg begleitete Untersuchung bei Baldringen auf dem Hochwald in der Nähe von Nieder- zerf ausgeführt. Es fanden sich da- selbst Reste von mehreren römischen Wohngebäuden, sowie eine noch ziem- lich wohlerhaltene römische Badean- lage, bestehend aus einer Badestube, zwei heizbaren Zimmern und mehreren kleineren Nebenräumen. In der Nähe war eine viereckige römische Cisteme, femer ein Steinkistengrab , welches eine Bronzeschale und zwei kleine Thonkrüge enthielt. An einer anderen Stelle kam ein Münzfund von 119 Mit- telerzen von Constantius II, Magnen- tins und Decentius zu Tage. Ein Be- richt des Unterzeichneten über diese Grabung, welche unter örtlicher Lei- tung des Museums - Assistenten Herrn Ebcrtz stand, erschien im Korrespon- denzblatt der Westdeutschen Zeit- schrift 1896 Nr. 17.

Eine kleine, mehrtägige Versuchs- .grabung wurde im August in der Nähe von Speicher auf der Eifel ange- stellt. In dem sogenannten Speicherer Walde liegt eine Menge von Grab- hügeln, deren Untersuchung im An- schluss an die früheren Grabungen des Museums bei Mehren und Hermes- keil angezeigt erschien. Es wurden

2 Hügel untersucht, welche wohl meh- rere Brandschichten , Enocbenreste und einzelne Scherben schlechtge-

brannter vorrömischer Gefasse ent- hielten, sonst aber wenig ergiebig waren. Der eine der Hügel war in- teressant durch einen vollständigen Steinring, welcher ihn an seinem Fusse umgab, eine Erscheinung, welche bei den Hügeln von Mehren und Hermes- keil nicht beobachtet worden ist. Die Resultate der Ausgrabungen von Meh- ren und Hermeskeil sind durch den Unterzeichneten im Jahresbericht der Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier 1894 veröffentlicht worden. Dem Jahresbericht sind 6 Tafeln nach Zeichnimgen von Herrn Ebertz beige- geben, welche sämtliche Funde von Belang veranschaulichen.

In den Monaten Januar und Febniar 189Ö fand im Provinzial-Museum eine Ausstellung alter und moderner Gemälde statt Es kamen im Gan- zen 285 Bilder zur Ausstellung, dar- unter 74 von auswärts, die übrigen aus hiesigem und benachbartem Pri- vatbesitz. Die reiche Auswahl guter älterer Gemälde von italienischen, nie- derländischen, spanischen und deut- schen Meistern wurde bei dieser Ge- legenheit von Herrn Dr. Scheibler aus Bonn untersucht und bestimmt

Der Zuwachs der Sammlung betragt 278 Nummern, wovon folgendes er- wähnenswert ist:

A. Vorrömische Abteilung: Grabume und kleines Töpfchen (Taf. XXII Fig. 8 und 10), gefunden bei Ens- dorf (Kreis Saarlouis), Geschenk des Herrn Bloch in Saarlouis (19799 nnd 19800). Bruchstücke von Bronze- reifen mit wechselnder Torsion, drei glatte, massive, geschlossene Bronze- beinringe und 6 Armringe aus Bronze mit Strichverzierung, gefunden in Wal- lerfangen, Geschenk des Herrn Ge- heimrats von Boch in Mettlach (19863 —19872. Vgl. Jahresbericht der Ge- sellschaft für nützliche Forschungen 1894 Seite XV).

B.Römische Abteilung. LStein- denkmäler: Skulpturen: Zwei Sand- steinreliefs, darstellend Mercur im Sa- gum (19734) und einen schreitenden Löwen (19736), gefunden in Differteo (Korrbl. d. Wd. Zs. XHI, 45). Kopf einer Minenastatue aus Sandstein, ge- funden in Trier (19861).

Inschriften: Augenarztstcmpel aus Thonschiefer, aus Kyllhurg (19733

Museographie.

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Korrbl VII, 40). Grabinschrift aus Dif- ferten (19735 Korrbl. Xlll, 45). Votiv- inscbrift aus Trier (19862 Korrbl. XIII, 80).

II. Grabfunde, bestehend aus Ur- nen, Sigillatagefässen, Krügen, Lämp- eben und Glasgefässen aus dem süd- lichen römischen Grabfeld von Trier in St. Matthias (19807—19823, 19960 20009^ und aus dem nördlichen Grab- feld im Maar (19824—19851, 19893 —19915, 19950—19959). Darunter bemerkenswert ein als Anhängsel mit Bronzebeschläg versehener Eberzahn (Taf. XXIi Fig. 11) und 2 Krüge (Taf.XXII Fig. 5 und 7).

III. Einzelfunde von Kleinal- tertümern, a) aus Thon: Sigillata- gefässe, gefunden in der Maximiner- strasse in Trier (19750) und in Pal- lien (19916, 19945) (Taf. XXII Flg. 9) Lampe, worauf ein Viergespann darge- stellt, aus St. Mathias (19753) (Taf. XXII Fig, 6). Grössere Anzahl farbiger Thonperlen aus Gräbern bei Trier, Geschenk des Herrn N. Besselich (19778—19782). b) aus Bronze: Zwei Salbgefasse von zierlicher Form zum Anhängen, gefunden in Trier (19731 f.) (Taf. XXII Flg. 1 und 3), Scheibenfibel mit schön erhaltenem Email, gef. bei Dahlheim (19874) (Taf. XXIi Fig. 4). Silbei^Iattiertes Bronze- gehäng, wahrscheinlich von einem Pferdeschmuck, aus Kyllburg (19883) (Taf. XXII Fig. 2). Schale aus geripp- tem Bronzeblech aus Baldringen (19917). c) a u 8 B 1 e i : Wohlerhaltenes Rohr mit Bronzemundstück und Scharnier für einen Deckel, gefunden in der obener- wähnten Badeanlage zu Baldringen (19921) (Taf. XXII Flg. 12).

C. Mittelalterliche und mo- derne Abteilung. Ausser den oben (Ausgrabung der römischen Stadtmauer von Trier) erwähnten Gefässen aus rheinischem Steinzeug des 17. Jahr- hunderts ist zu erwähnen: eine Son- nenuhr auf Schieferplatte vom Jahre 1795, Geschenk des Herrn Konsul W. Rautenstrauch in Trier (19873).

Ein für die obenerwähnte Gemälde- ausstellung von der hiesigen Lieb- franenkirche zur Verfügung gestelltes Bild der bolognesischen Schule des 17. Jahrhunderts, darstellend den heil. Sebastian, wurde von der Kirchenbe-

hörde dem Museum als vorläufiges Depositum überwiesen.

D. Münzsammlung. Die Samm- lung römischer Münzen wurde hauptsächlich bereichert durch eine Goldmünze des Aulus Ilirtius unbe- kannten Fundorts (19856), sowie durch einen bei Baldringen gemachten Münz- fund von 119 Mittelerzen des Constan- tius II, Magnentius und Decentius, welche fast sämtlich in Trier geprägt und grösstenteils sehr gut erhalten sind (19923—19944), endüch durch 24 römische Falschmünzstempel, gefunden bei Trier (19877). Für die Sammlung mittelalterlicher und moderner Münzen von Trier wurden ange- kauft : 1 Carolinger Denar, 1 Coblenzer Denar Brunos von Lauffen, 1 Albus von Jakob von Sierck, 1 einseitiger Heller von Richard von Greiflfenklau, 1 Thaler Johann Hugo's, 1 Vierpfennigstück desselben, 1 Medaille desselben, 1 Viertelsterbethaler von Karl von Lothringen, 1 halbes Petermännchen von Franz Georg von Schoenborn, 1 Thaler von Johann Philipp von Wal- dersdorf, 1 halber Thaler von Clemens Wenzeslaus (19787—19797). Als Ge- schenk des Herrn Schnerb in Frank- furt erhielt die Münzsammlung die Medaille auf die Gründung von Saar- louis 1683 (19798).

Der Besuch des Museums und der römischen Bäder von St. Barbara war im vergangenen Jahre erfreulicherweise sehr lebhaft.

In der Woche nach Pfingsten wurde der dreitägige archäologische Ferien- kursus für Gymnasiallehrer durch Herrn Professor Dr. Hettner und den Unter- zeichneten abgehalten.

(Dr. Lehner.) Bonn, Provinzialmuseum I S. 274, IV, 83 V, XI, XH, XIII.

Ausser einer kleinen Versachsgra- bung zu S i n z e n i c h bei Zülpich, welche das Vorhandensein fränkischer in frühe- rer Zeit bereits beraubter Gräber fest- stellte, konzentrierte sich die Thätig- keit des Museums auf zwei grössere Unternehmungen. Die eine betraf die Freilegung einer Villa beiBlanken- heim in der£ifel, welche von Anfang Juli bis Ende September ausgefährt wurde. Es wurden die Fundamente von drei Gebäuden ausgegraben, welche auf der Mitte eines Abhanges so an-

400

Museographie.

(j^eordnet sind, dass die Fruut des Haupti^ebäudes nach Osten liegt, wäh- rend die beiden Seiteugebäude jeuem zugekehrt sind. Der Grundriss des Hauptgebäudes bildet ein langes ge- strecktes Rechteck von 70 m Länge. An einem kleinen 6 m langen und 5 m tiefen Gebäude vorbei gelangt man über einen Vorplatz durch den au der Südseite liegenden Haupteingang in den Flur und von ihm in das mit Estrichboden ausgestattete, 12 m breite und 9,60 m tiefe Atrium mit einer quadratischen Aufmaueruug in der Mitte, welche zeigt, dass es ein von den vier Seiten nach innen abfallendes, zur £rmö;2lichung des Wasserabflusses in der Mitte offenes Dach hatte. Auf das Atrium mündet eine Reihe von Zimmern, unter denen ein in der Süd- westecke gelegener Um langer und 4 m tiefer Raum durch die hier ge- fundenen Gefassscherben und Speise- abfälle sich als Küche oder Vorrats- kammer kundgiebt In seiner Nord- ostecke birgt er die Heizung für ein mit ihm durch einen schmalen Gang verbundenes Gemach, aus dem die Wärme nach einem zweiten grösseren übermittelt wurde. Während diese Räume heizbar sind, entbehren alle übrigen Zimmer dieses Flügels der Heiz Vorrichtungen. Über die Bestim- mung der einzelnen Räume, die sämt- lich Estrichbödfn aufweisen, haben die Funde bir jetzt keine genügende Auf- klärung geliefert. Dafür hat sich je- doch eine andere interessante Beobach- tung ergeben, nämlich, dass dieser Flügel auf den Fundamenten eines älteren, vielleicht durch Brand zer- störten, Gebäudes von teilweise ver- schiedenem Grundriss errichtet ist, für dessen Rekonstruktion es noch genaue- rer Untersuchungen bedarf. Den Mit- telpunkt des Gebäudes nimmt eine Gruppe von vier Zimmern, einem grösseren und drei kleinereu, ein, welche auf beiden Seiten von je einem 1,15 m bezw. 1,40 m breiten Gange begrenzt werden. Auch in diesen Räumen finden sich Estrichböden, aber keine Heizvorrichtungen. Den inte- ressantesten Teil des bisher Aufge- deckten bildet der westliche Flügel mit seiner ausgedehnten Badeanlage. Von einem 50 m langen und ö m breiten vor dem Gebäude sich hin-

ziehenden Wandelgange gelangt min in einen 10 m langen und 2,30 m breiten Vorraum, mit der Latrine in der west- lichen Ecke, deren Inhalt von dem abfliessenden Badewasser ausgespult wird und durch einen Kanal den Ab- hang binabgeleitet wurde. An den Vorraum stösst ein 4^3 m im Quadrat grosses, mit 90 cm grossen roten Saud- steinplatten belegtes Ankleidezimmer, aus dem drei Stufen in der Ecke iu ein halbkreisförmiges, 1,60 m tiefes Bassin fiihren. Es folgen hintereinan- der die mit Hypokausten und Heiz- röhren in den Wänden ausgestatteten 3 m langen und 2,30 m breiten Räume für lauwarme und heisse Bäder nebst der Heizkammer, deren Ofenwölbuug noch deutlich erkennbar ist. Vom Wohnhause durch einen ummauerten Hof getrennt ist dtis seitwärts liegende 27 m lange und 19 m tiete Wirtschafts- gebäude, dessen Ausgrabung jedoch ebenso wenig wie die des eigentlichen Herrenhauses vollends zum Abschluss gebracht ist Namentlich zeigen die von dem Wandelgange des letzteren hinablaufenden Mauerspuren, dass das- selbe sich noch weiter erstreckt hat, und lassen eine baldige Fortsetzung dsr Grabungen überaus wünschens- wert erscheinen. Unter den Fuud- stücken verdienen ein Schildbuckel und ein Spatel aus Bronze (9317 bis 9323) mehrere Pferdegebisse (9363 his 9366), ein sogenannter Pferdeschuh (9398), zwei Viehglocken und ein Rost aus Eisen (9453—9354, 9450) beson- dere Erwähnung.

Durch die Unterstützung der Kom- mission für die Rheinischen Provinzial- Museen und die Liberalität des Pro- vinzialausschusses ist die Erhaltung der Gebäudereste, welche durch ihre grosse Ausdehnung und durch den guten Zustand des meist in Mannes- höhe noch aufstehenden Mauerwerks bemerkenswert und für die Kenntnis derartiger Anlagen höchst lehrreich sind, für die Zukunft gesichert.

Die zweite grössere Ausgrabung galt der weiteren Aufdeckung des Rum er- lagers bei Neuss. Die Gelegenheit, dass auf einem an der Nordostseite der Kölner Chaussee gelegenen Grund- stücke ein Neubau errichtet werden sollte, wurde vom Museum dazu be- nutzt, dort vom 18. Juni bis 7. Juli

Museographie.

401

Grabungen zu veranstalten, welche Reste von vier Gebäuden zu Tage för- derten. Zunächst in gleicher Richtung mit Jer Chaussee Teile eines zum Teil von ihr bedeckten Gebäudes mit Räu- men von 9 m Tiefe, sowie dahinter Fiues zweiten parallelen durch eine Gasse getrennten Baues mit Zimmern von 5 m Tiefe, von denen das aufge- deckte eine Breite von 2,80 m hat. Nordöstlich davon kamen Teile von zwei weiteren Bauten zum Vorschein. Der sudliche Teil von etwa Um Tiefe, der auf eine Länge von 20 m verfolgt werden konnte, weist eine Anzahl grösserer und kleinerer Räume in un- regelmässiger Anordnung auf, in deren einem ein interessantes Stück, nämlich der Teil eines Bronzehelms mit der Darstellung eines springenden, von Blitzen und Donnerkeilen umgebenen Löwen in getriebener Arbeit (9261), gefunden wurde. In einer Entfernung von 1,20 m liegt der vierte ebenfalls nur bis zu 18 Vi m Länge verfolgte Bau, dessen Einteilung ebenso wie die des vorher erwähnten Gebäudes erst durch Grabungen auf den benachbarten Par- zellen ermittelt werden kann. An Einzel- funden sind hier noch ein Griff mit einem Leopardenkopf (9262), eine Ver- zierung in Gestalt eines Hahnes (9262a) sowie eine dünne Scheibe aus Bronze, auf der ein Adler eingraviert ist (9277), hervorzuheben. Sodann wurden vom 5. November v. J. bis 3. März d. J. auf dem das Prätorium begrenzenden Esserschen Grundstücke Grabungen unternommen, für die der Provinzial- ausschuss in liberalster Weise die Mittel zur Verfügung gestellt hat. Obgleich die Untersuchung, weil durch die lange Frostperiode dieses Winters mehrfach unterbrochen, noch nicht zum Ab- schluss gebracht werden konnte, so hat sie doch insofern wichtige Resultate geliefert, als sie über die zwischen Prätorium und Umfassungsmauer in der Nähe der via principalis gelegenen Lager teile Aufklärung verschafft hat. Blossgelegt wurde die Umfassungsmauer auf eine Länge von 250 m bis zur Nordostecke des Lagers. Von den zwei in ihr vorge&ndenen Unter- brechungen erwies sich die eine als eine später angelegte brunnenartige Grube, die andere als der Einschnitt für die Fundamente eines 4,40 m langen

Turmes mit festgestampftem Lehmbo- den im Innern. Von der Umfassungs- mauer 25 m entfernt wurden der in frühereu Berichten bereits mehrfach erwähnte, das Lager umgebende Kanal und 4 m weiter in gleicher Richtung mit ihm drei 74 m lange, durch 5 m breite Gassen geteilte zweiteilige Ka- sernen angetroffen, deren Vorderflügel bei der mittleren 24 m, bei den bei- den anderen bloss 12 m breit ist, wäh- rend der Hinterbau aus je zwei Reihen von 12 Räumen mit eimer vorgebauten offenen Halle besteht. Vor diesen drei Kasemements liegen nach der via prin- cipalis hin drei gleich breite remisen- artige 9 m tiefe Gebäude mit Aus- gängen auf die oben genannte Strasse. Eine 8,20 m breite Gasse trennt die Remisen und Kasernen von dem nord- westlichen Teile eines grossen nach der Lagermitte hin sich erstreckenden Gebäudes, welches noch genauer unter- sucht werden muss. Ausser Fibeln, Nadeln und Griffen von Geräten aus Bronze kam ein kleiner Bronzestier, eine Hängeverzierung aus Silberblech, Thonlampen mit figürlichen Darstel- lungen, eine grosse Anzahl Skulptur- stücke, ein Votivaltärchen des Jupiter und die Reste einer grossen Bauin- schrift mit 14 cm hohen Buchstaben zum Vorschein (9256-9286, 9626 bis 9698, 9735-9819, 9825—9865).

Der Zuwachs der Sammlung beläuft sich im Ganzen auf 723 Nummern.

Vorrömische Abteilung: Ein sogenanntes Regenbogenschüsselchen (9194), ein Hohlkelt und zwei Lappen- kelte (9732, 9237—9238) und eine An- zahl zum Teil mit Graphitlinien ver- zierter Thongefässe der Hallstattpe- riode aus einem von Herrn Professor Löschcke im Gemeindewalde von Weiss, Kreis Neuwied, geöffneten Grab- hügel (9699-9710).

Römische Abteilung: Ausser mehreren Grabfunden aus Bonn (9306 bis 9316, 9455—9457, 9724-9733) und Köln (9198—9205, 9214—9220, 9222—9226) sind folgende Gegenstände erwähnenswert: aus Bronze die Ver- zierung eines Gerätes in Gestalt eines Löwen (9316) und ein Messergriff mit Pferdekopf (9723), aus Terra sigillata zwei reich verzierte Schalen (9212 bis 9239), aus Thon eine Lampe mit Gla- diatorendarstellung (9186), drei Becher

402

Museographie.

mit luschrift (9193, 9240, 9787), die Figur einer sitzendeu Fortuna (9520), ein Messer mit Grifif aus Bein (9519), aus Stein der Torso eines bakchiscben Genius (9722), drei Matronenaltäre aus Floisdorf und Zingsheim (9521, 9523 bis 9624), das Fragment einer Monu- mentalinscbrift aus der Zeit des Kaisers Claudius aus Bonn (9288), sechs Grab- inschriften aus Köln und Nettersheim (9145, 9236, 9291, 9292, 9518. 9522).

Fränkische Abteilung: Grab- funde aus Heddersdorf bei Neuwied bestehend in Waffen, Gewandnadeln, Perlen und einer verzierten Glasschale (9147—9178).

Mittelalterliche Abteilung: Szepter der Äbte von Werden an der Ruhr in vergoldetem Rothkupfer mit Email Verzierung (9146). AJs Ge- schenke wurden dem Museum über- wiesen durch Seine Excellenz den Herrn Oberpräsidenten Geheimrat Nasse die bei dem Ausbau der Mosel- mündung ausgebaggerten römischen Altertümer, bestehend in einer Menge von Toilettegegenständen aus Bronze, Münzen und Steinskulpturen (9464 bis 9517, 9526-9624, 9711-9722), von Herrn Bürgermeister Wassong in Blankenheim einige Eisengeräte (9450 bis 9454), von Fabrikbesitzer Lützen- kirchen in Sinzenich ein dort gefun- dener Matronenstein (9822), von Herrn Bürgermeister Sandkuhl in Kirsch- berg einige fränkische Waffen und Thongefässe (9227—9233), von Herrn und Frau Schlieperin Elberfeld drei Holzskulpturen, darstellend die Ma- donna mit dem Kinde, und die Apostel Petrus und Paulus aus dem 14. und 15. Jahrhundert (9251—9253), von den Kirchen vorständen von St. Castor in Coblenz und Offenbach am Glan eine Anzahl Architekturstücke (9616—9625, 9458—9463). von Herrn Rentner Schmithals hier ein frühmittelalter- licher Topf (9255), und von Herrn Wasserbau - Inspektor Isphording hier ein Schwert aus dem 13. Jahr- hundert (9183).

Auf mehreren Seminarkonferenzen wurden auch in diesem Jahre von dem Direktor Vorträge gehalten.

(Klein.)

(S. Korrespondenzblatt des Gesamt- vereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine 1895, Nr. 8 S. 90 f.)

Köln, Museum Wallraf-Richartz I S. 271, 85 IX- XI, XIII.

Die neue Aufstellung der kleinen römischen und fränkischen Altertümer ist vollendet und seit September 1894 eröffnet. Vgl. Korrbl. d. Westd. Zs XIII, 142. Die Neuordnung der Steiu- altertümer ist im Gange.

Zugänge zur römischen Abtei- lung seit Sommer 1894. 1. Funde bei Stadt. Erdarbeiten. Weihe- inschrift an Jupiter Dolichenus (Ecke Elstergasse und „An der Ruhr"). Vgl. Korrbl XIV, 4t. Gesimsstück aas Jurakalk mit Rest eines Waffenfrieses (Heumarkt). Ziegel einer Heizuogs- anlage (Ursulaplatz). Kleinalter- tümer, a) Thon: Trinkbecher aus Terra nigra mit Barbotineranken (Rit- terstrasse). Sigillataschale mit Lotus- rand (Richard- Wagnerstrasse). Lampe mit Taube und Ölzweig (Paulstrasse), b) Bronze : Beschläge eines Kästchens (Eulengarten). Reste eines Raucher- gefässes mit ketten (Richard- Wagner- strasse), c) Bein : Haarkamm mit gra- vierter Kreisverzierunj? (Elstergasse).

2. Erwerbungen durch Ankauf und Geschenk. Grabstein des M.Val. Celerinus (Richard-Wagnerstr.). Ver- öffentlicht im Korrbl. XIV, 41). Grab- stein des Ti. Claudius Halotus (Aache- nerstrasse). Er befand sich bisher bei Prof. E. aus'm Weerth in Kessenich bei Bonn. Nähere Mitteilungen über das interessante Denkmal folgen in einer der nächsten Nummern des Eor- respondenzbl. Nachbildung eines Grabfundes von der Ecke Dreikönigen- Strasse und „An der Eiche", bestehend aus einem Langsch werte mit Beingriff, einem kreisrunden silbernen Ortbande mit Goldtauschierung und Niello, einer Fibel, Gürtelbeschlägen, Gefässen u. A. Das Original im Mainzer Museum Vgl. Museogr. d. Westd. Z. XIII S 294. Kleinaltertümer, a) Thon: Wasserbehälter in Form einer Urne (Hochstadenstrasse). Kugelbecher aus Terra sigillata mit Seetieren und Lotus in Barbotine (Weyerstrasse). Trink- berher aus Terra sigillata mit Lotus in Barbotine und weiss aufgemaltem Spruche BIBE DA. Trinkbecher aus Terra nigra mit Barbotineranken. Lampe mit Amor und Psyche. Zwei Sigillatateller mit den Stempeln Gl- CARV und M^INO. - b) Metall:

Mnseographie.

403

BroDzefigürchen eines Leoparden (Ri- chard-Wagnerstr.). Brouzeschloss eines Kästchens mit Schlüssel und Beschlä- gen. Cy lind er förmiges Vorhängeschloss mit Bügel, Bronze. Eine Reihe von Gewandnadeln in BroDze und Silber, einzelne graviert und vergoldet, andere mit NielTo und Grubenschmelz. Be- sonders interessant ist eine Kreisfibnla mit Zelleuschmelz , deren Stege in primitiver, an irische Zeichnung er- innernder Weise das Brustbild eines christlichen Heiligen umschreiben. Ein ähnliches Stuck gehört zum alten Be- stände der Sammlungen. Beides sind Arbeiten aus der Zeit tiefsten Ver- falles der Antike im 5. Jahrb. Bronze- Löifel mit Silbertauschierung. Eine Reihe von Haarnadeln mit sorgfältig gearbeiteten Köpfen, teilweise in Tier- formen, Bronze, silbertauschiert. Rund- beschlag von Pferdegeschirr, mit durch- brochenem peltenartigem Ornament, ähnlich den Heddernheimer Zierschei- ben im Mainzer Museum. Etruskischer Bronzehenkel mit Mascaron. Silber- ner Fingerring mit Niccolo-Gemme, Helios (Apostelnmarkt). Bronzener Fingerring mit Inschrift PIA ; dgl. mit Carneol, Amor. c) Glas; Schwarz- grüner cylindrischer Becher. Violett- rotes Kännchen mit weissem Henkel und Fäden (ergänzt). Braunrotes Hen- kelkäunchen. Trinkbecher in Form der gallisch- römischen Thonbecher, aus farblosem Glase. Grosser farbloser Becher mit aufgelegter Netzverzierung. d) Armband in Schlangenform aus Gagatgliedern. Kleiner Becher, Schmuckkette und Haarnadeln aus Bernstein. Brettspiel aus Bein, be- stehend aus 24 halbkugeligen Spiel- steinen, von welchen die Haltte Spuren ro^.er Färbung zeigt und 4 Würfeln, welche in zwei kurzen cylindrischen Röhren geschüttelt wurden; dazu ge- hörte ein Holzkästchen, dessen ver- moderte Reste noch sichtbar waren, mit Bronzehenkel und Schlüssel, sowie ein konischer Becher aus farblosem Glase (Johanisstrasse).

Münzfunde. 1381 Grosserze des Magnentius u. A. (Stephanstrasse). Ein grosser Münzfund, meist Kleinbronzen constantinischer Zeit enthaltend, wel- cher am 30. April 189.5 an der Süd- seite von S. Maria im Capitol auf dem Marienplatze gemacht wurde, ist leider

zum grossen Teile verschleppt worden. Das Übrige ist dem Berliner Münz- kabinette zur Untersuchung übergeben. Vgl. Korrbl. XIV, 79.

Germanische Altertümer. Pie Ausgrabungen bei Roesrath ergaben eine Urne aus grauem Thon mit Deckel, Knochenreste und Trümmer anderer Urnen der späteren La T^nezeit. Vgl. Korrbl. XHI, 128.

Erwerbungen durch Ankauf und Geschenk. Ohrring, Gold mit Filigrau Verzierung, besetzt mit Saphiren und Almandinen. Vorzügliche west- gotische Arbeit aus einem Grabe bei Ra- venna. Acht fränk. Armringe, Bronze ( Flammersheim). Silbertauschierter Riemenbeschlag, fränkisch (Merhenich). Kugelbecher aus farblosem geripptem Glase und Kreisfibula aus Silber, mit Filigranverzierung und Almandinen rUrmitz). Schmuckkette aus Perlen von Glas, Thon, Amethyst, Opal, mit Bronze- Anhänger (Kettig). Eine Reihe von Gewandnadeln, Gürtelbeschlägeu und Schnallen, teils mit Tauschierung, fränkisch. Vogel- Fibula, zusammen- gesetzt aus Almandinen in Kasten- fassung, fränkisch.

Mittelalterliche Architektur- stücke. Tympanon aus Kalktein mit Relief: Mänuliche Halbfigur zwischen zwei Unholden, 12. Jahrb. (Ecke der Johannis- und Jakordenstrasse). Zwei Säulen mit Würfelkapitellen, roter und grauer Sandstein, 12. Jahrb. (Rhein- gasse). Sechs spätgotische Architektur- stücke (von Ziersäulen), 15. Jahrh. (Siebenbürgen).

Plastik. Frauenkopf in Wachs bossiert, französisch, 17. Jahrh. Bronzierte Gypsabgüsse nach dem „Theodorich** und ^ Artus** vom Grab« male Maximilians I. in Innsbruck, Ausserdem wurden mehrere Gypsab güsse nach der Antike erworben, wel che in zwei pompejanisch ausgestat teten Räumen des Museums aufgestellt werden sollen.

Gemäldesammlung. Durch An- kauf kamen neu hinzu : B. Luini. Ecce homo (aus der Sammlung Dötsch in London). Mosler - Pallenberg, Resig- nation. Durch Schenkung: Hiacynth Rigaud, Bildnis. M. Munkacsy, Der Held des Dorfes. (Kisa.)

404

Museographie.

d Aachen, Städtisches Suermondt-Museum I. S. 270, II-XIII.

Im Laufe des Jahres 1894 wurden die Bestände des Museums in folgen- der Weise vermehrt: 7 Studienköpfe von Alfred Rethel; GemäUle, Fernsicht, von Caspar Scheuren; 18 Stiche und Holzschnitte nach Bildern von Cor- nelius, Genelli, Veit; 37 Blätter Stiche, Photographieen nach Bildern älterer Meister; 9 Photographieen nach Bil- dern des Meister Wilhelm von Herle; 9 Medaillons in Stein gemeisselt, an- geblich Bildnisse römischer Kaiser, und 5 Pilaster- Kapitale von dem früheren, 1894 abgetragenen Josephinischen In- stitut ; Spitze von der Kuppel der 1894 abgetragenen Taufkapelle der Nicolaus- kirche in Gestalt einer Mutter Gottes mit dem Kinde ; alte Uhr mit verzier- tem Zifferblatt und Schlagwerk; kleine Tafel aus schwarzem Stein mit arabi- scher Schrift, gefunden beim Umbau des Corneliusbades; Jahrgang 1894 des Berliner Radier- Clubs. An Ge- schenken wurden dem Museum zuge- wendet von den Herren : Graf Stroganaff 2 Ölgemälde, a) J. Artois, Land- schaft mit Figuren von D. Teniers, b) Bildnis eines Herrn, Schule Lucas Cranach; Robert Suermondt Bild- nis des Fürsten Bismarck, gemalt von F. von Lenbach; Carl Suermondt Gemälde von Jan Leduc, Lustige Ge- sellschaft; Robert Hasenclever Ge- mälde von A. Normann, Norwegischer Fjord ; J. B. J. Bastln^ aus dessen künstlerischem Nachlass, Gemälde, der junge Tobias kehrt zu seinem Vater zurück ; F. Billotte Ölgemälde, Die Dichterin Sappho sich ins Meer stür- zend ; Professor Dürre Bildnis einer Äbtissin aus dem Kloster Wehnau, un- weit Aachen; Alfred Coumont Alte Ansichten von Aachen; Bildnis des Malers Caspar Scheureu, gemalt von Steffens ; August Kampf Bildnis des Malers Alfred Rethel, Photographie; Assessor Reumont Abbildung des röm. Monumentes bei Igel; 18 An- sichten alt kölnischer Gebäude; Alexan- der von Swenigorodsko'i Geschichte des Byzantinischen Zellenschmelzes, Prachtwerk mit vielen Holzschnitten und farbigen Abbildungen, auf Kosten des Gebers hergestellt in nur 600 num- merierten Exemplaren (200 russisch, 200 deutsch, 200 französisch) die im

Buchhandel nicht erschienen sind; Dimitri Rovinski, Foeuvre grav<^ de Rembnindt (1000 Lichtdrucke); D. Rovinski, Renibrandt et des maitres qui ont grav^ dans son goüt (478 Licht- drucke); Schiffers Silberne Denk- münze mit dem Bilde des Papstes Leo XIII; Bürgermeister £lbing Medaille, Gründung der Universität Wien ; H. Steenarts Kleines Modell eines Totenkopfes, aus Silber getrie- ben von Xav. Ricci; Defoumay Bleiplatte mit Inschrift, gefunden bei Erdarbeiten eines Neubaues, Grund- steinplatte des ehemaligen Annunciaten- klostefs ; J. Hermens 2 gusseiserne Herdplatten; Gebrüder Esser Samm- lung von Erzeugnissen der Indianer u nd B uschneger aus h olländiscb G uyaua ; Max Franken 2 irdene Schüsseln, bemalt, mit der Jahreszahl 1726.

(Fritz Berndt).

Elberfeld, Sammlungen des Bergitclien 93 Geschichtsvereins I S. 274, II, VUI. XIII.

I Praebistorische Altertümer. Es wurde ein Bruchstück eines Topfes aus schwärzlichem Thon mit Strich- Ornamenten aus den Pfahlbauten am Züricher See überwiesen.

II. Römische Altertümer. Die Sammlungen wurden um etwa 80 rö- mische Kupfermünzen, durchweg das Bildnis Konstantins des Grossen in verschiedenen Auffassungen aufweisend, vermehrt. Diese Münzen fanden sich nebst andern und einer Menge von Silbermünzen in Monheim (bei Düssel- dorf) am Rhcio. Ferner gingen dem Verein Abdrücke von verschiedenen römischen Münzen, gefunden in Grimm- linghausen bei Neuss, zu.

III. Mittelalterliche und mo- derne Gegenstände. Der Verein erwarb : a) Kunstschlosserei : Eine vor- zügliche Wetterfahne aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts, verschiedene Thürbeschläge , Vorhängeschlösser, Steigbügel; b) verschiedene gegossene Herdplatten mit biblischen Darstel- lungen und einen alten kupfernen Bierkrug; c) eine Reihe von Flachs- bereitungsmaschinen, darunter Spinn- rad (von 17ß9) und Haspel mit guten Kerbschnitzarbeiten, eine reich ge- schnitzte Truhe von 1788 ; d) mehrere Freimaurer - Embleme der Loge Her- mann zum Lande der Berge in Elber- feld; e) einige Silbermünzen aus dem

Museographie.

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Flandersbacher Müuzenfund nebst ver- schiedeueu auderou Müuzen und Me- daillen; t) eine Glasgemme mit dem Wappen des ausgestorhenenGescblechts von llecbt ; g) etwa 60 Porzellauplatten aus Elberield, mutmasslicb Delfter Fabrikat aus dem Anfange des 18. Jahr- hunderts. (0. Schell.)

94a Crefeld, Sammlung des Museumsvereint II -IX, XII, XIII.

Rumische Altertümer. Gegen- stände aus Thou: Asberg, westl. der Rumerstrasse (Kempkes). Schwar- zer Topf aus sogen, terra nigra, K X 6a ( = Koeuen , Gefässkunde Taf. X, Fi;;. 6a), 0,175 m hoch, grösster Um- fang 0,50. Kurzer umgekragter Hals, verletzt. Asberg, w. d. Römerstrasse (Bremmenkamp), Kleiner kugelbauchi- ger Becher aus gelbweissem Thon, xweihenklig, ein Henkel abgebrochen. 0,010 h , Durchmesser oben 0,058, Fuss 0,035. In einem die Henkel verbin- denden von zwei Kreisen eingefassten Streifen eine durch den erhaltenen Henkel getrennte Inschrift, nach dem Brand ungeschickt eingeritzt, sogen, grafiito. Die Lesung und Deutung ist noch unsicher. lYL (oder C; lAS VIII. Das erste könnte die lateinische Form Tucias des griechischen Namens TvxuU sein. Gellep (v. Hellenbroich erworbru). Schwarzglänzender Trink- becher, gebuckelt, K XVI 12, 0,072 h., Öffnung oben 0,041. Gellep (P. Gather). Gelbes Thonkrüglein, zwei- henklig, K XV 18, 0,13 m h., Durch- messer oben 0,032). Gellep (P. Gathor). Becher von rötlich-gelb ge- backenem Thon mit gestrichelten Bän- dern, K XVI 6, 0,115 h., 0,074 Durch- messer oben. Bei Gellep am Forst- berg zwischen Lank und Nierst. Stück eines Ziegels mit Stempel, der rechts nicht ganz erhalten ist. Buchstaben fehlen wohl nicht.

CASSIANO INCALCARIA M A X / 1 M V S F

(\tiiiiiano I in calcaria | Maj'[s]imuü ffecit). Auf dem Gute (oder in der Ortschaft Cassianum an einem Kalk- ofen. Maximus hat (den Ziegel) ge- macht'). — Asberg, Burgfeld.

1) Vgl. Bonner J»hrb. XCVI und XCVII S. 256 ff.

Grosse terra sigillata Schüssel K XIV 4, fragmentiert, 0,268 Durchm., 0,054 h. Stempel OFM3CLIN offficinaj Masdini'i d). Strichelband im Innern.

Scherben von terra sigillata Ge- fä<sen mit Reliefschmuck aus Pflanzen-, Tier- und Menschengestalten, aus A s berg und Gellep. Die folgenden Nummern bilden die Sammlung des Herrn Reindell und stammen alle ans Asberg.. Das Museum erwarb diese Sammlung von dem Gasthofsbe- sitzer Jansen in Ruhrort.

8 terra sigillata Teller: 1) 0,240 Durchm., 0,0()0 h , Stempel zerstört, Strichelband im Innern, im Rand je 2 Löcher einander gegenüber, unter dem Fuss eingeritzter grafiito, wahr- scheinlich Cn(dm) Valicrim). 2) 0,185 D., 0,044 h., Stempel CATVLLVSf = Catuilus ffecitj, Vertiefter Kreis im Innern. 3) 0,165 D., 0,043 h., Stempel TARTVSF = Tartus fCecit), unregel- mässigcr Verzierungskreis. 4) 0,175 D., 0,048 h., IANV\RIVSI - lamiarim ffecitj. Vertiefter Verzierungskreis. 5) 0,180 D., 0,045 h., Rand gebrochen, Stempel unleserlich, PR///S/// Vertief- ter Verzierungskreis. 6) 0,175 D., 0,045 h., Stempel ///// SSA = [CVa- ci]ssa'^ Vertiefter Ornamentkreis. 7) 0,188 D., 0,050 h., Farbe abgesprun- gen, Stempel unleserlich, Oruameut- kreis, auf dem Ausscnraud eingeritzt eine funfzinkige Gabel. Auf dem äusse- ren Boden ein grafiito, wahrscheinlich MatfernusJ. 8) 0,186 D., 0,055 h., Farbe fast ganz abgesprungen. Nicht gestempelt. 3 terra sigillata Tassen : 1) 0,135 D., ( ,074 h., zusammengeleimt aus 5 Stücken, ungestempelt. 2) 0,078 D , 0,036 h., Stempel im Innern /lABI [AmubiflisJ'i'l 3) 0,072 D., 0,035 h. Stempel OF//VSV 11 Scherben von terra sigillata Gefässen mit Relief- schmuck. — Scherbe einer sigillata Tasse mit Epheublätt erschmuck auf dem weit überkragten Rande, Koenen XIV 7. 3 Scherben von sigillata Tellern mit Stempeln: 1) . . . RES

[offficinaj 6^r<?.s.^, vertiefter Orna- mentkreis 2) \EBB VI K = Me9d ulfnsj ffecitj. 3) OF SEVERI = offficinaj Severiy Strichelband*). 4 schwarze Trinkbecher: 1) glänzend, kelchförmig, 0,064 D., 0,095 h. 2) glänzend, Koen.

2) Das F von of(flcina) ist in dem O.

406

Museograpbie.

IX 13, 0,095 D., 0,096 h., oberer Rand verletzt. 3) K. XYI 13, ziemlich dick, 0,056 D., 0,135 h. 4) K. XVI 13/17, braunschwarz, metallisch glänzend, mit 6 runden Eindrücken, gekittet, 0,054 I)., 0,116 h. 4 graue, rauhwandige, urnenförmige, einhenklige Gefässe, K. XVII 4: 1) 0,130 h., 0,095 D., Henkel abgebrochen. 2) 0,101 h., 0,085 D., Loch in der Wand. 3) 0,094 h., 0,079 I). 4) 0,082 h., 0,065 D. Schlanker Becher mit 6mal eingebauchter Wand, K. XVI 9, dünner weisser Thou mit grauschwarzem Farbüberzug, oben ab- geblochen. 9 Becher des Typus K. XII 24, dünnwandig, weisser Thon mit verschiedenem Farbüberzug, ausser bei 6), 8) und 9) mit Thonkrümchen rauh gepustelt: 1) braunschwarz, fragmen- tiert, 0,150 h , 0,135 D. 2) (etwa K. XII 3) braun, 0,10 h., 0,082 I). 3) graublau, 0,005 h., 0,070 D. 4) schwarz, 0,073 h., 0.059 D. 5) schwarz. Wand verletzt, 0.085 h., 0,070 D. 6) braun- schwarz, glatt, 0,095 h., 0,070 D. 7) rot, 0,095 h., 0,068 D. 8) schwarz, glatt, 0,072 h., 0,055 D. 9) gelbroter, nicht gefärbter Thon, glatt, schlecht, 0,054 h., 0,044 D. 2 cylindrische Becher aus weissem gefärbtem Thon, ohne Krümchen und Rand, K. XVI 5: 1) schwärzlich, 0,090 h., 0,062 D 2) orangegelb, oben verletzt, 0,090 h., 0,060 D. 4 rauhwandige Urnen von der Technik wie bei K. XVII 1-11: 1) grau, einhenklig, 0,155 h., 0,110 D. '/) grau mit Doppelrand, 0,160 h., 0,125 D. 3) schwärzlich rot gebrannt, 0,145 h., 0,115 D. 4) grau, Rand grad aufstehend, aussen 2 Bänder, 0,116 h., 0,090 D. 3 rauhe, dickwandige Kumpen, K. XVII 6: 1) grau mit brei- tem horizontal überstehendem Rande, 0,095 h., 0,183 D. 2) weissgelb, 0 090 h., 0,125 D. 3) weiss, 0,085 h., 0,125 D.

Dünnwandige Urne, grau, mit schwarz gefärbten, aufgedrückten Schuppen, K. XVII 15, ohne Rand, fragmentiert, 0,120 D. ~ Urne, rauh, dickwandig, schmutzig weiss, K. XVII 2, Rand grad aufstehend, 0,163 h., 0,095 D. Urne, ebenso, weissgelb, 0,070 h., 0,053 D. Urne, rötlich gebacken, grau- weiss, Schrägrand, 0,090 h., 0,050 D.

Topf, rauh, dickwandig, rötlich gelb, 0,105 h., 0,095 D., schlecht. Recher, K. XVII 26a, braungelb, ohne Verziwrung, 0,073 h., 0,066 D. Giess-

kännchen mit Henkel und Ausgass, K. XI 10, weisser Thon, oben schwarz gefärbt, 0,094 h. 3 tassenartige Schalen aus dünnem, weissem, gefärb- tem Thon mit Krümchen gepustelt:

1) schmutzig rot, 0,050 h., 0,115 D.

2) schwarz, 0,052 h., 0,090 D. 3) aussen blauschwarz, innen bronzefarbig und gepustelt, 0,044 h., 0,086 D. Vascn- törmiges Gefäss, K. XV 29, weiss, Rand gewellt, 0,063 h., 0,123 D. 8 Teller (1, 2 K. XV 13, 3 7 K. XVII 7) nur 1 gestempelt, 3—7 rauh, dickwandig: 1) blauschwarz gefärbter weisser Thon, Stempel unleserlich, 0,040 h., 0,180 D. 2) rot, Rand ver- letzt, 0,027 h, 0,137 D. 3) grau, 0,050 h., 0,195 D. 4) schmutzig weiss, 0,042 h., 0,167 D. 5) schmutzig gelb- weiss, 0,045 h., 0,167 D. 6) schmutzig weiss, 0,037 h , 0,135 D. 7) rotlich gebacken, 0,04 J h., 0,152 D. 8) mit überstehendem Flachrand, grau, ver- letzt, 0,050 h., 0,164 D. 3 Kumpen mit Ausguss, weisser dicker Thon, K. XV 10: 1)0,086/0,240. 2)0,088/0,169.

3) 0,055/0,155. 12 Henkelkrüge aus weissem glattem Thon, K XI 25/26 und K. XV 15:1) gekittet, oben etwas verletzt, 0,194 h. 2) rötlich gebacken, Henkel gekittet, 0,205 h. 3) Rand au- gekittet, 0,186 h. 4) rot gebacken, 0,192 h. 5) 0,168 h. 6) zweihenklig, 0,156 h. 7) Rand etwas verletzt, 0,230 h. 8) 0,223 h. 9) 0,206 h. 10) nicht ganz glatt, Hals verletzt, 0,204 h. 11) 0,188 h. 12) 0,180 h. Hals einer grossen Amphora, rot gebacken, 0,101 D. Hals eines Gefösses mit 2 Ausgüssen, K. XV 24, rötlichgran, Ansatz eines Henkels an dem grösse- ren Ausguss. Drei thöneme Deckel.

Henkelkrüglein mit Ausguss K. XV 20, zwei vertiefte Kreise vom Henkel- ansatz ausgehend, 0,108 h. Spitz- kegelförmiger Bauch einer Amphora ohne Hals, mit schraubenförmig um- laufenden Ringen, rot, 0,485 lang. 7 grosse rauhwandige Urnen des Typus K. XU 3, XVII l : 1) schwarzblau, 0,240 h., 0,146 D. 2) graublau, 0,262 h., 0,160 D. 3) grau, geborsten, 0,288 h., 0,180 D. 4) gelb, Q,287 h., 0,170 D. 5) hellgrau, 0,230 h., 0,160 D. 6) grau, mit Knochen und Erde gefallt, 0,206 h., 0, 125 D. 7) hellgrau, 0,208 h., 0,140 D.

11 Thonlampen, K. XVHI 28, K. XVni 30, K. XVHI 32: 1) fragmen-

Moseographio.

40?

tiert, dunner gelber Thon, Reste schwar- zer Färbang, in der Mitte eine flott gezeichnete, nackte weibliche Figar, die einen Topf gegen den Leib drückt, 0,066 D. 2) weisser, gelb-rötlich ge- färbter Thon, Stempel auf dem Boden unleserlich, 0,095 1., 0,055 D. 3) rot,

Griff verletzt, Stempel ^^^'^^^ = For-

tis ffedtj, 0,091 1., 0,049 D. 4) weisser, braun gefärbter Thon, 0,075 1., 0,045 D. 5) rot geftrbt, Stempel wie 3), 0,0»<2 1., 0,041 D. 6) grau-schwärzlich gebrannt, 0,093 1., 0,048 D. 7) weiss, Reste rot- brauner und schwärzlicher Farbe, 0,089 1., 0,047 D. 8) weiss, Reste grauer Farbe, 0,071 1., 0,038 D. 9; weiss, 0,070 ]., 0,040 D. 10} weisslicb, Reste roter Farbe, Griff zerstört, schlecht, 0.067 1., 0,044 D. 11) weisser rotbraun gpförbter Thon, 0,063 1. Kinder- rassel, schwarzer thönerner Hahn, 0,095 1.

Gegenstände ans Glas: Zwei- henkliges grünes Glastöpfchcn, 0,050 h.

Hellgrünes Salbenfläschchen, 0,082 h. Desgl. gekittet, 0,053 h. 2 Scherben, grün und bläulich.

Ring aus Gagat mit Buckeln, 0,017 D.

Gegenstände a. Bronze: Schelle, ohne Klöpfel, grün patiniert, 0,091 h.

Desgl., unten verletzt, jetzt 0,082 h.

Armring, 0,092 D, inwendig ver- letzt. — Spange, etwas verletzt, 0,062 1.

Anhängsel. Durchlöchertes, mün- zenartiges Scheibchen, blaugrün, 0,011 D. Halbrunder Griff mit zwei An- hängseln, ffrün, 0,058 1. Knopfar- tige Beschläge, a) gerundet, b) flach.

Stück einer Kette, 0,080 1., 6 Dop- pelglieder. — Knöpfchen, flache und runde Platte (0,012 D) mit gehörntem Hirsch zwischen einem kleinen und einem grossen Baum. Öse auf der Rückseite. Gewandnadel, 0,050 1.

Plättchen, links durchlöchert, rechts Nagelspur, 0,047 1. Haarnadel mit gedrechseltem Griff, 0,0901., gekrümrat.

Rest einer Nadel, grün, 0,047 1.

2 unbestimmbare Mittelerze, 2 kleine schwarze Ringe.

Gegenstände aus Eisen: Haar- nadel, 0,065 1., daran Hand mit Daumen luod Zeigefinger einen Apfel haltend, um die Handwurzel ein Ring. Stark verrostete Lanzenspitze, Spitze abge-

brochen, 0,105 1. Stark verrosteter Haken, 0,145 1.

Drei durchlöcherte Thonperlen. Thonscherben und Eisenteile.

Zugleich mit der beschriebenen Sammlung Reindell wurde von dem Herrn Jansen in Ruhrort ein Sigil- latatopf und eine Glasschale er- worben, die in den Bonn. Jahrb. XCVI und XGVII Taf. X abgebildet sind. Der Topf gehört einer Gattung von cylindrischen Gefässen der ersten Kaiserzeit an, die nur in wenigen Exemplaren erhalten ist. Die Fabrik- marke steht umgekehrt auf der Aussen- seite MASCLVS F = Maaclus ffecitj, 0,120 h., 0,146 D. Die hellgrüne mit Buckeln versehene Glasschale zeichnet sich auch durch Seltenheit und gute Erhaltung aus. Beide Stücke wurden in Asberg westlich der Römerstrasse von Hochjarts gefunden. Zugleich ist die schöne blaue Glasschale abgebildet, die bei den vom Museumsverein 1885 veranstalteten Ausgrabungen in Asberg gefunden wurde.

Asberg, östlich der Römerstrasse, hinter Gathraanns Garten gef. Dez. 1894, Silberdenar ans dem Jahr 81 V. Chr. R. Zweigespann, darunter [L. C ] MEMIES. L. F. GAL = Lfu- ciua) Cfanis) Memies (= MeinmiiJ L(uci) f(ili) Gal(eria). Diese beiden Memmier aus der tribus Galeria haben nach Mommsen im J. 81 v. Chr. auf Geheiss der gegen Sertorius in Spanien kämpfenden Feldherren Münzen ge- schlagen. A. Saturnuskopf.

Asberg, westlich der Römerstrasse, „am Brügges*' 1894 Nov. gefunden: Stücke eines Spiegels aus Weissmetall mit Bronzegriff.

(Nach dem Bericht des Crefelder Museumsvereins.)

HoUSLuCL

Nymwegen, Museum I S. 275, H— IX, 97 XI, XII, XIII.

Römische Altertümer. l)Aus Stein: Läufer einer Handmühle, Dm. 39 cm, gef. in der Langen Burchstrasse.

2} Aus Thon: Graburne aus gelb- grauem rauhem Thon mit Deckel, Höhe (ohne den Deckel) 24 cm, Umf. 76 cm, gef. in der Waal bei Krayenhoff. Gefässchen mit kleinem Fuss, von rotem Thon mit Graphit geschwärzt, 20 cm hoch, Umf. 38 cm, gpf. auf dem Hu»

408

Museographie.

nerberg. dto., h. 19 cm, Umf. 36 cm, gef. ebenda. dto. aus rohem bellgraaem Thon, 85 mm b., 165 mm Umf., gef. ebda. Unterteil einer Am- phora, zuletzt verwahrt in der Kapelle auf Valkhof. ~ Krug von Pfeifenthon mit einem Henkel, b. 29 cm, Umfg. 60 cm, gef. in der Waal bei Krayen- hoff. dto., h. 23 cm, Umfg. 63 cm, gef. auf dem Hunerberg. Krug aus feinem roten Thon mit einem Henkel, h. 24 cm, Umfg. 675 mm, gef. ebda.

Krug aus grobem rohem Thon, auf kleinem Fuss, mit einem Henkel, h. 215 mm, Umfg. 46 cm, gef. ebda. Scliü88el aus grobem, grau-gelblichem Thon, h. 7 cm, Dm. 14 cm, gef. ebda.

Näpfchen von rohem Thon, ver- letzt, h. 45 mm, Umfg. 27 cm, gef. ebda. Topf aus rohem blassrotem Thon mit einem Henkel, h. 13 cm, Umfg. 44 cm, gef. ebda —- Schüssel von blassrotem Thon, zerbrochen, b. 6 cm, Dm 22 cm, gef. ebda. dto., h. ö cm, Dm, 19 cm, gef. ebda. Eine Reib- oder Opferscbale aus weissem Thon. h. 1C5 mm, Dm. 29 cm, gef. in der Waal. L&mpchen aus dunkel- rotem Thon mit drei Ösen zum Auf- hängen, und Stempel Fortis, unbe- kannten Fundorts.

.S) Aus terra sigillata: Vase mit kleinem Fuss, verziert mit £pheuran- ken, h. 155 mm, Umfg. 33 cm, gef. auf dem Hunerberg. Schüsselchen mit Stempel 8ENICI0, h. 6 cm, Dm. 14 cm, gef. ebda ~ dto. aus terra nigra mit undeutlichem Stempel, b. 6 cm. Dm. 12 cm, gef. ebda. dto. mit Stempel AoB, b. 6 cm, Dm. 125 mm, gef. ebda. dto. mit undeutlichem Stempel, h. 5 cm, Dm. 95 mm, gef. ebda. dto. mit Stempel XAVEF (?) h. 55 mm. Dm. 85 mm, gef. ebda. Schüssel mit Stempel OFAQVIA, h. 4 cm. Dm. 17 cm, gef. ebda. dto., h. 75 mm, Dm. 25 cm, gef. ebda. dto. mit Stempel CRESII (?), h. 4 cm, Dm. 17 cm, gef. ebda. dto. mit Stempel CANICO, h. 15 mm. Dm. 17 cm, gef. ebda. dto. aus terra nigra mit Stempel CARISSO | RItVSCIA in zwei Zeilen, h. 2 cm. Dm. 16 cm, gef. ebda.

4) Aus Glas: Ovales Gefässchen mit zwei Henkeln aus griinem Glas, in der Form einer Amphora, eine Wein- traube darstellend, mit abgebrochenem

Füsschen, j. h. 11 cm, Umfg. 16 cm, gef. auf dem Hunerberg. Kugel- rundes Riechfl&chchen von grünem Glas, h. 45 mm, Umfg. 105 mm, mit aufgeschmolzenen Fischchen von Glas- paste, gef. ebda. Schüsselchen ans mattenartig durcheinander geflochte- nem gn'inem, blauem und gelbem Glas, auf der Oberseite mit einem Flecht- werk aus verschiedenartig gefärbtem Glas und einem violetten Rand, um- wickelt mit einem weissen Faden, h. 19 mm. Dm. 9 cm, gef. ebda. Blane gerippte Koralle aus Paste, gef. ebda.

5) Aus Metall: Kettchen aus ge- drehtem Kupferdraht in zwei Stücken, zusammen 40 cm lang, gef. auf dem Hunerberg. Stäbchen aus gedreh- tem Kupferdraht mit schöner Patina, gef. bei Winseling. Vier Kibe!n ver- schiedener Grösse, gef. ebda. Sil- berne Fibel, die Nadel abgebrochen, 4 cm lang, gef. ebda. Unbekannter Gegenstand, bestehend aus zwei über- einander gesetzten halbkugelförmigen Näpfchen, in der Form eines doppel- ten Becherchen, h. 53 mm, Umfg. jedes Näpfens 12 cm, gef. ebda. *- Fragment einer Verzierung in Form eines runden Schildchens, gef. ebda. Ein weib- liches Bildchen, Verzierung irgend ei- nes Gegenstandes, gef. ebda. Hen- kelchen von einem Kästchen, gef. elnla. Lämpchen mit zwei Schnauzen und einer dreieckigen schrägaufstehenden Handhabe, worunter ein Henkel, h. mm, lang 65 mm, gef. ebda. Ovales Schellchen mit festem Ring, der Klöp- pel abgebrochen, b. 11 cm, Umf/;. 16 cm, gef. ebda. Zwei Sonden mit Knopf und Löflfelchen, lang 10 cm und 13 cm, gef. ebda. Helm mit Piinkt- verzierung, der Helmkamm abgebro- chen, 20 cm h., 71 cm Umfg., gef. in der Waal zu Pannerden bei Nymwegen.

6) Münzen: Consular - Denare der gens Antonia, Caesia, Carisia, Come ia, Julia, gef. auf dem Hunerberg za Berf^endal und bei Nymwegen Kaiser- münzen: Octavian: Coh. I 209 ßer- gendal. Claudius: Coh. I 80 Nym- wegen. — Vespasian: Coh. I 36, 60, 151, 192, 196; VII 36; I 296, sämtlich Bergendal; 247 Variante; 378 Nymwegen. Damitianiis: Coh. I 17, 79 Bergendal. Denar geschl. 88? Av. : Brustbild mit Lorbeer n. r. Imp. Caes. Domit. Aug. Germ. P- M.

Museographie.

409

Tr. P. VIII. Rv.: Pallas 1. auf Schiff stehend, in der r. Hand Wurfspiess, in der 1. Schild, r. von ihr Eule. Imp. XIX, Cos. Xllir, Cens. P. P. P., j?ef. in d. Wester-Meerwyck. Femer Coh. I 209 Nymwegen, Coh. I 248 Bergendal. -— Nerva: Coh. I 28 Ber- gendal. Traianus: Coh H 9, 35, 45, 47, 104, 113, 129; VII 11; II 168 Bergendal. Hadriauus: Coh. II 317, 340, 477, 509 Bergendal. An- toninus Pius: Denar. Av. : Brust- hild mit Lorbeerkranz nach r. Anto-

ninus Aug. Pius P. P Rv. : Die

Ewigkeit 1. stehend, in der r. Hand Globus, in der Linken umgekehrter Speer, Bergendal. Ferner: Coh. II 47, 148, 32t, .355 Bergendal. Fanstina senior: Coh. II 90 Bergendal. - Marcus Aurelius: Coh. II 260 (Avers) und 261 (Revers) Nym wegen.

Fanstina iunior: Coh. II 35 Bergendal. Lucius Verus: Coh. III 80 (Avers) und 76 (Rev.); III SS) Bergendal. Septimius Severus: Coh. III 203, 218, 257, 264, 328, 331, .^76, 400 Bergendal. Caracalla: Coh. III 362 Bergendal. Plautilla: Coh. HI 18 Bergendal. Geta: Coh.

III 85 Bergendal; 103 Nym wegen. Elagabalus: Coh. HI 58 (Var.), 74 81 (var. Stern im Feld), 91, 96, 1(^5, 12t, 144 Bergendal. Alexander Severus: Coh. IV 4, .35, 49, 66, 78, 92, 116, 118, 163, 165, 174, 197 Ber- gendal. — Maximinus I: Coh. IV 4B Bergendal. Philippus I: Coh.

IV 6 (Avers) und 9 (Revers) Bergen- dal. — Volusianus: Coh. IV 13 K«Tgendal. ValerianusI: Coh. IV 45, 161 (ohne F zwischen P und Aug.) Rrgendal. Gallienus: Coh. IV 686 Bergendal. Salonina: Coh. IV 35 Bergendal. Salonin us: Coh. IV 52 Bergendal. Valerianus II: Coh.

IV 1 Bergendal. Postumus: Coh.

V 40 Bergendal; 93 Nymwegen; 100. 114 Bergendal. Probus: Coh. V 315 Bergendal. Constantinus I Coh. VI 136 am Bergendalschen Weg.

Constantinus II: Coh. VI 2;2, gef. am Bergendalschen Weg. Ma- gnentius: Coh. VI 43 Nymwegen.

(Nach dem : Verslag der Commissie ter Verzekering eener gocde bewaring van Gedenkstukken van Geschiedenis en Kunst te Nymegen over het jaar 1894.)

Leiden. Reichsmuteum I S. 266, II 99 —VIII.

Ausser einer Anzahl Persischer, In- discher , Ägyptischer , Griechischer, Italischer Altertümer erwarb das Mu- seum folgende

Altertümer aus Deutschland:

Vorgeschichtliches: Fünf La Tfene- Armringe aus Bronze mit verdickten Enden, gef. in einem Grab an der Nahe, gekauft bei einer öffentlichen Versteigerung in Bonn 1893. Grösster Durchmesser 6 cm.

Römisches, gef. am Hunenberg bei Cleve und Calcar. Gold: Gegen- stand jn Form eines Glöckchens mit einer Öse fiir den Klöppel und einer zum Befestigen. Dm. 2,1 cm., h. 1,5 cm.

Gripsabgiisse von Gemmen, die ebenda gefunden von dem Kgl. Münzen- . und Gemmen-Kabinet in s'Gravenhage angekauft wurden. Mars, sitzend nach 1., in der R. eine Victoria. Satyr, in tanzender Stellung, in der L. Thyrsus. in der R. Becher. Venus, auf einem Stuhl sitzend, darunter laufen- der Panther. Victoria nach r. auf einen Pfeiler gelehnt. Venus und Amor einander gegenüber sitzend. Neptunsbüste. Mars stehend, mit Speer und Schild, nach 1. Amor und Psyche in Gestalt eines Schmet- terlings. — Jüngling, sitzend, mit Zweigen in der Hand. Reiter, eine Schlange mit dem Speer be- kämpfend. — Büste eines Jünglings; nach r. Stier. Zwei Tau beben.

Römische Altertümer- aus der Gegend von Andernach, bei derselben Auk- tion gekauft. Glas: Schüsselchen mit Deckel, h. 5, Dm. 6,5 cm. Schüssel- chen, die Wand mit Falten, h. 6, Dm. 10,5 cm. Becher mit Füsschen, h. 12, Dm. 6 cm. Becherchen mit glattem Boden, h. 11 cm. Kugelförmiges Fläschchen mit trichterförmigem Hals, h. 16 cm. Langes Riechflächchen, an der Öffnung beschädigt.

Fränkische Altertümer, von den Aus- grabungen zu Nieder-Breisig bei Andernach stammend. Aus derselben Auktion. Gold: Scheibenfibula mit Filigran Verzierung, besetzt mit elf roten, blauen und grünen Steinen, (cloisonnc^), die Nadel an der Rück- seite stark gerostet. Dm. 4,4 cm. Silber: P'ingerring mit platter Scheibe, mit Perlrand verziert. Ein Teil der

4io

Museographte.

Scheibe abgebrochen. Auf der Fläche ist ein Schwan oder irgend ein phan- tastisches Tier eingraviert. Dm. 25 cm.

Glaspaste undBernstein: Kette von 23 Korallen in verschiedenen Far- ben. In der Mitte eine eiförmige Bern- steinkoralle. Bronze: Armringel- chcn. Dm. 7,2 cm. Schnalle, 1. 4,5 cm

Bein: Kamm mit 2 Reihen Zähnen, 1. 18 cm. Glas: Becherchen oder Schüsselchen. Dm. 11, h. 6,5 cm. Thon: Kännchen mit einem Ohr und Schnabel, h. 12 cm. Diese 8 Gegen- stände stammen aus einem Frauengrab.

Bronze: Fibula in Schildform, die Nadel abgebrochen, die Oberfläche mit Kreis Verzierung. Glaspaste: Grosse Halskette, bestehend ans 34 roten und gelben Korallen. Ungefähr in der Mitte eine grössere cylinderfurmige Koralle.

Kleine Armkette, bestehend aus 15 Korallen und einem Amethyst. Bronze: Schnalle mit Zunge, 1. 5,5 cm.

Riemenbeschlag dazu gehörig. - Thon: Kännchen mit Ilenkel und Schnabel, h. 12 cm. Diese 6 Gegen- stände stammen aus einem Grab.

Glaspaste: Halskette von 44 Ko- rallen und einer mittelsten Koralle aus braunem und gelbem Mosaikglas. Bronze: Kreuzfibula mit eiserner Feder und Nadel, br. 2,8 cm. Schnalle mit Zunge, 1. 6 cm. Haar- nadel mit Verzierung am oberen Ende, 1. 12 cm. Thon: Spinnsteinchen mit spitzem Bauch, durchbohrt, h. 3 cm.

Kruglein mit enger Öffnung, am Bauch mit aus Punkten gebildeten Kreisen verziert, h. 20 cm. Diese 6 Gegenstände stammen aus einem Grab.

Glaspaste: Halskette von 31 Ko- rallen mit einer Schlusskoralle aus Bernstein. Bronze: Runde Fibula, k jour gearbeitet, auf der Oberfläche mit einem Kreuz verziert, Dm. 3 cm, Schnalle mit Zunge, 1. 8 cm. Ring, Dm. 3,5 cm. Thon: Schwarzes Töpfchen mit spitzem Bauch, h. 8 cm.

Diese 5 Gegenstände stammen aus einem Grab.

Glaspaste: Halskette aus 27 Ko- rallen. — Bronze: Scheibenfibula mit Perl Verzierung. Schnalle, 7,5 cm 1. Ringelchen, Dm. 2,2 cm. Bein: Bruchstück eines Kammes, 1. 13,5 cm.

Thon: Gefässchen mit hohem Hals und spitzem Bauch, um Hals und Bauch mit Eindrücken verziert, h. 17 cm.

Diese 6 Gegenstände stammen aus einem Grab.

Glaspaste und Bernstein: Hals- kette aus 27 Korallen. Bronze: Fibula, die Nadel verrostet, br. 4 cm. Glaspaste: Vier Korallen von ei- nem Armband. Thon: Schwarzes Spinnsteinchen, Dm. 3,3 cm. Rotes Töpfchen mit spitzem Bauch, h. 14,5 cm. Diese 5 Gegenstände stammen aus einem Grab.

Eisen: Schwert, spata, mit Knanf, Reste von Holz und Leder der Scheide, der Bronzebeschlag der Scheide noch vorhanden, l 94 cm. Langmesser, srra- masax, mit der daran festgerosteten Scheide; die Verzierung der Scheide, bestehend aus kupfernen Buckeln und fünf kreisförmigen Knöpfen, noch vor- handen, 1. 58,5 cm. Ebensolcher Scra- masax, die Verzierung der Scheide, bestehend aus 2 bronzenen Bändern am oberen Ende und 5 kupfernen Scheibchen, 1. 62 cm. Ebensolcher Scramasax, die Verzierung der Scheide besteht aus 4 kupfernen Scheibchen und einer Reihe Nägelchen, 1. 51,5 cm. Ebensolcher Scramasax, das Leder der Scheide noch zum Teil erhalten und von der Verzierung drei Knöpfchen, 1. 45,5 cm. Eingelegte Schnalle mit Zunge, 1. 10 cm. Zwei Schnallen, die Zungen abgebrochen, 1. 7 cm. Drei Be- schlagstücke von Riemen, l. 6,5 5 cm.

Altertümer aus den Niederlan- den:

Friesland y Terp zu Glinstra- State bei Dronrijp: Beinkamm, die Zähne abgebrochen, 1. 13 cm. Rest eines beinernen Messerheftes, 1. 8,5 cm. Haarnadel aus Bein, an beiden Enden spitzig, 1. 13,5 cm. Spiel- oder Spinn- scheibchen, auf der Oberseite mit Li- nien- und Kreuzverzierung, Dm. 5 cm. Koralle aus Paste, woran das Email abgebrochen ist, Dm. 3 cm. Scherbe eines bläulichen Thongefasses, l. 15 cm.

Terp bei Winsum. Aus Thon: Spinnsteinchen, roh, durchbohrt, Dm. 4 cm. Kegelförmiges Töpfchen (Hälfte einer eiförmigen Kinderklapper), Dm. 4,2 cm. Cylinderförmiges Töpfcbcn, roh. Dm. 7 cm. Scheibenförmiges Näpfchen, in der Mitte des Bodens ein Löchelchen, Dm. 14 cm. Kegelförmiges Siebchen, im Boden drei Löcher, Dm. 4,4 cm. Scheibe mit Loch in der

Museograpliie.

411

Mitte, für Schiff- oder Fischgeräthe, Dm. 10 cm.

Aus Friesland ohne nähere Fund- angabe : Staniolabdruck eines goldenen Solidus. At.: Eaiserbuste nach r. mit Umschrift Gl VIIT. Rv. : Stehende Fi- gur im Panzer, in der R. ein Kreuz, und in der L. eine Fahne, Umschrift : CNVNIITHIVIIIV. Auf dem Abschnitt IAH. Vielleicht eine nordische Nach- bildung einer Münze von Justinus (518 527, cf. Revue beige de numis- matique 1894).

Drenthe, Buinen : Meissel aus Diorit, 1. 16 cm, br. an der Schneide 7 cm, br. an der Spitze 5 cm.

Gelderlandy Nymwegen: Korallen, gef. in der Waa), 7 blaue gerippte und eine schwarze glatte aus Qlas. 10 blau emaillierte gerippte ans Thon, eine violett mit gelben und weissen Punk- ten, eine violette mit .S weissen Punk- ten, eine milch weisse mit blauen Punkten, eine gelbe, eine grüne, eine hellblaue, eine dunkelblaue in Form eines Ringelchcns, sämtlich aus Glas.

Bronze: Zwei Fibeln mit Bügel und Nadel, br. 4,2 und 4,ö cm. Fünf Fibel- bugel ohne Nadel, br. 6—4,6 cm.

Gips: Abguss der Platte eines bron- zenen Siegelringes, darstellend einen Mann zu Pferd, Dm. 1,8 cm. Abgusft eines in einen Goldring gefassten Tür- kis, darstellend eine gnostische Figur, eine Zusammenstellung von Mensch, Skorpion und Hahn, br. 0,7 cm. Die beiden Originale wurden zu Nymwegen gefunden.

Umgegend von Nymwegen: Urne aus hellrotem Thon, h. 19, Öffnungsweite 14,5 cm. Darin Riechfläschchen aus Glas, h. 11 cm. Schüssel aus dunkel- grau gefärbtem Thon mit Bodenstem- pel OIMI, Dm. 19,5 cm. Schüssel aus weissem Thon, braun gefärbt, Dm. 18,5 cm. Schüssel aus terra sigillata mit anfistehendem Rand und dem Stem« pel OF MART, Dm. 17 cm. Dto. mit Stempel OF MAIO, Dm. 17 cm. Dto. mit Stempel CRISPINI, Dm. 17 cm. Schüssel aus terra sigillata mit nieder- gebogenem Rand mit Epheuranken, Dm. 16 cm. Dto., Dm. 13 cm. Drei halbkugelförmige Sigillatanäpfchen mit unlesbaren Stempeln, Dm. 19,5—8,5, h. 6,4 .em. Schüsselchen aus terra sigillata mit aufstehendem geripptem Rand und Stempel OF BAS, Dm. 12,

h. 5,5 cm. Dto. mit unlesbarem Stem- el. Dm. 7,5, h. 3,5 cm. Sämtliche iigillaten gef. auf dem Hunerberg bei Nymwegen. Bruchstück eines Bronze- topfes, am Boden wiederhergestellt mit Kupferblech und Nägeln. Stück des Bauches abgebrochen, ursprüng- lich mit Henkelringen versehen, Dm. 16 cm, gef. in der Waal. Bronzenes Messerheft, in einen Pantherkopf en- digend, die Klinge abgebrochen, 1. 6 cm. Speerspitze aus Bronze, Gallo- Belgisch, vollständig erhalten, am Un- terrande zwei Löchelchen zur Befesti- gung am Schaft, 1. 16 cm. Meisselchen aus Kiesel, an allen Kanten glatt ge- schliffen, I. 9,5, br. an der Schneide 4,3 cm, gef. zuGroesbeekbei Nymwegen.

Utrecht, Vechten: Holztonne, ver- mutlich römisches Weinfass. Auf der Daube, worin das Spundloch ist, sind eingebrannt die Buchstaben CGMI, h. 1,50, Dm. des Bauchs 1,20 m, Dm. oben 1 m. Verschiedene Planken einer Wasserleitung. Bruchstück von einem Schiff, herstammend aus der Ausgra- bung der Utrechter Genossenschaft von Künsten und Wissenschaften 1^3. Gips- abguss von einem Amulett, verfei^igt aus einer Scheibe einer Hirschhom- krone. Auf der Oberfläche in erha- bener Arbeit ein Phallus. Um den Phallus drei ganz durchgebohrte kreis- förmige Löcher zur Befestigung. Dm. 5 cm. Bei den genannten Ausgrabun- gen im Jahre 1894 gefunden.

Nordhoüand, Haarlemmenneerpol- der: Stuck-Beton von der Römerstrasse durch den Wcringerwald.

Texel : Gipsabguss von einem deichsei- förmigen (?) Stein, am Oberende ein Anfang von Durchbohrung, nach einigen diente er als Senkblei, 1. 22,5 cm.

ZuidhoUand, Alfen: Zwei eiförtnige Schleuderkugeln aus Thon, 1. 13— 12,5 cm, wahrscheinlich römisch.

Katicijk a. Zee: Grosserz des Ha- drian v. J. 119 (cf. Cohen No. 1416).

Delftsche Fähre (im Bach bei der- selben): Denar des Augustus v. J. 2 V. Chr. (cf. Cohen No. 223).

Limburg: Kleines Töpfchen oder Schüsselchen aus braunem Thon (ger- manisch), h. 3, Dm. oben 7,5, unten 2,5 cm. Scherbe eines Tellers oder einer flachen Schüssel aus hellrotem Thon. Der aufstehende Rand verziert mit zwei unter einander gesetzten

Westd. Zeitaohr. f. Gaseh. «. Kunst. XIV, IV.

30

412

Museographie.

Reihen von eingedrückten Dreieckchen, zwischen zwei eingekratzten horizon- talen Linien. Germanisch. Dm. 10 cm. Scherbe einer Urne mit etwas umge- bogenem Rand aus braunem Thon. Etwas unter dem Rand eine ringsum- gehende Verzierung von Kreisen, worin ein kleines Kreischen, bestehend aus eingedrückten Punkten. Fränkisch. Dm. 6,5 cm.

(Nach gedrucktem Bericht des Rij'kB Museum van Oudheden te Leiden). 97a Drenthe, Altertumsmuteum XII S. 404, XIII.

A. Thonwaren. Gemeinde Borger: Grosse Urne aus hellbraunem Thon mit weitem Bauch und engem Hals, oben etwas beschädigt, h. 0,33 m, gef. zu Ees.

Gemeinde Vries: Grosse Urne aus hellrotem Thon, oben beschädigt, mit einem Henkel und etwas verengtem Hals, 26 cm h., gef. beim Zeierveen.

B. Meissel, Beile, Pfeil- und Speerspitzen, Messer unddergl. Gemeinde Borger: Gebrochenes Stein- beil, halb durchbohrt, gef. in der Heide unterhalb Borger.

Gemeinde Emmen : Feuersteinmeisself 0,11 m lang, 0,05 m br., gef. zwischen Emmen und Westenesch. dtc, 1. 0,116, br. 0,05 m, gef. im Heidewald von Angelsloo. dto., 1. 0,15ö, br. 0,075 m, gef. in Emmerbrinkmaden.

Gemeinde Odoom: Steinmeissel, 1. 0,175, br. 0,07 m, gef. im Odoornerzand.

Gemeinde Schoonebeek: Ein Hohl- kelt aus Bronze mit Öse, 1. 0,12, br. 0,04 m. Bronzeklinge von einem Dolch oder Messer, 1. 0,185 m. Hohle Lan- zenspitze aus Bronze, 1. 0,13 m, gef. bei Schoonebeek zusammen mit drei anderen Gegenständen, die im Reichs- museum zu Leiden aufbewahrt wurden.

Gemeinde Westerhork: Feuerstein- meissel, 1. 0,095, br. 0,05 m, gef. zo Orvelte im Weideland.

C. Verschiedenes. Haarflechte in einem Torfstück festhaftend, gef. im Torfmoor.

Von dem Katalog des Museums ist Abteilung Vc (Karten, ZeicbDUDgen, Photographieen etc.) erschienen.

(Nach dem „Verslag van de Com- missie van Bestuur van het Museum van Oudheden in Drenthe van de ge- deputeerde Staten over 1894)

2. Decouvertes d'antiquites en Belgique.

Par H. SchnemaBS.

Je puls ddbuter cette fois par un vöritable article relatif ä la „Musdo- graphie". Les diffdrentes productions d'une socidtö archöologique dtablie ä Charleroy, ne m'dtaient plus arrivdes depuis quelques anndes, et j'en avais pris mon parti, ne considärant pas comme bien sdrieux des travaux archdo- logiques Von parle de „une camde**, Ton confond Tardillon d'une fibule avec sa coque, etc., etc.

Mais j'ai ddcouvert, par pur hasard, quc cette publication avait continud et mSme qu'elle avait publik un Guide du visiteur (dans le musde de ladite socidtd), qui reprdsente assez bien la Synthese des trouvailles d'antiquitds faites dans Tarrondissement.

On y trouve m61des quelques ddcou- vertes d'antiquitds faites ailleurs que dans le Hainaut. Je les enumöre d'abord :

Nismes, pr^s de Couvin (Namur). Epingle ä chevenx fsans doute franke).

Luxembourg. Quatre scramasax, trouvds dans cette province.

Statte-lez-Huy (Lifege). Petite ume fundraire franke.

FloreiFe (Namur). Collier de perles en jais, lames de couteau et poin^on en fer; fusaiole de terre cuitc; objets trouvds dans une grotte.

Somzde (Namur). Tombe romaine.

Castfllon (ibid.). Poteries diverses:

Slateaux, umes, jatte conique en terrc ite samienne, ä la marque comprim (Schuermans, Sigles figulins, n<» 15ö7 et 8.).

Morialmd (ibid.). Bean et grand vase en terre dite samienne, arec reliefs, prdsentant altemativement im guerrier appuyd sur sa lance et ime brauche avec feuilles. Oret (ibid.). Cimeti^re : boucle en

Museographie.

413

fer broDze et fragments de vases en terra „samienne".

Silenrieax (ibid.). Plateau en terre noire, fragments de poterie, dont im vase ddform^ avant la cuisson.

Villers-deux Eglises (ibid.). Grains de Collier en päte vitreuse.

Thy-le-Baudhuin (ibid.). Beconstruc- tion d^une niche de cave (de celles que, la bas, on appelle loges de columbarium . . .).

Le musde de Gharleroy poss^de aoBsi quelques antiquitäs provenant de Bavay, Lille, etc.

(Les objets post^rieurs k l'^poque franke sont omis ici.)

Epoque ant^-romaine (en fai- sant abstraction des objets de pierre eclatde que je n^glige d^sormais) :

Arquennes, poteries qui provien- draient d'un four ä poterie „prähisto- rique".

La Buissiere : une monnaie gauloise en bronze.

Elouges: semences de bl^ d'origine gauloise, conserv^es dans un silo et brülees ; tessons de poterie trouv^s avec le grain.

Floreffe (grotte). Lame en os, por- tant des crans ou divisions, objet d'usage inconnu.

Gougnies (oppidum gaulois). Pote- rie a pinc^es sous le pied, et autre omc^e de dessins b. la sanguine.

Grignart (oppidum gaulois). Dis- ques en os et come de cerf, ddcords ä l'aide du tour et cisel^s, ayant pro- bablement servi de pieces de jeu; d6 a jouer en os, quelques objets en fer, quelques poteries, petite pierre ä ai- guiser.

Viesville: Deux lames en os, por- tant des omements gravis; une de ces lames a et6 fixde par des clous; tubes en os toum^, quelques-uns por- tent des lignes circulaires, et d'autres des trous percds sur les cöt^s ^), usage inconnu (gaulois?).

Des piöces de cuivre ou de potin, au revers du cheval en course ou du „rameau de foudre** ont 6t6 trou- y^es ä Gourdinnes (Namur), Fraire (ib.), Peissant (Hainaut^, Tby-le-Bau- huin (ib.), Gourcelles (ib.), ives-Go- mez^e (ib.), Presles (ib.), Aiseau (ib.\ Grignard (ib.), Hantes - Wih^ries (ib.),

1) n 8*agit sang donte de charnidreB, comme on en a retrouvö 4 Pomp^i.

Grandreng (ib.), Fontaine-Valmont (ib.), Solre-sur-Sambre (ib.), Saint-Remy-lez- Chimay (ib.), La Buissiere (ib.). Les pieces de ce type qu'on a attribuäes aux Gorduni de G<^sar, sont tout k fait speciales, dit-on, k FEntre-Sambre et Meuse; on les a toutefois attri- bu^es k tous les clients des Nerviens, et mSme k la Nerrie en gdnäral.

Epoque r omaine. La Classifica- tion citäe ci-dessus contient, pour la- dite äpoque, les pieces de fouille que voici :

Aiseau (villa). Grande vari^tä de poteries: amphore, vase en terre dite samienne, omd d'enroulements et de feuillages, vase rose k boutons, bords de „töle", marquds victor, vitdlis, wif, tniles, carreaux et conduits d'hypo- causte, mortier et plätras coloriäs des murs. Verre : vases en verre blanc et noir, Plaques de rev^tement des murs. Bronze: miroir, fibule, bracelets en fils enroul^s. Fer: herminette de charpentier, outils, ferrures de bäti- ment ou de meuble. Marbre syänite: tablette k ^crire; m^dailles de Domi- tien, Hadrien et Antonin.

Arquennes. Silex tailläs. Poteries diverses, entre autres fragment en terre dite samienne, marqud montani, pote- rie blanche ä couverte noire, avec sigets de chasse *, bord de „tMe^, id. : brariatvs sigle signald tout le long de la route de Bavay k Cologne, par Tongres (Schuermans, hob 867 et 868) ; peson de filet; tuyau de pipe (?) en terre rouge, conduits d'eau, caJreau d'hypocauste et tuiles, une avec les marque C * V ' S ; partie de soucoupe en verre noir ; fer : outils, clous, stylet (avec incrustation de cuivre); bronze: couteau avec manche, en bronze toumä, clef, sonnette, couperet, bout de poig- näe, couteau de poche; boutons de plusieurs modeles; partie de meule; chaton de bague en cristal taUlä. Md- dailles d' Antonin et Constantin.

Bouffioulx, fragment de magonnerie en arSte de poisson, provenant du chä- teau de Montchevreuil.

Boussu-lez- Walcourt (villa). Tuyau d'aqueduc, form^ de deux cintres ac- col^s, en terre cuite; tuiles plates avec la marque traycpsb (c'est la marque travgpaby signaläe dans la pro- vince de Namur); carreaux et tuyaux d'hypocauste ; töle avec le sigle friccof;

414

Museographie.

recoastruction du sudatormm d'unbain; fragments de verre grav^, d'ardoises, de marbre, de plätrages, de rev§te- ments de muraille (en verre); d^bris de colonne: füt, base, chapiteaux; in- struments en fer: pitons, crampons, fer de bSche, anse, etc.

La Buissi^re (cimeti^re). Urne, pla- teau, partie de jatte, en terre samienne.

Gharleroy (cimetiere du Spignat). Urqes en terre rose et grise ; plateaux, id. et rouge; fragments de tuiles; intaille sur pierre fine qui formait le chaton d'une bague; deux m^dailles de bronze.

Gharleroy (cimetiere de Bosquetville). Plateau en terre blanche ä couverte noire, fragments id. en terre noire.

Ghätelet. Mors de bride trouv^ parmi des „crayats de Sarrazins^ ; frag- mepts de vases ornes en terre dite samienne et autres, ramassds dans la Sambre, avec beaucoup de d^bris an- tiques de toutes sortes.

Gourcelles (cimetiere). Poteries : vases, umes, cruches, jattes, couvercles, vase ä parfnm, lampe, plateau, petit „vase ä boutons^.

Estinnes. Garreau d'hypocauste ; outils en fer employ^s dans les mines.

Farciennes. Plateau en terre sa- mienne avec la marque mivvio ; tuyaux de conduite d'eau.

Fontaine-Valmont (villa). Glefs en bronze (dont une double, port^e au doigt); tuvau de pipe (?) antique, in* strument de Chirurgie, clous et petite rondelle en fer, deux m^dailles de Hadrien et Antonin, tombe en tranches de marbre rouge et gris; ume de marbre blanc.

Gerpinnes (villa). Poteries nom- breuses dont plusieurs en terre dite samienne, avec feuillages, comparti- ments ä seines et personnages ; une des demi^res a un bord rabattu de Qm 05 avec omements en feuilles de lotus et oiseaux ; tuiles avec la marque T * R * P'S. Verre: fragments de vases de toutes formes, plaques de revötement, carreaux d'hypocauste. Fer : deux crd- mailleres, pointe de lance, fourche, houlette, anse, tenailles, ciseaux, clef, rasoir, ^pingle ä cheveux ; fibule octo- gone en bronze emaill^, fourchette, breche de manteau ; pi^estal en pierre, pierre taill^e de soupirail de cave; reconstitution de toiture d'hypocauste ;

plätras coloriäs, partie inferieure d'une ^tatue et petite colonne en pierre blanche, menle ä bras.

Gimn^e et Virelles. Objets trouves dans des „crahiats de Sarrazins*": fragments de vases de terre samiemie, bord de dolium ; pelles, serpe et aatres Instruments, tuy^res de foumeau.

Gosselies (villa). Perle de toilette en päte de verre, avec entrelacs rouges et blancs, poids en plomb; poteries: bord de vase samien avec anse en forme de raban, h moiti^ pli^e, frag- ments de dolium et de tuile. Mon- naie de Faustina la jeune.

Gougnies, dans Poppidum gaulois occupä depuls: bract^tes en or et argent, bague en bronze avec intaille de calc^doine.

Hantes-Wih^ries (villa). Plätras de- coräs de diverses couleurs; poids en marbre; poteries, en terre dite sa- mienne, id. rose, noire ou grise ; frag- ments de vases de verre ; couteau avec manche en ivoire; trois faucilles et autres Instruments en fer, bodon en cuivre; bulle en bronze.

Lambusart Gruches et plateau en terre dite samienne, fers de mule et ardoises fort dpaisses.

Landelies. Fragments de conduits d'hypocauste.

Leers-Fosteau. Ume cin^raire en plomb; trois fibules en bronze.

Liberchies. Poteries samiennes, cou- teau dans sa gafne; bronze: pentare, bouton ä deux tenons, miroir, spatale, passoire et poelon, bout de poiga^; fragment de jais, mortier, clefs dont une k poign^e de bronze.

Lobbes. Grains de coUier en päte vitreuse.

Lompret. Tresor, trouve au Camp- des-Vaulx, de mddailles en potin, de H^liogabale ä Postume: on y remarque 52 revers diff^rents de Gordien III.

La Louvi^re (cimetiere). Grande ume cin^raire, trois umes plus petites, dont une fort elegante, plateau en terre grise, bord de tMe.

Macquenoise, au Fort Mattot: tom- bes creuses avec couvercle, en pierre; coUection de meules en arkose (pierre de la localitä).

Marchienne - au Pont (cimetiere). Grande ume cindraire en gr^s, pote- ries diverses, dont des vases dite sa- miens avec marques: albvgi (Ure a/6cci)

Museographie.

415

et kicini (riciniif), flacons en verre, etui en os, mädailles de Iladrien et de Lucille.

Marcinelle (tumulus). Col d'un grand vase en verre verdätre. Manche d^in- strument en jais. D^bris d'un cofiret fun^raire, dont le bois est conservä par le vert-de-gris, plaques de recon- vrement en bronze, anneaux, lampe en bronze avec cbafnes de Suspension.

Monceau-sur-Sambre. Fragments de vases en terre samienne et autres; dont an col de doli um ä Systeme curieux de couvercle; plaques de verre ; outils et Instruments en fer. Bronze: iibule a deux tenons, poignee d'une clef, broche de porte-manteau (sie) de meme m^tal ; instrument dit plomb de charpentier, en fer; meule ä bras; dpingle cheveux) en come ; mädaille d'Alexandre-Severe.

. Montigny-sur-Sambre (villa). Pote- ries de toute nature depuis le dolium iusqu'aox petites jattes de terre dite samienne; carreaux et conduits d'hv- pocauste; fragments de plaques de verre, Instruments en fer.

Morlanwelz (villa). Outil en fer en forme de hone, petits fragments de bronze, pendeloque en cristal taille; fragments de tuf et pierres moulur^es, d^bris de piliers et de tubes d'hypo- causte, conduites d'ean, fragments de vases dont plateaux en terre samienne ; carreau avec le sigle . . SS.

Obaix (cimeti^re). Bord de t^le rose avec le sigle VHRA (comp. VHHRA de la province de Li^ge et du Lim- bonrg, Schuermans, no 5685), ume ci- neraire, plateau avec couvercle, id. en terre dite samienne, marqude locirni (comp. Schuermans: logirni, no 3010 et s.); deux fibules en bronze, omäes d'une ligne de grenetis; monnaie de Trajan.

Presles (cimeti^re). Poterie: umes grandes et petites de differentes terres et formes, entre autres cruche k une anse en terre rose, plateau profond en terre grise fine. Vases en terre blanche, ä couverte noire, avec scgets de chasse, jatte et plateaux en terre dite samienne, plateaux et couvercles en terre giise. Verre: petite ume Bph^rique en verre jaune, nacon carre en verre verdätre. Bronze : fibules de diff^rents modales, dont une ronde ^maill^e; ^pingle ^maillde en forme

de roue dont Taxe forme l'aiguille. Meule k bras en lave du Rhin. Me- daille de Marc-Aurele, et une autre soud^e ä un „crahiat de Sarrazin".

Ransart Perle ou fusa'iole en terre blanche, pierre k aiguiser. poteries diverses.

