^VXüUOftlH l5 \m a 2 WISSENSCHAFT], 1 CHE MITTII El LUNGEN AUS BOSNIEN UND DER HERAUS GE G EBEN BOSNISCH-HERGEGOVINISCHEN LANDESMUSEUM IN SARAJEVO. REDIGIRT VON DR MORIZ HOEENES. ZWEITER BAND. MIT 9 TAFELN UND M38 ABBILDUNGEN IM TEXT E. WIEN, 1894. IN COM MISSION BEI CARL GEIIOLD’S SOHN. Druck vom Adolf Holzhausen, k. und k. Hof- und Uuiversi tiits- Buchdrucker - Heliogravüren von J. Blechinger in Wien. Inhaltsverzeichniss. I. Tlieil. Archäologie und Geschichte. A. Berichte und Abhandlungen. Seite Radimsky, W. Das Biäcepolje hei Mostar. (Mit 51 Allbildungen im Texte.) 3 Hörmann, Constantin und Radimsky, \V. Die Alterthiimer von Osanic bei Stolac. (Mit 12 Ab- bildungen im Texte.) 35 Radimsky, W. Reste römischer Ansiedlungen in Sipraga und Podbrgje, dann altbosnische Grab- steine in Sipraga an der Vrbanja. (Mit 3 Abbildungen im Texte.) 45 — Archäologische Tagebuchblätter. (Mit 14 Abbildungen im Texte.) 50 — Die Kirchenruine von Dabravina im Bezirke Visoko. (Mit 35 Abbildungen im Texte.) ... 73 Truhelka, Dr. Ciro. Archäologische Forschungen auf der Burg von Jajce und in ihrer nächsten Umgebung. (Mit Tafel I und 5 Abbildungen im Texte.) . 87 — Die Katakomben von Jajce. (Mit einer Titelvignette und 14 Abbildungen im Texte.) .... 04 Thalloczy, Dr. Ludwig v. Herzog Hervoja und sein Wappen. (Mit 6 Abbildungen im Texte.) . 108 Lilek, Emilian. Die Schatzkammer der Familie Hranici (Kosaca) . . 125 Pogatsehnig, Ludwig. Alter Bergbau in Bosnien. (Mit 3 Abbildungen im Texte.) 152 Panier, Dr. Julius v. Wie und wann kam Bosnien an Ungarn? 158 Ruvarac, Hilarion. Draga, Danica und Resa 163 — Katharina, die Tochter Tvrtko’s 1 173 Radio, Franz. Bruchstück eines altslavischen handschriftlichen Evangeliars mit Vorreden und Weihe- formeln in gothisclier Schrift aus der Bibliothek des Franziskanerklosters in Badia bei der Stadt Curzola. (Mit 1 Abbildung im Texte.) 179 Vuletic- Vukasovic, Vid. Altbosnische und verwandte Denkmäler. (Mit 9 Abbildungen im Texte.) 192 Ruvarac, Hilarion. Die Privilegien des Hauses Ohmußevic-Grguric. Mit zwei Anhängen: Die Burg- ruine Tuheljgrad von W. Radimsky und Ein alter Plan der Zupa Smucka von Vid Vuletic- Vukasovid. (Mit 1 Abbildung im Texte.) 215 — Zazablje in der Hercegovina, dem alten Hum. Mit einem Nachworte von Peter Bosnjak . . 228 Truhelka, Dr. Ciro und Hörmann, Constantin. Olovo. (Mit 5 Abbildungen im Texte.) .... 235 Zarzycki, M. v., Arndt E. und Stratimirovic, G. v. Die Aladza-Moschee in Foca. (Mit Tafel II, III und 5 Abbildungen im Texte.) . . ..'... 248 Karolyi, Dr. Ar päd v. „Vlachen“-Auswanderung aus der Gegend von Bihac zu Endendes 16. Jahr- hunderts. (Mit 1 Abbildung im Texte.) 258 Bari sic, Fra Raphael. Kloster und Kirche der Franziskaner in Suceska. (Mit 2 Abbildungen im Texte.) 268 Truhelka, Dr. Giro. Auszug aus der Chronik des Fra Nikolaus von Lasva 281 Hörmann, Constantin. Die Kula des Iiadzi-Beg in Hutovo. (Mit 3 Abbildungen im Texte.) . . 301 B. Notizen. Jagic, Dr. Vatroslav. Die goldene Bulle des Despoten Stefan. (Mit 2 Abbildungen im Texte.) 314 Vuletic- Vukasovic, Vid. Siegel aus Komusina in Bosn.-Usora. (Mit 1 Abbildung im Texte.) . 316 — Siegel, gefunden beim Klosterbau in Suceska. '(Mit 1 Abbildung im Texte.) 316 Hörmann, Constantin. Ein altes Amulet aus Livno. (Mit 2 Abbildungen im Texte.) 317 Fiala, Franz. Skizzen vom Glasinac. (Mit 3 Abbildungen im Texte.) 317 Jirecek, Dr. C. Glasinac im Mittelalter 320 Stratimirovic, Georg v. Bosnische Königsschlössor. (Mit Tafel IV und 2 Abbildungen im Texte.) 322 Stratimirovic, Georg v. Notizen aus der Gegend von Visegrad. (Mit 6 Abbildungen im Texte.) 327 Fraknöi, Bischof W. Cardinal Carvajal in Bosnien 1457 320 IV Inhaltsverzeichnis. Seite Peez, Carl. Die letzten Tage (1er Hercegovina 332 Hörmann, Constantin. Eine Urkunde des Königs Matthias Corvinus 333 — Die alte Brücke in Visegrad. (Mit 4 Abbildungen im Texte.) 333 Trulielka, Dr. Giro. Der Maler des Wappenbuches von Fojnica. (Mit 7 Abbildungen im Texte.) 337 Zarzycki, Miron E. v. Das Städtchen Ustikolina. (Mit 1 Abbildung im Texte.) 34t Peez, Carl. Die ottomanischen Statthalter in Bosnien 344 Hörmann, Constantin. Ein Diplom des Sultans Ghazi Ahmet Khan aus dem Jahre 1127 nach der HedZra (1714 n. Chr.) (Mit 1 Abbildung im Texte.) 347 Peez Carl. Ein berühmter Sprössling Bosniens 349 Trulielka, Dr. Giro. Eine türkische, in Sarajevo geprägte Münze. (Mit 1 Abbildung im Texte.) . 350 Hörmann, Constantin. Eine Celenka mit dem ungarischen Wappenbilde. (Mit 1 Abbildung im Texte.) 351 — Fund einer alterthümlichen „Üutura“ (Feldflasche.) (Mit 1 Abbildung im Texte.) 354 Kovacevic, Kosta. Eine zweite alterthümliche Üutura. (Mit 1 Abbildung im Texte.) 354 II. Theil. Volkskunde. A. Berichte und Abhandlungen. Trulielka, Dr. Giro. Die Bosancica. (Mit 13 Abbildungen im Texte.) 357 — Die Heilkunde nach volksthümlicher Ueberlieferung mit Auszügen aus einer alten Handschrift. (Mit Tafel V und 3 Abbildungen im Texte ) 375 Glück, Dr. Leopold. Skizzen aus der Volksmedicin und dem medicinischen Aberglauben in Bosnien und der Hercegovina 392 — Die Tätowirung der Haut bei den Katholiken Bosniens und der Hercegovina. (Mit 11 Abbil- dungen im Texte.) 455 Sax, Carl v. Bosnische Musik 463 Lilek, Emilian. Gottesurtheile und Eidhelfer in Bosnien und der Hercegovina 467 Ippen, Theodor v. Eascien 473 Hörmann, Constantin und Thallöczy, Dr. Ludwig v. Geschichte einer merRwürdigen Fälschung. (Mit Tafel VI, VII und 3 Abbildungen im Texte.) 483 B. Notizen. Miklosich, Dr. Franz. Magyarisch in cyrillischem Gewände 496 Vuletic- Vukasovic, Vid. Eumänische Aufschrift mit cyrillischen Schriftzeichen auf einem alt- bosnischen Säbel in Eagusa 499 Hörmann, Constantin. Das „Kumstvo“ (die Patlienschaft) bei den Muhammedanern 499 — Die Falkenbeize in Bosnien und der Hercegovina. (Mit 4 Abbildungen im Texte.) 501 Trulielka, Dr. Giro. Ausstellung bosnischer Costüme in Wien 1891 505 III. Tlicil. Naturwissenschaft. A. Berichte und Abhandlungen. Apfelbeck, Victor. Fauna inseetorum balcanica 511 — Bericht über die im Jahre 1892 ausgeführte entomologisclie Expedition nach Bulgarien und Ost- rumelien 543 Knotek, Johann. Die bosniseh-liereegovinischen Borkenkäfer. (Mit Tafel VIII, IX.) 553 Tomasini, Otto Eitter v. Skizzen aus dem Eeptilienleben Bosniens und der Hercegovina . . . 560 Heiser, Othrnar. Materialien zu einer Ornis balcanica 662 B. Notizen. Karlinski, Dr. Justin. Verzeichniss der bis zum Jahre 1892 in Bosnien und der Hercegovina gesam- melten Myriopoden (Tausendfüssler) 689 Heiser, Othrnar. Ueber die Erbeuturig eines Flughundes in der Hercegovina 691 Verzeichnis der Autoren. Seite Apfelbeck, Victor. Fauna insectorum balcauiea 511 — Bericht über die im Jahre 1892 ausgeführte entomologische Expedition nach Bulgarien und Ost- rumelien 543 Arndt, E. (Zarzycki, M. v. und Stratimirovic, G. v.) Die Aladääa-Moschee in Foca .... 248 Barisic, Fra Raphael. Kloster und Kirche der Franziskaner in Suceska 268 Fiala, Franz. Skizzen vom Glasinac 317 Fraknoi, Bischof W. Cardinal Carvajal in Bosnien 1457 330 Glück, Dr. Leopold. Skizzen aus der Volksmedicin und dem medicinischen Aberglauben in Bosnien und der Hercegoyina 392 — Die Tätowirung der Haut bei den Katholiken Bosniens und der Hercegovina 455 Hörmann, Constantin (und Radimslcy, W.) Die Altertliümer von Osanic bei Stolac 35 — (und Truhelka, Dr. Öiro). Olovo 235 — Die Kula des Hadzi-Beg in Hutovo 301 — Ein altes Amulet aus Livno 317 — Eine Urkunde des Königs Matthias Corvinus 333 — Die alte Brücke in Visegrad 333 — Ein Diplom des Sultans Gliazi Ahmet Khan aus dem Jahre 1127 nach der Iiedzra (1714 n. Ghr.) 347 — Eine Öelenka mit dem ungarischen Wappenbilde 351 — Fund einer alterthümliclien „Cutura“ (Feldflasche) 354 — (und Thallöczy, Dr. Ludwig v.). Geschichte einer merkwürdigen Fälschung 483 — Das „Kumstvo“ (die Pathenschaft) bei den Muhammedanern 499 — Die Falkenbeize in Bosnien und der Hercegovina 501 lppen, Theodor v. Rascien 473 Jagic, Dr. Vatroslav. Die goldene Bulle des Despoten Stefan 314 Jirecek, Dr. C. Glasinac im Mittelalter 320 Karlinski, Dr. Justin. Verzeichniss der bis zum Jahre 1892 in Bosnien und der Hercegovina ge- sammelten Myriopoden (Tausendfüssler) 689 Kärolyi, Dr. Arpäd v. „ Vlaehen“-Auswanderung aus der Gegend von Bihac zu Ende des 16. Jahr- hunderts 258 Knotek, Johann. Die bosnisch-hercegovinischen Borkenkäfer 553 Kovacevid, Kosta. Eine zweite alterthümliche Cutura 354 Lilek, Emilian. Die Schatzkammer der Familie Hranici (Kosaca) 125 — Gottesurtheile und Eidhelfer in Bosnien und der Hercegovina 467 Miklosich, Dr. Franz. Magyarisch in cyrillischem Gewände 496 Pauler, Dr. Julius v. Wie und wann kam Bosnien an Ungarn? 158 Peez, Carl. Die letzten Tage der Hercegovina 332 — Die ottomanisclien Statthalter in Bosnien 344 — Ein berühmter Sprössling Bosniens 349 Pogatschnigg, Ludwig. Alter Bergbau in Bosnien 152 R adic, Franz. Bruchstück eines altslavischen handschriftlichen Evangeliars mit Vorreden und Weihe- formeln in gothischer Schrift aus der Bibliothek des Franziskanerklosters in Badia bei der Stadt Curzola 179 Radimsky, W. Das Biscepolje bei Mostar 3 — (und Hörmann, Constantin). Die Altertliümer von Osanic bei Stolac 35 — Reste römischer Ansiedlungen in Sipraga und Podbrgje, dann altbosnische Grabsteine in Sipraga an der Vrbanja 45 YI Verzeichniss der Autoren. Seite Eadimsky, W. Archäologische Tagebuchblätter 50 — Die Kirchenruine von Dabravina im Bezirke Visoko 73 — Die Burgruine Tuheljgrad 215 Reiser, Otlimar. Materialien zu einer Omis balcänica 662 — Ueber die Erbeutung eines Flughundes in der Hercegovina 691 Euvarac, Hilarion. Draga, Danica und Resa 163 — Katharina, die Tochter Tvrtko’s 1 173 — Die Privilegien des Hauses Ohmucevic-Grguric 215 — ' Zazablje in der Hercegovina, dem alten Hum 228 Sax, Carl v. Bosnische Musik 463 Stratimirovic, G. v. (Zarzycki, M. v. und Arndt, E.) Die Aladza-Moschee in Foca .... 248 — Bosnische Königsschlösser 322 — Notizen aus der Gegend von Visegrad 327 Thallöczy, Dr. Ludwig v. Herzog llervoja und sein Wappen 108 — (und Hörmann, Constantin). Geschichte einer merkwürdigen Fälschung . 483 Tomasini, Otto Ritter v. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina . . . 560 Truhelka, Dr. Giro. Archäologische Forschungen auf der Burg von Jajco und in ihrer nächsten Umgebung 87 — - Die Katakomben von Jajce 94 — - (und Hör mann, Constantin). Olovo 235 — Auszug aus der Chronik des Fra Nikolaus von Lasva 281 — Der Maler des Wappenbuches von Fojnica 337 — Eine türkische, in Sarajevo geprägte Münze 350 — Die Bosancica 357 — Die Heilkunde nach volkstümlicher Ueberlioferung mit Auszügen aus einer alten Handschrift 375 — Ausstellung bosnischer Costüme in Wien 1891 505 Vul e ti c- Vukas o vic, Vid. Altbosnische und verwandte Denkmäler 192 — Ein alter Plan der &upa Smucka 521 — Siegel aus Komusina in Bosn.-Usora 316 — Siegel, gefunden beim Klosterbau in Suceslta 316 — Rumänische Aufschrift mit cyrillischen Schriftzeichen auf einem altbosnischen Säbel in Ragusa 499 Zarzycki, M. v. (Arndt, E. und Stratimirovic, G. v.). Die Aladza-Moschee in Foca .... 248 — Das Städtchen Ustikolina 341 Verzeichniss der Abbildungen. I. Tafeln. Zu Seile Truhelka, Dr. Giro. Archäologische Forschungen auf der Burg von Jajce und in ihrer nächsten Umgehung. Tafel I. Oberer Theil des Grabdenkmales von Sipovo 93 Zarzycki, M. v., Arndt, E. und Stratiinirovic, G. v. Die Aladza-Moschee in Foca. Tafel II. Ornamente in der Aladza-Moschee zu Foca . • ‘254 „ III. Ornamente in der Aladza-Moschee zu Foca 256 Stratiinirovic, Georg v. Bosnische Königsschlösser. Tafel IV. Burg Bobovac 323 Truhelka, Dr. Giro. Die Heilkunde nach volkstümlicher Ueberlieferung mit Auszügen aus einer alten Handschrift. Tafel V. Schriftprobe aus einem volkstümlichen Eeeeptenbuch vom Jahre 1749 383 H Örmann, Constantin und Thalloczy, Dr. Ludwig v. Geschichte einer merkwürdigen Fälschung. Tafel VI. Rätselhafte Bronzegruppe aus der Gegend von Sinj (Dalmatien) 483 „ VII. Bogenstücke mit Reliefschmuck vom Campanile des Doms zu Spalato 493 Knotek, Johann. Die bosnisch-hercegovinischen Borkenkäfer. Tafel VIII. Hylesinus PTenscheli Knotek; Phloeosinus thujae Perris; Phloeosinus Anbei Perris; Scolytus aceris Knotek; Scolytus laevis Chapi 554 „ IX. Scolytus aceris 557 II. Abbildungen im Texte. Eadimsky, W. Das Biscepolje bei Mostar. Seite Fig. 1 . Planskizze des Biscepolje 5 „ 2. Römischer Sarkophag von Baüevidi. (Längsschnitt) 6 „ 3. Römischer Sarkophag von Bacevici. (Querschnitt) 7 „ 4. Römischer Sarkophag von Bacevidi. (Vordere Langseite) 8 „ 5. Zweiter römischer Sarkophag von Bacevici . 8 „ 6. Grundriss der Mala gradina 9 „ 7. Alte Steinbrücke über die Buna 10 „ 8. Tumuli, Urnenfeld und römische Gräber bei Hodbina 11 „ 9 — 10. Randbruchstücke von Thongefässen aus dem Urnenfelde von Hodbina .... 12 „ 11. Frührömische Cliarnierfibel mit doppelter Nadel, .Bronze aus einem Skeletgrabe bei Hodbina 13 „ 12. Eiserne Messerklinge aus einem Skeletgrabe bei Hodbina 13 „ 13. Eiserne Lanzenspitze aus einem Skeletgrabe bei Hodbina 13 „ 14. Eiserne Sichel aus einem Skeletgrabe bei Hodbina 13 „ 15. Hohlziegel aus einem Kindergrabe bei Hodbina 14 „ 16. Kvanjska Cupria bei Hodbina (römische Brücke über die Pasina voda) 15 „ 17. Grundriss und Durchschnitt des Wallbaues Ograc bei Hodbina 16 „ 18. Dachziegelfragment aus einer römischen Ruine bei Negocine an der Bunica ... 17 „ 19. Bauinschrift einer türkischen Brücke über die Bunica IS „ 20. Kosorska Cupria (römische Brücke über die Buna) 19 „ 21. Bruchstücke einer römischen Mühle vom Hügel Gorica an der Bunica 20 „ 22. Grundriss der befestigten Höhe Kicin an der Bunica 21 „ 23. Durchschnitt der befestigten Höhe Kicin an der Bunica 22 „ 24. Durchschnitt und Grundriss einer Wohnhütte am Kicin 22 VIII Verzeichnis der Abbildungen. Seite Fig. 25. Bodenstück eines Freiliandgefässes vom Kicin 23 „ 26. Henkelstück eines Freiliandgefässes vom Kicin 23 „ 27. Schalenfragment mit horizontalem Henkel, Freihandarbeit, vom Kicin 23 „ 28—34. Bruchstücke verzierter Freiliandgefässe vom Kicin 24 „ 35. Bruchstück einer Thonschale vom Kicin 25 „ 36. Bodenfragment eines Drehseheibengefässes vom Kicin 25 „ 37. Henkelfragment einer römischen Amphora vom Kicin 25 „ 38 — 39. Randstücke gedrehter henkelloser Töpfe vom Kicin 25 „ 40. Der „Herzogsstuhl“ bei Kosor 26 „ 41. Durchschnitt des „Herzogsstuhles“ bei Kosor 26 „ 42. Die Inschrift des „Herzogsstuhles“ bei Kosor 27 „ 43. Burgruine Stjepangrad bei Blagaj 28 „ 44. Blagaj mit der steinernen Bunabrücke 29 „ 45. Türkische Bauinschrift an der Bunabrücke bei Blagaj 30 „ 46. Tekia an der Bunaquelle bei Blagaj 31 „ 47. Das Innere des Heiligengrabes bei Blagaj 31 „ 48. Grundriss und Durchschnitt der umwallten Bergkuppe Kriz 32 .„ 49. Votivstein bei Rotimlja 33 „ 50. Inschriftstein bei Trijebanj 33 „ 51. Säulenbasis bei Trijebanj 33 Hörmann, Constantin und Radimsky, W. Die Alterthümer von Osanic bei Stolac. Fig. 1. Situationskarte der Alterthümer von Stolac und Osanic 36 „ 2. Grundriss der „Gradina“ bei Osanic 37 „ 3. Durchschnitte der „Gradina“ bei Osanic 38 „ 4. Römische Festungsmauer auf der „Gradina“ bei Osanic 39 „ 5. Festungsmauer und Thürme auf der „Gradina“ bei Osanic 39 „ 6. Prismatischer Dachziegel (römisch) aus Osanic 40 „ 7. Bruchstück einer schwarzen Thonschale 40 „ 8. Grundriss der orientalisch-orthodoxen Kirche zu Osanic 40 „ 9. Inschrift vom Grabsteine des Radosav Hrabren in der Vorhalle der Kirche zu Osanic 41 „ 10. Die Gerichtsstühle bei der Kirche von Osanic 41 „ 11. Inschrift auf der Lehne des grösseren Gerichtsstuhles bei Osanic 42 „ 12. Inschrift an der Seitenfläche des grösseren Gerichtsstuhles bei Osanic 42 R a d i m s k y, W. Reste römischer Ansiedlungen in Sipraga und Podbrgje, dann altbosnische Grab- steine in Sipraga an der Vrbanja. Fig. 1. Grundriss eines Gebäudes auf der „Crkvina“ bei Sipraga 46 „ 2 — 3. Kragsteine aus der „Crkvina“ bei Sipraga 47 — Archäologische Tagebuchblätter. Fig. 1. Grundriss des Wallbaues auf dem Berge Vrsuik 53 „ 2. Durchschnitt des Wallbaues auf dem Berge Vrsnik 54 „ 3. Querschnitt der Wälle auf dem Vrsnik 54 „ 4. Grundriss und Durchschnitt des Ringwalles Grckigrad 56 „ 5. Römischer Grabstein aus Citluk im Brotnjopolje 58 „ 6. Inschriftstein von der Ruinenstätte Grudine im Brotnjopolje 60 „ 7. Römischer Grabstein von Fatnica 61 „ 8. Römisches Architekturfragment von Loznica 63 „ 9 — 12. Vier Seiten eines mittelalterlichen Grabsteines von Loznica 63 „ 13. Prähistorische Gefässfragmente vom Abhange der Gradina von Mosunj mali ... 67 „ 14. Römisches Dachziegelfragment von der Gradina bei Mosunj 68 — Die Kirchenruine von Dabravina im Bezirke Visoko. Fig. 1. Kärtchen der Umgebung von Dabravina 73 „ 2. Durchschnitt und Grundriss der Kirchenruine von Dabravina 74 „ 3. Säulenbasis 75 „ 4. Unterer Theil einer gedrehten Säule, von vorne 76 „ 5. Unterer Theil einer gedrehten Säule, yon der Seite 76 „ 6. Unterer Theil einer gedrehten Säule 76 Verzeichniss der Abbildungen. IX Fig. 7. Bruchstücke gedrehter Säulen „ 8—10. Bruchstücke von verzierten Säulen „ 11 — 12. Säulencapitäl mit Widderköpfen „ 13 — 14. Säulencapitäl mit Stierköpfen „ 1 5. Pilastercapitäl 16. Füllplatte vom Untertheil einer Säule „ 17. Bruchstück einer Füllplatte vom Untertheil einer Säule „ 18 — 19. Bruchstücke von Füllplatten . „ 20. Bruchstücke einer FUllplatte „ 21. Sculpirter Sturz, von der Seite „ 22. Sculpirter Sturz, von unten „ 23. Bruchstück eines Sturzes „ 24. Bruchstück mit Ornament „ 25 — 26. Gesimsbruchstücke „ 27. Friesbruchstück „ 28. Gesimsbruchstück „ 29. Gesimsbruchstück „ 30. Architekturfragmente „ 31. Säulchen eines Dockengeländers „ 32. Säulchen eines Dockengeländers „ 33. Fragmente aus Marmor . . „ 34. Römischer Basreliefstein „ 35. Bruchstück eines römischen Inschriftsteines Truhelka, Dr. Giro. Archäologische Forschungen auf der Burg von Jajce und in ihrer nächsten Umgebung. Fig. 1. Pfeilercapitäl von Jajce „ 2. Capital aus dem Burghof von Jajce „ 3. Pfeilercapitäl von Jajce „ 4. Grundriss des einstigen Plivathores in Jajce „ 5. Römische Ara in Brdo bei Jajce . — Die Katakomben von Jajce. Ansicht eines Theiles von Jajce Fig. 1. Wappen über dem vermauerten Plivatlior der Burg von Jajce „ 2. Unfertiges Wappen am Eingang der Katakomben von Jajce „ 3. Beabsichtigte Gestalt des Wappens am Eingänge der Katakomben von Jajce „ 4. Hrvoja’s Wappen auf Münzen „ 5. Unfertige Sculptur auf der rechten Seite des Einganges zu den Katakomben „ 6. Grundriss der unterirdischen Kirche in Jajce „ 7. Durchschnitt der unterirdischen Kirche in Jajce „ 8. Grabnische an der linken Seite der Gruftkirche von Jajce „ 9. Altarwand der Gruftkirche „ 10. Rechte Nische an der Altarwand „ 11. Linke Nische an der Altarwand „ 12. Unfertige Grabnische an der linken Schmalwand des Querschiffes . . . . „ 13. Beabsichtigter Grundriss der Gruftkirche von Jajce „ 14. Altar in der Krypta der Gruftkirche von Jajce Thalldezy, Dr. Ludwig. Herzog Hervoja und sein Wappen. Fig. 1. Bildniss Hervoja’s im Eski-Serajer Missale „ 2. Wappen Hervoja’s im Eski-Serajer Missale „ 3. Familienwappen des Hervoja, nach Münzen „ 4. Familienwappen der Königin Katharina von Bosnien, auf ihrem Siegel „ 5. Sculpturen am Eingang der Katakomben von Jajce „ 6. Wappen am Eingang der Katakomben von Jajce Pogatschnig, Ludwig. Alter Bergbau in Bosnien. Fig. 1. Planskizze der Schlackenhalden bei Srebrenica „ 2. Grundriss der Manerreste eines alten Schmelzofens in (Jicevac Snitn 77 78 78 78 78 79 81 81 81 81 83 81 81 83 83 83 83 84 85 85 85 85 86 88 88 89 90 92 94 96 97 97 99 99 100 101 101 101 102 103 104 105 106 118 120 122 123 123 123 153 154 X Verzeichniss der Abbildungen. Seite Fig-, 3. Ansicht der Ueberreste eines alten Schmelzofens in Öicevac 155 Radic, Franz. Bruchstück eines altslavischen handschriftlichen Evangeliars mit Vorreden und Weiheformeln in gothischer Schrift aus der Bibliothek des Franziskanerklosters in Badia bei der Stadt Curzola. Facsimile der ersten Seite der Handschrift 181 Vuletic-Vukasovic, Vid. Altbosnische und verwandte Denkmäler. Fig. 1. Siegel des Klosters Labostin in Duvno 198 „ 2. Altes Siegel aus Vid (Narona) 193 „ 3 — 5. Bosnisches Amulet aus Lignit 194 „ 6 — 7. Bronzenes Beliquienmedaillon aus Curzola 198 „ 8. Schriftprobe aus dem anonymen Schreiben vom Jahre 1G88 201 „ 9. Inschrift in Slano bei Ragusa 207 Ruvarac, Hilarion. Die Privilegien des Hauses Ohmucevic-Grguric. Alter Plan der 2upa Smucka 222 Truhelka, Dr. Giro und Hör mann, Constantin. Olovo. Fig. 1. Grundriss der alten Kirche zu Olovo 241 „ 2. Reste von Wandmalerei in der Kirche zu Olovo 242 „ 3. Schlüssel der alten Kirche in Olovo 244 „ 4. Titelblatt einer Evangelienübersetzung aus Olovo 246 „ 5. Erste Textseite der Evangelienübersetzung 246 Zarzycki, M. v., Arndt, E. und Stratimiro vic, G. v. Die Aladüa-Mosehee in Foca. Fig. 1. Ansicht der AladZa-Düamia in Foca 252 „ 2. Aufriss und Grundriss der Aladza-Dzamia in Foca 253 „ 3. Ein Feld an der Fliigelthüre der Moschee 254 „ 4. Ornament vor der Gebetnische („Mihrab“) 254 „ 5. Das Innere der Aladüa-Moschee mit der Kanzel („Mimber“) 255 Kärolyi, Dr. Arpäd v. „Vlachen“-Answanderung aus der Gegend von Bihac zu Ende des 16. Jahr- hunderts. Wappen im Gesuche der „Vlachen“ aus Bihac 267 Barisic, Fra Raphael. Kloster und Kirche der Franziskaner in Suceska. Fig. 1. Ansicht des Klosters Suceska vor dem Neubau 1888 273 „ 2. König Stephan Ostojic nach einem Gemälde in der Klosterbibliothek zu Suceska . . 275 Hör mann, Constantin. Die Kula des Hadzi-Beg in Hutovo. Fig. 1. Situationskärtchen der Iladzi-begova-kula und ihrer Umgebung 300 „ 2. Ansicht der Hadzi-begova-lcula bei Hutovo 302 „ 3. Grundriss der Had2i-begova-kula 303 Jagic, Dr. Vatroslav. Die goldene Bulle des Despoten Stefan. Fig. 1. Goldene Bulle des Despoten Stefan 315 „ 2. Siegel des Despoten Stefan auf der goldenen Bulle desselben 316 Vuletic-Vukasovic, Vid. Siegel aus Komusina in Bosn.-Usora und Siegel gefunden beim Kloster- bau in Suceska. Fig. 3. Siegel aus Komusina 317 „ 4. Siegel aus Suceska 317 Hörmann, Constantin. Ein altes Amulet aus Livno. Fig. 5 — 6. Altes Amulet aus Livno 317 Fiala, Franz. Skizzen vom Glasinac. Fig. 7. Grabstein zwischen Ladjevine und Dobraca 318 „ 8. Rückseite des Grabsteines Fig. 7 319 „ 9. Grabstein „Dobri Bileg“ zwischen Smrtidi und Vjeternik 320 Stratimiro vic, Georg v. Burg Bobovac. Fig. 10. Burg Bobovac (schematische Grundrissskizze) 325 „ 11. Südliche Burgmauer von Bobovac 326 — Notizen aus der Gegend von Visegrad. Fig. 12. Felsenzeichen bei 2lijeb 327 „ 13. Die renovirte Kirche von Dobrun 328 „ 14. Grundriss der Kirche von Dobrun 329 Verzeichntes der Abbildungen. xr Beite Fig. 15. Felsenzeichnung in Eazdoline 330 „ 16. Stein an der Kirche zu Rogatica 330 „ 17. Grabstein im Thale Prosina 330 Hermann, Constantin. Die alte Brücke in Viäegrad. Fig. 18. Ansicht der Drinabrücke in Viäegrad .... 333 „ 19. Mittelpfeiler der Visegrader Brücke 334 „ 20. Uferbogen der Visegrader Brücke 336 „ 21. Ruhebank auf der Visegrader Brücke 337 Truhelka, Dr. (3iro. Der Maler des Wappenbuches von Fojnica. Fig. 22. Aufschrift des Titelblattes in dem Wappenbuche von Fojnica 337 „ 23. Wappen der Vukovici 340 „ 24. Wappen der Familie Ohmucevici auf dem letzten Blatte des Wappenbuches . . . 340 „ 25. Wappen der Ohmuöevici 340 „ 26. Wappen der Kovacici ✓ 341 „ 27. Wappen der Ohmucevici 341 „ 28. Wappen der Radinilovic-Gjanovici 341 Zarzycki, Miron R. v. Das Städtchen Ustikolina. Fig. 29. Die Moschee von Ustikolina 343 Hörmann, Constantin. Ein Diplom des Sultans Ghazi Ahmet Khan aus dem Jahre 1127 nach der Hedzra (1714 n. Chr.). Fig. 30. Diplom des Sultans Ghazi Achmet Khan 348 Truhelka, Dr. Giro. Eine türkische, in Sarajevo geprägte Münze. Fig. 31. Mangura (kupferne Nothmiinze) aus Sarajevo 350 Hörmann, Constantin. Eine Celenka mit dem ungarischen Wappenbilde. Fig. 32. Celenka mit ungarischem Wappen 352 — ■ Fund einer altertümlichen „Öutura“ (Feldflasche). Fig. 33. Alte Feldflasche aus Sarajevo 353 Kovaßevic, Kosta. Eine zweite altertümliche Outura. Fig. 34. Alte Feldflasche aus Biliac 354 Truhelka, Dr. Ciro. Die Bosancica. Fig. 1. Inschrift im katholischen Seminar zu Travnik 364 „ 2. Inschrift bei Orahovica 365 „ 3. Inschrift unter Diflpe 366 „ 4. Inschrift an der Mündung der Drezanjka bei Zausje 366 „ 5. Inschrift in Gorazda ^ . 367 „ 6. Inschrift in M. Gostilja . 368 „ 7. Inschrift bei Oprasic 368 8. Inschrift bei Kaostice 368 „ 9. Inschrift bei Oprasic 369 „ 10. Inschrift aus M. Mosunj 370 „ 11. Inschrift in Sarajevo 370 „ 12. Facsimile einer hercegovinischen Bosancica-IIandschrift. 372 „ 13. Facsimile einer hercegovinischen Bosanöica-Handschrift 372 — Die Heilkunde nach volkstümlicher Ueberlieferung mit Auszügen aus einer alten Handschrift. Fig. 1. Inschriftprobe von einem mit Korantext beschriebenen Säbel 379 „ 2. Slavische Inschrift auf einer alten Bleiplatte 379 „ 3. Griechische, mit bosnischen Zeichen geschriebene Inschrift auf einer alten Bleiplatte 380 Glück, Dr. Leopold. Die Tätowirung der Haut bei den Katholiken Bosniens und der Hercegovina. Fig. 1. Katholisches Bauernmädchen aus der Gegend von Zenica 456 „ 2. Katholische Bäuerin aus der Gegend von Zenica 457 „ 3 — 4. Tätowirte Vorderarme katholischer Mädchen 458 „ 5. Tätowirter Arm eines Katholiken 459 „ 6. Tätowirter Oberarm eines Katholiken 459 „ 7. Oberarm eines gewesenen ottomanischen Soldaten (in Albanien tätowirt) ... 460 „ 8. Tätowirter Oberarm eines Katholiken 460 XII Verzeichnis» der Abbildungen. Reite big. 9. Tätowirter Vorderarm eines jungen Orientalisch-Orthodoxen 40 1 » 10- Vorderarm eines jungen Orientalisch-Orthodoxen (Militär-Urlaubers) aus der Gegend von Banjaluka ^ » 11- Bosnischer Katholik (gewesener Trainsoldat) aus Travnik 402 IIüi mann, Gonstantin und Ihalloczy, Dr. Ludwig v. Geschichte einer merkwürdigen Fälschung. Fig. 1. Bronzestier aus Dalmatien (moderne Arbeit) 491 „ 2. Reliefs an einem Bogen des Campanile zu Spalat.o 499 „ 3. Eine der falschen Bronzegruppen von Sinj 49_1 — Die Falkenbeize in Bosnien und der Hercegovina. Fig. 1. Fang des Jagdfalken 502 „ 2. Gezähmter Jagdfalke 553 „ 3. Wachteljagd mit dem Falken 504 „ 4. Federspiel aus Taubentlügeln 505 I. THEIL. ARCHÄOLOGIE UND GESCHICHTE. Band II. 1 A. Berichte und Abhandlungen Das Biseepolje bei Mostar. Archäologisch - topographisc h e Studie von W. Radimsky, bosn.-kerceg. Berghauptmann. (Mit 51 Abbil düngen im Texte.) Die grösste Ebene, welche die Narenta in der Hercegovina durchströmt, ist die von Mostar, welche im Norden durch das grossartige Deffle von Jablanica, im Süden dagegen durch das Deffle von Zitomislic begrenzt und ungefähr in der Mitte ihrer Gesammtlänge von etwa 25 Km. durch das Ilerantreten des Humberges gegen den Höhenzug des Podvelez verengt wird. In dieser Thalenge liegt Mostar, die gegen- wärtige Hauptstadt des Landes. Der nördlich von Mostar gelegene Theil der Ebene wird Bjelopolje, der südlich davon liegende Theil Biseepolje genannt. Meine montan-geologischen Studien haben mich wiederholt in das Biseepolje ge- führt, und ich wurde bei dieser Gelegenheit von dem vortrefflichen Localbeobachter Herrn Ingenieur Hugo Jedliöka in Mostar auf viele alterthümliehe Objecte der genannten Ebene aufmerksam gemacht. Eine Besichtigung und weitere Untersuchung derselben überzeugten mich, dass das Bis6epoljc ein classischer Boden sei, auf welchem die verschiedenen Culturstufen der Landesgeschichte, die prähistorische und römische, sowie die mittelalterliche und türkische, vielfache interessante Reste zurückgelassen haben. Diese will ich, so weit sie mir bisher bekannt geworden sind, im Nachstehenden beschreiben. Zur besseren Uebersicht möge die Situationskarte Figur 1 dienen, bei welcher die nachstehenden Zeichen verwendet wurden: Prähistorische Wall bauten. & Gebäuderuinen und Mauerreste, b Burgruinen. & Kirchenruinen. □ Baumateriale, Quadern, Ziegel u. dgl. Flächen, welche mit Ruinen oder Baumaterialien bedeckt sind. m Architekturstücke, Reliefsteine. q Inschriftsteine. l 4 I. Archäologie und Geschichte. Ä Brücken. & Mittelalterliche Grabsteine. Tumuli. © Römische und griechische Münzen. -«=>= Flachgräber. -- Wege. Die rothen Zeichen beziehen sich auf römische Objecte. Das Biscepolje bildet ein unregelmässiges Dreieck, in dessen Nordwinkel die gegen- wärtige Landeshauptstadt Mostar liegt, während in der südöstlichen Ecke das Dorf Blagaj (die mittelalterliche Hauptstadt des Landes Chlum) und in der südwestlichen Ecke der Sommersitz der Rizvanbegovice, Buna, liegt, in dessen Nähe einst eine grössere römische Ansiedlung bestanden hat. Die Ebene wird nahe an ihrem Westrande von der Narenta durchflossen, welcher vom rechten Ufer der Jasenicabach, vom linken Ufer der Bunafluss zuströmt. Als Nebenbäche der Buna sind die Bunica und die Pasina voda anzuführen. Die Ebene ist demnach ziemlich wasserreich, besitzt, von den häufigeren Borastürmen ab- gesehen, ein mildes Klima und war somit für eine Besiedlung schon in frühen Zeiten besonders einladend. Wenn wir uns von Mostar am rechten Narentaufer südwärts wenden, so sehen wir auf einem Hügel westlich von dem Dorfe Rodoc einen grossen Tumulus und bei Jasenica, zwischen der Bahn und dem Flusse in der Ebene verstreut, mehrere Tumuli verschiedener Grösse. Die Umgebung des Dorfes Jasenica ist auch ein Fundort römischer Münzen, und in dem Riede Ciberina njiva dieser Ortschaft stehen 16 altbosnische (mittelalterliche) Grabsteine, welche zum Theile mit dem südslavischen Embleme des Halbmondes und des Sternes geziert sind. Etwa 80 M. nördlich von der alten gemauerten Brücke in Baöevici liegen, west- lich von der Bahn, wieder 2 altbosnische Grabsteinplatten und auf dem Berge Humac im Nordwesten des Dorfes wieder 4 Tumuli. Oberhalb der genannten Brücke erhebt sich am rechten Ufer des Jasenicabaches eine allseits freie, steile Kuppe, die Gradina von Bacevici, deren elliptisches Plateau 15 M. lang und 10 M. breit ist. Auf dem Plateau trifft man die Fundamente eines Mauerwerkes, dessen Kalkmörtel mit Ziegelstückchen gemischt ist, und viele frei umherliegende Fragmente römischer Falzdachziegel. Die Gehänge des Berges sind mit grobem Steingerölle bedeckt. Von dem Plateau gegen eine am Nordgehänge, etwa 10 M. tiefer liegende, ebene Terrasse zieht sich ein stark deformirter Steinwall herab. Auch auf dem Rande der Terrasse ist stellenweise noch ein alter Steinwall zu erkennen. Zwischen dem Gerolle der Gehänge finden sich massenhaft Bruchstücke römischer Falzdach- und Hohlziegel (imbrices und tegulae ), dann Scherben von römischen Thon- gefässen (namentlich Amphoren), aber ebenso häufig auch Scherben aus freier Hand geformter prähistorischer Tliongefässe von ähnlicher Gestalt und Verzierung, wie wir sie später von dem Wallbaue Kicin kennen lernen werden. Die Gradina von Baöevici war demnach ein prähistorischer Wallbau, welcher später von den Römern occupirt wurde und als Schutzwehr der darunter liegenden ausgedehnten römischen Ansiedlung diente. Die Reste dieser Ansiedlung erstrecken sich in der Ebene am linken Ufer des Jasenicabaches, zwischen diesem und der Eisenbahn, und nehmen eine Länge von 1100 M. bei einer Breite bis zu 200 M. ein. In dieser ganzen Ausdehnung stossen die Anwohner beim Ackern häufig auf Mauerfundamente, während Architektursteine, Säulenschaft- Radimsky. Das Bisc'epolje bei Mostar. 5 Fig. 1. Planskizze des Biscepolje. 6 I. Archäologie und Geschichte. stiieke u. dgl. liie und da herumliegen und der Boden überall mit Dach- und Mauer- ziegelfragmenten, sowie mit römischen Thongefässscherben übersäet ist. Nach einer Mittheilung der Ortsbewohner sind die Gebäude des Dorfes Bacevici sämmtlich aus dem Materiale dieses Ruinenfeldes erbaut. Im Jahre 1891 machte mir Herr Ingenieur Jedlicka die Mittheilung, es seien bei Bacevici zwei römische Sarkophage entdeckt worden, worauf ich dieselben vom Grundbesitzer erwarb und ausgraben liess. Beide befinden sich gegenwärtig in unserem L andesmuseum. Sie standen am linken Jasenicaufer, etwa 40 M. von einander entfernt, mit den längeren Seiten von Südost gegen Nordwest gerichtet. Bei dem einen derselben lag der First des Deckels etwa 50 Cm. unter der heutigen Erdoberfläche. Der ganze Deckel war bei meiner Ankunft in Baöevici bereits ausgegraben und entzweigebrochen, was im Jahre 1889 durch Schatzgräber geschehen sein soll. Dieser Sarkophag, dessen Längen- und Querschnitt die Figuren 2 und 3 zeigen, hat folgende Dimensionen: äussere Länge ohne Sockel 2 M., äussere Breite ohne Sockel 1'18 M., äussere Höhe des Sarkophages 0’85 M., äussere Höhe des Deckels 0-52 M., Gesammthöhe l-37 M., lichte Länge des Sarkophages 1'66 M., lichte Breite des Sarko- phages 0'84 M., lichte Tiefe 0 60 M. Nur die südwestliche Seite des Sarkophages ist sculpirt, die übrigen drei sind glatt. Die Sculptur besteht, wie Figur 4 zeigt, aus einem leeren Inschriftfelde von 69 Cm. Breite und 38 Cm. Höhe. In den dreieckigen Flügeln des Inschriftfeldes sind Rosetten und neben denselben, sowie ausserhalb, Pflanzenmotive angebracht. Die Akro- terien des Deckels sind an dieser Seite mit Ranken und Weintrauben verziei’t. In dieser Längsseite ist wahrscheinlich schon sehr früh von barbarischen Händen ein 14 Cm. weites Loch ausgebrochen worden, um den Sarkophag ohne Hebung des schweren Deckels ausrauben zu können. Es ist selbstverständlich, dass der Sarg nach diesen wiederholten Angriffen auf seinen Inhalt, wobei sogar die meisten Knochen in Verlust geriethen, keine Schätze mehr barg; ich fand auch wirklich nur die Klinge Raclimsky. Das Biseepolje bei Mostar. 7 eines Eisenmessers von 8-5 Cm. Länge und 2'5 Cm. Breite zwischen der darin enthal- tenen Erde. Der zweite Sarkophag (Figur 5) ist in Form und Verzierung dem ersten ganz ähnlich, besass aber keinen Deckel mehr, und ich glaube ein Fragment des letzteren als Schornsteinaufsatz eines Hauses in Bacevici erkannt zu haben. Die Dimensionen sind folgende: äussere Länge ohne Sockel L90 M., äussere Breite ohne Sockel U20 M., äussere Gfesammthöhe 07 2 M., lichte Länge L58 M., lichte Breite 0-84 M., lichte Höhe 052 M. Dieser zweite Sarkophag war vollkommen leer. Weiter südlich im Punkte ci der Karte, unterhalb der Einmündung des Jasenica- baches in die Narenta und etwa 600 M. nördlich von der Eisenbahnstation Buna erkennt man die Spuren einer alten Narentabrückc, welche eine Länge von circa 100 M. besass. Es war eine hölzerne Jochbrücke von vier Feldern, deren drei Mitteljoche auf inselartig aus dem Flussbette hervorragenden Conglomcratbänkcn standen. Am linken Narentaufcr, sowie auf den drei Felsbänken sieht man ganz deutlich die in einer ge- raden Linie liegenden Auflager der Brücken- jochschwellen, welche als 3 M. lange, 50 Cm. breite und 50 Cm. tiefe, in dem äusserst festen Conglomerate ausgemeisselte Gruben sichtbar sind. Die grösste Spannweite eines Feldes dieser Brücke betrug nahezu 30 M. Ueber das Alter dieser neuentdeckten Holz- brückenreste lässt sich natürlich nichts Be- stimmtes sagen, doch wäre es nicht un- möglich, dass ihre Erbauung schon in die Zeit der Römerherrschaft fiele. So viel ist wenigstens zweifellos, dass eine römische Strasse, sei es mittelst einer Brücke oder einer Ucberfuhr, die Narenta in der Gegend von Buna übersetzt haben muss. Ferner ist bekannt, dass die Römer bei ihren Brücken sehr bedeutende Spannweiten mit Holzcon- structionen zu überwinden wussten, wie z. B. bei der berühmten Traj ansbrücke über die Donau bei Turn-Severin, unterhalb des Eisernen Thores, welche Spannweiten von 36 M. Lichte besass. Oberhalb der Eisenbahnstation Buna erhebt sich am rechten Flussufer der Berg Velika gradina auf etwa 200 M. Höhe über das Thal und trägt auf seiner Kuppe einen grossen, weithin sichtbaren Steintumulus. Ungefähr in der halben Höhe dieses Berges liegt am Eingänge des Narentadefilcs gegenüber der Einmündung der Buna in die Narenta die Mala gradina, ein prä- historischer Wallbau, dessen Grundriss Figur 6 zeigt. Das Plateau der Mala gradina fällt im Osten, Süden und Westen steil ab und ist nur von der Nordseite her leicht zugänglich. An dieser Seite finden wir auch die drei theilwcise deformirten Stcintumuli a, b und c, an deren Fusse ein Steinwall e hinläuft. In 8 M. Entfernung von diesem Walle ist ein zweiter aus Klaubsteinen bestehender Vorwall d vorhanden. Ferner kommt im Osten des Plateaus bei f ein Stück Trockenmauerwerk vor. Ueber die Gomila a und den Wall e verläuft jedoch eine in Kalkmörtel gelegte Mauer g-h-i-k von 1 — 2 M. Stärke, welche zumeist nur in ihren Fundamenten erhalten ist. I. Archäologie und Geschichte. Fig. 4. Römischer Sarkophag von Baeevie’i. (Vordere Langseite.) Fig. 5. Zweiter römischer Sarkophag von Baceviei. stellenweise aber auch über clas Terrain emporragt. Ganz gleiche Mauerstücke kommen weiter von l bis m und n bis o vor. Der Mörtel zeigt in diesen Mauern überall die Beimischung von gestossenen Ziegel- stücken, und nachdem auch im ganzen Inneren der Befestigung Fragmente der typisch- römischen Falzdachziegel und Hohlziegel Vorkommen, kann es keinem Zweifel unter- Radimsky. Das Biscepolje bei Mostar. 9 liegen, dass liier auf den Trümmern eines prähistorischen Wallbaues von den Römern eine Befestigung errichtet worden ist. Ueber den einstigen Zweck des prähistorischen Wallbaues auf der Mala gradina kann ich vorläufig keine bestimmte Ansicht äussern, da ich weder Zeit noch Gelegen- heit fand, daselbst eine Versuchsgrabung vorzunehmen, doch scheint cs, dass der prä- historische Wall eine Befestigung bildete, was bei dem späteren Römerbaue ganz gewiss der Fall war. Südlich unterhalb der Gradina sind die Felder längs der Balm auf eine Länge von einem halben Kilometer mit Fragmenten von römischen Ziegeln, namentlich Falz- dachziegeln, übersäet, und es muss hier am rechten Flussufer eine römische Ansiedlung als Suburbium der Befestigung Mala gradina angenommen werden. Aber auch am linken Ufer der Narenta haben die Römer den Eingang des Defiles befestigt; denn man findet auf der Bergspitze, innerhalb des Winkels, welchen die linken Ufer der .Narenta und der Buna bei ihrem Zusammenflüsse bilden, Reste von Mauern mit dem typisch-römischen Mörtel und Dachziegelbruchstücke. Kehren wir auf der Eisenbahn nach Mostar zurück und verfolgen wir von da aus die Strasse gegen Buna und Stolac am linken Ufer der Narenta, so gelangen wir bei dem Han Mukos zu einem Hügelzuge, welcher den Bifurcationswinkel der Strassen nach Buna und Blagaj einnimmt, und dessen ausgedehnte Tertiärmergelbrüche das meiste Material für den Hausbau in Mostar liefern. Gelegentlich der Steinbracharbeiten fand man auf dem flachen Rücken dieses Höhenzuges zu Anfang der Achtzigerjahre die Ruinen eines römischen Gebäudes (wahrscheinlich eines Tempels) mit sculpirtcn Friesen, Säulenschäften und Capitälen. Eine grössere Anzahl dieser schönen Architektur- 10 I. Archäologie und Geschichte. stücke, darunter ein korinthisches Säulencapitäl, sind theils im Garten der Kreisbehörde, theils hei dem Bezirksamte in Mostar deponirt. Etwas südlicher liegt, westlich neben der Strasse, unterhalb des Dorfes Ortj es, in dem gegenwärtig benützten christlichen Friedhofe des Dorfes, ein grösserer Tumulus, welcher ganz mit neuen Gräbern besetzt ist. Südwestlich von diesem Grabhügel steht mitten in der Ebene ein zweiter, etwas kleinerer Tumulus. Im weiteren Verfolge des Weges treffen wir am rechten Ufer, knapp vor der Bunabrücke zwei neben einander stehende,, bereits angegrabene Turnidi. Fig. 7. Alte Steinbräeke über die Buna. Die schöne steinerne Brücke über den Bunafluss bei dem gleichnamigen Dorfe (Figur 7) ist 101 '75 M. lang, 5'63 M. breit, besitzt eine 5 M. breite Fahrbahn und ruht auf 14 Bögen von 3'85 — 7 '55 M. Spannweite. In ihrer nördlichen Brustwehrmauer ist eine schön profilirte Baustein platte eingefügt, welche sicher römischen Ursprunges ist. Die Brücke selbst dürfte jedoch ein Bau aus der Zeit der osmanischen Herrschaft sein, und ich bemerke nur nebenbei, dass dem Mörtel derselben keine Ziegelstückchen bei- gemischt sind. Am linken Bunaufer, etwa 100 M. vor der Abzweigung des Fahrweges nach Hod- bina, steht östlich von der Strasse, mitten in dem Acker Katastralparcelle Nr. 51, ein sehr flacher Tumulus von 30 M. Durchmesser und etwa 12 M. Höhe, dann 75 M. weiter südlich auf derselben Seite der Strasse, in der Katastralparcelle Nr. 126 der Gemeinde Hodbina, ein zweiter ähnlicher, aber etwas kleinerer Grabhügel. Rarlimsky. Das Biscepolje bei Mostar. 11 Die beiden Tumuli erscheinen in dem vergrösserten Katastralkartenabsticlie Figur 8 eingezeichnet. Den südlichen dieser Tumuli habe ich im Jahre 1889, da der betreffende Acker unbebaut war, geöffnet. In 30 Cm. Tiefe unter der Oberfläche fand ich eine 20 Cm. dicke, geschlossene, aber unregelmässige Lage von faust- bis über kopfgrossen Kalk- stcingeschicben, welche von Südost gegen Nordwest eine Länge von 6‘4 M. und eine wechselnde Breite von L3 — 3 M. besass. Im südöstlichen Theile befand sich auf der Steinlage eine aus Holzkohle und Asche bestehende rundliche Brandschichte von etwa 1 M. Durchmesser und 2 Cm. Stärke vor. Fig\ 8. Tumuli, Urnenfold und römische Gräber bei Ilodbina. Unter diesem Steinsatzc lag der natürliche Humusboden von 20 Cm. Stärke und darunter die Schotterbank, welche den Untergrund der ganzen Thalfläche bildet. Ungefähr unter der Mitte des Steinsatzes fand sich ein elliptischer Einbau aus grösseren Kalksteinen. Derselbe war von Ost nach West 2 M. lang und von Nord nach Süd L3 M. breit und erstreckte sich, 70 Cm. unter dem Scheitelpunkt des Hügels beginnend, auf 80 Cm. Tiefe in den natürlichen Schotterboden. Unter diesem Steinbaue, also in einer Gesammttiefe von 150 Cm. unter dem Scheitel des Hügels, lag, ohne irgend eine Unterlage, auf dem Schotter ein sehr schlecht erhaltenes menschliches Skelet mit dem Kopfe im Osten. Da keine Beigaben vorgefunden wurden, lässt sich das Alter des Grabes nicht bestimmen. Ganz nahe, südöstlich von diesem Hügel, wurde 1888 bei der Anlage eines Wein- gartens auf der Aekerparcelle Nr. 130 (Figur 8) ein Urnenfold entdeckt und eine grössere Fläche desselben durchgegraben, wobei Hunderte von Thongefässen zum Vor 12 I. Archäologie und Geschichte. schein kamen. Ein alter Mohammedaner erzählte mir, dass auch hei der Anlage seines nahen Weingartens Parcelle Nr. 128 (Figur 8) eine bedeutende Menge von Thonscherben, Asche und schwarzer Erde gefunden worden sei. Das Urnenfeld von Buna scheint demnach eine grössere Fläche von mindestens 3/4 Hektar eingenommen zu haben. Die beiden Feldstreifen, auf welchen Urnen vorkamen, sind Figur 8 durch Punktirung bezeichnet. Die grossen Urnen waren unverziert, aus freier Hand gearbeitet, schwach gebrannt und wurden sämmtlich zerdrückt aufgefunden. Der untere Theil einer solchen bräun- lichen Urne, welchen ich erhielt, war mit Leichenbrand, Asche und Kohlenstückchen angefüllt und an der Oberfläche porös verwittert. Der Boden der Urne hat 10 Cm. Durchmesser; die Bauchwände zeigen keine besonders starke Ausladung. Beigaben wurden, wie es scheint, nicht gefunden. Aus den Scherben eines kleinen röthlichen Thongefässes Figur 9, welches an seinem Halse unter einem aus fünf horizontalen Strichen bestehenden Bande ein Wellenornament zeigt, kann man schliessen, dass das Fig. 9. Fig. 9 — 10. Randbruchstücke von Thongefässen aus dem Urnenfelde von Hodbina. Alter dieses Brandgrabfeldes kaum über die römische Culturperiode hinaufreicht, viel- leicht aber auch erst der slavischen Zeit angehört. Das Randstück eines zweiten, ähn- lichen Gefässes, welches mit verticalen, aus je vier Strichen bestehenden Bändern orna- mentirt ist, zeigt Figur 10. Dieses Urnenfeld ist meines Wissens das erste, welches im Occupationsgebiet ge- funden wurde, und es wäre eine gründliche Nachlese an dem Orte jedenfalls sehr zu empfehlen. Kehrt man von dem Urnenfelde wieder zur Strasse zurück und verfolgt dieselbe weiter gegen Südost, so findet man in dem spitzen Winkel (Parcelle Nr. 58), welchen die Strasse mit dem nach Hodbina und Rotimlja führenden Wege einschliesst (Figur 8), eine Schottergrube und am Rande derselben Skeletflachgräber aus der römischen Zeit. Gelegentlich einer im Jahre 1888 für Strassenbauzwecke vorgenommenen Schotter- grabung wurde Herr Ingenieur Jedlicka auf die schwärzliche Erde und die darin häufig vorkommenden Fragmente römischer Dachziegel aufmerksam und unternahm eine kleine Probegrabung. Er fand bald ein Skelet frei in einer aus dem Schotter ausgehobenen, etwa 80 Cm. tiefen Grube liegend, von einer schwärzlichen, aschigen Erde umgeben und bedeckt. Ausser einigen römischen Ziegelstücken fand er in diesem Grabe eine Bronzefibel von besonderer Form, dann eine Messerklinge, eine Wurfspeerspitze und drei Nägel aus Eisen, welche Funde er mir für unser Landes- museum übergab. Radimsky. Das Bisiepolje bei Mostar. 13 Die schöne zweidornige Charnierfibel (Figur 11) ist 054 Cm. lang und 028 Cm. hoch. Den Kopf bildet eine 026 Cm. breite und 017 Cm. hohe Platte, welche mit zwei horizontalen Doppellinien geziert ist. Der Bügel besteht aus zwei halbkreisförmigen Reifen, durch welche acht, beiderseits in kleine Kügelchen endigende, 016 Cm. lange Querstifte eingesetzt sind. Den Fuss bildet wieder eine 008 Cm. breite, 000 Cm. hohe und beiderseits mit Ausschnitten für die Nadeln versehene Platte, welche zu der flachen, 004 Cm. breiten und 001 langen doppelten Nadelrinne umgebogen ist. Die eiserne Messerklinge Figur 12 ist 16 Cm. lang, mit gerader Schneide und massig geschweiftem Rücken. Die Wurfspeerspitze mit herzförmigem Blatte, einer schwachen Mittelrippe und kantiger Dülle (Figur 13) ist 15 Cm. lang. Fig. 11. Fig. 14. Frülirömische Charnierfibel Eiserne Sichel mit doppelter Nadel, Bronze (x/4). (2/3). . Ans einem Skeletg-rabe bei Hodbina. Die zwei grösseren Eisennägel sind 8 und 7 Cm. lang mit runden Köpfen, der dritte 6 Cm. lang mit hakenförmigem Kopfe. Durch diesen Fund sah ich mich veranlasst, an jener Schottergrube eine weitere Probegrabung vorzunehmen, bei welcher ich noch drei Flachgräber öffnete (Figur 8). Die Skelete lagen frei auf dem Rücken in Gruben, welche in dem Schotter ausgehoben waren, 80 — 90 Cm. tief unter der Oberfläche und waren mit schwärzlicher Erde um- geben und bedeckt. Skelet I lag von Südost gegen Nordwest, mit dem Kopfe im Nord- westen, die Skelete II und III ostwestlich, mit dem Kopfe im Westen. Zwischen den Gräbern kamen in einer Tiefe von 20 — 30 Cm. kleine, bis zu 5 Cm. starke, aber leere Brandschichten aus Asche und Kohlenstückchen vor. Grab I enthielt ein ziemlich wohlconservirtes Skelet, dessen dolichocephaler Schädel fast ganz gehoben werden konnte. In der Gegend der Brust lag ein Thongefässscher- ben und ober dem Kopfe, ausser einigen Bruchstücken römischer Ziegel, sieben Eisen- 14 I. Archäologie und Geschichte. nägel von 6 — 8 Cm. Länge, darunter sechs mit hakenförmigem und einer mit rundem Kopfe. Bei den Füssen lagen wieder sieben 7 — 9 Cm. lange Eisennägel mit haken- förmigem und ein Eisennagel mit rundem Kopfe. Das Skelet des Grabes II war schlechter erhalten, der Schädel ebenfalls dolicho- cephal, aber nicht conservirbar. Bei dem Schädel fanden sich zwei 9 Cm. lange Eisen- nägel mit runden Köpfen, in der Brustgegend eine eiserne Sichel und bei den Füssen ein stärkerer, 11 Cm. langer Eisennagel mit hakenförmigem Kopfe. Die Sichel, Figur 14, ist defect, der Rest 27 Cm. lang, in der Sehneidenmitte 5'5 Cm. breit und an der 3 Cm. breiten Griffzunge durchbohrt. Grab III enthielt das Skelet eines Kindes in sehr schlechtem Zustande und ohne Beigaben. Nur der Schädel war auf einem ganzen Hohlziegel gebettet und mit einem ebensolchen bedeckt. Es hat mich eigenthümlich berührt, zu sehen, mit welcher Pietät die Eltern das Köpfchen ihres verstorbenen Kindes bei der Bestattung vor der unmittel- baren Berührung mit der Erde zu schützen suchten. Die Hohlziegel (Figur 15) waren 35 Cm. lang, an einem Ende 20 Cm. breit, 0-22 Cm. dick, am anderen Ende 16 Cm. breit und 0-17 Cm. dick. Das häufige Vorkommen eiserner Nägel in römischen Gräbern habe ich auch auf der Wies in Steiermark beobachtet, wo in den Tumulis von Eichberg, Goldes, Mantracli, St. Andrä und Wieden je 1 bis 12 eiserne Nägel gefunden wurden.1) Weiter auf dem Fahrwege gegen Hodbina gelangt man nach circa 550 M. zu der Abzweigung eines Feldweges, welcher nordöstlich gegen den Ried Negocine führt. In dem Winkel zwischen dem Fahr- wege und der Nordseite dieses Feldweges stehen neun grosse altbos- nische Grabsteine, tlieils Tumben, theils Sarkophage mit diversen Ornamenten. Im ferneren Verlaufe des Fahrweges kommt man nach Hod- bina-Han. geschobener Hügelzug Fig. 15. Holilzieg-el (Vio) Aus einem Kindergrabe bei Hodbina. neben welchem sich im Osten ein gegen die Ebene vor- erhebt. Auf der am Ende desselben vorsprin- genden Kuppe „Crkvina“ sind längliche Gruben von ausgehobenen Fundamentmauern vorhanden, welche nach der Localtradition einer in vortürkischer Zeit dort befindlich gewesenen christlichen Kirche angehört haben. Das Quadermateriale soll von den umwohnenden Mohammedanern bis in die jüngste Zeit zum Baue ihrer Wohnhäuser verwendet worden sein. Etwa 700 M. ostsüdöstlich von Crkvina (bei b Figur 1) ist ein Acker mit römischen Falzziegelstücken übersäet. Auf demselben fand der Besitzer eine Bronze- statuette des Aesculap, einen Schlüssel, eine Fibel und eine römische Bronzemünze. Die Statuette, deren Füsse abgebrochen sind, ist 6’5 Cm. lang und befindet sich im Besitze des Ingenieurs Jedliöka. Ich vermuthe an der Fundstelle eher einen Wohnplatz als Gräber. Bei Hodbina-Han verwandelt sich der Fahrweg in einen Reitweg, welcher über Rotimlja nach Stolac führt. Auf dieser Strecke liegt die Kvanjska öupria (Figur 16), eine römische Brücke über den Bach Pasina voda, mit 18 M. Länge, 4 M. ganzer und 3 M. lichter Breite. Sie steigt gegen die Mitte beiderseits steil an und ruht auf einem Mittelbogen von 6'7 M. und zwei Uferbögen von je 2 3 M. lichter Weite. O W. Radimsky und J. Szombathy, Mittbeil, der anthropol. Gesellsck. in Wien 1888, Bd. XVIII, S. 80, 82, 83, 85, 86, 89, 91 und 93. Radimsky. Das Biscepolje bei Mostar 15 Die Brücke ist aus schönen Quadersteinen erbaut und der Mörtel mit gestossenen Ziegelstücken gemischt; doch finden wir auf einer Seite eine spätere Ausbesserung mit rundlichen Geschieben. Gleich hinter der Kvanjska cupria beginnt der Anstieg des Reitweges gegen Ro- timlja, und hier trifft man südwestlich vom Wege auf dem vorspringenden Grate des H um Os oje einen grossen Tumulus, während im Nordosten die prähistorische Be- festigung des Ograc sichtbar wird. Figur 17 zeigt den Grundriss und Durchschnitt dieser grossartigen Wallburg nach einer Aufnahme des Herrn Hugo Jedliüka. Entsprechend der Gestalt des Gebirgs- rückens, welcher gegen das Biscepolje dominirend vorspringt, ist dieser Wallbau von Fig. 16. Kvanjska Cupria bei Hoclbina. (Römische Brücke über die Pasina voda.) Südost gegen Nordwest gestreckt, besitzt eine Länge von 397 M. 1 iei einer grössten Breite von 118 M. und nimmt eine Gesammtfläche von nahezu 3 Hektar ein. Den Abschluss der inneren Befestigung bildet im Südosten ein länglicher Wall- hügel a, an welchen sich der innere Wall c beiderseits anschliesst. Derselbe umseh liesst im Nordwesten halbkreisförmig den Wallring b. Der so gebildete innere Raum ist durch einen Querwall d in zwei ungleiche Theile getrennt. An der minder steilen südwest- lichen Langseite und im Südosten verläuft noch ein äusserer Wall e. Der ganze Bau ist aus zusammengetrageuen Kalksteinfindlingen errichtet. Die langgestreckte Gomila a besitzt an der Basis eine Länge von 92 M. und eine durchschnittliche Breite von 23 M., an der Krone eine Länge von 70 M. und eine durch- schnittliche Breite von 12 M. bei einer Höhe von 6'5 M. Sie bedeckt demnach eine Fläche von 1661 Quadratmetern, und ihr Cubikinlialt berechnet sich auf 6960 Cubik- meter. IG I. Archäologie und Geschichte. Fig-, 17. Grundriss und Durchschnitt des Wallbaues Ograc bei Hodbina. Radiinsky. Das ßiscepolje bei Mostar. 17 Eigenthümlich erscheinen einzelne unregelmässig rechteckige Steine, welche in ungleichen Distanzen zwischen die regellos zusammengeworfenen Klaubsteine der Hügel kröne nahezu horizontal eingesetzt sind. Sie lassen vermnthen, dass die Gomila. ein Begräbnisshügcl war, in welchem die einzelnen Gräber durch grössere Steine bezeichnet wurden, und es wäre daher eine nähere Untersuchung dieses Hügels angezeigt. Der elliptische Wallring b, von den Umwohnern „Gradina“ genannt und wahr- scheinlich zur grösseren Sicherheit des Einganges bei /, sowie als Aussichtswarte er richtet, nimmt bei einer langen Achse von 49 M. und einer kurzen Achse von 33 M. eine Fläche von 1268 Quadratmetern ein. Sein Wall besitzt eine Basisbreite von etwa 6 M., eine Höhe von 2 M. und ist ganz geschlossen. Die Länge des Walles erreicht 102 M., sein Cubildnhalt 816 Cubikmeter. Die Länge des inneren Walles (c) beträgt 645 M., jener des Querwalles (cl) 66 M. und jene des äusseren Walles (e) 535 M. Der Wall c ist nach Innen Lei 1 M. und gegen Aussen bei 3 M. hoch, wogegen der äussere Wall (e) etwas geringere Dimen- sionen zeigt. Der Querwall (d), welcher keine Durchgangsöffnung besitzt, ist in den gleichen Dimensionen gehalten wie der Wall des Ringes b. Die Gesammtlänge aller W alle stellt sich demnach auf 1246 M. und der Cubikinhalt des ganzen Bauwerkes auf 16.674 Cubikmeter. Diese Daten kennzeichnen Avohl am besten die imposante Grösse des Wallbaues am Ograc. Ein anhaltender Regensturm, welcher mich bei meiner An- wesenheit überraschte, hinderte mich, kleine Probegrabungen \ror- zunehmen, durch welche ich feststellen wollte, ob dieser feste Platz ständig bewohnt gewesen sei oder nur als ein Zufluchtsort bei Feindesgefahr gedient habe. Kehren Avir vom Ograc auf dem Wege über den Kvanjski most Avieder bis zu jenem Feldwege zurück, an dessen Abzweigung AArir die mittelalterlichen Grabsteine angetroffen haben, und ver- folgen wir diesen Weg in nordöstlicher Richtung, so finden wir zunächst, etAA’a 320 M. von dem Fahrwege und weiterhin, die Aecker und Weinberge beiderseits des Feldweges mit römischen Dachziegelfragmenten, Bausteinstücken und Thongefässscherben übersäet. Diese Fläche nimmt von Nordwest gegen Südost eine Breite von circa 300 M. ein und zieht sich bis an das linke Ufer der Bunica hin. Man trifft vielfach die Reste in Mörtel gelegter Fundamentmauern und Haufen zusammen- getragener, zum Theile behauener Steine, gemischt mit Falzdachziegelfragmenten und Eisenschlacken. Auch das Bruchstück des Läufers einer Handmühle von etwa 30 Cm. Durchmesser aus festem Conglomerate habe ich in einem dieser Steinhaufen gefunden. Oestlich vom Wege steht auf dieser Ruincnsätte ein grösserer Steinhügel. Bei näherer Besichtigung entpuppt sicht derselbe als die Ruine eines rechteckigen römischen Ge- bäudes von 16 M. ostwestlicher Länge und 10 M. Breite, dessen in Mörtel gelegte Aussen- mauern stellemveise noch 80 — 90 Cm. über das Terrain emporstehen und mit zusammen- getragenem Baumateriale hoch überschüttet sind. Ausser vielen anderen Bausteinen fand ich hier das Bruchstück eines glatten Säulenschaftes Aron 75 Cm. Länge und 26 Cm. Durchmesser, soAvie eine Thürschwelle von 160 Cm. Länge, 60 Cm. Breite und 30 Cm. Höhe. Das Fragment eines Falzdachziegels aus dieser Gebäuderuine zeigt Figur 18. Aus der bedeutenden Ausdehnung der Ruinenfläche (8'4 Hektar) darf man sehliessen. dass hier eine grössere römische Ansiedlung gestanden habe. Band II. o & Dach ziegelfragment. (Vio)- Ans einer römischen Ruine bei Negociue an der Bunica. 18 I. Archäologie und Geschichte. Am linken Ufer der Bunica treffen wir im Verlauf unseres Feldweges bei dem Punkte c (Figur 1) die Reste einer Brücke, von welcher nur mehr die beiderseitigen, von Stützmauern eingefassten, 3 M. breiten Auffahrten erhalten sind. In dem Mörtel der Stützmauern fand ich keine Beimischung gestossener Ziegel. Dagegen lag am rechten Bachufer neben der Auffahrt die türkische Inschrifttafel Figur 19, deren Text in deutscher Uebersetzung folgen dermassen lautet: „In Wahrheit erbaute diese Brücke Hasan, Sohn des Ismail, zur Zeit des aus dem Stamme Osmans entsprungenen Sultans Selim, und widmete die aus diesem guten Werke entspringende göttliche Vergeltung seinen beiden Vätern, nämlich zur Hälfte seinem Big. 19. Bauinschrift einer türkischen Brücke über die Bunica. Vater Ismail, zur anderen Hälfte Seiner Majestät dem Sultan. Gott möge seine, seiner Eltern, sowie aller Mohammedaner Sünden verzeihen. Die Brücke wurde Ende Sa’ aban 9 1 9 fertiggestellt. u Demnach ist der Bau im Jahre 1511 oder 1512 der christlichen Zeitrechnung vollendet worden. Es dürfte jedoch früher an dieser Stelle eine römische Brücke bestanden haben, da der Punkt am Ende der ausgedehnten Ruinenstätte von Negocine gelegen ist und der Weg am anderen Ufer direct gegen die römische Kosorbrücke über die Buna und weiter zu den römischen Gebäuderuinen von Kosor führt. Die alte Kosorbrücke (Figur 20) ruht auf sieben Bögen von 2'6 — G'5 M. Spann- weite, ist sammt den Auffahrten 57 M. lang, 4T M. breit und besitzt eine Bahn von 2\3 M. lichter Breite. Der Mörtel zeigt die Beimischung gestossener Ziegelstücke und Radi ms ky. Das Biscepolje bei Mostar. II) ist mit den Bausteinen beinahe zu einer gleichartigen Masse verwachsen. Auffallend ist auch die geringe Ueberhöhung dieser Brücke. Bevor wir jedoch das andere Ufer der Buna betreten, wenden wir uns gegen Osten in das Suhopolje und treffen etwa 300 M. von dem Brückenköpfe die Grundfesten eines rechteckigen Gebäudes von 9-6 M. Länge und 7 •<> M. Breite, welches in der Längs- mitte durch eine Quermauer getheilt ist. Der Mörtel ist mit kleinen Steinen und spär- lichen Stückchen gestossener Ziegel gemischt. Auf dem anliegenden, bei meinem Besuche frisch geackerten Felde fand ich kleine Stücke römischer Dachziegel und halte nach alledem diese Ruine für römisch. Etwa 250 M. weiter östlich steht neben einem breiteren Feldwege ein Tumulus von etwa 15 M. Durchmesser, welcher drei mittelalterliche Grabsteine (zwei ornainentirte in Sarkophagform und eine starke schmucklose Blatte) als Zeugen von Nachbestattungen trägt. Circa 400 M. weiter gegen Ost steht in der Ebene nahe dem linken Bunaufer ein zweiter Tumulus, auf dessen Scheitel wieder eine altbosnische Grabsteinplatte liegt. Südlich von diesen Tumulis erhebt sich am rechten Bunicaufer zu etwa 68 M. Höhe über der Thalebene der Hügel Gor i ca, welcher auf seiner Ostseitc durch einen niedrigen Sattel mit dem fast doppelt so hohen Berge Kicin zusammenhängt. Das Plateau der Gorica ist mit vier grösseren Tumulis besetzt, und am südwest- lichen Fusse des Hügels erscheint eine Stelle mit vielen römischen Ziegeln, zwischen welchen zwei Fragmente einer Mühle gefunden wurden (Figur 21). Das grössere o* 20 I. Archäologie und Geschichte. gehurte zu dem Bodensteine «, welcher einen Durchmesser von 30 Cm. hatte, an der oberen Fläche convex und in der Mitte 8 Cm., an den Rändern 5 Cm. stark war. Es besteht aus Conglomerat und ist in der Mitte durchbohrt. Das kleinere Stück des Läufers b aus grobkörnigem Sandsteine zeigt den gleichen Durchmesser, ist 5 Cm. hoch und an der Unterseite entsprechend concav. In der Mitte befand sich eine unten 9 Cm., oben 16 Cm. im Durchmesser haltende Mulde c für das aufzuschüttende Getreide und an der Peripherie die Vertiefungen d, d zum Einsetzen des Bewegungsapparates. Dabei lag der Bart eines eisernen Schlüssels und die Spitze einer Eisenwaffe. Es wird demnach auch hier am Ufer der Bunica in römischer Zeit ein Haus 2'estan- den haben. Fig. 21. Bruchstücke einer römischen Mühle O/s)- Vom Hügel Gorica an der Bunica. Der Berg Kiöin von 130 M. relativer Höhe trägt die Reste einer grossen Wall- burg und unterhalb derselben die Ruinen vieler runder Wohnhütten. Figur 22 zeigt den Grundriss und Figur 23 den Durchschnitt dieser prähistori- schen Befestigung nach Aufnahmen des Herrn Hugo Jedliöka. Auf der höchsten Kuppe des Berges steht als Centrum des Baues ein Rundwall a von 17 M. Durchmesser, um welchen concentrisch ein zweiter Rundwall b von 73 M. Durchmesser geführt ist. Am Nordgehänge sind ausserdem Reste von zwei über ein- ander liegenden Wällen c und d vorhanden, wovon sich der obere auf 170 M. und der untere auf 150 M. Länge gut verfolgen lässt. Beide laufen im Westen von dem Fels- grate e f aus und verlieren sich im Osten in dem Gerolle des Gehänges. Der ursprüng- liche Querschnitt aller dieser Wälle ist nicht mehr zu erkennen. Radimsky. Das Biscepolje bei Mostar. 21 Fig. 22. Grundriss der befestigten Höbe Kiein an der Bunica. Ferner findet man auf dem niedrigen Sattel, welcher den lvicinbcrg mit dem Hügel Gorica verbindet, beiderseits quer verlaufende Erderhöhungen Äq und k2, welche gleich- falls Reste von Wällen zu sein scheinen, wonach die bereits erwähnten Wohnhütten- gruppen gx bis Altbosnische Grabsteine. Altbosniscbe Grabsteine mit Inschriften, h Steinerne Stühle. Tumuli. Wege und Strassen. Die rotli bezeichneten Objecte stammen aus römischer Zeit. Wenn somit auch die ganze Umgebung von Stolae bemerkenswerthe archäologische Objecte besitzt, so nimmt doch das Gebiet von Osanic unser Interesse in hervorragen- dem Masse in Anspruch, weil uns daselbst aus allen drei vorgenannten Hauptepochen der Landesgeschichte zahlreiche Reste erhalten sind. Aus prähistorischer Zeit finden wir über den südöstlichen Gebäuden des langgestreckten Dorfes Osanic eine ein- zelne grosse Gomila und über den nord- westlichen Gebäuden des Dorfes zwei nebeneinander stehende Tumuli. Drei weitere Tumuli kommen nahe beisammen auf dem Höhenzuge Toprkala südlich von dem Riede Do eine vor. 28 solche finden sich endlich südlich von der unten besprochenen Gradina von Osanic in der Thalebene an beiden Ufern des Rotimljabaches. Bedeutender sind die Reste aus rö- mischer Zeit. Wenn man von Stolae in nordwest- licher Richtung gegen Osanic hinansteigt, gelangt man südlich von der Ortschaft Nekuk, zwischen dieser und dem erwähnten Höhenzuge von Toprkala, auf das kleine Hochplateau Docine, dessen ganze Ober- fläche mit Bruchstücken römischer Ziegel, zumeist Dachziegel, mit Mörtelstückchen und Scherben rother römischer Thongefässe bedeckt ist. Es muss an dieser Stelle zum Min- desten ein, wahrscheinlich aber mehrere römische Gebäude gestanden haben, welche Villen der reicheren Bewohner der bei Stolae gelegenen Ortschaft gewesen sein dürften. Hat man im weiteren Verlaufe des Weges das Dorf Osanic durchschritten, so gelangt man im Nordwesten des Ortes auf ein ebenes, mit Gebüsch spärlich bewach- senes Plateau und erblickt an dessen Ende auf einer unbedeutenden Bodenerhöhung den cyklopischen Bau einer römischen Befestigungsmauer mit zwei Thürmen, welche den Namen Gradina führt. Wie aus dem vom Ingenieur Komadina aufgenommenen Grundrisse Figur 2 und den drei Durchschnitten Figur 3 ersichtlich ist, fällt das Terrain mit Ausnahme der Südseite sehr steil gegen die Rotimlja, welche die Felsgehänge der Gradina in weitem Bogen umfhesst, ab. Zur Befestigung des Platzes erschien es daher nur nothwendig, die ebene Südseite zu sichern, was in sehr zweckmässiger Weise durch die ostwestlick Fig. 1. Situationskarte der Alterthümer von Stolae und Osanic. Hör mann und Kadimsky. Die Alterthümer von Osanic bei Stolac. 37 gestreckte, 54 M. lange und 2 M. starke Mauer a, sowie durch die an beiden Enden derselben angebauten rechteckigen Verth ei digungsthürme b und c erreicht worden ist. Die Quadern, aus welchen diese Mauer und die beiden Thürme errichtet worden sind, haben gewaltige Dimensionen, denn sie sind bis 2 M. lang, bis 1'2 M. breit, und es besitzen die unteren vier Schaaren der Steine ein Höhe von je 90 Cm., während die stellenweise noch erhaltenen oberen drei Schaaren eine Höhe von je 55 Cm. zeigen. Die sieben Steinschaaren repräsentiren somit eine Höhe von 5‘25 M. Die Quadern sind ähnlich wie die Befestigungsmauern der altetruskischen Städte Mittelitaliens ohne Verwendung von Kalkmörtel oder irgend einem anderen Bindemittel trocken über einander gelegt und besitzen an der Aussenseite, somit bei der langen Mauer an der Südseite, bis zu 15 Cm. vorspringende Bossen. 38 I. Archäologie und Geschichte. Die beiden Thürine ragen ihrer ganzen Tiefe nach aus der Mauer gegen Süden vor, so dass ihre rückwärtigen Seiten mit der Flucht der Verbindungsmauer zusammen- fallen. Sie besitzen ungleiche Dimensionen, und zwar ist der westliche Thurm b qua- dratisch bei 11 M. äusserer Seitenlange, wogegen der östliche Thurm c eine äussere ostwestliche Breite von 15 M. und eine äussere nordsüdliche Dicke von 14 M. zeigt. Weder die Befestigungsmauer, noch die Thürme lassen einen gegen Süden füh- renden Ausgang wahrnehmen, und es muss daher ein solcher entweder westlich oder östlich neben einem der Thürme bestanden haben. Ob die Thürme an ihren Nordseiten in der Terrainhöhe Thüren besassen oder von dem Wallgange der Mauer aus zugäng- lich waren, lässt sich ohne Wegräumung des Schuttes in den Thürmen und an der Nord- seite der Mauer (siehe Durchschnitt A B Figur 3) nicht constatiren. AB Eine Detailansicht der Befestigungsmauer gibt Figur 4, eine Ansicht der Mauer sammt den Thürmen Figur 5. Wie schon erwähnt, ist die Nordseite der Mauer und der Thürme fast bis zu ihrer erhaltenen Höhe mit Schuttgerölle und Steinblöcken bedeckt, zwischen welchen jedoch eine grosse Menge von römischen Dachziegelfragmenten, dann theils rothen, theils gelblichen Thongefassscherben verstreut ist und auch mit Kalkmörtel überzogene Bausteinstücke Vorkommen. Man kann daraus den Schluss ziehen, dass sich an dieser Stelle grössere Wohnhäuser mit Ziegeldächern befunden haben. Nordwestlich von dem Thürme b senkt sich der Grat des nach dieser Richtung weit vorspringenden Burg- fclsens zu einer um etwa 25 M. tieferen Mulde, erhebt sich aber dahinter wieder zu einer kleinen, bei 15 M. hohen rundlichen Kuppe, welche dann steil gegen die Rotimlja Hörmann und Radimsky. Die Alterthümer von Osanic bei Stolad. 39 abfällt (siehe Durchschnitt C D Figur 3). Auf dieser Kuppe fand Radimsky im Mai 1890 die trocken gemauerten Fundamente eines 11 M. im Durchmesser haltenden run- den Steinbaues cl von 2 M. Mauerstärke, wogegen Ingenieur Komadina im October 1891 daselbst nur mehr einen ringförmigen Schutthaufen mit sehr vielen Dachziegel- stücken und Thongefässscherben antraf. Wahrscheinlich hat hier in der Zwischenzeit Fig. 4. Römische Festungsmauer auf der „Gradina“ bei Osanic. ein Schatzgräber seine Thätigkeit entfaltet. Diese Kuppe gehörte jedenfalls mit zu der Befestigung und trug seinerzeit einen Rundthurm, welcher nicht nur den Zugang zur Gradina von der Ost-, Nord- und Westseite zu beschützen hatte, sondern auch eine prächtige Umschau in die Thäler des Rotimljabaches und des Bregavaflusses gewährte und diese beiden Thäler beherrschte. Ausserdem kommen auf dem steilen westlichen Gehänge des Gradinaberges ver- schiedene terrassenförmige Mauerwerke e vor, welche entweder Theile der Befestigung bildeten oder Baulichkeiten trugen. Südlich von diesen Teri’assenmauern ist am westlichen Gehänge die Ruine eines rechteckigen Gebäudes /und unterhalb dieser wieder ein Stück Terrassenmauer zix sehen. Fig. 5. Festungsmauer und Thürrae auf der „Gradina“ bei Osanic. 40 I. Archäologie und Geschichte. Ausser dem einst neben einem der Tliürme vorhandenen Eingänge von dem süd- lich gelegenen Plateau in die Befestigung, führte aus dem Inneren der letzteren über den steilen nördlichen Abhang eine in den Felsen gehauene, etwa 1 M. breite Stiege mit 20 Cm. hohen Stufen gegen den Rotimljabach hinab, deren Reste in dem Grund- risse (Figur 2) bei g sichtbar sind. Eine ähnliche zweite Stiege h vermittelte den Ab- stieg zum Thale des Rotimlja am westlichen Gehänge durch eine Einbuchtung dieses Fig. 6. Prismatischer Dachziegel (römisch) aus Osanic. (1/10). Fig. 7. Bruchstück einer schwarzen Thonschale (1/1). Hanges. Gegenwärtig ist der Boden der Einbuchtung unterhalb der Reste dieser letzteren Stiege von einer Schotterriese eingenommen, über welche der Al^etieg zwar möglich, aber äusserst beschwerlich ist. Das Schottermateriale daselbst ist von Oben bis zum Thale mit Massen römischer Thongefässscherben gemischt, welche, gesammelt, ganze Wagenladungen bilden würden. Das ebene Gestrüppterrain des Plateaus südlich von der Gradina ist in grösserer Ausdehnung mit mehr oder minder grossen, mitunter langgestreckten Steinhaufen Fig. 8. Grundriss der orientalisch-orthodoxen Kirche zu Osanic. bedeckt, unter deren Materiale römische Thongefässscherben in grossen Mengen Vor- kommen. Es sind dies jedenfalls Reste römischer Gebäude, welche ausserhalb der eigent- lichen Befestigung, jedoch unter dem Schutze derselben, errichtet waren. Die Vorgefundenen Dachziegel sind theils Falz-, theils Hohlziegel von gelblicher Färbung. Die letzteren zeigen eine Form, wie sie hierlands noch nicht angetroffen wurde (Figur 6). Sie sind nämlich nicht halbrund, sondern prismatisch. Die Thongefässscherben sind unverziert, sehr gut gebrannt, zum grösseren Theile von rother, zum geringeren von gelblicher Farbe und gehören vorwiegend grossen Hörmann und Radimsky. Die Alterthümer von Osanic bei Stolac. 41 Gefässen mit Wandstärken bis zu 015 Gm. an. Es lassen sieh darunter 1. grosse Am- phoren, d. i. bis über 1 M. hohe cylindrische Weinkrüge mit engem Halse, zwei langen Henkeln am Halse und spitzem Fusse, 2. grosse bauchige Henkelkrüge mit dickem und kurz nach Aussen umgebogenem Rande, 3. topfförmige Gefässe mit umgebogenem, aber scharfem Rande, und 4. Schalen unterscheiden. .Av-iikili-k V' Fig. 9. Inschrift vom Grabsteine des Eadosav Hrabren in der Vorhalle der Kirche zu Osanic. Eine Ausnahme von diesen einfachen Gefässformen bildet der Figur 7 abgebildete Scherben einer schön gerippten, aus lichtem Thone bestehenden und beiderseits glänzend schwarz bemalten römischen Schale, welchen Ingenieur Komadina am Nordgehänge des Burgfelsens gefunden hat. Obwohl uns demnach nur geringe Reste dieser gewaltigen und in Bezug auf die Beherrschung der Gegend vortrefflich situirten antiken Festung erhalten geblieben sind, so gehören dieselben dennoch zu den werthvollsten Denkmälern vorslavischer Architektur, welche uns hierlands bekannt geworden sind. Fig. 10. Die Gerichtsstühle bei der Kirche von Osanic. Wir gehen nunmehr zur Beschreibung einiger interessanten Objecte aus dem Mittelalter, welche sich in Osanic befinden, über. In der orientalisch-orthodoxen Kirche, deren Grundriss Figur 8 zeigt, liegen zwei Grabsteinplatten. Die eine derselben befindet sich unmittelbar beim Eingang und zeigt die ziemlich roh eingemeisselte Gestalt eines Bogenschützen, der den gespannten Bogen mit aufgelegtem Pfeil zum Abdrücken bereit hält. Eine Inschrift ist nicht vorhanden. Rechts von derselben liegt die zweite Grabsteinplatte, welche mit einer an zwei Seiten herumlaufenden bosnischen Inschrift (Figur 9) versehen ist. 42 I. Archäologie und Geschichte. Wir lesen dieselbe: ^ act Af>Kii liOfßOAA pa^ccani* YPaKPEHIi *3rT A'kro anpHaa kja,. (Die Buchstaben o und f, a und p, a und ß, a und K, ’k und t7 dann a, n und p sind lig’irt.) Die Jahreszahl bedeutet, wenn der Buchstabe t dem H gleich gehalten wird, 7013 seit Erschaffung der Welt (nämlich: = 7000, r = 3, T oder H = 10, zu- sammen 7013), sonach 1505 nach Christi Geburt, woraus sich ergibt, dass der Yojvode Radosav Hrabren am 24. April 1505 starb und in der Kirche zu Osanic bestattet wurde. Bei der Bevölkerung des Dorfes Osanic und der umliegenden Ortschaften hat sich die Tradition erhalten, dass die althercegovinische Vojvodenfamilie der Hrabren- Miloradovic die Kirche zu Osanic erbaut habe. Beiläufig 100 Schritte nordwestlich von der Kirche stehen zwei Gerichtsstühle (Figur 10), welche aus gewachsenen Steinblöcken ungleich gross und ziemlich roh ausge- hauen sind. Die Höhe des grösseren beträgt 25 M., die des kleineren 205 M. Die Sitz- fläche des grossen Stuhles misst in der Breite 0’79 M., in der Tiefe 05 M., die Fuss- und Rückenhöhe je 0'5 M. An dem kleineren Stuhle ist die Sitzfläche nach Breite und Tiefe, dann die Höhe der Fuss- und Rückenfläche um durchschnittlich 10 Cm. geringer. An dem ersteren finden sich zwei altbosnische Inschriften; die eine (Figur 11), an der oberen Fläche der Rückenlehne, lautet: ac( cto BOfiso,4,f | CTHnaNa MHAOpaA(ovica). Fig\ 11. Inschrift auf der Lehne des grösseren Gerichtsstuhles bei Osanic. Die zweite (Figur 12), an der dem kleineren Stuhle zugekehrten Seitenfläche, lautet : a noHOßH | ra ßotßo yt,a nnjap chnb | a\i>. Fig. 12. Inschrift an der Seitenfläche des grösseren Gerichtsstuhles bei Osanic. Die Figuren 11 und 12 sind nach Abklatschen im Landesmuseum angefertigt worden. Her Professor Yid Vuletic-Vukasovic hat die Grabstein inschrift aus der Osanicer Kirche bereits publicirt,1) er las sie jedoch ohne Abklatsch, weshalb seine Lesart: ace • at ;kii . poßK • • P<5G ■ PENl1 • 3 rf aiio aupiaa isa *) Viestnik hrvatskog arkeol. druütva. Agram 1883, S. 22. Hörmann und Radimsky. Die Alterthümer von Osanic bei Stolac. 43 sich als falsch herausstellte. Vukasovic erwähnt a. a. 0. auch die Gerichtsstühle und eine an denselben befindliche Inschrift. Er bemerkt, dass es sich hier vielleicht um jenen Stjepan Miloradovic handelt, welcher mit seinem Bruder Gjorgjo im Dienste des Knezen von Trebinje Petar Pavlovic 1416 die mit den Osmanen vereinigte Streitmacht des Pavlovic gegen die Republik Ragusa führte. Von dieser Begebenheit soll ein im Ragusaner Archiv befindliches Document ( pismo ) vom 23. März 1416 Nachricht geben. Wir wären Herrn Yukasovic sehr zum Danke verpflichtet, wenn er uns bei Gelegen- heit eine authentische Abschrift dieses „Pismo“ zusenden würde, da dasselbe Aufschlüsse über die Familie der Miloradovic-Hrabren zu geben verspricht. Unsere drei Inschriften aus der Kirche und von dem grösseren Gerichtsstuhle in Osanic nennen drei Mitglieder jener hercegovinischen Vojvodenfamilie, und zwar: Radosav Hrabren, Stipan Miloradovic und den Sohn des letzteren, Petar. Diesen Vojvoda Petar nennt auch die Grabschrift des Radoje Vukovic, eines Neffen des Yojvoda Petar.1) Ein Miloradovic Namens Spahija Milos soll vor dem Jahre 1389 das Kloster Zito- mislic bei Mostar erbaut haben. Für diese Volkstradition, die sich an die Entstehung jenes hervorragenden orientalisch-orthodoxen Klosters knüpft, fehlen jedoch sichere Be- lege. Dagegen verwahrt das genannte Kloster in seinem Archiv ein türkisches Schrift- stück aus dem Jahre 1556, nach welchem die ottomanische Regierung einem Yojvoda Petar die Bewilligung ertheilte, das Kloster, welches damals in Ruinen gelegen haben soll, wieder zu erbauen. Ein Pfeiler in der Klosterkirche zu Zitomislic zeigt die In- schrift : Bh ndiTC ,304 CIN CTkünH II0CT4BHUIC CI. Das hier citirte Jahr entspricht dem Jahre 1563 n. Chr. Geb.2) Ob dieser Er- bauer des Klosters von Zitomislic mit jenem Petar Sohn des Vojvoden Stipan, der in der Gerichtsstuhlinschrift von Osanic erwähnt wird, identisch ist, lässt sich allerdings nicht mit Bestimmtheit behaupten, ist aber wahrscheinlich, weil die Buchstabencharaktere der Inschriften von Osanic spätestens auf das 16. Jahrhundert weisen. Die Klosterkirche von Zitomislic enthält ein Bildniss des Spahija Hrabren mit der Jahreszahl f3pn = 1609 n. Chr. Dort befinden sich auch noch andere Inschriften aus dem 17. und 18. Jahrhundert, die der vielen Wohlthaten, welche die Familie Miloradovic- Hrabren dem Kloster Zitomislic zugewendet hat, dankbar gedenken. Nach Ducic sollen im 16. Jahrhundert drei Zweige dieser Familie in der Hercego- vina sesshaft gewesen sein, und zwar in Trijebanj, Osanic (Ducic schreibt fälschlich Osevic) und Zitomislic; ihr Stammsitz wäre aber in Crnici in den Dubravas (Bezirk Stolac) gewesen. Wir möchten auf Grund unserer Inschriften und in Anbetracht der Lage der Stühle, auf denen die Miloradovici zu Gerichte sassen, eher glauben, dass sich ihr Stammsitz in Osanic befunden habe, was aber keineswegs ausschliesst, dass Vojvoda Petar (1563) und Spahija Hrabren (1609) das Kloster Zitomislic erbaut, beziehungsweise unterstützt haben. Endlich erwähnt Ducic: „Ta se hercegovacka porodica nalazi u listinama i zapi- sima iz XVI vijeka, kao sto rekoh, pod imenom ,Hrabreni‘. U tome vijeku nijesam 9 Vergleiche den weiter unten folgenden Aufsatz von Dr. Truhelka über einige herceg’oviuische Inschriften. 2) Archirnandrit Nikifor Ducic, Monographie über das Kloster Zitomislic in dessen „Knjizevni radovi“. Belgrad 1891, I. Bd., S. 54. 44 I. Archäologie und Geschichte. mogao naci njezino drugo prezime Miloradovic“, woraus er schliesst: „Bez sumnje je ime Hrabreni docnije zamijenjeno imenom ,Miloradovici‘.“ Unsere Gerichtstuhlinschriften bezeugen aber in ganz zweifelloser Weise, dass der Familienname „Miloradovici“ im 16. Jahrhundert und vielleicht schon zu Ende des 15. bereits bestand, was zu dem Schlüsse führt, dass sich dieser Name zu gleicher Zeit schon eingebürgert hatte, wie der zweite Familienname „Hrabreni“. Zum Schlüsse möchten wir noch erwähnen, dass die Umgebung von Osanic an altbosnischen Grabsteinen überreich ist; dieselben kom- men vor: a) bei der Ortschaft Nekuk, am südöstlichen Ende des Dorfes Osanic (circa 70 Stück, zwei davon mit Inschriften);1) b) auf dem Hügel Gorica beiderseits der Strasse gegen Poprati (eine Gruppe von 49 platten- und tumbenförmigen Steinen, einer davon mit Inschrift; dann etwa 100 M. westlich davon auf einem Hügel 4 Tumben); c) auf der Kuppe „Krstica“ im Westen des Riedes „Docine“ (eine Platte und daneben ein grosses Steinkreuz). 1) Publicirt von Dr. Truhelka in den weiter unten folgenden Aufsätzen. Reste römischer Ansi Gelungen in Sipraga und Podbrgje, V dann altbosnische Grabsteine in Sipraga an der Vrbanja. Von W. Radimsky, bosn.-lierceg. Bergliauptmann. (Mit 3 Abbildungen im Texte.) Auf dem Acker des Beg Sipraga in der Ortschaft Sipraga des Bezirkes Kotor- Varos stand am rechten Ufer der oberen Vrbanja ganz nahe südwestlich von der Dzamia des Dorfes ein rundlicher Hügel, Crkvina genannt. Derselbe wurde von den Um- wohnern für den Standplatz einer einstigen Kirche gehalten und erfreute sich seit jeher eines gewissen mystischen Ansehens. So wurde mir erzählt, dass vor Kurzem ein Bauer sein krankes Pferd, welches durch längere Zeit nicht zu strahlen vermochte, über An- rathen des Hodza dreimal um die Crkvina herumführen wollte; aber schon nach dem zweiten Umgänge war das Pferd von seinem Leiden geheilt. Gelegentlich eines in der Nähe vorgenommenen Neubaues wurden aus diesem Hügel im Jahre 1890 verschiedene behauene Kalksteine und Tuffquadern zu Tage ge- fördert, worauf der Bezirksvorsteher von Kotor-Varos, Herr Baron Schweiger, der Sache seine Aufmei’ksamkeit zuwendete, die weitere Steingewinnung einstellte und unter eigener persönlicher Leitung die Aufgrabung der in dem Hügel verschütteten Gebäude- ruine vornehmen liess. Als ich im Frühjahre 1891 die Localität besuchte, hatte Herr Baron Schweiger bereits alle Umfassungsmauern und einen Theil der Mittelmauern des Gebäudes blossgelegt. Da bei diesen Arbeiten keine nennenswerthen Funde ge- macht worden waren und sich die Mitte des Gebäudes durch frühere Schatzgräbereien vielfach durchwühlt zeigte, beschlossen wir, nach vollständiger Freilegung der Mittel- mauern nur noch das Innere der runden Apsis auszuräumen. Während dieser Arbeit beging ich die nächste Umgebung der Crkvina und fand, dass der Acker des Beg Sipraga in einer Fläche von etwa 1 Hektar ganz mit römi- schen Ziegelstücken übersäet ist; auch wurde mir mitgetheilt, dass man hier stellen- weise beim Ackern auf Fundamentmauerwerk gestossen sei. Es muss demnach in Sipraga eine ganze Ansiedlung der Römer bestanden haben. Das Gebäude der Crkvina, dessen Grundriss Figur 1 zeigt, bildet ein Rechteck von 18-42 M. Länge und 14-2 M. Breite, dessen Seiten nahezu nach den vier Welt- gegenden orientirt sind. Dasselbe bestand aus drei Räumen und besass von Aussen her zwei an der Südseite gelegene Eingänge a und 6, wovon der eine in den Vorraum A, der andere in den Hauptraum B führte. Der Vorraum A ging durch die ganze Breite des Gebäudes und besass eine lichte Länge von 139 M. bei einer Breite von 46 I. Archäologie und Geschichte. 4'09 M. Der Hauptraum B war im Lichten 8-3 M. breit und 12-38 M. lang. Im Osten wurde derselbe durch eine kreisrunde Apsis D abgeschlossen, so dass die Gesammt- länge desselben 15'9 M. erreichte. An den Hauptraum schloss sich endlich im Norden wieder ein Nebenraum C an, welcher eine lichte Breite von 3-95 M. und eine lichte Länge von 12-38 M. besass. Aus dem Vorraume A führte eine 1'9 M. breite Thür c in den Hauptraum B und eine 1-2 M. breite Thür d in den Nebenraum C. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch der Nebenraum C mit dem Hauptraume B durch eine Thür verbunden war, welche sich hei e befunden haben dürfte, an welcher Stelle aber die Mittelmauer durch eine frühere Grabung zerstört wurde, was auch bei der südwestlichen Ecke des Gebäudes der Fall ist. Sowohl die Haupt- als auch die Mittelmauern besitzen die gleiche Dicke von 65 Cm. und bestehen aus Bruchsteinmauerwerk, welchem in den unteren Partien grobes Geschiebe der V rbanja beigemischt ist. Der Mörtel ist sehr fest, mit Steinchen gemengt, doch mangelt ihm die sonst bei Römerbauten so häufig vorkommende Beimischung von gestossenen Ziegeln. Alle Thür- und wahrscheinlich aucli die Fensterverkleidungen be- standen aus Kalktuff, welcher auf einem Gehänge in der Nähe in grösseren Massen ansteht. Es kamen auch, wenn gleich nicht sehr häufig, quadratische Ziegel von verschiedenen Di- mensionen in dem Schutte vor; dieselben müssen in den höheren Partien des Mauerwerkes, welches nur mehr auf 1 — P3M. Höhe über dem inneren Boden erhalten ist, vermauert gewesen sein, nachdem sie als Pflasterziegel keine Verwendung gefunden haben. An den Aussenwänden ist keine Spur eines Verputzes gefunden worden; dagegen kamen (aber nur weisse) Mörtelverputzstücke am inneren Fusse der Mauern häufig vor. Den Boden aller Räume bildet ein Gussestrich aus festem Mörtel, welcher einer Schichte von Schotter und kleineren Gesteinstücken aufliegt. Dachziegel (sowohl Falz- ziegel als auch Hohlziegel) sind unter dem Schutte in grossen Mengen gefunden worden; das Gebäude muss daher eine Ziegeldeckung besessen haben. Radimsky. Rümische Ansiedlungen in Sipraga und Podbrgje, Grabsteine in Sipraga. 47 Quer über den Eingang der Apsis war eine schön gearbeitete Steinstufe / in den Boden eingelassen, und rings an der Wand der Apsis lief eine Art gemauerte Stein- bank g von 60 Cm. Höhe und 34 Cm. Breite herum. In der inneren südöstlichen Ecke des Vorraumes A wurden bei dem Punkte h viele Bruchstücke römischer Heizrohren und Holzkohlenstücke angetroffen; es muss somit eine Heizung bestanden haben, deren weiterer Verlauf jedoch nicht aufgefunden werden konnte. An sonstigen Funden sind 7 starke Eisennägel mit hakenförmig umgebogenem Kopfe von 11— 29 Cm. Länge, Eisenschlackenstücke, ein Thränenfläschchenfragment aus stark irisirendem Glase und zwei Mühlsteine aus einer Quarzbreccie anzuführen. Einer der letzteren ist ein Bodenstein von 25 Cm., der andere ein Läufer von 34 Cm. Durch- messer. Fig. 2 — 3. Kragsteine aus der „Crkvina“ bei Sipraga. Der interessanteste Fund, ein Kragstein aus weichem Kalkmergel, lag bei 7, un- mittelbar auf dem Boden der Apsis in mehrere Stücke zerbrochen und etwa L5 M. hoch mit Schutt überdeckt. Figur 2 und 3 zeigen die Form und die Ornamente dieses Steines. Die eine Stirnseite ist mit einem Kreuze, die andere mit einer von einem Kreise umschlossenen sechstheiligen Rosette geschmückt; es sind nur die Contouren in den Stein eingeschnitten. Mir sind die Formen des Kreuzes, wie sie in den ersten Jahr- hunderten des Christenthums gebräuchlich waren, nicht bekannt, und ich habe liier auch keine Gelegenheit, mich darüber zu informiren, um daraus eventuell auf das Alter des Steines schliessen zu können. Doch sah ich vor Jahren auf dem Friedhofe von Orlice bei Novalja nova (Insel Pago) in Dalmatien, wo eine römische Flottenstation be- stand, mehrere Grabsteinplatten ohne Inschrift, aber mit Ornamenten, welche in der gleichen Manier des blossen Einschneidens der Contour in den Stein hergestellt waren. 48 I. Archäologie und Geschichte. Diese Grabsteinplatten von Novalja nova werden für Denkmale römischer Soldaten christlicher Religion angesehen. Ohne diesfalls eine feste Behauptung aufstellen zu wollen, möchte ich daher auf Grund der gleichen Manier hei der Bearbeitung unseres Steines, die Vermutliung aussprechen, dass derselbe aus der späteren Kaiserzeit stamme. In der Nähe der Südostecke wurde an der östlichen Aussenwand in einer Tiefe von etwa 1 M. unter dem Horizonte des inneren Gussestrichs ein Skelet gefunden, welches, mit dem Kopfe im Norden, von Nord gegen Süd gestreckt lag, sich in sein- schlechtem Erhaltungszustände befand und keine Beigaben besass. Aus dem verwendeten Baumateriale, namentlich den typisch-römischen Dachziegeln und Heizrohren, dem Gussestrich, dann den Funden eines Thränenfläschchens und der Eisennägel mit Hakenköpfen darf man wohl schliessen, dass die Ruine von Sipraga ein römischer Bau war. Die Anordnung der Räume, sowie das Vorhandensein einer Apsis lassen vermuthen, dass das Gebäude sacralen Zwecken gedient habe, worauf auch die Grabstätte an der Aussenmauer hinweist. Nach dem Vorkommen des Kreuz- zeichens auf dem einzigen sculpirten Steine möchte ich den Bau für eine christliche Kirche halten. Der Vorraum A wäre dann als der Raum für die Katechumenen oder die mit kirchlichen Strafen Belegten, der Hauptraum B als die eigentliche Kirche zu deuten, und der Raum C würde vielleicht einer Sacristei entsprechen. Wenn diese Vermutliung zutreffend ist, haben wir in der Ruine von Sipraga die Reste der ersten christlichen Kirche. aus römischer Zeit gefunden, welche bisher in Bosnien nachgewiesen wurde, und welche inmitten einer römischen Ansiedlung ge- standen hat. Das heutige Sipraga war übrigens nicht die einzige römische Ansiedlung am Vrbanjaflusse; denn in Podbrgje, etwa 6 Km. flussabwärts von Kotor-Varos, sah ich am rechten Ufer bei dem Kilometersteine 28, westlich neben der Strasse auf einem Acker mehrere zusammengetragene Steinhaufen, welche reichlich mit Fragmenten römi- scher Falzdach-, Hohl- und Mauerziegel gemengt waren. Bei näherer Besichtigung fand ich den Acker auf etwa 1/2 Hektar im Umkreise oberflächlich mit solchen Ziegeln bestreut. Eine zweite Localität, wo solche Ziegelfragmente zahlreich herumliegen, findet sich etwa 800 M. südöstlich von der letzteren Stelle am rechten Vrbanjaufer längs des Svi- njarabaches vor seiner Einmündung in die Vrbanja. Auch hier, unterhalb von Kotor- Varos, sind also römische Gebäude gestanden. Ganz nahe im Osten der Dzarnia von Sipraga stehen am linken Ufer des Crkve- nicabaclies, resp. am rechten Vrbanjaufer, 14 altbosnische Grabsteine, wovon zwei die Form von Sarkophagen besitzen, die übrigen aber nur aus verschieden starken Platten bestehen. Sie sind aus dem in der Nähe häufig vorkommenden Kalksteintuffe her- gestellt, und es fiel mir auf, dass der eine Sarkophag nur mehr zur Hälfte erhalten war und wie frisch abgesclmitten aussah. Ueber Befragen wurde mir mitgetheilt, dass die Umwohner, sowohl Mohammedaner als orientalisch Orthodoxe, Pulver von dem Stein abzuschaben und mit Wasser gemischt für jede Krankheit von Menschen und Thieren als Medicin innerlich zu verwenden pflegen. Diese Sitte ist in Bosnien und der Hercegovina weit verbreitet. So stand in Cerin auf dem Brotnjopolje (Bezirk Mostar in der Hercegovina) bei der Quelle Cerin eine römische Basis mit Löwenfüssen aus weichem Kalksteine, welche, bevor sie zu einem Weihwasserbecken umgeformt und in die Kirche übertragen wurde, bei den Frauen der Herceeovina weit und breit hohes Ansehen o-enoss: denn von Radimsky. Römische Ansiedlnngen in Sipraga und Podbrgje, Grabsteine in Sipraga. 49 diesem Steine pflegten sie ein Pulver zu schaben, welches sie als wunderthätiges Heil- mittel gegen den Mangel an Muttermilch, mit Wasser gemischt, einnahmen. Als der Stein in ein Weihwasserhecken umgearbeitet wurde, hat man die Abfälle desselben über allgemeinen Wunsch des Volkes zu dem gleichen Zwecke im Pfarrhause auf bewahrt.1) Nach Jukic2) befindet sich in Kakanj an der Bosna (Bezirk Visoka in Bosnien) auf dem mohammedanischen Friedhofe ein grosser, zur Hälfte zerstörter türkischer Grabstein (Nisan), von welchem die Weiber Pulver abkratzen und mit Wasser gemischt trinken, um mehr Milch zu bekommen. Vid Vuletic-Vukasovic 3) erzählt ebenfalls von einem altbosnischen Grabsteine, welcher vier Stunden westlich von der Slatinska cuprija an der Kama, also jeden- falls im bosnischen Bezirke Prozor, steht, und dessen Pulver von den Umwohnern zur Heilung verschiedener Krankheiten verwendet wird. Gleiches berichten auch Tomo Dragicevic4) von einem altbosnischen, sarkophag- förmigen Grabsteine am Berge Ston bei Koraj im bosnischen Bezirke Bjelina, und Jovan Cokic5) von einem ähnlichen Sarkophage im Walde Bitoraj, Gemeinde Mrezica im bosnischen Bezirke Foca. Endlich theilte mir Herr Baurath Ballif mit, dass einer der römischen Meilen- steine auf dem Felde von Petrovac in Bosnien ringsum abgeschabt sei, weil die Um- wohner den davon gewonnenen Staub als Medicin gebrauchen. Derartig benützte Steine mögen im Lande noch an sehr vielen anderen Stellen Vorkommen; sie liefern uns abermals einen Beweis dafür, welche Wirkungen die Einbil- dungskraft und altes Herkommen auf den Menschen auszuüben vermögen. b Schematismus topographico-historicus custodiae provincialis et vicaviatus apostolici in Hercegovina Spalato 1867, S. 87. 2) Zemljopis i poviestnica Bosne. Agram 1851, S. 38, Anm. 3) Vjestnik hrvatskog arkeol. druztva. Agram 1891, S. 56. 4) Ibid. 1888, S. 51. 6) Ibid. 1888, S. 73. lianil 11. 4 Archäologische Tagebuchblätter.1) Von W. Radimsky, bosn.-herceg. Bergliauptmann. (Mit 14 Abbildungen im Texte.) Inhalt: 1. Eine prähistorische Ansiedlung bei Blazuj. — 2. Zwei prähistorische Wallbauten in der Her- cegovina. — ■ 3. Der Depotfund bei Sumetac im Bezirke Cazin. — 4. Die römische Ansiedlung und Be- festigung von Öitluk in Brotnjopolje. — 5. Die römische Ansiedlung und Befestigung von Kreliin gradac in Brotnjopolje. — 6. Römischer Grabstein aus Fatnica. — 7. Die römische Ansiedlung und das angebliche Castrum von Trn bei Banjaluka. — 8. Das römisch-mittelalterliche Grabfeld von Loznica im Bezirke Sre- brenica. — 9. Die Burgruine von Strzanj bei Sujica. — 10. Die Burgruinen auf dem Berge Kamesnica bei Livno. — 11. Die Gradina von Mosunj mali bei Travnik. — 12. Die Kirchenruine von Pistalina bei Cazin und die römische Ansiedlung von Ljusina bei Ot.oka. — 13. „Buäaningrad“ bei Livno. — 14. Das Materiale der mittelalterlichen Grabsteine in Bosnien und der Ilercegovina. 1. Eine prähistorische Ansiedlung' hei Blazuj. Im Sommer 1891 wurden mir einige Scherben aus der Hand geformter, daher prähistorischer Thongefässe überlbracht, welche aus einem Walde hei Blazuj stammen sollten, und ich benützte in Gesellschaft des Herrn Baurathes Kellner einen Sonntag zum Besuche der Fundstelle. Westlich von der Station Blazuj der Eisenbahn Sarajevo — Mostar erhebt sich auf etwa 60 M. relativer Höhe der Plateauberg Rogos, an dessen Fusse ein gegenwärtig verlassenes Wohnhaus steht. Der Abhang gegen die Bahn, sowie das Plateau selbst und das dahinter zu grösserer Höhe ansteigende Gebirge sind mit dichtem Gebüsche bewachsen, welches stellenweise dem Vordringen starke Hindernisse bereitet und die Uebersicht der Anlage erschwert. Die Gehänge des Plateaus fallen nördlich und östlich sehr steil gegen die Ebene ab. Im Süden ist es durch einen mehrere Meter tiefen Wasserriss abgeschnitten und hängt nur im Westen durch eine schmale Zunge mit dem dahinter liegenden, zuerst sanft, später aber steil gegen Westen ansteigenden Terrain zusammen. 0 Unter diesem Titel gedenke ich in zwangloser Folge verschiedene Beobachtungen, welche ich auf meinen Reisen zu machen Gelegenheit finde, sowie kleinere Mittlieilungen, welche mir von vertrauens- würdigen Localbeobachtern geliefert werden, der Oeffentlichkeit zu übergeben. Ich habe mich wiederholt überzeugt, dass unsere älteren topographischen Quellenwerke manche irrige Angaben enthalten, welche wieder in neuere Werke übergehen. Wo ich daher in die Lage komme, derartige Angaben richtigzustellen, werde ich, ohne damit irgend Jemandem nahe treten zu wollen, solche Berichtigungen ebenfalls in den Kreis dieser kurzen Aufsätze einbeziehen. W. R. Radimsky. Archäologische Tagebuchblätter. 51 Das Plateau besitzt in seinem östlichen Theile eine nordsüdliche Breite von circa 40 M., verschmälert sich aber gegen Westen bis zu circa 25 M. und hat eine ost-west- liche Länge von circa 90 M. Im Westen, wo der Ansiedlungsplatz keinen natürlichen Schutz besass, zieht sich quer über die erwähnte Zunge ein etwas gegen Aussen ge- krümmter, 3 M. hoher Wall mit vorliegendem Graben circa 25 M. lang hin. An verschiedenen Stellen des sanft gegen Osten abfallenden Plateaus kann man seichte Vertiefungen von einigen Metern Durchmesser beobachten. Es sind dies wahr- scheinlich die Stellen der ehemaligen, halb in die Erde gegrabenen Hütten der prä- historischen Bewohner. Das ganze östliche Gehänge des Hügels, welchen wir von der Bahn aus erkletter- ten, zeigte sich mit Thongefässscherben übersäet, welche jedoch auf dem mit einer Grasdecke bewachsenen Plateau oberflächlich nicht bemerkbar waren. Wir beschlossen daher, in einer der erwähnten Wohngruben, welche etwa 3 M. breit und 20 — 30 Cm. tief war, eine Probegrabung vorzunehmen. Diese ging jedoch mit nur einem Arbeiter sehr langsam von statten, weil die Erde von Baum- und Strauch- wurzeln massenhaft durchsetzt war. So haben wir in 6 — 7 Stunden nur eine Grube von etwa 2 Quadratmetern Fläche auf die Tiefe von etwa 40 — 50 Cm., d. i. bis auf den F elsgrund, niedergebracht. Die Humusschichte war 20 Cm. stark und enthielt ein Stück Eisenschlacke, von der es jedoch, da sie über der alten Culturschichte lag, zweifelhaft ist, ob sie in Be- ziehung zu dem alten Wohnplatze steht oder erst später, vielleicht zufällig, dahin ge- rathen ist. Unter dem Humus lagerte bis auf den festen Kalksteingrund eine Schichte schwärzlicher, mit Kalksteingrus gemischter Erde, welche sehr viele Thongefässsclier- ben, Wandbewurfstücke aus gebranntem Thone, roth gebrannte Kalksteinstücke, Holz- kohlen, sowie Knochen und Zähne von verschiedenen Thieren, aber auch solche vom Menschen enthielt. Unter den Thierzähnen konnten solche vom Schwein, Reh, Hirsch und von der Ziege unterschieden werden. Die Thonscherben stammen sämmtlich von rohgearbeiteten Freihandgefässen mit rauhen Oberflächen. Nur an wenigen Stücken war die Oberfläche schwach geglättet. Der Thon ist mit Kalksteinkörnchen mehr oder weniger stark gemischt. Die Gefässe zeigen vorwiegend dunkle Färbung, doch sind auch viele Scherben aussen roth und innen schwarz oder umgekehrt. Die Gefässe waren von verschiedener Grösse und theils Schalen, tlieils Töpfe, mit aufrecht stehendem oder sanft nach Innen, seltener nach Aussen gebogenem Rande. Die Gefässböden sind eben und mehr oder minder scharf von den Gefässwänden ab- gegrenzt. Die Henkel waren, wie es scheint, sämmtlich vertical gestellt und reichten bei manchen Schalen hoch über den Gefässrand hinauf. Sie sind alle im Durchschnitt oval oder bandförmig und unverziert. Nur der Henkel einer grösseren schwärzlichen Schale ist an seinem oberen Ende durch beiderseits angebrachte rechteckige Ansätze verbrei- tert und an seinem Scheitel der ganzen Breite nach durch einen concav buckelförmigen Aufsatz verstärkt. Ein anderer Henkel zeigt sich in der Mitte einfach durchbohrt. Das Bruchstück eines kleinen Schälchens besitzt dagegen in dem unteren Theile der Bauchwand eine herumlaufende Reihe von kleinen Löchern. Verzierungen kommen nicht häufig vor und sind stets ganz einfacher Art. Sie bestehen entweder aus einem herumlaufenden stärkeren Wulste mit rundlichen Ein- drücken, oder einem flacheren glatten Wulste. Ausserdem kommt an der Bauchwand eines Gefässes eine herumlaufende Reihe von Fingernageleindrücken und an dem auf- 4* 52 I. Archäologie und Geschichte. recht stellenden Mundsanme eines anderen Gefässes eine dichte Reihe von Spatelstichen als Verzierung vor. Demnach erscheint es zweifellos, dass auf dem Rogos hei Blazuj eine im Westen durch Wall und Graben befestigte prähistorische Ansiedlung bestand, deren Alter jedoch vorläufig nicht näher bestimmt werden kann.1) 2. Zwei prähistorische Wallbautcn der Hercegovina. (Mit Figur 1 — 4.) Gelegentlich meiner verschiedenen Reisen in der Hercegovina habe ich bis zum Jahre 1890 an verschiedenen Punkten des Landes Wallbauten angetroffen, wovon ich zwei im Nachstehenden beschreibe. Die Wallburg auf dem Vrsnik. In der Gemeinde Poplat gornji des Bezirkes Stolac liegt östlich von der Strasse Stolac — Ljubinje der allseitig freie und dominirende Berg Vrsnik, welcher sich, bei einer Seehöhe von 514 M., beiläufig 4(34 M. über die Ebene von Stolac erhebt. Schon im Anstiege der Strasse bemerkt man auf der Kuppe des Berges einen imposanten Tumulus; blickt man jedoch von der Höhe des Strassensattels bei der £egulja karaula zurück, so sieht man deutlich, dass drei concentrische Wälle um die Gomila herum- laufen und der Vrsnik somit einen grösseren Wallbau trägt. Wie der nebenstehende Grundriss (Figur 1) und Durchschnitt (Figur 2) zeigen, besitzt diese prähistorische Wallburg eine der Richtung der Bergkuppe folgende, von Nordwest gegen Südost gestreckte elliptische Form und lässt folgende Bestandtheile erkennen : 1. eine Gomila A- 2. einen kreisrunden inneren Ring B- 3. einen inneren Wall C; 4. einen mittleren Wall D’ 5. einen Nebenwall des mittleren Walles E und 6. einen äusseren Wall F. Die Gomila (A) ist ebenso wie die sämmtlicken Wälle aus zusammengetragenen grösseren Klaubsteinen erbaut, 7 M. hoch und besitzt an der runden Basis einen Durch- messer von 25 M., an der Krone einen solchen von 7 M. Am Rande ihres oberen Pla- teaus läuft eine Brustwehr von 1 M. Höhe und etwa 5 M. lichtem innerem Durchmesser herum. Offenbar hat dieser Tumulus bei der Befestigung die Stelle eines Thurmes ver- treten. Sein Cubikiuhalt berechnet sich auf 1540 Cubikmeter. 1) Wir sind geneigt, dem hochverdienten Autor für diese kleine Mittheilung ganz besonders erkennt- lich zu sein. Handelt es sich doch um den trotz der nahen Fundstätten von Zlatiste und Sobunar (Bd. I, S. 39 — -54) bisher noch fehlenden Nachweis der „Fondi di capanne“, welche wir für die aus Gräbern und Wohnschichten Bosniens stammenden Zeugnisse einer bestimmten Culturstufe ebenso sicher voraussetzen durften, wie sie in anderen Gegenden, namentlich in der oberitalischen Emilia durch Chierici und Zannoni eonstatirt worden sind. Wir sehen davon ab, dass solche Hüttengründe aus verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Völkern auch im Norden reichlich Vorkommen, und betonen nur den durch die beweglichen Funde gegebenen engen Zusammenhang, der zwischen den illyrischen und den italischen Depots dieser Art besteht, und welcher sich gleichsam auf den ersten Spatenstich wieder zu erkennen gab, als R a d i m s k y in dem oben erwähnten Hüttenboden sogleich auch eine „ansa lunata“ fand. D. R. Kadimsky. Archäologische Tagebuchblätter 53 1 : 2000. Fig. 1. Grundriss des Wallbaues auf dem Berge Vrsnik. Durchschnitt des Wallbaues auf dem Berge Vrsnik. 54 I. Archäologie und Geschichte. 3 (T$‘ Der innere Ring (B) liegt so wie clie Gomila in der Längsachse des Baues und steht von der Basis der Gomila 8 M. gegen Nordwesten ah. Er besteht aus einem kreisrunden Walle von 42 M. äusserem und 28 M. innerem lichtem Durchmesser. Die Basisbreite des Walles beträgt 7 M., die Kronenbreite 3 M. und die Höhe ebenfalls 3 M. Eine Eingangsöffnung ist in dem Walle dieses Ringes nicht bemerkbar, und derselbe dürfte entweder als letztes Re- fugium der Yertheidiger oder als ein abgeschlossener Raum für die zeitweilige Vornahme religiöser Verrichtungen durch die Priester gedient haben. Sein mittlerer Umfang ist 220 M., wonach dieser Wall einen Cubikinhalt von 3300 Cubikmetern besitzt. Big. 3. (Querschnitt der Wälle auf dem Vrsnik. Die Wälle sind im Laufe der Zeit durch Hirten und durch das weidende Vieh vielfach deformirt worden, so dass ihr ursprüngliches Profil gegenwärtig nicht mehr ge- nau bestimmt werden kann. Durchschnittlich beträgt jedoch ihre Breite an der Basis 7 M. und an der Krone 3 M., die äussere Höhe 3 M., die innere Höhe 1 M.; an die innere Wallböschung schliesst sich ein horizontal in das Berggehänge verlaufendes Bankett an, so dass der Quer- schnitt der Wälle durchschnittlich 12 Quadratmeter ein- nimmt (Figur 3). Ob und wo Eingänge in den einzelnen Wällen ausgespart waren, lässt sich mit Sicherheit nicht mehr constatiren. Der innere Wall (C) besitzt folgende Dimensionen: grosse Achse 158 M., kleine Achse 116 M., Umfang 431 M., Cubikinhalt 5200 Cubikmeter. Bei dem mittleren Walle (D) ist die grosse Achse 312 M., die kleine Achse 212 M. und der Umfang 822 M. lang, so dass der Cubikinhalt 9800 Cubikmeter beträgt. Der Zwischenwall (E) an der Südosthälfte des mittleren Walles ist 250 M. lang, was einem Cubikinhalte von 3000 Cubikmetern entspricht. Der Wall sollte offenbar an dieser etwas weniger steilen Bergseite die Festigkeit des Platzes erhöhen. Radimsky. Archäologische Tagebuchblätter. 