Saint - Remy lez - Chimay (villa). Bronze : belle iibule en bronze emaille, avec bouton saillant au centre, ä com- partiments rouges, blancs et bleus, bouton a deux tenons en bronze, fond de sonnette, anneaux et t^te de broche de porte-manteau (?). Fer: couteau et rasoir, deux fers d'epieu, verrou de porte, sonnettes pour bestiaux. Poteries: goulot de cruche en terre rose, fragments de poterie samienne, tuiles plates et courbes, mortier ro- main, tuyaux d'hypocauste. Monnaies de Neron, Commode, Faustina, Cris- pina, etc.

Str(^e-lez-Beaumont (cimetiöre). Po- terie: nombreux vases cinäraires et autres de toute nature, sp^cialement, jattes en terre samienne, dont une bilob^e, cruche en terre blanche avec omements sur la pause, id. k goulot trilob^ reconvert d'un enduit dor^, id. brun orn^ d'^cailles, vases de luxe, en terre grise et rouge, dont an om^ d'anses ä anneaux mobiles, vase en terre rose avec d^pression des quatre cöt^s, objets en terre grise orn^s de tetes d'animaux, ayant peut-Stre servi k un jeu; carreaux d'hypocauste k la marque ISFP || ATIL (signal^e k Wau- drez : I S F P h A T I F : Schuermans, no 270) ; carreaux ayant entour^ un d6- pöt säpulcral ; lampes de formes diverses. Verre : fiacon k long goulot, plateaux, fioles dites lacrymatoires, pat^re, fioles, urnules, parties de deux vases en forme de pinte, bombäes, ornäes de filets de verre en spirale serr^e, vases en forme de cygne, colliers en perles. Bronze : clous, anneaux et autres gamitures de coffrets, fibules, cisel^es et dmaillees ou etamäes, ^pingles k cheveux, stylets, miroirs dont un avec galne, couteaux avec manche, spatules, bofte ä par- fums. Fer: anneaux de tonnelets, hache en fer (votive?); silex taill^s d(;poses dans les tombes; amulette en ambre faux; bague en ambre sculpt^, bague avec am^thiste grav^e, intaille sur agate ; reconstmction d'une tombe en moellons de tuf; 64 monnaies de-

416

Museographie.

puis Neron jusqu'ä Marc-Aurele et Faustine.

Thirimont [villa). Fragments de co- lonnes et sculptures en pierre blanche, carreaux de pile d'hypocauste, ronds et carres, avec le sigle l, c. s. (ega- lement signal^ sur des tuiles ä Anthie, Ann. SOG. arch^ol. Namur, X, p. 138) ; bords de grands vases et autres pote- ries diverses; parties de plätras colo- rid; Instruments en fer et en plomb.

Thuillies (villa). Monnaies de Do- mitien, Antonin, Gordien IIl, Philippe pere, Otacilla, Gallien, crochets et oeillets en fer, avec clef, lames de couteau, pointes de javelot et de fleche, ciseaux de menuisier, grillage en fer, poteries de tout genre, carreaux d'by- pocauste aux marques L - C * V et T R P S (comparer les irps, irpois de la province deNamur), tuiles, tuyaux, plätrages, disques en os ; fragments de colonne : füt, base et chapiteaux ; meme une colonne complete. (Voir Gerpin- nes supra, pour la marque T * R - P * S).

Vergnies. Dt^bris de vases romains en terre dite samienne et autres.

Virelles (voir Gimnde).

Epoque franke. Toujours d'apr^s la Classification citäe de Charleroy:

Acoz (cimctiere). Scramasax, lance ä crochet (angon V), boucles et contre- plaques de ceinturon en bronze.

Boussu - lez - Walcourt (cimeti^re). Poterie: vases funt^raires, plateaux, fusalole. Verre: petit vase jaune k cötes, Colliers en perles vitreuses et en ambro. Bronze: style, mddailles portdes en collier, boucles d'oreille. Fer: anneaux, boucles de ceinturon, poinyon, lames de couteau, pointes de lance et de fläche, scramasax, dpde de commandement, plaque, contre-plaque en acier damasquind.

La Buissiere (cimetiäre). Vases fundraires et flacon en terre noire; collier en päte vitreuse. Bronze : cachet, boucle et contre-plaque ätamde. Fer : haches, pointes de lance, scramasax, lames de couteau, boucles avec contre- plaque en acier damasquind d'argent.

Elouges. Semences de seigle, fro- ment, vesces, trouvees dans une hutte souterraine de l'äpoque franke.

Fontaine-Valmont, au Hombois (ci^ metiäre). Vases de terre grise. Bronze: rivets. Fer : clous de cercueil, boucles damasquindes et autres, lames de cou-

teaux, scramasax, fers de lance, bri- quet en acier.

Hantes-Wiheries (cimetiere). Pote- rie : vases fundraires, flacons, plateaux en terte rouge. Verre : coupes a boirc Sans pied, en verre blanc, en verre jaune (celles-ci ä cötes saillantes), perles en päte vitreuse et ambre, bra- celets en perles dmaüldes. Bronze: clefs, boutons de formes varides, boucles, terminaisons de laniöres et passants de ceinturon, ornements de ceinture, styles, dpingles ä cheveux, anneaux, aiguilles, boucles d'oreille, fibules, dont deux avec incrustation de plaques de verre, passants de ceinturon, bagues. Fer: briquets en acier, plaques et contre-plaques de ceinturon en acier damasquind ; ciseaux ; pointes de fleche et de lance, umbo, lames de couteaux, boucles, francisques, scramasax, epees de commandement, clef; peignes en OS dont deux avec gatne omde; toute une tombe franke restitude.

Macquenoise, h la Forge - Philippe (cimetiere). Vase cindraire en terre noire ; boucle en bronze dtamd ; plaque de ceinturon en bronze cisele, couteau en acier; francisque.

Marcinelle (cimetiere). Vases fune- raires et terre grise et noire; deux boucles avec contre-plaque de ceintu- ron en acier damasquine d'argent, plaque id. en bronze plaque dVgent avec grenats incrustds; bracelet en bronze; scramasax, lance.

Montignies - Saint - Christophe (cime- tiere): vase en terre grise. Bronze: rivets, bouton double, boucle. Fer: hache d'arme, petit scramasax.

Solre - sur - Sambre. Un scramasax.

Strde (cimetiere). Vases fundraire«, plateau en terre rouge, fusaioles. Verre: plateau, couvercle et goulot; perle en ambre. Bronze: plaque, con- tre-plaque etamde, anneaux et terminai- son de laniere ciseles, dpingle ä cheveux. Fer : couteaux dont un avec sa gatne, francisques, boucles de ceinturon, clef, dquerres de cercueil, pointes de lance, scramasax, dpde de commandement ployde sur elle-mSme.

Thuillies, k la Houzee (cimetiere). Perles vitreuses. Bronze: contre-pla- ques ciseldes, anneau, bague, bracelets terminaison de laniäre. Fer: boucles damasquindes, pointes de flache et de

Museographie.

41?

lance, lames de couteau, francisques, scramasax, bouterolle de lance.

Encore deux mots de „Museogra- phie" proprement dite.

Aa musSe de Namur, on a efiectuä un ing^nieux classement des fibules (Ann. de la Soc. arcb^ol. de Namur, XIX, p. 326; Congräs arch^'ol. de Liöge, en 1890, p. 237).

Au m^me mus^e, on a op^re la classement des bagues d^couvertes dans la province de Namur, en des cime- ti^res franks:

si^cle. Bague en argent, om^e d'nne intaille antique, trouväe avec une autre intaille. Eprave.

Deux id. en or dont l'une avec simili- intaille en p2Lte de verre. Suarl^e.

Trois id. en or, une, avec cbaton en päte de verre unie, une autre avec un quartz sur paillon violet, la troi- sifeme avec verroterie bleue; deux bagues en argent avaient ^t^ trou- y^es dans la m^me s^pulture que celle-ci. Spontin.

Six id.; deux en or, avec disques en päte de verre, Fune bleue, Tautre- verte; quatre en argent, dont deux avec cbaton 1^ en am^thiste, 2^ en verre rouge; la troisi^me cisel^e, la demi^re sans omement. Samson.

VI« si^cle. Id. bronze, grav^e. Bel- vaux-Resteigne.

Id. de bronze; cbaton reprdsentant un dragon. Revogne.

Trois id. en bronze, avec dessins sur le cbaton, dont une croix. Wancennes.

Cinq id. en bronze, avec dessins: 1" une croix, 2^ trois cjous, S^ mono- gramme : S, id. lu : aillay 5^ id. lu : ^{(gnum) basine. Francbimont.

Id. en argent, avec monogramme, lu: 8{igaum) basine. Belvaux-Resteigne.

Deux id. en bronze, 1^ inscription lu: a. e. c. e ou a. m. c. m, un omement k palmettes. Florennes.

Id. en bronze, avec inscription lue: airinsus «i(gnavi). Pondrome.

Id. en bronze, avec inscription lue: boholo. Revogne.

Id. en bronze, avec inscription : S * A. Saint-G^rard.

Id. en bronze, h double cbaton ; sur chaque face, une croix patt^e. Bel- vaux-Resteigne.

Vient aussi de parattre le „Ca- talogue des pi^ces principalcs du Musde de la soci^te arcb^ologique de Nivel-

les^, par M. Edgar de Prelle de la Nieppe, membre de la commission de Mns^e royal d'antiquitäs de Bruxelles. Ce catalogue fort bien fait mentionne quelques trouvailles interessantes (je n^glige ce qu'on appelle Tage de la pierre simplement ^clat^e):

Hache en pierre polie, trouv^e dans le parc du chäteau de Braine-le- Ghäteau (Brabant).

Celt ä douille, en bronze, trouv^ en 1892, dans le bois de Thy, pr^s de Genappe (Brabant).

De nombreux tessons des vases di- vers en poterie samienne ; des disques ayant servi ä joner du palet, trouv^s au bois de la Garenne, sous Arquennes (Hainaut).

Des tessons de poterie belgo-romaine, des ossements et des objets de fer, une moulure de salle de bain, trouv^s dans les fouilles de la villa belgo- romaine d' Arquennes.

Des tessons provenant des stations romaines de Libercbies et de Yiesville (Hainaut).

Diff^rents fragments de mat^riaux de construction provenant de la villa belgo-romaine de Ciarisse (Nivelles, Brabant), dont un avec traces de pein- ture murale.

Fragment de vase et nombreux cubes, provenant d'une mosalque de la villa romaine de Ways (Brabant). . Une fram^e et un scramasax pro- venant du cimeti^re frank de Com- breuille (Ecaussines, Hainaut).

Quatre crucbes de forme romaine trouv^es dans le puits dit de Sainte- Gertrude, en la crypte de la coll^giale de Nivelles.

Je me bomerai, sauf k y revenir Fan prochain, avec plus de d^tails, s'il y a lieu, ä indiquer quelques ddcou- vertes d'antiquit^s romaines faites en Belgique :

Intaille, en comaline, reprdsentant une t^te quadruple. Trouv3e aux en- virons de Tirlemont (Brabant) et prd- sentde en vente au musde d'antiquitds, qui a acquis deux statuettes de Mercure, Pune de travail romain, Tautre sortant des mains d'un artiste du pays, comme la Fortuna du musde de Namur, et certaines des statuettes de la „fon- taine d^Angleur" (M. Cumont, profes- seur k Funiversitd de Gand, sans con- tester Femploi de plusieurs des objets

418

Moseographie.

d'Angleur, k orner une fontaine, croit que les autres ont servi ä un temple de Mithra).

Autre intaille, en sardoine, repr^* sentant la ddesse Fortuna, tenant une come d'abondance et un gouvernail. Trouväe dans des substructions belgo- romaines, ä Jupille (Li^ge), avec des monnaies jusqu^ä Mflücimien.

Monnaies romaines, poteries, lampe de bronze, trouv^es ä Berg, pr^s de Tongres (Limbourg), par M. Huybrigts, conducteur des ponts et chauss^es et collectionneur d'antiquit^s.

Ant^fixes en terre cuite, ä omements; un portant rinscription . . . einv8\\ , . spüliva, Trouvd ä Sirault (Hainaut), par M. Haubourdin, de Stambruges.

Poteries k sigles. Patelles: secvndini

tarvi . , , f, m sanatvs f

gatvs minias (?) prvbcvs. Pat^res : aetem . . (r^tr.) agisilivs birinicof bovdv . . i CO . . KAS (?)

ir^tr.) regeni m vitalis fecit Jords de ,,t61es" fr , . , n . . vha rpoint dans le V) . . \CV/c Poteries samiennes, dans les omements extärieurs: ctnnamt (rätr.) ad . . . Tuüe . . QVA (A et V, retrogrades?). Tout cela, parmi les objets qu'on ex- hume commundment des substructions belgo-romaines. Trouv<^ k Vervoz, par M. Gh. Comhaire qui, dans une s^pul- ture voisine, a ddcouvert de tr^s beaux verres, imitantTagate, d^pos^s au mus^e d'antiquit^s de Bruxelles.

Cippe canncie ayant servi d'autel, trouv^ sous une chapelle k Vieuxvillc (Liöge). Renseigncment de M. Lobest, membre de la commission des monu- ments.

Deux steles en marbre blanc, en- castre dans du marbre noir (est-ce bien \k du travail romain ?), ont, dit-on, ^t6 trouvdes en dc^montant le banc d'oeuvre de T^glise de Wervicq et appartiendraient, croit-on, k un ancien temple de Mars de Tantique Yiro- viacum.

Que je n^oublie pas de dire an mot d'un travail fort interessant de M. Favocat Jottrand, au sujet d'ateliers pour la confection de meules k l'aide de pierres du pays, ddcouverts par lai dans le Luxembourg.

L'auteur y parle de diffdrents gise- ments d'arkose exploitds pour meules, du temps des Romains, k Salm-Chätea» (entre Liemeux, prov. Li^ge, et Viel- salm, prov. de Luxembourg) ä Ottr^ et Fraiture (Bihain, prov. de Laxem- bourg), k Burtonville (Vielsalm), ä Docbamps, Odeigne, Malemprd (toiites localites luxembourgeoises), enfin i Macquenoise (Hainaut, voir supra); i propos de ce demier gisement M. Jot- trand rappeile un mot du professeur Gosselet, dans son memoire sar FAr- denne :

„Le prätendu camp de G^sar, ä Macquenoise etait an chantier les Romains exploitaient et travaillaient Farkose. On y voit une foule de trous remplis de meules, dont quelques lues sont entiäres, mais dont la pliipart sont brisdes ou en cours de travail. Les antiquaircs y trouvent une mioe indpuisable de monnaies, de statuettes et d'autrcs objets de r^poque.

NB. Le pays de Treves a eu aem- blable extraction de meules, au Hobl- lay (Berdorf, Gr. D. Luxembourg).

--;.^C-<-

Berichtigungen.

1. S. 263 vorletzte Zeile des Textes 1. 'Aachener Magistrat'.

2. S. 308 Z. 19 von oben 1. 'Werden' statt 'Essen'.

der

Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst

zugleich

Ovf^wik der historisch-antiqaarisehen Vereine zu Birkeufeld, Düsseldorf, Frank-

fart a. M., Karlsruhe, Mainz, Mannheim, Metz, Neuss, Friini, Speyer, Strassbur^,

Trier, Worms, sowie des antliro|)olo^iKchen Vereins zu Stuttgart.

ß e (11 g i e r t

von

Prof. F. Hettner Dr. J. Hansen

Museums-Director in Trier. Archivar der Stadt Köln.

Jahrgang XIV.

TRIER.

Yerlag der Fr. Lintz 'sehen Bachhandlnog. 1895.

rm. u>TZ^^Bi «r« ■;>»!* ckmei in TSism.

Inhalt.

(Die Citate gehen auf die Xummern des Korrespondenzblattes. Die mit * ver- sehenen Nummern beziehen sich auf das Limcsblatt.)

Wissfntchaftliche Miscellanea.

Borch, L. V., Freie Eigenleute der Grundherrschaft 55.

Ergänzung und Berichtigung zu 1K94 Nr. 10 und 11 104.

Keussen, Eine Kölner Steinurkunde aus dem 12. Jhdt. 103.

Koebl, Eine neue Deutung der sog. Jupiter-Gigantensäulen 53.

Körb er, Mainzer römische Inschrif- ten 44.

Lau, F., Die erzbischöflichen Beamten in der Stadt Köln während des 12. Jahrhunderts II. 54.

Ein Verzeichnis der Kölner Richer- zeche (9. Aug. 1389—9. Aug. 1391) zugleich ein Beitrag zur Ergänzung des „Neuen Buches" 117.

Lehn er, IL, Zu dem neuen Monnus- mosaik in Trier 102.

Mau^, H. C.y Nochmals die hasti- feri 64,

Kiese, A., Zur Provinzialgescliichte des rumischen Germaniens 65.

Schumacher, K., Gewandnadeln mit Fabrikmarke 6.

W., Aufschwörung des Herzogs Franz von Braunschweig - GifThom (1508 —1546) für das Kölner Domka- pitel 16.

Praehisiorische Altertimer.

Grabhügel der Fruh-La T^nezeit bei Götzingen 105*, der jüngeren Bron- zezeit bei Osterburken 105*, in der Pfalz 109.

Höhle „Heidenofen'' bei Niederbrom- bach 8.

Neolithische Steingeräte Pfalz 75.

Wall und Scherben bei Imsing 114*, 123*.

RSmische AltertOmer.

Bauten. Absteinung an der inneren Linie

in Baden 122*, bei Fiegenstall 107*. Anbauten am Kastell in Cannstatt

112*. Badeanlage Baldringen 17. Basilika Aachen 3.

Begleithüp:el an der inneren Linie in Baden 122*.

Brücke ül»er den Neckar bei Cann- statt 112*.

Bürgerliche Niederlassung beim Kastell Zugmantel 116*.

canabae (Lehmbaracken) bei ('ann- statt 112*

Cisterne Baldrin^en 17.

Durchfahrt am Limes bei Gundel^- halm 106*.

Einbau im Kastell Cannstatt 112*.

Erdwohnungen im Kastell Zugman- tel 116*.

Gebäude der HO. Legion Köln 41.

Gehöft bei Marienhof bei Büdesheim 108*.

Gräbchen in Baden 105*, an der Mümlinglinie 105*, am Schambach - thal 114*, unter der via principalis des Kastells bei Hesselbach 120*.

Grenzsträsslein am Limes Müm- linglinie 105*.

Kanal Köln 2.

Kastelle: Arzbacli-Aujjst 115*, Bök- kingen 110*, Burgstall bei Gunzen- hauscn (Zwischenk.) 106*, Cannstatt 112*, Hainhaus bei Würzberg 121*, Hesselbach 120* , Langendiebach (Zwischenk.) 104*, Okarben Km*, Osterburken 105*, Uinschbeim (Zwi- schenk.) 105*, Theilenhofen 113*, Zugmantel 116*.

Keller Baldringen 17.

Kolonnenweg Neckarburken- Schlossau 122*.

Limes äussere Linie Baden 105*, Ellingen-Kaldorf 107*, Grauer Berg- Kemel 116*, Neckar - Mümlinglinie 105*, Rinschheim - Hönehaus 105*, Schambachthal-Donau 114*.

Mithraeum Saarburg i. L. 108.

Mosaikböden: in Münster b. B. 78, in Trier 68, 102.

Pfahl, mit Steinen verkeilt, im Felch- bachthal 107*.

Pfahl reihe am Limes Ellingen-Kal- dorf 107*, am Limes im Odenwald 118*.

Pfeiler im Limes Ellingen-Kaldorf 107*.

Porta decumanaamKaBtcllTlioilon- 1 hofen 113*.

Quadratischer liau in Aachen 3.

Schanze bei Irnsing a. 1). 128*.

Strasse hinter dem Limes bei Gun- aenhausen 106*, Pforzheira-Solitudc 111*.

Tempel des Juppiter Dolichenus Köln 41.

Türme: am Limes Kllingen-Kaldorf 107*, bei GundelsUalm 106*, an der Mümlinglinie 105*.

Verpfähliing an der Oden waldli nie 118*.

Versteinung in Baden 105*.

Villen: bei Baldringen 17, im Son- derteich bei Tiefenhach 105*, beim Stockbronnerhof bei Neckarburkcn 105*.

Wachttürme nördlich von Neckar- burken 105*.

Weg bei Winnenberg 110.

Wohngebäude zw. Bachenau und Ober-Griesheim 105*.

Skulptur- Uiul Architckturreste.

Grabsteine: Gastmahlscenen Mainz 44, Köln 41.

Götter figuren: Epona (oder rei- tende Matrone) Cannstatt 112*. Gi- ganteiireiter Schierstein 53. Mer- currelief Grosskrotzenburg 117*. Mithrasrelief Saarburg i. L. 108. Nantosuelta Saarburg i. L. 108. Sol, Kolossalbüste, Saarburg i. L. 108. Sucellus Saarburg i. L. 108.

Verschiedenes: Composita- Kapitell Mainz 40. Gewandfigur, sitzend, Cannstadt 102*. Mauerdeckel von Hainhaus b. Würzberg 121*. Säule Speicher 46. Skulpturreste aus der Pfalz 66. Zinnendeckel Böckingen 110*.

Inschriften.

Aufschriften: auf Brenneisen Ba- den 105*, auf Gewandnadeln 6, Zug- mantel 116*. Graffiti Mainz 40, Zug- mantel 116*, auf Krug Trier 9, auf Mosaik Trier 68, 102, auf Terra- cotta Baden 105*. Töpferstempel Baden 105*, Mainz 40, Zugmantcl 116*, auf Ziegeln Langendiebach 104*, Okarben 109*, Zugmantel 116*. Zie- gelstempel Grosskrotzenburg 117*.

Bauinschriften: Bonn 80, Mainz 40, 44.

Grabinschriften von Civilper- sonen: Bonn 80, Mainz 40, Spei eher 46, Trier 69.

Grabinschriften von Militär- personen: Mainz 40, 77, Köln 41.

Votivinschriften: an die Aufaniae und Tutcia loci Mainz 40, an Jup- piter Grosskrotzenburg 117*, Köln (Dolichenus) 41, an Matronen Bonn 80, Köln 1, an Mercur Grosskrotzen- burg 117*, an Mithras Saarburg i. L. 108, au Nantosuelta Saarburg i. L. 108, an die Nymphen Mainz 40, an Sucellus und Nantosuelta Saarbur« i. L. 108, an die Tutelaloci Mainz 40

In sc h r i f t f ragm en te : Grosskrotzen- burg 117*, Höhebuckel 119*.

C e n t u r i a e : Claudi Secundi Mainz 77. L. Flavi Piidentis Mainz 44. C. Porci Valentis Mainz 44. M. Sili Januari Mainz 44.

Cohortes: IUI Vindelicorum Gross- krotzenlMirg 117*.

Legioncs: I adiut Mainz 44, VIII Okarben 109*, X g. p. f. Köb 41, XIV Okar!>en 109* XXI Okarl»en 109*, XXII pr. p. f. Langendiebach 104*, Mainz 40. 77, Okarben 109*. Zugmantel 116*, XXX v. v. p. f. Köln 41. Transrhenana Aachen 3. Ulpia Victrix Aachen 3.

Numeri: Catthar. Zugmantel IIB*.

Notabilia variu. Andangus 40. Astigi 41. Aufaniae 40. Bemal ung eines Reliefs 117* lienc- ticiarius consularis 40. Catthar. 116*. Gamuxpcrus 40. hastiferi 41, 64. Modestiniana 69. Nantosuelta W. Niedergermanische Statthalter 41. Papiria (tribus von Astigi) 41. Su- cellus 108. Trever 69. Tutela loci 40. Udravarinehae 1.

Römische Graber. Begräbnisstätte bei Winnenberg HO. Gräber bei Cannstatt 112*. Kisten- gräber bei Baldringen 17, bei Win- nenberg 110. Sarkophag aus Klein- Winternheim 44. Ürnengrab Gusen- bürg 67.

RömuscJ^e Kleinaltertümer.

Glas: Fensterglas Baldringen 17, Glasreste Zugmantel 116*.

Holz: Pfähle Limes Ellingen-Kaldorf 107*, im Odenwald 118*.

Metall, Bronze: Beschlag Gunzen- hauscn 106*, Zugmantel 116*. Ge- wandnadeln 6, Gusenburg 67, Limes Ellingen - Kaidorf 107*, Zngniantel 116*. Griffe Zugmantel 116*. Pferd-

chen Okarbcn 109*. Schale Bald- ringen 17. Täf eichen mit Inschrift Grosskrotzenburg 117*.

Eisen: Beschläge Zugmantel 116*. Brenneisen Uinschheim 105*. Dop- haken Zugmantel 116*. Haken Gun- zcnhausen 106*. Handwerkszeug Zug- mantel 116*. Lanzenspitzen Bald- ringen 17, Zugmantel 116*. Nägel Ziigmantel 116*. Rasiermesser Zug- mantel 116*.

Silber: Ilirschbein Zugmantel 116*.

Weissmetall: Gewandnadel mit In- schrift Zugmantel 116*.

Terracotta: Figur mit Fabrikanten- inschrift Baden 105*.

Thon: Amphorenbruchstücke Cann- statt 112*, Zugmantel 116*. Becher Cannstatt 112*. Gefältelte schwarze Geiasse Zugmantel 116*. Grabgctasse Baldringcn 17, Gusenburg 67, Win- nenberg 110. Krug mit Aufschrift Trier 9. Krug Zugmantel 116*. Reiter aus Pfeifenthon Zugmantel 116*. Schwarze und graue Gefässe Okarben 109*. i^igillata Cannstatt 112*, Okarben 109*, Zugmantel 116*.

Fränkische AltertOmer.

Gräber in Frankfurt a. M. 45.

Bronzemunzen des 3. und 4. Jahrh. Pfalz 66, Saarburg i. L. 108. Münz- funde Baldringen 17, 111, Köln 79. Clodius Albinus Zugmantel 116*. Divus Augustus Okarben 109*. Con- stantinus Köln 79. Constantinus jun. Köln 79. Constantius II Baldringen 17, 111, Köln 79. Crispus Köln 79. Decentius Baldringen 17, 111. Fausta Köln 79. Faustina Zugmantel 116*. Gcta Zugmantel 116*. Helena Köln 79. Licinius Köln 79. Licinius iun. Köln 79. Magnentius Baldringen 17, 111. Maxen tius Köln 79. Nero bis Traian Okarben 109*. Septimius Severus Zugmantel 116*. Severus Alexander Okarben 109*, Traianus Zugmantel 116*. Urbs Constanti- nopolis Köln 79. ürbs Roma Köln 79.

Fundorte.

Aachen 3. Arzbach- Äugst 115*. Ba- den 105*, 122*. Baldringen 17, 111. Böckingen 110*. Cannstatt 112*. Drachenfels bei Dürkheim 75. El- lingen 107*. Frankfurt a. M. 45. Grosskrotzenburg 117*. Gunzen- hausen 106*. Gusenburg 67. Hain-

haus bei Würzberg 121*. Ileidenburg bei Kreimbach 66. Irnsing a. I). 114*, 123*. Kaidorf 107*. Kernel 116*. Köln 1, 2, 41, 79, 103. Langendiebacli 104*. Lindeiskopf (Pfalz) 76. Mainz 40, 44, 47. Ma- rienhof (bei Büdesheim) l(y8*. Mittel- franken 107*. Munster (bei Bingen) 78. Niederbrombach 8. Obermoschel (Pfalz) 109. Odenwald 118*, 119*, 120*. Pfalz 109. Pforzheim 111*. Saarburg i. L. 108. Speicher 46. Thcilenhofen 113*. Trier 9, 68, 69, 102. Winnenberg (Birkenfeld) 110.

Litteratur.

Altmann W. u. E. Bernheim, Aus- gewählte Urkunden zur Erläuterung der Verfassungsgeschichte Deutsch- lands im Mittelalter 61.

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Beiträge zur Geschichte vornehmlich Kölns und der Rheinlande 48.

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Bernheim. E., s. Altmann.

Bianchetti, E., I sepolcreti di Or- navasso 70.

Bijdragen cn Mededeelingen van het historiscli genootschap te Ut- recht 16. Bd. 85.

Böhmer, H., Willigis von Mainz 50.

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Brüll, W., Chronik der Stadt Düren 97.

Giemen, P., Die Kunstdenkmäler der Städte Barmen, Elberfeld etc. 29.

Cumont, F., Textes et monuments fiffurcs relatifs aux mysteres de Mithra 15.

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Westdeutsche Zeitschrift XIV. Bd. 112.

Wintterlin, A., Württembergische Künstler in Lebensbildern 10.

Wolfram, G. und F. Bonnardot, Les voeux de l'epcrvier 84.

Württembergisches Urkunden- buch 6. Bd. 43.

Mittelalterliche und spätere Gegenständ«.

Bauten in Aaclien 3. Byzantinischer Zellenschmelz 4. Fingelgemälde der westfälischen Schule im Dom zu Köln 47. Gefass (Karolingisch) Cann- statt 112*, Lindeiskopf in der Pfak 76. Pfalz (Karolingische) in Nvm- wegen 34. Steinurkunde aus dem 12. Jahrhundert in Köln 103. Ver- zeichnis der Kölner Richerzeehe 117.

Varia.

Grundsätze, welche bei der Herausgabe von Aktenstücken zur neueren Ge- schichte zu befolgen sind 83.

Gelehrte Gesellschaften und Vereine.

Badische historische Kommission 7. Historische Kommission bei der kgl. bayrischen Akademie der Wissen- schaften 72. Frankfurter Historiker- tag 83. Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertums vereine 82. Konferenzen von Vertretern landesgeschichtlich cl* Publikationsin- stitute 56. Monumenta Germaniae historica 63. Gesellschaft für rhei- nische Geschichtskunde 35, 57.

Berichterstatter und Mitarbeiter.

Anthes 118*, 119*. Back 8, 110. Borch, V. 55, 104. Braun 71. Eidam 106*, 113*. Eilers 36. Fink 114*. fl. 13. Hettner 16, 46. Jacobi 116*. Kapff 112*. Kelleter 3. 18, 31, 59, «9. Kcuffer 10. Keussen as, 51, 103. Kg. 88. Kisa 1, 2, 41. Kn. 27, 29. Knipping 5, 14, 30, 32, 50, 52. Kochl 53. Körber 40, 44, 77. Kof- ier 108*, 120*, 121*. Kohl 107*. Lachenmaier 111*. Lau 54, 62. 100, 117. Lehner 9, 17, 24, 26, 67, 68, 69, 80, 81, 93, 102, 111. Maud 64.

Mehlis 75, 76, 109. Metüer 110*. n. 58, 97, 98, 99, 113, 114, 115, 116. P. 34. Riese 45, 65. Schumacher 6, 70, 105*, 122*. Soldan 118*. Stedtfeld79. W. 12, 46, 25, Weber 4. Wendling 108. Winkelmann 43. WolflF 104*, 109*, 117*. Zange- meister 123*.

Vereintnachrichten

unter Bedaktion der Vereinsvorstftnde.

Birkenfeld 36, 91. Vorträge von Back und Kadern ach er 36. General- versammlung 91. Back: Vereins- bericht 91, Altburg 91. Werner: Idarer Kirche 91.

Frawit/iiW a. 3f. 37, 105, 106, v. Na- thusius-Neinstedt: Über Ver- sammlung in Konstanz 105. Jung und Wolff: Nikolaikirche 106.

Prüm 38, 92, 107. Vorträge von Asbach, Hertkens, Rader- macher, Schrader 38. Gene- ralversammlung 92. Asbach: Münzen 92, hortulus animae 107. Donsbach: Römische Altertümer zu Breitfeld 107. H e b 1 e r : Kloster Himmerode 92. Radermacher: Ortsnamen 92.

Trier 73, 74, 118. Hauptversammlung 118. L c h n e r : Muscumsbericht 1 18. Müller: Mithraeum von Schwarz- erden 118.

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▲rohlTM Dr. Hftnttn,

KMn.

der

Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst,

n^leieh Orghu der historiBeh-antiqnarisehen Vereine zn Birkenfeld, Diweldorf, Frank- furt a. IL, Karlsrnhe, Maine, Mannheim, Mets, NenM, Prüm, Speyer, Strassbnrf;, Trier, Worns, gowie des anthropologischen Vereins ni Stnttgart.

JanuaT n. Febr. Jahrgang XIY, Nr. 1 u. 2.

1895

Dm KorrMpond«iuibl»tt tnohaiat in «Intr Auflag« Ton 44MM> Bx«mplAr«n. InMrato 4 86 Pfg. Ar dl«

g«sp«lt«n« Z«U« w«rd«ii tob der y«rl«gth«ndliiiig und «ll«n In««r»t«a-Biu«*a« aiig«aoiiim«n, B«ilag«&

nach U«b«r«iiikimtt. ~ Dl« Z«it«cbrin «nob«lnt Tl«rt«]JihTllch, dM Korr««poiid«ii«bUtt monatUoh. -~

Abo]m«m«ntaprei« 15 Mark für di« Z«it«chrlft mit Korr««pond«iublatt| für l«tBt«r«i allain 5 ICark.

1^ Beiirftg« für dl« ▼orrOmlsoh« und rOmlsoh« AbtoUnng «lud an Dr. L«hn«r (Trier, ProTinBlaliiiiu«iun>, far MitUlaltor und K«aB«lt an Dr. HaiMtn (KOln, BtodtarchlT) an •«nd«n.

Neue Funde.

1. KQIn. [Matronensiein.] In der Maseo- graphie der Westd. Ztschr. 1894 p. 314 habe ich unter „Museum Wallraf-Richartz^ die Inschrift eines neu aufgefundenen Ma- tronensteines ohne Einhaltung der Zeilen- verteilung des Originales angeführt. Sie soll lauten:

M A T R o 1^ sj

VDRAVARINlj

his-ivLa PRISC F'ALLVA'V-S«L'm||

Der Endbuchstabe der zweiten Zeile steht hart an der Kante des Steines, die etwas bestossen ist. Gleichwohl lassen die längeren Apices annehmen, dass hier an- statt des I ein E gemeint war, zu dessen Ausführung der Raum nicht mehr reichte. Der Beiname der Göttinnen hatte demnach die übliche Endung -EHAE. Kisa.

Z Köln. [Der Kanal in der Budengatse.]

Der jetzige Besitzer des Gasthauses „zum Römer^ hat durch Anlage einer elektri- schen Beleuchtung und Verbesserung des Zuganges aufs neue die Aufmerksamkeit auf den bereits seit 1830 bekannten be- deutsamen Überrest römischer Tiefbau- kunst gelenkt; es erscheint daher ange- zeigt, die früheren Mitteilungen über den- selben einer Prüfung zu unterziehen. Die von Schwörbel und Mertz im Bonn. Jahrb. 86 und 90 gegebenen, auf Aufnahmen des Tiefbauamtes beruhenden Messungen sind

richtig, irrtümlich jedoch die Ansicht, dass die Tuffsteine zum Teile Spuren Ton frühe- rer anderweitiger Verwendung zeigen. Die horizontal am Fusse der Wölbung einge- hauene und später mit kleinen Tuffsteinen ausgestopfte Rinne, auf die sich Schwörbel beruft, ist nämlich ganz modernen Ur- sprunges, erst in den letzten Jahren zu Beleuchtungszwecken angelegt und nachher, als sie sich überflüssig erwies, wieder aus- gefüllt worden. Die sonst recht eingehende Beschreibang des „Römerganges^ durch Mertz lässt ein wesentliches Moment ver- missen. Er übersieht, dass sich in ihm zwei Teile von verschiedener Höhe absondern, ein kürzerer und höherer nach 0., ein längerer und niedrigerer nach W., von welchen der erstere zugleich älter und solider gebaut ersscheint als seine Fort- setzung. In der Wölbung ist der Ansatz der beiden Teile unvermittelt. Hier hat früher, als der Kanal noch zu Bierkellem benutzt wurde, ein Durchbruch stattge- funden, der jetzt durch Ziegel vermauert ist und wahrscheinlich durch einen senk- recht aufsteigenden Schacht veranlasst wor- den war, der in das frühere westliche Ende des älteren Teiles einmündete. Im jünge- ren Teile sind noch zwei solcher Schachte erhalten, sonst scheint die Wölbung überall die alte und nirgends durchbrochen zu sein. Seh. und M. berichten dagegen von „mehreren viereckigen Licht- und Luft- Bchachten in regelmässigen Zwischen räu-

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men^. Der grössere der beiden Schachte ist bei einer Breite von ca. 80 cm im Quadrat bis zur Höhe Ton 3,20 m aus Tuffsteinquadem aufgemauert, an die sich dann bis unter das Strassenpflaster eine moderne Ziegelmauerung schliesst. Die Sohle des Kanales liegt an dieser Stelle ca. 9,40 m unter dem jetzigen Pflaster, die Höhe desselben bis zum Scheitel der Ka- nalwölbung beträgt 2,40 m, so dass also die obere Öffnung des Schachtes noch 3,80 m unter dem jetzigen Strassenpflaster bleibt. Das Terrain hat in diesem Stadt- teil seit der Römerzeit eine Erhöhung Yon 2 m erfahren, wenigstens gilt dies nach ▼. Veit, Das römische Köln, für die Hoch- strasse. Es ist anzunehmen, dass der Schacht ursprünglich höher war und bis an die Erdoberfläche reichte ; bei späteren Strassenarbeiten könnte der obere Tuff- steinrand zerstört worden sein. Während sich in diesem Schachte ein Mann frei be- wegen kann, ist der zweite weiter nach Westen gelegene sehr eng, im Tuffmauer- werke bloss 1,70 m hoch und offenbar zu einem anderen Zwecke bestimmt. Luft- und Lichtschachte waren ursprünglich weder der eine noch der andere, ihre Be- stimmung wird vielmehr dann klar, wenn man den Bau nicht als eine fortifikatorische Anlage, sondern ähnlich wie frühere Be- obachter als einen Teil der römischen Kanalisation betrachtet, als einen grossen, nach dem Rheine führenden Abflusskanal. Diese Auffassung wird durch gute Gründe unterstützt. Vor allem durch die Form der Wölbung und der Seitenmauern, die teilweise nach oben auseinandergehen, die Verhältnisse von Höhe und Breite und namentlich durch das Gefälle. Es ist nicht ganz gleichmässig, im westlichen Teile grösser, im östlichen geringer, im Ganzen wie 1:130; für einen Wehrgang wäre es zu stark, für einen Kanal ist es jedoch ganz normal. (Im Eifelkanal beträgt das Gefälle durchschnittlich 1 : 245, das Maxi- mum 1 : 11, das Minimum 1 : 7500. Vgl. Maassen, Ann. des bist. V. f. d. Nieder- rhein 37, 74). Man hört hie und da den Einwand, dass die Ausführung der Wan- dungen in Tuff anstatt des sonst üblichen wasserdichten Betons für einen Kanal un-

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geeignet sei. Dabei überschätzt man aber die Porosität des Tuffisteins und übersieht die ungewöhnliche Dicke der Wandung von 1,12 m, welche einen Betonbelag über- flüssig erscheinen Hess. Dagegen ist die Sohle des Ganges, welche von grossen, 40 cm dicken Tnffplatten gebildet vird^ durch eine Unterlage von Beton wasser- dicht gemacht, ein Umstand, der Mertz entgangen ist. Die Tuffplatten des Bodens weisen zahlreiche rechteckige Ausschnitte in ihrer ganzen Dicke auf, die erst in neuerer Zeit zugeplattet wurden. M. weist ihnen die Aufgabe zu, „das vom Rheine her eindringende Wasser rasch verschlin- gen zu lassen '^ und so den Gang trocken zu halten. Es ist auffallend, wie ein Bau- meister auf eine so gesuchte Erklärung verfallen kann, während ihm die Praxis noch heutzutage eine viel einfachere zur Verfügung stellt. Die wasserdichte Beton- schichte müsste das Verschlingen des Wassers vereitelt und anstatt den Gang zu trocknen in ihm vielmehr zahlreiche 40 cm tiefe Wasserreservoirs geschaffen haben. Ich ersuche Herrn M. und aUe sonstigen Anhänger der Wehrgang-Theorie im Geiste die römischen Soldaten zu be- gleiten, die im Dunkel diesen Gang auf- und abpatrouillierten. Die meines Wissens von ihm zuerst hervorgehobenen Aus- schnitte in der Sohle sind vielmehr spre- chende Zeugen gegen die RicJitigkeit sei- ner Erklärung. Noch heute werden in Abflusskanälen Vertiefungen angebracht, in welchen sich der gröbere Unrat sammeh, damit durch ihn nicht Störungen im Abflüsse hervorgebracht werden. Sie sind keine mo- derne Erfindung. Die Ausschnitte in den Platten der Sohle haben denselben Zwecke es sind sog. Schlammbehälter. Sie konnten, wenn der Zufluss zum Kanäle zeitweilig unterbrochen wurde, wie bei unseren mo- dernen Kanälen leicht gereinigt werden. Den Zugang zu ihnen ermöglichte der grosse quadratische Schacht, während der kleinere und niedrigere im Vereine mit dem dritten, jetzt zerstörten Schachte die Abflusswässer des darüb erliegenden Kanal- netzes auffing. Seh. und M. erklären, es fänden sich keine Spuren bewegten Wassers in dem Gange. Zugleich wisen

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Beide zu berichten, dass der Gang bei seiner Entdeckung 1830 bis an den Schlass des Gewölbes mit Lett, Flusssand, Eies und Bauschutt angefüllt war. Es muss also doch fliessendes Wasser eingedrungen sein, besser gesagt Flusswasser, welches Flusssand und Kies absetzte. Doch dies sei nur nebenbei bemerkt, denn damit allein ist zwar eine Verbindung des Ganges mit dem Rheine, bez. dem Wallgraben er- wiesen, aber nicht zugleich auch die Be- nützung als Abflusskanal. Der Mangel an Sinterbildung würde nichts beweisen. Die Reinigung des Eanales nach seiner Ent- deckung wird eine so gründliche gewesen sein müssen, dass auch die Wandung nicht intakt bleiben konnte. Die an der Wöl- bung an yielen Stellen auftretende Sinterbil- dung ist erst nach der Reinigung des Ea- nales i. J. 1830 durch Sickerwasser hervor- gerufen und kommt hier nicht in Betracht. Bedeutendere Ablagerungen davon an der Sohle, wie etwa im oberen Laufe des Eifelkanales, können hier nicht stattge- funden haben; einerseits sind hiezu die Dimensionen des Eanales zu gross, ande- rerseits hat das Wasser des Eanales in seinem unteren Laufe nur geringen Ealkge- halt, welcher überdies durch die Filtrierung in der Piscina am Weyerthor, durch die Ver- teilang in kleine Kanäle, namentlich aber durch die Benützung des Wassers auf ein Minimum reduziert werden musste. Selbst in den Bleirohren der Wasserleitung unter dem Dom, die nur 75 mm Dm. haben, fand sich nur geringe Sinterablagerung. Ein weiterer Beweis für die Richtigkeit der Ansicht, dass der Bau keine verein- zelte militärische Anlage, sondern einen Teil des römischen Kanalisationssystems darstelle, ergiebt der Vergleich desselben mit dem 1862 unter dem Hause Hoch- strasse Nr. 43 zum Vorschein gekomme- nen Kanäle. Derselbe hat fast gleiche Dimensionen und Tiefe und verläuft parallel mit dem Kanal der Budengasse in direkter Richtung von 0. nach W. durch das Ero- nengässchen gegen den Rhein. Vom Westen der Stadt her führt zu ihm in Fortsetzung derselben Richtung die Hürther Wasser- leitnng über den Neumarkt und die Gäci- lienstrasse. Nebenkanäle kamen von den

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vier Winden und der Stemengasse her. Für den Kanal der Budengasse ist bisher noch kein gleichartiger, das römische Köln in seiner nördlichen Hälfte durchsetzender Zufluss festgestellt, wohl aber werden die Wasserleitungen der Herzogstrasse und des Domes mit ihm in Verbindung zu bringen sein. Die demnächst zu erwartende Neu- bearbeitung der Topographie des römischen Kölns wird darüber wohl die wünschens- werte Aufklärung bringen. Aber schon heute können wir sagen, dass die beiden, von der jetzigen Hochstrasse ab parallel von 0. nach W. nach dem Rhein leiten- den grossen Eanäle des Kronengässchens und der Budengasse die Hauptabflüsse für das verzweigte Netz der römischen Kana- lisation bildeten. Ob der Kanal der Buden- gasse mit seiner jüngeren Verlängerung unter der Hochstrasse sein westliches Ende erreicht hat, ist noch nicht festgestellt, aber wahrscheinlich. Wenigstens sollen die Nachgrabungen, die 1831 in westlicher Richtung 48 Fuss weit fortgesetzt wurden, resultatlos geblieben sein. Dagegen ist seine Fortsetzung nach dem Rheine zu bis an die Ecke Bürgergasse-Altermarkt, also bis in unmittelbare Nähe der römischen Stadtmauer erwiesen, seine Verbindung mit dem Strome bez. den Wallgraben durch den bei seiner Aufdeckung 1830 massen- haft vorgefundenen Flusssand.

Der einzige positive Beweis, den man für die Erklärung des Bauwerkes als Wehrgang versucht hat, die quadratischen Öffnungen der Sohle, ist verfehlt. Die üb- rigen Beweise sind negativer Natur und gleichfalls haltlos. Die Erklärung ist mit allem, was wir über römisches Befestigungs- wesen wissen, unvereinbar und vielleicht durch gewisse romantische Vorstellungen von geheimen unterirdischen Gängen be- einflusst, die zwar für das Mittelalter passen, aber der Antike fremd sind. Hoffent- lich kehrt man nun allgemein zu der frühe- ren richtigen, wenn auch vielleicht weniger poetischen Anschauung zurück. Kisa.

Vorkaroiingltche Bauten zu Aachen. Auf 3^ dem alten Katschhofe zu Aachen, dem jetzigen Chorusplatze (zwischen der Krö- nungskirche und dem Rathanse gelegen) sind unlängst die Überreste zweier älterer

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Bauanlagen aufgedeckt worden. Sie be- stehen in umfangreichen auf derselben Stelle Torfindlichen Grundmauerungen, welche zwei verschiedene Zeitabschnitte der römischen Niederlassung in Aachen bezeugen ^).

Nach den vorgefundenen Stempeln der Legio Ulpia Victrix*; zu urteilen, ist die ältere tiefer gelegene Fundamentierung dem 2. Jahrhundert angehürig, die zweite dagegen ist als Rest* einer alten Basilika anzusehen und, weil viel höher gelegen, füglich noch dem 4. Jahrh. unsrer Zeit- rechnung zuzuschreiben.

Anscheinend umschlossen die älteren Grundmauern ein grosses Quadrat, dessen Ecken nach den vier Himmelsrichtungen lagen. Mit Sicherheit ist die Richtung zweier Seiten dieses Quadrates zu bestim- men; für die dritte Seite Nord -Ost ist eine Andeutung in früheren Funden vor- handen. Gegenwärtig liegen West- und Nordecke des Vierecks aul dem Chorus- platze selbst 2 3 Meter unter dem Strassenniveau, die Ostecke muss sehr ge- litten haben, wenn nicht vollständig zer- stört worden sein, bei der vor beiläufig 2 Dezennien erfolgten Errichtung von Neu- bauten auf der unteren östlichen Seite des Platzes; die Südecke ist durch den nörd- lichen Anbau des Münsters bedeckt und unzugänglich gemacht worden. In der zur Zeit freigelegten Westecke befindet sich ein mächtiges Hypokaustum, welches nach aussen durch zwei parallel stehende Mauer- winkel abgeschlossen wird. Im innersten dieser Winkel zeigt ein in gerader Linie verlaufender Absatz die Höhe der Sus- pensura des Hypokaustum bezw. die Tiefe des über der Heizanlage befindlich gewe- senen Pavimentes an. Welche Bestimmung die ältere Anlage in ihrer Gesamtheit hatte, ist zweifelhaft. Genaue Grabungen können da am ersten zu festen Thatsachen führen. Es scheint nicht, dass man Thermenreste vor sich hat, obschon Teile römischer Bäder in der Nähe nachgewiesen sind.

1) Herr Architekt Th. CoBsmann jr. in Aachen hat sehr gute photographiBche Aufnahmen einzel- ner Phasen der Ausgrabungen hergestellt.

2) Gefl. Mitteilung des Herrn R. Pick, Stadt- arohivar« in Aachen.

Als man zu Anfang der 80er Jahre die an der Ost- und Südseite des Chomsplatzes stehenden alten Häuser entfernte, stiess man auf Reste von Römermauerwerk nnd fand Ziegel der legio transrhenaoa *). Unter anderm kamen dabei auch eigentümliche Rundpfeüer aus römischen Formziegeln bestehend zu Tage, von denen einer glück- licherweise in situ erhalten geblieben ist Etwas zurechtgestutzt, jedoch immer noch nicht mit einem schützenden Gitter ver- sehen, steht dieser Pfeiler heute aaf dem neuen zwischen Krämerstrasse und Choros- platz angelegten Durchgang. Ehemals aber gehörte diese nun vereinzelt dastehende Säule zu jener zweiten, jüngeren Bauaalage aus der Römerzeit, zu der bereits genann- ten Basilika.

Die Basilika selbst liegt mit ihrer Sohle bedeutend höher als die Um&ssungsmaaem der älteren Viereckanlage. Ihre mit Aus- nahme der Südmauer rings erhaltenen Aussenmauem stellen das herkömmliche Rechteck mit apsidenförmigem Abschluss vor ; auifallenderweise ist die Basilika nickt orientiert, sondern steht mit der Apas nach Norden, diagonal zum älteren Vier- eck gerichtet, gleichsam als ob die Aussen- mauem des letzteren als Schutz und Wehr für die jüngere Anlage hätten dienen müssen. Man darf in dieser Basilika viel- leicht die älteste Kirche Aachens erblicken und aus ihrer Ausdehnung auf eine surke Bevölkerung des Ortes in den letzten Tagen der Römerherrschaft am Rhein schliesseiL Soweit die westliche Aussenmauer erhal- ten ist, bildet sie mit der Apsis zusammen 24 Meter laufendes Mauerwerk. Die lichte Breite zwischen der westlichen und öst- j liehen Abschlussmauer des Langhauses be- trägt 13,25 Meter.

Der oben bezeichnete Randpfeiler steht i nun innerhalb der beiden Aussenmauem, und zwar etwa 3,35 Meter von der öst- j liehen entfernt. Die Visierlinie, welche durch die Westkante der Pfeilerbasis ge- legt, parallel den Aussenmauem, nach dem nördlichen Abschluss der Basilika gerich- tet wird, trifft ungefähr die Westkante des Portalabschlusses der Apsis; somit

8) Vgl. Zeitschr. des Aachener GeichichtsTer* eins YU S. 159.

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ist der Pfeiler als Teil des innern Stützen- systems der Basilika selbst anzusehen und zwar als einer der unteren Pfeiler der östlichen Beihe. Übrigens sollen in ent- sprechenden Zwischenräumen auf derselben Linie auch noch Reste der anderen Ost- pfeiler nachzuweisen sein.

Die Fundamente der Basilika zeigen allerwärts, soweit dieselben bisher freige- legt wurden, besondere Vorsieh tsmassre- geln, die auf Festigkeit und Widerstands- fähigkeit des Ganzen berechnet sind. Wenn zum Beispiel die westliche Langhausmauer einen ungemein starken treppenartig an- steigenden Mauerfuss hat, so muss die Er- klärung fiir diese Thatsache in dem schlech- ten Baugrund und der grossen Wasser- haltigkeit des Bodens gesucht werden. Dieselbe Erklärung kann man auch gelten lassen gegenüber der Eigentümlichkeit, dass die Apsis durch ein nach aussen vor- gelagertes im Rechteck angelegtes massives Mauerwerk eingekapselt ist; wenn man nicht annehmen will, dass hierbei auch mit dem Gewulbdruck der Apsis selbst ge- rechnet worden ist. Auf der Westseite der Apsis befinden sich noch zwei je 1,80 m lange und 0,90 m breite recht- eckige, gemauerte Behälter, deren Bestim- mung vorläufig unaufgeklärt bleiben muss.

Es ist nicht ohne Wichtigkeit, sich darüber Rechenschaft zu geben, ob die Basilika noch in karolingischer Zeit er- halten gewesen ist, oder ob sie bereits zerstört war. Ich neige zu der Annahme, dass sie in der Earolingerzeit noch einen Annexbau zum Oktogon gebildet hat. Sie scheint damals unmittelbar an das Okto- gon gestossen zu haben. Später befand sich noch immer eine geweihte Stätte hier : die h. Geistkapelle.

Allerdings ist dann in gotischer Zeit zwischen Oktogon und Basilika die Earls- kapelle eingeschoben worden und zwar so, dass die vier abschliessenden Eckstreben dieser Kapelle auf die Fundamentmauem der Basilika aufgesetzt worden sind. Die beiden einander zunächst stehenden Stre- ben kamen dabei auf den beiden Funda- mentmauem der westlichen und östlichen Pfeilerreihe zu ruhen, während die zwei korrespondierenden anderen Aussenstreben

der Karlskapelle auf den beiden Mauern des Langhauses der Basilika aufgeführt worden sind. Dass dieses Zufall sei, ist nicht wohl anzunehmen, selbst mit Berück- sichtigung des UmStandes, dass die Bau- leute des Mittelalters bereis vorhandene Fundamente für die an derselben Stelle nötig werdenden Neubauten zu verwenden pflegten.

Die hier sich bietenden Thatsachen sind nun von einem Standpunkte zu wür- digen, von dem aus bei unbefangener Er- fassung derselben eine Fundamentalfrage in der Geschichte der Aachener Krönungs- kirche sich endgültig beantworten lassen wird; ich meine die Frage nach dem Ort der Bestattung Karls des Gr.

Das Karlsgrab ist ausserhalb des Ok- togons und zwar auf der Nordseite des- selben zu suchen. Die bisher stattgehabten Untersuchungeu und Grabungen haben auch keine Spur einer Andeutung dafür gelie- fert, dass die Gruft im Innern des Okto- gons oder, was das Abgeschmackteste ist, in einer Wand der kleinen karolingischen Chornische habe sein können. Zudem war es bekanntlich durch eine eigene Verfügung Karls generell untersagt, Laien in den Kirchen zu begraben. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass für Karl selbst in der ihm persönlich zugehörenden Pfalz- kapelle eine Ausnahme von diesem für das Land erlassene Gesetz gemacht wer- den konnte.' Stellte Karl sich aber unter die Sitte seiner Zeit, oder richtiger, thaten dies diejenigen, welche ihn zur Gruft brachten, so muss diese Beisetzung in einer Krypta oder in einem Anbau ge- schehen sein. Nun g!ebt es aber zu Aachen keine Krypta im Oktogon, noch hat es eine solche gegeben. Grabungen im Innern des Oktogons lassen schon bei geringer Tiefe Thermalwasser hervorsprudeln, und ist daher seit je die Anlage einer Gruft oder Krypta unmöglich gewesen. Aus vorstehenden Gründen ist mithin das Grab Karls in einem Anbau zu suchen, der so mit der Kapelle verbunden war, dass Ein- hart noch immer Recht bebalten kann, wenn er von einer Bestattung in der Kirche redet. Ein anderer Schriftsteller *) erzählt,

.4) Der Yf. der Chronicon Moissiacensa.

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dass Karl in seniore ecclesia bestattet worden ist. Ich beziehe dies senior durch- aas nicht auf die jetzt zu Tage getretene alte Basilika *), bin aber gleichwohl aus anderen Gründen der Ansicht, dass die Karlsgruft sich thatsächlich in derselben befunden hat.

Erstens ist die gotische Earlskapelle im Südende der alten römischen Basilika errichtet. Die Karlskapelle ist nach der Heiligsprechung Karls erbaut worden. All- zukühn ist nun die Behauptung nicht, dass die Kapelle des Heiligen Karl über sein Grab gewölbt worden ist, erstens aus der allgemein menschlichen Rücksicht, um eben diese Stelle zu ehren, und dann hatte ja auch das Mittelalter noch Kenntnis von dem uralten christlichen Brauche, die Al- täre der Heiligen über den Gräbern der Heiligen aufzuführen. Thatsächlich trägt heute noch ein weit ausladender, auffal- lend grosser Rundbogen, der zur gotischen Architektur der Kapelle selbst schlecht stimmt, gerade denjenigen Teil, auf wel- chem die Altarmensa des Karlsaltars steht.

Nach der Überlieferung ist der Sohn des Longobardenkönigs Desiderius „zu den Füssen" Karls bestattet worden. Die oben erwähnten Grabungen haben wirklich den Sarg des unglücklichen Königssohncs zu Tage gefördert in der Nähe des ehemaligen Altars der h. Corona. Der Coronaaltar stand aber wieder in unmittelbarer Nähe der gotischen Karlskapelle und der alten Basilika.

Einen ferneren Hinweis auf die wirk- liche Lage der Karlsgruft liefert eine Hand- zeichnung*) im Codex 263 Biblioth. reg. Christ, in der Vatikanischen Bibliothek. Das in romanischer Form gehaltene Grab- mal, eine Steintumba mit entsprechender Aufschrift, steht auswärts auf der Nord- seite des Oktogons, d. b. an der hier be- sprochenen Stelle der Kapelle und der Basilika. Diese bereits lange bekannte Zeichnung gewinnt heute an Bedeutung,

5) Wie man versucht sein könnte. Senior eccleBia ist wohl —- Mntterkirche, Kathedrale, vgl. Ducange, Glossarium a. v. Ecclesia.

6) Herr Stadtbibliothekar Dr. Fromm in Aachen hat 18 BUtter der diese Zeichnung enthaltenden Handschrift in Born photographisch nachbilden lassen.

zumal die zwar flüchtige aber architekto- nisch genaue Skizze verrät, dass ihr Zeich- ner den Karolingerbau in Lage und Äusse- rem kannte, auch also von Einzelheiten und Merkwürdigkeiten unterrichtet sein konnte.

War aber der Zeichner dieses Bild- chens ein Mitglied des Aachener Stifts- klerus, so musste er das Grab Karls kennen. Zweifellos nämlich hat Karl auch vor seiner Heiligsprechung zu Aachen eine kirchliche Ehrung genossen; wie für alle Stifter und Wohlthäter geistlicher Anstalten hat man auch für Karl, den Er- bauer der Aachener Pfalzkapelle, wenig- stens einmal im Jahre eine Memorie ge- feiert. Dies war eine besonders feierliche Art des Anniversars, verbunden mit Besuch und Einsegnung des Grabes, auf welchem brennende Kerzen standen. Natürlich ist die für Karl gehaltene Memorie oder com- mendatio ad sepulcrum durch die Kano- nisation des grossen Kaisers in Wegfall gekommen.

Mit Rücksicht auf die in regelmässiger Wiederkehr am Ort der Bestattung zu feiernden Memorlen ist in den älteren Xe- krologien häuüg angegeben, wo die ein- zelnen Mitglieder eines Stifts oder die Freunde und Wohlthäter desselben zur Erde bestattet sind. Auch das älteste Nekrolog des Aachener Stifts kennt diesen Gebrauch, da es al)er nach der bereits er- folgten Heiligsprechung Karls angelegt ist und die kirchliche Feier des Todestage? sich auf den Karlsschrein als Mittelpunkt derselben übertrug, ist das Grab selbst nach und nach in Vergessenheit geraten. Das Nekrolog spricht nur noch von dem feretrum s. Caroli, unter welchem Otto III ruht.

So viel der Kürze halber an dieser Stelle; die in Gang befindlichen Unter- suchungen über Alter, Zweck und Bedeu- tung der hier besprochenen Baareste mögen auch den hier mitangeregten Neben- fragen ihre Beachtung schenken. Köln. Dr. H. Kelleter

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Chronik.

4. Geschichte und Denkmller des byzantlschen Zelten- Effltiis auf Kosten des rnss. Wirkl. SUats- rats A. Ton^wenigorodskol' herausge- geben Yon N. KondakOW, Professor an der UniversiUt Petersburg und Conseryator an der kaiserl. Eremitage.

Der glückliche Besitzer einer unter den Privatsammlungen wohl einzig da- stehenden Sammlung von Denkmälern des so seltenen und kostbaren byzantinischen Zellen-Emails, der russ. Wirkl. Staatsrat A. Yon Swenigorodsko'l, hat, getrieben von dem schönen Wunsche, seine Schätze auch anderen zugänglich zu machen, mit gross- artiger Freigebigkeit die Mittel dargebo- ten, um eine Veröffentlichung derselben in mustergültigen farbigen Reproduktionen zu ermöglichen, und hat zugleich die Bear- beitung des begleitenden Textes in die Hände eines Mannes gelegt, dessen wissen- schaftlicher Ruf schon von vornherein für den Wert des Werkes bürgt. Dafür hat sich aber der Mäcen auch vorbehalten, das in je 200 russischen, deutschen und fran- zösischen nummerierten Exemplaren her- gestellte Werk, das dem vor kurzem ver- storbenen Selbstherrscher aller Reussen gewidmet ist, nur geschenkweise in die Hände weniger Bevorzugten gelangen zu lassen. Um so mehr bedarf diese für die kunstgescbichtliche Forschung äusserst wichtige Publikation einer eingehenden Würdigung.

An dieser Stelle, wo es gilt, den rein wissenschaftlichen Wert des Werkes zu beleuchten und auf die Hauptergebnisse der darin niedergelegten Forschungen auf- merksam zu machen, kann auf seine sonstige geradezu verschwenderische Ausstattung nicht näher eingegangen werden. Es ge- nüge der Hinweis, dass dieselbe, durchweg in byzantinisch - russischem Stil und Ge- schmack gehalten, das Buch zu einem ebenso vornehmen wie einzigartigen Pracht- werke gestaltet.

A. von Swenigorodskoi, dessen Portrait, von der Meisterhand des über der unvoll- endeten Arbeit gestorbenen Pariser Stechers Oaillard radiert, dem Werke vorgesetzt ist, erzählt in der Vorrede selber die Ge- fichichte seiner Email-Sammlung und dann

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die Geschichte seines Buches, das durch vereinigte deutsche und russische Kräfte zu Stande gekommen ist. Ursprünglich war die Bearbeitung des wissenschaftlichen Textes dem Kaplan Johannes Schulz in Aachen übertragen, der im Jahre 1884 als Vorarbeit eine Schrift veröffentlichte : „Die byzantin. Zellen - Emails der Sammlung Swenigorodskoi" (Aachen, R. Barth). Ver- schiedene Erwägungen veranlassten den Mäcen, die definitive Ausarbeitung in die Hände eines russischen Gelehrten zu legen, und in der That muss die Wahl des als Forscher auf byzantin. Gebiete längst rühm- lichst bekannten Kondakow (bekannt na- mentlich durch seine, auch in französischer Übersetzung mit Einleitung von Anton Springer erschienene „Geschichte der byz. Kunst", Paris 1886) als sehr glücklich be- zeichnet werden. Die unvollendet geblie- bene Bearbeitung des Johannes Schulz, der unterdessen im Jahre 1889 verstorben ist, Hess Swenigorodskoi in 300 numerier- ten Exemplaren im Druck erscheinen : „Der byzant. Zellen - Schmelz von Joh. Schulz, Pfarrer (Frankfurt a. M. bei Aug. Oster- rieth, 1890, mit 22 Tfln). Dies die Vor- geschichte der Publikation, für welche nun Kondakow im Auftrage des Mäcen ausge- dehnte Reisen durch ganz Europa unter- nahm. Das Ergebnis derselben ist denn auch ein so hervorragendes geworden, dass man das jetzt vorliegende, mit der Jahres- zahl 1892 versehene Werk als Zusammen- fassung und vorläufigen Abschluss der Lit- teratur über das byzantin. Zellen -Email bezeichnen darf. Denn nur der kleinere Teil (Kapitel HI und IV, S. 269—388) ist der Beschreibung der byzantinischen und russisch-byz. Emails der Sammlung Sweni- gorodskoi gewidmet, die übrigen 267 Sei- ten enthalten eine technische Einleitung in die Geschichte des Zellen-Emails (Kap. I, S. 1—107) und eine Übersicht und Be- schreibung aller überhaupt erhaltenen Denk- mäler dieser Gattung (Kap. JI, S. 108— 267), die durch ihre Vollständigkeit und Genauigkeit allein schon das Buch zu ei- nem unentbehrlichen Hülfsmittel für alle auf diesem und den angrenzenden Gebie- ten Arbeitenden macht. Aber dieses nicht allein, K. hat den durch die Veröffent-

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lichang der Swenigorodskoi'schen Samm- lung ihm gebotenen Anlass benutzt, um eine geradezu staunenswerte Fülle kunst- geschichtlichen, kulturgeschichtlichen und allgemeinen Wissens in die Abhandlung zu verarbeiten, so dass dieselbe über den Rahmen einer blossen Geschichte des by- zantinischen Zellenschmelzes weit hinaus- geht und eine ganze Reihe Fragen über die Quellen der byzantin. Kunst, über die Zusammenhänge zwischen der römischen und griechischen Kultur mit dem Orient einerseits und mit den Barbarenvölkem Nordeuropas andererseits, über die Rück- wirkung der innerasiatis(!hen Länder auf den Occident, über die Übertragung und Vererbung von Stilformen und technischen Fertigkeiten von Land zu Land, von Volk zu Volk, von den Uranfängen menschlicher Kultur an bis tief ins Mittelalter hinein, nicht nur in ganz neuer Beleuchtung er- scheinen, sondern zum Teil der endgültigen Lösung bedeutend näher gebracht oder ganz zugeführt werden. Ja viele für eine künftige Kulturgeschichte der asiatischen und europäischen Völker geradezu grund- legende Fragen werden hier zum ersten Male aufgeworfen und mit einer von Seite zu Seite mehr in Erstaunen setzenden Kenntnis der Denkmäler und hervorragen- der Kenntnis der Litteratur behandelt. Überall ein Zurückgehen auf die Denk- mäler selbst, denen immer in erster Linie das Wort erteilt wird. Die Ausstattung des Werkes mit 28 vortrefflichen farbigen Abbildungstafeln, Meisterwerken aus der chromolithographischen Anstalt von Aug. Osterrieth in Frankfurt a. M., und 113 Holzschnitten im Text, die zum grössten Teile von den Originalen selbst oder nach eigens hierfür neu hergestellten photo- grapbischen Aufnahmen angefertigt worden sind und in jeder Beziehung mustergültig genannt werden müssen, kommen hierbei der Abhandlung in hervorragender Weise zu Hülfe. Man kann angesichts dieser Ausstattung des Werkes nur bedauern, dass die Mäcene auf Erden so dünn gesät sind, die durch freigebige Hand das Zu- standekommen solcher Publikationen und eine solche Bearbeitung des wissenschaft- lichen Materiales ermöglichen. Wie viel

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schneller und sicherer würde die Forschong^ fortschreiten können, wenn ihr auf allen Gebieten eine solche Förderung zu Teil würde (und welche Befriedigung für die betreffenden Gönner selbst müsste daraas erwachsen !).

Das oben Gesagte wird erklären, warum es kaum möglich ist, in dem Rahmen dieses Referates den überaus reichen und viel- seitigen Inhalt einigermassen erschöpfend hier vorzuführen.

Ist es schon von vornherein, ausge- schlossen, auf alle die angeregten kul- turgeschichtlichen Fragen einzugehen, so macht die Zusammenstellung auch nur der wichtigsten gesichert erscheinenden Resultate grosse Schwierigkeiten. Denn so angenehm leserlich auch das Meiste geschrieben ist, eine Zusammenfassung des Inhaltes am Ende des Werkes oder der einzelnen Kapitel und Abschnitte existiert nicht. Nicht einmal die als Titel bezeich- nete Geschichte des byzantinischen Zellen- Emails ist zusammenfassend behandelt, man muss sich die einzelnen Glieder der Kette überallher zusammensuchen. Die wichtigsten Thatsachen und Thesen sind in Form aphoristischer Bemerkungen durch die ganze Abhandlung verstreut, die wert- vollsten Erklärungen und interessantesten Exkurse mitten in Beschreibungen irgend eines Denkmales oder einer Technik ver- steckt. Dieser Mangel wird allerdings einigermassen aufgehoben durch die ganz vorzüglichen Register am Schlüsse. Dies empfindet man namentlich dankbar inbezof auf die ikonographischen Erklärungen, die gelegentlich im Texte verstreut dem Bache einen besonderen Wert verleihen. Denn K. lässt keinen selteneren ikonographischen Ausdruck vorübergehen, ohne ihn er- schöpfend zu erklären, aber er thut dies durchaus nicht etwa immer beim ersten Vorkommen des betr. Ausdruckes. [Auf- merksam gemacht sei hier besonders auf die höchst interessanten Ausfuhrungen über den Christustypus (S. 276 fg.), in denen zu den de Rossi'schen Darlegungen ganz neue Gesichtspunkte beigebracht werden, die Erklärung der „Deesis« (S. 272 fg.), die Ausgestaltung der Kreuzigung, speziell auf byzantin. Enkolpien (S. 175 fg., 181 fg.),

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die Hagia Sophia (S. 189), der Vogel Sirin und die Sirenen (S. 362 fg.)]. Ebenso wert- ToU sind die sonstigen allenthalben einge- flochtenen Exkurse. So giebt z. B. die Verzierung des Halsschmuckes mit Email dem Verf. Veranlassung (S. 82 fg), aus- fuhrliche und zum Teil ganz neue Erklä- rungen der byzantin. „Maniaken^ und des barbarischen Halsschmuckes zu geben (prin- zipiell wichtig die Zurückfdhrung des Schmuckes auf religiöse Vorstellungen!); der Besprechung der emaillierten Buchein- bände wird eine Geschichte des liturgi- schen Einbandes überhaupt vorangeschickt (S. 184 fg.), welche für die jetzt im Mit- telpunkte unserer mittelalterlichen For- schungen stehende „byzantinische Frage** sehr wichtige Thatsarhen beibringt; der Bearbeitung emaillierter Kronen dient die Entwickelungsgescliichte des Diadems von Diocletian an bis zur verschiedenartigen Ausgestaltung desselben am ostrumischen Hofe zur Grundlage (S. 230 fg.), eine Dar- stellung Petri mit dem Hirtenstabe ver- anlasst eine Skizze der Entwicklung des kirchlichen Kreuzstabes (S. 289), die Bil- der des hl. Georg und Demetrius eine aus- führliche Schilderung der Mäntel der byz. Hofchargen (S. 299 fg), die Besprechung des byzantin. Ornaments eine höchst an- schauliche farbenreiche Schilderung des glänzenden Hoflebens und der kirchlichen Prozessionen in der Blütezeit des oströ- mischen Reiches (S. 314 fg.). Und da ge- rade in solchen gelegentlichen Ausführun- gen der gelehrte Verfasser oft sein Bestes giebt, so ist man eben genötigt, den 388 Seiten starken Text aufmerksam Zeile für Zeile durchzustudieren. Man wird sich da- für reichlich belohnt sehen. Aber aus diesem bunten und äusserst lehrreichen Mosaik ein Bild in klaren abgeschlossenen Zügen sich zu gestalten, wird dem Ein- zelnen erst nach mehrmaliger Durcharbei- tung gelingen. Wir wollen versuchen, an der Hand einer gedrängten Inhaltsangabe die Hauptzüge festzulegen.

Im 1. Kapitel, der „technischen Ein- leitung in die Geschichte des Zellen- Emails*', werden zunächst eine Reihe tech- nischer Ausdrücke erklärt. „Email in allen seinen Arten und zu allen Zeiten ist aus-

schiesslich ein Schmelz, d. h. eine farbig» Masse, die in flüssigem Zustande auf die^ Oberfläche eines Gegenstandes aufgetrageuh wird und darauf trocknet**. Die bisher meist beliebte Einteilung in Zellen-Emails (Emaux cloisonn^s) und Gruben - Emails. (Em. champlevds) ist nicht strikte aufrecht zu erhalten. (Vgl. dazu den Schlusssatz). „Der Zellenschmelz, welcher uns heute als besonderer kunsthistorischer Typus oder- sozusagen als Stil erscheint, ist als tech- nisches Gewerbe blos ein dekorativer Kunstgriff der Goldschmiedekunst. In der Bezeichnung „Zellen-Email** liegt auch die- Erklärung seines Wesens: Zellen, durch aufgelötete hochkant gestellte Metallstege gebildet, stellen die Konturen der Zeich- nung her und werden mit Glasfluss ge- füllt** (S. 3). Es folgt nun eine Unter- suchung über das hohe Alter der Email- Technik, über die Bedeutung des Wortes- „Elektrum** in verschiedenen Zeiten und Ländern, über das Vorkommen der Email- Arbeiten bei den Egyptt>rn, Phoenikern,. Assyrem, Griechen, Etruskern und ihre Verbreitung „bis zu den entlegensten Ge- bieten der antiken Welt** (S. 16), dana über das Email in der Kunst der euro- päischen Barbarenvölker zu römischer Zeit (bis zum 4. Jahrh. n. Chr. unter weströ- mischem Einfluss, vom 4.-6. Jahrh. „sich dem aus dem Orient kommenden neuen. Geschmack** unterordnend (S. 24), über- einstimmend mit de Linas' Forschungen^ über die Gesch. des Emails). Mit gross- artiger Beherrschung des Stoffes werdea die erhaltenen Denkmäler nach den ver- schiedenen europäischen Ländern bespro- chen, wobei K. (S. 31) zu dem Schlusse- kommt, dass die Funde in Russland das. Vorhandensein „einer frühen völlig selb- ständigen orientalisch - slavischen Kultur*^ beweisen, und dass diese Funde „unsere Ansichten über Entstehung, Entwicklung und Bedeutung der wichtigsten Typen der barbarischen Kunst Europas von Grund aus modifizieren*^. Mit der bisherigea Litteratur setzt sich der Verf. gewissen- haft auseinander, was namentlich bei den Gegenständen doppelt wertvoll ist, über die schon viel geschrieben worden ist, sa z. B. betr. den „Schatz des Attila** ia

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TVien, den berühmten Fund von Kagi Szent Miklös, den K. für „Tafel- und kirchliches Gerät barbarischer Führer eines zum Christentum bekehrten Stammes, her- gestellt in byzantinischen Grenzgebieten^ halten möchte.

Die europäischen Funde leijten den Verf. hierauf nach Asien zurück, der Hei- mat der europäischen Kunst. Mit grossem Scharfsinn werden im Anschluss an die Emailfunde aus den kaukasischen Nekro- polen von Koban und Kamunta die Eulturströmungen festgestellt, welche sich in der Südostecke Europas kreuzten, eine südliche, aus Indien und Persien über Egypten und Eleinasien nach Byzanz, und eine nördliche aus Centralasien über Süd- russland nach den Donauländern sich be- wegend. Die vorderasiatischen Länder spielen nur eine sekundäre RoUp, was er (S. 40) in die Worte fasst: „Zwar wird beständig die Rolle Syriens und Vorder- 4isiens in der Geschiebte der neuen christ- lichen Kunst betont, doch berichten uns die Denkmäler, von wenigen Ausnahmen abgesehen, darüber nur sehr wenig. Von 4er Feststellung der Rolle dieser Länder .... hängt aber der Erfolg der neuen Methode, welche bei der Erforschung des orientalischen Ursprungs der europäischen Kunst befolgt wird, wesentlich ab.** Die Untersuchung des Ornaments leitet ihn nach Persien und Centralasien, hier ist die Hei- mat des europäischen Emails. Grund- legend fi'ir die Bedeutung Persiens als „Ausgangspunkt der orientalischen Kunst zu Beginn des Mittelalters*' ist die Unter- suchung über die parthische Kulturepoche (331 V. Chr.-.-22ö n. Chr.) mit ihrer leb- haften Entwicklung der decorativen Klein- künste und der daraus hervorgehenden Neubelebung der orientalischen Kunst bei den centralasiatischen Barbarenstämmen. Was nun speziell den Zellenschmelz an- langt, so bietet die persische Kunst die geeignetsten Typen, um die Hauptetappen seiner Entwicklung zu erkennen, da sie die Zellenschmclz-Tecbnik in der Sassaniden- Epoche entwickelt hat. Von Persien aus verbreitet sich dieselbe sowohl nach Indien, dessen Email-Technik noch heute den per- sischen Charakter bewahrt, wie nach China

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und Japan, andererseits nach Byzanz, ja durch Perser im Dienste der Araber bis nach Spanien und Frankreich. Daneben entwickelt sich, ebenfalls in Persien, dem Lande, in welchem die interessanteste Verschmelzung griechisch-römischer uod orientalischer Kunstelemente sich voll- zieht, die Entwicklung des „transluciden'* (durchscheinenden, Edelsteine imitierenden) Emails statt, dessen jeweilige Bevorzugung gegenüber dem Zellen- Email „für die Klas- sifizierung des orientalischen, byzantin. und mittclalterl. Emails allein massgebend ist- Nachdem wir so die Quellen des byzanti- nischen Emails kennen gelernt haben kehrt der Verf. nach Byzanz selbst zurück und nun erst wird uns die Technik des byz. Zellen - Emails im Einzelnen mitgeteilt (S. 91 fg.). Dieselbe hier wiederzugeben fehlt der Raum. Der eigentliche Wert der byz. Emails besteht in der ausserordent- lich harmonischen Farbengebung und in der geradezu idealen Reinheit der Tinten.*- Neben diesem speziellen Werte ist die byz. Zellenschmelz - Technik aber darum noch von besonderer Wichtigkeit, weil sie den Gang der byz. Kunst im allgemeinen beeiijflusst, wie längst bekannt. K. warnt aber vor Überschätzung dieses Emflusses und sucht denselben genau zu begrenzen (S 108).

Das 2. Kapitel beginnt mit einer lebensvollen Schilderung der Galafeste am kaiserlichen Hofe zu Byzanz, bei welchen die kostbaren Zellen - Emails eine bedea- tende (decorative) Rolle spielten. Es folgt eine Übersicht der Länder, in welchen derartige Denkmäler zahlreicher erhalten sind. Dabei wird unser Interesse vorwiegend auf Georgien gelenkt, in dessen Kirchen und Klöstern noch eine Fülle prächtigster byzantin. Zellenschmelze erhalten sind, die dort aber dem sicheren Untergange ent- gegengehen. Was die nun folgende Auf- zählung und Beschreibung aller dem Verf zugänglich geweseneu Denkmäler anbelangt, die sich übrigens vom Hochaltar von S. Am- brogio in Mailand über Heiligenbilder, Kreuze, Buchdeckel, Reliquiarien, Kelche und Patenen, Kronen und Insignien hin- weg bis herab zu den Fibeln, Agraffen, Anhängseln und Fingerringen erstreckt, so

ei- lst dieselbe vor allem wertvoll durch die kritische DetaiMIntersuchaog jedes wich- tigeren Stückes, was vielfach neae Datierung zur Folge hat, oftmals auch eine Zurück- fübrung der Überschätzung einiger Denk- mäler auf das ihnen nach derEntwick- luDgsgeschichte gebührende Maass. So wird, um nur einige Beispiele anzufüh- ren, die vielbewunderte Pala d'oro in S. Marco zu Venedig vor unsern Augeh in ein ans Emails des 10. 14. Jahrhs. nicht einmal sonderlich geschickt zu- sammengesetztes Machwerk zerlegt, das Lotharkreuz in Aachen aus dem 9. ins 11. 12. Jahrh. verwiesen, die Sagenreiche ^eiserne** Kunigskrone der Langobarden im Domschatz zu Monza als eine Votivkrone roher lombardischer Arbeit des 9. 10. Jahrhs. erklärt, die ungarische Stefanskrone in Pest als italienische Arbeit, durchsetzt mit einigen echt byzantin. Teilen erwiesen, die sog. Krone Karls d. Gr. in Wien, die ehemalige deutsche Kaiserkrone (überein- stimmend mit Franz Bock) als abend- ländische Arbeit des 11.— 12. Jahrhs er- klärt. Überhaupt gewinnen wir aus diesen Untersuchungen die sehr bemerkenswerte Thatsache, dass selten ein grösseres Email- werk aus Einem Gusse entstand, sondern dass man die zufällig vorhandenen Zellen- schmelze immer wieder verwandte, neue gelegentlich hinzukaufte, zerstörte auf eigene Faust zu ersetzen bestrebt war, und dies nicht nur im Abendlaudc, sondern auch im Osten. Denn die Blütezeit der Zellen- schmelztechnik in Byzanz dauerte nicht lange, nur von der 2 Hälfte des 9. bis zur Mitte des 11. Jahrh. n. Chr., dann tritt bereits der Verfall ein, beschleunigt durch die dekorative Richtung der byz. Kunst im 11. Jahrh. und ihren immer handwerksmässiger werdenden Charakter, namentlich auch im Mosaik. („Nicht die Schwierigkeiten und Feinheiten verschie- dener Kunstzweige ertöteten die byz. Kunst, sondern vielmehi' die handwerksmässige Nachlässigkeit des dekorativen Zwecken dienenden Kunstgewerbes beschworen den Verfall herauf«. S. 210). Der Zufall spielt also bei der Zusammensetzung von Schmelz- werken eine grosse Rolle. (Die Emails auf cim. 57 der Münchener Bibliothek

Gebetbuch Heinrichs II. die Fragmente eine Votivkrone). Gerade dieser Abschnitt ist besonders reich an wichtigen Beobach- tungen zur Geschichte der byz. Kunst und an geistreichen Schlaglichtem auf das Ver- hältnis dieser zur westeuropäischen Kunst, von denen selbst diejenigen, welche schon früher in K.'s „Geschichte der byz. Kunst" ausgesprochen sind, doch in diesem Zu- sammenhange vielfach ganz neu wirken. Nur mit Rücksicht auf den Raum müssen wir es uns versagen, dieselben hier anzu- führen, als Probe sei nur das auf S. 266 Gesagte wiedergegeben:

„Die abendländische Kunst folgte wohl der von Byzanz eingeschlagenen dekora- tiven Richtung, aber ohne die byz. Tech- nik zu erreichen. Das erklärt auch, warum sie byz. Emails nicht besonders wert- schätzte und zum Grubenschmelz über- ging, der den abendländischen Meistern einen weiten Spielraum für malerische Sujets bot. Die ersten westlichen Gruben- schmelze stehen zu dem byz. Email in demselben Verhältnifi, wie z. B. die früh- italienische Heiligenmalerei des 12. 13. Jahrhs. zu den byz. Originalen oder die Bilder des Hortus deliciarum der Uerrad von Landsperg zu griech. Miniaturen des 10. Jahrhs. Der Grubenschmelz mag eigen- artig und originell sein, dennoch sind seine ersten Erzeugnisse unbestreitbare Nach- ahmungen byzantinischer Zellen - Emails, deren beliebte Zeichnung sie entlehnten und deren Farbenpracht sie zu erreichen strebten. Statt, wie bisher üblich, zu trennen, was in der Geschichte zusammen- gehört, empfiehlt es sich, den Übergang von einer Email - Gattung zur anderen an den Denkmälern nachzuweisen und den Entwicklungsgang der mittelalterlichen Kunst Europas auf diese Weise historisch wiederherzustellen**.

An dieser Stelle sei unser Bedauern darüber ausgedrückt, dass Kondakow nir- gends näher auf die Entwicklung des deut- schen spezieil rheinischen Emails eingeht, obgleich dazu oft genug Gelegenheit ge- boten war, so namentlich bei Besprechung der westdeutschen Kirchenschätze. Selbst da, wo er von der Verpflanzung der Email- Technik aus Byzanz nach dem Westen

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handelt, begnügt er sich, die Yermutang Labarte'8, die Technik s^i durch die von Desiderius von Montecassino im Jahre 1086 aus Byzanz berufenen Goldschmiede übertragen worden, als glaubwürdig zu bestätigen (S. 96) während er der zahl- reichen Beziehungen Deutschlands zum Osten Europas, namentlich in der Zeit der Ottoneo, und der oft besprochenen Schätze der Kaiserin Theopbanu, die immerbin wertvolle Vorbilder abgaben, mit keinem Worte gedenkt. Man gewinnt beim Durch- arbeiten des Werkes die Überzeugung, dass E. auch mit der Geschichte und Ent- wickeln ng des deutschen Emails durchaus vertraut ist, das beweisen die feinen Ver- gleiche, die er (S. 47) zwischen kaukasi- schem und rheinischem Email zieht und die Erörterungen über den mutmasslichen Anfang der rheinischen Technik auf S. 124, sowie eine ganze Reihe interessanter Streif- lichter, die gelegentlich nach dem Rhein- lande geworfen werden, aber eben darum ist es doppelt zu bedauern, dass der Be- sitzer so umfassender Kenntnisse sie nicht dazu verwertet hat, seine ganze Unter- suchung mehr in den Zusammenhang mit der westeuropäischen Kultur zu rücken, die nun doch einmal den Vorzug bean- spruchen darf, dass ihr Gebiet bereits viel gründlicher durchforscht ist und eine dem- entsprechend grössere und bekanntere Litteratur gezeitigt hat.

Das 3. und 4. Kapitel bieten neben der Beschreibung der Swenigorodsko'i'schen Sammlung die gleiche Fülle feinsinniger Bemerkungen und wertvoller Exkurse. Der lehrreichste Abschnitt darin, vielleicht der wertvollste des ganzen Werkes, ist die Einleitung zur Beschreibung der byzantin. Ornamentreste. Hier ist auch der einzige Ort, wo sich der Verf. zu bestimmt for- mulierten, knapp zusammengefassten Thesen herbeilässt (S. 312 fg.), man hat das be- stimmte Gefühl, dass er hier, wo er sozu- sagen ganz neuschöpferisch erscheint, seine ganze Kraft einsetzt und darum auch con- centrierter spricht, nicht aber sein Bestes gleichsam versteckt. Wo K. auf die russi- schen Nachahmungen des byz. Zellen- schmelzes zu sprechen kommt, wird mit allem Nachdruck betont, dass Russland

der direkte Erbe der byzantin. Kultur sei,, und dass es schon deshalb die Hauptanf- gäbe der russ. Wissenschaft sei, „den historischen Übergang der verschiedenen Gewerbe und Industrieen aus dem Orient und aus Byzanz nach Russland and in die Südslavischen Länder klarzustellen**, da jene Länder „weit früher als man an- nimmt, das historische Erbe zu verarbei- ten begannen*', da ferner „die rassischen Altertümer ein Überaus reiches Material für derartige Untersuchungen bieten*', denen es beschieden sei, „in den wichtigsten Fragen über mittelalterliche Kunst in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt zu werden'', und dass auch der westenropäi- sehen Forschung nur auf diesem Wege mög- lich sei, „den Anfängen der Volkskunst in Italien und Deutschland auf die Spar zu kommen"« Stuttgart' Degerloch.

Dr. Paul Weber.

Eine Wiener Brleftammluns snr Getchiehte deiS. denUchen Beichei und der OBt«rreichiKhcn Länder in der «weiten HUfte des IS. Jahr- handerta. Nach den Abschriften von A. Starker herausgegeben von O. Bedlich Wien 1894. (Mitteilungen aus dem Vatika- nischen Archive II. Band).

Eine falsche Inventarisierung (als Varia Germaniae saec. XVI) hat die Handschrift dieser in der Vatikanischen Bibliothek be- findlichen, für die Geschichte König EUi- dolfs I überaus wichtigen Briefsammlung den Augen der Forscher entzogen, bis sie unlängst von Dr. A. Starzer an das Tages- licht gebracht worden ist Die Sammlmig ist um die Wende des 13. Jahrhunderts in Wien zu Kanzleizwecken angelegt wor- den und enthält neben der Summa de$ Johannes von Bologna und einem aus der Kanzlei König Rudolfs stammenden, schon bekannten Briefformularbuch nicht weniger als 289 völlig neue Briefe aus der Zeit der beiden ersten Habsburger, die uns in überraschender Weise erkennen lassen, welch ausgedehnter brieflicher Verkehr schon in jener Zeit bestanden hat, and wieviel davon verloren gegangen sein mnss. Die Briefe, wichtig sowohl für die politische als auch für Wirtschafts- und Sittenge- schichte, behandeln vornehmlich die Er- eignisse und Zustände in den Südostmar-

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ken des Reiches, berühren aber auch nicht selten rheinische Verhältnisse. Sie haben in 0. Redlich, dem Neubearbeiter von Böhmens Kaiserregesten von 1273—1313, den berufenen Herausgeber gefunden, der sich seiner für ihn besonders dankbaren Aufgabe mit der eindringendsten Sorgfalt unterzogen hat. Knipping.

Miscelianea.

€. Gewandnadeln mit Fabrikmarke. Unter vorstehender Überschrift hat H. Dressel in dem letzten Hefte der Bonn. Jahrb. (Heft XCV) S. 81 f. drei neue mit Fabrik- stempeln versehene Fibeln rheinischer Her- kunft veröffentlicht, wozu hier einige Nachträge gegeben seien.

„Mit Fabrikmarke versehene Gewand- nadeln gehören zu den Seltenheiten. Aus Italien sind mir nicht mehr als 3 solcher Fabrikstempel bekannt^); nicht viel zahl- reicher kommen sie in den nichtklassischen Ländern vor*)."