55 Der äussere Wall (F) besitzt eine grosse Achse von 371 M., eine kleine Achse von 269 M. und einen Umfang von 1007 M., wonach sich ein Cubikinhalt von 12.100 Cubikmetern ergibt. Die horizontale Distanz der einzelnen Wälle von einander variirt zwischen 31 und 53 M. und die verticalc Höhe des einen über dem anderen zwischen 7 und 17 M. Die Gesammtlänge der Wälle sammt dem inneren Ringe stellt sich auf 2510 M. und der Cubikinhalt aller Wälle, des Ringes und der Gornila auf 34.940 Cubikmeter. Die von dem äusseren Walle umschlossene Fläche des ganzen Baues beträgt 7-8 Hektar. Wie aus den vorstehenden Daten ersichtlich ist, besitzt die Wallburg am Vrsnik ganz gewaltige Dimensionen, und es war zu ihrer Errichtung seinerzeit ein um so höherer Arbeitsaufwand erforderlich, als das massenhaft nöthige Klaubsteinmateriale aus einer weiteren Umgebung zusammengetragen und auf die Höhe des steilen Berges geschafft werden musste. Kleine Probegrabungcn innerhalb der Wallburg lieferten ausser einer schwärz- lichen, wahrscheinlich aschenhältigen Erde gar keine Funde, und es ist daher anzu- nehmen, dass der Bau nicht ständig bewohnt worden ist, sondern nur zeitweilig zu Vertheidigungs- oder auch zu sacralen Zwecken verwendet wurde. Der Ringwall Grckigrad. Einen Gegensatz zu der vorbeschriebenen ausgedehnten Wallburg bildet der kleine Grckigrad in der Gemeinde Slivlje des Bezirkes Nevesinje. In der Specialkarte er- scheint derselbe fälschlich als Krckagrad eingetragen; er liegt südöstlich von der Ortschaft Slivlje auf einer isolirten Kalksteinkuppe von 1193 M. Seehöhe, welche sich aus dem verkarsteten Höhenzuge des rechten Fojnicaufers auf circa 20 M. erhebt. Der Bau bildet ebenfalls eine von Nordwest gegen Südost gestreckte unregelmässige Ellipse und besteht nach einer Aufnahmsskizze des Forstassistenten Emanuel Kocourek in Nevesinje (Figur 4) aus einem einfachen Steinwalle «, welcher den ganzen Plateau- raum der Bergkuppe in einer lichten Länge von 74 M. und einer lichten Breite von 37 M. einschliesst. Der Wall, aus Klaubsteinen trocken erbaut, ist bereits stark eingefallen, erhebt sich infolge dessen nur mehr wenig über das Niveau des Innenraumes und besitzt gegen- wärtig eine Kronenbreite von 5 M., welche aber ursprünglich bedeutend geringer ge- wesen sein mag. Was dem Grckigrad ein besonderes Interesse verleiht, ist die Sicherung seines 5 M. breiten, an der südwestlichen Längsseite befindlichen Einganges b durch einen Vorwall c. Knapp am Fusse des Ringwalles ist nämlich diesem Eingänge ein 2 M. hoher, an seiner Basis 7 M. breiter, an der Aussenseite 10 M., an der Innenseite aber nur 6 M. langer, gerader Steinwall vorgebaut. Der Innenraum des Baues besteht aus einer mit Gras bewachsenen, gegen Nord- osten sanft abfallenden Ebene, aus welcher hie und da einzelne Kalksteinköpfe hervor- ragen. Im nordwestlichen Theile findet sich ein rundliches, etwa 1 M. tiefes Loch (d) von 4 M. Durchmesser, welches seinen Ursprung einer einstigen Schatzgräberei ver- danken mag. Bei einigen kleinen Versuchsgrabungen zeigte sich die Grundschichte in der Mitte der Burg ganz seicht, in der Nähe des Walles aber 40 — 80 Cm. tief. Die Erde ist dunkel, aschig, leicht und lässt sich bei geringem Reiben pulverisiren. In einer Tiefe von 20 — 30 Cm. kommen darin häufig Scherben brauner und röthlicher, aus freier Hand 56 I. Archäologie und Geschichte. geformter und an der Oberfläche meist porös verwitterter Thongefässe vor. In dem gesammelten Materiale lassen sich Scherben grösserer Gefässe mit aufwärts stehendem oder leicht nach auswärts gebogenem Rande und solche eines kleinen Schälchens mit ein- gebogenem Rande unterscheiden. Verzierungen erscheinen an den Scherben nur selten und bestehen aus plumpen Buckeln oder Reihen rundlicher Eindrücke. Dieses häutige Vorkommen von Thongefässscherben in aschiger Erde deutet darauf hin, dass der Grckigrad zeitweilig oder auch ständig bewohnt gewesen ist; doch könnte hierüber nur durch gründlichere Untersuchungen Aufschluss gewonnen werden. 3. Der Depotfund von Sumetac im Bezirke Cazin. Im Jänner 1890 ist dem Landesmuseum in Sarajevo eine grössere Anzahl prä- historischer Bronzen, meist Sicheln und Kelte, zugekommen, welche am Rande eines Ackers in Sumetac dolnji, Gemeinde Peci, beim Ackern angetroffen und von Custos Dr. Ciro Truhelka beschrieben wurden.1) Irriger Weise hat Herr Dr. Truhelka ursprünglich (im „Glasnik“ 1890, S. 64 ff.) berichtet, dieser Fund sei in Podzvizd gemacht worden, was wahrscheinlich dadurch veranlasst wurde, dass gleichzeitig zwei unter dem Burgberge von Podzvizd gefundene Bronzegussstücke an das Museum gelangten. Podzvizd ist etwa 14 Km. gegen Norden von Sumetac entfernt. Den letzteren Fundort habe ich gelegentlich einer montan-geologischen Untersuchung in jener Gegend 9 Band I, S. 35—38. Radimsky. Archäologische Tagebuchblätter. 57 besucht; er liegt auf dem Wege von Sumetac gegen Sabici an einer sanften Berg- lehne, etwa 1'5 M. vom Rande des Ackers entfernt. Die Bronzen fanden sich 20 — 30 Cm. unter der Oberfläche frei in der Erde ohne die Spur eines Gefässes, wie mir der Grund- besitzer Hasan Sabic versicherte. Eine kleine Grabung, die ich in Gemeinschaft mit dem Bezirksvorsteher Herrn von Szirmay unternahm, hatte keinen Erfolg. In Cazin erwarb ich jedoch aus diesem Funde noch ein Stück sehr reichen, kry- stallisirten Rothkupfererzes, welches offenbar als Materiale für eine weitere Bronze- erzeugung hätte dienen sollen. Endlich sei erwähnt, dass im Herbste 1891 das Bezirksamt in Cazin noch einen ganzen Bronzekelt und das Fragment einer Bronzesichel aus dem gleichen Funde zu Stande brachte und der archäologischen Sammlung unseres Landesmuseums übergab. I. Die römische Ansiedlimg uncl Befestigung- von Citluk im Brotnjopolje. (Mit Figur 5.) Das fruchtbare Brotnjopolje im Bezirke Mostar ist schon durch frühere Publi- cationen als Fundort römischer Alterthümer bekannt, doch haben die älteren Forscher ihre Beobachtungen zumeist nur auf die vorkommenden römischen Inschrift- und Relief- steine, sowie auf Münzen u. dgl., gerichtet. Wollen wir jedoch die Besiedlungsverhältnisse unseres Landes zur Zeit der römi- schen Herrschaft gründlich kennen lernen, so ist es nothwendig, vor Allem die Stand- orte römischer Gebäude aufzusuchen, weil Gräber, Münzen und sonstige Funde auch in grösserer Entfernung von den wirklichen Ortschaften Vorkommen können. Als mich meine montan-geologischen Studien im Jahre 1891 nach Citluk im Brotnjopolje führten, begab ich mich zunächst zu dem Hause des Volar, welcher 1889 bei der Anlage eines Getreidedreschplatzes (Guvno) einen römischen Grabstein gefunden hatte. Ich erwarb den letzteren und übergab ihn unserem Landesmuseum. Der Stein (Figur 5) ist eine starke Platte von L3 M. Länge, 00 Cm. Breite und 40 Cm. Dicke, ohne Umrahmung oder andere Gliederung. Oberhalb der Inschrift ist ein klei- neres, unterhalb derselben ein grösseres rundes Loch ausgestemmt. Die Inschrift ist in einzelnen Theilen stark verwischt und lautet nach der an einem Abklatsch vorgenommenen Lesung des Herrn Prof. A. v. Domaszewski: AEL(iae) • P(ublii) • F(iliae) ■ PROCIL LJE ■ SANCTISSIMJE • FEMINAE • C(aius) • SAFINIVS • S EVvRVS • MARITVS • EX ■ VOLW TA(t)E • 1PSIVS • PROCILLAE • In dem Mauerwerke des Hauses und der daneben stehenden Kula Lakisic sind verschiedene behauene Kalksteine grösserer Dimensionen eingefügt, an welchen theil- weise noch der typische Kalkmörtel mit eingemischten Stückchen gestossener Ziegel haftet. Auch ist die ganze Umgebung voll von römischen Mauer-, Falzdach- und Hohl- ziegeln, sowie von Mörtel- und Gussestrichstücken. Es müssen daher bei der Kula Lakisic ein oder mehrere römische Gebäude gestanden haben, aus deren Materiale die grosse Kula und die dabei befindlichen Bauernhäuser, wenigstens zum Theile, erbaut worden sind. 58 I. Archäologie und Geschichte. I / Von der Kula Laläsic zieht sich gegen Nordwesten auf eine Länge von circa l-25 Km. ein Kalkgebirgsrücken hin, an dessen nordwestlichem Ende eine grosse Cfomila sichtbar ist, welche Karlovac oder Karlovica gradina genannt wird. In der Ebene unter dem Karlovac liegt ein Ried „Crkvina“, auf welchem nach der Localtradition die Ruinen einer christlichen Kirche Vorkommen. Bei der Crkvina, welche ich nun besuchte, fand ich die Felder auf einer Fläche von circa 4 Hektaren mit römischen Dach- und Mauerziegelstücken von rother und gelber Färbung ganz bedeckt. Es linden sich da grosse Haufen von Bausteinen und Ziegeln, darunter schöne Quadern mit Löchern für die Eisenklammern, Steinplatten, Säulenfragmente, Säulenuntersätze, Mörtcl- stücke mit Ziegelbeimischung u. dgl., sowie Scherben und Henkelstücke von Amphoren und anderen, meist grossen römischen Thon- gefässen. Es unterliegt daher keinem Zweifel, dass auf der Crkvina eine grössere römische Ansiedlung gestanden hat. Infolge dieser Wahrnehmung bestieg ich auch die Karlovica gradina und fand hier auf dem Bergplateau eine sehr grosse, aus Klaubsteinen errichtete Gomila, an deren südlichem Fusse eine rechteckige Cisterne von 4 M. lichter Seitenlänge vorhanden ist. Sie ist aus Bruchsteinen gemauert und der Mörtel mit Ziegelstückchen gemischt. Auf der Nordseite ist der Tumulus nahe seiner Kuppe durch einen Schatzgräber angeschnitten worden, und hier sieht man, dass der Untergrund loser Steine, aus welchen die Gomila besteht, mit einer über 20 Cm. starken Lage röthlichen Cementes übergossen, beziehungsweise festgemacht wurde. Von dem Fusse des Tumulus zieht sich ein schmaler Gebirgsgrat als letzter Ausläufer des Höhen- zuges gegen Nordwesten hin, und dieser, sowie der Tumulus sind ganz bedeckt mit den Fundamenten eines Mauerwerkes, dessen Mörtel mit gestossenen Ziegelstückchen ge- C-SAF INT VSSEY. RVS -MARIWSEXVGLXU Fig. 5. Römischer Grabstein aus Citluk im Brotnjopolje (1/i0). mischt ist. Ausserdem ist der Tumulus, seine nächste Umgebung und auch die Gehänge des Berges bestreut mit Fragmenten römischer Dachfalz- und Hohlziegel, Mörtelstücke u. dgl. Dazwischen erscheinen zahlreiche Scherben rother, auf der Scheibe erzeugter Thongefässe, Fragmente von Amphoren, aber auch Scherben von Freihandgefässen. Der Karlovac war demnach eine kleine römische, mit Ziegeln gedeckte Befestigung, welche zum Schutze der darunter gelegenen grösseren Ansiedlung diente und auf einer früher schon bestandenen prähistorischen Gomila, vielleicht einer Opferstätte, errichtet worden ist. Radimsky. Archäologische Tagebuchblätter. 59 5. Die römische Aiisieilluiig und Befestigung von Kreliin gradac in Brotnjopolje. (Mit Figur 6.) Die römischen Alterthümer von Krehin gratlac, dem bekannten Fundorte prä- historischer Bronzen, sind schon von Bakula1) und namentlich von Dr. M. Hoernes2) beschrieben worden. Wenn ich dennoch daran gehe, die antiken Baureste dieses Ortes zu besprechen, so geschieht es nur, um jene älteren Beobachtungen theils zu ergänzen, theils richtigzustellen. Das Dorf Krehin gradac bildet eine lange Gasse am Rande des fruchtbaren Gradackopolje und am Fusse eines Kalksteinhügelzuges, welcher, von Südost gegen Nordwest ziehend, das Thal im Norden begrenzt. Am nordwestlichen Ende dieses Hügelzuges liegen die weitläufigen Baulichkeiten des Krehin dvor. Die Ebene um Krehin dvor ist erfüllt von Grundmauern und verstreuten römi- schen Baumaterialien, wie Mauer-, Dachfalz- und Hohlziegeln, welche letztere man auf den Aeekern nördlich von Krehin dvor auf etwa 150 M., d. i. bis an das Ende des jetzigen Gartens, gegen Westen bis in die Nähe der noch zu besprechenden Ruinen- stätte Grudine auf circa 200 M., südlich auf etwa 150 M. in das Polje hinein und öst- lich in einem schmalen Streifen längs der Häuser des Dorfes Krehin gradac bis unter die „Gradina“, somit auf eine Länge von etwa 600 M. verfolgen kann. Die Reste der römischen Ansiedlung von Gradac bilden somit, unter der Gradina beginnend, bis nördlich über Krehin dvor einen Bogen von etwa 1 Km. Länge um den erwähnten Hügelzug. Dieselbe muss jedenfalls grösser gewesen sein als die im vor- hergehenden Abschnitt besprochene Station auf der Crkvina in dem nahen Citluk. An der Stelle des heutigen Krehin dvor dürfte ein hervorragendes Gebäude und ein an- deres an dem Westende der Ansiedlung im Riede Grudine gestanden haben. Die Häuser des Krehin dvor bestehen zumeist aus dem Materiale römischer Gebäude, und besonders viel schöne Marmorstücke und sonstige Quadern sind in der Kula verbaut. Den Grabstein der Victorina Anna, welcher in der südwestlichen Ecke des Wohnhauses ziemlich hoch, aber verkehrt eingemauert ist, hat schon Hoernes publicirt und auch den Deckel eines kleinen Sarkophages mit Eckgiebeln, welcher 77 Cm. lang und 52 Cm. breit ist, erwähnt. Der Letztere ist verkehrt als Wasch trog auf der Cisterne eingema-uert. Eine steinerne- Aschenkiste, ebenfalls von Hoernes angeführt, steckt an der Nord- seite der Kula hoch oben in der Mauer. In der Nordwestecke der Umfassungsmauer des Krehin dvor befindet sich ein grösserer Kalksteinblock von 68 Cm. Länge, 42 Cm. Breite und 30 Cm. Dicke, mit der von früheren Besuchern nicht beachteten Inschrift: I • O • M • MAXI MINVS Sims und Sockel der Ara fehlen, die Inschrift ist aber vollständig erhalten und unterhalb derselben noch ein Stück leerer Steinfläche vorhanden. x) Schematismus topogr.-hist. custodiae provincialis et vicariatus apostolici in Hercegovina. Spalato 1867, S. 92 f. und Mostar 1873, S. 103. 2) Sitzungsberichte der k. k. Akad. der Wissenscli. in Wien 1880, S. 519 f. und Archäolog.-epigraph. Mittheil, aus Oesterreich. Wien 1880, S. 33 f. 60 I. Archäologie und Geschichte. Die Gradina von Krehin gradac liegt südöstlich von Krehin dvor auf einer steilen, langgestreckten Felskuppe, welche sich oberhalb des Dorfes über das Plateau des erwähnten Hügelzuges erhebt. Auf dem unebenen Plateau der Kuppe finden sieh häufig Fundamente in Mörtel gelegter Mauern, dann an der Ostscite eine rechteckige gemauerte Cisterne. Am Südgehänge der Kuppe kommt eine zweite, ebenfalls recht- eckige und gemauerte Cisterne vor. Ausserdem ist sowohl das Plateau der Kuppe und deren Gehänge, als auch der steile, südliche Abhang gegen das Dorf überstreut mit römischen Ziegelfragmenten und Mörtelstücken mit eingemischten Ziegelsplittern, dann mit Scherben römischer Thongefässe. Auch einige aber nur wenige Scherben aus freier Hand geformter Gefässe habe ich daselbst aufgelesen. Man kann die spärlichen Baureste auf der Gradina von Krehin gradac wohl nicht, wie Bakula in seiner hyperbolischen Schreibweise timt, als „copiosa arcis rudera“ be- zeichnen, aber sie genügen doch zur Constatirung römischer Bauwerke, welche einer kleineren, zum Schutze der darunter liegenden Station erbauten Befesti- gung angehörten. Es wurde bereits erwähnt, dass auf der Ebene am W estende der römischen Ansicdlung, in dem Riede Grudine oder Crkvina ein her- vorragender Bau gestanden haben muss. Nach der Localtradition, welche Bakula anführt, sollen die hier vor- kommenden Baureste von einer christlichen Kirche stammen. Grudine ist eine ausgedehnte Ruinenstätte mit vielem in Mörtel gelegten Grundmauerwerke und dicht mit Gestrüpp bewachsen. Es liegen dort zahlreiche Gesims- und Eck- stücke mit schöner Profilirung in antikem Stile, Quadern mit Zapfenlöchern, darunter solche von P5 Cm. Länge, 85 Cm. Breite und 60 Cm. Dicke. Auf einem derselben befindet sich ein aus Acanthusblättern gebildetes Hochrelief-Ornament. Viele Steine sollen von hier zum Baue des Krehin dvor weggeschleppt worden sein. Diese grossen Architekturstücke werden vom Volke für altbosnische Grabdenkmale gehalten, und auch Bakula zählt hier über 100 solcher Grabsteine, während in Wirklichkeit nur etwa 10 Stück mittelalterliche Sarkophage und Platten in grösster Nähe der Ruine Vorkommen. Zwischen den Quadern des einstigen Prachtbaues finden sich zahlreiche Fragmente römischer Ziegel. Zum Beweise, dass der Bau eine christliche Kirche gewesen sei, wurde mir von einem Bauer aus Gradac ein Inschriftstein vorgewiesen, welchen er mitten in den Ruinen von Grudine ausgegraben haben will und dessen Form und Inschrift Figur 6 ganz genau wiedergibt. Demnach wäre die Kirche St. Johann dem Täufer geweiht gewesen. Es erscheint aber sehr sonderbar, dass man im Mittelalter eine slavische Inschrift an diesem Orte mit lateinischen Buchstaben geschrieben haben soll, und ich überlasse es der Be- urtheilung besserer Kenner, zu entscheiden, ob dieselbe ein Falsificat ist, wofür ich sie halte, oder nicht. Fig. 6. Inschriftstein von der Ruinenstätte Grudine im Brotnjopolje O/s)- Racl.imsky. Archäologische Tagebuchblätter. 61 Das Gebäude war sicher ein römischer Monumentalbau und kann religiösen Zwecken gedient haben, möglicherweise auch eine römische Christenkirche gewesen sein. Schliess- lich wäre allerdings noch denkbar, dass in Grudine auf den Trümmern eines römischen Bauwerkes in späterer Zeit eine christliche Kirche errichtet worden sei. Doch können diese Zweifel nur durch Grabungen an der jedenfalls interessanten Localität gelöst werden. 6. Römischer Grabstein aus Fatnica. (Mit. Figur 7.) Zufällig erfuhr ich 1890 Strasse von Stolac nach Bilek, ein römischer Inschriftstein \ schaffte denselben auf meine Bitte nach Mostar, von wo er 1891 nach Sarajevo über- führt und im Landesmuseum aufgestellt wurde. Dieser Grabstein bildet eine Platte von 86 Cm. Höhe, 54 Cm. Breite und 22 Cm. Dicke, welche ungefähr in der Mitte gebrochen ist. Die Inschrift (Figur 7) steht in einem einfach profilirten Rahmen unter einem Giebel- felde mit Blattornament. An der linken Schmalseite ist ein Kreuz mit zwei Armen ein- gemeisselt, von welchen der untere länger, der obere schief gestellt ist. Dieses Kreuz scheint schon ur- sprünglich auf dem Steine angebracht gewesen zu sein. in Mostar, dass sich bei Fatnica, einem Dorfe an der die Ruine eines kleinen Gebäudes befinde, in welchem orhanden sei. Der Ingenieur Herr Hugo Jedlicka TATFARlS-VENm- FILIVS’ETTEMVS-M’ NAEI-FIUA'BATONI FILIOAM FILIAEANNORWTO Fins-PIINTISSIMW VM-FECERVNTS1BI ET-SVISm> Fig. 7. Römischer Grabstein von Fatnica (’/io)- Die sehr gut erhaltene Inschrift lautet: D(iis) M(anibus) TATTARIS • YENETI • FILIVS • ET • TEMVS • M NAEI • FILIA • BATONI • FILIO • ANNORVM • XX . . ET • ANNAIAE • FILIA E • ANNQRAM • XXv • FILIS • PIENTISSIMIS • VIVI • FECERVNT • SIBI • ET • SVIS • Bemerkenswerth sind die illyrischen Xanten, von welchen, wie mir Herr Professor A. v. D omaszewski schreibt, Tattaris und Temus bisher noch nicht bekannt waren. 62 I. Archäologie und Geschichte. 7. Die römische Aiisicdlung und das angebliche Castrum von Trn bei Banjaluka. Dr. Otto Blau (Reisen in Bosnien und der Hercegovina. Berlin 1877) schreibt S. 130 f.: „Ich besuchte auf dem rechten Vrbasufer eine Loealität namens Trn, die mir als die Trümmerstätte einer alten Stadt bezeichnet war; hier, in l1/ 2 Stunden Ent- fernung von der heutigen Ortslage, soll ehemals Banjaluka mit 1200 Häusern gelegen haben, die aber infolge der Pest verödeten. Heute steht nur eine vereinzelte Moschee da mit zwei türkischen Heiligengräbern. Interessant ist ein Punkt, '/4 Stunde abwärts der Moschee am Yrbas, wo ein anscheinend einmal mit Wall und Graben umgebenes, erhöhtes Oval von 72 Schritt Länge und 36 Schritt Breite in nordsüdlicher Richtung mit zwei seitwärts sich daranlehnenden Terrassen den Eindruck eines alten Castrums macht; an den Rand des gedachten Grabens hat jetzt ein Müller seine Mühle gebaut.“ Auf Grund dieser Angaben hat Prof. Dr. W. Tomaschek (Die vorslavische Topo- graphie der Bosna, Hercegovina, Crnagora und der angrenzenden Gebiete. Mittheil, der k. k. geogr. Gesellseh. 1880, S. 497) in Trn die Station Ad Ladios des Itinerarium Anton ini gesucht. Vor Allem ist zu bemerken, dass die Gemeinde Trn, 7 — 8 Km. flussabwärts von Banjaluka, beide Ufer des Vrbas einnimmt, aber sowohl die Reste einer römischen An- siedlung, als auch die beiden türkischen Turbes und das sogenannte „Castrum“ Blau’s am linken Ufer des Flusses gelegen sind, während er dieselben auf das rechte verlegt. Ich habe viel Zeit damit verloren, am rechten Ufer die Dzamia und von dieser aus das Castrum zu Anden, in welchem ich nach der Beschreibung eine prähistorische Opfer- stätte vermuthete. Erst nach längerem Fragen erfuhr ich, es gebe auf dem rechten Ufer überhaupt keine Turbes, und eine hölzerne Dzamia, welche aber während der Wirren der Occupationscampagne verbrannte, habe neben den beiden Turbes auf dem linken Ufer gestanden. Ich begab mich nun auf das linke Ufer zurück und fand neben den beiden sehr alten türkischen Turbes (Mausoleen), wovon das eine mit Tuffquadern, das andere mit Ziegeln eingewölbt ist, die Grundmauern der verbrannten Dzamia. Rings um diese Grabdenkmäler Anden sich in den Aeckern der weiten Ebene verstreute Gebäudereste, sowie häuAge Fragmente typisch-römischer Dachziegel, und es unterliegt somit keinem Zweifel, dass hier eine grössere römische Ansiedlung bestan- den hat. Dagegen ist das angebliche Castrum Blau’s, welches ich nunmehr leicht fand, eine ganz natürliche Bildung. Der Vrbasfluss hat vor Zeiten sein Ufer oberhalb der von Blau erwähnten noch bestehenden Mühle durchbrochen und durch einen gegenwärtig schon wieder ver- schlammten Seitenarm ein Stück des Ufers von dem übrigen Terrain abgetrennt. Da- durch wurde ein unregelmässig ovales, gegen Südost spitz zulaufendes Plateau gebildet, dessen grösste Breite bei 25 M. und dessen grösste Länge bei 55 M. misst. Es hat genau die Höhe der umliegenden Uferebene und ist somit durchaus nicht erhöht, wie Blau angibt. Nirgends bemerkt man, dass Menschenhände bei der Entstehung dieses kleinen Plateaus tliätig gewesen wären, ebenso wenig Anden sich Reste von Mauerwerken oder auch nur Mörtelstücke, Ziegelfragmente, Thonscherben u. dgl. Von dem einstigen Bestände eines römischen Castrums an dieser Stelle kann somit keine Rede sein. Radimsky. Archäologische Tagebuchblätter. 63 8. Das römisch-inittelalterliclie Grabfeld yoii Loznica im Bezirke Srebrenica. (Mit Figur 8 — 12.) Wenn man sicli vom Han Bjelovac in der Gemeinde Loznica an der Drina flussabwärts wendet, so gelangt man in einer Entfernung von etwa L75 Km. zu einem imposanten, von hohem Farnkraute überwucherten Friedhofe, dessen zum Theil ge- waltige Denkmäler schon von Weitem in die Augen fallen. Er besteht aus 36 theils quadra- tischen, tlieils plattenförmigen römischen Grabsteinen, von welchen sieben mit Sculpturen geschmückt sind. Einen die- ser Sculptursteine, welcher auf jeder Seite eine Hirtengestalt zeigt, hat Gustos Dr. Truhelka1) bereits publicirt, je- doch irriger Weise nach Sikiric verlegt. Ein zweiter plattenförmiger Stein, dessen Photographie ich besitze, zeigt über- einander zwei Reihen von Bogennischen und in diesen fünf Brustbilder. Ausser den Grabsteinen finden sich auf dem Platze auch viele Architektursteine, mitunter von schöner Arbeit; es muss also hier auch ein römischer Prunkbau gestanden haben. Leider sind viele dieser Steine, namentlich Gesimsstücke, wie Figur 8, vor Fig. 8. Römisches Architekturfragment von Loznica (*/ 20). Fig. 9 — 12. Vier Seiten eines mittelalterlichen Grabsteines von Loznica (*/2 0). zwei Jahren in die Widerlagsmauern einer nahen Holzbrücke an dem vorbeiführenden Gemeindewege verbaut worden. Unmittelbar an die römischen Grabsteine schliessen sich, besonders im Süden, mittelalterliche Grabsteine an, von welchen ich 13 Sarkophage, 5 Tumben, 39 Platten J) Band I, S. 31), Figur 4, 5. 64 I. Archäologie und Geschichte. und eine Stele, somit zusammen 58 Stücke gezählt habe. Die Stele, welche mir zumeist auffiel, war von ihrem ursprünglichen Standorte gehoben und lag Unmittelbar am Ufer des im Süden vorbeifliessenden kleinen Baches, etwas oberhalb der erwähnten Weg- brücke. ( Urne Zweifel war sie bestimmt, in die Widerlagsmauern der letzteren ein- gefügt zu werden, wurde aber wahrscheinlich dazu nicht ganz passend befunden. Die Figuren 9 — 12 zeigen die vier Seiten dieses interessanten Grabsteines, dessen rohe Zeichnungen in der Weise ausgeführt sind, dass die perlförmigen Gontouren aus kleinen, dicht neben einander eingegrabenen Vertiefungen bestehen. Obwohl ich schon Tausende mittelalterlicher Grabsteine im Occupationsgebiete gesehen habe, ist mir diese Manier der Zeichnung doch noch nirgends begegnet. Sonst fand ich an den mittelalterlichen Grabsteinen von Loznica keine Ornamente und auf dem ganzen Grabfelde weder eine lateinische, noch eine slavische Inschrift. Ganz nahe bei der besprochenen Nekropole bildet die Drina an ihrem linken Ufer eine grosse Sandbank, auf welcher, zum Theile im Schotter vergraben, wohl über 40 grosse, rechteckig bearbeitete, aber glatte Kalksteine liegen. Hier wurde auch der antike Sculpturstein gefunden, welchen ich im ersten Bande dieser Mittheilungen, S. 329, Figur 25, 26 publicirt habe. Es scheint, dass wir es hier mit den letzten Besten eines römischen Gebäudes zu thun haben, welches von der Drina unterwaschen wurde und in den Fluss hinabgestürzt ist. 9. Die Burgruine von Strzanj bei Snjiea. Knapp an der Grenze der Bezirke Livno und Bugojno liegt in einem schmalen Graben, tief östlich unter der Strasse Livno — Kupres, das kleine Dorf Strzanj. Nörd- lich davon erhebt sich ein steiler, zerrissener Kalksteinfelsen, welcher die Buine Strzan j oder Strzanj skigrad trägt. Unter der Burgruine quillt aus einer wilden Felsenkluft der Sujicabach hervor, um nach einem südlichen Laufe von circa 35 Km. bei dem Dorfe Kovaci auf dem Felde von Zupanjac wieder in einem „ponor“ (Karstschlund) zu verschwinden. Der fleissige, aber nicht immer ganz verlässliche eingeborene Autor Pater Bakula1) sagt über Strzanj : „ A domo capellani (in Suica) ad austrum sunt rudera insignissimae arcis ,Strzaj‘, dictae etiam ,Ungarac-gradh Ex eo, quod Divus Hieronymus Stri- donii in confinibus Pannoniae et Dalmatiae se natum fuisse scribat, plures opinantur, Strzaj mox dictum, reapse locum natalem fuisse praeclari Ecclesiae Doctoris Hieronymi.“ Ferner: „Strzaj in Suica, antiqua civitas, de principalioribus in Illyrio, quam ante Tur- carum adventum traditio adserit, suum habuisse principem et quadraginta millia habi- tantium. “ Doch kann Bakula einen Zweifel darüber nicht unterdrücken, dass Strzanj einst eine so bedeutende Stadt gewesen sein soll; ebenso findet er den zweiten Namen der Bixrg „Ungaracgrad“ für jene Gegend auffallend. Um der Sache womöglich auf den Grund zu kommen, habe ich gelegentlich einer Iieise von Livno nach Kupres das Dorf und die Burgruine von Strzanj, welche in der Specialkarte (1 : 75.000) Zone 30, Col. XVI als Strmicagrad eingetragen ist, besich- tigt, wobei mich der Glavar und ein älterer Bewohner von Strzanj begleiteten. Die Namen Ungaracgrad und Strmicagrad waren meinen in Strzanj gebürtigen Schematismus topogr.-liist. custodiae provincialis et vicariatus apostolici in Hercegovina. Spalato 1867, S. 147 f. Radimsky. Archäologische Tagebuchblä'tter. 65 Begleitern vollständig unbekannt, und beide behaupteten entschieden, dass die Burgruine keinen anderen Namen führe als Strzanj skigrad. Ebenso war ihnen die Sage von dem einstigen Bestände einer grösseren Ortschaft (mit 40.000 Einwohnern) bei Strzanj gänzlich fremd, und ich bin jetzt, nachdem ich die Gegend gesehen, ebenfalls der vollen Ueberzeugung, dass jener Sage jede thatsächliche Grundlage fehlt. Denn abgesehen davon, dass das stark coupirte Terrain von Strzanj der Anlage einer halbwegs grösseren Ortschaft überhaupt ungünstig ist, kommen nur südlich unter- halb der Burg unbedeutende Reste einiger kleiner Gebäude vor, welche jedoch jungen Alters zu sein scheinen. Sonst findet man in dem ganzen Gebiete von Strzanj keine Spur von Mauerresten, Bau- materiale, Mörtelstücken u. dgl., und doch ist es ganz undenkbar, dass die Reste einer grösseren Ansiedlung, namentlich in einer so stark verkarsteten, wenig angebauten und zu- meist aus steinigen Weidegründen bestehenden Gegend vollständig verschwunden sein sollten. Die Burgruine selbst besteht aus zwei Tlieilen von verschiedenem Alter. Den älteren Theil bildet ein quadratischer Wartthurm, welcher auf einem gegen Süden vor- springenden, nur im Norden durch einen schmalen Felsgrat mit dem dahinter liegenden Burgfelsen zusammenhängenden, sonst aber ringsum sehr schroffen Felsen erbaut ist. Die Seitenbreite des Thurmes, welcher aus Stein mit Mörtelverbindung aufgeführt ist, beträgt circa 10 M. Die Mauern besitzen eine Stärke von 2 M., sind mit Häckelsteinen (Klesanac) verkleidet und der Mörtel mit kleinen Ziegelstückchen gemischt. Dieser Bau ist demnach römisch und dürfte zum Schutze der aus dem Thale von Sujica-Strzanj auf die Höhe der Kupreser Ebene führenden, Strzanj ski put genannten, römischen Strasse, deren Reste stellenweise noch sichtbar sind, gedient haben. Von dem Wartthurme ziehen sich, an einer gemauerten Cisterne vorbei, über den schon erwähnten Grat auf die höheren Partien des Felsens verschiedene Mauerreste hinüber, aus welchen sich aber ein vollständiger Grundriss der eigentlichen Burg nicht mehr zusammenstellen lässt. Beiderseits dieser Mauerreste stehen auf den zwei höch- sten Spitzen des vielfach gezackten Burgfelsens die Ruinen je eines runden Thurmes, welche jedoch gegenwärtig nicht zugänglich sind oder höchstens mit Lebensgefahr erklommen werden könnten. Das Mauerwerk dieser ganzen oberen Ruine besteht nur aus Bruchsteinen, ist nicht so sorgfältig ausgeführt als der Wartthurm und entbehrt nicht nur der Quaderverkleidung, sondern auch der Beimischung von Ziegelstückchen in dem Mörtel. Ich halte daher die obere Ruine für mittelalterlich und kann der ein- stigen Burg nur eine geringe Ausdehnung zuschreiben, weshalb auch das von Bakula der Burg beigelegte Epitheton „insignissima arx“ nicht auf ihren räumlichen Umfang bezogen werden darf. Zwischen dem Gemäuer der oberen Burg kommen mehrere Höhlen vor, welche von den Umwohnern für einstige Kerker gehalten werden. Bei einer derselben trifft man grössere Spuren der an den archäologischen Fundstellen Bosniens nahezu unver- meidlichen Schatzgräberei. Trotz eifrigsten Suchens konnte ich weder auf dem Mauerwerke des Wartthurmes, noch auf den Felsen irgend eine Inschrift entdecken, und auch meine Begleiter wussten mir keine solche anzugeben. Die dem Volke gänzlich unbekannte Idee von dem einstigen Bestände einer grossen Ortschaft in Strzanj mag in dem Kopfe irgend eines phantasiereichen frommen Gemüthes entstanden sein, welches bestrebt war, die übrigens nicht gar so grosse Aelmlichkeit der Namen Strzanj und Stridonium auszunützen, um den Geburtsort des heiligen Hiero- nymus für Bosnien in Anspruch zu nehmen. Band II. 5 66 I. Archäologie und Geschichte. 10. Die Burgruinen auf dem Berge Kamesnica bei Livno. Bei Erwähnung der Ortschaften Cuklid und Lipa am südwestlichen Rande des Livanjslcopolje sagte Hoernes:1) „Auf dem Gipfel des Berges Kamestica liegen die Ruinen eines alten Schlösschens in schütterem Tannenwalde, etwas abwärts davon am Abhange die Reste einer später gebauten Burg.“ Als ich im Sommer 1891 von Livno aus die Gegend von Lipa besuchte, glaubte ich auch schon aus der Ferne die Ruine einer Burg auf der Höhe der Kamesnica zu sehen. Als ich jedoch im Dorfe darnach iveiter forschte, wurde mir von den Einwoh- nern ATon Lipa, Avelche gelegentlich der Viehweide häufig auf die Kamesnica kommen und jeden Punkt derselben genau kennen, mitgetheilt, dass auf dem ganzen Berge nir- gends eine Burgruine oder auch nur Spuren eines Mauerwerkes zu sehen seien. Die vermeintliche Burgruine ist nach diesen verlässlichen Gewährsleuten nichts als übereinander liegendes Felsgestein, welches, von unten gesehen, einem Mauerwerke täuschend ähnlich sieht. Auch die abwärts daAron am Abhange angeblich vorkommen- den „Reste einer später gebauten kleinen Burg“ existiren nicht. Dagegen finden sich auf dem der Kamesnica imrliegenden Hügelzuge, an dessen nordöstlichem Fusse das Dorf Lipa gelegen ist, etAva 800 M. von einander entfernt, zwei prähistorische Wallbauten, beide „Gradina“ genannt, Avelche ich an anderer Stelle näher zu beschreiben gedenke. In Bezug auf die obere Burgruine dürfte somit Hoernes durch die besprochenen Felsblöcke getäuscht und ihm die nördliche der beiden Gradinas ATon Lipa als eine tiefer gelegene mittelalterliche Burgruine bezeichnet worden sein. 11. Die Gradina von Mosunj mali bei Travuik. (Mit Figur 13 und 14.) Das Dorf Mosunj mali, am rechten Ufer der Lasva, westlich A’on der Strasse Busovaca — Travuik, ist schon aus früherer Zeit als Platz einer römischen Ansiedlung, sowie als Fundort römischer Inschriften und Münzen bekannt.2) Bei dem katholischen Gymnasium in Travuik Averden fünf Fragmente römischer Inschriften aus Mosunj aufbeAvahrt. Eine ebendort gefundene Statue in Kindesgrösse soll zerschlagen Avorden sein. Ueber der Ortschaft erhebt sich der Berg Gradina, dessen eigenthümliche Form mich zu einer Besteigung desselben veranlasste. Er bildet eine ATon dem höheren Hum- berge gegen Nordosten in das Thal ATorspringende Zunge, fällt auf drei Seiten steil ab und hängt nur im Süd westen durch einen schmalen Grat mit dem dahinter liegenden Gebirge zusammen. Dieser Grat ist jedoch von einem breiten und tiefen Graben durch- schnitten, Avelcher die Befestigung auf dieser sonst leicht zugänglichen Seite schützt und von menschlicher Hand, Avenn auch nicht zuerst angelegt, so doch jedenfalls verbreitert und Amrtieft Avorden ist. J) Alterthümer der Hercegovina (II) und der südlichen Theile Bosniens. Sitzungsberichte der kais. Akad. der Wissensch. in Wien 1881, S. 912. 2) Jukic (Slavoljub Bosnjak). Zemljopis i posvjestnica Bosne, Zagreb 1851, S. 23. — Idem, Kolo. Zagreb 1847, S. 5. — Otto Blau, Reisen in Bosnien und der Hercegovina. Berlin 1871, S. 104. — Dr. M. Hoernes, Archäologisch-epigraphische Mittheilungen aus Oesterreich 1880, S. 201. — Dr. C. Tru- lielka, Glasnik zem. muz. u B. i H. 1890, S. 188. Radimskv. Archäologische Tagebuchhlätter. 67 Fig. 13. Prähistorische Gefässfrag'mente vom Abhänge der Gradina von Mosunj mali (circa ('/0- Das Plateau der Gradina ist von Südwesten gegen Nordosten 120 M. lang und in seinem südwestlichen Theile 20 M. breit; von liier aus verschmälert es sieh allmälig und endet im Nordosten mit einem spitzen Felskegel, welcher die Befestigung wie eine Warte abschliesst und eine prächtige Umschau im Lasvathale gestattet. Der mittlere Theil des Plateaus ist etwas eingesenkt und mit einem Rasenüber- zuge bedeckt, aus welchem hie und da der nackte Kalksteinfels hervorragt. 5* G8 I. Archäologie und Geschichte. Von Wällen ist auf dem ganzen Berge keine Spur zu sehen, aber im südwest- lichen Theile des Plateaus ist am Rande des erwähnten Grabens das Fundament einer wahrscheinlich um das ganze Plateau herumlaufenden starken Mauer entblösst. Dieselbe besteht aus Bruchstein mit eingefügten römischen Ziegeln und ist in einen sehr festen, mit kleinen Ziegelstückchen gemischten Kalkmörtel gelegt. In der Einsenkung des Plateaus bemerkt man eine quadratische Erhöhung von 10 M. Seitenlänge und 30 Cm. Höhe, unter deren Grasdecke ohne Zweifel die Funda- mente eines Gebäudes liegen. Auf dem Felskegel des Nordostendes habe ich dagegen keine Spur eines Mauerwerkes entdecken können. In der Ebene unter der Gradina fand ich verstreute Fragmente römischer Mauer - und Falzdachziegel in Menge. Die Gehänge des Burgberges sind dagegen mit einer Unmasse prähistorischer Thongefässscherben bedeckt, von welchen ich eine grössere Anzahl sammelte (siehe die Proben Figur 13, circa J/2 nat. Gr.). Sie rühren von topf- oder schalenförmigen Freihandgefässen her, sind schwach gebrannt und roth, gi’au, braun oder schwarz, wobei die innere und die äussere Fläche oft verschiedene Färbungen zeigen. Die Einmischung kleiner Kalksteinkörner in die Thonmasse hat ausnahmslos, eine Glättung der Gefässwände dagegen selten stattgefunden. Der Mundsaum steht theils gerade empor wie bei den Scherben 1, 4, 7, 9 und 10, theils ist er leicht einwärts gezogen wie bei den Schalenfragmenten 3, 6, 13 und 14, theils mehr oder minder breit nach Aussen umgelegt, wie bei den Scherben 8, 11, 12, 15 und 16. Die Gefässböden sind meist sehr dick und ganz eben, das einzige Henkelstück, welches ich fand (2), ist ein breiter glatter Band- lienkel. Ornamente kommen nur spärlich vor und beschränken sich auf Reihen kleiner Einkerbungen an dem Mundsaume, wie bei dem Randstück 8, oder auf rundliche Eindrücke, wie bei dem Rand- stück 11. Die sonst häufig vorkommenden Buckel und herum- laufenden Bandwülste habe ich an den Scherben von Mosunj nicht bemerkt. Verzierungen der Gefässwände zeigen nur die Scherben 5 und 6; aber auch hier finden wir nur sehr primitive geometrische Ornamente durch eingeritzte Striche hergestellt. In den höheren Partien der Gehänge und auf dem Plateau innerhalb der ganzen Befestigung sind römische Dachfalz- und Mauerziegelstücke, Mörtelbrocken mit Ziegel- beimischung, bearbeitete Tuffstücke, gekrönelte Bausteinstücke u. dgl. verstreut. Das Fragment eines römischen Falzdachziegels von der Gradina in Mosunj, welches mit breiten Wellenstrichen gefurcht ist, zeigt Figur 14. Hier bestand demnach eine prähistorische Ansiedlung, welcher die Kuppe des Berges als Schutzfeste gedient haben mag. Denn wenn auch heute das obere Plateau keine Wälle mehr zeigt, so können solche leicht von den Römern entfernt worden sein, als sie sich des Platzes bemächtigten und denselben mit einer Umfassungsmauer befestigten. Schliesslich erwähne ich noch, dass auf der Ebene des linken Lasvaufers unweit von H an Bila sechs Tumuli stehen, in welchen wahrscheinlich Bewohner der prähistori- schen Ansiedlung auf der Gradina ihre Todten bestatteten. 12. Die Kirclienruine von Pistalina bei Cazin und die römische Ansiedl ung von Ljusina bei Otoka. Wenn man auf der Bezirksstrasse von Krupa gegen Cazin fährt, erblickt man bei dem Dorfe Pistalina in einer Entfernung von etwa 1 Km. nördlich der Strasse die ■1/10, Fig. 14. Römisches Daehziegel- fragment von der Gradina bei Mosunj. Radimsky. Archäologische Tagebuchblätter. 69 Ruine der Kirche St. Petri, deren Thurm die eintönig hügelige und mit häufigen Do- hnen besetzte Gegend anmuthig belebt. Diese Ruine, die sich neben der heutigen kleinen und ärmlichen Dorfkirche er- hebt, besteht aus den Grundmauern des einstigen Gotteshauses und dem bereits er- wähnten, circa 14 M. hohen und 45 M. breiten quadratischen Thurme, welcher an seiner östlichen und westlichen Seite geborsten ist. Die alte Kirche war ein ostwestlich ge- streckter, rechteckiger Bau von 14 M. Länge und 6 M. Breite. Vor der westlichen Schmalseite stand der Thurm, die östliche oder Altarseite ist gerade und nicht mit einer Apsis abgeschlossen. Während die Grundmauern der Kirche aus in Mörtel gelegten Bruchsteinen be- stehen, ist der Thurm aus dem Materiale eines römischen Gebäudes errichtet. Sein Mauer- werk zeigt ein regelloses Gemisch von Kalkstein- und Tuffquadern, Bruchsteinen und endlich von römischen, bis 8 Cm. dicken Ziegeln, welche häufig zwischen den Steinen eingemauert sind. Ich konnte nicht erfahren, ob in der unmittelbaren Nähe Reste römischer Gebäude Vorkommen, und es ist daher möglich, dass das Materiale für diesen Kirchenthurm aus der etwa 7 Km. entfernten Ruinenstätte einer römischen Ansiedlung in Ljusina, Ge- meinde Otoka, herübergeschafft wurde. Am linken Ufer des Ljusinabaches kommen nämlich im Riede Gromila des ge- nannten Dorfes, unweit des Hauses von Pero Mihic häufig Grundmauern römischer Ge- bäude vor. Die umliegenden Aecker sind auf eine Länge von circa 300 M. und eine Breite von circa 80 M. mit Fragmenten römischer Ziegel, namentlich Falzdachziegel, völlig übersäet. Es muss hier eine römische Ansiedlung gestanden haben. Auch hat der Lehrer Milan Obradovic, welcher eine der Gebäuderuinen durchgrub, verschie- denes Baumateriale, darunter zwei kurze Säulen mit Kapitalen, gefunden und die letz- teren an unser Landesmuseum eingesendet. 13. „Buzaningrad“ bei Livno. Im „Schematismus almae missionariae provinciae Bosnae Argentinae or.dinis fratrum minorum observantium pro 1877. Mostar 1877“, findet sich S. 77 die Notiz: „Ad radicem montis Tusnica amplae cujusdam civitatis muris cinctae rudera et lapides disjecti, quae in hanc diem portat nomen Grad Buzanin.“ Diese Mittheilung und der Bericht des Ingenieurs Moiza, welcher eine römische Strasse vom Bergpasse Prolog über Vidosi bis zumOrte Buzanin verfolgt haben will, veran- lassten Tomascliek,1) in dem Grad Buzanin die römische Strassenstation In monte Bul- sinio der Peutinger’schen Tafel oder Mons Vulsi des Geographen von Ravenna zu suchen. Blau2) verzeichnet ferner in seiner Routenkarte an der heutigen Reitstrasse von Livno über Vidosi und Grgurici nach Zupanjac eine Burgruine Buzanin, jedoch offenbar der obigen Angabe des Schematismus folgend und vielleicht nach eingeholten Erkundigungen, da er die Gegend selbst nicht besucht hat. Hoe rnes3) vermuthet dagegen die römische Station In monte Bulsinio auf dem Passe der Radusa planina zwischen Gornji Vakuf und Prozor und meint in einer *) Die vorslavisclie Topographie der Bosna, Hercegovina, Crnagora und der angrenzenden Gebiete. Mittheilungen der k. k. geogr. Gesellschaft in Wien 1880, S. 518 f. 2) Reisen in Bosnien und der Hercegovina. Berlin 1877. 3) Alterthümer der Hercegovina und der südlichen Tlieile Bosniens. Sitzungsberichte der kais. Aka- demie der Wissensch. in Wien 1881, S. 937. 70 I. Archäologie und Geschichte. Anmerkung, der Grad Buzanin sei nur die Ruinenstätte eines unbedeutenden mittel- alterlichen Schlösschens, wie sie zu Hunderten im Lande Vorkommen. Die Forstkarte von Bosnien und der Hercegovina zeigt wirklich an der erwähnten Reitstrasse Livno — Zupanjac eine kleine Ruine, welche jedoch etwa 3‘5 Km. östlich von dem Punkte gelegen ist, wo Blau den Buzaningrad ansetzt. Dies wäre jedoch hei der früheren mangelhaften Kartographie nicht auffallend, aber die Ruine heisst allgemein Visegrad und nicht Buzanin. Der Visegrad hegt, wie ich in Zupanjac von verlässlicher Seite erfuhr, am Nord- westende des Vucj epolj e auf einer Bergspitze, zu welcher ein verwachsener, aber noch gut erkennbarer Weg führt, und besteht aus einem elliptischen Steinhaufen von etwa 10 M. und 6 M. Durchmesser, in welchem oberflächlich keine Ziegelstücke bemerkbar sind, aber Mörtel häutig vorkommt und Spuren eines Brandes sichtbar sind. Das Alter dieser kleinen Befestigung könnte daher nur durch eine Abtragung des Mauerwerkes festgestellt werden. Ein Ried Buzanin kommt in der Forstkarte von Bosnien und der Hercegovina viel weiter westlich am entgegengesetzten, also südwestlichen Fusse der Tusnica planina bei dem Dorfe Misi vor, doch fehlt in der Karte die Bezeichnung einer daselbst vor- kommenden Ruine und auch das Wort Grad. Als ich im Sommer 1891 eine Reise von Zupanjac nach Livno zu machen hatte, beschloss ich, zur Klärung jener Sachlage nicht die Strasse einzuschlagen, sondern wählte den Reitweg von Zupanjac über den Pass von Prevala in das Busko blato und von da über Misi, Podhum und Vidosi nach Livno. Schon in den Dörfern Grabovica, Prisoje und Golinjevo, welche ich berührte, erkundigte ich mich angelegentlich über die Lage des Buzaningrad, erhielt aber überall die gleiche Auskunft, es gebe bei Misi einen Bergzug Buzanin, aber keinen Buzanin- grad. Der Glavar von Misi, welchen ich, dort angekommen, herbeiholen liess, ver- sicherte mich, er kenne den Berg Buzanin in allen seinen Theilen vollständig, nachdem er dort als Knabe Jahre lang Vieh gehütet hat; aber im ganzen Bereiche des Berges komme keine Ruine irgend eines Gebäudes, verstreute Ziegelstücke o. dgl. vor, und er habe auch in seinem Leben nie den Namen Grad Buzanin gehört. Auch linde sich in der ganzen weiten Umgebung kein zweiter Berg, welcher den Namen Buzanin führen würde. Auf Grund dieser Aussagen kam ich zur Ueberzeugung, dass eine Burg- oder Stadtruine Buzanin in der Umgebung von Livno überhaupt nicht existirt. Wenn man übrigens die Specialkarte betrachtet, erscheint es von vorneher nicht gut denkbar, dass die praktischen Römer, wenn sie von Vidosi, sei es nach Eminovo selo, sei es nach Zupanjac gelangen wollten, von Vidosi aus ihre Strasse so weit südlich gegen Buzanin in ein unwegsames Gebirge geführt hätten, nachdem ihnen der nähere und bequemere Weg über Grgurici und Vucje polje zu Gebote stand. Unmittelbar oberhalb des Dorfes Misi, an einem Ausläufer des Buzaninberges, findet sich ein gut erhaltener pi’ähistorischer Wallbau, Gradina genannt, welchen ich an anderer Stelle zu beschreiben gedenke. Derartige Wallbauten werden in den Sche- matismen der Franziskaner häufig als Burgruinen angeführt, wenn auch auf denselben, wie z. B. in Misi, keine Spur eines Mörtelmauerwerkes vorkommt. Es mag daher der Gewährsmann des Schematismus von Bosnien pro 1877 die Gradina von Misi gekannt, aber für die Umwallung eines Stadtplatzes gehalten und ihr den Namen des nahen Berges Buzanin1) beigelegt haben. J) Ueber diesen Namen vgl. auch Bd. I, S. 44t. Radimsky. Archäologische Tagebuchblätter. 71 14. Das Materiale der mittelalterlichen Grabsteine in Bosnien und der Hercegovina. Die mittelalterlichen Grabsteine Bosniens und der Hercegovina, gewöhnlich Bogumilensteine genannt, haben seit jeher sowohl wegen der Massenhaftigkeit ihres Vorkommens, als auch wegen ihrer mitunter kolossalen Dimensionen die Aufmerksam- keit der Reisenden in hohem Grade erregt und sind in neuester Zeit der Gegenstand eifriger Studien geworden. Man hat dabei wiederholt die Beobachtung gemacht, dass das Materiale der Steine in der Nähe ihres Standortes nicht vorkommt, und dass daher diese Grabdenkmäler, welche nicht selten Gewichte von 100, ja bis über 200 Metercentnern besitzen, aus wei- terer Entfernung herbeigebracht und oft auf steile Hügel hinaufgeschafft werden mussten. Ich möchte diesfalls nur auf die Gruppe von beiläutig 30 Stück altbosnischer Grabsteine hinweisen, welche im Riede Crkvina der Gemeinde Mratinic bei Kre- sevo, am rechten Ufer des Kresevicabaches an jener Stelle liegen, wo der Reitweg von Kiseljak gegen Kresevo in den Fahrweg Kobila glava — Kresevo einmündet. Die Steine sind theils tumba-, theils Sarkophag-, theils plattenförmig aus einer schönen Kalkbreccie von weissen Kalksteintrümmern mit rothem Bindemittel gemeisselt und müssen früher, nachdem sic meist glatt polirt waren, einen sehr schönen Anblick ge- währt haben. In der geologischen Sammlung der Berghauptmannschaft Sarajevo hatte ich schon früher eine gleiche Breccie vorgefunden, welche als „Marmor von Mratinic“ etikettirt war. Ueber meine weiteren Erkundigungen erfuhr ich, dass sich auf dem Berge Meovrsjc in Mratinic, welcher, nebenbei erwähnt, von Höhlen ganz durchzogen sein soll, bedeutende Brüche dieses Marmors befinden. Diese Marmorbrüche liegen am nordwestlichen Gehänge des genannten Berges, und in denselben stehen heute noch drei fertige altbosnische Grabsteine. Jedenfalls muss es eine ungemein schwierige Arbeit ge- wesen sein, die Steine von dem steilen Berge auf eine Distanz von fast einer Stunde Weges herunter zu bringen. Man sieht daraus, dass die Untersuchung des Materiales, aus welchem die altbos- nischen Grabsteine bestehen, nicht unwichtig ist, und ich will in dieser Beziehung einige Beobachtungen mittheilen, welche ich gelegentlich meiner Reisen durch das Land zu machen Gelegenheit hatte. Die weitaus grösste Zahl der schöneren und besonders der sculpirten Steine ist aus dichtem oder körnigem Sandsteine hergestellt, was bei dem grossen Reichthume der Hercegovina und auch Bosniens an diesem Materiale leicht erklärlich ist. Seltener sind die Grabsteine aus gewöhnlichen weissen oder gelblichen und noch seltener jene aus intensiver gefärbten Kalkbreccien, wie z. B. die von Mratinic. Ungemein häufig wurden dagegen zu den minderen, meist Würfel- oder plattenförmi- gen Grabsteinen Kalkconglomerate verwendet, wie z. B. bei dem Han Popov an der Strasse Podlugovi — Vares, im Ljubinathale bei der Dzamia von Srednje, bei der orientalisch-orthodoxen Kirche von Celebic unterhalb Konjica, in Sovici bei Prozor, in Voljice bei Gornji Vakuf u. s. w. Die 75 Grabsteine von Turbe an der Strasse Travnik — Dolnji Vakuf bestehen durchgehends aus Ivalkconglomerat, besitzen jedoch Unterlagsplatten aus dem dort massig auftretenden grünlichen Werfener Schiefer. An den beiden Gehängen des Sevarovo blato bei Livno und weiter bis gegen Gr ah ovo, wo altbosnische Gräber in ungeheuren Mengen Vorkommen, herrschen Stein- platten vor, welche aus Kalkst ein schiefer bestehen. 72 I. Archäologie und Geschichte. Der prächtig sculpirte grosse Stein und die ebenso schöne Grabsäule auf der Crkvina bei Dolnja i^gosca, nordöstlich von der Bahnstation Kakanj-Doboj, sind, wie fast alle übrigen Steine jener Gegend, aus tertiärem Kalkmergel angefertigt. Bei der Ruine der Kirche von Krsnopolje, rechtes Bosnaufer oberhalb Maglaj, stehen etwa 10 Steine und von da flussaufwärts in Smrdin ein altbosnischer Grab- stein aus grobem Flyschsandsteine. Im nordöstlichen Bosnien, wie z. B. bei Bogutovo selo, Tetima, Malesevci, Tobud und Teocak, findet man die häufigen altbosnischen Grabsteine aus den ter- tiären und stark quarzigen Mühlsteinconglomeraten von Teocak hergestellt. In der Gemeinde Gradina an dem Ursprünge der Velika Lasva unter der Karaula gora, westlich von Travnik, sah ich endlich in dem dichten Gestrüppwalde Tenicuv gaj eine Gruppe von 7 altbosnischen Grabsteinen, von welchen 5 aus dem dort auftretenden dickbankigen paläozoischen Thonschiefer bestehen und theilweise mit Sculpturen (Wappen und Volutenornamenten) geziert sind. Das Materiale der übrigen 2 Grabsteine ist jedoch ein schöner weisser Milch- quarz, welcher in der Nähe am Zlatina potok häufig auftritt. Beide Steine sind un- gefähr gleich gross, sarkophagförmig, und ich habe an dem einen die Länge mit 1’50 M., die Breite mit 75 Cm. und die aus der Erde noch hervorragende Höhe mit 60 Cm. ab- gemessen. Bei dem relativ seltenen Vorkommen grösserer Quarzmassen in Bosnien und der Hercegovina und der Schwierigkeit einer Bearbeitung des harten Quarzgesteines sind dies vielleicht die einzigen aus Quarz verfertigten mittelalterlichen Grabsteine des Landes. Aus dem Angeführten ersehen wir, dass die alten Bosnier und Hercegovcen in der Wahl des Materiales für ihre Grabsteine nicht kritisch waren, dass sie aber auch grosse Mühe nicht scheuten, um den Ruhestätten ihrer Angehörigen entweder durch Bewegung grosser Steinmassen oder durch ornamentale Bearbeitung der Grabmäler oder auch durch die Verwendung ungewöhnlichen Materiales einen höheren Schmuck zu verleihen. Die Kirchenruine von Dabravina im Bezirke Visoko. Von W. Radimsky, bosn.-herceg. Berghauptmann. (Mit 35 Abbildungen im Texte.) Als im Jahre 1463 der schreckliche Sturm des Türkeneinfalles über Bosnien und bald darauf auch über die Hercegovina hereinbrach, wurden die meisten christlichen Kirchen dem Erdboden gleich gemacht, und was davon noch übrig blieb, verfiel der Zerstörung in den sich später mehrmals wiederholenden Wirren und Kämpfen. Die Ruinen wurden, soferne sie nicht gänzlicli von Schutt und Erde bedeckt waren, als Fundstätten fertigen Materiales für die profanen Bauten der Umwohner verwendet, oder es wurden an den Standplätzen der früheren Kirchen Dzamien erbaut, so dass die Spuren der ersteren fast überall von der Oberfläche verschwanden. So kam es, dass sich nach der Occupation den ersten das Land besuchenden Alterthumsforschern an mittelalterlichen Sculpturen nahezu nichts Anderes bot als die zwar sehr massiven, zumeist jedoch nur roh gearbeiteten und verzierten und selten mit In- schriften versehenen altbosnischen Grabsteine, welche man früher mit dem Namen Bogumilen- steine zu bezeichnen pflegte. Wegen der primitiven Form der Sculpturen auf diesen Grabsteinen und wegen des Inhaltes der Fig. 1. Kartellen der Umgebung von Dabravina. Darstellungen selbst, welche sich vielfach auf den Kampf, die Jagd und den Kolotanz beziehen, war man geneigt, bei den mittelalterlichen Bosniern eine ziemliche Beschränktheit und Roheit des Geistes, sowie den Mangel jeden Kunstsinnes anzunehmen.1) Als jedoch bald hierauf der schön und reich ornamentirte mittelalterliche Grabstein und die daneben stehende ebenso schöne Inschriftsäule von Dolnja Zgosca nächst der Bahnstation Kakanj-Doboj im Bezirke Visoko bekannt wurde,2) suchte man dies so zu erklären, dass „diese Sculpturen unzweifelhaft von einem abend- ländischen Künstler herrühren, der hier, einem stricten Aufträge folgend, in einem Meister- werke gezeigt hat, was man durch Veredlung auch aus einem rohen Stile machen kann“. *) Dr. M. Hoernes, Mittheil, der anthropol. Gesellsch. in Wien 1883, Bd. XIII, S. 176 f. — Id., Di- narische Wanderungen. Wien 1888, S. 333 ff. 2) Mittheil, der k. k. Central-Commission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale. Wien. N. F., Bd. IX, S. 58, Figur 10, 11 und Tafel. — Glasnik 1891, S. 122 ff. 74 I. Archäologie und Geschichte. Ich glaube, dass die Behauptung, die Kunstwerke von Dolnja Zgosca seien Pro- ducte eines fremden Künstlers, durch nichts erwiesen ist, und man könnte dieser Be- hauptung vielleicht den Umstand entgegcnstellen, dass sich Dolnja Zgosca mitten im Herzen von Bosnien, somit weit entfernter von den Berührungspunkten mit dem Abend- lande befindet als die Hercegovina, wo man bisher einen so schön sculpirten Stein noch nicht gefunden hat. Eine Discussion darüber, ob die Steine von Dolnja Zgosca von einem einheimi- schen oder einem fremden Künstler hergestellt wurden, halte ich übrigens für ebenso unfruchtbar als überflüssig. Die Hauptsache ist, dass in Bosnien auch wirkliche Kunst- Fig. ’2. Durchschnitt und Grundriss der Kirchenruine von Dabravina. werke aus dem Mittelalter Vorkommen, denn es zeugt gewiss von entwickeltem Kunstsinne, wenn wir sehen, dass ein Bosnjake ein solches Kunstwerk errichten liess und die Kosten desselben dem Andenken eines verstorbenen Verwandten zum Opfer brachte. In neuerer Zeit sind jedoch an mehreren Stellen des Landes Kirchen- und son- stige Ruinen erforscht worden, welche ebenfalls künstlerisch ausgeführte mittelalterliche Sculpturen lieferten, und ich hoffe, dass das oben citirte harte Urtlieil über den Mangel jeden Kunstsinnes bei den alten Bosniern durch die Publication solcher Arbeiten eine Abänderung im günstigen Sinne erfahren wird. Vielleicht gelingt es mir, durch die nachstehende Mittheilung des Grabungsresultates in der Kirchenruine von Dabravina hiezu beizutragen. Radimsky. Die Kirchenruine von Dabravina. 75 Das kleine Dorf Dabravina, dessen Gasthaus unter dem Namen Popov han ziemlich bekannt ist, liegt an der Strasse von Podlugovi nach Vares, etwa 11 Km. von der erstgenannten Bahnstation, am rechten Ufer des Stavnjabaches. Im Jahre 1889 überbrachte mir Herr Baurath Hanns Kellner das Fragment eines mit Weintrauben und stylisirtem Blattwerke bedeckten mittelalterlichen Säulenschaftes, welchen er ge- legentlich einer Dienstreise im Popov han gefunden und von dem Besitzer für das Landesmuseum erhalten hatte. Zugleich erfuhr er, dass in der Nähe eine Burgruine vorhanden sei, aus deren Trümmern schon viele ähnlich bearbeitete Sculpturstücke ge- wonnen worden seien. Infolge dieser Mittheilung hielt ich mich auf einer Reise nach Vares in Dabravina auf und bestieg mit dem Ingenieur Herrn Karl Fitzinger, welcher hoi dem Baue des dortigen Eisenhammerwerkes beschäftigt war, den betreffenden Burgberg. Derselbe, „Gradina“ genannt, hegt auf einem steil gegen die Stavnja abfallenden Berge, am linken Ufer des Baches südöstlich vom Popov han und innerhalb des Prädiums Gvozd planina, wie das Kärtchen Figur 1 zeigt. Am nördlichen Fusse des Gradina- berges steht, ebenfalls am linken Stavnja- ufer, eine Gruppe von 1 8 altbosnischen, meist sarkophagförmigen Grabsteinen, auf deren stark verwitterter Oberfläche weder Inschriften, noch Sculpturen sichtbar sind. Auf der bewaldeten Kuppe der Gra- dina sind an verschiedenen Stellen Reste eines in Kalkmörtel gelegten Grundmauer- werkes sichtbar, ohne dass man daraus den Grundriss des Gebäudes reconstruiren könnte. Offenbar stand hier eine mittelalter- liche Burg, zu welcher die unten beschriebene Kirchenruine als Schlosskirche gehört hat. Diese letztere Ruine steht auf einer kleinen Terrasse des Bergabhanges gleich unterhalb der Burgüberreste, nordöstlich von diesen. Nachdem es uns gelungen war, in dem Schutthügel dieser einstigen Kirche einige weitere sculpirte Architekturstücke zu finden, erwirkte ich bei der Landesregierung die Bewilligung und die Mittel zur Ausgrabung der Ruine, welche Arbeit Herr Fitzinger mit grösster Bereitwilligkeit übernahm und im Jahre 1891 mit Eifer und Geschick durchführte. Der Grundriss und der Durchschnitt der Kirche, wie sie sich jetzt darstellen, sind aus Figur 2 ersichtlich. Das Bauwerk war demnach eine drcischiffige Kirche, ohne Zweifel mit überhöhtem Mittelschiffe, deren Altar jedoch nicht ganz genau gegen Osten gerichtet war. Die Länge der Kirche von Westen gegen Osten beträgt 1L2M., die nordsüdliche Breite 1 2'8 M., so dass der ganze Bau nahezu ein Quadrat bildet. An der Ostseite befindet sich unter dem Niveau des Fussbodcns der Kirche ein 3 M. langer, recht- eckiger Anbau A , dessen L5 M. starke Seitenwände zugleich als Stützmauern für die östliche Hauptmauer der Kirche dienten. Zwischen diesen zwei Seitenmauern, welche durch eine Stirnmauer verbunden sind, war ein Gewölbe aus Tuffstein eingespannt, 76 I. Archäologie und Geschichte. welches zum grösseren Theile schon zerstört vorgefunden wurde. Offenbar ist dies ein bereits früher ausgeraubtes Grabgewölbe, was auch durch den Fund einiger Menschen- knochen bestätigt wurde. Der Eingang der Kirche befindet sich im westlichen Theile der südlichen Haupt- mauer, und man betritt durch dieselbe zuerst eine schmale Vorhalle, den Narthex B , welcher längs der westlichen Hauptmauer durch die ganze Breite des Gebäudes verlief. Fig. 4. Unterer Theil einer gedrehten Säule, von vorne. Fig. 6. Unterer Theil einer gedrehten Säule. Fig. 5. Unterer Theil einer gedrehten Säule, von der Seite. Der Fussboden dieser Vorhalle liegt 70 Cm. höher als der Fussboden der übrigen Räume, und in derselben ist an der ganzen Hauptmauer eine Steinbank von 50 Cm. Höhe und ebensolcher Breite a angebracht. Ich vermuthe, dass dieser Gang zum Aufenthalte der mit Kirchenstrafen belegten Gläubigen, welche die Kirche selbst nicht betreten durften, während der gottesdienstlichen Handlungen bestimmt war. Aus dieser Vorhalle führt zuerst eine Thür in der Mittelmauer östlich in die Räume C und D des südlichen Seitenschiffes, welche als die Sacristei und ein sonstiger Radimsky. Die Kirchenmine von Dabravina. 77 Nebenraum der Kirche gedient haben mögen. Die zweite mittlere Thür führt aus der Vorhalle in die eigentliche Kirche, und zwar zuerst in den Raum E für die Gläubigen und weiter in das Presbyterium F. Durch die dritte Thür der Vorhalle gelangt man in den Raum G des nördlichen Seitenschiffes, welcher nicht abgetheilt und an seinem Ostende durch eine runde Apsis abge- schlossen ist. Dieser Raum dürfte eine Nebenkapelle, vielleicht die Taufkapelle der Kirche, gewesen sein. Die Räume G und D sind durch Thüren mit dem Presbyterium verbunden. Das sämmtliche Mauerwerk ist aus gewöhnlichen Bruchsteinen in Kalkmörtel ohne Ziegelbeimischung aufgeführt; doch finden sich unter dem Schutte in grösserer Anzahl Fig. 7. Bruchstücke gedrehter Säulen. zu Gewölbestücken verarbeitete Tuffsteine, welche wahrscheinlich von den Ueberwölbun- gen der Fenster und Thüröffnungen herstammen. Diese Tuffsteine sind zum grossen Theile rothgefärbt, was sammt den im Schutte verstreuten Holzkohlenstücken darauf hindeutet, dass die Kirche durch Brand zu Grunde gegangen sei. Der Fussboden sämmtlicher Räume bestand aus einer Schicht faustgrosser, in Mörtelguss gelegter Steine, auf welche eine 8 Cm. starke Lage von weissem, an der Oberfläche sorgfältig geglättetem Gussestrich aufgetragen war. In diesen Gussestrich waren quer über die Kirche vor dem Presbyterium mehrere bearbeitete Steine b auf eine Tiefe von 5 Cm. fest eingelassen, welche wahrscheinlich die Sohlbank einer das Presbyterium absperrenden Säulenbrustwehr bildeten, nachdem an dem einen Stücke ein Säulchen angearbeitet ist und mehrere kleine Säulchenschäfte hier vorkamen. Wir werden später auf diese Steine noch zurückkommen. An Metallfunden wurden in der Ruine nur drei Bankeisen, davon zwei umge- bogen, dann zwei mit je einem runden Bügel verbundene Doppelringe von 6 und 7 Cm. 78 I. Archäologie und Geschichte. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 11 — -12. Säulencapitäl mit Widderköpfen. Fig. 13. Fig. 14. Fig. 13 — 14. Säulencapitäl mit Stierköpfen. Fig. 10. Fig. 8 — 10. Bruchstücke von verzierten Säulen. Fig. 15. Pilastercapitäl. Radimsky. Die Kirchenruine von Dabravina. 79 Durchmesser; deren Zweck mir unklar ist, eine Pfeilspitze, das Fragment eines Messers und ein kaum zu bestimmendes anderes Fragment, sämmtlich aus Eisen, angetroffen. Sonst sind nur noch die Bruchstücke eines vom Feuer halbgeschmolzenen und stark irisirenden Glasgefässes erwähnenswerth, welche in dem nördlichen Seitenschiffe vor- gekommen sind. Um so grösser war die Ausbeute an reich sculpirten Architekturstücken, welche sämmtlich im Presbyterium F lagen und die Ueberreste einer kunstreich verzierten, quer über das Presbyterium verlaufenden Prachtwand oder eines Altars der einstigen Kirche darstellen. Sie sind bis auf wenige Ausnahmen, welche ich besonders anführen werde, aus einem tertiären Kalkthon- mergel gearbeitet. Im Folgenden mögen diese Archi- tekturstücke eine kurze Beschreibung finden. Figur 3 ist der gekehlte und mit Spiralgewinden und Palmetten ge- schmückte Fuss eines Säulenpostamen- tes, wie wir ein solches in der nächst- folgenden Figur kennen lernen werden. Der verticale Falz entspricht ganz dem seitlichen Falze dieser Postamente. Die Höhe des Stückes beträgt 17 Cm., die Breite 28-5 Cm., die Länge 29\5 Cm. Das zu dem obigen F usse gehörige Säu- lenpostament von rechteckigem Quer- schnitte ist Figur 4 von vorne und Figur 5 von der Seite abgebildet. In einem profilirten Rahmen zeigt die Vorderseite ein Rankenornament mit Weintrauben und stylisirten Blät- tern, welche unten in einer Palmette endigen. Ober dem Rahmen ist in einem Querfelde ein Fisch dargestellt. Auf dem Postamente erhebt sich ein cylin- drischer Ansatz mit einem runden Wulste, aus welchem das Fragment einer scharf schraubenförmig cannelirten Säule hervorgeht. ln der Seitenansicht ist der Falz für die Aufnahme einer Füllungsplatte sichtbar. Dieses Säulenpostament ist ohne Zapfen 90 Cm. lang, an der Vorderseite 23 Cm. und an der Falzseite 21 Cm. breit. Die Säule besitzt einen Durchmesser von 20 Cm. Figur 6 stellt ein zweites ganz ähnliches Säulenpostament dar. Es fehlt hier nur auf der Vorderseite oben das Q.uerfeld mit dem Fische. Ferner bildet der Säulenfuss unter dem runden Wulste einen Conus, und sind die Windungen des schraubenförmig cannelirten Säulenschaftfragmentes flach bogenförmig. Ganze Länge 91 Cm., Breite der sculpirten Vorderseite 24 Cm., der Falzseite 21 ‘5 Cm. In Fi gur 7 sind weitere Fragmente von Schäften solcher schraubenförmig canne- lirten Säulen dargestellt. Das mittlere Stück von 20-8 Cm. Durchmesser zeigt scharfe Schraubenwindungen, das Stück rechts ist ebenfalls scharf schraubenförmig cannelirt, die 80 I. Archäologie und Geschichte. Kanten der Windungen jedoch durch eingeschnittene schmale Rinnen abgenommen. Das Säulenfragment rechts besitzt dagegen eine flach schraubenförmige Cannelirung, und bildet das Profil der Schraubengänge je einen flachen Bogen, wobei die Kanten der Windungen ebenfalls durch schmale Rinnen abgenommen erscheinen. Die Figuren 8 und 9 zeigen das Fragment einer an der ganzen Oberfläche reich mit Weinranken, Trauben und Blättern, gegen den Fuss zu jedoch mit Palmetten und Ro- setten gezierte Säule. Unter der Säule ist das obere Stück des Postamentes vorhanden, wie wir solche in den Figuren 4 bis 6 kennen gelernt haben. Der Durchmesser des Säulenschaftes beträgt 22 Cm. Das Bruchstück eines ganz gleichen, jedoch etwas grösseren Säulenschaftes zeigt Fig. 10. Zwei schöne Capitäler, welche zu den besprochenen eannelirten Säulen gehören, sind in den nächstfolgenden Figuren abgebildet. Das erste derselben, Figur 11 und 12, zeigt vier Widderköpfe, zwischen welchen alternirend zwei kleine menschliche Brustbilder und zwei Hasenköpfe angebracht sind. Ueber den Widderköpfen befindet sich ein mit Rankenspiralen gezierter Aufsatz. Der Säulenschaft besitzt eine flache schraubenförmige Cannelirung und ist von dem Capitäl durch einen glatten Wulst geschieden. Das Capitäl ist vom Wulste bis zum Aufsatze 26 Cm., der Aufsatz 15 Cm. hoch. Die Seitenbreite des Capitäls beträgt 21-5 Cm., der Durchmesser des Säulen- schaftes 18 Cm. Das zweite Capitäl, Figur 13 und 14, zeigt in ähnlicher Anordnung vier Stierköpfe und über jedem derselben einen Adlerkopf. Zwischen den Stierköpfen ist ein kleiner Menschenkopf, zwei Hundeköpfe, welche verkehrt über einander angebracht sind, und ein Hirschkopf sichtbar. Die Figur im vierten Felde zwischen den Stierköpfen ist ab- gebrochen. Dieses Capitäl trägt eine an den Aussenseiten horizontal geriefte Platte als Aufsatz. Der Wulst zwischen dem Säulenschafte und dem Capitäl ist hier gerippt, und der erstere besitzt eine flach schraubenförmige Cannelirung, deren Kanten durch schmale Rinnen abgenommen sind. Die Höhe des Capitäls vom Wulste bis zur Aufsatzplatte beträgt 33 Cm., die Seitenbreiten 21 5 und 23 Cm.; die Aufsatzplatte ist 5 Cm. hoch und die eine messbare Seite derselben 18'5 Cm. breit. Der Durchmesser des Säulen- schaftes beträgt 18 Cm. Ausser den Säulencapitälen sind auch zwei Pilastercapitäle von ähnlicher Form vorgekommen, deren eines in Figur 15 abgebildet ist. Die Ecken werden beiderseits von Vögeln, wahrscheinlich Adlern, gebildet, welche mit ausgebreiteten Flügeln auf Voluten stehen. Als Aufsatz dient wieder eine horizontal geriefte Platte. Die Dimen- sionen des Capitäls sind: Höhe 25'5 Cm., Breite 21 Cm., Dicke 11 Cm. Die Aufsatz- platte ist 4 Cm. hoch, 19‘5 Cm. breit, 7 Cm. dick. Es ist bereits erwähnt worden, dass die Säulenpostamente Figur 3 und 5 Nuten für die Aufnahme von Füllplatten besitzen. Eine solche Füllplatte ist, soweit sie aus den Bruchstücken zusammengesetzt werden konnte, Figur 16 abgebildet, wobei bemerkt wird, dass die rechts an beiden abgebildeten Fragmenten befindliche Feder genau in den Falz der Säulen postamente passt. Diese Füllplatten sind in umrahmte Felder eingetheilt, von denen mindestens zwei auf jeder Platte vorhanden sein mussten. Die Rahmen der Felder bestehen aus abge- sclirägten Leisten, an welche sich gegen Innen je zwei, theils einfach, theils doppelt gebundene Perlenschnüre anschliessen. Die Breite des Rahmens beträgt 6 Cm., die des Feldes ohne Rahmen 38'5 Cm. und dessen Höhe ohne Rahmen etwa 56 Cm. Den oberen Abschluss der Platte bildet ein nur wenig vorspringendes Gesimse vom 15 Cm. Höhe, dessen Kehlung mit einem Ranken- und Blattornamente geschmückt ist. Radimsky. Die Kirchenruine von Dabravina. 81 i Fig. 18. Fig. 19. Fig. 18—19. Bruchstücke von Füllplatten. Fig. 17. Bruchstück einer Füllplatte vom Untertheil einer Säule. Fig. 20. Bruchstücke einer Füllplatte. Fig. 24. Bruchstück mit Ornament. Band II. Fig. 23. Bruchstück eines Sturzes. 6 Fig. 21. Sculpirter Sturz, von der Seite. 82 I. Archäologie und Geschichte. Auf der rechtsseitigen Platte sehen wir ein Kreuz, dessen Fuss halbkreisförmig erweitert ist und dessen Armenden dreieckig verbreitert sind. Beiderseits des Kreuzes steht unten ein Thier, mit dem Kopfe zum Kreuz hinaufschauend. Die Köpfe dieser Thiere sind mit Heiligenscheinen umgeben und ihre Füsse, welche auf dem unteren Bruchstücke sichtbar sind, wie bei Zweihufern gespalten. Die Felder oberhalb der Kreuzesarmc nehmen zwei gegen einander gekehrte, 21 Cm. hohe Adler mit ausgebreiteten Flügeln ein. Sonst ist in diesem Felde nur in der linken oberen Ecke eine Palmette aus zwei schmalen Blättern zu sehen. Von dem linksseitigen Felde dieser Platte ist nur ein Stück des Rahmens und die rechte obere Ecke erhalten, welche von einer aus drei breiteren Blättern gebildeten Palmette ausgefüllt wird. Eine zweite ganz ähnliche Füllplatte zeigt Figur 17, in deren linksseitigem Felde wir wieder den unteren Theil eines Kreuzes und daneben ein wolliges Thier, ohne Zweifel ein Lamm, sehen. Ueber dem Rücken des Lammes befindet sich ein Gefäss mit Fuss, wahrscheinlich ein niederer Kelch. Das rechtsseitige Feld zeigt knapp neben dem Rahmen eine vertical cannelirte Säule mit gegliederter Basis und daneben einen mit einer Zickzacklinie ausgefüllten verticalen Streifen. Etwas weiter gegen die Mitte des Feldes sehen wir an der erhaltenen vorsprin- genden Spitze ein Stück faltigen Gewandes, welches wahrscheinlich zu dem Figur 18 abgebildeten, 24 Cm. hohen Fragmente eines bärtigen, die Hand segnend emporhaltenden Mannes gehört. Der Kopf ist von einem Heiligenschein umgeben, und diese Gestalt dürfte entweder Christus oder einen seiner Apostel vorstellen. Der auf dem Fragmente Figur 19 erhaltene nackte menschliche Fuss mit dem unteren TI teile des Gewandes gehört wahrscheinlich auch zu der obigen Figur, doch gelang es nicht, denselben den anderen Fragmenten anzupassen, weil ohne Zweifel noch andere zwischenliegende Theile fehlen. Ein weiteres Fragment der besprochenen Füllplatten gibt Figur 20. Man sieht darauf von rechts gegen links zuerst die in den Säulenpostamentfalz passende Feder, dann den Rahmen; neben demselben eine vertical cannelirte Säule und an diese an- schliessend den mit einer Zickzacklinie ausgefüllten Streifen, wie in dem rechtsseitigen Felde der Figur 17. Neben diesem Streifen kann man einige Federn eines Vogelflügels erkennen . Ein weiteres, schön ornamentirtes Architekturstück ist der in den Figuren 21 und 22 abgebildete Sturz einer Einfassung, welcher wahrscheinlich in drei Felder getheilt war, und von dem blos die linke Hälfte erhalten blieb. Das linksseitige Feld ist nur auf der vorderen Seite sculpirt und mit einem Ornamente aus sechsblättrigen Sternrosetten geziert, zwischen deren Blättern am oberen und unteren Rande je neun kreisrunde Scheibchen mit centralem Punkte angebracht sind. Das Mittelfeld ist durch eine flache Verdachung ausgezeichnet, deren Zwickel ein Fisch ausfüllt. Die Achse ist endlich durch eine nahezu halbkreisförmige Console gekennzeichnet. Die Vorderfläche dieses Mittelfeldes, sowie der Console ist mit Ranken und Kleeblättern ornamentirt. Wie aus Figur 22, welche das linke halbe Mittelfeld in perspectivischer Ansicht zeigt, entnommen werden kann, ist die untere Fläche der halbrunden Console und der anliegende Theil der Unterfläche des Sturzes mit einem Bande von Spiralranken und Palmetten geziert, so dass dieser Theil, etwa über einem Thürdurchgange, frei gelegen haben muss. Die Länge des linken, mit Rosetten geschmückten Feldes beträgt 98 Cm., dessen PIöl ie 24 Cm. und die Breite 20 Cm., die Länge des erhaltenen halben Mittelfeldes Radimsky. Die Kirchenruine von Dabravina. 83 86 Cm., so dass der Starz ursprünglich eine Gesammtlänge von 368 Cm. besessen haben dürfte. Die lichte Breite des Presbyteriums beträgt jedoch 5'1 M. und konnte daher der Sturz nicht über die ganze Breite dieses Kirchentheiles reichen. Ein ähnliches auf der vorderen und unteren Seite sculpirtes Stück von 66 Cm. Länge und 19*5 Cm. Seitenbreite ist Figur 23 abgebildet. An der Vorderseite sehen Fig. 25. Fig. 25 — 26. Gesimsbruchstücke. Fig. 26. Fig. 28. Gesimsbruchstück. Fig. 27. Friesbruchstück. Fig. 29. Gesimsbruchstück. wir oben den Bruchtheil eines ganz ähnlichen Fisches, wie er in Figur 21 vorkam. Dar- unter verläuft ein Band mit Spiralranken und Pailletten, während die untere Seite mit einem ebensolchen Pflanzenornamentbande geziert ist. Das kleine Fragment Figur 24 zeigt ein ähnliches, aber schmäleres Palmetten- und Rankenornament. In den folgenden Figuren 25 und 26 sind Fragmente von Gesimsen mit Blattorna- menten, in Figur 27 ein Friesstück mit einem Rosettenornamente, unter welchen ein glattes und ein quergeripptes Wulstband verlaufen, und in Figur 28 und 29 zwei mit 6* 84 I. Archäologie und Geschichte. Blattwerk ornamentirte Gesimsstücke, welche wahrscheinlich zu einer Füllplatte (siehe Figur 16) gehören, abgebildet. Figur 30 sind verschiedene Fragmente von sculpirten und profilirten Architektur- stücken dargestellt, darunter die Schnauze eines Widders, die Schnauze und das Horn eines Stieres, dann der Kopf eines Adlers, wie sie an den Säulencapitälen Figur 1 1 bis 15 vorgekommen sind. Diese letzteren Stücke liefern den Beweis, dass mehrere weitere Capitäle vorhanden gewesen sein müssen, welche jedoch wahrscheinlich schon früher verschleppt wurden. Figur 31 und 32 zeigen uns ferner von zwei Seiten ein Säulchen der Brustwehr zwischen dem Kirchenraume und dem Presbyterium. Auf der einen Seite (Figur 31) Fig. 30. Architokturfragmente. kann man deutlich die Basis von 10 Cm. Höhe, den halbrunden Pilasterschaft von 47 Cm. Höhe und 10'5 Cm. Durchmesser, sowie darüber das Capital mit Wulst von 16 '5 Cm. Höhe unterscheiden. Auf der anderen Seite (Figur 32) lassen sich nur zwei neben- einander stehende halbrunde und schief gegen einander gerippte Pilasterschäfte er- kennen. Alle bisher besprochenen Architekturstücke bestehen, wie schon erwähnt, aus Kalkthonmergel, aber längs der einstigen Brustwehr des Presbyteriums wurden mehrere Säulchen aus weissem, körnigem Kalksteine angetroften. In Figur 33 sind beider- seits der Steinplatte solche Säulchenfragmente abgebildet. Das rechts stehende Frag- ment zeigt eine rechteckige Basis von 1P5 und 10’8 Cm. Seitenbreite und einen Scliaft- durchmesser von 10'6 Cm. Es wäre nun zwar nichts Auffallendes, dass in der Brustwehr zwischen Säulchen von Mergel auch solche von körnigem Kalksteine (Marmor) verwendet wurden. Aber Radimsky. Die Kirchenruine von Dabravina. 85 das dabei gefundene und in Figur 33 abgebildete weisse Marmorplattenfragment von 38 Cm. Höhe, 24 Cm. Breite und 7 Cm. Dicke besitzt eine römische Profilirung seiner platten Tafel, was mir sofort aufgefallen ist. Es sind jedoch noch weitere Spuren zweifellos römischer Steine in der Kirchen- ruine von Dabravina zu Tage gefördert worden. Ich habe davon bereits gesprochen, dass unter der einstigen Brustwehr zwischen der Kirche und dem Presbyterium mehrere Sohlsteine in den Gussestrich eingelassen waren. Als sie ausgehoben und untersucht wurden, zeigte sich auf einem derselben die Figur 34 abgebildete, in Basrelief aus- Fig. 33. Fragmente aus Marmor. Fig. 3t. Römischer Basreliefstein. geführte menschliche Figur von 43 Cm. Höhe. Obzwar sie stark beschädigt ist, kann man doch deutlich unterscheiden, dass von der linken Schulter der Figur ein faltiger Mantel herabwallt, dass sie ferner in der erhobenen linken Hand eine Lanze, in der herabgelassenen rechten Hand aber einen länglichen Gegenstand, wahrscheinlich eine Palme hält. An der römischen Provenienz dieser Figur lässt sich nicht zweifeln. Auf einem zweiten Sohlsteine sind ferner, wie Figur 35 zeigt, die lateinischen Buchstaben M. und AVI erhalten. Die beiden letztangeführten Steine bestehen aus Kalkthonmergel. Fig. 31. Säulchen eines Dockeugeländers. Fig. 32. Säulchen eines Dockengeländers. 86 I. Archäologie und Geschichte. Woher diese römischen Steinfragmente stammen, lässt sich vorläufig nicht fest- stellen. In der näheren Umgehung von Dabravina sind bisher noch keine Reste eines römischen Baues bekannt geworden, und ebenso hat die Grabung in der Kirchenruine keine weiteren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass an der Stelle der späteren mittelalterlichen Kirche ein römisches Gebäude gestanden habe. Ich muss mich also darauf beschränken, zu constatiren, dass bei dem Baue der Kirche von Dabravina auch einige römische Architekturstein- fragmente mit verwendet worden sind. Ueberblicken wir das in der Kirche von Dabravina gefundene architektonische Materiale, so drängt sich sofort die Bemerkung auf, dass dasselbe durchaus in Flachrelief bearbeitet ist, und zwar in einem Relief, bei welchem die Contouren in die Tiefe der Fläche eingeschnitten sind, so dass die höchsten Punkte des Reliefs nicht über die Fläche herausragen. Ich bin zwar weder Architekt, noch Kunsthistoriker und kann mich daher an eine Reconstruction des interessanten Baues nicht her- anwagen, glaube jedoch nicht' zu irren, wenn ich die einstige Kirche auf der Gradina von Dabravina, namentlich mit Bezugnahme auf den obigen Umstand, für einen frühromanischen Bau erkläre. Auf jeden Fall ist die besprochene Kirche älter als die mittelalterlichen Grabsteine von Dolnja Zgosca, und wir besitzen daher an diesen zwei, der Luftlinie nach kaum 17 Km. von einander entfernten Localitäten des inneren Bosniens aus verschiedenen Perioden stammende wahre Kunstwerke der Bildhauerei, welche eine ganz besondere Beachtung verdienen. Fig. 35. Bruchstück eines römischen Inschriftsteines. Archäologische Forschungen auf der Burg von Jajee und in ihrer nächsten Umgebung. Von Dr. Ciro Truhelka, C'ustos am bosn.- herceg. Landesmuseum. (Mit 1 Tafel und 5 Abbildungen im Texte.) Dem Aufträge der Landesregierung, auf der Burg von Jajee nach Architektur- fragmenten des mittelalterlichen Schlosses zu forschen, kam ich in der Weise nach, dass ich vor Allem die in der Umfassungsmauer der Akropole eingemauerten Baufrag- mente herabnehmen liess und dann einige Grabungen vornahm. Was die so gewonnenen Architekturstücke anlangt, sind sie zumeist gothischen Stiles, durchwegs geschmackvoll und einige derselben von Meisterhand ausgeführt, so dass allem Anscheine nach auf der Akropole ein Monumentalbau anzunehmen ist, wel- cher während der türkischen Invasion zerstört wurde, und dessen Trümmer in die später errichteten oder renovirten Befestigungsanlagen verbaut worden sein dürften. Die Grundmauern dieses Palastes sind gegenwärtig spurlos verwischt, aber die Tradition besagt, dass derselbe an der Ostseite, also etwa bei der gegenwärtigen, auch schon als Ruine dastehenden Sahat-kula stand. Von den Vorgefundenen Baufragmenten tragen die meisten alle charakteristischen Merkmale der venetianischen Gothik. Namentlich erinnert ein Arkadenfragment lebhaft an ähnliche Motive der Ca Doro, während zwei Bruchstücke von steinernen Fenster- rahmen das für Venedig charakteristische gewundene Randmotiv zeigen. Schon dieser Umstand widerlegt jene unter den Franziskanern verbreitete Tra- dition, dass Jajee nach dem Muster von Castello dell’Uovo bei Neapel von einem Bau- meister aus Luculo erbaut worden sei, und es kann die ganze Angabe auf die blosse Namensähnlichkeit (TJovo — Jajee = Ei) zurückgeführt werden. Der einstige Besitzer und muthmassliche Erbauer der Akropole von Jajc.e, Herzog Hrvoja, war mit Venedig in regem Verkehr. Dieser äusserte sich in seiner Hauptstadt Spalato, wo ein Palast neben dem andern den venetianischen Patricierhäusern nach- gebildet wurde. Dieser Umstand darf wohl zu der Annahme berechtigen, dass Hrvoja auch in Jajee jenen anmuthigen Baustil eingeführt habe. Die für das Museum acquirirten Baustücke sind folgende: a) zwei schön verzierte, mit Akanthus und Rosetten geschmückte Pfeilercapitäle, welche circa 12 M. hoch in der Südmauer eingefügt waren (Figur 1 und 3); 88 I. Archäologie und Geschichte. b) zwei grosse Fragmente eines steinernen Fensterrahmens mit gewundenem Band- ornamente, von derselben Mauer; ein Arkadenfragment mit durchbrochener Rosette, welches im sogenannten Pulverthurm eingemauert war; c) ein schönes, mit Blattwerk verziertes Capital aus dem Burghofe (Figur 2); endlich d) ein Pfeiler mit Capitäl, dessen Motiv dem zuletzt genannten entspricht. Der P5 M. starke Pfeiler ist reich verkröpft. Der Akanthus in beiden Stücken zeigt noch romanische Spuren. Der Pfeiler wurde im Burghofe ausgegraben. Ausser diesen kunstvoll verzierten Stücken wurden noch zwei mit einfachem Blattwerk verzierte Consolcapitäle gefunden, welche in der Ausführung weniger kunst- voll und allem Anscheine nach um einige Decennien älter sind als die genannten. Nach Beendigung dieser Arbeit nahm ich Messungen in der sogenannten Medved- kula und die Untersuchung des auf der Plivaseite befindlichen vermauerten Thores mit Fig. 1. Pfeilercapitäl von Jajce. dem bekannten Wappenbilde vor. Das Thor wurde kurz nach der Besitznahme durch die österreichisch-ungarischen Truppen vermauert. Als die Mauer und der hinter ihr befindliche Schutt ausgeräumt worden war, zeigte sich dahinter eine 2'87 M. breite, 4- 35 M. tiefe, im Hintergründe abgerundete, mit einer altai’artigen Bank versehene Nische (Figur 4). Oberhalb dieser Bank war die Wand kreuzförmig ausgebrochen. Das einst hier befindliche Kreuz fehlte. Es findet demnach Asböth’s Ansicht, dass dies eine Kapelle war, ihre Bestäti- gung.1) Eine genauere Untersuchung des Mauerwerkes ergab aber, dass diese Nische *) „Asböth’s Ansicht, dass dies eine Kapelle war“, geht, wie nahezu seine ganze, fast wörtlich aus meinen Berichten herübergenommene Schilderung der Burg von Jajce (vgl. Asböth, Bosnien und die Hercegovina, deutsche Ausgabe, S. 407 f., mit Alterthiimer der Hercegovina II u. s. w., Sitzungsberichte der Akad. der Wissensch., Bd. XCIX, S. 923) auf meine Angaben (1. c. S. 921 f.) zurück, auf die er, aller- dings verschämt genug, mit den Worten „wie Manche meinen“ hindeutet. Ich habe aber nicht nur diese Truhelka. Archäologische Forschungen auf der Burg von Jajce. 89 ursprünglich keinesfalls für kirchliche Zwecke erbaut worden ist. Während nämlich die 2'40 M. starke Stirnmauer der Nische aus schönen Quadern bestand, ist der rück- wärtige Theil sehr roh aus mit Steinen versetztem Gussmörtel hergestellt und zweifellos jüngeren Datums. Die genauere Untersuchung der Umfassungsmauer der Burg ergab, dass die ur- sprüngliche Stärke der Mauer 2'4Ü M. betrug und sie erst später verstärkt wurde, in- dem man in einem Abstande von 3 M. eine zweite aufführte und den Zwischenraum mit Kalk und Schutt ausfüllte. Damals wurde das ursprüngliche Castellthor mit dem Wappen vermauert und das gegenwärtige knapp daneben befindliche Thor gebaut. Um aber die Thornische zu benützen, wurde sie unter dem Walle erweitert uim zu einer Kapelle umgewandelt. Darüber, wann dieser Umbau vor sich gegangen, lässt sich nicht leicht Bestimmtes sagen. Fig. 2. Capital aus dem Burghof von .Jajce. Die Burg wurde zu einer Zeit gebaut, da in Bosnien Kanonen noch unbekannt waren, und da bot eine 2 M. starke Mauer hinreichenden Schutz gegen den andringen- den Feind. Als aber seit 1463 Jajce so oft mit Mörsern und Kanonen beschossen wurde, dürfte sich die Mauer als zu schwach erwiesen und manche Bresche erlitten haben. Vermuthung ausgesprochen und begründet, sondern 1. c. S. 922, Figur 23, auch die unter dem Herzogs- wappen befindliche Nische mit der Altarbank abgebildet, welche jetzt durch Schutt- und Mauerbeseiti- gung so glücklich wieder entdeckt wurde und „Asböth’s Ansicht“ bestätigt hat. Die legeren Umschreibun- gen, welche der Letztere gebraucht hat, um der eintönigen Wiederholung der Namen seiner Gewährs- männer auszuweichen, können bei etwas sorgloser Benützung seiner Daten allerdings leicht irreführen. So hat dieser Autor (woraus ich ihm übrigens bei dem populären Zwecke seines Buches gar keinen Vor- wurf mache), um aus vielen Beispielen nur ein auf Jajce bezügliches herauszugreifen, meine Mittheilungen über das Innere des „ Bären thurmes“ (1. c., S. 923 f.) S. 415 der deutschen Ausgabe seines Buches mit Aen- derung einiger Worte abgedruckt und — „einzelne unserer Officiere“ als Diejenigen citirt, welchen er den erwähnten „Blick in das Innere“ verdanke. D. Red. 90 I. Archäologie und Geschichte. Im Drange der unaufhörlichen, der ersten Belagerung durch die Türken folgenden Wirren dürften ungarische Befehlshaber die Verstärkung des Walles von 2‘4 M. auf 6 M. veranlasst haben. Damals entstand wohl auch unter dem einstigen Burgthor die Nothkapelle, welche bei einer Belagerung ihre Dienste leisten musste, weil die unter- halb der Abropole befindliche Lukaskirche den Belagerten nicht zugänglich war. Der erwähnte Umbau dürfte demnach um das Jahr 14(34 stattgefunden haben. Die Kapelle unter dem Wappenthor stand wohl nur bis 1528, in welchem Jahre Gazi Husrevbeg Jajce endgiltig eroberte, in Gebrauch. Während meiner Anwesenheit in Jajce hatte ich Gelegenheit, auch einige Nach- forschungen nach römischen Denkmälern im Plivathale anzustellen. Der interessanteste Punkt ist in dieser Hinsicht Sipovo (12 Km. oberhalb Jezero) und das gegenüber liegende Fig. 3. Pfeilercapitäl von .Jajce. Sarici. Dr. 0. Blau glaubte in dem Namen Sarici einen altillyrischen Ortsnamen — Saritte — wieder zu erkennen, und ich fand seine Ansicht vollkommen bestätigt, als ich den Namen vom Volke aussprechen hörte. Das „i“ wird nämlich sehr scharf und kurz betont, das „6“ klingt fast wie „t“, so dass der Name beinahe seinen alten Klang „Saritti“ beibehalten hat. Dieser Umstand würde für sich allein wohl nicht hinreichen, um die Lage der einstigen auf der Strasse Salona — Servitium befindlichen Ortschaft „Saritte“ festzustellen, aber römische Funde gestatten uns, den Standort derselben hie- her zu verlegen. Unter der Ortschaft Sipovo, knapp am Plivaufer, fand ich Ueberreste eines läng- lich-quadratischen Walles und innerhalb desselben zahlreiche Mauerspuren mit allen charakteristischen Merkmalen einer römischen Ansiedlung. Dieser einige Meter über dem Plivaniveau erhabene, von allen Seiten vom Wasser oder Moorland begrenzte Platz war unstreitig ein „Castrum“ und dürfte das alte „Saritte“ gewesen sein. Truhelka. Archäologische Forschungen auf der Burg von Jajce. 91 Die Bevölkerung findet hier ausser Ziegeln und Eisensplittern häufig römische Münzen. Auch soll an jener Stelle vor einigen Jahren ein Goldring gefunden worden und von einem Geometer acquirirt worden sein. Diese Localität konnte ich nicht ge- nauer untersuchen, da der ganze Platz bebaut war. Etwa 1 Km. flussabwärts am selben (linken) Ufer befindet sich ein kleiner Hügel, welcher „Crkvina“ genannt wird. Wie schon oft, habe ich mich auch hier überzeugt, dass das Volk mit diesem Namen fast ausschliesslich römische Ruinenfelder bezeichnet, während unter „Gradina“ fast ausnahmslos prähistorische Wallburgen verstanden werden. Der Crkvinahügel ist mit Mauerresten, Ziegeln, Mörtelstücken dicht besäet. Nach einem schön profilirten Gesimsstücke, welches ich hier fand, zu urtheilen, dürfte an dieser Stelle ein grosser Steinbau gestanden haben. Etwa 1 Km. flussaufwärts, knapp an der Brücke, welche über die Pliva nach Sarici führt, fanden sich einzelne sculpirte Baufragmente, welche ich schon bei früherer Gelegenheit sah. An dieser Stelle liess ich Grabungen vornehmen, die nach dreitägiger Arbeit ein stilvolles Grabdenkmal zu Tage förderten. Dasselbe gehört seiner Form nach dem 3. bis 4. Jahrhunderte an und ist das schönste römische Bauwerk, welches bisher in Bosnien entdeckt wurde. Es hatte die Form einer Tempelfront mit Säulen, Gesims, Fries und Tympanon. Von den schön cannelirten Säulen, die anscheinend 92 I. Archäologie und Geschichte. keine Capitäle besassen, wurden zahlreiche Fragmente, darunter zwei von 1 M. Länge, gefunden. Der auf den Säulen ruhende Gesimsbalken war an der Stirnseite mit je zwei leeren ovalen Schildern, an welche sich je eines mit einem eingemeisselten Kindes- kopfe anschliesst, verziert. Leider fanden sich von diesem schönen Balken nur ein grösseres (mit vier Schildern) und ein kleines Fragment vor. Der Rest dürfte ver- schleppt oder verbaut worden sein. Auf diesem Balken ruhte ein anderer, welcher auf der Stirnseite eine von einem Rankenornamente eingeschlossene Inschrift trägt. Der Text lautet : FFLEAPOI I INAR1ETHONÖ RIOFILIISCARISSL ETFRONTINOFRATRlETJylAXIMEMATRIi Fl(aviis) Apollinari et Iionorio filiis carissi[mis] et Frontino fratri et Maxi- m(a)e matri . . . (Vgl. Pli. Ballif, Röm. Strassen in B. u. d. H., I, S. 60, Y.) Oberhalb des Inschriftbalkens befand sich ein stark hervorragendes mit Echinus und Akanthus verziertes Sims und darüber ein Tympanon, welches in der Mitte ein von zwei Genien getragenes Porträtmedaillon und daneben in der Ecke einen Delphin zeigt. Auch dieses Tympanon war oben mit einem ähnlichen Akanthusstabe verziert, aber die Stücke desselben scheinen ebenfalls verschleppt worden zu sein. Ich erinnere mich, im Vorjahre ein ähnliches mit Akanthus verziertes Steinstück in der Kirche von Gerzovo (10 Km. westlich) gesehen zu haben, welches von derselben Stelle herrühren dürfte. Dieser Umstand würde uns erklären, warum dieses Denkmal nicht in seiner Totalität erhalten blieb. Was oberflächlich lag, wurde verschleppt, und nur das blieb erhalten, was die Erde bedeckte. Ausser Baufragmenten fanden sich auch andere Sculpturen, so ein überlebens- grosser Medusenkopf, ein kleiner Frauenkopf mit Haarputz ä ia Faustina und einige Truhelka: Archäologische Forschungen auf der Burg von Jajce. Oberer Theil des Grabdenkmales von Sipovo. ■ Truhelka. Archäologische Forschungen auf der Burg von Jajce 93 kleine Knabenküsten in Relief. Sämmtlicke Vorgefundenen Fragmente wurden nach Sarajevo geschafft und der obere Theil des Denkmals im Landesmuseum restaurirt aufgestellt, wie dies die beiliegende Tafel nach einer photographischen Aufnahme zeigt. Am jenseitigen Ufer, bei Sarici selbst, fand ich keine Spuren römischer Bauwerke, und an sonstigen Denkmälern nur eine verstümmelte Inschriftplatte, welche mit der Schriftseite nach oben lag und auf einem christlichen Friedhofe als Grabplatte verwen- det war. Die Inschrift war tadellos ausgeführt und zeigt gegenwärtig noch folgende Zeilenreste : LLV (ca) RI (ssi)MAE ET (pie)N ISS.I M/E IVAE (pos)VERVNT (l[ocus]) I) D D Wichtig ist die Schlusszeile: L(ocus) d(atns) d(ecreto) d(ecurionum) , die auf ein Municipium schliessen lässt. Von hier aus unternahm ich einen Ausflug zur Burgruine Sokolac, welche lange Zeit für Saritte gehalten wurde. Hier fand ich arg zerstörtes Mauerwerk der mittel- alterlichen Burg, dazwischen wohl kleine Ziegelsplitter, aber noch immer nicht in jener Anzahl, dass man auf eine grössere römische Wohnstätte schliessen dürfte. Zum Schlüsse möchte ich noch einen bei Jajce, Gemeinde Brdo, im Felde des Alaga Celagic gefundenen Jupiteraltar erwähnen. Die Inschrift ist so arg verwittert, dass sie bisher nicht entziffert werden konnte. Nur die erste Zeile (I ' 0 • M) und die Schlusszeile LIBENS (p.) sind leserlich, wie dies die Skizze Figur 5 erkennen lässt. Die K a t a k o m b en von J a j c e. Von Dr. Ciro Trulielka, Custos am bosn.-herceg. Landesmuseuni. (Mit einer Titelvignette und 14 Abbildungen im Texte.) Ansicht eines Theiles von Jajce. U nfern des St. Lucasthurmes von Jajce und unmittelbar neben dem alterthüm- lichen Schlosse daselbst befindet sich in einer Felswand der Eingang zu einer der bemerkenswerthesten Baulichkeiten Bosniens. Nachdem man einige Stufen abwärts gestiegen, tritt man durch eine kleine eiserne Thür in den engen Vorraum des unterirdischen Gotteshauses, von welchem eine weitere Thür in die Innenräume führt. Der ganze Bau ist mit vieler Mühe in den Felsen eingehauen. Dieses Werk, für welches wir die Bezeichnung „Katakomben“ beibehalten wollen (die einheimische Bevölkerung benennt ihn mit dem türkischen Worte „halvat“, d. i. Zimmer), hat wohl mit den anderen unter der Bezeichnung „Katakomben“ be- kannten Baudenkmälern nur die unterirdische Lage und das Materiale, in welchem es ausgehöhlt ist, gemein. Die bekannten Katakomben von Rom, Neapel u. s. w. sind Netze von engen, verschlungenen, vielfach verzweigten, manchmal mehrere Kilometer weit fortlaufenden Gängen, welche sich nur stellenweise zu kleineren Hallen erweitern, während wir in den Katakomben von Jajce eine nach einem einheitlichen architektoni- schen Plane ausgeführte Baulichkeit, ein christliches Gotteshaus mit aller seiner Zubehör, erkennen. Einigermassen erinnert dieselbe an die alten indischen Tempel, welche ebenfalls in dem gewachsenen Felsen ausgehöhlt wurden. Truhelka. Die Katakomben von Jajce. 95 Eigentümlich ist die Erscheinung, dass dieses Baues, zu dessen Herstellung ein gut Stück Arbeit aufgewendet worden sein mag, in gar keiner älteren geschichtlichen Aufzeichnung Erwähnung gethan wird, und dass die Ueberlieferung über die Ent- stehung dieses Denkmales im Laufe der Zeiten vollständig verloren ging. Die älteren Schriftsteller, welche dieses Baues gedenken, geben über dessen Ent- stehung keinen Aufschluss, ja es hat sich selbst bis in die jüngste Zeit noch Niemand | gefunden, der es eingehend beschrieben hätte. Dr. M. Hoernes (Alterthümer der Hercegovina II) widmet diesen Katakomben nur wenige Worte, welche er durch zwei sehr naive Bildchen ergänzt, die alles Andere eher als die Katakomben veranschaulichen, und Asböth (Bosnien und die Hercegovina) begnügt sich damit, die Hoernes’schen Abbildungen wiederzugeben und durch einige von der Mittheilung Hoernes’ nur unbedeutend abweichende Zeilen zu erläutern. Die beiden angeführten Schriftsteller haben ebensowenig wie ihre Vorgänger zur Kenntniss dieses interessanten Denkmals irgendwie beigetragen und sich nur mit der romantischen Seite von dessen Vergangenheit beschäftigt.* 1) l) Ich gebe gerne zu, dass meine kurze Beschreibung und flüchtigen Skizzen in den Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. d. kais. Akademie d. Wissenseh. Bd. XCIX, S. 924 f., nur als Hindeutung auf die Katakomben von Jajce gelten können, und ich wunderte mich selbst, dass Asböth sechs Jahre später in seinem I grossen Werke, S. 413 der deutschen Ausgabe, nichts Besseres zu bringen wusste, als eine Wiederholung der erwähnten, ich gestehe es, völlig ungenügenden Skizzen. Allerdings glaubte ich der Erste zu sein, der an einer nicht zu übersehenden Stelle auf dieses Denkmal aufmerksam machte, und ich bedauere darum, dass der Verfasser der obigen Arbeit „die älteren Schriftsteller, welche dieses Bauwerkes ge- denken“, nicht genannt hat, wodurch ich mich leicht hätte überzeugen können, ob ich wirklich „ebensowenig wie meine Vorgänger zur Kenntniss dieses Denkmals irgendwie beigetrageu“ habe. Dass ich mich „nur mit der romantischen Seite von seiner Vergangenheit“ beschäftigt habe, erscheint mir zweifelhaft, da ich unter Anderem die Stufenzahlen angab, welche Dr. Truhelka in seinem obigen Aufsatze nicht nennt. Doch das sind abgetliane Sachen, und ich gebe derlei ältere Mittheilungen mit Vergnügen jedem Tadel preis; ist dieser doch ein Zeichen, dass „die Karawane marschirt“. Sot'erne ich aber durch Flüchtigkeit, wie sie einem Reisenden leichter zu verzeihen ist als einem jahrelang im Lande Ansässigen, diesem Monumente Unrecht gethan habe, suchte ich dies wenigstens gutzumachen, indem ich in meinem Buche „Dinarische Wanderungen“ (Wien 1888, S. 312) einen technisch correcten Grundriss und Durch- schnitt der Katakomben, sowie S. 313 eine Innenansicht aus denselben mittheilte. Ich entnahm diese Illustrationen dem in der Wiener „Deutschen Rundschau für Geographie und Statistik“, Bd. X, 1887, S. 11 ff. mitgetheilten Aufsatz: „Die Königsstadt Jaice in Bosnien und ihre Katakomben“ von Gustav Bancalari, k. k. Oberst, wie in meinem citirten Buche S. 313 f. unter Mittheilung eines Textauszuges ausdrücklich angegeben ist. Jene Arbeit und dieser Hinweis sind dem Verfasser der obigen Abhandlung leider unbekannt geblieben, er würde sonst nicht geschrieben haben, dass sich bis in die jüngste Zeit noch Niemand gefunden habe, der die Katakomben eingehend schilderte. Bancalari schreibt unter Anderem: „Meines Wissens biete ich hier als der Erste einen vollkommen exacten und genauen Plan — ich verdanke ihn der besonderen Güte des Herrn Majors Reis des k. k. Geniestabes — der sogenannten Katakomben. . . . Der Plan der Katakomben ist vollkommen verlässlich, ist in gewissenhafter vielstündiger Arbeit durch genaues Messen aller Dimensionen von dem bereits genannten Herrn Stabsofficier gewonnen worden.“ Das erkennt man auch sofort als buchstäblich wahr, und ich stehe nicht an, dem von Bancalari herausgegebenen und von mir wiederholten Grundriss und Durchschnitt, der für alle Details genaue Masszalilen enthält, vor den oben mitgetheilten Figuren 6 und 7 entschieden den Vorzug zu geben. Es ist nöt.hig, dies zu bemerken, da die beiden Pläne, resp. Profile nicht unwesentliche Differenzen aufweisen, und da ich geneigt bin, die Reis’sche Aufnahme in dieser Beziehung für durchaus richtiger zu halten. Dagegen erscheint mir wieder Bäncalari’s Annahme von der Entstehungszeit dieser Gruftkirche (er hält sie für ein sehr junges neuzeitliches Werk) hinfällig gegenüber den obigen Darlegungen des Herrn Dr. Truhelka. D. Red. 96 I. Archäologie und Geschichte. Hoernes und Asböth bringen auch die Abbildung eines über einer gegenwärtig vermauerten Thür des Schlosses von Jajce angebrachten Wappens (s. Fig. 1, vgl. oben S. 88 f. u. S. 91, Figur 4). Wenn wir die „Katakomben“ auch noch so eingehend besichtigen, so bietet sich uns doch kein Fingerzeig, welcher es ermöglichen würde, die Entstehung derselben mit einiger Sicherheit der einen oder der andern Culturepoche zuzuschreiben und die Zeit ihrer Gründung auch nur annähernd festzustellen. Am empfindlichsten macht sich in dieser Hinsicht der gänzliche Mangel an ornamentaler Ausschmückung und architek- tonischen Details, wie Säulen, Capitäler u. s. w. fühlbar; wir sind daher gezwungen, unsere ganze Aufmerksamkeit dem Anlageplan zuzuwenden, der aber gleichfalls zahl- reiche Widersprüche aufweist. Fig. 1. Wappen über dem vermauerten Plivatlior der Burg von Jajce. Die unterirdische Anlage in dem Felsen würde auf die erste Zeit des Christen- thums als Entstehungszeit hinweisen, da dieses noch gezwungen war, im Schoosse der Erde vor Verfolgungen Schutz zu suchen, während die Detailanlage des Baues, seine Eintheilung und Gliederung, die Art der Ausführung und insbesondere die unter dem Hauptbaue angebrachte Krypta, auf das Zeitalter des romanischen Stiles, also auf eine frühere Periode des Mittelalters deuten und endlich in den Gewölben auch rein gothische Formen gefunden werden, welche erwiesenermassen erst gegen den Ausgang des Mittelalters zur allgemeinen Anwendung gelangt sind. Diese gothischen Motive — die in eine Spitze auslaufenden W ölbungen — sind übrigens im vorliegenden Falle für die Altersbestimmung belanglos, weil bekannter- massen der Spitzbogen, dem wir schon bei den alten babylonischen Baudenkmälern und Truhelka. Die Katakomben von Jajce. 97 in abgeänderter Form auch in My kenne finden, viel älteren Ursprungs ist als der Rund- bogen. Nur die Construction des Spitzbogens, wie wir sie an rein gothischen Baudenk- mälern finden, könnte einen Anhaltspunkt bieten; in dem vorliegenden Falle aber ist es schwer, Motiv und Construction auseinanderzuhalten, weil die Wölbungen nicht Fig. 3. Beabsichtigte Gestalt des Wappens am Eingänge der Katakomben von Jajce. ■ / durch regelrechtes Aneinanderfügen von Stein an Stein hergestellt, sondern aus einem einzigen riesigen Felsblocke ausgehauen sind. Die Regelmässigkeit dieser Bogen und die wohlüberlegte Anwendung derselben führen mich zu der Ansicht, dass wir in diesen Formen eine Anlehnung an eine länger dauernde bauliche Tradition zu suchen haben. Band 11. 98 I. Archäologie und Geschichte. Die Unsicherheit uncl Uirvollständigkeit aller urkundlichen Denkmäler war Ursache, da .ss es bisher Niemand wagte, sich ein Urtheil über die Entstehungszeit dieses Baues zu bilden, und auch ich, der ich doch oft Gelegenheit hatte, dieses Denkmal der bos- nischen Vergangenheit eingehend zu besichtigen, war bis vor kurzer Zeit über diesen Punkt im Unklaren. Im vorigen Winter hatte ich abermals Gelegenheit, die Katakomben zu besuchen, bei welchem Anlasse mir Herr Bezirksvorsteher Windakicwicz mittheilte, dass er in einer der undeutlichen Sculpturen zur rechten Seite der Thür ein Schwert zu erkennen glaube. Wir begaben uns gemeinsam zur Stelle, und ich überzeugte mich nicht nur von der Richtigkeit dieser Annahme, sondern auch davon, dass unter einer im Verlaufe der Zeit geschwärzten und vom Felsen kaum zu unterscheidenden Kalkschichte noch mehrere Sculpturen verdeckt seien. Unsere erste Sorge war nun die Kalkschichte zu entfernen, was auch binnen Kurzem so weit gelang, dass wir die ganze mit ihren Um- risslinien in den Stein gegrabene Composition erkennen konnten. Unmittelbar an der Thür zeigen sich die Conturen einer menschlichen Gestalt, deren Füsse schon unter das Niveau des Fussbodens fallen. In der Rechten Hält diese Figur eine Lanze, in der Linken den Knauf eines mächtigen Schwertes. Gegenüber dieser Figur, auf der linken Seite der Thür, ist eine heraldische Darstellung ange- bracht. Dieselbe zeigt einen grossen Helm von der zu Ende des 14. und zu Anfang des 15. Jahrhunderts üblichen Form, auf dessen Kamm sich ein Schild befindet, von welchem ein Wappenmantel niederwallt. Oberhalb des Schildes ist ein Arm dargestellt, der ein grosses Schwert schwingt. Die ganze Composition wird von einer klaffenden Spalte durchschnitten, welche, wie wir aus einigen Ueberbleibseln schlossen, mit Steinen und Kalk ausgefüllt war. Dieses Wappen — denn etwas Anderes kann die Darstellung nicht bedeuten — Avar vom Künstler erst begonnen und nur in seinen Umrissen angedeutet; denn offenbar musste er die Arbeit abbrechen, bevor es ihm gegönnt war, dieselbe zu plastischer Vollendung zu bringen. Die Figuren 2 und 3 zeigen uns dieses Wappen: Figur 2, Avie es des Bildners Pland unvollendet verlassen, und Figur 3, Avie er dasselbe allenfalls auszuführen gedacht haben mag. Es drängt sich nun die Frage auf: Wessen ist dieses Wappen? Die einzige hervorragende Persönlichkeit in der Geschichte Bosniens, Avelche den scliAvertbewehrten Arm im Wappen führt, ist der Gross vojvode Aron Bosnien und Herzog von Spalato, Hrvoja. Das Wappen Hrvoja’s, Avie wir es auf den unter seiner Herrschaft geprägten Münzen finden, zeigt uns Figur 4. Die etwas veränderte Anordnung desselben möge den Leser nicht beirren; denn wir finden gerade aus der Zeit Hrvoja’s viele Wappen, auf welchen der Schild oberhalb des Helmes angebracht ist, Avährend der Mangel heraldischer Zeichen auf unserem Schilde daAron herrührt, dass der Bildner seine Arbeit unterbrechen musste, noch ehe er sie im Einzelnen ausführen konnte. Für uns ist die Hauptsache die vornehmste Zier des Wappens, der schwertbeAvehrte Arm, und dieser ist ein so sicherer Anhaltspunkt, dass wir mit voller Beruhigung den Balken mit den drei Lilien und den zAvei ober- und unterhalb desselben befindlichen Kreuzen auf den Schild setzen können. Im Uebrigen finden wir auf der rechten Seite der Thür die Ergänzung. Hier hatte der Künstler gleichfalls eine Composition begonnen, eine Aveibliche Gestalt, welche in der Linken eine Lilie, das zweite Sinnbild Hrvoja’s, hält (s. Figur 5). Truhelka. Die Katakomben von Jajce. 99 Die Auffindung' dieses Wappens hat Lieht gebracht in das Dunkel, welches bisher über die Entstehungszeit der Katakomben herrschte, denn nun können wir mit voller Sicherheit Hrvoja als deren Gründer annehmen. Aus der Geschichte wissen wir, dass die Zupa (Gespanschaft) „Dolnji Kraj “ (allenfalls übersetzbar mit „Unterland“), in welcher Jajce mit seiner Umgebung lag, Hrvoja unterthan war, welcher schon im Jahre 1404 den Titel „Vojvoda dolnjih kraj1) (Vojvode des Unterlandes) führte; ebenso ist be- kannt, dass Hrvoja nach seiner Entzweiung mit dem bosnischen Könige Ostoja und nach seinem Anschlüsse an den König Sigis- mund von Ungarn von diesem Letzteren im Jahre 1411 im Besitze des „Dolnji kraj“ bestätigt wurde.2) In diesem letzteren Jahre weilte Hrvoja in Jajce, wahrschein- lich um den Anschluss an das ungarische Heer, welches Bosna- aufwärts gegen Ostoja im Anzuge war, abzuwarten. Am 27. April 141 1 erliess Hrvoja von Jajce aus den Aufruf an seine Spalatiner, sich von Ostoja loszusagen,3) und am 2. März 1412 fertigte er zu Jajce die Schenkungs- urkunde, welche der Königin Katharina das ihm vom Ragusaner Rathe geschenkte Haus überträgt.4) Diese beiden Urkunden sind ein vollgiltiger Beweis dafür, dass Hrvoja über Jahr und Tag in Jajce residirte; wir können daher auch die Entstehungsgeschichte der Katakomben in diese Zeit verlegen. Hier müssen wir noch der in der Gegend von Jajce geläufigen Sage ge- denken, welche dem Herzog Hrvoja auch die Gründung der Stadt Jajce zuschreibt, einer Sage, welche bisher jedweder ge- schichtlichen Begründung entbehrte und erst durch die Auffindung dieses Wappens an Wahrscheinlichkeit gewinnt. Ehe ich mich der Beschreibung der Katakomben selbst zuwende, will ich noch Folgendes bemerken. Ich hege gegründete Zweifel, dass Hrvoja, der ja in Spalato so viele künst- lerisch ausgeführte Gebäude kennen ge- lernt, sich mit der Absicht getragen habe, in diesen Katakomben sich ein originelles Denkmal zu errichten. Eine derartige alt- oder vorchristliche Idee wäre in einer Epoche, in welcher sich schon die Renaissance an der dalmatinischen Küste bemerkbar machte, nicht am Platze gewesen. Viel mehr Wahrscheinlichkeit hat die Annahme für sich, dass sich hier einst eine natürliche Höhle befand, welche zur Kirche um- gestaltet worden war und sodann von Hrvoja während seines Aufenthaltes in Jajce Fig. 5. Unfertige Sculptur auf der rechten Seite des Einganges zu den Katakomben. Hrvoja’s Wappen auf Münzen. 1) Pucic, Sporn. Dubr. arkive (Denkmäler des Ragusaner Archives), S. 54, Urkunde vom 27. Mai 1404. 2) Klaic, Povjest Bosne (Geschichte Bosniens) S. 311. 3) Lucius, De regno Croatiae, Slavoniae et Dalmatiae, pag. 391. 4) Pucic, a. a. O., S. 175—176. 7* 100 I. Archäologie und Geschichte. erweitert und verschönert wurde, hei welcher Gelegenheit diese Katakomben die Gestalt erhielten, in der sie sich heute dem Beschauer zeigen. Ueber den Zweck dieses Tempels klären uns die theils fertiggestellten, theils begonnenen Sarkophage in den Wänden und vor Allem die unter der Kirche selbst befindliche Krypta auf. Wahrscheinlich beabsichtigte Ilrvoja hier eine letzte Ruhestätte für sich und seine Familie anzulegen. Die Ueberlieferung sagt, dass hier die Gruft der bosnischen Könige sei; wir aber wissen, dass von den alten bosnischen Königen mit Ausnahme des letzten derselben nicht ein einziger in Jajce starb. Ostoja war der Todfeind Hrvoja’s, König Thomas Fig. fi. Grundriss der unterirdischen Kirche in Jajce. fiel durch Mörderhand auf dem Bilajsko polje, und dem Stefan Tomasevic gönnte das Schicksal nicht einmal ein christliches Begräbniss; denn er starb als Gefangener der türkischen Eroberer. Im Uebrigen blieb der Bau ijn vollendet, und wenn er überhaupt einem Zwecke gedient haben mag, so wäre noch am ehesten anzunehmen, dass hier in der unmittel- baren Nähe des St. Lucasthurmes der aus Serbien liieher übertragene Leichnam dieses Evangelisten bestattet worden sei. Von den früheren Schicksalen des Tempels ist wenig bekannt. Die ältesten Ein- wohner Jajces sagen, dass er einst als Kerker gedient habe; zur Zeit der Feldzüge Truhelka. Die Katakomben von Jajce. 101 Omer Paschas flüchteten die Weiber und Kinder der Stadt hieher vor den Schrecken des Kampfes, und zur Zeit des Einmarsches der k. und k. Truppen hatte liier ein findiger Mohammedaner einen Bierkeller errichtet. Erst die jüngste Zeit hat die Aufmerksam- keit auf dieses ehrwürdige Denkmal der bosnischen Vergangenheit gelenkt, welches Fig. 8. Grabnische an der linken Seite der Graftkirche von Jajce. Fig. 9. Altarwand der Gruftkirche. jetzt, gereinigt und in Stand erhalten, für den Fremden eine der bemerkenswerthesten Sehenswürdigkeiten bildet. Bei diesem Anlasse soll noch zweier ähnlicher Bauwerke gedacht werden und zwar der Felsgrotte hei Rataj x) und der Kirche des Klosters Zavala im Popovo polje. 0 Siehe Band I, S. 492 f. 102 I. Archäologie und Geschichte. Die Cella von Rata] ist ein so kleiner Raum, dass sie mit den Katakomben von Jaje keinen Vergleich aushält; bemerkenswerth ist jedoch, dass sich über der Apsis der gleiche gothische Bogen findet wie in Jajce. Das Kirchlein von Zavala1) ist an den Felsen angebaut, nur der Altar ist in den Felsen selbst eingehauen, welcher das Sanctuarium dachartig überragt, während die anderen Mauern angebaut sind. Dieses Kirchlein ist nicht das einzige, welches an einem schon früher von der Natur selbst geschützten und zu gottesdienstlichen Verrichtungen geeigneten Orte erbaut wurde. Ich erinnere mich, bei Dobrun eine ähnliche überhängende Wand gesehen zu haben, unter deren schützendem Vorsprunge einige Kreuze und christliche Symbole eingehauen waren, welche annehmen lassen, dass einst in Ermanglung eines anderen Gotteshauses liier unter freiem Himmel die Gläubigen zum Gebete versammelt wurden. Fig. 10. Rechte Nische an der Altarwand. Beschreibung der Kirche. Die Eintheilung des Baues entspricht vollständig derjenigen aller älteren Kirchen des romanischen Styles. Ihre Hauptbestandtheile sind (siehe die Grundriss- und Durchschnittsskizzen Figuren (5 und 7) der Narthex (Vorhalle), das Baptisterium mit dem Taufbecken und die eigentliche Kirche, welche in Kreuzesform von dem Sanctuarium oder Presbyterium überquert wird, und schliesslich der Altar. Der Narthex ist ein schmaler Raum von 2T8 M. Breite und 5\5Ü M. Länge, nach oben zu durch ein Tonnengewölbe abgeschlossen, ohne irgendwelche architektonische Ausschmückung; nur zur rechten und zur linken Seite der zur Kirche führenden Thür sind die beiden oben beschriebenen Wappenbilder eingehauen. Dieser Raum ist nicht ausschliesslich aus dem Felsen ausgehauen, sondern es wurden an zwei Seiten zur Er- gänzung der Umfassung Steinmauern aufgeführt. ') Siehe Baml I, S. 30:1 ff. Truhelka. Die Katakomben von Jajce. 103 Eine enge niedrige Thür, die oben durch einen Rundbogen abgeschlossen ist, führt durch eine dicke Wand in die Kirche, deren vorderer Theil sich beiderseits erweitert und mit zwei zur rechten und linken Seite angebrachten überwölbten Nischen ( C) abschliesst. In der rechten Ecke neben dem Eingänge b ©findet sich eine aus dem Fels ge- hauene Bank, welche drei muldenförmige, offenbar zur Aufnahme der Gfefässe für das geweihte Wasser bestimmte Vertiefungen zeigt. Dieses Baptisterium ist 7'50 M., beziehungsweise bis zum Grunde der seitlichen Nischen, 9'50 M. breit und 2 '05 M. lang. Das Hauptschiff der Kirche, welches sich an das Baptisterium anschliesst, ist schmäler und verhältnissmässig kurz gehalten (M. 2'80 X 4-60'. Linker und rechter Hand ist in den Wänden des Hauptschiffes je ein niedriges Rundgewölbe von 1'20 M. Tiefe ausgehauen, dessen hintere Wand mit einem in dem Felsen eingeschnittenen Doppelkreuze geziert ist, welches zu beiden Fig-, 11. Linke Nische an der Altarwand. Seiten von Sonne und Mond flankirt wird. Diese beiden Rundbogen umspannen je einen Sarkophag (Grüfte), und zwar ist der links befindliche (Figur 8) zur vollen Tiefe von 2 M. ausgehöhlt, während der rechte erst begonnen und nur circa 10 Cm. tief ausgehauen erscheint. Diese beiden Nischen, beziehungsweise Grüfte, nehmen beinahe die ganze Länge der Seitenwände des Hauptschiffes ein, welches sich gegen das Presbyterium zu bedeutend erweitert. Die beiden Seitenwände endigen gegen das Presbyterium zu in Eckpfeilern (E), die durch ihre bedeutende Zurückstellung die Erweiterung des Hauptschiffes bilden. Das schmale, aber lange Presbyterium (M. 2'94 X 10'66) überquert das Hauptschiff wie die Arme den Stamm eines Kreuzes. Auf der linken Seite des Sanctuariums ist in der gegen das Kirchenschiff gelegenen Seitenwand eine kleine niedrige Thür angebracht, welche durch einen kurzen engen Gang den Eintritt in einen kleinen Raum ( F) von 1 M. Breite und 2 M. Länge gestattet. Der noch die Spuren der Vertiefungsarbeit zeigende Boden dieses Raumes weist darauf hin, dass hier ebenfalls eine Gruft ausgehöhlt werden sollte. 104 I Archäologie und Geschichte. Symmetrisch mit dieser war an der rechten Seite des Sanctuariums eine zweite Grabkammer geplant, deren Eingang jedoch nur in seinen Umrissen angedeutet und nur ganz seicht ausgearbeitet ist. Den Hintergrund der Kirche nimmt der breite aber niedrige Altar ( Figur 9) ein. Die weite und tiefe Apsis, in welcher der Opfertisch aufgestcllt werden sollte, ist durch einen gothischen Spitzbogen überwölbt, und zu beiden Seiten des Altars zeigen sich dem Beschauer zwei ähnliche, aber kleinere Spitzbogen. Die beiden durch diese Bogen überspannten Kämmerchen (1,1) waren offenbar nicht zur Aufstellung von Altären bestimmt, sondern dienten höheren geistlichen Würdenträgern, welche den heiligen Handlungen etwa beiwohnten, als Aufenthaltsort. Die rechte dieser beiden Kammern (Figur 10) ist fertig, während die linke (Figur 11) nur aus dem Gröbsten ausgearbeitet erscheint. An der linken Abschlusswand des Sanctuariums linden wir abermals eine Nische (H), gleich den Nischen ( C) im Baptisterium, welche durch einen niedrigen Kundbogen überwölbt, und in deren Hinterwand ein kleiner Spitzbogen ausgehauen ist (Figur 12). An der rechten Stirnwand des Baptisteriums ist der Be- ginn der Arbeit zur Herstellung einer gleichen Nische zu erkennen. Zu beiden Seiten des Altars zeigt sich ein ^ enger Gang ausgehöhlt, welcher etwas um den " ",/m Altar umbiegt und sodann nicht weiter fortgesetzt wurde. Zweifellos bestand die Absicht, mit diesem Fig. 12. Unfertige Grabnische an der Gange den Altar zu umgreifen und hier, wie wir Unken Schmalwand des Querschi fl es. eg -n apen Kirchen romanischen Styls finden, den den Altar umgürtenden Chor aufzustellen. Im Grunde dieses Chores wäre sodann noch eine den Abschluss der Kirche bildende halb- kreisförmige Concha anzubringen gewesen. Wie aus dieser kurzen Beschreibung hervorgeht, ist die Kirche unvollendet ge- blieben und nicht einmal der Anlageplan vollständig durchgeführt worden. In den Figuren 6 und 7 habe ich den Plan der Kirche, soweit er wirklich ausgeführt ist, skizzirt, und Figur 13 zeigt die Kirche im Grundrisse, wie sie nach ihrer Vollendung hätte aussehen sollen. Wie dieser Plan zeigt, wäre die Kirche ein ziemlich breiter und geräumiger Bau geworden. Die Decke derselben ist ungleich in abwechselnden Wölbungen gehalten. Der Narthex ist durch ein gewöhnliches Tonnengewölbe abgeschlossen, während das Baptisterium und das Kirchenschiff von einem flachen Rundbogen überspannt sind, der in der Mitte von einem Spitzbogen überhöht ist. Dieser letztere Bogen zeigt eine sorg- fältige Glättung und Ausarbeitung. Das Sanctuarium wird in seiner ganzen Länge von einem einzigen, sehr flachen Bogen überspannt. Die Krypta. Wenige Schritte vom Eingänge in die eigentliche Kirche stossen wir auf eine im Boden derselben, beinahe in dessen Mitte, ausgehobene länglich-recht- eckige Oeffnung, in welcher einige steile Stufen hinabführen, über welche man in die unter der Kirche angelegte Krypta gelangt. Diese Krypta ist ein enger niedriger Raum von 3'92 M. Länge und 4-22 M. Breite, dessen Decke unregelmässig ausgehauen ist, und welcher eine Höhe von 1‘90 M. bis 2-20 M. besitzt. Die Mitte dieses Raumes nimmt ein grosser, aus dem Felsen ausgehauener und unten und oben mit dem Gestein verwach- sener Altar ein. In der Platte, welche den Opfertisch dieses Altars mit der Decke Truhelka. Die Katakomben von Jajce. 105 verbindet, finden wir das Doppelkreuz mit Sonne und Mond, Symbole des Todten- e ult us, welchen wir schon in der oberen Kirche über der Gruft begegnet sind (Figur 14). Schon in der Kirche selbst wird der Aufenthalt durch die daselbst herrschende drückende, feuchtmoderige Luft unangenehm, in der Krypta vollends ist ein längeres Verweilen in Folge der beklemmenden Atmosphäre unmöglich. Die Krypta bildete eine Hauptziel* der Kirche; im Mittelalter wurden die Todten- ceremonien an diesem Orte vollzogen. Fig. 13. Beabsichtigter Grundriss der Gruftkirche von Jajce. Vom künstlerischen Standpunkte bietet diese Kirche, wie schon erwähnt, nichts Bemerkens wertlos, weil ihr jedwede Ausschmückung fehlt, und vom bautechnischen Standpunkte kann man an diesem Denkmale den Mangel jedweden Verhältnisses zwischen Länge, Breite und Höhe ausstellen. Die Gesammtlänge beträgt 13*7*1 M. und die Höhe am höchsten Punkte kaum 4*15 M., während an den Seiten die Wöl- bungen so niedrig sind, dass man fast mit dem Scheitel anstösst. Die Finsterniss, welche in diesen Räumen herrscht, der Qualm der Fackeln und Kerzen, mit welchen wir unseren W eg erleuchteten, sowie die drückende, athembenehmende Atmosphäre, verursachen dem Besucher ein beängstigendes Gefühl, welches sich in der wohl unbe- 106 I. Archäologie un Ilacvovap)(7j“ gehörte, schliessen zu müssen, dass er 1155 nur ein Bundesgenosse, nicht Unterthan Gezas II. war, was aber aus diesem Worte nicht unbedingt folgt. Wohl aber schliesst ein einfaches BundesverhäLtniss aus, dass Boric in einer Urkunde Stephans IV. 1163 (Tkalöic, Monum. Hist. Episc. Zagrabiensis, I, 3) als Zeuge zwischen den Ungar. Würdenträgern, nach dem Palatin und Judex curiae, vor den Ober- gespänen, vor Bodrogli und Csanad erscheint. 162 I. Archäologie und Geschichte. In diese Zeit (1138) fällt auch die Eroberung Ramas, dessen Namen hierauf Bela II. unter seine Königstitel aufnahm. Diocleas kennt die Zupen Rama und Neret, die nach seiner Erzählung als König Prelimir sein Reich zwischen seine Söhne theilte, zur Provinz Podgorje gehörten. Die Zupa Neret erscheint auch in dem Document König Belas IV. vom Jahre 1244, in dem er mehrere Bestandteile Bosniens erwähnt. Wie schon der Name andeutet, müssen wir dies Gebiet an dem Ramaflusse am Laufe der oberen Narenta, dort, wo der Fluss seine Richtung von Ost nach West ändert und sich südwärts wendet, suchen, wo ein kleines Gebiet, obwohl es schon jenseits der Wasser- scheide des Schwarzen Meeres liegt, noch bis heute zu Bosnien und nicht zur Herce- govina gerechnet wird. Dieses kleine Gebiet muss schon beim Zerfall des serbischen Reiches in der Primorje der ungarische Ban Bosniens für sich und mittelbar für den König von Ungarn erobert haben, wenigstens lässt es sich so am leichtesten erklären, dass das Gebiet zu Bosnien kam, den Titel davon aber der König von Ungarn annahm.1) Gewöhnlich wird behauptet, dass König Bela II. im Jahre 1135, also noch bevor er seinem Sohne das bosnische Herzogthum ohne Erwähnung Ramas verlieh, den Königstitel von Rama zu gebrauchen anfing, dieses also damals schon erobert war. Doch dies ist ein Irrthum, der daraus entstand, dass die Schriftsteller sich mit dem Bruchstück der betreffenden Urkunde begnügten, das bei Fejer im II. Bande seines Codex Diplomaticus erschien, i In Tom. VII, vol. 5 der nämlichen Sammlung erschien aber genanntes Document vollständig, und dort ist ersichtlich, dass es noch eine Fortsetzung hat, welche aus 1139 stammt. Es ist also viel wahrscheinlicher, dass die Einleitungsworte: „Bela Dei Gracia Hungariae Ramaeque rex“ sich auf die spätere Urkunde von 1139 als. auf die frühere von 1135, die gleichsam in die spätere eingeschaltet ist, bezieht, und diese Wahrscheinlichkeit wird zur Gewissheit, wenn wir bedenken, dass in den bis auf ein Stück noch im Originale existirenden Urkunden Belas II. bis 1138 der Titel Rex Ramae nicht vorkommt und derselbe zum ersten Male 1 138 in einer Urkunde für das Spalatiner Erzbisthum erscheint.2) Es ist demnach, um endlich zu schliessen und das Resultat unserer kurzen Ab- handlung noch einmal zusammenzufassen, die grösste Wahrscheinlichkeit dafür, dass die in Bosnien wohnhaften, damals noch durch keinen festeren staatlichen Verband anein- ander geknüpften serbischen Stämme im dritten Decennium des 12. Jahrhunderts sich freiwillig dem König von Ungarn unterwarfen, der dem Lande um das Jahr 1137 eine wenigstens den damaligen Begriffen entsprechende Organisation gab, das bosnische Banat gründete, welches allsogleich mit dem Ländchen Rama der serbischen Primorje vermehrt wurde und im Laufe der Zeiten sich zum Königreiche Bosnien entwickelte. *) Klaio, 1. c. 64 in der Note citirt mehrere Stellen, aus denen ersichtlich ist, dass, obwohl die späteren ungarischen Schriftsteller Bosnien mit Rama identificirten, es doch auch ein separates Rama gab. Hiezu kann ich noch die Stelle aus einem Document Belas IV. vom Jahre 1244 anführen : „Contra Paterinos in Boznam et in terram Ramae — proficiscerentur.“ Wenzel, 1. c. VII, 1(57 ; Otto Frising., Gesta 1, 31, 1. c. 368 nennt auch schon Rama. Diocleas, c. 24, 1. c. III, 490. 2) Fejer, 1. c. 11, 82, VII, 5, 100 ff. Der Titel Rex Ramae fehlt bei Wenzel, 1. c. I, 49, 53; Fejer, 1. c. VII, 5, 108; Knauz, Monumenta Ecclesiae Strigonien.sis, I, 97 und kommt vor am frühesten 1138. Kukuljevic, 1. c. I, 31. Die Urkunde ebendaselbst, S. 8, wo sich schon König Koloman 1103 Rex Ramae nennt, ist falsch, siehe: Dalmät.-IIorvätorszäg elfoglaläsäröl (Ueber die Eroberung Dalmatiens und Croatiens) Szäzadok, 1888, 324, 2. D r a g a, D a n i c a und R e s a. Von Hilarion Ruvarac, Arehimandrit des oriental. -orthod. Klosters Grgetek in Syrmien.1) I. Draga. Welche Draga meinst du, und von welcher Draga hist du entschlossen, hier zu sprechen? Vielleicht von jener Draga, Nonne des heil. Nicolaus, oder von jener andern Draga, Nonne des heil. Dismas, von welchen die erste 1312, die andere 1263 in einem Protokolle der Gemeinde Trau genannt wird? (Starine, XII, 212 und 225.) — Oder hist du vielleicht entschlossen, zu erzählen von Draga, der Schwester des stolzen Geschlechtes der Sankovici in Nevesinje? Sie war die Tochter des alten Kaznac (Kämmerers) Sanko, Schwester des Zupans Beljik und des Herzogs Radic, Nichte des Zupans Gradoje und Muhme der Fürsten Budelj und San ein. Jene Sankovici haben den heil. Georg und den Erzengel Michael als ihre Hauspatrone gefeiert; sie waren es auch, welche am 15. April 1391 der Gemeinde und den Patrieiern der gottesfürchtigen Stadt Ragusa den Gau Kanali mit der Stadt Sokol, welche in diesem Gaue liegt, schenkten und des Weiteren derselben Gemeinde die Dörfer, Grund und Boden von Vitaline bis zu ihren eigenen Gemarkungen und Grenzen bis zum Meere bis zum Hafen von Molonta mit Einschluss der gleichnamigen Insel, welche Vitalin gegenüber liegt, zum Geschenke machten. Von dieser letzteren Draga also willst du sprechen, vielleicht deshalb, weil sie der verstorbene Danicic in seinem Wörterbuche der serbischen literarischen Alterthümer geringschätzig überging und ihrer nicht einmal erwähnte, obzwar die gedachten Brüder Sankovic in dem bezogenen Protokolle vom 15. April des Jahres 1391 sich berufen auf ihre Schwester Draga, und deren Einwilligung zur Ab- tretung der beregten Gaue und Gründe an die Gemeinde Ragusa? (Siehe Miklosich, Mon. Serb. 219.) Von keiner der Dragas, welcher du erwähntest, will ich sprechen; denn was könnte ich von ihnen eigentlich berichten, und wäre es überhaupt am Platze, von jenen Nonnen aus Trau hier zu erzählen? Von einer anderen Draga, die den Namen Draga Bosanka (Draga die Bosnierin) führte, will ich hier — nicht fabeln und nicht erzählen, denn ich kann ja weder fabeln noch erzählen, sondern nach meiner Gepflogenheit, da ich etwas Anderes und Besseres -1) Wir konnten uns nicht entschliessen, der originellen Einkleidung des Gegenstandes, welche allerdings in der Uebersetzung und theilweisen Kürzung Manches von ihrem Colorit verliert, näher zu treten, als mit Rücksicht auf den Zweck der Arbeit unbedingt nöthig war. Die Leser derselben sind jetzt freilich nicht mehr diejenigen, für welche der Verfasser ursprünglich geschrieben, allein vielleicht ist seine Abhandlung gerade darum in diesem neuen Kreis von doppeltem Interesse. D. Red. 11* 164 I. Archäologie und Geschichte. zu thun nicht verstehe, verhandeln und polemisiren. Ich will also wegen ihr streiten mit Allen und mit Jedem, welche bisher eingestanden sind und ihre Lanze eingelegt haben für diese Draga Bosanka. „Nun sage doch endlich, welche Bosnierin wäre dies, die sich Draga nannte, und über welche du polemisiren und damit uns und sie quälen willst?“ Ich will disputiren über Draga., die Tochter des Bans Stephan Kotromanic, dessen schon im Jahre 1322 als Ban gedacht wird, und welcher bis zum Jahre 1353 herrschte. In diesem letzteren Jahre vermählte er auch seine Tochter Elisabeth an seinen Be- schützer Ludwig (Laus, Lobus, Loisa) den Grossen, König von Ungarn. Somit ist die Bede von Draga, Schwester der ungarischen Königin Elisabeth, Muhme des Bans und Nachfolgers Stephans, des ersten bosnischen Königs Tvrtko. Ich frage: Wer war ihre Mutter, und wann wurde Draga geboren, welches war ihr Lehens- lauf, hat sie sich verehelicht, und wann, und an wen? Aber zu allererst frage ich: Worauf beruht die Annahme der Existenz dieser Draga Bosanka, denn wenn das Fundament ihrer Existenz sich als morsch und bröcklig erweist, dann will ich zerreissen, zerschlagen, zerstreuen, zerstören, oder besser gesagt, da doch Etwas, was nicht besteht, was niemals bestanden hat, sondern nur wie ein Gespenst und Nebelgebilde umherspukt, nicht vernichtet werden kann, so will ich nur proclamiren und aussprechen: „dass diese Draga nicht existirt, dass sie nie existirt hat, und dass heute von einer Draga Bosanka, der Schwester der Königin Elisabeth, und Tochter des Bans Stephan nicht die Bede sein kann“. Nun, bis dahin ist es noch weit; ich trete in die Disputation erst ein und formulire mein Thema. Ich will die Frage von jener Draga erörtern, welcher der an- gesehene Zaratiner Paul Pavlovic in seinem Tagebuche (Memoriale Pauli de Paulo, patritii Jadrensis) unter dem 24. October des Jahres 1383 mit den Worten gedenkt: „Eodem anno (MCCCLXXXIII) die XXIV. Octobris applicuit Jadram Domina Elisabctha Begina Ungariae senior, et Domina Maria Beginn iunior, et Domina soror Draga, soror sua cum certis Praelatis et Baronibus eorum etc.“ Dieses Memoriale hat zuerst der gefeierte Jovan Lucic aus Trau in seinem Werke: „De regno Dalmatiae et Croatiae“, der ersten kritischen Geschichte von Dalmatien und Croatien, herausgegeben. Im fünften Buche, Capitel II, S. 407 ed. Schwandtner wird obige Stelle ohne Bemerkung oder Correctur citirt und nur das erste „soror“ weggelassen, sowie statt „certis“ „ceteris“ gesetzt. L u c i c liess also die Draga unberührt. Wenn nun dem gründlichen und kritischen Lucic diese Draga so sehr behagte, dass er sie unverändert beliess, was sollen wir dann von dem Stammvater der heutigen Byzantologen, dem würdigen Dufresne-Du Cange sagen, der als Franzose ein Gelehrter von leichtem Blute war? Dufresne behauptet, dass jene Draga keineswegs die Schwester Marias, der Tochter und Nachfolgerin des ungarischen Königs Ludwig des Grossen, sondern die Tante der- selben, d. h. die jüngere Schwester Elisabeths, der Witwe dieses Königs und der Mutter der jungen Königin Maria, gewesen sei. Dufresne ist sonach geradezu der Schöpfer der Draga Bosanka. Dem Dufresne war Orbini bekannt, wie jede Seite seines Werkes „Von den dalmatinischen Familien“ erkennen lässt, es musste ihm also auch bekannt sein, dass Orbini auf Seite 265 schreibt: „Elisabeta figliuola unica di Stephano Bano.“ Trotzdem und obwohl er in vielen Dingen dem Orbini blind vertraute und die Fabeln desselben für baare Münze nahm, wollte er ihm doch in diesem Punkte keinen Glauben schenken. Dufresne wurde förmlich bezaubert von der Schwester Draga, beziehungsweise von jener Stelle im Tagebuch des Trauer Pavlovi6, die er auch bei Lucic vorfand, Ruvarac. Draga, Danica und Resa. 165 wo der „Draga, soror sua“ Erwähnung geschieht. Statt dieses „Sua“ auf die näher stehende junge Königin Maria zu beziehen, bezog er es auf die ältere und ferner stehende Königin Elisabeth. Deshalb musste Ban Stephan ausser Elisabeth noch eine zweite Tochter Draga haben, welche fortan ihr unreelles Leben in allen Geschichts- büchern weiterführt. Wir finden sie bei Pejacevic (Historia Serviae, Colociae 1799, S. 391), bei Engel (Geschichte von Senden und Bosnien, Halle 1801, S. 258 und 312),1) bei Schimeck, Polit. Gesch. des Königreiches Bosnien und Rama, Wien 1787, bei „Slavoljub Bosnjak (Fra Jukic), Zemljopis i povjestnica Bosne“. (Geographie und Ge- schichte von Bosnien, Agram 1851, S. 102), und endlich bei Racki im Rad II, S. 108. Zwischen Racki und den anderen Geschichtsschreibern ist nur der Unterschied, dass er nicht mit Bestimmtheit sagt, wessen Schwester die Draga sein soll, ob jene der Königin Maria oder jene der Königin Elisabeth, aber auch er zweifelt nicht an ihrer Existenz. „Nun endige doch einmal mit dieser Draga und mit ihren Anhängern; lass ab von ihr oder verwandle sie in Dunst und Rauch, auf dass sie verschwinde und uns nicht mehr belästige.“ Nun wenn es so steht, dann wollen wir, mein freundlicher Bosniake und mein leichtblütiger Ilercegoviner, dem Schlüsse zueilen. In dem Sammelwerke „Codex diplomaticus Regni Hungariae ecelesiasticus ac civilis“, Ofen 1829 — 1844, X, 3, p. 9 von Fejer wird der bekannten Stelle des Pavlovic- schen Memorials vom Jahre 1383 in folgender Weise gedacht: „Eodem anno die 24. Oct. applicuit Jadram D. Regina Vngariae Senior Elisabeth et D. Maria, regina Junior, et Domina soror Draga (Hedwigis) cum ceteris Praelatis etc.“ Aber noch vor Fejer hat Katona, der Verfasser der voluminösen kritischen Geschichte Ungarns, im XI. Bande, S. 55 nach den Worten „soror Draga“ in Klammern eingeschaltet „Hedvigis“. Aus dieser Hedwig (Jadviga), aus dieser „ Aduige“, der Schwester Marias und jüngeren Tochter Königs Ludwig und der Königin Elisabeth, entstand durch einen Schreibfehler jene Draga, welche seit beinahe zwei Jahrhunderten in der Geschichte Bosniens einen unberechtigten Platz einnimmt. Unser Zeitgenosse Vj. Klaic, der Verfasser einer Geschichte Bosniens „nach authentischen Quellen“, welcher es erlebt hat, dass sein Werk in die deutsche Sprache übersetzt wurde, der Erwecker und feurigste Förderer2) der „Crvena IJrvatska“, war es, der die Draga zuerst vollkommen ignorirte. Ich glaube, er hatte vollkommen Recht, und nur nebenher will ich bemerken, dass die durch ilin wieder erweckte „Crvena Hrvatska“ ebenso in ein Nichts zusammen- brechen wird, wie dies mit der Draga Bosanka und mit so mancher anderen historischen Fiction geschehen ist. -1) Engel nimmt es nicht sehr genau. S. 258 Anm. schreibt er: „Stephan Cotromanovitsch hatte zwei Töchter Elisabeth und Draga“; S. 312: „Der Ban Stephan war 1357 mit Hinterlassung nur von zweyen Töchtern gestorben“; dagegen S. 282: „Duschan belagerte Bobovatz oder Travnik, worin die ein- zige Tochter Stephans, Namens Elisabeth, eingeschlossen war“; und Bd. II, S. 539: „Am 24. October traf Elisabeth mit ihren zwei Töchtern in Zara ein“. 2) Klaic ist geradezu ein grimmiger Kämpe für die Idee der Crvena Hrvatska. Er fasst diesen Begriff im weitesten Umfange, wie ihn der alte Pope von Dioclea darstellt: Längs des adriatischen Meeres von Duvno und Makarska beginnend bis hinunter nach Drac und Avlona. Dieses Gebiet beschränkte sich also nicht auf jenes Stückchen Erde, welches nach dem Zeugnisse des Ragusaner Annalenschreibers Giacomo di Petro Luccari, „gentilhuomo Rauseo“ („Annali di Rama“, verfasst 1601, publicirt 1605, p. 83), Croatia Rossa genannt wurde, und in welchem Franko-ban, der Bruder des Mathias, Banns von Talovac, des Banus Petar und des Priors von Vran Namens Johann die Banalwürde bekleidete. 166 I. Archäologie und Geschichte. II. Danica. Orbini erzählt auf S. 351 seines Werkes: Elisabeth, die Gemahlin des Ban Stephan Kotromanovic (Tochter des serbischen Königs Dragutin und Katharinas, der Tochter des ungarischen Königs Stephan V.), wurde nach dem Ableben ihres Gemahls mit ihren Kindern von dem rebellischen Adel des Landes verwiesen; sie flüchtete mit ihrem ältesten Söhne Stephan, dem späteren Ban von Bosnien und Vater der oben genannten Elisabeth, nach Ragusa, während ihre jüngeren Söhne Inoslav (Ninoslavj und Vladislav sich nach Croatien begaben. lieber das Schicksal ihrer Schwester, beziehungsweise Tochter, der Schwester der Letztgenannten, schreibt Orbini: „Cliiamata Daniza se ne andö a Roma per divotione; dove assalita da febre fu sepelita alla Minerva e sopra il suo sepolcro' fu scritto (com’ ancor si vede): Hic jacet Diana Illirica.“ — Fra Andrija Kaci c, „Ugodni razgovor“, Venedig 1801, S. 49, hat diese Stelle folgendennassen wiedergegeben: „Und auch ihrer Schwester (nämlich Stephans, Ninoslavs und Vladislavs) war es geglückt, nach Rom zu entfliehen, wo sie nach vielen guten Werken in ein besseres Jenseits abberufen wurde. Auf ihrem Grabstein wurde ihr folgende Inschrift in lateinischer Sprache gewidmet: „Hic jacet Diana illirica,“ das heisst: „Hier ruhet Danica die Slavin oder Bosnierin.“ Fra Andrija selbst besingt sie in nachstehenden Versen: Danica nach Rom, dem weissen, eilte, Betete dort fromm in vielen Kirchen. Doch es war nur kurze Zeit verstrichen, Als Danica, diese edle Jungfrau, Starb am Fieber, jener bösen Krankheit. Die Lateiner haben sie bestattet, Setzten ihr am Grabe diese Inschrift: „Hier ruht sanft die Danica Bosanka, Zarte Jungfrau eines edlen Volkes!“* 1) Dieser Danica und ihrer Grabschrift haben ausser Orbini noch gedacht: Dufresne (I. C., S. 119); Pejaöevic, S. 389; Engel, S. 258, Note 9; Fra Jukic, S. 101 und S. Lj ub i c in seinem „Spiegel der südslavischen geschichtlichen Literatur“ (Ogled. knjizevn. povijest. jugoslavensk.), B. I, S. 223. Nur Vj. Ivlaic war es wieder, der auch von dieser zarten Gestalt in der Geschichte Bosniens nichts wissen wollte, und der auch hier wieder Recht haben wird. Es ist nicht unmöglich, dass Mauritius Orbini, wenn er überhaupt in Rom ge- wesen ist, in der betreffenden Kirche irgend ein Grab mit der bewussten Inschrift gesehen hat; aber dass in diesem Grabe die Tochter des Banus Stephan Kotromanovic ruhe, das dürfte kaum richtig sein. Niemand Geringerer als Dr. Ivan Crncic, Cano- nicus in Rom, welcher im 79. Hefte des „Rad jngoslavenske akademije“ die Abhandlung 0 A Danica Rimu bijelome, Ter pohodi crkve i otare. Ali malo vrime postojalo Razboli ce Danica divojka Od groznice bola velikoga — Latini je lipo ukopase I na grebu pismo ucinise: Ovde \eii Danica Bosanka, Od slavnoga naroda divojka. ßuvarac, Draga, Danica und ßesa. 167 „Imena Slovjenin i Ilir u nasem gostinjcu u Rimu poslije 1453 godine“ und im XVIIL Bande der „Starine“ die Beilagen zu dieser Abhandlung publicirte, will es uns nicht gestatten, in Bezug auf die Danica dem Orbin i Glauben zu schenken. Ban Stephan Ivotromanovic hatte auch eine Tochter, diese hiess aber nicht Danica, sondern Katharina (Katalina) und wurde von ihrem Bruder Ban Stephan dem Nico- laus Humljanin angetraut. Von diesem Humljanin stammen die Nikolici, die Neffen des Banus Stephan Ivotromanovic. Diese Katharina, welche dem Orbini bekannt war (S. 343: „Cataliena, moglie del Conte Andrea“, letzteres ein Irrthum, welchen Orbini selbst S. 393 berichtigt), war die Mutter des Bogis und des Vladislav Nikolic und lebte noch 1349 in einem Winkel des Gebietes von Hum. Denn am 26. Mai 1349 wurde im grossen Ratlie von Ragusa beschlossen, für die Behausung der „nobilis et potens domina domina Cathalena, soror magnifici domini domini bani Bossine, que Ventura est Ragu- sium“, Vorsorge zu treffen. (Mon. ragusina, Libri reformationum, tom. II, 71). Von dieser Katharina und von ihren Söhnen Bogis und Vladislav kann hier des Weiteren nicht die Rede sein; ich werde an anderer Stelle auf sie zurückkommen. III. Resa. „Wo fandest du, Gott möge dich begnaden, diesen Namen? In welchem Ver- zeichniss oder Register, in welchem Gedenkbuch oder öffentlichen Blatte, in welchem Diptychon, in welcher Synodik oder Anathematik, oder auf welcher Gruftplatte oder sonstigem Denkmale; in welchem Wörterbuche oder Lexikon oder in welcher Etymo- logie, oder vielleicht in welchem Protokolle oder Gebetbuche, kurz, wo fandest du den Namen Resa eingetragen? Wo ward diese Resa geboren, wo ist sie aufgewachsen, wer waren ihre Spielgefährten und Jugendfreundinnen? Womit hat sie sich gebrüstet, die stolze Resa, und sage mir endlich, wenn du dich getraust, wer war ihr Taufpathe und wer gab ihr oder erfand für sie den herrlichen Namen Resa?“ Suche den Namen im „Rjecnik iz nasih knjizevnih starina“ (Wörterbuch unserer literarischen Alterthümer) von Danicic; suche ihn in dem Register schöner Frauen- namen, welches im 42. Bande des „Glasnik“ der Abhandlung des Stojan Novakovic über Denkmäler beigefügt ist; suche ihn in dem ähnlichen Register des Lj. Stojanovic, welches nur die selteneren Namen enthält, ebenda im III. Bd., S. 179 und weiter durchblättere das Buch: „Slavjanslci Imenoslov ili Sobranie slavjanskih licnih imen v alfabitnom porjedkije, sostavlen Svjascenikom M. Moroskinim“ (Slavisches Namensregister oder Sammlung schöner slavischer Namen in alphabetischer Ordnung, zusammengestellt von dem Geistlichen M. Moroschkin, Petersburg 1867); durchwühle alle Wörterbücher und Beilagen zur Erläuterung von Monumenten, und du wirst niemals und nirgends den Namen Resa finden. Und wenn du glücklicher zu sein glaubst und ein Mehreres thun willst, so studire die „Elemente der serbischen oder croatischen Sprache“ (Osnove srpskoga ili hrvat- skoga jezika) des verstorbenen Danicic durch, oder die Abhandlung über volksthüm- liche Vor- und Geschlechtsnamen der Croaten und Serben von Dr. T. Maretic im „Rad“, Bd. 82, S. 77 und 85; aber auch dieses wird nur eitle Mühe sein, denn du wirst auf keine Resa stossen. Seite 442 des Registers II. der oberwälmten „Elemente“ von Danicic wirst du zwar das Wort „resa“ finden, aber deine Freude wird augenblicklich entschwinden, denn Danicic verweist dich von S. 442 auf S. 39: „resa (die Wurzel kann rik [hacken] sein) siehe ures, uzrese“. Bei Maretic wirst du ein Taubenmännchen „Resan“ finden, 168 I Archäologie und Geschichte. aber unser Täubchen Resa findest du auch da nicht. Und wenn du die Mühe nicht scheuest, so nimm Einsicht in das von P. J. Schafarik in seiner „Geschichte der ser- bischen Literatur“, I. Abth., S. 233 beschriebene Gedenkbuch des Klosters Raca an der Drina. Auch in diesem gegenwärtig im Kloster Beoein aufbewahrten Gedenkbuche, welches Tausende von serbischen Eigennamen enthält, wirst du die Resa nicht finden. „Nun woher hast du sie denn, diese Iiesa? Hast du sie vielleicht erfunden, weil du sie selbst nicht finden konntest? und wenn ja, wie hast du sie erdichtet, aus was hast du sie erschaffen?“ Weder habe ich sie erfunden noch ausgeklügelt. Ich habe die Resa gefunden, und um dich nicht weiter zu quälen, will ich dir auch gleich sagen, wo ich sie gefunden. Ich fand sie im XVIII. Bande der Alterthümer, welche von der südslavischen Akademie der Wissenschaften in Agram edirt werden, auf der letzten Seite, wo folgende Inschrift zu lesen ist: „Sei spravi knige Tepacije Batala, koi bise mnogo slavan, koi drzase Torican i Lasvu, a za nim bise gospoje Resa, Vukce vojvode kci. A bise oi jednt bratt i vojvoda bosanski, drugi knez bosanski a treti bau hrvatski.“ („Dieses Buch hat der vielberühmte Truchsess Batalo, welcher Torican und Lasva beherrschte, ausgestattet. Seine Gattin war Frau Resa, die Tochter des Vojvoda Vukac. Einer ihrer Brüder war Vojvoda von Bosnien, der zweite Knez von Bosnien und der dritte Ban von Croatien.“) Und nun sage und bekenne aufrichtig, hatte ich nicht Recht, als ich oben meine Resa die „stolze Resa“ nannte? Wie sollte sie auch nicht stolz sein, wenn sie nur dessen gedachte, wessen Tochter sie war, wessen Gemahlin, und wer ihre Brüder waren. Die Südslavin ist ja bekanntlich so stolz auf ihre Brüder, und namentlich ihr dritter Bruder war ja sogar Ban, aber nicht Ban von Slavonien oder Machovien oder Severien, sondern geradezu Ban von Croatien. Leider wird keiner dieser Brüder mit Namen genannt, und wird auch nicht gesagt, welcher Vukac ihr Vater gewesen sei. Dieser Name kommt ja so häufig vor. Ich muss daher zunächst anführen, welches Vukac Tochter jene Resa nicht war. Sie war gewiss nicht die Tochter des Vukac Crnugoric, auch nicht des Vukac Hranic oder des Vukac Vladislavi6, am wenigsten des Vukac Vukovic, sondern sie war die leibliche Tochter des Vukac Hrvatinic, des Vojvoden von Bosnien, und ihre Brüder waren: Hrvoja, Vojvoda von Bosnien und später Herzog von Spalato, dann Dragisa, Knez von Bosnien, und endlich Vuk, Ban von Croatien. Und nun weiss ich auch, und du, lieber Leser, wirst vielleicht errathen, warum ich hier in Syrmien zur Feder griff, um dieses über die Resa Bosanka zu schreiben: es ist eine Ergänzung dessen, was ich vor Jahren im 49. Bande des Belgrader „Glasnik srpskoga ucenoga druztva“ über die Familie Hrvatinic niedergelegt habe. Nach dem Urtheile von Vj. Klaic soll diese letztere Abhandlung nicht schlecht geschrieben sein.1) „Ob du schreibst und wie du schreibst, das lässt uns ganz kühl. Aber behaupte nicht blos, sondern beweise, was du gesagt hast.“ Wenn ich beweisen soll, muss ich mich nochmals auf die Schrifttexte beziehen, welche im XVIII. Bande der „Starine“ mitgetheilt sind. Auf dem dritten der vier Octav- pergamentblätter, welche gegenwärtig in der kaiserlichen Bibliothek zu Petersburg auf- bewahrt werden, steht auf der ersten Seite Folgendes in rother Schrift: 9 Klaic, Geschichte Bosniens, deutsche Ausgabe, S. 274, Anra. 2, erklärt sie für das Beste, was über die Familie Hervojas (bis 1885) geschrieben worden sei. D. Red. Ruvarac. Draga, Danica und Resa. 169 ,, Vr> sime oca i sina i svetago duha. Sei knige napravi Tepacie Batalo svojim dijakom Stankom Kromirnjaninom i okovavh je srebrom i zlatom i odivb krosnicom i pri- kaza je starcu Radinu. A napisase se sie knige u dni krala Dabise od rojenija sina bozija 1393 lito, po umrhti krala Tvrtka drugo lito.“ („Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Dieses Buch1) hat der Truchsess Batalo durch seinen Schüler Stanislaus Kromirnjanin anfertigen lassen, und er hat es mit Silber und Gold beschlagen und mit Leder überzogen und Stanislaus hat es dem Aeltesten Radin überreicht. Dieses Buch wurde geschrieben zur Zeit der Regierung des Königs Dabisa, seit der Geburt des Sohnes Gottes im 1393. Jahre, seit dem Tode des Königs Tvrtko im zweiten Jahre.“) Weiters wird in Schwarzschrift hinzugefügt, wer der vielgefeierte Truchsess Batalo war, worin er sich gefallen hat und woher ihm der Wein zugeführt wurde nach seiner Burg Torican, und wie seine Gattin geheissen hat, und wessen Tochter sie war, und wer und was ihre Brüder gewesen sind. Um zu beweisen, was zu beweisen ist, könnte ich mich füglich auf die genealogische Darstellung der Familie Hervoja’s bei Vj. Klaic beziehen. Ich bin aber ein geborener Sy linier und lebe auch in Syrmien, und da weiss ich nicht: „Kakov je adet u Bosni Kakvi su momci Bosanci?“ („Welches ist Gebrauch in Bosna, Wie beschaffen dort die Jugend?“) das heisst, ich weiss nicht, was die mannhaften Bosnier und die ruhmreichen Hercegoviner von den croatischen Autoritäten halten, und ich selbst bin in Sachen der geschichtlichen Ueberlieferung ohne urkundlichen Beweis ein grosser Zweifler. „Dok ne naces dva slicna imena, Dok ne naces Stoju i Stojana — A oboje brata i sestricu — Me mo’ s, kralje, temelj podignuti, A kamo li sagraditi grada“ („Bis du nicht zwei gleiche Namen findest, Einen Stojan und eine Stojana, Und die Beiden Bruder sind und Schwester, Wirst, o König, du nicht legen können Für die Burg den Grundstein, dass er stehe!“) Ehe du nicht in den Urkunden des Jahres 1393 oder wenigstens ein Jahr früher oder ein Jahr später die drei leiblichen Brüder, den Vojvoden von Bosnien, den Ivnez von Bosnien und den Ban von Croatien, gefunden hast, kannst du die „ungläubigen“ Bosnier nicht überzeugen, dass Resa die Gattin des Truchsess Batalo, die Tochter des Vukac Hrvatinic und die Schwester Hrvoja’s, Dragisa’s und des Vuk Vukcic gewesen sei. Nun, wenn sie so ungläubig sind, die mannhaften Söhne Bosniens, so mögen sie erfahren oder sich erinnern, dass: 1. in dem Diplome Stephan Dabisa’ s, des Königs von Serbien, Bosnien etc.., ge- schrieben am 29. September des Jahres 1393, als Zeugen angeführt werden: Ban Ivanis (von Macva), Vojvode Hrvoje, Truchsess Batalo u. s. w.; ‘) Es ist das Evangelium des heil. Johannes. 170 I. Archäologie und Geschichte. 2. in dem Venetianer Privilegium vom 13. Juli 1393, Index I, Hrvoja wie folgt apostrophirt wird: „Magnificus vir, dominus Cliervoye voyvoda, filius condam voyvodae Bossinensis.“ In dem ähnlichen, an demselben Tage dem Vuk gegebenen Privilegium wird gesagt: „magnifico viro domino Volcho bano, iilio condam voyvodae Bossinensis, fratri supra scripti domini Cliervoye (Gl. XII, 135; Monum. ed. Ljubic IV, 309—310). 3. Der Zaratiner Paul Pavlovic gedenkt in seinem Memoriale unter dem 7. Februar 1392 des Banus Vuk Vukcic (Banus Vasich [sic] cum exercitu suo applicuit per- sonaliter in Carinum); nach Pavlovib kam Knez Dragisa, der Bruder des Vuk Vukcic, mit seiner Gattin und mit grossem Gefolge in Zara an (Comes Draghiscia frater dicti bani). Die Zaratiner schlossen mit dem vielmächtigen Ban von Croatien und Dalmatien (cum magnifico domino Bano Chroatiae et Dalmatiae scilicet domino Volcho) ein Bünd- niss, — und Samstag den 11. Januar 1395 ist derselbe vielvermögende Herr Vojvoda Vuk, einstmaliger Ban, mit seiner Gattin (Anna) und mit (Helena) der Gattin IJrvojas, seines Bruders, in Zara angekommen u. s. w. Ich könnte dir, lieber Leser, wenigstens noch sechs bis sieben Stellen aus lateinischen Urkunden und Documenten citiren und mit ihnen Das bekräftigen, was Herr Klaic gesagt hat. Ich glaube aber andererseits, dass du nicht mehr ungläubig bist, sondern dass du nunmehr glaubst, oder besser gesagt, da ja der Glaube mit der historischen Wahrheit nichts gemein hat, dass du jetzt anerkennest, dass Resa in Wirklichkeit die Tochter des Vukac Hrvatinic sei, beziehungsweise dass der Schüler Stanko Kromirnjanin, als er nach Beendigung des Evangeliums im Jahre 1393 die Aufschrift anfertigte und darin auch die Frau Resa erwähnte, mit dem Vukac, dem Vater Resas, Vuk Vukcic, und mit dem Vojvoda, Knez und Ban, ihren Brüdern, Hrvoja, Dragisa und Vuk gemeint hat. „Nun genug, wir sind deiner Resa und ihrer Brüder schon satt; sage uns nun etwas von dem Manne Resas, dem Truchsess Batalo.“ Ehe Lj. Stojanovie im XVIII. Bande der Starine die Aufschrift des Stanko Kromirnjanin beleuchtete, wusste man von Batalo nur so viel, dass er in den Jahren 1392 — 1400 dem bosnischen Adelsstände angehörte und in den Jahren 1392 — 1393 Truchsess des Königs Dabisa war (Wörterbuch des Danicic, unter „Batalo“). Dank jener Mittheilung wissen wir heute, dass Batalo nicht nur ein ruhmvoller Gebieter, sondern auch braven Menschen und guten Christen ein gütiger Herr war; dass er Torican, Lasva und Sana beherrschte, und dass man ihm aus Kremen in Wagen den Wein nach Toriöan zugeführt hat. In dem Waffenstillstand, welcher am 20. August 1503 zwischen Ungarn und der Pforte geschlossen wurde, wird unter anderen bosnischen Städten und Burgen auch die Burg Torican erwähnt. (Thorychan, bei Hammer, Geschichte des osmanischen Reiches, II, S. 618.) P. Martin Nedic schreibt im „Arkiv“ IV, 161: „Die ehemalige Stadt Lasva lag am linken Ufer des Flusses Lasva, eine Viertelstunde östlich von der jetzigen Stadt Travnik.“ Bis vor Kurzem haben selbst jene Franciscaner, welche aus Travnik ge- bürtig waren, sich a Lasva genannt. K. Jireöek sagt mit Rücksicht auf den erwähnten Stillstand vom Jahre 1503, (Handelsstrassen und Bergwerke, S. 84), dass Travnik in diesem Jahre das erste Mal erwähnt wird. Ruvarae. Draga, Danica und Resa. 171 Ich meine aber, dass der in den Briefen des Despoten Vuk, des Bans Ladislaus de Hedervary und des Peter Dojcin (Dolci), Bans von Jajce, im Jahre 1480 mit Dravnik bezeichnete Ort, bei welchem der Kampf mit dem Ban von Bosnien wieder aufgenommen wurde, kein anderer sei als unser heutiges Travnik. (Siehe Belgrader Glasnik, XXXII. Buch, S. 205.) Es ist übrigens wahrscheinlich, dass Stahko Kromirnjanin unter Lasva nicht die Stadt, sondern den Landstrich längs des gleichnamigen Flusses verstanden hat, wie unter Sana, welches der Truchsess Batalo gleichfalls beherrschte, die ganze Landschaft am Sanaflusse zu verstehen sein wird. Was Kremen anbelangt, von wo der Wein für den Truchsess Batalo nach Torican geführt wurde, dann was den Schüler Stanko Kromirnjanin betrifft, so mögen sich die Bosnier selbst mit diesen Untersuchungen befassen, ich als Syrmier habe daran nur ein entfernteres Interesse. Wir wissen auch, dass Resa eine Schwester Vucica hatte, welche ihrem Oheim Vukmir Zlatonosovic angetraut war (s. Pucic, Serbische Alterthümer, I, Art. IX und S. 77). „Wer waren aber die Schwägerinnen der Frau Resa?“ So weit mir bekannt, hiess die Gfattin Hrvojas, welche ihrem ersten Glatten den einzigen Sohn Baos gebar und sich unmittelbar nach dem Tode Hrvojas an König Ostoja von Bosnien verehelichte, Helena; sie war die Tochter des Ivan Nelipic, des Ivnezen von Cetina. Die Gattin des Bans Vuk hiess Anka; sie überlebte ihren Gatten, welcher im Jahre 1401 nicht mehr unter den Lebenden weilte, und obzwar Vuk schon seit dem Jahre 1395 nicht mehr Ban von Croatien war, so schrieb und nannte sich seine Witwe doch noch im Jahre 1412 „Anka Banica“ und wurde auch in ser- bischen und lateinischen Urkunden so genannt. Wessen Tochter sie gewesen, ist mir unbekannt. Auch Knez Dragisa war verehlicht; doch kann ich dir von dieser Schwägerin Resas weder Namen noch Abstammung angeben. Und nun, gottesfürchtiger Leser, hast du über Resa Alles, was man von ihr wissen kann, erfahren; nur auf eine wichtige Frage hast du noch keine Antwort erhalten: iu welcher Kirche wurde sie getauft, in welchem Glauben erzogen, und wer war ihr Pathe? In der bewussten Schrift wird dies nicht ausdrücklich gesagt; wie soll ich dir nun diese Hauptfrage beantworten ? Milos Vojnovic, der geliebte Neffe des Caren Stefan, hatte Roxande, die Tochter des Königs von Lithauen, niemals gesehen, und dennoch wagte er es, dem Caren zu erwidern, dass er Roxande, seine zukünftige Gattin, erkennen werde. „Doch wie willst das Mädchen du erkennen, Welches deine Augen niemals sahen?“ Und Milos antwortete: „Nach den Brüdern will ich sie erkennen.“ Der Zaratiner Paul Pavlovic hat in seinem Tagebuche genau vermerkt, wann und zu welchem Zwecke Resas Bruder, Knez Dragisa, mit seiner Gattin und Ban Vuk mit seiner und mit seines Bruders Hrvoja Gattin nach Zara gekommen sind; so ist Knez Dragisa nach Zara gekommen, um den heiligen Simeon zu verehren und zu küssen. 172 1. Archäologie und Geschichte. Bedenkst du nun, welchen Glaubens Hrvoja war; und weshalb der Truchsess Batalo das Evangelium des heiligen Johannes dem Aeltesten Radin übergeben, und warum es heisst, dass er nur den guten Christen und guten Menschen ein gütiger Herr war, und dass ihn deshalb Gott gesegnet hat ■ — kannst du dann noch zweifeln, dass Resa, selbst wenn sie anders gewollt hätte, anderen Glaubens sein durfte, als es der Vojvode Hrvoja und der Truchsess Batalo war? Resa war eine Anhängerin des patarenischen oder bogumilischen Bekenntnisses. Und wenn du nicht wissen solltest, was das bedeutet, so ist dies noch besser für dich, und es ist nicht nothwendig, dass du diesen Glauben kennen lernst. Höre nicht auf jene, welche dir sagen und betheuern, dass der „bosnische Glaube“ kein schlechter Glaube war, denn die, welche so sprechen, wissen nicht, was sie reden und was sie zusammen schreiben. Katharina, die Tochter Tvrtko’s I., 1353 — 1377 Banns und 1377 — 1391 Königs von Bosnien. Von Hilarion Ruvarac, Arehimandrit im orient.-orthod. Kloster Grgetek in Syrmien. Bis heisst gewöhnlich, dass Tvrtko I. eine Tochter Katharina gehabt und die- selbe dem Grafen Hermann I. von Cilli vermählt habe, aus welcher Verbindung ein Sohn, Graf Hermann Tb, der nachmalige Schwiegervater des Ungarkönigs Sigmund, hervorgegangen sei. Diesem Hermann II., Grafen von Cilli, Gespan von Zagorien und Banus von Slavonien, soll Tvrtko II. Tvrtkovic, der Sohn und Nachfolger Tvrtko’s I., als seinem Schwestersohne, in einer zu Bobovac am 2. September 1427 ausgefertigten Urkunde das Königreich Bosnien zugedacht haben.1) Orbini und Lukarevic, zwei Ragusaner Schriftsteller aus dem Anfänge des 17. Jahrhunderts, wissen von Katharina, der Tochter Tvrtko’s, und ihren Schicksalen nichts, ebensowenig Dufresne, ein französischer Historiker und Genealog der süd- slavischen Dynastien aus derselben Zeit. Die erste Kunde von Katharina verdanken wir dem Gebhardi, welcher 1. c. S. 742 erzählt, dass Ludwig, König von Ungarn, bei irgend einer Gelegenheit den Banns von Bosnien, Tvrtko, zurückgehalten und nicht früher von dannen gelassen habe, als bis er seine Einwilligung gegeben, dass das Gebiet von Hum, d. i. die Hercego- vina, dem Könige als Stammgut seiner Frau Elisabeth, einer Tochter des Vorgängers und Oheims von Tvrtko, des Banus Stefan, abgetreten werde. Ueberdies musste er zustimmen, dass seine Tochter Katharina von dem Grafen Hermann von Cilli, dem Lieblinge des Königs (im Jahre 1362), als Gattin heimgeführt werde. S. 759, Anm. r, finden wir ferner das Citat : „Dipl. Stephani Tvertkonis R. d. in Castro Bobowatz d. 2. Sept. 1427 in Pray, Ann. III, 393. Hermann heisst liier, in der Urkunde des Königs : frater et consanguineus, weil seine Mutter Katharina des Königs Tvertko (II.) Schwester war. Da diese Katharina ein eheliches, Tvertko aber ein uneheliches Kind war, hielt man sie schon bei ihrer Vermählung 1362 für die Erbin des bosnischen Reiches.“ 2) -1) Siehe L. A. Gebhardi (Allgemeine Weltgeschichte, XV. Bd., III. Abth., XXXV. Buch), Geschichte des Reiches Bosnien und Eaina, Leipzig 1781, S. 742 und 759; Engel, III, 313 und 374; Fessler, IV, 1033; Aschbach, Geschichte Kaiser Sigmunds, III, 273; Jukic., Geschichte Bosniens, S. 107 und 118; Majkov in der Uebersetzung des Danicic, I. Ausg., 170; Eaclci, Ead. III, 112 und IV, 23; Klaic- Bojnicic, Geschichte Bosniens, Leipzig 1885, S. 204 und 345; Huber, Geschichte Oesterreichs, II, 530; Ljub. Kovacevic, Otadübina, II. Jahrg., IV. Buch, S. 444 und Istorija srpskog naroda za srednje skole, II. Buch, I. Theil, S. 35. 2) Siehe Zilley’sche Chronik in Hahn’s Collect, monument. veterum, tom. II, 677. 174 I. Archäologie und Geschichte. Gebhardi hat also der Chronik von Cilli entnommen, dass die Gemahlin des Cillier Grafen Hermann I. nnd Mutter Hermanns II. die Tochter des Banus-Königs Tvrtko I. war und dass sie sich mit Hermann I. im Jahre 1362 vermählte; allein dass sie ein eheliches und der erwähnte Tvrtko Tvrtkovic ein uneheliches Kind Tvrtko’s I. gewesen, entnahm er nicht der Chronik von Cilli, sondern stellte es bezüglich der Katharina ganz einfach als Thatsache hin und schloss sich bezüglich des Tvrtko Tvrtkovic den Aus- führungen und dem Gedankengange des Lukarevic an. Der Bosnier Juki 6 meint, dass sich Tvrtko I. zweimal vermählt habe, und zwar das erste Mal mit Dorothea, der Tochter des in Widdin residirenden Königs Stratimir von Bulgarien, das zweite Mal mit Jelica (Helene), einer bosnischen Jungfrau von vor- nehmer Abkunft. Beide Ehen wären ohne Kindersegen geblieben. Tvrtko, der nach- malige König, und Katharina, seit 1362 vermählt mit dem Cillier Grafen Ulrich (?), seien einer illegitimen Verbindung mit Vukosava entsprossen. Vj. Ivlaic schreibt in seiner Geschichte Bosniens, S. 157/ dass sich Tvrtko I. nach seiner Königskrönung (1377) mit der oben erwähnten Dorothea von Bulgarien vermählt habe, die ihm bald einen Sohn gebar, den späteren König Tvrtko Tvrtkovic. Hiebei beruft sich Klaic auf die Bulle Tvrtko’s aus dem Jahre 1382, in welcher „der Sohn des Königthums“ erwähnt wird. Von Katharina und ihrer Vermählung wird nur S. 268 einfach gesagt, dass Hermann II., Banus von Slavonien u. s. w., der Sohn einer Schwester des Tvrtko Tvrtkovic namens Katharina sei, ohne dass hiefur irgendwelche Belege erbracht würden. Racki, der S. 112 im III. Buche des „Rad“ (Mittheilungen der südslavischen Akademie) erwähnt, dass Tvrtko I. einen Sohn Tvrtko Tvrtkovic und eine Tochter Katharina, vermählt mit dem Grafen Hermann von Cilli, hinterlassen habe, sagt anderer- seits auf Seite 23 im IV. Buche des „Rad“, dass Friedrichs Sohn Hermann im Jahre 1377 der Schwiegersohn König Tvrtko’s geworden sei. Wenn nun Hermann I. im Jahre 1377 der Schwiegersohn Tvrtko’s geworden, wie konnte Hermanns Sohn gleichen Namens (Hermann II.) „dem Könige Ludwig bis zu seinem Tode dienen“ (1382), wie auf derselben S. 23 Racki selbst erwähnt. Auf der nämlichen Seite führt Racki ferner an, dass für die quellenmässige Geschichte der Grafen von Cilli auch Orozen’s „Celska Kronika, u Celju 1854“ (Die Chronik von Cilli. Gedruckt in Cilli 1854) von Werth sei. In dieser Chronik heisst es nun auf S. 37: „1385 21 marca vmrel celski grof Hermann I. Njegova zena Katarina kbr»w ^agatvtntftmbu uod ftiofib aofjptitn (Duo ttr unc .^uttlo^alfuö mha$ä t gjmAn gyncnechi ,^3*i gtuan tu mdbfufttr TJUfb pwh> riecht «rfjawUtigp ♦ ef>Acho «p IttbtCi ctieks. pumttapuebt fuf rb ug tte cp. arauecttab fptfgjiTfflätbt poflaine uc cmrltiti ttodit on tm irre. Cuitbu eoga tiitJts dub pubagaf utwt tiagne; On tefc tbtcbarfn dttban» {WaWlb ui dich tliudorblifu d44«Jtfir(tttb^gl Oftdwätt fhioimi’C vtodtt bogpm t + cttmti fcogotiif gtftmt? b>gom+ lue cim bogoruv fluo§gi Aclinäte stuorenye uodu bogom f giuim bogom f gistini3 bogom f sue tim bogom f fsuega stuorenya da cis ta budesci suprotif fsaclioy galoy tuari „Und es sprach Elisea: Alleluja! Die Stimme des Herrn ist über den Gewässern. Der Gott der Herrlichkeit donnert, der Herr über den grossen Wassern. Und ein Zeugniss gab er (Johannes), indem er sagte: Ich habe gesehen den Geist herabsteigen wie eine Taube aus dem Himmel, und er weilte auf Ihm. Und ich kannte ihn nicht; aber derjenige, welcher mich geschickt hat zu taufen im Wasser, Er sprach zu mir: Auf den du sehen wirst den Geist herniedersteigen, dieser ist es, welcher taufet im heiligen Geiste. Und ich habe gesehen und bezeuge, dieser ist der Sohn Gottes. Ich beschwöre dich, Substanz des Wassers, mit dem lebenden f Gotte, mit dem wahrhaften Gotte, mit dem heiligen f Gotte, mit dem Gotte, der Alles erschaffen, dass du rein seiest gegen jede Krankheit und jede Anfechtung 2. Seite. inapasti nepriyatel . i chachi godi ocroplenga budesti . budi milostyo3 bocyo3 obragnega iga ona chacho obragnene sut hige ebra ysclie glaminie3 cravi charstoue . Tacho racig obarovati gospodine hige slug i slu gabnic tuoych . charsto3 gospodinom nasim . Vonoga gimete gaclinä cliirigyu suoyo3 tebi sapouidi studence . Vonoga gimete gaclinä . chi sinof israhelsckich isrid mora iguede . Vonoga gimete gacli näte chi suerhutebe nogama suoyma hodich yest . Vonoga gimete gaclina3 choga giuan danas isucharsta vtebi charstil yest . Vonoga gimete gaclina3 chi tebe ustrani galilegschoy . glaminy em suoym mochyu obrati u vino Da fsachi duch necisti i fsache fantha der Feinde; dass jedes Haus, welches mit dir besprengt wird, durch die Gnade Gottes beschirmt werde. Wie die Häuser der Hebräer beschirmt wurden durch Christi Blut, so mögen, o Herr! stets beschützt sein die Häuser deiner Diener und Dienerinnen, durch Chi’istus unseren Herrn. Ich beschwöre dich im Namen desjenigen, dessen Gebot dich, Quelle, hervor- sprudeln hiess. Im Namen desjenigen beschwöre ich dich, der die Söhne Israels durch das Meer führte. Im Namen desjenigen beschwöre ich dich, der mit seinen Füssen über dich geschritten ist. Ich beschwöre dich im Namen desjenigen, den Johannes in Ra die. Bruchstück eines altslavischen handschriftlichen Evangeliars. 183 dir getaufet liat. Ich beschwöre dich in desjenigen Kamen, der durch sein Zeichen dich zu Galiläa in Wein verwandelt hat. Dass jeder unreine Geist und alle Phantas- 3. Seite. eme dyaboloue . po oue bode ocroplyeneß poginet i odlucetse f Chatom gospodi nom nascim . cliima priti isuditi uas suit ognem iciuet gospodin nebeschi blagoslofglien uauecli uichoä amen ili tuoye inepmoene . chriposti molimte gospodine fsemogiui cgni boce . chi ne malu milost racil iesci dati soli da od ne moretse fsacha stuar uciniti cha godi yest potribna chpichi 5l0uic.hu . po tuom sinu gospodinu na sein sturiti racil yesci . pochomte gospodi molirno prilesno da su sol . racisti posu etiti f iblagoslouiti . ida obragom tu 01m uelicastua moclii tuoye suprotif fsachomo duchu necistnomu moci pri yati ispuditi schic slug i slucabnic men des Teufels in dir vernichtet und von dir ausgeschieden werden, f Mit Christo unserem Herrn, der da kommen wird zu richten die ganze Welt. Der du lebest und regierest, 0 Herr im Himmel, gebenedeit seiest du in alle Ewigkeit, Amen. — Anf deine unbezwingliche Stärke bauend, flehe ich zu dir, 0 allmächtiger Gott, der du eine nicht geringe Gnade dem Salze gegeben hast, da es zu jeder Nahrung nothwendig ist, und der du durch deinen Sohn, unseren Herrn, dem Salze zu wachsen befählest, dich bitte ich durch ihn 0 Herr, recht inbrünstig, dass du dieses Salz heiligen und j segnen mögest, und dass es von deinem allmächtigen Antlitz deine Stärke gegenüber allen unreinen Geistern erhalte. Es möge dasselbe aus den Wohnungen deiner Diener und Dienerinnen Alles vertreiben, was schädlich oder der Gesundheit abträglich sein könnte. 4. Seite. tuoih . igagodibi billo nemochno spudisti . i pulno tuoich crafya ucinisti . i pridm ochyu tuoiom istrepechut fsa prissastä . fanthagme dyafloue isboyetse . pocla minyu chri§a f tuoga sina gospodina 11a seega . i sapouidi praue celecliim gay in mes . pouom tuom claminyu isucarste toga nigdare bolieni pritisnet clame nuyuchise . chi eines i chraglues uafse uechi uech amen. budi ouo smisanye soli i uobe uode 5a yedno ugime otga . isina . iducha sueta pomolimse 184 I. Archäologie und Geschichte. Aclinamte stuorenye soli i xido u gime f otca j isina j iduclia sueta Joscliete caclinamte chi po eliceu Es möge die Leidenschaften bezähmen und alle Erscheinungen des Teufels bannen, nach dem Zeichen des f Kreuzes deines Sohnes, unseres Herrn. Es möge den Gerechten den Schutz gewähren nach diesem, des Herrn Christus f Zeichen, welches Zeichen frei von List gemacht wurde. Der du lebest und regierest in alle Ewigkeit Amen. Diese gemeinsame Vermischung des Salzes und des Wassers geschehe im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Lasst uns beten: Ich beschwöre dich, Substanz* des Salzes und des Wassers, im Namen des f Vaters, des f Sohnes und des f heiligen Geistes. Auch beschwöre ich dich durch den, der nach Elisea 5. Seite. prorochu vuodu clasti capouidi gouo reclii Duo di gospodin osrauich uode ouc i nebudet vgnicli smerti ni drama tsuo . Iche bocastuemini usti suoimi gla som rece Ulliyeste sol §emglie I po apo stolu . sarce uase solyu yest ucigneno Da pachi chi od tebe ocusit — bildete po suecheni dusami i telessa . I gdi godi budes ochropgliena budi gnim od puchenye grihof isdrafye pameti . i spasenye uicgne od grihof i odgononye ifsache napasti diafloue . ugime otca fsemoguchega f isucharsta sina bocija chi gima priti i suditi uas suit ogne i chragluyet Vafse uich uecli amen pomolise Ospodine boce isbauiteglyn istuo dem Propheten dich, Salz, in das Wasser zu geben befahl, damit die Unfruchtbarkeit des Wassers geheilt werde, und der durch seinen göttlichen Mund sagte: Ihr seid das Salz der Erde, und der durch den Apostel (Paulus) verkündete: Euer Herz möge mit dem Salze gewürzt sein. Wer von dir geniesst, dessen Seele und Körper möge ge- lieiliget sein. Und wo immer du gesprengt wirst, dort seien die Sünden vergeben, der Verstand möge gesunden und die ewige Erlösung von allen Sünden und die Ver- treibung aller Anfechtungen des Teufels eintreten. Im Namen des allmächtigen y Jesus, des Sohnes Gottes, der da kommen soll zu richten mit dem Feuer die ganze Welt, und der herrschet für alle Ewigkeit, Amen. Ich bete zu dir, o Herr und Gott, Erlöser und 6. Seite. riteglu i casthiteglu fsachoy stuari chi yesci istocnich oue uode nastuorenye tuoye sueto ugime tuoe posuechiuyu uodu ouu ana odgonegnye dyafla ifse drus Radic. Bruchstück eines altslavischen handschriftlichen Evangeliars. 185 be gnegove. I iosclie te moliu gospodine isucharste . da ugime tuoye guano ite ligastuo milosti ducha sueta f iouauo da duchofna da primet . Josclie nayspu gnenie i naprognanye dyafloua eigne nia poruchach sluge tuoga i po ochrop glienyu se uode da probudet . fsaehom cliom necisti dueh gdrugen . yest ouim charschenie3 soli i uode gapugen ycagnä i gick i ne spostafgliengi ali edargangi guni ti sebe guyet blago . I chada godi oebropg lienie od rab tuoycli pridet i poliualitse uisocho giuuehim naspouidanye i nasa Schöpfer, Beschützer jeder Sache, der du bist der Anfang (Erschaffer) dieses Wassers. Auf deine Erschaffung hin und in deinem Namen weihe ich dieses Wasser zur Ver- treibung des Teufels und seiner Genossenschaft. Auch bete ich zu dir, o Herr Jesus, dass in deinem Namen, und bei Anrufung deiner Majestät dieses Wasser die Gnade des heiligen f Geistes annehme. Und dass die Anschläge des Teufels durch die Be- sprengung dieses Wassers aus der Hand deines Dieners vertrieben werden und verbannt sein mögen, und dass jeder unreine Geist durch die Taufe des .Salzes und Wassers ausgetrieben werde und die Kraft verliere, sich zu erhalten oder Widerstand zu leisten; so sei es jederzeit, wenn einer deiner Diener mit dem Wasser besprengt dich lobend und dich erkennend (verehrend). 7. Seite. gnanye . gospodinoß nasim isucharstom sino3 tuoi3 chi stobom ciuet i chragluyet uafsi uichi uicho3 amen Dns uobiscü sursü corda . gras aganD dho deo bfo In modü p phacois gistinu dostoynu i prauedno yest pr auo ispasiltegno . Mi tebe uafsa i uasdi hu alu usdayemo . gospodine boge nebesclii i cemalschi . koga chripostiu pollogena sut fsa i choga ricyu stuorena sut fsa ggo ra posgli duck tuoi sueti f suarch ouoga stuorenya uode da bude posuechena ugTe •j- otca j isina f iducha sueta . Jere ona tebe gna uisgne gaspasciteglia isturitegla uisgnega . Joscliete glubegniuo boge mo limo da uslisis i pomiluyes moliena na ssa . Da gdi godi ochropgliena . i ocischeä Mit dem Herrn unserm Christo, deinem Sohne, der mit dir lebet und herrschet in alle Ewigkeit, Amen. Dns vobiscü. Sursü corda. Gras agamv dno deo nro. In modü p phacois. Wahrlich ist es würdig und gerecht, gut und heilsam, dass wir dir jederzeit Dank sagen. 0 Herr und Gott des Himmels und der Erde, dessen Macht Alles unterthan ist, und dessen Wort Alles erschuf, sende deinen heiligen Geist f über diese Substanz 186 I. Archäologie und Geschichte. des Wassers, damit es geweiht sei im Namen des f Vaters, des f Sohnes und des f heiligen Geistes. Denn die Wässer erkennen dich als den allmächtigen Erlöser und Erschaffer. Auch bitten wir dich inbrünstig, o Gott, dass du unsere Gebete erhören und uns gnädig sein mögest, damit überall dort, wo dies Wasser 8. Seite. ochropgliena budes . tebe glubeclii oua uoda gimigte oni stanye spasenye i ueselye i pot stenye uisgne . afsei clouolgnici i fsi necisti duchoue capuditefse i prorenitesse . I cato gouoru tebi uodo cha nasuidochiu prilo §enya stuorenya yessci Ti podnebom f Ti suarhu neba f Ti podcemglio3 f Ti suarhu cemglie suerchu tebe 90UU sueto i cudnouato gime boce . chite suarh nebes suoyu mochiu postaui ipachi schupi smorem nacamgli issmisa . chi tebe taynami i barsami i uodenimi uitri dacgichi §apouida . isuprotif fsim tellesam ocischenye da igagnicli petye posluci . Cuarhu che f iosche ducli f gospodin nasamo nosasete da yosche nositse (^aclinäte f posedmieh cachoich gesprengt wird, nach deinem Gebote und dich liebend Alles gereinigt werde. Und es soll jedes Haus den wahren Glauben und die wahre Freude und Erlösung empfangen. Und jeder Neider wie auch alle unreinen Geister mögen vertrieben und unschädlich gemacht werden. Zu dir spreche ich abei’, 0 Wasser, dass du ein Abbild des Lichtes bist, sowohl unter als auch ober dem f Himmel, f in der Erde und f oberhalb der- selben. Ueber dich schauend rufe ich aus den heiligen und wunderbaren Namen Gottes, der dich mit seiner Macht im Himmel hält, der dich auf der Erde im Meere sammelte und vermengte, der dir mit geheimnissvollen und schnellen Winden zu regnen gebietet, und der dich zum Reinigen aller Körper und als Labetrank bestimmte. Ober dir schwebte f der Geist f des Herrn und schwebt er jederzeit. Ich beschwöre y dich mit dem siebenfachen Geiste 9. Seite. ducha boga ciuoga . Qaclinäte f deuetim redi angelscliim . Qaclinate f driuom 9apouidnim ischoga pora9ena tuddye sla tcha uagnegna yesti . Qaclinate f pode uet trussci isusanya i trepetaya nebescho ga chraglia . Caclinate f onim chi fsa stuoril yest . da ne potais glas i uniglieca moga . i da 9apudis fsu tamnost fsi dy afli i fse uichantanye dyaflous i duhof necistich aly 9aclianich illi 9-auanich aly uragoliyschihm 9adiägnyem, ale poni Radic. Bruchstück eines altslavischen handschriftlichen Evangeliars. 187 cätangnu . mudrostyu . ali pticami ali smyami . Jere capouida tebi gospodin nas isucharst . sin f boga ciuoga da budes posuechena . igdi godi ocbropg liena budes fgime otea f fsamogucbe ga clii yest sabaoth . Alli uhici aly des lebenden Gottes. Ich beschwöre dich f mit den neun Reilien der Engelschaaren. Ich beschwöre dich mit dem gebenedeiten Holze des Sacramentes, mit dem das Wasser berührt einen süssen Geschmack erhält. Ich beschwüre dich mit der donnernden Stimme, vor der Alles zittert, des himmlischen Königs. Ich beschwöre dich mit jenem, der Alles erschuf, dass du meine Worte nicht zu Schanden werden lassest, und dass du ver- treibest die Finsterniss und die Teufel, alle Listen und Anschläge der Teufel und un- reinen Geister, der Hexen und Gespenster, der Wehrwölfe, Drachen, gespenstigen Vögel und Schlangen. Denn es befiehlt dir unser Herr Christus, der f Sohn des lebendigen Gottes, dass du geheiliget seiest, und dass überall dort, wo du hingesprengt werdest im Namen des Vaters f, des allmächtigen, der Sabaoth ist — sei es im Hause oder 10. Seite. uchrasciya . aumestieh sigagnieli aly up ulchu, alli fdobitcy, alli uchom godi st uorengi . alli upitgi budes . da na glude.3 ocl che choli nemochi nemochcan budet tuclie sueto cdrafye chnemu da pridet . alli calim duchorn porasen budet sdraf clouich biti . fmochi i fgimeni go spodina nasega isucharsta choga nich ore nemre ni govorechi ni pisuchi ni po mislechi racumiti . chomu gime yest gospodin fsemogi bog . Josche te molim fsuemogi boge chi po angelu tuom go spodine studenach agarof pocaca ic gnega icmaela cagna napoyl iessi sclii sluga tuoga abrama umesopotagni gi molituu uslisal . ifsa geliya sarcca gnegoua napunil yessci . I chi rabu in Wäldern, auf besäeten Feldern oder in Heerden, im Erwerbe oder in lebenden Ge- schöpfen oder im Getränke — deine Kraft sich äussere. Dass du den Menschen, die an welchen Gebresten immer leiden, jederzeit die heilige Genesung bringest. Dass der vom bösen Geiste geplagte Mensch gesund werde, Alles durch die Kraft und im Namen unseres Herrn Jesus, den Niemand weder redend, noch schreibend, noch denkend zu erfassen vermag, und dessen Name ist der allmächtige Gott. Auch flehe ich zu dir, allmächtiger Gott, der du durch deinen Engel Hagar den Brunnen zeigtest und ans demselben den Ismael tränktest; der du das Gehet deines Dieners Abraham in Meso- potamien erhörtest und alle Wünsche seines Herzens erfülltest. Und der du deinem Diener 188 I. Archäologie und Geschichte. 11. Seite. tuoinu moysesu upustigni chami pora §iti sapouidi isgnega uodu icisti i pucli napoiti . sapouida . Ichi uodu uodu chorchu spologenyem driua osladi . Techo gospo dine fsemogi uickgni boge raci blago sloviti f uodu ouu Ygime f otca ■f isia f ducha sueta . Datudie kada ochropg liena budes ugime tuoye fse blagne dyafglie irici nepriategl icrenes i pro renes . Josche molimote gospodine da cbaclio cbstami raguelouu angela tuo ga raphaella racil yesci poslati . i cku hoye asmodea dyafla suegat yesci tchom msachono3 dobro stäya stand nasciin darorouati kotig da tudie chacho ochr opgliena budet oua uoda nigdare on di ali nanom stenu stoyecbim cbibi . Moses in der Wüste befählest, dass er einen Schlag auf den Fels führe und aus der hervorsprudelnden Quelle das Volk tränke. Und der du das bittere Wasser durch das Hineinlegen des Holzes versüsstest. So wollest du, allmächtiger ewiger Gott auch dieses Wasser f segnen im Namen f des Vaters, des f Sohnes und j des heiligen Geistes. Damit durch das Besprengen mit demselben unter Anrufung deines Namens alle Anschläge des Teufels und die Worte des Feindes zu nichte und diese Bösen vertrieben werden. Auch flehen wir zu dir, o Herr, dass ebenso wie du dem Hause des Baguel deinen heiligen Engel Raphael sendetest, damit er den Teufel Asmodie binde, dass du auch unseren Häusern deine Gnade spenden wollest, damit überall dort, wo dieses Wasser hingesprengt wird, im Hause und an dessen Wänden 12. Seite. gimilli nichu moch ducha saloga . acho bi pribiuali . datudie potopglieni iragci gneni otidut . Charstom gospodinom nassim choga hualet angelli iarhange li cherubin i serapliin . chi ne pristayu napyuch fsachi dan glasom uelichim gouorechi : Suet suet suet . gospo din bog sabaot . Pulna sut nebessa i semglia sloue tuoe osana ua uisgni Ospodine sueti otce fsemogi uicgni boge otce gospodia nasega isucharsta . boge f abramof . boge f isachof . boge f iachouof . posue chyuyuchi f Ja ouo stuorenye soli uo du molimte da usüsati racissci . Cacli nagte f tachie soli i uodu ugime f gospodina nasega isucharsta naga Kadic. Bruchstück eines altslavisclion handschriftlichen Evangeliars. 189 die darin etwa hausenden bösen Geister keine Macht haben, sondern dass sie ertränkt und vertrieben werden. Durch Christum unseren Herrn, den die Engel und Erzengel, die Cherubin und Seraphin loben, und mit deren Stimmen wir mit erhobenen Lauten jeden Tag sprechen wollen: Heilig, heilig, heilig ist Gott Sabaoth. Voll sind deines Lobes die Himmel und die Erde; Hosianna sei in den Höhen! 0 Herr und heiliger Vater! Allmächtiger ewiger Gott, Vater unseres Herrn Jesus, Gott f Abrahams, Gott j Isaaks, Gott j Jakobs. Diese Substanz des Salzes und Wassers weihend, bitte ich dich, dass du mein Gebet erfüllest. Ich beschwöre dich f Salz und Wasser im Namen f unseres Herrn Jesus des 13. Seite. ranigna sina boga eiuoga chraglia isud ca nasega . da budesci umiuenye i ocischenye ufsim mestih . Vcihich ochropglia budi sei . na prognanie i naschorenye ducliof necistich i tachie fsedruebe diafloue ifsi ch obracof diafglih i hiiTibe i magleg nich ifsache suprotifschine . bocastueno ga spasenya narestite istupitese . ni ufr agoliach odruya ni gludem ni plodu dobitcenomu ne naudi . da otidi i po- bigini pogsuanyu gospodina nassega isucharsta . Caclinamte dusse necisti j bogom fsemoguchim chi ucsignil yest nebo i cemgliu . more i fsacha u gnili yesut . Dafsa moch supptifna ifse scupglienye diatlouo ifse tecen ye . ifse blacne gnegoue ischoreitessce Nazareners, des Sohnes des lebendigen Gottes, unseres Königs und Richters, dass du waschest und reinigest alle Räumlichkeiten. Ueberall, wo du hingesprengt wirst, mögest du die unreinen Geister und deren Phantome vertreiben, ebenso alle Genossen des Teufels, die teuflischen Gesichter, wie auch die Hinterlisten und die Anfechtungen der- selben. Durch die göttliche Allmacht mögen die Anschläge des Satans auf Menschen und die Saat zu nichte werden, und möge der Satan entweichen und fliehen durch die Macht unseres Herrn Jesus. Ich beschwöre dich, unreiner Geist, mit dem allmächtigen f Gotte, der erschaffen hat Himmel und Erde, die Meere und Alles, was darin lebet, dass die Hinterlisten und Anschläge des Teufels und seine Bestrebungen und Ver- suchungen vernichtet werden und der Teufel 14. Seite. i pobignite, od ouoga stuorenya uode . da bude sueta . i ogan goruchi suerchu fse cla be nepriyateglsclie j Oce chi naspascenye clouicaschomu rodu . uelicha posuecheya uodo3 cd racan gi postauiti rachel yesci . blicu budi gga 190 I. Archäologie und Geschichte. nyu nasemu . i cignegnya ouoga fnogi mi cachom progri . cla storenye tuoye bo castu slucit isgagnayu uragof i nemo chni . ioscbe supugnenya bogastuenc milosti da primet suersene . I tacholie u mesticb ali stanicb uernich . ouo yedö pochropglienye sglubitse u cistocbi i obaruyet od necistochie . ni frimena . racboynoga . I otidite fse slob layucbich nepriyatel . i acho ca yest ne cdrauo entfliehen müsse vor der Kraft dieses Wassers, welches heilig und die feurige Flamme sein möge, die besiegt alle feindlichen Böswilligkeiten. 0 Vater, der du zur Erlösung des menschlichen Geschlechtes die höchsten Ge- heimnisse (Sacramente) in die Substanz des Wassers gelegt hast, erhöre unser Flehen und verleihe deine Macht und deinen Segen, damit dieses dein göttliches Werk die Teufel und alles Böse vertreibe, und dass deine göttlichen Gnaden in Erfüllung gehen, auf dass in den Häusern und Wohnungen der Getreuen, die mit diesem (Wasser) besprengt werden, Reinheit herrsche und alles Unreine und jedwedes schädliche Un- wetter machtlos bleibe. Und es mögen die Anschläge der Feinde zu nickte werden. Und wenn irgend etwas, was der Gesundheit 15. Seite. ustauich auich . po ochropglienyu uode oue pobignite . aedrafie suarseuo da pribiuat pognanyem imena tuoga suetoga pobig nut iofsache aruagne budi obarouan Gospodinom nasim isucharstom sinoß tuoim . chi stobom ciuet chragluyet uiedinstui ducha sueta bog . poia scl’a scl’o% Amen Oremus peeptis salutarib9 moniti T divina institutione formati audemus dicere . Pater noster . U . $ libe ra nos a malo amen Sbaui nas gospodine molimte od fsega sla choye mimoslo . i choye sada i chogimat priti . slug i slucabnic tuo tuoich od megga . i od glada i od oggna i od nemochi calicli . poigbauiteglu isp asgiteglu nascem gospodinu isuchästu Schaden oder sonstiges Ungemach zufügen könnte, vorhanden wäre, so möge dies nach dem Besprengen mit dem Wasser verschwinden, und es möge die Gesundheit bei An- rufung deines heiligen Namens von allen Anfechtungen bewahrt bleiben. Mit unserem Herrn Jesus, deinem Sohne, der mit dir lebet und heiTschet in Gemeinschaft mit Gott dem heiligen Geiste, p oia scl’a scl’o*f Amen. Oremus peeptis salutarib9 moniti "jf divina institutione formati audemus dicere . Pater noster . ff . U libera nos a malo. Amen. Ra die. Bruchstück eines altslavischen handschriftlichen Evangeliars. 191 Erlöse uns, o Herr, wir bitten dich, von allen liebeln, die schon vergangen, die jetzt sind und die deinen Dienern und Dienerinnen künftighin drohen: von Krieg, Hunger und Feuer, von bösen Krankheiten, durch die Gnade unseres Erlösers, unseres Herrn Jesus, der 16. Seite. chi stobom eiuet ichragliuyeth uyedensti ui ducha sueta bog . per oia secl’a sclo% a dns uobiscü Mir i blagoslof j boga ot Benedicamus dno de’ gras poinolimse ca fsemoguchega isina f iducha sueta f pridi suarchu uode oue da bude posue chena . ugime fsetoga troystua amen Arstite carst . i posuetisse uas suit . ida gnim odpuschenye grichof uodom i du hom fsocischuyemo : — Et dicitur trib° Vicibus Ale t’chrat mit dir lebet und herrschet in Gemeinschaft mit Gott dem heiligen Geist. Per oia secl’a sclo% ä. Dns vobiscü. Friede und Segen von f Gott. Benedicamus dno de’ gras. Beten wir zu dem allmächtigen Sohne j und dem heiligen Geiste f, der herab- steigen möge auf dieses Wasser, damit es geweiht sei, im Namen der heiligen Drei- faltigkeit, Amen. Getaufet sei dein Reich und geheiliget die ganze Welt, und es seien die Sünden durch dieses Wasser und den reinigenden Geist vergeben. Et dicitur trib9 Vicibus ale dreimal. Altbosnisclie und verwandte Denkmäler. Von Vid Vuletic-Vukasovic, k. k. Professor in Curzola. (M it 9 Abbildungen im Texte.) Inhalt: 1. Das Siegel des Klosters Labostin in Duvno (Zupanjac). (Mit Figur 1.) — 2. Ein mittelalter- liches Siegel aus Vid (Narona). (Mit Figur 2.) — 3. Ein altbosnisches Heiligenbild (Bozak). (Mit Figur 3 — 5.), — 4. Altbosnisches lleliquienmedaillon von der Insel Curzola. (Mit Figur 6 — 7.) — 5. Altbosnische Urkunden. (Mit Figur 8.) — 6. Die Wappen der Ohmucevic in Slano (Dalmatien). — 7. Eine Inschrift vom Jahre 1420 in Slano bei Ragusa. (Mit Figur 9.) — 8. Der Stammbaum des altbosnischen Adels- geschlechtes Ovfarevic, jetzt Gueetic (Gozze) in Ragusa. — 9. Tertibi-Ziba in Dalmatien. 1. l)as Sieger des Klosters Labostiii in Duvno (Zupanjae1). Das Siegel (Figur 1) ist aus gelbem Messing, 21 Gramm schwer; sein Durchmesser beträgt 42 Mm., die mittlere Stärke 1 Mm., die Höhe der Griffes 19 Mm., die Dicke desselben 2 Mm. Der Griff wurde später, ich glaube bei einer Reparatur, hinzugefugt. Die Umschrift lautet: f MflNflGMUPh • miKOGIIHNh * XPHMh * QbElGAGNHG * nPGGlllHG * •J* Manastir • Labostin * hram * Vavedenie * pres(ve)tije * B(ogorodi)ce. (Kloster Labostin. Patron desselben das Fest der Opferung der Gottesmutter.) Im Felde des Siegels ist die Gestalt der Kirche mit drei Kuppeln (zwei kleinere Nebenkuppeln mit der grossen Kuppel in der Mitte) zu erkennen. In der rechten Kuppel unterscheidet man eine (menschliche?) Gestalt. Neben der grossen Mittel- kuppel sieht man rechts und links je ein Kreuz, während rechts hinter der Kuppel ein Engel niederschwebt, als ob er in die Kirche hineinschweben wollte. Auf der linken Kuppel befinden sich vorne zwei Fenster; an der Kirchenfront ist rechts bei der Thür und links neben dem Altar je ein Fenster dargestellt. Jede Kuppel ruht auf Arkaden, deren bosnisch -byzantinischer Stil, mit der Schriftgattung übereinstimmend, zeigt, dass das Siegel aus dem 13. Jahrhundert stammt. In der kreuzförmigen Kirche sitzt rechts neben dem Altar im ornamentirten Bischofsstuhl ein Priester mit langem Bart (Simeon?) und empfängt die Mutter Gottes, welche in jugendlichem Alter vor ihm zur Rechten steht. Hinter der Mutter Gottes sieht man zwei Gestalten, zur Rechten 1 ) Vergl. Vjestnik hrv. arlc. druztva (Mittbeilungen des croat. arehäol. Vereines) 1891, S. 19 — 20. Vule ti c-V ukaso vic. Altbosnische und verwandte Denkmäler. 193 Josef und diesem zur Linken Anna. Hinter Josef und Anna befinden sich drei weibliche Gestalten. Alle sind in lange Gewänder nach Art der Dalmatica gehüllt; die Köpfe von Aureolen umrahmt. Das freie Feld oberhalb der Mutter Gottes ist mit Blumen ausgefüllt, auch unter den Füssen hat sie einige Blumen. Im Worte AflßöGllllHli der Umschrift ist das fl verkehrt eingravirt. Die Stiftung Ljubostinja der Kaiserin Milica ist uns wohl bekannt, aber der Name des Klosters und der Kirche AflKOGnilfHi (Labostin) ist neu. Diese Kirche sammt Kloster lag sicherlich in der heutigen Hercegovina; doch ist von ihr nicht mehr als ein Haufen Steine übrig geblie- ben. Nur das Siegel gibt uns Kunde von diesem Gottes- hause. Dieses Siegel fand ein Bauer in Mandino selo bei Duvno (Zupanjac) und übergab es einem Mönch, der es wieder dem hochwürdigsten Herrn Metropoliten S. Perovic in Mostar schenkte. Dieser hatte die Gewogenheit, mir das Siegel durch die Vermittlung meines Freundes Eisto Jvanisevic in Mostar leihweise zur Verfügung zu stellen, Fig\ l. Siegel des Klosters so dass ich Gelegenheit bekam, dasselbe mit Müsse zu stu- Labostin in Dnvno (Vi). diren und darüber zu berichten. Ich suchte wohl Näheres über das Kloster in Duvno zu erfahren, doch wusste mir Tosa Jvanisevic nur so viel mitzuth eilen, dass nach der Angabe des Sava Vuka- novic aus Duvno der Name des Klosters Labostin, oder wie Andere sagen Hlabostin, dort noch bekannt sei. 2. Ein mittelalterliches Siegel aus Vid (Narona). Das Siegel, welches wir anbei, Figur 2, abbilden, ist aus Bronze und hat auf der Rückseite statt des Griffes einen kleinen Bügel. Der Durchmesser beträgt 29 Mm., das Gewicht 13^2 Gramm. Die Umschrift lautet: + : S. COITIS MBRCI D CBSTROL • 1UIDI- : Professor S. Ljubic1) liest dieselbe: + : S GÖITIS MB Röl D GffSTRO LBPIDIS. ■ : Im Mittelfelde ist ein Thurm mit drei aufgesetzten Thürm- chen angebracht; rechts und links ranken sich zwei Zweige vom Boden zu dem Thurm hinauf. Oberhalb des geöffneten Thurm- thores scheint der Flügel eines Raubvogels und rechts oberhalb Fig. 2. Altes Siegel aus desselben eine Rose angebracht zu sein. Im Giebel des Thurmes Vicl (Narona) (1j1). befindet sich ein Fenster. Das Siegel ist Eigenthum des Herrn Isaak Tolentini, k. k. Bezirksgerichts-Adjuncten in Curzola. Er hat es in Vid bei Metkovic erworben und mir in freundschaftlicher Weise zur Veröffentlichung überlassen. Es stammt aus dem 15. Jahrhundert und ist deshalb von Bedeutung, weil es das heutige Dorf Vid (wo die Ruinen von Narona liegen) als Feldlager (Castrum) nennt; hieraus entstand allem Anscheine nach der Name Castel Vido, das heisst der Thurm von Vido. b Vjestnik lirv. ark. drustva. (Mittheilungen des croat. archäol. Vereins), 1888, X. S. 9. Band II. 13 194 I. Archäologie lind Geschichte. 3. Ein altbosnisches Heiligenbild (Bozak1). Das anbei, Figur 3 — 5, von drei Seiten abgebildete altbosnische Amulet aus Lignit hat ein Gewicht von 29 Gramm und die Form einer abgestutzten Pyramide mit einer Basis von 43 Mm. Länge und 16 Mm. Breite. Die Höhe der abgestutzten Pyramide beträgt 41 Mm., die obere Horizontalfläche ist 34 Mm. lang und 9 Mm. breit. Oben ist zum Anhängen ein Ansatz (jetzt abgebrochen), dessen Rest 7 Mm. hoch und 10 Mm. breit ist. Das Amulct zeigt auf der Vorderseite das Bildniss des heiligen Nicolaus, welches ebenso wie das auf der Rückseite befindliche Christusbild sich in erhabener Arbeit 2 Mm. über die Fläche erhebt. Das Haupt des heiligen Nicolaus umgibt eine Aureole, welche gegenwärtig etwas beschädigt ist, in der Breite von 3 Mm.; die Aureole um den Christuskopf hat eine Breite von 0'9 bis 1 Mm. Die Dicke des Amulets beträgt unten 13, oben 9 Mm. Das Bildniss des St. Nicolaus zeigt uns den Heiligen mit unbedecktem Haupte, kurzem Vollbart und langem Schnurrbart, in Kirchengewänder gekleidet, das Petrachil mit dem Kreuzzeichen über den Schultern; das Kreuzzeichen sieht man auch auf der Umhüllung an der Brust. Zur Linken ist das Evangelium mit dem Kreuz sichtbar, die rechte Hand erhebt sich segnend nach orientalischem Gebrauch. Die Aureole um das Haupt ist aus Blättern gebildet. Wir haben es hier mit einem nationalen Werke aus der Zeit der ersten Anfänge der Kunst zu thun. Das Haar ist nach Nazarenerart geordnet, d. h. nach oben gekämmt und rückwärts in einen Knoten gebunden, auf der Stirne erscheint aber ein einzelner Büschel wie bei einem Greis. Starr blickt der Heilige vor sich. Neben der Aureole ist die Inschrift: Links : Rechts : <-+-> CTH NHKO Ad i-e d. i. S(ve)ti Nikolaje (der heil. Nicolaus). Das Bildniss des gekreuzigten Christus auf der Rückseite ist wenig geschickt gearbeitet, denn es sind die Eisennägel, die Finger b Bozak auch Ikonica (Heiligenbild, Amulet). Das Wort Bozak wird in Dalmatien angewendet, in Bosnien-Hercegovina ist es fast unbekannt. (Anmerk, von Const. Hör mann.) Vuletic- Vukasovic. Altbosnisclie lind verwandte Denkmäler. 195 und die Füsse nicht wahrnehmbar und nur der Kopf und der heilige Leib (Tulo1) etwas besser ausgeführt. Christus hat langes Haar und langen Bart und am Leibe ein lang herabfallendes Gewand. Die Aureole scheint nicht ganz ausgeführt zu sein, wie auch das ganze Bild den Eindruck des Unvollendeten macht und dem besser aus- geführten Bildnisse des heil. Nicolaus auf der Vorderseite jedenfalls nachsteht. Wir haben es hier mit einem Werke des 14., vielleicht des Endes des 13. Jahrhun- derts, also einer Zeit zu thun, als in Bosnien sich die nationale Kunst am besten zu ent- wickeln begann, und als der bosnische Feudalismus seinen Einfluss im ganzen Gebiete unseres Vaterlandes ausübte. Das Amulet wurde an einem Kettchen oder einer Schnur auf der Brust getragen; so trägt noch heutzutage das Volk in unseren Gegenden die „zapise“ (Beschwörungen), „ikone“ (Heiligenbilder) u. s. w. Von Alters her erfreut sich der heil. Nicolaus als Patron der Reisenden beson- derer Verehrung bei der Bevölkerung, die ihm den Namen „Sveti Nikola putnik“ (St. Nicolaus der Reisende) gibt und ihn mit Vorliebe zum Hauspatron wählt. Selbst die Termine werden bis zum Nicolaustage gerechnet. Im Küstenlande machen die Matrosen Gelübde zum heiligen Nicolaus; sie beten zu ihm und singen zu seiner Ehre Lieder, in denen er auch „Sveti Niko kapitan“ (St. Nicolaus, der Capitän) genannt wird. Ein solches Lied aus Ragusa lautet in freier Uebersetzung: „Der Mond verbreitet Tagesbeile; „Mjesec. kako dan, Schiffscapitän ist St. Niclas, Sveti Niko kapetan; Matrosen sind die lieben Engel, Angjelici mrnarici, Sie trinken Wein wie durst’ge Vögel.“ — Piju vino kako tici!“ — Mystischen Inhaltes ist das folgende Lied: „Stiess ab vom Strand ein Schifflein Ins Meer, das wildbewegte, St. Nicolaus ist Scbiffspatron. Er trägt ein dünnes Hemde, Am Kopf der Kränze zweie, — Im ewig grünen Winter!“ — Die Mannschaft frug den Niclas: „Sag’ uns, du unser Schiffspatron, Von wo dein dünnes Hemde, Am Kopf die beiden Kränze Im ewig grünen Winter?“ Gab Nicolaus zur Antwort: „„Zum Pathen nahm die Vila mich, Sie gab mir auch das Hemde, Ihr Töchterlein die Kränze, Drum grünen sie im Winter!““ „Uzvezla se korablja, Iz b’jela grada u more, Na njoj patrun Nikola; Na Nikoli tauka kosulja, A na glavi do dva v’jenca, Evo mi zimi zelena.“ Pitaju Nika druzina: „Vjere ti patrun Nikola, Odkle ti tanka kosulja I na glavi do dva v’jenca, Evo mi zimi zelena?“ — Niko ujima govori: „„Vila me zvala za kuma, Vila mi dade kosulju, Vilina c'erca do dva v’jenca. Ovo mi zimi zelena!““ — * Auch das folgende Lied aus dem Ragusaner Gebiet deutet auf hohes Alter: „O Nicola! Seemann mein, Vater unser lehr’ mich schnell, Kann das Vater unser nicht Und das Ave hört ich nie!“ „Oj Nikola moj mrnar, Reci jedan ocenas? — Ocenasa neumijem, Zdrave Mar’je i neznam!“ J) „Tulo“ bedeutet den menschlichen Leib. In Meleda sagt das Volk „Sveto gospino tulo“ (der heilige Leib der Gottesmutter). In Bosnien-Hercegovina wird kaum Jemand das Wort „tulo“ verstehen. (Anmerk, von Const. Hör mann.) 13* 196 I. Archäologie lind Geschichte. „„Ins Gebirge geh’ nur schnell, Fäll’ dort eine Tanne grün, Spalt’ sie in der Theile drei, Trag’ die Klotz’ zum Meeresstrand. Baue aus dem ersten Stück Ein recht schönes Schiffelein, Mach’ vom zweiten Kuder flink Steuerlein vom dritten Stück, Damit unser Jesus Christ Und die Jungfrau Maria, Die den Gott geboren hat Und für uns zum Sohne fleht, Her zu uns gelangen kann. — ““ „A ti podji u goru, Presijeci zelen bor, Presijeci ga na troje, Iznesi ga na more; Od jednog’ gradi barcicu, Od drugoga veslasce, Od trecega timuncie, Da se Jezus privede I Djevica Marija, — Koja je Boga rodila I za nas se molila!“ Ausser diesen Liedern, die bisher nicht publicirt wurden, ist noch das Nach folgende „Die grössten Sünden“ (Najveci grijesi) zu erwähnen, welches bereits gc druckt ist: Wuchs ein Baum im Paradies, Eine edle Dafina.1) Von der Last der Früchte viel Senkte sich der Aeste Gold Und die Silberblättlein all’. Unterm Baume stand ein Bett, Dicht mit Blüthen überstreut, Allzumeist mit Bosiljak2) Und mit Kosen leuchtend roth. Auf dem Bette ruhte aus Väterlein St. Nicolaus. Kam zu ihm St. Elias Der der Menschheit Frieden gibt, Sprach zu ihm St. Elias, Der der Menschheit Frieden gibt: „Stehe auf, o Nicola! Dass wir zum Gebirge zieh’u, Dort erbauen Scliiffelein Und die Seelen führen dann Aus der Welt ins Himmelreich.“ Doch es sprach St. Nicola: „Lasse ab, o Elias, Der du Allen Frieden gibst! Pleute ist der Tag des Herrn, Wo die Arbeit ruhen muss, Bis auf Tauf und Eheschluss, Wo du kämmen nur das Haar Und das Antlitz waschen darfst.“ Wieder sprach St. Elias: Der der Menschheit Frieden gibt. „Stehe auf, o Nicolaus, Dass wir zum Gebirge zieli’n Und dort bauen Schiffelein.“ Stund nun auf St. Nicolaus, Zum Gebirge zogen sie, Bauten dort die Schiffelein, Raslo drvo sred raja Plemenita dafina Plemenito rodila, Zlatne grane spustila, Lisce joj je srebrno; Pod njom sveta postelja, Svakog cv’jeca nastrta, Ponajvise bosiljka I rumene ruüice; Na njoj svetac pociva, Sveti otac Nikola, K njem’ dolazi llija, Mironosna vojvoda; Ta besjedi llija, Mironosna vojvoda: „Ta ustani Nikola! Da idemo u goru, Da pravimo korabe, Da vozimo dusice S ovog’ sv’jeta na onaj.“ Al’ besjedi Nikola: „Okan’ der se llija, Mironosna vojvodo! Danas jeste nedjelja, U njoj se nist’ nedjela, Vec se krsti i vjenca, Kuse kose cesljaju, B’jelo lisce umiva.“ Opet veli llija, Mironosna vojvoda: „Ustaj göre, Nikola! Da idemo u goru Da pravimo korabe!“ Al’ ustade Nikola, Odsetase u goru, Napravise korabe, J) Dafina = der Oelbaum. 2) Bosiljak = Mentha sijlvatica L. Vuletic-Vukasovic. Altbosnische und verwandte Denkmäler. 197 Führten dann der Seelen viel Aus der Welt ins Himmelreich, IBis auf drei der Seelen nur. Eine Seele sündig' war, Weil den Pathen sie verklagt, Und die zweite sündig war, Weil sie mit den Nachbarn stritt. Sündigste die dritte war. Die ein Mädchen bracht’ zu Fall. Prevezose dusice S ovog sv’jeta na onaj. A tri duse nemogu, Jedna dusa grijesna, Kuma na sud vodila; Druga dusa grijesna, S komsijom se mrazila; Treca dusa najgresnja, Djevojku je skudila. Hier ist wohl nicht der Ort, um über die Nicolausverehrung aus culturhistorischen Gesichtspunkten Betrachtungen anzustellen. Deshalb habe ich nur in diesen Zügen das Wesentliche angedeutet und Details vermieden, wie ich auch von Schilderungen der Slava (krsno ime, Hauspatronfeier) des heil. Nicolaus absehen zu sollen glaubte. Das beschriebene Amulet hat mir vor längerer Zeit unser verehrter Mitarbeiter Herr Tomo Dragicevic aus Bosnien gespendet, wobei er mir mittheilte: „Dieses Amulet fand ich in Bogutovo selo im Bezirke Bjelina in der Localität Mramorski potok. Beiläufig dreissig Schritte von der Stelle, wo ich es fand, über dem Bach in nordöstlicher Richtung liegen auf einem Hügel einige Grabsteine. Früher befanden sich dort weit mehr solche Grabdenkmäler. An derselben Stelle fand ich auch eine eiserne Streitaxt. Die Fundstelle liegt auf dem Acker des Stojan Lazic aus Bogutovo selo, und derselbe erzählte mir, dass er einst, als er das Feld ackerte, unter einer Steinplatte auf einen irdenen Topf gestossen sei, in dem aber nichts gefunden wurde. Ich habe zu öfteren Malen auf diesem Acker Nachforschungen angestellt, es wollte Inh- aber nicht gelingen, etwas Anderes zu finden als die erwähnten zwei Gegenstände. Dem Umstande, dass in dem durchfliessenden Bache viele altbosnische Grabsteine liegen, ist es zuzuschreiben, dass dieser Bach den Namen Mramorski potok er- halten hat.“ Die Streitaxt ist eine traditionelle Waffe der bosnisch-hercegovinischen Feudal- herren. Später trugen die Begs, Agas und Spaliis derartige Aexte mit besonderer Vorliebe. Der Guslar singt oft, wenn er die Kleidung und Rüstung der gepriesenen Helden beschreibt, auch von der Streitaxt. Nach meinem Dafürhalten sollte das bosn.- herceg. Landesmuseum diese gewiss noch zahlreich vorhandene Gattung von Waffen, die bis vor Kurzem im Gebrauche war, und an die sich in vielen Familien lehrreiche und interessante Traditionen knüpfen, fleissig sammeln und vor dem Untergange schützen.1) 4. Altbosniselies Reliquieiiinedaillon von der Insel Curzola. Der Gegenstand, welchen wir, Figur 6 und 7, von zwei Seiten abbilden, ist ein Gehäuse zur Aufbewahrung heilbringender Reliquien. Dieses Medaillon wurde im Blato (Wassertümpel) bei Curzola gefunden und befindet sich gegenwärtig beim Goldarbeiter Ivan Calnazzi in der Stadt Curzola. Die eine Schale des Gehäuses ist 12-5 Gramm schwer. Die Höhe beträgt 4, die Breite 3 Cm. und die Dicke beiläufig 5 Mm. Oben ist ein Oelir zum Anhängen und zu beiden Seiten je eine Schliesse zum Auf- und Zu- machen angebracht. *) Schon bisher hat das Museum eine ansehnliche Collection alter Streitäxte und Buzdovans (Streit- kolben) gesammelt. Bei einer späteren Gelegenheit soll darüber im „Glasnik“ berichtet werden. (Anmerk, von Const.. Hör mann.) 198 I. Archäologie und Geschichte. Die Inschrift auf der Aussenseite ist zu lesen: Kh Gnra na Ha d. i. Sija panagji(ja) pae Ko Gare Raje Kovace- □i'nra vi6a. zu deutsch: „Dieses Reliquienmedaillon gehört dem Raja Kovacevic.“ Inwendig ist das Gehäuse vergoldet und zeigt das Bild der Himmelfahrt Mariä in Hochrelief ausgeführt. Unten ist ein kleiner Hohlraum zur Aufbewahrung der Reliquie ausgespart. Das Gehäuse hat die Form eines Rechteckes, die oberen Seiten sind etwas grösser. Die Muttergottes ist in liegender Stellung (aufgebahrt) dargestellt; eine Gestalt hält sie beim Haupte, eine andere bei den Füssen. In der Mitte erscheint Jesus Christus im Glorienschein und rechts und links noch andere Figuren. Die zweite Hälfte des Gehäuses wiegt 14-05 Gramm. Die Aussenseite zeigt ein Ki ’euz. Im Innern ist auch dieser Theil des Gehäuses im Feuer vergoldet. Hier ist die Fig. 6. Aussenseite. Fig. 7. Innenseite. Fig. G — 7. Bronzenes Reliquienmedaillon aus Curzola (3/4). Taufe Christi dargestellt. Jesus steht im Wasser; ober ihm ist ein Rebengewinde (?) angebracht ; Johannes steht halbnackt auf einem Felsblock, die Fitsse Christi sind gleichfalls nackt. Hinter Christus sind drei Engel, einer ober dem anderen in an- betender Stellung gebildet; die Engel sind bekleidet, der oberste ist mit ausgebreiteten Flügeln dargestellt. Christus hat um das Haupt einen goldenen Nimbus, Johannes eine Aureole. Ober dem Johanneshaupte befindet sich eine ausgehöhlte Stelle für die Reliquie. Dieses Gehäuse ist ein Werk des 15. Jahrhunderts.1) Der Name para ist uns nicht unbekannt; Gjuro Danicic im „Rjecnik iz knjizevnih starina srpskih“ (Wörterbuch liter. serb. Alterthümer), III. Bd., S. 45 führt an: „para, männlicher Name. Unter jenen Personen, welche im Schreiben des Kaisers Stephan an die Engelskirche in Prizren erwähnt werden, sind vier para (Raja) genannt; einer derselben hatte den Zunamen KoHYKHirkh (Vojhinic), ein anderer aber KoßareßHhk (Kovacevii). XV. Hauptstück, 289, 294.“ b Viestnik lirv. ark. drustva (Mittheilungen des croat. archäol. Vereins), 1889, XI, S. 11 und 93. Vuletic-Vukasovic. Altbosnische und verwandte Denkmäler. 199 5. Altbosnische Urkunden. a) Sendschreiben des Oberhauptes und der Patricier der Stadt Ragusa an den bosnischen Pascha Ibrahim1) aus dem Jahre 1(321. npHCBHT/UI • H npHH3KpCHH • II CBAKOAI • BpH,/V,- NOCTII • KWrOAt • H4,A,apfHM • THf , w , , w a hwtoaiS • upiihc • 1114, • bauic • upuc : rwc : jkhkw • rfc>H4,SAHh kaacteahh • Haut • H3pa,\,n • hhekhcy chpwa\a\'a • namiuy hwaawjknhka • kwh • eheiiiii • kSiihah • mui|iw • jkhta 3a npwhn ■ jkhbwt • ua wba • THtcua • epEMcua • eh ha/i S rpacaHEHO • tv • ct ahai uasvvpa w raBEae kwha • CTBap HfCT cSuptVTiißa • 3anwBHf,a,H • r(CTa U,apa h • takwhep cSnpwTHBa bwah • Kamera • upuc-' rwc? kakö nw • hcthe\' AHCTWBHfy • RaillHf^ • IlHUIfTC • 3ÄTW • AI 11 STHfVf AIOCC k’ bauieaiS npnc • rivci kakw • k’ whoaiS • kwh nac ne • ba34,a II EpaHHW H IflHTHW W CBHf\' • 3$A$AI4 • II Hf^WliaAl W HiiKwra • eebakwhha Sithnhth • aawahaiw bac • kakw • atP nw^apa 2) • 4,a khc i c • peirmdra • ikiiba • auiawctip biieai wkwai • riwrae^AAH • h awepwbwahö ra vh8ah; ii eaatwct • Skasaah’, ii cupwAiaywai • ihhiiah • Sewuitkw BpATHTH • AAUI • CHAUlf CTpAHC • WCTANEAIW AIWAHTH Kwra • 3a A,Sr ii • 4,WKap • jkhbwt Kamera • npnca rwc? 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Bei Euerer Herrlichkeit wird sich unser Patricier Dzivo (Johann) Gundulic1) ein- finden, um die Angelegenheit einiger unserer armen Unterthanen, denen das in diesen schweren Zeiten zu ihrem Lebensunterhalte angekaufte Getreide vom Selim, Aufseher von Gabela, geraubt worden ist, vorzutragen. Diese That ist, wie wir dies aus Ihren an uns gerichteten Briefen ersehen, gegen den Willen des erhabenen Kaisers wie auch gegen jenen Euerer Herrlichkeit vollführt worden. Deshalb wenden wir uns an Euere Herrlichkeit als denjenigen, der uns immer vor jedem Ungemach schützte und be- schirmte, und der es nicht duldete, dass uns irgendwelche Ungesetzlichkeit zugefügt werde, und bitten wir Sie als unseren lieben Herrn, dass Sie den genannten Dzivo gnädigst aufnehmen und freundlichst anhören, wie auch die Gnade haben wollen, zu verfügen, dass den Armen ihre geringe Habe zurückgestellt werde. Wir wollen unserer- seits zu Gott flehen, damit er Euerer Herrlichkeit ein langes und zufriedenes Leben in bester Gesundheit und Freude und beglückt durch die Gnade des erhabenen Kaisers spenden möge. Gegeben zu Ragusa am 25. Jänner des Jahres 1621. Euerer Herrlichkeit stets zu Diensten bereit Der Fürst und die Patricier von Ragusa.“ Aussen : „Dem hochgeborenen, vortrefflichen und von Gott mit allen Tugenden begnadeten, wahrhaft adeligen Herrn Herrn Ibrahim Pascha, Gouverneur von Bosnien und vielberühmten türkischen Helden.“ $ * * Dieses Sendschreiben war mit einer Schnur durchzogen und geschlossen. An der Schnur befand sich das Siegel von Ragusa, welches gegenwärtig fehlt. Geschrieben ist das Sendschreiben auf einen zweimal umgebrochenen Bogen. Die erste und zweite Seite desselben ist beschrieben, die dritte zum Umlegen bestimmt, die * vierte zeigt die Aufschrift (suprascript), mit der Schnur und dem Trocken Siegel. Das Papier ist steif und unsatin irf^ also gewöhnliches Leinenpapier. Die Höhe des Sendschreibens beträgt 31 ‘5, die Breite 21 Cm. Ich schrieb dasselbe von dein Originale ab, welches sich in der Privatsammlung des Herrn V. Adamovic, Directors und Schriftstellers in Ragusa, befindet. Es zeigt die Ragusaner Bosancicaschrift, ähnlich der Urkunde, die wir in den nächstfolgenden Zeilen mittheilen (vgl. die Schrift- probe Figur 8). b DiZivo Gundulic, Patricier von Ragusa. Dies ist der berühmte Dichter Johannes Gundulic, geboren in Ragusa am 8. Jänner 1588, der mit 20 Jahren die juridischen Studien beendete und schon als Jüngling Gesandter war. f ts ^ Vnletic-Vnkasovie. Altbosnische und verwandte Denkmäler. 201 - ff ff/fr cirfec- /Y/fe ■ rrfrc/&Xa • A#KP®BMaH®/M ' C8 nOHf All ■ AA8THTH ' AX£hll8 THHAXA ; HAKA • Aa ' HJ 3NANHC ■ 8 CfHAT • A/XACTAMKH II IIHIIIf HCTOAX8 • RpATS ; 3AT0 pCHCHH CCNAT • 8AHAIIC 8AHAHC TPn ' A^KAAf • nOCAOHC pCMCHOAX8 ■ 3CpENAA8 • HCAN8 • H3AAp8re • A^ koahko • npnc • c^iopnact • 8.3ctii pcmcn8 • ncpctr8 nonoRO n TpCEHTNC ; 3AT0 • cSnpOTHRA C8 • RAUJCAX8 • n ■ T * A HARAA l|JHTO ’ pCMENH • 3£pCN0 • 8 BCAHKC • 8 3A0 ; H 3ATH • 83pOK MHHHO HC • A^hH KAprA>K8 ■ CRAp^8 ■ AoKp8A\A • hahcah8 • PA38- 202 I. Archäologie und Geschichte. MHf cf • ,sa raui • Ht^an • CTpay • Ha AP*>ri> • Aa ßa$AAAH At8 cö • npoAtimiS • Ha ipo nf • octao • RfOAta • jkaaoctah ; 3ai|io et • 84>ao • aa ra kf riOTßapAHTH • 8 aaaKAa • 8HHHHfH • nOKAf llf • 8.30 * P8EHT AA C,HH ' YOfcHf ha- AEHt • CTpaHf • R0HCE8 ■ MHHHTH • POpil • H80Rf • CTpAHf • A A A ' TO • HfEH Cf • yOTHtAO • HfPO Aa ,,£ ' BOpil ' nOTpfTHO ; A CAJk,A • HA\A Cf raac • aa c( ' P*THpo • H3noA * ptMtnora • HtrpmiOHTa • 11 riounio • tha • hoa • Han8an8 • oa • poataHHf ehbhiii • h3t8eho • uifc HAHfC ' THC8kHA • EOHCKf • HOCAAAHAHfC ; ßpllf AHllfy • BAACTf aa • a oph cf • pa3E0AH0 ; * 3a to • yoTiio caa\ noranKO • abh34th • — * Geh c8 • octaah • 3EanA»ifpoA\ • 8ßpfk8 • — e • n r • 3a thh^obo • EaaAaruf aan cf • capsano • AAOAfkn • aj- HHKaKO • HfEH • AAHfHTORAAO • OA ‘ KOPA CTf IIAAAAH • pfMf Hll aK8>K • H l|IO CAM HAKH • 0CTAH8Kh RAA\ • CEAKAKO EHfpHO HA CA8JKEH • Hf AP^r0 ' KOP RH • EfCfAHO • H 8 • P • 83AApiE0. G Allf3IIHf • HA 26. HOBf A\EpA • 1088. „ II G II H H II N 3. ■ M • MhOPO • npHCEHfTAOH • H I1A f/UfHHTOH • H /M8APCH * H CRAKf HACTH • H HACHf • ijiAAf • A^CTOH HHAA • PH8 • KHf38 • II pocnoAH A^EpOEAHKOH. 8 A^kP^khhk i; Mnogo . prisvietloi . i plemenitoi . i mudroi . i svake easti . i casne . fale . dostoinim . Gnu . Knezu . i gospodi . Dubrovackoi . poldon . i . v . d . a po tom; sto ie . bilo . potrebno . za vase P . G . avizo sam1) . na 27. Oktombra . pasanoga;2) u toliko bivsi . brat . ovoga . zerenala3) . za imbasadura4) . pri Cesaru . zato kada ie . ociutio . da ie . pi- salo . V . P . G . vasemu . vlastelinu . Gnu . Franu . Gundulieiu5) . koi nahodise . pri x) Avizo sam, vom ital. avvisare = benachrichtigen, bekanntgeben. 2) Pasanoga, vom ital. passato = verflossen. 3) Zerenala, metathetisch statt zenerala (General). 4) Imbasadura, vom ital. amhasciatore = Gesandter, Bote. 5) Frano Gundulic, Dieser ist aller Wahrscheinlichkeit nach Sohn des Sisko und Bruderssohn des berühmten DsSivo Gundulic. S. Ljubic in „Dizionario biografico degli uomini illustri della Dalmazia, Vienna 185G“, erwähnt S. 1G1 ihn ;und Matthäus als berühmte Feldherren des 17. Jahrhunderts. Frano kämpfte in der kaiserlichen Armee in Lothringen, Flandern und Holland, wurde Ritter und Feldmarschall und starb 1700. Vuletic- Vukasovic. Altbosnische und verwandte Denkmäler. 203 recenomu . Cesaru . pri komu . da bude . prokorati1) . da bi . poslo . pospiesno . osam. deset . tisucia . kognika . na ko n fine2) . od . Bosne . i Hercegovine . a navlastito . izradi . Neretve . Popova . i Trebigna; za to . viest se udilie . ucinio . istomu . Cesaru . danebi . do . uha . Dubrovcanom . sto su poceli . mutiti . megiu . guima; paka . da . na znanie . u Senat . mletacki . i pise istomu . bratu; zato . receni . senat . udilie . udilie . tri. dukale . posloie . recenomu . zerenalu . iednu . iza druge . dakoliko . prie . sforcase3) - uzeti . recenu . Neretvu . Popovo . i . Trebigne; zato . suprotiva su . vasemu . P . G . a navlastito . receni . zereno . u velike . u zlo; i za ti uzrok . cinio ie . doci . kargazu4) . svarlau . Lokruma5) . na ie^nu . razumie se . za vas . iedan . strali . na drugu . da vam . hocie . uvarci . niekoliko . bumba6) . u cestiti . grad; i za sve . da muie . receni . senat . toliku . presu7) . ucinio . od . recene . Neretve . Popova . i Trebigna . refudali8) rnu su . promienu . na sto ie . ostao . veoma . zalostan; zasto se . ufao . da ga ce potvarditi . u Dalmaciu; a . piso im . ie . ozgori . iz. pod . Negriponta . u razsarzbegniu . Moriziu9) . koi ie . zaduzda . ucinien . pökle ie . uzo . gubit . da oni . hocie . nadvie . strane . voisku . ciniti . gori . i u ove . strane . a da . to . nebi se . hotielo . nego . da ie . gori . potrebuo; u sada . ima se glas . da se . retiro10) . izpod . recenoga . Negriponta . i posio . tia . pod . Napuliu . od . Romanie . bivsi . iz- gubio . sesnaies . tisucia . voiske . i osamnaies; vriednieli . vlaste- la . a ogn se . razbolio; * za to . liotio sam . potanko . avizati. — * Svi su . ostali . s bandierom11) . u vrecu. V . P . G . za gniliovo . vladagne . ali se . sarcano . moleci . danikako . nebi . miento- valo12) . od . koga ste . imali . receni . akuz13) . i sto sam . iaki . ostaiuci vam . svakako . vierno . nasluzbi . ne drugo . Bog vi . veselio . i u . g . (ospostvu) uzdarzo. S Liezine14) . na 26. Novembra . 