Sind diese Fabrikmarken auf Fibeln thatsächlich nicht gerade häufig, so bilden sie doch nicht eine so grosse Seltenheit, wie es nach obigen Worten Dresseis schei- nen möchte. An ihrem Unbekanntsein tragen die Zersplitterung der einschlägigen Litteratur sowie Nichtbeachtung in den Museen eine Hauptschuld.

Für Frankreich hat R. Mowat (Mar- ques de bronziers sur objets antiques trouv^s ou apport^s en France, Vienne 1884, vgl. bull, epigr. de la Gaule HI (1883) S. 261 f., IV (1884) S. 31 f., S. 115 f.) fast 2 Dutzend verschiedene solche Fa- brikmarken zusammengestellt, und auch für Deutschland und die benachbarten Länder liegt bereits eine ziemliche Anzahl vor. Gerade für die 3 mit dem Stempel OON versehenen, von Dressel publizierten Stücke lassen sich 3 weitere Belege erbringen und zwar gleichfaUs auf „Schnallenfibeln '^. Es sind 2 Exemplare aus Fels in Luxem- burg (vgl. Korrbl. d. Westd. Ztschr. VII S. 23) und Lindenschmit A. h. V. II. 12

1) CIL. X 8072, 17 und 22, bull. d. Inst. 1881 S. 42, (iarrucci sylloge n. 2271.

2) CIL. ni 3219, Buppl. 12031, 18-20. 22. XII 56Ö8, 16--17. 19.

T. HL 1 (Mus. Darmstadt), wo offenbar auch CON zu lesen ist. Incl. der 2 Trie- rer Exemplare (Bonn. Jahrb. XCV S. 83 Anm. 1) liegen also von diesem einen Stempel bereits 8 Beispiele vor. Für die andere Fibel T. II. 7 ist Mowat n. 34»» zu vergleichen (Boduos).

Die Hauptbedeutung dieser Fibeln liegt in ihren chronologischen und kulturge- schichtlichen Aufschlüssen. Wie weite Ver- breitung diese Schmuckgeräte durch den Handel erfuhren, mögen einige Beispiele erweisen.

1. Der Stempel Atrectos. Unter Nr. 31 ist von Mowat der Stempel ATRIICTOS auf einer Chamierfibel des Mus. St. Ger- main erwähnt (vgl. auch Tischler b. Meyer Gurina S. 30). Offenbar die gleiche Fibel mit gleichem Stempel kam bei Windisch in der Schweiz zu Tage (vgl. Katalog d. Sammlungen d. ant. Ges. in Zürich II S. 96 n. 914^, hier ATRIXTO gelesen).

2. Äucissa. Es sind mir 6 Exemplare bekannt : 1) gefunden in Marzabotto (Etru- rien) : Gozzadini, d. un ant. necrop. a März, pl. 17 Fig. 17 (p. 31, 54), Montelius, Antiq. Tidskrift VI S. 187 Fig. 190, Meyer, Gurina S. 30, Furtwängler, Olympia IV Bronzen S. 183 Anm. 1. 2) CIL. X 8072, 22 in Neapel. 3) Friederichs, Kl. Kunst S. 100 n. 263, Furtwängler a. o.: in Berlin, aus Gerhards Nachlass. 4) Mowat 2, marq. d. bronz. n. 32: St. Germain. 5) CIL. III suppl. 12031, 18 : gef. in Croatien. 6) Westd. Zeitschr. EI S. 186 (Museum Trier) vgl. Holder, Alt-keltischer Sprachschatz unter Aucissa.

3. Nertomarus. 1) Mus. Wiesbaden: CIRh. add. 1376, Nass. Annalen XII T. II n. 24 (S. 222), v. Cohausen, Führer S. 73, 2) Gef. in Windisch vgl. Ulrich, Katalog d. Sammlungen d. ant. Ges. in Zürich II S. 95 f. Carton 913». 3) Mowat n. 53 : gef. in Vertault (Cöta d'Or).

Ich denke, diese Beispiele genügen.

Für die Frage nach der zeitlichen Stellung dieser mit Fabrikstempeln ver- sehenen Fibeln giebt die Form derselben die besten Anhaltspunkte.

Die ältesten sind zweifelsohne die von Mowat unter n. 50 und 52 verzeichneten^ welche noch den Mittel -La Tenetypus

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zeigen, aber einer ziemlich vorgeschritten nen Entwicklung desselben angehören. Es folgen dann richtige Spät -La Tenefibeln, am zahlreichsten aber sind die zu Beginn des 1. Jahrh. n. Chr. sich daraus ent- wickelnden Formen sowie die frühen Char- nierfibeln vertreten. Auch die von Dressel „SchnallenfibeP (sonst auch Scheiben-, Distel- und Militärfibel) genannte Form gehört der 1. Hälfte des 1. Jahrh. n. Chr. an, wie Dressel richtig gegen Linden- schmit etc. annimmt^). Von allen mit Stempeln versehenen Fibeln, soweit sie mir im Original od. durch Abbildung be- kannt sind, reicht keine über den Anfang des 2. Jahrh. hinaus.

Das zeitliche Auftreten der Fibelstempel liefert also eine vollständige Parallele zu demjenigen der Töpferstempel sowohl auf der schwarzen gallischen als der sog. terra- sigillata-Ware. Auch hier erscheint gerade in der gallisch-römischen Übergangsperiode und im 1. Jahrh. des Kaiserreichs die Ab- stempelung am häufigsten.

Und eine zweite Parallele : Wie in der Keramik der frühen Kaiserzeit sich deut- lich einheimisch - gallische (oder germa- nische), andererseits römische Formen, Teckniken und Verzierungsweisen unter- scheiden lassen, so genau bei den Fibeln, wofür die so zahlreich auftretenden gal- lischen Namen eine Bestätigung geben.

Wenn auch nicht mehr zu der uns be- schäftigenden Frage gehörig, sei doch zum Schlüsse eine weitere interessante Über- einstimmung der Töpfereien und Fibeln erwähnt, die weniger bekannt ist. Wie auf Trinkbechern, Krügen etc. von der Mitte des 3. Jahrh. an mannigfache auf- gemalte Inschriften erscheinen, so begeg- nen uns auch auf Fibeln dieser Zeit zahl- reiche Anreden wie VIVAS, VTERE FE- LIX etc. (vgl. Mowat, Mdm. d. 1. Soc. d. antiq. d. France 1888 S. 19 f.).

Mögen diese Zeilen dazu beitragen, diesem namentlich auch für die Chronologie der römischen Bauten und Kulturschichten

S) Am besten seigen dies einige .Orabfande Ton Martigny vgl. Anceiger f. sohweis. Altert. 189S n. 2, iro ich die Entstehung dieser Fibelform kurs angedeutet habe.

SO wichtigen Geräte in den Museen mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Karlsruhe, Januar 1895.

Karl Schumacher.

Badische historische Kommission. 7.

Vgl. Korrbl. XIII Nr. 1.

Die dreizehnte Plenarsitzung der ba- dischen historischen Kommission vurde am 19. und 20. Oktober 1894 in Karls- ruhe abgehalten.

Seit der letzten Plenarsitzung (im Ok- tober 1893) sind nachstehende Veröffent- lichungen im Buchhandel erschienen:

Fester, B., Regesten der Markgrafen von Baden und Hachberg. I. Bd. 4. und

5. Lieferung. Innsbruck, Wagner. Koch, A., und Wille, J., Regesten

der Pfalzgrafen am Rhein. 1. Band 5. und

6. Lieferung (Schluss). Innsbruck, Wagner«

Cartellieri, A., Regesten zur Ge- schichte der Bischöfe von Konstanz. II. Bd. 1. Lieferung. Innsbruck, Wagner.

Krieger, A., Topographisches Wör- terbuch des Grossherzogtums Baden. Zweite Abteilung. Heidelberg, Winter.

Kindler von Knobloch, J., Ober- badisches Geschlechterbuch. 1. Lieferung. Heidelberg, Winter.

Badische Nei^ahrsblätter. Viertes Blatt 1894. Baumann, F. L., Die Territorien des Seekreises 1800. Karlsruhe, Braun. Zeitschrift für die Geschichte des Ober- rheins, Neue Folge, IX. Bd., nebst des Mitteilungen der Badischen historischeD Kommission Nr. 16. Karlsruhe, J. Biele- felds Verlag.

Über die einzelnen wissenschaftlichen Unternehmungen wurden Berichte erstattet und Beschlüsse gefasst, die in nachstehen- der Übersicht zusammengestellt sind:

1. MtUdaUerliche Queüen-, insbetondere Begestenwerke. Die Schlussliefenmg des ersten Bandes der Regesten für die Geschichte der Bischöfe von Kon- stanz, welche das von Dr. Müller (jetzt in Leipzig) bearbeitete Register enthält, befindet sich unter der Presse, der Satz ist bis zum Buchstaben M vorgeschritten« so dass die Lieferung jedenfalls zu Beginn des Jahres 1895 ausgegeben werden kann. Von den durch Dr. Fester in München

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bearbeiteten Regesten der Markgrafen von Baden und Hachberg werden im nächsten Jahre zwei, von dem durch Dr. Cartellieri bearbeiteten zweiten Bande der Konstanzer Regesten wird eine Lieferung zur Veröffentlichung gelangen. Flur die beiden Bearbeiter wird der Be- such einiger auswärtigen Archive nötig werden. Da Professor Dr. Schulte sich infolge seiner Berufung an die Universität Freiburg veranlasst sieht, die Oberleitung der Konstanzer Regesten, deren Bearbeiter Dr. Cartellieri als etatsmässiger wis- senschaftlicher Hilfsarbeiter am Grossh. General-Landesarchiv seinen Wohnsitz in Karlsruhe hat, abzugeben, hat diese Archiv- direktor Dr. V. Weech wieder übernom- men. — Infolge der Ernennung des Dr. Albert zum Stadtarchivar in Freiburg ging die von diesem begonnene Bearbei- tung des Registers zum dritten Bande des Codex diplomaticus Salemitanus an Dr. Isenhart über, welcher dieselbe in der nächsten Zeit zum Abschluss bringen wird.

Für die Bearbeitung des Stadtrechtes von Überlingen ist es. dem Archivrat Dr. B a u m a n n gelungen, in Professor Dr. Georg Cohn in Zürich einen Bearbeiter zu ge- winnen. Die Bearbeitung der Stadtrechte von Wertheim und Wimpfen und ihrer Töchterorte hat Geh. Hofrat Professor Dr. Schröder übernommen, und es steht das Erscheinen von drei Heften dieser Publi- kation für das Jahr 1895 in Aussicht. Den mit der Vorbereitung zur Herausgabe der Stadtrechte und Weistümer des Oberrheins beschäftigten Mitgliedern der Kommission: Baumann, Schröder, Schulte und Wiegand, hat sich nun noch ein fünftes Mitglied, Archivrat Dr. Krieger, angeschlossen, der in erster Reihe die in den Sammlungen des General-Landesar- chivs verwahrten Stücke verzeichnen wird.

Professor Dr. Schulte hat von der archivaüschen Reise, die er zur Sammlung von Urkunden und Aktenstücken zur Geschichte des Handelsverkehrs der oberitalienischen Städte mit den Städten des Oberrheins im Mit- telalter nach Mailand und Öenua unter- nommen, eine überaus reiche Ausbeute mitgebracht. Eine zweite Reise, die ihn

auch noch in andere Städte Oberitaliens^ führen wird, ist für das nächste Jahr in Aussicht genommen. Die Frage, ob sofort mit der Publikation eines ersten Heftes von Beiträgen zur Geschichte dieses Han- delsverkehres begonnen werden oder die- selbe erst nach Absolvierung der zweiten italienischen Reise in Angriff genommen werden soll, ist näherer Erwägung anheim- gestellt.

2. QueUenpMikationen zur neueren Ge- schichte. Das Manuskript des vierten Bandes der Politischen Korrespon- denz Karl Friedrichs von Baden ist druckfertig und es kann nach Mitteilung des Herausgebers, Archivrats Dr. Obser, der Druck alsbald beginnen, so dass in der ersten Hälfte des Jahres 1895 der Ausgabe des Bandes, welcher die Zeit von Februer 1801 bis April 1804 umfassen wird, entgegengesehen werden darf. Im Stift St. Paul im Lavantthal hat Archiv- direktor Dr. V. Weech während eines mehrwöchentlichen Aufenthaltes die um- fangreiche Korrespondenz des Fürst- abtes Martin Gerbert von St. Bla- sien durchgearbeitet. Durch das sehr dankenswerte Entgegenkommen des dor- tigen Hofmeisteramtes, welchem das Stifts- archiv untersteht, wird es möglich, dass die Korrespondenzbände dem General- Landesarchiv zu Karlsruhe zur Benutzung durch den Herausgeber übersandt werden. Zur Bearbeitung wird von diesem mit Zu- stimmung der Kommission Dr. Hauck herangezogen. Auch die Bearbeitung der Berichte der päpstlichen Nuntien in Wien und Paris aus der Zeit vor dem Ausbruch des orleanischen Krieges^ welche Archivdirektor v. Weech aufgrund seiner im Frülgahr 1893 unternommenen Durchsicht der betreffenden Bände der Nuntiaturen von Wien und Paris im Vati- kanischen Archiv zu Rom abschreiben liess,. soll so gefördert werden, dass das druck- fertige Manuskript der nächsten Plenar- sitzung vorgelegt werden kann.

3. Bearbeitungen. Von dem Topo- graphischen Wörterbuch des Gross- herzogtums Baden, bearbeitet von Archivrat Dr. Krieger, befindet sich die dritte Lieferung unter der Presse, die

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vierte wird im Laufe des Jahres 1895 zum Abschluss gebracht werden. Professor Dr. Gothein stellt die Yollendung des zweiten Bandes der Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes und der angrenzenden Oaue im Laufe des nächsten Jahres in Aussicht. Die zweite Lieferung des von Oberstlieutenant a. D. Eindler v. Knob- loch, Mitglied des Königl. preussischen Heroldsamtes, bearbeiteten Oberbadi- tichen Geschlechterbuches ist «inter der Presse, Lieferung 3 und 4 werden im Jahre 1895 erscheinen. Die Zeichnung der Wappen ist seit September dieses Jahres dem Hof wappenmal er Hein- xich Nahde in Berlin übertragen. Die Yorbereitungen für die Herausgabe der "Siegel und Wappen der badischen Gemeinden haben durch einen Wechsel in der Person des Zeichners eine Verzöge- rung erlitten; der Eintritt eines neuen Zeichners, Fr. Held dahier, lässt erwar- ten, dass die Arbeit jetzt so rasch geför- dert werden kann, um die nächste Plenar- sitzung in den Stand zu setzen, den Be- f;inn der Veröffentlichung zu genehmigen.

Dr. A. Rössger verspricht, die ihm übertragene Studie über die Herkunft der romanischen Einwanderung in Baden in den Jahren 1685 ff., an deren Abschluss er verhindert war, nun bestimmt im Laufe des Jahres 1895 zu vollenden.

Die Einreichung einer statistischen Ar- beit über die Bevölkerung der Stadt Heidelberg im 16. Jahrhundert, für welche ein Druckzuschuss seitens der Kom- mission erbeten wurde, hat den Professor Dr. Bücher zu eihem Antrag veranlasst, welcher eine namhafte Erweiterung des "Gebietes und der Zeit, auf welche sich eine von der Kommission unter ihre Ver- •öffentlichungen aufzunehmende statistische Ausarbeitung erstrecken soll, in's Auge fasst. Dieselbe wird voraussichtlich der nächsten Plenarsitzung vorgelegt werden. 4. Periodtsche PublikaUonen. Von der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Neue Folge, red. von Prof. Dr. A. Schulte in Freiburg i. B., befindet sich das erste Heft des zehnten Bandes unter der Presse. Diesem Bande soll ein den Inhalt der ersten zehn Bände der

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Neuen Folge nachweisendes Register beigegeben werden. In den Mitteilun- gen der Badischen historischen Kommission, von denen bis jetzt 16 Nummern vorliegen, werden auch fortan die von unsem Pflegern verfassten Ver- zeichnisse der von ihnen geordneten Ar- chive der Gemeinden (1284), Pfarreien (777 539 katholische, 238 evangelische ), Grundherren (25) u. s. f. veröffentlicht wer- den. Mit der Ordnung und Verzeichnung der noch nicht besuchten Archive (darun- ter 326 von Gemeinden, 341 von Pfarreien, 28 von Grundherren) werden die 47 Pfle- ger ' unter Leitung der Bezirkspfleger: Archivrat Bau mann, Professoren Maa- rer, Dr. Roder und Dr. Wille, fort- fahren. — Das Neujahrsblatt für 1895, welches die Zustande in der Kurpfalz nach dem 30jährigen Krieg behandelt, verfasst von Professor Dr. Gothein in Bonn, wird in Bälde der Druckerei übergeben werden. Für das Jahr 1896 hat die Bearbeitung des Xeujahrsblattes Privatdozent Dr. Fester in München übernommen. Als Thema bat er die Geschichte des Markgrafen Bern- hard I. von Baden gewählt

Ausserdem wurde nebst Erledigong der geschäftlichen Angelegenheiten beschlossen, die Konferenzen von Vertretern der landesgeschichtlichen Publika- tionsinstitute, welche häufig in Ver- bindung mit den deutschen Historikertagen stattfinden sollen, zu beschicken.

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Mirz Jahrgang XIY, Nr. 3. 1895.

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Neue Funde.

Der „Heidenofen" bei Niederbrombacli

(Fiirstentam Birkenfeld) Zwischen Nieder- brombach und dem Fischerhof senkt sich, in der Nähe der Römerstrasse Castel- Brombach beginnend, das Thal des kleinen Bärenbacbs in die Hochfläche ein; in einem von Norden her einmündenden Seiten- tbälchen, das die Grenze zwischen dem „Duppelbäsch" und dem ebenfalls bewal- deten „Duppelberg'* bildet, befindet sich der sogenannte „Heidenofen'' (däre-Uwe), der von jeher die Phantasie der Anwohner lebhaft beschäftigt hat. So lag es, zumal bei der Bedeutsamlieit so vieler mit » Hei- den'' zusammengesetzten Ortsnamen, nahe, dass der Birkenfelder Verein für Alter- tumskunde den Platz einer Untersuchung unterzog, welche im Sept. 1893 unter An- wohnung nicht weniger Yereinsgenossen vorgenommen wurde.

Mit dem erwähnten Namen bezeichnet man eine Höhle in einer ungefähr 11 m langen und 4 m hohen Felswand, welche sich da, wo die oben ganz enge Thal- schlucht sich etwas weiter öffnet, über einer Terrasse an der Westseite erhebt. Der Name „Ofen" ist allerdings insofern bezeichnend', als die Form der Höhle grosse Ähnlichkeit mit einem Backofen hat. Während sie beim Eingang nur 70 cm hoch ist, erhebt sich ihre Decke im hin- teren Teile mit ziemlich regelmässiger Wölbung bis zu 1,47 m; der ziemlich

ebene, vorn etwas ansteigende, hinten ein wenig eingesenkte Boden bildet ein Huf- eisen von 8,20 m Länge und 2,60 m Breite am Eingang, während die grösste Breite, gerade unter der 1 m vom hinteren Ende entfernten höchsten Wölbung, 3 m beträgt. Inwieweit die so gestaltete Höhle auf na- türlicher Bildung beruht oder von Men- schenhand hergestellt ist, muss fachmän- nischer Beurteilung anheimgegeben werden. Für menschliche Anlage scheint die vor ihr befindliche, ungefähr ^'2 m tiefer lie- gende, 4 m breite Terrasse zu sprechen, deren jetzige Unebenheit grossenteils we- nigstens von herabgefallenen Felsstücken und Erdmassen herrührt, die bei der Unter- suchung nur zu einem kleinen Teil abge- hoben wurden. Das den Boden der Höhle vorne bedeckende Erdreich wurde ganz ausgeräumt, aber beachtenswerte Funde, wie man sie gerade im Inneren der Höhle für möglich gehalten hatte, nicht gemacht. Doch ist es nach der Beschaffenheit der Höhle und des Vorplatzes nicht un- wahrscheinlich, dass sich da in dem war- men, nach Süden geöffneten Thälchen in vorgeschichtlicher Zeit eine menschliche Ansiedelung befunden hat, von der, als der Name „Heidenofen'' aufkam, noch deutliche Spuren oder Überreste vorhan- den gewesen sein mögen. Ohne solche würde man den Platz wohl nicht zu den „Heiden" in Beziehung gesetzt haben. Ob eine völlige Abräumung des Vorplatzes

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bestimmtere Ergebnisse liefern würde, ist sehr zweifelhaft, fiirkenfeld. Back.

9. Trier. [Mmitcher Krug mit Aufschrift].

In einem Skelettgrab des nördlichen Grä- berfeldes von Trier (im Maar) fand sich vor kurzem ein kleiner zierlicher Henkel- krug von 16 cm Höhe. Er ist braunrot gefärbt mit unregelmässigen dunkleren Flecken und Streifen, gehört also zu der Sorte der sogenannten gellammten Thon- ware. Die Form veranschaulicht die bei- gegebene Abbildung, aus welcher auch die

merkwürdige Vexiervorrichtung im Innern des Kruges ersichtlich ist. Diese bewirkt, dass das Gefäss durch die Mündung zwar gefüllt, aber nicht geleert werden kann; dies letztere geschieht vielmehr durch ein Loch in dem hohlen Henkel. Auf dem Bauch stehen in auffallend sorgföltigen Buchstaben, welche entschieden von dem mehr cursiven Charakter ähnlicher Gefäss- aufschriften abweichen, en barbotine auf- gemalt die Worte: vinuni vires. Schluss und Anfang der Inschrift sind von einander durch eine Art Interpunktion getrennt. Die Aufschrift kommt meines Wissens sonst in dieser Zusammensetzung nicht vor. Wohl findet sich vi man allein und ebenso vires allein auf Trinkbechern aufgemalt ^). Wenn man nicht annehmen will, dass die Zusammenstellung der Wörter ganz will- kürlich und sinnlos sei, was bei dieser Art Gefässaufschriften immerhin nicht das Ge-

1) Vgl. J. Klein: Kleinere inschriftl. Denk- mäler des Bonner Provincialmasenms , Bonner Jahrbficber LXXSLYU, 1889, S. 72, Nr. 41, 92 und 86 nnd Maxe-Werly : vases ä inscriptions bachiques in den m^moires des antiqnaires de France 1888 S. 372 f. unter Kr. 135 nnd 138.

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wohnliche ist, so wird man wohl den Aus- fkll eines Verbums annehmen müssen <'etwa vinum vires det oder augeat o. dgl. i. Die Aufschriften dieser Trinkgefässe «ithaUen ja grossenteils eine AufFordemng an den Wirt oder den Trinker oder einen Grass oder Segenswunsch (vgl. die enähnte Zusammenstellung in den m^meires d^ antiquaires), haben also meist imperatiTi- sehen oder optativischen Charakter, so dass in solchen Trinkspruchen das Yerbimi wohl als selbsverständlich ausgelassen wer- den konnte. So findet sich z. B. die Auf- schrift vinum tibi dvUcis (sie!)*), wo jeden- falls esto zu ergänzen ist. Der Krag wird der Form nach um das Jahr 3vJ0 iq datieren sein. Trier. Dr. H. Lehn er.

Chronik.

WQrtttmiMrfiMlit KDnttlar in LtbtiitbHdini von Dr ^

Aug. Wette rlin. Deutsche Yerlagua- Btalt. Stuttgart, Leipiig, Berlin, Wien. 1S95 8. Vni und 498 SS., 22 Bildnisse.

Das Buch ist eine Zusammenstellang 1 von Beiträgen Wetterlins zu der Allgemei- ' nen deutschen Biographie und von Vor- trägen, welche er bei verschiedenen Ge- 1 legenheiten gehalten hat. Die Anordnung ist chronologisch. Der Inhalt bietet eise Auswahl, kein Lexikon, der Württemberg!- 1 sehen Künstler. Um so stolzer köoneo die Bewohner des kleinen Königreiches auf den stattlichen Ahnensaal ihres Geistes- adels hinblicken, welchen W.'s Buch dar- stellt. Dasselbe ist in gevrissem Sinne eine Fortsetzung der Forschungen Heidelolfe auf dem Gebiete der schwäbischen Kanst. Haben jene die mittelalterlichen Herror- bringungen derselben im Auge, so beginnt W. mit der Renaissance und verfolgt seine Künstlerreihe bis in unsere Tage. Das Ganze ist der Natur seiner Anlage nach nicht organisch gegliedert. Jedes Lebensbild bildet ein in sich abgeschlossenes Ganze. Infolge dessen sind selbstverständlich ^Vi^ derholungen unvermeidlich, namentlich im historischen und biographischen Hinter- grunde der einzelnen Lebensschilderungen; doch wirken dieselben weniger ermüdend.

2) Memoires des »ntiquaires a. a. O. S. 37^ Nr. 137.

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ak etwa die stehen gebliebene Dekoration beim Scenenwechsel des Theaters, da die- selben Dinge doch immer in anderer Form wiedeiigegeben werden. Dieser Umstand bat übrigens nicht Gewicht genug, um den l^uusch zu erwecken, die markig gezeich- neten Umrisse der im Buche dargestellten Einzelleben mehr ineinander verfliessen zu sehen. Mit dem Scharfblick des Porträt- malers erfasst W. den Hauptinhalt jedes Künstlerlebens und fasst ihn meist motto- artig am Eingang desselben in kurz be- zeichnende Worte. Doch ist der Haupt- reiz des wirklich fesselnden Buches in seinem Gegenstände selbst gelegen und W.'s unbestreitbares Verdienst ist es, den- selben in Sehweite gerückt zu haben. Die Renaissance hat hier nur einen Vertreter. Das Interesse, das dem Buche innewohnt, gipfelt in der Zeit des Herzogs Karl und seiner unmittelbaren Nachfolger, nament- lich in den Schülern der Karlsschule, den Mitschülern Schillers, welche im Unter- schiede von ihm nicht im Widerstreit gegen den schier allmächtigen Willen des Landesherrn, sondern unter der Sonne seiner Gunst gediehen sind. Den stärksten Gegensatz zu Schiller bietet hierin J. G. Müller, welchen der Landesherr wider seinen Willen, doch mit dem besten Er- folge in die Laufbahn des Kupferstechers gelenkt hat. Müller Vater und Sohn, die Meister der h. Cäcilia und des noch heute gefeierten Johannes auf Patmos, sind zwei wohlthuende Erscheinungen, welche den seltenen Fall darbieten, wo der Sohn im friedlichen Wettstreit mit dem Vater den letzteren in seiner eigenen Kraft übertrifft. Überwiegen die Maler und Kupfer- stecher an Zahl, so nehmen die Bildhauer an Bedeutung den grussten Teil des In- teresses für sich in Anspruch. Im Brenn- punkte desselben stehen Schaffauer und Dannecker. Namentlich letzterer hat zum Durchbriiche der klassischen Richtung in Deutschland ein Erkleckliches beigetragen und erscheint Männern wie Canova, Thor- waldsen und Rauch ebenbürtig. Die Parallel- leben der beiden aus sehr niederem Stande hervorgegangenen Männer, welche beide die sich ablösenden Ideale des Pariser klassischen Zopfes, sowie der echten

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Klassicität wiederspiegeln, sind sehr lebens- voll gezeichnet. In ihnen, wie in noch manchen andren verkörpert sich eine be- deutsame Zeitströmung in einer Weise, die ihre Bedeutung weit über die Grenzen ihres Landes ausdehnt. Ähnliches lässt sich von dem an erster Stelle behandelten Baumeister H. Schickard sagen, dessen offener allumfassender Blick samt der Ge- wohnheit das Durchlebte und Durchdachte in Collectaneen niederzulegen, welche glück- licherweise erhalten sind, an Leonardo da Vinci und seinen Codice atlantico erinnert. Auch an dramatischer Gestaltung des Le- bensganges ist in W.'s Buche kein Mangel. Am meisten wird die menschliche Teil- nahme hier durch die Schicksale des be- gabten Malers Gangloff erweckt. Alles was Württemberg Schönes und Grosses that, i'ommt in dem einen oder andren dieser Leben zur Geltung, von den Büsten Schillers und Uhlands bis zu den arabi- schen Pferden des königlichen Gestütes. Freilich zeigt sich die grösste Begabung und regste Bethätigung des Küostlergeistes in der Zeit der engen landesherrlichen Begrenzung. Doch hat die Revolution hier keinen jähen Bruch mit der Vergangenheit gebracht, so dass ein guter Stamm von Künstlern sich hinüberrettete in eine Zeit, wo das kleine Königreich in ein grösseres Ganze mit freierem Gesichtskreise schliess- lich aufgehen sollte. Jedenfalls hat W. bewiesen, dass sein an Künstlern jeder Gattung sehr fruchtbares Vaterland, „in lebendigstem Zusammenhange mit allen grossen Strömungen und Wandlungen der deutschen, um nicht zu sagen, der euro- päischen Kunstentwicklung, zumal im 18. und 1^. Jahrhundert" gestanden hat. Eine grosse und schöne Aufgabe hat er in wür- diger Weise mit wissenschaftlicher Gründ- lichkeit und künstlerisch selbständigem Urteile gelöst. Trier. Ken ff er.

Ebsrh. Gothefn, Bilder aus der Kulturgeschichte \\^ der Pfalz nach dem dreissigj&hrigen Kriege. (Badische Neujahrsblätter, hrsg. voa der Badischen Historischen Kommission, Nr. 5). Karlsruhe 1895.

Die Badische Historische Kommission, die seit dem J. 1887 die historische Fach- litteratur durch eine grosse Zahl von

Quellenpublikationen und darstellenden Werken in verdienstvollster Weise be- reichert hat, sucht seit dem J. 1891 da- neben auch durch Yerüffentlicbungen, „die in gemeinverständlicher Sprache verfasst sind, an die weitesten Kreise unseres Vol- kes, insbesondere auch an unsere heran- wachsende Jugend sich wenden, unter diesen die Kunde der Vergangenheit unse- rer Heimat verbreiten, dadurch die Liebe zur vaterländischen Geschichte und damit auch die Vaterlandsliebe selbst wecken und nähren", dem Berufe der Geschichte, durch Verbindung der Wissenschaft mit dem Leben wohlthätig auch ausserhalb der Fachkreise zu wirken, gerecht zu werden. Die Neujahrsblätter dienen dieser Absicht, und es verdient alle Anerkennung, dass so bewährte Kräfte, wie K. Bissinger, F. von Weech, B. Erdmannsdörflfer , F. L. Baumann, Eb. Gothein, die Verfasser der bisher erschienenen Nummern^), sich in den Dienst dieser Aufgabe gestellt haben. In dem vorliegenden Heft schildert Go- thein die Schicksale der Pfalz in den vier- zig Friedensjahren zwischen dem West- fälischen Frieden und den französischen Raubkriegen, also in den Jahren, in denen das Land unter dem Regiment des begab- ten Kurförsten Karl Ludwig seine im dreissigjährigen Krieg aufs äusserste zer- rütteten Kräfte so auffallend schnell wie- der zu sammeln verstand . Unter der Lei- tung eines der verständigsten Fürsten seinei; Zeit, der seine durch den langen Krieg in die Zustände der Naturalwirt- schaft, zurück versetzten Unterthanen zu wirtschaftlicher Selbständigkeit methodisch zu erziehen trachtete, hob sich das Land auf eine die meisten deutschen Territorien überragende Stufe. In der geistvollen und formvollendeten Weise, die seine Ausfüh- rungen immer auszeichnet, führt G. einige besonders prägnante Momente aus dieser Entwicklimg näher aus : vor allem die nach niederländischen Vorbildern erfolgte Grün-

1) Ihre Titel seien hier kurs satammenge stellt: 1. K. Bissinger,- Bilder aus der Urgeschichte des Badischen Landes, 1891: 2. F. von Weech. Badische Truppen in Spanien 1819—1813, 1892; 3. B. Erdmann sdörf er, Das badische Oberland im J. 1785, 1893; F. L. Baum an n. Die Terri- torien des Seekreises, im J. 1800, 1894.

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düng der Handelsstadt Mannheim, die be« sonders mit hugenottischen Emwanderem bevölkert wurde, und die allgemeine För- derung des städtischen Lebens, daneben die Bemühungen zur Verbessemng des Münzwesens, die Gewährung der Frei- zügigkeit im Lande selbst und mit den Nachbarterritorien, die Erleichterung der Frohnden, die Sorge für den Wald, die Hebung der Bodenkultur (Getreide-, Wein-. Hanf-, Flachs-, Öl- und Tabakbau). An diese inhaltreichen Ausfahrungen schliesst sich ein Überblick über die Haltung der Beamten und der Geistlichkeit, welche diesen Reformen des Bürger- und Bauern- stands misstrauisch gegenüberstanden, aber trotz allen polizeilichen und puritanischen Eifers gegen die mit der Hebung des Wohl- stands sich wieder einstellende fröhliche Lebenslust der, Pfalzer nichts auszorichtei vermochten.

Die QMChleht« dar Jftfd Im Taunus, mit besonderer 12. Berücksichtigung 4«« Rotwiidbestande», ge- widmet ftllen waidgerechten Jägern der Ver- gangenheit, Gegenwart und Zukunft vnn IBdgar Conrad Arthur Andreae. Frank- furt a. M. 1894. 493 8.

Soweit das hübsch ausgestattete Buch für den Jäger und Forstmann geschrieben ist, entzieht sich dasselbe unserer Beur- teilung. Neben dem will Verf. die Ge- schieht« der Jagd im Taiunus geben, zeigt aber schon in den einleitenden Wortea^ welche Grenzen er für seine Aufgabe ge- zogen hat. Das Buch ist mehr eine Ge- schichte der Jagd in der näheren Umge- bung von Frankfurt, der sudlichen Ab- hänge des Taunus und namentlich von Homburg, als des gesamten Taunusgebiets. Weniger berücksichtigt ist der mittlere und westliche Teil des Taunus; hier lagea die grossen Jagdgebiete der Erzbiscbüfe von MainZf der Grafen von Katzenelnbogea und Nassau. Freilich sind hier aus der vorhandenen Litteratur nur wenige Nach- richten zu sammeln ; zur Gewinnung de» wohl nicht unerheblichen Materials wären umfassende archivalische Studien erforder- lich gewesen, an welchen Verf. vorbeige- gangen ist. Vereinzeltes ist dem Frank- furter Stadtarchiv entnommen; eimnai^ S. 169, werden alte Akten eines gräflich Solms'schen Archivs angeführt, welches.

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-wird nicht gesa^. Die Darstellung geht bis in die ältere germanische Zeit und die römische Periode zurück. Schon hier, auf den ersten Seiten des Buches, zeigt Verf. eine unglückselige Neigung zu etymologi- schen Spielereien, die im Verlaufe der Dar- stellung noch manche witde Blume sprossen lässt. Hier beigegebene Verzeichnisse rö- mischer und germanischer Befestigungsan- lagen und Bauwerke sind ungenau und unvollstäadig , waren überdies fiir den Zweck des Buches wolil entbehrlich. Gre- scbichtliche Irrtümer und Versehen begeg- nen uns überdies hier. Weitere Abschnitte, die Jagd in neuerer Zeit, besonders die der Herzoge von Nassau und der Land- grafen von Hessen - Homburg, sind an- sprechender und bieten dem Leser manches Interessante; Verf., selbst Frankfurter, be- spricht hier manches nach seiner persön- lichen Kenntnis und Erfahrung. Die S. 156-376 folgende Beschreibung der einzelnen Reviere verleiht dem Buche, welches der erste Versuch auf diesem Ge- biete ist, Wert ; hier hat Verf. viele schätz- bare Nachrichten gesammelt und zusam- mengetragen. Vielfach störend ist jedoch die Anordnung des Teiles; statt der ein- gehaltenen alphabetischen Ordnung der einzelnen Ortschaften und Reviere würde die geographische Folge vielleicht un- ter Zugrundelef^ung der grösseren Forst- bezirke — die Übersicht erleichtert haben. Weit mehr wie in den übrigen Teilen des Buches treffen wir die schon berührten etymologischen Versuche des Verf. Auch in einem für ein grösseres Publikum ge- schriebenen Buche haben derartige Ver- suche des Dilettantismus doch keinen Platz mehr. Auch geschichtliche Verstösse sind nicht selten. Wir notieren hier: S. 184 werden Cronbefger Wald und Cronberger Mark identifiziert, obwohl vorher S. 54 bessere Nachrichten gegeben sind. S. 191: die Identität von Dorfsatzhausen und Burg- satzhauseu ist doch sehr fraglich. S. 195 soll der Name Eppenheim von einem Grafen Eppenstein, der hier von Eppstein und Münden besass, oder von Epe Trau- benkirsche herrühren! S. 196 ist unrich- tig, dass der Ort Eppstein zuerst 983 ge- nannt wird, sowie dass aus dem dortigen

Edelgeschlechte fünf Erzbischöfe hervor- gingen. S. 200 wird der Ortsname Esch- born erklärt vom Kohlenbrennen ' aua Eschenholz ^ da hörnen = brennen; die- dieser Erklärung boigegebenen Erläute- rungen [Vergleichung der Ritter mit Köh- lern] sind anscheinend scherzhaft gemeint,, gehören aber nicht zur Sache. S. 202 1 dass Falkenstein auch Rumberg hiess, ist nicht richtig. S. 244 befriedigt die An- gabe, dass Homburg von „einem der Epp- steiner*' erbaut sein soll, doch wenig. S, 249: Kalkheim hiess nicht Kadelkang,. sondern Kadelkamp. S. 2dl hat ein Her- mannsweg bei Wörsdorf wohl wenig mit dem Cherusker Hermann zu thun. S. 253- sind die älteren Nachrichten über Köoig- stein recht ungenau ; ausserdem wurde di& Festung Königstein nicht erst 1800, sondern bereits 1796 von den Franzosen in di& Luft gesprengt; Versehen dieser Art sind Nachlässigkeiten. Die Sage, dass der Frankenkönig Chlodwig 49ß bei Frankfurt und im Taunus alltäglich mit seinen Reisi- gen, vielen Pferden und Hunden, mit dem Jagdspies gejagt und hierbei Königstein entdeckt habe, beruht doch wohl auf müssiger Erfindung. Mehrfach wird die Erklärung von Hühnerpfad ** als ein für den Hühnerhandel bestimmter Weg ange- führt, wie S. 259, 298, ähnlich auch S. 25^ eine Deutung für „Hühnerkopf". Ebenso sonderbar S. 268 die Deutung von „Keller- berg, der entweder mit dem Keller-Amt- mann oder einem wirklichen Keller m, Verbindung gebracht wird. S. 269 sind die beiden getrennt genannten Mammols- hain und Mamolsheim wohl dieselben. S. 297 soll Morien, Obermörlen aus Mole- Mühle entstanden sein. Dass S. 300 VolU marzhausfn das heutige Merzhausen sein soll, ist zweifelhaft. S. 309 werden die. Wolfskehläcker von Wölfen abgeleitet, wes- halb nicht von einem Besitzer von Wolfs- kehl? S. 383 lässt Verf. das „alte Geschlecht der Nühring im Aufauge des Mittelalter» auf dem Eppenstein residieren und voa ihm die Cronberger und Falkensteiner ab- stammen*', meines Wissens hat dies bisher Niemand im Ernste behauptet! S. 353 soll eine Flur „Altarhecke'' ihren Namen da- her haben, dass dort ein Altar gestanden t

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Desgleichen einen Flur Schliok vom ^chlingenstellen! S. 358, ebenso S. 83 und öfter: Herzog Wilhelm von Nassau hatte das Prädikat „Hoheit** nicht. 8.366: Die Bezirksstrasse Wiesbaden - Limburg heisst nicht „Platterstrasse**, sondern bis zur Platte „Platterchaussee**. S. 870 soll Wild- sachsen den Namen von vielem Wilde haben, was schwerlich jemand glauben wird. Diese Sammlung Hesse sich noch vermehren; ebenso könnten Beispiele von nicht kor- rekter Schreibung der Personen- und Orts- namen beigefügt werden. Druckfehler wie Nassau-Jastein statt Idstein S. 54 waren zu vermeiden. Beigefügt sind Auszüge aus Weistümern, meist aus Grimm; ein Ab- druck des Märkergedings von Oberursel 1653, die auf der Vorlage dieses Abdrucks befindliche Anlage-Signatur „Lit. G.** war bei dieser Wiederholung entbehrlich ; einige Nassauische Verordnungen und endlich eine Forstkarte des Taunus. W.

13. G. H. Ch. Maatttn, Geschichte der Pfarreien dee Dekanats Bonn. Erster Teil, Stadt Bonn. Köln 1894, Bachern.

Der Schwerpunkt dieses neuen Bandes der kölnischen Pfarreiengeschichte liegt in den mit anerkennenswertem Fleiss zusam- mengestellten lokalgeschichtlichen Mittei- lungen; die Benutzung der unbekannten Materialien der einschlägigen Pfarrarchive ist dem Buch in dieser Hinsicht besonders zugute gekommen. Zu bedauern ist nur, ilass der Verfasser der Versuchung erlegen ist, auch Dinge von allgemeinerer Bedeu- tung, Fragen aus der kirchlichen Verfas- sungsgeschichte, aus der Geschichte der Reformation und Gegenreformation im Erz- stift Köln u. s. w. in einer Art von Ein- leitung ausführlich zu behandeln. Was er über diese Dinge vorbringt, ist lediglich ein Auszug aus der älteren, z. T. der ver- alteten Litteratur, und es kommt noch ' hinzu, dass die wirklich entscheidenden Werke dem Vf. gänzlich unbekannt geblie- hen sind. Wenn er über die Entwicklung des Archidiakonats handelt, so fehlt ihm nicht nur die Kenntnis der kirchenrecht- lichen Werke von Hinschius und Phillips, sondern selbst das bekannte die Grund- fragen eingehend erörternde Werk von Mooren, Das Dortmunder Archidiakonat, hat bisher seinen Weg zum Vf. noch nicht

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gefunden. Der Abschnitt: Verhältnis von Propst und Kapitel (es handelt sich um das Cassius- und Florentiusstift in Bonn) begnügt sich mit einer knappen Erörterung von Verhältnissen des 18. Jahrb., während bekanntlich die kirchenrechtlich so wichtige Auseinandersetzung zwischen Propst und Kapitel in den deutschen Stiftern einige Jahrhunderte früher, im wesentlichen in das 12. und 18. Jahrhundert, fällt Bei der Schilderung der Reformation und Gegen- reformation im Erzstift Köln zeigt sich, dass Werke wie Varrentrapp, Hermann von Wied oder Lossen, Der Kölnische Krieg (um nur diese zu erwähnen) dem Autor gänzlich unbekannt sind. Und wa» soll man z. B. zu dem „Delphin von Ve- nedig" (S. 58) sagen, der Johann Gropper^ Schriften „mit scharfer Censur verfolgte* r Es handelt sich um den bekannten Bischof Pharos, spätem Cardinal Zacharias Del- finus, der Groppers Lehren von der Recht- fertigung u. s. w. als haeretisch verdammt wissen wollte*). Diese kleine Auslese möge genügen. Es ist ja gewisa für einen isoliert lebenden Autor schwer, die neueo Erscheinungen der Litteratur zu Verfolges und in allen Punkten auf der Höhe der Forschung zu bleiben, aber die Erkenntnis dieser Schwierigkeit sollte m. E. die betr. Vf. auoh veranlassen, bei der Bearbeitung ihres Stoffes in dem Rahmen zu bleiben, der ihnen durch die Macht der Verhält- nisse angewiesen ist, d. i. in diesem Fall der rein lokalhistorische. Innerhalb dieses Rahmens ist es ihnen durch die Benutzung von sonst unzugänglichem handschriftlichem Material möglich, der Forschung neue Thatsachen zur Verfügung zu stellen und dadurch ihren Arbeiten einen dauernden Wert zu verschaffen; die beliebten allge- meinen Erörterungen ohne die erforder- liche Sach- und Litteraturkenntnis sind da- gegen nur imstande, den Wert ihrer Werke empfindlich zu beeinträchtigen. H.

1) Vgl. Brieger in Ersch nntl Graben Kacvd»- pftdie I, 92 S 232. Die betr. AusfUbmngen (1«< Cardinals Delfinus liegen im Vatikanischen Archiv. Nnns. di Germania toL 84 vor (vgl. dasn Schvarz im Hist. Jahrb. der GArretgesellschaft ^11, 5^ der ebd. S. 598 ff. Groppers Selbstverteidigung » - druckt). Groppers Enchiridion von 1538 kam ^f- kanntlich später auf den Index.

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14. Katalog der StadIbibliotiMk In KDIn. Abteilang Rh. Geschichte und Landeakonde der Rheinpro- vins. I. Band bearbeitet Ton Dr. Frans Ritter. Köln 1891. (VerOffentlicbnngen der Stadtbibliothek In KAln herausgegeben von Dr. Adolf Keyaser, Stadtbiblio- thekar. 5. und 6. Heft).

Die Kheinische Geschichtsforschung wird es dankbar begrüssen, dass sich, nach- dem die ursprunglich beabsichtigte Her- ausgabe einer Rheinischen Gesamtbiblio- graphie an äusseren Schwierigkeiten ge- scheitert ist, die Verwaltung der Kölner Stadtbibliothek dazu entschlossen hat, den Katalog ihrer Rheinischen Abteilung, d. i. der relativ vollständigsten unter den be- stehenden Sammlungen von Rheinischer Litteratur, an die Öffentlichkeit zu geben. Der vorliegende erste Band behandelt in dem ersten Abschnitt die Litteraturüber- sichten, Bibliographien und Sammelbände, in dem zweiten die Naturgeschichte, in dem dritten die Geographie und allge- meine Statistik und in dem bei weitem umfangreichsten vierten die Landes-, Orts- und Kirchengeschichte der Rheinprovinz, während Kultur-, Kunst-, Litteraturge- schichte, Genealogie und andere Unterab- teilungen der Sammlung dem zweiten Bande vorbehalten sind. Die systematische An- ordnung des Katalogs, über die ein aus- führliches Inhaltsverzeichnis Aufschluss giebt, ist übersichtlich und praktisch, die bei der Bearbeitung massgebenden Grund- sätze entsprechen allen Forderungen der modernen Bibliographie, die Bearbeitung selbst ist mit grösstem Fleiss und aner- kennenswerter Sorgfalt durchgeführt. Zu bedauern bleibt, dass das für den zweiten Band in Aussicht gestellte, dem Benutzer fast unentbehrliche Autorenregister nicht schon diesem hinzugegeben ist. Als Mangel wird ferner das Fehlen sowohl der Hin- weise auf Werke, die zwar Rheinische Geschichte behandeln, aber in einer ande- ren Abteilung der Bibliothek ihre Aufstel- lung und deshalb in diesem Verzeichnis keine Aufnahme gefunden haben, als auch der Hinweise von einem Abschnitt des Katalogs auf den anderen empfunden wer- den. So sucht man z. B. vergebens eine kurze Verweisung auf eine Anzahl von Quel- lenwerken zur Rheinischen Geschichte, die

in grösseren Sammlungen erschienen sind und infolge davon in der Bibliothek an anderer Stelle untergebracht sind, und man vermisst auf S. 198 im Abschnitt „Ortsge- schichte'' unter den Quellen zur Geschichte- der Stadt Köln den Hinweis auf die schoa S. 51 im Abschnitt „Landesgeschichte*' angeführten Chroniken der Stadt Köln. Doch diese Ausstellungen verschlagen nicht viel gegenüber der mannigfachen Förde- rung, die der Forscher aus der schöneni Publikation als einem schon oft entbehr- ten Hülfsmittel zur Orientierung in der ungemein reichen Rheinischen Litteratur gewinnen wird. Knipping.

Franz Cumont, Textea et monumenta fignr^a rela- 15^ tifa aux myatörea de Mlthra, publica avec nne introdnction critique. Bruxellea, Lamer- tin, 1894. 40. Faac. I u. II, 280 p.

Wegen der grossen Verbreitung, die der Mithraskult in den germanischen Provinzen gehabt hat, wird man bei den rheinischen Altertumsforschern ein weitgehendes Inter- esse für die Publikation Cumont's voraus-^ setzen dürfen. Lajard's Werk gleichen Inhalts hat wegen seines hohen Preises, nur in grössere Bibliotheken den Weg ge- funden; 1847 erschienen, bietet es heute für die Mithrasstudien nur eine sehr un- vollkommene Unterlage, da in den nahezu 50 Jahren seit seinem Erscheinen eine- grosse Anzahl und zwar hervorragend wichtiger Monumente zum Vorschein ge- kommen sind; es leidet überdies an viel- fach sehr ungenügenden Abbildungen.

Eine neue Sammlung und namentlich eine neue Durchforschung des gesamten Ma- terials war deshalb eines der dringendsten wissenschaftlichen Bedürfnisse. Niemand war hierfür geeigneter als Cumont, von dem schon seit mehreren Jahren die nütz- lichsten und lehrreichsten Arbeiten über den Mithraskult erschienen sind.

Gumont's Werk ist auf breitester Grund- lage angelegt, es soll umfassen 1) die auf Mithras bezüglichen Partieen der alten Schriftsteller, sowohl der orientalischen wie der griechischen und römischen,- 2) die Inschriften, 3) die Skulpturen, 4) eine aus- fuhrliche Behandlung der mithrischen Re- ligion. — Es ist auf vier Lieferungen be- rechnet, von denen zwei schon erschienea

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"Sind und die beiden übrigen noch im Laufe dieses Jahres ausgegeben werden sollen. Die erste Lieferung enthält die Texte und Inschriften, die zweite die Monumente des Orients, Roms, Italiens und Moesiens; die dritte Lieferung wird die übrigen Monu- mente, die vierte die Zusammenfassung bieten. Der Preis ist im Hinblick auf die zahlreichen Abbildungen sie sind auf gegen 400 veranschlagt ein sehr massiger; die erste Lieferung kostet 10, die zweite 12,50 Francs. Eine ausführ- liche Besprechung werden wir nach Voll- endung des Werkes bringen. Hr.

Miscellanea.

16. Auftfchu'örung des Herzogs Franz von ßraiinschweig ' Giffhorn CIo08—1546J für das Kölner Domkapitel Graf Johann zu Holstein-Schaumburg, Herr zu Gemen, Graf Philipp der ältere zu Waldeck, Graf Philipp zu Solms-Mün- zenberg und Elelherr Simon zur Lippe beurkunden 1520 Mai 28 (Montag nach Pfingsten) für das Domkapitel zu Köln die Abstammung der Mutter des Probanden, der Herzogin Margarethe von Sachsen, dahin, dass H(>rzog Kranz „sone ist des durch- luchtigen hoichgebornen furstinne frauwe Margareten ^) geboren aus dem churfurst- lichen hause zu Saxssen, herzoginne zu Srunswig und Luneborch, und derselbigen frauwen Margreten vater was genant Ernest hertzog zu Saxen, des heiligen Römischen Teichs ertzmarschalls und Churfurst, landt- graif in Dornigen und Marggraf zu Meyssen und desselbigen hertzog Ernesten muter war ein gebom Ertzhertzoginne von Oster- reich genannt frauw Margareta'), keyser Friderichs eheliche swester, hertzoginne zu "Saussen, Landgraeffin in Doringen und Marggraffinne zu Meissen. Auch ist des obgenannten hertzogen Franciscus muter gewest eyn geporn hertzogin von Bayern genant frauw Elisabet '), hertzog Albrechts

1) Herzogin Margaretha von Sachsen, 1470 1528, T. des Kurfttrsten Ernst, 1441—1486.

2) Ersherzogin Margaretha, 1416—1486, Ge- mahlin des Kurfttrsten Friedrich II von Sachsen 1412—1464.

3) Elisabetha von Bayern 1442—1484, T. des Herzogs Albrecht III von Bayern 1401 1460 nnd

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von Ober- und Nieder-Ba}'em dochter, hertzoginne zu Saxssen, landtgrafQnne in Doringen und marggraffin zu Meyssen und der mutter wes eyn gebom hertzoginne za Brunswig genant frauw Anna, hertzogin in Ober- und Nider- Bayern. Also sint die vier anchen von obgemelten hertzogen Franciscus matter wegen Ton den vorge- nenten stemmen mit nahemen Saxssen, Osterrich, Beyeren und Brunswigk, so das die selbigen egenanten alle darchienchtige hoichgeborne fursten, furstinnen, hertzogen und hertzoginnen georen sint, die auch allewege zu rechter ehe gesessen haben und auch die stemme sither menschen gedenken und lenger durchluchtige hoich- gebornne fursten genannt, gedacht, gehal- ten und gewest sint und auch noch se^iu wir auch nicht anders wissen noch gebort haben und schreiben das bey unseren eheren und eyden, die wir allen unsern hem gethan haben, etc

Original mit Siegeln der Aussteller, vermutlich aus dem Nachlasse der lf>38 mit dem Fürsten Georg Ludwig zu Nassau- Dillenburg vermählten Herzogin Anna Auguste von Braunschweig- Wolfenbuttel in das Dillenburger Archiv gelangt. Die in Frage stehende Präbende des Kuloer Domkapitels kann dieselbe sein, welche später der letztgenannten Herzogin Gross- vater, der 1528 geborene Herzog Jnlm von Braunschweig- Wolfenbuttel, besass. W.

der Herzogin Anna von Braunschvreig. Grabes- hagen, f 1474, T. des Heraogs Erich, t 1127-

y erlag der Fr. Lintz'echen Buchhandlung in Trier:

Richard von Greiffenclii zi Villratbs

Erzbischoff und Kurfarst von Trier 1511— 1S31.

Ein Beitrag zur Specialgeschichte der RheinlandB von

Dp. Jül. Wegeier.

Mit einer Tafel. Preis A 1.50.

Lahneck und Oberlahnstein.

Bin Beltraff «ur SpestalffesohlohU der Rheinland«

von Dr. Jul. Wtgeler. Preis 80 Pfg.

Hierzu als Beilage: LimeaUatt Nr. 14.

Dmok n. Verlag der Fr. Linti'iohM Baohbandlaa« in Triar

Vairemltclit u. RSmlscha Z«U

redigiert ron Prof. H«ttn«r u. Dr. Lehn«r,

Mittelaltar und Naozelt

redigiert yon

Archivar Dr. Hanten,

Kttln.

der

Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst,

lugleicli Organ der historiseh-antiquarischen Vereine zn Birkenfeld, Dttsseldorf, Frank- furt a. M., Karlsmhe, Mainz, Nannlieini, Metz, Nenss, Prfim, Speyer, Strassbnrg, Trier, Worms, sowie des antliropologischen Vereins zn Stuttgart.

April

Jahrgang XIV, Nr. 4.

1895.

DtkB Korreepondensblatt arsoheint in einer Auflage ron 4000,Bxemplaren. Ineerate k 26 Pfg. für dl«

gespaltene Zeile werden Ton der Yerlagtliandlnng und allen Ingeraten-Bareani angenommen, Beilagen

naoh Uebereinknnft. Die Zeltiohrift enoheint riertelj&hrlioh, dae Körretpondensblatt monatlioh.

Abonnementepreie 16 Mark fflr die Zeitsohrift mit Korreipondenablatt, fflr letaterea allein 5 Mark.

Pl^ Beitrftge für die ▼orrOmisohe and rOmisohe Abteilang eind an Dr. Lahner (Trier, Proviniialmuteom), fttr Mittelalter und Neuseit an Dr. Hanaen (Köln, BtadtarohiT) in senden.

Neue Funde.

17. Baldringen (bei Niederzerf, Hochwald). [Mmische Funde]. Auf Anregung von Hrn. Prof. Maijan, der in seinen „Beiträgen* zur Kunde rlieiniscber Ortsnamen" S. 12 if. die Identität des vielbesprochenen viciis Am- bitarvius (Sueton, Callgnla cap. 8) mit dem heutigen Dorfe Hentem bei Nieder- zerf mit sprachlichen Gründen zu beweisen sucht, wurden vom Provinzialmuseum zu Trier im vergangenen Sommer Nachgra- bungen an verschiedenen Stellen in der Umgebung des bei Hentem gelegenen Fiecken Baldringen vorgenommen. Spuren und Reste römischer Ansiedlungen hatten sich schon früher in der Gegend mehrfach gefunden. . Schon F. W. Schmidt in seiner Arbeit über die Römerstrassen etc. der iUieinlande (Bonner Jahrb. XXXI 1861 S..211) weist auf eine bei Niederzerf vor- beifuhrende Strasse von Trier, über den Hochwald hin. F. Ritter teilt in seinem Aufsatz „Zerf die Geburtsstätte der Dru- silla und Livilla« (B. J. XXXY 1863 S. 10 f ) mit, dass zehn Minuten von Zerf nach Baldringen zu eine römische Villa oder !MilitärhaItestelle vermutet werde, weil man an der Stelle einen Brunnen fand, der von den nahe liegenden Hügeln mit bleiernen Röhren dahin geleitet war. Von der Rö- merstrasse führte ein gepflasterter Weg zu dem Brunnen, rechts und links von demselben standen Gebäude, unter den Trümmern fand man Bruchstücke von

Säulen, Urnen etc. ; auch Heizanlagen und Bassins, die auf eine Badeanlage schliessen Hessen, werden erwähnt. An diese That- sachen knüpft Ritter den etwas raschen Schluss, dass damit die Villa des vicus Ambitarvius gefunden sei, in welcher Agrippina ihre beiden Töchter Drusilla und Livilla geboren habe. Ich gehe auf diese jeder positiven Stütze entbehrende Vermutung jetzt nicht weiter ein und er- wähne die früher gemachten Funde nur zum Bew'eis, -dass eine systematische Un- tersuchung der Stelle durchaus berechtigt ercbeinen durfte. Durch Umfragen bei den Ortseinwobnem wurden denn auch bald mehrere Stellen ermittelt, an welchen Spuren alten Mauerwerks, Scherben u. dgl. beim Bestellen der Felder gefunden waren.

An vier solcher Stellen in der Nähe von Baldringen waren die Ausgrabungen, welche unter örtlicher Leitung des Museums- assistenten Herrn Ebertz sowie grössten- teils in Anwesenheit des Hrn. Prof. Marjan vorgenommen wurden, von Erfolg begleitet.

Von dem auf der Höhe gelegenen Orte Bai dringen zieht sich ein Hang massig steil gegen Hentem nach NO.- und sanft abfallend gegen Niederzerf nach SO. hinab, und bietet jene örtlichen Vorzüge, welche für unsere römischen ländlichen Ansied- lungen erfahrungsgemäss mit Vorliebe be- nutzt wurden. Wirklich fanden sich denn auch alsbald Reste von mehreren römi- schen Gebäuden, von denen ein Complez,

Ol

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wenigstens soweit möglich, genau unter- sucht wurde.

Es handelt sich, wie aus dem beigege- benen Planchen hervorgeht, um eine Badeanlage und einige anstossende Käume.

verwendet war. Die nördliche Abschluss- mauer des Raumes D war bei a auf eine Strecke von 1,55 m ausgebrochen. An der Stelle lagen nach Angabe des Besitzers zwei Sandsteinquader in der Weise, wie sie auf der Zeichnung durch Punktienmg

Die letzteren, um mit diesen zu be- ginnen, charakterisieren sich als gewöhn- liche Wohnräume, die nicht eben sehr sorgfältig gebauten Mauern tragen an den Aussenseiten einen Verputz, wie es auch sonst üblich ist, ein besonderes Inter- esse beansprucht höchstens der Raum C, da er einen Keller mit ziemlich wohler- haltener Lücke enthält. Das Gesims dieses Kellerfensters steigt schräg an (siehe den Durchschnitt f— g) und verengt sich nach

oben. Der Boden des Kellers, aus ge stampftem Lehm bestehend, liegt 1,20 m unter dem röm. Niveau an dieser Seite des Gebäudes. Die Mauern sind mit Mörtel ohne Ziegelzusatz gebaut, während bei den Fundamentmauern der Räume A, B, D nur Erde als Bindemittel

angedeutet ist. Die Quader waren noch vorhanden, sie sind 1,40 m lang und 25 cm breit, ihre ursprüngliche Lage konnte aber nur noch ungefähr bestimmt werden, ihr Zweck ist unklar.

Die Beschreibung des anstossenden Badehauses beginnt am zweckmässigsteo mit dem Raum L, dem Heizraum. Aas ihm führte ein Heizkanal M zunächst in einen grösseren heizbaren Raum J. Der Heiz- kanal zeigte einen Bodenbelag von hochkant gestellten Ziegelplatten. Die Wände be- standen aus zwei mächtigen sehr exakt be- hauenen und an den inneren Ansiclitsdächen gesägten Grünsteinquadern, oben war der Kanal mit treppenartig überkragenden Ziegelplatten überdeckt, wie die Rekon- struktion in dem Durchschnitt d e zeigt. Spuren dieser Überdeckung hatten sich noch erhalten. Im übrigen war derlleiz-

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kanal von zwei massiven Mauerblöcken eingefasst. Der Boden des Raumes J war mit Ziegelplatten belegt. Von den ehe- mals darauf stehenden Hypokaustenpfeilem var freilich jede Spur verschwunden, in- dessen fanden sich noch genügende Reste der Heizanlage, nämlich Wandkästchen, welche noch in der nordwestlichen Ecke des Raumes an ihrem Platze standen. An diesen Raum J stiess ein kleiner Raum H an, durch ein schmales Mäuerchen von jenem getrennt. Er war unheizbar, sein Boden bestand aus einer dicken Packlage von grossen Steinen und lag, wie der Durchschnitt b— c zeigt, höher als der Zie- gelplattenboden des Raumes J. Da die- ser ursprünglich zur Aufnahme der Hy- pokaustenpfeiler diente, worüber erst der eigentliche Fussboden kam, so ist anzu- nehmen, dass letzterer auf gleichem Niveau lag wie der Boden im Raum H, dass auch das trennende, gegen den Raum J mit Ziegelplatten verschalte Mäuerchen nicht über den Boden emporragte, und dass also die Räume J und H ein Zimmer bildeten, dessen Boden zum Teil nicht von der Heizung erwärmt wurde, eine auch anderwärts beobachtete Erscheinung. Man wird nach andern Beispielen den Raum J + H wohl als Tepidarium an- sprechen dürfen. Heizbar war auch der direkt nördlich anstossende Raum E. Von Hypokausten war zwar nichts zu ent- decken, der Boden hatte überhaupt keinen künstlichen Belag mehr. Aber an der Südwand fanden sich noch zum Teil in doppelter Stellung übereinander Heizkäst- chen angebracht. Auch der Raum E be- zog seine Feuerung aus dem Raum L und zwar jedenfalls durch einen ähnlichen Heizkanal wie M. Dieser zweite Eanal -war zwar samt einem Teil der Abschluss- mauer gegen Raum L zerstört, aber am Eopfende des einen Mauerklotzes bei h sass eine Ziegelplatte und daneben bei i ein Sandsteinquader, welche deutliche Spu- ren der Heizung an dieser Stelle sind.

Die Südostecke des ganzen Badege- bäudes nahm die Badestube G ein, welche, wie dies häufig bei solchen Villen der Fall ist, noch am besten erhalten war. Von auffallend starken Mauern (die öst-

liche ist fast 1 m stark) wenigstens an drei Seiten umgeben, an der vierten (Nord-) Seite durch die schmalere Mauer der Räume E und F abgegrenzt, bildete der Baderaum ein Rechteck von 2,55 m Länge und 1,55 m Breite im Lichten. Interes- sant ist zunächst der Aufbau des ganzen. Wie der Durchschnitt b— c zeigt, liegt zu Unterst eine einfache sehr regelmässig ge- steckte Packlage von grossen Steinen, welche augenscheinlich als ebene Boden- fiäche gedacht war, darüber wieder eine Packlage von 60 cm Höhe, die aber ganz regellos hineingeworfen war, worüber dann erst der gleich zu beschreibende Boden des Bades kommt. Die Nordwestecke des Raumes wird, wie aus der Abbildung ersichtlich ist, ausgefüllt durch das auf die Packlage aufgesetzte Fundament einer Treppe, mittelst welcher man in das Bad hineinstieg. Da nun sowohl die Wandun- gen dieses Treppenfundaments als auch die Wände des mit der Packlage ausge- füllten Raumes Wandestrich zeigen, so ist es klar, dass man nicht von vornherein beabsichtigt hat, den Raum mit der Pack- lage auszufüllen. Man wird wohl ursprüng- lich hier eine Hypokaustanlage beabsich- tigt haben, die aus irgend einem Grund nicht zur Ausführung kam oder, wenn sie ausgeführt war, bei einem späteren Umbau beseitigt wurde. Der eigentliche Boden des Bades besteht zunächst aus einer 12 bis 17 cm dicken Estrichschicht, welche mit wenig Ziegelstückchen durchsetzt ist. Darüber war eine Ziegelplattenlage, auf welcher nun der eigentliche Bodenestrich, dem viele kleine Ziegelbrocken beigemengt sind, ruht. Dementsprechend sind die Wände des Bades so hergestellt, dass die Mauer zunächst mit Ziegelplatten verklei- det ist, darauf folgt eine Schicht Wand- estrich, wieder Ziegelplatten und nochmals Wandestrich. Die Fugen der Wände gegen den Boden und gegen einander sind mit dem bekannten Estrichwulst oder Viertel- rundstab von 10 cm Breite ausgefüllt, der für römische Wasserbauten charakteristisch ist. Der Estrich ist überall mehr oder weniger mit Ziegelbröckchen durchsetzt. Von der Treppe, deren Fundament schon erwähnt ist, waren vier in Haustein ge-

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mauerte Stufen erhalten. Die Hausteine waren mit Ziegelplatten belegt und ver- kleidet, welche ihrerseits nach aussen wieder eine Betonschicht mit viel Ziegel- beimischung zeigen, so dass also der ganze Innenraum des Bades mit dieser wasser- dichten Betonverkleidung versehen war. Die unterste nur teilweise erhaltene Trep- penstufe enthielt eine Öffnung, durch welche das verbrauchte Wasser mittelst eines Bleirohres in den Raum F abfloss. Das schräg abwärts durch die Mauer ge- führte Bleirohr ist noch grösstenteils sehr gut erhalten. An der obern Mündung hat es einen sehr sorgfältig hergestellten Ein- satz aus Bronze mit einem Scharnier für einen nicht mehr vorhandenen Deckel. In dieses Rohr, welches fast 1 m lang ist und 7 cm Weite hat, war oben ein dün- neres schlecht gearbeitetes Stück Blei- rohr eingesteckt, welches über das Niveau des Badbodens ein ziemliches Stück em- porragte. Seine Bedeutung ist nicht er- sichtlich.

Der Raum F, welcher das Wasser aus dem Bad zunächst aufzunehmen bestimmt war, charakterisiert sich auch sonst als Abfallraum. Er hatte bei einer Grund- fläche von 1,81 : 0,82 m in seiner heutigen Erhaltung noch eine Tiefe von 1,70 m, sein Boden bestand aus Lehm. In dem Raum lagen Scherben einer gewöhnlichen grau- gelben Urne und eines rohen Henkelkru- ges, der obere Teil eines hohen schlanken schwarzen Bechers, einzelne feinere Terrani- grascherben, zwei Stücke Fensterglas, ein Lanzeneisen und ein anderer Eisenrest, Holzkohlen und grosse Tierknochen. Die Wände des Raumes waren mit Ziegel- platten verkleidet. Am Fuss der östlichen Längsmauer dieses Raumes (bei d) ist ein Durchlass, durch welchen das Wasser aus dem Raum F in den Raum E abfliessen konnte. Leider war es nicht möglich, diesen Raum E genauer zu untersuchen, da der Besitzer des Grundstücks sich nicht dazu verstand, einen auf jener Stelle stehenden grossen Apfelbaum zu opfern. Es ist indessen, wie der Augenschein lehrt, nicht anders möglich, als dass das Wasser mit den aus Raum F stammenden ander- weitigen Abfallen entweder in den grossen

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Raum D oder in den nördlich davon ge> legenen Hofraum geflossen ist

Damit erhalten wir die richtige Beur- teilung des Verhältnisses zwischen dem Bad und den Räumen A, B, C, D. Es ist nämlich undenkbar, dass man das Ab- wasser eines Bades und seiner Neben- bauten in die Räume des Hauses leitet. Hierzu kommt, dass, wie die Zeichnung lehrt, das Bad gar nicht im rechten Win- kel zu den andern Räumen steht. Die südliche Abschlussmauer des Raumes D war an der Stelle k vollkommen zerstört und eine Fortsetzung derselben über k hinaus nicht mehr zu entdecken. Die Stelle m an der nördlichen Abschlussmaoer des Raumes D konnte leider wegen des oben erwähnten Baumes nicht untersucht werden, aber die erwähnten Umstände geben die Gewissheit, dass die Räume A, B, C, D Reste eines älteren Gebäudes sind, das bereits abgerissen war, als man das Bad erbaute. Dieses steht jedenfalls durch die Mauer n— o mit einer anderen Villa in Verbindung, deren Lage weiter nördlich oder nordwestlich zu suchen ist,, die aber wegen moderner Bauten nicht untersucht werden kann. Das Bad I&g also dem Terrain nach nicht oberhalb, sondern unterhalb der Villa, zu der es gehört, wie es, worauf mich Prof. Heiiner aufmerksam macht, auch sonst üblich ist

Wir haben es also mit Teilen zweier verschiedener Gebäude zu thun. Der To- terschied der Erbauungszeit ist aber jeden- falls unbedeutend, denn nach den aller- dings spärlichen Funden (meist Scherben) zu urteilen, gehören beide Gebäude etwa der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts an.

In etwas frühere Zeit weist ein Grab- fund, welcher etwa 100 Schritt weiter südöstlich, gegen Niederzerf zu, gemacht worden ist. Er besteht aus einer roh be- hauenen Steinkiste mit Deckel, in welcher ausser Knochen zwei kleine gewöhnliche Henkelkrüge aus Thon und eine zierliche gerippte Bronzeschale, die aber schlecht erhalten ist, lagen. Neben der Kiste stand eine gewöhnliche Urne aus Thon.

Ebenfalls in der Nähe der beschriebe- nen Gebäudereste fand sich eine Tier- eckige gemauerte Cisterne mit Einfassung

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aus grossen Sandsteinquadern, die die Ge- stalt TOD abgerandeten Mauerabdeckangen hatten. Die lichte Weite der Cisterne be- trug 1,70 : 1 m.

Ein sehr glücklicher Fund wurde bei Untersuchung einiger römischer Mauer- reste gemacht, welche etwas mehr nach SO (nach Niederzerf zu) lagen. Es fand sich daselbst zwischen einigen grösseren Hausteinen ein Münz f und von 119 Mittel- erzen des Constantius II, Magnentius und Decentius, welche grösstenteils in Trier geprägt sind. Ich gedenke an anderer Stelle demnächst auf diesen Fund zurück- zukommen.

Trier. Dr. H. Lehn er.

Chronik.

J8. Das Habsburglsche Urbar. Herausfiregeben von Dr. RtidolfMaag in Glarug. Band I. Das eigentliche Urbar über die Einkünfte und Bechte. Basel 1894. Verlag von Adolf Geering (vormals Felix Schneider).

Das Habsburgische Urbar ist als 14. Band der Quellen zur Schweizer Geschichte erschienen. Die Vorarbeiten dazu sind von P. Schweizer gemacht worden, welcher gleichfalls die Anleitung zur Edition ge- geben hat.

Im Gegensatz zu der von Pfeiffer nach «inera alten Kopialbuch (von 1330?) be- sorgten früheren Ausgabe sind für die Her- stellung eines richtigeren Textes die Ori- ginalrotuli, soweit sie ausfindig gemacht worden sind, zur Benutzung gekommen. Aus demselben Grunde sind deswegen auch die Ämter nach der ursprünglichen Reihen- folge geordnet worden. Der neue Text ist von einer zweifachen Reihe von Noten i)egleitet, deren erstere mit alphabetischer Folge sich auf die textkritischen Erläute- rungen bezieht. Die zweite numraerierte Reihe von Anmerkungen liefert zahlreiche historische und topographische Nachrich- ten, die zusammen mit dem Inhalt des Urtextes das Habsburgische Urbar zu ei- ner Geschichtsquelle ersten Ranges erhe- ben. In gedrängter Fülle finden sich hier Nachrichten über Eigengut, Lehen, Bevöl- kerungsverhältnisse, Rechtsprechung, Kir- chenpatronat, Zinsbarkeit und gräfliche und vogteiliche Rechte. Der zweite Band,

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welcher das neu entdeckte Material ent- halten soll, wird eine zum ersten Band ge- hörige Karte bringen, auf der das Vor- kommen und der Umfang der vorbezeich- neten Herrschaftsrechte auch graphisch zur Darstellung gelangen wird. Köln. H. Kelleter.

Auf die eingehende Untersuchung, wel- 19- che Theodor Ludwig in seinem Buche: Dia Konstanzer Geschichtschreibung bis zum 18. Jahrhundert, Strassburg, Trübner, 1894 der historiographischen Thätigkeit im Bis- » tum Konstanz gewidmet hat, sei hier we- nigstens kurz verwiesen.

J. Becker, Die Landvögte des Elsass und ihre 20. Wirksamkeit innerhalb eines Jahrhunderts, von 130S— U08, Strassburg, Hfiller, Hermann und Cie. 1894.

Personalverzeichnis der Landvögte und Unterlandvögte ; Regesten einer Anzahl un- bekannter Kaiserurkunden des 14. Jahr- hunderts.

Kaufmann, Die Entstehung der Stadt Mühlhausen 21. und ihre Entwicklung zur Beichsstadt (Pro- gramm Mtthlhausen, 1891).

Vgl. Zs. für die Geschichte des Ober- rheins IX, S. 31 ff. Bibliographie der WQrttemberglscben Getehlehte. Im 22.

Auftrag der Württembergischen Kommission für Landesgeschichte bearbeitet von Wil- helm Heyd. Erster Band. Stuttgart, W. Kohlhammer, 1895.

In Nr. 14 dieses Jahrgangs wurde dar- auf hingewiesen, dass die Ausarbeitung einer Bibliographie der rheinischen Ge- schichte leider vorläufig nicht hat durch- geführt werden können. In dem oben be- zeichneten Werk liegt eine musterhafte Lösung dieser Aufgabe für das Königreich Württemberg in ihrem ersten Teil vor. Auf Einzelheiten kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Es wäre dringend zu wünschen, dass dieses ausgezeichnete Beispiel in anderen Teilen des Reiches Nachfolger fände. Die Württembergische Bibliographie ist als Nachschlagebuch nicht bloss für Gelehrte, sondern auch für wei- tere Kreise bestimmt; selbständig erschie- nene Werke und die Aufsätze in Zeit- schriften und Sammelwerken sind in glei- chem Masse berücksichtigt, auch wichtigere Artikel aus der Tagespresse haben Auf- nahme gefunden. Über die Zweckmässig- keit der Berücksichtigung von handschrift-

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liebem ungedrucktem Material an dieser Stelle kann man anderer Meinung sein, als der verdiente Bearbeiter dieser Biblio- graphie, da Vollständigkeit nacb dieser Kichtang docb unmöglich zu erzielen ist; ein von der Bibliographie getrennter Weg- weiser durch die württembergischen Archi- valien, der nach anderen Gesichtspunkten eingerichtet ist, dürfte doch wohl bessere Dienste leisten, als das hier eingeschlagene Verfahren. Hoffentlich lässt der Schluss- band nicht lange auf sich warten. 23.WflrttemberoltGlM Qetohichtiquellen. Im Auftrag der Württemberg! Bchen Kommission für Lan- desgesehichte herausgegeben von Dietrich Schäfer. Zweiter Band. Stuttgart, W. Kohlbammer, 1895.

Der zweite Band der Württembergischen Geschichtsquellen, der dem ersten (vgl. Eorrbl. 1894 Nr. 82) nach Jahresfrist ge- folgt ist, ist ein weiteres erfreuliches Zeug- nis für den Eifer, mit dem die junge Kom- mission an die Lösung ihrer Aufgaben herangetreten ist. Er zerfällt in zwei Gruppen : die erste, bearbeitet von Gustav Bossert, stellt Württembergisches aus dem Codex Laureshamensis, den Traditiones Fnidenses und aus Weissenburger Quellen zusammen ; die zweite, bearbeitet von Eugen Schneider und Kurt Käser, veröffentlicht Württembergisches aus römischen Archi- ven. Die erste Gruppe, in der der Besitz der Klöster Lorsch, Fulda und Weissen- burg im Württembergischen nach den be- kannten, z. T. schon früher, wenn auch mangelhaft, herausgegebenen Codices zu- sammengefasst ist, ist mit trefflichen Ein- leitungen und Registern, sowie mit einer Karte versehen. Bosserts Ausführungen erwecken aufs Neue den Wunsch nach einer den wissenschaftlichen Anforderungen genügenden Gesamtedition der betr. Quellen, die seit dem vorigen Jahrhundert mehr- fach vergeblich versucht worden ist. Für eine solche liegt in dieser Teiledition, die für die ältere württembergische Geschichte grundlegend ist, eine ausgezeichnete Vor- arbeit vor. Der zweite Teil enthält Quellenmaterial aus späterer Zeit, und zwar in zwei Abteilungen, einmal Auszüge aus den vatikanischen Bullenregistern von 1316—1378, dann weiter Auszüge aus den Bechnungsbüchem der apostolischen Kam-

mer für das Gebiet des heutigen König- reichs Württemberg aus den Jahren 13% bis 1534. Aus den Vorbemerkungen zur ersten dieser Abteilungen sind die Anga- ben über das Verhältnis der avignonesi- schen Papierregister zu den Pergament- registern von allgemeinerm Interesse. Nor die wichtigsten Stücke sind abgedmckt^ das meiste ist in der Form kurzer Regesten wiedergegeben worden (309 Nommem). Za bedauern ist, dass der Vergleich mit den Supplikenregistern nur für eine kurze Zeit hat durchgeführt werden können. Auch die Vorbemerkung zur zweiten Abteilang enthält einige wertvolle Berichtigungen zq den bisherigen Untersuchungen über die päpstlichen Cameralregister. Die 3()5 Num- mern dieser Abteilung sind deutsche Aas- züge. Der Inhalt dieser beiden Abteilun- gen ist ebenfalls durch ein sorgfaltiges Register erschlossen.

Dl« AlttrtQmtr unserer heidnischen Vorzelt, sufazD-2i. mengestellt and heranegegeben von dem BOmitch - germaniscben Centralmnaenm in in Mains durch dessen Konservator L. Lin- denschmit Sohn. IV. Band. IX. H«fs. Mainz 1895, Verlag von V. v. Zabem

Nach längerer Pause ist wieder ein Heft der schönen Publikation des Central- museums zu Mainz erschienen, welches aaf 6 Tafeln (Taf. 49—54 des IV. Bandes eine Beihe wichtiger prähistorischer, rö- mischer und fränkisch-allamanischer Fund- gegenstände in mustergültiger Weise ver- öffentlicht. Auf Taf. 49 sind Waffen aus Eisen mit Goldeinlagen aus prähistorischen Gräbern in Oberbayern, Schlesien und Posen zusammengestellt, ein Schwert mit Scheide, eine Speerspitze und eine Hamnieraxt Taf 60 enthält, ebenso wie Taf. 40 in farbigen Reproduktionen, bemalte Gefasse aus Schlesischen Urnenfriedhöfen. Die ohne Töpferscheibe aus feinem Thon sehr regel- mässig geformten Gefasse erhielten nach L. Ansicht durch Eintauchen in einen Brei aus geschlemmtem und gefärbtem Thon einen Überzug, der sorgfaltig und oft glänzend poliert wurde. Als Farbstofle werden Ocker, Rötel, Russ und Kreide, für die Wahl des Materials und die Formgebung und teilweise auch der (meist geometrischen) Dekoration wird südlicher Einfiuss angenommen. Als Ursprungs-

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zeit ist nach Massgabe der mitgefundenen Metallgegenstande die jüngere Hallstätter Periode zu bezeichnen.

Taf. 51 bringt drei Gürtelhaken aus Bronze und Eisen von besonderer Form. Gemeinsam ist allen die allgemeine Gestalt eines tlachen Bogens. Gefunden sind sie in der Provinz Starkenburg, in Oberbayem (bei Traunstein) und bei Leimbach (nahe Salzongen).

Die westdeutsche Forschung interessie- ren speziell die beiden folgende Tafeln. Taf. 52 stellt drei römische Dolche aus Eisen dar. Sehr stattliche Stücke sind Nr. 1, Dolch mit Scheide, gef. im Rhein bei Köln (Mus. Wiesbaden), und Nr. 2 Dolchscheide, gef. bei Rösebeck, West- falen (Mus. Nürnberg). Die beiden Schei- den sind durch Emaillierung und Tauschie- rung reich verziert, welche in der sauberen farbigen Wiedergabe trefflich zur Geltung kommen. Nr. 3 ist eine bei Mainz im Rhein gef. Dolchklinge aus Eisen mit einer in der Mitte der Klinge ausgesägten Zunge, deren Bedeutung noch nicht aufgeklärt ist.

Den Reihengräberfunden sind die bei- den letzten Tafeln gewidmet. Taf. 53 ent- hält Armringe, Zierbeschläge und Gürtel- schnallen von zum Teil bemerkenswerter Verzierung aus Reihengräbem bei Schier- stein, bei Andernach, bei Bonn, bei Traun- stein und bei Dillingen im bayer. Schwaben.

Auf Taf. 54 endlich sind zwei Kämme aus Bein mit Scheide abgebildet, welche aus dem Reihengräberfeld von Schretz- heim unweit Dillingen im bayer. Schwaben stammen. II. L.

25. Einen archäologischen Fund von von Bedeutung glaubte man kürzlich unter alten Akten im Rathause zu Saarbrücken gemacht zu haben. Dort wurde, wie die Saarbrücker Zeitung vom 3. Januar 1895 berichtete, ein „vollständiger Stammbaum der Forsten von Nassau vom Grafen Hein- rich 1190" an aufgefunden. Die weitere Angabe, dass der Idsteiner Archivar J. G. Hagelgans der Verfertiger dieses Stamm- baumes sei, genügte, wie alsbald in der Coblenzer Zeitung und dem Rheinischen Kurier bemerkt wurde, zur Aufklärung des Sachverhalts. Die aufgefundene Stamm- tafel ist ein weiteres Exemplar der bisher

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in zwei, im Staatsarchive zu Wiesbaden und im Rathause zu Idstein befindlichen, Exemplaren bekannten, von J. G. Hagel- gans für sein 1753 erschienenes Buch „Nassauische Geschlechtstafel des Wal- ramischen Stammes** angefertigten Stamm- tafel, deren Abdruck nebst Siegel- und Wappenzeicbnungen dem vielbenutzten Buche beigefügt ist. Von irgendwelcher Bedeutung des Saarbrückener Fundes kann demnach keine Rede sein. W.

Jahretberloht dar GetalltchtH fOr nOtillche Fortcliun-26. gan zu Triar von 1882 bis 1893, Trier, Linta 1894, 79 Seiten, 40, 6 Tafeln. Preis 2 Mark.

Auf S. 1 bis 8 wird unter Vereins- nachrichten eine Übersicht über die wichtigsten Beschlüsse der Gesellschaft in ihren Jahresversammlungen sowie eine Liste der Vereinsmitglieder und der Ver- eine, mit denen der Verein in Tauschver- kehr steht, gegeben. Dann folgt auf XXV + 36 Seiten eine Publikation: „Vor- geschichtliche Grabhügel in der Eifel und im Hochwald^ von Dr. H. Lehn er. Die Einleitung beginnt mit der Beschreibung der Örtlichkeit der beiden Ausgrabungen, welchen die Veröffentlichung gilt. Die eine fand in den Jahren 1887 und 1888 in der Eifel und zwar haupt- sächlich in der Gegend von Mehren (Kreis Daun) statt, die andere, in den Jahren 1892 und lb93 ausgeführt, hatte Gräber- felder des Hochwaldes, fast ausschliesslich in der Gegend von Hermeskeil, zum Gegenstand. In mehreren Abschnitten werden die beiden Gruppen in Bezug auf Bestattungsweise, Form, Technik und Verzierung der Thonge fasse und der Metallgegenstände, welche sich in den Gräbern fanden, untersucht und mit einander verglichen. So wird unter an- derem das Resultat gewonnen, dass im Grossen und Ganzen die Gräber der Eifel- gruppe der älteren Eisenzeit angehören, während bei der Hochwaldgruppe vorzugs- weise die jüngere Eisenzeit vertreten ist. In einem Abschnitt „Import und frem- der Einfluss'^ wird das Verhältnis der einheimischen vorrömischen Kultur zu der der klassischen Länder, soweit es für die behandelten Fundstücke in Frage kommt, berührt, und in einem letzten Kapitel

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werden die römischen Nachbestat- tungen in einzelnen vorrömischen Grab- hügeln, sowie derEinfluss der einhei- mischen Yorrömischen Keramik anf die provinzialrömische behandelt. Es folgt sodann die genaue Beschreibung aller untersuchten Hügel und der in ihnen gefundenen Begräbnisse. Beigegeben sind sechs photolithographische Tafeln nach Zeichnungen des Museumsassistenten Herrn Ebertz. Sie enthalten die Abbildung sämtlicher Thongefässe, sämtlicher Bronze- funde, soweit es sich nicht um ganz identische Stücke handelt, sowie der wich- tigsten Eisengeräte und sonstigen Funde. Der Preis des Jahresberichts beträgt 2 Mark, ihren Mitgliedern stellt die Ge- sellschaft den Bericht zu 1 Mark zur Verfügung.

27. NorrMberg, P., Die hl. Irmgardis von Süchteln.

(Aus der rheinischen Geschichte XIX). Bonn, Haustein, 1891.

Das Verdienst der kleinen Schrift liegt hauptsächlich in der eingehenden Unter- suchung über die Abstammung der hl. Irmgardis, welche N. dem Hause Luxem- burg mit grosser Wahrscheinlichkeit zu- weist. Von Interesse sind namentlich auch die Ergebnisse des Verf. über Herkunft und Verwandtschaft einer Reihe von rhei- nischen Dvnastenfamilien. Über die Irm- gardiskapelle auf dem Süchteiner Heiligen- berge waren nur dürftige Nachrichten zu ermitteln. Anhangsweise sind die lateinische Vita und die deutsche Legende v. J. 1523 abgedruckt. Der Verf. (f 1894 Mai 29) hat die Drucklegung des Werkebens nicht mehr erlebt; eine ungenannte Freundes- hand hat sein Bild und einen kurzen Le- bensabriss voraufgeschickt. Kn.

28. Von den Publikationen der Gesellschaft fOr Rheinische Geschichtsforschung sind neuer- dings zwei ältere Werke abgeschlossen worden.

Von den Kölner Schreinsurkunden des 12. Jhdts., (Bonn, Ed. Weber), welche Prof. Hoeniger in Berlin bearbeitet hat, ist der Schlussband (H, 2) erschienen; er enthält die ältesten Bürgerlisten, die Gilde- liste, andere Namenlisten der ältesten Zeit, sowie die ausführlichen Register über das ganze Werk, wozu Herr Prof. J. Franck

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in Bonn eine Erklärung der deutschen Wörter beigesteuert hat.

Das in Lieferungen erschienene nach- gelassene Werk von J. J. Merlo, Köl- nische Künstler in alter und neuer Zeit (Düsseldorf, Schwann) liegt nunmehr auch vollendet vor. Die Bearbeitung der anonymen Meister der Kölner Malerachnle, welche den Schluss bildet, rührt von dem Herausgeber, Dr. Ed. Firmenich -Bichartz in Bonn, her. Ein chronologisches Ver- zeichnis der Künstler bis 1600, nach den Kunstgattungen geordnet, erhöht die Brauch- barkeit des Buches.

Von der neuen gross angelegten Ge- schichte der Kölner Malerschule, welche Direktor Aldenhoven in Köln und Dr. Ludw. Scheibler in Bonn her- ausgeben, ist die 1. Lieferung erschienen. 32 schöne Tafeln in Folioformat, von dem Verleger, der Lichtdruckanstalt von Joh. Nöhring in Lübeck, mit rühmlicher Sorg- falt hergestellt, weisen auf den reichen Gewinn hin, den die kunstgeschichtliche Forschung aus dem vollendeten Unterneh- men zieben wird. Das ganze Werk wird ca. 100 Tafeln in Lichtdruck und einen Band Text umfassen.

Giemen, Paul, Die Kunstdenkm&ler der St&dte29. Barmen, Elberfeld , Bemseheid and der Kreise Lennep, Mettmann, Solingen. D&sael- dorf 1894.

Das neueste Heft der verdienstvollen rheinischen Denkmälerstatistik umfasst nicht weniger als 6 Kreise, 3 Stadt- und 3 Landkreise. Die verhältnismässige Dürf- tigkeit der kirchlichen Überlieferung er- klärt sich in der Hauptsache aus dem Umstände, dass das behandelte Gebiet, das Wupperthal und sein bergisches Hin- terland, schon frühzeitig die protestantische Lehre annahm, welche gerade in ihrer reformierten Ausprägung jede künstlerische Ausgestaltung der Gotteshäuser in Bso und Schmuck verpönte. Daher liegt der Hauptnachdruck in diesem Hefte auf den Leistungen der bürgerlichen Baukunst, den hübschen Privathäusem des 17. und 18. Jahrb., sowie namentlich den zahlreichen Schlössern, welche die bergischen Hügel krönen. Im Vordergrunde des Interesses steht die interessante Baugeschichte des

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bergischen Stammschlosses Burg an der Wupper. Kn.