1688. I.S.P.N.K.P.N.Z. • I • Mnogo . Prisvietloi . i Pl- emenitoi . i mudroi . i svake casti . i casne . fale . dostoi- nim . Gun . Knezu . i Gos^^odi . Dubrovaökoi . u Dubrovnik. 1) Prokorati, vom ital. procurare = bekümmern, sich annehmen. 2) Konfine, vom ital. confine = Grenze. 3) Sforca se, vom ital. sforzarsi, sich Gewalt anmassen. 4) Kargazn, vom ital. earica und caricaggio, Kriegsmateriale. 5) Lokrum, Insel auf der Ostseite von Ragusa (Lacroma). 6) Bumba, vom ital. bomba = Bombe. 7) Presu (presa), vom ital. pressa (fretta), Eile, Raschheit. 8) Refudali, vom ital. rifiutare = verweigern, vorenthalten, abweisen. 9) Moriziu ist der Doge Francesco Morosini (1088 — 1094). 10) Retiro, vom ital. ritirarsi = sich zurückziehen. n) Bandierom, ital. bandiera = Fahne, Standarte. 12) Mientovalo, vom ital. mentovare = erinnern. 13) Akuz, vom ital. accusa = Anschuldigung. 14) Lijezina, vom ital. Lesina = Hvar (Stadt) auf der Insel Hvar (Lesina) in Dalmatien. 204 I. Archäologie und Geschichte. ;r Dem erlauchten, edlen, klugen und jeder Ehre würdigen Herrn Herzog und den Notahlen von Ragusa Verbeugung u. s. w. Alles, was für Euere Herrlichkeit nothwendig war, habe ich am 27. verflossenen Octoher avisirt. Der Bruder dieses Generals war als Gesandter beim Kaiser, weil er erfahren hat, dass Euere Herrlichkeit Euerem Nobile, Herrn Frano Gundulic, welcher sich beim genannten Kaiser aufhält, geschrieben haben, ei^müge sich bekümmern, dass so bald als möglich 80.000 Reiter an die Grenze Bosniens und der Hercegovina geschickt werden, insbesondere wegen Narenta., Popovo und Trebinje. Er hat sich beim Kaiser geschickt benommen und trachtete, dass den Ragusanern die Intriguen nicht zu Ohren kommen; da er den Senat von Venedig verständigte und auch seinem Bruder schrieb, sendete der Senat dem genannten General drei Dukale (Befehle), dass er je eher mit Waffengewalt von dem Gebiete von Narenta, Popovo und Trebinje Besitz ergreife. Aus diesem Grunde sind dieselben gegen Euere Herrlichkeit gestimmt, insbesondere ist der genannte General gefährlich, da er das Kriegsmateriale auf Lacroma bringen liess. Hiemit beabsichtigt er Euch einerseits Furcht einzujagen, andererseits will er in Euere fürtreffliche Stadt einige Bomben werfen. Trotz des ihm von Seite des genannten Senates aufgetragenen pressanten Angriffes wurde ihm die Bewilligung zur Vorrückung vorenthalten, weshalb er sehr traurig ist, da er hoffte, in Dalmatien bestätigt zu werden; auch schrieb er ihnen aus Negroponte in einer recht erregten Stimmung. Der zum Dogen gewählte Morosini, als er Verluste sah, will auf zwei Seiten I^-ieg führen, oben und in diesen Gegenden, und weil dies nicht erwünscht ist, so ist es nur oben nothwendig; jetzt erfährt man aber, dass er sich von Negroponte sogar bis nach Napxxlien zurückgezogen hat, nachdem er lG.OOOMann und 18 tüchtige Nobili verloren hat. Auf das wurde er krank.* *Alle blieben mit den Fahnen im Sacke. Dieses wollte ich Euch zu Euerer Richtschnur avisiren, wobei ich herzlich bitte, nicht zu erwähnen, von wem Ihr diese Anschuldigungen erfahren habt, und so lange ich lebe, bleibe ich Ihnen jedenfalls treu zu Diensten; und nichts Anderes, Gott erfreue und erhalte Sie in Ihrer Herrlichkeit. Lesina, am 2(1. November 1088. I. S. P. N. K. P. N. Z. Aenssere Adresse: Dem erlauchten, edlen, klugen und jeder Ehre würdigen Herrn Herzog und den Herren von Ragusa in Ragusa. Das Schreiben, dessen Anfang wir Figur 8 facsimilirt mittheilen, war mit Wachs gesiegelt. Das Siegel war klein (pugilar), und ist an demselben noch das Adelswappen zu erkennen. Vuletic-V ukasovic. Altbosnische und verwandte Denkmäler. 205 Das Schreiben ist auf einem gefalteten Blatt Papier geschrieben, und zwar waren auf der ersten Seite 25 Zeilen, auf der zweiten das Uebrige nebst acht Anfangsbuch- staben, die dritte Seite war leer, und auf der vierten war die Aufschrift (suprascript) mit dem Siegel. Das Papier ist hart und ungeglättet, nämlich gewöhnliches Leinenpapier, wie es im 16. und 17. Jahrhunderte gebräuchlich war. Gegen das Licht gehalten, sieht man weisse Querstreifen und in der Mitte den Fabriksstempel. Das Schreiben ist 29 Cm. hoch und 20 Cm. breit. Ich erhielt es nebst mehreren anderen von dem hochgelehrten Herrn V. Adamovic, Director und Schriftsteller in Ragusa, und bewahre dasselbe gegenwärtig in meiner Privatsammlung in Curzola. 6. Die Wappen der Olimueevid in Slano (Dalmatien). D • 0 • M. IOANES a CYM a FRÄBYS a SVIS a FAMILLE a OHMVCIIIEVICH a IYEGLIE a FILII a DICAVERVNT Diese Inschrift befindet sich in der Grossfrauenkirche (neben dem Minoriten- kloster) zu Slano in Dalmatien ; sie ist auf Pergament geschrieben und oberhalb des Altares des heil. Antonius von Padua (rechts vom grossen Altar) angebracht. Ober- halb der Inschrift befindet sich das Wappen der Familie Ohmucevic. Im Felde des gerundeten Schildes sind zwei wagrechte, parallel laufende Gürtel und über ihnen ein Querbalken mit drei nach links gewendeten Bartschlüsseln angebracht. Der Quer- balken läuft von links oben nach rechts unten. Im Codex von Fojnica ist unter Nummer 26 das Wappen der Familie Ohmuce- vic folgendermassen abgebildet: Der Schild ist ein dreieckiger Stechschild; das Feld ist schwarz. Im Felde sind zwei wagrechte goldene Gürtel und über ihnen in ge- neigter Richtung die bosnischen Schlüssel/) deren drei Bärtchen nach links gewendet sind. Um den Schild herum befindet sich eine schwarze, mit Gold gesäumte Draperie. Der Helm (mit geöffnetem Visir) ist blau, und auf demselben befindet sich eine goldene Krone mit sechs (?) Zacken. Hinter der Krone sind zwei Flügel mit ab- wechselnd schwarzen und goldenen Federn ausgebreitet. An den linken Flügel sind mit der Richtung gegen aufwärts die bosnischen Schlüssel gelehnt, deren drei Bärtchen gegen links gewendet sind. Oberhalb der Flügel ist auf einem Bande das Motto: TEMPVS : RESTAVIT angebracht.* 2) Unterhalb des Schildes steht auf einem Bande: OHVMVCHIEVICH9 An dem Altar befindet sich auf der linken Seite der Basis die Darstellung eines Baumastes mit Sprossen. Der Ast ist von einem Bande umschlungen, auf welchem folgende deutsche Worte stehen: Links : A SO A aGOTT Rechts: aWIL A Dieses Motto stammt noch aus der Zeit der Kreuzzüge. Von vorne ist der Schild ein Stechschild. Im Felde befinden sich zwei wagrechte, erhaben gebildete Gürtel und über ihnen von links gegen rechts geneigt die bosnischen Schlüssel (ähnlich dem Quer- *) Nach der Familientradition soll dies eine Brücke über die Drina mit ihren drei Jochen vorstellen. 2) Yergl. die unten folgende Notiz über den Maler des Wappenbuches von Fojnica. 206 I. Archäologie und Geschichte. balken) mit drei nach links gewendeten Bärten. Rechts vom Altar befindet sich unter der Unterlage ein Dreizack, umschlungen von einem Bande mit der Inschrift: DOMIN VS und darunter: PROVIDEBIT. Im Felde rechts ist eine kleine Abtheilung, in der sich drei gekrönte Löwenköpfe, und zwar oben zwei nebeneinander und der dritte unter ihnen, befinden. (Wie im Wappen des Königreiches Dalmatien.) Oberhalb der Löwenköpfe sind drei scudi inchiavati. In der Grossfrauenkirche1) in Slano befinden sich noch andere Grabinschriften der Familie Ohmucevic, welche ich schon früher im Spalatiner „Bulletino di Archeo- logia e Storia Dalmata“ (Jalirg. V, 108, 21, 22; 172, 31) veröffentlicht habe. Die Ohmucevic sind bosnische Adelige; ihre Güter lagen auf dem Glasinac. Dort befindet sich zwischen den Dörfern Princic und Bjelosalic eine grosse altbosnische Nekropole und neben derselben die Crkvina (der Kirchengrund), von der man sagt, dass da ehemals zwei Bischöfe aus der Familie Ohmucevic ihren Sitz hatten. Von Glasinac zogen die Ohmucevic nach Popovo in die Hercegovina, wo sie dem Volke noch heutzutage unter dem Namen Omucevici bekannt sind. (Vcrgl. Gj. Danicic, Korijeni, S. 158, unter „Mutimir, omucine etc.“ = sich hervorthun.) Die genannte Familie trat schon in frühen Zeiten mit der Ragusaner Republik, unter deren Schutz sie sich stellte, in Verbindung; die Mitglieder derselben zeichneten sich in zahlreichen Kriegen zu Lande und zur See aus, doch gehören diese Thatsachen nicht mehr zu meiner gegenwärtigen Aufgabe. Im Bereiche der Republik Ragusa besassen sie ihre adeligen Güter in Slano, und nannte man sie dort auch Grgurici (nach ihrer eigenen Benennung) und Banici (vcrgl. Danicic, Rjecnik iz knjizevnih starina srpskih, auf S. 25, wo es heisst: ILuiHhk (Banjic) 1249 Kfpuc/Ußk Karnak, KoarapHHk des Mathias Stefan, des bosnischen Gross- banus M 33). Dort liegt auch die folgende altbosnische Inschrift (vergl. Vjestnik hrv. arch. drustva, IX, Nr. 4, S. 112 — XXI): HA • HHKOAA • MATH Iw fß pfl EHII KhAIIK 0 IIAC/VACHH rtßiiK • oßü n,pßß8 81HHHY • HA CAAßi> rA • KOrA • H HA Ich Nicolaus Mathias auch genannt Bilik (c) vom Stamme der Ohmu- cevici. Diese Kirche er- baute ich zur Ehre des Herrn Gottes und zu . Die männliche Linie der Ohmucevici ist in Ragusa schon lange erloschen ; ein Nachkomme der weiblichen Linie ist Herr Louis Bizzaro Edler von Ohmucevic- Grguric, k. u. k. Oberst im Ruhestande und Grundbesitzer in Ragusa. 7. Eine Inschrift vom Jahre 1420 in Slano hei Ragusa. In der Kirche des heiligen Hieronymus beim Kloster2) in Slano befindet sich eine lateinische Inschrift, welcher ich deshalb Wichtigkeit beilege, weil diese Kirche eine Stiftung der berühmten bosnischen Familie der Ohmucevici ist. Die Inschrift ist in der rechten Seitenwand beim Eingangsthore eingemauert und ist auf einer 95 Cm. langen und 67 Cm. hohen Kalksteinplatte eingemeisselt. Wie *) Im Ordenskloster zu Slano sind zwei Säulenbasen altbosnischer Arbeit aus dem 10. Jahrhundert gefunden worden. Die ornamentalen Motive zeigen Aelmliehkeit mit einigen Denkmälern aus Knin, und ich werde gelegentlich darauf zurückkommen. 2) Vergl. „Vjestnik hrv. ark. drustva“ (Mittheilungen des croat. arcliäol. Vereines) 1882, S. 23. Vuletic- Vukasovic. Altbosnische und verwandte Denkmäler. 207 Figur 9 erkennen lässt, ist auf der linken Seite ein verschlungenes Kreuz dargestellt, welches Motive zeigt, wie sie öfters auf bosnischen Denkmälern aus dem Mittelalter Vorkommen; unter dem Kreuze befindet sich ein Wappenschild. Im Felde des Schildes sehen Avir quer von links oben nach rechts unten eine Treppe aus sieben Stufen (Gradus), welche das Wappenzeichen der Familie Gradi in Ragusa und der Familie Grade nigo in Venedig bildet. Das rechts angebrachte Wappen ist ähnlich dem links befindlichen, es fehlt ihm aber soAvohl das Kreuz als auch der kronenförmige Aufsatz. In der Kirchenmauer sind neben der Tafel zwei einarmige Kreuze cingehauen I h WM ’ t, ^ OCl/PKH S'OBÖLi^p J lipf l/£> QLflfP ÜRBI^QT GRdGK G6rr(0,Rip.liO^ tpmw Üpllog mORIBli^ RGRS^H PRTRIQ O'do üt/miHR "ORTf B[v QbopOio-iT>fi'T^eti$ ev ©rniiiüs iRüfDiA RHGTipiis: insTtmuiioT qfk? WO Sbafib TIBI nm$%$ aonoGTiidm Oomig qsfct mi/naRB Bfimuuh. F$$M0dfn'T)i g&mö prF,mpK pmiBii0pij& Fföimo B rp ÜOG RUäRR qObOPp piilßlis F*«f pTQRBRR aiiüTOS poSt’qriorRprbit • ßQf($40iihfi €FP J nwä# Ü0iSB qsto 0i mmowB Pfimtf ndpormi m ]pm$: pro 1 JW 'GRfirnfptidRQFBRDiTö lioaGS f-~ ! I Uombp^ PäRP^tio • lifigfliRLlG Pl^pifi^ps j v/ ' mp} iiifiöfiOG : pfi8Bii$ onp%$ ■ ■ ■ Ar* W'- ! -i*$J Ör.*'hiS'A< V Fig. 9. Inschrift in Slano bei Ragusa. Die Inschrift lautet: „Clara Gradum soboles • Junius Patricius olim Urbis et ipse decor • generi quos edidit equos Moribus egregii • patrie duo lumina dati Pectore et eloquio • Matheus insignis et ingens EmuBs invidie • rectique Marinos amator Instituunt has hiero • sacer tibi nominis edes Condetuum votis • hec munera parva sacelli Assensum dignare pater • precibusque faveto Et vos clera cohors ■ quibus hec sacraria cultus Posteriora dabit • per secula et utiles usus Esto sui memores • patrum simul atque nepotum Quis pro verba Deo • gratique rependite voces Votaque perpetuo • vestrum pia quisque frequcntet Mille quater centum • partum post Virginis annos Bisque decem iunctos • Phebus pater egerat orbes.“ 208 I. Archäologie und Geschichte. Es erübrigt nur noch beizufügen, dass die Kirche, in welcher sich diese Inschrift befindet, früher dem Feste Mariä Himmelfahrt geweiht war und erst späterhin den Namen des St. Hieronymus erhielt. Die heute in Slano lebenden Nachkommen der Familie Ohmucevic sind bekannt unter den Namen Strmica und Grguric. 8. Der Stammbaum des altbosni sehen Adelsgesclilechtes Ovearevif*, jetzt Grucetid (Bozzc) in ltagusa. Der Stammbaum des Adelsgeschlechtes der Ovcarevici befindet sich gegenwärtig in Cannosa bei Ragusa im Besitze des Herrn Balduin Bazilic-Gucetic, eines Mitgliedes der Zweigfamilie dieses berühmten Geschlechtes. Auf Leinwand regelrecht gemalt, ist der Stammbaum von einem 2 '24 M. langen und 1 *66 M. breiten Goldrahmen eingefasst. Neben dem Wurzelstocke des Stammes sind drei Schilder wie folgt gruppirt: Ein Rundschild lehnt sich rechts an den grossen Schild, dessen Feld eine längere Inschrift enthält. Oberhalb desselben ist eine Krone mit fünf Lilien angebracht. Im blauen Felde befinden sich drei untereinander verbundene gelbe (goldene) Berge mit scharfen Spitzen. Ober den Bergen schwebt in ziemlicher Höhe im blauen Felde ein nach links schauendes Lamm mit einer weissen Fahne, die ein rothes Kreuz zeigt. Die Fahne ist an einer schwarzen Stange befestigt, welche die Form eines Kreuzes hat und von dem Lamme mit dem rechten Vorderfusse gehalten wird. Dies ist das ältere Wappenbild der erwähnten Familie. Ein zweiter Rundschild, welcher gleichfalls von einer in fünf Lilien auslaufenden goldenen Krone gedeckt wird, und dessen bläuliches Feld im unteren Theile drei gelbe (goldene) parallel laufende Balken (sbarre) zeigt, lehnt sich links an den grossen Mittel- schild an, das heisst er ist mit diesem verbunden. Zur Rechten und Linken befinden sich zwei Aveisse Pferde (leokorna), welche die Köpfe zur Seite gewendet halten und je ein Rad drehen. Diese beiden Rundschilde sind beiderseits eines grossen weissen Schildes angebracht, welcher mit einer goldenen Krone gedeckt und von oben bis unten beschrieben ist. Der Stammbaum in Gestalt einer Eiche wurzelt in Felsen, die wahrscheinlich die alte Rausa darstellen sollen. Beim Stamme sitzt, nach links gewendet (das Gesicht en face), der Urahn der Familie Yuk (Wolf). Seine Kleidung ist die altbosnische: breite blaue Pluderhosen und rother faltiger Mantel. Vuk ist ein ältlicher Mann, sein Haupt unbedeckt; mit der linken Hand Aveist er zum Stamme. Auf den Felsen weiden fünf Schafe, von einem Hirten behütet, der in blaue Hosen und einen enganschliessenden Rock (köret) gekleidet ist. Der Kopf ist mit einem Kal- pak bedeckt, in der Hand hält er den Hirtenstab. Der Plirte hat den Blick ins weite Feld gerichtet, in dem die Contouren der Schafheerde angedeutet sind. Zwischen den Felsritzen spriessen einzelne Grashalme. Die dargestellte Gegend macht den Eindruck einer altbosnischen Nekropole, in der jene Schilder wie Grabsteine emporragen. Am Stammbaum finden wir insgesammt dreissig Erstgeborene, in den Aesten und Zweigen aber eine sehr bedeutende Zahl von Namen. Vom Fusse beginnt der Stamm- baum Avie folgt: Lupus Pecoralis mit der Abzweigung Milloslawus Radieuoj. Rliacu- sinae Aristocratiae Auctor 744. Obiit 815. Als zweites Mitglied der Familie finden Avir am Stamme einen Nico laus als Erst- geborenen, dessen Söhne als ZAAreige dargestellt waren : Radulus, Lubignas, Vuidosauus. Vuletic'-Vukaso vic. Altbosnische und verwandte Denkmäler. 209 Der dritte Erstgeborene Vukosav hatte eilf Söhne; der vierte ist Nicolaus, dessen zwei Söhne Vukosanns und Petrus auf der entgegengesetzten Seite (links) als Zweige angeführt sind. Nun folgen am Stamme als Erstgeborene, das heisst fidei- commissi: Yidosauus Vukosauus Vidosciuus Y ukosauus Petrus V ukosauus Hier sind zwei Zweige, links ein Petrus, rechts ein Savinus. Nach Vukosav folgen die Erstgeborenen: Stephanus Vita Clemens Vita Dieser Vita hat zwei Zweige, doch ist im linksseitigen der Name seines Ab- kömmlings nicht eingetragen. Clemens Vita Marinus Matheus Marinus Clemens 1280 Hier ist ein linker Zweig dargestellt. Marinus de Goccho 1310 An dieser Stelle sind beiderseits die Zweige des Stammes ersichtlich gemacht. Raphael 1313 Marinus Aegf 1369 Raphael Rocclius S i g i s m u n d u s Dragoie F ranciscus Matth eus Nicolaus Marinus Es lohnt sich nicht, die Abzweigungen hier anzuführen; deshalb habe ich blos die Erstgeborenen bis zur Krone des Stammbaumes aufgezählt. Das Uebrige glaube ich der Vergessenheit anheimgeben zu können. Band II. 14 210 1. Archäologie und Geschichte. Die Stammtafel ist auf Leinwand gemalt, und im Laufe der Jahre hat die längere Inschrift im grossen Schilde stellenweise Schaden gelitten. In jüngerer Zeit haben un- gelenke Hände diese Mängel restaurirt, das heisst sie haben die verwischten Worte ersetzt, und es ist dabei nicht ohne viele Fehler abgegangen. Wir geben nachfolgend eine Abschrift des Originals, in welcher auch diese Fehler unverändert mitgetheilt werden. Im Felde oberhallt des Schildes sind folgende Initialbuchstaben: I C N F P F 1. Gentem Goceicam seu poti, ab origine Armentariam ac Pecoralem dictam pre- cipuam olim fuisse in eo tractu Illyrici, qua Culmensis Regio 2. Narone Fluvio alluitur multa veterum Annalia Monumenta testantur. Indeque primum notis sedibus. Duce seu Gentis Principe Lupo Pecorali vulgo 3. dicto Catrunar Yucceta Obciarovich qui pertifias (?) Radoslavi Reguli impotentiam, eo quod adductus, quam ex ope, gentis, imperitabat Anno 4. Dni Septingesimo quadragesimo quarto cum magna Comitum Nobilium, ac collentium manu Pecore8 precipue Dives Rhagnsium trecen- 5. tesimo post Yrbem conditam anno commigravit. Hospitio statim comiter, ac nitro communicata, Civitate a Rhagusianis exceptns, auctoritate apud 6. suos, gratia apud Primores Vrbis liberalitate apud Plebeni ad eo valuit, ut altero post adventum ejus anno frequentissimis totius Civitatis comitiis 7. censor, ad ordinandum (?) statum Urbis Cunctorum piene suffragijs renunciatus fuerit. Recepto Ipse, Magistratu, postquam recensuit. Civium 8. capita universas Gentium familias trifariam discrevit, ac quid quid decorum genere, preclarum virtute, illustre opibus in Civitate repererat in 9. ordine seu nobiliuni Decurie cooptavit addito ut penes easdem familias perpetuo civitatis Regimen deponeretur. In secunda 10. Decuria assecta seu assentes Nobilium qui posthac precario Magistratum Mini- sterin obire possent sub Civium seu Paculanorum nomine 11. adlexit: Tertie decurie que plerumque ex seruitijs constabat gloria obsequii tantum relicta est. Sic composito Civitatis statu Reipublice formam 12. auspicatus est, qua nunc utimur, atque ex promiscuo Democratico Dominatu sub quo ab exordio Civitas coaluerat Aristocratico sive politiori optimatum 13. Regimini Civitatem legibus, quibus ipsimet optimates parerent devinxerat. Cum- que ex tempestate non tantum ex Illyrica, ac Macedonia sed ex Italia 14. quoque prevalentibus undique Barbarorum opibus, ac tedie externe Dornina- tionis preclarissime Familie. Rhagusium veluti ad nascentis Libertatis 15. Asylum appullissent, Rector fuit Patribus vetandi cum Plebe connubium ne decora Nobilium Familiarum polluerentui'. Demurn kastro condito, invocato 16. ad Tutelam Yrbis Patrono Sancto Sergio, Magistratum in publica Concione ejuravit; ac post plures annos (jam plenus dierum) nam centessimum 17. atrigisse creditur A obiit, elatus ferali pompa a tribus Filijs quatuorque Nepo- tibus funus prosequente universa Civitate, attrati Patres pullati Cives ; 18. sordida Plebes, hoc supremum preclaro, ac benemerito Civi officium prestitere • Ab excessu tanti viri universa ejus posteritas per quingentos ferme 19. annos Epicuralium nomine appellabatur quousque Anno Dni Millesimo Ducen- tesimo octogentesimo quarto, Marinus Epicui'alis, Clementis V uletic- Vukasovic. Altbosmselie und verwandte Denkmäler. 211 20. Filius ex eadem familia, voti reus sacram expeditionem seeutus conscensa Yenetorum Classe que crucis signatos in: Syriam tune transvectura ] xresto laba- 21. tur, Sicum seu antiquam Ptolemaidem appulit; ibique per plures annos Fidei, ac Christiano Nomini in Crucis Signatorum Conturbernio fortem, ac 22. industrem operam novavit Ea nam tempestate haud procul Sievensi Urbe . Saracenorum vis clam munitissimum Casteilum interceperat. Annone. 23. carico in Christiano exercitu cum inde brevi secatura temeretur omnes Crucis signatorum Duces ad maturandum Castelli expugnationem exercitum. 24. con(o)verat, quamquam in proximo ingens Saracenorum exercitus, locorum insuper angustie insuperabiles obsessit avdaciam mutuarentur; obsidentibus 25. in ipsa adversa adicta (?) etiam Estas intollerabiles calores od eö ea Regione auxerat, ut expugnandi Castelli spes pene in dies minueretur. Marinus 26. Epicuralis speculatus forte Rupes, et Crepininio quibus Castrum impositum erat, proprio commentu bellicam Machinam mirabili artificio. 27. R taruni spe per inacem, et invia loca transvetu ac meenibus peene admoveri curavit ingenti prorsus opere pretio; nam post paulos dies inde 28. firmata deditio in ipsoque procinctu a plaudentibus Commilitonibus Marinus Goccius a Machinamento appellari cepit; mox ei appositum 29. ipsi a Ducibus in Glentilitia Parma ove prestante super tribus aureis Tumulis in cerulea pianicie (quod Epicuralium erat vulgatum 30. insigne) tres auree semifascie cum geminis Unicornibus Rotam pregestiantibus. Hoc monumentum reversus in Patriam virtutis, et 31. industrie, sue testem attulit, quod adhuc usque gestat, ac pro Epicurali, seu Obciarevich de Goccio, seu di Gozze nuncupari cepit. Aec de Gentis nostri 32. origine ex vetustissimis annalibus seu Chronicis usquequaque trauxi, ac tu- multuario pene stylo huc congessi, ac tradidi ea mente potissimum, ut 33. forte, si cui ex Posteris hec mea qualiscumque Cura in manus obvenerit, composata et Avorum virtute, ac industria recenti cum corpore 34. nescio an dicam dessidia, tandem aliipiando interin ortice pene. Nobilitati aliquo honesto ausu consultat suo enim avite virtutis memoria, 35. quas Paces suaeque potis est maxime reputandi, veram Nobilitatem non origine tantum, et Natura sed virtute quoque comparare 36. (sed de ijs servi videant stupeant.que Nepotes, Unicuique decus suum Posteritas rependet) Matri vero in Universum estimanti pmo 37. Corolario gentilem Familie Dotein hec tradere visum, neci quis obtrectator in hoc mihi insanitatem obijeiat. Fiducia potius morum 38. jure merito, quam adrogaudia (?) censeatur. Supercilio persistere cum equa- libus, cum inferioribus comitatem propalam; ac pene 39. ex equo exereuisse, peculiare ac gentile bo(nitatis) nostre (g)entis semper fuit, nec laridem (?) hinc assequi quam pium, sed religiöse 40. debitum reddere generi certum est; nec . . . vir .... ec sinice (?) culta semper fuerit in Familia 41. ab ijs etiam qui ceteras exuerant, satis es . . . consuete (?)... deque natum vulgi adaquem: si superbum 42. hominem inter Goccios videris suppositi ti . . . hunc servum, seu spurium Matris ejus palam dicto 43. Maneant itaque hec, ac majora profecto gentilis modestie, ac virtutis moni- menta, ac diu inter Posteros 14* 212 I. Archäologie und Geschichte. 44. mansura crescant ex honesto certamine. Habes tuos Decios, si vis etiam Anales, etc. Tuberones in lioc Albo Poste- 45. ritas, ac repnta natura intirniitatis humane speciora ubique esse remedia quam mala, comparatumque esse 46. adeo, ut eadem Tellus, que generosas, et salubres stirpes gignere consueverit in proximo semper etiam pestiferi 47. aliquid, ac venenati alat optimas segetes lolium infestat, ac letiores quosquc Arbores Rubico non preterit 48. Itaque si quis Yerres, seu Clodius, scu utrumque in tanto in tanto (?) magne bonorum cetu censoria virgula corrigendus 49. premevat Optimum equidem, ac frugiferum, veluti in speculo intueri . Quid sui quisque? Quidenis? Sireque 50. Reipublice? Sub alienis nominibus voluerit, airt noluerit Plura bic appingere non vacat et si 51. vacasset pudet jure merito, pigetque, sentio quid postica sanna (?) a tergo imminueret. Zur Lebenszeit des Mauritius Orbini trat in Ragusa und anderen slavisclien Ge- bieten ein ausgesprochenes Hasten nach Wappen zu Tage, wodurch es sich erklären lässt, dass im 16. und 17. Jahrhundert selbst in den kleinsten Städten am adriatischen Meere Hunderte von Wappen und auch Stammbäumen auftauchen. Unter den Stamm- bäumen nimmt jedenfalls der oben beschriebene, im Besitze des Herrn Conte Balduin Bazilic-Gucetic in Cannosa befindliche einen hervorragenden Platz ein, denn wenn er auch nicht zu den ältesten gezählt werden kann, so ist doch das in ihm verwendete Datenmateriale zweifelsohne aus den ältesten Traditionen des bosnischen Adelsgeschlechtes der Ovcarevici geschöpft worden. Zu beklagen ist jedoch, dass diese Familien- traditionen recht verständnisslos verarbeitet wurden. Immerhin sind aber alle darin enthaltenen Angaben von Bedeutung, insbesondere für die Beurtheilung der Verfassung der Republik Ragusa. Im Werke „Dello Sviluppo civile di Ragusa“ führt Professor J. Gjelcic auf S. 4 nach Cod. Francescana-Mattei II (Makusev-Böheim: Mittheil, der k. k. Central- Commission für Kunst- und histor. Denkmale, XV, S. CXXXIH) einige Stellen an, die er wie folgt charakterisirt : „Cosi un anonimo, la cui cronica ragusea e ritenuta per il piü antico documento di storia patria“. Auf S. 8 seines ebengenannten Werkes bringt Herr J. Gjelcic eine längere Stelle aus dieser Chronik, welche ich hier zum Zwecke von Vergleichungen genau anführen will: „E prezzo dell’ opera riferire ciö che in proposito assevera la cronaca in discorso, anche perche tra questi dati troviamo qualche allusione al primordiale ordinamento de’ Ragusei: „689 — Vense assai giente in Raguxa con suo avere de Arbania e de parte de Bosna . . „695 — Vensero a Raguxa li horneni de Duchagini de terra ferma de Chastel Spilan e de Chastel Gradaz, e tuti horneni presero sue abitationi in la custera perche li diti horneni forno de la stirpe de Epidauro ruinato per Saragini . . .“ „743 — Vensero assai giente de Bosna con gran au er, perche Re Radosavo era signor tirano, vivea a modo suo; et etiam vensero de Murlachi da baxo sopra Narenta, piu Catunari, fra li quali era üno capo sopra tuti, et vensero con gi’ande multitudine de bestiame de diverse raxon; et a. tali ano dato per pastura la montagua de Santo Sergio. Vuletic-Yukasovic. Altbosnisclie und verwandte Denkmäler. 213 „744 — In Raguxa se feze una tlivision tra tuto populo de Raguxa . . . Queli che erano piü richi erano capi e governatori . . . ogni fameglia teneva suo Santo, clii Santo Sei’gi, chi quelo, chi questo ... Et dopo che sono venuti homini de ogniVulasi (Valachi o Murlachi inferiori) de quela hora comenzarno far modo de spartir ogni generacion per se: Perehe parici Ynlasi essendo richi de ave re, de oro, de argento, bestiame et altre cose; fra li quali erano molti Chatunari, che ogni nno se stimava come conte, et ogni nno aveva soi naredbenizi (direttori). Chi era governator de Cavali, chi alo bestiame grande, chi alo menuto, chi servia a la ordinazion de la casa, chi stava a comandar ali diti subjeti. Piu* era nno sopra tuti quäl se cliiamava Chatunar grande et era de stirpe Pecorale perche si chiamava cuxi per nobilta, tanto erano richi de bestiame, maxime de pecore. Quali diti catunari fezero fare uno Sboro (Consiglio o Parlamente) et per suo caso fezero spartia de populacio in tre parti: in una parte Gentilomeni: in altra populari: in terza servidori; perche tanti servidori erano venuti de Yulachia con bestiame, ch’ erano gran quantita de homeni, et ad ogni uno pareva vila cosa esser chiamado come queli pastori. L’ altra parte erano servidori come spen- zatori, come queli che atendevano alla casa et ali chavali, et servidori della persona del suo signor, li quali eran pocln. La terza parte erano fati gentil homeni, perche erano in prinzipio asai de homeni che erano venuti de ogni parte de mondo ma- xime de Arbania et de Bosna, perche non erano scampati de nation baxa, ma hano scampati homeni di conto, queli, che sono statt o capi tan j o conti, ouer qualcuni Signori Naredbenizi fati ... et erano de linea de homeni de conto ... et per tal caso ano spartito ogni generation da se per si cuxi come . . . Gentilhomini chi erano fati tali erano governatori de la terra et altri offizi, et tuti gentilhomeni intravano in sbor over Consegl generale, et altri non. L’ altra parte de populani, vol dir pol vilani (la mita del vilano), perche quei vilani erano lori anche de baxa condition e, ma alcuni in case de’ gentilhomini et per tal caxo son beneficiati, quali fazevano come guardiani . . . Persone Chuezari over altri sotto obedientia dei gentilhomeni, perche erano molti e molti gentilhomeni richi, et atendevano tali ali triunfi, ale chaze', et ogni uno teneva uno over duo famigli de la governation de sua persona, perche uno gouernava cavallo, lo altro spalviero, e tali crescevano de quali ixivano poluvani, zoe di dir mezo vilano benefiziato per lo Signor, e de queli povulani ixivano homeni de ben . . .“ (Makusev. Iz slijedovanija.) Dieses Fragment deckt sich stellenweise vollkommen mit dem Stammbaum Bazilic- Gucetic; und, was noch wichtiger ist, letzterer ergänzt in ganz vortrefflicher Weise die Chronik des unbekannten Autors. Einigermassen kann man die Spur des Guöetic’schen Stammbaumes nach dem Werke des Professors S. Ljubic: Dizionario Biografico degl’ uomini illustri etc. ver- folgen. Ljubic schreibt nämlich auf S. 16G: „Gozze Ambrogio di Ragusa, domeni- cano, di famiglia patrizia, ai 15 giugno 1609 eletto da Paolo V. alla sede vescovile di Trebigne e di Mercana, morto nel 1632 vescovo di Stagno. Scrisse: Catalogus virorum ex familia praedicatorum in litteris insignium, Venezia 1605. in 8°. — Refor- matio Calendarii perpetui, Bologna; — Opus de similitudinibus et exemplis. Albetum familiae Gozzeae gentis e vari altri scritti inediti, esistenti nella biblioteca del suo ordine.“ Ferner schreibt Ljubid auf S. 167 von einem zweiten Guöetic: „Gozze Ladislavo di Ragusa, scrisse un’ erudita prefazione all’ opera storica'di Giunio Resti, una disser- tazione intitolata: De recta senatorum electione, ed un componimento poetico: de casibus familiae et domus suae. Morl nel 1746.“ 214 I. Archäologie und Geschichte. S. Ljubic macht in seinem Werke auf S. 296 neben diesen zwei Gucetici noch des folgenden Geschichtsschreibers Erwähnung: „Tiburtini Giovanni Evangelista di Ragusa, raccolse ed ampliö le genealogie delle famiglie civiche della sua patria scritte da suoi predecessori in un grosso volume, da cui si ricavano le origini di que’ casati, l’estesa del commercio raguseo in vari tempi, le epoclie di floridezza e di deca- denza, e si giungono a conoscere le gesta di vari personaggi distinti per sapere. Eccone il titolo: Origine e genealogie di tutte le famiglie dei Cittadini della citta di Ragusa, quali successivamente sono uscite di tempo in tempo, cominciando da circa l’anno 1300 fino all’anno 1500, cominciate a descriversi da Bjelo- slav di Gradoje Tiburtini fino all’ anno 1400, e seguite da Evangelista di Brailo Tiburtini, nipote del detto Bjeloslavo fino all’anno 1450, e poi da Evangelista di Gabriele Tiburtini nipote di detto Evangelista fino all’anno 1500, ed ampliate per me Giovanni Evangelista. Si distinsero in tale materia eziandio Matteo Danich, Ambrogio Gozze domenicano, e Luigi Bicich.“ Ich bin der Ansicht, dass der Gucetic’sche Stammbaum unzweifelhaft den oben erwähnten Ambrosius Gußetic zum Verfasser habe, wobei dieser gute Quellen, wie z. B. die oben angeführten Werke, benützt hat. Speciell wird er aber alle Familienurkunden verwendet- und sich an die Familienüberlieferungen gehalten haben. Der Stammbaum ist sowohl für die Geschichte Ragusas, als auch für die bosnische Geschichte von so grosser Bedeutung, dass ich nicht unterlassen wollte, in diesen Zeilen auf ihn aufmerksam zu machen. 9. Tertibi-ziba in Dalmatien. Herr A. Glamucina aus Kuna (auf der Halbinsel Peljesac in Dalmatien) schenkte dem Verfasser das Buch Tertibi-ziba für dessen Alterthümersammlung. Der Autor des- selben war der Mufti Hafiz Mahmud Effendi aus Vardar, welcher es nach Constanti- nopel gesendet hatte, damit es der Bibliothek Siwasi - zade - effendi einverleibt werde. Das Buch wurde in Vardar im Jahre 1054 nach dem Hidzret (— 1644 n. Chr.) ge- schrieben. Es enthält Sprüche aus dem Koran, dann eine Unterweisung, wie im Koran ein jedes Capitel und ein jeder Spruch gefunden werden könne, weiters in welchem Capitel sich der betreffende Spruch, ja sogar in welchem Capitel (Sure) und in welchem Spruch (Ajet) sich jedes einzelne Wort des Koran befinde. Ich liess das Buch durch Vermittlung meines Bekannten, des Herrn Risto Ivanisevic aus Mostar, von einem dortigen gelehrten Muhammedaner beurtheilen. Das Urtheil desselben lautete, dass es ein genauer Index des Koran und „umso wichtiger sei, als auch der Name der Ver- fasser angeführt werde“. Weiter sei das Buch auf das Genaueste und Correcteste ge- schrieben, ein wahres Muster der betreffenden Schreibweise. Es besitzt einen starken Einband ; der Rücken ist mit Leder überzogen, und die Deckel waren mit grünlichem Papier beklebt, dessen Spuren auch jetzt noch sichtbar sind. Das Buch ist im Ganzen 156 Blätter stark. Das erste Blatt ist mit rothen Ornamenten geschmückt; das letzte war es ebenfalls. Das Buch ist auf glattem Leinenpapier geschrieben, und jede Seite hat in der Breite (von rechts nach links) ö\5 Cm. und unten und oben 4 Cm. breite Ränder. Mit dem Einband ist es 2P5 Cm. hoch, 16 Cm. breit und 2 Cm. dick. Die Privilegien des Hauses Ohmucevic-Grgurie. Von Hilarion Ruvarac, Archimandiit im orient.-ortliod. Kloster Grgetek in Sjrmien. Mit zwei Anhängen: Die Burgruine Tuheljgrad von W. Radimsky und Ein alter Plan der Zupa Smucka von Vid Vuletic-Vukasovic. (Mit einer Abbildung im Texte.) Tn dem Werke „Historia regum Hungariae, Budae 1801“ erwähnt Pray an zwei Stellen (Pars I, p. 182 und Pars II, p. 27 und 28) einige Urkunden ungarischer Könige und zwar: Belas IV. vom Jahre 1269, Ludwigs I. vom Jahre 1349 und Sigismunds von 1395 und 1406, welche bestätigen sollen, dass die Stadt Kostur (Castoria) in Macedonien der fürstlichen Familie Ohmucevic geschenkt worden sei. Auch Fejer erwähnt diese Urkunden im diplomatischen Codex des Königreiches Ungarn (Tom. IX, B. I, S. 557 und 558). Auf die Schenkungsurkunde König Belas IV. vom Jahre 1269 beruft sich auch Szalay in seiner Geschichte Ungarns (deutsche Ausgabe I, 333, Note 2). F e j e r hat, als er die den Fürsten Ohmucevic von den ungarischen Königen aus- gefertigten Schenkungs- und Bestätigungsurkunden anführte, noch beigefügt: „uti iidem Comites productis litteris Viennae a. 1678 corani Leopoldo Caesare probaverunt“. Ich bin im Besitze einer beglaubigten Abschrift dieser Urkunde Kaiser Leopolds vom Jahre 1678, mit welcher über Bitte eines Ohmucevic (welcher „generosus ac egre- gius dominus Antonius Damianus Ohmuchievich - Garguricz, eques Illyricus Ragusinus oriundus ex regno Bosniae, Reipublicae Ragusinae Cancellarius et ad Majestatem Nostram nunc ab eadem Republica ablegatus nuncius“ genannt wird) die von demselben vor- gelegten, vom Kaiser und König Ferdinand III., dem Vater Kaiser Leopolds, in den Jahren 1650 und 1654 ausgestellten Privilegiumsurkunden bestätigt werden : „conti- nentes in se certas quasdam alias quinas literas praedecessoris condam nostri Mathiae primi, regis Hungariae quemadmodum etiam Regum olim Serviae, Rasciae, atque Banorum et Regum Bosniae legitimorum, super certis donationibus feudorum ac bonorum nec non Comitatus et Capitanatus terrae Smuscae in praedicto Regno Bosnae atque terrae et civitatis Castoriae in Regno Macedoniae existentis, primas videlicet 1268, alteras 1349, tertias 1395, quartas 1406, quintas denique 1465 annis Domini emanatas.“ In seiner Bestätigungsurkunde vom 2. November 1678 erwähnt also der Kaiser und König Leopold die in der Bestätigungsurkunde Ferdinands III. bezeickneten Briefe 216 I. Archäologie und Geschichte. und Urkunden aus den Jahren 1268 (1269), 1349, 1395 und 1406. Leopold sagt aber keineswegs, dass die Olnnucevice alle diese Urkunden von ungarischen Königen er- halten hätten, und erwähnt nur König Mathias, welcher die Urkunde vom Jahre 1465 hätte ausstellen können. Es könnten sonach die übrigen vier Urkunden von serbischen Königen, dann von bosnischen Banen und Königen, die neben König Mathias ange- führt werden, herrühren. Im Jahre 1653 wurde in Neapel ein Buch gedruckt, welches die Privilegien der Fürsten von Tuhelj aus dem Stamme und der Linie der Olnnucevice darstellt. („Privi- legios concedidos por los Senores Reyes y Emperadores del Reyno de Ungria, Bosna, Servia, Croacia, Dalmacia y Macedonia, a los condes de Tuchegl de la Casa y Linaja Ohmuchievich -Gargurich, sobre ,los donationes de Feudos, qui dichos Condes posseian en Bosna y Macedonia, traducidos per orden del Sacro Real Consejo de Napoles dela lengua y caracter Ilyrico en que estalan escriptos en caracter y idioma Italiano como se contienen en diclio Sacro Real Consejo de santa Clara, confirmados por la Magesta Cesarea de Ferdinando Ter^-ero Emperador etc., al Almirante Andres de Nicolas Oh- muchievich y a D. Pedro de Ybella Ohmuchievich Cavallero de la Orde de Santiago, y a D. Carlos de Ybella Ohmuchievich hijos de dicho Almirante, declarados por Sa Magesta Cesarea por decendientes de los dichos Condes de Tuchegl y de Castorea..“) Da ich dieses seltene Buch in Händen hatte, hin ich in der Lage, sagen zu können, wem die in ihm erwähnten Privilegien gelten. Das Buch enthält vier Urkunden in cyrillischer Schrift, und zwar: 1. Ein Diplom: „IJI^aha KoTpcuuaHOßiihA, GAarcßlvpNOra Cana, JKünaHa, KN£3a h rocnc^HHa Kochh, npmwopio, XSaachh 3«amh, A0/'lkHHA'rk ßpaeMK, 3ana/irHiiA\'K CTpaHAAYK, Xcopn, Goah, FIcaPHHHIO ii K toa\8“ (d. i. : Stefan Kotromanovic, des recht- gläubigen Banus, Zupans, Fürsten und Herrn von Bosnien, Primorien (Küstenland), des Humgebietes, der unteren Landschaften und der Westgebiete, von Usora, Soli, Podrinje u. s. w.) 2. Ein Diplom: „IjJe^aHa GriinaHa qapa FapKOMK, ßpaara GapßßAt/Uh, PacHii H IlpH MOpiO II HpßaHHIl H KSrdpOMK H Sana^HHAXK CTpaHdAVK II K — nilCaH'K oy cTCAHOAAi) rpa/i,8 0\'pH/k,ö MHcena anpiiaia ^tcsTM AaHk. Pojka^ctba XpHCTOßa 1348 a o,A, CTßOpenia cßHTa 6857 aiito“ (d. i.: Scepan, Kaiser der Griechen, König der Serben, von Rascien, Primorien und Albanien, der Bulgaren und Westgebiete u. s. w. Geschrieben in der Residenzstadt Ochrida am 10. Tage des Monates April, von der Geburt Christi im 1348., von der Erschaffung der Welt im 6857. Jahre.) 3. Ein Diplom: „GruiidHa TßapTßa TßapTKOßiilsa, ßpaaia Gpcatay Kochh, flpn- Mopio, XyMßcnn 3£aaah, /\aAA*au,m, XpßaTO/Mß, Kpac/Uk, Xcopn, Goah, HoApuHHio, 3ana,i,HiiAVk CTpana/Wk o/k, 5 jSnia 1395“ (d. i. : Stefan Tvrtko Tvrtkovic, König der Serben, von Bosnien, Primorien, dem Humgebiete, von Dalmatien, den Croaten, den unteren Landschaften, von Usora, Soli, Podrinje, dem Westgebiete; vom 5. Juni 1395). 4. Ein Brief des Frater Marino, des Spalatiner Vicars für ganz Bosnien, vom Orden des heil. Franciscus, geschrieben in Vesela straza1) im Jahre 1406 am 15. Mai (15 Auia 1406 ahto). Die fünfte Urkunde des ungarischen Königs Mathias ist in lateinischer Sprache abgefasst: datum in castris exercitus nostri in vado fluvii Zavij die dominica proxima post festum omnium Sanctorum a. 1465. 1) Yesela straza ist ein Ort unweit Bug-ojno im Kreise Travnik. Ruvarac. Die Privilegien des Hauses Olimueevie-Grguric. 217 Zum Schlüsse ist noch die Bestätigungsurkunde Kaiser Ferdinands III. vom 10. Juni 1650 beigefügt. Von diesem 1653 gedruckten Buche und von den in ihm publicirten Urkunden war den oben bezeichneten ungarischen Historikern nichts bekannt, denn wenn sie dieses Buch gekannt hätten, so würden sie aus der beigefügten italienischen Ueber- setzung zumindest den Inhalt der Urkunden entnommen haben. Sonach hätten sie er- fahren, dass das Diplom vom Jahre 1268 (1269) keine Urkunde des ungarischen Königs Bela IV., sondern eine solche des bosnischen Banus Stephan Kotromanovic sei; dass das Privilegium vom Jahre 1349 nicht der ungarische König Ludwig der Grosse, sondern der serbische Kaiser Stephan ausfertigte; dass ferner die Urkunden vom Jahre 1395 und 1406 nicht Ausfertigungen des Königs Sigismund sind, sondern dass das Diplom vom Jahre 1395 eine Privilegiums- urkunde des bosnischen Königs Tvrtko Tvrtkovic und der Brief vom Jahre 1406 eine Bestätigung sei, mit welcher Marino, Vicarius der bosnischen Franziskaner, bezeugt, dass der bosnische König Ostoja den Fürsten Brajan 01nnucevic-Grguri6 und seine Söhne mit ihrem gesammten Gute und Besitze in kirchliche Hände und in den Tribut des Pater Marino und der übrigen Ordensbrüder des bosnischen Vicariates, welche bestehen und künftig leben werden, übergeben habe. Wenn Pray und nach ihm auch mehrere Andere in den Irrthum verfielen, zu glauben, dass die Urkunden aus den Jahren 1368, 1349, 1395 und 1406 von ungarischen Königen ausgestellt worden seien, so hat dies gleichsam König Leopold verschuldet, als er in der Privilegiumsurkunde vom Jahre 1703, die er über Bitte des „Don Antonii Damiani Ohmuchievich Gargurieh, comitis de Tucliegl et Smuska in Regno nostro Bosniae et Ducis Castoriae in Macedonia, Dapiferi, Pincernae et Consiliarii nostri“ aus- gestellt hat, die Privilegien folgendermassen erwähnte: „divorum olim Hungarorum regum gloriosae memoriae Praedecessorum nostrorum celebri lmic familiae (Ohmuchie- vich) in annis adliuc 1349 die 10. mensis Aprilis et 1395 die 5. Junii, item 1406 die 15. Maii emanata“. Leider frommt es uns gar nichts, wenn wir jetzt zu wissen glauben, dass die Urkunden aus den Jahren 1268, 1349, 1395 und 1406 nicht Urkunden der ungarischen Könige Bela IV., Ludwig I. und Sigismund, sondern des bosnischen Banus Stephan Kotromanovic, des serbischen Kaisers Stephan, des bosnischen Königs Tvrtko Tvrtkovic und des Vicars der bosnischen Franziskaner Marino, beziehungsweise des Königs Ostoja, sind — da alle diese Urkunden nicht echt und authentisch sind. Sie sind falsch, wurden im 17. Jahrhundert erdichtet und im Jahre 1653 in Neapel heraus- gegeben, jedoch trotzdem von den Kaisern und Königen Ferdinand III. und Leopold I. in den Jahren 1654, 1678 und 1705 ohne Prüfung acceptirt und bestätigt. An dieser Stelle vermag ich den Inhalt jener falschen Urkunden nicht zu analysiren; doch will ich einige Stellen aus der Privilegiumsurkunde Kaiser Stephans vom Jahre 1349 an- führen, in der es zu Anfang heisst: „Ba H/Mf OTii,a ii ctma h cccTora ^Mfirk. MiiaocTiio Kojitiio a.3T\ üjlnjsairk GT'knaH K Kpe,a,NH papk rapKoaak, Kpaak OapKkasark Pacmi h HpiiMopio ii •IpKamni ii Kürapoatk h 3ana^,iiiiairk caar.S Ka3Adf/U rocno,a,HH£> Hauif\'£AkCKH n MiSnt Gm83K£ h nam reaiikii bcüboaa rohckoio — Tar/^a crBopn^’ß mhaoctk n,apkCKi> /V\HOrOßHpHO/MS KHC3S XpfAH 3a NierOBO MfciAPO H BHTtUJKO n0CAi>HC£HI€ ; 3A TO Aat0 ii ^.a^'K, 3armcüio n 3anHca^'k 3a naeAACHiiTS aaPkS KH(3i> Xptan Pap- rSpHhü h meroßt? chhS kh£3£> TaprSpS h ocTAHkKfc* bhk8 bhkoavk PpaA’ß KocxSpiv 3 K KAATCnVX'k, H C'k AXHCTHAVk 0\f C^OAT* : MH CTO AOpHH, IlOBIITpa^Tv, BaCTaHAH'k, /\idHdTOpTv H üpllACirk II ca CEO/MTv OCTAAOAVk v\apMiaBO/Mrk KOCTÜpCKO/Wk cb£ 3ropf ptMfHO sannca^'k kh£3ü XptAH O^MSkfEHkS TaprSpHkü Ha BuckTiSiolsH ra K'k TO/VVy KaHO/UTx KOCTtSpCKOAX'k AapHidROMTk H CR£ Matt/i, OHCKt 3£AAA£ 3anHCaCAA0 obakoh. fl TO/UÜ cbh^oig« noraaßHut ii baact£A£ i^ccapcTRa naiiura, CBHTAH /^tCHCTk 1 SiiMcpkiia c'k ciinoM’k, BH(3'k FiÜKaujHH k l\\ apkHaBHHhk %3 k BpaTioAA'k, KH(3 k Aasapk PpfKfAAHORIlhk C'k HlirOBHAA'k SfTIIAVk, KHf30A\Tv BfcKOAVk KpaUKOßllkf A\T\ II KH£3k CrpaHH/vuipTv h K)paH KaomHhk 3 k BpaTioAVk OTk 3anaAHii/Y’K crpaHa BOfBO^a Nh KOAA JlATO/UaillfBHhk 3 k BpaTIO/M’k. fl TOA\S H HpiICTABk OTk lIpEaHHf KH(3’k Boil- CAABTi BOHHOBHbk H HaiH'k HOAAHkKH ABOpCKII KHf.STv BibwlUlpk C'k CBOH/UH CIIHOBII. IIhCA IitTap'k /V,iaK'k, a no^nHcaHO no axo/vm^ B£ahhahctb8 a4 e^a* 3haho h ohhtobaho CBHAVk. IlncaHO 0 Y Haill£/Mi> CTOAHO/Mb rpaA*> 0\'pHA$, A\HC£ll,a dfipHAa, ACCtTH AaH'K, MtTßapkTOra roAm|ia Hamtra HapkCTßa, a A^tTHatCkTO Hauifra KpaaEßCTßa. PoMtA^cTBa XpucTOßa namcra GnacHTfaa 4. T. i\\. N. a OTk cTBoptHia cbhta mfCTiicSka 11 ocaa\k- ca'r'k h nifcCT'k H c*amo ahto tekSTh“ — - al quarto anno del nostro Imperio e decimo- nono delli regni nostri ; del nascimento di Christo nostro Redemtore 1349 e della creatione del mondo sei mila ottocento cinquanta sette anno corrente — (d. i. : Ich Scefan, Diener Gottes, in allen oben erwähnten Ländern alleiniger Kaiser nnd König, der ich Niemand Höheren auf der irdischen Welt kenne (?), gebe hiermit durch dieses gegenwärtige Diplom Jedermann kund und zu wissen, dass ich in Anerkennung treuer und gewissenhafter Dienste, die Unserer Krone der Vojevode Hrelja Ohmucevic- Grguric, Fürst von Tuhelj und der iUipa Smuska, und Unser grosser Heerführer ge- leistet hat, diesem vielgetreuen Hrelja für seine weisen und tapferen Leistungen Unsere kaiserliche Gnade zugewendet habe. Deshalb geben und verbriefen Wir dem Fürsten Hrelja Ohmucevic-Grguric, seinem Sohne, dem Fürsten Grgur, und deren Nachkommen für ewige Zeiten als eine edle Spende die Stadt Kostur mit ihrem Teiche und den Dörfern ihres Umkreises : Florin, Novigrad, Vastanac, Dianator und Prilip, wie auch mit den übrigen Theilen des Gebietes von Kostur All das oben Gesagte ver- briefen wir dem Fürsten Hrelja Ohmucevit-Grguric, indem wir ihn gleichzeitig zum Banus der Landschaft von Kostur und des ganzen Landes Macedonien ernennen So haben Wir zu bestimmen befunden. Zeugen dieses sind die Barone und Magnaten Unseres Kaisertumes : der erlauchte Despot Picerna mit seinem Sohne; Fürst Vukasin Mrnjavöic mit seinen Brüdern; Fürst Lazar Grebljanovic mit seinem Schwiegersöhne dem Fürsten Vuk Brankovic; endlich Fürst Stracimir und Juraj Baosic mit ihren Brüdern; — aus den westlichen Landschaften: Vojevode Nicolaus Altomanovic mit den Brüdern. Ausserdem auch noch der Pristav von Albanien Fürst Vojislav Vojnovic und Unser Majordomus Fürst Vukrnir mit seinen Söhnen. Geschrieben durch Peter Diak (Secretär) und von Unserer Majestät unterschrieben, damit es Jedermann er- kenne und sich darnach benehme. Geschrieben in Unserer Residenzstadt Ochrida im Monate April am 10. Tage, Unseres Kaiserthums im vierten und des Königthums im Ruvavac. Die Privilegien des Hauses Ohmucevic’-Grgvirie. 219 neunzehnten Jahre. Von der Geburt Unseres Erlösers Christus im 1349. , seit der Er- schaffung der Welt im 6857. Jahre). Das Jahr 1349 war thatsächlich das 19. Regierungsjahr des Kaisers Stephan als König und dessen viertes Regierungsjahr als Kaiser. Es könnte mich deshalb Jemand fragen: „Wenn dieses Diplom Kaiser Stephans, wie du behauptest, falsch ist, wie kommt es denn, dass derjenige, der dieses Falsificat im 17. Jahrhunderte verfasste, davon Kenntniss hatte, dass Dusan den königlichen Thron bereits im Jahre 1331 eingenommen hat, während doch viele serbische Schriftsteller und Historiker, und sagen wir beispiels- weise auch Herr Panta Sreckovic, noch im Jahre 1868 dies nicht wussten, vielmehr der Meinung waren, dass Dusan erst 1336 zum Königsthron gelangt ist?“ Dem Vei'fasser dieses falschen Diploms war das Geschichtswerk M. Orbini’s bekannt; er konnte sonach aus demselben erfahren, dass der König von Deöane im Jahre 1331 ermordet und Dusan zum König erhoben wurde. Was aber den Herrn Panta Sreckovic betrifft, so glaube ich, dass derselbe sich nicht erkühnen wird, be- weisen zu wollen, dass dieses Diplom Kaiser Stephans vom Jahre 1349 ein echtes Diplom dieses Herrschers sei. Diesen Beweis wird Herr Sreckovic schon deshalb nicht führen wollen, weil im Diplom auch der Fürst Lazar Grebljanovic mit seinem Schwiegersöhne Yuk Brankovic erwähnt wird; Herr Panta hat aber erst kürzlich nachzuweisen versucht und auch bewiesen, dass sich Fürst Lazar erst im 30. Lebens- jahre und nicht vor 1350 verehelichte, wonach Vuk Brankovic unmöglich schon 1349 sein Schwiegersohn sein konnte. Im Werke des Kaöic: „Razgovor ugodni naroda slovinskoga“ (Venetianische Ausgabe vom Jahre 1801, S. 149 u. w.) findet sich eine kurze Schilderung der erlauchten und hochgeborenen Familie des Fürsten Relja Ohmucevic-Grguric, des bosnischen Magnaten. Dies schrieb Kaöic nach dem Werke: „Le glorie cadute dell’ antichissima et augustissima famiglia Comnena, del Abbate Don Lorenzo Miniati, stampate in Venezia a. 1663.“ Dieses Buch verdient aber ebensoviel Glaubwürdigkeit wie die oben er- wähnten in Neapel 1653 gedruckten Privilegien der Ohmucevice. In Daniöic, „Wörterbuch der serb. liter. Alterthümer“ wird unter dem Schlag- worte „OxMyheBHht“ nur ein einziger Ohmuöevic mit dein Vornamen Ivanis erwähnt; derselbe war 1487 ein Getreuer des Herzogs Vladislav. Dies bezeugt, dass in den Urkundensammelwerken des Miklosich und Pucic, dann in anderen alten Urkunden, nach denen Daniöic sein bezeichnetes Wörterbuch schrieb, der Ohmuüevice keine Erwähnung geschieht. Dies wäre aber ganz gewiss der Fall, wenn zur Zeit der bos- nischen Bane und Könige jene „erlauchte und hochgeborene Familie Ohmucevic“, die Kacic erwähnt, existirt hätte. Das Haus und die Familie der „erlauchten und hochgeborenen Ohmucevic-Grguric“ ist also eine eclatante Erfindung des Abenteurers Ohmucevic aus dem 17. Jahr- hundert. In diesen falschen Urkunden wird die „Veste Tulielj in der Smuzka zupa“, dann „die Zupa Smuzka mit der Veste Tulielj“ erwähnt, und IJrelja Ohmucevic-Grguric nennt sich „Fürst von Tulielj und der Zupa Smuzka.“ Kaöic sagt auf S. 148, dass die Burg Tulielj „mitten in Bosnien zwischen Kresevo und Krujica“ liege. Lukarevic erwähnt auf S. 20 und 25 eine Burg Tulielj (Tuchegl cittä di Bosna) und bemerkt noch, dass Stephan der V orfahre des Stephan Nemanja, in Luka (Luka, villa di Tuchegl) geboren und Priester „della chiesa di Tuchegl“ ge- wesen sei; dass durch das Gebiet von Tulielj die Flüsschen „Bioccia (vielleicht Bioöica) et Osomciza“ ihren Lauf nehmen. Zu jener Stelle aus der Chronik des Priesters von 220 I. Archäologie und Geschichte. Dioclea, wo gesagt wird: „Cresimirus .... cum avunculo pugnantes praedaverunt Uscople et Lucca et Preva“ macht M. Orhini in seinem Geschichtswerke S. 218 die Bemerkung: „Luca e in Bosna appresso la citta di Tuhaglia.“ Aber auch Orhini und Lukarevic machen von „Relja OhmuCevic“ keine Er- wähnung und wissen aucli gar nichts von anderen bosnischen Ohmucevii. - — Ist es zu glauben, dass diese Ragusaner des Relja Ohmucevic und seines so erhabenen, erlauchten und hochgeborenen Hauses und Stammes nicht erwähnt haben würden, wenn es be- standen hätte? Weiss Jemand heute um die Burg Tuhelj und gibt es heute im stolzen Bosnien Spuren von dieser Veste? Und wenn heute Niemand von dieser bosnischen Burg Kunde geben kann, und wenn Spuren von derselben nirgends zu finden sind, wird diese Burg und die „£upa Smuzka“ zumindest in den Büchern und Protokollen des Ragusaner Archivs erwähnt? Professor Dr. Constantin Jirecek, der dieses Archiv durchforscht hat und dessen Studien in demselben stets von so schönen Erfolgen gekrönt waren, wird dies am zuver- lässigsten wissen und uns auch mit seiner bekannten Bereitwilligkeit gerne mittheilen. Anli änge. 1. Die Burgruine Tuhelj grad. Von W. Radimsky. In der vorstehenden Abhandlung erhebt der Verfasser Zweifel darüber, ob in Bosnien die Ruine einer Burg Tuhelj existire. Ich bin in der Lage, diese Frage bejahend zu beantworten. Denn etwa 3 Km. nördlich von der Ortschaft Tarcin des Bezirkes Sarajevo finden sich am linken Ufer des Tuveljbaches, auf einem östlichen Ausläufer des Berges Tinor, an der Grenze der Bezirke Fojnica und Sarajevo die spärlichen Reste einer mittelalterlichen Burg, welche von den Umwohnern Tuhelj grad genannt werden. Diese Ruine kommt zwar in den Karten nicht vor, aber dass sie keine andere ist, als der in vorstehender Abhandlung mehrfach genannte Grad Tuliel oder Tuchegl, und dass wirklich in dessen Umgebung eine Zupa Smuska, Smusca oder Smuzka be- standen haben kann, erscheint dadurch erwiesen, dass kaum einen Kilometer nordwest- lich von Tarcin auch heute noch das Dorf Smucka besteht.1) Ebenso ist der in der Zupa Smuzka angeführte Ort Lucca oder Luca des Orhini in dem Dorfe Luke (siehe Specialkarte) erhalten, welches vom Tuhelj grad gegen Süd- osten etwa 3’4 Km. in der Luftlinie entfernt ist. Endlich flössen nach Lukarevic die Flüsschen Bioccia und Osomciza durch die i£upa Tuhelj, und es enthält die Katastralkarte von Bosnien in dieser Gegend wirklich einen Bach Bioca, welcher, von der Ortschaft Bioca herabkommend, in den Tuhelj potok *) Siehe Speeialkarte der österr. -Ungar. Monarchie und des Oceupationsgebietes im Masse 1 : 75000, Zone 30, Col. XVIII. Radimsky. Die Burgruine Truheljgrad. 221 mündet. In einem zweiten Nebenbache des Tuhelj, dem Osjanicki potok, könnte man vielleicht auch den Bach Osomciza suchen. - Wenn daher Kacic schreibt, dass die Burg Tuhel in Bosnien zwischen Kresevo und Konjica gelegen sei, so hat er vollkommen Recht, da der Reitweg von Kresevo gegen Konjica durch das Thal des Tuhelj baches über Tarßin führt. 2. Ein alter Plan der Zupa Smucka. Von V. Vuletic-Vukasovic. (Mit einer Abbildung im Texte.) Mein oben (S. 205 f.) mitgetheilter Aufsatz über „Die Wappen der Familie Ohmu- cevic in Slano (Dalmatien)“ ist in sehr werth voller Weise durch die vorstehende Studie „Ueber die Privilegien der Familie Ohmucev ic-G rguric“ aus der Feder des rühmlich bekannten Geschichtsforschers, Archimanclriten Hilarion Ruvarac, ergänzt worden. Im ersten Anhänge dazu hat Berghauptmann W. Radimsky mit anerkennenswerthem Scharfsinne den Ort, wo die Burg Tuhelj gestanden, sowie einige ändere hieher ge hörige Punkte nachgewiesen. Ich habe nun zufälligerweise während meines Aufenthaltes in Curzola in dem Besitze der Frau Katharina Zannon-Fabris eine Planskizze mit der Ueberschrift „Pianta della Comarca di Smuzka nel centro del Regno di Bosna“ gefunden, welche insoferne Beachtung verdient, als sie jedenfalls in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach einem älteren Vorbilde entworfen wurde, worauf auch die Worte „in qsto pnte Anno 1688“ und „Relatione hauutasi dal Reu™.0 Padre Prouinciale del Regno di Bosna, dal Padre Custode frä Antonio Toncovich, dal Padre frä Lorenzo Alaupouich e da molti altri Padri, e mercanti Bosnesi pratici della sudO Comarca“ verweisen. Die in Rede stehende Planskizze ist auf Leinenpapier von mittlerer Stärke gezeichnet; unter derselben befinden sich 15 Zeilen erklärender Text. Die Skizze ist in den Besitz der Familie Fabris-Zannon aus dem der Familie Dimitri -Tripunovici-Ljubisici, eines alten bosnischen Geschlechtes, übergegangen. Was die Tripunovici betrifft, so sei mir gestattet, folgende Stelle zum Abdruck zu bringen, die ich bei Herrn V. Dimitri in Curzola abgeschrieben habe. „La famiglia de Dimitri cittaclini e oriunda dalla citta di Cattaro, da dove vennero nella citta di Ragusa intorno gl’ anni di N. S. 1370, come lo attesta un antichissimo manuscritto d’un di casa Darsa. Li primi, che di questa casa si portarono a Ragusa furono li due frälli Dimitar e Jucho Tripunovich, cognominati Gliubiscicli, ne si trova, che altri di questa casa di prima abbino aparentato in questa citta, e dal maggiore delli sud*.1 due frelli prese la casata qa famiglia, di che fannö chiara testi- monianza i Libri Pub':1 di notaria e cancellaria di Ragusa e la sepoltura loro in chiesa dei fratti di S. Dom“ con la iscrizione sopra quella : S. DI DIMITAR TRIPVNOVICH 1411. II med? nome si trova anco ne’ primi anni sopra la matricola della conff di S. Antonio dei cittadihi di Ragusa, cioe Dimitar Tripunovich Gliubiscicli, e poi del 1430 sopra la meda matricola Bosclio e Marino de Dimitar Tripunovich Gliubiscicli suoi Figlioli. 222 I. Archäologie und Geschichte. Sud1.0 Dimitar Tripunovich Gliubiscich ebbe per moglie Nicoletta di Bosclio Cotrugli cittad“.0 Raguseo, come per carta dotale in Libro Dotium Notarie de 1402 adi 12 Genro suo testamento in Libro Testamentorum Notarie de’ 1410 : n? 44.“ Es mag wohl sein, dass die Tripunovici mit den Qhmucevici in irgend einer ver- wandtschaftlichen Beziehung gestanden haben (was allerdings bis zum gegenwärtigen Zeitpunkte aus dem Stammbaume der Ohmuceviei nicht erwiesen werden konnte), so dass auf diese Weise die in Rede stehende Planskizze von den Letzteren auf Erstere übergegangen war. Wir bringen hier die nach einer photographischen Aufnahme ge- machte Reproduction der erwähnten Skizze, unter welcher folgende Zeilen in Linear- schrift zu lesen sind; dt turnt ft uaiw k (otoarcci/Momw nrui nßn.$diixi tJUrityniidfeniuib pralioClucu Jiifi*ßrnarca, in cjjto Y^ninrcA^filjiuitz in mlante Jm mi, Jl/lenii^ t mußunr unr/il Utrtc% Junijrßf nnii'tfjiuaoiiut ßj^ja^/uriJ di Jtim yßuujyuJ jino I a'bui filla dl 'Jji'irnctnai düjnila cipprum ibjjttm i-mft 4. tuUn ItC itjfante f/n.n'ci didmiSjicbdtiJtlß.nrJi'; XvomanCuicediano^ rJi/% LOOptya intfty Objm t< t Sinei, Uffcu uci.?eit ln Jl diamarano OftmnAtctitcd i /, \tnl fnmjiß i. Jld cii) a \ inpt i C tiltlf Umjirm ''i-Jb lpfi"u lliui diel ftlWjlS'll'L i'iymtuii m H/LUBU* t"'pTß • I ; [du dijnfed uaI n ln (h Ji Immmtu > Alter Plan der 2upa Smucka. Pianta della Comarca di Smuzka posta nel centro del Regno di Bosna. (1.) Relatione liauutasi dal Reu’“0 Padre Prouinciale del Regno di Bosna, dal Padre Custode fra Antonio Toncovich, dal Padre fra Lorenzo (2.) Alaupouich e da molti altri Padri, e mercanti Bosnesi pratici della sudta Comarca in qsto pnte Anno 1688. sopra il Contado di Tuhegl (3.) posto nella dO Comarca, et di tutta la restante Smuzka con V uletic- Vukasovic. Ein alter Plan der Zupa Smucka. 223 Fiumi, Monti, e magior parte de Casali di dP come si ne de nella pnte Pianta (4.) Qual Contado di Tuliegl fit antico Feudo della Casa G-argurich di stirpe Vladisäglich fino all’ Anno 1268: ehe anche furono Gouerna: (5.) tori, e Bani della Citta di Jayaz pri- maria dignita appresso il supremo di qel Regno, e nel dl0 Anno 1268 • lii data in Feudo oltre il dl’ Contado (6.) di Tuliegl tutta la restante Comarca di Smuzka da Stefano Kotromanouich Bano, e Sigr.e di tutta Bosna a Radiuoij Gargurich, et a Gargur (7.) suo figliolo cognominato Ohmueliina, dal qale i suoi Posten si chiamarono Ohmuchie- uichi no solo ii loro, ma ii loro heredi, e sucessori in perpe- (8.) tuo come per il Priuileg0 del sudp Bano fatto del 1268. che poi da Tuartko Tuartkouich Re di Bosna fix il tutto confirmP alla dP Famiglia (9.) del 1395. co agionta di noui Feudi in Pler- zegouina ; et da Ostoya Re di Bosna del 1406. gli fii il tutto corohorato e tirmato ; nel quäl posesso, e (10.) dominio stette la dP Famiglia Ohmuchieuich sino al 1463. qndo il Regno di Bosna fii occupato da Mehmet II'1.0 Re de Turchi, quali distrussero (11.) tutte le Citta, e Castelli di qet Regno menando in catiuita i grandi del Regno ch’ hehhero nelle mani. e del 1465. Matia Coruino Re d’ Hungaria ii (12.) chi di ragn.e atteneua la Bosna, confirmo alla Casa Ohmuchieuich tutti li südetti loro Feudi, che poi Ferdinando IIP.0 ImperatP, e Re d’ Hungaria fece il (13.) il simile del 1650. e del 1654. et ultimP fü il tutto corohorato, e confirm10 dall’ AugusP0 Leopoldo p™° ImperatP, e Re d’ Hungaria del 1678 in persona di D. Pietro (14.) Ohmuchieuich, Suoi Figlioli, e discendenti in perpetuo, con ampliatione di nuoue gratie, come il tutto si uede p i loro Priuilegij, e riconfirmato de’ 1723 da Carlo VI * (15.) Nota, che la Citta di Tuliegl co’ altre tre Citta di qsta Comarca, e co’ molti altri Castelli, e lochi murati furono arse, e distrutte del 1463. dalla harharie ottomana. (16.) * Imperatore felicemente Regnante in persona ancora di Pietro Iueglia Ohmuchie- uich Conte di Tuliegl. Aussen mit anderer Schrift: Oben: Pianta del Comarka di Smuzka e Com tato Pianta, e Notitie di Smuska. di Tuliegl nel Regno di Bosna. Den grössten Theil der Skizze nehmen die Landschaften Luka und Orahovica (Orahouiza) ein. Oberhalb Luka fliesst der Bach Biocia (Bioöa), an welchem die citta di Gradac distrutta gelegen ist. Nach dieser Skizze würde Tuliegl CP distruta bei dem Flüsschen Bijela liegen und oberhalb derselben Prapratno bardo. An dem Flüsschen Smucka aber liegt „Casal di Smuzka dal qäle tutta la pnte Comarca e denominata“. Auf der Skizze sind ferner vermerkt Biocia (Bioca) und Ossonik, nicht Osomciza. Im Jahre 1889 hat Professor J. Gjelcic in Ragusa über die erwähnten Ohinuce- vici eine lehrreiche Abhandlung veröffentlicht, welche den Titel führt: „I Conti di Tuhelj, Contributo alla Storia della Marina Dalmata — N. B. Suoi rapporti colla Spagna.“1) Diese Schrift umfasst 175 Seiten, welchen sechs genealogische Tafeln (Genealogia del casato dei Conti di Tuhelj) beigeschlossen sind, in denen die Entwicklung dieses Ge- schlechtes in allen seinen Zweigen bis zum heutigen Tage eingehend dargestellt ist. Für uns ist besonders wichtig das erste Hauptstück, in welchem der Ursprung des erwähnten Geschlechtes genau erörtert wird. Professor Gjelcic macht an dieser Stelle über das Patent des Stefan Kotromani c selbst folgende Bemerkung: „rescritto che da qualcheduno e ritenuto per un invenzione di tempi a noi piii vicini“. Er bemerkt ) Ottavo Programma dell’ I. R. Scuola Nautica di Ragusa. Per l’anno seolastico 1888—1889. 224 I. Archäologie und Geschichte. ferner, dass die Ohmucevici-Pugliesi das Patent dem berühmten Dr. V. Bogisic übergeben hätten, von dem nun in der Sache ein aufklärendes Wort erwartet werde. Auf Seite 10 führt Herr Gjelcic einen Abschnitt des erwähnten Patentes an, welchen er in lateinischer Schrift in der Kanzlei der Ragusaner Centralregierung (fol. 31 del vol. 1667 dei Diversi de foris della Cancellaria della rp. di Rag. e al n. 250 (254) della Bibi. Francescana) aufgefunden hat. Zum besseren Verständnisse der oben angeführten Skizze sei es mir gestattet, folgende Stelle aus dem Patent wiederzugeben: „I k temu im pridah i darovah, sapisciuiem i sapisah novjem i dobrovoglniem darom sa kneginu plemenitu i sa knesetvu viku vikora svu ostalu xciupu Smuzku, j grad Martvagnin, i poda gnie sella sa svimi pravim kotari, grad gradaz i Blasciuj j pod njim sela sa svojrn pravim kotari, goru podighmansku, i goru Dobrusckka, i Barghio Vlahigni, j Planinu Starne Loque, i Lovnize Veglie, i Kukno Bardo, s ohodom kako razdiegliuje Zarna rika s onu stranu Kresceva, Smuzku rieku i Selo Smuzka, s gniem mlinim i s uartlim, j s vinogradim, kupnenimi j basetinami, kupnu j Svimgli riku s mlium, s vartlim kuchiami j s gnihoviem katuni, seli j kmetti; to sve s gora receno s parnimi, kotari, i mejami j s vodami, i s planinami, j s zarinami, j s prihod- kim . . .“ („Ausserdem schenkte und übergab ich denselben in verbriefter Form mit meinein freien Willen als adeliges Lehen für immerwährende Zeiten den ganzen übrigen Theil der Zupa Smucka und die Burg Martvagnin mit allen unterhalb derselben gelegenen Dörfern und den zu denselben gehörigen Territorien, das Gebirge Podigman, Dobruska und Barghio Vlahinja, das Gebirge Starne Lokve, Lovnice velje [velike] und Kukno brdo mit dem zusammenhängenden Gebiete mit den Grenzen: Crna’rijeka jenseits von Kresevo, Smuzka rijeka und das Dorf Smucka mit dessen Mühlen, Gärten und Wein- gärten, seien diese gekauft oder ererbt; die Flüsse Kupra und Svimlja mit den Mühlen, Gärten und Häusern und deren Alpen [Sennhütten], den Dörfern und Knieten. Zu all’ dem Angeführten gehören die betreffenden Bezirke mit ihren Grenzen, Gewässern, Alpen, Zöllen und Einkünften . . .“) Die Skizze ist im Jahre 1688 entworfen nach Angaben des hockw. Provinzials, des Custos Fra Anton Tonkovic, des Fra Lorenz Alaupovic und Anderer. Diese Worte scheinen indess nur zur Zierde gesetzt zu sein. Wenn man die Skizze mit dem ab- gedruckten Abschnitte des Patentes vergleicht, so wird man eine überraschende Ueber- einstimmung finden, ja sogar die Namen sind in derselben Weise geschrieben, nur in der Rechtschreibung sind infolge der dazwischen liegenden Zeit einige Abweichungen wahrnehmbar. Es ist nach alldem anzunehmen, dass beide Aufzeichnungen von der- selben Hand stammen, und zwar noch aus der Zeit vor dem Jahre 1688, das ist kurze Zeit vor dem Erscheinen des 1653 in Neapel ausgegebenen Buches „Privilegios conce- didos por los Senores Reyes y Emperadores“, welches auch Hilarion Ruvarac (S. 264) anzieht. Ich habe dies aus dem Grunde angeführt, weil ich in dieser Frage aufgeklärt zu werden wünsche. Nach meinem bescheidenen Ermessen sind jene Urkunden schon mit Rücksicht auf ihren Stil apokryph, und es wäre wünschenswerth, ihrem Ursprünge nachzuforschen, um zu erfahren, bei welcher Gelegenheit und von wem diese Fälschungen begangen worden seien. Ich hege den Verdacht, dass der Name des Fälschers sich unter den angeführten geographischen Bezeichnungen vorfindet. Diese Frage spitzt sich demnach folgendermassen zu: Entweder ist der Fälscher in Bosnien zu suchen, in welchem Falle man nach meinen obigen Ausführungen leichtes Spiel hätte, oder er ist unter den Mitgliedern der Familie Ohmucevic zu suchen, wofür wieder die Monographie des Professors Gjelcic der wissenschaftlichen Welt die nöthigen Anhaltspunkte bietet. Vuletic-Vukasovic. Ein alter Plan der Zupa Smucka. 225 Dies wäre in der That nicht die einzige Fälschung aus jener Zeit. Dergleichen war ja im 15. , 16. und besonders im 17. und 18. Jahrhunderte an der Tagesordnung. Der Zweck solcher Fälschungen war die Förderung und Festigung der Interessen ent- weder eines Klosters oder einer einzelnen Familie. Unter den letzteren behauptet in dieser Hinsicht den ersten Rang die adelige Familie der Vladimirovici, in deren Mitte als der berühmteste Fälscher Prudentius Narentinus hervorragt. Bei dieser Gelegenheit möchte ich einen noch nicht veröffentlichen Brief des trefflichen Archäologen Petar Nizetic (Niseteo) an Mato Capor mittheilen, welcher folgend ermassen lautet: Sf Amico Preg™0 Cittk Vec. 2. AgV 1841. Omissis. Le iscrizi delle quali le fece parola il SigV Gaj sono assolutamente apocrife; se intende parlare di quelle scioccamente inventate da Prudenzio Narentino e riportate nell’ operetta stampata in Venezia 1’ anno 1 78 1,1) la qle ha per titolo: De Regno Bosniae etc. De Narbonensi Vrbe etc. De Laudibus inclitae familiae Vladimirovich etc. E appunto p esaltare la famiglia Vladimirovich con grande impudenza e con maggiore ignoranza ha ignorantemte composte dell’ iscrizioni latine dell’ epoca dei Romani per dar prova agli sciocchi che gli antenati della famiglia Vladimirovich fossero gia dai tempi della Romana Republica. Per non affaticare gli occhi non posso farle conoscere le iscrizi in dicorso. Sono quattro. Le bastera qta: VENERI VICTRICI SACRVM L. V. S. P. L. L. T. e qte sigle sono lette dall’ impudente Frate Lucius Vladimirius Supremus Praetor Libens Locavit Templum. Nessuno le potrebbe leggere cosi, se non esso che le ha inventate. Om. Suo affm.° al!? Pietro Niseteo.“ Professor Gjelcic hat mit viel Sorgfalt, unter Zugrundelegung der Apologeten der Familie Ohmucevic-Grguric, insbesondere des Fra Desiderio Nenchi und anderer Autoren, seine Forschungen gepflogen und war dennoch genöthigt, die Frage nach dem Ursprünge der Ohmucevici und ihres adeligen Besitzes in Bosnien als eine offene an zuerkennen, wie es ja auch in Betreff des M. Orbini der Fall war, den die Tradition in einen gewissen geheimnissvollen Schleier gehüllt hat, dieselbe Tradition, welche im Mittelalter die Gründung der dalmatinischen Städte Halbgöttern oder Heroen aus Latium oder Illyrien zugeschrieben hatte. Damit will ich jedoch dem gelehrten Professor keinen Vorwurf machen. Er hat gewissenhaft das sämmtliclie ihm zu Gebote stehende Material benützt, allein die geschichtlichen Fragen erledigen sich oft zufällig, nachdem man sich grosse aber vergebliche Mühe gegeben hat, den mehr oder weniger verwickelten Knoten zu lösen. In den übrigen Abschnitten seines Buches hat Herr Gjelcic mehr Glück. Man kann kühn sagen, dass sein Werk im wahren Sinne des Wortes eine pagina historiae sei, und wenn er sich auch hie und da von kleinlichen Erwägungen, um nicht zu *) Venetiis. Fenzi. Band II. 15 226 I. Archäologie und Geschichte. sagen von Y orurtheilen, bestimmen lässt, so könnte er vielleicht in den Worten „quot capita tot sententiae“ seine Rechtfertigung finden. Kein anderes Geschlecht hat es sich in dem Masse angelegen sein lassen, seine Geschichte in einer Familienchronik aufzu- zeichnen, wie die Ohmucevici. Am meisten ragt in dieser Hinsicht hervor die „Ge- nealogie der bosnischen und serbischen Könige“ von Petar Ohmucevic aus dem Jahre 1482, welche auf der Rückseite des im Kloster Suceska aufbewahrten Bildnisses des Königs Tornas angeklebt ist. Es würde zu weit führen, wenn ich mich mit Don Antonio Damiano Ohmucevic befassen wollte, der gleichfalls über sein Geschlecht geschrieben hat. Derselbe hat im Jahre 1684 in den Reihen des kaiserlichen Heeres gekämpft, um sein Vaterland Herceg-Bosna in des Kaisers Hände zu bringen, auf welche Weise dann auch den Ohmu- cevici die Gespanschaft Smuzka, ihr adeliges Stammgut, wieder zugefallen wäre. Er hat sich in den Jahren 1684 — 1689 fast überall in Bosnien und auch ander- wärts herumgetummelt. In dem letzteren Jahre musste er krankheitshalber nach Wien und Florenz, und zwar vermuthlich ein Jahr nach Vollendung der oben er- wähnten Planskizze, die in jedem Falle während seines Aufenthaltes in Bosnien ent- standen ist. Von den vielen Thaten, welche Mitgliedern der erwähnten Familie zugeschrieben werden, erwähnt Gjelcic auf S. 164 auch folgenden unsere Frage berührenden Fall: „14, 15. — L’ Apologia del Casato, che si conobbe in queste memorie sotto i nomi di „Breve discurso genealogico de los condes de Tuhegl“ — e „Breve discurso genealogico en particular de los ramos principales de los condes de Tuhegl, y duques de Castoria ecc.“1) 16. — - Aggiunte diverse alle „Informazioni 2) del Conte Don Pietro di Damiano Ohmuchievic, conte di Tuhegl e Smuzka, alli sui figlioli e successori in evento che il Signor Iddio concedesse per sua misericordia che il regno di Bosna venisse a ricuperarsi dalle invittissime armi Cesaree, da Turchi, per loro direzione;“ — e precisamente sotto i seguenti titoli: a) Descrizione della Comarca di Smuzka;3) ß) Altre notizie4) da me havute da alcuni padri di S. Francesco, ed altri liuomeni vecelli, della Comarca Smuzka, nel regno di Bosna, posseduta in passato dai predecessori della nostra famiglia Ohmuchievich-Gargurich, per governo e dire- zione ai posteri, per il tempo che potrebbe venire, come ardentemente preghiamo Sua Divina Maestä, che di nuovo si riconquistasse quel regno dalle mani Ottomane; y) Informazione dei feudi5) posseduti in Ercegovina dai Conti di Tuhelj e Smuzka, della quäle noi Don Antonio Damiano, e Don Matteo Ivelja, e Don Pietro Ivelja Ohmuchievich-Gargurich, siamo soli superstiti eredi maschi, ai quali furono con- fermati et riconfermati dalla Maesta Augustissima dell’ Invittissimo et Potentissimo Carlo VI.“ *) I lavori ms. indicati ai numeri 2 — 15 si conservano nella Francescana di Ragusa, sub Nr. 342 (26) e costituiscono 1 vol. fol. di pag. 276. 2) Ms. Francescana 250 (254), fol. 173 — 181. 3) 1. c. fol. 181—185. 4) 1. c. fol. 185—188. # s) Ibid., fol. 189-190. Vul e tic - Vukaso vic. Ein alter Plan der Zupa Smucka. 227 Die letzten Angaben sind ein Beleg’ auch für die von mir entwickelten An- schauungen über die Entstehung der Skizze der Gespanschaft Smucka, während die Skizze selbst wohl geeignet ist, den Ursprung des apokryphen Patentes von Stephan Kotromanovic aufzudecken. Indem ich diese Ausführungen der wohlwollenden Beurtheilung meiner Fach- genossen empfehle, erachte ich es als meine Pflicht, die wissenschaftliche Welt noch- mals auf das verdienstvolle Werk des gelehrten Prof. Gjelci6 aufmerksam zu machen. Ich schliesse mit dem Wunsche, dass der rühmlich bekannte Historiker Ruvarac, anknüpfend an die Forschungen des Gjelcic, sein Augenmerk gleichfalls dieser Frage zuwenden möge, deren Lösung alsdann im voraus als gesichert angesehen werden könnte ! 15* Zazablje in der Hercegovina, dem alten Hnm. Von Hilarion ßnvarac, Archimandrit am orient.-orthod. Kloster Grgetek in Syrmien. Mit einem Nachworte von Peter Bosnjak, Gemeinclesecretär in Metkovic. In einem Aufsatze „Die Kaiserlichen in Albanien 1689“ (Mittheilungen des k. u. k. Kriegsarchivs, Abth. für Kriegsgeschichte, Neue Folge II. Band, Wien 1888) schildert Hauptmann Grba, wie der kaiserliche Oberst und Resident in Ragusa, Cor- radini, für die Befreiung der Christen auf der Balkanhalhinsel thätig war. „Ohrist Corradini war es,“ so wird S. 118 erzählt, „welcher in seinen Berichten an den Kaiser die Noth wendigkeit der Ausbreitung kaiserlicher Herrschaft am östlichen Rande der Adria stets lebhaft vertrat, und der schon früher den Kaiser für die Occupation von Seraglio (Sarajevo) zu gewinnen suchte (k. k. Hof- und Staatsarchiv, Ragusana 1688), um eine Erwerbung dieser Länder durch die Venetianer zu verhindern. Es gelang ihm sogar, viele Gemeinden des Landes zu bestimmen, den kaiserlichen Schutz anzu- suchen. So unterwarfen sich freiwillig der Abt von Trebinje mit seinen Mönchen und der Gemeinde, dann fast das ganze Popovopolje (1. c., Ragusana 1688, H. Sem.), weiter Sasgiabylia (?) und Hrasno dem Kaiser und wurden in aller Form als kaiserliche Unterthanen aufgenommen.“ Das Kloster von Trebinje (Tvrdos), das Popovopolje und Hrasno sind bekannt, was jedoch Corradini’s „Sasgiabylia“ zu bedeuten habe, weiss Hauptmann Grba nicht zu sagen. Das Mitglied der südslavischen Akademie der Wissenschaften in Agram, Herr Sime Ljubic, citirt in einem Aufsatze über das Yerhältniss zwischen den Republiken Venedig und Ragusa den Bericht des Oberproveditore von Venedig in Dalmatien, Pietro Valiero, vom 4. Mai 1686, in welchem dieser erzählt, dass er mit Ninkovic die Uebergabe von Zazablje vereinbart habe, und fügt hinzu: L’acquisto sara importante per essere a cavalliero del Raguseo, e per attacarsi alle adjacenze di Castel Novo etc. (Rad, LIV, 63.) Aus einem Briefe desselben Proveditore vom 2. November 1688 theilt Ljubic Folgendes mit: „Die Ragusaner schrieben an den Fürsten Vojin, das kaiserliche Heer befinde sich auf dem Marsche nach diesen Gegenden. Sie entsendeten zwei Edelleute nach Trebinje, welche eine Unterwerfungserklärung der dortigen Einwohnerschaft unter die kaiserliche Gewalt abfassen sollten. Auch schickten sie oft Boten an die kaiser- lichen Truppen, um dieselben zu je früherem Einmarsch aufzufordern. Dies Alles geschieht, um unser Fortschreiten zu verhindern“; und unter dem 7. November meldet derselbe Proveditore seiner Regierung: „Aus dem Verhalten der Ragusaner ist deut- lich zu ersehen, dass es ihnen lieb wäre, Trebinje und das Popovopolje in Jedermanns Ruvarac. Zazablje in der Hercegovina. 229 Besitz, nur nicht in dem der Republik, zu sehen. Ich wollte sie gewinnen, besitze aber nicht das hierzu Notli wendige und weiss nicht, was anfangen, wenn die Ragusaner sich mir in den Weg stellen. Ich habe einen Theil des Bezirkes Trebinje und von Zazablje in meiner Gewalt und erbitte Befehle. Corradini schreibt mir, dass die Be- wohner von Popovo und andere Nachbarn sich schriftlich für die kaiserliche Herr- schaft erklärt hätten, und dass er sie mir empfehle“ (1. c., S. 76 und 77). Auf S. 111 schreibt Ljubic: „Nachdem Niksic, Piva, das Mostarsko polje, Tre- binje, Popovo und Citluk mit Zazablje und dem innerhalb liegenden Territorium in die Hand der Venetianer gefallen war (1695), durften sich die von allen Seiten von diesen eingeschlossenen Ragusaner nicht mehr rühren, geschweige denn die Unterthanen der Republik angreifen.“ „Sasgiabylia“ ist demnach nichts Anderes als das in den Briefen des venezia- nischen Proveditore erwähnte „Zazablje“. In dem von der südslavischen Akademie in Agram herausgegebenen Buche „Starine“ ( Alterthümer) fand ich den erwähnten Ort oder sein Gebiet in der Chronik des P. Paul Silobad ovic über die Kämpfe im Littorale (1662 — 1686), und zwar aus dem Jahre 1665 genannt: „Am 23. Tage des Monates October kam der Harambasa Grgur Kostric um, und wurden noch zwei von den Panduren aus der Kirche in Zazabje verwundet“ (Starine, XXI, 100) - — und sub 1669: „Am 25. Tage des Monates Februar zog unsere Truppe, 400 Mann stark, nach Zazabje und brachte von dort 80 Pferde, 120 Rinder und 200 Stück Kleinvieh. Sie verbrannte 15 Häuser, wobei auch Menschen, ich weiss nicht wieviel, umkamen. Einige sprechen von 20, Andere von 15; ich weiss jedoch nur soviel, dass sie den Harambasa Nikola Novkovic mit 4 Panduren und Gefolge aufs Meer brachten. Die Unseren sämmtlich wohlauf.“ Fra Andrija Kacic-Miosic in seinem „Razgovor ugodni naroda slovinskoga“ in den „Pisma od Stipana Hristica i njegovi svatova“ nennt unter den Banen, Fürsten und Edelleuten, die der genannte bosnische König zur Hochzeit eingeladen (S. 55 der venezianischen Ausgabe vom Jahre 1801) unter Anderen: Von der trüben Neretva des Grubkovic, Von Zazabje (Zaxabje) zwei junge Edelleute, Tvrtkovic und Novakovic, Vom Busko blato den Sestricic — weiter unten: Zum Pir (Hochzeitsfest) er ladet der Junker zwei: Den Vojkovid und den Vojnovic; Von Zaäabje 2arkovid, den Fürsten, Melinie den jungen aus Popovo — ferner : Von Posusje den Rado Lovretid, Von Zazabje den jungen Mernaric, u. s. w. Im „Namensverzeichnisse der Fürsten und Feudalherren der slovenischen Nation“ (Imenik knezova i vlastela naroda slovinskoga) werden auf S. 147 erwähnt: „Margheritich von Zaxabje,1) Novakovich von Zaxabje, Zarkovib 'von Zazabje, Simrakovic von Zazabje, Crnojevic (Zarnojevich) von Zazabje.“ *) Csevapovics, Synopsis, p. 268, schrieb: Morgnitisca de villa Kultovich in Xaxabie; auf S. 269 aber : Xarkovich de Racsno in Xaxabie (Gacko in Zazabje). 230 I. Archäologie und Geschichte. Kacic schreibt demnach ebenso wie P. Pani Silobadovic „Zazabje“ und nicht „Zazabje“. So schrieb auch den Namen Fausto Vrancic in seinem Bittgesuche vom März 1590, worin er den Erzherzog um Schutz für seinen Besitz des Küstenlandes, von Ober- und Unter-Zazabje bat: „possessiones Primorye, Gornye Zaxabije et Dolnye Zaxahye, quae sunt in Herczegovina, id est extrema parte Dalmatiae, in quibus catho- lici et innoxii homines degunt“ (siehe Sponienici hrvatske Krajine, skupio i uredio Radoslav Lopasic, Bd. I, 158, 159, 162). Es ist lange her, seit ich die ersten sechs Bände von Farlati’s Illyricum Sacrum durchstöberte, und ich hin meiner Sache nicht mehr ganz sicher, aber wenn ich mich recht erinnere, erwähnt auch Farlati irgendwo in Tom. IV Zazablje. Im „Srbsko-dalmatinski Magazin“ für das Jahr 1845 fand ich auf S. 18 und 23 ein Gebirge Zazabje erwähnt, sonst weiss ich nichts weiter von diesem Za— oder .Zazablje in Hum. Ich war niemals im Gebiete von Hum und werde dasselbe auch kaum jemals mit eigenen Augen sehen; auf der Karte des österr. Generalstahes konnte ich trotz eifrigen Suchens keinen Ort dieses Namens verzeichnet finden. Dort steht blos der Berg (planina) „Zaba“ eingezeichnet, wo das obenerwähnte Zazablje gelegen haben mochte. Deshalb überlasse ich es den flinken Hercegovinern und den jungen Bosniern, die Lage jenes allenfalls zur Hercegovina gehörigen Zazablje nachzuweisen. Ich will für meine Person in jene Vorzeit zurückgreifen, in welcher man noch nichts wusste von einer Hercegovina, sondern blos vom Fürstenthum Hum und seinen Be- wohnern. Als Miroslav, Andrija und Petar daselbst regiei’ten, nannten sie sich „Gross- fürsten des Landes Hum“ (velij knez humskoj zemlji). Zu dieser Zeit wende ich mich zurück, nicht um von ihren Kämpfen und Kriegen zu erzählen, sondern um die da- maligen Zupen des Humer Landes zu betrachten, oh nicht eine von ihnen dem spä- teren Zazablje in der Hercegovina entspricht. Und da leistet uns jener „Pop Duk- ljanin“ die besten Dienste, der einst in „Roth-Croatien“ gelebt und gegen Ende des 12. oder zu Anfang des 13. Jahrhunderts die Geschichte des Königreiches Slavonien gesclmeben hat. (Siehe Aleksic Petrov’s Knjaz Konstantin Bodin, Petersburg 1883, S. 242, Note 2; Rad, Bd. LI, S. 203.) Dieser Pope erzählt, dass König Prelimir sein Reich noch hei Lebzeiten unter seine vier Söhne getheilt habe. Der Aelteste, Hvalimir, erhielt die Zeta mit den Städten; der Zweite, Bogoslav, Trebinje mit den dazugehörigen Zupen; der Jüngste, Prevlad, bekam Podgorje, und der Dritte, Dragoslav, erhielt Hum (Chernaniam recte Chelmaniam, noch richtiger Chulmiam regionem et has jupanias (zupe) in Hum : 1. Stantania, 2. Papava, 3. Yabsco, 4. Lucca, 5. Vellica, 6. Gorimita, 7. Vecenike, 8. Duhrava et 9. Debre. — - Vergl. die Ausgabe Crnöic’ vom Jahre 1874, S. 39.) Orbini, der Uebersetzer Dukljanin’s aus dem Lateinischen ins Italienische, welcher dieses Werk seinem historischen Buche „II Regno degli Slavi, Pesaro 1601“ einverleibte, schreibt die Namen jener Humer Zupen auf S. 219 wie folgt: „Stantania, Papava, Jambsco, Luca, Velicagor, Imota, Vecerigovic, Dubrava et Debra.“ Nach P. J. Safafik versuchten die angeführten Namen der Humer Zupen zu erläutern und die Lage einer jeden derselben zu constatiren: der gelehrte Hilferding (in seiner Geschichte der Serben und Bulgaren, Moskau 1859, S. 45, Note 6), Dr. Racki (Ocjena starijih izvora za hrv. i srb. poviest, Agram 1865, S. 53 und 15; ferner: Rad, LVI, S. 93 f.), Stojan Novakovic (Srpke oblasti X. i XII. veka, Belgrad 1879, S. 46 und 47) und Const. Jirecek (Die Handelsstrassen und Bergwerke in Serbien und Bosnien, Prag 1879, S. 27). Ruvarac. ZaZablje in der Hercegovina. 231 Was Dukljanin’s Stantania, Papava, Lucca, Dubrava und Debre betrifft, so sind die genannten Gelehrten einig, dass damit die Zupen Ston, Popovo und Luka zu beiden Seiten der Narenta, Dubrava zwischen Stolac und Mostar und Dabar östlich von Stolac gemeint seien. Was die erwähnten Schriftsteller von den unter 5, 6 und 7 angeführten Zupen meinen, wie sie Dukljanin corrigiren wollen, das ist am besten in ihren betreffenden Büchern nachzulesen; für mich ist es in diesem Falle irrelevant. Ich habe die von Dukljanin oder von dessen Copisten Yabsco, von Orbini Jambsco genannte Zupa vor Augen. Jirecek meint in Bezug auf dieselbe blos „Yabsco ist vielleicht corrupt“ ; Hilferding meint, anstatt Yabsco müsse Gatsco (Gacko) gelesen werden, welcher Ansicht sich Racki und Stojan Novakovic anschliessen ; auch Crncic glaubt dasselbe. Ich jedoch glaube, Yabsco und Gacko seien keineswegs iden- tisch, denn dieses gehörte niemals zu Hum. Novakovi6 schreibt S. 47 : „Es ist ersicht- lich, dass Gacko, als der östlichste Theil von Hum, nicht immer zu diesem gehörte“, und übersetzt sodann eine Stelle aus Orbini, S. 393, wo dieser bei Aufzählung der Grenzen zwischen Hum und dem Gebiete von Dubrava sagt : et poi va (die Grenze) verso Rudine e in Gazca e sin a Sutiescha. Da levante riman Rassia, ek’e la gente di Trebine, Rudine, Gazca. Da ponente resta la ragione di Chelmo, cioe Popovo, Lubine, Gliubomir, Vetniza et Nevesigne. Alle Zupen, die Dukljanin als zu Hum gehörig bezeichnet, lagen am Mittel- und am Unterlaufe der Narenta. Gacko — das Gackopolje — erwähnt Dukljanin entweder gar nicht als besondere Zupa, oder er nennt die Zupa Gerico von Podgorje so, welche Orbini Gaza schreibt. Pop Dukljanin sagt an einer Stelle, dass König Do- broslav seinem Sohne Radoslav zum Lohne für dessen grosse Tapferkeit im Kampfe mit den Griechen die Zupanija „quae Rezca vocatur“ geschenkt habe (S. 48). Orbini nennt auf S. 227 „la giupania di Kezka, ttnd Lukarevic (Annali di Rama, p. 11) erzählt, dass König Dobroslav den Fürsten Ljudevit von Hum besiegt und erschlagen habe: „in luoco di Zerniza e caccib i Greci da Kgliuc (Kljuc), Kezka, hoggidi chiamata Grazko (wahrscheinlich Gacko) e di tutte le rocche et castelli di Dalmatia superiore“, und fügt dann hinzu: „concesse apresso Dobroslav Gazko a Rado- slavo suo figliuolo giovane di grand’ espettatione. Ueber Gacko, Gececa, Geccha, Kezka vergl. Jirecek’ s Handelsstrassen etc., S. 75. P. J. Safai-ik (Slovanske Starozitnosti, Prag 1837, S. 655) schreibt: „Yabsko, vielleicht Jabica oder Zabica.“ Dem gegenüber ist einzuwenden, dass Dukljanin’s Yabsco nicht die Zupa Zaba, das spätere Zazablje ist, hinter dem Zaba genannten Gebirge, und dass das Centrum dieser Zupa nicht dort war, wo heute Gradac liegt. Bei Erwähnung des Krieges, welcher sich aus den Streitigkeiten zwischen den Ragusanern und Branivoj sammt dessen Söhnen, den mächtigen Herren von Hum und Ston, entwickelte, wobei der bosnische Ban Stefan Kotromanic den Ragusanern ein Hilfsheer von 5000 Mann schickte, schreibt Jakob Lukarevi6 auf S. 47 : „l’essercito di Bosna arrivö di qua da Hutovo et dalla montagna di Taba, in latino testugine, et s’uni con li nostri soldati et presero la volta di Prevlaca etc.“ „Montagna di Taba“ ist wahrscheinlich ein Druckfehler und soll „Montagna di Xaba“ (Zaba) heissen, und der verstorbene Nikolajevic hat die Stelle richtig übersetzt: „Die bosnischen Truppen kamen von dieser Seite über Hutovo und Zazablje und vereinigten sich mit unseren Truppen (siehe Glasnik XIII, 409). Auf S. 63 schreibt Lukarevic: „La signoria (die Häupter der Republik Ragusa) comprö da Tvardko rb di Bosna il Castello di Barstanik nel fiume Narona, che nel 1373 liaveva fatto fare per guardia di Slivno, Staradrieva (das alte Narona) et di Xaba“, 232 I. Archäologie und Geschichte. und auf S. 76 schreibt derselbe Lukarevic: „Nel 1401 la famiglia di Giumagno et di Bodaza fatta congiura con Stefano Despot di Servia ( ?) con Yucbascin Vukosaglich, voevoda di Trebigne, con Vulatko Vucetich di Popovo, con Milislav Cucicb di Xaba. con Stefano et Andrea Michleuscich di Dubrava, con Demetrio Marcocevicli di Bre- gava e con Pietro di Selenagora etc.“ Hier werden der Reibe nach die Häupter von Hum aus Trebinje, Popovo, Zaba und Dubrave aufgezählt. Kann demnach die £upa Yabsco des Dukljanin anderswo gesucht werden als dort, wo sich Lukarevic’ £aba und Vrancic’ und Corradini’s Zazablje befinden? Wozu in die Ferne schweifen, bis nach dem Gackopolje? Lassen wir Gacko, Trebinje oder Podgorje und sagen wir mit Orbini: „la gente di Trebine, Rudine, Gazca e da ragioni di Rassia.“ Der Biograph des Serbenkönigs Uros I. erwähnt S. 18 des Krieges zwischen diesem Könige und seinem Sohne Dragutin : „Bk 3EA/\ah pekckuSh rau,KO. H chnk O^OaIv pO^HTEAK» CBOI€M©y H fipMOTK nprkcT©AK HTO H HAME KpAAI€BCTB© BATH Bl\ cpKBcpKii seaaah.“ Und weiter unten sagt derselbe Biograph, der eine zeitlang Bischof von Hum war: „Poahteai© >ke csr© KpaAia ©tkiukSujcS bk nLkotopoSio 3ea\ak> (psK©- M$\[ yAKA\KCKOyK> 3E/MAK») H TA/MO KO II K II, K JKHTHIA CKOpA lipHETK“. Dies Soll besagen, dass König Uros I. von den Truppen seines Sohnes im Kampfe bei Gacko besiegt und hierauf in das Land Hum gegangen sei, wo er bald darauf starb. Gacko lag demnach auch zur Zeit König Uros I. (1242 — 1277) nicht in Hum. Nachwort. Wo lag clas Gebiet von Zazablje? Von Peter Bosnjak, . Gemeindesecretär in Metkoviß. In dem vorstehenden Aufsatze vermuthet der hochwürdige Herr Verfasser mit Recht, dass Zazablje irgendwo hinter der £aba planina gesucht werden müsse. Diese Ansicht gründet Herr Ruvarac zumeist darauf, dass das Gebiet Zazablje wie auch die £aba gleichzeitig mit den Landstrichen Popovo und Hrasno erwähnt wird, woraus er folgert, dass jenes Gebiet in der Nähe der beiden bezeichneten Landstriche und jedenfalls an der Zaba planina liegen musste, von der es offenbar auch den Namen erhielt. Bei dem Bergkegel „Okruglica“ beginnend, verlässt der Gebirgszug £aba die Her- cegovina und zieht sich der Narenta entlang hin, indem er der Reihe nach die Berg- gipfel Osoje, Gradina, Matica, Vezirova glavica, Saruk, Trovrh und Marin vijenac bildet.1) Jenem Landstriche, welcher sich vom Kamme dieser Narenta-^aba gegen Westen bis zur liercegovinischen Grenze ausbreitet, wird vom Volke der Name Zazablja2) beigelegt. -1) In der Generalstabskarte ist dieser Theil der 2aba planina mit dem Namen „Carski haj“ be- zeichnet, was den Beschauer der Karte zu dem Irrthum veranlassen könnte, dass dies ein anderer Gebirg-szug sei. Wer aber weiss, dass jene Waldungen verhegt sind, und dass das Volk die verhegten Wälder mit „Carski gaj“ bezeichnet, dem wird es sofort klar, wie jener Theil der 2aba planina zu dem Namen „Carski haj“ kam. 2) Auch 2a£ablja. Bosnjak. Wo lag das Gebiet von Zaüablje. 233 Er grenzt mit dem Gebiete Hrasno in der Hercegovina, und auch das Popovo ist nicht weit davon entfernt. Ich besitze eine Abschrift der von Pietro Valiero, Proveditore der Republik Venedig für Dalmatien, am 4. December 1684 im Lager von Opus ausgestellten Urkunde, die die Bedingungen enthält, unter welchen Nikola Nonkovic mit seinem Volke in das venezianische Gebiet „um der Republik stets unterthan zu sein“ übertreten durfte. Dieses Volk des Landstriches Zazablje, welcher Name in der Urkunde ausdrücklich hervorgehoben wird, kam aus beiläufig dreissig Dörfern und hatte 700 wehrhafte Männer. Es steht ausser Frage, dass das Narenta-Zazablje, selbst wenn es sehr dicht be- völkert war, eine solche Zahl von Kriegern nicht zu stellen vermochte. Demnach muss man wohl fragen, ob das damalige historische Zazablje nicht eine grössere Ausdehnung hatte '? Der hochwürdige Herr Ruvarac hält dafür, dass der Ort Gradac in der Herce- govina das Centrum des historischen Zazablje gewesen sei. Es hat allerdings den An- schein, dass Gradac zum Zazablje gehörte, wofür auch der Umstand spricht, dass es der Geistliche Petar Dragobratovic, Pfarrer von Gradac, war, welcher zwischen dem Nonkovic und dem Proveditor Pietro Valiero die Uebergabe des Zazablje vermittelte und der auch selbst mit fünf Brüdern und den übrigen Diücesanen zu den Venezianern über- ging; von allen diesen Ueberläufern sagen aber die venezianischen Urkunden, dass sie aus Zazablje waren. Nonkovic hatte vereinbart, er werde es sich angelegen sein lassen, dass sich auch andere Leute als jene von Zazablje zum Uebertritt entschlössen, wie z. B. die Kuscaner aus dem Popovo, die überall in den venezianischen Urkunden getrennt von den Zazabljanern aufgeführt werden. Es muss also gefolgert werden, dass die Bewohner von Gradac den Zazabljanern zugezählt wurden, und zwar nicht vielleicht durch eine Irrung in den Namen, sondern weil sie zu diesem Gebiet factisch gehörten. Etwas weiter von Gradac liegt das Dorf Brocanci, in dem nach der Ueberlieferung die Burg des Nonkovic gestanden haben soll. Das oben erwähnte Schreiben des Proveditors Valiero sagt über den Nonkovic, er sei aus Zazablje; dieses Gebiet würde sonach auch über Gradac hinaus sich erstreckt haben. Gehörte aber vielleicht auch Hrasno zu dem historischen Zazablje? Auch heute existirt in PIrasno die Familie Zarkovic, von welcher der von Herrn Ruvarac citirte Csevapovics sagt, dass sie aus Hrasno im Zazablje sei. Nach dem Gesagten kann das Narenta-Zazablje nicht den ganzen Umfang des historischen bilden, sondern es wird nur ein Theil desselben sein. Im Narenta-Zazablje befinden sich unter Anderem auch die Dörfer Hreljinovac, Kuti und Vidonje. Das letztere, weil den Kern bildend, lieh seinen Namen dem ganzen Gebiet, welches bald Zazablje, bald Vidonje genannt wird. Hreljinovac war der Wohnsitz des berühmten Helden Matijas Sentic, und ein Volkslied besagt, dass die Vila (Fee) von der Matica planina den Mathias Sentic aus dem flachen Vidonje rufe. Mit Nonkovic flüchtete auch Sentic, von dem die Venezianer Urkunden ebenfalls sagen, dass er aus Zazablje stamme. Hieraus folgt, dass Hreljinevac und Vidonje gerade wie jetzt, auch schon damals im Bereiche des Zazablje lagen. Kuti ist aber wohl nichts Anderes als die Abkürzung von Kutici oder Kutjevici, dem Namen eines Ortes, von dem bereits der oben erwähnte Csevapovics sagt: „Villa Kultevieh in Zaxabie“. Solche Abkürzungen der Namen sind im Zazablje gar nicht selten, denn man hört dort statt Barisic Barise, statt Sentic Sente, statt Ostojic Ostoje u. s. w. In den linken Arm der Narenta ergiesst sich abwärts von Opus, gerade unterhalb der Veste Brstanik das Nebenflüsseken Cr ha rijeka, welches an dieser Stelle auch mit 234 I. Archäologie und Geschichte. dem Namen Prvnjak belegt wird. Dieses Nebenflüsschen entspringt dem See „Kuti“, welcher mit seinen Gewässern die westlichen Ausläufer des Zazablje bespült. Etwas oberhalb seiner Einmündung in den Narentafluss nimmt die Crna rijeka ihr Neben- flüsschen Mislina auf, welches vorher seinen Lauf der Länge nach durch das ganze Zazablj egebiet von Nord nach Nordwest nimmt. Es wird hierdurch offenbar, dass die Burg Brstanik, *) von welcher der von Herrn Ruvarac citirte Lukarevic sagt, dass sie vom bosnischen König Tvrtko erbaut worden sei, unter Anderem auch zum Schutze der Zaba, richtiger von Zazablje, bestimmt war; sie hatte hauptsächlich die Wasserstrasse zum Narenta- Zazablje zu bewachen. Für das Narentathal längs des rechten Ufers in der Richtung auf den Thurm von Norino am Ausgangspunkte der Ebene, die zum Gebiete von Zazablje gehört, hat sich bis zum heutigen Tage der historische Name „Prevlaka“ erhalten, von dem Lukarevic sagt, dass mit diesem Namen eine Ebene bezeichnet werde, durch die das bosnische und ragusanisehe Heer gegen Branivoj und seine Söhne gezogen sei. Ueber die Familien, die Herr Ruvarac in seinem Aufsatz aufzählt, konnte ich an Ort und Stelle keine Nachrichten einziehen, weil es keine Familien mit diesen Namen im Narenta-Zazablje gibt; dies soll nach den mir zugekommenen Nachrichten auch in den angrenzenden hercegovinischen Bezirken der Fall sein. Entweder sind sie ausgestorben oder ausgewandert. Kaöib sagt in seinem Werke „Korablja“, S. 475 (die Ausgabe kann ich nicht bezeichnen, weil die ersten Blattseiten des mir voi'liegenden Exemplars abgerissen sind): „Novacovich von Zaxabje, aus diesem Stamme sind die Maslardichi.“ Novakovice, sonst auch Mas- larde genannt, gibt es auch heute noch genug in St. Martin auf der Insel Brazza. Mornarice, wahrscheinlich von Mernarice abgeleitet, gibt es in einigen Gemeinden des Bezirkes Metkovic. Wenn der wiederholt erwähnte Csevapovics „Morgnitisca“ schreibt, so glaube ich, dass davon viel eher „Margeritic“ abzuleiten sei, welchen Namen Ruvarac mit dem früheren identificirt, als der Name Martinovic, welchen übrigens eine Familie im Narenta-Zazablje auch jetzt führt. Was die „Crnojevici“ anlangt, so erwähne ich, dass im Narenta-Zazablje Familien mit dem Namen Crncevic Vorkommen, die ganz gut als mit Crnojevic identisch aufgefasst werden könnten. Von den Crncevici sagt Kacic, dass sie aus dem Zazablje stammen, wobei er aber weiters bemerkt: „oberhalb des Flusses Moracevo die Prinzen von Zenta und Crnagora“. Hiernach können die Crno- j evici wohl nicht im Narenta-Zazablje und auch nicht unter den Crncici gesucht werden, da es dort einen Fluss Moracevo gar nicht gibt. Aus gleichen Gründen können aber die Crnojevici auch nicht in der Hereego vina bis zu ihren äussersten Grenzen, soweit dieselben eben reichten, gesucht werden. Doch sei dies noch nicht mein endgiltiges Urtheil. Wie dem immer sei, eines glaube ich ei'wiesen zu haben, dass nämlich das Narenta-Zazablje nur ein Theil des historischen sei, und dass sich dieses Gebiet in die Hercegovina hinein erstreckt habe; auch habe ich beiläufig die Richtung, nach der es sich ausdehnte, angegeben. -1) Heute auch „Gradina“ genannt, unter welchem Namen sie in die Generalstabskarte einge- tragen ist. 0 1 o v o. Von Dr. Ciro Truhelka, und Constantin Hörmann, Custos am bosn.-hereeg. Landesmuseum, bosn.-hereeg. Regierungsrath. (Mit 5 Abbildungen im Texte.) In romantischer Gregend, am Fusse des Berges Stoborje liegt das kleine Dorf Olovo. Dasselbe zählt 60 muhammedanische Häuser,1) welche am steilen Abhange eines ungeheuren Felsens erbaut sind. Zwei Bäche, die Biostica und die Stupcanica, ver- einigen sich unterhalb des Dorfes und fliessen dann unter dem Namen Krivaja weiter. Die Felsen an der Stupcanica sind von Ruinen bedeckt und heissen „Gradine“. Dieser Theil der Gegend ist kahl und öde, der andere dagegen, durch welchen die Biostica strömt, hügelig, mit frischen grünen Matten bedeckt, freundlich und fruchtbar. Im Dorfe befindet sich eine alte hölzerne Moschee, welche schon Athanasius Georgiceo (Gjorgjic) in seinem 1626 an Kaiser Ferdinand II. gesandten Berichte er- wähnt. Das Gebäude ist einfach, ohne Verzierung, ausser einigen Holzschnitzereien an den niedrigen Fenstern; das Minaret ist von sehr massiger Höhe. Im Mittelalter war Olovo (Olovac) als bedeutender Bergwerksort bekannt, dessen Producte weithin verfrachtet wurden, besonders nach Italien. Zum ersten Male wird er in einem Documente aus dem Jahre 1382 2) unter dem Namen „Plumbum“ erwähnt. Im Jahre 141 5 3) wird er „citta de Piombo“ genannt. Hieraus ist ersichtlich, dass der Ort seinen Namen von den Bleiwerken erhielt, deren Spuren in der Umgebung noch heute sichtbar sind. Diese Werke waren im 14. und 15. Jahrhunderte sehr bedeutend, und noch im 16. Jahrhunderte wurde darin emsig ge- arbeitet. In einiger Entfernung oberhalb des Kirchenplateaus (Ravnine Crkvenice) sind etwa Po Km. lange Ruinen sichtbar, augenscheinlich Reste einer Leitung, welche das zum Schlämmen der Erze nothwendige Wasser zuführte. 1 Km. von Olovo und von der erwähnten Wasserleitung sind noch die Reste des „molino“ (des Ortes, wo das Erz geschlämmt wurde) und der Hammerwerke (samokovi) zu sehen, welche Stellen das Volk noch heute so benennt. *) Klaic führt in seinem Werke „Zemljopis Bosne“ (Die Geographie Bosniens) S. 156 50 muhamme- danische Häuser mit 400 Einwohnern an. Nach der Volkszählung’ vom Jahre 1885 zählt Olovo 68 Häuser mit 409 Bewohnern, darunter 320 Muhammedaner, 73 Orientalisch-Orthodoxe, 10 Katholiken und 6 Juden. 2) Pucic, Spomenici II, 42. 3) Ibid. I, S. XVII. 236 I. Archäologie und Geschichte. In jenen Zeiten gab es noch Bleiwerke in Kamensko an der Krivaja1) und bei Dubostica (Teopoustica).2) In diesen Werken wurde eine Menge Blei gewonnen, welches in Karawanen von bis zu 300 Tragthieren an die Karen tarn iindung und von hier nach Ragusa befördert und zur Deckung von Kirchen und Palästen in Venedig und auf Sicilien verwendet wurde. Die Haupthandelsstrasse für das Blei ging über Suceska, Visoko, das Thal der Lepenica und über die Ivan-planina.3) Eine zweite Strasse führte auf die Burg Borac, in welcher die nachmaligen Besitzer der Bleiwerke hausten, und zweigte von hier nach Srebrenica und Rudnik ab. Das Blei aus den Werken von Olovo hiess „plumbum dulce“ zum Unterschiede vom Blei aus Srebrenica,, welches als „plumbum durum“ vermuthlich deshalb bezeichnet wurde, weil es ziemlich viel Silber enthielt, weshalb es auch härter war als jenes aus Olovo. In den ersten Zeiten waren die Könige von Bosnien Besitzer jener Bleigruben, wie auch aller sonstigen Bergwerke im Lande. Erst später gingen dieselben in den Besitz von Privaten über, theils im Wege von Schenkungen, theils durch Kauf. Wahr- scheinlich wurde jedoch von den Bergwerken eine Steuer entrichtet. Noch im Jahre 1398 war in Olovo ein königliches Zollamt,4) aber schon im Jahre 1415 war Paul Radenovic, Sohn des Radin Jablanic, von welchem die in der bosnischen Geschichte bekannte Familie der Pavlovi6e abstammte, Herr der Zupanija Borac (comi- tatus Berez), zu welcher die Feste Borac als Hauptsitz, ferner der bedeutende Marktort Praca und Olovo mit seinen Bergwerken gehörte. Diese Besitzer bezogen seit jener Zeit die Zolleinkünfte.5) Solange sich Olovo im königlichen Besitze befand, scheint der Bergbau in den dortigen Gruben nicht rationell betrieben worden und die Ausbeute demnach eine geringe gewesen zu sein; denn sonst wären nicht so leicht Private in den Besitz der Werke gelangt, der Staat hätte dieselben nicht ohne Entschädigung veräussert und den Privat- besitzern nicht obendrein gewisse Privilegien ertheilt. Erst mit der Ansiedelung der Sachsen, welche anfangs aus Ungarn, später aus Siebenbürgen hi eher kamen, gelangten die Bergwerke- von Olovo zu grösserem Ruf, der im 15. Jahrhundert seinen Höhepunkt erreichte. Diese Sachsen, ivelche das Volk „purgari“ (Bürger) und die Ragusaner „borglie- sani“ nannten, siedelten sich in den Niederungen neben den Bergwei'ken an. Auf dem Wege nach Dolove längs der alten Strasse an der Wasserleitung finden sich auf Schritt und Tritt die Reste einstiger Cultur, welche von einer bedeutenden Ansiedlung fremder Elemente in dieser fruchtbaren Gegend herrühren. Ausser diesen Bergarbeitern, welche in alten Codices „rupnici“ oder italienisch „vaoturchi“ genannt werden, bestand neben jedem Bergwerke noch eine Ansiedelung von Ragusanern, Spalatinern, Curzolanern oder Zaratinern, die entweder in den Gruben arbeiteten oder sich mit dem Verkaufe von allerlei Lebensmitteln befassten. J) Das Blei aus Kamensko wird unter dem 4. Juli 1387 im Werke „Ulm reformationum civitatis Ragusii“ und der „Kamenskoer Zoll“ (kamenißka carina) im Jahre 1382 erwähnt. Pucic, Spomenici II, 33. 2) Teopoustica wird in einem Briefe vom 25. Jänner 1425 an Orsa de Zamagno und Tomaseo de Bosna in „Letter, a commiss. di Lev.“ erwähnt. Vergl. Jirecek, Handelsstrassen und Bergwerke von Serbien und Bosnien 50, S. 160. 3) Jireßek, 1. c. S. 80. 4) Pucic III, 42. s) Ibid. I, S. XVII. Truhelka und Hör mann. Olovo. 237 In der Nähe der Werke eröffneten diese Leute ihre „hothege“, und in geringer Entfernung von denselben befand sich die „platea publica“, das ist der Bazar, in welchem sie ihre Waaren feilboten und die Erze aufstapelten. In der Nähe des heutigen Dorfes Dolnji Bakici ist ein Ort, den das Volk noch heute „Varosiste“ (Ort, wo eine Stadt gestanden) nennt, und unweit davon eine Fläche mit der Bezeichnung „Trgoviste“ (Marktplatz), und zweifellos war hier die „platea publica“. Das Volk erzählt noch heute, dass der Markt von Händlern aus allen Welt- gegenden besucht gewesen sei. Unweit davon soll sich auch ein Bad befunden haben, dessen warme Quellen in neuerer Zeit wieder gefunden wurden. Die Einheimischen kümmerten sich wenig um den Verdienst in den Bergwerken, und so kam es, dass mit der Vermehrung der Ansiedelungen der lateinische Charakter zu überwiegen anfing. Dies hatte auch zur Folge, dass in der Nähe der Gruben noch heute das katholische Element vorherrscht. Die Dalmatiner versahen auch die Stellung von Zollbeamten (doganieri, gabellotti), und nur das oberste Haupt der Colonien war ein Einheimischer. Er hiess „Vojvode“ und wohnte in einer Burg, welche durch ihre Lage die ganze Gegend beherrschte. Auf dem Felsen bei Olovo, an welchen sich das Dorf lehnt, sind noch heutigen Tages die Ruinen des „erhabenen Palastes“ (slavnih dvora), wie die Burg seinerzeit genannt wurde, zu sehen. Vojvoden von Olovo waren entweder die Pavlovice selbst oder ihre im Orte an- sässigen Stellvertreter, wie denn schon Paul Radinovic am liebsten in seiner Burg Borac (Borce bei Vlasenica) iveilte. Nächst Hrvoja Vukcic und Sandalj Hranic war Paul der bedeutendste Magnat Bosniens. Er hatte seine Jugend am Hofe des Königs Tvrtko1) verbracht. Aus Rück- sicht für seine grosse Macht heiratete König Stefan Ostoja eine Verwandte des einfluss- reichen Mannes, um sich die Unterstützung desselben zu sichern. Am 23. August 1415 fiel Paul als Opfer einer von Sandalj gegen ihn eingefädelten Verschwörung, nachdem er bei König Ostoja des Verrathes angeklagt worden war. Gundulic berichtete darüber ausführlich in einem Briefe an die Republik Ragusa.2) Seine Söhne Peter und Radoslav Pavlovic vereinigten sjcli deshalb mit den Osmanen gegen Ostoja und beförderten dadurch den Fall Bosniens. Sie herrschten in der Folge „durch die Gnade und Munificenz des grossen Kaisers Sultan Mehmctbeg“.3) Stephan Vukcic beschränkte ihre Macht im Jahre 1438 auf Olovo und Borac. Nachmals unter- stützte Radoslav den Sohn Ostojas, Radivoj, gegen Tvrtko II., unterhandelte im Jahre 1423 mit Murad n., worauf dieser im Jahre 1427 in Bosnien einfiel. Aber schon im Jahre 1431 meldeten die Ragusaner dem Könige Sigismund, dass sich Radoslav aber- mals dem König nähere.4) Als im Jahre 1444 der neue König Stephan Thomas den Ragusanern in Kresevo ihre Privilegien bestätigte, befand sich hier ausser anderen Magnaten auch der Sohn Radoslavs, Ivanis Pavlovic, als dem Könige unbedingt ergeben.5) Aber die Sünden der Väter rächten sich an dem Sohne. Der Name der Pavlovice, welche noch im Jahre 1447 6) Borac besassen, verschwand aus der Geschichte, und die osmanische *) Pucic, S. 60. 2) Pucic, 1. c. I, S. XV, XVI. 3) Diplom des Sandalj von 30. Mai 1420 bei Miklosic, S. 300. 4) Rad jugosl. akademije VII, S. 233 — 234. ®) Miklosic, Monum. serb., S. 427 — 429. 6) Pucic II, 10. 238 I. Archäologie und Geschichte. Uebermacht, welcher Peter und Radoslav in ihrer Verblendung Vorschub geleistet hatten, setzte sich in ihren einstigen Besitzungen fest. In den Verhandlungen behufs Ab- schlusses des ungarisch -türkischen Fi'iedens in den Jahren 1503 :) und 1519 wird Borac nicht mehr erwähnt, und auch der Name Olovo kommt erst im 17. Jahrhundert wieder vor. Die heutigen Bewohner von Olovo, Borac und Umgebung sind fast ausschliesslich Muhammedaner, und die letzte Spur des Christenthums, das Kloster, welches für das älteste in Bosnien gehalten wird, verbrannte im Jahre 1687. 2) Auf dieses Jahr bezieht sich, was der Chronist 0. Benic schreibt, obwohl er den Untergang des Klosters in das Jahr 1703 setzt.3) Auch Fra Mijo Batinic führt nach der Chronik von Suceska dasselbe Jahr 17034) an. Gewiss ist, dass das Kloster zu Ende des 17. oder im An- fänge des 18. Jahrhunderts zu Grunde ging. Bios in der Volkstradition verblieb eine dunkle Erinnerung an die einst reiche Stätte, und alljährlich kommen aus allen Gegenden Bosniens und auch aus Serbien, Bulgarien und Albanien5) Gläubige nach dem „Kirchen- plateau“, um dort an einem Steine, welcher als einziges Ueberbleibsel der alten Kirche aus dem Boden ragt, fromme Gebete zu verrichten. Im Jahre 1886 war Olovo von 5000 Pilgern besucht. Wie bereits erwähnt, lässt sich das Gründungsjahr des Klosters nicht mit Bestimmt- heit feststellen. Auch über die Entstehung desselben gibt es verschiedene Versionen. Der bereits erwähnte Athanasius Georgiceo (Gjorgjic oder Grgicevic) weiss in seinem Reiseberichte an Kaiser Ferdinand II. vom Jahre 1626 nur sehr wenig darüber zu erzählen. Er nennt das Kloster blos „un monastero molto antico delli Rdi padri di S. Francesco dell’ Osservanza“. Dieser Bericht erscheint mitgetheilt in Batinic’ Werk „Nekoliko priloga k bosanskoj crkvenoj povjesti“1) (Einige Beiträge zur Kirchengeschichte Bosniens). Es ist wahrscheinlich oder wenigstens möglich, dass das Kloster aus der Kirche ent- stand, welche die Colonie bei den Bergwerken besass, und zwar im 14. Jahrhundert, weil dasselbe nächst den Klöstern von Srebrenica, Zvornik und Fojnica das älteste in Bosnien war. Ueber die Entstehung der Kirche von Olovo bewahrt die Tradition des katholischen Volkes folgendes Lied,3) welches zuerst in der Sarajevoer „Vrhbosna“ gedruckt erschienen ist. Cador vezla Anica djevojka, Vezla ga je devet godin’ dana, U devetoj bila ga dovezla, Pa ga Salje caru cestitome. Cador prima care od Stambola, Cador prima, a uzdarje daje. Najpr’je salje nebrojeno blago, Al’ to Ana ni gledati nece. Za tim Salje dibu u cagetu Al to Ana ni gledati ne ce. Onda salje mlada liaznadara I uz njega trinaest robinja, Ni to Ana ni gledati nece. Pitao je care od Stambola: „Oj bora ti, lijepa djevojko; Ja sta bi ti mladoj darovao?“ Njemu Ana knjigom odgovara: „Hvala tebi, care gospodare, Hvala tebi na tvojiem darim’ Ja ti dara necu nijednoga; Neg te molim, care gospodare, Ljubeci ti i noge i ruke I zemljicu, gdje ti rnestva staje, Daj mi izum, da moliti smidem!“ Car joj na to sitnu knjigu pise: „Izum tebi, lijepa djevojka, *) Hammer, Osman. Gescb. II, 617. Th ein er II, 626. 2) Jirecek, 1. c., S. 50. 3) Glasnik bos. i herc. franjevaca 1887, VIII, 154. 4) Batinic, Djelovanje franjevaca II, 180. 6) Klaic, Zemljopis Bosne, S. 156. Siehe Glasnik bos. i herc. franjevaca 1888, VIII, 151. (Pater Franz v. Varadin im Buche „Pastor banus“). Truhelka und Hör mann. Olovo. 239 Sto god imam u mojemu cartvu Poklonicu tebi za uzdarje.“ Knjigu prima Anica djevojka, Knjigu prima, drugu otpisuje, Pa je salje caru cestitome: „Sultan care, iza göre sunce, Ako si mi izum ucinio, Dopusti mi, da sagradim crkvu, U Olovu mjestu pitomome!“ Njojzi care knjigom odgovara: „Izum tebi, lijepa djevojka, Gradi crkvu dugu i siroku I ja cu ti darovati crkvu, Suhim zlatom i dragim kamenjem.“ Knjigu stije Anica djevojka, Knjigu stije, Bogu zahvaljuje; P’onda ide fratru Marijanu, Ovako je njemu govorila: „Sveti oce, fratre Marijane, Car je meni izum dopustio, Da sagradim u Olovu crkvu I sam mi je knjigom obecao, Da ce crkvu carski darovati, Darovati sSeZenijem zlatom, Suhim zlatom i dragim kamenjem. Nego ne znam, sto cu uciniti, Kom cu svecu crkvu posvetiti.“ Progovara fratar Marijane: „Kceri moja, Anize djevojko, Kada sada kuci svojoj dogjes, Pomoli se svetim apostolim’, Apostolim i Petru i Pavlu; Oni ce te u snu nauciti, Kom ces svecu crkvu posvetiti, A kad sjutra b’jeli danak svane, Doc’ des k meni, moja kceri draga I ja cu ti sanak tolkovati.“ Kad to cula Anica djevojka, Ljubi starca u desnicu ruku; Pravo ide svomu b’jelu dvorn, Pa se moli svetim apostolim’, Apostolim i Petru i Pavlu I sve cini, sto joj fratar kaza, Kad je bilo noei po pbnoci, Nebesa se vedra otvorise, Ukaza se svjetlost prevelika, U svjetlosti mnozina angjela; Oni nose precistu djevicu, Svetog duha pravu zarucnicu, Pa govori presveta djevica: „Kceri moja, Anice djevojko, Crkvu, sto si nakanila zidat’, Posveti je mome uznesenju.“ Kad to cula Anica djevojka, Metanise presvetoj djevici; A kad bilo jutro na urani, Umiva se lijepa djevojka, Pa se moli Bogu velikome A kad se je Bogu pomolila, Ona ide fratru Marijanu, Sve je njemu redom kazivala. Kad je fratar r’jeci razumio, U nedjelu, koja prva dodje Svem je puku odmah oglasio: Gdje valjade, da se gradi crkva Na cast samoj precistoj djevici. Puk je r’jeci za Boga primio, Te svom dusom latio se rada: Jedni krce st’jene i kamenje, Drugi idu u proplanke guste, Da za crkvu otesaju grede; Treci opet latili se rada, Izragjuju svakakve alate. Malo za tim vr’jeme postanulo, Bas ne prosla ni godina dana B’jela crkva bjese sazidana. I silni se narod sakupio Öko b’jele bogomolje crkve: Neki jedu hljeba bijeloga, Prismakaju ovnovinom mesom, Zal’jevaju crvenijem vinom; Drugi opet puskam’ popucuju, A djevojke kolo uhvatile. U to doba fratar Marijane U bijelu crkvu ulazio, Pred oltarom tri put pokleknuo, Sv. misu radostan rekao, Na cast svetoj djevici Mariji, A kada je misu dorekao, Ovako je puku govorio: „Braco moja, po Bogu samome, Radostan smo danak docekali, Da u ovoj prepijeloj crkvi Svetu misu slusati moäSemo. Zahvalite Bogu velikome I Sultanu caru cestitome!“ Kad je narod r’jeci razumio Zalivalio Bogu velikome I cestitom caru od Stambola, Pa se onda veselo rasuo Svojim kucam’ sitno pjevajuci Pjevajuci i puskarajuci I hvaleci Boga velikoga I presvetu djevicu Mariju; Pomogo nas Isus i Marija I svi sveti bo2ji ugodnici. Öesto puta u Olovo ravno Silazili i Boga livalili Od djevice pomoc dobivali Nasim kucam’ i nasoj celjadi, Nasitn poljim’, njivam’ i livadam’ Nasoj stoci i nasemu blag-u, A najposl’je postigli spasenje I u raju bozije naselje Sve po molbam’ presvete djevice, A po volji Boga velikoga. 240 I. Archäologie und Geschichte. „Einst vor langer, langer Zeit“ — dies der Hauptinhalt des vorstehenden Liedes — „lebte in Bosnien eine ebenso fromme als schöne Maid, welche durch neun volle Jahre rastlos an einer Zeltumhüllung webte. Dieses kunstvolle Zeltdach sendete die Maid, Anica war ihr Name, an den Sultan von Istambol, der die Spende gnädig annahm und der Künstlerin als Gegengabe viel des „ungezählten Geldes“ sendete. Doch das Mädchen nahm dieses Geschenk ebenso wenig an wie den spinnwebedünnen Seidenschleier (Diba u cagetu = Brautschleier in Papierumhüllung), den ihr der Sultan nach Ab- lehnung der ersten Spende zuschickte. Als nun Aennchen auch das dritte Geschenk, den kaiserlichen Zahlmeister und dreizehn Sclavinnen zurückwies, da liess ihr der höchlich verwunderte Sultan schreiben, sie möge doch selbst sagen, was für eine Gabe ihr genehm wäre, sie möge ihre Wünsche frank und frei äussern, er wolle ihr, was sie immer aus seinem Kaiserreiche begehre, spenden. Hierauf trug ihm Anica nur die Bitte vor: „Er möge ihr gestatten, dass sie in dem lieblichen Orte Olovo eine Kirche erbauen dürfe.“ Gerne gab der Sultan dieser Bitte Gehör und versprach die Kirche mit Gold und Edelsteinen beschenken zu wollen. Kaum hatte Aennchen diese frohe Botschaft erhalten, als sie zum Franziskaner- Ordenspriester Fra Marian eilte, um ihm dieselbe mitzutheilen und sich seinen Rath darüber zu erbitten, welchem Heiligen sie die zu erbauende Kirche weihen solle. Fra Marian erwiderte ihr: „Gehe, o meine Tochter, nach Hause und bete andächtig zu dem Apostelpaare Petrus und Paulus ; diese werden dir im Traume weisen, was du zu thun hast. Dann komm gleich morgen zu mir, und ich will dir deinen Traum deuten.“ — Anica befolgte diesen Rath, betete fromm und inbrünstig zu den heiligen Aposteln Petrus und Paulus und begab sich hierauf zur Ruhe. Im Schlafe hatte sie um die Mitternachtsstunde einen gar schönen Traum. Sie erblickte den geöffneten Himmel, aus dem herrliches Licht strömte; in diesem Lichtmeere nahm sie eine Engelschaar wahr, die die jungfräuliche Gottesmutter bis vor die Träumende trug, und nun vernahm sie aus dem Munde der göttlichen Jungfrau die Worte: „0 meine Tochter Anica, die Kirche, die du zu bauen entschlossen bist, weihe meiner Himmelfahrt.“ Von diesem herrlichen Traume erwacht, eilte Aennchen, nachdem sie zu Gott ihre Dankgebete ge- richtet hatte, zeitlich früh zu Fra Marian. Kaum dass sie ihm das Traumbild erzählt hatte, berief er die Bewohner für den nächsten Sonntag zu sich und bestimmte in deren Anwesenheit den Platz, wo die neue Kirche „Mariä Himmelfahrt“ gebaut werden solle. Das Volk nahm die Weisung seines Priesters gern entgegen und griff gleich zur Arbeit; die Einen planirten die Baustelle, die Anderen eilten in den Urwald, um das Bauholz zu fällen und zu bearbeiten, die Dritten machten sich als geschickte Bauhandwerker an die verschiedensten Hantirungen. Es .war noch nicht ein volles Jahr verflossen, und schon stand die herrliche Kirche fertig da, und rund um sie war das fromme Volk versammelt. Bei frohem Gelage und Spiel und Tanz erwartete die frohgestimmte Menge ihren Priester. Als Fra Marian erschienen war und in die Kirche trat, sprach er die heilige Messe zu Ehren der Jungfrau Maria und forderte die Gemeinde auf, dem grossen Gott Dank zu spenden für das Gedeihen dieses Werkes, und auch dem Sultan für die ertheilte Bewilligung zu danken.“ So weit das Volkslied. Dass das Kloster sich aus der Kirche entwickelte, bestätigen einige Quellen, denn wir lesen, dass die Bewohner von Olovo seit jeher eine Kirche hatten, in welcher die Franzis- kaner aus den umliegenden Klöstern die Messe lasen, bis schliesslich ein Kloster neben derselben Kirche entstand, welches in den Annalen von Vading schon 1400 erwähnt wird.1) 0 Glasnik bos. i lierc. franjevac 1888, VIII, 150. Truhelka und Hörmann. Olovo. 241 Auch Pater Franciscus von Varadin bemerkt, dass hier eine der gebenedeiten Jungfrau Maria geweihte Kirche errichtet worden sei, an welche die Franziskaner das Kloster anschlossen.1) Die Kirche beschreibt der genannte Georgiceo ganz kurz. Er berichtet, dieselbe hätte ein längliches Viereck von 27 Fuss Länge, 15 Fuss Breite gebildet und zwei Pforten besessen, die eine an der vorderen, die andere an der rechten Seite. Ausser einem Altäre mit einem Mirakelbilde gab es in derselben keinerlei kunstreiche Aus- stattung. Nach Pater D. A. hatte die Kirche einen fast quadratischen Grundriss, war eher niedi’ig als hoch, 22 Schritte lang und 15 breit. Von den vorhandenen zwei Pforten befand sich die eine an der Facade, die andere rechts in geringer Entfernung vom Altar. In der Kirche war nur ein einziger Altar angebracht, über welchem sich eine Nische genau von der Grösse des Muttergottesbildes, welches in derselben Platz hatte, befand. Ringsumher waren Eisenhaken für ein starkes Eisengitter. Die Kirche ist mit Steinplatten und war ursprünglich mit Brettern eingedacht.2) Diese Zahlen sind jedoch nicht richtig, denn Messungen haben ergeben, dass die Kirche 12 (50 M. lang und 9\50 M. breit gewesen ist. Gegenüber dem Haupteingange befand sich die Apsis, deren Fundamente noch verschüttet sind; links war eine 4 M. lange und 335 M. breite Capelle mit einem einfachen Steinaltar. Der Grundriss der Kirche (Figur 1) wurde im Jahre 1886 angefertigt. Der Fussboden war mit 6 Stein- platten bedeckt, unter welchen sich ebensoviele Grüfte befanden. Auch kann nicht gesagt werden, dass die Kirche jedes Schmuckes entbehrte, denn in der Capelle sind Reste ganz guter Malerei sichtbar. Nach denselben zu urtheilen, war die Wand in mehrere Felder getheilt, die mit Abbildungen von Fischen verziert waren, welche ent- weder schwimmend oder an eine Schnur gereiht dargestellt sind. Nach dem Charakter der Arbeit stammt diese Malerei (vgl. Figur 2) aus dem 16. Jahrhundert. Aus den Fischen, dem Symbol des Todes, lässt sich mit ziemlicher Gewissheit entnehmen, dass sich hier die Gruft befand. Dafür sprechen auch die in der Kirche gemachten Knochenfunde. Gegenüber der Capelle befand sich eine zweite Thür ober- halb welcher wahrscheinlich eine schwarze Steinplatte eingemauert war, deren Bruch- J) Glasnik bos. i herc. franjevac 1887, VIII, 151. 2) Ibid. IX, 168, 169. Band II. 16 242 I. Archäologie und Geschichte. stücke neben der Thür zerstreut aufgefunden wurden. Diese Platte und die Treppen- stufen an der Aussenseite des Portals dürften den einzigen architektonischen Schmuck der Kirche gebildet haben, denn der übrige Theil des Gebäudes besteht aus gewöhn- lichen Bruchsteinen mit Mörtelanwurf. Durch die letztgenannte Thür gelangte man in den Corridor des Klosters, welcher längs der rechtsseitigen Kirchenwand lief und den Klosterhof abschloss. Aus dem Corridor führte zwischen massiv gemauerten Säulen ein Durchgang nach dem Kloster- hofe. Nach aussen Avar der Klostergang durch eine feste Mauer abgeschlossen. An den 21 M. langen und 108 M. breiten Hofraum schloss sich das Klostergebäude mit den Zellen. Das ganze an die Schmalseite der Kirche gedrängte Gebäude gleicht eher einer Festung als einem Kloster. Das Kloster überragt sowohl das Dorf als die ganze Umgebung vor demselben und war im Rücken durch den Felsen gedeckt, an den es sich lehnte. Es bildete sammt der Burg einen guten Vertheidigungspunkt, und es ist kein Wunder, Avenn es sich bis ins 18. Jahrhundert halten konnte. Fig. 2. Beste von Wandmalerei in der Kirche zu Olovo. Die Verbindung mit der Burg war eine dauernde, denn längs der steilen Fels- wand schlängelte sich ein schmaler Pfad hinan, der nur auf dem Wege durchs Kloster erreicht werden konnte, und wenn die Noth aufs Aeusserste gestiegen Avar, konnten die Mönche noch immer durch einen gewölbten unterirdischen Gang aus dem Kloster unter dem Dorfe hindurch zur Krivaja gelangen. . Interessant ist die Nachricht des Gjorgjic, dass die Burg Gradine nebst den Blcigruben, welche die Haupteinnahmsquelle des Klosters bildeten, zu diesem gehörte. Diese Besitzungen erlangte das Kloster wahrscheinlich im 15. Jahrhundert nach dem Falle der Pavloviöe. Die Einkünfte des Klosters mögen ganz bedeutende gewesen sein, denn das Volk erzählt, dass die Mönche nur aus goldenen und silbernen Schüsseln speisten. Gjorgji6 erzählt ferner, dass sich neben dem Kloster auch eine Schule befunden habe, in welcher 20 Zöglinge, worunter die Hälfte unentgeltlich, Unterricht erhielten. Truhelka und Hörmann. Olovo. 243 Diese weihten sich später clem geistlichen Stande. Der erwähnte Pater Franciscus von Yaradin berichtet, dass in Olovo 56 Mönche hausten.1) Ueber die Art, wie das wunderthätige Madonnenbild nach Olovo gelangte, entnehmen wir dem mehrfach genannten Georgiceo1) die folgende im Volke verbreitete Tradition: „In Bosnien ist eine Stadt mit Namen Zvornik, zwei Tagereisen von Olovo ent- fernt. In dieser Stadt war eine Kirche, und darin befand sich ein auf ein Brett gemaltes Madonnenbild. Als die Türken Anstalten trafen, die Kirche in eine Dzamija zu ver- wandeln, verliess das Muttergottesbild die Kirche und lehnte sich an einen Baum in der Nähe der Drina, welche unterhalb Zvornik fliesst. Ein Türke, der in vollem Waffenschmucke an dem Bilde vorbeiritt, bemerkte dasselbe und führte mit seinem Speer einen Streich nach der Krone der Jungfrau. Die Spur des Streiches ist jetzt noch sichtbar (siehe das Madonnenbild in Komusina). Aber das Pferd des Türken begann gleich darauf wie besessen zu rennen, Dis es sammt seinem Reiter den steilen Abhang hinunter in die Drina stürzte. Alljährlich am „Grossfrauentage“ (15. August) ist es dreimal zu sehen, wie der Türke zu Pferd, den Speer in der Hand, mit den Wellen ringt, was sowohl Türken als Christen als eine Strafe Gottes dafür betrachten, dass er sich unterfangen hatte, das Bild der Madonna zu schlagen. Nach diesem Attentate verliess das Bild jenen Ort und begab sich auf einen sehr schönen Berg, drei italienische Meilen (1 Wegstunde) von Olovo entfernt, wo es verblieb. „Die Katholiken, welche das Bild fanden, beschlossen sogleich, an jener Stätte eine Kirche zu erbauen. Bis diese fertig wurde, brachten sie das Mirakelbild in der Kloster- kirche unter. Später jedoch bedachten sie, dass der Fundort des Bildes weitab von der Strasse und ferne vom Kloster gelegen sei, und da beschlossen sie, die Kirche an einer Stelle zu erbauen, welche dem Kloster und der Strasse näher wäre. Aber als sie ihr Vorhaben auszuführen begannen, fanden sie, dass alle Mühe vergebens sei, denn was sie bei Tag erbauten, stürzte über Nacht wieder ein. Als die Katholiken dies sahen, gaben sie ihre Absicht auf und begannen den Kirchenbau an jener Stelle, an welcher das Bild gefunden worden war. Da bemerkten sie dann zu ihrer Verwunderung, dass die Arbeit Hink vorwärts ging und die Mauern so rasch in die Höhe stiegen, dass sich selbst die Maurer nicht genug darüber wundern konnten.“2) In welchem Jahre das wunderthätige Bild nach Olovo gebracht wurde, lässt sich mit Bestimmtheit nicht angeben. Das Volk weiss über unzählige Wunder zu berichten, welche das Bild geübt haben soll. An jedem 15. August versammelt sich hier, wie bereits berichtet, eine Menge Volkes aus allen Gegenden. Es kommen verschiedene Kranke, namentlich Be- sessene, und es sind schon viele, auch Andersgläubige, beim Anrufen der Mutter Gottes geheilt worden. Eine Menge solcher Heilungen erzählt Pater D. A. im „Glasnik bos. i herc. franjevaca“.3) Authentisch ist, dass viele Magnaten, ja selbst manche Herrscher der Madonna Geschenke übersandten. Fra Mijo Batinic erzählt, dass, als sich Herzog Stephan am 10. April 1454 mit seiner Gattin Jelena, seinem Sohne Vladislav und der Stadt Ragusa ausgesöhnt hatte, „über diese Aussöhnung seine beiden Schwiegersöhne Stjepan Torna und Ivan Crnojevic, der Herr von Montenegro, sehr erfreut waren, und die beiden Töchter Katharina und Maria der Muttergotteskirche in Olovo Geschenke übersandten“. (Nach Luccari, S. 168.4) 0 Glasnik bos. i herc. franjevaca 1887, VIII, 151. 2) Ibid. 1887, IX, 167, 168. 3) Ibid. 1887, IX, 169 f. 4) Batinic, Djelovanje franjevaca I, 112. 16* 244 I. Archäologie und Geschichte. Pater Franciscus von Varadin berichtet über eine silberne Lampe, die ein Kaiser (welcher, wird nicht gesagt) der Kirche aus Frömmigkeit gespendet habe.1) Nach einigen in Olovo gefundenen silbernen und bronzenen Medaillen, die im 17. und 18. Jahr- hundert häutig als Amulete getragen wurden, glich das Bild den gewöhnlichen Madonnenbildern mit zu beiden Seiten herabhängenden Lampen. Diese Medaillen wurden wahrscheinlich in Italien geprägt. Aehnlich ist auch die Beschreibung des Bildes bei Gleorgiceo2) und Batinic: „Die gebenedeite Jungfrau war dargestellt mit gekreuzten Armen, das Jesuskind im Schoosse.“ 3) Nach und nach verödeten die Franziskaner- klöster, und endlich kam die Reihe auch an Olovo, aber es scheint doch, dass dieses am spätesten zu Grunde ging. Wann dies geschah, darüber fehlen nähere und verlässliche Nachrichten. Wie bereits oben erwähnt, dürfte die Katastrophe am Ende des 17. oder am Anfänge des 18. Jahrhun- derts eingetreten sein, allenfalls jedoch nach Alt- schluss des Krieges um Kandia im Jahre 1669. Im V olke verblieb eine dunkle Erinnerung daran, dass zu jener Zeit, als die deutschen und öster- reichischen Truppen zum ersten Male in Bosnien eindrangen, die türkischen Soldaten das Kloster erstürmten, alles Lebende in demselben tödteten und das Gebäude selbst in Brand steckten. Im 17. und 18. Jahrhundert verliessen nach den Behauptungen heimischer Annalen die Fran- ziskaner nach einander die Klöster, und zwar das von Rama, später das von Modric, Sebre.- nica, Gradovrh, Olovo, Visoko und Dolnja Tuzla. Mit ihnen zusammen wunderte eine Menge Vol- kes aus und siedelte sich zumeist in Slavonien in der Gegend von Kopanica (1714) und Dia- kovo an.4) Auf diese Weise verödete auch das Kloster Olovo. Ueberdies entstand am 15. August 1681 eine Schlägerei zwischen Christen und Türken, Fig\ 3. Schlüssel der alten Kirche in Olovo. hei welcher von den Letzteren einige erschlagen wurden. Der Pascha beschuldigte die Franziskaner der Urheberschaft und nöthigte ihnen eine ungeheure Ablösungssumme ab. Die Patres flüchteten über die Save; blos der Guardian Fra Anton Olovcanin blieb zurück und b Glasnik bos. i lierc. franjevaca VIII, 151. 2) Das Original im Arch. de propag. fide Con. 218, S. 480 und bei Batinic, Nekol. prilog. k bosan. erkv. povjesti, S. 40 f. 8) Batinic, Djelovanje franjevaca II, 108. 4) Idem, ibid. II, 167. Trulielka und Hörmann. Olovo. 245 bat den Pascha, Kirche und Kloster bis auf bessere Zeiten zu schliessen. Einem alten Manne mit Namen Simon empfahl er die Kirche und trug ihm auf, früh am Morgen und spät am Abend im Geheimen in die Kirche zu gehen und vor dem Mirakelbilde die Lampe anzuzünden. Er selbst begab sich in die nahen Zupe und kam ab und zu im Geheimen nach Olovo, um in der Kirche den Gottesdienst zu ver- richten. Die bosnische Provinz betrachtete auch die öden Mauerreste als wirkliches Kloster, und in jeder Provinzialsynode wurde ein Guardian ernannt, der das Kloster aus der Nähe zu beaufsichtigen hatte. Indessen übergab der Eine dem Anderen blos die Schulden des Klosters.1) Diese Schulden, welche fortwährend anwuchsen, stammten theils von den unge- heuren Lösegeldern, welche die Franziskaner öfters bezahlen sollten, theils von den hohen Zinsen. Derselbe Chronist erwähnt auch, dass im Jahre 1688 Fra Dominik Devic von seinem Vorgänger eine Schuldenlast von 585.595 Aspern oder 1214 Ducaten übernommen habe.2) Der Verfall der Kirche und des Klosters wird folgendermassen beschrieben: „Mit der Invasion des Prinzen Eugen verringerte sich die Zahl der Franziskanerklöster. Gegen den Herbst des Jahres 1703 gingen Kirche und Kloster in Olovo zu Grunde. Der kaiserl. Oberst Kiba (Kiva) hatte vernommen, dass die genannte Kirche hohes Ansehen geniesse, weshalb er an Sefer Pascha aus Crna Rjeka schrieb, dieser möge die Kirche wieder öffnen lassen, er, der Oberst, wolle bezahlen, was der Pascha verlange. Den Pascha verdross es, dass sich der Gjaur um sein Land kümmere, und beauftragte den Zigeuner Kotoman, des Nachts Alles in Brand zu stecken. Dieser warf einen Arm voll trockenen Reisigs in die Zelle des Guardians, worauf zuerst das Kloster und dann die Kirche sammt dem wunderthätigen Madonnenbilde verbrannte. Die Sage meldet, dass damals ein blendender Lichtschein zum Himmel empor- gestiegen und der Zigeuner später eines grässlichen Todes gestorben sei.3) Im „Glasnik bos. i herc. franjevaca“ wird nach Ileni6’ Chronik erzählt, das Madonnenbild hätte sich in Gestalt einer Flamme von ausserordentlicher Gestalt und Grösse in die Höhe geschwungen und wäre wie ein Meteor am Westhimmel verschwunden.4) Nach dem Steine, der, wie bereits erwähnt, aus der Erde hervorragte, wurden die Ueberbleibsel der alten Kirche und des alten Klosters aufgefunden. Der gegenwärtige Pfarrer von Vijaka, zu dessen Sprengel auch Olovo gehört, Fra Paul Semunovic, traf beim Baue eines hölzernen Kirchleins im Jahre 1886 auf alte Mauerreste, die von dem einst berühmten Kloster herrührten. Hier wurde im Jahre 1887 eine kleine Kirche und neben derselben eine Herberge für die Wallfahrer erbaut, damit diese nicht unter freiem Himmel nächtigen müssen. So Gott will, wird die Kirche mit der Zeit in ihrer einstigen Gestalt wieder auferstehen, damit dieses Monument aus der Geschichte Bosniens erneuert werde. Der erwähnte Fra Paul Semunovic übersandte dem Landesmuseum einen ziemlich grossen Schlüssel und zwei Kirchenbücher, welche ihm der „Ivnez“ (Ortsälteste) von Ocevje, Ivan Jakic, geschenkt hatte. Dieser Schlüssel (Figur 3) soll von der alten Kirche in Olovo herstammen und sich in der genannten Familie bis zum heutigen Tage *) Batinid, Djelovanje franjevaca II, 186. 2) Idem, ibid. (Vgl. Glasnik bos. i herc. franjevaca 1887, VIII, 151, wo eine Schuld von 8U00 Imperials erwähnt wird.) 3) Idem, ibid. II, 180. 4) Idem, ibid. VIII, 154. Titelblatt einer Evangelienübersetzung aus Olovo. Fig. 5. Erste Textseite der Evangelienübersetzung 246 I. Archäologie und Geschichte. Trulielka und Hör mann. Olovo. 247 erhalten haben; denn nach der Volkstradition waren die Vorfahren des Jakic Kirchen- vorstände in Olovo. Ebenso wurden die erwähnten Bücher bis heute vor dem Unter- gänge bewahrt. Ueber die letzteren ist in Kürze Folgendes mitzntheilen: Das erste Buch, eine Missale, hat zwei Theile. Der erste Theil führt den Titel: Ordinarium missarium 1597, enthält 241 Blätter und ist in Venedig hei Johann Anton Rampazetto gedruckt. Der zweite Theil nennt sich: Ordinarium missarum ord. minor und enthält bloss 18 Blätter. Das zweite Buch ist eine croatische Uebersetzung des Evangeliums aus dem Jahre 1586 und hat den Titel: „Pistule i evanyelya po sfe godischie liarvatscliim yazichom Stumacena.“ W eiter unten steht : „Prodayuse v Bnetcih pri sfetomu Xulianu v chgnigare chi darxi zlamen od Macche 1586.“ Das Buch enthält 112 Blätter. Hier ist der Name des Druckers nicht bezeichnet, aber das Buch wurde wahrscheinlich bei demselben Rampazetto gedruckt, denn Typen, Initialen und Holzschnitte sind dieselben wie im Missale von 1597. Die Abbildungen des Titelblattes und der ersten Textseite (Figur 4 und 5) sind nach photographischen Aufnahmen hergestellt. In beiden Büchern ist die Druckausführung rein und schön, die Typen sind gothisch, die Initialen klein, die Holzschnitte veranschaulichen zumeist die Evangelisten oder Scenen aus der Bibel. Auf Seite 109 ist ein hübscher Holzschnitt, den gekreuzigten Erlöser darstellend. Die Aussenseite des Buches ist vom Alter oder auch vom Rauch geschwärzt. Ueberdies schenkte der genannte „Knez“ noch ein Missale vom Jahre 1772. Nach der Volksüberlieferung stammen alle diese Bücher aus der Kirche von Olovo. Dies ist möglich bei den erstgenannten aus den Jahren 1597 und 1586, kann aber nicht für das Buch aus dem Jahre 1772 gelten, denn um diese Zeit existirte in Olovo weder Kirche noch Kloster mehr, welche spätestens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu Grunde gegangen sind. Das Buch wurde demnach etwa 70 Jahre nach dem Verfalle des Klosters gedruckt. Die Aladza -Moschee in Foca. Von M. v. Zarzycki, E. Arndt und G. v. Stratimirovic. (Mit Tafel II lind III nnd 5 Abbildungen im Texte.) Zu den schönsten muhammedanischen Gotteshäusern Bosniens gehört unstreitig die Aladza -Moschee in Foca, welche malerisch am rechten Ufer der Cehotina, etwa 2000 Schritte vor der Mündung dieses Flusses in die Drina gelegen ist. Den Namen Aladza (türk, „die Bunte“) erhielt die Moschee von ihrem reichen Farbenschmuck. Oberhalb des Einganges nennt eine arabische Aufschrift den Erbauer und die Zeit des Baues. ( 0~uJ J J'-O-1 ^.*3 l) („Dieses schöne Gotteshaus, den Ort des Gebetes, erbaute der barmherzige Hasan, Sohn des Jusuf, und eine unbekannte Stimme setzte ihm den Tarili:1) 0 Alleinherrscher der Welt, dies Werk soll dir genehm sein!“) W enn wir den letzten Spruch in seine einzelnen Buchstaben, respective Silben zerlegen, so erhalten wir folgende Zahlen: j = 10 a = 1 ka 100 3 10 ju --- 6 mu = 40 te = 400 ka = 100 be : 2 el — 30 be = 2 ka = 100 b = 2 u — 6 li = 30 ha == 8 se = 60 ni — 50 und die Summe ergibt das Jahr 957 (1549 n. Chr.), in welchem die Aladza -Dzamija in Foca erbaut wurde. 1) „Tarili“ = Zeitpunkt der Erbauung. Die Ziffernwerthe der Buchstaben des letzten Verses geben durch Addition den Tarih. Zarzycki, Arndt und Stratimirovic. Die Aladza-Moschee in Foca. 249 Vom Erbauer Hasan Nazir weiss das Volk nur, dass er „celebija“ (Hofjunker) im Dienste des Sultans war, und dass er in dem Orte Vakuf bei Öelebic (Gemeinde Tetima) geboren wurde. Man sagt, dass er sein ganzes grosses Vermögen dieser Moschee vermacht habe, worauf auch der Name seines Geburtsortes zurückgeht. Heute gehören der Moschee nur zwei Cifluks (Kmetenansässigkeiten) in diesem Orte; das übrige Vermögen sollen sich die Verwandten des Hasan Nazir und andere ihm nahestehende Personen vor 200 Jahren angeeignet haben. Das Städtchen Celebic hat seinen Namen nach aller Wahrscheinlichkeit ebenfalls dem Hasan Nazir „Oelebija“, der in jener Gegend an- sässig war, zu danken. Eine Widmungsurkunde existirt nicht; man sagt, dass die Verwandten des Gründers dieselbe bald nach dessen Tode vernichtet haben, um sich den für die Moschee ge- stifteten Besitz anzueignen. Rechts von der Moschee befindet sich ein in sehr schönem Stile erbautes Turbe (Grabdenkmal), in welchem der Sohn des Erbauers, Ibrahim, der noch bei Lebzeiten seines Vaters starb, begraben liegt. Nach der im Volke lebenden Ueberlieferung hat Hasan Nazir dieses Turbe zu gleicher Zeit mit der Moschee für sich selbst gebaut; als ihm aber der Sohn starb, liess er ihn darin begraben. Die Aufschrift auf dem Grabdenkmal lautet: M' w. di) ^ A \ j 1 <4 '3 fJ5 („Hier ruhet der gefallene [getödtete] Ibrahimbeg, Sohn des Hasan Nazir-Celebija, gestorben im Jahre . . . [hier fehlt ein Stück vom Steine] und neunhundert.“) Das Stück vom Steine, auf welchem der erste Theil des Sterbejahres eingemeisselt war, ist schon vor mehreren Jahren abgefallen, während die übrige Aufschrift gut erhalten ist. An der Südseite der Moschee befindet sich ein gut erhaltenes, aus weissem Marmor hergestelltes Grab, in welchem der Erbauer der Aladza-Dzamija ruht. Die Aufschrift lautet: G dr“ ui*' <_X i üUl y u_ill\U As ÄL, y ÄsrO AP1** ( („Mit Hilfe der Engel hat den bitterep Kelch geleert, von dem Jeder auf dieser Welt kosten muss, und ist aus dem Hause des Elends in jenes der Seligkeit und Zu- friedenheit übersiedelt: der gottbegnadete, gottselige Nazir Hasan, Sohn des Sinan, Ende des Monates Zilhidze 960.“) Somit hat der Erbauer der Moschee drei Jahre nach der Vollendung derselben das Zeitliche gesegnet. Die Aufschrift über dem Moschee-Eingang und die eben mitgetheilte auf dem zweiten Grabdenkmale scheinen im Widerspruche mit einander zu stehen, da die erst- erwähnte vom Hasan, Sohn des Jusuf, die zweite aber vom Nazir Hasan, Sohn des Sinan spricht; nachdem aber das Volk von dem an zweiter Stelle geschilderten Grabe einhellig behauptet, dass es jenes des Gründers der Moschee sei, so erscheint es glaub- würdig, dass der Vater des Gründers — wie es noch heutigen Tages gebräuchlich ist — beide Namen, nämlich Jusuf und Sinan trug. Der hohe Titel „Oelebija“, welchen von Anfang an die Sultane selbst führten, sowie der ganze künstlerische und kostspielige Bau deuten nach der Meinung des 250 I. Archäologie und Geschichte. Volkes darauf hin, dass der Erbauer der Moschee, Hasan Nazir, eine hochgestellte und vermögende Persönlichkeit gewesen sei. Deshalb vermuthet der Kadi von Foca, Ibrahim Effendi Mulavdic, dass Hasan Nazir der Sohn jenes Sinan gewesen sei, welcher nach der türkischen Eroberung des Landes zweimal (an fünfter und an eilfter Stelle) unter den Veziren Bosniens erscheint. Zwischen dem Wirken dieses Vezirs und dem des Hasan Nazir liegt ein Zeitraum von 34 Jahren, es ist daher leicht möglich, dass Hasan Nazir Sohn des mehrerwähnten Sinan war, und dass er mit jenem Vezir identisch ist, der als der siebzehnte genannt wird. Wer und woher der Baumeister und 'die Maler der Moschee waren, weiss Niemand anzugeben; auch gibt es keine Aufschrift, die uns darüber belehrt. Ebensowenig existirt ein Volkslied über den Bau der Moschee, und die Ueberlieferung weiss nur, dass Hasan Nazir die Baumeister aus Asien habe kommen lassen. Die Hauptzierde der Moschee ist der „Minber“ (die Kanzel), welcher in schönem Stile aus weissem Stein hergestellt ist. Im mittleren Felde (Orta) an der Hauptfront des Minber befindet sich jene Halb- kugel aus geglättetem buntem Stein mit bräunlichgrünen und weissen Flecken (wahr- scheinlich ein Serpentin), von der das Volk sagt, sie wäre so kostspielig, dass um das Geld, was sie gekostet habe, ohneweiters eine zweite Aladza-Dzamija gebaut werden könnte. Von dieser Kugel behaupten die Leute ferner, dass sie einstens gleich einem Diamant gefunkelt habe, bis einmal ein Ungläubiger sie berührte, worauf sie sofort ihren Glanz verlor. Unter den Muhammedanern hat sich die nachfolgende Ueberlieferung vom Gründer der Aladza-Moschee erhalten: Hasan war der Sohn armer Eltern aus Vakuf, welcher, als er mit seinen Eltern in Streit gerathen war, in die Welt hinauszog und beim Sultan Aufnahme fand. Hier beendete er seine Studien und ward beim Kaiser „Nazir“, das heisst die vertrauens- würdigste Person. Mehrere Jahre stand er im Hofdienste beim Sultan, begleitete diesen auf Reisen und Kriegszügen, und als nun viele Jahre vergangen waren und Hasan Nazir sich ein grosses Vermögen erworben hatte, da bat er den Sultan, er möge ihm ge- statten, nach Hause zurückzukehren, damit er seine Mutter wiedersehe ; auch bat er den Kaiser um einen Ferman, in Foca eine Moschee als Andenken erbauen zu dürfen. Der Kaiser willfahrte seiner Bitte, und Hasan Nazir begab sich mit drei Gürteln voll Geld auf den Weg nach der Heimat. Unterwegs nahmen ihn vierzig Räuber gefangen, fesselten ihn, beraubten ihn seiner Schätze und bi’achten ihn in einen Han, wo sie übernachteten. Hier betranken sich die Räuber und schliefen ein. Hasan Nazir sprach ein Gebet, und in demselben Augenblick lösten sich die Ketten von seinen Händen ; er ward frei, raffte seine drei Geldgürtel zusammen, bestieg ein Pferd und entrann glücklich nach Foca. Als er in die Gegend der heutigen Aladza-Mahala (Aladza- Stadtviertel) kam, fand er dort seine alte Mutter, welche Kornfrucht an der Sonne trocknete. Er fragte sie, wie sie heisse, und sie hub an zu erzählen, dass sie einen einzigen Sohn Hasan gehabt, mit dem sie sich einmal gezankt habe, worauf dieser in die Welt hinaus- gezogen sei; seit jener Zeit habe sie nie wieder Etwas von ihm gehört. Hasan Nazir fragte die Mutter, ob sie im Stande wäre, ihren Sohn jetzt noch zu erkennen, und sie erwiderte, dass ihr Sohn ein Muttermal am Arme gehabt habe; an diesem Zeichen würde sie ihn leicht wieder erkennen. Hasan Nazir schlug nun den Aermel zurück, zeigte ihr das Mal an seinem Arme und fragte sie, ob sie ihren Zarzycki, Arndt und Strati mirovic. Die Alad2a-Moschee in Foea. 251 Sohn jetzt erkenne, und sie — nachdem sie das Muttermal erkannt hatte — um- schlang ihn mit beiden Armen und starb vor grosser Freude. An der Stelle, wo dies geschehen, begann Hasan Nazir die Aladza -Moschee zu bauen. Die Baumeister liess er aus Asien kommen und begab sich eines Tages in ihrer Begleitung in das Dorf Vikoc, um dort einen Steinbruch zu suchen. Als sie nach Vragolovo (Gemeinde Vikoc) kamen, nächtigten sie bei der Vranjaca unter dem Felsen Sokolovica. Um Mitternacht löste sich in einiger Entfernung von ihrem Nacht- lager der Felsen ab und stürzte mit Donnerschall zur Erde, worüber sie Alle erwachten und heftig erschraken. Der Bauleiter beruhigte sie, indem er sagte: „Fürchtet und sorget euch nicht, die Moschee wird sicher zu Ende gebaut werden, denn es sprang irgendwo in der Nähe der Felsen, wodurch Gott selbst uns den Steinbruch aufthat und die Stelle zeigte, wo wir den Stein zu suchen haben.“ Als es wieder Tag wurde, gingen sie zu jenem Felsen, wo der Absturz statt- gefunden hatte, und fanden dort abgelöste Steine so gross wie ein Haus. Da fingen nun die Meister an, sogleich jene grossen Säulen zu behauen, von «lenen vier Stücke, jedes 3 M. hoch und 1'27 M. im Umfange messend, vor dem Eingänge in die Aladza-' Moschee stehen. Nachdem die Säulen fertiggestellt waren, führte man sie und die übrigen Bau- steine nach Foca über das Gebirge Bac, über welches in alter Zeit eine breite Strasse ging, von der man noch heutigen Tages stellenweise Spuren findet. Eine von den da- mals zugehauenen Steinsäulen befindet sich heute noch am Fusse der Sokolovica. Nachdem der Bau der Moschee schon so weit gediehen war, dass die Haupt- mauern fertig standen, rief der Hair-sahibija (Wohlthäter, hier Bauherr) dem Neimar basi (Bauleiter) zu, er solle sich beeilen und mit der Herstellung der Kuppel beginnen. Der Bauleiter nahm hierauf von den Mauern das Mass, gab davon ein Exemplar dem Bauherrn Hasan Nazir, während er das andere Exemplar für sich behielt, und entfloh aus der Nähe seines Gebieters, um sich ein volles Jahr verborgen zu halten. Da erzürnte der Bauherr heftig wider den Bauleiter, welcher sich so lange seiner Pflicht entzog, und als dieser nach einem Jahre zurückkehrte, wollte er ihn tödten lassen. Der Bauleiter bat den Bauherrn, seinen Zorn einen Augenblick zu bemeistern und ihm jenes Mass, das er ihm vor einem Jahre übergeben hatte, zurückzugeben; zugleich zog er das Mass, das er bei sich behalten hatte, hervor und verglich damit die un- bedachten Mauern der Moschee. Als er damit fertig war, zeigte er dem Bauherrn, dass die Mauern um einen ganzen Arsin (etwa 60 Cm.) niedriger geworden seien, da sie sich im Laufe eines Jahres gesetzt hatten, und er sagte zu Hasan Nazir: „Wenn ich damals nach deinem Willen die Kuppel auf den frischen Mauern errichtet hätte, wäre die Moschee in wenigen Jahren eingestürzt; jetzt aber, wenn ich die Kuppel auf- stelle, kann ich dir verbürgen, dass die Moschee sicher bis in alle Ewigkeit stehen und dass ihr nichts fehlen wird.“ Der Bauherr sah ein, dass sein Neiinar-basi im Rechte war, und verzieh ihm nicht nur, dass er sich ein volles Jahr vor ihm verborgen gehalten, sondern belobte und be- schenkte ihn noch reichlich, und der Bau der Moschee wurde wieder in Angriff genommen. Als die Kuppel und das Minaret fertig waren, pflanzte der Bauleiter den Alem (Schlussaufsatz und die Spitze) auf dem Dache des letzteren auf; dann verfertigte er sich selbst Bretterflügel und flog vom Minaret über den Cehotinafluss auf einen Rain gegenüber dem Minaret, ohne sich im Geringsten zu verletzen. Nach Vollendung der Moschee und als die Herstellung des Säulenganges vor der- selben im Zuge war, fanden die Meister eines Morgens zur rechten Seite des Ein- 252 I. Archäologie und Geschichte. Auf der Hauptmauer der Kanzel (hudba) befindet sicli eine Halbkugel aus gi ünem Stein, von der Hasan Nazir, nachdem die Moschee fertiggestellt war — so erzählt man ■ gesagt haben soll: „Aus diesem Stein kann eine ganz gleiche Moschee erbaut werden, wenn diese einmal einstürzen oder beschädigt werden sollte.“ Das ganges einen grossen schwarzen Stein, den die Engel an dieser Stelle niedergesetzt hatten. Dieser Stern steht heute noch auf demselben Platze, und es ist auch noch heutigen lages Sitte, dass Frauen, die sich von Gott etwas erbitten wollen, auf diesem Stein ihr Gebet verrichten. 3fä l ■ foy-.Y. . /®G ^ i' " « Fig. 1. Ansicht, der AladZa-D/.amia in Foca. Zarzyeki, Arndt und Straf imirovic. Die Aladüa-Moschee in Foca. 253 Volk glaubt jedoch, dass an dieser Stelle ein grosser Schatz vergraben oder ein- gemauert sei, denn die erwähnte Halbkugel ist nicht so viel wertli, um aus deren Erlös eine neue Moschee bauen zu können. An den Innenwänden der Moschee sieht man fünf grosse weisse Kreise, deren Radius 44 Cm. beträgt. Man erzählt sich, dass zu jener Zeit, als die Moschee gebaut wurde, ein Somun (landesübliches Laibchen Brot) von der gleichen Grösse 1 Para (= Yg kr. österr. Währ.) gekostet habe, und dass die Meister jene Kreise in der Ab- sicht gemacht haben, um den Nachkommen das An- denken an die Billigkeit, die zur Zeit des Baues der Aladza - Moschee in Foca geherrscht habe, zurückzu- lassen . Die Moschee in Foca (vgl. die Ansicht Figur 1 und den Auf- und Grundriss Figur 2) zeigt uns den reinen Typus eines muhammedanischen Gotteshauses. Auf quadratischer Basis stehen die Hauptwände, ober diesen das Oktogon und auf diesem die Kuppel. Von aussen ist das prismatische Minaret angebaut. An der Hauptfront der Moschee befindet sich der Porticus mit drei Kuppeln, welche auf gemauerten Kiel- bögen und schlanken Säulen ruhen. Vor dem Porticus steht, wie üblich, die Cesma (der Auslaufbrunnen zu rituellen Waschungen) und um die Moschee herum die Grabdenkmäler, unter welchen das des Gründers und das seines Sohnes gezeigt werden. Die innere Eintheilung der Moschee, welche im engsten Zusammenhänge mit ihrer äusseren Form steht, ist die folgende : Bis zur Höhe von 8'35 M. geht der Anlauf der Bögen, deren es acht gibt, und welche die Form einer Columba haben. Vier von ihnen stehen auf den Hauptwänden und ragen nur unbedeutend her- aus, während vier andere zwischen ihnen stehen und quer über die Ecken des inneren Raumes situirt sind. Auf diese Weise entsteht am Anlauf der Bögen ein Achteck, welches dem oberen Oktogon der Moschee entspricht. Auf die Bögen, welche quer über den Ecken stehen, stützen sich die klalbkuppeln, welche sich an zwei benachbarte Wände anschliessen, deren Winkel verdeckend. Unter der Halbkuppel in den Ecken gibt es stalaktitische Consolen, so dass der Uebergang des Baues aus seiner quadratischen in die polygonale und harmonisch ausgeführt erscheint. Oberhalb und zwischen den besprochenen Bögen spannen sich acht Pendentifs, welche in das Kranzgesimse übergehen. Das Kranzgesimse ist aber die Basis des mehrerwähnten Oktogons, welches die Kuppel trägt. Drei von den Hauptwänden haben je fünf Fenster: zwei unten in rechteckiger Form, ober diesen zwei mit Spitzbögen und endlich ober diesen eines, gleichfalls mit spitzer Wölbung. In der vierten Wand (an der Nordseite) befindet sich die Thür, welche mit Marmor eingerahmt ist. Das Ornament eines Feldes an der Flügelthüre der Moschee zeigt Figur 3. Das Oktogon für sich hat auf jeder Seite ein Spitzbogenfensterchen. Q G G f "ö 0 0 ; p| |p 6 ■<9o-\^ov Fig. 2. Aufriss und Grundriss der Aladüa-Dzamia in Foca. in die Bogenform vollkommen 254 I. Archäologie und Geschichte. □ Fig. 3. Ein Feld an der Flüg-elthüre der Moschee. Das Innere der Moschee hat, gemäss den Gebräuchen des muhammedanischen Gottesdienstes, eine Nische (mihrab) für den Hodza, ober welcher sich ein Zellengewölbe befindet. Vor derselben befindet sich das in Figur 4 abgebildete Ornament. Weiter findet man darin die Kanzel (hudba) und neben dem Eingang das Chor. Unter dem Chor ist der Eingang ins Minaret. Das Minaret hat eine Gesammthöhe von 36 M., von welcher 26‘60 M. auf die Höhe vom Boden bis zur Galerie (Serefe, Stelle, wo der Ausrufer während seiner Function herumgeht) entfallen. Im Minaret ist die Wendeltreppe. Der hohle Raum des Minarets hat einen Durchmesser von U30 M. und die Wände r- — i eine Dicke von 28 Cm. Die Mauern der Moschee, sowie das Minaret, sind aus Kalkstein, die Kuppel hingegen aus Ziegeln erbaut und diese mit Bleiplatten ein- gedeckt ; aus letzterem Material besteht auch das Dach über den Haupt- wänden am Fusse des Oktogons. Leider wird der Totaleindruck der Dzamija, welche so überaus malerisch am rechten Ufer der Cchotina liegt, etwas durch das zum Schutze der Malerei in der Vorhalle angebrachte Schutzdach gestört. Allerdings war eine derartige Vorrichtung nöthig, doch hätte sie bereits vor Jahrzehnten angebracht sein sollen, denn die Malerei hat schon sehr viel durch Wind und Wetter gelitten, und nur farblose Fragmente bezeugen, dass hier einstmals eine Künstlerhand ersten Ranges geschaffen hat. Namentlich die eine Wandfüllung, welche die Fläche zu beiden Seiten der Fenster bedeckt, verräth eine durchwegs meisterhafte Behandlung des Ornamentes. Der mittlere Theil I (siehe Tafel II, Fig. 1) zeichnet sich besonders durch die Vornehmheit seiner Linien und durch geschickte Vertheilung der Formen aus, deren Ueppigkeit durch eine elegante Zer- gliederung gemildert wird. Das Auge entdeckt liier keine Lücken in der Composition, frei und ungezwungen schliessen sich die Linien dem Raume an. Zwei kleinere Eckstücke geben dem oberen Theil einen guten Ab- schluss. Ein Fries ( II in Fig. 1 der Tafel II), welcher in demselben Charakter gehalten ist, umrahmt den mittleren Theil und bildet ein ge- fälliges Uebergangsglied zwischen dem mittleren Stück und dem äusseren Theil ( III ebenda), einem Flachornament, das musterartig die innere Füllung mit Fries umrahmt. Leichter, mehr in schlanken Linien laufend, zeigt auch dieses die unverkennbare Meisterhand. Keine Magerkeit der Formen, keine Ueberladung macht sich hier geltend. Das Ganze wird durch einen halbkreisförmigen Aufsatz, ebenfalls Flachornament, bekrönt. Dieses, sowie die links angrenzende Bekrönung über dem Fenster (IV und V in Fig. 1 der Tafel II) sind im Charakter abweichend von der eben besprochenen. Zwar ist auch hier die gleiche Sicherheit in der Raumvertheilung wahr- zunehmen, doch sind die Linien wuchtiger, das Ganze mehr auf eine dekorative Wirkung berechnet. Die Ausführung der ganzen Arbeiten zeigt, dass der betreffende Meister nicht nur die Composition des Ornamentes beherrschte, sondern sich auch in der technischen Ausführung gleicliwerthig zeigte. Sauber und correct ist die Pinselführung in der Contour, hier ist kein Strich mechanisch copirt, selbst an den nebensächlichsten Theilen zeigt sich volle Empfindung für die Formen. Hat man bereits am Eingang einen so gediegenen Eindruck von der künstlerischen Ausstattung erhalten, so hofft man auch im Innern der Dzamija (vgl. Figur 5) einer M8i vOWd > Fig. 4. Ornament vor der Gebetnische („Mihrab“). v. Zarzycki, Arndt und v. Stratimiroviö. Tafel II. .üf»sp{ f)S T| p (< Mi , - .C' u Steate ffPS# fei®® flfe spi p^f |pp| ħä mgm ' i ! S t ^ ' ( 's s&äföm PL j¥m^\zMj^Mm wmmm Wm$ m Mn f|-.'.;l>[^I|r.‘ us <)ej- VoT^affe IMi ^zanjie zu [ Hae^j/atur autljo^raptyfA Yofj Ew. A/’qtlt Ornamente in der Aladza -Moschee zu Foca. Zarzycki, Arndt und Stratim irovic. Die Aladza-Mosehee in Foca. 255 gleichen Befriedigung theilhaft zu werden. Leider ist diess nicht der Fall. Während draussen Sturm und Wetter an der Vernichtung gearbeitet haben, ist im Innern die Zerstörung wohl der Feuchtigkeit und sonstigen schädlichen Einflüssen zuzuschreiben. Der Eindruck ist deshalb durchaus nicht erhebend; statt farbenprächtiger Ornamente präsentiren sich Fragmente der früheren Decorationen zwischen Stockflecken, Kalkrissen u. s. w. und zeugen von dem Unverständniss der letzten Generationen, die mit geradezu ' 'v, ■ Fig. 5. Das Innere der Aladza-Mosehee mit der Kanzel („Mimber“). stumpfsinniger Gleichgiltigkeit der Vernichtung zugesehen haben. Es war uns deshalb nur möglich, zwei Eckstücke zu skizziren. (Fig. 3 der Tafel II, Nr. 14 und 15.) Letzteres (15) gleicht in der Auffassung den bereits besprochenen Ornamenten IV und V. Wir begegnen hier der gleichen Anlage, doch wird das Auge etwas durch die Schwere mancher Form befremdet. Wenden wir uns der Kanzel (mimber) zu. Schlank und aufwärtsstrebend, rein in der Architektur ist ihr Aufbau. Bei näherer Betrachtung der Details zeigen sich hier beträchtliche Lücken in der Ausführung. Theil- weise sind die Ornamente meisterhaft und können mit der ornamentalen Malerei concurriren, 256 I. Archcäologie und Geschichte. theilweise aber in ihrer Anlage wie Ausführung vollständig ungeschickt. Während die Details 4, 5, 6 und 7 (Fig. 4 der Tafel III), namentlich 7, welches das schönste Ornament an der Kanzel ist, Studienobjecte ersten Ranges sind, zeigen die übrigen Details überall das Unfertige. Die Composition des Details 7 hat den gleichen Charakter der Ornamente wie an der Aussenseite, auch hier ist die Eleganz der Linien zu be- wundern. Das Ornament, in Flachrelief gehalten, beweist, dass die ausübende Hand hierbei den Meissei ebenso geschickt zu führen wusste wie bei den früher besprochenen Arbeiten der Maler den Pinsel. Ja, man ist bei einem Vergleich der Arbeiten sogar genöthigt, speciell dem Ornament 7 unter den besseren Decorationen den Vorzug als Bestes einzuräumen; allerdings darf nicht vergessen werden, dass bei der Malerei die Farbenwirkung sich gar nicht mehr taxiren lässt, während sich die Arbeiten an der Kanzel, obwohl auch nicht im besten Zustande, immerhin in einiger Ursprünglichkeit erhalten haben. Von den Details 8, 9, 10, 11, 12 und 13 (Fig. 3 auf Tafel II) ist 9 und 13 mit zu den besseren zu rechnen; 11 und 12 sind nur mittelmässig, während 8 und 10 geradezu einen plumpen und unfertigen Eindruck machen. Die Stirnwand der Kanzel zerfällt in eine en face -Ansicht mit den Ornamenten 1 und 2 (Fig. 5 auf Tafel II), sowie die Proiilansicht mit dem Ornament 3. Auch hier an der Stirnwand zeigt sich die Unfertigkeit der Arbeit, die sich bei 1 und 2 sogar bis zum Unschönen steigert, nur 3 macht eine schwache Ausnahme. Die Kanzel macht deshalb bei kritischer Beurtheilung einen etwas halbfertigen Eindruck. Die arabischen Aufschriften im Inneren der Moschee geben wir nach der Nieder- schrift und Uebersetzung des Kadi von Foca. Die Thür der Moschee hat zwei Flügel mit je vier Feldern; auf dem obersten der letzteren befindet sich links die Inschrift: „Addzilu bissalati kable el feuti“, d. i. „Eilet, dass ihr die schlechten Dinge vor dem Tode lasset!“ Auf dem rechten Flügel dagegen : „Addzilu biteubeti kable el meuti“, d. i. „Eilet zu beten, solange es noch Zeit ist!“ Auf der Wand oberhalb der Thür steht: ! 4t! 1 ^ yc- ^ 4t! 0 L „Ve innel mesadzide lillah fela ted’ u me’ allahi ehaden“, d. i. „Die Gotteshäuser sind nur für Gott bestimmt, vor Anderen beugt euch nicht, und betet Niemanden an, als den einzigen Gott!“ Oberhalb der Kuppel: „Cullemah clehale alejha Zekerija el mihrabe“, d. i. die Koran-Sure „Ali imran“. Tafel Ornamente in der Aladza-Moscliee zu Jfoca. „Vlachen“ -Auswanderung aus der Gegend von Bihae zu Ende des 16. Jahrhunderts. Von Dr* Arpäd v. Kärolyi. (M i t einer Abbildung im Texte.) In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war die Festung Bihae die stärkste unter den gegen Bosnien liegenden Grenzfestungen und ein Mittelpunkt des Grenz- vertheidigungssystems. Als diese Festung im Monate April 1592 x) von dem mächtigen und gewaltthätigen bosnischen Statthalter Hassan Pascha erobert wurde, war hiedurch ein wahrhaft würdiges Vorspiel jener Kämpfe geboten, welche zwischen der deutsch- ungarischen und der osmanischen Macht im Jahre 1593 begannen und im Frieden zu Zsitvatorok im Jahre 1606 ihren Abschluss fanden, und welche in der ungarischen Ge- schichte unter dem Namen des „langen Krieges“ bekannt sind. Die Einnahme von Bihae und der 15jährige „lange Krieg“ sind sowohl für die Geschichte der die westliche Hälfte der Balkan-Halbinsel bewohnenden slavischen Völker, als auch für die Geschichte der südlichen Besitzungen der ungarischen heiligen Krone von hoher Bedeutung. Infolge und zur Zeit dieser Kämpfe beginnen nämlich jene Einwanderungen, jene Niederlassungen von bosnischen und serbischen Kriegern, welche theils die totale Umwandlung, theils die Veränderung des ethnographischen Bildes jener südlichen Gegend nach sich gezogen haben. Die unmittelbare Ursache war die Einnahme von Bihae; hieran knüpfte sich die That des stolzen Greises, des 80jährigen Gross vezirs Sinan, welcher im Jahre 1595 die Gebeine des bei den Balkanvölkern eine hohe Ver- ehrung geniessenden heiligen Sabbas unterhalb Belgrads verbrennen und seine Asche in die Winde streuen liess. Diese That war eine offene Kriegserklärung an die unter türkischer Herrschaft stehenden slavischen Völker griechisch-orientalischer Confession, welche häutige Beweise ihrer Sympathien gegenüber den Zielen und der Thätigkeit der europäischen Christenliga gegeben hatten. Die schwere Hand des zu energischen Gross- vezirs konnte die unter der Herrschaft der Pforte stehende slavische Bevölkerung nicht ertragen; in Vielen entstand der Wunsch, sich dem Drucke zu entziehen und sich in den unablässigen Kämpfen den christlichen Waffen anzuschliessen. Also nehmen jene Einwanderungen zuerst auf das Gebiet des Warasdiner Generalates ihren Anfang, deren Theilnehmer, Serben und Bosnier, als Anhänger der griechisch- orientalischen Kirche in den zeitgenössischen Urkunden unter dem Namen „Rasciani“, insbesondere aber als „Wlacln“ oder „Valaclii“ bekannt sind. Die erste Colonisirung 1) Hammer, Geschichte des osman. Reiches, IV, 216. Karolyi. „Vlachen“-Auswanderung- aus der Gegend von Bihac. 259 erfolgte durch die Militärbehörden im Warasdiner (also im slavoni scheu) Generalate im Jahre 1597, wie dies Bidermann1) überzeugend nachgewiesen hat, als nämlich Baron Herberstein ungefähr 1700 Serben der türkischen Herrschaft in diese Gegend einführte. Auf diesen ersten Versuch folgten in den nächsten Jahren in rascher Reihenfolge die weiteren Ansiedlungen, und in kurzer Zeit machen die „Vlachen“ bereits einen beträcht- lichen Theil der Bevölkerung in den Südprovinzen des ungarischen Königreiches aus. Serben und Bosnier kamen aber, wenn auch in einer viel geringeren Anzahl, auch auf croatisches Gebiet, nämlich in das Ivarlstadter Generalat. Von diesen Niederlassungen hatten wir bisher über jenen Schwarm sichere Kenntniss, welchen der General Len- kovic im Jahre 1599 in- Gomirje ansiedelte, und welcher ungefähr 100 Familien zählte. Auf dem ganzen croatischen Gebiete, welches im Norden von der über Mrkopail und Vrbovsko nach Karlstadt führenden Via Carolina, im Osten aber vom Gewässer der Korana begrenzt wird, können wir ausser den eben erwähnten Vlachen von Gomirje und ausser den im Jahre 1537 in und um Zen gg herum angesiedelten uskokischen Schwärmen im ganzen 16. Jahrhundert keine weiteren Ansiedler bestimmt nachweisen. Es ist aber bekannt, dass zu Ende dieses Jahrhunderts eine grosse Bewegung in der Bevölkerung Bosniens entstand, auf das Gebiet der ungarischen Krone auszuwandern,2) und wenn diese Bewegung überhaupt einen Erfolg hatte, so ist anzunehmen, dass auch das erwähnte croatische Gebiet daran partieipirte. Weil dieser Erfolg infolge beinahe völligen Mangels an Documenten sehr schwer constatirt werden kann, so dürfte es vielleicht nicht uninteressant sein, wenn eine bisher unbekannte Ansiedlung, welche ich mit der erwähnten bosnischen Bewegung in Ver- bindung bringe, nebst der darauf bezüglichen Urkunde im Nachstehenden kurz ge- schildert werden. Die Urkunde gelangte in dem k. und k. Haus-, Hof- und Staats- archive zu Wien durch Zufall in meine Hände und hat folgenden Inhalt. Der Vicecapitän Damian Kermpotich, sowie die Vojvoden Thaddäus Kermpotich, Milassin Skorupovich, Johann Kerncevich und Radoj Pechianich richten im eigenen, sowie im Namen ihrer Waffengenossen, der in der Likaner Wüste wohnhaften Krieger ein Gesuch an den Kaiser und König Rudolf. Dieselben erzählen, dass sie, „Kermpoti“ genannte Valachen,3) und früher sozusagen eine Leibwache des Likaner Sandschak- begs, über Aufforderung des ihnen Nachts im Traume erscheinenden heil. Johannes des Täufers in die Likaner Wüste gezogen und an 500 sammt ihren Familien und Hab- seligkeiten unter Anführung der Zengger4) unter die Fittige Rudolfs gekommen seien, um seinen Schutz zu erflehen. Da es ihnen mit Rücksicht auf ihre grosse Anzahl nicht geeignet erschien, sich in Zen gg anzusiedeln, so hätten sie sich auf einer dem türkischen Passe nächst gelegenen Wüste zwischen Bergen in der „Lika“ benannten Gegend niedergelassen, welche eine von einem Bache durchflossene Ebene bilde und seit hundert Jahren Wüstenei genannt werde. Sie wüssten wohl, sagt die Urkunde, dass diese Gegend nebst Zengg ein Erbe der Frangipani sei, aber diese vermöchten sie gegen die Eingriffe der Türken nicht zu vertheidigen. Nachdem sie in dieser Gegend ein Jahr zugebracht, hätten sie ihren Hauptmann Mikolanych nebst mehreren Vojvoden an den Erzherzog Ferdinand gesendet. Dieser habe sie im Namen Sr. Majestät gnädig em- 9 Bidermann, Die Serben- Ansiedlungen in Steiermark und im Warasdiner Grenzgeneralate. Mit- theilungen des histor. Vereines für Steiermark, Heft XXXI (1883), S. 46. 2) Bericht des Ilofkriegsratlies zu Graz an den Erzherzog Ferdinand vom 27. Februar 1602. R. Lopasic, Spomenici Hrvatslce Krajine I. (Monum. spect. hist. Slav. merid. XV), S. 298. 3) Siehe den Text der Urkunde weiter unten. 4) Hierunter sind die Uskoken von Zeng zu verstehen. 17* 260 I. Archäologie und Geschichte. pfangen und ihnen, nachdem sie geschworen, künftighin nur Sr. Majestät zu dienen, die Kriegsembleme Seiner Majestät übergeben und auch sonst für sie gesorgt. Dies hätte aber den Grafen Zrinyi keineswegs verhindert, einen Versuch zu unternehmen, sie auch mit Gewalt zu seinen Hörigen zu machen, infolge dessen sic, wenn sie von ihren Zengger Verwandten (den Uskoken) nicht gegen Zrinyi vertheidigt und durch Ueberredungen zurückgehalten worden wären, wohl nach der Türkei zurückgekehrt Avären. Sie bitten daher den Kaiser und König, er möge für sie durch seinen ungarischen Kanzler eine nach den Gewohnheiten des Landes ihre Freiheit sichernde Urkunde aus- stellen lassen und ihnen in diesem Privilegienbriefe ein Wappen wie das im Gesuche gemalte (und auch hier mitgetheilte) verleihen; dieses Wappen bildet einen der Länge nach getheilten Schild, in dessen rechtem rothem Felde der heil. Georg, im blauen linken Felde aber der heil. Johannes der Täufer dargestellt erscheint. Die erste Frage ist, aus welcher Zeit diese undatirte Urkunde herrührt. Der Charakter der Schrift verweist auf das Ende des 16. oder auf den Anfang des 17. Jahr- hunderts. Innerhalb dieser Grenzen wird ein Anhaltspunkt durch die Berufung auf den Grafen Zrinyi geboten, welcher kein Anderer ist, als der Tavernicus Graf Georg Zrinyi, der heldenmüthige Sohn des Märtyrers von Szigetvär. Graf Georg ist 1603 gestorben, also muss das Gesuch aus der Zeit vor 1603 stammen; da ferner, wie wir aus späteren Citaten sehen werden, Graf Georg Zrinyi schon vor 1601 Klagen geführt hat gegen die auf solchen Besitzungen, welche zwischen ihm und den Frangipani (nach dem Gesuche die Eigenthümer der für die Niederlassung erwählten Gegend) strittig waren, niedergelassenen Vlachcn, so ist das Gesuch ganz bestimmt vor 1601, also um 1600, entstanden. Eine weitere Frage ist, woher die 500 eingewanderten Vlachen gekommen seien; auch diese Frage ist unschwer zu beantworten. Die Gesuehsteller sagen selbst, dass sie unter der türkischen Herrschaft sozusagen die Leibwache des Likaner Sandsehakbegs gebildet haben („sub potestate turcica instar guardiae beglii sansak di Lika constituti“) und von hier in die (übrigens, wie wir später sehen werden, gleichfalls unter türkischer Herrschaft befindliche) Likaner Wüste gezogen sind. Ein Blick auf die Karte über- zeugt uns, dass die 500 Auswanderer blos aus der östlich von Bihac gelegenen Gegend und aus dem südlich von Bihac gelegenen Unagebiete des heutigen Bosniens gewesen sein können. Vor der Einnahme von Bihac (1592) hat die Bevölkerung der eben erwähnten Gegenden, obgleich sie auch früher unter türkischer Herrschaft gestanden ist, ihre Lage verhältnissmässig leichter ertragen können, denn das in christlicher Hand befindliche Bihac hielt immerhin, wenn auch in geringem Masse, der türkischen Herr- schaft und dem allzu schweren Drucke das Gegengewicht, indem die Flüchtlinge dort Schutz finden konnten. Dieses Verhältniss hat sich aber nach der Einnahme von Bihac und nach dem Ausbruche des langen Krieges ganz geändert; denn die türkische Regierung erblickte in jedem Mitgliede der um diese wichtige Grenzfestung ansässigen Familien und Zadrugas einen Verräther und liess diese die Wucht ihrer Hand von Tag zu Tag fühlen. So begannen unsere Fünfhundert die Auswanderung aus diesem westlichsten Tlieile Bosniens und hielten ihre erste Etappe in der Likaner Wüste. Die dritte und wichtigste Frage aber ist, wo sich diese 500 Mann schliesslich angesiedelt haben? Die Antwort hierauf wird umso schwerer, je aufmerksamer wir die Worte des Gesuches prüfen und erwägen. Denn, wenn wir auf den ersten Blick nach- folgende Stelle der Urkunde lesen: „illuminati in cordibus nostris a spiritu sancto . . . in desertum L^e evocati“, so denken wir selbstverständlich an die alte Provinz Lica, 261 Karolyi. „Vlachen“- Auswanderung aus der Gegend von Biliac. das mittelalterliche Comitat Lika, dessen Kern in dem Tliale des Flusses Lika und seiner Nebengewässer bestand, dessen Festung und Hauptort das östlich von Gospic liegende Ostrovica1) war, und an welches das Comitat Korbavia mit der auch heute Krbava genannten Ebene als Mittelland angrenzte.2) In dieser Annahme bestärkt uns der folgende Satz, auf welchen wir bei fortgesetzter Lectüre der Urkunde stossen: „reperimus unum locum Lice nominatum, planitiem cum rivo . . . qui locus ab annis centum semper deserti nomen habuit et erat passus turcicus“. Diese „planities“ ist ja offenbar das Thal der Lika, und das Gewässer der Fluss Lika selbst; diese Gegend konnte, beson- ders im nördlichen Theile, wenn auch nicht seit 100 Jahren, so doch seit den Zwanziger- jahren des 16. Jahrhunderts eher verödet als bewohnt genannt werden, und Tausende und aber Tausende von Urkunden erzählen, dass die aus Bosnien einbrechenden tür- kischen Truppen längs des Likaflusses heranzogen, um die nördlich von Zengg liegenden Gebiete und Krain als nächst gelegene Provinz Inner- Oesterreichs zu belästigen. Schliesslich spricht für unsere Annahme, dass die Auswanderer früher sozusagen eine Leibwache oder richtiger eine Grenzwache des Likaner Sandschakbegs waren; sie mussten den südöstlichen, wenn auch nur spärlich bewohnten Theil der Lika verlassen, um in den nördlichen verödeten Theil auszuwandern. Aber obwohl der Name in unserer Urkunde häufig vorkommt, und man nach dem eben Erwähnten kaum noch einen Zweifel hegen könnte, dass wir es mit dem historischen Comitat Lika zu thun haben, sprechen dennoch gegen diese so natürlich erscheinende Annahme solchermassen wichtige Gründe, dass wir unsere obige Annahme, welche die Feuerprobe nicht zu bestehen vermag, fallen lassen und entschieden aussprechen müssen, dass die Lika des Gesuches unmöglich das mittelalterliche Comitat, Grafschaft oder Provinz (denn es kommt unter diesen drei verschiedenen Benennungen vor) Lika sein kann. Unsere Gründe hiefür sind die nachstehenden: Vor Allem folgende Worte des Gesuches: „Optime etiam nobis constabat, locum illum antiquitus comitibus de Frangepani fuisse haereditarium. “ Es kann kein Zweifel obwalten, dass die Ansiedler recht wohl gewusst haben, auf wessen Besitzungen sie sich niederli essen ; ihre Anführer, die Uskoken aus Zengg, lebten schon seit 60 Jahren auf Frangepanischen Besitzungen und in der Stadt Zengg, welche seit uralten Zeiten directe und enge Verbindung mit den Frangepans erhalten hat. Aber andererseits haben wir positive Daten dafür, dass das Comitat Lika niemals ein Besitzthum der Frangepans gewesen ist. Auf diesem Gebiete sind nach den Subich (den Ahnen der Zrinyi) die Grafen von Krbavia (Carlo vich) die Herren; diese sind die Comites der Lika und Grundherren der Gegend bis zum Aussterben der Familie in der Person des croatischen Banns Johann im Jahre 1531. Dieser letzte Graf von Krbavia hat mit Nicolaus Zrinyi, dem Gatten seiner Schwester Helene, im Jahre 1509 bezüglich aller ihrer Besitzungen einen gegenseitigen Erbschaftsvertrag abgeschlossen,3) im Sinne dessen Nicolaus Zrinyi sämmtliche Besitzungen des Grafen Johann, also auch die Lika, geerbt hätte, wenn diese nicht schon zu Lebzeiten des Grafen Johann von den Türken erobert worden wäre.4) 1) Friedrich Pesty, Verschollene alte Comitate, Bel. II, S. 413 ff. 2) Pesty, 1. c., II, S. 384 ff. 3) Pesty, 1. c. II, S. 413 ff. 4) Es war bisher nicht genau bekannt, wann die Lika von den Türken erobert worden ist. Da Bosnien erst im Jahre 1528 definitiv unter die türkische Herrschaft gelangte, ging die allgemeine und motivirte Ansicht dahin, dass die Eroberung der Lika erst nach dem Jahre 1528 erfolgt sein könne. In 262 I. Archäologie und Geschichte. Dieses Argument würde allerdings aucli für sich allein zur Beseitigung der An- nahme genügen, als hätten sich die erwähnten Viaehen (welche sich laut ihres eigenen Geständnisses auf Frangepanisclien Gütern aufhalten) in der mittelalterlichen Lika niedergelassen; es steht uns aber ausser diesem noch ein zweites nicht minder wichtiges Gegenargument zur Verfügung. Dieses letztere wird durch den Zengger Hauptmann David Frankul geliefert. Frankul schreibt in einem Berichte an den Erzherzog Fer- dinand, Herrn von Innerösterreich (den späteren Kaiser Ferdinand II., de dato Zengg, 5. Mai 1605),1) dass die Vlachen aus der Lika Gesandte an ihn nach Zengg geschickt haben, um ihm mitzutheilen, dass sie, die bisher dem Türken ergeben waren und die Lika für den Türken beschützt und erhalten haben,2) nunmehr des türkischen Joches überdrüssig geworden seien und sich dem Kaiser Rudolf zu unterwerfen wünschten. Infolge dessen seien, sagt ferner Frankul, ungefähr 700 Vlachen, darunter 200 Waffen- fähige mit mehr als 20.000 Stück Gross- und Kleinvieh aus der Lika herausgezogen, nachdem sie dort mehrere Dörfer zerstört und eingeäschert haben. Frankul beabsichtigt auch, wie er selbst sagt, noch im Sommer 1605 „die ganze Liikka zu verderben“. Dieser Bericht aus dem Jahre 1605 erweist ganz klar, dass zu dieser Zeit noch die ganze Lika sich in türkischer Hand befunden hat, und dass jene Vlachen, welche bestrebt waren, unter christliche Herrschaft zu gelangen, aus der Lika herauskommen wollten; hieraus folgt ganz offenbar, dass unsere 500 Vlachen, als sie sich gegen 1600 dem Scepter Rudolfs unterstellt haben, sich in der in türkischer Hand befindlichen (mittelalterlichen) Lika nicht niederlassen konnten. Ein weiteres Argument gegen die Annahme der mittelalterlichen Lika bieten die zahlreichen Beziehungen auf die Stadt Zengg und ihre Einwohner. Das Gesuch besagt, dass die Auswanderer durch Zengger (= Uskoken aus Zengg) geleitet worden seien; weiters nennen die Gesuchsteller dieselben ihre Verwandten, indem sie erwähnen, dass sie durch die Zengger Verwandten gegen die Gewaltthätigkeiten des Georg Zrinyi ver- theidigt würden. „Als wir das christliche Gebiet betraten,“ sagen die Gesuchsteller, „wäre es unthunlieh gewesen, mit der grossen Anzahl unserer Hausgenossen die Stadt Zengg zu bewohnen; aber wir haben eine der Türkenstrasse nächst gelegene verlassene Gegend Namens Lika zwischen den Bergen angetroffen . . . und da haben wir uns niedergelassen.“ Weiters ist in der Aufschrift des Gesuches zu lesen: „Die in der Likaner Wüstenei, oberhalb der Stadt Zengg ansässigen Krieger.“ Schliesslich besagt die Urkunde über den Ort, wo sich die Vlachen niedergelassen haben, dass derselbe zusammen mit der Stadt Zengg ein Erbe der Frangepans gewesen sei. Nun konnte der Ort, welcher nach dem Vorstehenden in der Nachbarschaft von Zengg oder präciser gesagt in der Nähe des Zengger Stadtgebietes gelegen sein muss, sich oberhalb der Stadt Zengg befand und gleichwie einst diese mit ihr zusammen ein Besitz der Fran- cliesen Tagen fiel mir in dem Wiener Hof- und Staatsarchiv ein undatirter Brief in die Hände, welchen der letzte Graf von Korbavia an den Erzherzog Ferdinand richtet, um von ihm Kriegs- und Geldunter- stützung zu erbitten. Der Brief stammt nach allen übereinstimmenden Zeichen aus dem Jahre 1526, und zwar aus der Zeit vor der Erwählung Ferdinands zum König von Ungarn; denn Graf Johann legt dem Erzherzog den Künigstitel noch nicht bei. In diesem Briefe kommt folgender bemerkenswerther Passus vor: „Coram fide christiana (= pro f. ehr.) perdidi duas meas provincias, unam videlicet nomine Corba- viam, alteram vero nomine Lykam.“ Nach diesem Briefe ist es unzweifelhaft, dass die Lika noch vor Bosnien für Ungarn verloren gegangen ist. *) Lopasic, 1. c. I, 310. 2) Es sei hier bemerkt, dass auch unsere 500 Vlachen im Gesuche angeben, dass sie „instar guar- diae“ dem Likaner Sandschakbeg gedient haben. Karolyi. „ VI achen“- Auswanderung ans der Gegend von Bihae. 263 gepan’s war, unmöglich die von Zengg in südöstlicher Richtung weit entfernte Likaner Ebene sein. Wo und welche war also jene Gegend, wenn die mittelalterliche Ebene ausge- schlossen erscheint? Bei der Nachforschung ist die erste Bedingung, dass wir uns durch den Namen „Lika“ nicht beirren lassen. Jener „locus Rice nominatus“, jene „planities cum rivo, ingenti montium solitudine undique circumdata“, auf welcher sich jene 500 Seelen niedergelassen haben, kann keinesfalls ein so grosses Stück Erde gewesen sein, dass man nicht voraussetzen könnte, er habe seinen Namen gewechselt. Gehen wir also nicht dem Namen nach, sondern suchen wir einen Ort, welcher seit uralten Zeiten Frangepan’scher Besitz ist, in der Nachbarschaft der Stadt Zengg oder der zum Zengger Stadtgebiete gehörigen Besitzungen liegt, und auf welchen die im Gesuche angeführten Epitheta passen. Suchen wir auf diese Weise, so fällt unser Blick zuerst auf dem „Zone 25, Colonne XII“ bezeichneten Blatte der Generalstabskarte (1:75.000) auf eine nördlich von Zengg in der Luftlinie ungefähr 1 V4 Meilen entfernte Ortschaft Krmpote, und wir denken sogleich an die Worte des Gesuches: „Nos Valachi vocati Kermpoti.“ Anderer- seits erblicken wir kaum 3/4 Meilen östlich von der Stadt Zengg eine winzige Ortschaft, das Dörflein der Zadruga Krmpotic genannt Krnpotici; die Bedeutendsten der Unter- fertiger des Gesuches sind ja der Yicecapitän Damian Kermpotich und der Vojvode Thaddäus Kermpotich. Beide Ortschaften liegen in der nächsten Nähe von Zengg und auf einem Gebiete, welches ganz zweifellos von Alterslier Frangepanischer Besitz war.1) Aber ich bilde auf der Specialkarte des Generalstabes weder hier, noch dort eine Ebene oder einen Fluss, welcher die Ebene durchschneidet, auch liegt keine dieser Ortschaften in der Nähe des „passus“ der Türken. Auf die richtige Spur führt uns jener Theil des Gesuches, welcher auf die die Wanderung und die Niederlassung der 500 Auswanderer auf Frangepanischem Boden behandelnde Exposition folgt und Nachstehendes besagt: „Bis zum heutigen Tage ver- folgt uns der hochgeborene Graf Zrinyi, welcher uns gegen Recht und Billigkeit mit Gewalt zu seinen Bauern, zu seinen Hörigen machen will.“ Der scheinbare Wider- spruch, dass unsere Vlachen sich auf Frangepanischem Gebiete niedergelassen haben und dennoch der Graf Georg Zrinyi sie zu seinen Hörigen machen will, führt uns zu jener Gegend, auf welcher sich unsere „Fünfhundert“ angesiedelt haben. Der von der Tersacer Linie der Grafen Frangepan abstammende Stephan III. hat im Jahre 1544 als Jüngling mit dem ebenfalls noch sehr jugendlichen Grafen Nicolaus Zrinyi einen gegenseitigen Erbschaftsvertrag abgeschlossen, im Sinne dessen nach dem um 1573 ohne Hinterlassung von Descendenten erfolgten Ableben des Grafen Stephan dessen ausgedehnte, zumeist im Comitate Modrus gelegene Besitzungen an den von Katharina Frangepan geborenen Sohn Georg des Grafen Nicolaus Zrinyi über- gegangen sind.2) Dieser Erbschaftsvertrag wäre eigentlich nicht rechtsgültig gewesen, weil er im Widerspruche stand mit jener auf die ganze Familie bezüglichen Verfügung des gemeinschaftlichen Ahnherrn Nicolaus Frangepan aus dem Jahre 1449, wonach im Falle des Ablebens irgend eines seiner Nachkommen ohne Hinterlassung von Des- cendenten die Erbschaft den übrigen Nachkommen zustehe. Ja, es blühte sogar zur Zeit des erwähnten Erbschaftsvertrages auch jener Zweig noch, zu welchem der ver- tragschliessende Stephan selbst gehört hat, das ist der Zweig der Tersac. Da aber die J) Pesty, 1. c. II, S. 492 ff. 2) Ibid., 1. c. II, S. 424 ff. 264 I. Archäologie und Geschichte. Tersacki unterlassen haben, dem Vertrage rechtzeitig zu opponiren, so entstand hieraus ein langwieriger Process und endloses Hin- und Herziehen zwischen Georg Zrinyi und den Tersackis. Unsere 500 Vlachen haben sich auf einem solchen Gebiete niedergelassen; welches als Erbschaft nach dem Stephan Frangepan in die Hand Georg Zrinyis gelangte. Hiebei könnten wir vor Allem an das nordwestlich von Ogulin hegende Gomirje denken. Der Karlstädter General Lenkovic hat hier im Jahre 1599 Vlachen angesiedelt, welche sowohl Georg Frangepan Tersacki, als auch Georg Zrinyi als seine Hörigen reclamirte.1) Und als sich der Letztere sogar einen Empfehlungsbrief der slavonischen Stände aus dem Landtage zu Agram am 5. September 1602 zu erwirken wusste, in welchem Empfehlungschreiben diese Stände den Erzherzog bitten, er möge entweder die Kaizen aus Gomirje verhalten, dass sie den Grafen Zrinyi als ihren Grundherrn anerkennen, oder aber dieselben von dort absiedeln: erhob sich Georg Frangepan Tersacki und legte eine feierliche Verwahrung ein, wonach Gomirje sein und seiner Gebrüder Erbe sei.2) Aber die Vlachen von Gomirje können mit unseren fünfhundert nicht identisch sein, denn von Jenen wissen wir, dass der General Lenkovic sie an- gesiedelt hat, und Gomirje liegt zwar nahe dem türkischen „passus“, aber sehr weit von Zengg entfernt. Wir müssen also weiter nach Süden forschen. Mehrere der im Comitat Modrus gelegenen Besitzungen des vertragschliessenden Stephan Frangepan befanden sich südlich von Modrus.3) In dieser Gegend, welche als Erbschaft nach Stephan Frangepan auf Georg Zrinyi übergegangen, aber von den Frangepan-Tersacki’s als ihr Eigenthum reclamirt worden ist, fällt mir auf dem Gebiete des Comitats Modrus, dieses uralten Frangepanischen Besitzes, die neben der via Joseph ina gelegene Ortschaft Jezerane auf, zwischen zwei von Nordwest nach Südost ziehenden läng- lichen Ebenen, welche der Bach Jaruga durclifliesst. Die gegen Südost gelegene grössere dieser zwei Ebenen ist ungefähr eine Meile lang und 2000 Schritte breit, während die zweite Ebene, das „Crnackopolje“ ungefähr 7000 Schritte lang ist. Dieses Stück Erde besitzt alle jene Eigenschaften, welche in unserer Urkunde erwähnt sind. Es ist ein uralter Frangepanischer Besitz in Zrinyi’scher Hand; eine Ebene mit einem Bach; „ingenti montium solitudine undique cir cum data“, denn nicht nur die längs der Ebene sich hinziehenden Gebirge erheben sich als steile Felsenwände, sondern auch die Gebirgszüge der grossen und Meinen Capella stossen hier, in der Entfernung von kaum einer Viertelmeile aneinander.4) Dieses Gebiet liegt ferner in unmittelbarer Nachbar- schaft des Zengger Stadtgebietes, welches sich bekanntlich bis Brinje erstreckt hat, Brinje aber ist in der Luftlinie kaum eine Meile von Jezerane entfernt. Dass endlich diese Gegend nicht nur in der Nähe, sondern direct an der von den türkischen Räuber- horden in der Richtung gegen Ogulin benützten Strasse liegt, beweist ein Blick auf die Landkarte. Die via Josephina schlängelt sich ja auch heute an dieser Ortschaft vorüber. Nur hier und nirgends sonst konnten die „Kermpoti“ genannten Vlachen sich niedergelassen haben, als sie ihr Gesuch an den König von Ungarn überreichten um Schutz, um einen Freiheitsbrief und um Verleihung eines Wappens. J) Bei Lopasic, 1. c. I, S. 293 — 314 sind mehrere diesbezügliche interessante Urkunden zu lesen. 2) Beschluss des Landtages zu Agram vom 5. September 1602 in dem unter der Presse befindlichen X. Bande der Monum. Comit. R. Hung. 3) Pesty, 1. c. II, 429. 4) Siehe die Generalstabskarte „Zone 25, col. XII“. Kärolyi. „Viaehen“- Auswanderung aus der Gegend von Biliar. 2(35 Welche Antwort auf dieses Gesuch erfolgt ist, und inwiefern e unsere Ylachen gegen die an und für sich rechtlich begründeten Ansprüche der Grundherren durch die Regierung beschützt worden sind, ist mir unbekannt. Vor dem Schlüsse meiner Mittheilung muss ich aber noch folgende Umstände erwähnen, welche mit dem Tenor dieses Gesuches im Zusammenhänge sind. Infolge der wiederholten Klagen der Zrinyi, der Frangepan, der Dersffy, der Pogany de Cseb, sowie des Bischofs und des Capitels zu Agram haben die zu Press- burg versammelten Stände des Landes in der Adresse vom 2. April K3041) um die Abstellung des Missbrauches gebeten, wonach die in den letzten Jahren vom türkischen Gebiete nach Slavonien und Croatien übersiedelten Vlachen jenen Grundherren, auf deren Besitzungen sie sich niedergelassen haben, das Neuntel verweigern und in diesem ihrem Widerstande von den Capitänen der Grenzfestungen unterstützt wurden. Der Erzherzog Mathias, welcher auf diesem Reichstage den König vertrat, versuchte die Stände von diesem Verlangen abzubringen, aber seine Bemühungen hatten keinen Er- folg.2) Und nachdem die Hofkammer zu Prag, welche sich mit dieser Frage ebenfalls beschäftigt hatte, der Meinung war, dass dem erwähnten Verlangen der Stände, so lange der türkische Krieg dauere, nicht entsprochen werden könne, später aber, nach der Herstellung des Friedens die Vlachen irgendwie zur Leistung des Neuntels etc. gezwungen werden sollten,3) so hat der Ges. -Art. XIV, 1G04 ausgesprochen, dass die Vlachen den Grundherren das Neuntel und der Kirche den Zehent zu entrichten hätten. Mit diesem Gesetze waren unsere Vlachen gewiss nicht zufrieden. Wir lesen bei Vanicek,4) dass im Jahre 1604 eine Anzahl solcher vom Militär angesiedelter Vlachen nach der Türkei zurückwandern wollte, und dass es erst im Jahre 1606 gelungen sei, dieselben definitiv in Berlog und Gusic anzusiedeln. Ich dürfte mit der Behauptung kaum fehlgehen, dass diese Berloger und Gusicer Ansiedler unsere „Ivermpoti “-Vlachen sind, denn diese waren den genannten, von Jezerane kaum 1 V2 — 2 Meilen entfernten zwei Ortschaften am nächsten, und auf dem Gebiete von Berlog und Gusic konnte von ihnen weder Zrinyi noch Frangepan das Neuntel oder den Frohndienst verlangen, denn diese Ortschaften gehören zum freien Stadtgebiete von Zengg.5) Wir haben ge- sehen, dass unsere Vlachen die Zengger ihre Verwandten nennen und mit diesen die herzlichsten Beziehungen unterhalten, denn die Zengger haben sie — wie sie in ihrem Gesuche erzählen — gegen die Gewalttätigkeiten des Grafen Georg Zrinyi geschützt, und als sie vor den Verfolgungen des genannten Grafen noch vor 1604 nach der Türkei zurückkehren wollten, haben die Zengger sie zum Bleiben bewogen. Es sei noch eine kleine Schlussbemerkung über die von Zengg nördlich, beziehungs- weise östlich gelegenen Ortschaften Krmpote und Krnpotici angefügt. Ebenso, wie es uns über die Ansiedler von Gomirje bekannt ist, dass sich die- selben später gegen Vrbovsko, Drezina, Smrzena polana, Starilaz und Mrkopail ver- breitet haben/’) ebenso wahrscheinlich ist es, dass sich unsere „Krmpoti“-Vlachen mit *) In dem nächstens erscheinenden X. Bande der Monum. Comit. R. Hung. 2) Bericht des Erzherzogs Mathias an den Kaiser vom 14. April 1604 in dem X. Bande der Monnm. Comit. B. Illing. 3) Bericht der Hofkammer zu Prag an den geheimen Hofrath vom 1. Mai 1604: „Wann aber der Fried würde, könnten sie (die Ylachen) alsdann etwa darzue gehalten werden, dass sie den Geistlichen die Zehnt und den dominis terrestribus ihre Dienst auch halten und leisten.“ Ihid. 4) Specialgesch. der Militärgrenze I, 80. 5) Pesty, 1. c, II, S. 492 ff. G) Vanicek, I, 81 und Lopasic, I, 326 (Brief des Nicolaus Frangepan an den Erzherzog Ferdinand ddo. 28. Mai 1604). 266 I. Archäologie und Geschichte. der Zeit vermehrt und einzelne Schwärme ausgesendet haben. Ein solcher Schwarm konnte der nördlich von Zengg gelegenen Ortschaft Krmpote den Namen geben, während das kleine Dorf Krnpotici nach einem anderen, ausschliesslich aus Mitgliedern der im Gesuche unterschriebenen Familie Kermpotich bestehenden Schwarme benannt wurde. Der vollständige Text der interessanten und im Obigen ausführlich analysirten Urkunde lautet folgendermassen : Humillima supplicatio militum liabitantium in deserto Lice supra civitatem Segniam. Sacratissima caesarea regiaque Majestas, domine, domine clementissime. Non dubitamus pluribus jam vicibus Majestatem Yestram sacratissimam a sere- nissimo archiduce Ferdinando fuisse informatam, qualiter nos Walacki, vocati Kermpoti, primum sub potestate turcica instar guardiae beglii sansak di Lika constituti, illuminati in cordibus nostris a spiritu sancto et per somnia nocturna in desertum Lice a S. Joanne Baptista evocati, ante omnia immensa misericordia Dei onmipotentis et gloriosa nominis potentia Majestatis Yestrae sacratissimae considerata, venerimus quingenti ex Turcia cum cognatis et propinquis nostris Segnianis viam rectam nobis praebentibus, una etiam universam familiam, prolem et bona mobilia nobiscum abduxerimus, sub spem alarum Majestatis Vestrae sacratissimae confugientes, quarum gratia et clementia moti sumus animo perpetuae eidem servitutis nostrae consecrandae et etiam una cum familia parati vivere et mori ac penes Majestatem Vestram sacratissimam proprium spargere sanguinem. Postquam autem terras christianas attigimus, non erat nobis commodum cum numerosa familia nostra civitatem Segniam incolere, sed in proximo deserto et montibus ad passus turcicos reperimus unum locum Lice nominatum, planitiem cum rivo, ingenti montium solitudine undique circumdatam, qui locus ab annis centum semper deserti nomen habuit et erat passus turcicus, ex quo frequentibus excursionibus hostes plurima damna ditionibus Majestatis Yestrae sacratissimae inferre solebant et hic nostras mansiones, defensionis cliristianae avidi, fiximus. Optime etiam nobis constabat locum illum antiquitus una cum civitate Segniensi comitibus de Frangepani fuisse liaereditarium; sed illi inhabiles defensionis illius contra Turcas protectionem totam destituerant et hac occasione hostis secure semper excursionibus infestissimis fuit deditus. Nos expleto hic uno integro anno, ablegatis primum cum capitaneo Mikolanych, wajvodis et maioribus nostris pro praesentatione ad serenissimum arcliiducem Ferdinandum, ubi Sua Serenitas nomine Majestatis Vestrae sacratissimae nos clementissime recipere dignata est, assignatis novis banderiis et Majestatis Vestrae sacratissimae signis, penes caeteras provisiones nostras, postquam juraverimus non aliis unquam praeter Majestatem Vestram sacratissimam principibus nos aclhaesuros. Interea vero persequimur maxime usque ad praesentem diem ab illustrissimo comite Zrinio, qui nos praeter jus et aequum vult violenter in suos villanos et subditos redigere et nisi propinquorum nostrorum Segniensium defensione uteremur, persuasionibus etiam illorum remorati, iamdudum ex hoc loco in Turciam redire fuissemus coacti. Ideo Majestati Vestrae Sacratissimae humilime suppli camus, dignetur nobis unum privilegium libertatis iuxta consuetudinem regni ex cancellaria sua hungarica clemen- tissime emanari demandare, quo nos subditos Majestatis Vestrae Sacratissimae agno- scentes, studeamus majori fervore in patriae nostrae et celeberrimi nominis Majestatis Vestrae sacratissimae, domini nostri deinen tissimi, defensionem militare. Pro annis nostris S. Joannem Baptistam et S. Georgium martyrem ecclesiarum in bis montibus existentium patronos elegimus, cum maiores nostri adhuc in Turcia nobis- Kärolyi. „V]achen“-Auswanderung aus der Gegend von Biliac. 267 cum constituti in somniis ab istis sanctis ad liaec deserta loca evocati fuerint, pro quorum etiam confirmatione Majestati Vestrae sacratissimae lmmilime supplicare non desistimus. Conservet Majestatem Vestram sacratissimam Deus diu gloriosam et felicem, cui nos vita durante effusione nostri sanguinis pectantes responsum. Majestatis Vestrae sacratissimae Humilimi (Locus armorum depictorum.) humilime in subditos redigimus, clemens ex- et tideles subditi. Damianus Kermpoticli vicecapitanus in Lice. A Tadia Kermpoticli vajvoda. Milasin Skorupovich vajvoda. Juan Kerncevich vajvoda. Radoie Pecbianich vajvoda, cum majoribus, vexilliferis et militibus de Lice. In dorso: Milites habitantes in deserto Lice supra eivitatem Segniam pro privi- legio libertatis et confirmatione armorum ex cancellaria hungarica. (Original im k. und k. Hof- und Staatsarchiv in Wien.) Kloster und Kirche der Franziskaner in Sueeska. Von Fra Raphael Barisic, kat.h. Religionslehrer in Brc-ka. (Mit zwei Abbildungen im Texte.) „La Storia luce inesausta ehe scalde e brucia, illustra ed abbaglia . . . infondiamola nella descrizione de’ luoglii, nella enumerazione de’ tempi, nella illustrazione de’ monumenti, nelT educazione, nelle scienze .... Popolo, che non conosce il passato, e fanciullo o im- becille; popolo, che lo sprezza, e perduto.“ Tommaseo.1) Drei Wegstunden nördlich von Visoko, am südlichen Fusse des hohen Berges Tesevo, hegt das aus etwa 50 Häusern bestehende Städtchen Sueeska. Diese einstige Residenz der Herrscher Bosniens nimmt die Mitte des Thaies ein, welches im Osten von den Bergen Brojsinovac und Yucja-jama, im Westen nächst dem Tesevo von einer Reihe mächtiger Felswände begrenzt wird. Oberhalb des Städtchens, am linken Ufer des Baches Trstivnica, fallen die Ruinen der einstigen, dem heil. Gregor2) geweihten Kirche ins Auge, welche der bosnische Ban Stephan Kotromanic3) erbaut hatte, ferner die Ruinen des Königspalastes, durch welchen heutzutage bei Regenwretter der Fluss Urva dringt. Einige Schritte nordwärts erhebt sich das dem heil. Johannes dem Täufer geweihte Kloster. Dasselbe ist im Westen durch einen dichten Eichenhain, über welchem steile Felsen emporragen, im Osten durch den Hügel Jezevica und im Norden durch den Berg Hrid geschützt. Dieses Kloster ist das älteste4) unter den jetzt in Bosnien bestehenden; doch kann nicht bestimmt ermittelt werden, wann der Grund zu diesem alten Asyle der Söhne des heil. Franciscus gelegt wurde. Wahrscheinlich geschah dies unmittelbar nach der Ansiedelung des Ordens in Bosnien noch zur Zeit der Bane. Jedenfalls kann als sicher angenommen werden, dass das Kloster schon vor 500 Jahren bestand, da der gelehrte P. Lucas Wacling desselben bereits im 14. Jahrhundert unter dem Namen Curia Bani (Rathhaus des Banus) erwähnt.5) 0 Fabianich: Storia dei Frati Minori, Bd. II, S. 5. 2) Die Stelle, an welcher die Kirche des heil. Gregor stand, heisst heute noch „Grgurevo“ und dient den Patres aus dem Kloster als Promenade; die Stätte der Königsburg (Kraljev dvorac) nennt das Volk „Dvorisce“. 3) Novi prijat. Bosne, B. I, S. 7. 4) Vgl. Virgil Greider, Pisano und die Chronik des Lucas Wading, welche dieses Kloster an erster Stelle unter dem Namen Curia Bani erwähnen. 5) Annal. Minor. Tom. VIII, ad an. 1400, n. 12. Barisie. Kirche und Kloster der Franziskaner in Suceska. 269 Nach der Einnahme Bosniens durch Sultan Mehmed II. im Jahre 1464 wurde, wie man allgemein annimmt, das Kloster Suceska sammt der Königsburg ein Rauh der Flammen und vom Grunde aus zerstört. Die im Orte betindlichen P. P. Franziskaner erwirkten jedoch beim Sultan einen Schutzbrief und die Erlaubniss, auf seinem Macht- gebiete sich ansiedeln und Heimstätten bauen zu dürfen. So wurde denn bald darauf das Kloster, wenn auch in kleinerem Massstabe, wieder aufgerichtet und stand in Frieden, bis es unter der Regierung Sulejmans II. die zum Islam übergetretenen Patarener unter Führung des Hassan Bey1) gleichzeitig mit den Klöstern in Fojnica, Ivresevo, Visoko und Ivonjica, zur Zeit als P. Fra Mathias Skoroevic aus Tesevo Guar- dian war, sammt der Kirche dermassen zerstörten, dass kein Stein auf dem anderen blieb.2) Infolge dieser Katastrophe wohnten die Franziskaner zerstreut und kümmerlich in Wäldern und in von Katholiken bewohnten Häusern, lasen im Geheimen die heil. Messe, belehrten die Gläubigen über die Wahrheiten der Religion und spendeten ver- borgen die Sacramente. Weil jedoch dieser Zustand auf die Dauer unhaltbar war, bestachen sie die damaligen türkischen Beamten mit 900 kaiserlichen Ducaten und erwirkten 30 Jahre nach der Vernichtung des Klosters die Erlaubniss, dasselbe auf den alten Fundamenten neu erbauen zu dürfen, jedoch unter der Bedingung, dass an dem Gebäude nichts aus Stein oder gebrannten Ziegeln, sondern alles aus Holz und Lehm sein müsse, um einem etwaigen zweiten Zerstörungsversuche keinen Widerstand zu leisten. Eine fernere Absicht dieser Bedingung war, immer Gelegenheit zu weiteren Brandschatzungen und Beunruhigungen zu haben.3) Erst im Jahre 1596 wurde der Bau auf demselben Fundamente wieder aus Steinen und Ziegeln aufgeführt. Nach so vielen Unbilden und Opfern brannte das Kloster am 7. September 1658, als dessen Guardian P. Fra Grga Stocanin auf einer in Gradovrh bei D. Tuzla abge- haltenen Franziskanerversammlung weilte, bis auf die Kirche, welche keinen Schaden nahm, nieder. Unter den Guardianen Fra Mijo Bresanin und Fra Stephan Glumicic wurde das Kloster im Jahre 1664 wieder aufgebaut, wie dies aus einer an der west- lichen Pforte desselben in eine viereckige Steinplatte eingehauenen lateinischen Inschrift ersichtlich ist: HOC MOÄSTE. MINOR. BABTE DNI DICATV. A. 1658. SOLo ECVAT. REEDIFICARVT PP. SVTISKE ANo 1664. GVARDIANATV P. FRA MICHAELIS BRESANIN. ASSISTENTE R. P. F. STEPHANO GLVMICHICII. Die schlimmste Katastrophe brach jedoch nach der Niederlage der Türken unter den Mauern von Wien über das Kloster herein,4) als es infolge von Steuern und 0 Statthalters in Bosnien von 1521 — 1531. Vgl. die unter den Notizen dieses Theiles folgende Aufzählung der ottomanischen Vali’s in Bosnien. 2) Chronik des Fra Bono Benic im Klosterarchiv von Suceska, S. 20. Damals war P. Fra Stjepo Kucic, ein geborner Dalmatiner aus Zadvarje bei Almissa, Provinzial der bosnischen Franziskaner. Der- selbe wurde mit noch zehn Patres von den Türken gefesselt nach Sarajevo escortirt, doch gelang es ihm zu entkommen, während die Uebrigen gefoltert wurden. Vgl. Norinijo, Pripisagnie kragliestva bosan- skoga. Venedig 1775, S. 53. 3) Batinic, Djelov. franjev., B. II, S. 22. 4) Die Niederlage bei Wien hatte die Türken sehr erbittert, und sie Hessen ihren Zorn mit beson- derer Heftigkeit an den katholischen Christen aus, indem sie Kirchen und Klöster plünderten und zer- störten. Im Jahre 1683 köpften sie den Guardian des Klosters Gradovrh bei D. Tuzla, P. Fra Bernardiu, während der Pfarrer desselben Ortes, P. Fra Luka, lebendig verbrannt wurde. - — Im Jahre 1684 schlugen sie dem P. Vicar in Modrica den Kopf ab, und die Sarajevoer Türken massacrirten zwei Patres, die unter 270 I. Archäologie und Geschichte. Brandschatzungen so sehr in Schulden versank, dass nicht nur die Kirchenparamente und Gefässe beim Kaufmann Brnjakovic in Sarajevo verpfändet, sondern auch alles Hausgeräthe, ja sogar die Schlösser und Beschläge der Thüren abgerissen und zu Schleuderpreisen verkauft werden mussten. Damals verliessen die Ordensbrüder wegen der fortwährenden Angriffe und Requisitionen mit Erlaubniss des Vezirs das Kloster, umgaben dasselbe mit einer hohen Dornhecke und Hessen in dem leeren Gebäude blos einen Wächter zurück, der darauf zu achten hatte, dass das Gebäude nicht des Nachts von böswilliger Hand in Brand gesteckt werde. Nunmehr lebten die Franziskaner durch volle 16 Jahre (1683 — 1699), d. h. so lange der Krieg dauerte, zerstreut theils in Höhlen, theils als Weltliche verkleidet, unter dem Namen „ujaci“ (Onkel),1) und die Mehrzahl wohnte in einem dem Kloster gehörigen Hause oberhalb der Felsen von Suceska im sogenannten Zatesevje, wanderten verstohlen von Ort zu Ort und oblagen der Seelsorge, theils in den Hecken von Bjelavic, theils in Tonji lug in der Nähe des heutigen katholischen Dorfes Grmac, wo sie die Messe lasen. Doch auch hier wurden sie häufig genug vor dem Altar misshandelt. Angesichts solcher Verhältnisse zogen es zahlreiche Franziskaner-Pfarrer, Ange- hörige des Klosters Suceska, vor, den Verfolgungen und Martern durch die Flucht über die Save auf croatisches Gebiet oder nach Venedig zu entrinnen. So führte im Jahre 1686 der damalige Guardian von Suceska, P. Fra Jako Tvrtkovcanin eine Menge seiner Gläubigen über die Save. Der hochw. P. Fra Andrija Sipracic, emerit. Provinzial, führte aus der Pfarre Duboca über 2700; P. Fra Mijo aus Velika, Pfarre Dervent, 2300; P. Fra Grgo Zgoscanin aus Seocanica 5400; P. Fra Grgo Turbic aus Kuzdo- manja 5300 und P. Fra Josef Seocanin aus Majevac 1500 Seelen etc.2) Diese Pfarrer, welche als Mitglieder des Klosters, wenn auch gezwungen, das Land verliessen, haben durch solche That dem Kloster unsäglichen Schaden zugefügt, denn sie führten Tausende von Gläubigen mit sich ausser Landes, deren Freigebigkeit den Wiederaufbau des zer- störten Hauses bald ermöglicht hätte. Im Jahre 1698 begannen die nach allen Seiten zerstreuten Franziskaner nfit der Erlaubniss des Pascha’s sich wieder zu sammeln. Ein Theil kam aus Höhlen und Wäl- dern nach dem Kloster zurück, ein anderer ging daran, milde Gaben zu sammeln, deren Erträgniss hinreichte, die verpfändeten Kirchengeräthe mit Ausnahme eines silbernen Tabernakels auszulösen. Es würde zu weit führen, wollten wir alle Leiden, welche die Franziskaner dieses Klosters in jenen schicksalsschweren Tagen erdulden mussten, hier wieder erzählen.3) Ausser der Wiederherstellung des Dachstuhles wurde aus Mangel an den nöthigen Geldmitteln am Klostergebäude vom Jahre 1664 bis 1821 keinerlei Reparatur vorge- nommen. Die Mauern erlitten schwere Beschädigungen theils durch allmäligen Verfall, furchtbaren Qualen ihren Wunden erlagen. — Im Jahre 1685 verliessen die Franziskaner von Visoko in- folge von Martern das Kloster und Hessen sich in Alt-Gradisca nieder, wo sie eine Kirche und ein Kloster erbauten. — Im Jahre 1686 wurde Fra Luka aus Kresevo ermordet, ebenso der Prior des Klosters Srebrenica, welches geplündert wurde. Vgl. Norinijo, Pripisagnie pocetka kragliestva bosanskoga. Venedig 1775, und Nedic, Stanje Eedodrzave Bosne Srebrene, S. 65. 0 Die Franziskaner heissen beim Volke noch heute so. 2) Chronik des Fra Bono Benic im Klosterarchiv von Suceska, S. 82. — Der Grund für die Aus- wanderung zahlreicher Franziskaner sammt ihren Pfarrkindern auf das Gebiet jenseits der Save lag ausser in den inasslosen Verfolgungen auch noch in einer grossen Hungersnot!), die im Jahre 1686 herrschte. Volk und Priester nährten sich von Gras und Baumrinden und verkauften ihr letztes Kleid für ein Stück Brot. Viele starben vor Hunger. Siehe Batinic, Djela franjev., B. II, S. 163. 3) Vgl. Imenik klera i Zupa nadbisk. vrhbos. 1883, S. 58. Barisic. Kloster und Kirche der Franziskaner in Suceska. 271 tlieils durch Erdbeben, zumeist jedoch durch herabfallende Felsstücke. Um den Einsturz zu verhindern, wurden sie durch eiserne Schliessen gebunden und mit ver- schiedenen Zäunen geschützt. Ein solcher Zaun wurde im Jahre 1704 angelegt, wie dies eine in altbosnischer Schrift auf einer Steinplatte angebrachte Inschrift bekundet, welche noch im Jahre 1889 über dem Thore östlich vom Flusse sichtbar war. Die Inschrift lautet: „Jjfhnhc/UO riAOT 1 au ha 1704“ „Ucinismo plot 1. magja (maja) 1704“ (d. h. „Diese Umzäunung haben wir hergestellt am 1. Mai 1704“). Weil das Klostergebäude an Dach und Mauern bereits schadhaft war und auch infolge der Vermehrung des Personals sich als zu enge erwies — die Länge betrug blos 16' 55 M. und die Breite 8 M. — wurde unter dem Guardian P. Fra Peter Ba- bajic aus Suceska-Lipnica das Haus mit Erlaubniss des mächtigen Vezirs von Travnik, Gjelali Pascha (Dzelaleddin),1) gegen Westen und Norden erweitert und die Schäden an dem älteren Bau und der Kirche zumeist mit Eichenbalken reparirt. Dafür wurden dem Vezir und seinen Beamten 15.770 Groschen bezahlt. Die Bauleute und Taglöhner erhielten zusammen 45.737 Groschen und 35 Para, was nach dem damaligen Curse 10.251 fl. betrug und heute einem Betrage von 5125 fl. 70 kr. entspricht. (Damals hatte der Gulden 6, heute zählt er 12 1/2 Groschen.)2) Wenn man von der Mittagseite gegen den Raum geht, in welchem die Kirchen- geräthe aufbewahrt werden, so findet man rechts an der Mauer folgende in eine Stein- tafel mit grossen lateinischen Lettern eingegrabene Inschrift: CONVTUS IIIC CUM SUA ECCLIA NNE S. IO AN. BAPTAE DEO DICTUS OLIM CURIA BANI DICTUS PLURIES RESTAURATUS, NOVISSIME IAM IAM LAPSURUS PRAE VETUSTATE SUORUM MURORUM AC TECTI COEUPTÖ- NE ANO 1821. DE POTENTI LICENTIA VE- ZIR1 TRAVNICEN: GJELAJLI PASSAE, GVARD. R. P. PETRO BABICH, AC FABRI- CAE DIRECTORE P. ELIA STARQEVICH, CE- TERISQ. RELIGIOSIS P. STEPHANO MARIAN O- VICH IMPRIMIS STRENUE JUVANTIBUS REFECTUS FUIT MURIS EIUS UL- TRA MEDIETATEM E FUNDAMENTO ERECTIS RELIQUIS IIAC ILLAC RE- CONCINATIS TOTOQ. TECTO DE NOVO E QUERCEIS TABUE IS CONSTRUCTO TOR- MAQ. AD INTUS COMODIORE ILI DATA. 0 Dieser war Statthalter in Bosnien von 1819—1822. In letzterem Jahre beging' er einen Selbst- mord durch Gift. Nedic: Poraz basah. Fünfkirchen 1884, S. 31 f. 2) Diese Summe ist ohne die Kosten für die Nahrung zu verstehen, welche die Arbeiter ebenfalls ei hielten. Detaillirte Daten auch über die Schwierigkeiten des Baues sind in einem besonderen Ver- zeichnisse der Ausgaben für den Bau von 1821—1833 enthalten, 272 I. Archäologie und Geschichte. IN ECCLIA QUOQ. ALTARIA MELIUS DISPOSITA SUBLATOQUE INDE CHORC) ET COMODIUS E PARTE CONÜTUS AD SUPERIUS PLANUM LOCATO OMNIA ARCHITECTO PHILIPPO MARAQICH AD FINEM DEDUCTO ECCLLA VERO IN PARIETIBUS ABRASA ET REFECTA DIE 20. MAII 1822. DENUO CONSECRA- TA FUIT AB ILMO ET REVMO DNO FRE AUGUSTINO MILLETICH EPPO DA- ULIENSI ET VIC. APLICO HIS IN PAR- TIBUS QUAE OMNIA PERACTA FUERE SUB REGIMINE A. R, P. DOMINICI A VARESS, ITERATO ACTUAL. MINIS- TRI PROVLLIS ET VIC. GENLIS. Im Jahre 1831 ertheilte clcr damalige Vezir Mahmut Himdija, genannt Kara Malimut Pascha,1) dem Provinzial-Custos P. Fra Stefan Marijanovic aus Lipnica gegen Zahlung einer Taxe (bujruntija) und Bestechungen an Beamte im Gesammtbetrage von 8256 Groschen 20 Para die Erlaubniss, das Kloster durch einen Anbau zu erwei- tern. Vollendet wurde derselbe im Jahre 1833 unter dem Guardian P. Fra Anton Knezovic mit Hilfe wohlthätiger Spender und zumeist durch Unterstützung Kaiser Franz I. von Oesterreich und der ungarischen Geistlichkeit. Der neue Flügel ist 26-46 M. lang, 9-61 M. breit und kostete an Materialien und Arbeitslöhnen ausser der Verpflegung der Arbeiter 73.714 Groschen, was mit der obigen Summe 91.970 Groschen 70 Para beträgt. Hievon gibt die folgende an der Westseite in Stein gehauene In- schrift Kunde: D. 0. M. B. DIVO BAPSTAE CHRISTI CENOBII PIUJUS INVICTO TUTORI. RELIGIOSORUM PP. MINOR. SOLERTI INDUSTRIA HERO- ICO LABORI M. H. P. MNEMOSINI PERENIS ERGO TRACTUS HUJUSCE FUNDITUS ADJECTI SUB DIRECTIONE ET ASSISTENTIA RENDI PEIS STEPHANI MARIANOVICH DE LIPN. PROVIAE CUSTODIS ANNO MDCCCXXXIII. GVARDIANATUM AGENTE R. P. ANTONIO KNEZOVICH UNA PAE DFRE. 1831 — 1833 Statthalter in Bosnien. Im September 1833 wurde er abberufen. Barisic. Kloster und Kirche der Franziskaner in Suceska. 273 £ Band li . 18 Ansicht des Klosters Suceska vor dem Neubau 1888. 274 I. Archäologie und Geschichte. Im Laufe der Zeit wurden an den beiden Gebäuden, namentlich an dem im Jalire 1833 errichteten Neubau, mehrfache Reparaturen vorgenommen. Unter dem Guardian P. Fra Franz Komadinovic wurden im Jahre 1881 durch Verengerung: der Corridore und der grossen Gemächer Raum für mehrere neue Gemächer gewonnen. Dieses Kloster war seit uralten Zeiten die Residenz der bosnischen Bischöfe1) und Ordensprovinziale. In demselben wurde der Nachwuchs von Ordensgeistlichen, besonders die aus der Posavina stammenden Jünglinge herangehildet. Bis zum Jahre 1889 wurde hier für die ganze Ordensprovinz Philosophie sammt allen einschlägigen Fächern gelehrt. Seit sich im Jahre 1869 Tolisa und Plehan lossagten, zählt das Kloster (Stand von 1889) an lebenden Mitgliedern: 28 Priester, 8 Cleriker und 5 Can- didaten für den Orden. Der Seelsorgebezirk umfasst 4366 Seelen. Weil jedoch dieses ehrwürdige Asyl der Söhne des heil. Franciscus mit der Zeit vollständig baufällig geworden war und die Mauern den Einsturz drohten, erwachte der Gedanke, dasselbe vom Neuen aufzuhauen. Im Monate August 1888 wurde unter Vorsitz des Provinzials P. Fra Bono Milisi6 der einstimmige Beschluss gefasst, auf den- selben Fundamenten ein vom Grunde auf neues Klostergebäude aufzuführen. Infolge dessen wurde das alte Haus zur Zeit des Guardians P. Fra Franz Komadinovic am 22. August abgetragen, früher jedoch von der äusseren Ansicht eine photographische Aufnahme gemacht, die wir anbei (Figur 1) mittheilen. Gegen Süden oberhalb des Ivirchenthores und des südlichen Klosterflügels be- findet sich die Klosterbibliothek in einem 7-25 M. langen, 5 M. breiten und 4’26 M. hohen Raume. Wer sie errichtet, ist unbekannt. Im Jahre 1658 fiel die Bibliothek sammt dem Kloster einem Brande zum Opfer, welcher ausser zahlreichen Büchern, Antiquitäten und Kostbarkeiten auch die dort aufbewahrten Manuscripte vernichtete. Die heutige Bibliothek umfasst mehrere tausend Bände zumeist croatischer Bücher, Producte der älteren und neueren Literatur; ferner lateinische und italienische Werke, die Kirchenväter, die lateinischen und griechischen Classiker in Vers und Prosa, ferner das Gebiet der Theologie, Philosophie, Geschichte, Grammatik, Aesthetik u. s. w. Diese Bücher hat das Kloster theils gekauft, tlieils zum Geschenk erhalten, zumeist jedoch von verstorbenen Mitgliedern geerbt. An bemerkenswerthen Alterthümern befinden sich in der Bibliothek: 1. Eine Urkunde des Königs Mathias Corvinus,2) ferner mehrere kaiserliche Fer- mans, auf Seide cachirt, die in hölzernen Cassetten aufbewahrt werden, und türkische Documente, die auf die klösterlichen Grundstücke Bezug haben. 