SO. In den Nachrichten der E. Gesellschaft der Wissenschaften zu Guttingen, philo- logisch-historische Klasse 1894 Nr. 4 ver- öffentlicht L, Weiland das Fragment einer fliederrlieinitclien Papst- und Kaiserclironiic aus dem Anfang des K. Jaliriiunderts, das unter „den zahlreichen Pergamentfetzen des diplomatischen Apparats" der Universi- tät Göttingen aufgefunden worden ist. Wie Weiland nachweist, ist die Chronik zwischen 1303 und 1308 am Niederrhein entstanden. Der Wert des uns erhaltenen Bruchstücks, das die Jahre 1293—1303 umfasst, also von einem Zeitgenossen herrührt, beruht auf einzelnen Nachrichten territorialge- schichtlichen Inhalts, so der Charakteri- sierung des Erzbischofs Wikbold von Köln als eines Simonisten sollte übrigens die Darstellung der Geldpolitik Wikbolds und ihrer Älisserfolge nicht auf eine wenn auch nur indirekte Verwandtschaft mit der Martini Continuatio Coloniensis (ed. Waitz, Chronica regia S. 363) hindeuten? der Schilderung des holländischen Erbfolge- krieges, sowie besonders auf der zum ersten Mal von deutscher Seite gebrach- ten Nachricht, dass König Albrecht, um das Reich in ein Erbreich zu verwandeln, die Abtretung des linken RheiDufers an Frankreich beabsichtigt haben solle.

Knipping.

n. In Heft 94 der Bonner Jahrbücher be- spricht A. Kisa die schwierigen Fragen, welche „die Externsteine** mit ihren seltsamen Denkmälern und Grotten dem Besucher und Forscher stellen. Der Verf. erbringt in dem ersten, ikonographischen Teil seines Aufsatzes den Nachweis, dass sowohl hinsichtlich des Stiles wie nach üom symbolischen Ausdruck der einzelnen Figuren und Formen das Felsenrelief der Kreuzabnahme in die Periode der byzan- tinisch-romanischen Kunstentwicklung in Deutschland gehört. Den unteren Teil des Reliefs erkennt Kisa mit Bestimmtheit als die Darstellung des von dem dreiköpfigen Beelzebub (Basilisk) umschlungen gehalte- nen ersten Menschenpaares.

Im historisch-topographischen Teil wird wahrscheinlich gemacht, dass reisende

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Laienbrüder nach 1093, nach der Erwer- bung der Extemsteine seitens des kunst- liebenden Klosters Abdinghoif, die Umge- staltung der Grotten für Zwecke des christ- lichen Gottesdienstes vorgenommen und das berühmte Relief in den Felsen einge- hauen haben. Die bei der Thüröffnung des Einganges befindliche Inschrift setzt die Weihe der Kapelle ins Jahr 1115. Diese Inschrift und ihr Schicksal findet eine sehr eingehende Besprechung. Die über der Thür befindliche grosse Vogel- gestalt ist als Adler und damit als Symbol der Auferstehung zu fassen. Weiter wer- den die Einzelheiten, der Zweck und die Beschaffenheit der Grottenräume und die darin vorkommenden Merkwürdigkeiten, vermeintliche Runenzeichen, die Petrusfigur, das Weih Wasserbecken besprochen und in scharfer jedoch ungezwungener Erklärung der Reihe nach vorgeführt. Ein Vergleich mit der Quirinuskapelle zu Luxemburg zeigt dann schliesslich, dass die Extem- steine und das christliche Heiligtum zu Luxemburg ursprünglich Kultusstätten des germanischen Heidentums gewesen sind. Von einem auf den Höhen der Extem- steine geübten Mithraskult, dessen deut- liche Spuren andere Forscher dort zu finden glaubten, vermag Kisa so gut wie gar nichts zu entdecken.

Die ungemein fleissigen und vielseitigen Untersuchungen Kisas könnte man zu weit- gehend und zu fem hergenommen finden, wenn es sich nicht darum handelte, einen Schwall von erklärenden Redensarten zu widerlegen, der aus den vielen über die Externsteine schriftlich und mündlich um- hergetragenen Deutungen und Behauptun- gen hervorbricht. Kisa hat eine ab- schliessende Arbeit geliefert; das Rätsel der Extemsteine ist gelöst. Köln. H. Kelleter.

G. KQntz«!, Über die Verwaltung des Mass- und 32 Gewichts we sen i n D e u t sc h lan d w&hrend des Mittelalters. Leipzig 1894. (Staats- und sozialwissenschaftliche For- schungen, herausgeg. von G. Schmoller. Xin. L. 2. Heft).

Der Verfasser ergreift in der Schmoller- V. Belowschen Kontroverse über mittel- alterliches Mass- und Gewichtswesen das Wort und gelangt, indem er die Frage

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auf einer breiteren Grundlage als Schmoller untersucht, im wesentlichen zu denselben Ergebnissen wie dieser, nämlich dass die Ordnung von Mass und Gewicht im deut- schen Mittelalter nicht Sache der Gemeinde, sondern der öffentlichen Gewalt gewesen sei. V. Below hat (Litterar. Centralblatt 1894 Nr. 50 Sp. 1797) die Ergebnisse der Arbeit in ihren Hauptpunkten angenommen.

Knipping.

33. Das DUrener Stadtarchiv. Mit Freuden ist es zu begrüssen, dass die Stadt Düren sich entschlossen hat, ihr Archiv durch einen Fachmann ordnen zu lassen und so der Benutzung zugänglich zu machen. Am 18. Dez. 1894 haben auf Anregung des Herrn Bürgermeisters Klotz die Stadtver- ordneten einstimmig den Beschluss gefasst und Herrn Gymnasiallehrer Dr. August Schoop die Ordnung der Bestände über- tragen. Infolge der Verwüstung der Stadt im Jahre 1543 ist wenig älteres Material Dürener Provenienz im Stadtarchiv erhal- ten. Die mittelalterlichen Urkunden unter ihnen das in den „Kaiserurkunden in Abbildungen" Lieferung IV Tafel 2 ab- gebildete Originaldiplom Karls III v. J. 887 sowie eine Reihe von wichtigen Inkuna- beln sind durch den Eifer des f Herrn Ober- bürgermeisters Werners für das Stadt- archiv angekauft worden, ebenso Samm- lungen aus dem Nachlass des f Bonner Professors Floss. Ausser diesen fremd- artigen Bestandteilen sind sehr zahlreiche städtische Akten seit dem 16. Jahrb. vor- handen, die allerdings der ordnenden Hand sehr bedürftig sind. Noch möge hervor- gehoben werden, dass das Archiv in einem schönen, hellen und feuersicheren Saale des Rathauses untergebracht ist. Mögen die Beispiele Dürens und Duisburgs, das auch vor kurzem Schritte in dieser Rich- tung gethan hat, vielfache Nacheiferung wecken. Keussen.

34. Karolingische Pfalz In Nymwegen. In Nimwegen haben auf Anregung und unter Leitung des deutschen Archäologen Dr. Konrad Plath Ausgrabungen auf dem Valk- hof, der Stätte des von Karl dem Grossen gegründeten deutschen Kaiserpalastes statt- gefunden, die besonders über die ursprüng- liche Gestalt der Kapelle Karls des Grossen

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überraschende Ergebnisse geliefert haben. Der bisher durch Erhöhung des Fassbo- dens und eingreifende Umbauten verän- derte und verunstaltete Bau hat sich durch diese Entdeckungen als ein Werk von auffallender Schönheit entbullt. Die Stadt Nimwegen hat alsbald beschlossen, soweit thunlich, die ursprüngliche Schönheit der der karolingischen Kapelle wieder zur Gel- tung zu bringen, deren Herstellung ein dauerndes Denkmal der auf Kosten der Stadt erfolgten Ausgrabung sein wird.

Dr. Plath gedenkt ein mit zahlreichea Photographieen ausgestattetes Prachtwerk über den Valkhof herauszugeben. Nymwegen. P.

Geseilschaft fUr Rheinische Ge-35. Schichtskunde.

Vgl. Korrbl. 1894 Nr. 34. Seit der dreizehnten Jahresversammlung gelangten zur Ausgabe:

1. Kölner Schreinsurkunden des 12. Jahrhunderts, Quellen zur Recbts- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt Köln, herausgegeben von Robert Hoeniger. Bd. II, 2, Bonn, Weber, 1894. Mit einer Erklärung der deutschen W^orter von Prof. Dr. J. Franck und einer photolithogra- phischen Beilage.

Somit liegt jetzt die I. Publikation der Gesellschaft, begonnen 1884, abgeschlos- sen vor.

2. Kölnische Künstler in alter und neuer Zeit. Johann Jacob Merlos neu bearbeitete und erweiterte Nachrich- ten von dem Leben und den Werken Kölnischer Künstler, herausgegeben Ton Dr. Eduard Firmenich-Richartz un- ter Mitwirkung von Dr. Hermann Keus- sen. Mit zahlreichen bildlichen Beilagen. Düsseldorf, L. Schwann, 1894. 95. Liefe- rung 7-30.

Auch die IX. Publikation ist hiermit zum Abschlüsse gelangt.

3. Geschichtlicher Atlas der Rheinprovinz, im Auftrage des Pro- vinzial Verbandes herausgegeben. Bonn, Behrendt, 1894. (XIL Publikation):

1) Karte der Rheinprovinz anter fran-

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zösischer Herrschaft im Jahre 1813, be- arbeitet von Konstantin Schulteis. 2) Karte der politischen und administra- tiven Einteilung der heutigen Rhein- provinz im Jahre 1789, 7 Blätter, be- arbeitet von Dr. Wilh. Fabricius. 4. Geschichte der Kölner Maler- schule. 100 Lichtdrucktafeln mit erklä- rendem Text, herausgegeben von Ludvrig S c h e i b 1 e r und Carl Aldenhoven. 1. Lieferung, 32 Tafeln. Lübeck, Johann Nühring, 1894. (XIII. Publikation).

Auch im verflossenen Jahre konnten die Arbeiten an den Rheinischen Weis- tümero keine Förderung erfahren, da kein geeigneter Mitarbeiter sich fand. Doch steht in Folge der Änderung des Editions- Planes ein Fortschritt in der Publikation demnächst zu erwarten.

Da Herr Stadtarchivar Richard Pick in Aachen noch mit der Durchsicht des völlig ungeordneten Aktenmaterials im Aachener Stadtarchiv, welche der Neu- herausgabe der Stadtrechnungen unbedingt vorhergehen muss, voll und ganz beschäf- tigt ist, wird er sich erst vom April an, dann aber voraussichtlich ungestört, mit der Edition befassen können. Mit der Drucklegung der Rechnungen, die mit dem Urkunden - Anhang wohl 2 Bände, insge- samt 60 Bogen, 8^ umfassen werden, wird seiner Berechnung nach erst im Jahre 1896 begonnen werden können.

Über die Ausgabe der Rheinischen urbare berichtet der Leiter dieser Publi- kation, Prof. Dr. Lamp recht in Leipzig: Die Arbeiten an den rheinischen Urbaren, zur Herstellung einer kritischen Ausgabe dieses wichtigen, aber auch un- gemein ausgedehnten Quellenkoniplexes, sind im verflossenen Jahre rüstig fortge- schritten. Herr Dr. Hill ig er in Leipzig, der seine Arbeit den Urbaren der in der Stadt Köln ansässigen Grundherrschaften gewidmet hat, ist bis zum 1. Oktober 1894 hieran mit seiner ganzen Kraft, seitdem, nach seinem Übertritt in den sächsischen Bibliotheksdienst, wenigstens täglich einige Stunden thätig gewesen. Die Edition ist jetzt soweit gefördert, dass grosse Massen der auf S. Aposteln, S. Severin, S. Ursula und S. Cäcilien bezüglichen Akten schon

abgeschlossen vorliegen; druckreif ist da» Material von S. Pantaleon, das sich nament* lieh durch eine sehr eingehende und eigen* artige Überlieferung für die späteren Jahr- hunderte wie durch ein grosses, noch un- gedrucktes Urbar aus der Stauferzeit aus- zeichnet. Dies Material hofft Herr Dr. Hilliger binnen etwa acht Wochen al» einen ersten Band der Kölner Urbarialien zur Prüfung vorlegen zu können. Den Aachener Urbarialien, vor allem denen des^ Krönungsstiftes, hatt Herr Dr. Kellet er in Köln seine Arbeit gewidmet. Die Durch- sicht des Stoffes ist fast vollendet; ein erster Band der Ausgabe wird binnen kur- zem zur Durchsicht für den Druck präsen- tiert werden können. HerrDr. Kötzschke^ in Leipzig ist seit April 1894 mit der Werdener, besonders reichen Überlieferung beschäftigt. Der grössere Teil der Editions- arbeit ist an ihr schon gethan; es wird im wesentlichen unr noch einer persön- lichen Umschau des Bearbeiters an Ort und Stelle, sowie im Düsseldorfer Staats- archiv bedürfen, um auch hier zu einem Abschlüsse zu gelangen. Den Xantener Urbaren gilt die Arbeit des Herru Dr. Tille in Leipzig, der seit Januar dieses- Jahres an Stelle von Herrn Dr. Hilliger als ordentlicher Mitarbeiter an dem Unter- nehmen eingetreten ist. Er hat sich, da bisher das Registrum reddituum aus dem ersten Viertel des 14. Jahrhunderts aua dem Arcbief des hoogen Raads van Adel im Haag noch nicht zu erlangen gewesen,, mit den späteren Stücken des 14. und 15. Jahrhunderts beschäftigt. Zur Vorbe- reitung der Urbareditionen für die Grund- herrschaften des platten Landes am Nieder- rhein ist nach wie vor Herr Dr. Bahr dt in Göttingen thätig.

Von den unter Leitung des Herrn Ge- heimrats Prof. Dr. Ritter stehenden Aus- gabe der Jülich- Bergischen Lan d- tagsakten I. Abteilung ist der im vorigen Jahresbericht in Aussicht gestellte erste Band nunmehr fertig gedruckt; seine Ver- sendung erfolgt in den nächsten Tagen. In der Einleitung behandelt er die Geschichte der landständischen Verfassung und der Landtage von 1400—1538, im Text bietet er die Akten der Jüiich-Bergischen Land«

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tage von 1538—1562. Bei Sammlung und Erläuterung der Schriftstücke ist der Her- ausgeber, Herr Prof. v. Below in Münster i. W., bestrebt gewesen, die in den Land- tagsverhandlungen hervortretenden rechts- und verwaltungsgeschichtlichen Fragen möglichst erschöpfend und umfassend auf- zuhellen. Durch die Rücksicht auf den ihm zugemessenen Raum sah er sich dabei genötigt, einzelne Gegenstände in beson- deren Abhandlungen oder kleineren Akten- mitteilungen zu behandeln, welche der Hauptpublikation teils vorausgeschickt sind, teils noch nachfolgen werden. Den zweiten Band gedenkt Prof. v. Below ohne Unterbrechung in Angriff zu nehmen.

Die. Bearbeitung der Jülich-Bergi- ^chen Landtagsakten, H. Reihe, ist durch Herrn Dr. Küch in Düsseldorf un- ter Leitung des Herrn Geh. Archivrat Dr. Harless eifrig gefördert worden. Von dem in Düsseldorf beruhenden Quellenmaterial sind die landständischen Protokolle und teilweise auch die gleichzeitigen politischen Akten bis zum Beginn des Jahres 1642 «xcerpiert, beziehungsweise durchgesehen worden. Die Vollendung der Publikation ist für den Sommer 1898 in Aussicht ge- nommen.

Der n. Band der älteren Matrikeln der Universität Köln ist von dem Her- ausgeber, Herrn Dr. Herm. Keussen in Köln, im Betriebsjahre erheblich gefördert worden. Die Abschrift liegt nunmehr bis 2um Schlussjahre 1559 vollständig und mit den Vorlagen, den im Kölner Historischen Stadtarchiv beruhenden Matrikelbänden III und IV, sorgfältig verglichen vor. Das alphabetische Hauptregister ist nebenher fertig gestellt worden und bedarf nur mehr der eindringlichen Durchordnung. Die für die Bearbeitung und Erläuterung notwendige Arbeit glaubt der Herausgeber bis zum Jahre 1898 leisten zu können.

Die Herausgabe der erzbischöflich- kölnischen Regesten geht, wenigstens in den beiden ersten Abteilungen, ihrem «baldigen Abschluss entgegen. In der ersten Abteilung wurden von Herrn Professor Menzel weitere kritische Punkte unter- sucht, so namentlich die Frage, in wieweit die Kaiserurkunden, in denen Erzbischöfe

von Köln als Intervenienten genannt wer- den, für das Itinerar der Erzbischöfe ver- wertet werden können, dann über die Stel- lung der Erzbischöfe als Erzkanzler des Reiches für Italien und als Bibliothekare und Erzkanzler des apostolischen Stuhles, über Pallienverleihungen , über Kirchen- bauten und Kirchenweihen u. s. w. Die Durcharbeitung der zahlreichen bis jetzt erschienenen Bände der Jahrbücher des fränkischen und des deutschen Reiches brachte eine reiche Ausbeute an chroni- kalischen und urkundlichen Nachrichten. In dem zu Halle befindlichen Kartular des S. Cassius- und Florentiusstiftes in Bonn fanden sich die ältesten, handschriftlich bis jetzt bekannten, erzbischöflich -kölni- schen Urkunden, die des Electen Lntber- tus vom J. 842 und des Bischofs Günther vom J. 854.

In der zweiten Abteilung (1099—1304) setzte Herr Dr. Richard Knipping die Bearbeitung des urkundlichen und chroni- kalischen Materials mit gutem Erfolge fort. Ansehnliche Ausbeute an bisher ungedrnck- ten Urkunden gewährten die Kopiare der geistlichen Stifter im Stadtarchive von Köln, das Stadtarchiv in Rheinberg und das Kirchenarchiv von S. Severin in Köln.

Für die dritte Abteilung (1304—1414» war Herr Dr. Moriz Müller in Bonn thätig. Die Sammlung des gedruckten ur- kundlichen Materials wurde fortgesetzt, mit den Aufzeichnungen aus darstellenden Quellen wurde begonnen. Für den ange- gebenen Zeitraum sind bereits über 4000 Regestenzettel zusammengebracht.

Mit Rücksicht auf die baldige Vollen- dung des ersten Regestenbandes, der die drei Abteilungen bis 1414 enthalten soll, wurde die Bearbeitung der späteren Par- tieen einstweilen zurückgestellt.

Für die älteren rheinischen Ur- kunden ergab der in Halle befindliche schon von Perlbach benutzte und teil- weise veröffentlichte Traditionscodex des S. Cassius- und Florentiusstiftes in Bonn eine reiche Ausbeute. Die Traditionen be- ginnen schon im 7. Jahrhundert imd sind für die Geschichte Bonns, des Bonngaaes und der benachbarten Gaue von grosser Wichtigkeit. Im Staatsarchiv zu Dussel-

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dorf wurden die Urkunden von Werden, Essen, Cornelimünster und andern nieder- deutschen Klöstern und Stiftern bearbei- tet, im Stadtarchiv^ zu Frankfurt a. M. die aus S. Maximin stammenden Kaiserurkun- den des 9. und 10. Jahrhunderts. In der Stadtbibliothek zu Trier wurde die Durch- sicht der Handschriften fortgesetzt und wenigstens für die älteste Zeit zum Ab- schluss gebracht. Das Material bis zum J. 800 (mit Ausnahme zweier Urkunden aus den Jahren 707 und 765) ist nun voll- ständig gesammelt und gesichtet und wird im Laufe dieses Jahres vorgelegt werden können.

Die Ausgabe der Zunfturkunden der Stadt Köln hat auch im verflossenen Jahre nicht gefördert werden können, weil ein Leiter für dieses Unternehmen fehlte.

Dagegen ist die Drucklegung des II. Ban- des der Akten zur Geschichte der Verfassung und Verwaltung der Stadt Köln im 14. und 15. Jahrhun- dert durch Herrn Dr. Walt her Stein in Giessen energisch betrieben worden. Der Druck des Textes ist beendet. Die ausgedehnten Personen*, Orts- und Sach- register befinden sich in der Druckerei; ein eingehendes chronologisches Inhalts- verzeichnis zu beiden Bänden wird eben zusammengestellt. Bald nach Ostern wird die Publikation, durch Register und In- haltsverzeichnis der Forschung bequem zu- gänglich, abgeschlossen vorliegen.

Über den Geschichtlichen Atlas der Kheinprovinz berichtet Herr Geh.- Rat Nissen:

Die von Herrn Schult eis entworfene Karte des Jahres 1818, welche die Anfänge der preussischen Verwaltung veranschau- lichen soll, befindet sich im Stich und wird in einigen Monaten zur Ausgabe ge- langen. Das gleiche gilt von dem Text, der in einem Umfange von etwa 12 Bogen die Karten von 1813 und 1818 erläutert: davon ist ein Drittel bereits gedruckt, der Rest kann rasch gefördert werden. Grössere Schwierigkeiten bietet der Textband, den Dr. Fabricius der Spezialkarte von 1789 beigeben wird. Doch besteht auch hier die Hoffnung, dass der Band im Laufe des Jahres erscheinen kann. Daneben sind

die Vorarbeiten für die Fortführung de» Atlas in Angriff genommen, über die näherer Bericht für das kommende Jahr vorbehal- ten bleibt.

Akten der Jülich - Clevischen Politik Kurbrandenburgs (1610 bis 1640). Der Leiter des Unternehmens,. Herr Geh -Rat Ritter, ergänzte im abge- laufenen Jahr die früher in den Archivea von Berlin und Dresden aufgenommeneu Akten Verzeichnisse durch entsprechende Durchsicht der Aktenbestände des Münste- rer und des Marburger Archivs und durch. Fortsetzung der Durchsicht der Düssel- dorfer Akten. Von Herrn Dr. Löwe wur- den gleichzeitig aus dem Berliner Archiv diejenigen Akten (Berichte und Instruktio- nen, reichhaltige Diarien und Protokolle),, welche sich auf die inneren Verhältnisse der Lande von 1610 14 beziehen, im wesentlichen vollständig durchgearbeitet. Seine nächste Aufgabe wird es sein, die gleiche Arbeit mit den Düsseldorfer Aktea vorzunehmen. Berücksichtigt müssen auch noch die kirchlichen Archive werden, da es erforderlich zu sein scheint, der Aus- einandersetzung der drei Bekenntnisse über die jedem einzelnen zufallenden Kirchen und Gemeinden möglichst eingehend zu folgen.

Die Sammlung und Verarbeitung der Materialien für die von Stadtarchivar Dr. Hansen übernommene Publikation der Quellen zur ältesten Geschichte des Jesuitenordens in den Rheinlanden (1543—1582) ist nahezu beendet. Das Manuskript wird in einigen Monaten fertig gestellt sein. Eine besondere Vorarbeit, eine Untersuchung über die erste Nieder- lassung des Jesuitenordens in Köln (154.^ 1545), wird getrennt von der Akten- publikation noch im laufenden Frühjahre an anderer Stelle veröffentlicht werden.

Herr Dr. Voullidme berichtet über den Fortgang seiner Arbeit über den Buch- druck Kölns im 15. Jahrhundert:

Ich habe zunächst die Neubearbeitung der schon von Ennon in seinem Katalog verzeichneten Drucke zu Ende geführt, sodann die in meine Arbeit gehörenden Bücher der Abteilungen A D (Alte Drucke, Mv. (Mevissen'sche Sammlung) und den

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^rössten Teil von GB (Gymn.-Bibl.) der Kölner Stadtbibliothek durchsucht und das reiche, Knnen unbekannte, Material be- arbeitet.

Im Juni weilte ich 12 Tage in Trier, um die Schätze der Stadtbibliothek kennen ZM lernen. Einen grossen Teil des Gefunde- nen — etwa 65 Drucke habe ich gleich an Ort und Stelle katalogisiert, einen an- deren kann ich in Bonn bearbeiten, da er durch das dankenswerte Entgegenkommen ■der Bibliothekverwaltung nach und nach 4er hiesigen Königlichen Universitätsbiblio- thek übersandt wird. Um die noch nicht erledigten Abteilungen der dortigen Incu- nabelsammlung zu prüfen, gedenke ich im kommenden Frühjahr eine zweite etwa 14tägige Reise nach Trier zu unternehmen.

Nebenbei wurden einige Drucke aus •der Berliner Bibliothek von mir aufgenom- men, und vollständig die Kölner Drucke der Bonner Universitäts - Bibliothek für •meine Zwecke verarbeitet, so dass die Ge- samtzahl der mir jetzt bekannten und ka- talogisierten Incunabeln Kölnischen Ur- isprungs 625 beträgt.

Von der Geschichte der Kölner Malerschule, herausgegeben von Lud- wig Scheibler und Carl Aldenhoven, wird die zweite Lieferung gegen Ende dieses Jahres erscheinen. Der zugehörige Text wird nach Abschluss des ganzen Werkes veröffentlicht werden.

Für die von Herrn Prof. Dr. Gothein übernommene Herausgabe von Urkunden und Akten zur Geschichte des Han- dels und der Industrie in Rheinland und Westfalen sind die Vorarbeiten be- gonnen worden. Die Bestände des Frank- furter und des Strassburger Stadtarchivs sind durchgesehen; die Durcharbeitung der Materialien des Kölner Stadtarchivs ist in Angriff genommen worden.

Denhncüerstatistik der Bheinpiwitus:. Die Kommission hat sich im Oktober 1894 durch die Zuwahl des Herrn Geheimen Baurats und Regierungsrats Cuno in Cob- lenz ergänzt.

Im November 1894 ist das zweite Heft des dritten Bandes erschienen, das die Beschreibungen der Denkmäler der Städte

Barmen, Elberfeld, Remscheid und der Kreise Lenuep, Mettmann, Solin^^n ent- hält. Da es möglich war, die genannten Städte und Kreise in einem Heft von massigem Umfange zu behandeln, so kön- nen die Kunstdenkmäler des Regierungs- bezirks Dusseldorf mit dem dritten Bande des Werkes ihres Abschluss finden, indem die Kreise Neuss, Krefeld, Gladbach und Grevenbroich diesem Bande nocU zuge- wiesen werden. Der Text des dritteo Heftes des dritten Bandes, das dem Kreist Neuss gewidmet ist, konnte infolge der dem Bearbeiter Herrn Dr. Paul Giemen in seiner Eigenschaft als Provinzial- Kon- servator erwachsenen Arbeitslast erst im Anfange des laufenden Jahres abgeschlossen werden, ist aber gegenwärtig bereits unter der Presse. Die übrigen Hefte des dritten Bandes werden auch noch im Laufe des Jahres 1895 erscheinen.

Die als Vorlagen der Illustration dienen- den Zeichnungen sind für die Kreise Bcru- heim, Euskirchen, Rheinbach, Bonn und Köln (Land), die nunmehr den vierten, wie für den Siegkreis, die Kreise Mülheim am Rhein, Wipperfürth, Gummersbach und Waldbroel, die nunmehr den fünften Band ausmachen werden, fast völlig fertig ge- stellt. Die Bereisung der Kreise Berg- heim und Köln (Land) wird Herr Dr. Giemen schon im Sommer dieses Jahres vornehmen.

In der Stadt Köln sind bereits einzelne Aufnahmen gemacht worden.

Die zahlreichen zeichnerischen Vorlagen und sonstigen Aufnahmen, die für die Illustration der bisher erschienenen Bände und Hefte beschafft worden sind, sind unter Zustimmung der Provinzialvenraltnng als Grundstock für die Bildung eines Denk- mälerarchivs verwendet worden, das durch Anschaffung weiterer Nachbildungen aas einem dem Provinzial- Konservator beson- ders zur Verfügung gestellten Fonds stetig vermehrt werden soll, bereits über 20» K) Blätter umfasst und vorläufig in den Boo- men des Bonner Provinzial-Museums unter- gebracht ist.

Auch in diesem Jahre ist der berdt- willigen Hülfeleistung der vielen für du

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TJatemebmen in Anspruch genommenen Behörden und Privatpersonen mit aufrich- tigem Danke zu gedenken.

Yereinsnachrichten

unter Redaction der Vereinsvorstände. 5. Birkenfeld, Verhandlungen der Gene- ral Versammlung des Vereins für Altertumskunde imFurstentumBir- kenfeld im Kasinosaale am 18. Juli 1894. Anwesend 26 Mitglieder und 1 Gast. Nach- dem das Protokoll der vorjährigen General- versammlung verlesen und genehmigt war, erstattete der Vorsitzende Bericht über das abgelaufene Vereinsjahr 1893/94. Die Zahl der Mitglieder betrug zu Anfang desselben 115, einschliesslich 4 Ehrenmitglieder. Im Laufe des Jahres schieden 2 Mitglieder aus (t Karl Andres in Kirn, verzogen Amts- hauptmann Bödeker); da 13 neue Mitglieder eintraten, so zählt der Verein jetzt 126 Mit- glieder. — Vom Landtag ist dem Verein ein jährlicher Staat szuschuss von 300 Mark, zunächst auf 3 Jahre, bewilligt.

DieThätigkeit des Vereins konnte, da für den Druck der Festschrift mit ihren Abbildungen ein grosser Teil der verfüg- baren Gelder verbraucht werden musste, nur eine beschränkte sein. Von den ins Auge gefassten Aufgrabungen auf der „Altburg" , bei Kirnsulzbach und beim ^Heidenofen" konnte nur die letztere ausgeführt werden (vgl. den Bericht im Korrbl. 1895 Nr. 8).

Gefunden wurden: am Rennweg auf dem Gräberfelde beim Kiesgraben röm. Gefässschcrbeo, auf der „Festung" bei Kirschweiler ein Werkbeil, 1 Thonleuchter (beide röm.) und Scherben sehr hart ge- brannten Thons. Über Funde, die beim Abbruch des Schiffes der Idarer Kirche gemacht wurden, berichteten Idarer Mit- glieder, die auch ein Stück (einen antiken Kopf) der Versammlung vorlegten.

Kassenbestand. Die Solleinnahme beträgt einschliesslich des Staatszuschusses 631 Mark, die Ausgaben ca. 570 Mark, so dass ein Überschuss von 60 Mark bleibt.

Beschlüsse. Die Höhe des Beitrags bleibt dieselbe wie für das vorige Jahr

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(M. 2,50), dem Germanischen Museum werden wieder 6 Mark bewilligt ; für einen etwaigen Delegierten zur Versammlung des Gesamt Vereins in Eisenach, die Anfang September stattfinden wird, werden 3 Mark bewilligt. Für den Fall, dass eine Fort- setzung der „Römischen Spuren'' etc. als Programmbeilage des Gymnasiums er- scheint, wird der Verein auf seine Kosten für sich die erforderliche Anzahl von Exemplaren abziehen lassen.

Als Aufgaben für die Thätigkeit des Vereins im nächsten Jahre wurden bezeichnet 1) eine Aufgrabung zwischen Wolfersweiler und dem Buchwald an einer Stelle, wo schon Steine mit Skulpturen zum Vorschein gekommen sind, und 2) Fortsetzung der Aufgrabung auf der Alt- burg bei Bundenbach.

Vorträge hielten: 1) Herr Dr. Rade- macher über den römischen Limes, 2) der Vorsitzende, Herr Gymnasialdirektor Back über die „Ringmauer** bei Kirnsulzbach.

E i 1 e r s.

Frankfurt a. M. Verein für Geschichte 37. und Altertumskunde. Die wissen- schaftlichen Sitzungen dieses Winters wur- den fast gänzlich von einem Cyclus von Vorträgen über die Frankfurter Geschichte in Anspruch genommen. Dieser aus 12 Vorträgen bestehende Cyclus sollte den Mitgliedern ein möglichst voll- ständiges, dem derzeitigen Stande der For- schung entsprechendes Bild der Urgeschichte der Umgebung der Stadt und ihrer ge- schichtlichen Entwickelung in den elf Jahr- hunderten von der ersten Erwähnung der Stadt unter Karl dem Grossen 794 bis zum Ausgange der freistädtischen Zeit 1866 geben; jeder Vortrag behandelte als ein selbständiges Ganzes einen bestimmten, in sich geschlossenen Abschnitt der städti- schen Geschichte ; die Vortragenden (Herren Dr. H. von Nathusius, Dr. K. Th. Kuthe, Prof. Dr. G. Wolff, Dr. 0. Heuer, Dr. R. Jung, Pfarrer Dr. H. Dechent, 0. Donner- V. Richter, Dr. H. Traut, Dr. H. Pall- mann, Dr. J. Kracauer) waren so gewählt, dass jeder Herr auf dem ihm eigenen Forschungsgebiete zu Worte kam.

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38. PrUm, Gesellschaft für Altertums- kunde. Am Schlüsse des vergangenen Jahres zählte die „Gesellschaft für Alter- tumskunde zu Prüm" 79 Mitglieder (ein- schliesslich der auswärtigen), von denen 50 das Korrespondenzblatt bezogen. Den Vorstand bildeten die Herren: Direktor Dr. Asbach, I. Vorsitzender; Landrat Dombois, II. Vorsitzender; Seminardirektor Dr. Schäfer, I. Schriftführer; Oberlehrer Dr. Lemmer, IL Schriftführer; Rent- meister Marx, Kassenwart ; Konviktsdirektor Schweizer, Kreisbaumeister Schrader und Dr. med. Leutz, Beisitzer.

Seit dem Beginne des letzten Geschäfts- jahres des nunmehr alle 3 Monate tagen- den Vereins (1. April 1894) wurden in 3 Sitzungen folgende Vorträge gehalten. Es redeten 1) am 8. Mai Herr Kreisbaumeister Schrader über die römischen Baudenkmäler des 15. bis 19. Jahrb., unter Benutzung von Prof. H. Strack's photographischen Originalaufnahmen. (Verlag von Wasmuth, Berlin 1891). 2) am 27. Juli Herr Direk- tor Dr. Asbach über die sogenannte „Schule von Athen'' in den Stanzen des Vatikans. 3) am 25. September Herr Dr. Rader- macher über die Ausgrabungen in Blan- kenheim.

Neben den Vorträgen dienten beson- ders auch kleinere Mitteilungen und Be- antwortung von Fragen aus den verschie- denen Gebieten der Geschichte und Alter- tumswissenschaft sowie die Besprechung von Antiquitäten und neuen Fundstücken aus der Umgebung von Prüm zur Bele- bung der Sitzungen.

In der März-Sitzung 1895 hielt Herr Oberpfarrer Hortkens aus Cronenburg (Kr. Schieiden) einen Vortrag über „die kirch- lichen Kunstschätze des Kyllthals'', in welchen er sich besonders über die am . Ende des 15. Jahrhs. gebaute Kirche in Cronenburg mit ihren früher tibertünchten und überklebten, jetzt aber wieder er- neuerten prächtigen Gemälden verbreitete.

Vorgelegt wurde der Versammlung ein Exemplar der Kosmographie des Sebastian Münster, sowie ein österreichischer Gold- dukat aus dem 15. Jahrb., angeblich ge- funden in einem Maulwurfshaufen zu Nie- dermehlen (Kr. Prüm).

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Berioliticriiiisr- 39.

In Nr. 10 dieses Jahrganges muss es in der Überschrift heissen: Württem- bergische Künstler etc. von Dr. Aug. W in tt erlin (nicht Wetterlin). In der- selben Besprechung Sp. 37 Zeile 10 von unten lies Scheffauer statt Schaffauer.

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Neue Funde.

10. Mainz. Ein kleines den Nymphen ge- weihtes Altärchen wurde im vorigen Herbste bei Neubauten an der Bingerstrasse auf- gefunden und vor kurzem von dem Besitzer, Herrn Getreidehändler Otto, dem Museum geschenkt. Das Material ist, wie mir Herr Prof. Zangemeister mitteilte, eine Art leicht zu bearbeitender, an der Luft erhärtender Kalkstein, den die Italiener Palombino nennen und woraus u. a. die bekannte tabula lliaca des Capitolinischen Museums in Rom gefertigt ist. Sein nächstes Vor- kommen ist bei Maastricht, wo er nach- weislich schon zur Zeit der Bömer ge- brochen wurde. Der Altar ist 29 cm h., 18 br. und 15 dick; unten und auf der rechten Seite ist er etwas verletzt. Die Inschrift zeigt Spuren roter Farbe; sie heisst

Q_- A T I L I V S N YMPIS« V- «• Q. Atilius nymp(h)i8 v(otum) [s(olviiJ].

(Von dem abgebrochenen S am Ende der zweiten Zeile ist noch ein kleiner Rest sichtbar). Aus dem Fehlen des Cognomens ist zu schliessen, dass der Altar aus der Zeit vor Claudius stammt. Unter der In- schrift, ziemlich in der Mitte des Altär- chens, ist eine Rose angebracht.

In der zweiten Hälfte April wurden am Petersplatz folgende 6 Stück aufge- funden und eingeliefert und zwar Nr. 1 3 am 18., 4—7 am 30. April.

1) Bruchstück, das wohl zu einer Bau- urkunde gehörte, aus Kalkstein, 59 cm h., 67 cm br. und 16 cm dick. Die Buchsta- ben und Ziffern sind 15 cm h. Es ist links und unten abgebrochen; die Rand- leiste ist nur rechts sichtbar.

xxTT!

P F I [Legio] XXII[pr(imigenia)]p(ia) ((iddisj,

2) Altar von trefflicher Erhaltung aus Sandstein, 75 cm h., 44 br., 24 dick. Die Vorderseite »mit der Inschrift ist ganz un- verletzt. Sie lautet:

1 DEAB-AVFAN

ET-TVTELAE -LOCI PROS ALVTE-ET« IN COLMITATE'SVA 5 S V O R V M (^« O M NIVM-L-MAIÖRI VSCOGITATVS-BF COS'VOT'SOL-L-L-M IDIBVS IVLIS 10 GENTlANO»ET BASSO COS DeabfmJ Anfanfiahus) et Tutelae loci pro Salute et incolftijmitate siia suorumqCueJ omni um L. Maiorius Cogitatus hCeneJffi- ciariusj cofnjsfularisj , vot(um) solfvitj IfaetusJ IfibensJ mCerito), IdibtiS lulis, Gentiano et Basso cofnJsCulibusJ. (15. Juli 211 n. Chr.).

Die Buchstaben sind sehr regelmässig eingehauen. Das F am Ende von Zeile 7

ist durchstrichen, wie meist bei der Ab* kürzung für beneficiarius. Der Stein ist, abgesehen von der genauen Datierung, auch durch die Gottheiten merkwürdig, denen er gewidmet ist. Die Aufaniae, die hier „deae^ genannt werden, gehören bekannt- lich zu jenen gallischen Matronen, deren Verehrung am Khein hauptsächlich in Nie- dergermanien verbreitet gewesen zu sein scheint. In Mainz befand sich seither nur ein Stein, der inschriftlich dem „Juppiter und den Müttern'' geweiht war; vielleicht sind (nach Ihm, B. J. 83 S. 87) noch zwei andere hierher zu rechnen, welche den Schutzgöttem der Kreuzwege geweiht sind. Übrigens sind die Verzierungen des Altars ganz ähnlich denjenigen an vier anderen unseres Museums (Nr. 38, 73, 12 und 33 des Becker'schen Katalogs), die aus den Jahren 198, 204, 208 und 210 stammen; offenbar gingen dieselben sämtlich aus einer Werkstätte hervor.

3) Quadratische Grabplatte aus Kalk- stein, 58 cm h. und br., 11 cm dick; die Buchstaben sind 5^2 cm h., das 0 der 2. Zeile nur 3. Die Inschrift lautet:

D M

GAMVXPSR.O A N D A N G I T I T V S F I L I V S F AC C VR BfisJ M(anihns) Gamuxpero, Andangi CfilioJ^ Titas fiUus facfiendurnj cur(avii). Also Vater und Grossvater haben noch barbarische, der Enkel bereits einen rö- mischen Namen.

4) Bruchstück eines Grabsteins aus Kalkstein. Der untere Teil ist abge- schlagen. Jetzige Höhe 1 m, Br. 68 cm, Dicke 34 cm. In dem an der Spitze be- schädigten Giebel ist eine Rose ange- bracht. Die oberen vier Zeilen der In- schrift haben eine besondere Umrahmung von 39 cm Höhe und 49 cm Breite im Lichten. Die untere Querleiste ruht auf zwei Säulen, deren Schäfte den zweiten Teil der Inschrift, der jetzt noch 27 cm hoch ist, einrahmten. Von den Buchsta- ben sihd die grösseren 9 cm, die kleineren 4 5 cm hoch; die Punkte zwischen den

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3 letzten Buchstaben der vierten Zeile Bind herzförmig, die übrigen, soweit sicht- bar, dreieckig.

Tt R R A N I A T-L-SvADvL^A ANXXvVRBA" A

ANXX»H*S*S

5. LVCIlIVS'Hi I A R lo« SoRoR I

Turrania, TfitiJ IfibertaJ, ASuadulla '/*- fnorumj XX F, Urbana an(norumj X\, hficj sfifaej sfuntj. Lu4nlius IIi[f]ario -n- rori[bus?]

In der Mitte der 3. Zeile ist der Stein etwas verletzt, doch ist die Lesung wohl sicher. Das erste I der 5. Zeile ragt über die anderen Buchstaben etwas hinaus. Am Anfang der 6. Zeile stand wohl ein L. dessen Querhaste unter das kleinere A griff, also L\

5) Bruchstück eines Grabsteines aus Kalkstein. Höhe 68 cm (an der vor- dem Fläche nur 58), Br. 70 cm, Dicke 50 cm. Die Buchstaben sind 7—8 cm hoch. An den Seiten befinden sich Rand- leisten. Der Oberteil fehlt.

G A I V L V s V I R V N O,^

Die Bnchktaben der «in- seinen Zeilen sind an^- f&hr gleich hoch, aber die der swci ersten ain'i breiter nnd stehen weiter auBeinander.

MIL« LEG-XX_^ PR- AN LV'STP XXX-H-S-E-H-F-C«

. . . Gaiulus Viruno, milfesj leg^ionl^) XX[/7] prfimigemaej anCnorinnJ L\\ 8t[i]pCe7idiorum) XXX, hficJ sfitusy t M^, hferesj ffaciendumj cfuravitj.

An der rechten Seite ist der Stein etwas verletzt, ohne dass die Lesung da- durch beeinträchtigt würde. Das hiesige Museum besitzt schon zwei Grabsteine von Soldaten (der vierten und der rierzelmten Legion), welche aus Virunum (Zollfeld li**i Klagenfurt in Kärnten) gebürtig waren.

6) Bruchstück aus Kalkstein, Huh{^ 35 cm, Br. 32, Dicke 10; Buchstabenhohe

- 9 cm. Oben Randleiste, an

T CS M A den 3 anderen Seiten al»?e-

)

,D CS T F/

brochen, doch ist die linke Hälfte der unteren Seite regelmässig und glatt behauen, wahrscbein-

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86

lieh bei späterer Verwendung; vielleicht erstreckte sich die Inschrift über mehrere Steine. Unter der zweiten Zeile ist noch eine wagrechte Linie sichtbar, wie sie über Zahlen zu stehen pflegt.

7) Grosses komposites Säulen-Eapitäl aus rotem Sandstein, reich mit Akanthos- blättern u. s. w. verziert, ist aber leider stark beschädigt, hoch 52 cm, ähnlich etwa Hettner, Trierer Steindenkmale 542.

Tupferstempel und Graffiti auf Sigillata-Waren. Hr. Stadtverordneter M. M. Mayer schenkte einen an der Schulstrasse gefundenen Teller mit dem unverständlichen Stempel mai iaava ; Hr. Baumeister 0. Strebel einen solchen mit NASS OF und zwei Bodenstücke mit . . . ORINI und CELERON (Geleris officina^J ; ein Teller aus Bingen zeigt OF vitali, auf seiner Rückseite ist eingekratzt FABAti (Fahatii)\ auf einem solchen, der von dem römischen Friedhof im Gartenfeld stammt, liest man OF bilica (L und I sind fast zu einem eckigen U zusammengezogen, mit dem A scheint noch ein T verbunden zu sein. Eine reiche Ausbeute von ge- stempelten Bodenstücken lieferten die zahl- reichen Bauten im Innern oder in der Kähe der Stadt. In Amöneburg wurden gefunden die Stempel Cirrvs fec und AMANDVS FE, an der Schusterstrasse: of

MOW, DIVAC (V), GALICA . . . . , CORY

(= Carvus'?), eine Bodenhälfte zeigt auf der Innenseite den Rest eines Stempels: . . . vs FE und auf der Aussenseite den eines Graffitos: . . . acri; ebendaher, von der Stelle des früheren Gutenberg- Casinos stammt OF BASS, der Besitzer des Tellers hatte einst sein Eigentumsrecht durch ein eingekratztes Kreuz gewahrt. Am Brand beim Bau des Postgebäudes : CERI ALIS F, Geschenk des Herrn Dr. Chr. Schmidt; im Altmünsterweiher : FLORit . . . {FlorinusT) ; AVG . STAUS FE {Aug[ii\8talis fecit) ; vom Kästrich : ^FCvroi {Verecundus fecit?)', von unbekannter Herkunft : O F M o NT c i ; PRIMITIVS F; . . NTVGNATV (Cintugnatus?) ; erste Zeile mir nicht ver- ständlich , nachher wohl Fortis fecit. Die letzten sieben Stempel nebst drei undeutlichen sind Geschenke des Herrn Prof. Dr. Munier. OF a.bni {of Albani), OF caran, mllvs f (Melus fecit ?), ABVR und OF VITA, sämmtlich auf der Baustelle am Petersplatz gefunden. Femer an der Ringstrasse : recinvs fecit (rück- läufig und vertieft); an der Bilhildisstrasse : VFN . . .; an der unteren Kaiserstrasse: siiviiR . . . und /iiRiNVS (Abdrücke des nämlichen Stempels: Severinus). Endlich ein Thonlämpchen mit evcari. Mainz. Kurber.

41. Ktfln. [Neueinschriften.] I. Yotivtafel an Juppiter Dolichenus. Am 1. Mai d. J. wurde beim Kanalbau an der Ecke der Elstergasse und der „Ruhr" eine Platte aus Jurakalk gefunden, welche folgende Inschrift enthält:

Lesung nicht beeinträchtigt. Die gegen- wärtige Breite der Platte beträgt 1 m, die Höhe 0,54, die Dicke 0,12. Die schö- nen und sorgfältig behandelten Buchstaben haben in der ersten Zeile 4^1 cm Höhe, in der zweiten bis sechsten ca. 4, in der

lO-JW-DOL l CHENO'PR O^ *alute impp.caeaa. M-AV RELLI ANTONINI- Plt-As^ ug. et p. sepl, getae Pit-AVG ET'IVLIAE-AVG VSTAEJ matru augg. et etulr. LLVCCEIVS MARTINYS-LEGnO^i« augg. pr.pr. prov. GERMANIA E-INFER TEM ///v plum vetuttate col LABSVM a'-SOLO»RESTITVIT-C urantt [l. vaUrio] PRISCO-)-LEG«XXX«V»V«P-F-GEn| ticmo et haeto eoea.

letzten SVa cm. Für die Ergänzung der Inschrift war besonders der Schluss der letzten Zeile wichtig. Dr. Siebourg ver- mutete hier mit Recht die Consulnamen. Da die Zeit Caracallas zweifellos war, er>

Sie ist vom Rahmenwerke einer Tafel ein- gefasst, deren linke grosse Ansa erhalten ist; rechts ist der Stein abgebrochen und mit ihm das Ende der Zeilen, durch die Mitte geht ein Bruch, der jedoch die

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gab sich leicht der Schluss Geniiano et Basso COS. (211 n. Chr.). Die Worte „et castr.^ in der 3. und y^vetustate^ in der 5. Zeile füge ich auf Vorschlag Mommsens ein, welcher die Güte hatte, meine Lesung zu prüfen. Die Ergänzung des Praenomen und Gentile des Centurio ist nur beispiels- weise. Die Inschrift nennt uns einen bis- her unbekannten Statthalter Mederger- maniens, der mit Qu. Aiacius Modestus Cjrescentianus, dem Legaten der oberen Provinz, gleichzeitig war. Die 30. Legiojn fuhrt hier bereits die Titel p, f., welche bis- her nur auf fünf Inschriften bemerkt sind, deren älteste (Bramb. 151) vom J. 223 stammt. Nach Schillings Vermutung (Leip- ziger Studien 15, 1) sind sie ihr bereits von Septimius Severus i. J. 193 verliehen ; diese erfährt durch unsere Inschrift wei- tere Begründung. Die Verehrung des Jup- piter Dolichenus nahm in den Zeiten des Septimius Severus nnd der Domna grossen Aufschwung, namentlich im Heere. Ein Angehöriger der 30. Legion stiftet auch den zu Xanten gefundenen Votivstein des Gottes (Hettner, de Jove D. 40, 40).

Unsere Inschrifttafel, welche ursprüng- lich über dem Eingange des Tempels in die Wand eingefügt war, wurde 3 m tief, mit der Schriftseite auf einer Mauer liegend gefunden, die von 0. nach W. lief und an der genannten Strassenecke im rechten Winkel mit einer anderen zusammenstieas. Beide bestanden aus Grauwacke mit Ziegel- durchschuss, zwischen ihnen befand sich ein Stück eines Betonbodens. Vermutlich hängen diese Baureste mit dem Gebäude- complexe zusammen, auf welchen man 1888 beim Bau des neuen Justizgebäudes auf dem nahen Apellhofplatze gestossen war. Leider unterblieb damals eine systematische Nachgrabung und sogar auch eine Aufnahme des Grundrisses; nach dem Berichte J. Kleines (Bonner Jahrb. 87, 213) bestand das Mauerwerk hier aus Grauwacke, Thon- schiefer und Tuffstein mit Ziegeldurch- schuss, ausserdem wurden Reste von Be- tonboden, Wandmalereien und kleineren Wasserleitungsröhren aufgefunden. Viele Ziegel hatten den Stempel der 30. Legion, welche von ihrer Errichtung nach dem 2. Dakerkriege Trajans ab (v. Domaszewsky^

Die Religion des rum. Heeres, Wd. Ztschr. XIV S. 24) in Niedergermanien ganiiso- nierte, wonach man sie als Erbauer betrach- ten kann. Die Technik des Mauerwerkes lässt dabei frühestens auf das 3. Jahrh. schliessen. Für die am Ende der Elstergasse zu Tage getretenen Bauten ergiebt sich aus der Benützung der Dolichenusinschrift als Baustein, dass sie erst zu einer Zeit entstan- den sind, als der unter Caracalla wieder- hergestellte Tempel abermals zerfallen war. Eine Verschleppung der Votivinschrift aas grösserer Entfemimg ist nicht anzunehmen, vielmehr weisen andere in unmittelbarster Nähe des jetzigen Justizgebäudes gemachte Funde auf diesen Ort hin. Es stand hier ein Heiligtum der Juno Virtutis, des weiblichen Genius der kriegerischen Tapferkeit (viel- leicht eine Schmeichelei für Julia Domna) und das des Genius hastiferum. Der Vo- tivstein jener wurde 1888, ein Statuenbasis mit den Resten der Figur, zwei Füssen und einer Stütze, mit der Aufschrift ,,Gema hastiferum*' 1893 daselbst gefunden. Die bisher in Castel bei Mainz und in Vienne konstatierte Körperschaft dieses Namens bestand demnach auch in Köln. In den Inschriften jener beiden Orte hat er die Form hastiferi, während er hier hastiferes lautet. Aus der zwischen Mommsen und Maud über das Wesen der hastiferi ge- führten Kontroverse geht mit Sicherheit hervor, dass sie eine Munizipalgarde bil- deten, welche sich aus den speertragenden, im Dienste der Civitas stehenden Hirten zusammensetzte. Auch die Umgebung von Köln bestand wie die von Mainz, grössten- teils aus Weideland, welches der Bürger- schaft gehörte und mit dem Viehstande dem Schutze und der Pflege der pastores anvertraut war. Durch die Entdeckung eines Genius hastiferum ist Maues An- sicht, dass sie eine sakrale Bürgerschaft gebildet hätten, die zum Dienst-e der orgi- astisch verehrten Bellona bestimmt var, völlig unhaltbar geworden. Neben diesen beiden Heiligtümern militärischen Charak- ters wird auch der Tempel des Soldaten- gottes Dolichenus seinen Platz gehabt ha- ben. Damit gewinnt die Vermutung grosse Wahrscheinlichkeit, dass die ausgedehnten Bauanlagen der 30. Legion (denen nach

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Ziegelfunden solche der 22. imm. voran- gegangen waren) zum Praetorium gehörten. IL Grabstein eines Veteranen der legio X gemina und seiner Gattin.

MMLCELERINVS PAPIRlA-ASTtGE aVISAGWPPlNE VETEMEGXGPF VIVOSFECITSIBI ETMARCL4EPBD

CVLAEVXOW

Er ist Anfang Mai in der Richard-Wagner- strasse heim Neubau des Herrn V. Wohl- fahrter gefunden, besteht aus Jurakalk, ist 0.96 m breit, ca. 2 m lang und 0,28 dick. Die sehr gute Schrift hat in der ersten Zeile 8 cm, in der zweiten 7\''i, in der dritten bis sechsten 7, in der letzten 6 cm Höhe. Merkwürdig ist die doppelte Ileimatangabe. Mommsen schreibt mir darüber: „Der Mann ist aus der Colonie Astigi in Baetica, deren Tribus Papiria auch anderweitig bekannt ist (Kubitschek, de Rom. trib. origine p. 135) aber dann

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civis Agrippinensis geworden. Solcher Heimatwechsel ist nicht ohne Beispiel,, aber begegnet sehr selten." (Vgl. Momm- sen, Staatsrecht IP, 1081, a. 4). Daa Relief, welches den Verstorbenen und seine Gattin mit einem jungen Skla- ven beim Male zeigt, ist eine tüch- tige Arbeit und erhebt sich weit über die gewöhnlichen handwerks- mässigen Erzeugnisse dieser Art, na- mentlich in der Behandlung des Haares und des Faltenwurfes. Die stark vorspringenden Köpfe sind sehr beschädigt, die rechte Hand des Liegenden, die wohl einen Becher hielt, ist abgebrochen, ebenso der völlig frei aus der Fläche ragende rechte Unterarm der Frau, die dem Gatten eine Frucht aus dem Körbchen auf ihrem Schosse gereicht haben mag. Die Form der Nische und die Haltung des Sklaven mit im Schosse gekreuzten Händen ist die übliche. Nicht der heroisierte Tote war hier mit seiner Gattin im Genüsse der von den Hinterbliebenen gespendeten Opfer dargestellt, sondern „das Lebea als Gastmal", eine Auffassung, welche häufig auch in Grabinschriften wie- derkehrt und eine abgeschwächte Form der sog. Grabschrift Sardana- pals darstellt. (Vgl. E. Maass, Orpheus p. 209 f.). Urlichs, der sonst die Be- zeichnung dieser Reliefs als „Toten^ male" zurückweist, hält doch die Nische für das Grab und die Haltung des Sklaven für eine Geberde der Trauer. Jene ist jedoch, wie der vom oberen Rande herabreichende Zapfen und die manchmal über die ganze Wölbung durchgehenden Rippen beweisen, nichts weiter als eine der Pilgermuschel entlehnte architektonische Form, die sich auch bei anderen Darstellungen in Hoch- relief, wie Matronensteinen, Nischen für Thonfigürchen u. a. findet. Die Hal- tung des Sklaven ist die eines, der Be- fehle des Herrn harrenden Unbeschäf- tigten. Den Namen lagona für die grosse cylindrische Henkelkanne neben dem Tisch- chen hat bereits Urlichs verworfen. In Thon findet sich das Gefäss äusserst selten,.

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dafür desto häufiger aus grünem Glase. Es ist die am Rhein bis in die späteste Kaiserzeit übliche Form der ßlaskannen, für welche uns bisher die Bezeichnung fehlt. Ihre Dimensionen erscheinen auf den Grabmälern manchmal etwas übertrie- ben. Der grosse Lehnsessel, in welchem die Frau sitzt, ist nicht eine gallisch- bar- barische Form, wie Conrady (Westd. Zeitschr. IX. 180) meint, sondern aus dem Orient, wahrscheinlich Ägypten entlehnt und in der Eaiserzeit sehr gebräuchlich. Er tindet sich fast überall auf römischen Grab- reliefs, welche Mahlzeiten mit Teilnahme von Frauen darstellen, auch in Italien, während auf den gleichartigen griechischen •die Frau entweder auf dem Lager oder auf einem vierbeiniger Stuhle ohne Lehne sitzt. Ursprünglich bestand er aus Flecht- werk, ein solches ist auch auf dem alexan- drinischen Affenglase des Museums Wall- raf-Richartz, auf einem italischen Grab- relief des Berliner Museums (Katalog No. 8.38), sowie auf den grossen Stein- Fesseln imitiert, welche neben dem Sarko- phage im Rümergrabe zu Weiden stehen. Auf unserem Relief ist der Sessel offenbar aus Holz gedacht, im Gegensatze zu dem sehr deutlich ausgeprägten Flechtwerke •des vor ihm stehenden Korbes mit Rüben. Während hier die Pfosten ziemlich deut- lich angegeben sind, ist der Sessel auf dem Relief eines Grabsteines mit ganz ähn- licher Darstellung im Kölner Museum (Katalog IT, 183) vollkommen glatt. Der Wortlaut seiner Inschrift klingt an die neu- gefundene an: I). M. lul. Maternus vet. €.f. leg. I. Min. vicus. sihi. et. Marie. Mar- <'eUitiae. conii(ji. dulcittsime. castissimae. ^fßitae. f. Der Tisch hat anstatt der geschwungenen, in Löwenfüsse endigenden Beine ganz gerade und ist mit einem ge- franzten Tuche bedeckt. Die Sitte der Tischtücher wird von Domitian ab herr- schend, doch behielten die Steinmetzen den unverhüllten Tisch auf Grabreliefs länger bei, da sie nach hergebrachter Schablone arbeiteten. Bei der Massenher- stellung der Grabsteine ist es auch sehr leicht denkbar, dass der eine oder andere erst Jahrzehnte nach Vollendung des Re- liefs einen Käufer und Verwendung fand.

Darnach ist es auch nicht weiter auffal- lend, dass die Frauen, sowohl aut dem Grabsteine des Celerinus, wie auf dem späteren des Matemus eine Haartracht zeigen, welche zur Zeit der Julia Titi (vgl. die Münze bei Cohen I. 385, IH Mode war, später aber den Hängefrisurec wich. Der Grabstein des Celerinus kann wegen der Legionsbeinamen p. f. nicht vor 89 entstanden sein, wahrscheinlich geh«trt er der Zeit Traians an, der die Legion nach Pannonien versetzte. An den oberen Ecken des Grabsteines waren zwei Löwen- figuren in der üblichen, wie zum Spninsr gerüsteten Stellung, angebracht, dazwiscbec ruhte entweder ein giebelartiger Aufsatz oder eine dritte Figur, ein Todesgenius, eine Harpye. Ungewöhnlich ist die Ver- zierung der Schmalseiten, eine Palme, die von einer Schlange umwunden ist. Auf griechischen Grabreliefs ringelt sich die Schlange oft neben dem Tische empor, auf einem Relief des Berliner Museum^ schlingt sie sich um den auf dem Speise- lager ruhenden Verstorbenen und wird von dessen Gattin anscheinend gekost (Katalog Nr. 829). Auf Reliefs, die den heroisierten Toten zu Pferde zeigen, steht die von der Schlange umringelte Palme in einer Ecke, vor ihr der Opferaltar. Manch- mal umschlingt sie diesen. In allen Fällen ist hier in Schlangenform der Genius des Hauses, bez. des Verstorbenen dargestellt. Auch in Italien blieb lange nachdem offiziell für die Darstellung des Genius die menschliche Gestalt adoptiert war. im Volke das Bild der Schlange das gewöhn- liche für die Genien. In Häusern, wo Mann und Frau in glücklicher Ehe lebten, wurden zwei Genien angenommen, die sirh manchmal durch das Erscheinen zweier J| Schlangen am Ehebette, einer männlichen und einer weiblichen, offenbarten i Preller, Mythol. 87). Nachdem die Anbringung der Schlange auf dem Relief des Mahles selbst ausser Übung gekommen war, boten die beiden Schmalseiten dem Bildhauer Gelegenheit durch symmetrische VerdojH pelung das glückliche Ehelcben der Ver- storbenen zu symbolisieren. Köln. A. Kisa.

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Chronik.

42. Von den Fundberichten aus Schwaben

ist kürzlich Jahrgang II (1894), 47 S. er- schienen. Er enthält eine Fundchronik fi'ir Württemberg und Baden, ferner: Bürger, Zusammenstellung alter und neuer Fundorte aus dem östlichen Teile des Oberamts Ulm; Kurtz, Die Grab- funde von Pfahlheim; W. Xestle, Funde antiker Münzen im Königr. Württemberg II Nachtrag; Steimle, Ein röm. Eelief vom Kastell Schierenhof bei Schwabisch- Gmünd (Nymphe, ähnlich der in den Trierer Steindenkm. Nr. 108 abgebildeten) ; Sixt, Das Fellbacher Mithrasrelief des Stuttgarter Lapidariums, mit Abb.

43 .WQrttemberglfChes Urkundenbueh. Herausgegeben von dem königlichen Staatsarchiv in Stutt- gart. Sechster Band. Stuttgart, Karl Aue. 1894. Vin und 680 S. gr. 4».

Es will etwas heissen, dass der Bear- beiter des Württembergischen Urkunden- buchs, Hr. Geh. Archivrat Dr. v. Stalin, dem im J. 1889 erschienenen fünften Bande, den ich im Korrespondenzblatt der West- deutschen Zeitschrift 1890 Nr. 1 be- sprochen habe, schon nach fünf Jahren einen weiteren Band folgen lassen konnte, der das Werk bis zum Ende des Jahres 1268 fuhrt, mit dem das alte schwäbische Herzogtum erlischt. Da in dem Vorworte des Herausgebers nichts darüber gesagt ist, dass das Werk damit abgeschlossen sei, darf man wohl hoffen, dass seine aus- gezeichnete Arbeitskraft auch ferner Ge- legenheit haben wird, sich an ihm zu be- tätigen, wenn auch die Anlage der Fort- setzung sich wegen der mit jedem Jahrzehnt wachsenden Masse der Urkunden etwas anders gestalten dürfte. Aber immerhin war mit jenem für Schwaben wichtigen Jahre ein Abschnitt erreicht, bei dem es sich empfahl, nun auch rückwärts zu den früheren Bänden nachzutragen, was erst neuerdings erreichbar geworden ist. Irre ich nun nicht, so werden gerade diese Nachträge, auf die ich die Benutzer der früheren Bände noch ausdrücklich auf- merksam machen möchte, dem Heraus- geber besondere Mühe verursacht haben. Handelte es sich doch darum, eine grosse Menge neuerer Urkunden Veröffentlichungen

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sorgfältig daraufhin durchzugehen, ob in ihnen etwas auf. Württemberg Bezügliches enthalten ist. Aber diese Arbeit trägt auch ihren Lohn in sich, insofern nun der Württembergische Geschichtsforscher, wenn er auch nicht in der Lage ist, eine grössere Bibliothek benützen zu können, doch mit ziemlicher Sicherheit darauf rechnen kann, in Bezug auf das Urkunden-Material alles Einschlagende in dem Urkundenbuche bei- sammen zu haben, so dass der Landesge- schichte durch dasselbe eine unzweifelhafte Forderung zu Teil wird.

Auf die Anlage des sechsten Bandes einzugehen, die ganz dieselbe ist wie die des fünften, wäre überflüssig, da bei Ge- legenheit des letzteren schon das nötige gesagt ist, und so begnüge ich mich, noch- mals die Hoffnung auszusprechen, dass der vorliegende Band nicht der letzte des Württembergischen Urkundenbuchs sein möge. Die Erschliessung des vatikanischen Archivs sollte für die Regierung Württem- bergs überdies ein Antrieb sein, auch dessen Schätze aus der Zeit nach 1268 für die Landesgeschichte so rasch als möglich nutzbar zu machen, weil die Be- fürchtung nicht ausgeschlossen ist, dass seine Zugänglichkeit über kurz oder lang auch wieder eingeschränkt werden könnte. Heidelberg. E. Winkel mann.

Miscellanea.

Mainz. A) Im Januar dieses Jahres 44. wurden mit gütiger Erlaubnis des Herrn Gouverneurs v. Holleben die drei Legions- bausteine in das Museum verbracht, welche seither am Eingang der hiesigen Citadelle eingemauert waren. Dieselben sind zwar bereits veröffentlicht (z. B. bei Brambach unter Nr. 1102—1104), aber, wie sich jetzt, wo eine genauere Untersuchung möglich ist, ergiebt, bis auf einen einzigen, den ersten, ungenau und unrichtig. Sie sind sämtlich aus Kalkstein und gehören zu den grüssten, die wir besitzen.

1) (Br. 1102). 50 cm h., 116 cm br.; die Buchstaben der beiden ersten Zeilen sind 5 cm, die der letzten 3 cm hoch. Das Centurienzeichen reicht über die zweite und dritte Zeile.

95

LEC-T'ADIVT . L F L A V I F V ' DENTIS

Le(ffio) prima adiuifrixj, fceuturiaj L. Fla vi pHfientis.

2) (Br. 1103). 47 cm h., 91 cm br. Die Buchstaben der beiden ersten Zeilen flind (5 cm hoch, die der letzten etwas kleiner.

LEG «TAD

>M S I L I

I A N V A RI

Legfio) prima adfiatrijcj, fcenturiaj 31. aSHi •Januar i.

(Der schräge Strich, der von dem M der 2. Zeile nach dem S heraufgeht und die früheren Herausgeber zur Lesung IVN veranlasste, ist offenbar ein Fehler des Steines; die Worte SILI lANVARI sind ganz deutlich).

3) (Br. 1104). 49 cm h., 98,5 cm br.; Buchstabenböhe der beiden ersten Zeilen 6^1% cm, der letzten 4*/« cm.

LEG'T ADI

)c«roR.ci

VALENTIS Legfio) prima adi(utrix), fcenturiaj C. Vorci Vaf cutis,

(Das P der 2. Zeile ist offen, also P; vor dem V der 3. Zeile ist ein Fehler im Stein, der zur falschen Lesung I VVENALIS Veranlassung gab).

B) Durch Beschluss des Geraeinderates von Klein-Winternheim ist es dem Vereine zur Erforsch, d. rhein. Gesch. und Alter- tümer erlaubt worden, den Steinsarg mit der Inschrift Ma reell i niae Marcellafe] u. s. w. (Bramb. 924) gegen einen inschriftlosen einzutauschen. Dieser ausserordentlich grosse Sarg wurde im Mai 1847 in der i Niihe des Dorfes aufgefunden und seither als Brunneutrog benützt. Die Schrift ist I in den rauh gelassenen Sandstein sehr flach eingehauen und darum jetzt wie schon vor 4tS Jahren, siehe Mainzer Zeit- solirift I 498 schwer lesbar. Es wird der siebente rom. Steinsarg mit Inschrift sein, der seit lSv^7, wo Keller den zweiten ^'achti-asr 7\\n\ Becker'schen Katalog ver-

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üffentlichte, in das Museum gebracht wurde.

C) Unter freundlicher Vermittelung des Herrn Pfarrers Wassermann wurde dem Verein gestattet, ein seit langem, aber nur in sehr engem Kreise, bekanntes Rehef aus dem Emraeranskirchturm auszubrechen, wo es im Innern hoch oben unter dem Glockenstuhle eingemauert war. Dasselbe besteht aus Sandstein, ist 92 cm L, 58 br, 20 dick und bildete offenbar den oberen Teil eines Grabmals. Dargestellt ist eine Gesellschaft von ner Männern und einer Frau, die bei einem Gastmahl beisammen- sitzen. Körber.

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Jani

Jahrgang XIV, Nr. 6.

1895.

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gMIiAlteae Zeile werden ron der Verlftgehandlnng und allen Inaeraten-Bureans angenommen, BeiUgea

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Abonnementepreii 15 Mark fttr die ZeiUcbrift mit Korreipondensblatt, fllr leteteree allein 5 Mark.

P^* Beitrüge fOr die vorrOmische nud römische Abteilung sind au Dr. Lehner (Trier, ProTiniialmneenm), fttr Mittelalter und Nenieit an Dr. Hinten (Köln, SUdtarchiT) in senden.

Neue Funde.

1^5. Frankfurt a. M. Im Mai d. J. wurden bei der Ausschachtung des Fundamentes für einen Neubau vor der Südseite der Markthalle fränkische Gräber entdeckt. Als die Nachricht davon einlief, waren die Gräber schon beseitigt und viele Knochen vernichtet, dagegen wurden folgende Ge- genstände durch Schenkung von Seiten des Bauherrn, Herrn Heinr. Hahn, dem städti- schen historischen Museum übergeben : 3 Töpfe von grauem Thon, davon zwei mit Linien und einer mit Punkten ver- ziert (letzterer sehr ähnlich dem bei Koenen, Gefässkunde, Taf. 20, 3 abgebildeten Stück and auch die zwei andern der Form nach ihm ähnlich), ferner 2 Gürtelriemenznngen, 1 Schahschnalle und 2 Zungen von Schuh- riemen, zwei Gürtelblecbe mit Verzierung in Ereuzesform, ein (sehr zerbrochenes) feines kleines Glas, eine Anzahl von far- bigen Thonperlen und zwei eiserne Lanzen- spitzen. Endlich fand sich ein am unteren Ende abgebrochenes Trinkgefass mit star- ker brauner Glasur und 8 Mundstücken (letztere wie bei Koenen, Taf. 21, 10 und 12 angebracht) und oben einem Traghen- kel, welches aber nur zufällig an die Stelle geriet und sicher einer späteren mittel- alterlichen Zeit angehört, während alles andere unbestreitbar Gräbern der mero- vingischen Zeit entstammt. Zu den ver- schiedenen Funden, welche in den letzten Jahren anter dem Boden des alten Frank-

furt gemacht wurden und welche uns u. a. das von der 14. Legion auf dem Domhügel errichtete Kastell kennen lehrten, kommt nun dieser fränkische Fund als eine hoch- willkommene Ergänzung und als ein Binde- glied zwischen der römischen und der seit 794 bezeugten karolingischen Niederlassung. Sehr wichtig ist der Fundort. Die Funde wurden gemacht in der genauen nördlichen Fortsetzung der westlichen und der öst- lichen Seite der Steingasse, einer von Sü- den nach Norden streichenden Verbindung zwischen Schnur- und Töngesgasse, welche nach Süden gerade auf den Dom zu gerich- tet ist. Schon längst hatte mich diese Gasse deshalb interessiert, weil sie schon im J. 1350, also lange vor der ersten Pflasterung von Strassen in Frankfurt (1399) via lapidea genannt wird ') und hatte mich dieser Umstand vermuten lassen, dass wir in ihr eine römische Landstrasse zu suchen haben, welche von der porta prin- cipalis sinistra des Römercastells aus nach Norden zu der Nied hinführte. Diese meine Vermutung hat durch die an den Seiton dieser Strasse nun gefun- denen Frankengräber die erwünschteste Be- stätigung gefunden. Andere Frankengrä- ber haben sich schon vor Jahrzehnten bei Anlage des Main-Neckar- und des Taunas- Bahnhofes, vermutlich an der von Westen

1) Battonn, Ortl. Beschreibung von Frankfurt, beransgeg. von L. Enler, II 231. 'Steynengasie' nennt sie bald darauf Baldemar von Petterweil.

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her dem Kömercastell zalaufenden rum. Landstrasse gefunden. Eine andere via lapidea wird gleichfalls 13cO vor dem Affenthor in Sachsenhausen genannt^), und soweit sich der Lauf dieser längst ver- schwundenen Strasse noch feststellen lässt, lief sie einerseits nach Südosten und hatte zu ihrer Fortsetzung den noch bestehen- den f^Hühnerweg^, dessen Namen auf Hünen und Altertum hinweist, anderseits nach Nordwesten und traf da in ihrer ideellen Fortsetzung über den Main auch wieder auf den Domhügel I Ob auch der von Westen nach Osten laufende Steinweg im westlichen Stadtteil seinen Namen via lapidea (zuerst 1341)') von seinem römi- schen Pflaster führt, will ich, obgleich sich kein anderer Grund denken lässt, jetzt dahin gestellt sein lassen; denn um zur Römerstadt zu fähren, müsste sich seine Fortsetzung erst etwas südlich biegen, wozu sie vielleicht durch sumpfige Strecken, die den geraden Weg von SO. nach NW. hinderten, genötigt war. Jedenfalls dürfen wir eine Römerstrasse, die von dem Castell nach Norden laufende, nunmehr als nach Möglichkeit sicher gestellt ansehen. 4. Juni 1895. Alex. Riese.

46. Speicher i. Eifel. Beim Abbruch der alten Kirche wurden unter dem ehemaligen Fussboden mehrere römische Steinmonu- mente gefunden : 1) Block aus rotem Sand- stein, 58 cm h., 91 cm br., 75 cm tief Auf der Vorderseite folgende Inschrift:

D M

L-AI^SATIO-TITO-a-- SECVN DIE* C ARATE CONIVGI'fEREDES ef Wft» P T- r

Die unterste Zeile ist zum grössten Teil abgeschlagen, vermutlich stand hier nur et sibi fec(erunt). Das D und M sind mit Bogen umrahmt, ähnlich wie bei dem Westd. Korrbl. IX Nr. 57 abgebildeten Stein. Auf der linken Seite eine halb- kreisförmig eingerahmte Flache. Nach- träglich ist der Block im Innern roh aus-

2) Battonn a. a. O. VII 21. 'üf dem Stein- wege' nennt sie Baldemar Ton Petterweil.

3) Battonn a. a. O. VI 287.

gehöhlt und zur Hälfte eines Sarges tcr- wendet worden.

2) Roter Sandstein, 80 cm br., an den Rändern mit asiatischen Schilden geziert.

3) Der untere .Teil einer Sandstein- säule, 70 cm h., 42 im Durchm, mit einer Basis (72 Dm.), ähnlich wie Trierer Stein- denkmäler 505. Hettner.

Chronik.

Der Kölner Dom hat dieser Tage einen 47. neuen Schmuck erhalten in einem alten Flügelgemälde, welches früher den Hochaltar der alten Pfarrkirche zu Haldcro am Niederrhein bekrönte und, durch einen modernen Altar- Aufsatz verdrängt, in dieser Kirche keine angemessene Stelle mehr finden konnte. Inbezug auf die Innen- seiten verhältnismässig gut erhalten, aaf den Aussenflügeln indes erheblich abge- blättert, war das Gemälde der Gefahr wei- terer Beschädigung derart ausgesetzt, dass seine Entfernung aus der Kirche ratsam, ja notwendig erschien. Nachdem die wei- tere Gefahr der Entführung in ein weit entlegenes grosses Museum glücklich über- wunden war, wurde es zunächst für das hiesige erzbischöfliche Diözesan - Museum bestimmt, bald aber von dem Domkapitel übernommen, welches es dem Maler Batzem zur Herstellung übergab. Letztere ist nnn mit der grössten Sorgfalt und Geschick- lichkeit ausgeführt, so dass das Bild seine ursprüngliche Schönheit vollständig wieder- gewonnen hat. Es ist aus der westfäli- schen (Soester) Malerschule kurz vor Schluss des 15. Jahrhunderts hervor^ gangen als eines der allerbesten Erzeog- nisse derselben. Der hinter dem ihm sehr verwandten sogen. Liesborner Meister kaom zurückstehende Maler ist zwar, wie alle Künstler seiner Zeit und Gegend, dem Namen nach leider noch nicht bekannt, wohl aber inbezug auf seine Leistimgen, von denen mehrere im Museum zu Münster und Berlin Aufnahme gefunden haben. Eine genaue Beschreibung des Bildes, seiner zahlreichen, sehr fignrenreichen Darstellungen aus dem Leben und Leiden des Heilandes und eines Heiligen befindet sich in den Kunstdenkmälem des Kreises

-^ 101 -

Rees, Seite 63 und 64, von der Hand des Provinzial-Konservators Dr. Giemen. Um das aufgeklappte, im Verhältnis zur Höhe (1,42 m) sehr breite (4,80 m) Triptichon als Altaranfsatz wieder verwenden zu kön- nen, bedurfte es einer Predella, von der sich glücklicherweise noch ein vorzügliches Exemplar in dem Nachlasse des Stadt- pfarrers Münzenberger in Frankfurt vor- fand. Es wurde aus dieser Sammlung, aus welcher der Dom bereits seine herr- liche grosse Ursula- Gruppe und so manche andere Kirche mittelalterliche Altäre oder Holzfiguren bis in die jüngste Zeit (durch Yermittelung des Herrn Justizrats Dr. Fusser in Frankfurt) erhalten hat, erwor- ben, ebenfalls wiederhergestellt und bildet jetzt, die Vision und Huldigung der h. Gottesmutter durch Propheten und Sibyllen darstellend, mit dem Flügel - Aufsätze ein harmonisches Ganzes, obwohl es, in Flan- dern etwa im dritten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts entstanden, um einige Jahr- zehnte jünger ist, als dieser. So hat denn der Kölner Dom, dessen Ausstattung mit hervorragenden alten wie neuen Kunst- gegenst&nden mögen sie in Gem&lden oder Figuren, liturgischen Gefässen oder Paramenten bestehen dem Domkapitel sehr am Herzen liegt, für die Zier seiner vielfach noch so nackten und kahlen Mauern wiederum ein Kunstwerk erhalten, welches die ihm angewiesene Stelle im rechten Kreuzschiff neben dem mächtigen St. Agilolphus-Altar (von 1520) in beschei- dener aber durchaus würdiger Weise aus- füllt, die Serie der mittelalterlichen FJügel- Altäre: Clara- Altar (Schluss 14. Jahrb.), Dombild (Mitte 15. Jahrb.), flämischer St. Georgs- und de Bruyn'schen Kreuzigungs- Altar (1548), vortrefflich ergänzend.

(Köln. Volkszeitung Nr. 384). 43^ Zum achtzigsten Geburtstag des als Förderer der Studien über die Geschichte des Rheinlands hochverdienten Geheimrats Dr. von Mevissen in Köln hat das Archiv der Stadt Köln eine Sammlung von 'Bei* tragen zur Geschichte vornehmlich K0lnt und der Rheinlande* (Köln, Verlag der M. Du Mont-Scliaubcrg'achen Buchhandlung, 1895) herausgegeben. Sie enthält folgende Ab- handlnngon: 1. K. Lamprecht, Die Herr-

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lichkeit Erpel. Ein wIrtschafts-, social- und verfassungsgeschichtliches Paradigma. 2. W. Stein, Deutsche Stadtschreiber im Mittelalter. 3. H. D i e m a r , Johann Vrunt von Köln als Protonotar (1442 1448).

4. F. Lau, Das Schöffenkollegium des Hochgerichts zu Köln bis zum J. 1396 >).

5. R. Knipping, Ein mittelalterlicher Jahreshaushalt der Stadt Köln (1379).

6. J. Hansen, Die erste Niederlassung der Jesuiten in Köln 1542—1547. Zugleich ein Beitrag zur Kritik der Litteratur des Ordens. 7. H. Keussen, Kaspar Ulen- berg in Köln als Erzieher der badiscfaen Markgrafen Wilhelm und Hermann 1600 bis 1606. 8. H. Kelleter, Zur Geschichte des Kölner Stadtpfarrsystems im Mittel- alter. 9. T. Geering, Über städtische Wirtschaftsbilanzen. 10. R. Hoeniger, Die älteste Urkunde der Kölner Richer- zeche. 11. R. Banck, Die Bevölkerungs- zahl der Stadt Köln in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 12. H. Loersch, Rheinische Weistümer und verwandte Ur- kunden im Kölner Stadtarchiv. 13. E. Gothein, Rheinische Zollkongresse und Handelsprojekte am Ende des 17. Jahr- hunderts.

F. Ktutgen, Untersnchongen Aber den Ur8pmng49^ der dentschen StadtverfASsang. Leipsig, Dttncker A Humblot, 1896.

Unter den neueren Erscheinungen aus der reichen Litteratur über die Stadtver- fassung im Mittelalter verdient dieses Werk besondere Beachtung. Der Verfasser be- schränkt sich darauf, eine Reihe von strei- tigen Fragen einer genauen Untersuchung zu unterziehen, indem er von der zutreffen- den Erwägung ausgeht, dass der Zeitpunkt für eine umfassende neue Darstel- lung der ganzen Stadtverfassung noch nicht gekommen sei. Diese Eigenart des Buches briogt es nun freilich mit sich, dass das- selbe nur für den bestimmt ist, der mit den zahlreichen Arbeiten über den gleichen Punkt und die schwebenden Streitfragen genau unterrichtet ist. Für einen solchen wird das Buch infolge der selbständigen

1) Dieaer Aufsats, welcher den ersten Teil einer grAsseron Untersuchung «nr Kölner Ver- fassungsgeschlchte bildet, ist mit geringen Modi- fikationen auch im Heft II des Jahrgangs 1895 der Westdeutschen Zeitschrift erschienen.

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Haltung, die der Verfasser zu den beiden hauptsächlichsten Theorien iiber diese Frage einnimmt, seiner ruhigen, der Effekt- hascherei fernstehenden Darstellung und Untersuchungsmethode ein erhebliches In- teresse darbieten, auch da, wo er viel- leicht nicht allen EinzelausfQhrungen un- bedingt zu folgen vermag.

50.H«lnrfCh Bfthmer, Willigis yon Mains. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Reichs und der deutschen Kirche in der sächsischen Kaiserzeit. (Leipziger Studien heransgeg. von K. Lamprecht und E. Marcks, 3. Heft). Leipzig, 1895.

Die bedeutende Gestalt des Mainzer Erzbischofs, der, von niederer sagenum- wobener Herkunft, sich in jungen Jahren auf den ersten Bischofssitz des deutschen Reiches schwang, drei deutschen Herrschern als Ratgeber diente und eine lange Zeit auf den Gang ihrer inneren und äusseren Politik entscheidenden Einfluss ausübte, hat nach den beiden unzulänglichen und veralteten Versuchen dazu (von Ossenbeck und Euler) nunmehr in dieser aus der Schule Wilhelm Arndts hervorgegangenen und seinem Andenken gewidmeten Arbeit eine eingehende Würdipjung erfahren. Man begegnet in der Darstellung, die sich in manchen Partieen zur Reichsgeschichte erweitert, selbständiger und oft neuer Auf- fassung, wenn auch die Richtigkeit einzel- ner Annahmen, zu denen der Verfasser bei der dürftigen Überlieferung über die Wirksamkeit eines Mannes oft seine Zu- flucht nehmen muss, der nicht wie ßernward von Hildesheim einen zeitgenössischen Ge- schichtsschreiber gefunden hat, auf Zweifel stossen wird. In einem besonderen Ab- schnitt behandelt er die Thätigkeit des Willigis als Grundherr und Bischof in sei- ner Diözese, und zwar als typisch für einen ottonischen Reichsbischof. Die Arbeit ver- diente eine ausführlichere Besprechung, doch gestattet hier der Raum nur diese kurze Anzeige. Knipping.

51. Im Archiv für bürgerliches Recht X (1895), S. 59—103, veröffentlichen J. Kohler und E. Liesegang einen Aufsatz über Eut- äusserung und zukünftigen Rechtserwerb mit besonderer Rücksicht auf ein im Jahre 1352 von Kölner Kanonikern erstattetes Gutachten. Es handelte sich bei dem

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Gutachten um die Frage, ob die von der Stadt Wesel mit Berufung auf ihre Grüo- dungsurkunde v.J. 1241 beanspruchte Be- freiung von allen Klevischen Zöllen auch den erst nachträglich durch den Elever Grafen als Pfand erworbenen Reichszoll in dem Wesel gegenüberliegenden Orte Büderich einschliesse. Das für die Ge- schichte der Reception des römischen Rechts wichtige Gutachten kommt auf Grund romanistischer Erwägungen sn einer für Wesel ungünstigen Entscheidung. Zoo besseren Verständnis des Zollstreites hit L. die Entwicklung der städtischen Zoll- befreiungen in der Grafschaft Kleve kurz skizziert. Als Obmann der Gutachten wird ein Godefridus de s. Cuniberto canonicos et officialis Coloniensis genannt, was zwei- fellos als Gottfried von S. Kunibert, Offi- zial und Domherr zu Köln, zu deuten ist, nicht, wie die Verff. annehmen, als Kan. an S. Kunibert. Auf Gottfrieds Kanonikat am Dom weist auch die Lage seiner Woh- nung apud ecclesiam CoL (Ennen, Qaellen IV S. 375) hin. Er war demnach Kölner und ist nicht identisch mit den von den Verfassern aus den Bologneser Proto- kollen angeführten Trägern des Namens Gottfried. Kenssen.

Oorkondtnboek van Groningen en Drenthe bewerkt Sl door P. J. Block, J. A. Feith, S. GraUna. J. Reitam» en C. P. L. Rüthers. L u. U. Aflevertng. Groningen 1895.

Die vorliegenden zwei Liefenm^eo dieses ürkundenwcrkes für die beiden nordöstlichen Landschaften Hollands rei- chen bis zum Jahre 1334. Bisher nnge- d ruckt sind von den 839 aufgenommenen Stücken nur 70, die übrigen finden sich bereits in den bekannten ürkundenhäohem von Sloet, van den Bergh, Friedländer, Muller u. a. Bei der Mehrzahl der letz- teren hat man sich jedoch nicht mit dem blossen Wiederabdruck begnügt, sondern ist auf die ursprüngliche Vorlage znruck- gegangen. Eine über die Methode der Bearbeitung und die Arbeitsteilung nnter- richtende Einleitung fehlt bislang.

Knipping.

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Miscellanea.

53. Eine neue Deutung der sog. Juppiter- Giganfentäulen. Ein Moment ist bei der Beurteilung der Gruppe des Reiters mit dem Giganten trotz der sehr umfangreichen Litteratur bisher ausser Acht gelassen worden, welches meiner Meinung nach die bis jetzt von den meisten Gelehrten vertretene Auffassung eines Kampfes zwi- schen Reiter und Schlangenmensch aus- schliesst. Florschütz hat bei der Beschrei- bung der im Museum von Wiesbaden be- findlichen „Gigantensäule von Schierstein", dieses Moment wohl erkannt und kurz erwähnt, jedoch unterlassen, die nahe liegende Folgerung zu ziehen, ebenso Wagner in: „Neptun im Gigantenkampf auf römischen Monumenten", Wd. Zs. I, welcher es bei vier Gruppen nur eben erwähnt hat.

Das Moment, welches mir so bedeu- tungsvoll erscheint, besteht darin, das s bei den allermeisten Denkmälern dieser Art und besonders bei der Schiersteiner Säule der Bildhauer absichtlich die Gruppe vorn weit über die Plinthe und damit über den Abakus des Säulenkapitäls hat hervorragen lassen.

Florschütz sagt a. a. 0. S. 5: „Die wenigsten der uns bekannten Gruppen sind steil und centricrt aufgebaut, die Mehr- zahl von ihnen zeigt ein weites Vor- ragen des Gigantenkörpers und wohl auch des Pferdes über den Vor- derrand des Abakus des Kapitals, zu wel- chem die Ausdehnung der Plinthe der Gruppe in direktem Verhältnis steht. Durch diese Anordnung gewannen die Gigan- tensäulen ein höchst eigentümliches Aussehen, das ihnen geradezu als typisch zuerkannt werden muss".

Wagner a. a. 0. sagt von der zweiten Pforzheimer Gruppe : „Dass der Köri)er des Ungetüms vorn über sie (die Plinthe) hinaushängt, was eigentümlich be- lebend wirkt". (Die erste Gruppe von Pforzheim zeigt aber ebenfalls diese Erscheinung, nur nicht in so ausge- prägtem Maasse). Von der Ladenburger Gruppe sagt er: „Dass der Leib des Un-

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getüms stark niedergestreckt und nach vorwärts geneigt erscheint". Ganz ebenso soll sich nach ihm die Gruppe von Diedenkopf verhalten. Fer- ner bei der Gruppe von Selz sei „das Ungetüm stark nach vorn geneigt". Es war mir diese eigentümliche An- ordnung der Gruppe längst bei einer gan- zen Reihe von Exemplaren aufgefallen*). Es schien mir unzweifelhaft, dass dadurch ein Kampf zwischen Reiter und Schlangen- mensch ausgeschlossen sein müsse, ja dass geradezu der Künstler das Nichtvorhanden- sein eines Kampfes, dagegen eine Hülfe- leistung, eine Bundesgenossenschaft zwi- schen Reiter und Schlangenmensch aus- drücken wollte. Da geschah die Auffindung und Wiederaufrichtung der Säule von Schier- stein, eines Denkmals, welches wegen seiner vorzüglichen Erhaltung, wie kein anderes dieser Gattung, den Gesamteindruck, wie er ehemals dem antiken Beschauer ge- wohnt war, wiederzugeben und auf uns wirken zu lassen geeignet ist. Es ist das dadurch möglich geworden, dass man nach der nötigen Ergänzung der fehlenden Teile die Gruppe genau wieder auf den ur- sprünglichen Standplatz des Säulenkapitäls gesetzt hat, was sich noch bei keiner an- deren Gruppe erreichen Hess. Nächst der Schiersteiner ist die Ueddernheimer Säule die am besten erhaltene, auch bei ihr ist das Hervorragen der Gruppe über die Plinthe sehr in die Augen fallend, jedoch ist die Gruj)pe nicht richtig auf das Kapital auf- gesetzt *). Wir knüpfen die folgenden Aus-

1) Auch bei der unserem Museum vor mehre- ren Jahren zugegangenen, später zu beschreiben- den Ciruppe von Jeckenbach (mit dazu gehöri- gem Sechtsgötterstein als Zwischensockel) lässt sich, wenn auch wegen der starken Zerstörung nur schwer, diese eigentümliche Anordnung er- kennen.

2) Unbegreiflicher Weise echeint diese fehler- hafte Stellung jedoch ganz mit Absicht angeord- net worden zu sein, denn auch auf der Zeichuung (Donner von Richter: „Heddernheimer Ausgrabun- geu'') ragt die Gruppe hinten (!) über das Kapital hervor, während sie vorn zurück tritt (!). Es geht dies aus einer Bemerkung des Autors hervor, a. a. O. S. 4, Anmerkung 1: „Die starke Hervor- ragung des Giganten über die Kapitälflilohe bestimmte den ZeiohnerzurVerchiebung der Plinthe (I !)). Mir ist jedoch diese« Hervor- ragen sympa tisch.**

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fuhrungen deshalb hauptsächlich an das Schiersteiner Denkmal, weil die Gruppe nie allein für sich betrachtet sein will, sondern stets in Verbindung mit der Säule ; erst durch ihre richtige Aufstellung auf derselben erhält sie ihr eigenartiges Gepräge.

Wir sehen, dass der Körper des Schlan- genmenschen vom Kopf bis zum Nabel über Plinthe und Kapital hinaus ragt, dass ebenso der grusste Teil des Pferdes und mit ihm des Reiters bereits ausserhalb der Säule in der freien Luft sich befindet. Man bekommt dadurch den Eindruck, und derselbe ist ganz sicher vom Künstler be- absichtigt, dass die ganze Gruppe sich durch die Luft fortbewegt, ja sie scheint sich bereits ganz von der Säule losgelöst zu haben und frei im Baume da- hin zu eilen. Der Gedanke des Reitens durch die Luft konnte meines Erach- tens in Stein nicht besser zum Ausdruck gelangen, als es hier geschehen ist. Wäh- rend der Reiter die Lüfte durcheilt, wird er dabei vom Schlangenmenschen, welcher sich zur Fortbewegung durch die Luft seiner Schlangenbeine bedient, unterstützt, von ihm gleichsam getragen, als wenn er auf einer Wolke dahin ritte. Der Schlangen- mensch konnte ihn um so eher dabei un- terstützen, was ja auch meist durch das Tragen der Hufe mit den Händen und mit den Keulen ausgedrückt ist, weil er durch seine Schlangenbeine sich rascher fortzu- bewegen vermochte, als das Pferd *). Beide,

8) „Im Altertam glaubte man, die Schlangen könnten eine fast unglaubliche Schnelligkeit ent-

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Beiter und Schlangenmensch, sehen ge- rade aus in die Ferne, dem nicht dar- gestellten Feinde entgegen. Der Schlangen- mensch hält in Erwartung des bevor- stehenden Kampfes seine beiden Keulen in Bereitschaft; er schultert sie förmlich. Deshalb „liegen die beiden Arme bis zum Ellenbogengelenk eng an dem Brust- kasten an", wie schon Florschätz er- wähnt, welcher jedoch diese eigentümliche Haltung weiter nicht zu ergründen gesucht hat. In diese Lage kann er aber durch einen vorhergegangenen Kampf mit dem Beiter nicht gebracht worden sein, da$ ist unmöglich ! So kann er, selbst wenn er sich tapfer gewehrt haben sollte, nicht hingefallen sein, dass er der Länge nach auf dem Bauche liegend, die beiden Keulen fest an die Schultern presst Wenn er überwunden und überritten wor- den wäre, dann rousste er eben auf dem Kampfplatze, dem Säulenkapitäl, zurück- bleiben, hätte aber nicht in vorwärte- schnellender Bewegung über den Rand der Säule weg, in die freie Luft hinausragend dargestellt werden können, wie es hier geschehen ist. Auch musste er in mög- lichst zusammengekauerter Gestalt auf dem Bücken liegend und sich wehrend zur Dar- stellung gelangen, wie wir es auf den rheinischen Beitergrabsteinen zu sehen gewohnt sind. Dass Haug („Die Viergüt- tcrsteine", Westd. Zeitschr. X, IV S. 332- die Lage des bei Lehne und bei Linden- schmit: Bd. I H. XI T. 6 Nr. 2 abgebil- deten Barbaren mit dem Schlangenmenschen vergleicht, ist meines Erachtens unzutref- fend. Dass dort der Barbar einmal in zu- sammengekauerter Gestalt auf den Knieen liegend dargestellt ist, während er sonst immer auf dem Bücken zu liegen pflegt, fällt nicht so sehr ins Gewicht. Immer- hin ist die Lage doch eine wesentlich an- dere, wie die des Schlangenmenschen; und dann ist der Gedanke des Kämpfens und sich Wehrens dadurch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Barbar die Waffe mit der Spitze nach oben gerichtet in

wickeln, wenn es ihnen beliebe, ohne eine Hfilf^ durch Hände oder FUsse, sondern lediglich durch ihre geistige Willenskraft. '* Schatte: ,Die ScbUn^'e in ihrer Beziehung zum Menschen*.

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der Hand hält, eine Darstellung, wie sie nicht beim Schlangenmenschen vorkommt; liier ist im Gegenteil (wie bei der Mainzer Gruppe) in Erwartung des bevorstehenden Kampfes der Dolch mit der Spitze nach unten gerichtet.

Weder bei der Schiersteiner, noch bei irgend einer anderen Gruppe, sieht der Reiter nach unten, der Schlangen- mensch ebensowenig nach oben, Leide sehen immer direkt nach vor- wärts auf einen Funkt hin. Die Schlangen femer beissen nie, sind nie, wie bei den Darstellungen der Gigantomachie, das Maul weit öffnend, züngelnd oder fauchend dar- gestellt, ebensowenig wie sie mit ihren Lieibem den augeblichen Feind zu um- schlingen suchen; es müsste dann doch bei einer der vielen Gruppen wenigstens die Darstellung zu finden sein, dass die Schlangenleiber sich um die Pferdebeine ringeln, um sie an der Fortbewegung zu hindern, was doch gewiss nicht schwer darzustellen gewesen wäre. Der Schlan- genmensch liegt auch nie auf dem Rücken, denn dann müsste er stets mit dem Gesicht nach oben blicken, was aber nicht vorkommt. Bei den zwei Exempla- ren von Heddernheim und Mainz ist dieses » Aufdemrückenliegen nur scheinbar und durch eine ungeschickte Verdrehung des Körpers zu Stande gekommen, denn selbst bei dieser unnatürlichen Verdrehung, bei welcher eigentlich der Schlangenmensch nach oben sehen müsste, sieht sein Ge- sicht nach vorn; das beabsichtigte der Bildhauer immer in erster Linie. Gerade der Umstand, dass der Schlangen- mensch nie mit dem Kopf nach dem hin- teren Teile des Pferdes liegt oder quer unter das Pferd zm Hegen kommt, sondern stets in der Richtung des dahinspringen- den Pferdes gelagert ist mit dem Gesicht nach vom, lässt erkennen, dass von einem Kampfe oder Übcrrittcnsein nicht die Rede sein kann, es müsste dann doch, wie auf den Ileitergrabsteinen, bald die eine, bald die andei*c Lage vorkommen. Wir sehen daraus, dass der Schlangenmensch, ent- gegen der Ansicht Haug's (a. a. 0. S. 330), doch nach einem feststehenden Typus dar- gestellt wurde. Dass ferner der Reiter

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gar nicht mit seiner Waffe, als welche bis jetzt meist die Lanze angesehen wurde, den Schlangenmenschen treffen kann, hat auch Wagner in seiner soeben erschiene- nen Abhandlimg: Westd. Zeitschr. XIII, IV S. 329—340, nachgewiesen. Florschütz fühlte das auch schon, da er seinem Jup- piter die Lanze mit der Spitze nach oben in die Hand gab, weil sie nämlich nach unten gerichtet, neben dem Giganten vor- bei gehen müsste. Doch ist hierauf nicht so viel Gewicht zu legen, weil auch auf den rheinischen Reitergrabsteinen der Eques nicht nach dem unter dem Pferd liegenden Germanen sticht, was er auch gar nicht könnte, ohne sich stark vomüberzubeugen. Er richtet die Lanze vielmehr nach den ihm neu entgegentretenden Feinden. Dass der reitende Gott aber nicht daran denkt seine Waffe gegen den Schlangenmenschen zu kehren, geht aus dem Diedenkopfer Denkmal hervor, dem einzigen in Deutsch- land gefundenen, welches die Waffe des Gottes erkennen lässt. Es hält hier der Gott bei herabhängendem rechten Arm*) die mit der Spitze leicht nach ab- wärts geneigte Lanze wagrecht in der Hand, eine Haltung, wie sie nicht bei einem schon bestehenden, sondern nur bei einem noch zu erwartenden Kampfe mög- -lich ist. Das Denkmal ist auch noch in anderer Hinsicht von Wichtigkeit. Der Schlangenmensch, welcher nur wenig über die Plinthe vorragt, trägt hier mit beiden Händen die Hufe und ausserdem noch mit seinen in die Höhe gezogenen Schultern den Leib des Pferdes. Es ist damit seine Beihülfe ganz unzweideutig zum A.usdruck gebracht. Wie ganz anders die Darstel- lung auf den Reitergrabsteinen, wo der auf dem Rücken liegende Germane sich meist mit dem nach oben gehaltenen Schilde noch zu decken sucht. Aber auch die Bewegung des Pferdes ist bei den

4) Unter den französischen Fanden soll sich noch ein Exemplar finden mit gleicher Arm- haltung und ebenfalls mit der Lanse. Dass dieser Typus nicht vereinselt sein kann, ist Ja bei dem Fehlen eines Kampfes zwischen Better und Schlangenmensch auch leicht einausehen. Wie viele der schon bekannten Exemplare mit fehlenden Armen mögen demselben Typus ange- hört haben!

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rheinischen Grabsteinen eine ganz andere wie bei unseren Denkmälern. Dasselbe setzt dort im Sprung über den unterlie- liegenden Gegner weg; hier bei unserer Gruppe ist dagegen das Pferd nicht dar- gestellt im Sprung nach oben über einen Feind wegsetzend, sondern angetrieben zum strengsten Galopp, gleichsam vcntre ä terre. strebt es die grösstmögliche Schnelligkeit in der Bewegung nach vorn zu entwickeln, es sucht so rasch wie möglich an den Feind zu kommen. Diese Art der Bewegung des Pferdes ist den lleitergrabsteinen völlig fremd.

Die ganze Gruppe gewinnt durch die Wiedergabe dieser raschen Bewegung eine ganz bedeutende Lebendigkeit, welche das charakteristische Gepräge dieser Gruppen, besonders des Schiersteiner Exemplares bildet. Um diese zu erzielen hatte der Künstler mit ganz bedeutenden technischen Schwierigkeiten zu kämpfen, welche wohl nicht jeder handwerksmässige Bildhauer zu überwinden im Stande war. Das weite Vorragen der Gruppe über die Säule er- forderte ein genaues und geschicktes Ab- wägen des Schwerpunktes, um erstere nicht vornüberstürzen zu lassen. Wir sehen deutlich, wie bei dem Schiersteiner Exem- plar der Künstler das ermöglicht hat. £r schuf ein Gegengewicht in dem in schwerem Bausch nach hinten flatternden Mantel und dadurch, dass er im hinteren Teil der Gruppe die Glieder nicht frei aus dem Stein herausarbeitete, sondern eine möglichst grosse Masse des Steines stehen zu lassen bestrebt war. So ist der hintere Teil des Schlangenmenschen nur als Relief behandelt, indem zwischen ihm und dem Pferde, sowie zwischen Hinter- beinen und Schwanz des Pferdes die ganze Masse des Steines stehen geblieben ist. Das letztere Moment hat zwar Florschütz erwähnt, jedoch scheint ihm der eigent- liche Grund dafür entgangen zu sein.

Wenn nun nicht alle Gruppen von gleicher Lebendigkeit der Darstellung sind, wie die der Schiersteiner Säule, einzelne auch wenig oder gar nicht über Plinthe und Kapital vorzuragen scheinen, so ist zu bemerken, dass der Gesamteindruck der Gruppe, wenn sie in ihrer richtigen Stel-

lung auf der Säule gedacht wird, dn anderer sein muss, als wenn sie auf dem Boden eines Museums stehend zwischen anderen Steindenkmälern zur Betrachtung kommt. Und dann wurde schon bemerkt, dass wohl nicht allen Bildhauern die Fer- tigkeit innewohnte, der technischen Schwie- rigkeiten bei der Aufstellung der Gmiiiie in gleicher Weise Herr zu werden, wie bei der Gruppe von Schierstein. Ist aber das Vorragen über die Plinthe bei einigen Gruppen weniger auffallend, so stimmen sie doch in allen anderen angegebenen Merkmalen mit der Gruppe von Schier- stein überein: Überall ist von einen Kampfe Nichts zu bemerken; über- all das Vorwärtsschauen des Rei- ters und des Schlangenmenschen; überall das Getragen- und Unter- stütztwerden des Ersten seitensdes Letzteren.

Es ist sehr zu verwundem, dass diese Verhältnisse nicht schon gleich bei der Auffindung der ersten derartigen Denk- mäler erkannt und richtig gedeutet worden sind, allein, nachdem einmal dem Schlan- genmenschen der Name „Gigant^ beige- gelegt worden war, blieb der Gedanke des Kärapfens unzertrennlich mit ihm verbun- den. Selbst die merkwürdige Thatsachei dass bei vielen Gruppen „weibliche Gi- gant en"* (!) wie auch bei der Gruppe von Schierstein, wo das Geschlecht durch die weibliche Form der Brüste und die Bildung des Gesässes deutlich gekennzeich- net ist oder männliche und weibliche zusammen vorkommen, konnte hieran Nichts ändern. Der falsche Weg war einmal be- schritten und das Dogma vom „Giganten* wurde erst durch Ilettners Abhandlung: „Juppitersäulen" (Westd. Zeitschr. IV S. 365) ins Wanken geuracht.

Möglich, dass der künstlerische Typus für den Schlangenmenschen dem griechi- schen Giganten entlehnt ist, aber im Übri- gen bildete die Gigantomachie das Vorbild nicht, da in unserer Gruppe ein Kampf nicht dargestellt ist. Warum soll denn auch nicht angenommen werden können, dass es in der gallo-germanischen Mytho- logie Götter oder Halbgötter mit Schlangen- fussen gegeben habe?!

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In neuerer Zeit ist man bestrebt, da man sich dieser Gegensätze doch einiger- massen bewusst zu werden anfängt, trotz- dem aber von der vermeintlichen Giganto- machie. nicht loskommen kann, die Auf- fassung zu verfechten: ein eigentlicher Kampf zwischen dem Reiter und dem Schlangenmenschen sei nicht zur Darstel- lung gebracht worden, der Kampf sei viel- mehr gerade zu Ende (sie!), der Gigant bereits bezwungen und jetzt bestrebt dem im Triumpf über ihn wegsetzenden Reiter zu helfen. Wenn aber einmal angenommen wird, in dem Reiter sei der gigantenbe- zwingende Juppiter dargestellt worden, dann musste unbedingt die letzte Phase des voraufgehenden Kampfes noch aus der Situation erkennbar sein, es musste Kampf und Gegenwehr deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Ihr Fehlen kann nicht allein auf Rechnung geringen künstlerischen Könnens gesetzt werden, denn Beides fehlt eben thatsächlich bei allen Gruppen.

Wenn dagen der jetzt bezwungene „Gigant**, wie Wagner a. a. 0. meint, dem Juppiter „dienstbar** sein soll, gegen wen richtet sich dann seine durch das Tragen bewiesene Beihülfe und gegen wen kehrt er seine Waffen, Keulen oder Dolch an- ders, als gegen einen gemeinsamen Feind V

Wie will man ferner das häufige Er- scheinen der „weiblichen Giganten" er- klären, da doch solche dem klassischen Altertume unbekannt waren V Dasselbe kannte nur Giganten als „Söhne" der Erdgöttin.

Wir glauben hingegen das Auftreten von Schlangenmenschen weiblichen Ge- schlechtes mit unserer Ansicht von der Bedeutung der Gruppe sehr gut in Ein- klang bringen zu können. Doch davon später; vorerst genügt für uns das Eine: Ein Kampf zwischen Reiter und Schlangenmensch besteht nicht und hat nicht bestanden, ein solcher kann durch kein einziges Exemplar dieser Denkmälergruppe bewiesen werden. Damit fällt die Annahme: Jup- piter sei als Gigantenbezwinger dargestellt und zugleich die weitere Annahme: Die Gruppe sei eine Allegorie des Sieges der Römer über die Germanen. Wir pflichten

vielmehr vollkommen der von Hettner aus- gesprochenen Ansicht bei: In dem Reiter sei Juppiter, wahrscheinlich als höchste gallische oder germanische Gottheit, in dem Schlangenmenschen eine niedere Gott- heit dargestellt, welche dem Juppiter als Bundesgenosse beistehe gegen einen ge- meinsamen, nicht zur Darstellung gelang- ten Feind.

Dass eine derartige Verquickung der römischen mit den gallisch-germanischen Gottheiten vorkommt, ist bekannt ; oft er- scheinen ja auch auf den Yiergöttcraltären anstatt der römischen gallisch-germanische Gottheiten, oder römische Götter mit kel- tischer Kleidung*). Dass aber auch der reitende Juppiter selbst wieder durch den einheimischen Gott ersetzt werden kann, dafür dürfen wir wohl als Beweis die eine Ehranger Gruppe anführen. Hang und Wagner meinen zwar, die Darstellung des Ehranger Reiters falle als Ausnahme nicht besonders ins Gewicht. Unter den wenigen bis jetzt gefundenen Exemplaren mit erhaltenen Köpfen bildet der Ehranger Juppiter allerdings eine Ausnahme. Aber ist er deshalb weniger wichtig ? Ich glaube gerade aus diesem Grunde muss ihm, als bisher einzigem Vertreter eines bestimm- ten Tyi)U8, eine ganz besondere Bedeutung beigelegt werden. Denn nicht in unbe- deutenden Einzelheiten, sondern in allen Hauptpunkten weicht er von den üblichen Juppitcrdarstellungen ab. So trägt er keinen Bart, hat jugendliche Gesichtszüge, eine eigentümliche (germanische) Ilaar- traclit, einfache Kleidung, es fehlt der bei Juppiter sonst immer vorkommende flat- ternde Mantel, ausserdem ist der Sattel von einer sonst nie beobachteten Form. Hettner (Trierer Steindenkmäler S. 23) sieht deshalb in dieser Darstellung den sichersten Beweis gegen die Auffassung dieser Figur als Kaiser oder römischer Juppiter. Von diesem Juppiter gilt aber dasselbe wie von dem der Diedenkopfer Gruppe: wie viele reitende Juppiterdar- stellungen mit fehlendem Oberkörper kön- nen dem Ehranger Typus angehört haben !

6) So der Gott mit dem Schiftgel, Juppiter mit dem Bade (gewöhnlich mit drei geschweiften Speichen, Triquetrum), Merkur mit dem Sagum, Silvan und Apollo in keltischer Tracht und Andere.

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Dass ferner dieser Juppiter gerade in der Nähe von Trier, dem Zentrum rö- mischen Lebens diesseits der Alpen auf- gefunden worden ist, verleiht ihm unseres Erachtens eine um so höhere Wichtigkeit und widerlegt die Ansicht derer, welche gleich an eine unkünstlerische oder bar- barische Leistung glauben denken zu müssen, wenn ein Mal eine von dem ge- wöhnlichen Typus abweichende Darstellung zum Vorschein kommt.

Aber auch in einer anderen Beziehung ist der Khranger Juppiter von Interesse. Wie Hettner beweist, kann das Attribut, welches er in der Hand hielt, keine Lanze gewesen sein, weil die geschlossene Faust noch einen abgebrochenen Stiel aus Stein umfasst, und die Lanze in dieser Haltung unmöglich aus Stein bestanden haben kann. Dagegen kann das Attribut ganz gut ein Hammer oder Blitzstrahl gewesen sein. Wagner kommt, ohne das Ehranger Bei- spiel zu erwähnen, aus anderen, schon an- gegebenen Gründen, zu dem gleichen Schlüsse; er denkt nur an einen Blitz- strahl, weil bei Juppiter ein Hammer als Attribut nicht anzunehmen sei. Wir sagen dagegen, ein Juppiter, der zu Pferde sitzt, weicht dadurch schon so bedeutend von der hergebrachten und üblichen Dar- stellung ab, dass er auch ganz gut ein an- deres als das gewohnte Attribut getragen haben kann. Aber könnte nicht der ein- heimische Gott des Ehranger Denkmals den Hammer geführt haben?

Was nun zum Schlüsse die Bedeutung dieser merkwürdigen Denkmäler betrifft, so haben bisher Alle, welche über diesel- ben schrieben, auch versucht sie zu er- klären. Es sei deshalb auch mir verstat- tet, die Ansicht, welche sich seit einer Reihe von Jahren beim Studium der ein- zelnen Grui)pen mir aufgedrängt hat, hier mitzuteilen. Dass ich mich nicht cnt- schliesscn kann der historischen Erklärung beizustimmen, geht aus dem bisher Ge- sagten zur Genüge hervor ; es bleibt somit nur die mythologische Deutung übrig.

Da glaube ich nun, weil die Darstel- lung der Gruppe eine absolut unrömische ist und wir deshalb zu der Annahme ge- zwungen sind, in Juppiter sei der ihm

substituierte höchste einheimische Gott dargestellt worden, dass wir in dem Reiter den Gott Donar oder Thor zu erkennen haben, den Blitz- oder Donnergott, der auf seinem Rosse (!) durch die Lüfte daherfährt und seinen Blitz gegen die Feinde (die Riesen) schleudert, ihnen da- mit das Haupt zerschmetternd. Ob er mm mit dem Blitzstrahl selbst bewaffnet er- scheint oder mit einer ihn symbolisierenden Fernwaffe, wie Lanze, Hammer, Wurfbeil oder Bogen und Pfeil ist gleichbedeutend. Wir wissen, dass gerade Thor auf Säulen verehrt wurde („Thorssäulen*^), wie ja auct angenommen wird, dass die sogenannt« von Karl dem Grossen zerstörte Irmin- säule eine solche Thorssäule gewesen sei. Die Widmung 1 . 0 . M . kann nicht gegen diese Ansicht sprechen, weil ja der ein- heimische Gott völlig identifiziert worde mit dem römischen Juppiter und umge- kehrt. Wie hätte man auch sonst den römischen Juppiter auf dem Pferde sitzend darstellen können? Auffallend bleibt e$ allerdings, dass Donar reitend dargestellt sein soll, der immer fahrend gedacht wird, während Wodan der eigentlich reitende Gott ist. Da nun auch Wodan als Ge- wittergott bezeichnet wird, so könnte auch er gemeint sein, doch steht dem wieder entgegen: Die Verehrung des Gottes auf Säulen und die Thatsache, dass Wodan immer mit Mercur identifiziert wurde. Abrr hierüber mögen nun die Germanisten die Entscheidung treffen.

In dem Schlangenmenschen sehe ich einen Windgott („Windelbc* oder ^Ge- witterelbe"), dessen Schlangenfüsse die Geschwindigkeit des Sturmwindes andeuten sollen. So reitet der Donnergott gleich- sam auf einer vom Sturmwind getragenen Gewitterwolke daher, seinen Blitz gegen die Feinde schleudernd. Bei diesem Kampf unterstützt ihn der Windgott nicht allein durch Tragen seines Bosses, sondern er hilft ihm zugleich beim Zusammenstoss mit dem Feinde, indem er mit den Keulen die Feinde hinwegfegt oder mit seinem Messer sie durchbohrt.

Weil nun beinahe ebenso häufig weib- liche wie männliche Schlangenmenschen auftreten, manchmal auch beide zusammen,

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so dürfen wir wohl annehmen, dass es in der gallo-germanischen Mythologie männ- liche und weibliche Windgötter gegeben habe. Dass dieses höchst wahrscheinlich der Fall war, dafür scheint ein noch heut- zutage gebräuchliches Wort, gleichsam als Anklang an jene mythologische Vorstel- lung zu sprechen. Es ist dies das Wort „Windsbraut" = Braut des Windes. („Die Windin**)*). Die Wolkengötter waren übrigens in der germanischen Mythologie als weibliche Wesen gedacht, „Wolken- elbinnen**, „Sturmwolkenfrau" (E.H.Meyer: Germanische Mythologie).

Da nun, wie ich annehme, diesem höchsten Gotte die Säulen geweiht sind, so er- blicke ich in ihnen Votivsteine^), welche anlässlich der Errettung von Haus, Hof und Feld aus Blitz- und Gewit- tergefahr errichtet worden sind. Deshalb auch die ungemeine Häufigkeit dieser Gruppen, das Aufluden von zwei, drei und mehr Exemplaren in einer Nie- derlassung, die Errichtung auf eigenem Grund und Boden und die häufige Wieder- herstellung derselben nach Zerstörungen, weil durch sie Haus und Plerd für be- schützt gehalten wurde.

6) So nahe es vielleicht auf den ersten Blick läge, das Wort Windsbraut mit „brausen** oder „brauen" in Verbindung zu bringen, so steht dieser Deutung die Autorität Grimmas, Simrock's, Wei- gand's, Klnge's, Lexer's und Meyer's entgegen. Diesen ssufolge findet sich das Wort in der alt- hochdeutschen Form wintsprüt, windisbrüt, win- tesprüt, und in der mittelhochdeutschen windes- brüt und bedeutet : Braut des Windes. Dem Aus- druck liegt, wie man annimmt, eine des Weiteren nicht aufgeklärte mythologische Vorstellung Bugrunde.

7) Möglich, dass die Vorbilder dieser Stein- säulen aus Holz gefertigte, eben diesem höchsten einheimischen Gott geweihte Säulen gewesen sind. Diese Sitte mag dann die romanisierte Bevölke- rung beibehalten haben, nur dass sie die Säulen aus unvergänglicherem Material errichtete und zugleich das Unrömische der Darstellung dadurch mit ihrem Gefühl in Einklang zu bringen suchte, da»8 sie die tLbrigen Teile der Denkmäler mit ihren Göttern belebte. Minder Vermögende haben sich vielleicht damit begnügt zur Beschwörung des Donnergottes den von ihm durch den Blitz- strahl zur Erde geschleuderten Hammer (Donner- keil) unter das Dach zu verstecken, um die Blitz- gefahr von ihm abzuwenden, eine Sitte, wie sie zu allen Zeiten geübt wurde und noch heutzutage, auch in unserer Gegend manchmal vorzukommen pflegt.

Auch das Auftreten der Wochengötter auf dem Zwischensockel und der vier Tages- oder Jahreszeiten am Kapital, wel- ches sonst schwer zu erklären wäre, lässt sich mit unserer Deutung: Juppiter sei als Blitz- und Donnergott dargestellt, gut vereinen. Schon Hettner : „Die römischen Steindenkmäler des Prov. - Museums zu Trier'*, sagt S. 22: „Diese (die eben an- geführten Darstellungen) lehren vielmehr, dass der Hauptgott des Denkmals als Gott des Himmels, nicht als einer des Sieges gefeiert werden soll".

Eine Stütze meiner Ansicht über diese Denkmäler dürfte in einer mir zufällig erst jetzt zu Gesicht gekommenen Notiz von Hettner (Wd. Korrbl. VI Nr. 159) zu finden sein. Er macht darin aufmerksam, dass auf einem im Aschaffenburger Museum befindlichen, dem Juppiter von einem Cen- turio der 22. Legion geweihten Inschrift- stein sich die Darstellung eines Denkmales fände, welches ganz genau unseren Juppiter- säulen entspräche. Die untere Hälfte be- stände zweifellos aus einem Altar in der Form der Viergötteraltäre, dann käme die Säule mit sich nach oben verjüngendem Schafte und kleinem Kapital. Auf der Spitze derselben der Blitz des Jup- piter in der allbekannten Darstellung. Hettner sagt zum Scbluss: „Wir haben also hier, durch den Blitz als eine Dedi- kation an Juppiter sicher bezeichnet, einen Aufbau vor uns, der genau der Rekon- struktion der Juppitersäulen entspricht, wie sie Westd. Zeitschr. IV S. 369 gege- ben worden ist". Brarabach bezeichnet die Darstellung geradezu als „fulmen- columna".

Wenn nun, wie die Darstellung be- weist, diese Art Denkmäler dazu diente, den Blitz des Juppiter zu tragen, liegt da nicht der Gedanke nahe, dass dann auch der diese Denkmäler sonst krönende rei- tende Juppiter als Attribut eben diesen Blitz oder eine ihn andeutende Waffe ge- fiihrt habe, und dass man ihn, hier wie dort, als Blitz gott hat verehren wollen ? Waren dann, frage ich, nicht auch unsere Denkmäler „Blitzsäulen"?

Nach Fertigstellung vorstehender Arbeit erlange ich durch die freundliche Mittei-

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lung des Herrn Dr. Ilammeran in Frank- furt Kenntnis von zwei durch Clermont- Ganneau in Syrien und Ägypten gefunde- nen „Gigantensäuien'*. Auf der ersten soll der Gott Pfeil und Bogen, auf der zweiten die Lanze fuhren.

Diese Funde dürften eher meine An- sicht von der Bedeutung dieser Denkmäler bestätigen, wie die der früheren Erklärer. Denn jetzt wird man doch wohl kaum noch an der Auffassung festhalten können, diese Säulen seien Siegesdenkmäler über die Germania devicta. Oder wird man jetzt annehmen wollen, die neugefundenen Säulen seien zur Erinnerung an die Syria devicta und Aegyptus devicta errichtet worden ? ! Auch dann noch, wenn, wie es scheint, hier ebensowenig von einem Kampf zwischen Reiter und Schlangenmensch zu bemerken ist, wie bei unseren Gruppen? Schon der Umstand,das8 der Gott Pfeil und Bogen führt, lässt kaum an einen Kampf zwischen Reiter und Schlangenmensch den- ken. Doch Näheres werden wir wohl noch aus den Publikationen erwarten dürfen.

Die Ansicht Ilammeran's, welche er schon bei der Auffindung der Heddern- heimer Säule ausgesprochen hatte (Korrbl. IV, 3), dass in dem reitenden Juppiter der orientalische Zeus Sabazios zu erkennen wäre, haben schon Ilettner und Ilaug zu widerlegen gesucht. In der Auffindung zweier Denkmäler im Orient selbst scheint nun Ilammeran eine Bestätigung seiner da- maligen Ansicht zu erblicken, wie aus einem in den „Frankfurter Nachrichten** Nr. 9 vom 11. Januar d. J. erschienenen Aufsatz hervorgeht. Er hält dort an dem „semi- tischen** Charakter der Gruppe, „von dem Niemand etwas bisher habe wissen wollen", fest. Er sagt ferner: „Kein Mensch wollte glauben, dass unser Juppiter-Typus aus dem gallisch - germanischen Kreise heraustreten könne."

Dass dies wirklich geschehen, scheint mir aber auch jetzt noch nicht bewiesen zu sein. Das Auffinden von zwei derartigen Denkmälern im Orient spricht noch nicht für den semitischen Ursprung derselben, weit eher für den gallo-germanischen Ur- sprung die Gruppe von Ehrang, was wir weiter vom ausgeführt haben. Ilammeran

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meint: „vielleicht wird den Hammer des Sabazios eine spätere Gelegenheit zeigen.'' Aber, wenn auch der Hammer einmal er- scheinen sollte, so wäre damit für den Sabazios noch nichts Sicheres bewiesen. Hettner verlangt für diesen asiatische Kleidung und dann vor Allem den Ham- mer, welcher sich aber selbst bei den jetzt im Orient entdeckten Denkmälern nicht gefunden hat. Unter den vier bisher ge- fundenen Gruppen, welche den Gott mit der Waffe zeigen, erscheint drei Mal die Lanze und ein Mal Bogen und Pfeil.

Meiner Meinung nach müssen wir, un die Bedeutung des Gottes zu erklären, die Denkmäler in Betracht ziehen, welche emen Gott in ähnlichen Darstellungen zeigen wie auf unseren Gruppen. Es sind dies die Viergötteraltäre, auf welchen Juppiter stehend, mit dem sog. Schlangenmänn- ehen zur Seite, abgebildet ist und die französischen Terracotten mit demselben Motiv. Denn es scheint mir ganz unzwei- felhaft, dass diese Darstellungen demselben Ideenkreise angehören wie die Gruppen der sog. Gigantensäulen.

Dass dieses der Fall, geht aus dem Um- stände hervor, dass der Gott auch hier mit dem Schlangenmenschen vergesellschaftet ist, dass er ferner das dem Juppiter eigene Bart- und Haupthaar trägt und dass er mit denselben Stiefeln bekleidet ist wie der reitende Juppiter. Auch dasselbe At- tribut scheint er zu fi'iliren, denn meist ist es ein länglicher, einer Lanze ähnlicher Gegenstand, welchen er mit der Rechten hält. Auf dem Rottweiler Altar ist die Hand zur Aufnahme dieses Attributes ge- radeso durchbohrt, wie bei vielen reiten- den Juppiterdarstellungen.

Aber auch ein anderes, bei den zuletzt- genannten bisher noch nicht beobachtetes Attribut führt er manchmal : das Rad. Die herabhängende linke Hand ruht stets auf dem Kopfe des schlangenfüssigen Wesens, welches meist für weiblich angesehen wird.

Dieser Gott mit dem Rade erscheint aber auch ohne Schlangenmännchen aof mehreren französischen und zwei im Speye- rer Museum befindlichen Yiergötteraltären. Er hält hier das Rad in der linken Hand, in der rechten dagegen eine Lanze oder

ein Szepter. Der Gott mit dem Rade wird nun durch die Bronze von Landouzy- la-Ville inschriftlich als Juppiter be- zeichnet. Man betrachtet diesen Gott all- gemein als den gallischen Juppiter. Hettner, ^ Steindenkmäler" S. 30 sagt: „Der celtische Ursprung des Gottes folgt aus dem Yerbreitungsbezirk, sein Name war vielleicht Taranis, das von ihm ge- tragene Rad ist vermutlich das Symbol der Sonne**.

Meines Erachtens nun ist diese grosse Ähnlichkeit zwischen dem stehenden und dem reitenden Juppiter ein hinreichender Beweis ftir die Annahme, dass wir auch für den letzteren den Ursprung in der gallo - germanischen Mythologie und nicht in einem orientalischen Cult zu suchen haben.

Für die beiden im Orient gefundenen Gruppen aber dürfte eher anzunehmen sein, dass ihre Errichtung gallisch-germa- nischen Ansiedlem zuzuschreiben sei, als dass sie den Urtypus dieser bei uns so ausserordentlich verbreiteten Denkmäler- gattung dargestellt hätten. Wahrscheinlich haben germanische Bewohner der dortigen Gegenden ihrem einheimischen Gotte aus dem gleichen Grunde Votivsäulen errichtet, wie ihre Stammesbrüder im Mutterlande.

Während der reitende Juppiter als der durch die Lüfte reitende Blitz- und Don- nergott zu betrachten ist, wird man sich den stehenden Juppiter mit dem Szepter als den höchsten Gott, den Lenker des Weltalls, den mit dem Rade als den Son- nengott zu denken haben, gleichviel, ob er nun mit, oder ohne Schlangenmensch dargestellt worden ist.

Worms. Dr. Koehl.

54^ Die erzbiscbSflichen Beamten in der Stadt K0ln wälirend des zwölften Jahrhunderts II. Darch andere Arbeiten war ich leider bis jetzt verhindert, die Fortsetzung meiner Entgegnung ^) auf die von Herrn Dr. Varges meiner Dissertation gewidmete Kritik er- scheinen zu lassen. Hatte ich im ersten Teile mich auf die Zurückweisung der Ein- wurfe desselben gegen meine Auffassung des Stadtvogtes nnd des Untervogtes')

1) Tgl. Korrbl. 1894 Sp. 236 ff.

2) Zu di«8em Funkte sei mir noch folgender

beschränkt, so erübrigt jetzt noch die Er- örterung unserer entgegengesetzten An- schauungen über den Charakter des Burg- grafen- und Untergrafen- Amtes. „Obwohl die Quellen klar zeigen, dass der Burggraf ursprünglich köuiglicher Beamter ist, der unter Königsbann dingt und den Vorsitz im Grafending führt, macht Lau denselben zum erzbischüflichen Beamten.'' Dieser mir von Varges gemachte Vorwurf schiesst weit über das Ziel hinaus. Dass ich den Burggrafen für einen ursprünglich könig- lichen Beamten erhalten habe, erhellt doch schon aus meiner weiterhin von Varges berührten Ableitung desselben von dem Grafen des Kölngaus. Der springende Punkt ist nur der, ob man den Grafen noch im 12. Jahrhundert als königlichen oder als erzbischüflichen Beamten betrachten darf. Zur Rechtfertigung meiner Ansicht hatte ich darauf hingewiesen, (S. 7), dass die Worte des gefälschten Schiedes „quod una nobiscum bannum iudicii ab imperio tenef, eben weil sie einer nachweislich gefälschten Urkunde entstammen, nur mit Vorbehalt anzunehmen seien, dass die Wahrscheinlichkeit einer Interpolation oder Veränderung der älteren Vorlage bei die- sen Worten ganz besonders nahe liege, dass ferner bei der Verpfändung der Burggraf- schaft 1198 (S. 11) >) die Übertragung durch den Erzbischof, ohne Mitwirkung des Königs geschehen sei, woraus sich schlagend ergiebt, dass wenigstens in den Augen des Erzbischofs und des Burggrafen schon damals das Burggrafenamt als ein erzbischöfliches Lehen galt, eine Anschau- ung, die im 13. Jahrhundert bekanntlich *) zu noch schärferem Ausdruck gelangt. Es liegen nun zwei Möglichkeiten vor. Ent- weder ist der Burggraf, sicherlich früher ein königlicher Beamter, stets ein solcher rechtlich geblieben und nur allmählich in

Nachtrag geBtattet. Varges betont, dass anch in Bremen nnd Hildesheim der Untervogt, wie in Köln, ein commnnaler Beamter gewesen sei. Er selbst aber erklärt noch 1893 (Zeitschrift des historischen Vereins fQr Niedersachsen S. 86ö) denselben Beamten horribile dictu fQr einen erabischO fliehen.

3) Jetist besser Höniger Schreinskarten n* Scab. 2 m 5.

4) Lac. n nr. 727 (1279 Aug. 16).

12.1

AbbäDgigkeit von dem Erzbischof geraten, und die 1198 sich geltend machende An- schauung ist als Endglied einer solchen Entwicklung zu betrachten, oder dem Erz- bischof ist einmal von selten des Königs die volle Gerichtshoheit übertragen worden und damit mit einem Schlage der Burggraf ein erzbischöflicber Beamter geworden, wenn er auch seinen früheren Bann und seine Funktionen beibehielt. Beide Entwick- lungen sind gleich glaubhaft, beweisen lässt sich schlechtweg keine von beiden. Aus diesem Grunde habe ich auch in mei- ner Dissertation, wo ich mich der letzte- ren anschloss, die Möglichkeit der ersteren (S. 11 Z. 8) ausdrücklich zugegeben. Da- ran glaube ich auch Yarges gegenüber festhalten zu können, dass der Burggraf im 12. Jahrhundert persönlich und amtlich in Abhängigkeit vom Erzbischof stand, resp. geraten war, und dass aus diesem Grunde die Zurechnung desselben zu den erzbischöflichen Beamten für diese Zeit sich rechtfertigen lässt. Yarges fährt fort : „Der Burggraf, prefectus urbis, der doch ursprünglich nichts weiter ist, als der Kommandant der Festung Köln, dem erst nach Exemption der Stadt Köln vom Gau der Yorsitz im öffentlichen Stadtgericht übertragen ist, ist nach Lau ein Graf des Kölngaus oder ein Teilgraf desselben.** Diese Behauptung, und namentlich die unumstössliche Bestimmtheit, mit der die- selbe ausgesprochen ist, macht einen et- was komischen Eindruck. Ich kann den Beweis für seine Ansicht ruhig Yarges überlassen, er wird ihn nicht führen können. Jedenfalls hat er sich in seinem Übereifer nicht die Frage vorgelegt, weshalb nicht ebensowohl dem Grafen des Kölngaus nachträglich die Geschäfte des „Stadtkom- mandanten** übertragen sein können. Ich halte auch hier vollkommen an meiner Ansicht*) fest. Auch meine Erörterungen über den Untergrafen haben Yarges' Bei- fall nicht gefunden : Er wirft mir vor, dass ich eine durchaus glaubhafte Ansicht He- gels ") nicht angenommen, sondern an deren Stelle nur eine „sonderbare** Er-

5) Die ja auch Hchon ähnlich von Ilegel (Cbron. XII S. XXIII) auRfiresprochen ist.

6) Chron. XIV S. XXXIX.

124

klärung für das gleichzeitige Yorkommeo mehrerer Bürger mit dem Beinamen Comes in den Zeugenreihen gegeben habe. Ich hatte behauptet (S. 30): Es gab in der Altstadt Köln während des zwölften Jahr- hunderts nur einen Untergrafen. Wenn mehrere Bürger mit der Bezeichnung Comes unter den Schöffen vorkommen, so ist dies dadurch zu erklären, dass das Grevenamt kein lebenslängliches war, die früheren Träger dieses Amtes aber den Beinamea Comes als ehrende Auszeichnung fortiuhr- ten. Diese Erklärung ist nicht „sonder- bar**, ganz dasselbe lässt sich auch für das 13. ^ und 14. Jahrhundert voUkommea genau nachweisen. Die gleiche Sicher- heit lässt sich freilich im 12. Jahrhundert nicht erreichen, und nicht bei allen ge- nannten^) Untergrafen der Yorgang sich beweisen. Indessen haben zwei mir seit- dem bekannt gewordene Urkunden*) mei- nen Ansetzungen nicht widersprochen, sondern dieselben bestätigt. Für das Yorhandensein von mehreren Untergrafen- bezirken in der Altstadt findet sich in den Schreinskarten und -büchem nicht der ge- ringste Anhalt, und es liegt absolut keine Nötigung vor, aus dem gleichzeitigen Yor- kommen mehrerer Männer mit dem Zu- namen Comes auf solche zu scbliessen.

Ich kann demnach von allen Ausstel- lungen, die Yarges an meiner Schrift za machen hat, nur denjenigen, betr. das Burggrafenamt, eine gewisse snbjeküve Geltung zusprechen, insofern die von ihm aufgestellten Ansichten ebenso möglich sind, wie die von mir vertretenen. In allen anderen Punkten muss ich seinen

7) Als Beispiel sei hier nur genannt: lf73 Oci. 2 (Qu. ni nr. HS): Gerardns Overstols qoon- d a m vicecomes, Schrein sb. 178 f. £4a 1290 März Gerardus Comes, Bchreinsb. 121 f. 43b (12S6 !>»£■ 12) Gerardus dictus Overstols Comes. Bei d^in Geschlecht von der Kornpforte wurde Greve »cg^r Familienname.

8) Bei dreien habe ich den Nachweis gvffibrt (S. 40).

9) Hoeniger, Mevissen - Festschrift 8. 27^ c. 1131—38. Weselo advooatus. Sigewinns ronii^». Franquinet: Vrouwekerk te Maastricht nr. 5 li&^ in presentia comitis Alberonis et advocati Heri- manni. Ich hatte (S. 7u) die Amtsseit des Greven Sigewin auf c. 1126—36, die des Albero (S. 71) aaf c. 1156 bis 1166 berechnet. Beide genannten l'r- knnden passen dazu.

1Ö5

Angriffen jegliche Berechtigung abstreiten. Seine Behauptungen sind trotz der selbst- bewussten Form, in der sie vorgetragen sind, noch vollkommen unerwiesen und unerweisbar.

Köln. Dr. Fr, Lau.

5. Freie Eigenleute der Grundherrschaft habe ich aus dem Iloyaer Urkundenbuch Abt. I, Heft I, S. 22, vom Jahre 1291, im deutschen Adels -Blatte 1894, S. 986 f. nachgewiesen und zugleich angedeutet, dass sich "die noch auffallendere Bezeichnung „edle Eigenleute** findet.

Nach J. G. Estor commentarii de mi- nisterialibus , S. 419 Urkunden nämlich die Vettern Konrad und Konrad, Herren von Weinsberg, im Jahre 1287, dass sie vom Abt Marquardt in Fulda die Erlaub- nis erhalten haben, dass die ehelichen Töchter Uta und Agnes eines nicht ge- nannten Bruder des Edlen Engelhard von Neideck (fratris Engelhardi nobilis de Nidecke), eigne Ministerialinnen des Klosters, mit (weinsbergischen) Dienstman- nen oder edlen Eigenleuten (ministeria- les seu nobiles homines proprii) und deren Söhnen sich verheiraten dürfen; mit der Bedingung, dass die Kinder beiderlei Ge- schlechtes dem Abt und ihnen (sui et nostri equaliter sint communes) gemein- schaftlich gehören.

Die Herren v. Weinsberg selbst ge- hören einem Dlenstmannengeschlechte an, wie z. B. ein Conrad v. Weinsberg (bei C. V. Stalin, Wirtb. Geschichte, Bd. II, S. 595, Anmerk. 2) ausdrücklich 1231 mi- nisterialis Heinrici, Romanorum Regis ge- nannt wird. Im Wirtembergischen Urkun- denbuch Bd. V, S. 10 findet sich aber 1253 schon die Bezeichnung „herre v. Wins- perc" während S. 70 nur von fratribus de Winczberg die Rede ist. Das Ministerial- verhältnis war also unsicher geworden, und mit Recht sagt J. Ficker (die Reichshof- beamten der staufischen Zeit) : dass dieser Stand bei mächtigeren Familien schon mit Ende des 13. Jahrhunderts verschwand. Auch Glieder der Familie Borcb, die ihm trotz höherer Abstammuüg einige Zeit an- gehört, heissen in Riedels Codex dipl. Brandb. Bd. Xa, S. 452 in Magdeburg am 1. Juli 1285 Herren. Die von R Schröder

126 --

vor einigen Jahren in der Zeitschrift für Rechtsgeschichte (der Savigny-Stiftung) in einem Aufsatz über den Sachsenspiegel aufgestellte Behauptung (auf welche er in seinem Lehrbuch 2. Aufl. S. 548 ff. ver- weist) : dass im 12. Jahrhundert die freien Herren fast alle (!) in den Stand der Dienstmannen getreten seien, „aber diesem erst seit Ende des 13. Jahrhunderts recht eigentlich angehört hätten'^, ist daher leider sowenig richtig, als die an- dere (S. 42i) : dass es in Mecklenburg und Pommern Dienstmannen gegeben habe. Auch die an der ersten Stelle seines Lehr- buches für Rechtsgeschichte versuchte Be- weisführung, dass der Sachsenspiegel des- halb erst nach 1215 abgefasst sein könne, weil der Verfasser um diese Zeit in den Stand der Dienstmannen getreten und diesen zu heben suche, ist höchst ge- wagt^), denn 0. v. Zallinger, auf den er sich stützt, weiss in seinem Werke (S. 219) nichts weiter dafür anzugeben, als dass Eike V. Repkow 1218 unter sonst bekann- ten Personen dieser Klasse als Zeuge stehe. Schon H. Schuster hatte (in den Mittei- lungen des Instituts für österreichische Ge- schichtsforschung Bd. lll) S. 396, Nr. 2 diese Folgerung des Standes für eine juristische Unmöglichkeit erklärt, und ich will hinzufügen : war Graf Bertfaold v. Eschen- lohe, den Herzog Ludwig von Bayern (mon. boica Bd. VHl, S. 188) im Jahre 1258 hinter bekannten Dienstmannen nennt, auch ein solcher? Oder ist der Herzog V. Spoleto ein Dienstmann geworden, weil ihn (nach Böhmer's Reg. imperii) König Friedrich am 21. September 1220 in der Zeugenreihe hinter den Reichstruchsess V. Bolanden und den Marschall v. Justingen stellt ? Oder hatte der Herzog v. Kärnthen den Reichsfürstenstand verloren, weil er (cod. dipl. Moraviae II, S. 279) im Jahre

1) Nach aeinom Landrecht III, 10, 54 g 1, 80 § 2, 81 § 1 erhalten ja freigelassene Dicnstuiannen nur freier Land sagten Recht, tind für ReichB- ministcrialen wird Freiheit gefordert, wenn sie Schöffen werden wollen: und das war doch ge- wiB8 keine licvorxugung der Dicnstraannen seitens des Verfassers. Neben solchen (irttnden fUr die Kntstehungszpit des Rechsbiiches darf ich vielleicht auch auf die nieinigen (Zeitschr. für Staatswissenschaft 1800, S. 888 AT.) verweisen.

- 12? -

1234 hinter dem Grafen v. Huternwarth Zeuge ist?

Mit Recht weist aber H. Gengier (Bei- träge IV, S. 69) darauf hin, dass es z. B. im Würzburgischen zwei Klassen von Mi- nisterialen gab, die ersteren, namentlich Inhaber der Ilofamter mit freiem Dienst, „ab omni jugo servili absoluti'', die ge- ringeren dagegen eigen- und grundhörig „proprietatis jure perpetno ab episcopo possessio, und ähnlich verhielt es sich wohl in der Weinsberger Urkunde mit den Töchtern des Edelherrn v. Neideck, der eine niederere Ministerialin von Fulda geheiratet haben muss; denn die Kinder folgten, wie Kaiser Friedrich (mon. boica Bd. 29>, S. 325) im Jahre 1 156 ttbcr die hörige Tochter des Marschall v. Pappen- heim und den Würzb. Dienstmann Bodo ur- kundet, „der Mutter nach Gewohnheits- recht*'. Merkwürdig ist hier nur, dass die Kinder in Fulda und Woinsbcrg einen dop- pelten Herrn erhalten und nicht, wie oben 1156, geteilt werden sollten, wenn man doch nicht nach Gewohnheit handeln wollte.

Schwierig aber ist die Erklärung der hinter den Dienstmannen genannten „ed- len Fiigenleute^, wenn man in den Worten ministeriales seu nobiles homines proprii nicht eine einfache Erklärung der Dienst- mannen finden will. Es kann sich aber auch um einen anderen Stand handeln, denn ich habe an obiger Stelle des deut- schen Adelsblattes nicht nur freie Eigen- leute, „wie auch Adelige mit Frohn- diensf* nachgewiesen, sondern ich kenne auch Beispiele aus H. Genglers Beiträgen (IV, S. 47), in denen seu so viel als „oder und" bedeutet: viribus seu aliis qnibuscumque modis ad rcquircndum illnd seu defendendum omni modo etc. Sehr leicht wären die edlen Eigenleute zu er- klären, wenn man einfache Freie darunter verstehen wollte, die nicht, wie die Dienst- mannen hauptsächlich, Kriegsdienst zu Ross leisteten, sondern auf herrschaftlichem Eigen sassen und dies (wie im Ilabsburg- öster- reichischen Urbarbuch, hrsg. von Dr. Pfeiffer S. 243) bebauten. In diesem Falle wäre ihre Stellung hinter den Dienstmannen bedeutungslos, denn schon in einer Straf- bestimmung Kaiser Heinrich IV von 1085

- 128

heisst es bei J. Ficker (vom Reichsfursten- stand I, S. 65): Freie oder Ministerialen zahlen zwei Pfund. Allerdings werden Gemeinfreie nur in Ostsachsen auch no- biles genannt, allein in der Kanzlei der Herren v. Weinsberg konnte ein solcher Fehler wohl vorkommen.

Sodann wäre es doch auch möglicb, dass die edlen Eigenleute solche verarmte Adelige waren, wie ich am obigen Ort aus der Zeitschrift des Harzvereins 1^93, S. 123, noch im 17. Jahrhundert, in Thü- ringen als „Frohnhäusler*" nachgewiesea.

Die Urkunde der Herren v. Weinsberg, welche in der Zeitschrift des historiscbefi Vereins für Wirtembergisch - Franken (Bd. VII, Heft 3, S. 500) mit der Jahreszahl 1284 und auch sonst etwas abweichend mit- geteilt wird, ist aber dort nicht ausreichend erklärt, obgleich die ministeriales aeu nobiles homines proprii nicht fehlen. Dass freie Herren solche auch im Süden des Reiches haben konnten, wird von R. Schrö- der (nach V. Zallinger) in seinem LfChr- buch (S. 429) gänzlich geleugnet Weitere Stellen dieses Werkes hatte ich bereits im Oktoberheft 1894 des juristischen Lit- teraturblattes die Ehre zu besprechen. Homburg v. d. Höhe.

Freiherr L. v. Borcb.

Verlag dar Fr. LIntz'tchen BnchhAadlang in Tri«r:

Lahneck und Oberlahnstein.

Ein Beltraar xux 8pezlalflr«>ohielit« d«r BhelBlande

▼on Dr. Jul. W«gel«r. Preis 80 Pfg.

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Erzbischof und KurfDrtt von Trier 1511—1531.

Ein Beitrag znr Sperialgeschichte der Rheinlaade ▼on

Dr. JhI. We^eler.

Mit einer Tafel. Preia M. iJbO,

Anleitung

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Lesen, Ergänzen id Datieren rooi. Insdirifteii

mit besonderer Berttekaiohtignng der Kaiseneit nnd der Rheinlande

von c. Bone.

Mit einer lithograph. TafaL Preit fib. JL 130^

Dmok Q. YerlAff dav Fr. Linto »lohaii BnohbMidliiag Ja Trltr

VMT^mltelM IL RSmltdM 2«lt

redigiert Ton Prof. Htttmr n. Dr. Tri«.

Mtttüftlttr md

fl«digl«rl \ ArobiTM Dr. KOIn.

der

Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst,

sasleieh Organ der hiBtoriseli-aBtiqiuuriselien Vereine n Birkenfeld, Dftsseldorf, Frank-

fnrt a. IL, Karlsrnke, Naini, Nannheini, Mets, Nenn, Prim, Speyer, Strawkari;,

Trier, Womt, gewie des anthropologiseken Vereins sn Stnttsart

Jali

Jahrgang XIV, Nr. 7.

1895.

Das Korr«tpond«nsblatt ertoheint in «insr Auflage Ton 4000 ExamplAren. Inserat« 4 S6 Pfg. für die

gespaltene Zeile werden ron der Verlagshandlnng nnd allen Inseraten-Bnreans angenommen, Bellagen

nach Uebereinknnft. Die Zeitschrift erscheint rlerteljfthrlioh, das Korrespondensblatt monatlich.

Abonnementspreis 15 Mark für die ZelUohrift mit Korrespondensblatt, für letsteres allein 6 Mark.

P^^ Beiträge fflr die TorrOmisohe nnd römische Abteilnng sind an Dr. Lthntr (Trier, ProTinsialmusenm), fOr Mittelalter nnd Nenseit an Dr. HanMn (Köln, StadtarohlT) sn senden.

Chronik.

»6. Die bisherige Entwickelung der Konferen- zen von Vertretern landesgescliiclitliclier Pu- biilcatiottsinstitute '). Auf der zweiten Yer- sammlnng Deatscher Historiker zu Leipzig im J. 1894 wurde in der dritten Sitzung über den Stand und die Bedeutung der landesgeschichtlichen Studien, insbesondere über die Arbeitsgebiete der landesgeschicht- lichen Publikationsgesellschaften beraten '). Nach eingehenden Ausführungen der Herren Prof. Dr. von Zwiedineck-Südenhorst (Graz), Geheimrat Dr. von Weech, Direktor des badischen Generallandesarchivs (Karls- ruhe), Stadtarchivar Dr. Hansen (Köln), Prof. Dr. Markgraf (Breslau), Prof. Dr. Pnitz (Königsberg), Archivrat Dr. Jacobs (Wernigerode) über Lage und Charakter der entsprechenden Institute in Steiermark, Baden, der Rheinprovinz, Schlesien,Preu8sen und der Provinz Sachsen wurde folgender Antrag des Prof. Lamprecht von der Ver- sammlung einstimmig angenommen: Die Versammlung erklärt es als dringend er-

1) Bei der groisen Bedeutung, welche diese Konferenxen voraugsichtlich in Zukunft fttr die Veröffentlichung der Quellen auch der westdeut- schen Geschichte gewinnen werden, wird es fUr die Leser dieses Blattes von Interesse sein, den bisherigen Gang der Verhandlungen kennen su lernen. Die nächste Konferens wird im Herbst 1896 staUfinden.

8) Bericht über die sweite Versammlung deut- scher Historiker, 29. Milrs bis 1. April 1894, su Leipzig; Leipsig, Dnnoker A Hnmblot 1894, S. 19 bis 29.

wünscht, dass im Zusammenhang mit den künftigen Historikertagen Konferenzen von Vertretern der landesgeschichtlichen Publi- kationsinstitute zur Beratung gemeinsamer Angelegenheiten stattfinden.

In Ausfuhrung dieses Beschlusses lud der Vorsitzende des geschäftsführenden Ausschusses der Historikerversammlung die Vertreter einer Anzahl von Publika- tionsinstituten zu einer freien gemeinsamen Besprechung auf die nächste Tagung nach Frankfurt ein. Dieser Aufforderung sind fast alle Eingeladenen gefolgt. In den Konferenzen, die am Mittwoch den 17. April und am Freitag den 19. April 1895 statt- fanden, waren ausser dem Vorsitzenden zugegen :

Oberlehrer Dr. Dobenecker-Jena (Ver- ein für thüringische Geschichte und Alter- tumskunde); Prof. Dr. Finke-Münster i. W. (Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens); Prof. Dr. Grössler -Eisleben (Histor. Kommission der Provinz Sachsen); Archivrat Dr. Grotefend- Schwerin (Kom- mission für Herausgabe des mecklenburgi- schen ürkundenbuches) ; Stadtarchivar Dr. Hansen-Köln (Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde) ; Stadtarchivar Dr. Jung- Frankfurt a. M. (Verein für Geschichte und Altertumskunde Frankfurts); Prof. Dr. Köcher-Hannover (Historischer Verein für Niedersachsen) ; Prof. Dr. Pirenne-Gent (Commission royale d'histoire, Brüssel); Prof. Dr, Prutz- Königsberg i. P. (Verein

131

für Geschichte von Ost- und Westpreussen) ; Geh. Archivrat Dr von Stalin - Stuttgart (Württembergische Kommission für Landes- geschichte); Archivar Dr. Warschauer- Posen (Historische Gesellschaft für die Provinz Posen); Prof. Dr. Weber -Prag (Verein für die Geschichte der Deutschen in Böhmen); Prof. Dr. Wolff - Frankfurt a. M. (Verein für hessische Geschichte und Landeskunde); Prof. Dr. von Zwiedineck- Südenhorst-Graz (Historische Landes-Kom- mission für Steiermark); Oberlehrer Dr. Wehrmann (Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde); k. und k. Generalmtgor von Wetzer- Wien (k. und k. Kriegsarchiv).

Zur Konferenz angemeldet, aber durch äussere Gründe am Erscheinen verhindert waren:

Prof. Dr. Meyer von Kronau - Zürich (Allgemeine Geschichtsforschende Gesell- schaft der Schweiz); Prof. Dr. Schäfer- Tübingen (Württembergische Kommission für Landesgeschichte); Prof. Dr. Schulte- Freiburg i. B. (Badische historische Kom- mission).

Schriftlich zustimmend zur Konferenz hatten sich geäussert:

Verein für Geschichte und Altertum Schlesiens zu Breslau ; Verein für Geschichte und Landeskundig zu Osnabrück ; Historisch genootschap zu Utrecht; Esthländische litterärische Gesellschaft zu Reval. Einladungen waren im ganzen 25 ergangen. Zu Beginn der Konferenzen wurde zu- nächst Prof. Lamprecht zum Leiter der Verhandlungen gewählt. Derselbe führte darauf über die Ziele der Konferenzen etwa folgendes aus: Die politische Ge- schichtsforschung, wie sie lange Zeit vor- nehmlich allein im Mittelpunkt der ge- schichtswissenschaftlichen Bestrebungen stand, ist naturgemäss vor allem der Un- tersuchung und Herausgabe der Quellen für das centrale Geschichtsleben unseres Volkes nahe getreten ; sie hat dafür grosse Einrichtungen, wie die Centraldirektion der Monumenta Germaniae historica, ent- wickelt. Daneben aber ist schon in der Blütezeit der specifisch politischen Ge- schichtsforschung eine autonome Thätig- keit landschaftlich oder sogar örtlich be-

132

grenzter Vereine getreten, die sich, nebeü der Publikation geschichtlicher Forschnn- gen in Zeitschriften, vielfach auch der Veröffentlichung grösserer Qaellenmasseo zur Geschichte ihres Gebietes annahm. Die Bewegung in dieser Richtung, wie sie zunächst von den Geschichtsvereinen aos- gittg, ist in den wichtigsten Gebieten der nationalen Entwickelung seit einigen Jahr- zehnten gesteigert worden darch Errich- tung besonderer Kommissionen oder Gf- Seilschaften, die sich ausschliesslich der Publikation regional begrenzten Qnelleo- stoffes widmen. Dieser Quellenstoff dient nun vornehmlich der Erforschung der regio- nalen Verfassungs-, Rechts- und Wirt- schaftsentwickelung, sowie der Entwicke- lung der Kunst, Litteratnr und Wissen- schaft, kurz er ist im weitesten Sinne des Wortes kulturgeschichtlichen Charakten. Als solcher aber muss er, soweit dies mit der Freiheit der einzelnen Publikatiooen verträglich ist, überall in allseitig vergleich- barer Form herausgegeben werden; denn erst seine möglichst weit entwickelte Ver- gleichbarkeit sichert die Gewinnung von Ergebnissen zur allgemeinen Geschichte der Nation und macht dadurch die einzel- nen Veröffentlichungen vollends brauchbar. Hierin beruht vornehmlich die Notwendig- keit, der Autonomie der lebhaft vorwärts schreitenden regionalen und lokklen Pabli- kationsthätigkeit eine gemeinsame centrale Verständigung über gewisse Richtungen dieser Thätigkeit zur Seite zu stellen. Die Arbeitsteilung auf diesem Gebiete muss, wie überall bei arbeitsteiligem Fortschritt, durch eine gemeinsame Arbeitsoi^ganisation erst wahrhaft fruchtbar gemacht werden. Diesem Zwecke sollen nun die freien Kon- ferenzen von Vertretern deutscher Pabli- kationsinstitute in erster Linie dienen. Sie werden aber auch sonst dazu beitragen, gegenseitige Verständigung über Abgren- zung gewisser Materien, gegenseitigen Aus- tausch von Erfahrungen bei dem Verlai^ und Vertrieb von Publikationen, überhaupt gewinnreiche gegenseitige Aussprache über Zwecke und Ziele regionaler und lokaler Quellenveröffentlichung herbeizuführen.

Neben den Zielen der Konferenz be- rührte der Vorsitzende dann auch deren

133

künftige finanzielle Sicherung und Aus- stattung.

Die Teilnehmer der Konferenz erklär- ten sich darauf in lebhafter Debatte mit den vom Vorsitzenden aufgestellten Zielen im allgemeinen einverstanden.^ Das Ergeb- nis der Erörterungen war der Beschluss, die Konferenz als dauernde Einrichtung zu begründen:

„Die in der Konferenz vom 17. April 1895 zu Frankfurt a. M. versammel- ten Vertreter landesgeschichtHcher Pnblikations - Institute erklären es einstimmig für wünschenswert, dass jährlich Zusammenkünfte von Vertre- tern solcher Institute zur Forderung ihrer gemeinsamen Interessen statt- finden".

Im weiteren Verlaufe der Verhandlun- gen wurden dann für die nächste Beratung folgende Gegenstände ins Auge gefasst:

1) Feststellung der Bedingungen, unter denen zur gegenseitigen Vergleichung ge- eignete Ausgaben von Weistümem und Ertragsregistern am besten hergestellt wer- den können.

2) Erörterung der Verhältnisse, insbe- sondere der Massstäbe, unter deren Be- rücksichtigung vergleichbare Bearbeitungen und Ausgaben von Flurkarten, Grundkar- ten (im Sinne Thudichums) und Karten zur politischen Geschichte möglich sind, sowie Erörterungen über die Kosten sol- cher Kartenwerke, wie die zu deren Her- stellung verwendbaren mechanischen Re- produktionsarten.

3) Zusammenstellung des Materials an mittelalterlichen Stadtbüchern, das inner- halb der deutschen Gebiete vorhanden ist.

4) Znsammenstellung des Materials an Officialatsakten wie verwandten Quellen zur Geschichte des religiösen und kirchlichen Lebens im ausgehenden Mittelalter, das innerhalb der deutschen Gebiete vorhan- den ist.

5) Beratung über die Frage, inwiefern sich ein gemeinsames Vorgehen der Pnbli- kationsinstitnte für die Bearbeitung ver- waltungsgeschicbtlicher Fragen als empfeh- lenswert denken lässt.

6) Beratung über die Frage, inwiefern sich die Herausgabe nach heutiger Ver-

134

waltungseinteilung abgegrenzter Urkunden- bücher empfiehlt, oder in wiefern vielmehr Urkundenbücher vorzuziehen seien, die den überlieferten Stoff eines bestimmten In- stitutes, eines Klosters, Stiftes, einer städti- schen Verwaltung u. s. w. wiedergeben.

7) Auf einen Antrag von Herrn Dr. Steinhausen in Jena: Znsammenstellung der wichtigsten specifisch kulturgeschicht- lichen Quellen, deren Edition durch die einzelnen Institute wünschenswert erschei- nen könnte.

8) Sachliche und finanzielle Vorberei- tung einer Ergänzung der Walther-Koner- schen Repertorien von 1850 bis zur Gegen- wart.

Zur Vorbereitung der künftigen Bera- tung wurden für jeden einzelnen der auf- gezählten Gegenstände Referenten bestimmt, bzw. soweit dieselben der Konferenz nicht angehörten, in Aussicht genommen.

Neuerdings sind die nachfolgenden Pu- 57. blikationen der Gesellschaft fOr Rheinisch« Qeschlchtskunde erschienen :

Akten zur Geschichte der Verfassung und Verwaltung der Stadt Köln im 14. und 15. Jahrhundert, bearbeitet von Dr. Walther Stein. Band IL Mit Registern zu beiden Bänden. Bonn, Herrn. Behrendt, 1895. Mit diesem Bande, der die beson- ders interessanten städtischen Verwaltungs- akten des ausgehenden Mittelalters ent- hält, schliesst die X. Publikation ab. Sehr dankenswert sind die reichhaltigen Register : eine Konkordanz der bereits in den „Quellen zur Geschichte der Stadt Köln^ gedruckten Stücke, ein Orts- und Personen-, ein Sachregister, sowie eine chronologische Übersicht über beide Bände. Durch diese Register wird der schöne Stoff der Publi- kation der wissenschaftlichen Forschung in der bequemsten Weise nutzbar gemacht. In einem der nächsten Hefte der Westd. Zs. werden wir näher auf dieses Werk eingehen.

Von der XI. Publikation: Landtagsak- ten von Jülich -Berg 1400—1610, heraus- gegeben von Georg von Below, liegt nunmehr der 1. Band, der die Zeit von 1400—1562 nmfasst, vor. Die eigentlichen Landtagsakten beginnen erst mit dem Jahre 1538. Eine umfangreiche Einleitung giebt

136

eine Darstellung der &Itereü Landtags Ver- fassung bis 1538. Von besonderer Wich- tigkeit sind in dieser die Kapitel über die Organisation und die Kompetenz des Land- tags. Das Erscheinen des IL (Schlnss-) Bandes ist für 1898 zn erwarten.

Von dem grossen Geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz (XIL Publikation) ist die Karte der preussischen Yerwaltungs- organisation im Jahre 1818 nunmehr er- schienen und gleichzeitig der Erläuterungs- band zu den Karten von 1813 und 1818, beide bearbeitet von Konstantin Schul- teis. Von dem zur Zeit in Bearbeitung befindlichen Teil des Unternehmens steht jetzt nur noch aus die Übersichtskarte des Jahres 1789 und der entsprechende Erläuterungsband, welche Dr. Fabricius noch in diesem Jahre herausgeben zu können hofft.

58. Die Marburger Dissertation von Karl Kniptchaar, Kurfürst Philipp Christoph von Trier und seine Beziehungen zu Frank- reich (Marburg 1895) schildert eine der traurigsten Episoden der Rheinischen Ge- schichte, die Verwüstung des Trierischen Landes durch die vom Kurfürsten herbei- gerufenen Franzosen und Schweden und . durch deren Gegner die Spanier. Nicht einmal durch den Westfälischen Frieden kamen die Lande zur Ruhe, da der Kur- fürst lange sich gegen die Anerkennung desselben sträubte. Von besonderem In- teresse ist das glücklicher Weise vereitelte französische Projekt, den Kardinal Richelieu dem alten Erzbischof als Koadjutor zur Seite zu steifen, und die Gefangennahme Philipp Christophs durch die Spanier. n.

59^ Im 9. Band der Jahrbücher des DOtsel- dorfer Qetchlchttvereins bespricht F. Küch die Düsseldorfer Schöffensiegel, welche allgemein als bürgerliche Siegel eingeführt wurden, nachdem sie einmal als Ersatz für das grosse Stadtsiegel aufgekommen waren. Sie entnahmen' ihre Form der- jenigen der Siegel des niederen Adels, wobei sie das adlige Wappenbild mit der bürgerlichen Hausmarke vertauschten. Der- selbe Verf. betrachtet in dem folgenden Aufsatz die Einrichtungen des Fähramtes und der Werftanlage zu Düsseldorf in ihren günstigen Rückwirkungen auf Han-

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de], Verkehr und Finanzen der Stadt. Nicht so vorteilhaft erwies sich nach diesen Richtungen die Anlage der Zoll- stätte. *Die mitgeteilte Lebensmitteltaxe von 1610 ist von Belang für die Geschichte der Preise. 0. Redlich schildert in einer fleissigen Studie das angestrengte Bemühen des Königs von Frankreich, Ludwig XII, um das Zustandekommen eines guten Ein- Vernehmens zwischen Geldern auf der ei- nen und Jülich und Cleve auf der anderen Seite (um 1500). Diese Art Friedens- politik, welche die Franzosen seit Ende des 15. Jahrb. Deutschlands Fürsten gegen- über noch oft angewendet haben, war durch den Stand der Mailänder Angelegen- heiten und die drohende Haltung des Königs Maximilian vorgeschrieben; Lud- wig XII kam aber nicht zu kurz dabei. Der V. Below'sche Aufsatz, der Streit des Herzogs Johann von Jülich-Berg mit dem Erbmarschall Engelbert Hurdt, bebandelt eine Art häuslichen Zwistes und entnimmt sein Hauptmaterial den Jülich - bergiscben Landtagsakten im Soester Stadtarchiv. Ge- naue topographische Kenntnisse der zur Sprache kommenden Gemarkungen zeigt F. Schmitz in den von ihm erläuterten Oberdollendorfer Weistümem. Noch ein- gehender legt A. Koernicke die hofrecht- lichen und kirchlichen Verhältnisse in der Huntschaft Lintorp dar. H. Forst handelt über die Aufhebung des Neusser Regnlier- herrenklosters i. J. 1623; eine eigentüm- I liehe Thätigkeit haben Erzbischof Ferdi- nand und die Bruderschaft vom h. Kreuz in dieser Sache bewiesen.

Aus der Menge der im vorbezeichneten I Bande gelieferten Aufsätze herausgegriffen, versprechen schon die kurz hier angege- benen Arbeiten den Freunden der west- deutschen Geschichte erneute und anregende Belehrung. Alle Darstellungen sind von den zugehörigen Akten und Urkunden begleitet Köln. H. Kelleter.

In den Werken uitgegeven doorSO. | het Historisch genootschap HI Nr. 5 veröffentlicht F. L. Krämer die Letlres de Pierre de Groot^ ambasttadeur des pro- 1 vinces-unies, ä Abraham de Wicque- ' fort, resident des ducs de Brunswick, 1668-1674 (Haag, Martinus Nghoff, 1894).

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Diese Briefe des niederländischen Staats- manns fähren auis lebendigste in die be- wegte Periode aas der Vergangenheit der Generalstaaten nach dem Aachener'Frieden ein, welche in dem Sturze der Gebrüder de Witt im J. 1672 ihren Wendepunkt hatte. De Groot lebte von 1673 ab eine Zeitlang im Exil in den Städten Aachen und Köln; seine Briefe enthalten manche interessante Mitteilungen über diesen rhei- nischen Aufenthalt, namentlich über das Leben in Köln.

51. Die Ausgewählten Urkunden zur Erläute- rong der Yerfassungsgeschichte Deutschlands im Mittelalter, herausgegeben von Wilhelm Altmann und Ernst Beirnheim sind in zweiter Auflage (Berlin 1895, R. Gaert- ners Verlagsbuchhandlung, Herm. Hey- felder, 6 M.) erschienen. Die erste Auf- lage dieser für Juristen und Historiker bestimmten Sammlung der für die Ver- faseungsgeschichte Deutschlands im Mittel- alter wichtigsten Urkunden hat bei ihrem Erscheinen im J. 1891 den lebhaften Bei- fall der Fachkreise gefunden und sich seit- her nach der Richtung, nach welcher sie besonders zu wirken geeignet ist, als Grund- lage für verfassuDgsgeschichtliche Übungen in Seminarien und zur Vorbereitung für die Geschichtslehrer an höheren Schulen, gut bewährt. Der Inhalt der 2. Auflage deckt sich fast ganz mit der ersten, und so genügt es, an dieser Stelle kurz auf die Gruppen zu verweisen, aus denen sich die mitgeteilten Urkunden zusammensetzen: I. Staatsgewalt und Reichsverfassung im allgemeinen (616—1424); IL Reich und Kirche (824—1448); III. Ständische Ver- hältnisse (996— 141Ö); IV. Heerwesen (805 -1427) ; V. Gerichtswesen (490—1495) ; VI. Territorien (636—1473) und Städte (861—1445). Die Sammlung eignet sich besonders auch für Lokalhistoriker, denen keine grössere öffentliche Bibliothek zu Gebote steht; namentlich die Sammlung wichtiger Stadtrechte, welche der letzte Teil enthält, bietet ihnen grosse Erleich- terung bei ihren Arbeiten.

52. ^ M«rcarittt fiallo-B«lgiciit 1692-1626. Eene bi.

bliographisch-historitohe stxidie door Mr. W. F. De Jonge. (HMg 1884).

Unter diesem Titel behandelt De Jonge

in den „Bydragen voor Vaderlandsche Ge- schiedenis en Oudheidkunde III. Reihe Bdi VIII" die verschiedenen Teile des Mercurius Gallo-Belgicus von D. M. Jansonius Docco- mensis, und die Fortsetzungen, die dieses Werk durch P. A. Jansonius, Gaspar (Ens) Lorchanus und Gotard Arthus gefunden hat. Die interessante Abhandlung bietet eine ge- naue bibliographische Beschreibung der ein- zelnen Teile uud eine eingehende Charakte- ristik ihres Inhaltes und der politischen und religiösen Parteistellung der Verfasser. Aus dem reichhaltigen Inhalt möge hier einiges herausgehoben werden. Gegenüber der von Lossen (Sybels Hist. Zeitschr. 1884 Bd. 41 S. 124) vertretenen Ansicht, dass D. M. Jansonius Doccomensis, der Ver- fasser des Mercurius Gallo-Belgicus, und Michael van Isselt zwei verschiedene Per- sonen gewesen seien, bringt De Jonge (S. 73 ff.) eine Reihe von Argumenten bei, durch welche die Identität dieser beiden Schriftsteller als gesichert erscheinen darf. Ausschlaggebend in dieser Hinsicht ist be- sonders der Umstand, dass der Verfasser des Mercurius die Widmung des dritten Teiles mit den Worten schliesst „Reveren- dae Dominationi tuae deditissimus Michael J. ab. J.** und sich mit der Bemerkung : „qui- bus nunc tertium tomum, ecce, addimus" ausdrücklich als Verfasser der beiden ersten Teile bekennt. Zu den von De Jonge geltend gemachten Gründen hat neuerdings J. H. Uofman (Bijdragen 1895 B. IX Lief. I S. 41—43) noch einige hinzu- gefügt, die das Resultat der Forschungen De Jooges bestätigen. Der eigentliche Mercurius hat eine dreifache Fortsetzung gefunden. Die erste in Köln bei Gerhard Grevenbruch (S. 91) erschienene stammt von dem eifrig katholisch gesinnten Schrift- steller P. A. Jansonius her, dem Verfasser einer im gleichen Sinne gehaltenen Schrift: „Mundus furiosus", dessen Persönlichkeit im übrigen noch nicht genügend klar gestellt werden konnte (S. 92). Nur der zweite (Tunfte) Teil dieser Reihe hat den, auch sonst als Musikschriftsteller (S. 94) be- kannten, Joannes Baptista Besardus Ve- sontinus zum Verfasser. Eine zweite gleich- zeitige, ebenfalls in Köln bei Wilhelm Lützen- kirchen, herausgegebene Fortsetzung hat

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der Vielschreiber Gaspar Eds Lorchanas Vur- oder Wurtembergensis (S. 114 ff), Verfasser der Mauritiados, geliefert Sind diese zwei Fortsetzungen wesentlich im Sinne des eigentlichen Mercurius und seines Verfassers, und demgemäss im katholischen Sinne, gehalten, so bietet die dritte, im Verlage von Sigismund Latomus in Frank- furt a. M. (S. 122 ff.) erschienene, aus der Feder des Danzigers Gotard Arthus ein Gegenstück dazu durch die sehr einseitige Betonung des protestantischen Parteistand- punkti s (S. 126 ff.). Dieses Werk des Arthus, das in seiner Form an die Frankfurter Messrelationen sich anschliesst, ist, worauf auch hier besonders hingewiesen sein möge, zu unterscheiden (S. 124 ff.) von dem Mercurius Gallo- Belgiens Sleidauo succenturiatus desselben Schriftstellers, der sich als eine direkte Fortsetzung des bekannten Werkes Sleidans „De statu re- ligionis et rei publicae Carolo V Cosare'' dar- stellt. Nach dem Tode Arthus' wurde sein Werk (S. 148) durch Michael Caspar Lun- dorp, Georg Beatus, Johannes Philippus Abeleus (Abelinus), Johannes Georg Schle- derus, Johannes David Reinmann fort- gesetzt

In einer Beilage (S. 149 ff.) giebt De Jonge eine Beschreibung der Karten, Ansichten und sonstigen Bilder, die sich in dem Mercurius des Arthus finden, eine andere Beilage (S. 169) ermöglicht einen raschen Überblick über die einzelnen Teile der ganzen Folge und die De Jonge be- kannt gewordenen Neuauflagen, aus denen die ausserordentliche Beliebtheit, deren sich diese Veröffentlichungen bei dem zeit- genössischen Leserpublikum erfreuten, be- sonders deutlich hervorgeht. Köln. Dr. Fr. Lau.

ea.Monumenta Germaniae historica.

Vgl. Korrbl. XIU, 56. 21. Plenarversammlung, 4. bis 6. April 1895. Im Laufe des Jahres 1894/95 er- schienen in der Abteilung Auetores anti- quissimi : 1. Chronica minora saec. IV. V. VI. VII ed. Th. Mommsen II, 2 (= A. a. XI, 2);

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2. Chronica minora saec. IV. V. VL vn ed. Th. Mommsen, III, 1 (= A. a. XIII, 1);

in der Abteilung Leges:

3. Leges Visigothorum aniiquiores ed. Zeumer;

4. Hincmarus de ordine pakUii ed. Krause;

in der Abteilung Episiolae:

5. Epistolae saeculi XIII e regestis pon- tificum Romanorum selectae ed. R o d e n - berg III;

6. Epistolarum iom, II p. II Gregorii papae Registrum L. X XIV ed. L. Uartmann;

7. Epistolarum iom, IV aevi Karolini t. II ed. £. Dummler;

8. von dem Neuen Archiv der Gesellschaft Band XX, heransg. von Bresslau. Unter der Presse befinden sich ein

Folioband, 6 Quartbände.

In der Sammlung der Äuctores anfi- quissimi sind nach Gildas und Nennios demnächst die Chroniken Beda's, die mehr litterarischen als wirklichen Quellenweit besitzen, als Fortsetzung des 3. Chroniken- bandes zu erwarten. Ausführliche Register für diese 3 Bände, welche vermutlich als die letzten dieser Abteilung zu betrachten sind, werden nachfolgen.

In der Reihe der Scriptores hat im October der Druck des 3. Bandes der SS. rerum Merovingicarum begonnen und ist so eifrig gefördert worden, dass wir Oberes Jahr seine Vollendung gewärtigen dürfen. Er enthält bis jetzt wesentlich noch vor- merowingische Heiligenleben, deren ge- schichtlicher Unwert von dem Heraasgeber Dr. Krusch in den Einleitungen klar dar- gelegt wird.

Der dritte abschliessende Band der Schriften zum Investiturstreit ist insoweit vorbereitet, dass der Druck in diesen Ta- gen beginnen kann. Der 30. (und letzte) Folioband, welcher wegen der sehr schwie- rigen, auch die spätere Thüringer Ge- schichtschreibun^ umfassenden, Vorunter- suchungen über die darin aufzunehmenden Erfurter und R^mhardsbninner Chroniken längere Zeit hat ruhen müssen, wird gegen- wärtig weiter gedruckt, um vielleicht sei- nes grosseren Umfanges wegen in 2 Half-

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ten ausgegeben zn werden. Jedenfalls wird daneben im nächsten Winter der Druck des 31. Bandes mit den von Hol- der-Egger und zum Teil von Simons- feld bearbeiteten italienischen Chroniken des 13. Jahrhunderts anfangen, fär welche eine Reise des Herausgebers nach Wien im Februar und März einige Ergänzungen des Materials lieferte.

Von den Handausgaben werden die Annales Ehihardi und Laurissenses maior. von Hrn. Dr. Kurze im Mai unter die Presse kommen uud voraussichtlich noch in diesem Jahre erscheinen Eine Ausgabe der Erfurter Gc Schichtsquellen des 12.— 14. Jahrhunderts beabsichtigt Hr. Hol d er- Egge r sodann folgen zu lassen. Durch einzelne Nachweisungen machten sich die RH. Dr. Simousfeld in München und Prof. Wenck in Marburg um diese Ab- teilung verdient.

In dem 1. Bande der Deutschen Chro- nikeu hat der Druck des von Herrn Dr. Kraus in Wien bearbeiteten Bruchstückes der Silvesterlegende begounen. An dem weiter zur Ergänzung der Kaiserchronik bestimmten Annoliede arbeitet Hr. Prof. Rödiger. Der Druck von EnikeTs Fürstenbuch, für welches wir der GefUllig- keit des Hrn. Dr. Priebsch eine Ver- gleichung der Gheltenhamer Handschrift verdanken, soll im Mai wieder aufgenom- men werden. Für den 6., den österreichi- schen und bayerischen Chroniken gewid- meten, Band hat Hr. Prof. Seemüller in Innsbruck im vergangenen Sommer auf der Münchener, Wiener, Klosterneuburger und anderen benachbarten Bibliotheken Handschriften benutzt und ist sodann in den Osterferien zu demselben Zweck nach London gereist, wo sich u. a. für die Chronik Hagen 's eine Handschrift mit eigentümlichen Zusätzen gefunden hat. Diese Vorstudien werden auch weiterhin noch fortgesetzt und durch eine weitere Reise nach Linz, Zwettl, Schlierbach und Klosterneuburg vervollständigt werden müssen. Die Arbeiten an der Sammlung der politischen Sprüche und Lieder in deutscher Sprache nehmen unter Leitung des Hrn. Prof. Röthe in Göttingen ihren Fortgang.

In der Abteilung Leges ist der 2. Band der CapittUaria regmn Francorum samt den Anhängen fertig gedruckt, das umfang- reiche Register für beide Bände und die Einleitung sollen demnächst der Presse übergeben werden. Der Herausgeber, Ur. Dr. Krause, ist zur Zeit damit beschäf- tigt, die Handschriften des Bcnedictus Le- vita in Rom für den 3. Band zu vergleichen. Für die grosse Ausgabe der Leges Visi- goüiarum hat Hr. Prof. Zeumer im März die schon länger geplante Reise nach Paris ausgeführt, für die abermalige Bearbeitung der einst von Merkel herausgegebenen Lex Baitcariarum steht die Gewinnung einer neuen Kraft in Aussicht.

Der Druck des 2. Bandes der Con- stitutiones imperatorum war bis zu 51. Bo- gen fortgeschritten, als er durch den Tod des Professors Weiland jähliogs unter- brochen wurde. Da derselbe das Manu- skript jedoch zum grössteu Teile druck- fertig hinterlassen hatte, so kann trotz dieses schmerzlichen Verlustes die Vollen- dung fortschreiten, indem sein Mitarbeiter Dr. Schwalm bei der Drucklegung durch Hrn. Prof. Scheffer - Boichorst und Hrn. Dr. Seh aus unterstützt wird. Für den 3. Band bis auf Heinrich VII. (1313) und zum Teil auch für den 3., die dem Dr. Schwalm bereits früher übertragen worden, hat dieser auf zwei Reisen, einer nach den Niederlanden und Nordfrank- reich, der anderen nach Italien, ein reiches Material gesammelt, so dass nur eine kleinere Nachlese übrig bleiben wird.

Die Urkundeu Kaiser Heinrich's II (und des Königs Arduin), welche den Abschluss des sächsischen Kaiserhauses bilden sollen, sind durch Hm. Prof. Bresslau und sei- neu Mitarbeiter Dr. Bloch, dem sich seit kurzem Dr. Martin Meyer als wei- terer Ilülfsarbeiter zugesellt hat, so weit gefördert worden, dass der Druck, eine Zeit lang durch Mangel entsprechender Typen gehemmt, nunmehr begonnen hat und ununterbrochen fortlaufen kann. Einige italienische, französische und mitteldeutsche Archive lieferten dafür noch wertvolle Nachträge. Einzelne inhaltlich mit den Kaiserurkunden eng zusammenhängende Privaturkunden werden gelegentlich einge-

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reiht werden. B'ür kritische Erörterungen bot das Neue Archiv eine Stätte.

Für die Karolingerurkunden unternahm Ur. Prof. Mühlbacher im September eine Reise nach der Schweiz und dem Rhein, um mehrere nicht versandte Stücke an Ort und Stelle nachzuprüfen. Sein Mit- arbeiter Dr. Dopsch hielt sich vom De- zember 1893 bis Oktober 1894 in Paris auf, wo er besonders die grossen Cartulare der ehemaligen geistlichen Stiftuageu plau- mässig durchzunehmen hatte. Die Archive der Departements, für welche die Zeit nicht mehr reichte, blieben einer späteren Reise vorbehalten. Zunächst hat sich in der 2. Hälfte des März Hr. Dr. Dopsch nach Italien begeben, um in einem länge- ren Aufenthalte so viel wie möglich zu er- ledigen. Einzelne Proben seiner neuen Funde werden vorläufig in den Mitteilun- gen des österreichischen Institutes in Wien veröffentlicht. Die Regesten der italieni- schen Karolinger, von Hrn. Prof. Mühl- bacher hergestellt, sollen der Ausgabe der Urkunden selbst vorangehen.

Da diese von Böhmer einst begründe- ten Regesten als eines der unentbehr- lichsten Hülfsmittel für die Biplomaia in unvermindertem Werte fortbestehen, so wurden für die staufische Fortsetzung der- selben Hrn. Dr. Schaus als Mitarbeiter des Prof. Scheffer -Boichorst Mittel zu einer Forschungsreise bewilligt.

In der Abteilung Epistolae erschien der schon im Yoijahre durch Hrn. Prof. Rodenberg in Kiel fast vollendete 3. ab- schliessende Band der päpstlichen Regesten des 13. Jahrhunderts. Hr. Dr. Hartmann in Wien beendigte den Druck des Textes des Registrum Gregorii nebst einigen An- hängen. Die Register, für welche Hr. W e n g e r in Wien die Vorarbeiten gemacht hat, und die Einleitung werden noch einige Monate erfordern. Der 4. Band der Epistolae, welcher ausser Alchvin nur noch mit einigen Ausnahmen die Briefe aus der Zeit Karls des Grossen, sowie die des Dungal und Claudius aufnehmen konnte, liegt mit den von Hrn. Dr. Hampe ange- fertigten Registern vollendet vor. Auch der ö. Band, welcher in die 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts hineinreichen wird, be-

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findet sich schon an vielen Pankten, na- mentlich durch Hrn. Dr. Hampe, in Vor- bereitung. Zur Benutziug der von aller Versendung ausgeschlossenen englischen Handschriften soll derselbe im Sommer auf mehrere Monate nach England gehen und gleichzeitig dort für andere Abteilun- gen nach Kräften arbeiten.