2. Das Originalporträt des bosnischen Königs Stephan Tomasevic Ostojic (Figur 2 nach einer Photographie), ohne Rahmen 75 Cm. hoch und 62'5 Cm. breit, in geschmack- vollem Rahmen. Dasselbe zeigt den König als Brustbild, in gleissendem Panzer und silberdurchwirktem, mit Gold eingefasstem Mantel, dessen Sehultertheil mit Hermelin verbrämt ist, die Krone auf dem Haupte, das Scepter in der Rechten haltend. Das Antlitz hat eine kräftige, gesunde Farbe, schwärze Augen mit schön geschwungenen Brauen, oberhalb welcher eine hohe Stirne sich wölbt. Lippen und Kinn beschattet *) Ueber der einstigen Zelle des Bischofs Fra Rafael Barisic stellt noch in Bleilettern die Inschrift: „Fra Rapli. Barissich Epp. Azot. MDCCCXXXIV.“ Der Genannte übersiedelte infolge der bekannten Zerwürfnisse am 3. April 184G nach Mostar und starb am 14. August 1863 zu Sirokibrijeg in der Her- cegovina. 2) Siehe die unten folgende Mittheilung von C. Hörmann (Notizen dieses Tlieiles). Barisic. Kloster und Kirche der Franziskaner in Suceska. 275 üppiger schwarzer Bartwuchs. Am rechten Rande des Bildes befindet sich gegen das Antlitz zu folgende Inschrift: To/MdL|ik M. K. und weiter unten: TOMAE RE K. Kockhc BOSNE ET H Kk TC/UÜ ARGENTINE Fig. 2. König Stephan Ostojic nach einem Gemälde in der Klosterbibliothek zu Suceska P/g). Links ober der rechten Schulter befindet sich das Wappen; ferner ist eine Bleistift- copie des Porträts der bosnischen Königin Katharina vorhanden. Das Original desselben, in Oel auf Leinwand gemalt, hat Fra Martin Nedic sanimt den Resten jener Paramente, die Katharina unmittelbar vor dem Falle Bosniens gearbeitet, nach Diakovar geschickt. 18* 276 I. Archäologie und Geschichte. 3. Ein Originalbild (?) aus dem 16. Jahrhundert auf Beza (ohne Rahmen 144 M. hoch und 67 '5 Cm. breit), den gekreuzigten Erlöser darstellend, rechts und links von Engeln umgeben, die das der Brust und den Händen entströmende Blut in Kelchen auffangen. Rechts unten auf dem Bilde befindet sich das Bild der Madonna, links das des Evangelisten Johannes, unter der Figur des Gekreuzigten kniet ein Mann. Das Bild ist an mehreren Stellen, wahrscheinlich durch Schüsse, verletzt. Zu Füssen be- findet sich folgende Inschrift in altbosnischen Lettern: Na 2. i8aa 8 ghshhe na 1597. na CTiicriaHk npaRWiiawRuhk 8\'HNH WRW 8 kwh: h8 hace pcT yv, k rwyv,ni|ia 28. Unterhalb der Inschrift stehen in schwarzer Farbe die Zeichen : S f D. 4. Zwei andere Bilder auf Beza aus dem vorletzten Jahrhundert: das Porträt des hochw. Paters Fra Filip Lastrie (geh. 1700 in Ocevija, gest. 19. April 1783 in Suceska), emerit. Ordensprovinzials und Historikers, und das des illustren Fra Grga Ilijic (geh. in Vares, gest. in Suceska 1. März 1813), Bischofs von Ruspen und apostol. Vicars in Bosnien. 5. Ein altes Holzkreuz (64 Cm. hoch und 30 Cm. breit) mit der altbosnischen Inschrift: ÖRH KpHJK RHO IE na Rap\'8 HapKRf IipHKO- Ran 3a ma£at£ Hayv, reahkiiaa OTapoai, naK k8,a,81i ra Geiawnii CKan,Han n ca- Tapan, 8i'iiniice ohh yv,aH Ta ko cTpa- Hina Rüpa . . . . o a RHTpORa, rpa,a,a h khuje, ji,A c8 cc 8 Gapa£R8 OKopnaE oyv, 9 /UEüHTa a\8nap£ hahth Rimao HHII.E, 3aT0 C pa3A0r0/M /WOpa CE ,3a 3aa/MEHHT HMaTH. Kaaka 4,aKaE p- /KaTH ra 8 ocoghtom rioipoRaHH8. „Ovi kriz bio je na varliu carkve prikovan za sljeme nad velikim otarom, pak budu6 ga Sejmeni sbacili i satarli, ucini se oni dan suko strasna bura od vitrova, gracla i kise, da su se u Saraevu oborile od 9 mecita munare iliti vikaonice; zato s razlogom mora se za zlamenit imati. Valja dakle drzati ga u osobitom postovanju.“ (Dieses Kreuz war oben an der Kirche befestigt an der Spitze oberhalb des Altars. Als es die Widersacher herabwarfen und zerbrachen, erhob sich an jenem Tage ein so furchtbares Ungewitter mit Sturm, Regen und Hagel, dass von neun Moscheen in Sarajevo die Minarets umgeworfen wurden; man muss es darum mit Recht für bedeutsam halten. Man muss es besonders hochschätzen.) Dahinter stehen die Worte: „0 Crux ave spes unica!“ Schade, dass weder Jahr noch Tag dieses Ereignisses angegeben sind. Zu erwähnen ist noch das einst hier aufbewahrte Porträt des bosnischen Königs Stephan TomaSevic, welches sich jetzt in den Sammlungen der südslavischen Akademie in Agram befindet. Nördlich von Suceska, einige Schritte aufwärts, am rechten Ufer des Baches Trstivnica fällt die weiss schimmernde, mit Figuren gezierte Facade der Klosterkirche Barisie. Kloster und Kirche der Franziskaner in Sueeska. 277 St. Johannes des Täufers ins Auge. Sie ist so alt wie das Kloster seihst. Im Laufe der Jahre erlebte sie verschiedene Aenderungen und Unfälle. Im Jahre 1524 wurde sie von den zum Islam übergetretenen Bogumilen gleichzeitig mit dem Kloster der Erde gleichgemacht und erst im Jahre 1596 neu errichtet. Im Jahre 1728 renovirte sie P. Fra Juraj Bjelavic, wie dies eine in Stein gehauene Inschrift rechts über dem Thore gegenüber dem Kloster bekundet: M ECCLESIA AEC BAPPTISTAE CHRISTI RESTRAT FUIT A. D. 1728. M. IUNIO. ASSISTENTE R. P. GEORGIO BILLAVICH TUNC GVARDIANO. Unter dem Guardian und Pfarrer P. Fra Peter Babajic (1821) wurde die Kirche gleichzeitig mit dem Kloster mittelst Eichenbalken restaurirt und am 20. Mai 1822 durch den hochw. Fra Augustin Miletic neu eingeweiht, worüber auf Pergament folgendes Zeugniss ausgestellt wurde, das unter einer Tafel in der Mauer neben der Kirchenthüre zu sehen ist: MDCCCXXII. die XX. mensis Maji. Ego Fr. Augustinus Milletich, Eppus Dauliensis, et Vicarius Aplicus Bos- nensis, consecravi Ecclesiam hanc in honorem S. Ioannis Baptae, et singulis Christi fidelibus, hodie unum annum, et die 4. Iulii, quam pro Anni- versario Consecrationis hujusinodi, rite in ipso con- secrationis actu, designavi, ipsam visitantibus qua- draginta dies de vera Indulgentia, in forma Ecclesiae consveta concessi.1) Im Jahre 1858, zur Zeit des Guardians und Ortspfarrers P. Fra Domino Andrijic, wurde die alte Kirche infolge der Bestrebungen des P. Fra Martin Nedic um einige Fuss nach Südost erweitert und mit Hilfe der heimischen Pfarrkinder im italienischen Stile neu ausgeschmückt. Sie ist 34‘7 1 M. lang, 9 M. breit und besteht heute noch in der Gestalt, welche sie damals erhielt. Sie besitzt vier Schiffe, von welchen zwei als Chor dienen, und ein Presbyterium. Die Altäre sind sämmtlich altitalienische Kunst- werke, welche aus der alten Kirche hieher übertragen wurden, wie dies eine italienische Inschrift am Fusse des grossen, dem heil. Johannes Bapt. geweihten Altares bekundet: FU FATO (fatto A) D • MDCXLVII. Rechts und links vom Tabernakel befinden sich fünf weitere Altäre, geweiht der Madonna, dem heil. Kreuz, dem heil. Anton von Padua, den Aposteln und der heil. Anna. Fast sämmtliche Bilder und Statuen an diesen Altären sind alte Arbeit und gleichfalls aus der alten Kirche hieher übertragen. 0 Aus dem besonderen Verzeichnisse der Ausgaben für die Kestaurirung des Klosters und der Kirche in Sueeska in den Jahren 1821 — 1822, S. 31, und den Anmerkungen aus der Chronik des Fra Bono Benic in Sueeska, welche nach der Behauptung des damaligen Provinzials Fra Martin Nedic der verstorbene Fra Mato Mikie aufzeiehnete. 278 I. Archäologie und Geschichte. Ein Bild, darstellend die unbefleckte Empfängniss, 173 M. hoch und 1'58 M. breit, womit an Feiertagen die Statue der Madonna bedeckt wird, hat folgende altbosnische Inschrift: T. 1621. Hd 10. arwcTa na GTHtndH y\parwHAWKHkh ÜMHNH WßH WTdp Hd CddßS T£H£ BddHIfHOrd 3dH£THd HHd HOBOH KdlKdll Rdi|lllll8 8 GopOBHI|,H. G. 1621. na 10. agosta ja Stjepan Dragoilovic ucini ovi otar na slavu nje Q blazenoga Zacetia ina,* 2) novoj kapeli bastinu u Borovici. („Im Jahre 1621 am 10. August verfertigte ich Stephan Dragoilovic diesen Altar, zur Ehre der unbefleckten Empfängniss, als Erbe der neuen Kapelle in Borovica.“) Als Fra Martin Nedid die Stätte der alten Kirche durchgraben liess, fand er unter dem Altäre des heiligen Kreuzes (entsprechend der Angabe Dufresnc’s) das Skelet des vorletzten bosnischen Königs Stephan Tornas nebst einem eisernen Scepter und einigen alten silbernen Brustknöpfen, was er insgesammt in einem Steinsarge an der Evangelienseite der neuen Kirche unterbrachte und mit folgender Inschrift be- zeichnete: URNA CONTINENS OSSA STEPHANI THOMAE RE- GIS BOSNAE (f 1460) EX AN- TIQUA ecclTa translata A. DN. 1859 CURA CUSTODIS ANTIQUITATUM. PATRIAE P. M. N. Oestlich von demselben Altar befindet sich in einem kleinen Wandschranke nebst Knochenreliquien von Heiligen ein wunderthätiges altes Kreuz und der Rosenkranz irgend eines altbosnischen Frommen. Der verstorbene Fra Mato Milde, Bibliothekar in Suceska, fand in einem alten Protokolle folgendes authentische Fragment über jenes Kreuz in altbosnischer Schrift: 1642. Hd 3. Maha ripncKHTdH th. KncKön ^pa UtpoHHM Eapt- UldHIIH nOCKfTH 8 GSthcchh ma HdCTHpS Gra IlßdHd KplGKE Cp£ßp£- H£, /UHt^fH«, AaPKCHb H BfdHKH W Atpßd, KOrd ÜHHHH ßdd/KCHH pd llHreo 3ßH3,a,CBHhk, koh£ ßf^c^a 3A4d/\£HHT npOTHBd 3di> OEddK# h rpa/j,8. x) Wahrscheinlich „postenje“ = Ehre. 2) Wahrscheinlich „Gospina“ = der Madonna. Bari sic. Kloster und Kirche der Franziskaner in Suceska. 279 „1642. na 3. mag; ja (maja) privitli gn. Biskup Fra Jeronim Varesanin, posveti u Sutiesci manastiru Sgä Ivana krize srebrene, miedene, darvene, i veliki ot derva, koga ucini blazeni Angeo Zvizdovic, koji je vehoma zlamenit protiva zlu oblaku i gradu.“ („1642 am 3. Mai weihte der hoch würdige Herr Bischof Fra Hieronymus Varesanin, im Kloster Suceska zum heil. Johannes silberne, kupferne und hölzerne Kreuze, darunter das grosse Holzkreuz, angefertigt vom seligen Angelo Zvizdovic, welches sehr wirksam ist gegen böse Wolken und Hagel.“) Auf der Evangelienseite befindet sich in der Mauer eine lateinische Inschrift, womit die kirchliche Absolution angekündigt wird. Dieselbe lautet: MEO INPECT. INDULT. ÄPCÜ. CONSERVO INDULG. PLEN. PERP. PRO VIV. TE DEF. INTEST. S. BAPTAE CHIS. DIE XXIV. IUN. EX IND. PP. PII VI. MDCCLXXIX. An der Ostseite der Kirche neben dem Apostelaltar sind die Reste zweier bos- nischer Bischöfe, des Fra Jeronim Lucic und des Fra Clrga Ilijic, begraben. Dieselben wurden im Jahre 1859 sammt dem Epitaph aus der alten Kirche in die neue überführt. Die betreffende Platte ist mit den bischöflichen Emblemen aus Blei geziert, welche der verstorbene Bischof Ilijic sich noch bei Lebzeiten sammt der Gruft anfertigen Hess. Die Inschrift lautet: D. 0. M. SISTE GRADUM VIATOR DUO IN UNO GERNE TUMULO QUI PATRIA RELIGIONE MUNERE DIGNITATE SEPULCHROQUE CONIUCTI UTINAM ETIAM IN COELO SIMUL SEMPER VIVANT! DEI QVAESO SIT PAX ET REQVIES SEMPITERNA ILLMIS AG RRMIS DD. DD. FF. ORD. MIN. OBSER. IIIERONYMO A VARESS D RI V ASTEN SI ET GREGORIO A VARESS RUSPENSI EPISCOPIS ET VICARIIS APLICIS IN BOSNIA OTHOMANA: OBIIT ILLE DIE XX. IANUARI MDCXLIII. HIG VERO DIE I. MARTH MDCCCXIII. VALE VIATOR ET SIC AGE UT IN AETERNUM ET IPSE VIVAS. VIVENTE ET IUBENTE IPSO PONTIFICE GREGORIO HAEC PETRA INCISA EST A. 1799. 280 I. Archäologie und Geschichte. An der Westseite oberhalb des Presbyteriums erhebt sieh ein kleiner Thurm, an dessen Westfront geschrieben ist: PRVI U BOSNI POSTADE G. G. 1860. („der erste in Bosnien errichtete anno 1860“); in demselben sind vier kleine alte Glocken untergebracht. Der zweite provisorische Thurm mit einer etwa vier Centner schweren, hellklingenden Glocke steht an der Südseite und wurde im Jahre 1880 mit Hilfe der Sammlungen des P. Fra Domino Andrijic, emeritirten Provinzials und Gustos von Suceska, errichtet. Die Kirche von Suceska bewahrt noch einige alte Silberkelche, Kreuze und Leuchter, aber bedauerlicherweise trägt keiner dieser Gegenstände eine Jahreszahl, blos auf einem alten Kelche steht: 1579. LOCI SUTIESCHE STI IOANNIS BAPTIST. Auszug aus der Chronik des Fra Nikolaus von Lasva. Von Dr. Ciro Truhelka, Gustos am bosn.-herceg. Landesmuseum. Nach der im Franziskanerkloster Gorica hei Livno aufbewahrten Abschrift und Fassung des Fra Margetic von Jaice. 1461 wurde der bosnische König Thomas in Bilaj von seinem eigenen Sohne und von seinem Bruder Radivoj erdrosselt und in der Kirche St. Johannes zu Sutinska be- graben. Nach diesem Ereignisse regierte eine kurze Zeit dessen Sohn Stefan und gab seinem Vetter Radivoj jene Länder und Städte, welche in der folgenden Schrift an- geführt sind. Urkunde1) des Stefan VII. Tomasevic (gegeben zu Bobovac am 18. September 1461). Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Geistes des Herrn, Amen. Ich, Diener Gottes, König und Herr Tomasevic, von Gottes Gnaden König von Bosnien, Primorje und dem serbischen Lande, von Dalmatien, Croatien, dem unteren Theile, den westlichen Gegenden und Usora, von Soli und Podrinje, zu dem im Anfang und in Allem. Ich oben benannter König Tomasevic Stefan preise unseren ewigen Herrn Christus, der als Mensch vom Himmel kam, die Geliebten von den Sünden befreite und dem Hause Israel zuführte und sich sodann zu Gott dem Herrn in den Himmel erhob. Gleichfalls ich Stefan Tomasevic, Knecht Gottes, König des Obgenannten, wurde zu Eurem Könige erkoren und war in den genannten Ländern meiner Eltern und Ureltern der Schöpfer der Gerechtigkeit und Milde, der Spender von Gnaden und Urkunden für unsere treuen Diener, für jeden nacli der Höhe seiner Würde, nach dem Willen des Königreiches, wie es einem rechten Herrn geziemt, ein gnädiges und mildes Antlitz zu zeigen und für die Anerkennung der Verdienste unserer treuen Diener zu sorgen. Wir erwiesen unsere herrschaftliche (Gnade) unserem hochverehrten treuen Diener und Vetter Radivoj für dessen getreue und wahre Dienste, welche er der Krone unseres Königreiches, und zwar zuerst unserem Herrn und eines guten Andenken würdigen Vater und König Thomas und sodann mir, dem Herrn Stefan erwies; und für seine getreuen und wahren Verdienste, für welche wir an ihm unsere Herrschergnade aus- übten und ihn begabten und beschenkten mit unseren Gütern aus freiem Willen, wie ich dies in dieser unserer offenen Urkunde, welche mit unseren grossen hängenden Siegeln an beiden Seiten versehen ist, beschrieben habe: Allem Anscheine nach die ungeschickte Copie einer älteren Urkunde, wenn nicht eine Fälschung. 282 I. Archäologie und Geschichte. In Luka die Burg Komotin und neben dieser den Wald Bocac und den Wald Curnica und Zuljevac bis nacb Seoce und Cvitovici und Podmiljacje auf beiden Ufern des Flusses Vrbas; sämmtliche diese Dörfer mit ihren wirklichen Grenzen und Bezirken; in Jaice und Jezero Häuser und Mühlen, Gärten und Weingärten und mit ihnen die Burg Visucici l) mit allen Einkünften, welche damit verbunden sind; an der Usora die Stadt Tesanj mit Allem, was ihm bis zum Tode des Königs Thomas angehörte, und die Stadt Gracac 2) mit allen Dörfern, welche ihm König Thomas schenkte. Ausserdem alles was er einnahm, mit Ausnahme der Zupen von Srebrenica und Olovo; alle diese Dörfer mit ihren natürlichen Grenzen und Bezirken und das Dorf Dolnja- und Gornja-Radnja, welches er vom Jure Lovrencic und dessen Bruder kaufte, und das Dorf Jablanica und Tisnjcnac, welches er vom Ylatko Vilusic gekauft hat; und auf dem Felde von Kupres den Ort Prosik mit den zugehörigen Dörfern und deren natürlichen Grenzen und Bezir- ken; und in Buljina sechs Kmeten und die Weingärten, das Krast und Katun der Vlahen, welche er gegenwärtig besitzt oder noch erwerben sollte, falls sie nicht zu unserem Besitze gehören, und die Zupa Mlit am Meere nächst Ston (Stagno). Dieses Alles, was oben verzeichnet erscheint, gaben und schenkten wir von unserem Herzen freiwillig dem Obgenannten und verehrten es unserem uns treuen und lieben Diener und Vetter dem Fürsten Radivoj und seinen Erben nach ihm, für immer- währende Zeiten. Dieses ganz wahrheitsgetreu geschriebene Docuinent übergaben wir in die kirchlichen Hände des Vielgeehrten in Christo Fra Philipps, Vicars des bosnischen Vicariates, damit es niemals Widerspruch oder Fälschung erfahre, noch geschmälert werde durch Untreue oder Verrath. Darüber sollen wachen der bosnische Vicar und seine Brüder vom heiligen Franziskanerorden und der Adel unseres Königreiches nach dem Gesetze desselben. Und wenn irgend welche diesem Document entgegenstehende Schrift vorhanden wäre, oder eine Urkunde über welche Stadt oder welches Dorf immer, so soll solche Schi’ift für nichtig erklärt und was wir unserem Vetter und Fürsten Radi- voj gegeben haben, diesem nicht genommen werden. Wenn er früher als seine Frau Katharina, ohne mit dieser Kinder gehabt zu haben, sterben und Frau Katharina nach ihm kinderlos bleiben sollte, so soll ihr die Burg Komotin mit deren Ländereien und Dörfern, welche in dieser Urkunde genannt sind, und zwei Waldungen mit Otec und Daljevo bis Seoci, und an der Usora das Dorf Gornja- und Dolnja- Radnja und die Dörfer Lup, Klenica und Timnihac, und in Buljina ein Weingarten mit sechs Kmeten nicht genommen werden. Auf alles dieses, was oben geschrieben steht, übernehmen wir mit unserem Königswort und unserer königlichen Seele das Bestreben, fest, ganz und unfehlbar zu achten, es zu erhalten und durchzuführen für unseren Vetter und Fürsten Radivoj und, wenn ihm Gott solche gibt, auch für seine Erben, so lange wir und sie leben. Dess sind Zeugen der Adel unseres Königreiches, Herr Herzog Stefan mit seinen Söhnen und Brüdern, Vojvode Ivanis Vlatkovic mit seinen Brüdern, Vojvode Vukic Micinovic mit seinen Brüdern, Vojvode Pavao Cubretic mit seinen Brüdern, Voj- vode Ivanis Satic mit seinen Brüdern, Vojvode Vladislav Vukcic mit seinen Brüdern und der Pristav unseres Hofes, Fürst Radivoj Vladimirovic mit seinen Brüdern und Rath Fürst Stefan Vlatkovic mit seinen Brüdern. Geschrieben in unserer Residenz Bobovac im Jahre 1461 nach der Zeit Christi am 18. September. 1682. Als die Türken gegen Wien zogen, befehligte in Bosnien Ujdur Pascha, und ich war in Jaice Caplan. Da kam eine Menge türkischer Soldaten zur Kirche 1) Visuc. 2) Gradaeac. Truhelka. Auszug aus der Chronik des Fra Nikolaus von Lasva. 283 uncl verlangte viel Geld, welches die Christen nicht gehen konnten, weshalb sie mich und den Jure Kujundzija bestimmten, zum Pascha nach Sarajevo zu gehen. Wir gingen wacker drauf los, brachten das Anliegen vor und kehrten bei schlechtem Wettei', da der Schnee bereits höher als fünf Spannen lag, mit dem Buljukbasa (türki- schen Major) Gjelil, welcher sich zu uns gesellte, und dessen Häuser bei Turbet unweit Travnik sich befinden, zurück. (Folgt, wie der Teufel in den Gjelil gefahren und Mar- getic denselben aus dem Gjelil herausgetrieben.) 1688. (Es wird ein Wunder infolge des Gebetes erzählt und dann fortgefahren.) In diesen kriegerischen Zeiten stahlen die Türken christliche Kinder überall, wo sie konnten, und brachten sie nach anderen Orten, wo sie dieselben verkauften. In Mile bei Jaice fingen sie das Kind des Bruders des Kara-Ivan bei seiner Be- sitzung, ohne von Jemandem gesehen worden zu sein. Das Kind war aber gross und begann den heiligen Antonius und die Muttergottes anzurufen, und als sie das Kind unterhalb Liskovac, wo sich Schafhirten und auf der anderen Seite Feldarbeiter be- fanden, vorbeiführten, fielen Wölfe die Schaf heerden an, worauf die Schafhirten und Feldarbeiter ein Geschrei erhoben: „Poteci na drumu!“ („Lauf gegen die Strasse!“). Die Türken, in der Meinung, verfolgt zu sein, warfen das Kind weg und liefen davon. 1689. Die Franziskaner von Rama schickten nach Cetina um Truppen (Frei- schaaren), welche nach ihrer Ankunft Rama ausplünderten, weshalb die Franziskaner entwichen und das Kloster anzündeten. Es entkamen wenige Leute, und als sie die Kirche anzündeten, erhob sich aus den Flammen eine ungeheure Lichterscheinung, welche gegen den Himmel emporloderte, was viele Menschen sahen; aber kurze Zeit nachher stai'ben die Franziskaner und die Häuptlinge (Arambase), welche die Kirche angezündet hatten, eines schlimmen Todes. 1690 *) In Rama bereiteten sich sämmtliclic Christen vor, die heiligen Sacramente aus meiner Hand zu empfangen. Die Messe las ihnen Gruicic beim Hause des Peter in Potok, wohin die Pestkranken kamen und wo er ihnen auch die Beichte abnahm; aber es hatte sich, wie dies zur Pestzeit gewöhnlich vorkommt, bereits Alles untereinander vermengt, indem Einer dem Anderen nicht sagen wollte, dass er mit der Pest behaftet sei. In Prozor überstand ein Türke die Pestkrankheit und ging Abends um das Feld herum, und als er zurückkehrte, fand er ein hässliches Mädchen vor seinem Hause sitzen, welches ihn ergriff und sich auf seinen Rücken setzte. Er bat sie hin und bat sie her, aber sie liess ihn nicht los, sondern befahl ihm, sie nach Gruiie zu tragen. Dieses Wunder sahen auch das Weib und die Kinder des Mannes; diesem aber blieb nichts übrig, als den Unhold fortzutragen, und als er mit ihm in die Nähe der Stelle kam, wo soeben die Messe gelesen wurde, sagte das Mäd- chen: „Bleib’ stehen, geh’ nicht hinauf!“ — „Warum?“ antwortete der Türke. — „Geh’ nicht hinauf, wir sind nahe.“ — „Warum plagst du mich?“ fragte der Türke. — „Dort geht jener Franziskaner und liest die Messe, dahin dürfen wir nicht!“ antwortete der Unhold, stieg von dem Türken ab und verschwand, was in der ganzen Gegend bald bekannt wurde. Als nun in dem betreffenden Dorfe Niemand mehr an der Pest starb und auch Niemand von ihr befallen wurde, verlangten die Leute, dass überall heilige Messen gelesen werden, und fasteten am Montag im Geheimen nach einem Gelöbniss b Die liier übergangene Stelle von einer Pest und Hungersnotli im Jalire 1690 siehe unter den Notizen dieses Theiles in der Mittheilung von Dr. Giro Truhelka „Ueher eine in Sarajevo geprägte türkische Münze“. 284 I. Archäologie und Geschichte. zum heiligen Rochus. Die Messen haben wir überall gelesen, und es starben damals sehr wenige Leute. Alle glaubten, dass die Pest in Gestalt eines Weibes herumgehe, und es gelang mir nur mit schwerer Mühe, die Leute zu überzeugen, dass dies ein Teufelsbetrug sei, und dass sie von Gott kraft der heiligen Messen verschont geblieben seien. Die Pest erlosch, und ich ging nach Fojnica zurück. Es schickte aber Arslan Beg Kopcic um mich, und als ich kam, sagte er: „Ich habe ein Vermächtniss auf der Seele; ich hatte einen Christen als Diener, welcher an der Pest starb, und welcher mir bei seinen Lebzeiten auftrug, ihn von seinem Verdienste im christlichen Friedhofe zu bestatten, ein Kreuz aus Stein auf das Grab zu setzen und das Grab einzufrieden, was ich auch Alles gethan habe; aber er sagte mir noch, ich möge auf seinem Grabe Messen lesen lassen, darum bitte ich dich, stelle ihm an das Kopfende des Grabes einen Altar und lies für ihn die Messe,“ und hiezu gab er mir das Messgeld und sagte: „Wisse, dass von dem Seinigen nichts übrig bleiben soll.“ Dies verzeichnet^ ich zur Schande jener Christen, welche es versäumen, das Ver- mächtniss ihrer Verstorbenen zu vollziehen. Im Herbst 1731, als in Fojnica die zweite Pest zu wüthen begann, kam an die Thür des Klosters zu Fojnica ein Mann mit dem Spitznamen Pobro und rief den Klostervorsteher, Guardian Fra Petar Martinovic aus Lasva, heraus und sagte vor Zeugen dem Stefan, Sohn des Cica: „Du bist mir Geld schuldig?“ und als Stefan dies bejahte, sagte der Türke: „Von jener Schuld wirst du dem Klostervorsteher neun Zolota1) geben, welche mir die Franziskaner damals gaben, als Fra Gabriel Kordic Guardian war, und Fra Philipp Kuhac aus Livno mit mir wegen eines den Franziskanern gehörigen Baumes, den ich umzuhauen begann, bei der Hinterthür rang, und inzwischen der Acimovic Hadzi Mehmed einen Thaler heraus- nahm und sagte: dies haben sie mir gegeben, dass ich die Angelegenheit schlichte, da- mit sie nicht vor den Kadi komme. Denn jetzt ist es an der Zeit, dass Jedem das Seinige zurückgegeben werde. Dieses verzeichnete Fra Nicolaus von Lasva, welcher dabei zugegen war. 1696. Es gibt einige auf Grundstücken lastende Tribute (haraci), welche „Dukati zvezani od cara“ (Ducaten, bemessen vom Kaiser) genannt werden und in Banjaluka zu entrichten sind. Ein solcher war dem Marko Kujundzic aus Podmiljacje der Zupa Jajce auferlegt, welcher so arm, aber auch so gerecht war, .... (folgt eine Anekdote von seiner Gerechtigkeit). Es befindet sich oberhalb Travnik ein Turbe oder Mehit - — bei uns heiliger Körper (sveto tilo) genannt — wohin die Türken wallfahrten, um von Krankheiten zu genesen. Sie sagen, es sei ein türkisches Grabmal. Viele von unseren bejahrten Vätern und Glaubensgenossen habe ich darum befragt, und sie sagen Alle, dass daselbst ein Märtyrer des Christenglaubens niedergemacht worden sei, dessen Namen aber Niemand anzugeben weiss. Hier befindet sich ein sehr grosser Pappelbaum, welchen, wie man erzählt, Niemand umhauen darf. Etwas weiter vom Grabe entfernt strömt eine aus- gezeichnete Quelle, über welcher ein Blockhaus steht und welche die Türken kali- bunar (blutiges Wasser) nennen, weil nach der Sage zur selben Zeit, als sie den ge- nannten Märtyrer köpften, hier Blut hervorrieselte; und man sagt, dass um dieselbe Zeit im Jahre auch jetzt noch das Blut hervorkommt. Im Sarajevoer Felde oberhalb Blazuj liegt ein Ort, welcher Rogacici genannt wird, und wo einstens die Kirche des heiligen Blasius stand, deren Baumateriale wahr- lich merkwürdig war. Die Säulen derselben waren aus allerschönstem Marmor, welcher b Altes türkisches Geldstück. Truhelka. Auszug ans der Chronik des Fra Nikolaus von Lasva. -285 der Sage nach am Trebevic oberhalb Sarajevo gebrochen wurde, was schon deshalb glaubwürdig erscheint, weil eine solche Last, wie diese Steine hatten, vom Meeresufer auf dem Festlande nicht herbeigeschafft werden konnte. Usrembeg zerstörte das Kloster und führte die schönen Steine und Säulen nach Sarajevo und verwendete sie für seine und die Careva-Moschee, wie dies noch heute zu sehen ist. Das übrige Steinmateriale wurde bei der Brücke unterhalb der Bosnaquellen und bei jener in Reljevo verwendet. Dies kann man glauben, weil auf einigen um die Cisterne in Blazuj stehenden Steinen und Platten noch jetzt Figuren und Wappen zu sehen sind; und wer es nicht glaubt, der kann eine Altarsteinplatte sehen, welche 20 Ochsen zur Brücke in Reljevo zogen und welche unterhalb des Dorfes Crnotina auf Schussweite von der Brücke ent- fernt liegen blieb. Es versammelten sich 40 Männer und wollten dieselbe wieder auf den Wagen laden, was ihnen aber nicht gelang. Diese Platte liegt auch jetzt noch am Wege und ist nicht gar so gross. Von derselben Kirche befindet sich unter der ^eljeznicabrücke eine steinerne Statue, welche die Katholiken besuchen und küssen, welche aber derart abgestossen ist, dass man nicht erkennt, welchen Heiligen sie darstellte. Man sagt, dass sie ein Bild der Muttergottes gewesen, und dass die Türken öfters versucht hätten, dieselbe ins Wasser zu stürzen, dass sie sich aber trotzdem immer wieder an dem alten Platze befindet, wo sie auch noch heute steht. 1697 plünderte Prinz Eugen Sarajevo und viele andere Städte längs der Bosna und entführte viele Gefangene und unermessliche Beute und setzte ganz Bosnien in Schrecken. 1701, 10. März. Es wird zum ersten Male in der Hercegovina der IParac x) ein- gehoben. Dasselbe Jahr, am 10. Februar, fiel um Mostar ein dunkler Regen, und selbst einen Monat nachher konnte man noch die Asche vom Gestein abkehren. 1715. Das bosnische Pleer, angeführt von Mustaj-Pasclia (Jelic, dem Pascha von Maros, dem Pascha von Albanien und dem Tatarensultan Kavga, brach, wie es hiess, gegen Zara auf. Es blieb aber vor Sinj liegen, belagerte es und stürmte heiss drauf los, ohne dem Ort etwas anzuhaben, und wurde nächtlicherweile unbewaffnet vernichtet, weil es die gebenedeite Jungfrau also wollte, welche den Croaten beistand, dass sie die Stadt nicht den Türken übergaben, wie sie die Stadt Vrljika aufs Wort auslieferten, doch erfolglos, da die Türken die Croaten daselbst niederhieben, ihre Weiber und Kinder und die Waaren fortschleppten und nur die Soldaten des Prinzen (Eugen) und den P. Fra Stefan Gvozdeni freiliessen. Damals plünderten die Türken Otok in der Ebene von Sinj und entführten viele Sclaven. 1716. Am 13. August fiel Schnee in Bosnien und brachte der Frucht grossen Schaden. Dasselbe Jahr bekriegten die Türken den Kaiser, und der Grossvezier führte ein furchtbares Heer nach Varadin (Peterwardein). Das kaiserliche Heer kam der Stadt zu Hilfe, angeführt von Prinz Eugen, General Nadasd, Prinz Alexander und anderen deutschen und magyarischen Herren und Kriegern. Diese griffen die Türken an, schlugen und zerstreuten sie und nahmen ihnen die Casse („hazna“), die Mund- vorrätlie und alle Feldgeschütze. Dabei fiel der Vezier und ungezählte andere Türken. 1717. Am 20. Juli fiel in Bosnien Schnee auf den Bergen. Desselben Jahres am 20. August eroberte das Heer des Prinzen von den Türken Imotski. Im selben Herbst ) Kopfsteuer. 286 I. Archäologie und Geschichte. belagerte Petras Zvornik, um es zu beschiessen. Gleichzeitig belagerten die Krajiner Novi. Hier war ein deutsches Heer, und als sie sahen, dass sie leichte Arbeit hätten, fingen sie wegen der fremden Stadt untereinander zu streiten an. Die Krajiner be- haupteten, sie gehöre dem Banus, die Deutschen, sie wäre kaiserlich. Schliesslich zogen sich die Deutschen zurück, und die Krajiner blieben zu ihrem Unglück zurück; denn der Pascha Osman Kjöprüli, welcher in Bosnien commandirte, schickte Befehl und Leute durch ganz Bosnien, es möge jeder zur Waffe greifen, wer nicht den Kopf verlieren wolle. Gross und Klein war auf den Beinen. Wer keine Waffen besass, nahm ein Beil oder einen Knüttel; eine Abtheilung unter Kjöprüli zog Zvornik zu Hilfe, eine andere unter dem Ahmet Alajbeg, dem Sohne Ali-Paschas, gegen Novi; beide fielen die Gjauren an und schlugen sie an beiden Orten. Man sagt, vor Zvornik seien von Krajinern, Schokazen und regulären Truppen an die 10.000 Mann gefallen. Bios an gebundenen gefangenen Soldaten liess Kjöprüli auf einmal 300 hinrichten. Als Prinz Eugen dies vernahm, schrieb er nach Constantinopel, dass es nicht Soldatenbrauch sei, gefesselte Feinde hinzurichten, und der Pascha wurde sofort aus Bosnien entfernt, ja, wie man sagt, deshalb hingerichtet. Auch bei Novi fielen von Croaten und anderen Kämpfern an die 8000, und Gefangene konnte jeder machen, dem es daran lag. Deshalb wurden die Bosnier kühn, sammelten mehr als 80.000 Mann und zogen aus, das Land des Prinzen zu verheeren; aber in Kupres erreichte sie des Kaisers Ferman, umzukehren, und sie kehrten um. 1719. Im Monat Jänner verkündete in Bosnien Paul Despotovic aus Almissa den Frieden. 1722. Am 22. März begann Ahmet-Pascka (Alipasic) aus Skoplje in Rama Schätze zu graben; er grub bis zum Mai und grub einen grossen Hügel aus und fand nichts, und er brauchte 7600 staatliche Taglöhner („argata od vilajeta“). Dasselbe Jahr am 13. Juni liess Abdullah-Pascha den Salih-Pascha Ivulenovic, den Kapetan von Biliac und den Sagarcin aus Sarajevo, der Kadi in Travnik war, hinrichten. 1724 brannte Sarajevo, d. h. in der Stadt viele Häuser und Kaufbuden. 1727 kamen aus Constantinopel 64 Tovars Aspern (Geld), damit gegen Persien Soldaten („Sejmeni“) angeworben würden. Die Werbung begann am 7. März und ab- marschirt wurde am 2. April, angeführt vom Serasker Ahmed-Pascha, Sohn des Ali- Pascha. Sie zogen gesund und in Ordnung aus, aber Wenige kamen im Trupp nach Hause, und diese krank und wund. Das war eine Strafe Gottes, weil sie vor ihrem Abgänge in Bosnien vieles Böse und Unruhen verursacht hatten, indem sie selbst den Abdullah-Pascha, wenn er in der Ebene von Travnik nicht geflüchtet wäre, nieder- gestochen hätten, wie sie auch sein Zelt zerstörten. Folglich: wenn sie den Vezier so behandelten, wie erging es erst den armen Leuten? 1728. Am 7. April kam Ahmed-Pascha aus Skoplje, welcher aus Persien (als Vali) nach Bosnien heimkehrte. Um beim Kaiser in gutes Ansehen zu kommen, be- gann er die Festung von Sarajevo 1729 mit grosser Mühe und Kosten (harc) für ganz Bosnien zu bauen. Dasselbe Jahr entfloh dem österreichischen Kaiser Marschall Bona- valle und verweilte das ganze selbe Jahr in Travnik, und der Pascha gab ihm Alles, was er und seine Begleitung brauchte. 1730. Der vorerwähnte General Bonavalle ging mit dem Pascha nach Sarajevo, trat da mit zwei Gefährten zum Islam über und nahm den Namen Ahmedbeg an. Plierauf ging er nach Constantinopel, wo er sich der Artillerie widmete. Er führte aus Bosnien 300 junge Türken, um sie zu lehren, wie man aus Kanonen Festungen Truhelka. Auszug aus der Chronik des Fra Nikolaus von Lasva. 287 beschiesst und Kanonen giesst. Bald sollten diese Jünglinge krank und ohne Verdienst lieimkehren. 1732. In Fojnica tauchte die Pest auf, und das erste Opfer, ein Orientalisch- Orthodoxer, starb am 20. November in der Stadt. Ein Jahr vorher fing sie in Sara- jevo und Jajce zu wüthen an, und als das Jahr 1732 anbrach, vergiftete sie ganz Bosnien. Um alle Menschen aufzuschreiben, welche damals starben, wäre viel Papier und Zeit erforderlich. In Fojnica suchten die Leute bei Gott und den Heiligen Zu- flucht, und es starben an der Pest, Gross und Klein, nur bei 50, dann 7 Griechisch- Orthodoxe und 1200 Türken. Im Kloster erkrankte der Vicar Fra Stefan Begovic, und als er sah, dass die Fratres erschracken, sagte er: „Ich werde sterben, aber vom Kloster ausser mir Keiner.“ Und so geschah es. (Es folgen Aufzählungen der Opfer der Pest und einiger Wunder.) 1734. Am 14. October kam aus Constantinopel ein Ferman, durch welchen es er- laubt wurde, das Kloster und die Kirche zum heil. Geist in Fojnica mit Kieferschindeln zu decken. Kaiser war Sultan Mahmud und (Vali) in Bosnien Abdullah-Pascha (wie der Ferman kam) zu Händen seines Sohnes und auf Ansuchen des Herrn Doctors Dominicus Castello aus Zara, Leibarztes (ecimbasa) des Pascha. Es ging viel Geld dabei auf,1) und die Meister begannen am 18. October das Baumaterial (japija) zu be- arbeiten und beendeten die Deckung am 5. Jänner 1735. Dieses selbe Jahr überwarf sich das Kadiluk Fojnica mit dem Silihdar2) Abdullah-Paschas, welcher Verlegenheiten verursachte, da die armen Leute nicht im Stande waren, so viel Geld herzugeben, als er forderte, und es sammelten sich mehr als 1000 Menschen an. Der Kadi Becir Krivi6 versteckte sich, und den Sililular hätte das Volk fast gesteinigt. Schliesslich wurde er Abends davongejagt; man erlaubte ihm gar nicht, das Ramazanessen einzu- nehmen. Darauf überwarfen sich wieder die von Visoko und Sarajevo mit dem Pascha, und dieser wurde von Bosnien abberufen und an seine Stelle kam Ali-Pascha Ecimovic, früher Vezir, ein sehr kluger, mit dem Kriegshandwerk vertrauter, kräftiger, dem Volke zugethaner Mann. 1736. Am 13. Mai zu den Quarten nach Pfingsten nahmen Anton (Bolo) Dovric aus Fojnica und Stevo aus Sutinska in Fojnica den Islam an, und wenn schon der Antichrist die Fratres und Christen nicht verfolgte, so durfte sich doch in diesen Tagen kein Christ ausserhalb des Hauses zeigen; denn mit jenen Beiden zog eine Menge türkischer Taugenichtse mit Pauken und Flöten durch die Gassen der Stadt und unter dem Kloster vorbei. Wo sie einem Christen begegnen, beschimpfen sie ihn, beschmutzen die Häuser, toben, zertrümmern die Fenster: „Willst du Türke werden?“ rufen sie ihm zu. Dasselbe Jahr kam der Auftrag aus Constantinopel nach Sarajevo, man möge in Bosnien „Beschlis“ und „Sejmenis“ gegen den Moskoviter anwerben; und nicht nur die Angeworbenen zogen fort, sondern auch vier bosnische Alajbegs mit allen Zaims, Begs, Spahis und Nefers. Von allen Seiten zogen sie aus; je drei rüsteten den vierten; und dieses Jahr kam es zu keinem Zusammenstoss, die Rotten streiften nur herum, wobei sie bald gewannen, bald verloren. Die bosnischen Beschlis plünderten in der türkischen schwarzen Moldau (Kara-Vlaska) einige Dörfer und orthodoxe Klöster und kehrten heim, über Hunger und Winterkälte klagend. Einige der Orthodoxen kamen, sie zu verklagen; doch der Pascha gestand ihnen nichts zu, weshalb es gleichzeitig zum Unfrieden mit dem (deutschen) Kaiser kam. b Das ist: zur Erlangung' des Fennans. 2) Waffenträger. 288 I. Archäologie und Geschichte. 1737. Am 14. Juli erschien der Mulah von Sarajevo auf der Rückkehr aus Trav- nik in Fojnica und kam mit seiner Begleitung ins Kloster. Er ging nicht nur durch die Kirche, sondern auch durch das obere und untere Dormitorium und die Mönchs- zellen, und, Gottlob, nahm uns nichts, wie wir befürchteten, noch fand er etwas, wegen dessen er uns hätte beschuldigen können. Wie wir aber hörten, war das Alles türkische Teufelei; denn man hatte ausgesprengt, im Kloster wären viele Waffen und deutsche Helme angesammelt, die den Fratres aus dem Ausland zugekommen seien, damit die Rajali leichter gegen die Türken kämpfen könne. Und er ging nach Kresevo, um auch dort wie in Fojnica nachzusehen, aber unterwegs ereilte ihn die Nachricht, er möge schleunigst nach Sarajevo kommen, denn eine Abtheilung Deutscher sei im An- marsch gegen Ostrovica, eine gegen Banjaluka und eine dritte gegen Zvornik. Und vorher versahen sich die Türken keines Krieges, obwohl Boten zum Pascha nach Trav- nik kamen; aber der Pascha liiess davon gar nicht sprechen, denn es fehlten ihm Nach- richten aus Constantinopel. Und die Boten meldeten ihm einer nach dem andern: „Basti Gjaliur“, das heisst „der Gjaur kommt!“ Und so im Ungewissen, berief der Pascha den Mulah und alle bosnischen Herren nach Travnik, wo sie beschlossen, wenn der (deutsche) Kaiser (Cesar) Krieg beginnen sollte, habe Alles zu den Waffen zu greifen, auch die Kadis, Imams, Spahis, was nur einen Säbel gürten könne, und wer zurückbleibe, der sollte an der eigenen Hausthür aufgeknüpft werden, und dies Alles, weil sie vom türkischen Kaiser (Car) keine Hilfe zu gewärtigen hatten, da er, wie wir oben erwähnten, mit dem Moskoviter zu kämpfen hatte. Unterdessen kamen und gingen des Paschas Leute durch ganz Bosnien und hoben Jung und Alt, was nur Waffen tragen konnte, aus, und vor ihnen gingen die Häupter und Dorfältesten („glavari i starisine od mistah“) und Albanesen, und es sammelte sich ein wunderlich furchtbares Heer. Als dieses vom früheren Yezir Ali-Pascha Ecimovic angeführte Heer aufbrach und am ersten Tage bei Karaula oberhalb Travnik bivoua- kirte, brachten sie einen nichtswürdigen Vlaclien, den die Türken gefangen hatten . . . „Wer ist Schuld, dass die Deutschen vor der Zeit Krieg begannen?“ Der Vlach (ich weiss nicht, war’s ein Mensch oder der Teufel durch eines Menschen Mund) antwortet: „Meine Herren, niemand Anderer als eure Rajali und an ihrer Spitze die Fratres!“ Als dies die Türkenmenge hört, tobt Alles gegen die arme Rajali und gegen die Mönche; und der Pascha, um den Türken recht zu thun, sagt ihnen: „Kommt,“ ruft er, „lasst uns früher die Deutschen schlagen; und wenn wir heimkehren, wollen wir alles Männliche von sieben Jahren an niederstechen, auf Pflöcke schlagen und die Weiber in die Sclaverei führen!“ 0 traurige Botschaft und Nachricht! „Das für deine Nachricht!“ sagt der Cehaja und haut den treulosen Vlaclien nieder. Als der Pascha nach Jajce kam, führten ihm die Türken den gefangenen Grafen „Serens“ (sic!), welcher 120 Reiter befehligt hatte, und zwei andere Hauptleute vor, die sie besiegt und deren Truppen sie vor Ostrovica zerstreut hatten. Als Anführer der türkischen Grenzmiliz schickte der Pascha seinen Causlar Cehaja Osmanbeg Alipasic aus Skoplje voraus, und es fiel nicht nur dieser, sondern auch viele vornehme Türken und von den Gjauren etwas weniger, und diese verliessen die Stadt und nahmen ihre Geschütze mit, und die Türken brachten ihre Soldaten hinein, und um die Wahrheit zu gestehen, man wusste nicht, wer Sieger und Besiegter war. Aus Jajce zog der Pascha mit dem Heere nach Podrasnica, wo er 15 Tage ver- weilte, bis sich das Heer von allen Seiten verstärkt hatte. Die Deutschen beschiessen Banjaluka von zwei Seiten. Jenseits des Vrbas war das Hauptquartier, diesseits (d. h. Truhelka. Auszug' aus der Chronik des Fra Nikolaus von Lasva. 289 auf der bosnischen Seite) waren einige vorzügliche Regimenter, dann zwei Mörser, woraus sie die Stadt mit Bomben bewarfen, und drei Feldschlangen; und da gab es Kriegszeug und Proviant genug. Unterdessen überlegten die Türken, auf welcher Seite sie angreifen sollten, da kam ein Altgläubiger („starovirac“) und sagte: „Wenn ihr sie auf dieser Seite nicht besiegt, auf jener werdet ihr es nie, da ihrer zu Viele sind.“ Die Türken folgten ihm, setzten über den Vrbas, die Reiter zu Pferd; die Fussmann- sehaft machte aus Stricken und Seilen eine Brücke, und so geht das türkische Heer von Podrasnica bei Banjaluka, die Strassen vermeidend, durch den Wald; und damit sie von den Gjauren nicht bemerkt würden, verbot der Pascha Nachts Feuer anzu- machen, und als sie sich am Sonntag, den 4. August langsam der Wache genähert hatten, die sie durch List niederhieben, überfielen sie plötzlich die Deutschen, welche sassen und spielten oder Tische deckten, Schnaps tranken oder in den leeren Türken- häusern herumlungerten. Als Diese die Türken sahen, hatten viele nicht einmal Zeit, zu den Waffen zu greifen; die, denen es gelang, schlugen die Türken zweimal tapfer zu- rück, und als der Pascha sah, sein Heer dürfte verloren sein, spornte er die Bosnjaken zum Kampfe an, sowohl er als seine Paschalis (Adjutanten); und als das Heer sah, dass sich der Pascha, dem es die Grenzer vorher aus Furcht, er könnte in Gefahr kommen, nicht erlaubt hatten, in den Kampf stürzte, fielen sie vereint über die Deutschen her, schnitten ihnen ihre Reserven ab und kamen in ein wüthendes Handgemenge. Die Deutschen, ausser Stande, der Uebermacht zu widerstehen, kehrten um und flohen über die Brücke, die sie über den Vrbas geschlagen hatten. Nächtlicherweile brannte zum Unglück die Brücke ab, und als dies die Diesseitigen bemerkten, sprangen sie ins Wasser, warfen ihre Musketen weg, und einige durchwateten das Wasser zu Pferd oder zu Fuss, andere ertranken, und die von jenseits konnten ihnen nicht helfen, obwohl sie aus Kanonen und Gewehren schossen und viele Türken erlegten. Nun zogen sich die Türken zurück, und die Kaiserlichen plünderten übermüthig ihre eigenen und die tür- kischen Todten. Als es aber Abend wurde, fielen die Türken von rückwärts unterhalb der Burg in die Stadt, wo sie in die Häuser und Kirchen der Kaiserlichen eindrangen, welche aus Gewehren viele Türken niederschossen, und so ereilte die Nacht beide Tlieile. Die Türken kehrten in ihr Lager zurück, und die Deutschen beschossen noch einige Weile die Burg aus Kanonen, so dass die Türken rathlos waren; als aber die Nacht vorrückte, zogen die Deutschen mit ihren Kanonen und Sachen ab. Die wenigen Geschütze, welche diesseits waren, blieben den Türken, und sie (die Deutschen) zogen drei Stunden weit weg und blieben dort in Bereitschaft. Als es dämmerte und die Türken bemerkten, dass Jene nicht mehr vor der Stadt seien, sprangen sie auf, sie zu verfolgen, und zogen, namentlich die Arnauten und viele Bosnier, gegen des Paschas Willen gegen das deutsche Lager; sie konnten ihm aber nichts anhaben; denn Viele fielen, Viele wurden verwundet und kehrten zurück. Man weiss gar nicht, auf welcher Seite in dieser Schlacht mehr fielen, ob von den Türken oder den Gjauren; nun, sei dem wie ihm wolle, Böses geschah wenig. Als die Türken von Banjaluka abzogen, gab es in der ganzen Menge nur Wenige, die von den Fratres und der Rajali nicht Böses er- zählten und sprachen. Kurz darauf ging Mehmedpasic aus Korea mit acht Genossen und brachte des Paschas Bujruntija, die Guardiane von Fojnica P. Fra Johannes Gabric, von Kresevo P. Fra Thomas Dadic und von Sutinska P. Fra Bono Benic und nicht nur sie, sondern Alles, was sich mit Hanf gürtet, vor den Pascha zu citiren. Und die Guardiane, um die Mönche und den Bischof, Se. Magnificenz Herrn Fra Mathias Delo- vic, den Türken nicht auszuliefern, gaben vieles Geld, und die Guardiane gingen mit den Tschausch’s nach Busovaca, wo sie dem Pascha begegneten, der nach Sarajevo Band II. • i q 290 I. Archäologie und Geschichte. reiste, und da wurden sie nicht vor den Pascha gelassen, sondern es wurde ihnen an- befohlen, nach Sarajevo zu kommen, und als sie dort anlangten, wurden sie ins Ge- fängniss gesetzt. Da traten Viele auf und sprachen: „Niemand hetzte die Deutschen gegen uns auf als die Fratres.“ Andererseits Hessen Gott und gute Freunde nicht zu, dass die Feinde an uns handelten, wie sie wollten, d. h. dass sie uns Kirchen und Klöster zerstörten, ihre Anschuldigung zu bewahrheiten. Trotzdem nahm der Pascha den Fra- tres viel Geld ab von allen drei Klöstern. Unterdessen traf die Meldung ein, die Deutschen hätten Nis erobert und seien vor Uzica erschienen, und der Pascha schickte Boten durchs ganze Land, um Jung und Alt aufzubieten, was waffenfähig sei, um die Deutschen zu verhindern und diesen den Uebergang bei Visegrad zu verwehren. Die Fähnleins zogen am 23. December ab, konnten aber Uzica nicht mehr helfen, weil die Deutschen es bereits eingenommen hatten; die türkische Truppe zog jedoch aus und plünderte die eigene Rajah jenseits Uzica. Die Deutschen geleiteten die türkische Mannschaft, die sich in Uzica auf Treu und Glauben ergeben hatten, schön bis zu des Paschas Zelt, und der Pascha bewirthete die Deutschen gut und gab ihnen Freibrief und Geleit, sie mögen ruhig nach Uzica um- keliren. Dann Hess der Pascha vor seinem Zelte den Kadi von Uzica hinrichten, weil er die Stadt den Deutschen übergeben hatte. Darauf zog das türkische Heer aus und plünderte Valjevo, eine kaiserliche Stadt, wo es viel Beute machte. Indessen kam die verbürgte Nachricht, die Deutschen hätten Nis, eine feste Stadt, aufgegeben und die Türken sie bezogen. 1738. Am 20. Februar zogen die Türken, an ihrer Spitze Ibrahim-Pascha Ali- pasic aus Skoplje, wieder vor Uzica und nahmen es gegen Capitulation. Sie beglei- teten die Kaiserlichen bis Belgrad, und die türkische Rajah wurde von den Türken gehangen und geköpft und unbarmherzig in die Sclaverei geführt. Darauf zog das innere türkische Heer vor die feste kaiserliche Stadt Orsova auf der Insel, und es kam ihr ein deutsches Heer zu Hilfe und schlug die Türken aufs Haupt; da Hel der Vezir von Bagdad, sein Sohn wurde gefangen genommen, und unter Anderen Helen drei Utsch-Tuglis. ') Im Hochsommer des vergangenen Jahres nahmen die Moskoviter mit den Deutschen Ozia auf Capitulation, und als sie die Türken aus der Stadt Hessen, zogen einige Bosnjaken, um ihren Heldenmuth zu beweisen, die Säbel und fingen an, auf die Moskoviter einzuhauen, doch zum Unglück für sie; denn die Moskoviter trieben die, die sie losgelassen, zurück, und die, welche in der Stadt waren, wurden aufgehalten, und was nicht ihr eigenes Heer war, wurde niedergemetzelt, und alle Herren aus Bos- nien warfen sie in die Sclaverei, und es kamen so viel vornehme bosnische Herren in die Sclaverei wie noch nie zuvor. Im Monate Juli zog Ali-Pascha mit drei Arnauten-Paschas, Ibrahim-Pascha aus Skoplje und Kulenovii mit den übrigen Paschas, Begs, Alajbegs, Zajims, Spahis, Baschas, Sejmens und Nefers von ganz Bosnien aus, und vor Novi über die Una eine Brücke schlagend, fielen sie in die Banovina ein. Eine Truppe stürmte eine Palanka, welche Pedalj heisst, aus welcher die Gjauren ein dichtes Feuer unterhielten, wobei viel Türken umkamen; von hier wendeten sie sich nach Zrinj, doch sie konnten ihm nichts anhaben, beschossen es einige Tage und schickten um ein grosses Geschütz nach Novi. Sie zogen es schon herbei, als vom Pascha der Befehl kam, umzukehren; denn es waren Boten eingetroffen, und der Pascha zog sich mit dem ganzen Heere zurück und verliess Zrinj. Vorher zog ein grosser Trupp abermals vor Pedalj und eine andere *) Paschas mit drei Rossschweifen. Truhelka. Auszug- aus der Chronik des Fra Nikolaus von Lasva. 291 Palanka, welche Lakat heisst, lind als sie sie leer fanden, legte der Pascha als Wache Besatzung hinein; doch als der Pascha abzog, zog auch die Besatzung ab und liess beide Palanken im Stich. Als die Türken bei Novi über die jüngst errichtete Brücke setzten, stürzte diese ein, und es ertranken Pferde und einige Türken. Als sie in ihr Land kamen, fanden sie 3600 Tataren, welche dem Pascha zu Hilfe gekommen waren. Und nicht nur diese, sondern 40.000 Mann liess er nach Ivnezevo polje ziehen, wo sie einige Leute gefangen nahmen, aber schlechter als vor Zrinj und Pedalj ankamen; es fielen auch Gjauren; aber mehr Türken, Tataren und Arnauten sind theils umge- kommen, theils von den Gjauren gefangen genommen worden. Die Türken drohten, auch Dubica zu verbrennen, aber die Dubicaner wehrten sich tapfer und schlugen die Türken zurück. Im Weichbilde von Dubica stürmten die Türken ein Blockhaus, wo die Wache war, den ganzen Tag über, und als es Abend wurde, ergab sich die Be- satzung aufs Wort. Es kam die Nachricht, die Türken hätten Orsova genommen und dieses sei von dem darin commandirenden General, welcher den Islam annahm und den die Türken nachmals Mehmedbeg nannten, verrathen worden. Da jubelten die Türken in ganz Bosnien. Denselben Herbst zog Ibraliim-Pascha mit einer grossen Rotte aus, die Lika zu plündern; doch er plünderte nicht, denn es gingen viel Türken und Tataren zu Grunde; ein anderes Heer zog vor Raca, eine Palanka auf Platten, doch konnte es ihr nichts anliaben, sondern kehrte um. Desselben Jahres im Monate December plünderten die Likaner zweimal die Ebene von Livno und vorher Unac bei Grahovo und selbst Graliovo bei Glamoö. Dasselbe Jahr im Monate November war in Eojnica Emin Nehter, Sohn Osinans aus Sarajevo, welcher, als er nach Sarajevo reiste, seinen Burschen, einen geborenen Arnauten, zurilckliess; und dieser wurde ermordet aufgefunden, während im Plause und um dasselbe kein anderer Schaden angerichtet war. Deshalb kamen des Paschas Tschausche und arretirten den Guardian von Fojnica P. Fra Johannes Gabric und wollten ihn martern, doch Nachts sprang Jung und Alt auf und begann vor dem Han zu bitten und zu schreien, und die Weiber und Kinder schürten die ganze Nacht das Feuer. Indessen gebot der Kadi, man habe den Gefangenen nicht zu martern, und so geschah es; doch nahm man Geld. Der Mubaschir verlangte von den Türken auf dem Land, von den Christen in der Stadt und vom Guardian den Schuldigen zu erfahren; doch sie wagten ihn nicht zu nennen; da verlangte er zehn Kesas Aspern (Geld) und begnügte sich mit zweien. Da begann Emin zu sprechen, es seien ihm zehn Kesas verschwunden, kam dann auf acht, auf fünf und eine zurück, und als sie die Geldkiste (Cakmece) zu Gericht brachten, frag der Kadi: „Wo ist der Schlüssel dazu?“ Und jener antwortete: „Er blieb beim ermordeten Burschen.“ Der Mubaschir sagte darauf: „Dummkopf, was überlässt du Kindern das Geld?“ Als sie die Kiste aufbrachen, war darin kein Heller, sondern ein Buch und zwei . . . („nele“), und er bekannte selbst, dass nichts Anderes darin gewesen sei. Indessen liess der Tschausch den Ivan Mandic und Coca, Sohn des Nikola Agatic, in Ketten zum Han bringen, welche man gebunden hatte, weil man dachte, dass sie etwas von der Sache wissen müssten. Dem Ersteren gaben sie 300 Stockstreiche, dem Zweiten beiläufig 20, denn als sie sahen, dass er nicht weinen könne, Hessen sie ihn laufen und meinten, er sei ein Narr. Es nahm sich ihrer die ganze Stadt und des Guardians der ganze Bezirk an, und man gab dem Tschausch 1000 Groschen und dem Emin 200 gegen das Recht — „cause odose, koji bijase jedanajst“ (unverständlich). Vor Allem diesem hatte Emins Bursche, der Zigeuner Duran, Manda, das Weib des Mijat 19* 292 I. Archäologie mul Geschichte. Veljikovic, entführt. Mijat verlangte das Weib von Emin und ging nach Travnik zum Pascha klagen. Der Pascha legte ihm (dem Mijat) eine Geldstrafe auf, und vermuth- lich hat dieser aus Rache des Emin Burschen umbringen lassen. Der Zigeuner und Manda Hessen von sich in Spalato hören. 1739. Am 28. März, am Vorabende des Osterfestes; in Fojnica gibt es eine grosse Quelle, welche Scona genannt wird, und von welcher es heisst, dass man davon Kröpfe bekommt; diese floss blutroth und darauf setzte sich ein blutiger Schaum ab; die Leute konnten es einige Zeit nicht trinken, und obwohl Regenwetter war, floss der Fluss, der aus dem Gebirge kommt, klar, während die besagte Quelle sehr trüb war. Das- selbe Monat und Jahr, tags darauf am Abend zeigte sich der Himmel so blutig, dass sich Jeder wunderte, der es sah. Im Monate Februar kamen nach Travnik drei Lasten Gold-Aspern, damit Soldaten ausgehoben würden; es wurden die Fahnen entfaltet, und jeder Mann erhielt an Löh- nung 22 Groschen ohne Nahrung auf drei Monate. Im selben Jahre, zu Anfang des Monats Mai, zog der Pascha mit seinem Heere in das Travniker Feld, da es ihm nicht zukam, in Kriegszeiten zu Hause zu sitzen; die Türken schleppten Paul Pilasevic aus Kotor gebunden herbei, welcher sich dasselbe Jahr hatte anwerben lassen und dem Buljuk-bascka entflohen war, da dieser ihm wenig Lohn und noch weniger Nahrung gegeben hatte. Mit ihm war ein Altgläubiger entflohen, weshalb die Türken sie beschuldigten, sie wären Verrätlier. Wie gesagt, sie wurden vor den Pascha gebracht, welcher ihnen sagte: „Werdet Türken, und ich verzeihe euch!“ Des Paul Gefährte, IJrkac, verleugnete sofort Christum und nahm den Islam an; Paul aber sagte: „Nein!“ Die Türken führten ihn in Ketten ab. Drei Tage lang wurde er überredet, sich zum Islam zu bekennen, doch er, fest im wahren katholischen Glauben, wollte Christum nicht verleugnen, weshalb der Pascha dem Scharfrichter gebot, ihn zu köpfen, was auch geschah. Als einige Tage darauf der Pascha ausritt, sah er des Pauls Leichnam weiss Avie Schnee. Er befahl, dass ihn die Christen begrüben. Bis zu dieser Zeit liess man nie- mals einen Hingerichteten Gefangenen begraben; dies aber liess Christus zu, damit ihn die Hunde und Vögel nicht auffrässen, Aveil er Gott nicht verleugnet hatte. Dasselbe Jahr liess Ali-Pascha in Fojnica und Kresevo viele grosse Anker schmie- den, gross wie die auf Seeschiffen, und man sagte, er Avolle damit eine Brücke über die Save bauen. Darauf hob er alle Spahis, Baschas und Nefers aus und ging über Zepce gegen Sabac und nahm Geschütze mit und liess verlauten, er werde Sabac stürmen. Die Absicht war aber eine andere, und das Heer zog gegen Belgrad, von welchem sich die Deutschen unkluger Weise drei Stunden entfernt hatten, um den Türken eine Schlacht zu liefern, und zAvar ohne Ordnung, die Reiter voraus, die Fussgänger hinten- drein. Das erfuhren die Türken, legten sich in den Hinterhalt, und hier Avurde beider- seits viel Blut vergossen, und viel tapfere Leute fielen hie und dort, und wahrlich, die Deutschen wären ganz verloren gewesen, wenn Hildburdaus (Hildburghausen) nicht angekommen wäre, und so kehrte das kaiserliche Heer nach Belgrad zurück, und die Türken zogen ihm nach. Die Deutschen ersehracken, die Türken könnten über die Donau setzen und in das Banat bis Temesvär Vordringen, doch für Belgrad fürchteten sie nicht. Der Vezir aber begann Belgrad hart zu belagern. Da die Deutschen auf die andere Seite der Donau gegangen waren, avo sie an die 3000 Türken fanden, die der genannte Prinz mit grossem Verlust zersprengte, konnten sie der Stadt nicht zu Hilfe kommen, und der bosnische Pascha begann aus den erwähnten Ankern über die Save eine Brücke zu bauen. Als dies von Belgrad gesehen wurde, gaben sie von dort Truhelka. Auszug aus der Chronik des Fra Nikolaus von Lasva. 293 einige Kanonenschüsse ab, welche nahe an die Brücke trafen, und so blieb diese un- vollendet. Unterdessen hatten die Türken dem Vezier den Sohn eines Generals und den Barnjakovic gefangen eingebracht. Als der Generalissimus des kaiserlichen Heeres sah, dass es schief gehe, erstens weil die Pest im Heere und im Lande wüthete, dann weil es viele Verräther gab, und drittens weil die Türken vom Beschiessen der Stadt nicht abstehen wollten, versprach er, den Türken die Stadt zu übergeben und unter der Bedingung Frieden zu schliessen, dass alles Neugebaute zu zerstören sei. Zur grösseren Garantie des Friedens Hessen sie die Türken in die untere Stadt, und die Deutschen blieben in der Stadt und sagten, sie würden am Martinstag und dann am Georgitag in die obere Stadt ziehen. Zu dieser Zeit sammelte Ibrahim-Pascha einen grossen Trupp aus dem ganzen Grenz- gebiet und zog aus, die Lika zu plündern, wo ihn die Likaner erwarteten und besiegten, und wären ihrer mehr an der Zahl gewesen, so wäre sicherlich kein Türke davongekommen. Im selben Jahre, am 14. September, als Ali-Pascha noch nicht von Belgrad heim- gekehrt war, kam dem Muselim von Sarajevo der Auftrag zu, alle Gefangenen freizu- geben, die sich in der Stadt befänden, unter welchen auch Graf Sereni und zwei andere Hauptleute waren; und die Türken fertigten ihnen Kleider, wie es Jedem ge- ziemte, und geleiteten sie mit grossen Ehrenbezeigungen bis nach Belgrad. 1740. Am 14. April verliess Ali-Pascha Bosnien. In demselben Monate, am 22. Tage, kam nach Sarajevo der neue Defterdar von Mostar (Azul Smail-aga, der Focaner) und brachte mit sich die neuen Teskeres. Im selben Jahre kam am 10. Mai Ibrahim Cehaja, der Muselim und Kajmakam des Abdullah -Pascha. Zum dritten Male kam Ab- dullah-Pasclia am 2. Juli nach Bosnien. In diesem Jahre ging über Banjaluka ein schweres Hagelwetter nieder und verursachte an Allem und Jedem einen ungeheuren Schaden; einzelne Hagelkörner waren bis 7x/2 Oka schwer. In diesem Orte gebar eine Bula (muhammed. Frau) ein Kind, dessen Augen sich auf dem Scheitel befanden; das Kind hatte den Mund rückwärts am Schädel, die Hände waren nur bis zum Ellbogen ent- wickelt, wo sich einige Finger ansetzten. Nach drei Tagen konnte dieses Kind gehen und kam zur Mutter, vor der es hell auflachte; als es die Hähne krähen hörte, fing es, wenn auch mit Mühe, an, dieselben heranzulocken. Dort wurde eine andere muhammedanisclie Frau von einem Kindskopf entbunden. Sie starb darnach wie auch das Geborene. In diesem Jahr gebar eine Türkin in Travnik Vierlinge. In Kupres fanden die Leute einen halben menschlichen Kinnbackenknochen, der ein Gewicht von 8x/2 Oka hatte. Auf dem Vratnik in Sarajevo (im Festungsviertel) gebar in diesem Jahre eine Türkin ein Kind mit drei Augen und drei Ohrmuscheln; dasselbe hatte den Mund im Nacken. In diesem Jahre wurde Belgrad von den Deutschen aufgegeben, und zogen in diese Stadt zur Schmach der ganzen Christenheit die Türken ein. 1741. Am 16. April zog in Sarajevo Saros Mehmed-Pascha als bosnischer Gouver- neur ein; Abdullah-Pascha wurde abgesetzt und ging als Pascha nach Widdin. Im selben Jahre und Monate zogen die Türken an die Grenze zur Save. Wer könnte es beschreiben, welches Elend und Ungemach die armen Bewohner in Bosnien erdulden mussten, seit der Zeit, da im vorigen Jahre der Krieg ausgebrochen war! Voriges Jahr kostete die Oka Heu 3 Denare, das Zehntel Hirse 100 Aspern; die Oka Weizen 120, Schaffleisch 40, Rindfleisch 24 Aspern, ein Schafbock 1200, ein Lamm 600, ein Ei 6, die Oka gesottenes Unschlitt 120, die Junga (U/2 Oka) Schmalz 240, die Oka Oel 160 Aspern; der Preis war je nach den Orten bald ein höherer, bald ein niederer. Am 1. Mai dieses Jahres fiel, nachdem es vorher geblitzt und gedonnert hatte, ein grosser Schnee. In Travnik platzte etwas vor den Augen Vieler mit gewaltigem Knall, gleich 294 I. Archäologie und Geschichte. einem Kanonenschlage von der Vilenica, und es entstand an dieser »Stelle ein gewaltiger Wind, der in der Richtung zur hohen Vlasic planina zog und das Blätterwerk und alles Leichtere, was auf der Erde lag, mitführte; dies geschah am 23. April. 1741. In Sarajevo begann im Herbste die Pest zu wüthen und fand ihr Ende nicht bis ins nächste Jahr. Im folgenden Jahre 1742 begann aber die Pest zur Sommerszeit in vielen Orten um Visoko, um Su- tinska, Vares, dann in Kresevo, Fojnica, Travnik, Zenica, Neretva, Crni Vrh (wo sie die grosse Familie Helezovic dahinraffte) zu wüthen. In diesem Jahre wurde Saros Mehmed-Pascha durch den Dzumrut Mehmed-Pascha ersetzt; dieser kam am 27. Octo- ber nach Travnik und wurde Vezir. Von dem Augenblicke an, wo er nach Bosnien ge- kommen war, versetzte er die bosnischen Herren in grosse Furcht ; dem grossen Mollah von Sarajevo gelang es nur mit vieler Noth, dass er nicht vom Functionär Osman des Ober-Defterdars eingesperrt wurde. Aus Busovaca wurde der dortige Imam in Pantoffeln und ebenso sein »Sohn, der Emin von Fojnica, dann der Imam von Luzani weggeführt; um Andere aber sendete der Pascha seine Leute (Commissäre) aus. 1743. Am 27. Jänner kam ein Commissär des eben erwähnten Paschas nach Fojnica, doch fand er im Kloster nichts, was dem Kadi Anlass zum Einschreiten ge- geben hätte; zum zweiten Male kam er am nächsten Tage ins Kloster, doch fand er auch diesmal nichts (Gravirendes). Doch wollte der Kadi den Fratres kein Urtkeil fällen, deshalb begaben sich fünf Fratres mit einigen vom Volke zum Pascha nach Travnik; zwei Fratres blieben aber verhaftet in Fojnica zurück. Als diese Deputation noch in Travnik weilte, langte der Commissär Jamak Tufekcic mit den zwei Fratres und dem Vicarius von Kresevo in Travnik ein; diese brachten ein günstiges Urtheil (Harn) des Kadi mit sich, sie wollten dasselbe aber dem Schatzmeister des Paschas nicht übergeben, weil sie besorgten, dass dieser, durch den Vilic Teskeredzic beredet, das Ur- theil bei Seite schaffen könnte. Der Haznadar (Schatzmeister) verhaftete hierauf einige Fratres und ging dann zum Pascha. Die Uebrigen begaben sich in Begleitung der Leute aus dem Volke über Luke zum Konak des Paschas. Als der Pascha diese erblickte, sen- dete er zu ihnen den Waffenträger und einen Kammerdiener; diese übernahmen das Ge- such und trugen es zum Pascha, bevor noch das Gericht (Divan) zusammengetreten war. Als dies geschah, traten vier Fratres vor dasselbe (der fünfte blieb zurück) und über- brachten die verschiedenen Besitz- und anderen Documente. Nachdem der für uns günstig lautende Ilam (Bescheid) verlesen und ein ebenso zu unseren Gunsten lauten- des Urtheil des Kadi Ali Catic aus Fojnica producirt worden war, gerieth der Pascha in Zorn und befahl: „Führet ab und sperret ein diese Vier; ich aber werde meine Commissäre nochmals entsenden, und sollte gefunden werden, dass auch nur ein Nagel mehr eingeschlagen wurde, als im Ferman angeführt ist, so soll das Kloster nieder- gerissen werden!“ Und in der That wurde der Kadi von Travnik als Commissär ent- sendet, dem der Basaga (Commandant der Freischärler), der Beslaga und der Com- missär, welcher die ersten Erhebungen gepflogen hatte, beigegeben wurden. Sie nahmen eine ganze Pferdelast Schliesseisen mit sich, um in dieselben alle jene Gemeindeange- hörigen zu schmieden, welche, mit Ausnahme der Fratres, zu deren Gunsten Zeugen- schaft ablegen sollten; auch entschlossen sie sich, die Fratres wieder nach Travnik zu schleppen. Sie kamen nach Fojnica und brachten mit sich aus Travnik alle Fratres, desgleichen auch jene, die sie unterwegs ausgehoben hatten. Dieselben wurden in Fojnica eingesperrt. Den nächsten Tag begaben sich Alle ins Kloster unter Mitführung der Gefangenen; den ganzen Tag wurde Alles im Kloster durchstöbert und gesucht, ob nicht etwas Neues gebaut worden sei. Vor sie trat der hochehrwürdige Bischof Trulielka. Auszug aus der Chronik des Fra Nikolaus von Lasva 295 Dragicevic und sein Secretär Fra Mato Lasvanin, und beide producirten alle Docu- mente, die die Ansprüche des Klosters bezeugen, wie sie auch sonst das Kloster ver- teidigten. Obwohl die Türken im ganzen Kloster und sogar im Hundekotter und Stall herumsuchten, fanden sie doch nichts; daraufhin änderten sie ihren Plan und sprachen: „Wo habt ihr den Tefter (die Bewilligung) für die Zellen und die anderen Neben- räumlichkeiten und von denselben eine Beglaubigung über die Breite, Höhe und Länge? Dann werdet ihr auch in dieser Beziehung in Frieden sein, Avie bezüglich der Kirche.“ Wir erwiderten: „Wir können ohne die Zellen und Nebenräumlichkeiten nicht sein; darüber wird in dem Ferman nie etAvas gesagt, sondern nur angeordnet, dass die Mauern des Klosters nicht breiter und höher gehalten werden dürfen. Im Ferman heisst es aber, dass wir im Innern, Avelches wir bewohnen, jederzeit Alles ausführen dürfen, Avas nöthig ist. Hier ist aber die Gemeinde (Dzemat) und fraget dieselbe.“ Sie Avolltcn aber Niemand vom Dzemat befragen, ausser dass der Commissär die zwei Imams einvernahm, die zu unserem Vortheil aussagten. Die Uebrigen durften es nicht wagen, ungefragt irgend etwas zu sagen. Als der Abend kam, wurden alle Fratres samrnt dem Bischof und dessen Secretär in die Haft abgeführt; es waren dies: der Guardian von Fojnica Pater Fra Lovro Lozic, der Guardian von Sutjeska Pater Fra Andrija Catic, der Vicar von Kresevo Fra Jovo Ivic, dann Fra Nikola Lasvanin, Fra Mato Kmetovic, Fra Bosco aus Rama und Curie aus Lasva. Sie blieben hierauf durch fünf Tage in Haft, bis der nach Travnik entsendete Eilbote die Weisung überbrachte, dass die Fratres freizulassen seien. Aber das Geld ging hiebei flöten! Endlich fanden aus diesem Anlasse die drei Klöster die Ruhe; denn der Pascha hatte gute Documente ausgefertigt, desgleichen der Kadi von Travnik, den der Pascha zum Commissär und Richter bestimmt hatte. In diesem Jahre am 2. August starb im Kloster zu Fojnica der im Profess befindliche Schüler Anton Sedic an der Pest (u. s. av. Es wird erzählt, wie die Pest im Kloster wüthete, und werden die Opfer aufgezählt). 174P. Gleich nach Weihnachten erschien ein Komet, der bis in die halben Oster- fasten alle Abend, öfters aber auch des Morgens gesehen wurde, dann verschwand er. Am 8. . . . wurde Dzumrut Mehmed-Pascha abgesetzt, und kam an seine Stelle zum zweiten Male Ali-Pascha Ecimovic. Dieser hatte Banjaluka entsetzt und kam nach Sarajevo. Der Gouverneur-Pascha von Zvornik liess verhaften den Fra Paul Lozic, Guardian von Fojnica, den Fra Anton Nedimovic, Caplan von Sarajevo, und den Fra Michael Aljinovic, Vicar von Sutjeska, und verlangte von ihnen die Gebühren (Dzuluz), die sie ihm aber nicht geben wollten, sondern erklärten, dass sie dies Hin- über Weisung des Paschas thun würden. Da kam ein zAveiter Muselim (Vorsteher), ein Oberkajmakam, der die Verhafteten nicht freigeben Avollte, bis sie nicht 1000 Piaster an Gebühren und Urtheilstaxen für alle drei Klöster entrichtet hätten. Er fertigte eine grosse Bujruntija (Bestätigung) aus und versprach, dass von den Klöstern nichts ge- nommen werden solle, sobald nur der Pascha einträfe; die Fratres entliess er aber aus der Haft nach zehn Tagen. Dieser Functionär ordnete an, dass ein Commissär die Klöster zu inspiciren habe; die Guardiane mussten wieder Geld springen lassen, damit dies nicht geschehe. Daraufhin entsendete Vilic Teskeredzija (der Grundbuchs- führer) einen Commissär zur Aufnahme der Gebühren vom Wein; die Guardiane be- schlossen aber, ihm nichts zu geben; doch war es nöthig, den Beamten beim Gericht einiges Geld zuzustecken. Schliesslich hat aber der Kajmakam, um dem Vilic einen Gefallen zu enveisen, einen seiner Beamten zur Visitirung der Klöster entsendet unter dem jVorwande, dass nach einer Meldung des Kadi von Visoko in Sutjeska etwas neu erbaut worden sei; nach Gottes Willen that uns aber der entsendete Beamte nichts zu 296 I. Archäologie und Geschichte. leid und nahm auch nichts, sondern blos seine Diener. Er bestimmte den Kadi von Visoko, all’ dasjenige zurückzunehmen, was er unrichtig vorgebracht hatte. Das Gleiche thaten auch die Kadis von Fojnica und Kresevo. Dies Alles haben Gott und die gc- benedeite Jungfrau Maria und die Gebete der Rechtgläubigen herbeigeführt, weshalb wir auch durch mehrere Tage Processionen abhielten. 1745. Am 8. Jänner licss derselbe Kajmakam in Visoko den orthodoxen Pfarrer von Cajnica durch den Strang hinrichten. Er war beschuldigt, behufs Vertheidigung seines Grundherrn, eines Bcgs, gegen einen Türken den Säbel gezogen zu haben. Dreimal riss der Strick unter dem Delinquenten, und auch der an einem Kaufladen (Ducan) aufgerichtete Galgenbalken brach entzwei; deshalb sagte ein Jeder, der Delin- quent sei unschuldig. Seine Leiche wurde in Derventa unterhalb Travnik neben der grossen Strasse von den Katholiken beerdigt; die Kosten bezahlte der Brotbäcker Jovo Sarajlija. 1745. Am 7. April kam nach Sarajevo der oben genannte Ali-Pascha Ecimovic und begann in Bosnien zu regieren. Er stiftete viel Böses und legte dem Lande drei- fache Abgaben auf. Einige Bezirke zahlten die Abgaben gleich, andere aber weigerten sich, dies zu thun; doch gedieh ihnen dies zum Unheil, Weil der Pascha den Comman- danten seiner Garde, Namens Vlahinic, entsendete, welcher dem Lande wie auch den Gemeinden separate Geldbussen auferlegte und abnahm. Als dies das Volk sah, versammelte es sich aus einigen Bezirken, und cs gingen deren Abgesandte nach Sarajevo. Sie kamen auf die Gorica; als dies der Pascha sah, sprach er: „Es mögen einige Leute, die zu reden verstehen, kommen.“ Als diese ge- kommen waren, liess sie der Pascha verhaften und in die Festung abführen, die An- deren aber entflohen. Der Bezirk Prozor lehnte sich auf und wurde Derwisch-Pascha Alipasic mit Steinen beinahe erschlagen. Viele arme Frauen kamen nach Travnik zum Pascha und baten ihn, er möge den Bezirk begnadigen. Der Pascha griff jedoch zu einer Finte; er sagte, er wolle Gnade spenden, sendete aber gleichzeitig den Deli-Pascha ab, welcher das Land ärger ausbeutete, als dies je früher geschehen war. Auch die Bewohner der oberen Hercegovina lehnten sich auf, und es gab viel Böses, da sie den Bruder des hcrccgovinischen Paschas und einige Andere ermordeten. Als der Pascha Solches sah, begann er mit dem Deli-Pascha Vlahinjic auch jene niederzumetzeln, die bereits in Ketten lagen, und die Anderen die gefangen wurden; es heisst, es waren deren 40, nach Anderen 60 oder 70 Mann. Was nicht männlich war, kam in die Sclavcrei. Gleichzeitig contribuirte er alle Kapetans und Agas. Das Alles erfuhr man in Constantinopel, und es kam der Kapidschi und enthob ihn am 6. October desselben Jahres. 1746. Am 24. Juli, unter der Regierung desselben Paschas, kam nach Sarajevo der Mubaschir und berief den Guardian P. Fra Anton Vueevic und den Vicar P. Fra Nicolaus Pavlovic in Fojnica zum Gemeindeamt und verlas die Bujruntije; Nachmittags begab er sich auf Rupnovac (vorher liess er die Beiden einsperren) wegen des Kreuzes, welches auf das Grab des R. P. Fra Michael Kunde gesetzt worden war. (Es folgt der Bericht über den daraus entstandenen Process, und dass der Guardian mit mehreren Mönchen in Travnik gefangen gehalten wurde.) Zur selben Zeit liess der Pascha dem Sohne des gewesenen Tschauschlar-Cehaja 1200 Stockstreiche mit dem dickeren Ende auf die Sohlen geben; man trug ihn lialbtodt weg und sagte, er sei todt; doch er, der Pascha, wurde zornig und sagte: „Rasch! wenn er gestorben ist, hängt ihn als Todten, und wenn er lebt, thut es auch.“ Das wäre auch geschehen, wenn die Herren nicht um Gnade gebeten hätten. Die Ursache davon war aber folgende: Sein Vater hatte eine Mühle auf der Lasva errichtet, wo bisher keine war; der Mühlgraben verursachte in dem Garten einer Bula und in anderen Häusern Truhelka. Auszug aus der Chronik des Fra Nikolaus von Lasva. 297 Schaden, und die Bula strengte eine Klage an. Er aber sagte: „Ich will meine Leute schicken, um nachzusehen; ist kein Schaden nachzuweisen, wirst du in einem Sacke ins Wasser geworfen, ist einer vorhanden, werde ich ihm ah helfen.“ Und er befahl dem Kadi von Travnik und dem Osmanbeg, die Sache zu untersuchen, doch sie fanden nichts. Indessen kam die Bula wieder klagen, und der Pascha wurde zornig, und nicht nur, dass er den Besagten prügeln Hess, sondern er schickte auch einen Mann aus, den Osmanbeg zu suchen, um ihn zu hängen; doch Dieser konnte nicht aufgefunden werden. Im selben Jahre, am 4. September, kam des Paschas Tevtisch nach Visoki, wel- cher im ganzen Lande die Kessel und Kirchen aufschrieb und den Vicar von Sutjeska, Fra Bono Benic, einsperrte, dessen sich die Visokaner annahmen, so dass er nicht viel - — im Ganzen 140 Groschen — einbüsste. Als er nach Fojnica kam, kerkerte er den von Fojnica, P. Fra An. Vuc, und den P. Fra Frano Tomic, den Guardian von Kresevo, ein, ohne die Kirchen anzusehen, und nahm hier allein 500 Groschen. Bald darauf beriefen sie wieder alle drei Guardiane nach Travnik und nahmen von allen drei Klöstern an Dschuluz für den Pascha allein 1000 Groschen. Der Cehaja sagte: „Wir wissen wohl, dass ihr Schaden gelitten und viel Auslagen gehabt, aber gebt das Geld her, obwohl es vor dem Termin ist; denn der Pascha muss den Kapidschi abfertigen, welcher die Bestätigung überbrachte, und gebt Niemandem mehr, und von nun an will ich Euch wie eigene Söhne behandeln.“ 1746. Am 24. Februar kam nach Travnik der Kajmakam (jener Böse, der uns so viel Schlechtes angethan), Ali-Pascha Ecimovic und der Masul Suleiman-Pascha, wel- cher von Travnik am 7. Jänner 1747 abging. Dieser schlug vor seiner Abreise am 2. Jänner die beiden Söhne Ali-Paschas, Malkotsch Alaj-Beg und Sulejman Alaj-Beg, mit dem Morgenstern so wuchtig, dass Sulejman starb und der Andere kaum am Leben blieb. Der vorerwähnte Kajmakam nahm allein für den Pascha vom Kloster 1000 Groschen Dschuluz ohne die Tevtischname und gab schöne Empfehlungen und sagte, er werde uns freundlich sein und uns empfehlen, wenn Ali-Pascha käme, und wir hätten nun bis zum nächsten Jahre Ruhe mit dem Dschuluz. Der erwähnte Ali- Pascha kam nach Sarajevo am 13. April, wo ihn die Fratres erwarteten und wie ge- wöhnlich die Ehrenbezeigungen vorbrachten, worauf er dankte und eine schöne Bujrun- tija gab und keinen Dschuluz nahm, wie es der Kajmakam, der anwesend war, ver- sprochen hatte. Im selben Jahre und Monat kam einige Tage vor dem Pascha der Gross-Kapidschi aus Constantinopel mit einem Fcrman und legte wie im Vorjahr Steuern auf; doch die Sarajlis vertrieben ihn mit Steinwürfen und hätten ihn fast umgebracht, und als der Pascha kam, sagte er den Sarajlis: „Ihr habt schlecht gethan, weil ihr nicht auf mich gewartet habt; wir hatten dem Kapidschi ein Reisegeld gegeben und ihm abgerathen, so aber wird eine grosse Verwirrung entstehen; übrigens kann das noch geschehen, und der Kapidschi mag umkehren.“ Die Sarajlis wollten auf keinen Fall, dass er um- kehre, was den Pascha erzürnte, und er kehrte nach Travnik zurück, obwohl er die Absicht hatte, einen Monat in Sarajevo zu weilen. Der Pascha reiste am 26. April (denselben Morgen verbrannte das Judenhaus) und kam am 28. d. M. nach Travnik. Derselbe Pascha nahm im Monat August vom Kloster den Dschuluz ganz heimlich und gab keinem von seiner Begleitung etwas davon, wie es Brauch gewesen wäre. Derselbe Pascha berief im selben Jahre im Monate September alle Agas von Sara- jevo, die Häuptlinge, den Mula Hasa (?) und die Fahnenträger und empfing sie schön; doch liess er mit grosser Tücke zwei Agas und zwei Barjaktars von Sarajevo hinrich- ten, den Abib-Kadi von Sarajevo hielt er den ganzen Tag gefangen, und Abends 298 I. Archäologie und Geschichte. schickte er ihn auf die Festung und von da in die Verbannung nach Vranduk. Gleich- zeitig berief er den Kapetan, welchen, als er nach Jajce kam, des Paschas Kämmerer (Cohadar) und eine Bujruntija erwartete, in welcher ihm befohlen wurde, nach Novi zurückzukehren, wohin der Pascha, wie es hiess, kommen sollte. Jener kehrte um, doch als er in Jezero ankam, holte ihn ein anderer Kammerherr ein und sagte: „Des Paschas Kartandschi-Bascha bittet dich, du mögest auf ihn warten; er will dich begleiten.“ Jener wartete, und es kamen 20 Reiter; der Kapetan empfing sic höflich, bereitete den Kaffee und sagte: „Lasst uns im Lusthaus (Cardak) Kaffee trinken.“ Sie begaben sich dahin, setzten sich, und die Kammerdiener standen um sic her. Der Aga gab den Dienern ein Zeichen, sie möchten an den Kapetan Hand an- legen; doch Jene trauten sich nicht heran. Der Aga nahm einen Krug, als ob er auf die Seite wollte, und sagte: „Schiesst drauf los!“ Und es krachten sieben Gewehre; neben ihm sass aber der Zahiredschi von Jezero, welcher aufsprang, um sich auf ihn zu werfen. Der verwundete Ceric raffte sich auf und warf den Zahiredschi nieder. Da sprangen sie auf und säbelten dem Kapetan den Kopf ab ; doch auch der Andere hatte genug, ja — non plus ultra. Es hiess, er wurde todt nach Jajce gebracht, hätte er aber einer Waffe habhaft werden können, so hätte er sicherlich genug zu schaffen gegeben. Man sagte, dies hätten ihm die bosnischen Grenzherren mit der ungarischen Königin Maria Theresia beim Sultan angezettelt. 1748. Im Monat Jänner, als der Gross-Tcmim aus Constantinopel nach Mostar heim- kehrte und die Ulcfa brachte, um sich, wie er sagte, mit den Mostarern auszusöhnen, schickte ihm Ali-Pascha den Auftrag, sie zu vertheilen. Als er sie den Nefers zu ver- theilen begann, sprangen die Baschas auf und trugen: „Wo ist unsere Ulefa?“ Und so gab es Streit. Temim, der mit den Seinigen im Hause des Kapetan Vucjakovie war, be- festigte Haus und Thurm. Als die Baschas sahen, dass sie ihm nichts anhaben könnten, nahmen sie die Kanonen, die sie von der Burg gegen jene aufstellten, und richteten so viel aus, dass schliesslich Temim und beiderseits noch zehn Andere fielen und ebenso viele ver- wundet wurden. Kurz darauf überfielen die Baschas von Sarajevo das Haus des Muselims Jusufbegovic, welcher durchging; doch sie verursachten genug Schaden in den Häusern, zerstörten den Zindan (Kerker), Hessen die Gefangenen frei, zerstückelten alle Minders (Divans) und Ueberzüge. Doch nahmen sie nichts, da es Brauch ist, von einem Sol- chen, als einem Geächteten, nichts zu nehmen, da (wie sie sagen) Jeder sagen würde, es sei geschehen, um fremdes Gut und Blut zu rauben, und da in diesem Falle das mit Bösem der Armuth abgenommene Gut nicht, wie es sollte, auch mit dem Bösen zu Grunde ginge. Kurz darauf spielten die Visokaner den drei ersten Häusern, zweier Kadis und eines Zajans, noch ärger mit, weil sie der Armuth Thränen getrunken hatten. Diese Drei gingen zum Pascha und klagten, und dieser sagte ihnen, hätten sie euch nicht so behandelt, so brächte ich euch auf die Festung; denn heutzutage will Alles Unfrieden. Vorher schickte der Pascha Mubaschirs nach Vares wegen verschie- dener Angelegenheiten, und da traf sich der Kadi und der Serdar von Visoko, und gegen diese lehnten sich die Baschas auf und vertrieben sie, so dass Jeder auf einem anderen Wege als dem, den er gekommen war, heimkehren musste. Der Serdar vei'lor auf der Flucht da seine Kappe, dort den Pelz, dort die Waffen und, da die Gurte zer- riss, auch den Sattel und die Bügel. Schliesslich entkam er auf nacktem Ross, das unter ihm verendete. Vor Weihnachten schickte der Pascha strenge Mubaschirs, 28 Reiter, nach Neretva, wo sie vieles Böse verübten, plünderten und alle Jene, die sie in Verdacht hatten, sie Truhelka. Auszug- aus der Chronik des Fra Nikolaus von Lasva. 299 seien gegen den Pascha, der Armuth zugethan, und gegen die Abgabe von Taksils (Steuern), mit Contributionen belegten. Nach Skoplje schickte er seinen Delibascka Vlainjic mit 70 Reitern, welche den Ponjavic ermordeten und seinen Kopf dem Pascha nach Travnik schickten, sein Plans zerstörten und noch Einen umbrachten, der die Partei der Armen vertreten hatte wie Ponjavic. Dort nun setzten sie alle zu Baschas Ernannten ab und nahmen ihnen viel Geld. Von da gingen sie nach Livno, Dasselbe zu vollführen, und kamen nach Duvno, wo sie alle Baschas enthoben und von Denselben 6000 Groschen, von der Rajah 1000 Gro- schen nahmen; und den Bascha Vukovic vor sich hertreibend, zogen sie nach Rakitno. Als dieser sich wehrte und den Nefer Husakovic aus Eupanjac erschlug, welcher dem Delibascha versprochen hatte, den Vukovic lebend einzuliefern, wurde er getödtet; und der Delibascha fing den wilden Bascha Skroba, einen Renegaten, und erwürgte ihn. Der Delibascha kehrte aus Duvno zurück und nahm den Caplan von Kupres, P. Fra Paul Lozic, mit, welcher beschuldigt war, dass er seine Nichte den Gjauren über- geben habe. Ein gewisser Hrnjak, ein Unchrist, hatte das Mädchen für seinen Sohn entführt, welches mit Tomasovic aus Duvno verlobt und Aufgeboten war und, als es nicht bei Hrnjakovic bleiben wollte, in des Prinzen Land entflohen war. Und bis Lozic freigelassen wurde, kostete es ihm 300 Groschen und seinem Bruder 70. Und da contribuirte der Delibascha die Baschas von Kupres, wo ihrer wenig waren, die aber viel Geld gaben. Nach Prozor kam der Delibascha nicht, und zwar weil man ihn bestach oder weil sich die Baschas von Sarajevo, welche nach Neretva kamen, für die Baschas von Prozor verwendeten, so dass diese gesund blieben und den Turban auf dem Kopfe behielten. 1749. Am 10. März erdrosselte der Pascha den bösen, argen Bascha aus Mostar, dem schon lange vorher der Bascha von Sarajevo die Hand mit der Faust abgehackt hatte. Und wie verkrüppelt er dadurch auch war, so konnte es ihm dennoch Niemand im Bösen gleich tliun; er entführte die Tochter eines Kadi und nahm sie zum Weibe; und als diese starb, überfiel er mit fünf Mostarer Baschas den Hof des Ivopcic-Beg in Duvno, um ihm die Schwester zu rauben und sie zum Weibe zu nehmen, welche jedoch als Orientalisch-Orthodoxe verkleidet entkam. Als er sie nicht finden konnte, prügelte er ihre Mutter, plünderte den Hof und ging fort, wurde aber rasch gefangen. Und dieser erschlug den Temim, nahm ihm den Kalpak ab und trug ihn bis zum Tode. Da sie seine Gesellen nicht fangen konnten, plünderten sie ihre Häuser. Am 1. April 1749 liess der Pascha den Kulenovic unter der Bedingung frei, dass er sich nicht mehr dem alten Laster zuwende. Im selben Jahre am 25. April starb in Travnik Abdullah-Pascha und wurde vor dem Palast des Paschas begraben, und sic machten ihm mit grossen Kosten („spese“) ein prachtvolles Turtle. Dieser war viermal Pascha von Bosnien und benahm sich stets gütig, und unter seiner Herrschaft kannte die Armuth kein Elend. Er hinterliess ein Weib, die ein Kapidschi aus Constantinopel abholen kam, und sie nahm grosse Schätze mit. Es blieb noch ein Sohn, Pascha mit drei Tugs (Rossschweifen). Dasselbe Jahr am 5. Juni kam nach Sarajevo der Kajmakam des neuen Paschas und übernachtete beim Jenjitschären-Aga, ging aber sofort erzürnt nach Travnik, da die Sarajlis sich selbst einen Muselim wählten und den, der einen Ferman dazu hatte, fortschickten. Desselben Jahres am 19. Juli kam Betschir-Pascha, • ein Greis, und wollte nicht in Sarajevo einkehren, sondern übernachtete bei Gorica ausserhalb der Stadt. Sie baten ihn, er möge umkehren, doch er wollte nicht und sagte: „Ich bin nicht euer, sondern bosnischer Pascha!“ Von da kam er am 25. d. M. nach Travnik. 300 I. Archäologie und Geschichte. Im selben Jahre am 7. Mai starb in Fojnica Muhammecl Celebic, den sie Beg 1 dessen, ein böser Mensch, ein Muzivir, Telbiz. Dieser war schuld, dass das Kreuz am Rukanovac herabgenommen werden musste. Er verursachte vielen Schaden, nicht nur Türken, sondern auch Christen und Mönchen. Er erkrankte an einer wunderbaren Krankheit, so zwar, dass er bei lebendigem Leibe verfaulte und keine Arznei für ihn gefunden werden konnte. Schliesslich bat er die Fratres um Verzeihung. Er sprach noch: „Seht, ich kann nicht sterben, da mich der Kadija Krivic zur bösen Stunde über- redete, ich solle die Fratres klagen wegen des Kreuzes am Rukanovac.“ Man sagt, die Erde habe ihn dreimal ausgespieen, und es wäre kein Wunder, da er ein böser Mann war, böser als die Bosheit selbst. 1749. Im September brannte Bihac nieder, und der Pascha gab fünf Säcke Geld, damit es wieder aufgebaut werde, und versprach mehr zu geben, wenn es nothwendig wäre. Im selben Jahre erweiterte Betschir-Pascha seinen Palast in Travnik und um- zäunte das ganze Thal mit Hecken. 1750. Am 27. Februar kam der neue Mullah nach Sarajevo. Dasselbe Jahr wurde das Dinar-Geld eingezogen, und cs wurde angeordnet, dass die vollwichtigen, wenn sie auch klein seien, zwei Aspern, die geringeren aber gar nichts gelten sollten. Und da erlitten die Leute grosse Notli und Schaden, da viel werthloses Geld namentlich unter den Armen circulirte. 1750. Am 25. März fiel Lichtmess auf den Tag vor Gründonnerstag (?). Am selben Tag zogen die Christen aus, Stahl zu suchen (in Fojnica, Eisen). Als es 7 Uhr Nachts war, erblickten sie ein Licht vor sich und liefen hinzu, um zu sehen, was es sei. Es brannte aber ein neugebauter Stall der Fratres, und darin schliefen ein Bursche und ein Knabe aus dem Kloster so tief, dass die Leute von aussen den Stall nieder- rissen und den Brand halb dämpften, und jene schliefen noch immer; und es geschah wahrlich nicht ohne Mirakel, denn wären die Hüttenleute zu jener Zeit nicht erschie- nen, so wären beide Kinder und alle drei Gebäude, und nicht nur unsere Pferde, son- dern auch die mit Sr. Magnificenz dem Bischof zur Oelweihe, wie sie vor Lichtmess üblich ist, gekommenen, verbrannt. Bozo, Sohn des Marian Gagula, als er spät aus dem Kloster ging, sah vor der Thür beim Kreuz ein Licht wie einen Stern. 1750. Am 30. April kam der Muselim des neuen Paschas, ein braver und ge- rechter Mann, der weder einen Dschuluz vom Kloster nahm, noch einen Tevtisch schickte, und empfing den Guardian höflich, indem er sprach: „Wenn ihr anderen Muselims den Pascha-Dschuluz gabt, ich brauche keinen, und wenn der Vezir kommt, trachtet euch mit ihm abzufinden, wie ihr cs könnt, ich will nicht, dass irgendwer von irgendwem gepresst werde.“ Dieser bängte in Sarajevo zwölf Basclias, Spitzbuben, riss ihnen die Baschakrägen herunter und machte alle Bösewichter zittern. In Travnik verbannte er sechs Baschas. 1750. Am 7. Juni kam der neue Abdullah-Pascha nach Sarajevo und forderte von den hervorragendsten Sarajlis, die dem Vilajet vorstanden, die Herausgabe der Bösewichter. Und diese sagten: „Wir haben keine bösen Leute unter uns; und die ihr für solche haltet, können wir nicht eher ausliefern, als bis das Gericht sie verurtheilt. Denn hier gibt es ein Gericht, und wenn dieses sie schuldig findet, ziehen wir unsere Hände von ihnen ab, sonst nicht.“ Da erzürnte der Pascha und schickte seine Leute und einige Sarajlis, die seine Anhänger („adherente“) waren, aus, den Muharemi zu fangen und sein Haus zu durchsuchen. Da gab es Streit, Gewehrschüsse und Steinwürfe, Todte und Vei'wundete Die Kula des Hadzi-Beg in Hutovo. Von Constantin Hörmann, bosn ,-herceg. Regieruugsratb . (Mit drei Abbildungen im Texte.) Bitter klagt von Kolajan der Sava, Im Verliess des Hadzi-Beg Kapetan, Der von ihm halb Kolajan verlanget. Sava will halb Kolajan nicht geben, Traun, so lang der Kopf ihm sitzt am Rumpfe! TJeberall in der Here namentlich jedoch im Bezirke Stolac, Volk häufig von Hadzi-Beg und seiner festen Kula in Hutovo. erzählt das Strasse nach Mostar. Es werden an die zehn Jahre sein, dass ich den Namen zum ersten Male hörte, als mir ein Guslar in Stolac die Thaten der kleiden aus der Hercesrovina besane- o o Damals schrieb ich auch jene Verse auf, die als Motto an der Spitze dieser Mittheilung 302 I. Archäologie und Geschichte. stellen.1) Der Wunsch, mehr ans der Volkstradition über Hadzi-Beg zu erfahren, ward in mir rege, und ein Brief des Herrn Vid Vuletic-V ukasovie, der über die Sache Aufklärungen enthielt, kam zu guter Stunde. Mein Gewährsmann schreibt: „Die Burg in Iiutovo erbaute der berühmte Hadzi-Beg Riz vanbegovic aus Stolac, der seinerzeit der Schrecken aller Reisenden und seiner Nachbarn war. Er führte ein Leben wie die Feudal- herren des Mittelalters; seine Burg war ein Raubnest ähnlich den Burgen der Raub- ritter zur Zeit Maximilians I., wo jeder Ritter kaiserliche Gewalt oder wenigstens unbe- schränkte Herrschaft über sein Gebiet anstrebte. Zu dieser Sorte unbändiger Gewalt- herren gehörte zu Beginn des gegenwärtigen Jahrhunderts Iladzi-Beg, der auf Iiutovo bei Popovopolje residirte.“ Anbei geben wir (Figur 1) den Situationsplan und eine Fig. 2. Ansicht der Hadzi-begova-kula bei Hutovo. kurze Beschreibung der Burg jenes Gewaltherrn, von welchem behauptet werden kann, er sei der letzte Ritter gewesen, der die Gepflogenheiten des Mittelalters beobachtete und mit der Gewalt der Streitaxt und des Schwertes die Umgebung seines Wohnsitzes beherrschte. Den Grundriss der Burg bildet ein umfangreiches unregelmässiges Polygon. Figur 2, nach einer Photographie angefertigt, zeigt die Feste in ihrer gegenwärtigen Gestalt. x) Im Original: „Pocmilio Sava s Kolajana U tavnici Hadzi-Kapetana; On mu iste pola Kolajana — Sava ne da pola Kolajana Dok je njemu na dva räma glava!“ Hörmann. Die Kula des Hadzi-Beg in Hutovo. 303 Rings um dieselbe liefen Gräben hart an den kolossalen Mauern. Gegen Süden befindet sieh ein gewölbtes Thor und neben demselben zwei Pforten ohne Wölbung. Kings um dieselben stehen Häuser für die Besatzung, acht an der Zahl. An jeder Ecke erhebt sich ein kleiner Thurm, unter welchem sich ein niedriger gewölbter Raum befindet — Ri Pi rH 1 : 500. Pig. 3. Grundriss der Hadzi-begova-kula die Kerker, in welche spärliches Licht durch eine in der Wölbung angebrachte Oeftnung hereinfiel. In dem engen, dem Innern eines Backofens ähnlichen Raume konnte ein Mensch kaum aufrecht stehen. Mitten im Burghöfe ragt eine mächtige Kula empor; in derselben wohnte Hadzi-Beg, und von ihrem Erker erblickte er die wüste Umgebung, die Grenzscheide und drei Gebirge, Alles nackter Karst, auf welchem Noth und 304 I. Archäologie und Geschichte. Entbehrung herrschte. Auf der Nordseite, dem Südtliore gerade gegenüber, befindet sich ein zweites Thor. Figur 3 zeigt den Grundriss der Burg. Hier mögen auch die Inschriften derselben erwähnt werden. Mein Freund, Herr Bezirksvorsteher Foglär in Mostar, hatte die Güte, mir diese Inschriften mitzutheilen, wofür ihm hiernit bestens Dank gesagt sei. Ueber dem Nordtkore befindet sich eine etwa 1 M. hohe und Q‘5 M. breite Kalk- steinplatte mit folgenden Worten: d. li. : l — „ja bald ve kadim“ („0 Ewiger und Einziger“). Am Nordwestthurme ist eine 0‘50 DM. grosse, 0'2f) M. dicke Platte mit folgender Inschrift: o i c i^_2> c <-2> O \ c i o O c d. h. : = „fettah“ („Siegreicher“). Eine ähnliche Platte enthält auch die Nordwestseite an der auf dem Grundriss mit 5 bezeiclmeten Stelle. Die Inschrift auf derselben lautet: kS A c A c kS C A kS k-2> kS c_3> c A d. h. : A = „hafiz“ („Allbewahrer“). Hör mann. Die Knla des Hadzi-Beg' in Hutovo. 305 Am Thurme auf der Südwestseite sind in den Stein folgende Schriftzeichen ein- gemeisselt: 1 3 1 li ö 1 d. h. : — „bald“ („Ewiger“). Der zweite Südwest-, wie auch der Südostthurm zeigen keine Inschriften. Dafür befand sich am Nordostthurme eine gegenwärtig auf dem Boden liegende Steintafel, welche folgende Schriftzeichen enthält: J r 6 O ö j r 3 r ** = „mu’in“ („Hilfreicher“). Ferner enthält eine weitere, auf dem Boden liegende Platte in folgenden Lettern das Wort: Band II. 20 306 I. Archäologie und Geschichte. d. h.: = Jo-\ = „ehad“ („Einziger“) und schliesslich enthält eine Platte, deren Stelle auf dem Grundriss mit 8 bezeichnet ist, das Datum: \n\ C d. h. : Dzümazi 1211 (Monatsname des Jahres 1211 nach der Hedzra = 1796 der europäischen Zeitrechnung.) Die Bedeutung dieser Inschriften ist leicht zu erkennen. Dieselben enthalten Be- zeichnungen Gottes, deren der Koran im Ganzen 99 aufzählt. Die Gesammtheit dieser Namen heisst „Esma“ oder „Husna“, d. h.: „Schöne Namen“. Es ist zweifellos, dass die angeführten Inschriften zu den mystischen Formeln gehören, welche an Gebäuden ähnliche Aufgaben zu erfüllen haben, wie sie den Amuleten („nuske“) am Körper des Menschen zugedacht sind, d. h. sie sollen das Haus vor Blitzschlag, Feuer, Schlangen und Scorpionen beschützen. Wenn die Jahreszahlen ur\ 1221 und v*'\ 1211 nach der Hedzra, oder 1807 und 1796 der christlichen Zeitrechnung, auf den Inschriften 7 und 8 in Betracht gezogen werden, kann die Burg kein hohes Alter beanspruchen. Die Volksüberlieferung hält jedoch daran fest, dass die Burg sehr alt sei, und dass Hadzi-Beg dieselbe blos vollendet und die vorhandenen Inschrifttafeln habe einmauern lassen. Diese Ansicht dürfte richtig sein; denn hätte Hadzi-Beg die Burg wirklich von Grund auf neu erbaut, so hätten sich unzweifelhaft einige Erinnerungen daran erhalten. Uebrigens beweist die gesammte Einrichtung der Veste, die Form der Mauern und Thürme, dass dieselbe vor der Zeit des Hadzi-Beg erbaut ist. Das Volk hält dafür, dass der grosse Mittelthurm (Kola) der älteste unter den Theilen der Burg sei, worauf wir noch zurnckkommen werden. Ueber das Leben und Wirken Hadzi-Begs verschafften mir die Bezirksvorsteher Foglar, Matasic und v. Draganic, der Bezirksdolmetsch Mustafa Sefic, zumeist jedoch mein unverdrossener Mitarbeiter Mehmed Effendi Saric aus Stolac die folgenden interessanten Daten: Der auch Hadzi-Kapetan genannte Kapetan von Stolac, Zulfikar Rizvanbegovic, hatte von seiner Frau, einer geborenen Babic aus Sarajevo, die Söhne Mustaj-Beg und Mehmed-Beg, welch’ Letzterer später den Namen Hadzi-Beg erhielt. Nach dem Tode der ersten Frau heiratete Zulfikar ein zweites Mal, und zwar die Schwester seiner ersten Gattin, die ihm drei Söhne gebar: Omer-Beg, Ali-Aga und Halil-Aga. Mehmed-Beg erblickte das Licht der Welt in Stolac im Jahre 1768. Als er herangewachsen und waffenfähig geworden war, begann er seinem Vater Trotz zu bieten und verweigerte ihm zuletzt den Gehorsam ganz und gar, weshalb ihn der ge- kränkte Vater von sich entfernte. Mehmed-Beg ging nun in die weite Welt auf Aben- Hörmann. Die Kula des Iladzi-Beg in Hutovo. 307 teuer. Er hatte von dem berühmten Ahmed Pascha Gjezar1) gehört, der zu derselben Zeit als Yali von Syrien lebte. Mehmed-Beg ging geradewegs zu ihm nach Akka in Syrien, stellte sich dem Pascha als Landsmann vor und bat um Aufnahme in seine Dienste. Der Pascha schenkte anfangs der Angabe Mehmed-Begs, er sei aus Stolac und ein Rizvanbegovic, keinen Glauben. Er stellte deshalb an ihn verschiedene Fragen, unter Anderem wie viele Brücken Stolac besitze u. dgl. Zuletzt wollte er wissen, ob ein grosser hohler Weichselbaum im Dorfe Njivice noch vorhanden sei.2) Als Mehmed-Beg diese Fragen ausführlich und gründlich beantwortet hatte, war der Vezir von der Richtigkeit seiner Angaben überzeugt und nahm ihn in seinen Dienst. Nachdem er einige Jahre bei Ahmed-Pasclia geweilt hatte, wallfahrtete er nach Mekka, von welcher Zeit an er den Namen Hadzi-Beg führte. Vom Gi'abe des Pro- pheten kehrte er zu seinem Herrn nach Syrien zurück. Doch sollte seines Bleibens dort nicht mehr lange sein. Ahmed Pascha besichtigte eines Tages die Fortificationen von Akka und gewann die Ueberzeugung, dass dieselben nicht genügend stark seien, um einem feindlichen Angriffe zu widerstehen. Er beauftragte darum einige seiner besten Ofliciere, ihm einen Plan für die Neubefestigung der Stadt vorzulegen. Unter den Officieren war auch Hadzi-Beg. Nachdem sämmtliche Pläne fertig und dem Vezir zur Beurtheilung vorgelegt waren, verwarf dieser alle bis auf den Entwurf des Hadzi- Beg, den er überdies zu sich berief. Hadzi-Beg leistete der Einladung um so bereit- williger Folge, als er erwartete, für seinen belobten Entwurf auch angemessen belohnt zu werden. Der Vezir empfing ihn jedoch mit folgenden Worten: „Hadzi-Beg! Mein Plan und der deine stimmen miteinander in allen Punkten derart überein, dass unter denselben gar kein Unterschied besteht; demnach stimmen auch unsere Gedanken überein. Deshalb kann ich dich nicht mehr in meinen Diensten behalten. Du kannst gehen, wohin es dir gefällt. Wenn ich erfahre, dass du dich irgendwo in meiner Nähe hast sehen lassen, so ist es um deinen Kopf geschehen!“ Nach diesen Worten über- reichte der Vezir dem Hadzi-Beg einen ansehnlichen Geldbetrag, und dieser begab sich geradewegs nach Constantinopel, wo er durch drei Jahre verblieb, so lange nämlich das von Achmed-Pascha empfangene Geld anhielt. In den Jahren 1797 oder 1798 kehrte er in die Heimat zurück, leistete dem beleidigten Vater Abbitte und erhielt dessen Verzeihung. Kapetan Zulfikar war alt geworden. Es quälte ihn der Gedanke, dass seine Söhne nach seinem Tode um das Primat in Streit und Hader gerathen könnten, und dass jeder von ihnen das Kapitanat von Stolac anstreben würde. Der alte Mann fürchtete, Fremde möchten den Bruderzwist benützen, um das Kapitanat an sich zu reissen, und seine Kinder würden auf diese Weise der ererbten Würde ihres Vaters verlustig gehen. In der Absicht, dieser Eventualität vorzubeugen, legte Zulfikar die Würde eines Kapetan im Jahre 1802 zu Gunsten seiner beiden ältesten Söhne nieder, theilte das Kapitanat von Stolac in zwei ungleich grosse Theile und verlieh seinem Sohne Mustaj-Beg den grösseren Theil mit dem Sitze als Kapetan in Stolac, während Hadzi-Beg Hutovo sammt Umgebung und ebenfalls den Rang eines Kapetan erhielt. In Hutovo befand sich von altersher eine grosse Kula, in welcher eine ständige Grenz- wache von Panduren untergebracht war. Nachdem Hadzi-Beg Kapetan geworden, führte er neben der Hauptkula noch weitere Gebäude auf, umgab das Ganze mit einer 0 Ahmed Pascha Gjezar war aus der Hercegovina, wollte jedoch nicht angeben, von welcher Familie er abstammte. Alte Leute behaupten, er wäre ein Abkömmling' des Stammes Pervan aus Fatnica bei Bilek gewesen. 2) Njivice ist ein kleines Dorf 2 Kilometer von Stolac. 20* 308 I. Archäologie und Geschichte. festen Mauer, verwandelte auf diese Art Hutovo in eine kleine, aber starke Veste und schlug hier seinen bleibenden Wohnsitz auf. Noch während seines Aufenthaltes in Asien hatte Hadzi-Beg von Napoleon I. und dessen Kriegsruhm vernommen. Als im Jahre 1806 französische Truppen in Ragusa eingezogen waren, trat Hadzi-Beg auf bisher unbekannte Weise mit dem Befehlshaber von Ragusa, General Marmont, in Berührung. In den Scharmützeln zwischen den Franzosen und den Montenegrinern waren die Ersteren einmal in Gefahr, eine Schlappe zu erleiden. Hadzi-Beg benützte die Gelegenheit, sich den Franzosen gefällig zu zeigen, und kam ihnen mit einer Schaar seiner Leute im entscheidenden Augenblicke zu Hilfe, wodurch die drohende Niederlage in einen Sieg verwandelt wurde. Der Commandant der französischen Truppenabtheilung berichtete über den Vorfall an Marschall Marmont, welcher an Hadzi-Beg ein in französischer Sprache abgefasstes schmeichelhaftes Dank- schreiben richtete. Das Original desselben befindet sich im Besitze eines Nachkommen des Hadzi-Beg, des Sulejman-Beg Rizvanbcgovic, der gegenwärtig in Constantinopel wohnt. Zu meinem lebhaften Bedauern konnte ich mir eine Abschrift des erwähnten Briefes nicht verschaffen. Im Jahre 1807 landete eine russische Truppenabtheilung in den Bocche di Cattaro und lieferte den Franzosen mehrere Gefechte, ferner bot sie den Montenegrinern hilf- reiche Hand, als diese die Zeit für günstig erachteten, den Kampf gegen die Türken der IJcrcegovina aufzunehmen. Im genannten Jahre belagerten die Montenegriner Niksic, Gacko und Korjenic und marschirten, durch die aus den Bocche eingedrungenen russischen Truppen verstärkt, auf Trebinje. Diese feindlichen Absichten wurden bald in der ganzen Hercegovina bekannt und hatten eine allgemeine bewaffnete Erhebung der dortigen Muhammedaner zur Folge. Unter diesen war auch Hadzi-Beg, der aus seinem Kapitanat 800 Mann, zumeist Katholiken, auf die Beine brachte und mit den- selben aus Hutovo gegen Ljubinje marschirte, dessen vor Schrecken ganz muthlos gewordene Bewmhner Hadzi-Beg dazu bewog, sich ihm grösstentheils anzuschliessen. Mit seiner derartig verstärkten Truppenmacht rückte er nach Bilek und bezog dort ein verschanztes Lager auf einem Berge, der noch heute Hadzi-begove meterizi („Iladzi Begs Schanzen“) genannt wird. Hier tlieilte er seine Truppen, Die eine Abtheilung sandte er unter dem Commando seines Barjaktar (Fahnenträger) Hanic nach Viluse (ostwärts von Trebinje, heute zu Montenegro gehörig), die zweite, unter seinem eigenen Befehle, blieb in Bilek. Als die Kämpfer aus Mostar, Stolac, Pocitelj und Ljubuski unter Führung ihrer Capitäne um Trebinje concentrirt waren, griffen sie die vereinigten russisch-montenegrinischen Truppen an. Während der Kampf am heftigsten tobte, traf Hadzi-Beg mit seinen beiden Abtheilungen auf dem Gefechtsfelde ein, worauf die Feinde sofort einen fluchtartigen Rückzug antraten. Die Sieger verfolgten die geschlagenen Montenegriner bis zur Bobova ulica. Die Russen, denen jede Kenntniss des Terrains abging, flüchteten zumeist längs der Platten von Klobuk,1) wo sie gefangen wurden. Es heisst, dass Hadzi-Beg den in Ragusa residirenden französischen General recht- zeitig von den Plänen der um Trebinje versammelten türkischen Streitmacht verständigt habe, und dass infolge dessen zwei französische Bataillone aus Ragusa in Grancarevo eintrafen und hier ein Lager bezogen, um nöthigenfalls Hadzi-Beg zu Hilfe zu kommen. Doch hatte diese Reserve keine Gelegenheit, am Kampfe thätig theilzunehmen, sondern kehrte nach der montenegrinisch-russischen Niederlage wieder nach Ragusa zurück. 1) Diese Felsplatten nennen die Leute der Umgebung’ seither Moskovske ploce, „Moskovitische Platten“. Ein muhammedanischer Barde (Guslar) besang die siegreiche Schlacht in einem schönen Epos, das kürzlich in meiner Sammlung erschienen ist. Hörmann. Die Knla des Hadzi-Beg in Ilntovo. 