In der Abteilung Antiquitat^:^ steht das Register zum 2. Bande der XecrtAogia Germaniae noch immer aus. Der Druck des 3. Bandes der Foetae aeci Cnroiim ist im Januar wieder aufgenommen wor- den: mit ihm gedenkt Hr. Dr. Traube, durch andere Aufgaben in Anspruch ge- nommen, seine Thätigkeit fiir die Moit, Germ, zu beenden. Für den 4 Band, welcher mit dem Reste der karolingiscben Zeit auch einen Teil der ottonischen zu verbinden gestattet, ist Dr. vonWinter- feld als Mitarbeiter eingetreten.

Für das Neue Archiv, dessen 20. Band mit einem umfassenden Register von Hm. Dr. Meyer schliesst, wird der 21. Band insofern eine neue Reihe eröffnen, als es, von nun an 50 Bogen stark, besser denn bisher als Werkstätte unserer Arbeiten allen vielseitigen Bedürfnissen gerecht wer- den kann. Der Preis wird dementsprechend von 12 auf 15 Mark erhöht werden.

Misceilanea.

Nochmals die hattifferi. In Nr. 5. d. J.,€4. nr. 41, S. 88, kommt Herr A. Kisa anf das Wesen der hastiferi zu sprechen und behauptet, aus der zwischen Mommsen imd mir geführten Kontroverse über die hasäfeii sive pastores consistentes kastello Mattia- corum gehe mit Sicherheit hervor, dass die Vereinigung der hastiferum eine Muni- zipalgarde bildeten, welche sich aus den speertragenden, im Dienste der civitas stehenden Hirten zusammensetzte. Des Weiteren bemerkt er, „durch die Ent- deckung eines Genius hasüferum"^ sei meine Ansicht völlig unhaltbar geworden, dass sie eine sacrale „Bürgerschaft" ich hatte nur von sacralem CoUegium ge- sprochen — gebildet hätten, die den Dienst der orgiastisch verehrten Bellona pflegten. Der Herr Verfasser scheint mit dem rö-

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mischen Collegialwesen weniger vertraut zu sein, andernfalls wäre er in seinen Be- hauptoBgen weniger zuversichtlich gewesen. Um von Wunderlichkeiten wie der Annahme der Namensform hastiferes für die Kölner bastiferi ganz zu geschweigen, ist fiir den in das Collegialwesen etwas näher Einge- weihten das Argument der Entdeckung eines Genius hastiferum, welche meine Auf- fassung von den hastiferi völlig unhaltbar machen soll, geradezu .absurd. Denn alle Collegien, auch die Berufs- und Hand- werkervereinigungen, pflegten mehr oder minder ausgesprochen -— gewisse sacrale Beziehungen, und sehr häufig ist für alle Arten von GoUegien neben ande- ren Culten auch gerade die Verehrung des Genius des Collegs bezeugt. Ich verweise auf die Beispiele, die bereits in meinen „Vereinen der fabri, centonarii und dend- rophori^ p. 31 ff. zusammengestellt sind und auf die Ausführungen über den Gultus des Genius und die Sammlung für sämt- liche Gorporationen, welche J. P. W a 1 1 z i n g in seinem soeben erschienenen preisge- krönten Werke „Etüde historique sur les corporations professionnelles chez les Romains, Tome I, Louvain 1895", p. 208 ff. giebt. Unter den zahlreichen Beispielen findet sich bereits früher entdeckt auch der Genius der hastiferi von Vienna (CIL. XII, 1814), ebenso der Genius der dendrophori aus Rusicade und Patavium (CIL. Vin, 7956 und V, 2794), welche wie bekannt als sacrales Golleg den Cultus der Magna Mater als ihrer beson- deren Patronin betrieben. Das Bekannt- werden eines Genius hastiferum bildet also nicht das mindeste Hindernis, auch für die Kölner hastiferi eine religiöse causa anzu- nehmen, bezw. auch diese Kölner Corpo- ration von Hirten als Diener der Bellona aufzufassen. Wie aber gar aus dieser Kölner Votivinschrift gefolgert werden soll, dass die Casteler hastiferi, um die es sich bei der Controverse handelte und deren Verehrung der Virtus Bellona ausdrücklich bezeugt ist (Brambach 1336), keine sacrale Corporation gebildet hätten, ist völlig uner- findlich. Ja, die Notiz des Verf., dass in der Nähe des Fundorts des Steines der Kölner hastiferi ein Votivstein der Juno

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Virtutis -- soll wohl heissen Virtus gefunden worden sei ^), weist vielleicht ge- rade auf Beziehungen auch der Kölner hastiferi zu der Göttin Bellona hin, die nach dem Zeugnis des Lactantius') auch den Namen Virtus führt. Eine Juno Vir- tus ist zwar sonst nicht bekannt, allein auch die Juno Sospita und die Juno Curitis oder Quiritis ist mit der Lanze bewaflfhet, hält bezw. zielend den Wurfspiess') wie Bellona, die speerführende Patronin der hastiferi; der Kölner Votivinschrift könnte also vielleicht eine synkretistische Vorstel- lung zugrunde liegen. Doch enthalte ich mich hierüber eines definitiven Urteils, zu- mal da mir die Inschrift selbst nur durch die Erwähnung bei Kisa bekannt ist.

Was die zuerst angeführte Behauptung Kisas betrifft, wonach jetzt „mit Sicher- heit^ feststände, dass die hastiferi eine Municipalgarde bildeten, so lasse ich die auf die Casteler Inschrift bezüglichen Schlussworte Emil Hübners aus dessen . Aufsatz „Neueste Studien über den röm. Grenzwall in Deutschland^ (Bonn. Jahrb. Bd. 88, 1889, p. 44) folgen: „Die ffirten und Dorfbewohner könnten immer- hin als Lokalmiliz einen Teil der Besatzung gebildet haben, wie Mommsen annimmt. Allein auch mir scheint der sacrale Charak- ter des Collegs wegen der ßovTioXoi der orgiastischen Gülte Kleinasiens, auf welche 0. Crusius passend hingewiesen hat, mit Maud wahrscheinlicher^. Frankfurt a. M. H. C. Maud.

Zur Provinzialgetchicbte det rdmitchen 65. Germanient. Die Ansicht, dass es die Zeit des Kaisers Hadrian gewesen sei, bis zu welchen die beiden Gerroaniae keine Pro- vinzen gebildet, sondern unter den Heeres- legaten gestanden hätten, die in diesem Teile der Belgica die Befugnisse der kaiserlichen Statthalter ausübten, findet

1) Es ist mir nicht gelangen, den Wortlaut dieser Inschrift au erfahren, Jedenfalls ist sie nicht in dem Korrbl. mitgeteilt worden.

2) Inst. I, 21, 16: Virtutis, quam eandem Bel- lonam vocant. Vgl. CIL. V, 6607 aus Novaria: Virtuti Belloi&ae und Brambach 1386 aus Gastel: Virtuti Bellone. Bellona Angusta neben YiztUB Augusta in Africa h&ufiger: CIL. Vm, 6621 ; 7957 j 7958; 8456; 10628.

3) Vgl. Pauly, B.-E. IV, p. 572 f.

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sich anch^) in Marquardt's Handbuch der römischen Staatsverwaltung V 275 ausge- sprochen und ist von da aus allgemein herrschend geworden oder geblieben, wie sie denn noch ganz kürzlich von A. Schulten im Hermes (29, 482) unter Berufung auf Marquardt ohne weiteres als sicher accep- tiert worden ist. Es wird deshalb nicht uuzweckmässig sein, eine andere Ansicht, welche ich in meinen Forschungen zur Geschichte der Rheinlande in der Bömer- zeit (Lpz. 1889 S. 23) und schon vorher Asbach in der Westd. Ztschr. HI 11, 571 u. ö. ausgesprochen, aber beide noch nicht begründet haben, hier zu wiederholen und durch eine wie ich hoffe sichere Beweis- führung als die richtige zu erweisen.

Unter Augustus bestand das kaiserliche Gallien, die in drei Provinzen geteilte Gallia comata, aus 64 civitates (Tac. ann. III 44) und dazu dem Militärgebiete Ger* mania, d. h. dem Gebiete der die Germa- nen bekämpfenden und besiegenden Le- gionen, dessen Grenze im Osten vor der Teutoburger Niederlage theoretisch bis zur Elbe reichte, von 9 n. Chr. an aber pro- visorisch und seit 17 definitiv an den Rhein zurückgezogen wurde'). In diesem Ge- biete verblieben unter einer Zweiheit von Befehlshabern die acht Legionen, commune in Germanos Gallosque siibsidium (Tac. ann. IV 5), und es bestand darin keine civitas im römischen Sinne ausser etwa der civitas übiorum, die 51 eine Golonie wurde (die einst von Munatius Plauens in Raurica gestiftete Golonie, vgl. CIL. X 6087, gehörte damals der Belgica, aber nicht dem Militärbezirke an nach Pli- nius IV 106, einer auf einem Bericht aus augusteischer Zeit beruhenden Stelle). Noch Ptolemäus stellt, hierin im ganzen einer alten Quelle folgend, die Germaniae selbst coordiniert neben die civitates der

1) YgL auch Hflbner (Bonn. Jahrb. 63, 41), Hirschfdld (Gomment. philol. in honorem Th, Mommseni p. 498 ff ) nnd andere.

8) So wird sich der Name Germania für ein kleines Gebiet, das kanm snm eigeotlichen Ger- manenlande gehörte, am einfachsten erklären laeaen (Tgl. auch Mommsen B. G. Y 107 f.); die BeibehaltoBg des Namens nach 17 wurde durch den Umstand, dass Ubier, Yangionen u. s. w. selbst germanischen Stammes waren, nicht herbei- geftthrt, sondern nur erleichtert.

Treveri, Tungri, Lingones, Helretii n. a. als Teile der Belgischen Provinz*): eine Stelle, in der ich (Korrbl. der Westd Z.

XII 78) aus der Auswahl der innerhalb seiner Germaniae genannten Stämme und Städte die Begrenzung der beiden Ger- manien, unter der Voraussetzung, daas der Militärbezirk und die späteren Provinzen dieselben Gebiete mit Ausnahme des oon heerlosen helvetischen umfassten (s. u.), er- mittelt zu haben glaube. Als im An£uig der Regierung des Claudius einige dieser Legionen (II. XIV. XX) Germania ver- liessen um in Britannien zu kämpfen, er- hielt, beiläufig gesagt, die zweite Legion in Strassburg zuerst vielleicht die dritte oder die zwölfte, die eine alte aber etwas zweifelhafte Inschrift (CIL. II 3273) Ger- (manica) nennt, zum Ersatz ; diese aber als sie 58 in den Orient abzog (Tac. ann.

XIII 35, 38, XV 6), erhielt in Strassburg keine Nachfolgerin, sondern es schien ge- nügend an diesen wenig exponierten Ort Teile der vierten Legion aus Mainz zu verlegen (vgl. deren im Index von Bram- bach nicht aufgenommenen Stempel da- selbst in CIRh. 1894). An Stelle der vier- zehnten aber, die auch nach Britannien ging, kamen nach Mainz Teile der Ugio XXII Ct/renaica aus Ägypten. So heisst nämlich die seit Claudius selten 'Deio- tariana' genannte, öfter jedoch jedes Epi- thetons entbehrende Legion auf einer Inschrift aus der Zeit des Tiberius (CIL. X 4862), und denselben Namen, so scheint mir, führt sie auf den ältesten Stempeb der Rheinlande. Es sind dies die neuer- dings (1894) in Flörsheim gefundenen Stempel LXXII CV (C und V sind oben verbunden), denen sich ein ganz gleichar- tiger 1890 in Worms gefundener LXXII CV sowie ein Mainzer Stempel (bei Becker, Catal. 304, 12 als LEG XXII CV wiederge- geben) anschliessen. Auch die Stempel,

8) Vgl. Tac. hist. I 8 prociaMe etrmamiria aar- ciUktu (kUliarum einiiaUa 58 Trwtri mc Lmgamea . . eioitaU» . . Mbemi» Ufiowwm mitomtur . . Iitttr p*- gano9 eorruptior mOet. 57 principe» coUmiarum eattroruMi. 59 eiviUu LiMgonuwt, aber Baltnonam gem. lY 70 IMUomatrici eiväas. 79 Jkmffrontm eimaa*. I 67 ff. fiWtwKt gtma, aber aneh ctmtau. Ton den BataTern IV 56 angewendet ist civfco« des Zv- eammenhang nach rielmehr der Ausdruck ihrer Selbet&ndigkeit.

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welche als LEG XXII N oder IV ediert wurden, sind nach G. Wolffs wahrschein- licher Yermotung als CV aufzufassen^). Ebenso der Coblenzer Stempel LEG - XXIIC///7 und wohl der Bopparder LEG ' IIXXC ^), sowie der nicht mehr vorhandene *titalus lapideus' aus Mainz LEG * XXll * V «). Für den CIRh. 1537 f 2 ver- zeichneten Wiesbadener Stempel LEG XXII C V hat schon Wolff (V als rich- tige Lesung erkannt^). Als Erklärung dieser Abkürzung schlug schon Lersch Claudia, dann Brambach Claudia Victrix Yor, was wenigstens jedenfalls weit besser ist als Beckers (hhors Quinta, Aber dass der kaiserliche Name Claudia, wenn ein- mal der Legion verliehen, ihr bald wieder entzogen worden sein sollte, ist im höchsten Grade unwahrscheinlich, und doch führt sie ihn später niemals. Und ferner: auf allen beglaubigten Stücken ist CV in einem Zuge und ohne Zwischenpunkt CV geschrie- ben, so dass beides auch zu einem Worte gehören wird ; und dazu sind die betreffen- den Stempel in grossen Zügen geräumig und sehr sorgfältig hergestellt, so dass an ein nur irrtümliches Weglassen des tren- nenden Punktes nicht zu denken ist. Wäh- rend sich zwar auch an GVstos, GVratrix u. a. denken liesse, schlage ich als Er- gänzung vor : Legio XXII CVrenaica"). Ist dies richtig, so gehören die Stempel der Anfangszeit des Aufenthaltes der Truppe im Rheinland, d. h. den ersten Jahren des Kaisers Claudius an und erzählen uns, dass die 22. Legion nicht schon in Ägypten in zwei Legionen geteilt wurde, sondern dass anfangs lediglich Abteilungen der einheit-

4) Bei Brambftoh GIBb. 1S77 g 81: 1SS7 f 3; auch 1999 c S. Vgl, O. Wolff, NasB. Annalen 1895 S. 49 f.

5) CIBh. 707; 718.

6) Ebenda 1084.

7) Der 'Bronsestreifen' des Bonner MnBeums mit C ' YB (r= CIBh. 197ft) ist nach Hettners An- gabe in seinem BCataloge des dortigen Maeeums (Nr. 197) eine Fttlsohnng.

8) Der Ersata des griechischen T dnrch V, in früherer Zeit bekanntlich sehr hftoflg, ist auch der Zeit des Angastas nicht fremd (CIL. XII 8936 Nutmphis n. ö. und in offlcieller Urknnde YI 701 nnd 708 Aegufto) und ist hier bei einer eben ans dem griechischen Orient kommenden Truppe wohl ans dem Streben sich im Abendlande sa latini- sieren an erkl&ren.

160

liehen ägyptischen Legion an den Bhein kamen. Allerdings kann es dott nicht lange gedauert haben, so wurde aus diesen Abteilungen eine selbständige neue Legion formiert und ebenso wie die XV., die gleichzeitig als Ersatz der XX. nach Ger- manien kam, als primigenia bezeichnet. Unsere Stempel gehören somit zu den allerältesten des Rheinlandes*), ja es ist vielleicht nicht unmöglich, dass sie ein Zeugnis dafür ablegen, dass gerade durch diese Legion die Anwendung der Legions- stempel aus Ägypten an den Rhein ver- pflanzt worden sei. Über diesen Punkt sind weitere Nachforschungen sehr wün- schenswert. Ob der 'veteranus ex leg, XXII VT' auf einer verlorenen Inschrift bei Br. 270 auf falscher Lesart beruht, die vielmehr auf XXII GVR hinweist, lässt sich natürlich nicht mehr entscheiden.

Doch dies beiläufig. Der Militärbezirk Germania stand, wie gesagt, unter zwei kaiserlichen Legaten, deren jeder mehrere Legionen befehligte. Doch nicht so, als sei er auf seine Hälfte eingeschränkt, oder als sei er in ihr völlig unabhängig gewesen. Folgende Momente, die für diese meine Ansicht sprechen, sind meines Wissens noch nicht gehörig beachtet worden. Im J. 21 forderte jeder der beiden Legaten für sich das Commando der gegen die galli- schen Rebellen geschickten rheinischen Le- gionen ^®). Und was wichtiger ist : als im J. 28 L. Apronius, der Legat der nieder- rheinischen Legionen, von dem Abfall der Friesen vernahm, ^vexiUa legionum e su- periore promneia , , acciüit, ac simül utrunique exercitum . . Frisiis intiüit^^^). Als dann im J. 58 Germanen das nieder- rheinische Gebiet bedrohten, schrieb der dortige Legat Avitus 'ad Curtüium Manciam superiori^ exercitus kgatum, ut Bhenum transgressus arma a tergo ostenderef, und 'ipse legiones in agrum Tencterum in- duxit'^^). War einst unter dem obersten Befehl des Germanicus C. Silius, der 14 bis 21 das obere Heer befehligte, doch

9) Tgl. G. WoUr, Die rOm. Ziegeleien Ton Nied 8. 339.

10) Vgl. des Vf. Bheinisches Germanien in d. antiken Litt. IV 76. Vgl. auch IV 73.

11) Ebenda IV 80.

12) Ebenda IV 189.

161

152

im J. 16 auch am Niederrhein beschäftigt worden ^*), so konnte also jetzt im Falle der Zweckmässigkeit oder der Not jeder der zwei Legaten selbst seinem Kollegen die nötigen Auifträge erteilen, und dieser war verpflichtet, ihm zum Schutze der Grenze willfährig beizustehen. Denn dieser Grenzschutz, die cura ripae, war eben die Aufgabe der rheinischen Legionen, und treffend drückt sich Tacitus nach der Schild- erhebung des Vitellius durch die nieder- rheinischen Legionen dahin aus, dass ^cura ripae Hordeonio Flacco permissa, d. h. dass dieser das Commando der Reste nicht nur seiner ober-, sondern auch der nieder- rheinischen ") Legionen erhielt. Und 'Inter- fecto Hordeonio . . Tutor ripae Rheni a Viteüio praefectus'^^^), eine Stelle, die man bis jetzt noch nicht dahin richtig auffasst, dass Tutor der kaiserliche Legat des ganzen rheinischen Heeres, soweit es überhaupt am Rhein zurückgeblieben war, wurde und somit der Liste der Heeres- legaten einzureihen ist. Es war also keine absolute Trennung der beiden Heeresteile vorhanden.

Fragen wir nun, wann die völlige Tren- nung eintrat, so sind wir in der glücklichen Lage eine officielle Formel zur Antwort verwerten zu können, die meines Wissens bisher von keinem Forscher, der diese Frage streifte, in diesem Sinne verwertet wurde. Nirgends, soviel ich weiss, wurde noch auf einen Unterschied hingewiesen, der die früheren und die späteren ober- germanischen Militärdiplome von einander trennt ^^i>). Wir besitzen deren bekanntlich jetzt f&nf, welche den Jahren 74, 82, 90, 116, 134^*) angehören. In den beiden ersten wird einigen Alen und Gohorten,

18) Ebenda IV 4. 4S. 74 f.

14) Rh. G. V 41.

14a) Ebenda Y, 79, vgl. noch besonders V 88 und 98.

14b) Kachträglich sehe ich, dass E. Bitterling Wd. Zs. XII, 119 A. bereits den Unterschied der Diplome von 82 und 90 kurs erwähnt und die 'Möglichkeit' einer solchen'Erklämng 'nicht rund- weg abgeleugnet' hat, ohne Jedoch darauf n&her einzugehen.

16) Clli. in SuppL p. 1960 ff. Die drei ersten sind am bequemsten sugAnglich bei Dessau Inscr. latinae selectae I 1998, 1996, 1996, das vierte bei Brambach CIBh. 1618, das letate im Limesbl. 8. 69.

'quae appeüantur (folgen die Namen) et sunt in Germania sub' (folgt der Name des Befehlshabers der obei^ermaiiiscben Truppen) das Büi^rrecht und C4»abiiun verliehen, dagegen in denen von 90, 116 und 134 heisst es 'et sunt m Germania superiore sub . .' Diesen Unterschied in einer streng officiell formulierten Ur- kunde für Zufall oder Nachlässigkeit zu erklären oder auch fiir die älteren Diplome zu statuieren 'potuit determinatio omitti, cum legati nomen sufficeret* ^'») (warum nur in den älteren?), wäre unznläKig; dazu kommt, dass der für das J. 90 ge- nannte Legat, der bekannte Jurist Javole- nus Priscus, auch in einer Inschrift (CIL III 2864) ausdrücklich legatus eonsularis proüinciae Germaniae superioris heisst, eine Inschrift, in der man zwar dem streD- gen Wortlaut seine Bedeutung abstreiteo wollte, die dieselbe aber durch diese Be- ziehung zu dem betr. Militärdiplom sicher- lich behauptet, zumal da sie zuerst die später übliche Bezeichnung so genau und ausdrücklich bietet Wie nun ? Wenn noch 82 nur Germania, 90 aber Germania supe- rior bestand, deutet dies etwa lediglich auf die Teilung einer Provinz hin, so etwa, wie wenn wir noch im Diplom von 82 nur Moesia (CIL. III p. 1960), in dem von 99 aber Moesia inferior (ib. III p. 863) lesen, die Teüung Moesiens in zwei Provinzen ge- meint ist ? Dann hätte eben Germania vor- her eine Provinz sein müssen; und dass es dies nicht war, ist doch seit Fechter*s und Mommsen's Untersuchungen sicherge- stellt. Der Unterschied zwischen beiden Zeiten muss ein anderer sein. Welcher es war, dafür möge folgender Überblick über die inschriftlichen Zeugnisse sprechen. Zu- nächst über die dem J. 90 vorausliegenden. Unter Claudius oder Gaius war TL Plautius Silvanus 'kgatfusj legfumisj V in Germania (CIL. XIV 3608) undM. Helvios Geminus 'tribfunusj müüfumj legfwnif) XVI Germaniae (ib. in 6074). Seit dem J. 50 war Sex. Sammius Severus 'cfenturio) legfionisj primfaej GermanicfaeJ' (ib. Xtt 2234). Hier ist Germanieae nichts anden als bei den vorherigen Inschriften m Ger- mania oder Germaniae \ es bedeutet ledig-,

15a) CIL. m SuppL p. 1961.

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lieh „in Germanien befindlich '^^ ist aber kein der Legion yerliehener Titel. Denn, am dies hier nebenher zu bemerken, wenn man jetzt oft von 'legio I Germanica spricht, 8o beruht dies einzig auf obiger Inschrift, der aber viele mit der einfachen Benen- nung 'legio T entgegenstehen : man wende also zur Unterscheidung von anderen ersten Legionen etwa den Ausdruck an „die alte legio I**, nicht aber „legio I Germanica**. Ganz in demselben Sinn wird die fünfte und die sechzehnte Legion Gallica ^') ge- nannt, d. h. „in Gallien befindlich**. Später noch kommt die XXII primigenia Ger- manica und XXX Ulpia victrix Germanica vor (ib. XIV 4178i>); vielleicht (s. oben) auch XII GermCanicaJ. Endlich finden wir im selben Sinne in einer Mainzer Grab- schrift die singulare Bezeichnung legio II Pannanica^''): es ist damit die in Pan- nonien gamisonierende legio II Adiutrix gemeint. Ob auch jene Cyrenaica ursprüng- lich einmal in Gyrene stand, ist nicht be- kannt, jedenfalls hat ihr Name später nicht diese Bedeutung.

Um nun zur Aufzählung der Inschriften von vor 90 zurückzjikehren, so erwähne ich zunächst die auch wohl noch früher Zeit angehörige des M. Stlaccius Coranus, eines ^praeffectusj cohfortisj V Bracar, Augustanorum in Germania* (ib. VI 3539) ; sodann heisst es aus der Zeit vor 70 (denn die betr. Legionen bestanden nicht länger), wahrscheinlich aber von viel früher, von L. Aelius und seinem Bruder F. Aelius 'militavit Jegione XVI in Germania (ib.

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VI 3560). So war auch C. Vibius Publi- lianus Hribuntis militum [bijs, legCionisJ IUI Macedonicae et legionfisj XXI Ra- pacis in Germania; aus demselben Grunde, da die vierte Legion nicht länger bestand, vor 70 (ib. XIV 3548). Und endlich der bekannte C. Dillins Vocula war, und zwar, wie wir aus Tacitus wissen, im Jahre 69 ^legfattMj in Germania legfianisj XXII primigeniae (ib. VI 1402). Wie wir sehen, heisst der Bezirk selbst damals überall lediglich Germania, Ausserdem finden wir in L. Duvius Avitus im J. 58 einen legCa- ius) pro prfaetorej exercitfusj Germ, in- ferCiorisJ (CIL. XII 1354) Wollte man hier Germaniae inferioris ergänzen, wie daselbst im Index p. 921 geschieht, so würde man nach Form und Inhalt mit allen angeführten Inschriften in Wider- spruch stehen. Vielmehr muss gelesen wer- den exercitus Germanici inferi4)rt8, wie die Inschrift von Larioz aus Vespasians Zeit (CIL. Xn 113) ergiebt, nach welcher Cn. Pinarius Clemens als 'leg(aiu8j eins pro prfaetorej exercitus Germanici sup- erioris* 74 die Grenzen der Viennenser festlegte. Auch die so häufigen Stempel mit EX GER INF werden demnach nicht, wie Brambach thut, mit Exercitus Ger- maniae inferioris, sondern wenigstens soweit sie der Zeit vor 90 angehören mit Sicherheit mit Exercitus Germanicus inferior aufzulösen sein. Und ebensowenig steht Germania superior auf einer anderen Inschrift desselben Legaten, welche (CIL. XI 5271) bei Dessau 997 so ergänzt ist:

Cn. Pinarius L. f. Pap. Coilneiius Clemens

legat. pro pr. exercitus qu[t est in Germania sup., cur, aedium

sacrarum locorumq. publ[icorum

triumphalibus omament[i8 ob res

in Germa[m'a prospere gestas

Hier ist das ergänzte Wort sup. zu streichen und darf nur gelesen werden exercitus qui est in Germania, wie es in dem Militär- diplom von 74 von demselben Legaten heisst: *et sunt in Germania sub Cn. Pinario Comelio demente'. Er war ja

16) Die fOnfte CIL. ni 293, 294 ; die tecb- sehnte VI 2785, X 1711.

17) Bonn. Jahrb. 78, 139

zunächst för die Truppen des oberen Ge- bietes da, den exercittis Germanicus superior, den auch die stadtrömische Inschrift CIL. VI 3556 mit den Worten 'centuriones de exerdtu Germanico superiore nennt; aber den Oberbefehl teilte er (s. oben) mit seinem niederrheinischen CoUegen; sie beide standen 'tn Germania*. Tacitus, der durch seine ungenaue, anachronistische Anwendung der Ausdrücke (prfmneiaj

156

Germania mperior und inferior *') diese Untersuchung in früheren Zeiten so sehr verwirrt hat, wendet doch einmal eine ausserordentlich zutreffende Bezeichnung an; er sagt nftmlich zum J. 58: In Ger- mania . . Paulinwt Pompeius et L, Vetwt ea tempestate exercitui praeerant ^% Also ein Land und im Notfall ein Heer, aber zwei Fahrer und in gewöhnlichen Zeiten zwei Einzelheere '^). Bald nach 81 war ein M. Yalerius Propinquus 'praeffectusj cohorßisj secund(ae) ÄsturfumJ in Ger- mfania'J (CIL. II 4251) und wahrschein- lich kurz vor 88 ein P. Licinius 'praefec- tu8 cohortis VII Raetorum equitatae in Germania" (CIL. II 3237). Ausserdem finden wir (ib. II 3271) bald nach dem Tode des Divus Titus einen *praefectus fisci Germaniae*. Dann aber erscheint zum erstenmaledie andere Bezeichnung : im J. 90 war, wie erwähnt, Javolenus Priscus bereits legaius conmlariü provindat Germaniae mperioris.

Von da an herrscht nun die Bezeich- nung Germania superior und inferior vor. Zunächst in den Diplomen von 90, 116, 134. Unter Tri^an finden wir in L. Flavius Gaetitlicus einen p9taef(ectus) coh(ortis) II equitat(ae) HispCanorumJ Germ(aniae) su- pferiorisj (CIL. III 607) und in den letzten Jahren seiner Regierung (die Inschrift nennt ihn noch nicht Divus) einen leg(aiu8) leg(ionis) I Mftnerviae) pCiae) ffidelisj in GermfaniaJ infer(iare) (CIL. III Suppl. 6819). Von Hadrian an wird die Zahl der betr. Inschriften sehr gross, eine nähere Angabe der einzelnen ist hier aber un- nötig'^). Dass sich daneben vereinzelt auch später die blosse Angabe Germania findet, kommt gegenüber der überwältigen- den Mehrzahl der Zeugnisse nicht weiter

18) Rh. Oerm. IV 81. 116. ISS. Doch wendet er Mich die richtigen AnsdrQcke RMTcüHi mperior und in/krior an: IV 4. 13. 14. 189 n. 0.

19) Bh. Germ. IV 186.

90) TacitTiB und andere Autoren reden deshalb bald yon einem germanischen Heere (Rh. Qerm. IV 1, 3, 28, 69, 136 u. 0.), bald von Bweien (ebd. 4, 11, 13, 14, 114, 138, 139 u 0.).

21) Vgl. B. B. für Hadrians Zeit CIL. V 877, Vin 6706, in 8738; fUr spftter IH 4459, 67&8, 4279; VI 3890, 8514, 1685a; VII 868, 412, 481, 693; Vm 9060, 9881, 9798; XI 709; XU 8181; XIV 8610 (wiohiig) und viele andere.

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in Betracht. Denn es gehören dahin zu- nächst aus der weiten Feme Griechenlands und Kleinasiens, welche die üngenanigkeit entschuldigt, vmerixdg rijg rV^fiarurg M. Appius (Atilius) Bradua in Kiedergerma- nien (Korrbl. XI 109, Westd. Ztscbr. XIII 36) und Calpnmius Proclns, rjyffinp Upthoi « *A^fivug h Ffiffiavia um 160 (Clgraec. III 4011), denen übrigens wiedemm fol- gende genauere Angabe gegenQberstefat: Ti. Severus nQBcßtvTtis avTon^äropog *Ap tetvslvav Evotßovg F^fiaviaq xriq «ani, Germaniae inferioris, um 143 (Clgraec. UI 4033). Dass ferner Jemand mit der sechsten Legion einfach 'er Germania in Briianniam iransiV (CIL. VI 1549), nicht ex Germania inferiore, dass in Versen nur Germama steht (Vni Suppl. 12128), dass expeditiooes nur Germaniae (ClRh. 1800) oder Ger- mnnicae heissen, endlich auch dass (im Gegensatz zu dem auf den Stempeln oft genannten exercitus Germanicus inferior. die Rheinflotte ihren Gesamtnamen claam Germanica p, /*. allezeit beibehielt: dies alles ist nicht als widerlegende Ausnahme anzusehen. Eine einzige wirkliche Aos- nahme, deren Ungenauigkeit kaum durch den Gegensatz zu dem vorhergehenden *praefecio . . in Africa zu entschuldigen ist, bietet CIL. VI 3538 Tito Staberio Secundo . . 'tribuno militum leg, VII ge- minae felicis in Germania'. Denn diese Legion muss wohl einmal, und zwar erst im zweiten Jahrb., ganz oder teilweise aas ihrer spanischen Garnison fiir kurze Zeit nach Obergermanien gekommen sein, viel- leicht zur Verstärkung für von dort in einen Krieg abcommandierte Vexillationen: vgl. CIL. X 5829 . . . a divo Traiano . . praepositus vexiUationibus milliaris trihus expeditione Brittannica leg. VII gemin. VIII Aug. XXII primig: ^%

Vor dem J. 90 gab es also, dies ist das fest zu formulierende Resultat unserer Übersicht, nur eine Germania^ in der ein exercitus Germanicus als superior und ih- ferior unter zwei zu gegenseitiger Hülfe verbundenen Heereslegaten standen, da- gegen gab es keine Germania superior und keine Germania inferior. Auch ist

88) Vgl. noch GIBh. 896. 1077 und Bitttrltog Wettd. Z. Xn 840; dereelbe ebehdA XII 117.

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jene Orermania keine Provinz, sondern der Heeresbezirk der gallischen Pro\inzen. Sie steht unter militärischer Botmässigkeit ; nur die colonia Agrippinensium ist davon soweit ausgenommen, dass seit ihrer Grün- dung die zwei dortigen Legionen nach Bonna und Novaesium verlegt wurden, ohne dass doch die militärische Besetzung später aufgehört hätte (Korrbl. XIV S. 88 f.). Über die colonia Raurica s. oben. Die übrigen Bewohner aber waren lediglich stipendiarii (gentes sagt Plinius IV 106), unterworfene Peregrinen. Dies änderte sich seit der Errichtung der Provinzen. Trajan gründete wenigstens zwei cimtates Ulpiae daselbst, die eine deren Hauptort Lopodunum wurde"), die spätere 'ciritas Llpia S N **) ; die andere die civitas Ulpia Traiana (später im Itinerarium Antonini und auf der Peutinger*schen Tafel colonia Traiana genannt) bei dem alten Vetera. Ein Veteran der 22. Legion aus deren nie- derrheinischer Zeit (70 bis in Trajans Zeit) denn er blieb in Vetera heisst nun schon c i V i s Traianenm. Mehrere Baetasii, die seit 104 unter den equites singulares in Rom dienten und daselbst einen Grad des Bürgerrechts erhielten, wurden gleich- falls als Veteranen Traianenaes, Diesen Traianenses Baetafiii*^) entspricht aus dem- selben Beitercorps ein cives Trihocus Clfaudia) Ära, der aus der civitas der Triboci im Elsass stammte und bei seiner Entlassung 128 sogar Bürger der kölni-

23) Urbe» trams JU«Miai in Germania reparavit lautet der angeschickt ansgedrttckte Bericht des Entropias (Rhein. Herrn. YIl 6).

94) Znletst erörtert Zangemeister, N. Heidelb. Jahrb. HI S. 8. BeiUuflg bemerke ich, dass in Speier ein Meilenstein ans dem J. 859 die Stadt als [C]OIj(onia) N(emetam) beaeichnet, wfthrend anf den Tier sp&teren G NEM oder C K steht. Da nnn auf den rheinischen Meilensteinen colonia stets, um es von dem geringeren civitas sn unterscheiden, mindestens mit COL ansgeschrie- ben wird, wie die Kölner und Trierer Meilen- steine beweisen, so schliesse ich, dass die civitas yemetum, der schon 304 als Bfirger ein Legions- centurio mit tria nomina und Tribusangabe angehörte (s. bei Dessau 458), swar den Rang einer colonia in der Zeit des rheinischen Kaisers Postnmus im J. 259 hatte, ihn aber bei der Neu- ordnung des Reiches, also wohl durch Aurelian, Terlor-, und dass deshalb die Meilensteine Ton 281—817 nur C{ivUas\ nicht GOL((mM) bieten.

8&) Bonn. Jahrb. 88, 106.

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sehen colonia CL Ära wurde *'). Wenigstens angeführt sei noch das Cognomen eineiB eques singularis Vangio^^). So wurden bürgerliche Gemeinden, wohl latinischen Rechtes, in den Militärbezirken geschaffen. Denn dass cives hier nicht nur wie domo die Heimat, sondern eine Rechtsstellung bezeichnet, macht schon das Fehlen von cive8 Batavi u. s. w. in der älteren Zeit wahrscheinlich, womit auch die Taciteischen Bezeichnungen (s. oben Sp. 148 Anm. 3) bestens stimmen.

Die Umwandlung des einen Heeresbe- zirkes Germania in die zwei Provinzen mag vielleicht, wie Asbach und ich früher a. a. 0. bemerkten, mit der Erweiterung des Reiches in Folge des grossen Chatten- kriegs im Jahre 83 84 zusammenhängen. Doch ist auch möglich, dass sie Erwägun- gen entstammt, zu denen der Aufstand des obergermanischen Heereslegaten L. Anto- nius Saturninus 88 geführt hatte. Bis jetzt waren, wie oben ausgeführt, die beiden Legaten und Heere nicht ohne Verbindung mit einander gewesen, und ausserdem ge- hörte ihr Bezirk zu der Oesamtprovinz der tres Galliae, speziell zu Belgica, und konnte dort eingreifen zu Gunsten der dortigen Römischen Gewalt, wie im J. 21 an der Loire, bei den Sequanem und Aeduern'^), oder wohl auch so, dass er den Statthaltern daselbst unangenehm wurde, wie es ö8 n. Chr. L. Antistius Yetus beabsichtigte *'). Diese Möglich- keit sollte vielleicht nach den Erfahrun- gen des Jahres 88 aufhören. Tiberius hatte im J. 17 das Prinzip befolgt, die Gewalten sich gegenseitig in Schranken halten zu lassen; Domitian suchte sie von nun an eher durch Vereinzelung zu schwächen, indem er eine Rivalität zweier getrennte)^ Provinzen schuf. Ebenso wie er mit Rücksicht auf Mainz 'gemi- nari legionum castra prohibuif*% wollte

86) Bonn. Jahrb. 88, 110. Br wird wohl 108 eingetreten sein. Ein anderer, ans unbestimm- ter Zeit, war cives Nemcnsis, beseugt also fttrs 8. oder 8. Jahrhundert die civitas der Nemeter. Bonn. Jahrb. 83, 111.

27) Bonn. Jahrb. 88, 110.

88) Rh. Qerm. lY 78 ff.

89) Ebenda lY 186. 80) Bh. Oerm. YI 40.

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er in dieseiii Falle zwischen den Heeren jede Verbindung abbrechen. Doch welche von beiden Ursachen auch die richtige sein mag (hoffentlich giebt noch einmal ein Militärdiplom aus den Zwischenjahren die sichere Entscheidung) : jedenfalls rich- tete Domitian zwischen 82 und 90 die beiden Provinzen ein, die dem Lande und seiner Gultur bald zum Segen werden sollten. Damals wurde Mainz von der I. und XIV. und das Legionslager bei Res- selstadt am Main'*) -— so denke ich von der XXI. Legion, die es erst wenige Jahre vorher '*) errichtet haben wird, fried- lich geräumt, und nur die XIII. kam nach Mainz "), aber auch sie nur für kurze Zeit, um bald an die Donau abzuziehen und der XXII. Legion, die von an in Mainz blieb, Platz zu machen, da diese Yetera ihrerseits der von Trajan geschaffenen Legio XXX ülpia zu übergeben hatte. Die Begrenzung der zwei Provinzen end- lich habe ich wie oben gesagt Korrbl. XII 78 aus Ptolemäus dahin zu bestimmen ge- sucht, dass wie der Germania inferior die Bataver und die Gebiete von Yetera, Köln, Bonn und die ihrer Legionen, so der Ger- mania superior ausser Mainz die Gebiete der Yangionen, Nemeter, Triboker und Rauriker'*) und die ihrer Legionen zuge-

81) VgL G. Wolff, Das röm. Lager su Kessel- Stadt (Hanau 1890). Wolff vergleicht 8. 58 f. dessen Grosse (875 m im Quadrat) mit der des Bonner oattmm and ist jetzt, nach mündlicher Mitteilung, geneigt auch das Kesselstadter Lager fttr ein Le- gionslager SU halten. Etwas anders wttrde sich die Verteilung gestolten, wenn Bitterling Westd. Ztachr. XH 117 Becht h&tte, indem er di« I Adin- trix damals fttr kurse Zeit wiederkehren Usst, was wir aher trota CIBh. 1663 und der von ihm angesogenen Stempel bes weif ein müssen. B. glaubt, dass in Mains damals die XIY. und XXI. Legion lagen: ich kann dies ron der XXI. nicht glauben, sie dort so wenige Stempel surQckgelassen hat. Anderseits ist sie in Friedberg (Hammeran, Ur- gesch. V. Frankf. S. 52) und Langenhain (Limesbl. 8. 88) und sahireich in Okarben durch Stempel yertreten, was auf ihre Verwendung an der älteren Ostgrense vom Mainknie bei Kesselstadt bis eum Ostende des Taunus schliessen Iftsst.

82) Vgl. G. Wolff a. a. O. S. 841.

88) Vgl. die Mainser Stempel LEG JCHI G oder LEG XIH G P F (letstere natürlich nicht vor 88) bei Brambach 1877d, durch welche die An- sicht, die Legion habe auch nach 7'> stets an der der Donau gestanden, modiflsiert wird.

84) Nur in letsterem Namen ist ein Unter-

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hörten. Hatte ich dort aus der ajntliehen Thätigkeit eines Soldaten der 22. Legion in Salodurum im Helvetierlande die Mos:- lichkeit noch offen gelassen, dass auch die Helvetier einen Teil von Genn. snp. bil- deten, so muss ich dies wenigstens für die Zeit, seit Helvetien keine Legion mehr hatte (seit Trajan), jetzt zurücknehmen. Denn wir finden aktive Soldaten zu civüen Dienstleistungen in ganz anderen Provinzen mehrfach verwendet; ist doch ein aktiver Soldat der XXX. Legion excurtus procnjratff ris provinciae Lugudunefisis (Dessau 2389), einer der XXII. a curis in Genf (CIL. XII 5878), ein anderer adiutor ebenda (CIL. XII 2604: Sielleicht officü comiculano- rum'), ein dritter war unter Severus Alexander in St. Maurice, also im Gebiet der Alpes Poeninae, da er dem Genios stationis dort eine Votivinschrift setzt, bei dem Grenzzoll verwendet (CIL. XII 144 1; und so kann auch jener Soldat in Salo- durum ausserhalb seiner Provinz neh- men wir an: auf Ersuchen des Statt- halters der Belgica, der das Amt von einem tüchtigen Soldaten versehen wissen wollte beschäftigt worden sein, und Helvetien gehörte der Germania superior nicht an.

Möge man also, wenn man die Zeiten bis vor 90 n. Chr. behandelt, in Zukunft nicht mehr von Germania superior und inferior, sondern nur von dem Heeres- bezirk Germania sprechen, dessen erer- citus Germanicus von zwei Ijegaten als exercitU8 Germanicus superior und inferior befehligt wurde. Frankfurt a. M. A. Riese.

schied swischen Ptolem&ns and Plinios IT lOS, dm der letstere die B«iiriker nicht antar den Gtr- wumiOfe gatte» aafslLhit. Am natarliehsten werden wir annehmen, data dieselben mit ihrer Colonie bei Gmndnnff der Provins Ober^rmanien der Belgica entnommen nnd jener nenen ProTins ein* verleibt wurden.

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Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst,

ngleieh Organ der historisch-antiqiiariseheii Vereine cn Birkenfeld, Dfisseldorf, Frank- furt a. IL, Karlsrnke, Mainz, Mannheim, Metz, Nen88, Prftni, Speyer, Strassbnrg, Trier, Wormg, sowie des anthropolo^selien Vereins zn Stuttgart

Anglist

Jahrgang XIV, Nr. 8.

1895.

Das KorrMpondensbUtt ersohsint in «iner Anflftge Ton 4O0O Bzemplaren. Interate 4 86 Pfg. für die

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Neue Funde.

66. Aus der Pfalz, 5. Juni. Im Auftrage des Kreismuseums besuchte Prof. Dr. Mehlis am Samstag 25. und Sonntag 26. Mai die „Heidenburg" bei Kreimbach, sowie eine rumische Fundst&tte bei Rothselberg, west- lich der „Heidenburg''. Geradezu über- raschend ist die Anzahl der hier neuer- dings zutage gekommenen Fundstücke aus der Rumerzeit, und zwar aus dem 2. bis 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Trotz ungünstiger Witterung glückte es ge- nanntem Forscher an zwanzig römische Denkmäler, meist Fragmente, festzustellen und aufzunehmen. Darunter befinden sich mehrfach Inschriftsteine, über welche ge- nauerer Bericht folgen wird. Von den Reliefs ist besonders der Rumpf eines Eros oder einer Viktoria von 34 cm Höhe erwähnens- werth, Architekturstücke, worunter ein mit Balkenanf&ngem geziertes Eckgesims von besonderer Formvollendung Erwähnung verdient, scheinen allen Indicien nach zu Grabdenkmälern zu gehören. Ein Relief- fragment stellt den rechten Arm eines Mannes dar, der einen Geldbeutel fest- hält. Ferner sind drei Steinkisten be- merkenswert. — Von diesen Fundstücken wurden drei der besterhaltenen für den Transport nach Speier bestimmt; die an- deren sollen das Material für ein zweites, am Marienbrunnen zu errichtendes La- pidarium bildet. Nachgrabungen an

der Südseite der Umwallung ergaben er- neute Funde an Kleinsachen der römisclien Kaiserzeit Ausser ca. 25 Bronzemünzen des 3. und 4. Jahrhunderts verdienen folgende Gegenstände Erwähnung: Eiserner Klingelgriff, eiserne Lanzenspitze, mehrere kunstreiche Beschläge für Etageren aus Eisen; aus Bronze: Beschläge, Armreif mit Wellenornament, ältere gallische Fibel- form; aus Blei: Wirtel und Gewicht; aus Glas und Frit: Perlen und Ringstein. Nach der Pfälzer Presse. Gusenburg (bei Hermeskeil.) Im Juni 67. d. J. wurde auf Gusenburger Bann etwa 172 km von der Stelle, wo im Jahre 1891 durch das Trierer Provinzialmuseum eine Tempelanlage ausgegraben worden ist (Korrbl. 1892 Nr. 23) im Distrikt Wetzert 12 Minuten vom Südostausgang von Gusen- burg, etwa 400 m nördlich des Schnitt- punktes der Wege Gusenburg-Bierfeld und Hermeskeil -Sitzerath 20 Schritt westlich von letzterem im Feld ein römischesBe- gräbnis gefunden. Dasselbe besteht aus einer Urne, welche ausser den Knochen zwei Fibeln ans Bronze enthielt. Um die Urne lagen noch Scherben von anderen Gefässen, darunter zwei Böden von Sigil- latagefässen ohne Stempel. Die Urne hat dieselbe Form und Grösse wie diejenige, welche sich in einem der La Tönehügel bei Ilermcskcil, welche im Jahre 1892 ausgegraben wurden, als Behälter einer

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römischen Xachbestattung fand^) und sie besteht auch aus demselben Material wie jene, nämlich aus gelbgrauem Thon. Die Henkel waren abgebrochen. Die beiden Fibeln waren radförmig wie die Westd. Zeitschrift XII Taf. VI, Fig. 3 abge- bildete. Die breiten Felgen der Räd- chen waren auf der Vorderseite mit bun- tem Email ausgefüllt, welches aber durch Einwirkung von Feuer (die Fibeln waren zweifellos im Leichenbrand) fast ganz zer- stört ist. Es lassen sich aber noch Spuren blauer, gelber, weisser, roter und grüner Farbe erkennen. Die Form der Urne, in den römischen Gräbern bei Trier nicht üblich, scheint nach dem Gesagten bei den römischen Gräbern des Hochwaldes öfter vorzukommen. Trier. Dr. H. Lehn er.

^^' Trier. [RSmitcher Motaikboden.] Nach- dem der Grund und Boden, auf welchem das Provinzialmuseum steht, uns bereits im Jahre 1884 mit dem schönen Musen- mosaik des Monnus beschenkt hat (vgl. Hettner, Wd. Ztschr. X, S. 248 if., wo auch die übrige Litteratur zu finden ist) fanden sich zu unserer Überraschung in diesen Tagen wenige Meter hinter dem Museum bei Anlage einer Wasserleitung liedeutende Reste eines zweiten mit Bildern und Inschriften ausgestatteten Mosaikbo- dens. Indem ich mir alle genaueren Mit- teilungen auf eine in Bälde erscheinende Publikation erspare, soll hier nur eine kurze Beschreibung der Darstellung folgen. Um ein quadratisches Mittelfeld, welches die Darstellung eines weiblichen Brust- bildes mit Flügeln am Kopf, wahrschein- lich einer Medusa, enthält, gruppieren sich vier Achtecke, deren jedes einen siegreichen Wagenlenker auf seinem vier- spännigen Rennwagen darstellt. Die reich- bekleideten Wagenlenker halten ausser der Peitsche je einen Kranz und einen Palm- zweig in den Händen. Jedem Wagenlen- ker ist ferner sein Name beigeschrieben:

EVPREPES, SVPERS-ES, FORTVNro^uj»; und

PHILI///0//////. Es hat sich im Schutt noch ein einzelnes S gefunden, welches nur zu

1) Siehe Jahresbericht der Gesellschaft fflr nntaliche Forschungen ea Trier 189i Taf. m, Fig. 8, sowie S. XXIII und 14.

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dem letzten Namen gehören kann, so dass man vielleicht Phäinos wird ergänzen dürfen. Der Stil, die Technik, die Komposition und die Freude an Beischriften, sowie der Umstand, dass das Mosaik augenscheinlich zu demselben Gebäude gehört, wie das friiher gefundene, weisen mit Bestimmtheit darauf hin, dass der Boden ebenfalls dem Monnus zuzuschreiben ist. Der Boden wird gegenwärtig im Museum zusammen- gesetzt. Trier. Dr. H. Lehner.

Trier. [RSmitche Intchriftreste.] Bei den (9.

gegenwärtig stattfindenden Restaurations- arbeiten am hiesigen Dome fand sich am südlichen Haupttnrm an der Westfa^ade in Höhe des Dachstuhles des Hauptschifis eine Inschrift eingemauert, welche, da die Stelle bisher absolut unzugänglich war, noch nicht beachtet worden ist. Von Herrn Stadtbibliothekar Dr. Keuffer, der zu- erst davon Kunde bekam, benachrichtig, nahm ich sofort einen Abklatsch von der Inschrift. Der Block aus grauem Pfalzeler Sandstein ist 79 cm breit, an der höchsten Stelle noch 26 cm hoch und 36 cm dick. Die Inschrift lautet:

in O u'ia SIINIANA TAS;

'gillvs«trever-fc

I

ModesHniana(e) Tas \ gtüus Trecer f(acien- dum) c(uravä).

Bnchstabenhöhe 5^3—6 cm.

Der Name Modestiniana ist mir sonst nicht bekannt. £iner Modestiana begeg- nen wir bei Brambach ClRh. 1(X£1 Häufiger ist der Name Tasgillus, der hier als Trierer erscheint Ein C'ottius Tas- gillus findet sich im CIKh. 1772, eine Acceptia Tasgilla bei Hettner, Steindenk- mäler 197. Modestiniana wird man als kel- tischen Dativ fassen dürfen, vgl. Hettner a. a. 0. 191, wo weitere Beispiele ange- geben sind. Trever ist die richtige Xomi- nativform, wie viele andere Inschriften be- weisen, vgl. CIL. III 4391, 4499, 5797, VII 36, 288. Der Block ist wahrschcinUch der Rest des Deckels einer Aschenkiste, doch lässt sich dies bei seinem Zustand nicht ganz genau sagen. Der Abklatsch

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war gerade fertig, als Herr Assistent Ebertz, der mich bei Anfertigung desselben unter- stützte, an demselben Turm, etwa 6 m über unserem Standort, einen zweiten eben- falls zweizeiligen Inschriftrest entdeckte. Da das Anbringen einer so langen Leiter auf dem ohnedies schon schwankenden Ge- rüst zu gefährlich gewesen wäre und über- dies im nächsten Jahre, wie ich höre, die Gerüste noch weiter hinaufgeführt werden sollen, so begnügten wir uns vorläufig mit dem Versuch, die Inschrift aus der Ent- fernung zu entziffern, was allerdings durch den Umstand, dass die Inschrift ebenso wie die erste umgekehrt eingemauert ist, sehr erschwert wurde. Das Material ist dasselbe wie das des ersten Steines, doch sind die Buchstaben etwas grösser, wir glaubten folgendes zu lesen:

;

1 > c o N I V G I ;

2 NOTAFPACI

Der untere Rand ist erhalten, die üb- rigen scheinen sämtlich abgebrochen.

Sicher ist Zeile 1 comugi und am Ende von Zeile 2 fad, was wohl wieder zu fiici[endum curavü] ergänzt werden darf, unsicher dagegen ist die Lesung des ersten Teiles der 2. Zeile, von dem nur das N und das A genau erkennbar waren. Trotz dieser Unsicherheit der Lesung wollte ich hier wenigstens auf die Inschrift aufmerk- sam machen, und verspare mir genauere Angabe auf günstigere Gelegenheit. Trier. Dr. IL Lehn er.

Chronik.

70. Der neuste Band der Atti della Societa di Archeologia e belle arti per la provincia di Torino (Band VI) bringt eine ausführ- liche Arbeit von E. Bianchetti „I tepol- creti di Ornavasso'' mit 310 Seiten Text, 2 Lageplänen und 24 vortreffliche Licht- drucktafeln ^). Es ist dies eine sehr ver- dienstliche Arbeit, welche auch für die Archäologie diesseits der Alpen von grosser Wichtigkeit erscheint.

Omavasso ist eine kleine Gemeinde an der Ausmündung des Thaies von Os-

1) Da der Verfasser während der Dmcklegang starb, hat H. Ferrero einen kleinen Teil des Textes bearbeitet.

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sola in der Nähe des Lago Maggiore, wo von Bianchetti zwei verschiedene, ziemlich gleich grosse Friedhöfe im ganzen mit 830 Gräbern ausgegraben wurden, deren Be- schreibung Grab fiir Grab vorgelegt wird. Die Gräber enthalten z. T. sehr reichliche Beigaben, vor allem auch an Münzen. In dem einen Grabfelde (S. Bemardo) wurden 192 Stück gefunden, welche mit dem Jahre 234 V. Chr. beginnen und mit dem Jahre 88 v. Chr. endigen. Die Münzen des zweiten Friedhofes (Persona), 139 an Zahl, setzen mit dem Jahre 89 v. Chr. ein und hören 80 n. Chr. auf, so dass also ein ununter- brochener Zeitraum von 314 Jahren um- fasst wird. Wenn auch den Toten beige- gebene Münzen keineswegs unbedingte Gleichzeitigkeit des betreffenden Grabes beweisen, sondern häufig etwas älterer Zeit als das Grab selbst angehören, so kommt dies bei der grossen Anzahl der Gräber und Münzen doch weniger in Be- tracht. Deutlich lassen sich die älteren Gräbergrnppen unterscheiden, um welche herum das Totenfeld sich allmählich bis in jüngere Zeit erweitert.

Diese selten glücklichen Anhaltspunkte sind natürlich von grösster Wichtigkeit vor allem für chronologische Fragen und für uns von besonderer Bedeutung, da die hier begrabene Bevölkerung eine einhei- mische ist und sich im Zustand der La Täne-Kultur befindet, wie sie ganz gleich- artig auch nördlich der Alpen auftritt.

Seit Tischlers u. a. Erkenntnis der einzelnen Stadien dieser La T^ne-Kultur, wonach bekanntlich eine Früh-, Mittel- nnd Spät-La T^ne- Periode unterschieden wird, hat sich zwar das Verbreitungsge- biet dieser Kultur namhaft erweitert und gelegentlich auch lokale Eigenart feststellen lassen, aber die Frage der Chronologie der einzelnen bisher mehr schematisch auseinander gehaltenen Entwicklungspe- rioden hat keine wesentlichen Fortschritte gemacht. Gerade in dieser Hinsicht geben unsere Gräber ein schätzenswertes Material.

Obwohl die ältesten Gräber noch aus dem 3. Jahrh. v. Chr. stammen, finden sich in ihnen nur noch ganz wenige Typen der Früh -La T^nekultur. Beispielsweise erscheinen nur 3 Fibeln dieser Periode,

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wovon die eine sogar aus einer ziemlich späten Gräbergruppe herrührt. Die Haupt- masse der Grabbeigaben, wenigstens von S. Bemardo, gehört vielmehr der Mittel- La T^ne-Periode an. Es sind zahlreiche eiserne Schwerter, Lanzen, Beile, Messer, Fibeln und Ringe von Bronze und Sil- ber etc. etc. Besonders bemerkenswert ist noch (neben den vielen Thongefässen) eine stattliche Beihe von Bronzegefässen und Bronzegeräten sowie eine Anzahl sil- berner Becher.

Die Spät-La T^neformen treten unge- fähr mit Beginn des letzten Jahrb. v. Chr. auf, zeigen aber zunächst noch vielfache Anklänge an die vorangegangene Gestal- tung. Neben ihnen gehen aber noch lange die Typen der Mittel-La Töneperiode her, wenn sie auch gar häufig in Kleinigkeiten den Geist der neuen Zeit verraten.

Das Gräberfeld von Persona bringt namentlich ein reiches Material an Formen der gallo-römischen Keramik.

In den älteren Gräbern findet sich nur Bestattung der Toten, in den jüngeren auch Verbrennung, und zwar öfters direkte Verbrennung im Grabe selbst.

Zu bedauern ist nur, dass auf den Tafeln die Funde der beiden Friedliöfe nicht genügend getrennt sind, wiewohl durch das von Ferrero verfertigte Register und Verzeichnis der Abbildungen eine rasche Orientierung ermöglicht ist. Karlsruhe, Juli 1895.

Karl Schumacher.

71. Dr.KarlSchlftr, Die älteste Bauperiode des Münsters EU Freibnrg i. B. Heidelberger Dissertation 1894. Freibarg i. B., Lorenz a. Waetsel.

Über das Freiburger Münster existiert eine verhältnismässig geringe Litteratur, denn mit Schreibers archivalischen Studien und Adlers geistvollen, leider zu sehr die. Hypothese bevorzugenden, Untersuchungen ist dieselbe wohl erschöpft; die übrigen Arbeiten über das Münster fussen auf diesen beiden Vorgängern und kolportier- ten deren Irrtümer weiter. So war es dankenswert, die älteste Bauperiode mit den Hülfsmitteln moderner Stilkritik aufs Neue zu revidieren. Berichten wir kurz, wie sich das Bild jetzt darbietet.

Die ursprüngliche Kirche war in ihrer

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Gesamtanlage eine von Ost nach West orientierte kreuzförmige Basilika : ein drei- schiffiges Langhaus in gebundenem Wölb- system, ein Querschiff aus drei ungefähr quadratischen Gewölbejochen und ein be- scheidener polygonal abschliessender Chor; ein östliches Turmpaar in den Winkeh zwischen den QuerschifTHügeln und dem Chor. Ausserdem war eine Krypta vor- handen, wie jetzt noch verschiedene Stufen vom Langhaus zum Chorboden beweisen. Die Türme trugen im Erdgeschosse Ka- pellen, denen wohl östlich kleine halbrunde Apsiden vorgelegt waren, wie die ganze verhältnismässig reiche dekorative Ausstat- tung (Arkadenstellung mit Zwergsäolen, Thierfries etc.) beweist Die Altäre in diesen Kapellen waren nach Schäfer der hl. Maria Magdalena und dem hl. Nikolaus geweiht. Die beiden Osttürme (später gotisch weitergeführt) dienten, wie Verf. aus der Analogie der verwandten, bes. oberelsässischen Bauten (Basel, Gebweiler, Schlettstadt) wahrscheinlich macht, als ästhetisches Gegengewicht zu der projek- tierten zweitürmigen Westfront. Die über der Vierung durch schalenförmig abge- schrägte Zwickelbogen vermittelte acht- eckige Kuppel sollte einen Vierungsturm tragen, dessen Untergeschoss im Dachbo- den noch vorhanden ist. Als Glockenturm hat dieser Vierungsturm nie bestanden, wie Adler annimmt. Das Langhaus kam in seiner ursprünglichen Gestalt nicht weit zur Durchfuhrung. Die hereinbrechende Gotik setzte ihr ein Ziel; dabei unterblie- ben auch die über den Seitenschiffen pro- jektierten Emporen mit nach innen sich öffnender Triforienstellung. Zur chrono- logischen Fixierung dieser romanischen Teile kam Schäfer auf den glücklichen Gedanken, in weitgehendem Maasse die verwandten Baudenkmäler des Oberrheins, in erster Linie das Baseler Münster in seiner Gestalt nach dem Erdbeben von 1185, zum Vergleiche heranzuziehen, und gerade mit letzterem Bauwerke ei^ebt sich in der That eine grosse Ähnlichkeit: gleichartig geradezu sind die beiden An- lagen der Osttürme über den Nebenkapel- len. Auch die Zierformen und die Plastik sind beiden Bauten eng verwandt, soweit

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sich natürlich ein Vergleich ziehen lässt zwischen der einfachen Freiburger Pfarr- kirche und dem reichen Baseler Bischofs- münster. Der nach Schäfer fälschlich als burgundisch bezeichnete Stil der Gallus- pforte, den er richtiger den „spätromani- schen Skulptur -Stil^ nennt, findet seine Analogie in den Freiburger Bilderfriesen, die wohl beide der Alexandersage ent- nommen sind^).

Enge Beziehungen zwischen Basel und Freiburg sind urkundlich nachzuweisen und von Schäfer nachgewiesen. Da nun der Baseler Bau aus einem Gusse gearbeitet erscheint, so kann man seine Bauzeit auf ca. 12Ü0 fixieren und hat damit zugleich einen Anhalt für die Zeit des Freiburger Baues. Ja, derselbe kann nach Schäfer unmöglich jünger sein als der 118Ö be- gonnene Baseler Bau, da die in Freiburg am Querschiif noch kaum hervortretenden Strebepfeiler in Basel schon die Stärke von kräftig profilierten und weit hinaus- geschobenen Mauermassen angenommen. Nun lässt sich meines Erachtens bei dem oben erwähnten Unterschied zwischen Pfarr- kirche und Bischofsmünster ein längeres konservatives Festhalten in Freiburg gut erklären, und es kann eine Verschiebung von einigen Jahrzehnten nach rückwärts, lediglich auf Grund der Baseler Analogie, nicht so fest behauptet werden. Allerdings lassen wieder andere Analogieen mit Strass- burg, Pfaifenheim und Gebweiler ziemlich wahrscheinlich auf die letzten Jahrzehnte des 12. Jahrhunderts schliessen, zumal da Schäfer noch historische Belege anführt.

Weiterhin behandelt Schäfer den früh- gotischen Bau, dessen entwickeltes Strebe- system, sowie die so oft aufgeworfene und geradezu zum Prinzip gewordene Behaup- tung vom französischen Urspnmg der ganzen rheinischen Gotik. Er weist diese Theorie ganz entschieden und wie ich nach meiner Anschauung dieser Bauten behaup- ten kann, mit vollem Rechte zurück. Es lassen sich vielmehr in unserer rheinischen

1) Vielleicht kftnn ich »n dieser Stelle die ühnliche Bahnen betretende soeben erschienene Straesbnrger Dissertation von Polacsek, sowie Toeges nenes Buch mit der oberrheinischen Plastik der romanischen Zeit in Verbindung setzen.

Gotik zwei Erscheinungen konstatieren, die nebeneinander hergehen, auf der einen Seite die organische Weiter- und Umbil- dung der romanischen Formen und das ist die Hauptströmung auf der anderen Seite eine direkte Übertragung der fran- zösischen Gotik, die man als Unterströ- mung bezeichnen kann. Aus einer An- merkung (3. 33) glaube ich schliessen zu dürfen, dass Schäfer die Absicht hat, von diesem Gesichtsqunkte aus die ober- rheinische Gotik neu zu untersuchen. HoiTen wir, dass es seine Absicht ist, denn hier dürften sehr interessante Resultate zu erwarten sein.

Zwei beigefügte Zeichnungen des Ver- fassers veranschaulichen instruktiv den Grundriss, sowie eine Rekonstruktion des romanischen Baues und die Anfänge der Gotik. Nürnberg. Edmund Braun.

Historische Kommission 72.

bei der kgl. bay. Akademie der Wissenschaften. Vgl. XIII Nr. 94.

München im Juni 1895. Die 36. Ple- narversammlung hat in der Pfingstwoche am 7. und 8. Juni stattgefunden.

Seit der letzten Plenarversammlung, Mai 1894, sind folgende Publikationen durch die Kommission erfolgt:

1. Allgemeine deutsche Biographie. Bd.

XXXVII, Lieferung 2 und 3. Bd.

XXXVIII. Bd. XXXIX, Lieferung 1. 2. 3.

2. Chroniken der deutschen Städte. Bd. XXIII: Bd. IV der Chroniken der Stadt Augsburg.

3. Briefe und Akten zur Geschichte des dreissigjährigen Krieges. Bd. VI.

Die Hanserecesse werden mit dem nächsten, dem 8., Band abschliessen. Der- selbe ist so weit vorbereitet, dass der Herausgeber, Dr. K o p p m a n n , im August den Druck zu beginnen hofft.

Die Chroniken der deutschen Städte, unter der Leitung des Geheimen Rats von Hegel, sind bis zum 24. Band fortgeschritten, dem dritten und letzten in der Reihe der niederrheinischen und west- fälischen Städtechroniken. Derselbe ist im

171

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Druck begriffen. Er wird Auszüge aus den Stadtbüchern von Soest und die von dem Priester Johann von Wassenberg ver- fasste Chronik von Duisburg in den Jahren 1474 1517 enthalten, beides von Archivar II gen in Münster bearbeitet, welcher auch eine Geschichte der Verfassung von Soest hinzufügen wird.

Die Jahrbücher des deutschen Reichs unter Otto II. und Otto III. hofft Dr. Uhlirz im Laufe des Jahres 1896 druckfertig zu stellen. Die Arbeit fiir die Jahrbücher unter Heinrich IV. und Hein- rich V. hat Professor Meyer von Kno- nau unterbrechen müssen, um Zeit für die Biographie Georgs von Wyss und die Herausgabe von dessen Werk über die Geschichtschreibung der Schweiz zu ge- winnen. Es wird sich jetzt wieder dem dritten Band seiner Jahrbücher zuwenden. Dr. Simonsfeld arbeitet fortdauernd für die Jahrbücher unter Friedrich I. Die Arbeit für die Jahrbücher unter Fried- rich II. liegt in den Händen des Gehei- men Hofrats Winkelmann.

Von der Geschichte der Wissen- schaften in Deutschland sind noch im Rückstand die Geschichte der Geologie vom Geheimen Rat vonZittel, die Ge- schichte der Physik von Professor Karsten nnd die von Professor Landsberg über- nommen# Vollendung von Stintzings Ge- schichte der Rechtswissenschaft. Gehei- mer Rat von Zittel hofft der nächsten Plenarversammlung einen grossen Teil des Manuskripts seines Werkes vorlegen zu können. Professor Landsberg ist bis zum Ende des 18. Jahrhunderts vorge- rückt und wird diese fertige Hälfte seines Buches demnächst veröffentlichen.

Die Allgemeine deutsche Bio- graphie, unter der Leitung des Frei- herm von Liliencron und des Gehei- men Rats Wegele, hat in diesem Jahre nicht bloss die im vorigen Jahre gebliebene Lücke ausgefüllt durch die Vollendung des 37. Bandes, sondern auch zwei weitere Bände geliefert. Die Lieferungen 4 und 5 des 39. Bandes werden demnächst aus- gegeben werden.

Die Arbeiten für die Reichstags- akten der älteren Serie, unter Lei-

tung des Professors Quidde, gelten noch immer fast ausschliesslich dem 10. and 11. Band, deren erster die Jahre 1432— 1433 Mai nebst einem Rückgriff um der Romzugsfrage willen auf die Jahre 142H 1431 bringen soll, der andere bis 1437 reichen wird. Dr. Herre soll den lü., Dr. Beckmann den 11. Band herausgebea.

Die Fertigstellung des Manuskriptes der beiden Bände ist durch die im vorigen Jahre angekündigten grossen Reisen nach England, Frankreich und Italien länger als zu vermuten war, unterbrochen wordeiL Es wurden in England das Public record Office, das Brittische Museum, die Biblio- theken Oxfords, in Paris das Nationalar- chiv, die Nationalbibliothek und mehrere der kleineren Bibliotheken, weiter das Burgundische Archiv zu Dijon, dann die Archive zu Turin, Mailand, Florenz be- sucht, auch ein Abstecher nach Rom ge- macht. Besonders fruchtbar erwies sich die Forschung zu Paris, wo unter anderm der Nachlass Peter Brunets, des Notars des Baseler Concils, femer die Korrespon- denzen der Gastiliamschen Condlsgesandten in den Jahren 1435—1439 benutzt wurden. Auch zu Dijon und in Italien wurde wert- volles und unentbehrliches Material ge- funden, unter anderem die Akten betref- fend die Beziehungen zwischen Kaiser Sig- mund und Herzog Philipp von Burgund, die Berichte der Mailändischen und Sa- voyischen Gesandten vom kaiserlichen Hof und vom Concil, Instruktionen für päpst- liche und Concilsgesandte an Sigmund u. dgl. Mit diesen Reisen, zu welchen noch ein Ausflug des Dr. Beckmann nach Oehringen und Nördlingen hinzutritt, wurde das Jahr 1894 zu Ende gebracht. Das folgende Halbjahr wurde durch das Material, welches Paris und Douai, ausser- dem Frankfurt, Strassburg, Basel, Colmar und andere deutsche Städte nach München einlieferten, grossenteils in Anspruch ge- nommen. Und auch jetzt noch bedarf es zur Vollendung der Materialiensammlung einer Reise nach Venedig, wo Dr. Beck- mann der Ausbeutung des Staatsarchifs und der Marknsbibliothek einen Monat widmen will.

Durch diese ausserordentlichen und

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zeitraubenden Bemühungen ist zunächst die Fertigstellung des 10. Bandes aufge- halten worden, zumal da Dr. Herre die einleitende Abteilung des Bandes, die Vor- geschichte des Romzuges mit den einwir- kenden italienischen Verhältnissen zum Teil erst aus den Ergebnissen dieser Reise herzustellen vermag. Dr. Beckmann hofft, alsbald nach der Rückkehr aus Ve- nedig, das Manuskript abschliessen und dann, Ende des Jahres, mit dem Druck des 11. Bandes beginnen zu können; der 10. Band dagegen wird erst im nächsten Jahr zum Druck gelangen. Für weitere zwei Bände, welche die Regierungszeit Kaiser Albrechts IL behandeln sollen, ist das Material fast vollständig gesammelt, und kaum minder günstig ist die Lage bezüglich der ersten Jahre Friedrichs III.

Die Reichstagsakten der jünge- ren Serie, die von Dr. Wrede heraus- gegeben werden, stehen am zweiten Band, der im Druck begriffen ist. Bereits ge- druckt ist die von Dr. Bernays verfasste Einleitung, die in drei Kapiteln die deut- schen Verhältnisse von der Wahl bis zur Ankunft des Kaisers im Reich, die aus- wärtigen Beziehungen und die Krönung behandelt. Ferner sind gedruckt die bei- den ersten Abschnitte der Akten des Wormser Reichstags, nämlich die Berufung und Eröffiiung des Tages und die Akten über Errichtung des Regiments. Es sollen folgen: 3) Verhandlungen über Frieden und Recht (Landfriede, Kammergericht und Polizei), 4) Romzughülfe, 5) Verhand- lungen über Schweiz und Frankreich, 6) Anschläge, 7) Religionssache, 8) Beschwer- den gegen Rom, 9) Abschied, Angelegen- heiten einzelner Stände, 11) Korrespon- denzen. Daneben wird successiv das Re- gister ausgearbeitet. Eine über Erwarten lange Zeit hat die Bearbeitung der Reli- gionssachen erfordert; besonders mühsam und zeitraubend war die genaue Verglei- chung der in den gleichzeitigen Flug- schriften enthaltenen Berichte über Luthers Aufenthalt in Worms. Demnächst soll der dritte Band in Angriff genommen werden.

Die ältere Pfälzische Abteilung der Witteisbacher Korresponden- zen wird ihren Abschluss im dritten

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Band der Briefe des Pfalzgraten Johann Casimir finden, dessen Druck, wie der Herausgeber Professor von Bezold als sicher annimmt, im Jahr 1896 beginnen wird. Unterdessen wird die Ausbeutung der Münchener und anderer deutscher Archive zu Ende geführt und dem Ko- penhagener sowie eventuell dem Archiv des auswärtigen Ministeriums in Paris ein längerer Besuch abgestattet werden.

Für die ältere Bayerische Abtei- lung der Witteisbacher Korrespon- denzen, unter Leitung des Professors Lossen, sind Dr. Brandi und Dr. Götz thätig. Der erstere ist mit der Druck- legung des vierten Bandes der Druffel- schen Beiträge zur Reichsgeschichte be- schäftigt. Es sind bis jetzt 28 Bogen ge- druckt. Durch die Absicht, den reichen Stoff auf 50 Bogen zusammen zu drängen, wird die Arbeit erschwert und verzögert. Doch steht die Beendigung des Drucks und damit der Abschluss der genannten Unternehmung gegen Ende des Jahres 1895 zu erwarten. Unmittelbar darnach können die Akten des Landsberger Bundes, die Dr. Götz bearbeitet und in einem Band zu- sammengestellt, in Druck gegeben werden. Dr. Götz hat die Sammlung des Materials teils in München, teils 'in einem sechs- wöchigen Aufenthalt in Wien und in zwei kürzeren Reisen nach Innsbruck und Augs- burg fortgesetzt, und wird nach Durchar- beitung der in Bamberg, Dresden, Mar- burg erbetenen Archivalien und nochma- ligem kurzen Aufenthalt in Wien diese Arbeit abschliessen.

Die jüngere Bayerisch-Pfälzische Abteilung der Witteisbacher Kor- respondenzen, die Briefe und Akten zur Geschichte des dreissigjährigen Kriegs, die unter der Leitung des Pro- fessors Stieve steht, wird drei Bände, den 6., 7. und 8., welche die Zeit von 1608 bis 1610 behandeln, ausschliesslich der langjährigen Arbeit des Professors Stieve selbst verdanken. Der sechste Band ist ausgegeben worden. Krankheit verhinderte den Herausgeber, sofort die Drucklegung des siebenten Bandes zu be- ginnen, aber er hofft im Sommer 1896 denselben erscheinen lassen zu können.

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SeiDen Mitarbeitern, Dr. Chroiist und Dr. Mayr-Deisinger, sind, dem einen die Jahre 1611 1618, dem andern die Jahre 1618—1620 angewiesen. Dr. Chroust hat seine Thätigkeit zuletzt, um den neun- ten Band zum Abschluss zu bringen, auf die Akte vom Januar 1611 bis zur Wahl des Kaisers Mathias im Juni 1612 concen- triert. Er hat die Ausbeutung der Mün- chener Archive in dem bezeichneten Um- fang fast beendet; femer einen Teil der Schlobittner Archivalien, welche Herr Graf Richard zu Dohna-Schlobitten, mit gleichem Entgegenkommen wie sein verstorbener Herr Vater, nach München übersenden liess, und den Briefwechsel des Hof- meisters Friedrich V. von der Pfalz, Hans Meinhards von Schönburg, welche Herr Graf Hannibal von Degenfeld- Schönburg aus dem Archiv des Schlosses Hohen-Eybach nach München zu senden die Güte hatte, bearbeitet. Dieser Brief- wechsel enthält unter anderm Aufschlüsse über die Beziehungen der deutschen Pro- testanten zu Kaiser Mathias während des österreichischen Hausstreites. Ausserdem hat Dr. Chroust gegen vier Monate in Wien auf Bearbeitung der österreichischen Akten in beiden Kanzleien, sowohl Kaiser Rudolfs U. als des Mathias, sowie der Kurmainzer Papiere verwandt, wird aber nochmals nach Wien zurückkehren müssen, um diese Arbeit zu vollenden. Der Zu- tritt zu dem Archiv des deutschen Ritter- Ordens, den er, um Zeit zu gewinnen, auch für die Abendstunden seines Wiener Auf- enthalts erbat und durch die Gunst Seiner Excellenz des Herrn Ratsgebietigers Grafen Pöttinek zu Pettenegg erhielt, fiihrte leider nicht zur Auffindung der auch anderwärts längst vergeblich gesuchten Akten des da- maligen Deutschmeisters Erzherzogs Maxi- milian, in Sachen der Nachfolge Kaiser Rudolfs U.

Dr. Mayr-Deisinger war mit der Durcharbeitung der aus Schlobitten und aus Dresden eingelieferten Akten für die ihm zugewiesenen Jahre beschäftigt. Die Schlobitter Papiere enthielten vor allem wertvolle Berichte der Brüder Achaz und Christoph von Dohna über die Beziehungen der Kurpfalz zu den Böhmen, zu Kur-

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Sachsen, zu England. Daneben fand sich in ihnen ein Protokoll des Heilbronner ünionstags vom Mai 1619. Die Dres- dener Akten, obwohl von Karl August Müller in seinen Fünf Büchern vom Böh> mischen Krieg bereits ausgiebig verweitet gewähren eine ausserordentlich reiche Ausbeute mit überraschenden Ergebnissen, vornehmlich durch die vortrefflichen Be- richte des damaligen sächsischen Agenten in Prag, Friedrich Lebzelters. Dr. Mayr wird ihre Bearbeitung im nächsten Jahre fortsetzen, dann zu den Berliner Aktes übergehen.

Professor Stieve will den Archiren von Zerbst, Darmstadt, Ulm und anderen, die von beiden Mitarbeitern bald in An- griff genommen werden sollen, denmächst einen vorbereitenden Besuch widmen.

Vereinsnachrichten

unter Redaction der Yereinsvorstände.

Trier. Gesellschaft für nützliche73. Forschungen. Sitzung am 11. De- zember 1894. Es wird beschlossen für eine im Jahre 1895 im Provinzialmuseam zu veranstaltende Gemäldeausstellung einen Beitrag von 300 Mark zu bewilligen.

Sitzung am 12. Augast 1895. Der74. nach Arnsberg versetzte üerr Regienmgs- rat Michaelis wird zum Ehrenmitglied, der Herr Regierangs- und Forstrat Witzell zum ordentlichen Mitglied gewählt. Es wird beschlossen, die diesjährige Haupt- versammlung am Montag den 23. Sep- tember, IVji Uhr, im Provinzialmuseum abzuhalten. Vortrage übernehmen Herr Bürgermeister Müller aus Echtemacher- brück über das Mithraeum in Sehwan- erden und Herr Dr. Lehner über die Unternehmungen und Erwerbungen des Provinzialmuseums im. verflossenen Jahre. Ein gemeinsames Mittagsmahl wird die Zusammenkunft beschliessen.

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ArohiTM Dr. Hinten,

KOIn.

Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst,

ngleiek Organ der historiMh-aBtiqnarüeheii Vereine in Birkenfeld, Dlisseldorf, Frank*

fnrt a. H., Karlsrnke, Maine, liannkeim, Metz, Nenss, Prttm, Speyer, Strassbnrg,

Trier, Worms, sowie des antkropolo^seken Vereins in Stnttgart

Sept. & Okt.

Jahrgang: XIV, Nr. 9 & 10.

1895.

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Neue Funde.

^5. Aus der Pfalz. Zur Terminologie der neolithischen Steingeräte. 1. Fund (vgl. Zeichnung a). Dass die Umgegend des sagenbe rühmten „Drachen- fels*' im Limburg-Dürkheimer Walde be- reits in neolithischer Zeit bewohnt und zum mindesten bekannt war, beweist der abermalige Befund einer steinzeitlichen Waife. Derselbe fand sich zwischen Wei-

denthal und dem Drachenfels am sogen. ^Ilasenstein" unter dem Stumpfe einer alten Buche und zwar vor etwa 4 Wochen. Das Steinbeil ist schwarz, besteht aus Ba- salt oder sonst einem feinkörnigen Eruptiv- gestein ^) und hat eine Länge von 9 cm Sebnenbreite. Die untere Fläche ist im Bogen geschliffen, eine Eigentümlichkeit, die sich im W. nur bei mittelrheini- schen Wurf heilen vorfind et. Einige ähn- liche Wurfbeile befinden sich im Museum zu Dürkheim und zwar aus der Vorder- pfalz. — Obiges Beil ist zwar etwas ver- letzt, doch lässt sich die Konstruktion noch genau feststellen.

2. Fund (vgl. Zeichnung b). Ein in- teressantes Pendant zu dem vom Drachen-

1) Die Bestimmung der Gesteinsarten bietet Schwierigkelten, wenn man die Objekte nicht Torletzen besw. serstOren will. D. Y.

fels herrührenden Wurf heil aus der Steinzeit bildet ein jungst im Elmst einer Staatswalde gefundener wohlerhaltener „Donnerkeil". Derselbe besteht wahr-

scheinlich aus Diabasporphyr oder einem ähnlichen Eruptivgestein. Er hat eine Länge von 10 cm. und eine Schneiden- breite von 4,5 cm. Hier sind nicht die Schmalseiten gewölbt wie bei obigem Wurf heil, sondern die obere Breitseite ist in Wölbung sauber geschliffen, während die untere bis auf die 1,5 cm lange Schneide in ganz horizontaler Linie verläuft. Der Querschnitt des Beiles bildet demnach ein flaches Kreissegment von 2 cm Durch- messer. SolcheBeile wurden nach Ver- gleichung mit anderen Exemplaren als kleine Bodenhacken zur Au&churfung des Humus gebraucht und beweisen, dass schon vor etwa drei Jahrtausenden im Elm- steiner Thale Ackerbau betrieben ward.

3. Fund (vgl. Zeichnung c). Ein drit- tes bemerkenswertes Steinbeil fand sich

jüngst zu Meckenheim. Dasselbe besteh wahrscheinlich aus Kieselschiefer und zeigt^ glänzend schwarze Färbung. Seine Länge

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beträgt 9 cm, seine Schoeidenbreite 4,5 cm, seine Scbneidenlänge 3,6 cm. Unter- and Oberseite bilden im idealen Schnitte einen Rhombus mit je zwei längeren und je zwei kürzeren Seiten, die nebeneinander liegen. Die beiden Seitenflächen stellen ein flach gewölbtes, gleichschenkliges Dreieck dar, dessen höchste Linie vom Rande der Schneide gebildet wird. Das Artefakt stellt ein ausgesprochenes Beil, keinen Keil dar. Letzterer könnte nicht so anschwel- len, wie das vorliegende Werkzeug. Das Beil wirkte genau in derselben Richtung wie ein eisernes, von oben nach unten, und scheidet sich hierin scharf von der Hackenform. Die Fläche der Schneide ist fein abpoliert, die übrige Fläche ist rauh behauen. Das Steinbeil ist ausgezeichnet erhalten. Die drei mit Stiel und Band versehenen Werkzeuge der pfälzischen Ur- zeit, Wurf heil, Bodenhacke, Arbeitsbeil, werden eine ganz besondere, instruktive Zierde jedes pfalzischen Museums bilden. Der y. hat an diesen drei einfachen, aus der jüngsten Fundserie genommenen Beispielen gezeigt, wie erschwerend es ist, und wie aufklärend es wirkt, die Unterschiede bei ähnlichen Artefakten der neolithischen Steinz eit festzustellen und festzuhalten. Äusserlich sehen sich die drei obigen schwarzen, vordem 8 10 cm langen Steinartefakte recht ähn- lich; faktisch aber hat jedes seine tech- nischen Besonderheiten, seinen speziellen Zweck. Diesen letzteren erkennt man aber nur bei genauerem Studium des Ver- hältnisses zwischen den einzelnen Schliff'- flächen und der Art der Schneide, der Wirk- samkeit der letzteren, des Gesamtbaues des Gerätes ! Genaueres hat über diese Differenzierungen d. V. veröffentlicht in seinem Vortrage (PoUichia): „Hacke und Beil am Mittelrhein zur Steinzeit*', Dürk- heim 1889. Neustadt a. d. H.

Dr. C. Mehlis. 7e. Aus der Pfalz, im Aug. Der Lindels- kopf. Im obersten Sorbachgebiet im pfälzischen Wasgau liegt hier am Fuss- pfade, der von Petersbächel nach Ludwigs- winkel führt, und zwar zur Linken ein bisher unbekannter, angefangener Burgbau.

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Im Volksmunde heisst der 136 bayer. Ruten = 397,1 m hohe Kegel Lindeiskopf, während er auf der bayer. Generalstabs- karte den Namen Ruin -Berg fuhrt. Anf dem Plateau zieht von WSW. nach 0X0. ein ca. 100 m langer und 3 5 m breiter, nach allen Seiten steil abfallender Fels- grat, in dessen erstem Drittel (von Osten her) eine halb natürliche, halb künstliebe Felßtreppe nach oben fuhrt. Zur Rechten ist eine 20 cm tiefe Nische nach einzelnen Hiebflächen zu schliessen, künstlich einge- hauen. Sonst ist von Menschenhand nor eine Cisteme (übrig bezw.) vorhanden, die sich auf der Nordseite des Felsgrates, 10 m von seinem Rande entfernt, vorfindet. Der 3Vi cm im Durchmesser haltende Cylinder derselben ist in den festen I>ls regelmässig und mit vieler Mühe einge- trieben und zwar an der Südseite etwa 4 m, an der Nordseite 1*/« m tief. Cber diese angefangene Burg meldet dem Forscher weder Urkunde noch Sage etwas. Sie steht nicht im Zusammenbange mit an- deren Kastellen, welche das obere Sor- (= Sauer)bach-Gebiet gegen Lothringen ab- schlössen und so die Rheinebene gegen Einbrüche von Westen her verteidigt haben. Möglich dennoch, dass dieser begonnene, aber nicht vollendete Burgbau dem IL bis 12. Jahrhundert unserer Zeitrechnong angehört. Der Bergkegel ist z. Z. mit Eichen, Buchen und Kiefern bedeckt froher war er wohl mit Linden, wie der Käme besagt, bestanden. Dr. C. Mehlis.

Mainz. [Rtfmische Grabsteine.] 1] Schon 77. vor längerer Zeit wurde ich durch den jetzt verstorbenen Herrn Direktor J. Keller und vor kurzem auch von Herrn Prof. Zangemeister auf einen Stein aufmerksam gemacht, der als Teil des Fundamentes unter einem mehrere Meter hohen Wege- kreuz an der die beiden Kastelle Hof heim und Kastei schnurgerade verbindenden rö- mischen Strasse liege. Sichtbar war aller- dings nur der Giebel mit einer Umrahmung nebst einem Teile des Buchstabens D, im- merhin genug, um die Hoffnung, dass die unter dem Sockel liegende Inschrift we- nigstens in ihren Hauptteilen erhalten sei, zu rechtfertigen. Nachdem der Besitzer, Herr Krimmel II in Kostheim, unter bil-

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ligen Bedingungen die Erlaubnis gegeben, wurde der Stein am 1. Juli herausgenom- men und in das Museum verbracht. Er ist 90 cm h. (ohne Giebel 65), 95 cm br. und 32 cm dick; die Buchstabenhöhe ist 5 cm. Der Giebel hat ausser den Rand- leisten nur eine kreisrunde Verzierung unter der Spitze. Die Inschrift ist durch eingehauene Dollenlöcher, sowie durch Ab- splitterung leider arg beschädigt und am Ende unvollständig. Sie lautet:

1.

D ///////

«^/////" »IINIODECIMO

//// -SERARIOLBG XXII P P F

A N O R V M XXXVII ST l>E

5. NIORVMXVIII«EGIN

■l////slyV//////////////////////////hQ.VES

ANT////////////////////////////XC.A

Zeile 1 ist M abgesplittert; Zeile 2 können vor INIO zwei L gestanden haben, da die Querhasten der vorhandenen L und E sehr kurz sind; Zeile 3 ist vor S noch die untere Querhasta eines E sichtbar; Zeile 4 ist I und P verbunden; Zeile 5 igt die zweite Querhasta des N unsicher, der obere Teil des R dagegen deutlich; Zeile 6 das erste R kaum noch erkennbar, Yom ersten E der Wörter EQYES nur die untere H&lfte erhalten, die ganze Mitte der Zeile, ebenso wie die der folgenden Yollständig abgesplittert; in dieser findet sich nach dem ersten A ein Punkt, der wohl nur eine Verletzung des Steines ist ; das T ist nicht ganz sicher, dem G ging ein X voraus.

DCia) [MfanihusJ] \\ a [Pull?]imo De- cimo II tesCsJerario legCionis) XXII pfri- migeniae) pfiaej fCidelisJ \\ an{hJorum XXXVII stipe II nCdJiarum XVIII Be-

gin II ins equea

Statt PVLL1NI0 kann es natürlich auch anders geheissen haben, z. B. IVLLINIO; das D in stipendiorum scheint durch ein Versehen des Steinmetzen ausgelassen zu sein. Der Schluss ist für mich rätselhaft ; Zangemeister vermutet : [e]x cfitsiodej afr- marum).

2) Stein aus der Stephanskirche, wo er einen Teil des Bodenbelages des Kreuz- ganges bildete. Seine Entdeckung ver-

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danken wir dem Scharfblick des Herrn Oscar Winterhelt, Baumeister aus Milten- berg und dem Eifer des Herrn Peter Kessler ans Mainz. Herr Pfarrer Kömer überliess den Stein am 10. Juli dem Mu- seum in zuvorkommendster Weise als Ge- schenk. Leider ist derselbe arg beschä- digt. Zunächst ist der Giebel nur teil- weise erhalten, vor allem aber sind die drei obersten Zeilen mit grosser Gründlichkeit ausgemeisselt ; nur in der ersten sind noch Reste von Buchstaben sichtbar ; sodann ist der Grabstein in vier Stücke zerhauen, von welchen nur drei aufzufinden waren. An den Spaltungskanten ist jedesmal etwa der Raum einer Zeile verloren gegangen. Die Bruchstücke sind 17 cm dick und haben folgende Grösse: a) 43 h., 34 cm br. ; b) 70 cm h., 36 cm br. ; c) 52 cm h., 35 cm br. Die Inschrift lautet:

1. 'iiiiiMiiiiiiiiMi \iMiiimiim\

lllllllllilllllllllilllll

1

'/////7///7//////////////,

IHllllll

C V N D I I I •III« H-S-E|

'rr C V V T it X

b)

I D C I A V

H E R E D E S c^ D I C S I T

I

i!

Von der ersten Zeile sind mit einiger Sicherheit nur die Buchstaben A und R erkennbar. Zeile 4 ist ein Punkt hinter 3 nicht sichtbar; der dritte Buchstabe kann ein L gewesen sein; von dem E ist die senkrechte Hasta nicht mehr vorhan- den. Zeüe 5 im Anfang der zweiten Hälfte noch Rest eines T erhalten. Zeile 6 Reste der Buchstoben ECEElVI.

.... cCenturia) ClaufdiJ [SJecutidi [an-

(narum) stjifpendiorumj III hficj

sfitiisj eßtj, heredes [fece(runtj et vi(ator) diefatj, sit [tibi terra levis]. Das Ergänzung der sechsten Zeile beruht auf einer Vermutung Zangemeisters.

Körber. MUnster bei Bingen. [Römischer iNotailc- 78. futsboden.] In Münster b. B. ist der Mosaik- . fussboden eines Zimmers, welches eine Grösse von über 9 m im Quadrat hatte,

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gefunden worden. Aufgedeckt wurden zu- erst Quadrate von 67 cm im Geviert aus schwarzen und weissen Steinen. In diesen kehrt an zweiter Stelle regelmässig ein doppelter schwarzer Ring und in demselben ein schwarzer Stern wieder. Die übrigen Quadrate zeigen verschiedene Muster, in- dem teils Quadrate von grösserer und kleinerer Form, 6, 9, 49, teils Sterne mit gebogenen Linien, 10, und entsprechende Vierecke in schwarz und weiss abwechseln. Dann wurden aber auch kleine Felder mit geschwungenen Linien und in verschiede- nen Farben gefunden, und beim Weiter- graben, welches unter Aufsicht eines Vor- standsmitgliedes des Antiquarisch - histori- schen Vereins stattfand, zeigte sich schliess- lich ein Mosaikrundstück ersten Ran- ges, nämlich in einem Kreise von 180 cm der Sonnengott, umgeben von den 12 Bil- dern des Sonnenkreises. Auf einem Wagen steht der unbekleidete Sonnengott, um- flattert von einem schmalen, .langen Tuche, das Haupt von elf Strahlen umgeben; in der rechten und linken Hand hält er die Zügel von je zwei Rossen. Vom Wagen ist das schwarz-rote Vorderteil mit weissem Rande sichtbar; davor in gelber Farbe die Deichsel, vorn auf rotem Pflock eine dünnere Querstange, das nach antiker Sitte über die Pferde gehende Joch. Die weissen Rosse die Schatten und Conturen sind bläulich und schwarz eingesetzt erheben sich auf ihren Hinterbeinen, je zwei nach rechts und je zwei nach links, indem ihre mächtigen Schweife bis auf den Boden reichen und ihre Vorderbeine hoch in die Höhe gehoben sind ; der Quergurt und die Zügel sind mit etwas anderen Farben deut- lich angegeben; die mutig erhobenen Köpfe sind ganz vorzüglich dargestellt. Es ist der Augenblick, in welchem die Ro^se des Sonnengottes, sowie das Thor des Him- mels geöffnet ist, hervorstürmen, um der Welt das Licht des Tages zu bringen. Dieses vollständig erhaltene Mittelfeld ist umgeben von einem roten Streifen und einem 29 cm breiten weissen Band, dessen Rand durch einen schwarzen, einen weissen . und wieder einen schwarzen Streifen ge- bildet ist. Das breite Band enthält in den 12 einzelnen durch rote Streifen getrennten

weissen Feldern von unten nach rechts den Steinbock, die Jungfrau, die 2 Fische, den Widder, den Stier und die Zwillinge, nach links ein zerstörtes Stück, dann den Skorpion, teilweise zerstört, den Wasser- mann, den Schützen, teilweise gestört, und wieder zwei zerstörte Stücke. Die Jung- frau hält einen Zweig in der linken Hand, ebenso der Wassermann, der Schute scheint in der linken Hand seinen Bogen nach oben zu halten und in der rechten Hand einen Pfeil; die Farben sind b^onders lebhaft bei den Fischen und dem Skorpion. Von den 4 Zwickeln, welche bei der Ein- fügung eines Kreises in einen quadratisch eingeteilten Boden sich ergeben, ist leider nur einer, und auch dieser nicht vollstäQ- dig erhalten. Aus der Ecke nach dem Kreisbogen zu steht auf Blumengewinde ein Krug mit gefälliger Form, zu dem von rechts und links ein Fisch heranschwimmt. Der Halbmesser des Kreises ist so gross, wie die Länge von 2 Ornamentquadrateo, und auf der einen Seite sind 5 Quadrate in einer Linie neben einander gefhnden worden, so dass danach das Mindestmass des Zimmers sich ergiebt An Reichhal- tigkeit steht dies Münsterer Mosaik dem Kreuznacher weit nach, da das erstere nur 1 grosses und 12 kleinere Felder mit lebenden Wesen, das letztere 9 grosse und 4 mittelgrosse Felder mit lebenden Wesen und zwar mit mehr als jenes ent- hält; aber die Schönheit der Ausführung ist gleich, die Pferde des Münsterer Mosaiks sind vorzüglich dargestellt. Der Besitzer der Münsterer Villa neigte mit seinem Geschmack zu freundlicheren Bildern als der der Kreuznacher Villa.

(Kreuzn. Generalanzeiger vom 6. Sep- tember 1895.)

K0tn. [Massenfund römischer MBnzen.]7S. An der Nordseite des Marienplatzes, neben dem jetzt abgebrochenen Eckhause Nr. 11, da wo früher der gepflasterte Weg zu dem Pfarrhause von St. Maria im Kapitol et- was berganstieg, hat man am 29. März und 1. April d. J. beim Ausschachten einen bedeutenden Fund römischer Münzen gemacht. Dieselben waren teils in mdi- reren grossen Amphoren mit spitzem Fass, teils in einem Fasse verpackt, von welch'

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letzterem sich noch vermoderte Stücke, sowie die Reifen vorfanden. Die MQnzen waren durch Oxydierong zu grösseren Klumpen zusammengeballt und zwar zeigen die in dem Fasse grüne, die in den Am- phoren blaue Oxydation. Auf mehreren der letzteren sieht man noch deutliche Spuren von Verzinnung. Da ein grosser Teil des Fundes gleich zerstreut wurde die Arbeiter haben Hände und Körbe voll an Vorübergehende sowie an schnell her- beieilende Händler gegen geringe Vergü- tung abgegeben so ist es schwer, die Menge der Münzen zu bestimmen. Nach der zuverlässigsten Schätzung soll der ganze Fund mit der Verpackung ein Gewicht von etwa 1000 Ko. gehabt haben, woraus man auf eine Zahl von 150—200 000 Stück schliessen kann. Während der grössere Teil des Fundes an das Königliche Münzkabinet nach Berlin gesandt wurde, fand hier eine Untersuchung mehrerer Stichproben sowohl von den grün wie den blau oxy- dierten, im Ganzen einiger Tausend Stück statt, welche folgendes Resultat er- gaben, woraus hervorgeht, dass wir es hauptsächlich mit Münzen der Constanti- nischen Zeit zu thun haben: Mittelbronzen.

1. A. : Imp. Maxentius p. f. Aug. Kopf mit Lorbeerkranz nach rechts. R. : Con- serv. urb. suae. Tempel mit 4 Säulen, im Inneren Roma und Victoria.

2. A. : Imp. C. Constantinus p. f. Aug. EopfmitLorbeerkr. nach rechts. R. : Prin- cipi iuventutis. Der Kaiser stehend in jeder Hand eine Standarte haltend.

Kleinbronzen.

3. A. : Fl. Helena Augusta. Kopf nach rechts. R.: Securitas reipublicae. Frau mit Ähre nach links, unten PTR oder SIS.

4. A. : Helena n. f. Büste nach rechts. B.: Stern in einem Kranze. Coh. 14.

5. A.: Imp. Licinius Aug. Kopf mit Lorbeerkr. nach rechts. R. : D. n. Licini Augusti, im Kranze vot. xx unten SA und SANT.

6. A. : Imp. Licinius p. f. Aug. R. : Genio pop. Rom. Genius mit Schale und Füll- horn. Coh. 49.

7. A. : Imp. Val. Licin. Licinius p. f. Aug. Kopf mit Lorbeerkranz nach rechts.

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R. : lovi conservatori. Jupiter eine Victoria haltend.

8. A. : Licinius iun. nob. c. Kopf mit Lorbeerkr. u. Kürass nach rechts. R. : Vict. laetae princ. per. 2 Victorien einen Schild mit vot. p. r. haltend, darunter ein Säulen- stumpf mit S.

9. A.: Constantinus Aug. Kopf mit Helm oder Lorbeerkranz nach rechts. R.: Beata tranquillitas. Altar mit der Aufschrift: vot x oder xx, unten CR* PLG oder PTR.

10. A.: Constantinus Max. Aug. Kopf mit Diadem nach rechts. R. : Constantiniana Dafne. Victoria auf einem Säulenstumpf sitzend, vor ihr eine Trophäe und der Buchst. A, zu ihren Füssen ein Gefangener, unten CONS.

11. A.: Constantinus Aug. Kopf mit Lorbeerkr. nach rechts. R.: D. n. Con- stantini Max. Aug. vot xx im Kranze, unten STR PA, PTR, PL oder SMRB.

12. A. : Constantinus Aug. Kopf mit Lorbeerkr. nach rechts. R.; D. n. Con-» stantini Max. Aug., im Kranze: vot. xx. Coh. 123.

13. A.: Constantinus Max. Aug. Kopf mit Lorbeerkr. nach rechts. R.: Gloria exercitus. 2 Feldzeichen und eine Ähre zwischen 2 Soldaten, unten P. CONST.

14. A.: Constantinus Aug. Kopf mit Lorbeerkr. nach rechts. R.: Providentiae Augg. Lagerthor mit 2 oder 4 Türmchen und 1 Stern, unten SAR, SIS, STR oder STRE.

15. A.: Constantinus Aug. Kopf mit Lorbeerkr. nach rechts. R.: Sarmatia devicta. Victoria nach rechts, zu ihren Füssen ein Gefangener, unten PLG V, PLG"^, STRM oder STR^.

16. A.: Imp. Constantinus p. f. Aug. Kopf mit Lorbeerkr. nach rechts. R. : Soli invicto comiti. Sol stehend, unten STR oder TT.

17. A.: Imp. Constantinus A. Kopf mit Helm und Kürass nach rechts oder links. R.: Victoriae laetae princ. perp. 2 Vic- torien halten einen Schild mit der Auf- schrift vot. p. r.

18. A.: Constantinus Aug. Kopf mit Lorbeerkr. oder Perlenschur nach rechts.

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E.: Yirtus Augg. Lagerthor mit 2 oder 4 Türmchen und 1 Stern, unten ARLS.

19. A.: Constantinus Aug. Büste mit Helm und Eürass oder Kopf mit Lorbeerkr. R.: Yirtus exercit. Fahne mit yot. xz, am Fusse der Stange 2 Gefangene, rechts C. N., unten PLO, PTR oder TT.

20. Urbs Roma. Coh. 17. In Varian- ten : Über der Wölfin 2 Sterne oder Sterne mit Kranz y einfachem oder dreiteiligem Palmzweige dazwischen.

21. Urbs Constantinopolis, Coh. 21, mit und ohne Monogramm Christi.

22. A.: Flav. Max. Fausta Aug. R.: Sa- lus reipublicae. Fausta stehend mit 2 Kindern in den Armen. Coh. 6.

23. A.: Flav. Max. FausU Aug. Kopf nach rechts. R.: Spes reipublicae. Spes stehend mit 2 Kindern an der Brust.

24. A. : Faasta n. f. Büste nach rechts. R.: Stern in einem Kranze. Coh. 23.

25. A.: Fi. lul. Crispus nob.Caes. Kopf mit Lorbeerkr. nach rechts. R. : Alamannia devicta. Victoria nach rechts schreitend. Coh. 1.

26. A. : Crispus nob. Caes. (oder nobil C.) Kopf mit Lorbeerkr. oder Helm und Kürass nach rechts oder links. R : Beata tran- quillitas. Altar mit der Aufschrift: votis XX, rechts und links davon häufig die Buch- staben C. und R., unten P. LG oder P. LON.

27. A. : lul. Crispus nob. Caes. Büste mit Lorbeerkr., Kürass, Schild und Lanze Bach links. R. : Beata tranquilliUs. Altar mit: votis xx, unten P. TR.

28. A. : Crispus nob. Caes., lulius Cris- pus nob. C oder lul. Crispus nob. Caes. Kopf mit Lorbeerkr. nach rechts oder links. R. : Caesarum nostrorum im Kranze vot. V oder x, unten SIS, ST, PLC.

29. A. : Crispus nob. Caes. Kopf mit Lorbeerkr. nach rechts oder: Fl. lul. Cris- pus nob. Caes. Kopf mit Lorbeerkr. und paludamentum nach links. R.: Providen- tiae Caess. Lagerthor mit 2 Türmchen und 1 Stern, unten P. TR.

30 A. : Crispus nob. Caes. Büste mit Helm und Kürass nach rechts. R.: Vir- tus exercit. Trophäe mit 2 Gefangenen, unten P. TR.

31. A.: Crispus nob. Caes. Kopf mit Helm und Kürass nach rechts oder: D.

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n. Crispus nob. Caes. Kopf mit Lorbeerkr. nach rechts.

32. A.: Fl. lul. Crispus nob. Caes. Kopf mit Lorbeerkr. nach rechts. R.: Victoriae laetae princ. perp. 2 Victorien halten einen Schild mit der Aufschrift: vot. p. r.

33. R. : Virtus exercit Fahne mit der Aufschrift: vot. xx, am Fusse der Stange 2 Gefangene, unten: PLC, P. LON oder STR.

34. A.: Constantinus iun. nob. Caes. Kopf mit Lorbeerkr. nach rechts. R: Alamannia devicta. Victoria mit Trophäe nach rechts, zu ihren Füssen ein Gefan- gener, unten SIRM.

35. A.: Constantinus iun. n. C, nob. Caes. oder nob. C. Kopf mit Lorbeer- kranz nach rechts oder mit Helm und Kürass nach links. R. : Beata tranquillitas. Altar mit der Aufschrift : votis xx, zu bei- den Seiten: CR, unten: P. LC, P. LON oder P. TR.

36. A. : Constantinus iun. nob. C. Baste mit Lorbeerkr. und Kürass nach links, auf der Hand die Victoria. R. : Wie bei der vorigen.

37. A. : Constantinus iun. n. C Kopf mit Zackenkrone und paludamentum nach links. R.: Wie bei der vorigen.

38. A. : Constantinus iun. nob. C. Baste mit Lorbeerkr., Prachtmantel und Scepter nach rechts. R. : Wie bei der vorigen.

39. A. : Constantinus iun. nob. C. Büste mit Lorbeerkr. nach rechts. R. : Gloria exercitus. 2 Feldzeichen zwischen 2 Sol- daten. Coh. 122.

40. A. : Constantinus iun. nob. C. Kopf mit Lorbeerkr. nach rechts oder links. R. : Caesarum nostrorum, im Kranze TOtx, unten PTR.

41. A. : Constantinus iun. nob. C. Büste mit Lorbeerkr. und paludamentum nach rechts oder links. R. : Providentiae Cacss. Lagerthor mit 2 Türmchen und 1 Stern, unten : STR, R. T., P. LC, PTR oder ARLO.

42. A. : Fi. lul. Constantinus nob. C. Büste mit Lorbeerkr. und paludamentum nach links. R. : Wie bei der vorigen.

43. A. : Constantinus iun. nob. C. Kopf mit Lorbeerkr. nach links. R.: Virtoa

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Caess. Lagerthor mit 4 Türmchen und 1 Stern, unten P. CONST. oder ARLS.

44. A. : Constantinus iun. nob. C. Büste mit Lorbeerkr. nach rechts. R. : Yirtus €ae88. Der Kaiser nach rechts galoppie- rend. Coh. 240.

45. A.: Constantinus iun. n. G. Büste mit Zackenkrone nach links. R.: VIrtus exercit. Trophäe mit zwei Gefangenen. Coh. 262.

46. A. : Constantinus iun. nob. C. Büste mit Lorbeerkr. und Kürass nach rechts. R.: Yot. V. mult. x. Caess. TSB in 4 Reihen, von einem Lorbeerkr. eingefasst. Coh. 273.

47. A.: Constantius iun. n. Kopf mit Lorbeerkr. nach rechts. R. : Gloria exer- citus. 2 Feldzeichen und ein Kranz zwi- schen 2 Soldaten, unten: P. CONST.

48. A. : Constantius nob. Caes. Kopf mit Diadem und paludamentum nach rechts oder links. R. : Provideniiae Caess. Lager- thor mit 2 Türmchen und 1 Stern, unten STR.

49. A. : D. n. Constantius nob. C. Kopf mit Lorbeerkranz nach rechts. R. : Yir- tus exercit. Fahne mit der Aufschrift TOt. XX, am Fusse der Stange 2 Gefangene, zu beiden Seiten A und S, unten PTR oder PLC.

50. A. : Constatnis (für - Constantius) !N. HO, Kopf mit Diadem, von welchem nach dem Hinterkopfe zu eine Art Schleier herabhängt, nach rechs. R. : P (oder Y), K (A oder Y) . . SHIT . . TC (oder S) ON. Lagerthor mit 2 Türmchen und 1 Stern, unten: NSN.

Da die Münzen die verschiedendsten Prägeorte zeigen: Rom, Constantinopel, Alexandria, Sirmium, Siscia, Trier, Arles, Lyon und London, so ist der Gedanke ■ausgeschlossen, dass dieselben einer Köl- nischen Münze entstammen, sondern sie sind durch den Yerkehr aus allen Pro- vinzen des römischen Weltreiches Italien, Ägypten, Pannonien, Gallien, Britannien hier zusammengekommen und haben wahr- scheinlich den Bestand einer öiFeutlichen Kasse gebildet. C. Stedtfeld.

Chronik.

Das eben erschienene Doppelheft der 80. Bonner JahrbOcher (Heft XCYI und XCYII) enthält zunächst die Rektoratsrede von Nissen: Rheinland in römischer Zeit. £8 folgt dann: H. Dragendorff: Terra sigillata, ein Beitrag zur Geschichte der griechischen und römischen Keramik ; eine für die westdeutsche Altertumsforschung sehr willkommene Arbeit, auf welche an dieser Stelle noch näher eingegangen wer- den soll. Unter dem Titel: Kleinere Mitteilungen aus dem Provinzialmuseum zu Bonn veröffentlicht J. Klein eine Reihe Ton Inschriften. Hervorgehoben seien zwei Matronensteine aus Zingsheim: MfatronisJ Fachinehifs] . . Flaviiis Com[m]muni8 et

GCaiusJ und Matroniß Fachineihis

. . Crispinius [, . . .Jms pro se [et suis vCotumJ sColvitJ IfubensJ mferitoj], femer mehrere Grabmonumente aus Köln: DCW MfanibusJ lulfiaj Prisfcja viva [sjibi [fecit] und [DfisJ] Mfanibtis) Aurelio Äristaeneto vetferanoj legfionisj primae MfinerviaeJ [AJurelius A[ris]tide [s m]i- \le']8 legfionisj primae MfinerviaeJ hfene- ffieiariitsj cofnjsfularisj patr\i]. Zwei weitere sind bereits von Kisa in der Westd. Ztschr. XHI Sp. 312 fg. veröffent- licht worden. Endlich ein Inschriftrest aus Bonn, der zu einem grösseren Monu- ment gehört haben muss. Er befindet sich auf einem schweren Trachytblock und lautet !

Der obere Rand ist erhalten, die Buch- stabenhöhe in der ersten Zeile ist 9^« cm, in der zweiten 9 cm. Klein ergänzt [Clau]-

dius Ca[esar p'\ontiffexJ m[aximiis

pfaterj] pfatriaej co[fnJsfulJ]. Man

hat die Wahl zwischen den Kaisem Clau- dius und Nero. Klein vermutet nicht ohne Wahrscheinlichkeit, dass der erstere ge- meint und dass die Inschrift infolge seines Aufenthaltes in Gallien im Jahre 43 ge- setzt ist. Da die Inschrift in unmittel- barer Nähe von Mauerresten gefunden worden ist, so dürfte es sich nach Kl. Annahme um eine Bauinschrift handeln.

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Nissen vermatet einen Zasammenhang der Inschrift mit der Gründung des Bonner Lagers (Colonia Aprippinensis S. 161).

Weiter enthält das Heft folgende Auf- sätze:

Düntzer: Domitian in Frontins Stra- tegemata; Nordhoff u. Westhoff: Rö- mische Strassen, Landwehren und Erd- werke in Westfalen; 0. Dahm: Das Pilum ;Siebourg: Beiträge zur Altertums- kunde des Niederrheins (Weihestein aus Nieukerk, Kreis Geldern; Ziegelstempel aus der Nähe von Gellep; Thonbecher mit Graffito aus Asberg; neue Fabrikanten- stempel ausAsberg; unedierte Terrasigil- lata-Näpfe und Glasschalen aus Asberg und Xanten); Th. Mommsen: Die Inter- polationen des gromatischen Corpus; F. W. E. Roth: Die Freiherrlich von Zwier- lein'sche Sammlung von Glasmalereien zu Geisenheim a. Rh.; Nordhoff: Meister Eisenhut. Es folgen dann Litteraturbe- sprechungen und Miscellen. H. L.

81. L. Lttvy nnd H. Lucktnbach: Das forum Romtnum der Kaiterzelt. München und Leipzig, Olden- bourg, 1895. 4«. 1 Mk.

Veranlasst durch einen im vorigen Jahr auf der Versammlung des badischen Ver- eins akademisch gebildeter Lehrer in Hei- delberg gehaltenen Vortrag, verzichtet das Werkchen auf selbständige Forschung und will lediglich den Zwecken des Gymnasial- unterrichts dienen. Der Text zerfällt in drei Hauptabteilungen, indem zunächst ein geschichtlicher Überblick über die Ent- wicklung des römischen forum und comi- tium während der Republik, sowie der fora der Eaiserzeit gegeben wird. Hieran schliesst sich der Hauptabschnitt: Das forum Romanum der Eaiserzeit mit ge- nauerer Beschreibung des Platzes sowie der denselben umgebenden Gebäude und der benachbarten Örtlichkeiten. In einem kurzen Schlusskapitel wird der jetzige Zustand des forums beschrieben. Sehr hübsch und zweckdienlich sind die beige- gebenen Illustrationen, namentlich die Nebeneinanderstellung von rekonstruierter Ansicht und Grundriss (Fig. 3 und Fig. 4), sowie die Ansicht des forum in seinem heutigen Zustande von der Gegend des Titus- bogens her« Die Anschaffung des Heftes für

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Schul- und Vortragszwecke ist bei seiner Billigkeit wohl zu empfehlen. H. L.

Die diesjährige Generalversammlung des 82. Gesammtvereint der deutschen Geschidits- uM Altertumtvereine fand vom 15. bis 18. Sep- tember in Konstanz statt.

Grundsätze, welche bei der Herausgabe 83. von Aktenstttcken zur neueren Geschichte zu befolgen sind. Für die Herausgabe mittel- alterlicher Texte sind bekanntlich schon vor längerer Zeit von verschiedenen Sei- ten ^) Regeln aufgestellt worden, die, wenn sie auch nicht in allen Einzelheiten allge- mein angenommen worden sind, doch zwei- fellos die gute Wirkung gehabt haben, dass in einer Reihe von einschlägigen Fragen eine Einigung erzielt wurde, und dass an Stelle der früheren individuellen Willkür gewisse Normen für unsere Quel- leneditionen allgemein massgebend ge- worden sind. Solche Regeln auch für Quellenpublikationen zur neuen Geschiebte aufzustellen, ist bisher nicht versucht wor- den; das Verlangen danach ist aber um so erklärlicher, je schneller die Zahl dieser Publikationen in den letzten Jahren an- wächst. Professor Felix Stieve in München hat sich die dankenswerte Auf- gabe gestellt, diesem Bedürfnis zu ent- sprechen. Er hat Grundsätze, welche bei der Herausgabe von Aktenstücken zur neuem Geschichte zu befolgen sind, aas- gearbeitet, diese Grundsätze auf dem Leip- ziger Historikertag 1894 zur Diskussion gestellt und dieselben nach nochmaliger Revision und unter Berücksichtigung von Verbesserungen und Ergänzungen, die ihm von anderen Fachmännern empfohlen wur- den, dem Frankfurter Historikertag 1895 zur Begutachtung vorgelegt. Die Ver- sammlung hat die Gnmdsätze in der Form, wie sie hier folgen, nach längerer Bera- tung gutgeheissen, und so ist dringend zu wünschen, dass es gelingen wird, auf dieser Grundlage auch für die Veröffentlichung der Quellen für neuere Geschichte eine allgemeine Einigung zu erzielen.

1) Es genügt der Hinweis auf Weis «ick« rs Vorbemerkungen zum 1. Band der Beichitageakten. auf K. Menzels tind Th. Lindners Grund- sätze fflr die Herausgabe der Publikationen der Gesellschaft fOr Bheinische Geschichtskonde becw. per historsiche Kommission für die Provinz Sachsen.

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Leitende Gesichtspunkte: 1. Eine Einigung der deutschen Gelehrten in der angedeuteten Kichtung ist äusserst wün- schenswert, kann jedoch weder auf dem Wege eines einheitlichen, streng durchge- büdeten Systems, noch in einer jedes Be* denken ausschliessenden und jeden Ein- zelnen völlig hefriedigenden Weise, sondern nur nach Massgabe von Zweckmässigkeit und Erfahrung, sowie durch Aufopferung persönlicher Liebhabereien, Gewohnheiten und Meinungen erreicht werden; 2. wem die Begabung zum Heransgeben von Akten fehlt, dem können auch die besten Regeln nicht helfen ; auf solche Unberufene ist daher bei der Aufstellung der Regeln nicht Rück- sicht zu nehmen; 3. ebensowenig können für diese die Interessen der Sprachforschung und der Sprachgeschichte massgebend sein, da beide Wissenszweige in zahlreichen Drucken und leicht zugänglichen Hand- schriften genügende Quellen für ihre Zwecke besitzen, durch buchstäblich getreue Wie- dergabe der Briefe hervorragender Per- sönlichkeiten immerhin beträchtliche Be- reicherung empfangen und durch den ge- nauen Abdruck der anderen, höchstens in Einzelheiten durch die Mundart beein- flussten Schriftstücke weit weniger Vorteil gewännen, als für den eigentlichen Zweck der Veröffentlichung Nachteil erwüchse; 4. dem masslosen Anwachsen der Akten- veröffentlichungen ist zu steuern ; 5. Akten- veröffentlichungen sollen dem Benutzer eigenes Zurückgehen auf die Vorlagen er- sparen; B. dem Herausgeber und dem Leser ist ihre Arbeit möglichst zu erleich- tern; 7. zur Erzielung einheitlichen Ver- fahrens bei den Veröffentlichungen sind möglichst einfache Regeln aufzustellen; 8. diese sollen sich möglichst an die für Herausgabe mittelalterlicher Quellen gel- tenden Grundsätze anschliessen.

L Aktenveröffentlichungen zur neueren Geschichte und zwar der politi- schen sowohl wie der Wirtschafts- und Verwaltungsgeschichte sind nur da am Platze, wo es sich um Angelegenheiten oder Persönlichkeiten von hervorragender Bedeutung handelt, und zu deren Wür- digung allseitige Kenntnis des Quellenstoffes erforderlich ist. Andernfalls genügen ent-

weder Darstellungen, denen Aktenstücke als Beilagen, wichtigere Quellenstellen und die erforderlichen Nachweise als Anmer^ kungen, sowie Nebenergebnisse der Akten- forschung als Anhänge beigefügt werden« können, oder Bearbeitungen, welche die wichtigen Aktenstücke im Wortlaute,, den übrigen Stoff aber in verbindendem Texte und Anmerkungen mitteilen.

H. Die Aktenveröffentlichnngea haben nur die ihrem ganzen Wortlaute nach wichtigen Aktenstücke in solchem» mitzuteilen; in der Regel genügen Aus- züge, welchen besonders belangreiche Stellen wortgetreu einzufügen sind.

HI. Die Auszüge sollen nicht nur die in einem Aktenstücke behandelnden Gegen- stände aufzählen oder in Kürze bezeichnen,, sondern dasselbe seinem ganzen, für die Veröffentlichung zu berücksichtigenden') Inhalte nach und soviel wie möglich auch seiner Färbung nach wiederzugeben suchen,, damit für den Benutzer ein Zurückgehen auf die Vorlage unnötig wird.

IV. Bei Auszügen von Briefen, In- struktionen u. dgl. ist die direkte Rede- weise der Vorlage (Wir teilen dir mit u. s. w. Unser Gesandter soll S. L, mel- den u. 8. w.) beizubehalten').

2) Es Ist der Wunsch geftuasert worden, diese- Einschrftnkung fallen la lassen; dadurch würde jedoch dem die Akten fOr einen bestimmten Zweck bearbeitenden Herausgeber und seiner Veröffent- lichung eine viel zu grosse Last auferlegt wer-> den, da Instruktionen, Gesandtschafteberichte und Zeitungsberichte oft eine Menge der verschieden- artigsten Gegenstftnde behandeln.

3) Diese Forderung hat ebensoviel Zustim- mung wie Widerspruch erweckt. Letzterer mag oft ans der Liebe cum Hergebrachten ohne vor- g&ngigen Versuch mit dem Neuen erwachsen. Ich gebe indes au, dass sich auch bei Aussagen in indirekter Sede Zweideutigkeit in ausgedehntem Masse vermeiden läset, wenn man den Briefschrei- ber stets mit er und alle anderen Personen mit ihren Namen oder deren Anfangsbuchstaben be- zeichnet und den nicht auf den Verfasser bezüg- lichen Fürwörtern erläuternde Zusätze beigiebt. Sehr gross bleibt jedoch die Gefahr, dass dem Herausgeber, welcher die Akten vor sich hat, ein Auszug unzweideutig erscheint, der dem Leser doch Irrtum frei lässt; sehr häufig wird ferner ein solches Verfahren einen äusserst schleppenden Satzbau verursachen, und wo mehrere Personen an mehrere schreiben, wird es einen entsetzlichen Stil erzeugen ; immer aber wird es für den Leser

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y. Der Herausgeber soll womöglich •den gesamten auf seinen Gegenstand be- :züglicben Stoff zu sammeln und zu ver- werten trachten; unter allen Umständen ■aber hat er die Akten, deren Bearbeitung er unternimmt, für seinen Gegenstand er- schöpfend auszubeuten.

VI. Er soll die gesamte einschlägige Litteratur heranzuziehen bemüht sein.

VII. In wortgetreu mitzuteilenden Akten- stücken und Stellen ist die I n t e r p u n k t i o n sinngemäss zu gestalten. Um bei sehr langen und verwickelten Satzbauten Verständnis und Überblick zu erleichtem, sind folgende Massnahmen anzuwenden: 1. lange, ein- 4inder gleichgeordnete Nebensätze werden durch Strichpunkte von einander getrennt ; 2. ein sehr langer Vordersatz wird von seinem Nachsatz durch einen Doppelpunkt geschieden; 3. die Bindewörter und Zeit^ Wörter, welche den Satzbau beherrschen, werden durch gesperrten Druck hervorge- hoben; 4. Einschaltungen, welche den Satz- ^au stören oder grossen Umfang besitzen, werden durch je einen Gedankenstrich vor tind hinter ihnen gekennzeichnet.

VIII. Absätze können ohne weiteres 2ur Raumersparung oder zur Wahrung •des Zusammenhanges weggelassen, bezw. -dem Sinne gemäss angebracht werden. Bei -sehr ausgedehnten Stücken empfiehlt sich die Einteilung in Absichnitte und die Be- jseichnnng dieser durch arabische Ziffern, welche in eckige Klammern [o] einge- schlossen sind.

ermQdend sein, eine Reihe tolctaer S&tse oder gar AoBzttge hintereinander sn lesen. Bei Anwendung •direkter Bede dagegen fallen nicht nur diese Missstände fort, sondern der Ansang kann kUrser und nnbedingrt werden; er kann mit Leichtigkeit Feinheiten der Vorlage wiedergeben, er kann mtkhelos au wörtlicher Anführung auch nur we- niger Worte übergehen, und er kann ohne weite- res EU erkennen geben, ob der Briefsuhreiber mit ich oder wir spricht und den Empfänger mit Du, Er, Ihr, Sie oder einem Titel anredet, was in der Regel yon Belang ist und durch Vermerke wie Hand- oder Kansleischreiben nicht genOgend klar gelegt wird. Den Einwurf, dass es schwierig sei, Auszug und wörtliche Anführung zu untersohei- ■den, halte ich nicht für begründet; vom 16. Jahr- hundert an bis über die Mitte des 18. hinaus machen Sprache und Schreibweise eine Verwechs- lung unmöglich, und auch bei Jüngeren Stücken •dürften Anführungszeichen genügenden Schnta 'bieten.

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IX. Zweifellose Schreibfehler sind ohne Bemerkung zu beseitigen; in der Vorlage erfolg[te Änderungen sind nur dann, wenn sie ihres Inhaltes oder ihres Urhebers wegen Bedeutung besitzen, zu berücksichtigen; im Text ist dabei stets die endgültige Fassung anzugeben.

X. Lücken der Vorlage sind durch

gebrochene Linien , Anslassnn-

geo des Herausgebers durch Punkte

zu bezeichnen, und ist dabei die Grösse der Lücke oder Auslassung durch grössere oder geringere Menge der betreffenden Zeichen anzudeuten. Die herkömmlichen Curialien (gnädigst, unterthänigst u.dgl.) können, wenn sie nicht aus besonderen Gründen beachtenswert erscheinen, ohne Bemerkung wegfallen, und bedeutungslose Tautologieen (z. B. Wir melden und be- richten) dürfen stillschweigend halbiert werden.

XI. Abkürzungen der Vorlagen, deren Bedeutung keinem Zweifel unter- liegt, sind ohne Vermerk aufzulösen; Er- gänzungen anderer Abkürzungen sind durch [] deutlich zu machen.

XII. Einschaltungen, welche die Vorlage selbst in Klammern giebt^), sind durch runde Klammern (), Einschaltungen des Herausgebers und Stellen, zu welchen eine redaktionelle Bemerkung [dass sie ?on anderer Hand beigefugt, nachträglich ge- strichen, abgeändert u. s. w. seien] nötig ist, durch eckige Klammern [ ] zu bezeich- nen. Unsichere Lesungen sind durch ein eingeklammertes Fragezeichen [?], be- fremdliche, aber gesicherte Ausdrücke durch ein eingeklammertes Ansrufungs- zeichen [!] bemerkbar zu machen.

Xni. In Ziffern oder Zeichen ge- schrieben gewesene Stellen der Vorlagen können durch kursiven Druck gekennzeich* net werden ; doch genügt es in der Regel, der Angabe des Fundortes u. s. w. den Vermerk : in, bezw. mit Ziffern beizufügen.

XIV. Die gebräuchlichen Anrede- und Schlussformeln sind nur in Kürze an- zudeuten, falls nicht besondere Umstände ihre Mitteilung empfehlen.

4) Über andere Einschaltungen der Vorlag« vgl. Sats VII unter 4.

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XY. Orosse Anfangsbuchstaben werden bei wörtlicher Wiedergabe ange- wendet beim Beginn eines Satzes, bei Eigen- namen, bei Siglen für Anrede- und Titel- formen (E. Dt, V. u. 8. w. aber E. fl. Dt, y. Mt^ imp.) und in Briefen bei den auf den Angeredeten bezüglichen Fürwör- tern. Bei von Eigennamen abgeleiteten Eigenschaftswörtern dürfte auch im Deut- schen die Minuskel vorzuziehen sein.

XVI. Abkürzungen sind im Druck nur für die Anredeformeln regelmässig zu verwenden, im übrigen aber womöglich ganz zu vermeiden und jedenfalls auf Titel und auf Wörter, welche überhaupt oder in der betreffenden Veröffentlichung sehr häufig vorkommen, zu beschränken.

XVII. Für deutsche Aktenstücke insbesondere gelten folgende Regeln: a) Bei eigenhändigen Briefen hervorragender Per- sönlichkeiten kann die Schreibweise der Vorlagen mit Ausnahme der Anwen- dung grosser Anfangsbuchstaben, wofür auch hier Satz XV gilt, beibehalten wer- den. Im übrigen wird sie in folgender Weise vereinfacht: Es wird nichts zuge- setzt, und es wird an den Helllautem nichts geändert, ausser dass auf die mundartliche Aussprache bezügliche Zeichen bei letzte- ren weggelassen werden; jede unserer Schreibweise nicht entsprechende Häufung von Mitlautern wird jener soviel wie mög- licli durch Weglassung von Mitlautern ge- nähert; wo V oder w für u stehen, wird dieses gesetzt und umgekehrt; für j tritt ausser in Eigennamen und Wörtern griechi- schen Ursprungs immer i ein ; Eigennamen werden stets der Vorlage gemäss geschrie- ben, wenn nicht eine bestimmte Schreib- weise zweifellos gesichert ist; Wortver- bindungen, welche unserer heutigen Schreib- weise nicht entsprechen, sind aufzulösen, dagegen getrennte Wörter, welche bei uns als zusammengesetztes Wort erscheinen, zu verbinden, b) Die Siglen für Titel und Anreden werden in der Weise ge- bildet, dass von dem dazu gehörenden Fürwort der erste, vom Titel selbst der «rste und letzte Buchstabe gesetzt werden. (E. Mt I. Dt). Ausnahmen bilden E. W. für E. Würde und Würden und E. L. für E. Lieb und Liebden. Bei Titeln,

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welche den gleichen Anfangsbuchstaben besitzen, wird die Regel für den höchsten angewendet, für die anderen aber ausser dem ersten und letzten Buchstaben noch der zweite und nötigenfalls auch der dritte oder, wenn dieser mit dem zweiten gleich - lautet, der vierte Mitlauter des Wortes gesetzt. (Ht = Heiligkeit, Hht = Hoheit, Hrft = Herrlichkeit, Hrscht = Herrschaft, Hochmögt«n = Hochmögenheiten). c) Für die Bildung anderer Siglen und für Ab- kürzungen gelten folgende Regeln: Bei Wörtern, welche mitHelllautern oder einem Mitlauter beginnen, wird der erste Buch- stabe gesetzt; bei Wörtern, welche mit zwei Mitlautem anheben, verwendet man beide ; pf, seh und st gelten dabei als ein einziger Buchstabe. Drohen Verwechs- lungen, so wird die Regel auf das einsil- bige oder, wenn ein solches nicht in Frage kommt, auf das am häufigsten abgekürzt zu gebrauchende Wort (also vor allem die Titel) angewendet, bei den anderen aber der Anfangsbuchstabe der zweiten Silbe herangezogen oder, wo dieser ein Hell- lauter ist, oder seine Verwendung Ver- wechslung nahelegen würde, der Schluss- bachstabe des Wortes, oder, wenn dieser ein Helllauter ist oder Verwechslung ver- ursachen könnte, der zweite Buchstabe des Wortes benutzt (H. = Herr, Hz. = Her- zog, Kn. = Knecht, Kg. = König, Ks. =- Kaiser, Ki. = Kirche, Ba. = Bauer, Bü. = Bürger). Erscheint zur Verhütung von Missverständnissen eine grössere Zahl von Buchstaben erforderlich, so ist vor allem der Schlussmitlauter des Wortes zuzu- ziehen. (Kzl. = Kanzel; davon abgelei- tet : Kzler. = Kanzler, Kzlei. = Kanzlei). Bei zusammengesetzten Wörtern und Wör- tern, welche zusammen einen Begriff bil- den, werden die vorstehenden Regeln auf jedes Glied der Verbindung angewendet, und zwar, wo es sich um getrennt auf- tretende Wörter handelt, immer, bei ver- bundenen aber, falls Verwechslung droht, unter Benützung grosser Anfangsbuchsta- ben für jeden Teil der Abkürzung, (ut. = unterthänig, Kf. = Kurfürst, Rf. = Reichs- fürst, Rlfr. = Religionsfriede, Eh. = Erz- bischof, Ehz. = Erzherzog, KG. = Kam- mergericht, RHR. = Reichshofrat, AG. =

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Augsburger Gonfession). Genügt dies nicht, so ist die erste Silbe des zusammengesetz- ten Wortes auszuschreiben. (Abschr. = Abschrift, Aufschr. = Aufschrift, Beil. = Beilage). Fest eingebürgerte Abkürzungen wie Cpt. Concept, Cgm. = Codex ger- manicus Mouacensis können trotz diesen Regeln beibehalten werden, d) Verdop- pelung eines Buchstabens in den Siglen und Abkürzungen bedeutet die Mehr- zahl, und zwar ist bei Siglen der Anfangs- buchstabe des Titels (E. DD«), bei Ab- kürzungen dagegen, falls diese nicht nur aus einem Buchstaben bestehen, der letzte derselben (Ff. Fürsten, Hzz. = Her- zoge) zu verdoppeln ; bei zusammengesetz- ten Wörtern trifft die Verdoppelung nur den in die Mehrzahl zu setzenden Teil. (Kff. =: Kurfürsten). Geschlechts- und Steigerungsendungen sind den Ab- kürzungen anzuhängen (Kgin = Königin, agnster = allergn&digster), ebenso die F a 11 - endungen, welche indes als solche durch Vorsetzung eines Apostrophs zu kennzeich- nen sind. (Ks's = Kaisers), e) In deutsche Aktenstücke eingestreute und nicht in den Endungen germanisierte Wörter sind ge- mäss den für Fremdsprachen geltenden Regeln zu behandeln, also mit Minuskeln zu beginnen, in der Schreibweise nach der Vorlage zu richten u. s. w.

XVIII. In lateinischen Akten- stücken ist, abgesehen von den allge- mein gültigen Regeln, a) die Schreib- weise nur insoweit zu ändern, als u, wo es für V steht, in dieses umgetauscht wird und umgekehrt und für ij stets ii gesetzt wird, b) Zur Bildung von Siglen für Anrede- und Titelformeln verwendet man ausser dem Anfangsbuchstaben des Fürwortes im Nominativ den ersten Buch- staben des Titels. Falls Verwechslungen drohen, wird die Regel auf den höchsten Titel angewandt, für die übrigen aber die erste Silbe benützt (S. = Sanctitas, Ser. -= Serenitas). Eine Ausnahme bildet D. «= Dominatio und Dil. = Dilectio. Die Fallendungen werden dem Titelsigel ange- hängt und zwar über der Zeile stehend. (Mti = Majestati, Am = Altitudini). Mit dem Titel verbundene Eigenschaftswörter werden im Positiv auf die erste Silbe und

den Anfangsbuchstaben der zweiten ge- kürzt; der Superlativ wird durch über der Zeile stehende Beifügung der Endung ge- kennzeichnet (ill, illmn*, caes. reg.); sancto» und sacer können, da eine Verwechslung^ ausgeschlossen ist, beide mit s. gegeboi werden, c) Für Abkürzungen gelten die bei Veröffentlichungen mittelalterlicher Stücke eingebürgerten Regeln.

XIX. Aktenstücke in neueren, fremden Sprachen sind a) in der Schreibweise, abgesehen von den durch die allgemeinen Regeln bedingten Ände- rungen, genau nach der Vorlage wieder- zugeben und für y ist, wo dies dem jetzigen Sprachgebrauch entspricht, i zu setzen; b) die Sigel für Titel und Anredeformen werden wie im Deutschen gebildet, indes ist, wenn der Titel mit einem HelUauter endet, auch der vorletzte Buchstabe bei- zuziehen (Md, M**). Beigefugte Eigen- schaftswörter werden wie im Lateinischen behandelt, c) Abkürzungen sind ausser in einigen, den fremden Vorlagen selbst gewöhnlichen Fällen (lesd. = lesdüs, d. = detto oder dicho u. s. w.) zu vermei- den, d) Accente sind mindestens insoweit, als es für leichteres Verständnis wünschens- wert ist, gemäss dem heutigen Gebrauch der Sprache zu setzen.

XX. Alle Aktenveröff'entlichungen sind in lateinischen Lettern zu drucken^). Für 15 ist fs anzuwenden.

XXI. Als Format ist Oktav zu wählen.

XXII. In der Mitte des oberen Randes jeder Seite ist die Jahreszahl, in dem der Seitenzahl entgegengesetzten Längsrande neben der ersten Zeile des Textes oder, wo mehrere Stücke auf derselben Seite^ stehen, neben der ersten Zeile jedes Ak- tenstückes die Nummer, im anderen Längs- rande aber neben der ersten Zeile des Stückes Tag und Monat der Abfassung anzugeben. Andere Randbemerkungen, z. B. kurze Inhaltsangaben, können den hier zu- letztbezeichneten angeschlossen werden.

XXIII. Die Daten sind vom Jahre 158:^ an in den Randnoten nach dem neuen Kalender anzugeben; ist das Aktenstück nach dem alten Kalender datiert, so wird

5) Dies empfiehlt sich vor allem wegen der ao Überaus hftafig ein gestreuten Fremdwörter.

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•das alte und neue Datum in Bruchform ausgedrückt (^^/ss). Am Schlüsse des Ak- tenstückes wird die Datierung gemäss der Vorlage gegeben, wobei Actum mit A., Datum mit D., Signatum mit S. gekürzt und alle entbehrlichen Zutbaten ausser Ort, Tag, Monat und Jahreszahl wegge- lassen werden können.

XXIV. Jedem Aktenstücke ist ausser der fortlaufenden Nummer als Ü b e r s c h r i f t eine kurze Angabe vorauszusetzen, welche hei Briefen den Absender und £mpfänger, bei anderen Aktenstücken deren Art, Aus- steller, Empfänger und Bestimmung [z. B. Instruktion des Kaisers für N. N. zum Keichstage] oder, wo nicht alle diese An- gaben möglich sind, wenigstens den Be- treff bezeichnet.

XXV. Die Adresse (ausser in der Überschrift) mitzuteilen, ist, wenn nicht besondere Umstände wie Titelstreitigkeiten u. dgl. vorliegen, unnötig. Von anderen Hückvermerken sind nur die sachlich wichtigen, namentlich aber die Abgangs- und Einlieferungsvermerke [abgeg. und eingel.] mitzuteilen.

XXVI. Der Inhalt der Aktenstücke ist durch kurze Angaben an ihrem Kopfe oder durch gesperrten Druck bezeichnen- der Wörter in ihnen leicht ersichtlich zu machen. Bei sehr ausgedehnten Stücken empfehlen sich beide Wege vereint, sowie kurze Inhaltsangaben am Bande bei den [gemäss Satz VIII gebildeten] Abschnitten.

XXVII. Hinter') jedem Aktenstücke ist der Fundort anzugeben und zwar mit genauer Wiedergabe der Signatur, welche der betreffende Band oder das Bündel im Archiv oder in der Bibliothek trägt, und mit Bezeichnug der Seite, auf welcher dort das mitgeteilte Stück beginnt. Weiter ist anzugeben, ob ein Entwurf [Entw.] oder eine Urschrift [Crschr.[ oder eine Ab-

6) Die in diesem Satze besprochenen Angaben gleich am Kopfe des Aktenstückes anzubringen, hat manche Torteile-, es wird jedoch da nicht möglich sein, wo eine umständlichere Entstehungs- geschichte eines Stückes mit Hinweis auf zahl- reiche, mit Seite und Zeile zu bezeichnende Stellen desselben zu geben ist; auch wird die Übersichtlichkeit beeinträchtigt, wenn der Über- schrift und der Inhaltsangabe noch mehrer« Zeilen anderen Betreffs folgen.

Schrift [Abschr.] vorliegt und ob die Ur- schrift in der Kanzlei ausgefertigt und vom Briefsteller nur unterzeichnet [ausg. ürschr.] oder von letzterem selbst ge- schrieben [eigh. ürschr.] ist. Besitzt man die Urschrift, so wird natürlich diese der Veröffentlichung zu Grunde gelegt und ist es unnötig Abschriften zu verzeichnen, falls nicht deren Vorhandensein in dieser oder jener Sammlung von Bedeutung ist. Entwiirfe sind stets auch neben der Ur- schrift zu verzeichnen, mit dieser zu ver- gleichen und, wo es angeht, in ihrer Entstehung zu verfolgen; auch ist ihr Verfasser oder Bearbeiter womöglich an- zugeben. Zur Unterzeichnung vorgelegte Reinschriften des Entwurfs, welche dann noch vom Fürsten selbst oder einer lei- tenden Persönlichkeit durchgeait>eitet sind, bezeichnet man als Reinentwurf [Rein- entw.] und behandelt sie wie die Entwürfe selbst. Liegt die Urschrift nicht vor, so sind Entwürfe und Reinentwürfe mit etwa vorhandenen Abschriften zu vergleichen, um. die endgiltige Fassung festzustellen. Liegen nur Abschriften vor, so sind diese, falls nicht besondere Umstände obwalten, lediglich zum Zwecke der Herstellung eines guten Textes zu vergleichen und in diesem lediglich die guten oder im Zweifelfalle die gleichwertigen Lesarten aufzunehmen, die schlechten aber überhaupt nicht zu berücksichtigen. Die Angabe der hier bezeichneten Vermerke hat in der Weise zu geschehen, dass zuerst der Fundort, dann die Art des Stückes, dann der Ver- fasser und schliesslich Nebenvermerke wie : mit Ziffern, beschädigt u. dgl. eingetragen werden. Liegen mehrere Fassungen vor, so fuhrt man zuerst die Urschrift, dann die Entwürfe und Reinentwürfe ihrem Ent- stehungsalter gemäss und schliesslich die Abschriften ihrem Werte nach auf, wobei, falls nicht der Fundort aller Stücke der- selbe ist, vor jedem von ihnen dieser zu bezeichnen ist.

XXVIII. Anmerkungen sind nicht an den Schluss, sondern unter die betreffende Seite des Aktenstückes zu setzen und ge- mäss ihrer Reihenfolge auf dieser, nicht aber mit für das ganze Stück durchlau- fenden Nummern zu bezeichnen.

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XXIX. Jede Aktensammlung ist der Zeitfolge nach zu ordnen, es sei denn, dass sich wie z. 6. bei Yerwaltungsakten bestimmte, einander gar nicht berührende Gruppen bilden lassen. In letzterem Falle ist ein chronologisches Verzeichnis der mitgeteilten Akten beizugeben; im ersteren kann, wo es nötig erscheint, ein sachlich geordnetesYerzeichnis den etwa entstehenden üblen Folgen der zeit- gemässen Anordnung abhelfen.

Unerlässlich ist ein genaues alphabe- tisches Personen- und Sachregister, und zwar ist ein solches bei mehrbändigen Werken jedem Bande gleich bei der Ver- öffentlichung beizugeben. Ein Ortsre- gister wird, soweit es nicht mit dem Sachregister zusammenfällt, in der Regel entbehrlich sein.

84, Kaiser Heinrichs VII. Romfahrt behandelt ein in einem Metzer Codex vorhandenes, von G. Wolfram und F. Bonnardot soeben im 6. Bande des Jahrbuchs für Lothringische Geschichtskunde mit sorg- fältiger Einleitung und Anmerkungen herausgegebenes französisches Gedicht m. d. T. Les voeux de Töpervier. Der Vf. des Gedichts nennt sich nicht ; die Heraus- geber mächen wahrscheinlich, dass der von Heinrich VH. mehrfach zu politischen Sendungen verwandte Metzer Domherr Simon de Marville dasselbe auf Grund eines von einem Teilnehmer an der Rom- fahrt ihm mitgeteilten Berichtes ausgear- beitet hat. Inhaltlich nähert sich diese neue Quelle am meisten der Erzählung Johanns von Winterthur; sie ist reich an lebendigen Momenten; auch poetisch ist sie eine anerkennenswerte Leistung.

35, Der XVI. Band der BIJdragen en Mode- deel Ingen van het historisch gonoottchap to Utrecht ('S Gravenhage 1896) enthält ausser Beiträgen von Fruin, Joosting und Eemkamp einen Abdruck der Rechnungen der Stadt Hattem in Gelderland von 1460—1487. Der Herausgeber derselben, F. A. Hoefer, hat leider von einer Bearbeitung abge- sehen und teilt auch nur die Rechnung des ersten Jahres ungekürzt mit, während er sich bei den folgenden mit Auszügen begnügt

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Mit dem VHI. Bande des InvaslairoSe. sommairo dot archivot d^partomanttlM, di- partomont du Nord, r<dlg4 par Jales Finot

(Lille 189Ö) wird die im IV. Bande be- gonnene Inventarisierung des Rechnungs- wesens der französischen Niederlande ab- geschlossen. Er fuhrt die Übersicht über die Rechnungen der Hofhaltung der Her- zöge von Burgund, die eine Fülle von Stoff für die Wirtschafte-, Kultur- und Sitten- geschichte des 15. und 16. Jahrhunderts in sich bergen, weiter und behandelt fer- ner la recette de l'artillerie, la tresorerie des guerres, la recette du droit d'entree sur les aluns, des comptes divers.

Die Badische historische Kommission 87. hat eine kritische Ausgabe der Stadtrechte und WoiitUmer dos Oborrhoins in ihren Editionsplan aufgenommen. Der erste Band derselben ist nunmehr erschienen und enthält in einer mustergültigen Bear- beitung durch Rieh. Schroeder, Fränkische Rechte und zwar die Stadtrechte voo Wertheim, Freudenberg, Neubrunn und des Oberhofes Wimpfen mit seinen Tochter- rechten.

M. Janttn, Die Htrzogsotwalt d«r EnMtdiOfe lOiiQg. KOIn In WMltal«ll. Manchen, Lttnebarg, I89S.

Der Verfasser weist nach, dass die Erzbischöfe von Köln gegenüber dem er- starkenden Territorialherrentum es nicht vermocht haben, in dem ihnen 1180 übertragenen südwestfälischen Herzogtum ihre herzoglichen Rechte zur Geltung zu bringen, dass diese Herzogsgewalt alter Art vielmehr im 13. Jahrhundert abstarb. Im 14. Jahrhundert erwuchs jedoch aus der der Kölnischen Kirche verliehenen Landfriedenshauptmannschaft eine Herzogs- gewalt neuer Art, und da sich die erstere über ganz Westfalen erstreckte, so ent- stand allmählich die Vorstellung, dass auch das Kölnische Herzogtum dies ganze Ge- biet umfasse. Als Landfriedenshauptleuta beanspruchten die Erzbischöfe von Köln die Oberaufsicht über die Vemgerichte und erhielten im J. 1382 dazu noch das Recht verliehen, in ihrem Herzogtum, d. i. ganz Westfalen, die Freigrafen mit dem Ge- richtsbann zu belehnen. Am Ende des Mittelalters beschränkte sich die Herzogs- gewalt der Erzbischöfe ausserhalb ihres

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westfälischen Territoriums fast ganz auf die Hoheit über die Veme. Kg.

39. In der Sammlung der Oude Vader- landsche RechtsbronnenveröfTent licht S. Maller Fz. das den holländischen Ge- lehrten schon seit langer Zeit bekannte Rechtsboek van den Dom van Utrecht door M' Hugo Wstinc. Wegen ihres umfang- reichen Materials ist diese Sammlung wich- tig für Jeden, der sich mit der stiftischen Verfassung und Verwaltung vertraut zu machen gedenkt. Muller, der auf diesem Gebiet als Autorität gilt, be7.eichnet das Wstincsche Rechtsbuch als eine in ihrer Art einzig dastehende Übersicht der Zu- stände in den so wenig gekannten und doch so merkwürdigen mittelalterlichen Kapiteln. In der Einleitung zu seiner nach Auf- findung einer Abschrift in der Chelten- hamer Handschriftensammlung wesentlich erleichterten Edition giebt Muller eine Biographie Wstincs, der 1342 seine Rechts- sammlung in der Absicht zusammengestellt hat, um den aus Unkenntnis der Verord- nungen und Gewohnheiten in den Stiftern sich erhebenden Streitigkeiten durch Be- kanntmachung der Statuten und Gewohn- heiten möglichst ein Ende zu machen. Es war dies für Utrecht um so nötiger, als der bisher daselbst in Gebrauch gewesene liber camer e aus der Zeit der Natural- wirtschaft nicht mehr in die Zustände des 14. Jahrh. passte. Eine äusserliche Ver- anlassung zur Sammlung der stiftischen rechtsbronnen mag auch die 1340 erfolgte Confiscierung des Utrechter wetboeks ge- boten haben. Jedoch zeigt Wstinc's Ar- beit nicht dieselbe klare Anordnung und Einteilung, welche das Utrechter Stadtbuch aufweist. Wstinc unterscheidet hauptsäch- lich statuta und consuetudines, ordnet aber den ersteren auch wirkliche privilegia unter. Man findet sich aber leicht in dem mit genauen Rubriken und Überschrif- ten für die einzelnen Abschnitte versehe- nen Buche zurecht und kann bequem das sachlich verwandte Material zusammen- finden. Über die Reichhaltigkeit des letz- teren selbst kann nur ein aufmerksames Durchlesen der stellenweise sehr bestimmt und klar gefassten Artikel selbst belehren, wozu durch die von Muller geschriebene

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Einleitung die beste Anweisung gegeben wird. H. Kelleter.

Von dem in Jahrgang XIII Nr. 6 des 90. Korrbl. besprochenen 1. Band der Urkund- lichen Beitrage zur Getcliichte der Stadt MDnstereifel und itirer Umgebung herausge- geben von Dr. Martin Scheins ist nunmehr die 2. Hälfte erschienen. Dieselbe enthält die Ratsprotokolle von 1660—1687 und ein ausgiebiges Register.

Vereinsnachrichten

unter Redaction der Vereinsvorstände.

Biricenfeid. Verein für Altertums- 9K künde im Fürstentum. Am 17. Juli d. J. fand im Hotel Stark zu Oberstein die diesjährige Generalversammlung des „Vereins für Altertumskunde" statt. Zu. derselben waren über 30 Mitglieder und Gäste erschienen. Um halb 4 Uhr eröffnete der Vereinsvorsitzende, Herr Gymnasial- direktor Back- Birkenfeld, die Verhand- lungen mit einer Begrüssung der Versamm- lung und erstattete alsdann den Jahresbe- richt. Nach demselben betrug die Mitglieder- zahl im Jahre 1893 119, stieg im folgenden Jahre auf 126 und ist jetzt auf 136 ange- wachsen. Der Kassenbericht weist eine Ein- nahme von ca. 660 Mark und eine Ausgabe von ca. 600 Mark auf, so dass ein Überschuss von ca. 60 Mark verblieben ist. Weiter gab der Herr Vorsitzende einen Überblick über die im abgelaufenen Vereinsjahr vorgenom- menen Arbeiten: die Aufgrabungen bei Wolfersweiler im Distrikt „Allhopp", auf dem Hommerich bei Bahnhof Birkenfeld- Neubrücke und auf der „Altburg" bei Bun- denbach, femer die Untersuchungen bei Winnenberg, zwischen Heimbach und Leitz- weiler, auf dem „Heiligenhübel'^ bei Gollen- berg in der Nähe des untergegangenen Ortes Höhweiler und an den Kirchen zu Birkenfeld, Idar und Niederbrombach. Die Sammlung des Vereins hat wiederum eine^ ansehnliche Vermehrung erfahren durch zum Teil sehr wertvolle Funde an den eben genannten und anderen Orten.

Der Verein steht mit über 100 auswär- tigen Altertums- und historischen Vereinen im Schriftenaustausch; die Vereinsbiblio- thek hat auch sonst einen ansehnlichen Zuwachs erhalten.

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Dem Germanischen Museum in Nürn- Ijerg wurde wieder ein Beitrag von 6 Mark bewilligt und der bisherige Jahresbeitrag der Mitglieder von Mark 2,50 beibehalten.

Herr Pfarrer Werner -Idar machte sodann an der Hand einer Zeichnung in- teressante Mitteilungen über die im vori- gen Jahre umgebaute Idarer Kirche. Dieselbe sei wahrscheinlich im 12. Jahrh. in kleinem Umfange erbaut, dann im Jahre 1751 restauriert und vergrössert und im Jahre 1894 nochmals erweitert worden. Aus dem Vortrage des Herrn Eedners ging hervor, dass das Kirchspiel Idar früher einen viel grösseren Umfang hatte, als heute; Idarer Pfarrer predigten in Ober- «tein, Siesbach und Kempfeld. Bei dem Umbau sind verschiedene römische Funde gemacht worden, so mehrere eingemauert gewesene Skulptursteine, darunter ein Sechsgötterstein, welche sich sämt- lich in der Sammlung zu Birkenfeld be- finden. Die Annahme, dass die Funde •etwa von der „Heidenh^ck" über Idar her- rührten, bezeichnete der Redner als un- wahrscheinlich ; vielmehr Hessen diese und andere im Orte Idar gemachte römische Funde erkennen, dass dieser Ort bereits in römischer Zeit eine gewisse Bedeutung gehabt habe. Der Vorsitzende dankte Herrn Pfarrer Werner für seinen mit Beifall aufgenommenen Vortrag und be- merkte noch, dass wahrscheinlich auch vor 1751 schon eine Restauration der Idarer Kirche, und zwar im gotischen Stile, statt- gefunden habe.

Er berichtete dann über die im vorigen Herbste vorgenommene lltägige Aufgra- bung auf der „Altburg" bei Bundenbach und ihre wichtigsten Ergebnisse. Ein um- fassender Bericht soll nächstens veröffent- licht werden. Auch dieser Vortrag, der durch eine übersichtliche Zeichnung unter- stützt und veranschaulicht wurde, fand leb- haften Beifall.

Es wurde beschlossen, die Aufgrabungen auf der Altburg in diesem Herbste fortzu- setzen, femer eine besondere Schrift über die Geschichte der Kirchen von Idar, Birkenfeld und Niederbrombach zu veröffentlichen. ^2. PrDm. Gesellschaft für Altertums- kunde. In der am 5. Juli abgehaltenen

208

Generalversammlung legte der Vorsitzende Herr Direktor Asbach vier aus dem Nach- lasse des in Hamburg im Nov. vorigen' Jahres verstorbenen Prof. C. Hamann her- rührende wertvolle Münzen vor: 1) Den ältesten Typus von Paestum in Unteritalien. Der Avers zeigt Poseidon mit einem von beiden Schultern herabhängenden Gewand im Begriff mit dem Dreizack zu stossen. Daneben steht (rückläufig) Mon (Poseidon). Die Rückseite zeigt dieselbe Darstellung incus, jedoch mit besonderem Stempel hergestellt, da angestellte Versuche ge- zeigt haben, dass die beiden Darstellungen nicht genau gleich sind. Es kommt das bei unteritalischen Münzen häufiger vor (z. B. bei Sybaris) und es ist offenbar ein Übergang vom alten quadrah^m incusuw zu zweiseitiger Darstellung. 2) Einen De- nar eines Herzogs von der Bretagne, Conan III., der 1112—1148 regiert hat. Die Vorderseite zeigt in der Umschrift CONANVS (mit liegendem S) sein Mono- gramm ivs, die Rückseite ein Kreuz und die Umschrift ClwCitasJ redonis (Rmn&l, Bezeichnung der Prägstätte. 3) Einen schlesischen Brakteaten einseitiger Prägang unbestimmten Fundorts. 4) Einen sog. Wendenpfennig von der untern Elbe, viel- leicht aus der Hamburger Gegend. Über diese barbarischen Nachprägungen deut- scher oder auch französischer Denare ist noch wenig bekannt. Sie begegnen meist in den sog. Hacksilberfunden des Ostens und sind dann meist zerkleinert, was die genaue Beschreibung sehr erschwert.

In derselben Sitzung sprach Herr Dr. Radermacher über die Ortsnamen auf „scheid'' und „mal^ im Anschluss an die diesjährige Beilage zu dem Jahresberichte des Gymnasiums zu Neuwied, und Herr Hebler, Lehrer am Gymnasium zu Prüm über die Geschichte des Klosters Himmerode.

Geschichte der Mark Thalfang

bezw. des eh«ma1igezi wUd- und rlielxi,gr&f- llohen Amtes Tronecken, Ton der Bi^merxeit

bis cur Neuceit, unter Benutzung des vrild- und

rheingräflichen Haus-Archivs. Staats- und Kirchen*

Archive, herausgegeben von

B. Ohr. Fröhlich, Pfarrer.

Selbstverlag. Preis 1,50 Mk. Geringer Vorrat

nur noch vorhanden.

Hierzu alt Beilage: Ume«bl«tt Nr. 16.

Druck u. Verlag der Fr. Linta^scheiL Bnchhandiang in Trier.

V0fr«iiilteh«ii.ft5initch«2«lt

redigiert von

Prof. Htttner u. Dr. Lehnw,

Tritr.

Mlttoralttr und NMztIt

redigiert Toa

ArohiTftr Dr. HanMn,

Köln.

der

Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst,

n^leich Organ der historisch-antiqnarisehen Vereine zn Birkenfeld, Düsseldorf, Frank«

fnrt a. M., Rarlsrahe, Mainz, Mannheim, Metz, Neoss, Prnm, Speyer, Strassbnr;^,

Trier, Worms, sowie des anthropolo/^ischen Vereins zn Stattgart

November.

Jahrgang: XIY, Nr. 11.

1895.

Dae Korrespondensblatt ertoheint in einer Aoflftge von 4O0O Exemplaren. Inserate 4 25 Pfg. fttr die gespaltene Zeile werden ron der Verlagihandlnng und allen Inieraten-Boreans angenommen, Beilagen naoh Uebereinknnft. Die ZeiUohrift ertoheint rlerteljfthrlloh, da« Korreipondeniblatt monatlloh.

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P^ Beiträge fttr die yorrOmiiohe and rOmische Abteilang sind an Dr. Ltthner (Trier, ProTlnsialmaiemm), für Mittelalter and Nenieit an Dr. HanSM (EOln, Stodtarohiv) la lenden.

Chronik.

93. C. M^hiis: Der DrachenfolB bei Darkheim a. d. IL Beitrag znr pfälsischen Landes- kunde, I. Abt, mit einem topograpbischen Plan des Drachenfels Neustadt a. d. H. 1894.

Verf. giebt in einem ersten Kapitel eine topographische Beschreibung des pfälzischen Drachenfels unter gleichzeitiger Berück- sichtigung der geologischen Verhältnisse. Im zweiten Kapitel folgt eine sorgfältige Zusammenstellung der bisher auf dem Drachenfels gemachten Altertumsfunde von Belang. Ausser einigen neolithischen Stein- beilen wurden römische Gefäss- und Kisen- reste gefunden, die mit den auf der Hei- denburg bei Kreimbach gefundenen gleich- zeitig dem 4. Jahrh. angehören, und ein Mittelerz des Magnentius (Victoriao dd. nn. Augg. et Caess.), das ebenfalls auf der Heidenburg häufig vorkommt. Dann folgt eine genaue Beschreibung des das Drachen- fei splateau umfassenden Trockenwalles und des nordwestlich vorgelagerten Vorwerkes. Die Anlage wird, wohl mit Recht, als vor- römisch bezeichnet, aber wegen der oben erwähnten Funde wird angenommen, dass die Römer um die Wende des 3. Jhdts. den Punkt für ihre militärischen Zwecke benutzt haben. Für die Ansicht des Ver- fassers scheint eine im Südosten des Plateaus aufgefundene Mörtelmauer zu sprechen. Verf. sucht dann die Anlage mit den Vorschriften des Vegetius in Ein- klang zu bringen. Das dritte Kapitel rückt

den Drachenfels ^ in Zusammenhang mit andern benachbarten Befestigungen durch Feststellung der Strassenzüge, Warten und dergl , welche in der Umgegend nachge- wiesen worden sind. Wenn Verf. endlich in dem Schlusskapitel auf „Besetzung und Kommando ** näher eingeht, so verhehlt er sich selbst nicht, dass er damit ein wenig sicheres Terrain betritt. Indessen muss auch von diesem Kapitel anerkannt werden, dass mit Umsicht die Momente gesammelt sind, welche zur Aufhellung der militä- rischen Verbältnisse jener Gegend im 4. Jh. zu dienen vermögen. H. L.

Von ähnlichen Erwägungen geleitet, 94, wie Altmann und Bernheim, die Heraus- geber der ^Ausgewählten Urkunden zur Erläuterung der Verfassungsgeschichte Deutschlands im Mittelalter', deren 2. Auf- lage in Nr. 61 dieses Blattes angezeigt wurde, haben Ernst Frhr. von Schwind und Atphons Dopsch eine reiche Sammlung 'Aus- gewählte Urkunden zur Verfassungs- geschichte der Deutsch-österrei- chischen Erblande im Mittelalter' (Innsbruck, Wagner, 1895) mit Unter- stützung des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht veröffentlicht. Auch diese Sammlung soll in erster Linie Unterrichts- zwecken in Kollegien und Seminarien die- nen; sie wendet sich aber daneben auch an weitere Kreise, und ihr reicher, alle Teile des Staats- und Verwaltungsrechts berücksichtigender Inhalt wird zweifellos

- SU -

auch in ihnen gern und mit Nutzen zu Rat gezogen werden. Wie es sich bei einer derartigen Sammlung von selbst ver- steht, handelt es sich um eine Auswahl von typischen Beispielen ; die Herausgeber sind bei der Feststellung der Texte und ihrer Datierung fast durchweg auf die handschriftlichen Vorlagen zurückgegan- gen und haben den Abdrücken reichliche Litteraturnachweise und einen kritischen Apparat beigefügt. Eine Anzahl von Ur- kunden ist hier überhaupt zum ersten Mal gedruckt. Dass die Sammlung nicht bloss für Deutsch- Österreich von Bedeutung ist, sondern jedem Forscher auf dem Gebiet deutscher Verfassungsgeschichte ein will- kommnes Hülfsmittel bietet, bedarf danach keines besonderen Hinweises. Der reiche Inhalt ist durch ein vortreffliches Register erschlossen. Im Gegensatz zu Altmann- Bernheim haben die Herausgeber darin dem Beispiel der Urkunden zur Geschichte des deutschen Frivatrechts herausgeg. von Loersch - Schroeder - Reifferscheid (1874) folgend die Urkunden selbst lediglich chronologisch geordnet (231 Nummern aus den JJ. 1027—1499), am Schlüsse aber eine sorgfältige und sehr detaillierte syste- matische Übersicht über die einzelnen Zweige von Verfassung und Verwaltung hinzugefügt, welche einen viel schnellern und eingehendem Überblick über die in den Urkunden berührten Rechtsverhältnisse bietet, als die Anordnung des Stoffes nach realen Gesichtspunkten zu schaffen vermag.

95. In der Festschrift, welche seitens der höheren Lehranstalten Kölns der 43. Ver- sammlung Deutscher Philologen und Schulmänner (die Versammlung fand vom 24. 27. September d. J. in Köln statt) dargeboten worden ist (Bonn, C. Georgi, 1895) befindet sich eine Abhandlung von A. Decker über die Hildeboldsche Manu- skriptensammlung des Kölner Doms. Von besonderem Interesse sind die Angaben aus dem seither verschollenen, dem Jahr 833 entstammenden Katalog der von P. Leo HI an Karl den Grossen geschenkten Handschriften.

96. Ebenfalls als Festgabe zu der genann- ten Versammlung ist erschienen: Fr. Mol- denhauer, Geschichte des höheren

Schulwesens der Rheinprovin, unter preussischer Regierung (Kola P. Neubner, 1895).

BrUII, Wilh., Chronik der Sudt Dürei (Düren 1895) will gemäss dem Vorwort in wesentlichen nur eine zusamniengedrängü Sichtung und Neubearbeitung der seltei gewordenen Materialiensammlung von Boan Rumpel und Fischbach geben and nur al! erster Versuch einer Disposition über dk Dürener Geschichte gelten. Mehr wird msi in dem Büchlein auch nicht finden. £f ist nur eine geordnete Notizensammlonf in der wichtige und unbedeutende Ge- schehnisse völlig gleich behandelt werdeiL Die ersten Kapitel über die ältere Ge- schichte Dürens hätte der Vf. besser weg- gelassen. Da die wenigen Erwähnungen Dürens in alter Zeit nicht zu einer Ge- schichte der Stadt hinreichen, so ge- stattet sich der Vf. weitläufige Abschwei- fungen, teilt z. B. S. 11 den Inhalt eines langen in Düren erlassenen Kapitulars mit, welches auf Düren auch nicht den min- desten Bezui; hat, entlehnt S. 12 aus Bin- terim, Konziliengeschichte einen längeren Abschnitt allgemeinsten Inhalts. Er hat sogar einen besonderen Abschnitt, in dem er Düren als „freie Reichsstadt"* behandelt und lässt S. 14 die Stadt schon zur Zeit des Vertrags- von Verdun als solche in Ansehen stehen. Die Stadt besass keine eigene Münze, sondern nur eine jülichsche Münzstätte, wie Werminghoff, Verpfändun- gen S. 133 nachweist. Beigegeben ist ausser 12 Holzschnitten die Nachbildung eines Stadtplans aus dem 17. Jahrb. n.

Den III. Band der Osnabrücker Ge- schichtsquellcn bilden die Iburger Kloster- annalen des Abtes Maunis Rost, herausge- geben von C. Stüve (Osnabrück 1895). Das Kloster selbst steht im Mittelpunkte der Darstellung, namentlich Erwerb und Besitzstand von Grund und Boden. Das Agrarwesen im Hochstift Osnabrück im 16. und 17. Jahrhundert wird durch diese Annalen trefflich erläutert, weniger die politischen Vorgänge jener Zeit Der Heraus- geber hat dem lateinischen Text eine deutsche Übersetzung gegenübergestellt und sich dergestalt einen weiteren Leser- kreis gesichert. Zahlreiche Anmerkungeo

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geben die urkundlichen Belege und sonsti- ges Erläuterungsmaterial. Eingehende Re- gesten sind hinzugefügt. n. 19. In Heft VI der Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark (Dort- mund 1895) veröffentlicht G. Mallinckrodt die Dortmunder Ratslinie seit dem Jahre 1500, nachdem Rubel in Heft II/III 213 ff. die ältere Ratsliste zum Abdruck gebracht hatte. In einer knapp gehaltenen Einlei- tung werden die Ergebnisse der neueren Forschuugcn über die Dortmunder Rats- verfassung klar zusammengefasst. Drei lehrreiche Tafeln veranschaulichen den Einfluss der herrschenden Familien im Rate, absolut und nach Jahrhunderten, sowie auf die Besetzung der beiden Bür- germeisterstellen, an denen während mehr als 5 Jahrhunderten nur 33 Familien be- teiligt waren. Den Schluss der verdienst- lichen Veröffentlichung bildet ein sorgfäl- tiges alphabetisches Personenverzeichnis der gesamten Ratsliste, das bei Forschun- gen über Dortmunder Geschichte mit Nutzen zu Rate gezogen werden dürfte. n.

00, H. Pirenn«: L'origine des constitutions urbaines au moyen-äge. (Extrait de la Revue histo- rique Tome LVII ann6e 1895).

Mit dieser Studio macht der Verfasser, der schon durch frühere Arbeiten auf dem Gebiete der städtischen Verfassuugsge- schichte vorteilhaft bekannt ist, einen Ver- such, auch seinerseits zur Klärung der vielumstrittenen Frage des Ursprungs der Stadtverfassung beizutragen. Er legt im Gegensatz zu vielen derartigen Arbeiten, die vor allem die rechtshistorische Seite dieser Entwicklung berücksichtigen, den Haupt nachd ruck auf die wirtschaftsge- schichtlichen Verhältnisse, die für das Aufkommen und die Blüto der Städte von grosser Wichtigkeit gewesen sind. Die Studie ist anregend geschrieben und klar disponiert, sie bringt in dankenswerter Weise manche interessante Einzelheiten aus der Entwicklung der französischen und belgischen Städte ^). Indessen wird man doch nicht übersehen dürfen, dass

1) Der Verfasser beriicksichtigfc daneben auch in fast gleichem Masse die deutschen Städte. Es ist übrigens ein Irrtnm, wenn er den Weinzapf und Verkauf in Köln für ein Sonderrecht der Patrizier erklärt (S. 29).

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der Verfasser der bei dem von ihm ge- wählten Gesichtspunkt allerdings sehr naheliegenden Gefahr zu grosser Verall- gemeinerung von einzelnen Vorkommnissen und Nachrichten nicht ganz entgangen ist, und gewisse Bedenken gegen die von ihm angenommene Entwicklungsreihe nicht unterdrücken können. Diese Bemerkung soll kein Vorwurf gegen den Verfasser sein ; ist es doch nur zu bekannt und wohl auch durch alle bisherigen diesem Gebiete angehörenden Arbeiten erwiesen, dass es ausgeschlossen ist, auf Grund unserer so lückenhaften Überlieferung eine durchaus einwandsfreie Darstellung der schwierigen Frage zu geben. Jedenfalls verdient die Studie als Ganzes betrachtet in vollem Masse Beachtung und Interesse auch in weiteren Kreisen. Köln. Dr. Fr. Lau.

Das kürzlich erschienene Werk von 101. Eberhard Gotheln, Ignaiius von Loyola und die Gegenreformation (Halle, Max Niemeyer, 1895) verdient auch an dieser Stelle be- sondere Erwähnung, weil es einerseits zum ersten Male die in Köln erhalteneu, bis in die älteste Zeit des Jesuitenordens hinauf- reichenden Korrespondenzen des Kölner Kollegiums zur Beurteilung der in der Gesellschaft Jesu zum Ausdruck kommen- den Tendenzen verwertet, andererseits auf Grund eben dieses reichen Quellenmaterials, wenn auch nur in grossen Umrissen, die erste Entwicklung der eigenartigen Ordens- niederlassungen in Köln und Löwen zur Darstellung bringt (vgl. besonders S. 738 ff.).

Miscellanea.

Zu dem neuen Monnusmosaik in Trier. 102.

Die Zusammensetzung des Mosaikbodens, über dessen Auffindung in Nr. 68 dieses Blattes bereits kurz berichtet war, ist nun- mehr beendet und hat, verbunden mit einer sorgfältigen Reinigung der Reste die Rich- tigstellung einiger irrtümlicher Beobach- tungen zum Resultat gehabt, welche in der ersten vorläufigen Notiz ausgesprochen worden waren. Zunächst hat sich durch Reinigung des quadratischen Mittelfeldes, welches durch Brand etwas gelitten hatte, ergeben, dass die Flügel des weiblichen Brustbildes nicht vom Kopfe, sondern vom

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Kücken ausgehen und über den Schultern 80 steil aufwSrts gerichtet sind, dass man noch jetzt bei flüchtiger Betrachtung leicht getäuscht werden kann. Der jugendliche leicht nach der rechten Seite gewendete Kopf ist ausserdem bekränzt. So kann jetzt über die richtige Deutung kein Zwei- fel mehr herrschen: es ist Victoria darge- stellt, und das Erscheinen ihres Bildes in- mitten von vier siegreichen Viergespannen erklärt sich von selbst.

Auch die Lesung des vierten nicht vollständig erhaltenen Wagenlenkemamens hat eine Berichtigung erfahren, die sich erst durch die vollständige Zusammen- setzung ergeben konnte. Erhalten ist THIL'////^/////// Vor dem t kann nichts mehr gestanden haben, denn da erscheinen sofort die Reste der Palme des Wagenlen- kers. Dagegen ist vor dem S, welches im Schutt gefunden ist, noch die die zweite Hasta eines V erhalten, die ich zuerst fßr ein Stück des Bildrandes gehalten hatte. Es ist nun möglich gewesen, die beiden Buchstaben VS wieder genau an ihre ur- sprüngliche Stelle einzusetzen, wodurch sich folgendes ergiebt: thil'/Z/'^/Z/vs. Der fünfte Buchstabe kann wohl nur ein I sein, jedenfalls ist E oder ein an- derer Buchstabe, bei dem an die senk- rechte Hasta oben eine Qaerhasta ansetzt, ausgeschlossen, da die Stelle dicht rechts neben dem Buchstabenrest noch erhalten war und sicher keine Inschriftspur ent- hielt. Dagegen ist zwischen diesem fünften Buchstaben und dem nächsten Rest, der sicher von einem 0 herrührt, noch Raum für einen schmalen Buchstaben, ebenso zwischen dem 0 und dem VS, welches sicher den Schluss der Inschrift bildete. Danach erhält man für die Ergänzung folgende Möglichkeit : Phili o us

Da wir es sicher mit der lateinischen Form eines griechischen Sklavennamens zu thun haben, dachte ich erst an Philidonus = ^iXrjdovog, Auf einen zweifellos bessern Weg führt der Gedanke des hiesigen Ober- lehrers Prof. van Hoifs, Philidolus (^dfi- daXog) oder Philiconus {^dtUovog) zu er- gänzen, da hier die bedenkliche Annahme eines Itacismus nicht vorliegt. Bedenken gegen alle diese Namen flösst ja freilich

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der Umstand ein, dass meines Wissens weder bei Griechen noch Römern eines der angeführten Worte als Name nach- gewiesen ist. Es bleibt ja auch immer noch die Möglichkeit, anzunehmen, dass zwischen dem I und 0 kein Bachstabe mehr gestanden hat und dass es sich etwa um Philiolus, das Deminutiv von Pfailios gehandelt hat Philios ist ein nicht oo- gebräuchlicher griechischer Name und die Namensbildung mittelst der Deminativ- endung -olus ist zu häufig, als dass es be- sonderer Nachweise dafür bedürfte. Trier. Dr. Lehner.

Eine Kölner Steinurkunde aus den 12. labr- 101 hundert. In seinem Werke über die christ- lichen Inschriften der Rheinlande II i S. 282, 283 teilt F. X. Kraus unter nr. 612 eine Gedenktafel mit, welche schon vor ihm von Gelenius ^) und von Hüpsch *), von beiden gleich mangelhaft, veröffentlicht worden war. Die Vorlage Gelens hat sich nunmehr im historischen Archiv der Stadt Köln wiedergefunden und ermöglicht eine treue Wiedergabe der interessanten In- schrift, welche Kraus mit geringem Er- folge^) zu emendieren versucht hat, ohne eine geschichtliche Erläuterung zu geben. Die Inschrift ist auf einer Holztafel enthalten, welcher von einer Hand des 16. Jahrhunderts die Überschrift gegeben worden ist:

Dit is deß antiquitetischen memorials aigentliche abschriffc, welches neben dem Eigelsteinsthurn vflf dem gangk in einer stei- nen tafel alsolchr gstalt ausgehawen worden. Darunter steht die Inschrift; ihre Auf- zeichnung fällt somit in das 16. Jahrhundert; sie hat aber in den Buchstabenformen und Ligaturen, in den Abkürzungen und ebenso in den Namen durchaus den Charakter der Vorlage, die (wie unten ausgeführt ist) dem 12. Jahrhundert angehört, bewahrt. Die erste und letzte Zeile, sowie von der vorletzten Zeile der Wortteil Künra sind in Goldlettern ausgeführt:

1) De admiranda sacra et civili matrnitndiB« Coloniae p. 635, läsat die Erwähnung des Dom- propstes am Scblasse fort

2) Epigrammatographie II S. 14 n. 83.

8) Nur wenige seiner Emendationen werden durch unsere Vorlage best&Ugt

-^ 217

218

ims^sässs^siäm^^^

THiDEföCHBROTGER)iyDECHN

I IHEKsi V^ \I^L^RT1 ITI EDO.HPi <->

JMO-LABRE^ nti^ELÄTBEl^NE

LTLEF.WlLLEILSö^iLLEGELD IMACt BALm^BO-iVGVCT WEZTLßASte

EU^CEZ^liNEVH^TWiEkiyPLFGE ^ lEüNRiDNGRlCFACrA SSV'RI^NlvA

Nomina civium de Woritic Thiderich m Rotger Ludechin II Heriman Wolaert i Tiedo Hei mo Lambreth Frithelant Bertier C ortlicf Willer Willegeld Durant Baldo Wolbero lugurt Wezzel Basilius En gelric Ezzelin Everhart Wizelin Ludolf Ge zelin Boing, Hec facta sunt sub Künra do rege et Ärnoldo archiepiscopo et Anwldo *) preposito.

Um Überschrift und Inschrift zieht sich ein Band- Ornament, zwischen diesem und der Inschrift sind auf der linken Seite noch zwei weitere Ornamentstreifen angebracht, welche gemäss der freundlichst übermit- telten und von mir geteilten Ansicht des Provinzialkonservators Dr. Giemen nur Zu- thaten des Kopisten sind^). Das mittlere Band erinnert in der Linienführung ganz entfernt an romanische Rankenfriese; die Spiralen wiederholen aber doch nur das Motiv des inneren Ornamentes. Herr Dr. Giemen kennt keine romanische In- schrifttafel, die überhaupt einen seitlichen ornamentierten Streifen aufwiese. Die

4) Vorlage: JR!nG

5) Anch Herr DomkapituUr Schnfltgen in KOln teilt diese Ansicht.

Ranke ist in Stein auch gar nicht auszu- führen. Ebenso ist der Schluss der ersten Zeile durch einen einfachen Schreiber- schnörkel ausgefüllt, welcher den durch das Ausrücken des N nach links entstan- denen freien Raum verdeckt.

£s ist nicht mit Sicherheit festzustellen, ob HQpsch die originale Steininschrift ge- kannt hat ; denn die von ihm dem Abdrucke beigefügte Bemerkung 'in muro civitatis apud portam Eigelstein lapis in long. SVa et in lat. 2 pedes' kann auch aus der Überschrift der Holztafel stammen. Seine Massangaben enthalten unzweifelhaft einen groben Fehler; denn die Tafel hat, den Rahmen abgerechnet, eine Breite von 46^« cm, die Inschrift von 36'/« cm, und eine Länge von 35 Vs) bezw. 29 cm; die Breite

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überwiegt also in etwa die Länge, wäh- rend nach Hiipsch die Tafel beinahe dop- pelt so lang wie breit sein würde. Auch abgesehen davon sind die Angaben von Ilüpsch sehr zu bezweifeln, da die Grösse der Buchstaben auf der Holztafel die ge- naue Wiedergabe der Steininschrift in der Nachbildung sehr wahrscheinlich macht. Die Inschrift selbst erscheint als Schluss einer Urkunde, deren ersten Teil wir nicht kennen. Die letzton Zeilen mit der Da- tierung tragen einen völlig urkundlichen Charakter. Das formelhafte hec facta sunt setzt eine Handlung voraus, welche in der Inschrift nicht angegeben wird, und die wir aus einer gleich zu erwähnenden Bestätigungsurkunde ergänzen müssen. Grössere Steinurkunden aus dem Mittel- alter sind allerdings an und für sich eine Seltenheit^), besonders aber in hiesiger Gegend. Doch ist gerade für Köln ein zweites Beispiel bekannt: das auf zwei Steiutafeln ausgehauene Judenprivileg Erz- bischof Engelberts vom Jahre 1266, welches jetzt in der Schatzkammer des Domes ein- gemauert ist ^). Nach Analogie dieses aus 2 Tafeln bestehenden Privilegs wird die als verloren anzusehende erste Tafel die eigentliche Urkunde enthalten haben. Ihrem Inhalte entsprechend werden die Steine entweder am alten Dom oder an der Dom- propstei angebracht gewesen sein und sind später bei der Niederlegung oder beim Brande der Gebäude verwahrlost worden. Die Mauer am Eigelsteinthor, an welcher der Stein im 16. Jahrhundert eingemauert war, ist erst im Laufe des 13. Jahrhun- derts gebaut worden^), so dass die Ver- wendung von Steinen des alten 1248 ab- gebrannten Domes für den Mauerbau sehr möglich erscheint. Als im 16. Jahrhun- dert das geschichtliche Interesse in Köln erwachte, hat man den eigenartigen Stein bemerkt*) und durch eine genaue Nach- bildung auf einer Ilolztafel seinen Inhalt überliefert. Schon zu Gelens Zeit hing die Tafel im Rathause, von wo aus sie

6) Wattonbach, Das Schriftweson des Mittel- altora 8. 36 37.