309 Hadzi-Beg begab sich nach dem Siege auf seine Burg Hutovo, aber es sollte ihm nicht lange beschieden sein, der Ruhe zu pflegen. Er und sein Bruder Mustaj-Beg, der Kapetan von Stolac, geriethen mit den dortigen Notablen in Streit, aus welchem sich ein langwieriger Kampf entwickelte. Mustaj-Beg war nach Constantinopel gegangen, um bei der Pforte die Wiedervereinigung gewisser Dörfer mit dem Bezirke Stolac zu erwirken, welche früher zu diesem gehört hatten, in der Folge jedoch zu Pocitelj ge- schlagen worden waren. Als er aus Constantinopel zurückgekehrt war, begaben sich die Notablen von Stolac, Ali-aga Saric, Melimed-aga Melnnedbasic und Ahmed Effendi £ujo zu ihm, um ihn zu begrüssen und gleichzeitig zu erfahren, was er bei der Pforte erwirkt habe. Mustaj Beg war ein Mensch ohne Ueberlegung, dabei stolz und unfreundlich. Um sich vor seinen Gästen nicht erheben zu müssen, begab er sich auf die Meldung von ihrer Ankunft rasch in seinen Harem und gab Befehl, ihn von dort herbeirufen zu lassen, sobald die Gäste Platz genommen haben würden. Damit wollte er sie zwingen, bei seinem Eintritte ins Empfangszimmer vor ihm aufzustehen und ihn stehend zu begrüssen. Als die Notablen eintraten und vom Diener erfuhren, dass Mustaj-Beg angeblich noch im Harem sei, erriethen sie sofort seine Absicht. Um sich der Richtigkeit ihres Verdachtes zu vergewissern, betastete Einer den gewöhnlichen Sitzplatz des Mustaj-Beg und fand denselben noch warm. Ein Zweiter blies in den an der Wand lehnenden Cibuk, und siehe da, demselben entstieg eine Rauchwolke, der Tabak brannte noch. Als Mustaj-Beg hierauf eintrat, um seine Gäste zu begrüssen, empfingen ihn diese sehr kühl, verliessen ihn alsbald und erklärten, ein derartig hochmüthiges Betragen nicht dulden zu wollen. Später traten sie zu einer Berathung zusammen, in welcher beschlossen wurde, zuerst die Brüder Mustaj-Begs aus der zweiten Ehe seines Vaters: Omer-Beg, Ali-Aga und Halil-Aga, zur Verdrängung Mustaj-Begs vom Kapitanate aufzureizen. Dieser Anschlag kam in Kürze zur Durchführung. Die Brüder Mustaj-Begs verschafften sich grossen Anhang im Volke, welches dem Omei’-Beg die Würde eines Kapetans von Stolac anbot. Dieser nahm freudig an und stellte sich an die Spitze einer bewaffneten Schaar, mit welcher er zur Belagerung der Burg von Stolac schritt, die Mustaj-Beg besetzt hielt. Eine zweite Abtheilung schloss Iiutovo und den darin befindlichen Hadzi- Beg ein. In dieser Nothlage wandte sich Hadzi-Beg an Marschall Marmont nach Ragusa mit der Bitte um militärische Unterstützung. Darauf erschien eine französische Truppen- abtheilung zum Entsatz von Hutovo, schlug die Belagerer in einem heissen Gefechte auf dem „Previs“ und kehrte nach erfochtenem Siege nach Ragusa zurück. Mit diesem Ereignisse dürfte ein Brief im Zusammenhänge stehen, welchen Mar- schall Marmont unter dem 2. Juli 1808 an Hadzi-Beg schrieb, und dessen Original sich im Besitze von Hadzi-Begs Enkel Sulejman-Beg Rizvanbegovic befindet, der gegenwärtig in Constantinopel lebt. Der Brief lautet: Monsieur le Hadzi-Begue Rzvane Begovich tl Houtovo.1) J’ai regu la lettre, que vous m’avez ecrite; j’avais appris avec peine la Situation fächeuse, dans laquelle vous vous trouviez, et depuis longtemps je faisais des voeux, 0 So auf der Aussenseite des Briefes. Innen steht über der beschriebenen Blattseite die halb- verwischte Aufschrift: Monsieur Ghazi Rizvan Begovich. Einige kleine Abweichungen von der im Glasnik 1890, S. 174 mitgetheilten Lesung (so Zeile 5 v. o. voeux statt efforts, Zeile 6 v. u. Ledere statt Leiler, Zeile 5 v. u. voix statt tous) beruhen auf der Vergleichung einer photographischen Copie des Schreibens. D. Red. 310 I. Archäologie und Geschichte. pour que vous eussiez un meilleur sort. Puisque vous avez un besoin pressant de secours je n’hesite pas a vous en donner, parceque vous vous etes toujours conduit avec nous en bon voisin et en veritable ami. Je me rappelle avec plaisir de vos procedes pleins d’ liumanite et de justice envers les Ragousais, lorsqu’ils etaient chasses de leur proprietes par les Montenegros, le secours que vous reeevez aujourd’bui est le juste prix de vos bons soins pour eux. J’ai pense qu’il vous serait particulierement agreable d’etre secouru par le General Launay, qui est un de vos amis. Je l’ai Charge du commandement des troupes, qui se rendent a Ottovo; il vous fera remettre de ma part des vivres et des munitions afin que vous puissiez resister a vos ennemis. Comme je desire qu’aucun Turc ne puisse supposer que j’aie d’ aut re motif, que celui des vous secourir, j’ai donne l’ordre au General Launay de retrograder immediatement avec ses troupes, mais j’espere que l’assistance, que nous vous aurons donnee, en imposera suffisamment a vos ennemis et les empechera de rien tenter de nouveau eontre vous et qu’enfin vous pourrez retablir votre autorite comme par le passe. Je cbarge Monsieur Ledere un de mes aides de camp, de vous porter lui-meme cette lettre et de vous renouveller de vive voix mes Sentiments d’estime et d’amitie. J’ecris a Travnik, ainsi qu’a Constantinople pour informer le pacha de Bosnie et la Sublime Porte de ce que c’est passe. De mon quartier-general a Raguse le 2 juillet 1808. Marmont. Als sich Hadzi-Beg durch die Hilfe der Franzosen von seinen Feinden befreit sah, liess er in Hutovo den Sohn Mustaj-Begs, Selim-Beg, zurück und drang Nachts mit einer Truppenabtheilung in die Stolacer Veste, um sich mit seinem Bruder Mustaj- Beg in deren Vertheidigung zu theilen. Die Belagerung von Stolae dauerte zwei Jahre und drei Monate. Als sich die Brüder hierauf nicht mehr halten konnten, flüchteten sie in einer Nacht nach Trebinje. Vor der Flucht legte Hadzi-Beg jedoch in der Burg einige Minen, die beim Eindringen der Feinde in dieselbe aufflogen, wobei viele Menschen theils getödtet, tlieils verwundet wurden. Hadzi-Beg und sein Bruder Mustaj-Beg blieben eine Zeitlang in Trebinje und begaben sich sodann über Ragusa nach Hutovo. Indessen war ihr Halbbruder Omer- Beg Muselim (Bezirksoberhaupt) von Stolae geworden, liess jedoch Hadzi-Beg in dessen Burg Hutovo vollständig in Ruhe. Im Jahre 1813 brach in Serbien der Aufstand gegen die Türken aus. Um den- selben zu bekämpfen, rückte der Vezier von Bosnien mit einem aus allen Theilen dieses Landes und der Hereegovina gesammelten Heere gegen die Aufständischen vor. Ihm hatten sich auch Hadzi-Beg und Omer-Beg angeschlossen. In mehreren Gefechten mit den Serben bewies Omer-Beg besondere Tapferkeit und wurde zum Lohne dafür zum Pascha und Muselim von Mostar ernannt, während sein jüngerer Bruder Ali-Aga das Muselimat von Stolae erhielt. Als jedoch Omer-Beg aus dem Kampfe zurückkehrte und sein Amt in Mostar antrat, begann er die dortigen reicheren Bürger zu brandschatzen und zu misshandeln, weshalb sich die Mostarer empörten und ihn verjagten. Gleich- zeitig führten sie gegen ihn in Constantinopel Klage, worauf ein grossherrlicher Ferman erschien, in welchem Omer-Pascha für vogelfrei erklärt wurde. Dieser fand jedoch bei seinem nahen Freunde Mustaj-Pascha in Belgrad, einem Sohne des Sulejman-Pascha aus Skoplje, Zuflucht. Aber der kaiserliche Katil-Ferman (Todesurtheil) wurde bald auch Mustaj-Pascha zugestellt, und dieser liess infolge des erhaltenen Befehles den Omer tödten. Hör mann. Die Kula des Haclzi-Beg' in Hutovo. 311 Audi Hadzi-Beg batte gegen die Serben mit grosser Tapferkeit gekämpft, erhielt jedoch keine Belohnung, wahrscheinlich, weil man seine missliebigen freundschaftlichen Beziehungen zu den Franzosen noch nicht vergessen hatte. Mit geheimem Groll im Herzen kehrte er aus dem Feldzuge gegen die Serben nach seinem alten Neste Hutovo zurück, während sein jüngerer Bruder Ali- Aga, der spätere Ali-Pascha, den Sitz eines Muselim von Stolac einnahm. Obzwar es zwischen diesen Beiden niemals zu einem offenen Kampfe kam, konnte doch auch von einem guten Einvernehmen zwischen ihnen keine Rede sein. Hadzi-Beg suchte im Gegentheil nach einer Veranlassung, mit Ali- Aga Streit anzufangen. Im Jahre 1830 erhoben sich die Begs und Agas in ganz Bosnien und einem Theile der Hercegovina wegen Abschaffung des Paschaluk, verjagten den Vezir Namik-Pascha und riefen Husein-Kapetan (Gradascevic) zum Vezir von Bosnien aus. Dieser Bewegung verweigerten den Anschluss Stolac, Trebinje, Gacko und Nevesinje, hauptsächlich infolge Einflusses des Ali-Aga Rizvanbegovic, Muselims von Stolac, der seit Langem zu den Gegnern des Husein-Kapetan gehörte. Diesen Umstand nützte Namik-Pascha zu seinem Vortheile aus, indem er mit seinen Truppen in Stolac einrückte, wo er drei Monate verblieb. Von hier schlug er sich zum Lim durch, fortwährend die Angriffe der Anhänger Husein-Kapetans zurückweisend, und gelangte mit ansehnlicher Begleitung zum Grossvezir nach Vucitrn auf dem Kosovo. Als Husein-Kapetan in Erfahrung ge- bracht hatte, dass die Hercegoviner Namik-Pascha hilfreiche Hand geboten hätten, ent- sandte er eine Abtheilung seiner bewaffneten Macht gegen Stolac und dessen Muselim Ali-Aga. An der Spitze derselben standen Firdus-Ivapetan aus Livxxo und Osman-Beg Manov aus Mostar. Der alte Hadzi-Beg glaubte den richtigen Moment erhascht zu haben, um gegen seinen Bruder Ali-Aga vorzugehen, und schloss sich Husein-Kapetan an, welcher vor Stolac eingetroffen war und auf dem Berge Osanic ein Lager bezog, während Hadzi- Beg in die Stadt einzog und seine Truppen in derselben vertheilte. Ali-Aga schloss sich in der Burg Stolac ein, wo er sich gegen die Angriffe seiner Gegner tapfer und entschlossen vertheidigte. Die Bewohner von Stolac, derartig zwischen zwei Feuer genommen, beobachteten eine streng neutrale Haltung, neigten jedoch im Geheimen mehr der Partei des Ali-Aga zu. Die Belagerung der Bux-g hatte nahezu vier Moxxate gedauei’t. Da bex'ief Husein seineix Bundesgenossen Firdus-Kapetan mit einem Theile seiner Leute zu sich, worauf Osman-Beg Manov mit seinen Truppen nach Mostar zurückkehrte. Dadurch wurde das Heer der Belagex’er auf dexxx Osanic geschwächt. In einer Nacht gegen Exxde März 1831 verabredeten die Bürger voxx Stolac xxxit Ali-Aga ein gemeinsames Vox-gehexx. In der Morgendämmerung überfielen sie gleichzeitig das Lager auf Osanic und das Haus des Mahmud Cehajic in der Mahala Uzirovici, worin Hadzi-Beg wolnxte. Die Truppen im Lager konnten den heftig geführten Angriff nicht abwehren und ergriffexx die Flucht unter Zurücklassung eines Geschützes und ihrer gesanxxnten Mxxnition. Hadzi-Beg vertheidigte sich lxeldennxüthig in seinem Quartier, aber auch er vermochte den Angriff nicht zurückzuschlagen. Zuletzt fiel er voxx einer Kugel getroffen todt zu Bodeix. Eine andere Vei’sion über den Tod des Hadzi-Beg berichtet, Ali-Beg, der Muselixxx von Stolac, hätte einen Diener des Hadzi-Beg erkauft, um dieseix meuchlings zu ermorden. In dexxx Augenblicke, als sich der verwundete Hadzi-Beg aus dem Gefechte zurückziehen und vor den Nachstellungen seiner Feinde im Kamin verstecken wollte, schoss ihn der verräthex’ische Diener nieder. Aber der Meuchelmörder erhielt den ihm gebührenden Lohn voxx der Hand des Ali-Aga, der ihn xnit einem Pistolenschüsse zu Bodeix streckte, als er ihn ixn Besitze voxx Hadzi-Begs Fez 312 I. Archäologie und Geschichte. antraf. Die Leiche des Helden wurde auf dem sogenannten „Grossen Harem“ in Stolac begraben. Die Grabsteine werden noch jetzt gezeigt und sind gut erhalten. Auf diese Weise starb ein Mann, der vermöge seiner hervorragenden natürlichen Begabung auf die Verhältnisse in der Hercegovina zu Beginn des jetzigen Jahrhunderts grossen Einfluss genommen hatte. Es wird erzählt, er habe sich in seiner Jugend fleissig mit „Studien“ befasst und auch in späteren Jahren den Wissenschaften, wie er sie verstand, lebhaftes Interesse entgegengebracht. Es heisst, er habe Astronomie und Astrologie getrieben und vermöge seiner Kenntniss der Sternenwelt in die Zukunft zu blicken vermocht. Nach dem Laufe der Planeten hätte er seine verschiedenen Geschäfte eingerichtet. Manchmal befasste sich Hadzi-Beg auch mit Heilkunde, und seine Leute glaubten des- halb um so lieber, dass er die Geheimnisse der Zukunft ergründen und offenbaren könne. Die oben besprochenen Inschriften auf Burg Hutovo geben Zeugniss von seiner zum Mysticismus neigenden Richtung, und die Bewohner von Hutovo halten noch heute daran fest, jene Inschriften hätten die geheimnissvolle Macht gehabt, die Schlangen abzuwehren, und man behauptet, dass noch Niemand eine Schlange auf Burg Hutovo gesehen habe. Hadzi-Beg war zweimal verheiratet. Seine erste Gattin war die Tochter des Soga Sagovnovi6 aus Oralie, welche er während seiner Kämpfe gegen Russen und Monte- negriner gefangen genommen hatte, und in die er sich leidenschaftlich verliebte. Sie gebar ihm zwei Söhne, Mustaj-Beg und Derwisch-Aga. Seine zweite Gattin war eine Harmanda aus Travnik, und von dieser hatte er ebenfalls zwei Söhne, Acif-Beg und Smail-Aga. Hadzi-Beg war übrigens der Schrecken aller schönen Bauernmädchen im Popovo polje, die er mit Gewalt einfangen und zu sich bringen liess. War er ihrer überdrüssig geworden, so zwang er junge Bauern, dieselben zu heiraten und ihm über- dies noch eine Heiratsvermittlungsgebühr (Zahmedija) in Gold oder Vieh zu bezahlen. Das Volk in der Hercegovina erzählt viel davon, dass Hadzi-Beg ein Unterdrücker der Bauern gewesen, dass er die Kaufleute masslos gebrandsckatzt habe und im Zorne geradezu furchtbar gewesen sei. Doch dürfte dabei Manches übertrieben sein, denn zahlreiche Züge, die aus seinem Leben erzählt werden, lassen den Schluss zu, dass sein Herz edleren Gefühlen nicht unzugänglich war. Die folgende Erzählung ist ziemlich verbreitet: Der Kapetan von Pocitelj, ein persönlicher Feind des Hadzi-Beg, wollte den Be- wohnern von Stolac in einem Briefe von den Absichten desselben, die er auf irgend eine Weise in Erfahrung gebracht hatte, Nachricht zukommen lassen. Als Ueberbringer des Briefes gewann er einen Knieten des Hadzi-Beg. Dies geschah zu jener Zeit, als Hadzi-Beg als Anhänger IJusein-Kapetans seinen Bruder Ali-Aga belagerte. Der Bote mit dem verhängnissvollen Briefe schickte sich eben an, über die Brücke der Unter- stadt zu gehen, als er seinen Gebieter erblickte, der unweit auf einer Terrasse sass. Der Kniet veränderte aus Furcht und in dem Bestreben, unerkannt zu bleiben, seinen Schritt und stellte sich hinkend. Vor Hadzi-Beg angelangt, beugte er sich tief vor diesem und bot ihm demuthsvoll den üblichen Gruss. („Zdravo!“ Sei gegriisst, sei gesund!) „Ich bin gesund,“ donnerte ihm der Beg zu, „aber was soll jetzt aus dir werden“? Der unglückliche Briefbote wagte kaum zu atlnnen. Der Gefürchtete sprach jedoch: „Her mit dem Briefe, den du bei dir trägst, und dann schere dich aus meinen Augen, so schnell dich deine elenden Füsse tragen!“ Der Bauer schwor bei Himmel und Hölle, dass er nichts von einem Briefe wisse, Hadzi-Beg befahl jedoch kurz, ihn sofort ins Wasser zu werfen. Der Befehl war kaum gegeben, als auch schon die Leute des Hadzi-Beg herbeisprangen, den unseligen Botengänger erfassten und auf die Brücke Hör mann. Die Knla des Had2i-Beg in Hutovo. 313 schleppten. Als er sah, dass mit ihm kein Scherz getrieben werde, rief er: „Halt, wartet ein Wenig!“ riss seinen Opanak (Bundschuh) vom Fusse, zog den Brief aus demselben und brachte ihn seinem Herrn. Dieser sprach: „Jetzt gehe sofort nach Pocitelj und erzähle dort, wie es dir ergangen. In Zukunft nimm dich in Acht, für jetzt sei dir verziehen!“ Es ist bekannt, dass Hadzi-Beg den Bauern niemals von diesen urbar gemachte Grundstücke wegnahm, und deshalb hielten seine Hörigen stets treu zu ihm. Seine Hauptstütze bildete die katholische Bevölkerung von IJrasno, die ihm während seines ganzen Lebens treu diente. Seine Mannschaft vergötterte ihn geradezu und kämpfte unter seiner Führung mit grosser Tapferkeit. Wohl pflegte Hadzi-Beg manche Vergehen mit Geldstrafen zu ahnden, dürfte jedoch hieraus kaum grössere Einkünfte geschöpft haben, denn nach seinem Tode erhielten seine Erben kein Geld, sondern blos das Erbe des Hadzi-Beg nach dessen Vater und einige Einrichtungs- stücke. In Hutovo hob Hadzi-Beg einen Zoll von allen Reisenden ein, die von Dalmatien über Kiek nach Mostar reisten. Wie gross dieser Zoll war, ist unbekannt, doch heisst es, er habe das Recht der Einhebung von der Pforte erhalten. Das Volk erzählt auch, Hadzi-Beg habe jeden seiner Feinde, der in seine Gewalt gerieth, in die schaurigen Burg- verliesse von Hutovo einsperren und dort foltern lassen. In diesen Gefängnissen sollen auch viele Gefangene gestorben sein, deren Leichen er dann in die Abgründe (Ponore) werfen liess, die sich zahlreich in der Umgebung von Hutovo befinden. Wegen der- artiger Erzählungen ziehen die Reisenden noch heutigen Tages furchtsam unter der Burg Hutovo vorbei, denn der Aberglaube des Volkes weiss von hilferufenden Geister- stimmen Schauergeschichten zu erzählen. Nach Hadzi-Begs Tode blieben seine Söhne nur noch kurze Zeit in Hutovo; sie übersiedelten später nach Stolac, wo alle bis auf den jetzt in Kleinasien lebenden Smail-Beg starben. Von den Enkeln Hadzi-Begs leben heute noch die Söhne Mustaj- Begs, Sulejman-Beg in Constantinopel, Zulfikar Effendi und Omer-Beg in Stolac, ferner der Sohn des A6if-Beg, Avdi-Beg in Dubrave im Bezirke Stolac, schliesslich Mehmed- Beg, der Sohn des Derwisch- Aga, der sich seit dreissig Jahren in Asien aufhält. Während des der österreichisch - ungarischen Occupation vorangegangenen Auf- standes (1875 — 1878) besetzten türkische Truppen das Schloss Hutovo. Als dieses von den Insurgenten unter Don Ivan Music angegriffen wurde, warfen die Leute des Nikola Putica und des Ivan Maslac Feuer in die Burg, welches alle Plolzbestandtlieile derselben verzehrte. Die Ruinen von Hutovo verfallen immer mehr. In kurzer Zeit werden die einst festen Mauern dem Boden gleichgemacht sein. Aber noch lange wird im Volke die Erinnerung wach bleiben an die stürmischen Ereignisse, -die sich um Hutovo abgespielt zur Zeit seines Gebieters Hadzi-Beg Rizvanbegovic. B. Notizen (Mit 1 Tafel xxracL 34 Abbildungen i in Texte.) Inhalt: Dr. V. Jagie. Die goldene Bulle des Despoten Stefan. (Mit Fig. 1 — 2.) — Vid Vuletie- Vukasovic. Siegel aus Komusina in Bosn.-Usora und Siegel aus Suceska. (Mit Fig. 3- — 4.) — C. Hörmann. Ein altes Amulet aus Livno. (Mit Fig. 5 — 6.) — Fr. Fiala. Skizzen vom Glasinac.. (Mit Fig. 7 — 9.) — Dr. C. Jirecek. Glasinac im Mittelalter. — G. v. Stratimirovic. Bosnische Königsschlösser. (Mit Tafel IV und Fig. 10—11.) — G. v. Stratimirovic. Notizen aus der Gegend von Visegrad, (Mit Fig. 12 — 17.) — Bischof W. Fraknöi. Cardinal Carvajal in Bosnien 1457. — C. Peez. Die letzten Tage der Hercegovina. — C. Hörmann. Eine Urkunde des Königs Mathias Corvinus. — C. Hörmann. Die alte Brücke in Vise- grad. (Mit Fig. 18 — 21.) — Dr. C. Truhelka. Der Maler des Wappenbuches von Fojnica. (Mit Fig. 22 — 28.) — Miron R. v. Zarzyeki. Das Städtchen Ustikolina. (Mit Fig. 29.) — C. Peez. Die ottomanischen Statthalterin Bosnien. — C. Hörmann. Ein Diplom des Sultans Gliazi Ahmet Khan aus dem Jahre 1127 nach der HecRra (1714 n. Chr.). (Mit Fig. 30.) — C. Peez. Ein berühmter Sprössling Bosniens. — Dr. C. Truhelka. Eine türkische, in Sarajevo geprägte Münze. (Mit Fig. 31.) — C. Hörmann. Eine Celenka mit dem ungarischen Wappenbilde (Mit Fig. 32.) — C. Hörmann. Fund einer alterthümlichen Cutura (Feldflasche). (Mit Fig. 33.) — K. Kovacevic. Eine zweite alterthümliehe Öutura. (Mit Fig. 34.) Dr. Vatroslav Jagic. Die goldene Bulle des Despoten Stefan. (Mit Figur 1 — 2.) — Diese Urkunde ist schon gedruckt in Miklosich’ „Monumenta Serbien“ (S. 333 — 335), aber, wie man sieht, hat der Autor, als er sein Werk herausgab, nicht das Original vor Augen gehabt, son- dern blos den im „Serbisch -dalmatinischen Magazin“ gedruckten Text und eine neuere Abschrift. Nach dem Gesagten darf es nicht Wunder nehmen, wenn in Miklosich’ Ausgabe nicht Alles genau ist; andererseits möchten wir aber ohneweiters zugeben, dass die neue, von der bosn.-hereeg. Landes- regierung veranlasste Ausgabe dieser goldenen Bulle den Historikern nichts Neues bieten wird. An- ders steht aber die Sache, wenn wir uns dieser alten Urkunde als einer Quelle für die Geschichte der Sprache bedienen wollen. Von dieser Seite befriedigen die bisherigen Ausgaben absolut nicht, und zwar umsoweniger, als gerade die Regierungsepoche des Stefan Lazarevic höchst wichtig ist für die serbische Geschichte in Bezug auf literarische und wissenschaftliche Bestrebungen. Zu seiner Regierungszeit wurde mit den alten Traditionen gebrochen und die Schreibweise in neue Bahnen gelenkt. Als geistiger Urheber der Neuerungen, als Reformator der alten serbischen Schule trat wie bekannt Constantin, Grammatiker und Philosoph, des Despoten Mitarbeiter auf lite- rarischem Gebiete und nach dessen Tode sein Historiograph, hervor. Dieser Constantin war ein für jene Zeiten sehr gelehrter, aber auch zugleich ein viel zu unpraktischer Mensch. Jedermann, dem es bekannt ist, wie Constantin für einige seiner Reformen in Bezug auf Schreib- weise und Uebersetzungen serbischer Bücher kämpfen musste, dem wird sich von selbst die Frage aufdrängen, wie zu jener Zeit in der Kanzlei des Despoten geschrieben wurde? Hat sich dieselbe den Reformen Constantins angeschlossen, oder hielt sie sich an die älteren Principien? Eine Antwort auf diese interessante Frage finden wir in den bisherigen Ausgaben unserer goldenen Bulle nicht, wir erhalten aber diese Antwort aus der nebenstehend abgedruckten photographischen' Reproduction dieser Bulle. (Siehe Fig. 1 und die in natürlicher Grösse ausgeführte Wiedergabe des daranhängenden Siegels Fig. 2.) Es zeigt uns dieses Bild, dass auch des Despoten Kanzlei, in welcher vielleicht Constantin selbst sass, sich von der neuen Strömung in der serbischen Schreibweise nicht ganz zu emancipiren Notizen. 315 iwr h Piro ' ÄiWöif «t ' TTfripr'wt'^»Y«i^i,a«’i|A . i$ iJcKi« MtwA-ClATA a.^.jrS >'»<4 *lrflm’i£- y\,Wj^ Mi (ixts^Jma WAvtr+tAt •*•&.». JjW mi*p!(.1itHMÄ™*tfAj*TTut ■ nktfiAUMkniHKa , ^A. h'a^HtrtiV Vrtfc'i & . 7 : i n~i IA4‘‘*,V1 '* ‘ Sd/Tö^A ‘4*0 ./lU; i-ifrmriiii nii.i«^ .vi^w « pi 9 «• H'^k. ü ZiaaHrtH i\t rritrnti\/\\n. KfeMittif. 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Fig\ 2. Siegel des Despoten Stefan auf der goldenen Bulle desselben P/i). Die zweite Erscheinung ist die regelmässige Beisetzung des Accentes in den Wörtern, was bereits in dieser goldenen Bulle durchgehends ausgeführt ist. Auch jene Unterscheidung des zweiten Endungsfalles der Mehrzahl vom ersten Endungsfalle der Einzahl mit dem Zeichen " auf dem Buch- staben k findet sich schon in den Büchern aus Constantins Zeiten ; aber dies dürfte bereits ein älterer Gebrauch sein, welchen erst Constantin aufgriff und festigte. In unserer Bulle tritt dies hervor bei CfAk, COAk, rOCflO,A,k, ^TITOpk, CkpUb\HHKk. Ebenso ist die Anwendung des grossen 0 (w) in der Mehrzahl keine Neuschaffung Constantins, aber er gab diesem Gebrauche seine mass- gebende Bestätigung. Vid Vuletic -Vukasovic. Siegel aus Komusina in Bosn.-Usora. (Mit Figur 3.) — Dieses altchristliche Siegel (vergl. „Viestnik hrv. ark. drustva“, Jahrg. 1888, S. 28) ist in dunkelgrünem Steine geschnitten und wurde von dem Bauer Ivo RupÖic 1877 im Orte Komusina im Gebiete des einstigen bosnischen Banates Usora bei der Feldarbeit gefunden. Einen Abdruck hat mir der geehrte 0. D. Jos. Bozic aus Plebani geschickt; das Original befindet sich bei einem Franziskaner. Die Schrift lautet : TvmA\n nrmum Siegel, gefunden beim Klosterbau in Suceska. (Mit Figur 4.) — Bei der Ausgrabung des Grundes für den Neubau des alten Franziskanerklosters in Suceska wurde das hier abgebildete Siegel mit der Inschrift : S. MINISTRI GNLfS TOTIUS OEDS FRANC. (Siegel des Generalministers des ge- summten Franziskanerordens) gefunden. Da Bosnien nur einmal (im Jahre 1340) von einem General- minister des Franziskanerordens, P. Gerard Odonis, besucht wurde, so hat vermutldich dieser Letztere das jetzt gefundene Siegel gelegentlich der Visitation des Klosters verloren. P. Gerard Odonis war ein Notizen. 317 geborener Franzose und wurde im Jahre 1329 Ordensgeneral. Von ihm bis auf P. Bernardin, der im Jahre 1882 Bosnien und die Hercegovina besuchte, ist kein Ordensgeneral der Franziskaner in diese Länder gekommen. Const. Hörmann. Ein altes Amulet aus Livno. (Mit Figur 5 — 6.) — - Durch die Güte des Herrn Marko Nani, Leiters der Handelsschule in Livno, bekam das Landesmuseum ein alterthümliches Amulet, das ein Bauer auf seinem Felde gefunden und an Mato Tedic, Goldarbeiter in Livno, ver- kauft hatte, welcher es wieder an Herrn Nani übergab. Das Amulet, dessen Vorderseite Figur 5 und dessen Rückseite Figur 6 zeigt, ist nicht blos in seinem äusseren Filigranrahmen aus Silber gut erhalten, sondern auch in seinem, die Taufe Christi darstellenden Bilde aus Holz. Wenn auch die Fili- granarbeit ziemlich grob ist, so kann man doch sagen, dass sie die Arbeit eines geschickteren Gold- arbeiters ist •, die Schnitzarbeit hingegen ist geradezu künstlerisch, besonders wenn der kleine Raum, auf welchem der Meister sein Bild auszirarbeiten hatte, in Betracht gezogen wird. Der Durchmesser des Amulets beträgt 36 Mm., die Dicke 7, resp. 15 Mm. Franz Fiala. Skizzen vom Glasinac. (Mit Figur 7 — 9.) — 1. Djevojüin grob. Zwischen den ungefähr 10 Kilometer von der Bezirksstadt Rogatica entfernt liegenden Dörfern Rusanovici und Goluboviei entdeckte ich am Fusse eines auf der Generalstabskarte mit 873 M. cotirten Hügels einen Tumulus, der mir durch seine besondere Form auffiel. Das Hügelgrab hatte auf eine Länge von UM. eine Breite von nur 4 M. und eine Höhe von 1 M., Dimensionen, wie sie bei den prähisto- rischen Tumulis nie Vorkommen. Doppelt interessant ward mir der Ort durch den Umstand, dass sich an denselben eine Sage knüpft. Dieselbe lautet, wie ich sie aus dem Munde des Rnsanovicer Insassen Uzeir Arnautovic 318 I. Archäologie und Geschichte. erfuhr, folgendermassen : „Auf der Banja stiena, die sich beim Dorfe Jarovici erhebt, und auf der noch Mauerreste einer mächtigen Burg zu sehen sind, lebte einst ein mächtiger Ban. Der König des Kraljevo- polje auf dem Glasinac freite für seinen Sohn um die schöne Tochter des Bans; diese jedoch ver- schmähte den Königssohn. Aus Iiache hiefür liess der König die Quelle am Hrabar, welche den durch das Gebiet der Rusanovicer fliessenden Bach speiste, vermauern, und das Gebiet verödete, und es entstand eine grosse Wassernoth. Da verkaufte die Tochter des Bans ihr Geschmeide und ihre ganze Brautausstattung und liess mit dem Erlöse durch geschickte Meister drei Brunnen graben, und zwar den ,Vrbovik‘ bei der heute im Polje bestehenden Dzamija, den ,Leskovik‘ und den ,Seferovac‘ beim Orte Dobraöa. Sie starb an einer Verletzung durch einen Pfeilschuss. Noch heute sind am Brunnentroge bei der Dzamija ihre Wahrzeichen, und zwar eine Spindel und ein Pfeil, im Steine ein- gegraben.“ Soweit die Erzählung meines Gewährsmannes, Die drei Brunnen habe ich besucht und Fig. 7. Grabstein zwischen Ladjevine und Dobraca (1/i6)- kann sie nach den bei der Mauerung verwendeten Gruftplatten mittelalterlicher Gräber nur der tür- kischen Aera zusprechen. An dem aus einem sarkophagförmigen Block gemeisselten Brunnentroge ist eine Spindel und ein Streitkolben, natürlich stark verwittert, noch erkennbar. Das Resultat der Abgrabung des als „der Banstochter Grabhügel“ bezeiclmeten Tumulus war folgendes. Unter der Aufschüttung, welche aus Erde und Schotter bestand, wurden gegen die Mitte des Hügels zwei in den natürlichen Boden circa 75 Cm. tief eingelassene gruftartige Gräber ohne Seitenmauerung entdeckt. Jedes derselben barg in festgestampften Lehm und Schotter gebettet ein Skelet. Die südlich gelegene Leiche, von Süd nach Nord orientirt, hatte den Kopf auf die linke Seite geneigt und die Arme auf der Brust gekreuzt ; das nördliche Skelet, ebenso wie das erstgenannte orientirt, war ganz zerfallen, so dass die Lage des Kopfes und der Hände nicht mehr festgestellt werden konnte. An Beigaben war in den zwei Gräbern nichts vorhanden; wohl aber enthielt das Aufschüttungs- material des Tumulus einige Fragmente von auf der Drehscheibe gefertigten Gefässen und ein eisernes Messer. Die Objecte sind mittelalterlichen Ursprunges. Notizen. 319 Yon den Hirten der umliegenden Ortschaften wurde mir erzählt, dass die fahrenden Zigeuner dem Djevojein grob besondere Verehrung bezeigen und an dem Orte ihr Lager aufzuschlagen pflegen. Vielleicht haben wir es mit dem Grabe eines Zigeunerhäuptlings zu thun, denn die Art und Weise, wie die Skelete beigesetzt waren, entspricht weder dem katholischen und griechisch -orientalischen, noch dem mohammedanischen Ritus. Möglicherweise wird die craniologische Untersuchung des einen geborgenen Schädels bessere Anhaltspunkte liefern. Die Sage von dem Vermauern der Quelle am Hrabar scheint sich an ein in Karstgegenden oft eintretendes Naturereigniss, nämlich das Versiegen von Wasserläufen durch Einstürze und Eröffnen neuer unterirdischer Abflusswege, zu knüpfen. Die Thalsohle um Rusanovic und Dobraea ist stellen- weise sumpfig, und ausserdem sind einige grössere Ponors, welche in weitverzweigten Höhlen aus- münden, vorhanden. Die Bauern erzählen auch, dass der Thalgrund einst das Bachbett der Rakitniea, welche heute ungefähr 10 Kilometer entfernt vorbeifliesst, gewesen wäre. Doch ist dies aus geotektonischen und stratigraphischen Gründen ganz unmöglich. Es kann höchstens durch einen Einsturz das eine Wasser- reservoir einen anderen Abfluss erhalten haben, welcher sich dann in dem Versiegen der einen und dem Zutagetreten der zweiten Quelle äusserte. 2. Mittelalterliche Grabsteine. In dem Thalbecken, welches sich östlich von Rogatica, von Ladjevine bis Dobraöa ausdehnt, kommen an mehreren Orten mittelalterliche Friedhöfe vor, deren berühmtester der von Ladjevine ist. Zwei Stunden östlich von diesem Orte, nahe der im Thale liegenden Dzamija, findet sich an einer Hügellehne eine Anzahl von mittelalterlichen, theils tumba-, theils sarkophagförmigen Steinen, unter denen nur einer Sculpturen aufweist. Das Motiv ist ein so Eigenartiges, dass hiezu aus Bosnien und der Hercegovina noch keine Analoga bekannt sind. Auf der Stirnseite des Steines (Figur 7) erscheint eine im Profil dargestellte aufrechtstehende männliche Figur, mit einem langen Waffenrocke be- kleidet, den rechten Arm in die Hüfte gestützt, den linken halb ge- streckt und in der Faust einen undeutlich markirten Schwertgriff hal- tend ; oberhalb des Schwertgriffes, ungefähr auf Schwertlänge entfernt, schwebt ein mit Turban bekleidetes Haupt, welches durch ein scharf profilirtes, spitziges Kinn besonders gekennzeichnet ist. Hinter der erwähnten männlichen Figur steht ein tischähnliches Gestelle, vor der- selben ein langer Stab mit krückenartigem Griffe. Auf der Rückseite des Steines ist, auf einem ähnlichen tisch- artigen Aufsatze, ein krähender Hahn dargestellt (Figur 8). Die Dimensionen des Sarkophages, welcher sammt der Gruft- Rückseite des Grabsteines platte aus einem Stücke gehauen ist, sind folgende : Länge der Gruftplatte pjo, 7 (Q2„) 2'67 M., Breite 1 M., Höhe 0‘3 M.; Länge des Sarkophages 2’2 M., Höhe l'l M. und Breite 0‘8 M. Das Materiale ist grauer Triaskalkstein. Die unter dem Steine befindliche Gruft zeigt Spuren gewaltsamer Eröffnung durch Schatzgräberhände, weshalb ich jede weitere Untersuchung unterliess. Auf dem Wege von Smrtici nach Vjeternik, Ortschaften im nördlichen Theile des Rogaticaner Bezirkes, befindet sich auf dem Plateau des „Bileg“ genannten Bergrückens, im dichtesten Ilasel- gestrüppe versteckt, eine halb im Boden versunkene Steinplatte mit Sockel, welche von den Einwohnern „Dobri Bileg“ genannt und für eine alte Grenzmarke gehalten wird. Der Stein zeigt eine äusserst roh stylisirte männliche Figur in langem Waffenrocke; die Fiisse sind in Profil, Kopf und Oberkörper in Vorderansicht gehalten. Auf der einen Seite der Figur ist ein svastikaähnliehes Ornament, auf der anderen ein Halbmond in Relief abgebildet (Figur 9). Die Höhe des Sockels beträgt 0'35 M., die der Platte 1 M. Das Materiale ist grauer Triaskalkstein. 3. Die Sage vom „Hreljin grad“. Unter den vielen prähistorischen Wallburgen des Glasi- nac ist „Hreljin grad“ die einzige, von welcher im Volksmunde eine besondere Sage circulirt. Die Befestigung befindet sich auf einem Ausläufer des Berges Plijes, welcher den Eingang in das Thal von Parizevici und Senkovißi flankirt. An der Südseite ist der Wallberg durch die Einsattelung „Previja“ mit dem HrastovaÖahügel verbunden. Dem Hreljin grad liegt als zweiter Sperrriegel des Thaies die Wallburg Mlagj am gleichnamigen Bergrücken gegenüber. Auf der Previja befinden sich 50 mittel- alterliche Grabsteine in den drei gewöhnlichen Typen: Tumba, Sarkophag und Platte. Ein einziger Stein hatte ein von einem Kranze umschlossenes Kreuz eingemeisselt. Die Sage, wie ich sie von 320 I. Archäologie und Geschichte. meinen Arbeitern, Bauern des Glasinac, erzählen hörte, lautet folgendermassen : „Auf dein Grad lebte der Held Hreljo von Pazar. Jeden Morgen pflegte er mit seinem Rösslein vom Walle auf den Glasinac, und zwar auf einen Stein beim Han Jezero zu springen (der Stein liegt 5 Kilometer von der Wallburg entfernt). Eines Morgens aber unterliess Hreljo den gewohnten Sprung und ritt aus, um seine Braut heimzuholen. Als er das Mädchen in die Burg brachte und ihr beim Absteigen vom Pferde half, entblösste sich ihr zufällig der Fuss, welchen Hreljo erblickte. Am andern Morgen wollte derselbe wieder den gewohnten Satz mit dem Pferde versuchen, dieses sprang jedoch nicht bis zur gewohnten Marke, son- dern fiel schon unweit des Walles zu Boden. Da ergriff wilder Schmerz seine Heldenseele; er beschloss lieber der Liebe als dem Heldenthume zu entsagen, verliess die Burg und floh nach Pazar.1) Der Name Hreljo taucht noch in einer volksthtimlichen Bezeichnung des „Ljuburicpolje“ im Nordostwinkel des Glasinac auf, welches nämlich auch Hreljinopolje und Kraljevopolje genannt wird. Die letztere Bezeichnung steht mit der Eingangs erwähnten Sage vom „Djevojöin grob“ im Zu- sammenhänge. Fig. 9. Grabstein „Dobri Bileg“ zwischen Smrtici und Vjeternik (1/l2). Ich will mich hier jeglichen Commcntars zur Hreljo -Sage enthalten, doch kann ich nicht un- erwähnt lassen, dass gerade in der Nähe des Hreljin grad ein Tumulus mit sehr reichen, an ein Fürstengrab mahnenden Beigaben ausgegraben wurde. Dr. C. Jirecek. Glasinac im Mittelalter. - — - Das Glasinaßkopolje ist in den letzten Jahren durch seine prähistorischen Alterthümer aus der illyrischen Zeit allgemein bekannt geworden. Aber auch im Mittelalter war diese Hochebene wegen ihrer Lage nicht ohne Bedeutung, da sich dort die Strassen und Wege aus dem inneren Bosnien vom Lim und von der unteren Drina vereinigten. Schon in unserer Schrift „Die Handelsstrassen und Bergwerke von Serbien und Bosnien während des Mittelalters“ (1879), S. 86, haben wir auf Grund der Protokolle des Rathes von Ragusa den Ort Gla- sinac als Zollstation in den Jahren 1429 und 1430 erwähnt. Als wir unlängst unsei'e Arbeiten in x) Vergl. Bd. I, S. 69. Notizen. 321 Ragusa fortsetzten, fanden wir in den alten richterlichen und Notariatsbüchern noch neun andere Auf- zeichnungen über Glasinac. In den Büchern des Ragusaner Archives wird G-lasinac in den Jahren 1404 — 1430 im Ganzen eilfmal erwähnt. Am meisten ist von Glasinac die Rede bei den Unterhandlungen der Ragusaner Kaufleute, Patricier und Bewohner mit den Vlachen, den „Frächtern“ (ponosnici) aus verschiedenen Gebirgsdistricten der Hercegovina und Montenegros, welche sich vor dem Gemeindenotar mündlich verpflichteten, innerhalb welchen Zeitraumes und zu welchem Preise sie Vieh- und Waarenkarawanen auf ihren Pferden an den verabredeten Ort bringen würden. Hier wird zu Anfang des 15. Jahrhun- derts neben Priepolje, Sveti Petar am Lim (dem heutigen Bjelopolje), Sveti Nikola bei Banja am Lim, Fo<5a, Gorazda, Ustikolina, Praöa, Vrhbosna, Olovo und anderen Orten auch der Name Glasinac genannt. Es versteht sich, dass diese Orte nicht immer die Endziele der Karawanenzüge waren ; dort wurden nur die Vlachen (Frächter, ponosnici), welche dieWaaren aus Ragusa brachten, entlassen, und die Kaufleute vereinbarten mit anderen Frächtern, dass diese die Fracht (tovar), oder wie es damals hiess, den „ponos“ (die Last) in Zügen (türme) oder Karawanen weiter nach Srebrenica, Zvornik, Rudnik, Novo Brdo u. s. w. zu spediren hätten. So war es wohl auch mit Glasinac, welches nur einen Durchzugsort bildete. In den Protokollen wird die Namenform „Glasinac“ (masc. sing.) angewendet. Der Hauptort des Glasinac war die „Kirche Glasinac“ (crkva u Glasincu), „der Ort, genannt die Glasinacer Kirche“ (mjesto, reöeno crkva Glasinaöka) oder einfach „Kirche genannt Glasinac“ (crkva reöena Glasinac). Dass dies die heutige „Crkvina“ bei dem Obelisken, welcher zur Erinnerung an das Gefecht bei Senkovici im Jahre 1878 errichtet wurde, sei, hat G. v. Stratimirovie, dem ich diese Aufzeichnungen über eine Kirche auf dem Glasinac 1891 in Sarajevo mittheilte, in seiner Abhandlung „Beschrei- bung des Glasinac“ (Glasnik des bosn.-herceg. Landesmuseums, III, 331 1) ausgeführt. Einmal wird ein Ort erwähnt, genannt Obra am Glasinac (mjesto reöeno Obra na Glasincu) (1404). In Bosnien sind zwei Dörfer Obre, bei Visoko und bei Konjica; ob aber auf dem Glasinac selbst oder in der Nähe desselben Spuren von diesem Namen existiren, ist mir nicht bekannt. Im 15. Jahrhundert wurde zu Glasinac auch Mokro gezählt; dort befand sich das Haus oder Dorf eines gewissen Butko, gewiss eines Edelmannes. Es war dies der Ort, wo die Vlachen (Vlasi) der Karawanen die Waaren abzuladen hatten. Dieses Mokro war 1402 Eigenthum des Sandalj und gehörte mithin auch das Zollrecht auf dem Glasinac 1429 und 1430 entweder dem Sandalj oder stand wenigstens unter dem Einflüsse desselben. Wir lassen nun alle Notizen über Glasinac folgen: 1. 1404, 24. October. — Ein Vlach aus der Gemeinde (katuna) Prvotinjic wird die Waare des Kaufmannes Lukac Ostrovic „usque ad Glassina^a a Obra“ zu bringen haben. (Div. Canc. 1403 bis 1405 im Archive des k. k. Kreisgerichtes zu Ragusa.) 2. 1406, 10. October. — Waarentransport „in Vlassinez ad domum Budche“. Etwas früher, 5. September, wird der vlachischen Frächter, „de catono Rcgoye“, erwähnt, welche Tuch waaren (pannos) „usque ad locum Mocroy ad domum Butci“ zu verfrachten haben. (Div. Canc. 1405.) Ausserdem ist auch am 9. November 1402 ein Transport durch Vlachen „ad unum locum vochatum Mocro voiuode Sandagli“ (Div. Canc. 1401 — 1403) und am 10. Mai 1408 die Karawane „ad locum dictum Mocro in villam vocatam Butcho“ (Div. Canc. 1408) verzeichnet. 3. 1425, 14. August. — Der Vlach Hlapac Stankovic bringt die Waare der Ragusaner Pa- tricier Guöetic und Bobabevic (Ser Gozclio de Goze & Ser Stephanus de Babalio) „usque Glasinac“ (Div. Canc. 1424). 4. 1426, 30. December. — Der Vlach Dubravac Milißevic, ein Dienstmann des Vojvoden Radoslav Pavlovic, wird neun Traglasten (tovar) Tuchwaare (salmas novem pannorum) „usque ad ecclesiam in Glasinaij in Bosinam“ transportiren. (Div. Canc. 1426.) 5. 1428, 12. Jänner. — Der Vlach Dubravac Miliöevic aus der Gemeinde (katuna) Prvo- tinjic wird die Waare des Patriciers Demeter Gradic und der Genossen seiner Karawane, welche „iter parat in Subsuonich“ (Zvorniker Unterstadt) „usque ad locum dictum ecclesiam de Glasinacj“ trans- portiren (ib.). 6. 1428, 25. Mai. — Der Vlach Stanihna Stankovic bringt die Waare des Patriciers Luka Sorkocevie „usque Glasinacium ad ecclesiam“ (ib.). *) Vergl. Bd. I dieser Mittheilungen S. 64 f. Band II. 21 322 I. Archäologie und Geschichte. 7. 1428, 27. Juni. — Die Waare des Patriciers Zuna Saraßic und seiner Genossen wird „ad GlasinaQ penes ecclesiarn unam“ getragen. (Div. Canc. 1428.) 8. 1428, 25. August. — Dubravac Milißevic wird den Kaufleuten die Waare „ad ecclesiarn nominatam Glasinac“ (ib.) transportiren. 9. 1429, 5. August. — Schreiben des Senates an Marino Gundulic und Georg Gudetic, Ge- sandten bei dem Vojvoden Sandalj, mit welchem den Beiden der Auftrag ertlicilt wird, dass sie wegen der Zölle „a Buna, a Vrabaij, a Glasina9 et a Zerniza“ die Klage zu erbeben haben. (Lett. e Comm. di Levante 1427 — 1430 im k. k. Staatsarchive von Kagusa.) 10. 1429, 12. November. — Hlapac wird mit der Waare des Patriciers Vlachus Bobaljcvic und Anderer „uscpie ad ecclesiarn nominatam Glasina^“ abgeben. (Div. Canc. 1429.) 11. 1430, 23. März. — Beschluss der Gewählten (consilium rogatorum), es solle dem Knez und dem kleinen Ratlie die Vollmacht ertbeilt werden : „scribendi pro gabella Glasinacj, voiuode San- dagl et aliis, de quibus sibi videbitur“. (Lib. Rog. 1427 — 1432 im selben Archive.) Georg v. Stratimirovic. Bosnische Königsschlösser. — 1. Suceska und Trstivnica. Suceska und Trstivnica, Aufenthaltsorte der bosnischen Könige, werden in den mittelalterlichen Doeu- menten oft erwähnt, doch ihr Andenken hat sich im Volke nicht erhalten. Es sind keine Baureste vorhanden, an welche sich diese Namen knüpfen könnten, und daher sind die bezüglichen Orte noch nicht sichergestellt. Man kann nur so viel als gewiss annehmen, dass das eine Schloss in einem Engpass (suceska), das andere längs des Flüsschens Trstivnica zu suchen sei. Weiter darf mit Rücksicht darauf, dass beide Orte zwischen dem starken Bobovac und der Burg Vrana1) oberhalb des Dorfes Dobuj lagen, vorausgesetzt werden, dass es keine festen Burgen, sondern blosse Lustschlösser waren. Wenn man die heutige Lage von Suceska betrachtet, findet man blos einen Ort, welcher für ein Königsschloss geeignet erscheint. Dieser ist eine Anhöhe, am rechten Trstivnica-Ufer, zwischen dem Bächlein Urva und dem Franziskanerkloster, dem sie auch gehört, „Setala“ (Ort zum Spazieren- gehen) genannt. Und in der That gibt es hier Mauerreste, an welchen man Spuren von Mörtel noch deutlich bemerkt. Dieses Mauerwerk ist von der Strasse aus sichtbar und befindet sich oberhalb des kleinen Kloster- friedhofes. Es vertheilt sich auf drei Orte: etwas tiefer stützt eine grössere Menge von mit der Strasse parallel laufenden Mauern, theilweise das erste Plateau der Setala; oberhalb dieses Plateaus aber, pa- rallel mit dem ersteren Mauerwerk, läuft wieder ein zweites Stück; und in derselben Höhe wie das letztere, der Urva näher gelegene, stehen die Ueberreste einer Quermauer. Ausser diesen Stücken kann man noch am Abhange der Urvaschlucht (von welcher das Volk sagt, dass sie erst in neuerer Zeit durch das Wasser, das früher in anderer Richtung abfloss, gebildet worden sei) zwei Mauern unter- scheiden, welche quer über den jetzigen Abgrund verliefen; endlich bemerkt man noch ein Stück Mauer auch auf dem rechten Abhange des erwähnten Abgrundes. Von diesen letzteren Ueberresten sagt das Volk, dass hier ein „Bau“ gestanden habe. Vom erstgenannten Mauerwerk behaupten die Franzis- kaner, dass es ein Ueberbleibsel der „Curia bani“, und von der an dritter Stelle genannten Quermauer, dass sie ein solches der einstigen St. Gregor-Kirche sei. Alles dies bestärkt die Lieberzeugung, dass der Ort des königlichen Suceska dort zu suchen sei, wo sich gegenwärtig die „Setala“ des Klosters befinden. 2) Vom Schlosse Trstivnica glauben wir, dass es nicht im Gebirge und in den Abgründen hinter Suceska, sondern im lieblichen Thale zwischen dem erwähnten Orte und der Mündung der Trstivnica in die Bosna zu suchen ist. In jener Gegend, längs des Flusses, befindet sich nur eine Stelle, welche für ein Schloss geeignet gewesen wäre, und das ist eine steile Anhöhe mit zwei Hügeln beim Dorfe Brezani, am linken Trstivnica-Ufer. An Ort und Stelle constatirten wir, dass es am westlichen Ab- hange des grösseren Hügel Mauerwerk, namentlich Bruchsteine mit Mörtelspuren, gibt. Die Muhamme- daner nennen den grösseren Hügel „Velika Gradina“ (grosse Burg) und den kleineren „Gradinica“ (kleine Burg), was unserer Ansicht nach ein sicherer Beweis ist, dass hier einst ein Bauwerk gestanden habe; und der Schluss, dass dasselbe „Trstivnica“ gewesen sei, ist gewiss nicht allzu kühn. x) Ein Muhammedaner erzählte mir, dass die Burg- Vrana früher Sokol grad (Falkenburg) geheissen habe, und dass sie der „Car“, weil er sie nicht einnehmen konnte, verflucht habe, und seither heisse sie „Vrana“ (Krähe). 2) Vergl. oben S. 269. Notizen. 323 2. Burg Visoki. Beim Orte Visoko erhebt sich ein kegelförmiger Berg, welcher aber nicht in eine Spitze, sondern — von unten gesehen — in einen Rücken endet. Von Visoko führt ein ziemlich breiter Weg, immer längs des Berges, bis nahe zur „Burg Visoki“, wie das Volk auch heut- zutage noch die wenigen Ruinen, welche sich dort befinden, nennt. Die Lage und Breite des Weges, welcher für einen Reiter sehr bequem ist, überzeugen uns, dass hier auch in früheren Zeiten ein Zugang bestanden habe. Oben auf dem Rücken angelangt, bemerkt man eine von Löchern durchsetzte ebene Fläche, beiläufig 80 M. lang und 15 M. breit, die mit Gras und Gestrüpp bewachsen ist. Dieser Rücken hat die Richtung von Nord nach Süd. Schaut man vom nördlichen Ende thalabwärts, so bemerkt man längs des Abhanges eine scharfe Kante, welche sich bis zum Fusse des Berges, wo der Ort Visoko liegt, hinzieht. Wendet man sich zum südlichen Ende des Rückens, so findet man abermals eine beiläufig 40 M. lange und ebenso breite ebene Fläche. Wenn man nach dieser Orientirung Umschau hält, ob noch alte Mauern vorhanden seien, findet man ihrer zweierlei; die einen liegen um den Rücken herum, die anderen an den Abhängen. Zur ersteren Gruppe (auf dem ebenen Platze) gehören: im Norden ein ziemlich grosses Stück Mauer; im Osten die Ecke eines Thurmes (von aussen gleicht sie einem natürlichen Felsen); im Westen endlich der Stumpf eines viereckigen Thurmes. Dieser letztere Ueberrest der einstigen Burg ist der am besten erhaltene. Die Länge der äusseren Seiten beträgt 10 M., die Stärke der Mauern 2 M.1) Zur zweiten Gruppe (an den Abhängen) gehören: im Norden eine ziemlich hohe Mauer, welche die obere Festung zum Theile umgürtet, dann eine andere Mauer an der oberwähnten scharfen Kante, endlich im Süden, hinter der unteren ebenen Fläche, wieder eine Gürtelmauer, welche sich quer über den Rücken erstreckt und jetzt mit Gestrüpp bewachsen ist. Wenn wir uns diese beiden Mauergruppen gut vergegenwärtigen, so gelangen wir zu dem Schlüsse, dass die Burg Visoki dort gestanden habe, wo sich gegenwärtig der „Rücken“ befindet, und dass die dortigen Ueberreste Basteien und Thürme der einstigen Festung sind. Die an der nördlichen und südlichen Bergseite querlaufenden Mauern bilden einen zweiten Verthei digungsgürtel. Dies bestätigen auch die Gräben, welche noch unterschieden werden können. Solche gibt es im Norden vor dem erwähnten Basteistücke, wie auch im Süden zwischen der Mauer und der unteren ebenen Fläche. Im Süden und Westen fällt der Berg steil ab. Weiter gibt es Gräben zwischen der unteren (südlichen) ebenen Fläche und der Vertheidigungsmauer. Die Gräben bei den Basteien waren die äusseren, die bei den Vertheidigungsmauern die inneren Gräben, d. h. am äusseren Rande des Grabens stand die Vertheidigungsmauer. Der Eingang in die obere Burg konnte nur von Westen her sein, und zwar wahrscheinlich ein wenig nördlich von dem noch sichtbaren Thurmstumpf. Die ganze Befestigung ist sehr ausgedehnt, und die Lage der Burg oberhalb der Mündung der Fojnica in den Hauptfluss des Landes (die Bosna) bestätigt, dass dies eine der wichtigsten Festungen Bosniens war. Und thatsächlich stellt sie die Geschichte als eine solche dar. Ihre Unterstadt aber, welche „Podvisoki“ hiess, und wo einst unternehmende Ragusaner und emsige Sachsen lebten, war im Mittelalter der Haupthandelsplatz des Königsreiches. Die wichtige und zugängliche Lage der Burg erklärt es am besten, dass sie mehr gelitten hat und mehr zerstört wurde, als alle anderen Festungen des Landes. 3. Burg Bobovac. (Mit Tafel IV und Figur 10 — 11.) — Bobovac war im Mittelalter die bedeutendste Burg Bosniens. Die Geschichte hat ihren Namen mehrfach verzeichnet. Dem sieg- reichen Heere des serbischen Caren Stefan Dusan wollte es nicht gelingen, diese Burg einzunehmen. Fest und unzugänglich, wie die Festung Bobovac war, diente sie später als Zufluchtsort der könig- lichen Krone, und für längere Zeit zog sich König Stefan Ostoja, nachdem er das ganze Land an König Stefan Tvrtko II. verloren hatte, in diese Veste zurück. Auch die in das Königreich ein- gefallenen Türken konnten Bobovac nicht mit Gewalt einnehmen, sondern es kam durch den Ver- rath ihres Befehlshabers in die Gewalt der Osmanen. Aber der Zahn der Zeit verwandelte auch diese Burg in einen Trümmerhaufen. Fleute bewahren nur mehr die Ueberreste ihrer Mauern und ein Thurm (kula) den Namen an Ort und Stelle vor der Vergessenheit. *j In den Thurmmauern bemerkt man Löcher im Durchmesser von einigen Centimetern, welche durch und durch gehen, und deren Zweck wohl nur der gewesen sein kann, Licht und Luft hinein- zulassen. Diese Bohrlöcher beweisen, dass der Stumpf des Thurmes nur dessen Erdgeschoss und der Thurm seinerzeit überaus hoch gewesen sei. •21* 324 I. Archäologie und Geschichte. Erbaut auf einer einsamen Bergkuppe in unzugänglicher Wildniss, hat Bobovac, nach unserem Dafürhalten, eher die Aufgabe der Vertheidigung als jene des Angriffes gehabt. Von den Haupt- strassen des Landes war Bobovac in der Vergangenheit ebenso entfernt wie heutzutage. Heute fährt man auf der Eisenbahn bis zur Station Catici und von da auf der neuen Strasse bis Suceska. Beim Franziskanerkloster daselbst überschreitet man die nach türkischer Art mit einem Dache versehene, über die Trstivnica führende hölzerne Brücke, um sodann den Berg hinanzuklimmen. Nach Ueber- setzung der Höhe, welche die Einmündung der Poljanska rijeka in die Trstivnica noch für eine kurze Strecke verhindert, gelangt man in das enge Thal der Poljanska rijeka. Die Gegend ist malerisch; auf den Bergabhängen liegen halb versteckt die Dörfer mit ihren weiss getünchten Häusern, welche hohe Dächer mit vier Traufen haben; um diese herum breiten sich frachtbare Felder, das Ganze vom Walde umsäumt. Unterhalb rauscht das Flüsschen vorbei, mit seinem Gemurmel die Gegend belebend. Der Weg führt längs des Flüsschens Bukovica, welches man mehrmals zu Pferde durchwaten muss. Das Thal verengt sich immer mehr, bis es eine grosse steinige Kluft, umgeben von hohen steilen Felsen, erreicht ; hier gelangt man zum Wasserfall, neben welchem einige hölzerne Mühlen stehen. Nach Passirung der Kluft gelangt man zur Ljestvaüa, wo der enge Weg sehr bald in Stufen übergeht, welche in festes Gestein gehauen sind. Zu beiden Seiten ist der Weg von steilen Fels- wänden, in welchen zwei Höhlen erscheinen, eingefasst. Die untere Höhle ist mit trockenem Mauer- werk theilweise verschlossen; das Volk sagt, dass man aus ihr in die etwas höher gelegene zweite Höhle gelangen kann. Den Weg fortsetzend, bemerkt man auf beiden steilen Ufern des Flüsschens kleine, einander gegenüberliegende Vertiefungen, von denen das Volk erzählt, dass der „König“ dort eine Wehre errichten und das Wasser stauen liess, und dass er, nachdem das türkische Heer vorbeigezogen war, die Wehre öffnete, wodurch die Türken ertranken.1) Nach und nach erweitert sich die Thalverengung, und bald bemerkt man von einer kleineren Anhöhe aus einen steilen Hügel und auf diesem Bobovac.2) Am Fusse des Bobovacberges mündet der Mijokovicabach in die Bukovica. Von hier bis zur Einmündung in die Trstivnica unterhalb des Ortes Suceska wird dieses Flüsschen Poljanska rijeka genannt. In der Mitte ragt Bobovac, links und rechts die hohen Berge Hrid und Kruskovica em- por.3) Der Bergrücken Bobovac ist die letzte Abzweigung des Gebirgszuges Dragovic. Von Bobo- vac aus fallen die Felsen in Riesenstufen bis zum Flussbette ab. Vom Fusse bis zum Gipfel des Berges befinden sich sechs Absätze, auf deren höchstem — dem sechsten — die obere Burg steht. Auf diesem Absatz sieht man einen Felskamm, ähnlich einer Brustwehre. Der Bergkamm zieht sich geradeaus von Norden nach Süden und wird durch einen kleineren Spalt von der Dragovic planina getrennt. Die erwähnten „Stufen“ sind einzeln 20 bis 50 M. hoch; ihre Gesammthöhe vom Zusammenfluss der Bukovica mit der Mijokovica bis zur oberen Burg beträgt etwa 160 M., die absolute Höhe des Bobovac- Bergkammes ist 800 M. Bobovac besteht aus zwei Theilen: die obere und die untere Burg.4) Wie schon erwähnt, steht die obere Burg auf dem sechsten, die untere hingegen auf dem fünften Absatz. An einen steilen, etwa 20 M. hohen, dem Süden zugekehrten Felsen lehnt sich die Platform der unteren Burg an. Die Länge des höchsten, schmalen, parallel mit dem erwähnten Felskamm laufenden Absatzes beträgt etwa 25 M. Quer über den Felskamm, von Osten gegen Westen, ist eine feste Mauer auf- geführt, welche am oberen Ausgang der erwähnten Felskluft steht und die obere Burg im Norden voll- ständig abschliesst und beschützt. Auf der Nordseite ist diese Wand über 1 M. dick, hat keine Oeffnung und ist ihrer ganzen Länge (etwa 15 M.) nach erhalten; ihre dermalige Höhe beträgt ungefähr 8 — 10 M. *) Die Tradition sagt, dass neben der unteren Höhle das Wachhaus war. Das Volk erzählt weiter, dass man beim Andringen des Feindes die Höhle abgetheilt und das Wasser der Bukovica mit von Fels zu Fels gespannten Ochsenhäuten gestaut habe, so dass sich die ganze Felskluft mit Wasser füllte und Niemand Bobovac naliekommen konnte. 2) Ehe man zur Burg Bobovac gelangt, findet man eine Anhöhe, welche niedriger ist als der Hügel, .auf dem die Ueberreste der Burgruine stehen,; diese Anhöhe hat ein Plateau, welches das Volk „CrkviSte“ (Kirchenplatz) nennt, und von dem gesagt wird, dass dort einstens die Kirche stand. 3) Der Hrid hat 1067, die Kruskovica 1001 und der Dragovic 1398 M. absolute Höhe. 4) Siehe die Skizze Figur 10, die nicht geometrisch aufgenommen, sondern schematisch nach der Erinnerung hergestellt wurde; dann Figur 11, welche die südliche Burgmauer darstellt, und Tafel IV mit der Ansicht des Schlosses und seiner Umgebung. Tafel IV. v. Stratimieotic : Bosnische Königsschlösser. Burg Bobovac. Notizen. 325 Am westlichen Ende bildet diese Mauer ein Knie und gellt in den Thurm (kula) über, welcher gegenwärtig der auffälligste Ueberrest des einstigen Bobovac ist. Dieser Thurm bat zwei im oberen Theile halbkreisförmig abschliessende Fenster, welche in der dem Westen zugekehrten Wand an- gebracht sind.1) Die gegen den Absatz zu gelegene südliche Mauer hat eine Thüröffnung, deren obere Schwelle bis auf den heutigen Tag erhalten ist. Die Breite dieser Mauer beträgt 1 M., und man findet darin bis auf 30 Cm. Tiefe Fichtenhölzer eingelegt. Die östliche Mauer fehlt dem jetzt in Ruinen lie- genden Tliurme. Diese Mauer scheint oberhalb des gemauerten Bogens gestanden zu haben, von dem dermalen auch keine Spur mehr zu finden ist. ,>\1 ,X N „ 1 1 1 toi,1. 1 1 • aiU\\v^ >w\uumi llilillnii/' ■ ^ - ^yJiiBuifiatiuftBtüURuuiniiuiiüui|iimüt/^-.v; " — ■ ■«'."■■nimiiiniii uw jmmv. v. ^ x \ ' Hurff "A Ho frei ix in // i f 7 AfromniT^^ *■■ * ^%Bt| 1067 A Nördliches Plateau B Thurm C Thor 1) Cisterne E Graben F Mauerreste G Felswall Fig. 10. Burg Bobovac (Schematische Grundrissskizze). An der Ostseite der oberen Burg und parallel mit dem Felskamme findet man derzeit nur verein- zelte Reste der Burgmauern. Das Mauerwerk ist durchwegs aus gebrochenem Kalkstein errichtet, welcher mit röthlichem, sehr hartem Mörtel festgekittet ist. Die untere Burg war geräumiger als die obere-, der Absatz, auf dem sie steht, hat die Form eines Rechteckes, das mit seiner längeren Seite an den Abfall der oberen Burg angelehnt ist. Die Dimensionen sind annähernd: die Länge etwa 40 M. und die Breite etwa *) In dem Obertheile des einen Fensters sieht man einen Balken aus Fichtenholz eingelegt; der- selbe ist zur Hälfte angebrannt, ein sicheres Zeichen, dass die Burg von den Flammen verheert wurde. 326 I. Archäologie, und Geschichte. 25 M. Hier sieht man jetzt auf der südwestlichen Seite Mauerreste, welche sich zu einer Ecke ver- einigen; ferner bemerkt man in der Mitte der Westseite, am westlichen Bergabhange und parallel mit der Schutzmauer der oberen Burg, noch ein Stück Mauer. Im Hofe der unteren Burg befindet sich auch noch der Brunnen (Cisterne) mit runder Oefinung. Man erzählt, dass vor etwa 30 Jahren einige Türken den Brunnen vollständig ausschöpften, um in demselben nach vermutheten Schätzen zu suchen; sie sollen bei dieser Arbeit auf die Brunnensohle gestossen sein und fanden, dass diese aus Notizen. 327 Fichtenholz hergestellt war; später sollen sie den Brunnen verschüttet haben. Heute kann man sehen, dass der Brunnen bis an den Hals voll ist, und dass sein Wasser grünlich schillert.1) Auf welcher Seite der Eingang in die Burg war, kann dermalen nicht mehr bestimmt werden; mit Rücksicht darauf, dass die Burg in ihrer oberen Partie gegen Norden vollkommen abgeschlossen war, auf der Südseite der Abfall des Absatzes, auf dem die untere Burg steht, sich befindet, auf der Ostseite aber der Bergabhang steil ist, könnten wir füglich sagen, dass sich der Zugang zur Burg an der Westseite, wo die Borovica2) vorbeifliesst, befunden habe. In die obere Burg gelangte man zweifel- los aus der unteren. Der Zugang war vielleicht in oder auf den Mauern der Ostseite, welche jeden- falls ein Ganzes bildeten, da die obere und die untere Burg nichts weiter als Theile ein und derselben Veste waren. Es muss schliesslich erwähnt werden, dass das Volk erzählt, wie die Burgbesatzung, Männer und Weiber, zu jener Zeit, als die Türken heranrückten und in der Nähe das Lager bezogen, während einer Nacht auf der anderen Seite der Kluft, gegenüber der nördlichen Mauer und dem Thurme, einen Wall aufgeworfen hätten, damit die Burg nicht eingesehen werden könne.3) G. V. Stratimirovic. Notizen aus der Gegend von Viäegrad. (Mit Figur 12 — 17.) — 1. Die Markova Kula in ViiSegrad. — Wie an vielen Orten, wo südlavisches Volk lebt, gibt es auch hier Wahrzeichen des populären Lieblingshelden Marko Kraljevic. Auf einem steilen Felsen oberhalb der heutigen Stadt Visegrad steht der Starigrad (d. h. das alte Vise- grad) mit dem Marcusthurme auf einer Felsenklippe gegenüber der Drina. Der Thurm ist kreisförmig gebaut, die Mauern 1 ' 9 0 M. stark, der innere Durchmesser beträgt 3‘75 M., die Höhe heute noch 8 M. Ober dem Erdgeschoss ist die Platform erhalten, und da der untere Tlieil keinen eigenen Zugang hat, so musste der Weg zu demselben nothwendig über die Platform führen. Mit dem oberen Theile Starigrads stand der Thurm durch eine 1 M. breite, festgemauerte Gallerie, deren Reste noch sichtbar sind, in Verbindung. Der Zweck dieses Thurmes war offenbar der Auslug in das Drinathal. Unterhalb des Bauwerkes werden einige Vertiefungen in der Felswand als: Marcus-Stuhl (Markovo sjedalo), Marcus-Fussstapfcn (Markove stope) und ganz nahe an der Drina die Hufspuren seines Pferdes „Sarac“ gezeigt. Der Durchmesser der Hufspuren ist 30 und 35 Cm. und die Breite zwischen den Vorderbeinen 1'5 M. Marko soll von der gegenüberliegenden Felswand Butkova stjena (auch Basiliusfelsen genannt) nach seinem Thurm hinüber- gesetzt sein. Früher soll auch ein Abdruck seines Säbels zu sehen gewesen sein, doch wurde dieser Felsen anlässlich des Baues der unteren Drina- strasse zerstört. 2. Der „Buchstabenfelsen“ von Zlijeb. — Oberhalb des Dorfes Zlijeb, bei 20 Km. von Visegrad, liegt eine Felswand am Wege vom Dorfe Kuke zu der Finanzwachkaserne in Zlijeb und am Fusse des Berges Kukava, welcher hier die Grenze zwischen Bosnien und Serbien bildet. • Vom Fusse des „Buchstabenfelsens“ führt eine breite, mit Gerölle gefüllte Rinne bergab, von welcher erzählt wird, dass dies das alte Bett des Flüsschens Perueac sei; in alter Zeit soll sich der Pcrucac von dieser Seite abgewendet haben und fliesst jetzt in Serbien. Fig. 12. Felsenzeichen bei Zlijeb. J) Bezüglich des Absatzes mit dem Brunnen will die Tradition wissen, dass dort einstens der Garten war; der Platz an und für sieb war für einen solchen ganz passend. 2) Vielleicht in der Mauer E ? 3) Oestlich von Bobovac und diesem gegenüber sieht man die Kuppe des Branic, welche etwas höher ist als Bobovac, dann etwas weiter jene des Miokovic brdo, welche den Bobovac um ein gutes Stück überragt. Von der Höhe von Bobovac aus bemerkt man auf der Spitze des Branic eine Anschüttung, wie von Erde und Steinen herrührend. Diesbezüglich erzählt das Volk: als irgend ein Feind (wahrschein- lich die Türken) einstens sich anschickte, Bobovac mit Geschütz vom Miokovic brdo aus zu beschiessen, trieb man alles Volk, was man dort nur aufbringen konnte, zusammen, damit es auf der Kuppe des Branic einen so hohen Wall aufwerfe, dass vom Miokovic brdo aus über denselben Bobovac weder gesehen noch beschossen werden könne. Das Volk habe diesen Befehl unter unsäglicher Kraftanstrengung ausgeführt und es sollen sich selbst schwangere Frauen an dem Werke betheiligt haben, von welchen infolge der schweren Arbeit zwölf vor der Zeit ihrer Bürde ledig geworden wären. 328 I. Archäologie und Geschichte. Der Raum, welchen die Schriftzeichen (siehe Figur 12) auf der senkrechten Wand des natür- lichen Felsens einnehmen, misst 6 M. in der Höhe und 3 M. in der Breite. Die zu unterst befindlichen Zeichen sind mit der Hand erreichbar; für die Besichtigung der höheren Zeichen ist die Anlegung einer Leiter nothwendig. Die Felswand ist infolge der Witterungseinflüsse geschwärzt, wie wenn sie mit Russ überzogen wäre, und die Zeichen heben sich durch ihren weisslichen Ton von der geschwärzten Wand ab. Wir sehen einen Reiter mit eingelegter Lanze, ferner einige Figuren von entfernter Aehnlichkeit mit einer heraldisch aufgerichteten Vogelgestalt mit herabhängenden Flügeln und kurzem Schwänze. Diese Figuren sind nur in flüchtigen Linien schematisch ausgeführt; endlich einige Hakenkreuze. Unter einem der Adler sind vier cyrillische Buchstaben zu sehen. Der erste derselben ist unzweifelhaft ein (F), der zweite ist etwas verwittert und könnte als 0 oder (0 oder U) gelesen werden, der Notizen. 329 dritte ist ein I (I) mit einem Strich am Fusse und der vierte ein U (d. h. ein verkehrtes n (P) mit zwei Stricheln unter demselben. Zwei ähnliche Darstellungen finden sich in der nächsten Umgebung, wovon ich eine in Augenschein nahm. Zwischen den beiden Stellen, welche wir besichtigten, liegt ein Felseinschnitt namens „Grlac“, übersäet mit mächtigen Felsblöcken. Vor diesem Einschnitt, dem Thale gegenüber, steht ein gewaltiger Felsen, namens „Ledeni hrid“. Der Kaum zwischen Grlac und Ledeni hrid heisst „Ploßnik“ und ist höchst romantisch. Im Thale am Fusse der Dikava steht einsam ein hoher Felsen, welcher den Namen „Gradina“ führt. Die heutigen Bewohner dieser Oertlichkeit sind muhammedanischen Glaubens; diese Tliatsache, dann die Bilder selbst und die Aussagen der Bewohner dürften mit Grund vernratheu lassen, dass die beschriebenen Zeichen sehr alt sind und wahrscheinlich in die Zeit vor der türkischen Invasion zurückreichen. Auf der Dikava soll sich eine Alpenmatte namens „Kraljiea“ (Königin) befinden, von welcher „Rinnen“ (Zlijebovi) nach dem Thale, bis zur Burg Hrtar an der Drina geführt haben sollen. Die Rinnen soll die Königin Jerina (Irene) angelegt haben und darin die Milch geflossen sein, welche oben auf der Matte gemolken wurde. Von den Rinnen (Zlijebovi) ist keine Spur vorhanden. Die Erzählung dürfte dem Ortsnamen Zlijeb ihren Ursprung verdanken. 3. Dobrun. — Zwei Stunden von Visegrad, am Flüsschen Rzav, welches sich nächst dieser Stadt in die Drina ergiesst, liegt das Dorf Dobrun. Bei 150 M. oberhalb dieses Dorfes sind die Ruinen mit dem Thore der einstmaligen Burg Dobrun zu sehen. Unterhalb des Dorfes aber, knapp an der neuen Strasse, steht die alte Dobruner Klosterkirche. 4-6S -> Fig. 14. Grundriss der Kirche von Dobrun. Vor einigen Jahren wurde diese Kirche restaurirt und präsentirt sich heute in verjüngter Gestalt (Figur 13). Bei der Restauration blieben die meisten Theile des alten Grundbaues erhalten; im Uebrigen wurde dem Bauwerke auf der Stirnseite ein kleiner Glockenthurm aufgesetzt und die Aussen- seite der Kirche mit einem Gesimse und Gürtelbogen in dalmatinisch-romanischem Stile geschmückt, wie er noch heutzutage in Dalmatien angewendet wird. Nur das Innere der Kirche mit seinen Pila- stern, seinen Bögen und seinen schönen byzantinischen Malereien erinnert an das ehrwürdige Alter des Bauwerkes. Diese alte Kirche ist im romanischen Originalstile gebaut. Die Grundrisseintlieilung (Figur 14, nach einer Skizze des Architekten Vancats vom Jahre 1874, welche uns in liebenswürdigerweise von dem Bezirksvorsteher in Visegrad Herrn Tomic zur Verfügung gestellt wurde) zeigt die vier Hauptabtheilungen der alten Kirchen: den Glockenthurm mit dem Porticus, das Atrium für die „Verkündigungen“, das Lang- (Haupt-) Schiff der Kirche und das Querschiff mit der Apsis. Längs des Quei-scliiffes schliesst sich die Schatzkammer an. Von grossem Interesse ist auch die alte Kirche am Zusammenflüsse der Sopotnica mit der Drina, 3 Km. von Goraüda; dieselbe zeigt einen gleichen Grundriss und genau dieselben Dimensionen. Auch sie dürfte einen Glockenthurm und einen Porticus besessen haben, wenigstens geht die Kunde, dass sie seinerzeit nach vorne länger gewesen sein soll. Beide Gotteshäuser zeigen auch in ihrer Ornamentirung den byzantinischen Einfluss. An einem der Thürstöcke der Gorazdaer Kirche finden wir den griechischen Mäander, und in der Kirche zu Dobrun haben sich ausnehmend schöne Fresken auf Goldgrund erhalten. Ausser den Heiligenbildern sehen wir hier auch, und zwar im Atrium das Bild des Zupan Peter, des Tutors (Kirchenvaters) der Dobruner Kirche. Das Bild dieses Zupans ist künstlerisch ausgeführt; das bleiche, von einem langen schwarzen Barte umrahmte Antlitz, das uns aus grauen Augen anblickt, scheint wirkliches Leben zu athmen, und dieses Porträt kann uns als Massstab für die Beurtheilung unserer mittelalterlichen Malerkunst dienen. 330 I. Archäologie und Geschichte. Hinter der Dobruner Kirche öffnet sich ein Engpass, welcher von hohen, senkrechten Felsen umsäumt ist und den Namen „Razdoline“ führt. In Razdoline finden sich zwei interessante Zeugen der Vergangenheit. Hoch oben an einer Felswand schaut uns der Eingang einer Höhle entgegen, deren Grund untermauert ist. Der Sage nach soll diese Höhle von einem Einsiedler bewohnt gewesen sein. Auf einem natürlichen Felsen in der Nähe der Kirche ist eine recht primitiv ausgeführte Zeich- nung zu sehen, welche wir hier auch im Bilde (Figur 15) vorführen. Das erste Bild zeigt uns eine Hand, deren Zeichnung allem Anscheine nach auf die Weise entstanden ist, dass die Contouren der auf den Stein aufgelegten rechten Hand mit einem Meissei nachgezogen wurden. Dieses Handbild, dessen Daumen auf das Kreuzzeichen weist, erinnert uns an eine ähnliche in Relief äusgeführte Darstellung in der Orient. -ortli. Kirche zu Rogatica (Figur 16), welche in einen in der Hauptwand vermauerten Stein eingemeisselt ist. Auch auf alten Grabsteinen, namentlich im Thale Prosina (Figur 1 7), im Gebiete des Eisenwerkes Vogosca-Oevljanovic, bei Kilometer 16'7 und auf der alten Gräberstätte „Ovrc“ bei Geruse, zwischen Sokolae und Zlijeb auf dem Wege von Podromanja nach Vlasenica, haben wir Gelegenheit gehabt, solche Abbildungen zu sehen. Fig. 15. Felsenzeichnung Fig. 17. Grabstein Fig. IG. Stein an der in Razdoline. im Thale Prosina. Kirche zu Rogatica. Die Bilder 15 und IG, welche sich nur dadurch unterscheiden, dass das zweite keine Buchstaben- inschrift trägt, scheinen das treue Festhalten an dem beschworenen Glauben zu symbolisiren. Wir wissen z. B., dass in der occidentalen Kirche die „Einigkeit“ durch zwei in einander gelegte Hände und die religiöse Demuth durch ein gefaltetes Händepaar symbolisirt wird; darum meinen wir, dass mit den Darstellungen des ersten und zweiten Bildes in der Symbolik der Orient. -ortli. Kirche der treuen Hingabe zum christlichen Glauben Ausdruck gegeben werden will. Auf dem dritten Bilde sehen wir dieselbe Geste (den abgespreizten Daumen), aber es fehlt das Kreuz. Wenn wir uns dessen erinnern, dass die Bogumilen „gute Leute“ und „gute Christen“ waren, das Kreuzzeichen aber verpönten, dann ist es immerhin möglich, dass sie ihrer Gläubigkeit mit eben demselben Symbole wie die Orientalisch -Orthodoxen, aber ohne das Kreuzzeichen Ausdruck gaben. Bischof W. Fraknöi. Cardinal Carvajal in Bosnien 1457. — Thomas Ostoja, Bosniens tapferer König (1443 — 1460), konnte seinen vom Eroberer Constantinopels, Muliammed II., bedrohten Thron nur durch Tributpflichtigkeit retten. Als er aber im Sommer des Jahres 1456 von dem glän- zenden Belgrader Siege Johann Hunyadi’s erfuhr, entschloss er sich unter der Wirkung dieses glor- reichen Ereignisses, an den Anstrengungen der christlichen Welt theilzunehmen, welche die Vernich- tung der türkischen Machtstellung bezweckten. Im März des Jahres 1457 sandte er seinen Legaten nach Rom und meldete sein Vorhaben dem Papste Calixt III., von dem er sich eine Standarte erbat, unter welcher er mit seinem Kreuzheere den Krieg beginnen könne.1) Zur selben Zeit wendete er sich an den ungarländischen Legaten des heiligen Stuhles Johann Carvajal mit der Bitte, er solle zu ihm nach Bosnien kommen, um die Agenden näher zu besprechen.2) Der Legat entschloss sich, allsogleich der Einladung zu entsprechen. Die unga- rischen Wirren hielten ihn aber einige Zeit lang zurück.3) Um die Mitte des Monates Mai bekam er die Ordre des Papstes, der ihm die sofortige Reise nach Bosnien befahl, ihm auftrug, mit dem Fürsten Rücksprache zu pflegen und insoferne er die Ueber- 1) Dies erhellt aus dem Rescripte des Papstes vom 23. April 1457. Theiner, Monumenta Hung. S. illustrantia II, 292. 2) Siehe den Bericht Peter Thomasi’s, des damaligen venezianischen Residenten, vom 7. April 1457, Datum in Ofen. Original im Staatsarchive zu Mailand. 3) Relatio cit. Petri Thomasii und diejenige vom 20. April. Notizen. 331 zeugung gewinnen würde, dass für einen Krieg gegen die Türken Bereitwilligkeit und die nöthige Kraft vorhanden seien, all diejenigen Dispositionen zu treffen, welche zur Ankündigung des Kreuzzuges und zur Sicherung des Erfolges von Nutzen sein würden.1) Carvajal trat die Reise in den ersten Tagen des Juni an. Es schloss sich ihm auch der venezianische Gesandte in Ungarn Peter Thomas! an, der mit dem Cardinal innig verbunden war, und obendrein hatte denn doch die Signoria in Bosnien wichtige politische und Handelsinteressen im Spiele. Der bosnische König empfing die beiden italienischen Diplomaten in seiner Burg zu Dobor und versicherte denselben, dass er fest entschlossen sei, das Lehensverhältniss mit den Türken — welche vier wichtige Festungen forderten — zu lösen und den offenen Kampf zu wagen. Jene ver- sicherten von ihrer Seite aus, dass sie Alles aufbieten würden, um den König in seiner Absicht zu bestärken. Und der König, welcher sich zwar für einen Christen hielt, aber noch nicht getauft war, empfing aus der Hand des Cardinais die Taufe.2) Die Berichte Carvajal’s blieben leider nicht erhalten. Schreiber dieser Zeilen suchte dieselben ohne Erfolg in den Archiven Roms. Es erhielt sich aber eine aus Dobor vom 13. Juni datirte Note Peter Thomasi’s an die Signoria, welche (obzwar sehr schlecht erhalten und nur theilweise zu lesen) an Details reichhaltig ist.3) Die beiden Legaten verliessen Mitte Juli Bosnien und hielten sich eine Zeit lang in Diäkovar auf.4) Der päpstliche Legat konnte mit seinem Erfolge zufrieden sein, wofür auch der Papst in einem von Aeneas Sylvius concipirten schönen Schreiben seine Anerkennung aussprach.5) Archivio di Stato di Milano — Potenze Estere — Ungheria 1457, 13. Giugno. Illustrissime princeps et domine mi excellentissime. Post le prime de le quäl mandai per fra lob. L’altre veramente per Nicolö de havuto noticia. Da poi a di XIII del presente qui giungemo, dove era la prefato Reverendissimo legato . heri tandein da la devotion et obedientia del Turcho far contra turchi quanto per esso Romano parole : le quäl tute volse el prefato Re et per esse parte presenti gli Reverendi Signori Episcopi de Reverendissima paternitä qui et jo hasse offerto el prefato Signore scriver, pregar et eonfortar tute potentie Christiane et se posse defender cum altre general parole, maxiine la quäl adhesione benche forsi apresso ad alcuni pari poter confer si il poco poter del dicto Re, si etiam il poco favor li possi dar quest. quanto posso comprender ai bisogni : impossibile sarä condur cruciat queste parte, perche non vano volontieri fuor del paese de altri lochi circumstanti, anclior mancho ne pero che de la Croatia et Dalmatia, per quanto si sente assai pochi ne sono d’altra parte, del paese del ducha Stephano homo del Turcho, credo de questa costa sia da farne pocha estimatione-, Ma questo Serenissimo Re molestato ala giornata da Turchi ha mostrato hier questa via, sperando esser favorito da le potentie Christiane cum questo mezo; et se ’l poträ dissimular con el Turcho, coine ha facto per el passato, credo li sarä singulär gratia. Et questa e la conclusion che di questa materia posso comprehender. Visitai el prefato Signor Re secondo el consueto cum pertinente piarole, et cussi la sua Seren itä cum molte bone parole, et cussi la sua Serenit.ä cum molte bone parole mi rispose ad propositum. Et *) Siehe Zuschrift vom 23. April 1457 des Papstes an Carvajal. Cf. Th ein er, II, 291. 2) Dies berichtet Aeneas Sylvius in seinem 1458 beendeten Werke „Europa“ unzweifelhaft auf Grund der Relation des Cardinais Carvajal: „In Bosna rex gent.is Despotus Stephanus . . . quamvis Christi religionem sectaretur, dum tarnen baptismi sacramento obstinuit. Sed anno superiore vocato ad se Joanne Cardinali Sancti Angeli ab eo baptismatis unda perfusus et sacris nostris rite initiatus, Turcis . . . bellum indixit. (Opera, Baseler Ed. 1551, S. 407.) 3) Gleichzeitige Copie aus dem Mailänder Staatsarchive, welche liier im Druck folgt. 4) Der Papst beruft sich auf ein Schreiben Carvajal’s vom 17. Juli aus Diäkovar. 5) Brief des Papstes de dato 6. October 1457 in der Ausgabe der Aeneas Sylvius’schen Werke, Basel 1551, S. 818. 332 I. Archäologie und Geschichte. heri da poiche hebe fra la Sua Serenitä et questo Reverendissimo legato conclusa la dicta materia, me fece chiamare et disseme che sempre haveva havuto ä la Sublimita Vostra singulär affectione, et che de tute le cosse che per lo passato l’havia possuto sentire che potessero preiudicare al stato de la Celsi- tudine Vostra egli ne haveva sempre dato noticia, et commemorö l’andata del Turcho contra Con- stantinopoli : et deinde quella de Belgrado ; et cussi hora voleva far et simile. Et disse che dapoi la perdita de Constantinopoli el Turcho havea tracto da luy piü de ducati 160 m. oltra le altre subiectione, et che non gli bastando questo, considerando dicto turcho questo regno esser la principal porta de cliristiani, giä fa uno anno gli domandö quatro castelle de questo regno, le quäl se posso dir esser le colone d’esso : perche do de quelle sono nel mezo de questo regno, et de 1’ altre doe l’una e la chave de Hungaria et l’altro de Dalmatia et de la marina- de che vedando luy la perversa soa intention, havia differito fin hora la conclusione di tal domanda cum darli speranza et bone parole. Tandem essendo riduta qucsta cossa a termine, che piu Luy non poteva proiongar, la Sua Serenitä havea de- liberato fuor la via de cliristiani, et adherirse in tuto al summo pontefice et gli altri christiani contra dicto Turcho cum molte large parole, et pregando la excellentia Vostra che volesse considerar le con- dicione del stato suo, succedendo a questo regno alcun sinistro, et che benclie ’l deliberasse per qucsta casone mandar suo ambassata ala Serenitä Vostra, tarnen me pregava che de le predicte ne disse a quella particolar noticia. Rispusi regratiando a Sa Serenitä soa de tal sua hon disposition verso la sublimitä Vostra et che la se rendesse certa de tuto, si per el debito mio, si etiam per satisfar a la richiesta soa ne daria particolar ad viso a la Celsitudine Vostra reedificar le mure de quella per i gran divulgi se fa in adosso : ben se dica el bassa far hoste, dove el sia per molti, che considerati i gran divulgi che in quelle parte sono de tuta se altrove in arme per i disturbi by sono dicto Turcho non grado. Ben e vero che in questi giorni sono venuti contra questo Serenitä dice haver mal menati, et nieute- meno dubita ne vegni egun in queste parte, hebe per lottere questo Reverendissimo legato, como adi Signori et Cavalieri che sono ritenuti nel caso del quondam conte Ladislao la Serenitä de quel Re, deliberö partirse de Budas et cussi adi 28 gli Alemani et Boemi che erano venuti ai favori suoi, et di na, che dice se conferirä a Viena, et ha conduto cum luy el C Hungaria se afferma la madre del Conte Matthias Veduta la partita del Re . . . . zuo fiolo cum luy, haver concluso pace per si haver dicto suo fiolo. Domäne questo Reverendissimo legato per conferirse a le dicte parte de Hungaria, ave de la dicta pace ne darö piü particulare a la Celsitudine Vostra, cuius gratie etc. Ex Dabor die XIII. Junij 1457. Servulus Petrus Thomasij. Carl Peez. Die letzten Tage der Hercegovina. — Wie mir Herr Constantin Christo- manos in Wien freundlichst mittheilt, finden sich in dem jetzt äusserst seltenen Werke von Theodoro Spandugino Cantacuscinö, „I commentarii dell’orgine dePrincipi Turchiede costumi di quella natione“, Florenz, gedruckt bei dem herzoglichen Buchdrucker Lorenzo Torrentino 1551, einige bemerkenswerthe Mittheilungen über das Ende der Hercegovina. (S. 53) Dojjo questo Mahometto si mise in animo di occupare il dueato di Boscina il quäle era un Duca di Santo Sabba chiamato dal vulgo Cherzeclio, in quäl confinava con Ragusei, et era loro emulo. Costui havea tre figluoli, de quali il primo si chiamava Ladislao, c’havea per moglie una chia- mata Anna Cantacuscina, donna oltre ch’ella era di gentil sangue, virtuosa molto. Ora essendo il Duca hoggi mai attempato, et portando poco rispetto al figluolo et manco alla nuora prese per con- cubina una donna di mondo, et ne la menö dentro in palagio. Il che sapendo il figluolo et la nuora di ciö si rammaricarono forte col padre. Ma egli ch’era disposto al tutto di fare a suo modo, non curando le lor parole, faceva ogn’hora peggio. Perche sdegnato Ladislao fece un trattato con alcuni della cittä, et cacciarono fuori il Duca, il quäl per ciö molto adirato mandö uno ambasciatore a Maometto quello in aiuto cliiamando ; insegno di cui gli diede il figluol minor per ostaggio, il quäl fa poi fatto Turco da Maometto. Il quäle entrando nel Du (S. 54) cato di Boscina, trovö, che ’l Duca vecchio era giä morto. La onde Ladislao non volle aspettare, ma si fuggi et ne venne a Vinegia con la moglie et co figluoli; et quindi passö in Ungheria, la dove si mori. Ora liavendo occujmtto Maometto quel paese tutto, solamente lasciö all’altro figluol del Duca (un luogo) che si chiamava Vlaccho (et) Castel nuovo con certi altri luoghi per lo viver suo. Costui riconosceva per Signore Maometto, et ogni anno gli pagava il tributo infino che fu cacciato dello stato. Notizen. 333 Der Verfasser des Buches ist nach der Ansicht von Hopf (Chroniques Greco-Romaines) Sohn der Prinzessin Eudoxia Cantacuzena und des byzantinischen Würdenträgers Matthaeos Spanduginos, daher mit allen südslavischen Regentenhäusern nahe verwandt. Aus diesem Grunde sind auch seine Mittheilungen, obwohl vielleicht in der Chronologie nicht ganz exact, doch von hohem Interesse für die Geschichte des 15. und 16. Jahrhunderts.1) Das Werk selbst ist nur in wenigen Exemplaren vorhanden, eines hievon befindet sich in der k. k. Hofbibliothek in Wien. Const. Hörmann. Eine Urkunde des Königs Matthias Corvinus. — Mit der folgenden Urkunde, welche im Jahre 1481 in Agram ausgefertigt wurde, schenkt König Matthias Corvinus den bosnischen Franziskanern zwei dalmatinische Klöster. Die Urkunde wird in der Bibliothek des Klosters in Suceska aufbewahrt (siehe oben S. 274) und lautet: „Mathias Dei gratia Rex Hungariae, Bohemiae etc. Fidelibus nostris magnificis Banis vel Vice- banis Regnorum nrorum Dalmatiae et Croatiae; item Capitanis Castri et civitatis nostrae Scardonensis pntibus et futuris pntium notitiam habituris salutem et gratiam. Quia nos sicuti superioribus diebus dum in Jaica agebainus duo illa loca seu monasteria, quae fratrem Allexandrum als Abbatem de Gotho inprntia Dalmatiae tenebantur Religiosis fratribus ordinis Sancti Francisci (quos Veneti de insula Velje eo q^ nos fuissent subditi de quibusdam claustris exclu- sissent) eis ad inhitand dederamus et deputaveramus, Ita etiam modo ejusdem damus deputamus et assignamus per pntes, Mandamus igitur fidelitati Urae firmiter qtenus a modo imposterum annotatos fratres in pfats Monasteriis per nos eis modo premisso datis contra quoslibet impeditores mostatores et turbatores omni studio et diligentia tueri defendere et manutenere debeatis. Secus u facturi phtibus perlectae exhibenti restitutis. Datum Zagrabiae feria tertia px post festum beati Vincentii Martyris Anno Domi Mille.simo quadringentesimo octuagesimo primo, Regnorum nrorum Hungariae etc. vigesimo tertio, Bohemiae vero duodecimo. L. S. (Pro rege?) Tliom. Epps. Barac Fig. 18. Ansicht der Drinabrücke in Visegrad. Const. Hörmann. Die alte Brücke in Visegrad. (Mit Figur 18 — 21.) — Wenngleich die reizende Lage des im östlichsten Theile Bosniens unweit der serbischen Grenze gelegenen Städt- chens Visegrad von Reisenden vielfach gelobt wird, so hätte es dieser Bezirksort doch kaum dazu gebracht, allgemein bekannt zu werden, wenn er nicht die berühmte alte Brücke über den Drina- fluss hätte. *) Vergl. Bd. I, S. 413. 334 I. Archäologie und Geschichte. Diese Brücke, von der wir einige Ansichten bringen, spannt über die reissende Drina ihre eilf Spitzbögen, deren Spannweite zwischen 13‘7 und 18’ 6 M. schwankt. Bei einer Länge von 170 M. hat dieser Quaderbau eine Fahrbahnbreite von 6’3 M. Es ist zweifellos das wichtigste Baudenkmal aus der ersten Zeit nach der Eroberung des Landes durch die Türken. Ein auf gründliche Studien basirtes fachmännisches Gut- achten spricht sich dahin aus: „dass der Brückenbau von Viie- grad volle Bewunderung verdiene, die noch durch die Er- wägung gesteigert werde, dass den damaligen Baumeistern, meistens Ragusanern, nicht jene Hilfsmittel der Technik zu Gebote standen, welche heute die Bewältigung der schwierigsten Arbeiten erleichtern. — Aelter sei zwar die Narentabrücke in Mostar, erbaut 1566 (974 nach der Hedzra), schöner und gross- artiger aber jedenfalls die Drinabrücke in Visegrad.“1) Ueber den Baumeister dieser Brücke fehlen verlässliche Daten ; in der Sage und im Liede hat sich bei der Bevölkerung die Tradition erhalten, dass derselbe Mitar oder Rade geheissen, dass er auf den Bau der Brücke sieben Jahre verwendet habe, und dass zu wiederholten Malen einzelne mit vieler Mühe er- baute Theile vom Flusse niedergerissen worden seien, dass es jedoch dem Baumeister endlich doch gelungen sei, seine kühnen Bögen über den tückischen Fluss zu spannen.2) Inmitten der Brücke, oberhalb der noch erhaltenen Sofras (Ruhebänke), stand bis zum Jahre 1886 ein aus Eichenholz erbautes stockhohes Häuschen. Dieses früher als Unterkunft der Brückenwache verwendete Gebäude wurde im bezeichneten Jahre wegen Bau- fälligkeit entfernt, was übrigens auch aus ästhetischen Gründen gebilligt werden kann. Der in der Brücke eingemauerte Inschriftstein gibt Kunde davon, dass die Brücke vom Grossvezir Mehmed Pascha Sokolovic im Jahre 979 n. d. Hedzra (1571 n. Chr.) erbaut worden sei. Mittelpfeiler der Visegrader Brücke. In türkischer Sprache und Schrift lautet die Inschrift : Ar1 Zj 1 3 dh 1 ^ a!^i (j £ dll^-»! y_y Cjy^T^ _ !>- jjAjL\ l 0-^3 ( ^ A.l.fO A^t> c A>1 £ ^ i — ■ o d> ^.-**^3 i_a - JA 4L f 4*.«J a5"T A~ A~5 * all 4X .3 4) L» jj^L y y 0 _/■>- dL ^ /I 0 XJk 4~° jyT /->- ^>y^ . _U\ , 4Ül JjL L ib Af^- 0^* jy J_3 1 4ll £ l 4) ' ^c>- Cj\ ^ j oj ll 0 j JQ}\ J 5 0 2 p ^ tzr j. - A \ \.ujJ ll Cj JA 3 ^ o a1(c ^ L 4 — > Va 1 ^ L 1 Aa>- O * y \ ' Kl A 3 ^>lll ^yjy^ 4V4 4_I M, -1) Das Bauwesen in Bosnien und der Hercegovina, herausgegeben von der Landesregierung für Bosnien und der Hercegovina. Wien 1887. 2) Die Volkserzählungen über die Visegrader Brücke sind in vielen Publicatiouen enthalten; von diesen seien erwähnt: Sarajevski list, 1883, Nr. 43; Bosanska vila, Sarajevo 1888, Nr. 10 und 11; Narodne pjesne Muhamedovaca u Bosni i Heroegovini, I. Bd., Sarajevo 1888. Notizen. 335 „Mehrned Pascha, zur Zeit dem Asaf *) vergleichbar, Hat durch seine erhabene Persönlichkeit die Welt verherrlicht. Er verwendete sein Vermögen auf Stiftungen zur Ehre Gottes. Niemand wird behaupten wollen, dass das Vermögen, so verwendet, verschleudert worden sei. Lebenslang hat er Gold und Silber zu Stiftungen gewidmet; Denn es war ihm bekannt, dass diese ein schönes Andenken hinterlassen. Ueber die Drina in Bosnien erbaute er eine grossartige Brücke. Eine Reihe von Bögen spannte er über diesen Fluss, Diesen tiefeir Fluss, dessen Gewässer reissend sind. Seine Vorgänger konnten Aehnliches nicht erbauen; Nach Gottes Rathschluss that es aber der Pascha, Damit sein Name mit Ehrfurcht und Dank genannt werde. Er baute diese Brücke, die ihresgleichen nicht hat auf der Welt. Gewiss wird Niemand sagen, dass Geld, so verwendet, vergeudet sei ! Von Gottes Gnade erhoffe ich, dass des Erbauers Leben in Glück verlaufen und durch keinerlei Ungemach getrübt sein werde. Badi,2) welcher sah, wie der Bau beendet wurde, schrieb nieder den Tarih : 3) Gott möge diesen Bau, diese wunderbar schöne Brücke, segnen ! 979“ (= 1571). Die zweite, gegenwärtig ziemlich beschädigte und an einigen Stellen nicht zu entziffernde Brückeninschrift lautet im Türkischen : j .5 A \ CA -äl) A?- Ol _/.>■ 5 ^.1^. jU o A , ,,i ^ i , < l - 1' Ai, . i CLC- Ojjji {£ AX \ ’ iß» ^Q.C- ^ ^ i 1 y j I £ jl)l i »Al Oj/ \ A — — >“ 6 A 1 y — -3 A — ^ \ \T\ A — jj 5 o 5 \ -il> a^ u» 4.1^ 1) Asaf war Rathgeber Salomon des Weisen. 2) Badi ist der Name des Dichters dieses Chronogrammes. 3) Tarih = Zeitangabe. Die türkischen Schriftzeichen des letzten Verses geben durch Addition ihres Zahlengehaltes als Summe das Jahr 979 nach der Hedzra. 336 I. Archäologie und Geschichte. „Zur Zeit Sultan Murats,1) des Sohnes Sultan Selims,2) fasste der Wohlthäter Mehmed-Pascha den Entschluss und hat auf dem Flusse Drina eine grosse Brücke mit vieler Mühe unter eigener Aufsicht (Leitung) erbaut. Gott gebe, dass sein Bau fest, das Glück seines Lebens ihm aber immer treu bleibe, und dass seine Wünsche auf beiden Welten fruchtbar sind. (unleserlich) Solche Werke (unleserlich) . . . Der Bewunderer dieses soll für den Erbauer zu Gott beten. (unleserlich) Brücke erbaute, möge Gott segnen. Im Wasser (unleserlich) hielt er die Perle der Perlmutter gleich: Ich erbaute die Brücke auf diesem Gewässer, ich, Mehmed-Pascha. 985“ (= 1577). 3) Fig. 20. Uferbogen der Visegrader Brücke. Mehmed-Pascha Sokolovic war ein gebürtiger Bosnier, die Reste seines Geburtshauses sind noch heute im kleinen Dorfe Ravanci zwischen der grossen und der kleinen Yarda unweit des Städtchens Rudo sichtbar. Seine Eltern waren orthodoxe Christen. Im Kindesalter durch eigenthümliche Umstände nach Constantinopel verschlagen, trat er zum Islam über. Geistig sehr gut veranlagt und geschickt, stieg er von Stufe zu Stufe bis zur Würde eines Grossveziers. Zu grosser Berühmtheit gelangte er sowohl als tapferer und glücklicher Feldherr, wie als geschickter Staatsmann. Dass er in seinem *) Murat III. 2) Selim II. 3) Der letzte Vers gibt durch Addition der Zahlwertlie der Schriftzeichen das Jahr 985 nach der Hedzra. Notizen. 337 Glücke seines Heimatslandes nicht vergass, beweist die Viäegrader Brücke, weshalb sein Andenken von der Volkstradition noch jetzt in Ehren gehalten wird. Fig. 21. Ruhebank auf der Visegrader Brücke. Dr. Ciro Truhelka. Der Maler des Wappenbuches von Fojnica. (Mit Fig. 22 — 28.) — Eines der interessantesten Alterthümer des katholischen Klosters in Fojnica ist ohne Zweifel die alte Copie des Wappenbuches der ehemaligen bosnischen Adeligen. In dieser Copie sind die Wappen jener Familien erhalten, welche infolge des türkischen Einfalles auswanderten und in der Fremde den Fig. 22. Aufschrift des Titelblattes in dem Wappenbuclie von Fojnica. Namen und das Wappen ihres Geschlechtsadels bewahrten; weiters jener Familien, welche nach dem Uebertritte zum Islam zwar ihre Familiennamen änderten, jedoch die Traditionen ihres Adels bewahrten; schliesslich auch solcher Familien, deren Andenken sich im Laufe der Zeit verloren hat. Viele haben das Wappenbuch von Fojnica überschätzt, Viele ihm aber auch die historische und heraldische Bedeutung abgesprochen. Sei dem wie immer, das Wappenbuch ist eine sehr interessante Band II. 22 338 I. Archäologie und Geschichte. Urkunde, und es ist alle Hoffnung vorhanden, dass mit der Zeit die historische und heraldische Wissenschaft an der Hand verlässlicher Quellen Blatt für Blatt, Wappen für Wappen desselben er- klären wird. Dazu bietet sich hier keine Gelegenheit, ebenso wenig zu einer ausführlichen Beschreibung dieses Documentes, welches Fra Ante Kne^evicin der „Zadarska zviezda“ 1863 zum ersten Male beschrieben hat; wir wollen dasselbe nur mit kurzen Worten schildern, bevor wir auf den Maler desselben übergehen. Das Wappenbuch ist auf grobes Papier im Gross-Quartformat gemalt und enthält 141 Blätter. Auf der ersten Seite des ersten Blattes ist das Muttergottesbild von Wolken umgeben gezeichnet, unter- halb desselben ein grosser Halbmond und quer die Wappenzeichen zweier kreuzweise liegender Balken und oberhalb dieser je eines gekrönten Mohrenhauptes. Auf der anderen Seite dieses Blattes befindet sich in den Wolken das Christusmonogramm und unterhalb desselben die Heiligen Cosmas und Damianus. Die erste Seite des zweiten Blattes trägt den Titel des Wappenbuches, während auf der zweiten Seite der heil. Hieronymus vor dem Kreuze knieend dargestellt ist. Das dritte Blatt gibt ein Tableau der Wappen aller slavischen Staaten auf dem Balkan; darauf folgen auf separaten Blättern 10 Wappen dieser Länder und 126 Blätter mit Adelswappen. Auf dem letzten Blatte sind wieder die Wappen einiger Familien zu einer Gruppe vereinigt. Auf dem Titelblatte finden wir folgende in der Bosancica verfasste Zeilen (Figur 22), d. i. : Eodoslovje bosanskoga aliti iliriükoga i sarpskoga vladanja zajedno postavleno. Po Stanislavu Eubdicu popu; na slavu Stipana Nemacnica cara Sarbclena i Boscana 1340. („Stammtafel der bosnischen, beziehungsweise der illyrischen und serbischen Herrschaft, zusammen- gestellt vom Popen Stanislaus Eubcic zu Ehren des Stefan Nemanjic, Kaisers der Serben und Bosnier. 1340.“) Unter diesem Titel wurde lateinisch hinzugefügt: Codicem hunc contiuentein varia Stemmata plurium Nobilimn Familiarum Bosnensium jam ab immemorabili tempore a captivitate nernpe Eegni Bosne studiose conservatuin a Edis Prbus Franciscanis Familiae Fojnicensis testamur Nos Frater Gre- gorius a Varess Episcopus Euspensis et Vicarius Aplcus in Bosna Otliomana dicta Argentina, praecipue vero in olim Episcopatu Dumnensi. Fra Gregorius Episcopus et Vicarius Apostolicus Mppa. Hieraus folgt, dass das gegenwärtige Wappenbuch die Abschrift eines älteren Manuscriptes ist, welche im Jahre 1800 angefertigt wurde, während das Original, welches leider verloren ging, vom Popen Stanislaus Kubdic iin Jahre 1340 verfasst worden ist. Diese Copie ist nicht die einzige, welche hergestellt wurde; so besitzt die kaiserliche Hofbibliothek in Wien eine viel ältere Copie, welche der Bosnier Marko Skorojevic dem Erzherzog Franz Ferdinand (f 1654), Sohn des Kaisers Ferdinand III., zum Geschenke gemacht hat. Eine andere Copie stellte Fra Kresic 1837 für den Grafen Ladislaus Festetits her, während sich nach den Traditionen des Klosters Fojnica eine sehr alte Copie oder vielleicht das Original selbst in einer der Klosterbibliotheken auf dem heiligen Berge Athos befinden soll. Von diesem Athosexemplare nahm Korjenic-Nevric iin Jahre 1595 eine Abschrift, wie er selbst sagt: „aus einem sehr alten Buche, welches unter den alten Büchern der Klosterbibliothek auf dem heiligen Berge des berühmten und gepriesenen Basiliusordens gefunden wurde“.1) *) Diese Nachricht entnehme ich einem Briefe des hochgeschätzten, kürzlich verstorbenen Fra Anto K n e z e v i c. Notizen. 339 In seinem Buche „Bosnien und die Hercegovina“ spricht Asböth dem Original dieses Wappen- buches das hohe Alter ab, welches ihm der Titel zuschreibt, und schliesst dies aus folgenden Gründen. In einigen Wappen erscheinen unter anderen heraldischen Zeichen Kanonen, was für 1340 ein arger Anachronismus wäre, da die ersten Kanonen zur Zeit des Krieges des Herzogs Stjepan mit Ragusa nach Bosnien kamen. Weiters meint Asböth, dass sich das Motto auf dem letzten Wappenblatte „Semper spero“ auf die Periode der türkischen Herrschaft beziehen müsse, dass die zwei mit Mohren- köpfen gekrönten Balken, welche sich in dem vermeintlichen bosnischen Wappen kreuzen, aus den Rossschweifen der Paschas entstanden seien, und fügt hinzu, dass die Rossschweife dieses Wappens in einer anderen heraldischen Urkunde, dem Stammbaume der Olimueevici in Suceska, deutlich aus- gedrückt erscheinen. Zu diesem Argumente bemerke ich, dass dasselbe auf ungenauer Kenntniss des gedachten Stamm- baumes beruht; denn dieser zeigt oberhalb der Balken ebenfalls die gekrönten Mohrenköpfe. An diesen Häuptern hängen längs des Halses dicke Haarbüschel, welche Asböth mit Rossschweifen verwechselt hat. Nebenbei sei erwähnt, dass sich das vermeintliche bosnische Wappen in jenem Stammbaume allerdings von dem des Wappenbuches von Fojnica unterscheidet; nur wundert es mich, dass bisher Niemand diesen Unterschied hervorgehoben hat. Auf letzterem Wappen befindet sich im Herzschilde der Mond mit dem Sterne, auf ersterem dagegen die Krone, dieselbe Krone, welche wir auf dem Wappen in Jajcc und in verschiedenen Varia- tionen auf allen Münzen der bosnischen Herrscher wiederfinden. Asböth’s Ansicht über das Alter des Wappenbuches ist dagegen zweifellos richtig, und man überzeugt sich leicht, dass der Titel desselben mit dem Inhalte nicht übereinstimmt. Wenn das Wappenbuch wirklich aus dem Jahre 1340 stammte, so müssten alle Familien, deren Wappen dort eingereiht erscheinen, zu jener Zeit gelebt haben; allein es kommen auch Wappen solcher Familien vor, die um 1340 noch nicht existirt haben. Von jenen 110 Adelsfamilien, deren Wappen abgebildet sind, bestand kaum eine vor dem 15. Jahrhunderte; hinsichtlich der fürstlichen Familien erwähnen wir nur die Familien Ivristic, Balsic, Kastriotic und Crnojevic, deren Gründer erst im 15. Jahrhunderte gelebt haben. Im Allgemeinen muss hervorgehoben werden, dass vor dem 15. Jahrhunderte der Familienname in Bosnien sich noch nicht eingebürgert hatte; nur in den königlichen Geschlechtern finden wir die Idee der Blutabstammung von dem Gründer der Familie nebst der Tradition auch im Namen ausge- drückt. In den adeligen Familien war dies nicht der Fall, sondern der Sohn erbte den Namen des Vaters. Als Beispiel führen wir eine der berühmtesten Familien, die der Pavlovice an, welche während dreier Generationen dreimal den Namen gewechselt haben. Radin Jablanic übertrug auf seinen Sohn Pavao den Namen Radenovic und Pavao auf seine Kinder den Namen Pavlovic. Erst als infolge der türkischen Invasion die Mehrzahl der Adelsfamilien auswanderte, nahmen sic nebst der Tradition auch den Namen mit und bewahrten in der Fremde das Eine wie das Andere leichter als in der Heimat. Zweifellos ist daher, wenn auch nicht das Buch selbst, so doch der Titel desselben apokryph und aller Wahrscheinlichkeit nach der Pop Stanislaus Ruböie eine fingirte Person. Wenn auch das Wappenbuch nicht gerade erst im 17. Jahrhundert entstanden ist, wie Viele behaupten, so reicht es doch sicherlich nicht bis in das Jahr 1340 zurück, sondern entstand entweder in der Zerfallsperiode des bosnischen Königthums, oder etwas später. Nach Inhalt und technischer Ausführung ist das Wappenbuch von Fojnica einer anderen heral- dischen Urkunde aus Bosnien verwandt, nämlich dem Stammbaume der bosnischen und serbischen Herrscher, dessen Original, ein schönes, in Farben ausgeführtes Pergamentblatt, durch längere Zeit im Kloster zu Suceska aufbewahrt wurde. Es kam in neuerer Zeit in die Hände des Bischofs Strossmayer und wurde in der Gemäldegallerie der südslavischen Akademie aufgestellt. Dieser Stammbaum geht auf den Nachkommen einer alten bosnischen Adelsfamilie, Namens Petar Ohmuöevic, zurück, wie der im Stammbaum selbst befindliche Passus besagt: Petar Istie Ohmuöevica sin po starini Bosnjanin a radi nevolnoga razmira i pogube Bosanski priöastja negovi starieli sad je Dubrovöanin koji za milos njegove stare gospode slozi i postavi ovo rodoslovje za spornen i slavu Bosansku i svakova vridna Bosnjana dokoli Bog bole dopusti i njegova sveta vola izvrsi. Pisano lita Hristova na 1482 22* 340 I. Archäologie und Geschichte. (Petar, Sohn des OhmuCevic, nach Herkunft Bosnier, welcher wegen unglückseliger Fehden und des Verfalles bosnischer Edlen, seiner Ahnen, jetzt Ragusaner geworden, und welcher zu Ehren seiner alten Herren diesen Stammbaum zusammengestellt und aufgestellt hat, zum Andenken und zur Ehre Bosniens und jedes wackeren Bosnjaken, bis der Herrgott Besseres bestimmt und bis sein heiliger Wille geschehen ist. Geschrieben im Jahre Christi 1482.) Ohmucevic verband heraldisch seinen Familiennamen mit dieser Urkunde, indem er unterhalb der Stammtafel rechts das Wappen der Familie Ohmucevic anbrachte. Im Original ist dieses Wappen sehr beschädigt; Fra Martin Nedic bewahrte es uns jedoch in einer 1842 angefertigten Copie des damals noch besser erhaltenen Documentes. Dieses Wappen ist mit jenem der Ohmucevici im Fojnicaer Wappenbuche identisch. Dies Alles liefert uns vorläufig noch keine Daten über den Autor des Wappenbuches von Fojnica. Der Grund, weshalb ich gerade dem Ohmucevic auch die Herstellung des Wappenbuches zuschreiben möchte, ist ausser der ähnlichen Ausführung namentlich folgender: Fig. 23. Wappen der Vukovici. Fig. 24. Wappen der Familie Ohmucevici auf dem letzten Blatte des Wappenbuches. Fig. 25. Wappen der Ohmucevici. Wie auf dem ersten befindet sich auch auf dem letzten Blatte ein grosses Wappen, bestehend aus mehreren kleineren, und dieses Wappen gehört der Familie Ohmuöevic. Aus der beigegebenen Abbildung (Figur 24) ist zu entnehmen, dass das grosse Wappen aus denen mehrerer Familien zu- sammengestellt ist, welche entweder durch Heirat oder durch Erbfolge mit einander verknüpft waren. Die einzelnen Wappen vertheilen sich auf folgende Familien: das Herzschild gehört den Vuko- vici (vergl. Figur 23), das obere rechte und das untere linke Feld den Ohmucevici (vergl. Figur 27 und 25), das untere rechte den Kovaöici (vergl. Figur 26) und das obere linke den Radmilo vic-Gjanovici (vergl. Fig. 28). Das Wappen der OhmuCevici nimmt die vornehmste Stelle ein (das obere rechte und das untere finke Feld), und die Embleme dieses Wappens wiederholen sich bei allen drei Helmen, mit welchen das grosse Wappen gekrönt ist, was in der Sprache der Heraldik besagt, dass die Familie Ohmucevici den Vorrang vor den anderen haben und die Hauptlinie der Familie vertreten soll. Das grosse Wappen der OlnnuCevici würde am Schlüsse des Buches nicht wohl angebracht sein, wenn diese Familie nicht zu dem Autor des Wappenbuches in einem engeren Verhältnisse gestanden hätte. In anderem Falle, wenn nämlich kein Bezug zu einer bestimmten Familie vorläge, würde man an dieser Stelle das Wappen einer bedeutenderen oder einer Herrscherfamilie erwarten. Zweifellos ist sowohl liier als auch im Stammbaum das Wappen auf dem letzten Blatte, fast könnte man sagen, als die Unterschrift und Signatur des Wappenbuchautors aufzufassen. Der zweite Grund, aus welchem ich dem Olimuöevic die Entstehung des Wappenbuches zu- schreiben möchte, liegt in der Unvollständigkeit des letzteren. Oberhalb jedes Wappens sind Band- Notizen. 341 schleifen gezeichnet, auf welchen der Wahlspruch der betreffenden Adelsfamilie Platz finden sollte. Diese Wahlsprüche fehlen jedoch. Nur Seite 26 finden wir auf dem Wappen den Spruch: „Tempus restavit“, und dieses Wappen ist wieder das der Ohmußevici. Aus diesem Umstande muss geschlossen werden, dass der Autor des Wappenbuches die Familie Ohmuoevic sehr gut, die anderen dagegen weniger genau kannte. Wäre er dieser Familie nicht sein- nahe gestanden, so hätte er sich gewiss vor Allem über die heraldischen Zuthaten der wichtigeren, namentlich der Herrscherfamilien informirt, erst dann hätte er sich mit denen des niederen Adels befasst. Ich komme sonach zu dem Schlüsse, dass bei dem Ursprünge des Wappenlniches von Fojnica die Ohmußevici mitgewirkt haben, und dass diese als geistige Urheber desselben anzusehen sind. Wird noch in Betracht gezogen, dass sich ein Mitglied dieser Familie mit Heraldik befasste, wovon wir in einer zweiten ähnlichen Urkunde, dem erwähnten Stammbaume, untrügliches Zeugniss besitzen, so glauben wir nicht fehlzugehen, wenn wir diesem Petar Ohmuüevic die Autorschaft des Original- Wappenbuches von Fojnica vindiciren. Demnach wäre das letztere nicht im 14., sondern erst zum Schlüsse des 15. Jahrhunderts entstanden. Von diesem Standpunkte ausgehend, wird man mit der Zeit auch die historische Grundlage zur Würdigung dieses interessanten Documcntes finden können.1) Miron R. v. Zarzycki. Das Städtchen Ustikolina. (Mit Figur 29.) — An der von Foßa nach Goraüda führenden Hauptstrasse, eine Stunde von ersterem Orte entfernt, liegt am linken Drina- ufer das Städtchen Ustikolina. Den Namen erhielt dasselbe vom Flüsschen Koluna, welches dort in die Drina mündet (Usce == Mündung). Zur Zeit der Eroberung Bosniens durch die Osmanen war dieser Ort von einiger Wichtigkeit. Dort blühte damals die Goldschmiedekunst; der Handel wurde in nicht unbedeutendem Umfange betrieben, während in der Umgebung ausgedehnte Weinculturen bestanden, deren Plätze noch heute „Loze“ (Reben) und „Vina“ (Weine) genannt werden. Im Orte stand eine aus Stein gebaute Kirche, deren Fundamente noch sichtbar sind. In un- mittelbarer Nähe derselben fanden Arbeiter beim Baue der neuen Strasse unter der Erde ein mit Mauerwölbungen versehenes Grab und in diesem menschliche Knochen; das Volk behauptet, dass hier die zur Kirche gehörigen Mönche bestattet worden seien. l) Vgl. oben S. 205 f. und 215—220. 