7) Ennen und Kckertz, Quellen zur Geschichte der Stadt Köln 2 nr. 40); vkI. Wattenbach a. a. O.

8) Vgl. Ennen, Ooschichte der Stadt Köln U 655.

9) Man könnte an Broelman denken, dessen antiquarische Interessen bekannt sind.

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später ins Archiv gewandert nnd dort lange unbeachtet geblieben ist.

Die Urkunde ist von Hüpsch ca. 1137, jedenfalls nach dem Anfangsjahre der Re- gierung des Erzbischofs, von Kraus 1137 bis 1139 gesetzt worden, weil er durch einen unbegreiflichen Irrtum den König Konrad III 1139 Juni 4 sterben lässt Thatsächlich ist die Zeitgrenze etwas wei- ter zu ziehen ; die Urkunde fällt zwischen den 18. März 1138, den Tag der Krönnng König Konrads, und den 3. April 1151, deo Sterbetag Erzbiscbof Arnolds I. Damit stimmtdleNennungdesDompropstes Arnold, der von 1127—1150*^) nachzuweisen ist

Von den 26 Namen der Inschrift sind bezeichnender Weise 24 deutschen, nur 2, Jugurt und Basilius, fremden Ursprangs. Die Lesung Jugurt ^^) steht unbedingt fest; zudem ist auch sein gleichzeitiges Vor- kommen in Köln als Name eines Mi- nisterialen von St. Severin unzweifelhaft bezeugt ^^). Von den deutschen Namen bereitet nur Cottlief Schwierigkeiten, da eine solche Namensform anderweit nicht nachzuweisen ist, während Ortlief und Vortlief") häufig vorkommende Kölner Namen des 12. Jahrhunderts sind; das An- fangs-C an den Schluss von Berner her- überzuziehen, geht nicht an. Frithelant '^). ist ein auch sonst bekannter Worringer Name ; Wolaert entspricht dem anderwärts bezeugten Wolarat^*). Alle übrigen Na- men sformen finden sich in gleicher Schreib- weise in Förstemanns altdeutschem Namen- buche ^^) oder in den Schreinsurkunden ^'} ;

10) In zahlreichen Urkunden in Iiacomblets Urkundenbuüh I.

11) Kraus hftlt den Namen durchaus für falsch und will ihn durch Ingerot ersetsen.

12) Hoeniger, Schrein^urkunden Sev. 1 V 3. 1 X ß, II 256^; dazu in der Crrossbürgerliete 112, IG 8ub II GS.

13) Ein Fortliuus presbiter ist Zeuge in einer wenig epätercn Urkunde für Worringen 1170.

14) Förstemann, Altdeutsches Namenbuch I kennt ihn nicht

Ih) Förtftemann I ep. 1335.

16) Thiderich pp. 1189, Rotger sp. 737, Lndechin sp. 8')H, Heriman ep. 6I7, Tiedo sp. 1160, Ileimu 8p. 589, T^ambreth sp. 832, Berner »p. i33, Wil- ler 8p. 1809, Durant sp. 356, Baldo sp. 203, W«!- bero »p. 1334, Wezzel Bp. 1273, Engelric »p. »^ Ezzelin »p. 19i, Everhart sp. 364, Wi«elin »p. 1^^S, Ludolf Etp. G96, Boing sp. 713.

17) (lezclin z. 13. in dor Groesbürgvclist«: Hoeniger, bcUreinaurkunden II 2, S. 88.

221 -*

Willegeld, das Försteroann nicht kennt, kommt auch in den Schreinsarkunden von Niederich vor. An Tiedo erinnert noch das Dorf Thenhoven (früher Tiedenhoven) bei Worringen.

Der Inschrift liegt zugrunde der Erwerb der Vogtei Worringen vom Kölner Erz- bischofe Arnold I durch den Dompropst Arnold, den nachmaligen Erzbischof Ar- nold II, welche aus einer Bestätigungs- urkunde König Friedrichs I vom 14. Juni 1153 bekannt ist^^). Die in der Inschrift genannten Personen, welche als cives de ArVorinc bezeichnet werden, sinxi offenbar die Yogteipflichtigen. Die Bezeichnung cives für Dorfbewohner hat nichts auf- fallendes, sie ist auch für Westfalen nach- zuweisen **). Jener Ankauf der Worringer Yogtei war, wie in der Bestätigungsurkunde ausdrücklich bemerkt wird, vom Dompropst aus dem Grunde gethätigt worden, weil er „ein mildthätiges Auge auf die bedrück- ten und in die äusserste Armut gebrach- ten Einwohner von Worriogen geworfen hatte, welche durch die Unterdrückung der Vögte in eine bemitleidenswerte und unsägliche Dürftigkeit geraten waren". Seine gute Absicht wurde aber nicht er- reicht Auch unter der Vogtei der Kölner Dompröpste besserte sich die Lage der Zinspflichtigen nicht. Im Jahre 1170 wa- ren sehr viele von ihnen geflohen und da- durch ein grosser Ausfall an Zinsen und Leistungen für das Domkapiiel entstanden, wodurch vor allem der Dompropst und der Meier betroffen wurden. Damals setzte Erzbischof Philipp mit dem Domkapitel die Leistungen der zu hart gedrückten Hofeshörigen in Worringen fest*®). Man hoffte durch Einsetzung von 12'*) Ge- schworenen, welche die Einkünfte zusam-

18) Lacomblet, Urkundenbnch 1 nr. 376, S. 250/260.

19) Seibertz, Urkundenbnch zur Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogtums Westfalen I nr. 291 8. 262 werden 1255 cives ville Roabike ge- nannt; 1215 cives ville Drankhosen (Finkes KoUek- tancen far das Supplement des Westfäl. Urkun- denbuchs: Freundlicher Hinweis von Archivar llgen in Münster).

20) Ennen, Quellen 1 nr. 79 S. 562/5G3.

21) Ennen druckt 14 Kameu ab; Wizelo ist aber irrig doppelt gesetzt; die durch diesen Na- men getrennten Oezeman und Melesac sind als eine Ferion aufzufassen.

- 222

menbringen und dabei auf das Vermögen eines jeden Pflichtigen achten sollten, eine Erleichterung der Lasten zu bewirken. Unter diesen 12 Geschworenen finden sich 4 Namen, welche auch in der Inschrift vorkommen*'); unter den 7 Schöffen in Worringen, welche am Schlüsse der Ur- kunde genannt werden, 3, welche mit ihr übereinstimmen**). Eeussen.

22) Herman (zweimal), Wizelo, Fridelandt, Theodericus.

28) Fridelant, Theodericus, Wolbero.

Ergänzung und Berichtigung.

In Nr. 10 und 11 (1894) dieses Blattes 104. habe ich den St. Wilhelmsschild in das Rheinland und die Gesellschaft vom Ein- horn nach Franken gelegt. Der erstere wurde nach Frhr. Roth v. Schreckenstein (Ritt er würde und Ritterstand S. 605) am 21. Dezember 1380 „allerdings zunächst nur auf drei Jahre" zu Geislingen in Schwaben gestiftet : allein es Hess sich mit Sicherheit nicht feststellen, in wel- chem Land dieses Bündnis seit jener Zeit fortbestand. Ebenso fehlt es an sicheren Nachrichten über die Gesellschaft vom Einhorn. Nach Roth (S. 666, Nr. 1) ent- stand sie, w^ie Andreas von Regensburg berichtet, im Jahre 1428 und nach dem Anzeiger des Germ. Museum 1882, Spalte 297 f^. wurde sie in Bayern am 30. August 1466 durch erneuerte Verschreibung fort- gesetzt; bei Roth (S. 649) ist jedoch 1480 auch von einer fränkischen Gesellschaft des Einhorn die Rede. Aber weder bei Roth noch im Anzeiger findet sich der von mir erwähnte Brief Kaiser Siegis- munds (Buchner VI, S. 280) an die Reichs- stände, in welchem er am 28. April 1434 den St. Georg- und Wilhelmsschild und die Gesellschaft vom Einhorn nennt ^). Da nun der Kaiser (nach Buchner VI, 280) am 25. Februar 1434 auch den ober- bayerischen Ritterbund bestätigte, so wäre es doch sehr auffallend, dass er diesem

1) Da Roth (S. 605-606) vom St. Georgsschlld in Schwaben auch das Folgende nicht bringt, will ich mir zu bemerken erlauben, dass nach Pf äff, Geschichte von Wirtemberg II, 6 untfr 24, e. B. als Nachkommen der Grafen Konrad und Eberhard von Landau, die den Grafontitol bu Anfang des 15, Jahrh. abgelegt hatten, genannt werden: W. . Heinrich und Jacob, Bundesglieder der Bitterge- ««lUchaft vom St. Georgenschild.

nicht auch am 28. April 1434 die Achter- klärung Ludwigs V. Ingolstadt angezeigt hätte, „wenn er dies an andere als Reichs- unmittelbare thun wollte*' , und daraus folgere ich, dass zu den letzteren damals auch die Mitglieder des Einhorn gehören mussten, die dann aber wohl nur Franken sein konnten. Freiherr L. v. Borch:

Vereinsnachrichten

unter Redaction der Yereinsvorstände.

106. Frankfurt a. M. Verein für Geschichte und Altertumskunde. Die wissen- schaftlichen Sitzungen wurden am 17. Okto- ber wieder aufgenommen. Herr Dr. ▼. Na- thusius-Neinstedt, welcher den Verein auf der Mitte September in Konstanz stattgefundenen Generalversamm- lung des Gesammtvereins der deut- schen Geschichtsvereine vertreten hatte, erstattete über diesen Tag und die dortigen Verhandlungen näheren Bericht; er besprach insbesondere die Thudichum- schen Grundkarten, weil der Verein für Ausarbeitung und Druck der Sektionen Frankfurt und Darmstadt einen beträcht- lichen Zuschuss geleistet hatte. Über die Konstanzer Verhandlungen bringen die im .,Korrespondenzblatte** des Gesammtvereins abgedruckten Protokolle nähere Nach- richten.

106. In der zweiten Sitzung am 31. Oktober sprachen die Herren Stadtarchivar Dr. R. Jung und Stadtbauinspektor C. Wolff über die St. Nicolai-Kirche, von der erster er einen Überblick über ihre wechsel- volle Geschichte, letzterer eine eingehende Baubeschreibung gab. Beide Herren leg- ten ihren Ausfuhrungen die Darstellung zugrunde, welche sie für das demnächst erscheinende Werk: „Die Baudenk- mäler in Frankfurt a. M." ausgearbei- tet hatten. Dieses von dem Architekten- und Ingenieur- Verein und von dem Verein für Geschichte und Altertumskunde ge- meinschaftlich herausgegebene, von den beiden genannten Herren bearbeitete Werk soll endlich die erste zusammenfassende Darstellung der durch ihre Geschichte und ihren Kunstwert hervorragenden Bauten der alten Reichsstadt bis etwa 1820, dem Ende des sogen. Empire - Stiles, bringen,

über welche insgesamt bis jetzt nur kurze Aufzählungen ohne oder mit nicht ge- nügenden Abbildungen vorliegen. Die Un- terstützung mit stadtischen und privaten Mitteln ermöglicht den Vereinen, das Werk reichlich mit Abbildungen und Tafeln aos- zustatten; die erste Mitte November er- scheinende Lieferung, welche die sechs ältesten Kirchen ausser dem Dom behan- delt, zählt nicht weniger als 21 Tafela und 142 Textabbildungen. Das Werk wird in fünf Lieferungen (1. und 2. Kaltushan- ten, 3. Bauten zu öfifentlichen Zwecken nebst Brunnen und Denkmälern, 4. Privat- bauten, 6. allgemeine bauliche Entwicke- lung n. a.) im Kommissionsverlag von K Th. Völcker erscheinen und spätestens 1899 vollendet vorliegen; der Preis dee ganzen Buches ist auf Mk. 30, der der Lieferung auf Mk. 6 festgesetzt; die Mit- glieder beider herausgebenden Vereise sowie des Verbandes der deutschen Archi- tekten-Vereine erfreuen sich einer Preis- ermässigung von 25 Vo.

PrQm, Gesellschaft für Altertums- kunde. In der am 11. Oktober abgehal- tenen Sitzung legte der Vorsitzende Direktor Asbach ausser einem gedruckten „hortulo« animae** von 1516, mit dem ein hand- schriftliches lateinisches Brevier zusam- mengebunden ist, ein geschriebenes nie- derdeutsches Gebetbuch aas dem 14 Jahrhundert und Blätter aus einem anden ebenfalls niederdeutschen Gebet buch vor die durch die prachtvolle Ausführung ihrei Initialen von grossem Interesse waren Herr Gymnasiallehrer Donsbach berichtete über die von ihm besichtigten römischer Altertümer zu Breitfeld (St. Vith), wo- selbst Herr Apotheker Schütz aus St. Vitl das Hypokaustum eines villaähnlichen Ge- bäudes aufgedeckt hat. Eine Fortsetzung der begonnenen Ausgrabungen dürfte eii lohnendes Ergebnis haben.

Geschichte der Mark Thaifang

beew. des ehvmaHgen "wUd- tUld ThBingnl-

liehen Amtes Troneckon, von der Bömarseil

bis zur Neuzeit, unter Benutcung dci wild- und

rheingr&llichen Haua-ArchivA, Staats- und KlrcheD*

Archive, herausgegeben von

S2. Chr. Fröhlich, Pfarrer.

Selbstverlag. Preis i,M) Mk. Oerinffar Vomi

nur noch vorhanden.

Drook n. Verlag der Fr. Lintz 'sehen Bachhandlang in Trier.

Vorrlmlfdi« u. Rlhnltebt Z«tt

redigiert ron Prof. Hettner a. Dr. Trier.

MItttlaltar und NmcsH

T«digiert TOa

Arohivar Dr. Hantofi«

Kttln.

der

Westdeutschen Zeitschrift fUr Geschichte und Kunst,

m^leieh Organ der historisch-antiquarisehen Vereine zn Birkenfeld, Dflsseidorf, Frank- furt a. M., Karlsrnhe, Mainz, Mannheim, Metz, Neuss, Prflm, Speyer, Strassbnri;, Trier, Worms, sowie des anthropologischen Vereins zn Stuttgart.

Dezember. Jahrgang XIV, Nr. 12. 1895.

Om KoTTMpondensblatt •noheint in einer Aufiftge von 4000 Bzempluren. Inserate k Pfg. fQr die

geipaltene Zeile werden von der Verlagthandlnng nnd allen Inseraten-Bnreaae angenommen, Beilagen

nach Uebereinknnfl. Die Zeitiohrift enoheint Tlerteljfthrlioh, das Korrespondenablatt monatlidh. -^

Abonnementepreie 15 Hark f&r die Zeiteohrift mit Korreipondeniblatt, fttr letiteree allein 5 Hark.

Beltrftge fflr die vorrOmische und römische Abteilung sind an Dr. Lehnor (Trier, Provinsialmneenm), f&r Mittelalter nnd Nenseit an Dr. Hansen (Köln, StadtarohiT) in senden.

Neue Funde.

)8. Saarburg in Lothr. [Mithratum.] Am Ab-

hanj^ des Rebenbergs auf dem rechten Saarufer wurde im Laufe dieses Sommers (Mai-September) gelegentlich der Erdarbei- ten für militärische Bauten ein Mithras- h eil ig tum aufgedeckt. Die Ausgrabung desselben wurde von Herrn Garnisonbau- Inspektor v. Fisenne mit ausserordentlicher Umsicht und Sachkenntnis geleitet, so dass nicht nur die ursprüngliche Anlage des Ge- bäudes klar erkannt werden konnte, son- dern es auch ermöglicht wurde, die zahl- reich vorgefundenen Skulpturüberreste trotz des stark verstümmelten Zustandes, in dem sie sich befanden, zu einem übersichtlichen Ganzen zu ordnen. Da der Fund zu den bedeutendsten gehört, die auf dem Gebiete der Mithraeen überhaupt gemacht sind, scheint es geboten, den Lesern d. Bl. eine gedrängte Übersicht der Hauptergeb- nisse vorzufuhren, ohne damit der ausfiihr- lichen Publikation vorgreifen zu wollen, die Herr von Fisenne im Jahrbuch des Vereins für lothr. Gesch. u. Altert, geben wird. Durch die Liebenswürdigkeit des genannten Herren ist es mir verstattet ge- wesen, die bis jetzt fertiggestellten Teile seiner Arbeit für diesen Bericht zu be- nutzen, wofür ich auch hier meinen besten Dank ausspreche. Für die Begründung der Einzelheiten verweise ich auf seine in Bälde erscheinende Veröffentlichung* Die Trümmerscbichten, bestehend aus

Kalkstein, Sandstein, römischen Dach- ziegeln, lagen in geringer Tiefe unmittel- bar unter dem Mutterboden. Der schwere Lehmboden setzte der Ausgrabungsarbeit ausserordentliche Schwierigkeiten entgegen, die aber durch ein sinnreiches Ausspü- lungsverfahren beseitigt wurden. Die noch über 0,50 m starken Mauerreste aus Kalk- stein, welche der fortschreitenden Baurr-, beit wegen nach genauer Aufnahme wie- der zugeschüttet wurden, gehören einer einfachen Cella (ohne den sonst häufig vorkommenden Pronaos) von 5,48 : 6,20 m im Lichten an. Sie ist annähernd nach Norden orientiert und durch zwei etwa 4,80 m lange Brüstungsmauern zu einem dreischiffigen Raum gestaltet, derart, dass ein der Thüre zunächst befindlicher Vor- platz von 1,40 m Tiefe und zwei längs- seitige Podien von 1,35 bzw. 1,38 m Breite etwa auf gleicher Höhe mit dem Aussen- niveau auf der nördlichen (d. h. der Thal-) Seite liegen, während der mittlere Raum bis zu 0,70 m vertieft ist ; er scheint durch 3 Stufen mit dem Vorplatz verbunden ge- wesen zu sein. Die Höhe der Seitenmauern lässt sich nach dem Hauptbildwerk auf 2,90, die Firsthöhe auf 4,20 m annähernd berechnen. Der Fussboden bestand aus Lehmestrich von etwa 15 cm Stärke, die Bedieckung aus Dachziegeln.

Überaus reich sind die Funde an Skulp- turen ans grauem, bzw. rotem Vogesen- sandstcin. Da dieselben, wie schon ange-

227

228

deutet, einer sehr gründlichen Zerstörung anheimgefallen waren, gelang es erst nach mühevoller Arbeit, aus den vielen Hun- derten von Bruchstücken ein Bild des ur- sprünglichen Znstandes zu gewinnen. Im Vordergrund des Interesses steht, wie bei allen Mithraen, ein grosses Votivrelief, das dem Eingang gegenüber in der Südwand eingemauert war. Den Mittelpunkt bildet, wie üblich, die Darstellung des stiertuten- den Mithras in sehr hohem Relief (1,75 m breit, 1,70 m hoch; Vertiefung bis zu 50 cm). Bechts und links davon zwei Pilaster von ebenfalls 1,70 m Höhe und einer Breite von 22 cm ; sie enthalten je 5 Beliefdarstellungen übereinander. Ober- halb ein Figurenfries von 0,50 m Höhe und etwa 2,10 m Breite (~ der Breite des Hauptreliefs mit den Seitenleisten). Dar- über ein nach vorne ausladender Sims mit reichem Blattomament (0,20 m hoch), dem ein gleich hohes Fussgesims mit Blatt- schmuck und Eierstab entspricht. Den Abschluss nach unten bildet, genau in der Höhe der beiden Podien liegend, ein Band mit darunter befindlicher Hohlkehle. Das- selbe trägt in schöner grosser Schrift die einzeilige Weihinschrift, die trotz starker Verstümmelung sich mit Sicherheit wieder- herstellen liess:

IN H D D DEO INVICTO MARCELEVS MARIANVS D S POSVIT

Als oberer Abschluss war über dem Altarbild die Kolossalbüste eines jugend- lichen Mannes aufgestellt (70 cm hoch), in deren reichem Lockenschmuck sieben Strahlen aus Metall angebracht waren (wie sich aus den vorhandenen Löchern ergiebt); also wahrscheinlich eine Dar- stellung des Sol.

Das Hauptrelief enthält die typische Darstellung des stiertötenden Mithras (der Kopf des Gottes ist zerschlagen) mit dem üblichen Beiwerk. Dazu gehört der blut- leckende Hund, der Skorpion, der von oben herbeifliegende Rabe; die zwei Fackel- träger zur Rechten und Linken, in kleiner Figur auf erhöhtem Standort; femer die bekannte Gruppe Löwe, Vase, Schlange (letztere stark zertri'imm«rt) unter dem licib des Stieres ; endlich links und rechts am oberen Relicfrande der aufgehende

Sol auf seinem Viergespann, die nieder- gehende Luna mit Zweigespann. Zu dieser sehr häufig wiederkehrenden Teilen der Darstellung gesellen sich als etwas Unge* wohnlicheres vier grosse Köpfe in den Ecken der Tafel, von denen die beiden unteren (ein bartloser und ein bärtieer sich durch Flügel am Kopfe deutlich al? Winde ausweisen, sodass auch die beidca oberen (unterhalb von Sol und; lama. ei- ner bärtig, der andere bartlos), als Wim- gütter zu betrachten sein werden, obwill sich die Flügel bei ihnen nicht mehr kon- statieren lassen. Vier (bzw. zwei) Wind- götter kommen auch in andern Mithraeeti vor, z. B. in Heddemheim, aber nicht wio hier, innerhalb der Hauptdarstellung. l>ie zehn kleinen Seitenreliefs enthalten (ähn- lich wie in Osterburken) die Mithraslegend«^. und zwar zeigen die zwei unteren auf U'i- den Seiten Mithras in Verbindung mit Sc>I Links (von oben nach unten) : 1. unkennt- lich, 2. Felsgeburt des M., 3. M. auf Felsen gelagert, 4. M. im Kampfe mit Sol, 5. M. dem Sol begegnend. Rechts: 1. M. den Stier ereilend, 2. M. den toten Stier schleppend, 3. schreitender Löwe vor ei- ner Cypresse, 4. Versöhnung des M. und Sol, 5. M. und Sol beim Schmaus. Alle diese Darstellungen sind auch anderveittc vorhanden, mit Ausnahme des vor dem Baume stehenden Löwen.

Der obere Fries bietet nur am linken und rechten Ende mithraeische Darstel- lungen; hier sind zwei Mithraadiener ic eiligem Lauf begriffen, einer mit gesenk- ter, der andere mit gehobener Fackel, m Hintergrund ein Gebäude (wahrscheinlif- Mithraeum) ; dort die bekannte Szene : M schiesst einen Pfeil nach dem Himmel ab . vor ihm kniet ein flehender Mann, eir zweiter schaut abgewandt um den Veh- vorsprung nach dem Himmel zu. Dieser. d. h. der römische Götterhimmel, nimmt die Mitte des Reliefs ein und bildet künst- lerisch den Glanzpunkt des ganzen Denk- mals. Zur Rechten des sitzenden Jupiter stehen Mercur und Vulkan, im HintergrunJ zwischen diesen erscheint ein weiblicher und ein männlicher Oberleib; zur I^inker Herkules, Neptun mit aufgestütztem Fiis- Bacchus in der lässigen Haltung des hir-

230 -

berinischen Faims; ans seinem Ruhesitz Ist eine riesige Traube entsprossen, fast 50 gross wie die Schulterhöhe der rechts iavon befindlichen Fackelträger.

Von den übrigen Bildwerken stehen in näherer Beziehung zum llauptdcnkmal zwei Rehefs von annähernd 1 m Höhe, die ver- mutlich zu beiden Seiten desselben an der >üdwand angebracht waren. Dargestellt »nd wiederum die beiden Fackelträger mit erhobener und gesenkter Fackel. Der >orkel der einen Tafel trägt eine undeut- lich gewordene Inschrift, in der, wie es scheint, wieder ein Marceh(i)Hs Marianus lenannt wird. In nächste Nähe des Kult- liilds gehören ferner zwei Altäre mit eigen- artigen Kapitellen, ohne Relief und In- schriften. Zwei weitere Altäre von ähn- licher Form, die wahrscheinlich aut den l^odicn an der Wand standen, sind mit llcliefs und Inschriften versehen. Auf dem einen ist eine stehende weibliche Figur larirestellt, die oberflächlich eingeritzte Inschrift nennt als Stifter einen M. Tig- mtarius (?). Der andere ist vorzüglich er- halten, zeigt eine männliche und eine wrihlichc Gottheit (letztere geflügelt) mit verschiedenen Attributen; im Felde da- runter, in ganz flachem Relief einen grossen Haben ; oberhalb der Götterbilder die vor- ÄUijlich erhaltene Inschrift:

DEO SVCELLO- NANTOSVELTE- BELLAVSVS MAS SEFILIVS-V-S-L-JW

Ausser einer Reihe fragmentarisch er- haltener Weihreliefs, Inschriften u. s. w. l>leil>t noch eine grosse Vase aus Sand- stein zu erwähnen, die im Kultus die ge- heiligte Felsquelle des Mithras vertrat.

Im Heiligtum, bzw. in nächster Nähe sind nicht weniger als 276 Münzen gefun- den worden, die in dieser Reichhaltigkeit bei der Untersuchung durch Hm. Prof. Wich- tnann in Metz sehr wichtige Ergebnisse fiir die Datierung des Mithraeums liefer- ten. Es sind sämtlich Kupfermünzen, und zwar der Mehrzahl nach Kleinerze. Die IIau]>tmasse gehört dem dritten und na- mentlich dem vierten Jahrhundert (bis einschliesslich Theodosius) an.

An Metall sind sonst nur einige geringe Reste von Schmucksachen gefunden worden. Auch die Funde an Thon- und Glasscherben sind unbedeutend.

Von grossem Interesse ist dagegen ein männliches Skelett, welches mit gefessel- ten Handgelenken unter den umgestürzten Blöcken des Hauptreliefs lag ; offenbar das Opfer derselben Hände, die das Heiligtum selbst zerstörten.

Die f unde sind seit September in der hiesigen Markthalle untergebracht, wo die Zusammensetzung jetzt soweit vorgeschrit- ten ist, dass sie in Bälde nach Metz trans- portiert werden können, wo sie als Reichs- eigentum in der Sammlung fles Vereins für lothr. Gesch. und Altertumskunde Platz finden werden. Die Münzen sind durch Verfügung der zuständigen Behörden an die Königlichen Museen in Berlin ü1>er- wiesen worden. Saarburg i. L. Dr. E. Wendung. Aus der Pfalz, im Dez. [GrabhOgelffunde.] 109. Von Obermosch el ca. '/* Stunden nach Norden zieht sich auf der Wasserscheide zwischen Alsenz und Nahe die. „Hoch- strasse** hin. Hart an derselben und zwar südlich erstreckt sich der „Bauwald" von Obermoschel. In demselben liegen drei Tumuli. Der erste östliche, misst 24 : 25 m Durchm. bei 2 m Höhe, der zweite westliche hat etwa dieselben Dimen- sionen, der dritte südliche auf 12 m. Durchm. ca. 1 m Höhe. Im Lauf des letzten Oktobers wurde der 1. und 3. von Pfarrer Christ zu Obermoschel mit Unterstützung von Seiten des Berichterstatters ausge- graben. — Der erste war schon 1878 von unberufener Seite angeschnitten*' worden ; damals fand sich ein Armreif aus Bronze, der in die Häode von Regierungsrat Ulmer in Speier gelangte. Man musste deshalb notgedrungen hier auf die Cohausen'sche Methode Verzicht leisten und sich mit tiefen Einschnitten begnügen. Unter einem zusammengestürzten Gewölbe, das aus ein- gekeilten Findlingen (Porphyrite !) bestand, fand sich in des Ref. Gegenwart so ziem- lich in der Mitte des Hügels und zwar in 1 m Tiefe eine grosse, schalenartige Urne. Sie war an der Aussenseite glän- zend rot (Mennig- oder Ockerfärbung!),

231

ebenso an der Innenseite ; der Kern schwarz. Durchm. etwa = 45 cm, Höhe = 15 cm. Das Ornament entbehrte sie. Sparen kal- cinierter Knochen fanden sich. Vorher waren in 1,60 m Tiefe nach NW. zu fol- gende Gegenstände gefanden worden: 1) ein 11 cm langer, an der Angel 2,5 cm breiter, weidenblattförmiger Bronze- dolch mit scharfem Mittelgrat, kurzer, spitzer Angel and 4 Nietlöchern (1 Niet- nagel ist noch erhalten). Über analoge Funde vgl. v. Tröltsch : „Fundstatistik der vorrömischen Metallzeit" S. 52—53. 2) Eine 19 cm lange Gewandnadel ') aus Bronze, Kopf eiförmig; nach einer Einsenkung folgt eine zweite, ellipsoidisch gestaltete Anschwellung. Verzierung parallele Kreis- linien. Auch diese Form ist in Süddeutsch- land häufig; vgl. V. Tröltsch a. a. 0. S. 38—39. 3) Die Hälfte eines glatten Arm- reifes aus Bronze von 5,5 cm Durchm.; Dicke des cylindrischen Bronzedrahtes 3—4 mm. 4) 2 schwarze Feuersteinsplitter von 2,3 und 4 cm Länge auf 1,8 und 3 cm Breite. 5) Ein 8 cm langes, 1 cm dickes 'Stück cylindrischen Eisens, her- rührend von einem späteren Armreif (?), Rest einer römischen Nachbestattung (?). Der zweite, südlich gelegene Hügel wurde auf den Rat des Ref. nach Co- hausen'scher Methode vollständig ausge- gegraben. Hier fanden sich nur Spuren eines Bronzereifes. In der Mitte dagegen stiesB man in Va Tiefe auf ein Urnen- lager; dasselbe bestand aus 5 Stück, von denen zwei ziemlich erhalten sind. Die Urnen standen auf dem gewachsenen Bo- den, von Feldsteinen leicht geschützt. Sämtliche Urnen waren von annähernd gleicher Grösse: Höhe = 34 cm, unterer Durchm. = 10 cm, oberer Durchm. = 18 cm. Von den 5 Urnen sind 4 rot be- malt, 1 ist schwarz. Von jenen zeigt die besterhaltene folgende Ornamentik auf. Drei parallel laufende Doppellinien teilen das Gefäss in 4 Zonen: die oberste zeigt eine Linie von Doppelkreisen mit Central- punkt ; die zweite zwei aus kleinen Tupfen bestehende Parallel linien ; die dritte Dop- pelkreise, die mit je 2 senkrechten Doppel-

1) Nicht Haarnadel, wie man bisher vielfach unrichtig angenommen hat.

232

linien abwechseln; die vierte zwei, alter- nierend stehende Reihen von Doppelkreise mit Centralpunkt. Die zweite verzierte Urne ist schwarz ; sie ist verziert mit fort- laufenden Zickzacklinien, die in den wei- chen Thon eingeschnitten sind. Die Fnrfber sind mit einer weissen Paste ausgelegt - Vgl. die in Ornamentik and Technik tm- logen keramischen Funde von Albsbeii a. d. Eis und des V.'s „Studien z. ältest»; Geschichte der Rheinlande'' 7. Abt S. K Auch mit diesen Gefassen waren Bronj^i der jüngeren Bronzezeit, besonders zie Miniaturdolche, vergesellschaftet. li. den Urnen lagen nach Pfarrer Christ Mitteilung Asche und Knochenteile. - Ausserdem fanden sich im südlichen Hufe Feuersteinsplitter und zwei Bernsteinperlc Der Bernstein ist glänzend rot. Wr . haben hier in Steinpackung Leichenbrin. und Bronzen, sowie Gefässe der jäofc- ren Bronzezeit, die in der Pfalz bL«- her nur vom Rande des Hartgebirges ns- von der Rheinebene ziemlich gut vertretet war. Die Grabhügelfunde von Ascfaba.* Potzbach, Nanzdiezweiler, Massweiler n. s f gehören der älteren Bronzezelt an. Dr. C. Mehlis. Römische Begrabnisstafte und rSfliiscber Nebenweg bei WInnenberg im Ffirsteotn Birkenfeld. Von dem nördlich von Sonnes- berg auf der Hochfläche gelegenen Dör- eben Winnenberg zieht sich ostwärts eine Schlucht zur Nahe hinab, die de! Namen „Teufelsgraben« führt. An dcrr Nordseite erhebt sich der Wald „Römer, durch den der von Niederbrombach b: Hochkastell " vorüber kommende , Römer- weg" zur Nahe oberhalb Hammersteis geht. Seltsamerweise wird auf der amt- lichen Flurkarte der Flurweg, der ans dem Dorfe an dessen Nordseite vorüber in die Nähe des Waldes „Römer** gebt, al>er rm diesem endigt, ebenfalls „Römerweg** ffe- nannt; und seine Führung in geraden Li- nien mit zweimaliger Brechung in scharfei Winkeln würde allerdings zu römischer Anlage passen. Zu diesen beiden Wcgtn kommt nun ein dritter, der zwar nirht diesen Namen führt, aber durch ändert* Umstände eine besondere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt.

233

£r geht dicht bei der Ostseite von ^Vinuenberg jn gerader Liuie nach Süden, ^"endet sich dann mit einer dem Zuge der Höhe entsprechenden Biegung nach Osten uud geht so über die höchste FJäche des l^ergrückens, der sich an der Südseite des ,,Teufel8grabeus'^ zur Nahe hinzieht, an- längs über Feld, dann durch den „Hof- niaiiuswald'% und zwar in auffällig gerader, langer Linie, die vor dem genannten Walde bei der „Sandkaul^* eine ganz schwache Brechung hat. Dabei zeigt dieser Weg eiue dichte Steinung mit meist ungefähr faustdicken Steinen an der jetzigen Ober- Hache. Die Hauten von ähnlichen Steinen, ^' eiche im Walde in der Gegend der ,,Liehmkau^* an der Seite des Weges liegen, scheinen von Stellen, wo diese Steinung zerstört war, zusammengebracht zu sein. Au einer Stelle aber, an welcher diese obere Steiuschicht fehlt, tritt eine geschlos- sene untere Schicht von schweren Steinen (ein PÜaster) zu tage. Die Breite des Steiukörpers des Weges, dessen ursprüng- liche Decke längst abgenützt zu sein scheint, beträgt etwa 2^J2 m. Die Steinung ist uicht mehr zu erkennen jenseits der er- wähnten, an die Südseite des Weges an- stossenden „Lehmkaur^; und dass die sorgfaltige Weganlage wirklich in dieser Gegend endigte, dafür spricht auch der Umstand, dass die bis dahin so scharf ge- zogene gerade Linie ebenfalls gleich hinter der Lehmkaul aufhört und von da ab die ganze Gestalt des Weges, der nachher mit Windungen an der sehr steilen Bergwand bei der Nahe hinabgeht, die eines gewöhn- lichen Waldweges ist.

Der kurze und schmale, aber mit ver- hältnismässig grossem Aufwand angelegte Kuustweg war bisher nicht beachtet wor- den, bis in seiner Nähe an der südlichen Seite des Bergrückens, bei einem vor der „Sandkaul** sich abzweigenden Flurwege, in dem Flurbezirk „Schachensrech" ein rumisches Gräberfeld von nicht eben grosser Ausdehnung, wie es scheint, entdeckt wurde. Es fand sich nämlich da im Oktober 1894 beim KartofFelgraben nahe der Oberfläche eine Aschenkiste aus hellgelbem Sandstein, 43 cm 1., 35 cm br., 22 cm h., von ziem- lich regelmässiger Form, aber rauh gear- beitet, deren Deckel längst darch den

234

Pflug abgeschoben zu sein scheint. Da- neben stand ein römisches, einhenkliges Grabkrüglein von gelblichem Thon, 19 cm hoch, ,18 cm weit, und ein flacher Napf von grobem Thon und plumper Form, ohne Drehscl^eibe gearbeitet und mit einem Buckel an einer Stelle, der offenbar weder zur Verzierung, noch zu einem praktischen Zwecke gedient hat. Ausserdem fanden sich in einiger Entferniwg auf der Ober- fläche des frisch umgearbeiteten Ackers Scherben einer römischen Urne von blau- grauem Thon und feiner Form. Eine weitere Nachgrabung hat nicht stattgefun- den. Das grobe Gefäss wird wohl nicht zu der Annahme berechtigen, dass der Begräbnisplatz auch schon in vorrömischer Zeit benützt worden ist ; vielmehr wird eine solche Mischung von gröberen Thonge- schirren mit römischen, wie sie auch sonst, z. B. auf dem Urnenfriedhof bei Burg- Birkenfeld und dem unterhalb Kirn be- gegnet, so zu erklären sein, dass in rö- mischer Zeit neben römischen Gefässen auch noch Erzeugnisse einer einheimischen, roheren Töpferei für den gewöhnlichen Gebrauch verwandt wurden.

Die römische Begräbnisstätte und der gesteinte Flurweg lassen mit Sicherheit auf eine in der Nähe befindliche römische Ansiedlung schliessen, wohl eine Meierei, auf welche der „Winneberger Hof*, des- sen Wohnhaus und ehemalige Schäferei noch stehen, zurückgehen dürfte. Der Hof, der jetzt zum Dörfchen geworden ist, hat eine sehr günstige, zugleich freie und nach Norden geschützte Lage in der Nähe eines guten Brunnens. In geringer Ent- fernung westlich von Winnenberg geht die alte, nach römischer Weise angelegte Höhenstrasse von Alienbach nach Frauen- berg vorüber, bei deren Kreuzung mit dem grösseren „Römerweg" im nordwestlichen Winkel der Flurbezirk „auf dem Hoch- kastell" liegt. Der römische Begräbnisplatz und das Seitensträsschen liefern einen neuen Beweis dafür, dass das Gebirgsland bei der oberen Nahe in viel ausgedehnterem Masse römischer Kultur erschlossen war, als der bis vor kurzem herrschenden Meinung entspricht.

Birkenfeld, F. Back.

235 -

111. Baldringen (bei Niederzcrf, Hochwald). [Rtfmischer MOnzfund.] Wie ich schon in meinem Berichte in Nr. 17 dieses Blattes am Schlüsse kurz angedeutet habe, ist bei den Ausgrabungen des Trierer Prounzial- museums bei Baldringen ein Münz f und von 119 Mittelerzen zwischen einigen Hausteinen gemacht worden. Dia Fund- umstände, namentlich das Fehlen von Resten eines Gefässes oder sonstigen Behältnisses, die geringe Anzahl, sowie der gänzliche Mangel an Münzen von Edelmetall sprechen dafür, dass es sich um einen zufallig ver- lorenen Betrag, nicht um einen vergrabe- nen Münzschatz handelt, Von den 119 Münzen gehören 36 dem Magnentius, 5 dem Decentius, die übrigen 78 dem Con- stantius II an. Ich hielt mit der Ver- öffentlichung dieses Fundes absichtlich zu- rück, in der Hoffnung, durch eine genauere Behandlung desselben im Zusammenhang mit den übrigen Münzen der betreffenden Kaiser und Usurpatoren die von Hettner im VI. und VII. Bande der Westdeutschen Zeitschrift (S. 1 19 ff. bz. S. 1 17 ff'.) aufgestellte Chronologie ein Stück weit fortführen zu können. Es scheint mir aber nun bei dem gegenwärtigen Stand unserer Kenntnis der Münzen dieser Zeit noch nicht möglich, sichere Resultate zu gewinnen, weshalb ich mich entschloss, den Fund der öffentlichen Kenntnis nicht länger zu entziehen.

Sämtliche Stücke, die dem Magnentius und Decentius gehören, tragen die Hevers- legende Sahis 1)1) nn Aug et Caes, wäh- rend die sämtlichen Stücke des Con- stantius II die liegende Salus Aug. nostri zeigen. Die Reversdarstellung sämtlicher Münzen ist das Monogramm Christi zwi- schen A und (X). Die Averse des Magnen- tius zeigen die Büste im Paludament nacli rechts ohne Schmuck und die Umschrift: 1). n. Magnentius p. f. Aug., die des De- centius eine ebensolche Darstellung mit der Umschrift : D. n. Decentius fort. Caes. Die Constantiusaverse zeigen die Kaiser- büste im Paludament nach rechts, teils mit Perlschnur, teils mit Diadem und D. n. (hnstantius p. f. Aug.

In der folgenden Tabelle bedeutet P = Perlschnur, D = Diadem. Nach den Münzzeichen verteilen sich die Münzen folgendermassen :

Magn.

236 - Dec.

Const.

"tKF

18

1

--

2 (V)

"Trs"

« !

1

1

1 d';

TRP

5

TRS-

2

2

TRP//

1

"trF

19 (15 P und 41»

JW*

i

(9 P und 1 U

TRP*

1 (P,.

1

"trs^

17 (P

TR////

1 (D.

Un- 1 bestimmt '

1

26 (P<

Dazu kommen noch zwei Stücke, n lieh eines des Constantius II mit I' schnür, worauf unter dem Monoirr.4 Christi ein liegendes A (<j) erscheint, augenscheinlich verprägtes Stück, und ♦- des Magnentius mit umgekehrtem ^ im Namen und dem Revers gALVg D( '* AVG ET CAES, einem ven^rägten M

gramm und dem Prägevermerk '

Sichere Schlüsse wird man au«; Zusammensetzung des Fundes bei s- : geringen Menge nicht ziehen können. .• das grosse Vorwiegen von ' Constan' münzen mit dem zweifellos auf eine - tere Emission hindeutenden Zeichen Sternes und das gänzliche Fehlen di« Zeichens auf den Stücken des Magnei. und Decentius dürfte darauf binde) * dass der Salusrevers ganz am End»- Tage der beiden Usurpatoren geprh'jt unter Constantius Alleinherrschaft für nächste Zeit noch beibehalten wurde. I

237

Münzfund wird also wohl im Jahre 354 verloren gegangen sein. Die Stellung des JSternes über, neben oder unter dem Ab- schnittstrich bei den betreffenden Münzen des Constantius deutet wohl nur auf Ver- schiedenheit der gebrauchten Stempel, nicht auf verschiedene Emissionen hin, docli glaubte ich auch diese Abweichungen angeben zu sollen. Trier. Dr. Lehn er.

Chronik.

Von den Vierteljahrsheften des XIV. Jahr- ganges der Westdeutschen Zeitschrift ent- hält lieft 1 einen Aufsatz von A. v. Do- maszewski: Die Religion des römischen

Heeres, mit 5 Tafeln. Heft 2: Chr.

L. Thomas: Die Bingmauem auf dem Goldgruben- und Dalbesberge in der hohen Mark im Taunus (hierzu Taf. VI); Ja- cobi: Grenzmarkierungen am Limes. Er- gebnisse der im Jahre 1894 im Taunus erfolgten Untersuchungen (hierzu Taf. VII -XIII); F. Lau: Beiträge zur Verfassungs- geschichte der Stadt Köln; J. Hansen: Komische Nuntiaturberichte als Quellen zur Geschichte des Kölnischen Krieges (1576—1584); H. De tmer: Zur Geschichte der Münsterschen Dombibliothek. Heft 3 : R Gothein: Zur Geschichte der Bhein- ^chiifahrt; J. Müller: Der Konflikt Kaiser Rudolfs II mit den deutschen Beichsstädten ; U. v. II eine mann: Ein zeitgenössisches [.Gedicht von Franz von Sickingen; P. Leh- "cldt: Anzeige der „Kunstdenkmäler der Iheinprovinz" v. P. Giemen II. Bd. 1. 2. 3. Heft 4: F. Lau: Beiträge zur Ver- hssungsgeschichte der Stadt Köln ; E. Aus- cldt: Der Königszug von Mainz nach 'oblenz am 17. u. 18. März 842; P. Leh- eldt: Anzeige der „Kunstdenkmäler der theinprovinz" von P. Giemen III Bd. 1. 2. luseographie über das Jahr 1894.

anz, Ostfriesland und die Niederlande zur Zeit der Begentschaft Alba's 1567 bis 167S. Emden 1895. (Sonderabdrack ans d. Jahrb. d. Ge- sell sohaft fflr bildende Kunst und vaterlän- dische Altertümer au Emden).

Das Buch enthält die Schilderung einer e wagten Zeit. Die Geschichte der Graf- ;haft Ostfriesland in den Tagen Albas iigt das Streben der Regierung, neutral

238

zu bleiben unter den wilden Kriegsstürmen, welche die benachbarten Niederlande durch- tobton. Es war daher der Gegenzug der spanischen Politik dalün gerichtet, diesen Zuduchtsort den Wassergeusen abzuschnei- den, indem sie unter dem Beistande des Reiches die ostfriesischen Grafen in den Krieg mit den Feinden Spaniens hinein- zwang. Das Aufkommen und Erstarken der Wassergeusen steht im Vordergrund des Interesses ; das schwankende Verhalten Oraniens und der europäischen Gross- mächte zu diesen wilden Seeräubern wird klargelegt. Der Verf. legt eine ausgebrei- tete Kenntnis der Quellen an den Tag und hat es verstanden, aus ihnen ein lebendiges Bild der Personen und der Geschehnisse zu gewinnen. n.

Ekrenberg» Hamburg und England im Zeitalter 114. der Königin Elisabeth. Jena 1896.

Das mit grossem Verständnis imd vielem Fleisse gearbeitete Werk bildet einen sehr wertvollen Beitrag zur Handelsgeschichte des 16. Jhdts. Es erweist, wie dem plan- mässig vordringenden Wettbewerb der eng- lischen Merchant Adventurers der deutsche, spez. der hansische Handel erliegen musste. Die Geschichte der englischen Handels- niederlassung in Hamburg (und Stade) wird eingehend klargelegt, namentlich der Handelsbetrieb, der durch interessante statistische Beilagen erläutert wird. Von Interesse ist namentlich auch die Charak- teristik, welche E. von dem Hansesyndikus Dr. Heinrich Suderman entwirft. n.

Rehme, Das Labecker Ober-Stadtbuch. Ein Bei- 115. trag aur Geschichte der Böchtsquellen und des Liegenschaftsrechts. Mit einem Ur- kundenbuohe. Hannover 1895.

R. erörtert vom juristischen Stand- punkte aus das Grundbuchwesen Lübecks systematisch und in erschöpfender Weise. Eine entsprechende Bearbeitung des Kölner Schreinswesens, aus dem bisher nur Gob- bers die Erbleihe herausgegriffen hat, wäre sehr erwünscht. Trotz der vielen Ana- logieen, welche die Kölner Entwicklung zeigt, weist der Verf. (S» 103) eine Ein- wirkung des Kölner 100 Jahre früher ein- setzenden Grundbuchwesens auf die Lü- becker Einrichtung, die von anderer Seite behauptet worden war, aus inneren Grün- den zurück. n.

116. In dem V. Jahrbuche der Gesellschaft für Lothringische Geschichte und Alter- tumskunde (Metz 1893) berührt Glnther Voigt in einem Aufsatze über Bischof Bertram von Metz S. 84 -die Einrichtung der Schreinspraxis in Metz, welche durch den genannten Bischof i. J. 1197 bestätigt wurde; weil Bertram früher I&ngere Zeit als Kanonikus an St. Gereon in Köln ge- lebt hatte, schreibt V. ihm das Verdienst der Einführung des Schreinswesens* in^Metz zu. In der That sind die äussereu Grund- züge des Instituts dieselben wie in Köln: Gliederung nach Pfarrbezirken, Aufbewah- rung der Schreine in den Pfarrkirchen unter der Obhut *fder Amans, welche den Kölner Amtleuten entsprec*>?n. n.

Miscelianea.

117. Ein Verzeiclinit der KOIner Richerzeche (9. Au- gust 1389—9. August 1391), zugleicli ein

Beitrag zur Ergänzung des 'Neuen Buclies*.

Dit synt die heyrren, de yrre ampt

verdient») haint.

1) Her E verhart Hardevuyst der alde^) IUI

2) Her Everhart vam Huntgyne ') X

3) Her Heinrich Hardevuyst rit- ter») IUI

4) Her Heinrich vain Stavei») . V^)

5) Her Costin van Lyskirchen zo Mirwilre*) XII

6) Her Hilger van der Stessen b) b) c)

7) Her Heinrich van Cuesin der

aide Vld)

8) HerCostynupdemHeumarte*) XII

9) Her Herman Scherfgin«) . . I

10) Her Johann van Troyen ^) . VIII

11) Her Remholt Scherfgin«) V

a) andeatlioh. b) Name und Zahl durch- btrichen. c) Zahl unleserlich. d) Zahl un- deutlich, vielleicht YII.

1) Abgegangener Bürgermeiater 1372 Aug. 18 (Mittwüchs-Bentk. Ausgb. 71).

2) Bürgermeister 1373 Jan. 10 (i^uellen V nr. 8).

3) Ebenso 1874 Mai 8 ((Quellen V nr. 53).

4) p:bento 1375 März 31 (Urk. nr. 2908).

5) Ebenso 1378 April 28 (Mittw.-R. 1. c).

6) Abgegangener Bürgermeister 13711 Oct. 26 (1. c).

7) Bürgermeister 1379 Aug. 13 ((Quellen V nr. 230).

8) Ebenisu 1380 April 1 (ürk. nr. 3308).

e) ohne Zahl. f) Zahlen aneradiert.* g) d^t Name Heinrich ausradiert. h) Alle mit einru Sterne bexeiohneten Namen sind in der Hs. darch- strichen. i) Verbessert aus n»yn*.

9) Bexeiohnet als olim magister civium 1394 Juli 9 (QueUen VI nr. 169).

10) Bargermeister: 1388 Des. 4 (QaeUen V nr. 288).

11) Ebenso.

!2) Bürgermeister 1383 Nov. 16 (Urk. nr. 357i»

13) Bezeichnet als olim magister civium IS94 Juli 9 (Quellen VI nr. 159).

14) Bürgermeister 1390 Sept. 5 (Bat BriefeioK nr. 248) vergl. ib. nr. 186 (1887 Oct. 13).

15) Bürgermeister 13HS Oct 10 (Urk. nr. 3566 •.

16) Ebenso 1389 Märe 1 (Urk. nr 407g).

17) Dietrich vom Home, Abt von lir. St. Mar tin, starb 12. Dexember 1397 (Kessel. Antiquiut'» Mon. St. Mariini S. 149)

240

12) Her Werner van der Aducht »)

13) Her Pliilips Scherfgin ... V

14) Her Everhart Hardevu^'st der i junge »<>) III '

15) Her Lufart van Schiderich b) ") IIU *> |

16) Her Johan vam Home*») . . II (V^^

17) Her Mathys van Spiegel ") . *

18) Her Johan Oy verstoütz b) Uh.

19) Her Heinrich Har[devu]y8t **> 11

20) Her Johan van Eiferen . . ^

21) Her Goehel van der Eren ^

22) Her Goedart Gyrb) . . . f>.'j.

23) [f. Ib] Her Johan Birckelin b) i*) I

24) Her Johan Scherfgin ") . . '

25) Her Heinrich vam Cuesin der junge I

26) Her») Lodowich Juede*«) I

27) Her Koelkin van der Eren . I

[f. 2a] Dit synt die un verdiende ainpte.

1) Herr Johan Schertgin der Kartuser * b

2) . Benyngna vam Huntgyn, nunne zr> Seyne.

3) Elsa Schoynweiders, nunne zo Ander- nach.

4) Maria Quattermartz, nunne zu Wier*. ö) . Stina, Heinrich Jueden doichter. 6) . Heinrich Kost.

.7) . . Gertruydt Segelmarie*.

8) Johan Fust*.

9) . Johanna vam Spiegel.

10) . Richmoit yr i) suster, nunne zo seni Agathen.

11) . Bela yre suster van Aichge.

12) . Blytza yre suster. |

13) . Her Diederich, abt zo sent Mertin ^'

^ 241

14) . Aleit vam Home, nunne zo Wier*.

15) . Beatrix, vre suster, nunne zo sent Mauriclas.

16) . Elisabeth, Costin Greven wyff.

17) Aleit, yre suster zo Lanquaden*.

1 8) Elisabeth vam Jueden, nunne zo sent Gertruyt*.

19) . Nesa vanme Jueden»'), yre suster.

20) . Mathys onder der burgerhuys ").

21) . Johan Wyroich, syn neyve").

22) . Goiswin van Birckestorp. 28) Johan Keiner*.

24) . Benyngna vam Cuesyn, nunne zo Wier.

XXIill.

25) . . [f. 2b] Johan vam Heuberge*.

26) . Mathys vam Home.

27) Druda Overstoiltz, nunne zo Wier.

28) . Yda, yre suster, nunne zo Meichteren.

29) Vrauwe Loppa vam Stave*.

30) . Vrauwe Greta Gijrs.

31) . Paza, Sander Jueden wyif.

32) . Catherina, yre suster, nunne zo Burbach.

33) . Her Aylff vam Hirzezo sent Severyne.

34) . Cirstiaem Eympgin*»).

35) . Ailka, syn wyff.

36) . Aylff van Urbach*.

37) . Johan Vetschoilder ").

38) . Reynart Quentin").

39) Vrauwe Bela vam Cuesyn*.

40) . Her Tielman yre sftn.

41) . Everhart van Poilheim*.

42) . Bichmoit Oyverstoiltz.

43) . Greta van Wippervurde.

44) . Her Tielman van Troyen.

45) Her Johan van Gymnich*.

46) . Everhart Walrave*").

47) . Conradus der Apteker*.

48) Johan Groitenroide *.

k) vanme Jueden über der Zeile.

18) Mathias aubtus domum civium wird 1375 Sept. 26 genannt (Mittw.-Rentlc. 1 c.)-

19) =? Johann Wyrich von Hirt«velt (Urk. ur. 5515).

20) Christian Eyiugijn, Amtmann, 1S88 Jan. 15 (Urk. nr 3938) und 1391 Juni 18 (Urk. nr. 5268).

21) Johann Vetacholder, Amtmann, 1378 Sept 23 (Urk. nr. 318 5).

22) Reinhard (^uentin, Amtmann, 1390 Nov. 6 (Urk. nr. 4315).

23) Ein Everhart Walrave wird 1391 April 23 (Urk. nr. 4351) aU städtischer Söldner erwähnt.

242

49) Mathys* und

50} . Johan, syne soene.

XXVI. 51) . [f. 3a] Philips van der Dannen. .52) . Johan, syn sftn.

53) . Bernart, syn sun.

54) . Nesa, syne doichter.

55) . d. ') Peter Plock.

56) Vrauwe Bela van der Landtzkronen.

57) Fj-a, yre doichter, nunne zo Meichteren.

58) . Wilhelm van Briseke.

59) . Druda Brubachs.

60) . Bela van Mommersloch, nunne zo Wier.

61) . Johan van Caster.

62) Bruyn Vloegel*.

63) Richolif van Franckenvort.

64) . Micheel Francke").

65) . Micheel | ^^^^^^

66) . Styna / ^

67) . Winrich van Ouxheim.

68) . Heinrich, syn sun.

69) Wolff van Glesch*.

70) Alflf, Bruwer van Roide.

71) . Engilbrecht van der Dftven.

72) . Johan van Romftnde.

73) . Johan van Aichge, Paulynen man.

74) . Goebel van der Dutten*.

XXIIII.

75) . [f. 3b] Guetgin vam Jueden.

76) . . Claes Empgin*.

77) . Werner Panthaleoin.

78) . Gerard van der Hoisen der junge.

79) . Everhart Dais.

80) . Gerart, syn sftn.

81) . Goebel vam Raede.

82) . Herman van der Arken.

83) . Herman, syn sftn.

84) . . Cono van Mauwenheim*.

85) Steffaen Mftysgin*.

86) . Diederich van Guilge.

87) . Tielman Buntwoerter.

88) . Tiele, syn sftn.

89) . Heydenrich Oyverstoiltz. m) . Goedart>an Elmpt").

1) Vor dem Namen steht ein d- ähnliches Zeichen, vielleicht als dominus aufBulösen.

24) Ein Michael Franke kommt 1391 Febr. 4 (Urk. nr. 4889) vor.

25) Ein Godart von Elropt wird als städtischer Söldner 1376 Sept 9 (Urk. nr. 8009) genannt

243

244

91)

92) 93) 94) 95) 96) 97) 98) 99)

100)

101) 102) 103) 104) lOo) 10«)

107) 108) 109) 110) 111)

112)

113) 114) 115) 116)

117) 118) 119) 120) 121) 122)

123)

124) 125) 126) 127) 128) 129)

. Nesa vam Ilirze, nunne zo Mech-

teren *.

. Heinrich van sent Mertyne.

.'Johan van der Roisen.

. Benyngna van der Po, nunne zo Wier«

. Vrauwe Metza van der l*o.

Fia^.yre juniFer.

Her Johan, yr sün*.

Johan, AmbrosiÜms sün.

: Johan Birckelin.

XXV. . [i\ 4a] Grete Birckelyns, nftnne zo Burbach.

. Peter van Tiedenhoyven*. Lambrecht van Triebt*. . Johan van Düren. . Johan, syn sün. . Heinrich Appelman. . Peter, syn sün.

XXX. Johannes Keppeler*. . Hilla, syn wyff. . Rembolt, yre sün. . Druda, Herman Jueden doichter. Fia, heren Werners doichter van der Aducht*.

. Elisabeth, yre suster, nunne zo sent Mauricis*.

. . Johanne, yre suster*. . . Catheryne, yre suster*. . Druda, yre suster*. . Stina"») van der Eren, nunne zo sent Aghaten*.

. Hermann) van Huchelhoven*. . Johan, syn broider. . Drude, syn suster. . Herman van Heymbach. . Herman, syn sun. . Meister Symon van den Vrauwen- broederen.

XXXIII. [f. 4b] . Heinrich Fincke. . Gerart Foegel van Wesel. . Costyn Panthaleoen*. . Conrait Moelensteyn*. . Werner van Vrisingen. . Servaes. . Costyn Panthaleoyn der junge *•).

m) „Stina" über der Zeile für gestr. Catherine. n) ebenso für gestr. Arnold.

26) Costyn Pantaleon der j., Amtmann (1385 Mai 80 <Urk. 8666 OB.).

130) . Johan Wychman.

131) . Heinrich Wichman").

132) . Johan van der Duven.

133) . Johan van Hürde.

134) . Alke van Dorpmunde.

135) . Zelis van Orsoyen").

136) . Johan van Kleberg.

137) . Peter van Walde.

138) . Catheryna, syn suster*.

139) . Johan der goiltsmyt vam Iloene'*!.

140) . Jacob van Ryngberg'®).

141) . Coynrait van Randenroide.

142) . Johan, syn sun.

143) Coynrait van dem Buchel*.

144) . Gerart van Odendorp.

145) . Her Johan Scherfgin*.

XXIH.

146) [f. 5a] . Her Gerart Scherfgin.

147) . Peter Schelbume.

148) . Diederich von Odendar.

149) Herman Zeuwelgin.

150) . Mannus van Hemcrshem *,**).

151) . HerJobanBlomenroitzosentMertixi 152; . Blytze van Schallenberg.

153) . Blitza Overstoiltz zo den Wyssen- vrauwen.

154) . Ida, yre suster.

155) . Sypgin van der Wyden.

156) . Goebel van Lynghe.

157) . Heinrich van Hesen.

158) . Cirstiaen Vlaes").

159) Ida, Ecene toelners wyf*.

160) . Jacob van Seendorp.

161) . Franke Losschart.

162) . Goebel van Eppendorj).

163) . Werner van Haue.

XXX.

164) Arnolt van Bunne Cruder*.

165) . Gerart vam Sterren.

166) . Druda vam Jueden by sent I*an- thaleoyn.

167) . Johan van Andernach'*).

27) Ein Heinrich Wychman wird in Gelder Bchftften 1S8S Des. 9 (Urk. nr. 3579) nnd 15bS Mai 5 (Urk. nr. 8978) genannt.

28) Genannt 1380 Oct. 29 (Schreinsb. 3&6).

29) -=? Joh. vom Hoyre alias von Malbeim, Goldschmied, 1882 Mai 5 (Urk. nr. 8158), 13S4 Nov. 8 (Urk nr. 8687).

30) Amtmann 1395 Jan. 16 (Urk. nr. 5401).

31) Nach dem Namen wohl Kweifelloa ein Jud« 82) Christian Vlaess grandeie 1880 Des. 23

(Quellen V nr. 252) eine Handelsgeeellachaft.

33) Goldschmied 1396 Nov. 10 (Quellen VI nr. 284).

-" 245

246

des vurs. Conra- dus kiadere.

168) . Conradus van Keyserswerde '*) 1«9) [f. obj . Johan

170) . Conradus

171) . Pauwelc

172) . Lyse

173) . Stine

174) . . . Vraiiwe Bela vani Iluntgyne II.

175) . Elisabet, ire douhter*. 17«) . Blyza, ire doichter.

177) . Matbys van Komünde.

178) . Jobans doichter van Reyven, nunne zo Maityren,

177) . Matbys Paffe.

178) . Ailka van £menroide.

181) . Matbys van Koyveren.

182) . Joban Scboerre in der Juedengassen. 188) . Joban vam Homo zo sent Mauricius.

184) . Joban Oeverbercb.

185) . Bruyn, H(enricbs)? Slicbters sun.

186) . Iladewicb vam Hörne.

187) . Styne Gysen*.

188) . llenyricb, Coyn medebruwers sun*.

189) . Joban van Oyverroide.

190) . Elisabet vam Jueden.

191) . Vrauwe Wilbelraa Hardvuyst.

XXIIH.

192) (f. 6a) . Elisabet van der Eren, nunne zom Doenwalde.

193) . Blyze Hardevuyst, nunne zo sent Gertruyt.

194) . Fia, yre suster.

195) . Jobanne, yre suster.

196) . Goebel Cannfts.

197) . . . Vrauwe Bela van Efferen*.

198) . . . Bela, beren Jobans doicbter van Efferen.

199) . Aleit vjan Wescboyven.

200) . . Heinrieb van Mer*.

201) . Johan van Stummel.

202) . Johans wyff van Stummel.

203) . Joban, syn sftn.

204) . Meister Arnolt Franke'*).

205) . Gerwin van Brieckelvelde der junge.

206) . Bela, syn suster.

207) . Joban van Hachenberg.

208) . Stina van Wippervurde.

209) . Melis van Bernsburne.

210) . Ailka van Stralen.

34) Genunnt 1S90 Juni 14 (Urk. nr. 4251).

35) Stadtsteinratts (lapicida civitatis) genannt n. a. Sohreinsb. 2 f. 83a (1878 Dez. 18) and 1388 Mira 16 (Schreinsb. 26 f. 3a).

21t) . Abel van der Linden.

212) . Wynricb van Ouxhem der junge.

213) . Dru(Ja, Goebel Cannus wyff.

214) . Stina, yre nyecbte.

XXIII.

215) [f. 6b] . Herman Pyne ymme kraem- huys **).

216) . Elsa, syn wyff.

217) . Johan van Segen.

218) . Tiel, Synartz sftn van Nuwerburg*.

219) Joban, Bruyns sun van Aiche.

220) . Vrauwe Hadewicb van Lisenkircben.

221) . Irmegart, yre suster.

222) . Vrauwe Greta vam Kuesyn.

223) . Bela, yre doicbter.

224) . d Engilrait Oyverstoiltz.

225) . Coene martmeisters '^).

226) . Johan Scbeylart.

227) . Kuysgin Viaedenbecker*.

228) . Heinrich van Stralen. 22^^) . Joban, syn sun.

230) . Bela, syne doicbter.

231) . Coinraii van Arnsberg der junge*.

232) Bruyn van Lanck*.

233) . Fia, Heinrich Slicbteren doicbter.

234) Vrauwe Druda van der Aducht*.

235) . Bela, yre doicbter zo sent Maxi- minen*.

236) . Werner, yre sun.

237) . Stina, yre suster*.

XXHI.

238) [f. 7a] . Rutger Busch.

239) . Metza vam Eyehorne.

240) . Heinrich Slicbter.

241) . Hadewicb vam Stave zo sent Mau- ricius.

242) Johan Rost*.

243) . Wilhelm van der Hagen.

244) . Hilger, Johan Hirtzelyns sun»).

245) . Johan, syn broiderp).

246) . Johan van Stotzheym der aide.

247) . Johan, synen sftn<i).

248) . dominus Theodericus Eyfler de Kai- kar, vicarius in Capitolio, dedit sibi dominus Godefridus Gyr scabinus.

o) Mit diesem Namen beginnen die Nach- träge. — p) Hinter 244/245 am Rande: dedit do- minus FiVerhai*das Hardevust senior. q) Ebenso hinter 246/247: dedit dominus Godefridus Gyr ex parte domini Johannis Oyverstoiia.

36) Städtischer Beamter im Kramhaus. S7) Ebenfalls städtischer Beamter.

247

248

249) Item domina Bela, relicta qaondam domjni Johannis de Cornu.

250) Item Ileytgino Swynde up der Hysen '). Das Original des vorstehenden Ver- zeichnisses ist ein Papierheft in kl. 4^, das im ganzen aus 16 Seiten besteht, von denen f. 7b und f. 8ab leer geblieben, während die übrigen mit je einer Reihe untereinanderstehender Namen beschrieben sind. Auf f. la und f. Ib stehen die Na- men der verdienten Herren, es folgen dann von f. 2a 7a die Namen der unverdienten Ämter. Der jetzige Zustand der Hs., von der f. la durch Nässe etwas beschädigt ist, so dass die Namen z. T. erst durch Anwendung von Reagenzmitteln lesbar ge- macht werden konnten, zeigt, dass die- selbe längere Zeit hindurch im Gebrauch gewesen ist. Es sind Streichungen und und Rasuren in der ursprünglichen Nieder- schrift vorgenommen, eine grosse Anzahl von Namen mit Eanzleivermerken in Ge- stalt von Punkten'*) vor denselben ver- sehen worden. Die Liste ist bis nr. 243 der unverdienten Amtleute in einem Zuge und von einer Hand geschrieben, die letz- ten Namen (244 250) sind Nachträge an- derer Hand und, soweit erkennbar, in 3 Absätzen eingetragen.

Das Verzeichnis ist früher, wie eine auf demselben befindliche Bleistiftnotiz be- zeugt, als eine Liste der Schöffenbruder- scbaft bestimmt worden. Ein solcher Irr- tum ist bei flüchtiger Betrachtung wohl erklärlich und es lassen sich in der That eine ganze Anzahl der verdienten Herren als Schöffen»') nachweisen. Bei näherer Überlegung wird es jedoch einem jeden, der mit den Verfassungskämpfen der letz- ten Jahrzehnte vor dem Sturze der Ge-

r) vor nr. 849^950 am Bande : ex obitu dumini Johannis de Gorna.

38) Die Deutung derselben wird noch su be- sprechen sein. Neben den Punkten finden sich noch in mehreren Fällen mehrere Namen durch EU einem Punkt susammenlanfende Linien ver- bunden, die im Drucke nicht zum Ausdruck eu bringen waren, es sind ausnahmslos unter einan- der verwandte Personen (e. B. nr. 48—50, 56 und 57, 64-66).

39) Nach einer von Alfter in Abschrift (Bd. 20 S. 263 ff) überlieferten Schöffenurkunde waren 1391 von den genannten Herren folgende Schöffen: 1, 2, 3, 5, 7, 8, 9, 11, 12, 13, 14, 16, 18, 20, 22, 25.

Schlechterherrschaft nur einigermassen ver- traut ist, auffallen, da«8 in der Reihe der verdienten Herren neben den erwähn- ten Schöffen auch die erbittersten Feinde der Schöffenpartei, die bekannten Greifen- fiihrer Hilger von der Stessen, Lafard von Schiderich und Heinrich vom Stave aufgeführt werden. Wir sind über die Persönlichkeiten dieser Parteihäupter und ihren Lebensgang so genau unterrichtet, um behaupten zu können, dass dieselben niemals Schöffen, d. h. Mitglieder des Kollegiums, dessen Bekämpfung ihre Le- bensaufgabe bildete, gewesen sind. Eben- sowenig gehörten z. B. Johann von Troyen und Ludwig Jude, trotzdem sie seihst An- hänger der Freunde waren, dem Schöffen- kollegium jemals an.

Aus diesem Grunde ist die Deutung der Liste als Schöffenbruderschaft von vornherein unmöglich. Andererseits lassen die Namen der verdienten Herren, die aus- nahmslos den höchsten Kreisen der Kölner Geschlechter angehören, ferner die grosse Anzahl der Inhaber von unverdienten Ämtern nur den Schluss zu, dass es sich um eine im hohen Ansehen stehende und über grosse Mittel verfügende Kölner Ge- nossenschaft handelt. Es ist nur eine solche bekannt, auf welche diese beiden Voraussetzungen in vollem Masse zutreffen, die vielerörterte und vielerklärte Kölner llicherzeche. Die reichhaltige gleichzeitige Überlieferung erhebt diese Annahme zur Gewissheit. Von den 27 verdienten Herren sind 16 mit Bestimmtheit als Bürgermeister nachweisbar, also in dem Amte, dessen Bekleidung die notwendige Voraussetzung für den Eintritt in die Stellung eines ver- dienten Amtmannes der Richerzeche war. Es ergiebt sich sogar, dass das Dienst- alter der Herren, d. h. die zeitliche Reihen- folge, in welcher dieselben ihr Amt ver- dient haben, in der Liste festgehalten ist*®). Bedauerlicher Weise lässt sich

40) Vgl. Nr. 5—11. Zwei scheinbare Ausnah- men sind folgende: 1390 Sept. 5 (vgl. Anm. U) sagte Salentin vonlsenburg der Stadt seine Bürger- schaft wegen des ihm durch den Bargermeister Johann Birklin zugefttgten Unrechts auf. Bs ist nun nicht notwendig, dass der Anlass su dieser Aufsage auch in das Jahr 1390 fällt, eine Umlichs Aufsage hatte Salentin, allerdings ohne spesielle

Ä49

grade die Amtszeit des letzten verdienten Herrn, Roilkin van der Eren, nicht ermit- teln. Die Nennung eines Rolandus de Ho- nore als Bürgermeister im Jahre 1394 ist für unsem Zweck belanglos, da seit dem 9. August 1391 die Richerzeche aufgehoben und das Bürgermeisteramt ein Ratsamt ge- worden war. Der vorletzte Amtmann der Reihe, Ludwig Jude, war am 1. März 1389 Bürgermeister, sein Amtsjahr lief also vom 9. August (St. Laurenz Abend) 1388 bis 9. August 1389. * Erst an dem letzteren Tage wurde er nach Ablauf seines Dienstes verdienter Amtmann der Richerzeche. Da- durch ist als Terminus a quo unserer Liste der 9* August 1389 gegeben. Der Termi- nus ad quem ergiebt sich daraus, dass. wie eben erwähnt, am 9. August 1391 die Richerzeche aufgehört hat, zu existieren. Danach lässt sich die Niederschrift unseres Verzeichnisses auf die Zeit von 1389 Aug. 9 bis 1391 Aug. 9 begrenzen.

Als äusserer Zweck der Aufzeichnung ergiebt sich zunächst die Aufnahme des gesamten Bestandes der Richerzeche an Inhabern der verdienten und unverdienten Ämter. Eine solche Aufrechnung wird in den Statuten*^) der Richerzeche all- jährlich vor der Neuwahl der Bürgermeister vorgeschrieben, eine Massnahme, die da-

Angabe des Grandes, schon im Jahre 1887 Oct. 18 an die Stadt gerichtet Es mag deshalb die An- nahme gestattet sein, dass beide Aufsagen ans demselben Grunde erfolgt sind. Jedenfalls dürfte Salentin schwerlich darüber genau unterrichtet gewesen sein, ob der Urheber des ihm zuge- fügten Unrechts zur Zeit seines Briefes wirklich noch Bürgermeister war. Doshalb ist aus dem Briefe wohl nur zu schliessen, dass Johann B. überhaupt vorher Bürgermeister gewesen war, da- gegen nicht das Jahr seiner Amtsführung. Ferner wird Johann Scherfgin nur ca. 1888 Oct. 10 als Bürgermeister genannt, wtthrend er nach unserer Liste diese Stellung erst ca. 1387/88 bekleidet haben könnte. Vielleicht handelt es sich in bei- den Fällen um zwei v-erschiedene Personen dieses Namens. Übrigens giebt das (Quellen I S. 147) veröffentlichte Bürgermeisterverzeichnis, das z. T. nachweisbar fehlerhaft ist, z. T. aber erkennbar auf jetzt verlorene Urkunden zurückgeht als Bürger- meister für 1887 in der That die Namen Johannes Scherfgin und Franko Scherfgin. Der letztere ist, am 8. September 1888 kurz nach Ablauf seines Amtsjahres gestorben (Merlo, Annal. 45 S. 29), vgl. ausserdem Schreinsb. nr. 385 f. 125b (1387) mit ib. f. 140a (1394).

41) Stein I nr. 44 g 27.

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durch notwendig wurde, dass die Zahl der unverdienten Ämter genau begrenzt war (361)**). Auch unser Verzeichnis könnte eine solche Aufrechnung Tur das Jahr 1389 oder 1390 sein. Dahk einer äusserst günsti- gen Verkettung unserer Überlieferung ist es jedoch möglich, den Zweck, welcter der Aufzeichnung unserer Liste zugrunde gelegen hat, mit unbedingter Genauigkeit zu bestimmen. Das „Neue Buch^ berich- tet nämlich folgendes**): Einmal**) habe der Rat bemerkt, „dat die gemeinde und bürgere sere verschat und verhaven wurden an dembrode und an mangen Sachen, die die burgermeistere und richerzechde do hanticrden". Er habe dieselben darauf aufgefordert, „dat si die schetzunge und genoss affdeden umb des gemeinen beste willen" und auf ihre Weigerung unter dem Hinweise, dass es ihr altes Recht wäre, „ind hed si ouch vil gecostef^, sich dazu herbeigelassen, diese Berechtigung durch eine Leibzucht von 100 Mr. fiir jeden ver- dienten Amtmann abzulösen. Zwar habe es sich später herausgestellt, dass diese abgetretenen Gerechtsame viel zu hoch bezahlt, dass sie „niet jairs wert enwas 30 Mr.'', aber die Amtleute hätten sowohl die Herausgabe ihrer Rentbriefe, wie auch die angebotene Wiedereinsetzung in ihre alten Rechte abgeschlagen. Und dies alles sei wie gewöhnlich zum Schaden der Ge- meinde geschehen.

Es sind uns nun verschiedene Urkun- den, resp. Quittungen erhalten, die mit der erwähnten finanziellen Transaktion im Zu- sammenhang stehen. 1397 März 13 (ürk. nr. 5959) quittiert der Schöffe Ritter Con- stantin von Lyskirchen über 432 '/a Mr. pag. versessener Leibzucht und von 12 un- verdienten Ämtern**). Deutlicher wird die Zusammensetzung seiner Bezüge durch

48) ib. i 12.

48) Chron. Bd. XI S. 286.

44) Ouch CO einer xideo.

45) as van veir termynen, der zweyn termyne erscheyner assnmpcio Ind zwein pnriflcacio van den neysten sweyn iaren vnr1eder(!), de mir ge- brechen, as van dem brieif mir sprechende van der Richerzechde mit den zw^fF unverdeynten ampten ind van zweyn termynen, de mir ge- brechen van dem breiff, de mir iars hundert marck spricht, de mir sent Johansdach ind np den Kirsch- dacb eraohenen.

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eine zweite Quittung desselben Jahres (Sept. 10 Urk. nr. 6064). Er quittiert darin über 1) 12»/« Mr., 2) 50 Mr. und 3) über 80 Mr., wovon 30 Mr. als von Ricfaer- zechenbriefen herrührend und 50 Mr. als Leibzucht bezeichnet werden ^<'). Es er- gtebt sich daraus in Verbindung mit den Angaben der ersten Quittung von 12 kley- neu ampten, dass Constantin erstens 100 Mr. als Leibzucht, zweitens 60 Mr. jährlich für 12 kleine Ämter der Richerzeche be- zog. Die erste Summe stimmt mit der Darstellung des Neuen Buches überein, die . letztere Sonderabfindung ist dort nicht er- wähnt. In unserer Liste findet sich nun hinter dem Namen eines jeden verdienten Amtmannes eine lateinische Ziffer, die zum Teil gestrichen, zum Teil durch Rasur getilgt ist. Hinter dem Namen Costyn up dem Hcumarte, der mit dem genannten Constantin von Lyskirchen identisch ist, steht die Ziffer XI 1, die der Zahl der in der ersten Quittung genannten 12 kleinen Ämter entspricht. Ebenso quittierte der Ritter Goddert, Herr zu Drachenfels, am 5. Sept. 1403 (ürk. Copiar Nr. 2 f. 20b) als Erbe des verstorbenen Schöffen Philipp Scherfgin über 450 Gl. „as van 100 marken van dem ampte ind herlicheit der Rycher- zech ind van 5 kleynen ampten". Die Zahl 5 stimmt auch hier mit der in unserem Ver- zeichnis angegebenen. Endlich stellte am 22. Oktober 1395 der Ritter und Schöffe Johannes von Efferen der Stadt eine Be- scheinigung über 165 Mr. von 3 Terminen von der Richerzeche aus (Urk. nr. 5598) *''). Unsere aus den vorstehenden Ausführun- gen gewonnene Kenntnis gestattet auch hier die genaue Zerlegung dieser Summe in 3mal 50 Mr. und 3mal 5 Mr., so dass der genannte demnach neben seinem ver-

46) yan wilchen eechtzig marken myr die stad van ('olne ind bürgere vurs. geldent, as van eyme brieve, genant Rychertxechsbrieve . . , driseich mr coUzsch pag ind die andere vunftaig mr as van mynre lyfts achte renten.

47) über 165 Mr, „die mir gebuerent van ander- halven jair, a> van dryn termynen, die «nu ko nnser vrauwen missen assumpcio nyest leden er- schienen ind umb waren, as van mynre renten weigen, die ich van des amptss weigen van der rycherzechde an yn nnd yrre stat geldende hain". Seinen .Streit van „diesen vnrs. Sachen*' stellt er geriohtlicher Entscheidung anheiui.

dienten Amte ein unverdientes Amt in der Hand gehabt haben muss. Die Zahl in der Liste nach seinem Namen ist zwar ausradiert, aber es lässt sich doch noch erkennen, dass an der Stelle T oder |I ge- standen haben muss. Die ausgeführte Ver- knüpfung unserer Nachrichten gestattet uns folgende sichere Schlüsse.

1) Das vorstehende Verzeichnis steht im Zusammenhange mit der im Neuen Buche gemeldeten Ablösung der Rechte der Richerzeche. Es ist zu dem Zwecki- angelegt, um der städtischen Verwaltun«; zur Kontrole über den damaligen Bestand der Richerzeche zu dienen. Es hat dann weiter diesem Zwecke gedient. Die Namen der verstorbenen Herren *8), nach deren Tode ihre Leibzucht selbstverständlich er- losch, sind nachträglich gestrichen, der gleichen Tilgung sind auch die Namen derjenigen verfallen, die sich bereit tindcn Hessen, ihre Ansprüche gegen eine Pau- schalsumme abzutreten ^^).

2) Das im Neuen Buch erwähnte Er- eignis fällt ebenso wie unsere Liste in die Zeit vom 9. August 1389—9. August 1391.

3) Ausser ihrer Leibzucht von 1(X) M. wurden die verdienten Herren auch für die in ihrer Hand befindlichen unverdienten Ämter mit einer jährlichen Rente von je 5 M. für jedes unverdiente Amt abgefun- den. Der demokratische Rat hat die von seinem Amtsvorgänger übemommmene Ver- pflichtungen auch seinerseits als rechtsver- bindlich anerkannt und die Zahlungen fort- gesetzt. Nur über einen Punkt gebricht es an der nötigen Klarheit, nämlich da- rüber, ob auch sämtliche Inhaber der un- verdienten Ämter, die damals vergeben waren, ebenfalls mit je 5 Mr. jährlich ab- gefunden worden sind. Das äussere Bild unserer Liste spricht für diese Annahme.

4S) So die Namen: Hilger von der Stessen. Heinrich vom Stave, Lafard von Schiderich.

49) Die Ansprüche des Bitters nnd Schr»ffen Johann von Effem warden 1897 April 4 (Urk. nr. 5978) abgelöst nnd swar qiit 2C0 Gl Vgl. Rechn. Bd. 14 f. 7b: Nos exposnimus domino Johanni de Efferen 200 flor ren. vnr synen brieve van dem ampte. Vgl. ib. Item expositum post pre- dictam compntacionem fratri Johanni Scherfgin carmelite pro nnam litteram (I) quam habuit a civi- tate de ofBcio Rioherzeoht 800 fl. ren. et civiUä habet litteram e converso.

2öa

Vor den einzelnen Namen finden sich, wie sclion früher erwähnt, ein oder mehrere lenkte.. Die Annahme, dass dieselben die Zahl der in der einzehien Hand vereinigten unverdienten Ämter bezeichnen könnten, -wird dadurch unmöglich gemacht, dass schon der Schreiber der Liste selbst die Summe der auf den einzelnen Seiten ver- zeichneten Ämter gezogen hat und diese letztere mit derjenigen der verzeichneten Namen übereinstimmt. Es liegt wenigstens nahe, diese Zeichen als Zahlungsvermerke aufzufassen, so dass etwa ein Punkt der Erhebung eines Termins entspräche. Auch die in der Liste befindlichen zahlreichen Streichungen von Namen sind wohl nur dadurch zu erklären, dass dieselbe auch in diesem ihrem letzten Teile als Kontrole- liste gedient hat. Die Stadtrechnungen (Ausgaben), die allein einen unbedingt sicheren Scliluss für die Berechtigung dieser Annahme abgeben könnten, sind bekanntlich für diese Zeit nicht erhalten. Wäre die obengeäusserte Vermutung zu- treffend, so hätte die im Neuen Buche erzählte Ablösung die Stadtkasse jährlich mit 4505 Mr. Rente*®) belastet, denen andererseits ausgleichend die Erträgnisse der abgelösten Rechte, die das Neue Buch, hierin wohl absichtlich zu niedrig greifend, als kaum '/lo der genannten Summe an- giebt, gegenüberstanden. Jedenfalls giebt die angeführte Summe einen ungefähren Begriff von der Höhe der Einkünfte, die der Richerzeche auch damals noch, wo sie be- reits den grössten Teil ihrer Rechte und Ein- nahmequellen eingebüsst hatte, zustanden. Der Hauptwert unseres Verzeichnisses liegt darin, dass sie als einziges Zeugnis dieser Art uns die Richerzeche als Ge- samtheit überschauen lässt. In den In- habern der unverdienten Ämter tritt uns ein buntes Gemisch von verschiedenartigen Personen*^) entgegen. Wittwen, Töchter

60) 27X100+6X361 Mr.

51) Bind im Ganzen 158 männliche nnd 92 weibliehe Personen. Von den ersteren sind 146 Laien, 13 geistlichen Standes, von den letz- teren 62 weltlich und 26 geistlich. Die letzte Zahl dQrfte in Wirklichkeit grAsser sein, da es auf- fallend ist, dass keine Beghinen in dem Verzeich- nisse vorkommen und die unverheiratet gebliebe- nen Bürgertnchter znroeist Beghinen wurden.

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und sonstige Angehörige der Geschlechter, ihr Gesinde, städtische Beamte und Söld- ner, Kaufleute und Handwerker, Laien und Geistliche, Christen und Juden, sie alle haben Anteil an den Erträgnissen des Amtes. Die Richerzeche ist zu einem grossartigen Pfründensystem, zu einer Yer- sorgungs- und Pensionsanstalt geworden. Auf das letzte Wort „geworden" ist he« sonderes Gewicht zu legen, denn, das muss zum Schluss betont werden, um Missdeu- tungen dieser Veröffentlichung auszn- schliessen, dieser Zustand der Richerzeche kurz vor ihrer definitiven Auflösung lässt keinen bindenden Rückschi uss auf ihre Zu- sammensetzung und Eigenart zur Zeit ihrer Entstehung zu. Ganz in dem gleichen Sinne wie die Richerzecl\e hat sich auch die Schöffenbruderschaft zu einer Ver- sorgungs- und Pfründenanstalt umgebildet, nur dass hier, wo nicht so reiche Geld- quellen zur Verfügung standen, die Zahl der Pfründen naturgemäss eine geringere war. Der praktische Handelsgeist der Kölner Bürger hat es verstanden, auch die Institute deiner Verfassung seinem Er- werbsgeiste dienstbar zu machen. Köln. Dr. Friedrich Lau.

Vereinsnachrichten

unter Redaction der Vereinsvorstände.

Trier, Gesellschaft für nützliche 118. Forschungen. Die diesjährige Haupt- versammlung der Gesellschaft fand am 23. Sept. im Provinzialmuseum unter Vor- sitz des Herrn Oberbürgermeisters Geh. Reg. -Rat de Nys statt. Herr Bürger- meister Müller von Echtemacherbrück sprach über das Mithraeum von Schwarzerden:

Die Feldmark des im Kreise St. Wen- del gelegenen Dorfes Schwarzerden ist seit langer Zeit als Fundort römischer Altertümer bekannt. Zahlreiche Münzen, von denen viele noch in die Zeit des Freistaates hinaufreichen, während die letzten Prägungen der Constantine zeigen, Götterbilder und Weiheinschriften stammen aus dieser an einer von Metz nach Main;; führenden Strasse gelegenen Niederlassung. Eine ganz bosondere Wichtigkeit hat das

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Mithrasrelief, welches dicht hei dem Dorfe auf einem Sandsteinfelsen ansgemeisselt ist. Das Denkmal besitzt ein um so höheres Interesse, weil uns nicht nur das Bild des Stiert uters erhalten ist, sondern eine Reihe von rings um das Bild angebrachter Bin- derlücher auch den Aufbau des Spelänras erkennen lassen. Die Mithrasgrottc zerfiel, wie diese Löcher beweisen, in eine erhöht liegende Abschlussnische mit gewölbter Decke zu diesem Allerheiligsten stieg man auf einer Treppe empor urfd in den grossen, auf beiden Seiten von Podien umgebenen Tempelraum. Aaf der linken Seite schloss sich an diese Qrotte ein An- l)au an, der wahrscheinlich als Sakristei diente, in welcher das heilige Feuer brannte. Das ganze von Norden nach Süden ge- richtete Gebäude wurde von einem Platten- dache in Giebelform bedeckt. Wahrschein- lich war die Tempelanlage von einer Ab- zweigung des dicht am Denkmale vorbei- fliessenden Pfeffelbaches durchströmt.

Das Relief zeigt uns die fast typiscli wiederkehrende Stiertötung durch Mithras. Als begleitende Figuren erscheinen die beiden Fackelträger, indessen Hund und Skorpion bei der Stierbändigung ihithelfend auftreten. Der Stier ist als in voller Flucht begriffen aufgefasst, der Gott tötet ihn abgewandten Antlitzes, indem er sein Haupt halb rückwärts richtet. Ausserhalb des diese Mittelscene abschliessenden Rund- bogens sind die Büsten der Sonnen- und Mondgottheit, sowie die Köpfe zweier Windgötter angebracht

Zur Erklärung der Thatsache, dass Mithras auf unserem wie auch auf zahl- reichen anderen Steinen sein Gesicht von der Tötimg abwendet imd dem Sonnengott zudreht, glaubt Redner im Gegensatze zu den bisherigen Annahmen, namentlich im Hinblicke auf jene bei fast allen reichem Mithrasdenkmälem wiederkehrenden Ne- bendarstellungen, welche übereinstimmend einen Streit und eine darauf folgende Ver- söhnung zwischen Sol und Mithras zeigen, unterstellen zu sollen, dass Mithras den heiligen Stier in höherem Auftrage aus dem Gewahrsame des Sonnengottes ent- führt und getödet hat, um die Erdfrucht- barkeit zu wecken. Diese Mythe von ei-

nem die Sonnenrinder stehlenden ^h kehre bei den Indem, Griechen^und Ita wieder. Überhaupt sei es'angebracLt Mythen der arischen und semiti*.] Völker zum Verständnisse der Miti( reliefs vergleichungs weise heran znzifi Der beste Beweis hierfür sei jene zur Anschauung gebrachte Nebenscenf der Mithras einen Pfeil gegen einen FeJ abschiesse, während ein Mann hilfefleb] zu ihm aufschaue. Die Deutung di^ bisher unerklärten Darstellung ergebe ^ nur aus einer Vergleichung des^Zollfeli Denkmales mit den Mythenlehren der in europäischen Völker. Dort entströme lieh dem von Mithras Pfeil getroffei Felsen ein Wasserstrahl, den der Beul ter des Gottes mit den hohlen Iländ auffange. Was die Griechen von ihn Dionysos und die Hebräer von Moses ( zählt, nämlich, dass sie einen Quec kbrn nen aus ödem Sande zu zaubern vermo hätten, dies Wunder hätten offen!)ar am die Eranier ihrem Mithras beigelegt.

Den Schluss des Vortrages bildete eii Darstellung des Mithraskultes selbst.

Darauf hielt Herr Dr. L ebner ©ine Vortrag über die letztjährigen Tinternel mnngen und Erwerbungen des Provinzir museums zu Trier. Das Wesentliche ent hält der im 4. Heft der Westd. Zeitschr erschienene museographische Bericht.

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