342 I. Archäologie und Geschichte. Dass die Gegend von Ustikolina schon viel früher gut bevölkert war, beweist die grosse Zahl vorhistorischer Grabstätten, welche sich auf dem Cvilinskopolje neben Ustikolina und unmittelbar am linken Drinaufer befinden, ferner für eine spätere Periode die grosse Zahl alter Burgruinen in der Um- gebung des Ortes. In der Mitte des Cvilinskopolje sieht man den Grundbau eines alten Castelles; die Stelle wird noch heute „Gradina“ (Burgruine) oder auch „Cvilinski grad“ genannt. In einem Hudzet (Urtheil), welches vor 150 Jahren für eine Frau aus Curcvo geschrieben wurde, finden wir, dass der betreffende Process vor dem Mutesarif (Kreisvorsteher) Omer Pascha Cengic in Dol. Odzak bei Ustikolina verhandelt wurde, woraus hervorgeht, dass zu jener Zeit der Mutesarif in Odzak bei Ustikolina seinen Sitz hatte. In einem alten Ferman wird Ustikolina als Seher (Stadt), Foßa hingegen als Kasaba (Markt- flecken) bezeichnet, was zu beweisen scheint, dass Ustikolina damals eine wichtige Stadt, Foßa hin- gegen nur ein kleiner Ort war. Als Sultan Mehmed Fatih im Jahre 1463 mit seinem Heere in jene Gegend kam, stieg er den Bergrücken am linken Ufer des Flüsschen Josanica (rechts von der Drina) hinab, wo sich der Kampf mit den Bosniern entspann. Die Schlacht war blutig, und es fielen auf beiden Seiten viele Menschen und Führer, welche auch auf dem Kampfplatze begraben wurden. Damals entstand jener alterthiim- liche Friedhof an der Joäanica mit seinen zahlreichen steinernen Grabdenkmälern, auf welchen Säbel, Morgensterne, Fahnen, Bogen und Pfeile eingemcisselt sind. Zwischen den vielen Grabsteinen, welche auf Männer deuten, kommt auch nicht einer vor, der das Grab einer Frau bezeichnen würde. Man erzählt, dass ein türkischer Anführer den grössten bosnischen Helden, Ivko, von Josanica bis zum Cvilinski grad verfolgt habe, wo er ihn erreichte und niederhieb. Ivko wurde auf derselben Stelle, wo er gefallen war, begraben, und der Stein, den man auf sein Grab legte, wird auch jetzt noch „Ivkov kamen“ (Stein des Ivko) genannt. Der erwähnte türkische Anführer kehrte hierauf wieder in den Kampf an der Josanica zurück, wo ihm ein Bosnier, um den Tod des Ivko zu rächen, den Kopf abhieb. Dies geschah unmittelbar am Ufer der Josanica. Der Getödtete nahm seinen Kopf unter den Arm und begab sich an das rechte Ufer des Flüsschens, wo er auch begraben wurde. Auf dem Steine, welchen man diesem Anführer zu Häupten des Grabes setzte, ist eine Aus- höhlung, aus welcher das Volk Wasser zu trinken pflegt, und es soll Jeder, mag er an welcher Krank- heit immer leiden, sofort genesen, sobald er von diesem Wasser getrunken und am Grabe sein Gebet verrichtet hat. Diese Heilsstätte wird am letzten Dienstag vor dem Gjurgjev-dan (Georgstag) am zahlreichsten besucht. Zu jener Zeit, als Sultan Mehmed Fatih mit den Bosniern am Flüsschen Josanica neben der Drina den Kampf bestand, lebten in Ustikolina drei Brüder Namens Miroje, Ljuboje und Dragoje Ivujundzic, deren Familie die angesehenste in der ganzen Gegend war. Auch die Kirche, deren Ruinen wir schon erwähnt, stand unter ihrer Leitung. Von dieser Familie waren einige Mitglieder Mönche und Kirchenväter, und ihnen gehörten auch alle drei Ueberfuhren an der Drina, und zwar in Ustikolina, Foöa und GoraMa. Einer von den genannten drei Brüdern — nach Anderen deren Mutter — ging dem Sultan Mehmed Fatih entgegen und führte ihn über die Drina nach Ustikolina. Als der Sultan in der Mitte des Flusses war, versank sein Pferd in den Fluthen, worauf er ausrief: „Busnji derin“, was soviel heisst als: „dieses Wasser ist tief“. Vom Worte „derin“ soll der Name des Flusses „Drina“ her- rühren. Aus Dankbarkeit dafür, dass sie ihn über die Drina geführt, schenkte der Sultan den Brüdern Kujundzic Spahiluks (Lehensgüter), gab ihnen Fermane und Bujruntijas (Verleihungsurkunden), und seit jener Zeit werden die KujundMci auch Spahici genannt. Die Brüder Miroje und Ljuboje nahmen den muhammedanischen Glauben an, und von ihnen sollen die bosnischen Begs Mirici und Ljubovici abstammen. Der dritte der Brüder, Dragoje, blieb dem Glauben seiner Urväter treu, dennoch wurde auch er vom Sultan mit dem Spaliiluk und der Bujruntija betheilt. Auf Grund dieses Fennans haben die Nachkommen des Genannten, die IvujundMci- Spahici, bis in die letzte Zeit den Zehent in der Gemeinde Ustikolina für sich eingehoben. Als die beiden ersterwähnten Brüder zum muhammedanischen Glauben übertraten, übersiedelte der dritte Bruder, Dragoje, der seinen Glauben nicht abschwören wollte, in das nahegelegene Dorf Ligati, wo noch heutigen Tages seine Nachkommen, die KujundMci-Spahici, leben. Zwei von dieser Familie abstammende Brüder übersiedelten nach Foöa, wo sie unter die angeseheneren Bürger gezählt werden und im Rufe der geschicktesten KujundMjas (Goldarbeiter) stehen. Nachdem der Sultan in Ustikolina cingezogen war, beliess er daselbst eine Heeresabtheilung unter dem Commando des Turhani Einin, welcher, wie erzählt wird, die Moschee in Ustikolina er- baute. Die Turhani blieben Befehlshaber in Ustikolina. Jener „kol“ (Abtheilung), der in Ustikolina Notizen. 343 lag, hiess „usta kol“ (d. i. alte Abtheilung), und Manche behaupten, dass aus „usta kol“ der Name Ustikolina entstanden sei; das Flüsschen Koluna soll aber seinen Namen vom Worte „kol“ erhalten haben. Aus Ustikolina detachirte der Sultan eine Abtheilung (Wache) gegen das heutige Foßa, welches zu jener Zeit Radovina geheissen habe, um zu sehen, was es dort gäbe ; als die Abtheilung zurück- kehrte, erzählte sie dem Sultan, dass sie in jener Gegend einen Ort angetroffen habe, wo es grosse Weingärten und viel Fässer („hepsi fuÖi) gebe. Das türkische Wort „fuöi“ bedeutet „Fass“, und so entstand vom Worte „fu6i“ der Name der späteren Stadt Foda.1) Wie Andere wieder erzählen, soll Foöa seinen Namen von dem vielen Obst (bosnisch voce), das dort und in der Umgebung trefflich gedeiht, erhalten haben. Am nordöstlichen Ausgang des Städtchens erhebt sich die Moschee von Ustikolina (Figur 29), welche in den Jahren 866 — 869 nach der Hedüra, also gleich in den ersten Jahren nach der Er- oberung Bosniens durch die Osmanen, erbaut wurde und sohin zu den ältesten Moscheen im ganzen Fig. 29. Die Moschee von Ustikolina. Lande zählt. Das Minaret, welches an der rechten Seite des Gebäudes steht, ist, wie dieses selbst, aus behauenen Quadern aufgeführt und hat unterhalb der Serefa (Gallerie für den Ausrufer) ringsum fein gemeisselte Stalaktiten-Ornamente. Die Höhe des Minarets ist nahezu gleich jener des Minarets der Aladüa-Dzamija in Foca.2) Die Moschee, sowie das Minaret sind mit Blei, die Vorhalle mit Ziegeln gedeckt. Das Dach der Moschee und des Minarets wurde zeitweise erneuert, während die Mauern die alten geblieben sind. In der Moschee sieht man keine Ornamente, nur die Hudba (Kanzel) weist einige in Stein ge- meisselte Zieraten auf. Um die Moschee herum befindet sich ein kleiner Friedhofplatz, auf dem nur wenige neue Gräber Raum gefunden haben, während die alten nur durch die Ueberreste ihrer gemauerten Einfassungen erkennbar sind. Vorne an der rechten Ecke des Gebäudes steht ein aus Stein gemauertes Gi-ab, auf dessen oberem marmornem „Nisan“ die Inschrift „Sefer aga ibni Jusuf“ und daneben die Jahreszahl 977 steht. Bei der Moschee sieht man ferner ein altes Turbe (Mausoleum), in welchem Kadri Alajbeg Cengic, der Urahn der in Odzak, eine Viertelstunde von Ustikolina entfernt, lebenden Familie Cengic, vor 150 Jahren bestattet wurde. *) Vergl. Bd. I, S. 488. 2) Siehe oben S. 248—257. 344 I. Archäologie und Geschichte. Die Bewohner von Ustikolina erzählen, dass einmal ein Pferd auf den Friedhof gekommen sei und mit dem Fusse die Decke dieses Grabes durchbrochen habe. Als die Ustikoliner diesen Schaden bemerkten, liefen sie rasch herbei, um das Grab pietätvoll zu repariren; bei dieser Gelegenheit fanden sie drei Platten im Grabe, welche derart aufgestellt waren, dass zwei davon an den Enden aufrecht standen, während die dritte als Deckplatte diente. Der Todte war also nicht in jener Weise, wie die Muhammedaner ihre Todten heute zu bestatten pflegen, beigesetzt. Oberhalb der Moscheethür sieht man eine leere Stelle, die jedenfalls für eine Inschrift bestimmt war, welche jedoch niemals angebracht wurde. Turhani-Emir, welcher nach der Volkstradition dieses Gotteshaus erbaute, soll auf Presjeka bestattet sein. Dieser Ort liegt 1 x/2 Stunden nördlich von Usti- kolina und soll seinen Namen daher haben, weil dort das türkische Heer das bosnische „entzweigehauen“ (presjeci, entzweihauen), also geschlagen habe. Auf einem flachen Nisan (muhammedanischen Grab- stein), der oben zugespitzt ist, sieht man den Halbmond mit dem Stern und darüber eine Spirale. Man sagt, dies sei das Grab eines Tataren oder Persers. Die Gräber sind auf einem Bergrücken zerstreut-, links sieht man eine ebene Fläche und einen kleinen See. Unter allen Gräbern, die man dort findet, zeichnen sich zwei durch Schönheit aus; ihre Nisans sind aus Marmor, aber gebrochen. Auf dem einen finden sich die Ueberreste einer Inschrift: „ . . . Emiri livai hereeg“, d. i. „Emir (Gouverneur) der Ilercegovina“, von der Jahreszahl nur: „ . . . Sene tisa ve sittine“, d.i. im Jahre „ . . . 69“; auf der dritten Seite: „Kad intekalel merhumu ibni“, d.i.: „Uebersiedelt (gestorben) der geliebte Sohn . . .“ Das Stück, auf dem das Hundert von der Jahreszahl und der Name des Vaters des Verstorbenen eingegraben stand, ist vom Grabsteine abgeschlagen worden. Der biedere Greis Muhammed-beg Cengic aus Odzak, der jetzt über 70 Jahre alt ist, erzählte uns, dass, als er vor 40 Jahren zum letzten Male bei den in Rede stehenden Gräbern war, sowohl diese, als auch deren Denksteine ganz gewesen wären, und dass er damals die Inschrift auf dem einen Grabsteine noch sehr deutlich habe lesen können; sie hätte gelautet: „Turhani Emin“ mit dem Sterbejahre „869“. Da Sultan Melnned Fatih im Jahre 866 nach der Hed£ra nach Bosnien kam und Turhani Emin, der die Moschee in Ustikolina gebaut haben soll, im Jahre 869 gestorben ist, wird geschlossen, dass die Moschee in Ustikolina in den Jahren 866 bis 869 erbaut und somit eine der ältesten in Bosnien und der Hercegovina sei. In der Nähe der erwähnten Grabstätten befinden sich auch viele sogenannte Bogumilengräber mit grossen viereckigen Steinen und Platten, von denen aber keiner eine Inschrift aufweist. Diese Gräber weisen ebenfalls darauf hin, dass die Stadt Ustikolina im Mittelalter eine der wichtigeren Städte Bosniens gewesen sei. Heute ist Ustikolina ein ganz unbedeutendes Städtchen, aber seine Be- wohner, wie die des ganzen Dzemates von Ustikolina sind sehr arbeitsame Leute und geniessen einen besonderen Ruf als geschickte Tabakpflanzer. Der Tabakbau nimmt hier von Jahr zu Jahr zu, und die betreffenden Grundstücke sind wahre Musterplantagen. Carl Peez. Die ottomanischen Statthalter in Bosnien. — In dem officiellen Amts- kalender des Vilajets Bosnien für das Mondjahr 1295 findet sich eine Liste sämmtlicher Statthalter, welche in Bosnien von der Eroberung durch die Osmanen bis auf unsere Tage geherrscht haben. Wir entnehmen diesem Kalender Folgendes: „Während der 120 Jahre, welche seit der Eroberung Bosniens bis zum Jahre 989 verflossen sind, führten die zur Verwaltung berufenen Personen den Titel Sandzakbej. Ihre Zahl beträgt 24; rechnet man aber Jene, welche nicht einmal, sondern mehrere Male Statthalter waren, nach der Zahl ihrer Statthalterschaften in Bosnien, so gibt es 31 Statthalter mit dem Titel Bej. Der erste derselben war Isliak, der letzte Ferhad, welcher später der erste Statthalter mit dem Titel Pascha war. Unter den Statthaltern von Bosnien steht Gazi Husrev Bej, der Schwestersohn Bajezids II., was Ruhm, gross- artige Bauten, fromme Stiftungen und gemeinnützige Werke betrifft, obenan. Seine Spuren findet man jetzt noch oft, und sein Andenken wird in Ehren gehalten. Die von ihm gegründeten Vakufe sind reicher als jene in allen anderen Provinzen des osmanischen Reiches.“ Statthalter mit dem Titel Bej. Ishak 868 Nussuli 869 Isa 870 Ilijas .... 870 Sinan . . . . .... 876 Daud . . . . .... 878 Iskender 880 Jahia 885 Jakub 888 Notizen. 345 Iskender (zum zweiten Male) 890 Sinan (zum zweiten Male) . 891 Junuz 892 Sokolli Mehemed (Mehemed v. Sokol in Serbien) . . 894 Mihalzade Mehemed (wahr- scheinlicli Mehemed Mi- hajlovic) 897 Kara Osman (der schwarze Osman) 901 Gazi Husrev (Husrev der Heidenbesieger) . . . 924 Hassan 927 Husrev (zum zweiten Male) 938 Mihalzade Mehemed (zum zweiten Male) . . . . 949 Mehemed Chan 950 Hadim Ali (Ali der Be- schnittene) 951 Sofi Mehemed (Mehemed aus dem persischen Königs- hause Sofi) 954 Hadim Ali (zum zweiten Male) 958 Dugali Malkoci (Malkoö von Duga in d. Hercegovina) 960 Osman 963 Hamza 970 Hassan (zum zweiten Male) 973 Sinan (Gründer des Si- nan-begova Tekia in Sarajevo; zum dritten Male) 976 Hassan (zum dritten Male) 981 Sokolli Mehemed (zum dritten Male) . . . . 981 Gazi Ferhad (Ferhad der Heidenbesieger) . . . 989 Statthalter mit dem Titel Pascha. Ferhad (früher Bej) . . 993 Kara Ali (der schwarze Ali) 995 Sehsuwar 996 Ferhad (zumzweiten Male) 998 Halil 998 Sofi Mehemed (zum zwei- ten Male) 999 Hersekli Gazi Hassan (der Heidenbesi eger Hassan der Hercegovce) . . . 1001 Mustafa 1002 Tiro Hassan (die Familie Tiro besteht jetzt noch in der Hercegovina) . 1003 Hussein 1003 Ismail 1004 Abardi 1005 Ilodawerdi 1005 Idris 1006 Dugali Ahmed (Ahmed von Duga in der Herce- govina) ...... 1008 Derwisch 1009 Sofi Sinan (Sinan aus dem persischen Königs- hause Sofi) 1009 Tatar Mehemed (Mehe- med der Tartare) . . 1010 Düelali Hassan . . . . 1010 Hassan (zum zweiten Male) 1011 Hadim Husrev (Husrev der Beschnittene) . . 1012 Gurdzi Mehemed (Melie- der Georgier) . . . . 1014 Sinan (zum zweiten Male) 1016 Kursundzi Mastafa (Mu- stafa der Bleigiesser) . 1017 Ibrahim Chan . . . . 1018 Mustafa (zum zweiten Male) 1019 Karakai? Mehemed (Mehe- med mit den schwarzen Augenbrauen) . . . 1021 Iskender 1022 Abdelbaki 1023 Iskender (zum zweiten Male) 1023 Mustafa (zum zweiten Male) 1029 Ibrahim Chan (zum zwei- ten Male) 1030 Baltadzi Mehemed (Mehe- med der Beilträger) . 1031 Bajram 1031 Deli Ibrahim (Ibrahim der Narr) 1032 Bajram (zum zweiten Male) 1035 Gazi Mustafa (Mustafa der Heidenbesieger) . 1036 Bekir 1037 Abaza Mehemed (aus dem Kaukasus) 1037 Hersekli Murad (Murad der Hercegovce) . . . 1041 Arnaut Mustafa (Mustafa der Albanese) . . . . 1042 Hassan (zum zweiten Male) 1042 Sulejman 1042 Deli Ibrahiin(zumzweiten Male) 1043 Mostarli Salih (Salih von Mostar) 1045 Vudzio Mehemed . . . . 1047 Bosnali Sahin (Sahin der Bosnjake) 1049 Kursundzi Mehemed (Me- hemed der Bleigiesser) 1050 Deli Hussein (Hussein der Narr) 1051 Ahmed 1053 Bosnali Varvar (Varvar der Bosnjake) . . . 1054 Omer 1055 Gabilali Ibrahim (Ibrahim von Gabila in der Her- cegovina) 1055 Tekieli Mustafa (Mustafa vonTekie, vielleichtaus Serbien) 1057 Dcrvis 1058 Serhosogla Hassan (Has- san, Sohn des Trunken- boldes) 1059 Defterdarzade Mehemed (Mehemed, Sohn des Finanzdirectors) . . . 1060 Maglajli Fazil (Fazil von Maglaj) 1061 Der Vesir Ali Sijavus . 1062 Fazil (zum zweiten Male) 1063 Delali Mustafa (Mustafa der Ausrufer) . . . . 1065 Grossvesir Sulejman . . 1066 Fazil (zum dritten Male) . 1067 Tojml Hassan (Hassan der Hinkende) . . . 1068 Sejid Ahmed 1069 Melik Ahmed (aus Syrien) 1069 Generalissimus Varvar Ali 1070 Bosnali Ismail (Ismail der Bosnjake) 1074 Arnaut Mustafa (Mustafa der Albanese) . . . 1075 Bosnali Muharrem (Mu- harrem der Bosnjake) 1076 Sehiab Mehemed (Mehe- med Geradwasser) . . 1076 Gör Ali (Ali der Blinde) 107 7 Tesnali Ibrahim (Ibrahim von Tesnaj in Bosnien) 1078 Mufetis Mehemed (Mehe- med der Inspector) . 1081 346 I. Archäologie und Geschichte. Maglajli Mahmud (Mah- mud von Maglaj) . . 1082 Dzanbulad Hussein (Hus- sein Stahlseele) . . . 1083 Kodza Ibrahim (Ibrahim der Alte) 1084 Kara Mehcmed (Mehcmed der Schwarze) . . . 1085 HadM Bekir 1088 Finanzdirector Ahmed . 1088 Arnaut Ibrahim (zum zweiten Male .... 1089 Kodiüa Halil (Halil der Alte) 1089 Finanzdirector Ahmed (zum zweiten Male) . 1090 Abdurrahman 1093 Hizir 1094 Osmanpasazade Ahmed (Aluned, Sohn des Os- manpaäa) 1095 Herzekli Osman (Osman der Hercegovce) . . . 1096 Funduk Ahmed (Ahmed Haselnuss) 1096 Sijavus 1097 Hlevnali Meliemed (Mehe- med aus Livno) . . . 1098 Topal Gazi Hussein (Hus- sein der hinkende Hei- denbesieger) . . . . 1099 Böjük Dzafar (Dzafar der Grosse) 1102 BosnaliGazi Mehcmed (der Heidenbesieger Melie- med der Bosnjake) . . 1103 Bosnali Sari Ahmed (der blonde Ahmed der Bos- njake) 1109 Daltaban Gazi Mustafa (derHeidenbesiegerMu- stafa Nacktsohle) . . 1109 Finanzdirector Kose Ha- lil (Halil Schütter- bart) 1110 Bosnali Sejfullah (Sejful- lah der Bosnjake) . . 1114 Hadzi Ibrahim . . . . 1115 Sirke Osman (Osman Essig) 1117 Dogramadzi Meliemed (Mehcmed derTiscliler) 1117 Banjalukali Kapudan Mu- stafa (der Admiral Mu- stafa von Banjaluka) . 1120 Sejfullah der Bosnjake (zum zweiten Male) . 1121 KarapilanAli (Ali Schwarz- schlange) 1123 Sari Ahmed (der blonde Ahmed) 1124 Arnaut Ali 1125 Grossvesir Köprülüzade Numan (Numan, Sohn des Köprülü) . . . . 1126 Bosnali Sari Mustafa (der blonde Mustafa der Bos- njake) 1127 Had2i Jussuf 1128 Ibrahim 1128 Sapdzali Ahmed (Ahmed von Sabac in Serbien) 1129 Kara Mustafa 1129 Numan (zum zweitenMale) 1129 Finanzdirector Osman . 1130 Topal Osman (Osman der Hinkende) 1132 Muhsinzade Abda llah (Ab- dallah, Sohn desWohl- thätigeu) 1133 Topal Osman (zum zwei- tenMale) 1140 Gazi Ahmed (der Heiden- besieger Ahmed) . . 1140 Kabakulak Ibrahim (Ibra- him Dickohr) . . . . 1142 Sirkedzi Osman (Osman der Essigmann- zum zweitenMale) . . . . 1144 Muhsinzade Abdallah (Ab- dallah, Sohn desWolil- thätigen ; zum zweiten Male) 1145 Hekim Oglu Ali (Ali, Sohn des Arztes) 114 9 Muhsinzade Abdallah (zum dritten Male) . . . . 1153 Avaz Meliemed . . . . 1154 Jegin Meliemed (Meliemed der Neffe, wahrschein- lich eines Sultans) . . 1155 HekimzadeAli (zum zwei- ten Male) 1158 Bostand2iSulejinan(Sulej- man der Gärtner) . . 1158 Hekimzade Ali (zum drit- ten Male) 1159 Muhsinzade Meliemed . . 1161 Had2i Bekir 1162 Serif Abdallah (vielleicht aus der marokkanischen Dynastie der Serifen) . 1163 Köprülüzade Hadzi Ah- med (der Mekkapilger Ahmed, der Sohn des Köprülü) 1164 Kodza Hadzi Meliemed (HadÄi Mehcmed der Alte) 1165 Ahmed Kjamil .... 1168 Kodza Hadzi Meliemed (zum zweiten Male) . . 1171 Malovan Ali (vielleicht Ali aus Malovan in Bosnien) 117 7 Admiral Meliemed . . . 1178 Köprülüzade Hadzi Ah- med (zum zweiten Male) 1179 Silihdar Meliemed (Mehe- med, der Waffenträger des Sultans) . . . . 1180 Muhsinade Meliemed (zum zweitenMale) . . . . 1184 T opaloglu Osman (Osman, Sohn des Hinkenden) 1186 Dagestanli Ali (Ali von Dagestan) 1187 Aiwazzade Ali .... 1188 Silihdar Meliemed (zum zweitenMale) . . . . 1189 Dagestanli Ali (zum zwei- ten Male) 1190 Silihdar Meliemed (zum dritten Male) . . . . 1192 Kanzleidirector Sejid Mu- stafa 1193 Bosnali DefterdarzadeAb- dallali (Abdallah, der Sohn des Finanzdirec- tors, der Bosnjake) . . 1194 Ajdosli Sejid Mchemed (Sejid Meliemed von Ajdos in Ostrumelien) 1199 Ismail 1199 Morali Ahmed (Ahmed von Morea) 1200 Selim 1200 Bekir 1202 Arelan 1203 Bosnali Mir Alem (Mir Alem der Bosnjake) . 1204 Hadzi Salih 1204 Der ehemalige Grossvezir Jussuf 1205 Hadüi Salih (zum zweiten Male 1205 Hissam eddin 1207 Perisan Mustafa (Mustafa der Zerstreute) . . . 1211 Wanli Mehcmed (Meliemed von Wan in Armenien) 1213 Bekir (zum zweiten Male) 1215 Notizen. 347 Wanli Mehemed (zum zweiten Male) . . . . 1217 Jenisehrli Mustafa (Mu- stafa von Larissa in Thessalien) 1219 Husrev Mehemed . . . 1221 Üskiidarli Ibrahim Hilmi (Ibrahim Hilmi von Skutari am Bosporus) 1223 Silihdar Ali (Ali , der Waffenträger des Sul- tans) 1228 Hursid 1230 Bosnali Sulejman (Sulej- man der Bosnjake) . . 1231 Dervis Mustafa .... 1233 Mehemed Ruzdi .... 1235 Düelaleddin 1235 Serif Selim Sirri .... 1238 Belenli Hadzi Mustafa (der Mekkapilger Mu- stafa aus Belen in Al- banien) 1241 Abdurrahman 1242 Morali Ali Namik (Ali Namik von Morea) . . 1244 Widdinli Ibrahim (Ibra- him von Widdin) . . 1247 Mehemed Hamdi . . . 1247 Der ehemalige Wali von Bagdad Daud . . . 1249 Mehemed Vedifihi . . . 1251 Samakovli Mehemed Hus- rev (Mehemed Husrev von Samokov in Bul- garien) 1256 Ingenieur (Muhendis)Kja- mil 1259 Osman Nuri 1260 Hadzi Halil Kjamili . . 1261 Cetgeloglu Mehemed Ta- hir 1263 Cerkes Hafiz Mehemed (Mehemed der Koran- kenner, der Cerkesse) . 1266 Hajreddin 1266 Kiridli Velieddin (Velied- din von Kreta) . . . 1267 Mehemed Hursid . . . 1268 Mehemed Resid . . . . 1273 Mehemed Kjani . . . . 1274 Arnaut Mehemed Akif (Akif der Albanese) . 1275 Mehemed Kjani (zum zwei- ten Male) 1275 Osman Bosnali Muzahher (der Bosnjake Osman der Handfeste) . . . 1275 Serif Topal Osman (Os- man der Hinkende, der Serife) 1278 OmerFenzi 1285 Topal Osman (zum zwei- ten Male) 1285 Safvet (zugleich cominan- dirender General in Bosnien) 1286 Mehemed Akif (zum zwei- ten Male) 1288 Mehemed Assim . . . . 1288 Ibrahim Derwisch (zu- gleich commandirender General in Bosnien) . 1289 Mehemed Resid (zum zweiten Male) . . . . 1289 Mustafa Assim (zugleich commandirender Ge- neral in Bosnien) . . 1289 Mustafa 1289 Mustafa Assim (zum zwei- ten Male) 1289 Mehemed Akif (zum dritten Male) . . . . 1290 Ibrahim Derwisch (zu- gleich commandirender General in Bosnien, zum zweiten Male) . . 1290 Ahmed Hamdi (zugleich commandirender Ge- neral in Bosnien) . . 1291 Reuf (zugleich comman- dirender General in Bosnien) 1291 Ibrahim 1292 Nazif 1293 Ahmed Mazhar .... 1296 Const. Hörmann. Ein Diplom des Sultans Ghazi Ahmet Khan aus dem Jahre 1127 nach der Hedzra (1714 n. Clir.). (Mit Figur 30.) — Durch Vermittlung des Herrn Vid Vuletic- Vukasovic hat das bosn. -hereeg. Landesmuseum kürzlich ein Sultandiplom aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts erworben, dessen Inhalt für die Beurtheilung der damaligen politischen Beziehungen der Republik Ragusa zum ottomanischen Kaiserreiche, wie auch des Handelsverkehres dieser Republik im Orient jedenfalls von Interesse sein dürfte. Herr Lucas Milißevic hat dieses Diplom von einer alten Ragusaner Patricierfamilie seinerzeit erworben und uns dasselbe auf die Intervention des Herrn Vuletic-Vukaso vic bereitwilligst abgetreten. Die Urkunde ist auf Leinenpapier geschrieben und hat eine Höhe von 114'5 bei einer Breite von 47 Cm. Das Handzeichen (Tugra) des Sultans Ghazi Alnnct Khan (Ahmet III. regierte von 1705 bis 1730) ist recht hübsch in Gold, rother und blauer Farbe ausgeführt. Jene Stellen im Texte, die man wegen ihrer Bedeutung besonders hervorheben wollte, sind theils mit rother Farbe, theils mit Gold ge- schrieben. Die zwischen die Zeilen eingestreuten kreisrunden Punkte zeigen gleichfalls die Goldfarbe. Unsere Abbildung Figur 30 zeigt dieses grossherrliche Diplom nach einer Photographie. Das- selbe lautet in getreuer Uebersetzung wie folgt : „Lukas Gjiriko hat in seiner Eigenschaft als Vertreter der Begs von Ragusa in Meiner Residenz an Meiner hohen Pforte ein Bittgesuch überreicht, in dem sie anzeigen, dass seitens der Ragusaner Patricier der Ueberreicher dieser erhabenen Urkunde, der Notable des christlichen (Messias-) Volkes Giovanni Garmulizzi zum Consul für die Häfen der Insel Cypern und von Tripolis in Syrien ernannt worden sei, damit er die Angelegenheiten und Geschäfte der in diese Häfen kommenden Ragusaner Kaufleute besorge. Zugleich stellte er die Bitte, dass Ich in Gemässheit Meiner Verträge dem Ge- nannten dieses Mein erhabenes Diplom ausstelle. In Willfahrung dieser Bitte habe ich nun gegen- wärtiges hohes Decrot erlassen, und finde Ich zu verfügen : Der genannte Giovanni Garmulizzi soll als Consul im Hafen von Tripolis in Syrien, wie auch auf der Insel Cypern fungiren und soll in ''■■ y » . > , **&&£?* ü9f^usi- ' MSI: - 9 '*****%. ,. ® J»: .-.■ ^3» '". .- ^ • &^,y~yy © -fc%> ’ -/• f?ig. 30. Diplom des Sultans Gliazi Aclimet Khan (1/5). Notizen. 349 Gemässheit Meines kaiserlichen Diploms (Ahidname) clie Geschäfte der Kaufleute aus Ragusa, welche unter der Ragusaner Flagge in diese Häfen kommen, abwickeln. Wenn es in dem Geschäftsbetriebe zu Verwicklungen kommt und von den in die Häfen von Cypern und Tripolis eintreffenden Ragusaner Kaufleuten sein Beistand angerufen wird, so haben sie ihm mit den Abschriften ihrer Waaren- verzeichnisse nach altem Gebrauche die von den Begs von Ragusa bestimmten Consulatsgebühren zu entrichten. „Die Bediensteten der Kaufleute dürfen für Schulden und Delicte dritter Personen von Nie- [mandem beanständet oder belästigt werden, sondern es sind die Stipulationen Meines kaiserlichen Di- ploms durchzuführen. Die in Cypern und Tripolis anwesenden Ragusaner sollen für die Schulden ihrer abwesenden Landsleute, für welche sie nicht ausdrücklich Bürgschaft geleistet haben, auch nicht zur Verantwortung gezogen werden. Falls Jemand gegen die Ragusaner die Verleumdung vorbringt: , Unsere Frauen und unsere Knaben habt Ihr beschimpft“, so hat der Consul Sorge zu tragen, dass solche Verleumdungen verboten werden. „Im Falle als ein Ragusaner mit dem ,Ispend2e‘ (Kriegssteuer) belegt wurde und wegen Nicht- zahlung desselben in Haft genommen wird und der Consul auf Grund des Scheriatr echtes nachweist, dass der Betreffende ein Ragusaner Unterthan ist, so wird dieser von der Kriegssteuer zu befreien und aus der Haft zu entlassen sein, und zwar auch dann, wenn er kein Muhammedaner ist. Die Ragusaner Kaufleute und Unterthanen, welche übers Meer oder zu Land anlangen, dürfen im Betriebe ihrer Geschäfte nicht gestört werden. Sobald sie im Sinne der kaiserlichen Ahidname (Verträge) die 2 °/0 Zollgebühr entrichten, dürfen die Zollbeamten und Andere keine weiteren Forderungen stellen. „Die Steuercommission, die Hafenwächter und Polizeibeamten dürfen von den Schiffen und Waaren der Ragusaner unter dem Namen von Geschenken und Spenden auch nicht einen Heller be- anspruchen. „Wenn für den Consul Ess- und Trinkwaaren, Kleider und Einrichtungsgegenstände im Hafen einlangen, so darf von denselben weder der Zoll (gjumruk), noch die Mauthgebühr (badzä), noch eine Lager- oder Ausfuhrsabgabe (jasak und reft) abverlangt werden. Sein Haus darf nicht unter Siegel genommen werden. Wenn zwei Ragusaner unter sich einen Rechtsstreit haben, soll diesen der Consul nach den Rechten und Gewohnheiten von Ragusa verhandeln und entscheiden und darf sich Niemand sonst in diese Angelegenheit einmengen. Wenn der Consul seine Leute zur Besorgung irgend eines Geschäftes zu Wasser oder zu Lande wohin sendet, so darf weder ihnen und ihren Bediensteten, noch auch ihren Waffen und Thieren der Durchzug verwehrt werden; in ihren Wohnhäusern soll sie Nie- mand behelligen und sollen sie sicher und unbehindert gehen und kommen. Wenn sich diese Leute Wein oder sonstige Getränke, die für sie und ihre Dienerschaft genügen, beschaffen, so darf ihnen hiebei Niemand hinderlich sein; sie sollen ihre Bedürfnisse für ihr Geld nach dem Tagescourse be- ziehen und darf ihnen dies Niemand verbieten. Wenn der Consul aus irgend welchem Grunde zu Gericht vorgeladen werden sollte, so darf in sein Haus der gerichtliche Bote nicht mit Gewalt ein- dringen und auch nichts Anderes unternehmen, wodurch das Ansehen des Consuls leiden könnte. Die Rechtsangelegenheiten desselben hat der Kadi ohne Widerrede nach dem Scheriate zu schlichten. Dies soll Jedermann wissen und Mein hohes Handzeichen verehren. „Geschrieben zu Anfang des Monates Safer im Jahre 1127 in Constantinopel.“ Carl Peez. Ein berühmter Sprössling Bosniens. — Zu den zahlreichen Kriegerfamilien, die aus Bosnien hervorgegangen sind, gehört jene des Osman Pascha Pazvanoglu, welcher am Ende des vorigen und am Anfänge unseres Jahrhunderts als halb unabhängiger Statthalter von Widdin einen grossen Theil der Nordbalkanländer beherrschte. Sein Grossvater war ein muhammedani scher Einwohner von Tuzla und soll ein Muster diplo- matischer Kunst gewesen sein, indem er sowohl die Moschee als auch die Franziskanerkirche besuchte. Sein Vater Omar zeichnete sich in den österreichischen Kriegen so aus, dass er mit zwei Dörfern bei Widdin belehnt wurde. Als er dann auch zum Bajraktar des Sandzaks von Widdin ernannt wurde, erregte sein Reichthum und sein selbstbewusstes Benehmen die Eifersucht des Melek Pascha von Widdin. Man beschloss seinen Tod. Obwohl der gemiethete Räuber ihm aus Angst das Geheimniss verrieth, fiel er doch in die Hände seiner Gegner; nach tapferer Gegenwehr ward er in seinem brennenden Palaste gefangen, dann verurtheilt und hingerichtet. Der Sohn des Getödteten, angeblich 1758 geboren, flüchtete nach Albanien zu den Gegen und betrieb zuerst das Räuberhandwerk, dann trat er in die Dienste des Paschas von Ipek und drang im Jahre 1789 mit einer auf eigene Faust gemietheten Schaar bis in die Nähe von Temesvär und Her- mannstadt vor, worauf ihn die Pforte in Gnaden aufnahm und ihm 1792 einen Theil der väterlichen 350 I. Archäologie und Geschichte. Güter zurückgab. Er aber setzte sich mit den damals die Balkanländer verheerenden Räuber horden, die unter dem Namen der Krdzalien bekannt geblieben sind, in Verbindung, bemächtigte sich aller ehemaligen Güter seines Vaters, erklärte sich gegen die Reformen des Sultans Seliin III. und eroberte Widdin, das er mit 40 Fuss tiefen Gräben umgab, so dass die Festung, von Donauwasser umfluthet, wie auf einer Insel stand. Und nun beginnen die Kriege Pazvanoglu’s mit der Pforte; ein farben- reiches Gemälde hievon, voll blutiger Romantik, hat Prof. Dr. Const. J. Jireöek in seiner Geschichte der Bulgaren 1876 gegeben. In seinem Pascbalik, das er über Nikopolis, Sistov, Rusßuk, Sofia, Nis, Kladova und vorübergehend auch über Krajova ausdehnte, hob Pazvanoglu Steuern und Zölle für sich ein; auch Geldstücke prägte er, die sogenannten Pazvanßeta. Polnische Ingenieure reconstruirten für ihn das Festungssystem von Widdin. Sein ausgezeichnetes Heer bestand aus Albanesen, Türken und Bulgaren; letztere erwiesen sich als Cavallerie sehr brauchbar. Die Führer der Krdzalien traten in seine Dienste, so dass er sich rühmte, 100.000 Mann unter die Waffen bringen zu können. Die Machthaber in Constantinopel waren von ihm bestochen, mit den Befehlshabern in Ungarn suchte er gute Beziehungen aufrecht zu erhalten. Dreimal machte die Pforte die grössten Anstrengungen, um seine Macht zu brechen, dreimal mussten sich die türkischen Heere mit Schimpf beladen und decimirt zurückziehen. Der serbische Aufstand bewog endlich den Sultan, sich mit ihm zu versöhnen, um dem gemeinsamen Gegner die Stirne zu bieten. Pazvan’s Feldherr Gusanac Ali wurde zwar von den Serben, er selbst von den Russen geschlagen; trotzdem behauptete er sich in Widdin bis zu seinem am 5. Fe- bruar (n. St.) 1807 erfolgten Ende. „Er war ein Mann von eiserner Willenskraft, tapfer, energisch und unerschrocken, ein bedeu- tender Feldherr. Mit Strenge wusste er Milde und Grossmuth zu vereinen.“ Obwohl das Andenken seiner Soldaten als furchtbarer Würger noch im bulgarischen Volksmunde lebt, hat er durch fromme Bauten und milde Stiftungen sich einen besseren Namen zu sichern getrachtet. Dr. öiro Truhelka. Eine türkische, in Sarajevo geprägte Münze. (Mit Figur 31.) — Im Nachstehenden will ich eine interessante türkische Münze beschreiben, welche in Sarajevo geprägt wor- den ist. Es ist dies die einzige Münze, welche nach dein Verfall des bosnischen Königreiches in Bosnien hergestellt wurde. Die Aufschrift auf der Vorderseite, welche ganz leserlich ist, lautet: d. i. „Duribe fi Saraj“ - = In Sarajevo geprägt. Unter der Aufschrift befindet sich das Prägejahr 1100 nach arabischer Zeitrechnung, welches nach christlicher Rechnung dem Jahre 1688/89 entspricht. Die Aufschrift ist von einem um eine Kreis- linie gereihten Kranz aus Punkten umrahmt. Auf der anderen Seite ist eine einfache Tugra (Handzeichen des Sultans) aufge- prägt. Die Buchstaben in dieser Tugra sind nicht klar ausge- drückt, sie lassen sich aber immerhin als „Sulejman sani“, Suleiman der Zweite, lesen. Diese Münze ist aus Kupfer geprägt, und die Dimensionen derselben sind folgende : Durchmesser 19 Mm., Dicke 0‘8 Mm. (Gewicht 2'15 Gramm). Das erste Stück dieser Münze wurde dem Landesmuseum vom Redacteur der in Sarajevo er- scheinenden Zeitschrift „Vatan“, Herrn Hulusi Effendi, gespendet; derselbe theilte mir mit, dass diese Münze Mehmed Pascha Korea habe prägen lassen. Seither bekam ich mehrere Exemplare der- selben; es wollte mir aber trotz vieler Erkundigungen nicht gelingen, über die Entstehung dieses Geldes Näheres zu erfahren. Erst beim Durchblättern der von Fra Margetic angefertigten Abschrift der Chronik des Fra Nikola Las vanin fand ich zufällig positive Anhaltspunkte über den Ursprung jener Münze. Nach dieser Chronik ist dieselbe auf Befehl des Ilusein Pascha zu jener Zeit geprägt worden, als sich infolge einer gewaltigen Dürre und vieler Fröste, welche sämintliche Saaten vernichteten, in Sarajevo Hungersnoth und Elend einstellten. Um dem hiedurch entstandenen Elende zu begegnen, verfiel Husein Pascha auf ein Auskunftsmittel, welches die Finanzverwaltungen in ähnlichen Fällen wiederholt angewendet haben. Er liess dieses Kupfergeld prägen, welches Jedermann zwangsweise anstatt der Silbermünzen annehmen musste. Im Anschlüsse hieran theile ich die betreffende Stelle aus der Chronik des Fra Nikola Lasvanin mit (vergl. oben S. 283, Anm. 1). Die Schilderung des Elendes, welches damals in Bosnien herrschte, wird den Leser schon wegen der Plastik der Darstellung interessiren. Fra Nikola schreibt wörtlich: Mangnra (kupferne Notlimünze) aus Sarajevo (1/i). Notizen. 351 „1690, als Husein Pascha in Bosnien regierte, herrschte im Frühjahre eine so grosse Dürre, dass die Menschen zahlreicher starben als während einer Pestzeit. In demselben Jahre fielen Schnee und Frost auf die Saaten, und es entstand infolge dessen eine derartige Ilungersnoth, dass sich einer gleichen Niemand zu erinnern vermochte. Damals begann man mit der Prägung der Manguras, von denen 6000 Stück auf das Silber (weisse Geld) kamen. „Viele Menschen starben an Hunger; ausserdem begann infolge des Eindringens des kaiserlichen (österreichischen) Heeres das Volk von der Save ins Innere des Landes zu fliehen. Wo man hinsah, lagen die Leichen unbegraben, da zu ihrer Bestattung Niemand vorhanden war. „Die Leute assen die Kätzchen von der Haselnussstaude, dann Holzrinde, Weinreben, Hunde und Katzen. In Sarajevo verzehrten Kinder den Leichnam ihrer verstorbenen Mutter; in Banjaluka wurden die Cadaver der Gehängten Nachts abgenommen und verzehrt; der Pascha liess zur selbigen Zeit jeden Flüchtling und Christen, welcher eingeliefert wurde, köpfen oder hängen, und die Leichen der Gehängten wurden sämmtlicli aufgegessen. Wir Franziskaner haben den armen Hungerleidenden Speisen verabreicht, kaum hatten sie sich aber gesättigt, so starben sie auch. ., Waaren, welche vor Eintritt dieser Katastrophe um 10 Groschen verkauft werden konnten, waren zur Zeit derselben um 1 Groschen käuflich. Arme Leute verkauften ihre Häuser, die Haus- geräthschaften, Grundstücke, Gefässe, Kleider u. s. w. „Ich (Fra Nikola) kaufte damals von den Muhammedanern Sahbazovic und Mezetovic die Wiese Drin, welche früher um kein Geld zu kaufen war. Diese Wiese benützt noch gegenwärtig, d. i. 1738, das Kloster des heiligen Geistes zu Fojnica und in demselben die Franziskaner des heiligen Franciscus, und wird es, so Gott will, auch fernerhin so bleiben. „Am 1. April desselben Jahres fiel in den Bergen von ganz Bosnien ein blutrother Schnee, so dass das Gebirge um Fojnica herum ganz purpurroth aussah; dieser Schnee blieb bis tief in das Früh- jahr hinein liegen. „Um das neue Jahr wiithete die Pest. Die Leute erzählen, dass ein Phantom, welches Pfeile trage, herumstreiche; die Türken glauben fest, dass dem so ist; es ist aber wohl nichts Anderes als der Teufel, vor dem sich die Türken mit allerlei Beschwörungen schützen wollen. Dagegen gibt es aber kein anderes Mittel als heilige Messen, Gebete und Fasten.“ Es ist zweifellos, dass sich die Daten der Chronik über die Manguras auf unsere Münze be- ziehen. Wenn diese Münze erst beim Jahre 1690 und nicht 1688, welches die Münze zeigt, erwähnt wird, so liegt die Erklärung hiefür wohl nur in dem Umstande, dass Fra Nikola seine Chronik erst im Jahre 1738, also beinahe fünfzig Jahre später schrieb. Möglich ist es auch, dass der Abschreiber der Lasvanin'schen Chronik, Fra Margetic, beim Abschreiben einen chronologischen Fehler machte. Von dieser Münze hat aber auch die Tradition verlässliche Daten bewahrt, welche der verstor- bene Hadzi Huseinovic in seiner handschriftlichen Geschichte Bosniens verzeichnete. Diese Daten lauten : „Im Monate Ramazan 1100 beschlossen der Banus von Croatien, der General von Zara und die christlichen Räuber (Insurgenten) einige an der bosnischen Grenze liegende Festungen anzugreifen. Um diesen Angriff zurückzuschlagen, wurde dem Vali Husein Pascha befohlen, das Heer nach den be- drohten Gegenden zu entsenden. „Um die Auslagen des Heeres zu bestreiten, verfiel Husein Pascha auf den Gedanken, kupfer- nes Geld prägen zu lassen, und erbat sich hiezu die Bewilligung der hohen Pforte. Die erlauchte Pforte willfahrte dieser Bitte und ordnete gleichzeitig an, dass bei der Prägung dieses Kupfergeldes gerade so vorzugehen sei, wie dies in Constantinopel geschieht, dass nämlich aus einer Oka Kupfer 800 Stück dieses Geldes geprägt werden, und dass zwei Stücke das Gewicht von einem Akce nicht übersteigen dürfen. „Im Sinne dieser Directiven und unter Aufsicht des Husein Pascha begann die Prägung dieses Geldes. „Es wird erzählt, dass dieses Geld in Kazandziluk in jenen Magazinen geprägt worden sei, welche heute den Namen Oprkanj führen.“ Const. Hörmann. Eine Celenka mit dem ungarischen Wappenbilde. (Mit Figur 32.) — Für das bosn. -hereeg. Landesmuseum sind seit dessen Gründung mehrere Celenkas1) (Turban- oder Kalpakagraffen) erworben worden. Im 15. — 18. Jahrhundert pflegten die Sultane die Anführer ein- *) Celenka ist vorn bosnischen Worte „celo“ (die Stirne) abgeleitet, bedeutet also in wörtlicher Uebersetzung „die Stirnzier“. 352 I. Archäologie und Geschichte. zelner Truppenabtheilungen für Verdienste, die sie sich auf dem Schlachtfeldc erworben hatten, durch Verleihung von Celenkas, die in den Turban oberhalb der Stirne eingesteckt wurden, auszu- zeichnen. Aber auch die christlichen Helden pflegten solche Kopfzierden zu tragen. Fig-, 32. Celenka mit ungarischem Wappen (1/3). Im Volksliede geschieht der Celenka sehr oft Erwähnung, und stets wird dieselbe mit einer Heldenthat desjenigen, der sich mit ihr ziert, in Verbindung gebracht. Gewöhnlich sind die Celenkas von recht einfacher Form : aus einer blüthen- oder sternförmigen Agraffe, in deren Mitte ein rother, grüner oder andersfarbiger Stein gefasst ist, ragen drei oder mehrere langgestreckte abgeplattete Stäbchen (pera, Federn) empor. Oft sind statt echter Steine in Notizen. die Agraffe gefärbte Glasperlen eingefügt. Die Celenkas sind aus dünnem Silberblech gearbeitet und zeigen in der Ausführung keinerlei Geschmack, noch sind sie ornamentirt oder sonst verziert. Von diesen gewöhnlichen Celenkas unterscheidet sich höchst vortheilhaft jene, die im Jahre 1887 vom Hadzi Hamid Husegjinovic, Grundbesitzer in Banjaluka, dem bosn.-herceg. Landesmuseum gespendet wurde. Durch ihre Schönheit und künstlerische Ausführung übertrifft sie alle bisher ge- sammelten Exemplare; ausserdem ist sie nicht blos deshalb, weil sie mit dem ungarischen Wappen- bilde geziert ist, sondern noch weit mehr aus dem Grunde von hohem Werthe, weil sie sich durch circa 160 Jahre ununterbrochen im Besitze einer vor beiläufig 40 Jahren ausgestorbenen, einst hocli- j angesehenen muliammedanischen Familie befunden hat. Unsere nach einer Photographie angefertigte Figur 32 gibt das getreue Bild dieses Stirnschmuckes. Er besteht aus einem Stiel, der im oberen Theile schraubenartig gerippt ist, und einem Flügel, welcher sich an zwei Bingen um den Stiel dreht. Die Wurzel des Flügels ähnelt einem kurzen Füllhorn, aus dem acht Federn, je zwei und zwei neben einander, hervorragen. Am oberen Bande dieser köcher- artigen Wurzel ist noch eine einzelne Feder befestigt, die fast die doppelte Länge der übrigen hat. Die Federn sind in ihrer unteren Hälfte mit Filigran besetzt, an der Spitze derselben sind erhaben ausgeführte Sternchen befestigt. Den Stiel bildet ein längerer Stab, dessen unterer dickerer Theil zum Einstecken in den Kalpak diente; den oberen Theil bildet eine Agraffe mit dem ungarischen Wappenbilde und der oberhalb desselben befestigten Krone. Die Verzierungen sind meisterhaft ausgeführt, das Filigran gröber gehalten. Die Motive des Filigrans und dessen Ausführung zeigen, dass dieses Stück aus einer Werkstätte stammt, in der tüchtigere Arbeiter beschäftigt waren. Das Ornamentmotiv zeigt einen verschlungenen Zweig, aus dem Bltithen hervortreten, die mit Email cloisonne gefüllt sind. Wäre die Celenka aus härterem Metall, als es das Silber ist, so wäre die ganze Ausführung keineswegs schwierig gewesen. Gold und Kupfer lassen sich, da sie im Feuer nicht so leicht schmelzen, leicht emailliren; beim Silber geschieht es aber nur zu oft, dass neben dem Email auch das Silber schmilzt, wodurch die ganze Arbeit selbstverständlich verdirbt. Es muss deshalb beim Silber leicht schmelz- bares Einail verwendet und die Feuerung genau regulirt werden; dies gelingt nur einem tüchtigen Meister, und daran erkennen wir eben, dass der Verfer- tiger unserer Celenka ein Meister in seinem Fache war. Das Wappen an der Spitze des Stieles ist das ungarische : links die vier Flüsse, rechts drei Berge, von denen der mittlere von einer Krone und dem Patriarchenkreuz überragt wird. Dieses Kreuz ist beiderseits der Agraffe, an- scheinend absichtlich, abgesprengt. Am Stiel der Celenka sind fünf Kettchen, die sich in ziemlich langen , in Haken endigenden Nadeln fortsetzen. Mit diesen Nadeln wurde die Celenka an den Kalpak befestigt. Das Wappenbild und die Technik des ganzen Stückes rechtfertigen die Annahme, dass wir es hier mit einem Producte ungarischer Kunst zu thun haben. Vielleicht stammt das Object aus Budapest, dessen Filigrantechnik noch vor etlichen fünfzig Jahren guten Klang hatte. Die ungarischen Goldschmiede erfreuten sich im 17. und 18. Jahrhundert besonderen Eufes und wetteiferten mit den besten italienischen Meistern dieses Genres. Die Celenka hat ein Gesammtgewicht von 506 Gramm. Die Masse der einzelnen Theile sind folgende: Höhe des Stieles 30 Cm., Länge der grossen Feder 45 Cm., der kleinen Federn 23 Cm., des Köchers 8 Cm. Ueber die Frage, 'wie und wann diese Celenka nach Bosnien kam, vermögen wir leider keine sicheren Aufschlüsse zu geben. Ob sie wohl auf den ungarischen oder slavonischen Schlachtfeldern, in den blutigen Kämpfen, die die Monarchie mit dem türkischen Kaiserstaate in den verflossenen Jahr- hunderten ausfocht, erbeutet wurde, oder ob sie in Bosnien zur Zeit der Einfälle österreichischer Truppen, in deren Beihen sich ungarische Edelleute so oft durch ihre Tapferkeit auszeichneten, ge- blieben ist? Wer mag es wissen ! Mir war es nur möglich, Folgendes zu erkunden : „Vor etwa 50 — 60 Jahren starb in Banjaluka der letzte männliche Sprosse der einst hoch- angesehenen muhammedanischen Familie A vduäino vic. Seine vor etwa 40 Jahren verstorbene Witwe, die Hadzi nica Avdusinovicka, schenkte unmittelbar vor ihrem Tode diese Celenka dem damals kaum 20 Jahre alten Hamid Husegjinovic. Ihr Gatte, der als Hodza allgemein geehrt und beliebt war, erhielt die Celenka vor beiläufig 70 Jahren von seinem älteren Bruder Mehmed Aga Avduäinovic Band II. o 3 aus Sarajevo (Vs)- 354 I. Archäologie und Geschichte. zum Geschenke, dem sie wieder im Erbschaftswege von dem Grossvater Ibrahim Aga zugekommen war. Nach der Familientradition soll eben dieser Ibrahim Aga die Celenka direct vom „ Sultan“ verliehen erhalten haben. Als sich nämlich Ibrahim Aga in den Kriegen in der „Ungjurovina“ (Ungarn) durch eine Heldenthat auszeichnete, soll ihn der Sultan durch die Schenkung einer grünen Fahne, eines Araber- hengstes, eines Spahi-Fermans und dieser Celenka belohnt haben. Damals soll — wie es heisst — Ibrahim Aga etwas über 20 Jahre alt gewesen sein. Der Fer- man, der uns über den Zeitpunkt dieser Begebenheit aufklären könnte, ging verloren, wenngleich ihn die Hadzinica Avduäinovicka bis zu ihrem Ableben gleich einem Heiligthum sorgsamst verwahrte.“ Wenn wir nun in Betracht ziehen, dass der Hodza Avdusinovic die Celenka vor 70 Jahren von seinem Bruder Mehmed bekam, der laut Angabe das Alter von 80 Jahren erreicht haben soll, wenn wir weiters auch darauf Rücksicht nehmen, dass der Vater und der Grossvater dieses Mehmed nach den gegebenen Versicherungen ebenfalls ein hohes Alter erreicht haben, so gewinnt die traditionelle Behauptung, dass die Celenka vor etwa 190 bis 200 Jahren in den Besitz der Familie Avdusinovic ge- kommen sei, sehr an Wahrscheinlichkeit. Wenn wir aber auch die Geschichte dieser Celenka und den Namen jenes ungarischen Kriegers, der sich mit ihr schmückte und von dessen Kopfe sie vermuthlich nach einem blutigen Kampfe ge- rissen wurde, nicht kennen, so glauben wir doch mit dieser Beschreibung ein nicht unwürdiges Stück unserer Sammlung weiteren Kreisen bekannt ge- macht zu haben. Const. Hörmann. Fund einer alterthüm- lichen „Cutura“ (Feldflasche). (Mit Figur 33.) — Das anbei abgebildete hölzerne, mit Eisen be- schlagene Trinkgefäss wurde im Sommer 1891 von dem Sarajevoer Einwohner Ibrahim Aga beim Ausheben der Fundamente für einen Hausbau in der Hrid-Mahala circa l-50 M. tief im Lehmboden ge- funden. Es misst 30 Cm. Höhe, 15 — 18 Cm. Bauch- weite und 6 Cm. Breite am Halse. Der hölzerne Kör- per ist gut erhalten, der Blechbeschlag dagegen sein- schadhaft. Arbeit und Ornamentirung sind fein. KostaKovacevic. Eine zweite alterthüm- liche Cutura. (Mit Figur 34.) — Es sind schon mehrere Jahre her, dass ich bei dem Bihacer Bürger Stojan Jankovic auf das hier in halber natürlicher Grösse abgebildete Trinkgefäss stiess, welches Stojan nach seiner Angabe von einem vor Kurzem nach Asien ausgewanderten muhammedanischen Wahlbruder zum Geschenk erhalten hat. Dieser Wahlbruder Stojans war nach der Erzählung des Letzteren früher viel in der Welt herumgeschweift und auch als Beutemacher und Plünderer nicht müssig gewesen, so dass unter Anderem dieses Trinkgefäss auf solche Weise in seinen Besitz gekommen sein mag. Das Gefäss gleicht dem in der vorstehenden Notiz beschrie- benen. Allein es scheint mir, dass unser Exemplar nicht nur besser erhalten, sondern auch vollkommener gearbeitet ist als jenes. Beide Feldflaschen gehören wohl derselben Zeit an und können 150 — 200 Jahre alt sein. Die Dimensionen sind nahezu gleich (bei unserem Stücke: 30 Cm. Höhe, 13 — 17 Cm. Breite). Das Gefäss ist aus Taxusholz geschnitzt und mit weissem Blech bekleidet. Unter dem Letzteren erkennt man einige undeutliche Reste rothen Tuches, welches wahrscheinlich angebracht war, um das Gefäss dichter zu machen und die Flüssigkeit aus demselben nicht durchsickern zu lassen. Fig. 34. Alte Feldflasche aus Biliac (1/2). II. THEIL. YOLKSKUNI) E. \ 23* A. Berichte und Abhandlungen Die Bosancica. Von Dr. Giro Truhelka, Custos am bosn.-lierceg. Landesmuseum. (M i t 13 Abbildungen im Texte.) Man unterscheidet zwei principiell von einander verschiedene slavische Schrift- arten. Die eine ist die Glagolica, welche dem nach der Einführung des Christen- thums unter den Slaven entstandenen Schriftbedürfniss entsprungen ist. Sie ist die einzige Originalschrift der Slaven, für deren Sprach- und Lautverhältnisse sie in voll- kommener Weise ausreicht. Die Glagolica, bei welcher jeder einzelne Buchstabe sozusagen aus mehreren deco rativen Elementen künstlich zusammengestellt ist, war für solche Schriften geeignet, deren Ausarbeitung eine besondere Aufmerksamkeit erheischte, wie bei Inschriften und Sacralwerken, wo sie, abgesehen vom epigraphischen Charakter, auch malerisch wirken konnte. Sobald aber diese Schriftart im gewöhnlichen Leben und im täglichen Ge- brauche zur Anwendung kommen sollte, erwies sie sich als mangelhaft. War sie auch als Lapidarschrift auf sculpirten oder bemalten Denkmälern tadellos, in der Cursiv- form erschien sie ganz und gar unbrauchbar. Hier musste die zweite Schriftart, die Cyrillica, aushelfen, aus welcher sich in Bosnien, als eine eigenthümliche Abart, die Bosanöica (bosnische Schrift) entwickelte. Weder die eine noch die andere ist eine Originalschrift, sondern beide sind gleichen Ursprungs, eine Uebertragung und Umgestaltung des griechischen Alphabets. Einzelne Zeichen wurden diesem unverändert entlehnt, andere aber den Lautformen der slavischen Sprachen angepasst oder neu hinzugefügt. Der griechische Ursprung ist besonders in der Lapidarschrift unverkennbar, und demnach ist es natürlich, dass sich die bosnische Steinschrift von der cyrillischen in den Grundformen nur wenig unterscheidet. Der Unterschied ist zumeist localer Natur: die eine Schrift entwickelte sich im Osten des Balkans, die zweite im Westen, hier und dort wirkten auf sie verschiedene Culturverhältnisse ein. Die bosnische Schrift entwickelte sich im Laufe der Zeit voll- kommen selbstständig von der cyrillischen, und daher ist es erklärlich, dass sich die Formen für die einzelnen Zeichen, wenn auch einer und derselben Wurzel entstammt, bald anders gestalteten. In der Cursivschrift ist dieser Unterschied bereits so bedeu- tend, dass die beiden kaum mehr Berührungspunkte miteinander zeigen. Dieser Unterschied wird dadurch bedingt, dass sich die cursive cyrillische Schrift von ihrer griechischen Quelle entfernte und manche Elemente aus der Lateinschrift an- nahm, während die bosnische auf derselben Basis blieb und sich aus der Lapidarschrift 358 II. Volkskunde. organisch entwickelte. Dieser Unterschied wurde besonders dann feststehend, als die cyrillische Schrift einer entwickelten Literatur diente, welche die einzelnen Schriftformen typisch gestaltete und fixirte, während die Bosancica nach wie vor eine „Volksschrift“ ohne Literatur blieb und dem primitiven Schriftbedürfniss eines Naturvolkes diente. Die bosnische Cursivschrift passte sich der Individualität des Einzelnen an, wes- halb sie sich mehr und mehr veränderte, und dieser stetige Entwicklungsgang wird so lange dauern, bis sie von einer anderen Schrift gänzlich verdrängt wird.1) Ob die- selbe durch die cyrillische oder durch die lateinische Schrift verdrängt werden wird, wer weiss das ? — ihr Untergang lässt sich aber voraussehen. Heute gibt es nur noch wenige Leute, welche sich ihrer bedienen, und nach 10 — 20 Jahren wird diese Schrift ein Rätlisel sein, das nur der Paläograph zu lösen im Stande sein wird. Einzelne Buchstaben derselben sind infolge der bisherigen Entwicklung derart complicirt geworden, dass sie von anderen schwer zu unterscheiden sind, und man kann hier ein interessantes Symptom wahrnehmen : wie die Glagolica, als eine durch und durch individuelle Volksschrift, für die grössere Literatur ungeeignet ward, so ist auch die Bosancica durch ihre beschränkte Entwicklung unter der Bevölkerung zu einer Schrift geworden, welche sich für den allgemeinen Gebrauch nicht eignet. Das Alphabet und die Ligaturen. In der nebenstehenden Tabelle gebe ich eine Zusammenstellung des bosnischen Alphabets, wie es sich im 14. und 15. Jahrhundert ausgestaltet hat, und zur Ver- gleichung das lateinische, griechische und cyrillische. In dieser Uebersieht werden die wichtigsten Formen der altbosnischen Lapidarschrift und deren Varianten zusammengestellt, wie sie vom Beginne des 14. bis an das Ende des 15. Jahrhunderts in der Blüthezeit der bosnischen Steininschriften gebräuchlich sind. Die Zusammenstellung erfolgte nach dem cyrillischen (resp. griechischen) Alpha- bete, und es ist auf den ersten Blick wahrzunehmen, dass sowohl die cyrillische, als auch die bosnische Schrift aus der griechischen entstanden. Die Mehrzahl der Buch- staben wurde sowohl in derselben Form, als auch mit demselben Lautwerthe, welchen sie in der klassischen Schrift hatten, unverändert in das slavische Alphabet über- nommen. Hieher gehören die Buchstaben rA3A/HH«npT>(rj[Ui. Das Zeichen für den Laut a linden wir in der Bosancica in der unveränderten Uncialform a wieder, sowie das 6 der Uncialschrift, welches erst in der byzantinischen Zeit auf Münzen angetroffen wird. Neben den angeführten Schriftzeichen, welche mit unverändertem Lautwerth aus der griechischen in die slavische Schrift herübergenommen wurden, wurden auch andere übernommen, jedoch nicht jenem Lautwerthe, welchen sie in der classischen Schrift hatten, sondern der Phonetik jener Zeit entsprechend, zu welcher die Entstehung der altslavischen Schrift erfolgte. Hier beginnt der Unterschied der Cyrillica und auch der Bosancica von der Lateinschrift, wenn nicht gerade in der Form, so doch in der Aussprache. Hieher gehört vor Allem der Buchstabe b, welcher schon in den ersten Jahrhunderten n. Chr. phonetisch als v ausgesprochen wurde und demnach einen vom lateinischen B verschie- denen Lautwerth erhielt, dann der Buchstabe H (yj), welcher im Neugriechischen nicht ■*) Dass sie sich auch eine Literatur schaffen sollte, welche ihr ständige Formen geben könnte, ist wohl kaum denkbar. Truhelka. Die Bosanöica. 359 Bosnische Buchstaben Lateinische Griechische Kirchliche Bürgerliche Typische Buchstaben Buchstaben Cyrillica Cyrillica 14. Jahr- 15. Jalirh. 15. Jalirh. Formen hundert Anfang Ende A A n A 4. \ K JK & Ar 3ic Variante $ ^ X z Z 3 3 1 3 X l i I H II n H H H H J 1 I j 1 - % • K Iv K K {<■ 0 . K Je L A A A A A A A Lj — — A) • • • • M M A\ M /A /n /~V M N N II II N A/ N Nj — Hb • • • ♦ 0 0 0 0 0 O o 0 0 Q (V) — GO vb VaJ Uf Variante CR) Inj CR) p 11 II II n n n n R P P P > k r h Variante E / ) /© s- 2 G C c c c c T T T T T rrs m m C — Ü • X x ■ K Variante A A) A ? f u X y ö b n F 0 , H> t? Je, ja — li — t 15 t t — 1 h — b L» i b E 360 II. Volkskunde. mehr als gedehntes e, sondern als i ausgesprochen wurde und in dieser Bedeutung auch in der Cyrillica und Bosaneica angewendet wurde. Für den Laut u wurden an- fänglich in der Cyrillica und Bosaneica dieselben Zeichen wie im Griechischen, Oy (ou), geschrieben, doch in der Bosaneica bald durch das einfachere ersetzt. Der Buch- stabe C ist lateinisch, ging von da in die griechische Schrift, das alte I ersetzend, über, und so gilt er auch im Slavischen in der veränderten Deutung für unser s. Neben diesen Zeichen war es nothwendig, für einzelne eigentümliche slavische Laute, für welche die griechische Schrift keine Zeichen hatte, neue zu finden ; diese Buchstaben sind: IJ, c, R c, 4 c, 11.1 s, LJJ st, JK z, B gj, 11 dz und für Selbst- laute: fi, h, K), 'Ii, /ft. Von diesen Zeichen wurden einige unverändert aus der Glagolica (III, /ft) entlehnt, andere wieder sind eigens erfunden. Alle diese Zeichen, welche einst specifisch slavische Laute ausdrückten, erhielten sich in der russischen und kirchlichen Cyrillica bis auf den heutigen Tag, obwohl mancher von diesen Lauten im Sprach gebrauche verloren ging. Auch in der ser- bischen (bürgerlichen) Cyrillica erhielten sie sich bis vor Kurzem, während die Bosan- eica kaum die Hälfte dieser Zeichen kennt und die übrigen weder in den alten In- schriften, noch in der neueren Cursivschrift anwendet. Schon dieser Umstand bedingt einen bedeutenden Unterschied zwischen dieser und der Cyrillica und die viel ge- ringere Zahl der Zeichen im bosnischen Alphabet. Die Buchstaben B, II, LJJ, 'P, Ti, /ft kommen in der bosnischen Schrift gar nicht vor. Der Laut B wird in den bosnischen Inschriften auf zwei Arten ausge- drückt: wenn er aus den Lauten dj zusammengestellt ist, wird er blos in der ety- mologischen Form ha oder blos a (jysjye, A^HAe = kam, anstatt dodje [etymologisch do-ide, dojde], dode = kommt) geschrieben, oder wenn der Laut B selbst in der Wurzel liegt, wird er durch t> (c) ersetzt, welches als gj ausgesprochen wird (z. B. ßaahfKHh statt K/uhfßHf.). Der Buchstabe II (dz) hat in der Volkssprache keinen adäquaten Laut, erst nach dem Eindringen der Türken finden wir diesen Laut (z. B. dzenat, Paradies ; feredza, eine Art Oberkleid türkischer Frauen), für welchen in der Schrift kein beson- deres Zeichen besteht. Der Laut Ifl (sö oder st) ist in der Volksaussprache unbekannt, und wird er den- noch bei einzelnen Wörtern angetroffen, so stammen diese aus dem Kirchenslavischen oder dem Russischen. So hört man in orthodoxen Gemeinden oft das Wort „Svestenik“ (Priester), aber auch rozdenije (Geburt). Endlich kennt die Bosaneica weder das nasale H> (nj), noch das labiale «B (lj), welche die neuere Cyrillica sich angeeignet hat, sondern schreibt statt dieser Laute n und a. In einigen jüngeren Manuscripten wird dieser Laut derart umschrieben, dass vor n und I der Buchstabe h (BoscnaninL, Nemacnic für Bosnjanin und Ne- manjic) angesetzt wird. Dieser Brauch findet sich oft in katholischen Klosterchroniken und dürfte wahrscheinlich eine Analogie zur italienischen Orthographie sein, welche vor 1 und ll den Buchstaben g setzt und ]j, llj ausspricht. In diesen Chroniken fand ich einige Beispiele, wo Jb und H> dem italienischen gl, gn gleichkommen. Von Bedeutung für die Bosanöica ist es, dass sie kein Zeichen für den Laut (f) hat. Dieser Laut ist den slavischen Sprachen fremd und wird in keinem Worte mit slavischer Wurzel angetroffen. In Bosnien weicht die Bevölkerung auch bei Fremdwörtern der Aussprache des aus. So wird der Bauer in der Krajina und in der oberen Militärgrenze stets „vajda“ statt „fajda“ (Nutzen), „varba“ statt „farba“ (Farbe) aussprechen, während der Bosnjake aus Vares stets „Pra Pranjo, Pilip“ statt Trubel ka. Die Bosancica. 361 „Fra Franjo, Filip“ ausspricht. Bei dieser Gelegenheit darf hervorgehoben werden, dass in der Glagolica, in welcher sämmtliche Buchstaben origineller Abstammung sind, das einzige Zeichen für f ( öö ÖD Üü w KU 6 - t X && K f f I- >|C >k * /Kft# Als der bosnischen Schrift ausschliesslich eigenthümliclie Zeichen sind folgende Buchstaben anzuführen : l‘ Cc V □ # K .c V z 362 II. Volkskunde. Das eine der Zeichen für K dürfte eine entstellte griechische Form sein, während das andere höchst wahrscheinlich aus zwei lateinischen C C zusammengesetzt wurde. Neben diesen Formen erscheint in den Abkürzungen sehr häufig die Glagolicaform b Hier darf bemerkt werden, dass fast in allen älteren Inschriften der Buchstabe k unter Einem auch den Laut 6 bezeichnet, und auch hier dürfte ein neugriechischer Einfluss zur Geltung gekommen sein. Als vereinzelte Erscheinung mag noch das glagolitische 3 für 6 in einer Inschrift im Kloster Humac bei Ljubuski erwähnt werden. Abgesehen von der abweichenden Gestaltung der einzelnen Formen, besteht eine hervorragende Verschiedenheit zwischen der cyrillischen und der altbosnischen Schrift in der Art der Abkürzung einzelner Worte. Die kirchliche Cyrillica hat eine ganze Reihe mitunter kunstvoller Abkürzungen geschaffen, welche entweder durch das Weg- lassen minder bedeutender Buchstaben oder durch conventionelle Bezeichnung dieser hinweggelassenen Buchstaben (Title), oder aber durch das Zusammenrücken und An- einanderfügen mehrerer Buchstaben zu einer Gruppe gebildet wurden. Diese Liga- turen sind in den kirchenslavischen Inschriften oft so künstlich und complicirt, dass auch dem Sachverständigen das Entziffern recht schwer wird. Derartige Kürzungen sind immer durch ein besonderes Zeichen oberhalb derselben kenntlich gemacht. In der Bosancica finden wir solche Abkürzungen nur bei sehr wenigen Worten, welche alle aus der kirchlichen Praxis in das Volk übergegangen sind (z. B. stim anstatt svetim [heiligen], bga anstatt boga [Gott], dliom anstatt duhom [Geist], sna anstatt sina [Sohn]). Die angeführten Beispiele sind auch fast die einzigen, die wir vorfinden. Die bosnischen Kürzungen sind im vollen Sinne des Wortes Ligaturen, welche auf Grund desselben Principes wie die römischen entstanden sind. Um die Anwendung dieser Ligaturen zu veranschaulichen, sei mir gestattet, die typischen Formen der bosnischen Lapidarschrift nach den Elementen, aus denen sie zusammengesetzt sind, zu analysiren. Nach ihrer Form und der Technik der Kürzung- würde ich die Zeichen des bos- nischen Alphabetes in vier Gruppen eintlieilen : n m □ m i. 2. 3. <1 l> b o e N H t v m n l< k 4A v x * X c j # A t Ich z 6 s z u d ja Truhelka. Die Bosancica. 363 Auf den ersten Blick bemerkt man, dass die Buchstaben aus möglichst einfachen Elementen bestehen. Den Buchstaben in der ersten und zweiten Reihe ist die senk- rechte Hasta gemeinschaftlich, und den phonetischen Werth bestimmen einzelne Zeichen, welche darangefügt sind. Die erste Reihe bilden Buchstaben, welche links und rechts je eine senkrechte Hasta und dazwischen das Unterscheidungszeichen aufweisen. Die Buchstaben der zweiten Reihe sind nur mit einer einzigen senkrechten Hasta versehen, und ihr charakteristisches Beizeichen kommt auf der linken oder rechten Seite derselben zu stehen. Die Ligatur der Buchstaben dieser beiden Reihen erfolgt in der Weise, dass sie so knapp aneinander geschoben werden, dass sich zwei Hasten decken. Eine ähnliche Art der Kürzung haben wir im Sanskrit, wo allen Buchstaben eine senkrechte und oberhalb derselben eine horizontale Linie gemeinschaftlich ist, während das Charakteristiken der einzelnen Zeichen unterhalb derselben angebracht wird. Ausser dem Buchstaben a, welcher auch mit den Buchstaben c und a verbunden werden kann, werden blos die Buchstaben der ersten und der zweiten Reihe unter- einander verbunden, und es entstehen dadurch folgende Ligaturen: * C> ap at av am an ai pr tr vr M> C «r m< H" m rm OH mr ab ag ak tk Pi ti vi MH NH Hl tM mi ni ip im Auf dieselbe Weise werden auch drei oder mehrere Buchstaben zu einer Kürzung verbunden : cm, , H Ai , l\H< OA 4 , n oo . Sin April Nikola Pavko BLTE - LALL - SOC LUK - E>F> FUE CASXH EU* CTHVNS Hcf • • • HcPAHHH r>SEH H< F] Bratolh s Krstijaninomh Sradi za zivota na se. (♦f- Diesen Stein wälzte Radovan Bratol mit einem Christen1) her. Er fertigte ihn zu seinen Lebzeiten an.) Fig. 4. Inschrift an der Mündung der Drezanjka bei Zausje. [) Unter „Christen“ verstand man in Bosnien allgemein die Gläubigen der Bogumilensecte. Truhelka. Die Bosancica. 367 •J* Va ime oca i s(i)na i s(ve)tago d(u)ha ! Ase dvorL voevode Mas(i)ma i ne- govijn s(i)na Radosl(a)va i Mirosl(a)va. Se pisa rabh b(o)zi i s(ve)ta.go Dmitrije u dni g(ospo)d(i)na krala ugarskoga Loisa i g(ospo)d(i)na bana bosanBskoga Tvrhtka. Tko bi to potrhlh da (j)e proklet oc(e)mB i s(i)nomB i s(ve)tim d(u)hom£. (•f* Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heil. Geistes! Dies ist das Schloss des Vojvoden Maxim und seiner Söhne Radoslav und Miroslav. Dies schrieb der Sclave Gottes und des heil. Demetrius in den Tagen des ungarischen Königs Lud- wig und des bosnischen Bans Tvrtko. Wer dies zerstören sollte, sei verdammt vom Vater, vom Sohne und vom heil. Geiste.) Diese zur Regierungszeit Tvrtkos, da er noch Banus war, geschriebene Inschrift ist eine der ältesten des 14. Jahrhunderts und schon deshalb werthvoll, weil ihre Entstehung chronologisch wenigstens annähernd festgestellt erscheint. Ueberdies enthält sie charakteri- stische Beispiele für die richtige Art der Li- gaturen, wie wir sie in jüngeren Inschriften selten so rein antreffen. Neben dieser muss unter den älteren Inschriften Bosniens auch jene erwähnt werden, welche vor 10 Jahren auf dem Koceriner Felde gefunden und im Pfarrhause zu Kocerin eingemauert wurde. Die Inschrift gedenkt des Banus und des Königs Tvrtko, des Dabisa, der Königin Graba, des Ostoja und des Herzogs Hrvoja, sowie des Krieges zwischen Hrvoja und Ostoja und ist demnach in der Zeit von 1410 — 1420 ge- schrieben worden. Auch diese Inschrift ist gleich der vorigen schön ausgearbeitet und die Technik der Kürzungen dieselbe. Einige charakteristische Beispiele bos- nischer Inschriften aus dem Drinagebiete sind Folgende: Vb ime b(og)a se lezi rabB bozi i knezB RadoslavB Siriniku. (•f* Im Namen Gottes. Hier ruht der Knecht Gottes und Fürst Radoslav Sirinic.1) Fig. 5. Inschrift in Gorazda. C € I C aX E H Dieser Denkstein (Figur 5) war früher in der Kirche von Gorazda, und erst als diese einstürzte, wurde er vor die Kirchenthür daselbst übertragen. 0 Es ist Sirinic und nicht Sirinik (k anstatt c') zu lesen. Der Knez Sirinic (die Familie ist heute türkisch), nicht Herzog Stephan, wird der Gründer der Kirche in Gorazda sein. 368 II. Volkskunde. f>4©CAi#M B (5 M Ä w & B O i © M M teo Fig. 6. Inschrift in M. Gostilja. •f* Ase lezi Vukich sinh Vukasina Nosako[vic-a] svojom majkomh Ruzomh. H* Hier ruht Vukic, der Sohn des Yukasin Nosakovic, mit seiner Mutter Ruza.) Fig. 7. Inschrift bei Oprasic. Andje-lia. Ä ■fr ^CC A € Xi Di 1)4 MHKoM4£» B> FqQ nOA H YH t4 Fig. 8. Inschrift bei Kaostice.1) ♦f* Ase lezi Juraj kod Radoe svoga gospodicica. (•J* Hier ruht Juraj hei seinem Herrchen Radoe.) *) Fiese Inschrift ist darum interessant, weil in den Worten „kod“ und „Radoe“ das „A“ nur ein- mal, und zwar über der Zeile geschrieben ist. Asi [j]e bilegB pocte- na i glasita voevode Radi- voja Oprasica. Dolde biht poöteno i glasito prebiht i legoht u tueoj zemli a bileg mi stoi na bastini. (Hier ist das Zeichen des ehrlichen und be- rühmten Heerführers Ra- divoj Oprasic. So lange ich ehrlich und berühmt war Be- stattet wurde ich in frem- der Erde, während mein Denkmal auf meinem Er- be steht.) Diese Inschrift stammt aus derselben Zeit wie die- Truhelka. Die Bosancica. 4 €H € SHAHrl) R © y m eM4nrMe In? STD 4 0 © (f g) g p «üft jHl o ife Wfjf iH)C^n©Viini € as q H jP •' \ <*• fc i+ \ x* ) ,1 S a- sd „‘1*', --qt t,’n, M ^ f’s.ö % pi* -re; jT 0 c, /) , f\ «ov’/A«z o ^ v d s \ vi * v, lt *1 ^ I« l A- •' 'M < D? -5£ 0 ^w, iqp C£ ^*v ■* Vc "VI f 1 ^ % 7 % K< ^ p r\~6 1' ?i ft tT -/l o )( C i‘ JU-V-^ ^ ^ ^ ^ c Pts-ü/S^T ^ * -a * *?f V Fig. 12. Facsimile einer liercegovinischen BosanMca-Handschrift. Uranijo Buljubasa Mujo prije zore i prije sabaha — do sabaha cetiri sahata — viz njeg Halil podvis ruke stase; dok mu kuenu lialka na vratima, Mujo bratu govori Halilu: „Moj Halile, moje gledovanje, hajde, sine, na avlinska vrata pa ti vidi, ko je na vratima.“ U Halila pogovora nema vet udari niz bijelu kulu. Dok je siso na avlinska vrata u duvaru mandal podignuo . . J) O^M-X C L If Wskt fx&'x yj Tü M M0 ^ ~r L' 1 8 V.'xtn'VThHoft- fj-' .-'S’fx/: igif W 'W- (J 0 1 X 1 , fS-z • '-*10 : V 1 CjfT f/'xlL'lCl 'ff* M *| 3*1 4«, {p . «r (/Al tf'yiß • *yl • i i c . 7fo $f(i\ i uv Ojv- /V H ff ^ Nj • • • • • 0 o 0 0 0 0 P 1 7 r A rr £ R v° / / } 2 /> S c c c c L T m TTf rrr Aff -eff* C u fr V iE K ✓ 4 ? F • • { H — / X + C V V. *> c / • V Dz • - • . • s Ui JlL~ JU. / 374 II. Volkskunde. svijem nasijem famelijama Vam dovu cinimo i molimo Vas, a more biti i da vi je po- znato od ulazka Austorije kao sto je postavijo . . 4) Beim Verfassen dieser Studie lag es nicht in meiner Absicht, die bosnische Paläo- graphie oder die Geschichte der Entwicklung der bosnischen Schrift erschöpfend dar- zulegen ; es war auch nicht meine Aufgabe, zu beweisen, dass die Bosancica eine von der Cyrillica verschiedene Schrift sei; ich wollte blos die Aufmerksamkeit der Fach- männer auf diese Volksschrift lenken, welche in kurzer Zeit ganz verschwinden wird. Diese Schrift ist, wenn sie auch den Anforderungen einer praktischen Cursive nicht entspricht und deshalb gewiss verfallen wird, dennoch merkwürdig als volksthümliche Erscheinung, als eine Schrift, welche sich das Volk selbst geschaffen, als Medium seines primitiven literarischen Bedürfnisses. . Die Literaturgeschichte kann von dieser Schrift keinerlei Beitrag erhoffen, die Geschichte wird sich aus derselben auch sehr wenig bereichern; aber die Ethnographie muss sie als interessante Erscheinung auf dem Gebiete des Culturlebens eines in merk- würdiger Sonderstellung verharrenden Volkes verzeichnen. Diese Schrift allein zeigt ihr schon das ganze Bild der Culturfactoren, welche auf das Volk einwirkten, so lange es dieselbe schrieb, und ihr Werth wird noch grösser, wenn man sie mit ähnlichen Er- scheinungen bei anderen Völkern vergleicht. J) Von uns armen Gaekanern: An Mustaj-beg des Paschas Sohn und Muliamed-beg Kapitanovic und Ibrahim-beg Basagic. Wir küssen Euch die Hände und Füsse und huldigen Euch zu allen fünf Zeiten der Waschungen mit allen unseren Familien und bitten Euch, und vielleicht ist Euch bekannt, wie es seit dem Einmärsche Oesterreichs festgesetzt wurde . . . Die Heilkunde nach volkstümlicher Ueberlieferung mit Auszügen aus einer alten Handschrift. Von Dr. Ciro Truhelka, Custos am bosn.-herceg. Landesmuseum. (Mit Tafel V und 3 Abbildungen im Texte.) JJei einem volkstümlichen Arzte oder „Pisar“ (Schreiber), wie diese Leute ge- nannt werden, fand ich eine alte Handschrift mit einer Anzahl interessanter Daten über die populären Begriffe von Krankheiten und deren Heilmitteln.1) Dies veranlasste mich, auf meinen Reisen in Bosnien dem Gegenstände mein Interesse zuzuwenden und einiges einschlägige Material zu sammeln. Wir dürfen uns nicht damit begnügen, diese Erscheinungen einfach und weg- werfend als Aberglauben hinzustellen, sondern wir haben uns vielmehr zu bestreben, ihre Entstehung sowie die Umstände zu erforschen, unter denen sie sich entwickelten. Dann erst werden wir sehen, ob sie der Gedankenwelt des betreffenden Volkes entsprun- gen, oder ob sie auf fremdem Boden erwachsen und fertig übernommen worden sind. So wie alle Ideen des Volkes über das Leben und seine einzelnen Erscheinungen aus den ursprünglichsten metaphysischen Begriffen desselben entsprangen, so ent- wickelten sich auch die Ansichten über Krankheiten aus uralten Glaubensprincipien. Der Glaube der alten Slaven war ein dualistischer, das Princip des Guten oder des Lichtes stand im Widerspruche zu dem Principe des Bösen oder der Finsterniss, und wenn auch das Volk unter dem Einflüsse des Christenthums den Perun-Bjelbog, die Göttin Prova oder Prija (etymologisch gleichbedeutend mit der germanischen Freya), Lei und Polel, Drevan und Leda und alle die Personificationen heilsamer Naturkräfte schon längst vergessen hat, wenn es sich des bösen Crnbog, des Pokluk mit dem Todtenkopfe, welcher in Pragora (der Hölle) wohnte, des schlangengestal- tigen Potrimp und anderer mythologischer Wesen der Finsterniss auch nicht einmal dunkel erinnert, so leben dennoch auch heute noch diese beiden Begriffe in seinem Glauben an gute und böse Geister, an Feen und Hexen, Erscheinungen und Truden, und besonders deutlich kommen sie in den Anschauungen des Volkes über die Ursachen und Heilung von Krankheiten zum Ausdrucke, welche das Volk auf solche Unholde zurückführt. So stellt sich das Volk die Pest als eine weisse Frau (kuma kugaa) vor, welche nächtlicher Weile durch die Lüfte fliegt und Jung und Alt dahinwürgt, und so sind auch andere tödtliche Krankheiten als personificirte Emanationen des Principes des Bösen gedacht. b Eine auszugsweise Uebersetzung derselben wird im Anbange dieses Aufsatzes mitgetheilt. 2) Die Pathin Pest, vgl. Bd. I, S. 438 f. und II, S. 283 und 351. 376 II. Volkskunde. Von bösen Geistern, an welche die Südslaven, besonders aber die Bosniaken, glauben, muss an erster Stelle die „Mora“ *) genannt werden. Der Volksglaube schildert dieses Wesen in verschwommenen Umrissen. Sie kommt, man weiss nicht woher, über- fällt die Leute im Schlafe und zieht und zerrt diese an der linken Zehe. Sodann schleicht sie sich langsam an den Kranken, wälzt, sich auf dessen Brust und drückt ihn mit schwerer und immer schwererer Last nieder. Das Opfer, unter dieser Last vergehend, ist kaum im Stande aufzuächzen oder sich zu rühren, geschweige denn, den Unhold abzuschütteln oder um Hilfe zu rufen. Sein Angesicht bedeckt kalter Schweiss, und wenn sich ihm infolge der grossen Qual die Zunge löst und er auf- schreit, so verschwindet die Gestalt, und er erwacht ganz zerrüttet und zerschlagen. Gegen dieses Uebel reibt man sich in Bosnien den ganzen Körper mit Knoblauch ein und isst auch solchen; das soll die Mora mit Sicherheit vertreiben. Demselben Teufelsgeschlechte wie die Mora sind auch andere böse Geister ent- sprossen. Vor allen die „Tvora“, welche des Kranken Kopf so erregt, dass er lauter Unholde, die ihn verfolgen, zu sehen wähnt; die „Cinilica“, die den Kopf wirr macht und ihm Wahnbilder vorspiegelt; die „Otrovnica“, die das Blut vergiftet; die „Krvo- pilica“, die wie ein Vampyr dem Kranken das Blut aussaugt, und die „Mraza“, welche unter den Nachbarn, zwischen Mann und Weib, zwischen Vater und Sohn Zank und Hader stiftet. Es ist beachtenswerth, dass sich gerade die Ueberlieferungen vom bösen Gotte im Volksgeiste lebendig erhielten, während die Ueberlieferungen vom guten Gotte Bjelbog verschwunden sind. Erklärt sich dies aus einer pessimistischen Veranlagung, die das Böse stets als etwas Positiveres betrachtet, oder hat die christliche Kirche die Er- innerung an die guten Geister der heidnischen Vorzeit für gefährlicher gehalten als die an die bösen und sie desto nachdrücklicher und erfolgreicher zu verdrängen gesucht? Auf den Einfluss des bösen Princips werden auch viele specifische Krankheiten zurückgeführt, und vor allen sei die „Strava“ (die Kinderfraisen) erwähnt. Auch diese ist eine Personification des bösen Geistes, welcher in Gestalt eines Wurmes oder irgend eines anderen Thieres in den Körper des Kindes schleicht und es so lange quält, bis es den Geist aufgibt. Durch Zaubermittel erkennt das Volk die Gestalt des Thieres: geschmolzenes Blei wird in Wasser gegossen und an der Form, die das erstarrte Metall annimmt, die Form der Strava erschlossen, welche wie alle oben erwähnten bösen Geister mittelst Knoblauch vertrieben wird. In einigen Gegenden wird die Strava sympathetisch in der Weise geheilt, dass man das Muttergotteskraut* 2) sannnt der Wurzel aushebt. Ist die Wurzel von einem Wurme benagt, so wird sie aufgegessen und eine andere ausgehoben und wieder aufgegessen und dies so lange fortgesetzt, bis man eine gesunde Wurzel findet, die man dem Kinde als Arznei reicht. Neben diesen Personificationen des bösen Principes, welchen das Volk Individual- namen beilegt, gibt es noch eine Reihe von Wesen, welche unter dem Namen „Prikaze“ (Erscheinungen) zusammengefasst werden, und die den Menschen des Nachts bedrängen. Sie können von verschiedener Gestalt sein; bald erscheinen sie als Hund, bald als Hase, Bock, Kater; sie gehen vor dem Menschen auf der Gasse, oder sie erscheinen ihm selbst beim lustigsten Schmaus und Gelage. Wem eine solche Erscheinung zu Theil wird, der erkrankt, oder es trifft ihn sonst ein Unglück. *) Trude, Alp. 2) „Bogorodicina Trava“. Truhelka. Die Heilkunde nach volkstümlicher Ueberlieferuner. 377 Auch glaubt das Volk, dass sich der böse Geist (Teufel) zu den Menschen gesellt, um mit ihnen einen Pact zu schliessen, und dass diese Leute dann fähig sind, durch Zauberei Anderen Böses zuzufügen. Dies sind vor Allem die „Vjestice“ (Hexen) und die „Nametnice“ (die Schädigenden). Solchen Schaden („Namet“, türkisch „Sihir“, wovon der in Bosnien gebräuchliche Aus- druck für ein böswilliges Weib: Sihirbazica) kann Jedermann einem Anderen zufügen, wenn er sich an bestimmte Vorschriften hält, und wird dann Krankheit entweder über die Familie oder über die Hausthiere kommen, die Melkkuh wird die Milch versagen, die Henne das Eierlegen aufgeben, das Kleinvieh wird umstehen und das Haus ins Unglück gerathen. In einen schwarzen Faden werden 70 Knoten gemacht und dieser sodann unter die Thürschwelle oder in die Scheune geworfen. Schon dieses genügt, Böses über Menschen und Vieh zu bringen. Nach einer anderen Vorschrift werden mit Blut be- netzte Eierschalen oder alte Fetzen, Nägelabschnitte oder Kohlenstückchen unter die Schwelle oder einen Dachsparren gelegt, um in dem Hause Schaden zu stiften. Für die Krankheiten, die durch solche Zaubermittel hervorgerufen werden, gibt es selbstverständlich keine natürlichen Heilmittel, sondern diese müssen durch Be- schwörung oder Zauberei geheilt werden. In der Eingangs erwähnten Handschrift linden wir folgende Beschwörungsformel: Tako. vam konci putnici kucnoga sljemena i zitnoga sjemena, tako vam svetoga Save, koji vas je nacinio. Ako bi mi hairli bilo, hairli mi se razmrsili. (Ich beschwöre euch, wandernde Fäden, mit dem Dachfirste und dem Samen des Korns, so wahr euch der heilige Sava, der euch erschaffen hat. Sollte mir das Glück hold sein, möget ihr euch glücklich entwirren.) In der Umgebung von Sarajevo fand ich gegen das Fadenlegen folgendes Heil- mittel. Man mischt das Gewässer von 17 verschiedenen im Osten entspringenden Quellen, wäscht sich damit und trinkt davon. Da alle Krankheiten, die auf solche Art entstanden sind, nur durch Gegenzauber, Apotropaia, Amulete, Fasten und Gebete geheilt werden können, steht allenthalben in Bosnien und in der Hercegovina das Geschäft der „Zauberer“ und „ Verschreibe!’ “ (Pisari) in hohem Ansehen und in wahrer Blüthe. Ausser diesen Krankheiten gibt es andere, welche das Volk nicht dem directen Einflüsse böser Geister zuschreibt. Auch bei diesen Krankheiten kommen keine natür- lichen Heilmittel zur Anwendung, sondern Zauberei und sympathetische Mittel. Einer solchen natürlichen Ursache schreibt das Volk die Unfruchtbarkeit des Weibes zu; das sympathetische Heilmittel hiefür besteht darin, dass das unfruchtbare Weib am ersten Sonntage nach Neumond aus einem wilden Rosenstrauche drei Würmer heraussucht, auf einen Weidenbaum steigt, nach der Sonne schauend die Würmer aufisst und dabei dreimal spricht: „Sunce zadje za brdo a ja cu zaci u breme“ („Die Sonne ging hinter die Berge, und ich werde in die Hoffnung kommen“). Eines anderen sympathetischen Mittels bedient sich eine Braut, die vor Kin- dern bewahrt sein will. Wenn die Hochzeiter um sie kommen und sie im Begriffe ist, in den Sattel zu steigen, soll sie die Hand unter die fest angezogene Bauchgurte schieben. Soviel Finger sie unter die Bauchgurte schiebt, soviel Jahre bleibt sie unfruchtbar; und waren es beide Hände, so wird sie niemals gebären. Die Mutter, der die Milch versagt, wird einen Fisch fangen, über denselben Kuh- milch melken und ihn sodann ins Wasser werfen. Auch gegen den giftigen Biss einer Schlange oder eines wütlienden Hundes gibt es blos sympathetische Heilmittel. Dem- jenigen, welcher von einer Schlange gebissen wurde, lispelt man dreimal folgende Worte in das Ohr: „Zela zelu ujela! Zla duso — neizaradi velikoga boga!“ („Schlange, 378 II. Volkskunde. beisse die Schlange! Böse Seele — versuche nicht den grossen Gott!“) wobei der Athern jedesmal angehalten werden soll. Die Hundswuth (Lyssa) wird geheilt, indem man dem Kranken das Herz --eines Ebers zu essen gibt. Nach der Eingangs erwähnten Handschrift soll am Tage des heil. Blasius gefastet werden, damit der Wolf die Schafe nicht überfalle. Ueber die Hundswuth fand ich auf dem Glasinac eine interessante Meinung verbreitet, welche in merkwürdiger Weise mit den Entdeckungen der modernen medicinischen Wissenschaft übereinstimmt. Hier glaubt das Volk, dass die Wuth in Gestalt winziger Würmchen in das Blut übei’geht. Ein Muhammedaner curirt sie dadurch, dass er die untere Seite der Zunge (weil sich hier zumeist die Würmer vermehren) operirt, wobei dunkles schwarzes Blut abfliesst und dadurch die Adern gereinigt werden. Dies muss aber rechtzeitig geschehen, jedenfalls innerhalb sieben Tagen. Auch fand ich folgendes sympathetische Heilmittel. Aus einer Brotrinde wird eine Scheibe geschnitten und auf derselben ein in Felder getheiltes Rechteck gezogen. In die Felder werden gewisse magische Buchstabenzeichen eingetragen (vgl. die nachstehende Figur) und dann die Scheibe gegessen, was eben- falls spätestens sieben Tage nach dem Bisse geschehen muss. A T 0 H a ui a T 0 a 1 P E T H a P E n 0 T H a T A a 3 a A k t P H + 8 A 8 8 a a 8 8 Ein charakteristisches sympathetisches Heilmittel wird in einigen Gegenden gegen das Seitenstechen („sandzija“) angewendet. Drei Nadeln werden derart zusammengestellt, dass die Spitze der einen in das Oehr der nächsten greift; durch das so gebildete Drei- eck wird Wasser in den Mund gegossen und getrunken. Die Verwandtschaft zwischen der Krankheit (Seitenstechen) und dem Heilmittel (der Nadel) ist nicht zu verkennen. Neben solchen Heilmitteln, denen eine gewisse magische Heilkraft zugeschrieben wird, stehen in Bosnien und der Hercegovina die sogenannten „Zapisi“ (Verschreibringen) in hohem Ansehen, und sowohl das christliche als auch das muhammedanisclie Volk hat zu denselben mehr Vertrauen als zu jedem anderen Mittel. Der Gebrauch dieser Amulete ist aller Wahrscheinlichkeit nach vom Osten durch die Türken nach Bosnien gebracht worden. Ich schliesse dies daraus, dass sie überall bei den Türken vorhanden sind, während sie sich unter den Slaven, welche mit den Türken in keine Berührung kamen, nicht oder doch nicht in derselben Form vorfinden. Diese Amulete gehen auf die orientalische Sitte zurück, einzelne Worte oder Sprüche aus dem Koran an dem Hause, *) ander Einrich- tung, an Gefässen und hauptsächlich an den Waffen anzubringen. Man glaubte, dass die so beschriebenen Gegenstände Segen bringen und ihre Besitzer vor Schmerz und Un- gemach schirmen würden. Das Landesmuseum besitzt ein interessantes Beispiel einer solchen Inschrift auf einem alten Säbel, der auf beiden Seiten der Klinge vom Griffe bis zur Spitze die „Fet’h sura“ erhaben geätzt trägt (ein Stück davon siehe Figur 1). x) Vgl. z. B. oben S. 304 ff. Truhelka. Die Heilkunde naeli volksthümliclier Ueberlieferung. 379 Diese Sitte entwickelte sich weiter. Citate aus dem Koran kamen zu solchem Ansehen, dass man denselben Heilwirkung in Krankheitsfällen zuschrieb. Ein Stück Papier mit einem solchen Citate um ein krankes Glied ge- wunden, sollte Schmerz und Krankheit stillen. Dieser Ge- brauch ging auch auf die christliche Bevölkerung über? welche solche Zapise sowohl bei den Hodzas, als auch bei den eigenen Geistlichen suchte. In letzterem Falle waren es natürlich Sprüche aus den Evangelien oder Gebete, welche aufgeschrieben wurden. Von der ursprünglichen Bedeutung dieser Citate hat das Volk jetzt keine Idee und glaubt viel- mehr, dass die Heilkraft in der Schrift selbst besteht. So erklärt es sich, dass der Muhammedaner, wenn ihm das Amulet vom Hodza nicht hilft, ein solches vom christlichen Geistlichen, der Christ im entgegengesetzten Falle wieder eines vom Hodza verlangt, was jedoch nur selten geschieht. Als ich einst am Wege ausruhend die mir zugekomme- nen Briefe las und die gleickgiltigen zerriss, sammelte mein Führer die Papierstückchen und suchte die beschriebenen heraus. Verwundert fragte ich ihn, weshalb er das tliue, und erhielt die Antwort: „Herr — Gott verhüte es — aber in der Krankheit können sie gute Dienste leisten.“ Als Beispiel eines charakteristischen Zapis sei ein inter- essantes Schriftstück, dessen Alter ich auf circa 250 Jahre schätze, aus der Sammlung des Landesmuseums gegeben. Es ist auf einer dünnen Bleiplatte beiderseits schwach ein- geritzt. Landessprache, auf der anderen Seite ein griechischer Text mit altbosnischen Schrift- zeichen gravirt. Den griechi- schen Lauten wurden slavische Schriftzeichen in phonetischer Orthographie angepasst und das slavische i> am Schlüsse der in einen Consonanten auslautenden Silben beibehalten. Der slavi- sche Text lautet: H BCA THiHK BIIUJE H KHK | HfrCUKJ HHL|JO JK£ HEGH H j CK£ GH BA TOM JKHBOT | k H >KH- KOTk GH CBHTk MAO | BHKOAAk h tma roi€ WGtbfe | an gh hao- BHKk nocaank uit | Bora haae- HSAAk II OB AMU | Ba HAAE WU,A H CHHA H CBETO | TA TOCIIOAH )-J yj A/vl A 7 f-l hoaahaSh | h noA\03H. F 7/ (Alles ist durch dasselbe Fig-, 2. Slavische Inschrift auf einer alten Bleiplatte, erschaffen, und ohne dasselbe ist nichts, was da ist erschaffen. In ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. [Dies Licht leuchtet] in der Finsterniss, aber fasste sie nicht. Es ward ein Fig. 1. Inschriftprobe von einem mit Korantext beschriebenen Säbel. Auf der einen Seite sind die Anfangszeilen des Evangeliums Johannis in der , . , .„flhLu (~ H r 6 tojbj ifnUo 7c Ci) i < y Vf f rl h- BMm lJH I ritt- 4 PI Ü jt [<-t jZ Ü ( c 4 c F 6 Cl *-[ , N V-H A «aw>» ^)vr^y^\\y>y)^'ß}) lOI» »i • • Kf-m t> Jv J tn H ® + P v v / ^.^«yjriY-nv^yvyy pp/il/n tf(H (■ A]J ffri CO c d CJO lUlc 'fH Uh Hüöpu H bCb fff w brnutk Hca-Ipb rpu >/ /i|. « 6 rrdJX z3 H a , if P d « c "ßd n4 üß t> n \u$£m$ ^ h^Jhh ^ oi( (r$tPcH((-Pmc- V ' cd r // VWfr j ^ am™# , (too< vl p /- npp n Pf- 1 uY'ap ho HH U H tu V' r H V d C V /M->d G Gl L h> J /. -ttV/L /Vf ti <» K rH y a £ y4 K'J?« Na /, tVöA] vV % W,ij/iri -V - ir-ü&aj^a - (H; 0 W/a << Fig. 3. Griechische, mit bosnischen Zeichen geschriebene Inschrift auf einer alten Bleiplatte. ♦J* Bia H/we wu,a h cHNa h cksto | Tora H'Wf kc>kh£ | Unopc/woch noßepopoch W £AC> I KCHB TpHrmONMh BtAfOKH | W A‘®cli TONh arrHWHB AH | WHh ^aaa3aHHK HcHApO Truhelka. Die Heilkunde nach volksthiimlicher Ueberlieferung. 381 ke | PScahhh eraßaTH Sk eth | kakohk ahehabath hte eh kh | hehk arpoHEH ahehhabe- aOHH | hehk nanTononEEK rEnank | KAKOMk ke aht aciih AH)fAAA3H | ke to ,\,aTH w XpH- CTOC a C k A II | WKH KIIKEH TECHpHCK Eßa | HkTEAllAHC IIE A/VaTEWCk AS | KACk MapßS NHKEHWHHHCk Ck | AXETÜCk TECEpH EßAHkrEAH | SCk A/VH^AHAk KE lYaBpilA | Ak XpIIAk ke PanaHAk HahS | te3bhtS k (LxHEECHECk Ske | axetScah iiSck axetaacaxa | pmipa MnKEopcrHOHk ,A,axh | rpHWHk Twaopb AAhahiiko | ropock ke NhkohahS ii IIochii | nS MepkSphw hhkiita ke tSa | Srn S ke eh^ockS MEraacac/ua | pTupock thhhock a\e ra thc an naHA^Nk hoahhk Teotok .... Der griechische Text, allem Anscheine nach eine Beschwörungsformel, scheint von einem Menschen geschrieben zu sein, der der Sprache nur wenig oder gar nicht mächtig war, und hat, abgesehen von einigen allerdings interessanten phonetischen Eigen- thümlichkeiten,1) keinen Werth. Der Sinn selbst ist im Wüste der Worte verloren gegangen, und nur die häufig vorkommenden Namen der Evangelisten, der Erzengel, Propheten und einzelner Heiliger lassen errathen, dass dadurch ein Gebet oder eine Beschwörung ausgedrückt werden soll. Das Bleiplättchen war zusammengefaltet und wurde unter den Grundmauern eines Hauses bei Prozor aufgefunden; es sölieint demnach als eine Art Palladium für dasselbe gedient zu haben. Ferner kam aus dem Oriente auch der Aberglaube von der Pleil- wirkung einzelner indifferenter Gegenstände. Wir schliessen dies daraus, dass er nament- lich unter den Muhammedanern verbreitet ist. So wird Damascenerklingen, Panzerringen u. s. w., insbesondere aber Edelsteinen, Wunderkraft zugeschrieben. Dies sind vielleicht noch Ueberreste des arabischen Feti- schismus, welche im Islam erhalten blieben. Die wunderthätigen Eigenschaften der Edelsteine sind aus der betreffenden Literatur längst bekannt, weshalb ich hier nicht weiter darauf eingehe. Die meisten Heilkräfte schien die Natur in der Pflanzenwelt darzubieten, und ich hebe es als bezeichnend hervor, dass das Volk fast jede Pflanze dem Namen nach kennt, während ihm Benennungen und Unterscheidungsmerkmale für viele Thiere und Mineralien abgehen. Auch einigen wenigen Mineralien werden heilsame Eigenschaften zugeschrieben, doch werden sie gewöhnlich äusserlich angewendet. Im Nachfolgenden gebe ich eine Serie solcher Naturheilmittel, die ich unter der Bevölkerung von Bosnien gesammelt habe, ohne deren Heilwertli kritisch zu berück- sichtigen, da mir der Beruf dazu fehlt. 1. Wenn man die Pflanze „Breberina“ 2) genannt auf die Haut auflegt, bildet sich eine Blase, die Haut röthet sich und verbrennt. Diese Eigenschaft dient zur Pleilung einiger Geschwülste. 2. Das Fieber wird mit der Wurzel des Germes (Veratrum) geheilt. Ein hasel- nussgrosses Stück der Wurzel wird geschabt und mit Wasser vermischt getrunken. Der Kranke wird darauf erbrechen, und nach dem Erbrechen gibt man ihm etwas Honig. In einigen Gegenden reicht man dem Kranken einen Abguss von Salbei mit etwas spanischen Fliegen. Ausserdem reicht man auch einen Absixd von Weidenwurzeln oder Weidenblättern. -1) So wird statt L welches die bosnische Schrift nicht kennt, n (p) geschrieben, statt ß, r (= v), a durch 3, rj, a und !s durch h (= I), ai durch e und eü durch gr ausgedrückt. Einmal kommt statt ou w vor und & und ~ werden mit a verwechselt. 2) Von der Pflanze „Breberina" war es nicht möglich, den botanischen oder deutschen Namen zu ermitteln. 382 II. Volkskunde. 3. Würmer werden mit einem Absud der Blüthenähre des Wegerichs vertrieben. Knaben gibt man Spitzwegerich, Mädchen breitblätterigen Wegei’ich. 4. Auswüchse der Haut werden geheilt, indem man ein Blatt der Kornwieke zerstösst, mit etwas Salz versetzt und mit der unteren Seite auf die Wunde legt. 5. Gegen Hämorrhoiden wird ein Absud von Tannenzapfen getrunken. 6. Husten. Trockene Hollunderblüthen werden als Thee gekocht und getrunken. 7. Tobsucht. Nach der Volksmeinung wird Jeder toll, der unter einem Stech- apfelstrauck ( avtica ) einschläft. 8. Krätze. Die Pappelrinde wird geröstet und mit der Asche derselben die Krätze bestreut. 9. Bandwurm. Das bittere Besenkraut wird im grünen Zustande zu einer Pille gerollt und eingenommen, auch kann es im Wasser ausgepresst und dann letzteres ge- trunken werden. 10. Geschwüre. Kupfervitriol wird gestossen, mit Eiweiss gemengt, auf blaues Papier gestrichen und auf das Geschwür gelegt. 11. Gonorrhöe. Ein schwarzer Rettig wird ausgehöhlt, mit Oel gefüllt und zugedeckt, dann in warme Asche gehüllt, bis sich das Oel in den Rettig einsaugt. Solange der Rettig noch warm ist, steckt man ihn an das kranke Glied. Nach drei- maliger Wiederholung tritt die Heilung ein. Auf eine andere Art wird sie geheilt, wenn eine Litra1) Wachholder und eine Eitra Gerste in Wasser gekocht und der Abguss davon getrunken wird. Oder es wird täglich ein Findzan (türkische Kaffeeschale) voll Thee vom Pfefferkraut getrunken. 12. Geschwülste. Ein Blatt vom Eisenkraut wird zerrieben und mit demselben die Anschwellung belegt, bis sie aufbricht. Oder es wird das zerquetschte Blatt des Wegerichs mit der unteren Seite auf die Anschwellung gelegt, damit eine Eiterung eintritt. 13. Hundswuth (Wasserscheu). Es wird eine spanische Fliege (Kantharide) auf- gegessen. (Ein ähnliches Heilmittel wird in Croatien gebraucht, wo gegen den Biss eines tollen Hundes spanische Fliegen, gemengt mit Paprika, Pfeffer und anderen scharfen Gewürzen, in Branntwein gekocht verabreicht werden.) 14. Schwere Geburt. Eine Damascenerklinge wird mit Wasser benetzt, und die Wöchnerin trinkt das davon abfliessende Wasser. Nach Einigen soll die Damascener- klinge der Wöchnerin unter den Kopf gelegt werden. 15. Wunden. Ein Surrogat für das Collodium, mit welchem die Aerzte die Wunde übergiessen, damit die Luft davon abgehalten wird, fand ich auf dem Glasinac. Es besteht aus in Alkohol gelöstem Weihrauch. Beim Trocknen überzieht eine dünne Haut, welche das Eindringen der Luft verhindert, die Wunde. Will man, dass die Wunde nicht anschwillt, so wird weiches Kienholz in Wasser gekocht und die Wunde mit dem pech- haltigen Schaum bestrichen. Schnittwunden werden mit folgendem Balsam behandelt: Wachs, Schmalz und Pech werden mit der geschabten grünen Hülle, welche sich auf der unteren Seite der Hollunderrinde befindet, gekocht und die Wunde mit diesem Gemenge bestrichen. 16. Rheumatismus. Man benützt den ausgetrockneten Blüthenboden der Eber- wurz, nachdem die Frucht davon verweht ist, als Sieb und trinkt das dadurch geseihte Wasser. Man pflegt auch auf die vom Reissen befallenen Glieder Compressen aus trockenen Blättern des Natterkopfes ( lisac ) aufzulegen. 9 1 türkische Litra ist etwas über 3 Deciliter. Tkuhelka: Die Heilkunde nach volkstümlicher Ueberlieferung. Tafel V, Schriftprobe aus einem volksthümlichen ßeceptenbuch vom Jahre 1<49. Truhelka. Die Heilkunde nach volkstümlicher Ueberlieferung. 383 17. Seitenstechen. Ein Tropfen Wasser wird von einer Damascenerklinge weg- getrunken. 18. Skorbut wird geheilt durch den Genussvoll Bärenlauch (Sriemos). 19. Knochenbrüche werden mit in Milch gekochter Leinwurz behandelt. 20. Räude (bei Thieren) wird mit Wasser, in welchem die Wurzel der Niesswurz gekocht wurde, bestrichen. 21. Bauchweh. Dagegen wird Jungfernhonig gegessen. 22. Schlagwunden. Die Wurzel der Niesswurz wird mit Salz gestossen und auf die Wunde gelegt. Ein Balsam für Schlagwunden wird aus Essig und weissem Pech bereitet, dann wird blaues Papier damit bestrichen, mit gestossenem Weihrauch bestreut und auf die Wunde gelegt. Nach fünf Tagen röthet sich die Wunde, und nach zehn Tagen heilt sie. 23. Bei Ohrenschmerz wird aus dem Blatte des Waldmeisters ein Tropfen Saft ins Ohr gepresst. 24. Blähungen. Eichenrinde wird gekocht und der Absud davon getrunken. 25. Schweissfüsse werden mit trockenen, zu Staub zerriebenen Sumackblättern eingestäubt. 26. Zahnweh. Schwillt in Folge eines kranken Zahnes das Angesicht, so hilft ein Umschlag mit Hühnerdarm (Stellavia). — Einige rauchen trockenes Farnkraut aus einer Pfeife und glauben, dass der Rauch die Würmer im kranken Zahn vergifte. — Auch wird der Zahn mit einem Absud von Sumachblättern ausgespült. Nachher muss jedoch der Mund gut ausgewaschen werden, damit kein Grift zurückbleibe. — Wolfsmilch wird in weissem Wein gekocht, und damit werden die Zähne täglich abgerieben, sie bleiben dann stets weiss und gesund. (Nachher muss der Mund immer gut ausgespült werden, weil die Wolfsmilch sehr giftig ist.) 27. Durst. Wenn Jemanden grosser Durst plagt, so trinke er statt Wasser einen Absud von einer Litra Wachholder und einer Litra Honig in sechs Litren Wasser. 28. Magenkrankheiten. Wer an Magenschwäche leidet, soll eine Litra Saft aus dem schwarzen Rettich pressen und jenen mit einer Litra Sumachabsud und einer Litra Wachholderabsud mischen. Von diesem Gemenge trinkt man täglich ein Gläschen. 29. Bei Drüsen Senkung werden die erkrankten Theile mit Gurken belegt, da- mit sie wieder in ihre richtige Lage kommen. 30. Auf Blasen an den Füssen wird das Blatt der Pestwurzel mit der Unter- seite gelegt. Anhang. Handschriftliche Sammlung bosnischer volksthümlichcr Heilmittel vom Jahre 1749.1) 1. Wenn etwas Lebendes in der Nase wäre, tröpfle Wolfsmilch ein; ist es etwas Lebendes, so wird es getödtet, und dir kann geholfen werden. 2. Auch das ist ein Heilmittel, wenn an den Füssen eine giftige Wunde entstehen sollte : nimm eine gebrochene Spindel, zünde sie an und brenne damit die Wunde aus; sie wird heilen. l) Eine Schriftprobe aus diesem 22 Octavseiten starken Manuscripte gibt Tafel V . 384 II. Volkskunde. 3. Ein Heilmittel für die Ohren. Man schiesst eine Haubenlerche, nimmt das Gehirn heraus, vermengt es in einer Flasche mit Oel und gibt in die Flasche einen Flügel von der Haubenlerche hinein. Dann muss man zwei Tage lang Oel nachfüllen, und man wird an den Ohren hören. Auch das steht über die Ohren geschrieben: Vom Hasen die Galle und vom Raben die Galle und vom Adler das Fett und vom Weibe die Milch in die Ohren giessen, und man wird an den Ohren hören. 4. Auch das steht geschrieben: Das Weib, das keine Kinder hat, soll im wilden Rosenstrauche drei Würmer suchen, dann am Vorabend zum ersten Sonntage nach Neu- mond, wenn die Sonne aufgeht, auf einen Weidenbaum klettern, die Würmer aufessen und dreimal sprechen: „Die Sonne geht hinter die Berge und ich komme in die Hoff- nung“; sie wird gebären. 5. Auch ein Mittel gegen die Pest steht geschrieben. Sobald man erkrankt, esse man Veilchenkraut, und man wird nicht sterben. 6. Auch ein Mittel gegen die Pest. Wenn Einer erkrankt und stöhnt, frage man ihn: „Was fehlt dir“? Er antwortet: „Es biss mich ein Frosch“, und er wird an der Pest nicht sterben. 7. Sollte in einer Wunde etwas Giftiges sein, so soll man von einem Viertel Dramm Arsenik den vierten Theil nehmen, darauf streuen und mit Hollundermark verbinden; sollte es etwas Giftiges sein, so wird es die Wunde öffnen. 8. Wenn den Menschen die Ohren schmerzen, schneide man Holz von der Zitter- pappel, lege es über Feuer und fange das an beiden Enden hervorquellende Wasser auf, träufle es ins Ohr, und der Schmerz wird vergehen. 9. Mittel gegen Husten. Man nehme Honig und quetsche ihn mit Feigen 10. Mittel gegen Milz Verhärtung. Stemme den Fuss an einen Nussstamm, schneide die Rinde um den linken Fuss herum aus, gib sie über Nacht auf die Milz- verhärtung, nachher hänge diese Rinde auf den Kesselsparren, damit sie trockne, und die Milzverhärtung wird verschwinden. 11. Ein zweites Mittel. Nimm von einem Rinde die Milz, schlüpfe hindurch und hänge sie dann zum Trocknen auf den Kesselsparren; die Milz Verhärtung wird vergehen bei Jenem, der sie hatte. 12. Wenn das Weib keine Milch, aber ein Kind an der Brust hat, so tödte sie eine Schwarzamsel, koche selbe und esse die Suppe und das Fleisch. 13. Ein zweites Mittel. Sie fange einen lebenden Fisch, melke über denselben Milch und lasse ihn dann frei. 14. Ein drittes Mittel. Weissbrot mit Wasser aus einer Lache, wo der Planf geweicht wird, anmachen, dann ausbacken; setze einen Topf Wasser auf den Herd, bis es siedet, und iss das Brot, solange es im Topfe siedet; man sagt, dass sie dann Milch haben wird. 15. Gegen Fieber zerstosse man Weidenblätter mit Salz, presse das Wasser daraus, trinke es und esse eine Knoblauchzehe; es wird nacldassen. 16. Wer Augenschmerzen hat, pflücke 9 Stück Spitzen von Brennesseln, stosse sie und träufle das Wasser hievon ins Auge; der Schmerz wird vergehen. 17. Wenn der Mann mit dem Weibe nicht schlafen kann, so sollen sie Fesseln nehmen, des Nachts auf eine fremde Feldgrenze gehen und Jemanden mit- nehmen; sie sollen sich entblössen, dann soll der Begleiter sie in Fesseln legen. Hier- auf soll sich der Mann und das Weib allein freimachen und die Fesseln wegwerfen, welche ein Anderer holen soll. Truhelka. Die Heilkunde nach volkstümlicher Ueberlieferuner. 385 18. Wenn ein Weib nur Mädchen gebiert: wenn sie Menstruation hat, möge sie auf einem fremden Felde, wo geackert wird, einen Pflug zur Hand nehmen, mit dem Pflug bergauf gehen und dreimal sprechen: „Ein Ochs nach dem anderen, ein Sohn nach dem anderen“, und sie wird einen Sohn gebären. 19. Welchen Menschen die Augen schmerzen, der koche Pfefferkraut in Brannt- wein und verbinde damit das Auge; der Augenschmerz geht vorüber. 20. Wenn einer nicht uriniren kann. . . . (Unleserlich.) 21. Gegen Epilepsie soll der Leidende bei Regen Wasser in der Wolfsfährte suchen und trinken; dies wird ihm nützen. 22. Gegen Fadenwürmer. Man nehme den Mutterkuchen von der Katze, um- winde damit die Wunde auf 24 Stunden, und der Fadenwurm wird getödtet. 23. Wenn ein Weib keine Kinder hat, suche sie im Mist eines unbekannten Hengstes ganze Gerstenkörner und baue selbe an; wenn sie keimen, so soll sie drei Körner aufessen, und sie wird ein Kind gebären. 24. Wer einen Krampfanfall bekommt, nehme drei Weinstöcke, verbrenne sie und mache eine Lauge daraus, schütte selbe in die Salzstampfe hinter der Thür und stelle die Stampfe auf; dann soll Jemand fragen: „Warum stellst du die Stampfe auf?“ „Dass sie niemals auf mich zurückkehrt,“ und das ist ein Mittel gegen Krämpfe. 25. Gegen Schlangenbiss. Flüstere ins linke Ohr: „Schlange, beisse doch die Schlange,“ und halte dabei den Atliem an, „böse Seele“ und halte den Athem an, „ver- suche nicht den grossen Gott“ und halte wieder den Athem an. 26. Ein Mensch, der Faden legt, wird so beschworen: „So wahr seid beschworen, fahrende Fäden, mit dem Firste des Daches und dem Samen der Frucht, und so wahr auch der heilige Sava ist, der euch erschaffen, sollte es mir glücken, so möget ihr euch glücklich entwirren.“ 27. Ein Mittel gegen Magenleiden. Man backe drei Eier in Essig, salze sie nicht und esse sie auf; es wird aufhören. 28. Gegen Diarrhöe. Abends schiesse man eine Flinte ab, giesse in dieselbe Essig und lasse ihn über Nacht darin, in der Früh trinke man den Essig, lade die Flinte und schiesse sie ab; es wird aufhören. 29. Wenn Jemand einen Bienenkorb kauft und mit beiden Händen umfasst, so werden ihm die Bienen nicht durchgehen. 30. Gegen Asthma. ... 31. (Eine Beschwörungsformel gegen Hexen.) Es schlief der König auf dem könig- lichen Tretplatz im Felde ein. Er träumte einen wunderlichen Traum, wo 303 Helden gewappnet und bewaffnet vorüberkamen, und an ihrer Spitze der Herr Torna. Er fängt Feen und Hexen und wirft sie in die Tomana in den Tomanfluss. Blutig floss der Fluss über Stock und Stein: „Nicht so, Herr Thomas! Wir werden dir nützen bis in die letzte Zeit.“ Weichet von mir, ihr Gottverdammten! Wir bedürfen Aveder euch, noch eueren Samens bis in alle Ewigkeit. Wenn ihr die Sterne am Himmel abzählet und am Meere den Sand, wenn ihr am Grase den Thau zählet, auf Erden das Gras, wenn ihr an den Blättern die Tropfen zählet, wenn ihr in den Wäldern die Blätter zählet, wenn ihr am Rinde die Haare, am Hunde die Wolle zählet, dann sollt ihr auch uns schaden. Wenn ihr das Alles abgezählt, dann möge sich euer Mund mit einem Schlosse verschliessen und mit Kohle bedecken. Wir werden über das Breskagebirge gehen, und Averden gekrausten Zwiebel klauben, und werden uns räuchern gegen die Feen und Hexen und jedweden Unhold auf dieser Welt. Dich loben Avir, Gott, habe Erbarmen. Band II. 25 386 II. Volkskunde. 32. Ein Talisman für Bienen. Damit clie Bienen beim Menschen verbleiben, stehle man von einem Schafe schwarze Wolle, spinne dieselbe am Vorabende der Weihnachts- feier und wickle sie am Haspel; in der Frühe trage man sie um die Bienenkörbe und vergrabe sie dann in den Bienenkörben, und wenn der erste Schwarm sich niederlässt, lasse man ihn durch das Webeblatt hindurch, und lässt man dann auch den Schwarm stehen, er wird nicht davongehen. Weiters finde einen Wolfskopf, und der Schwarm soll im Sommer durch den Kopf hindurchgehen, so werden sich die Bienen weder vor Zauberei, noch vor anderen Bienen fürchten. 33. Wenn Einen der Kopf schmerzt, soll er Meerrettig reiben und sich ihn auf den Kopf legen, und der Schmerz wird vergehen. 34. Wenn am Kopfe eine Glatze entsteht. Der Kopf soll mit Seife gewaschen und mit Koth bestrichen werden; das soll 24 Stunden belassen und dann herunter- genommen, der Kopf wieder mit Seife gewaschen und mit Salpeter und Alkannawurzel bestreut, dann abermals 24 Stunden belassen und dann mit Seife abgewaschen, dann wieder mit Salpeter bestreut und 24 Stunden belassen und wieder mit Seife abge- waschen und wieder mit Salpeter durch 24 Stunden bestreut und dann wieder mit Seife abgewaschen werden, dann soll der Betreffende den Kopf mit seinem eigenen Koth einschmieren, denselben 24 Stunden darauf lassen, dann mit Seife abwaschen und wieder mit Salpeter und Alkannawurzel bestreuen, dann einbinden und 24 Stunden stehen lassen und wieder mit Seife abwaschen. Dies ist ein Mittel, um die Haare zum Keimen zu bringen. (Es folgt ein Spruch, welcher mit Tinte ausgestrichen ist.) 35. Wer an Ohnmachtsanfällen leidet, der suche einen Fichtenbaum und stelle sich neben die Fichte; ein Anderer bohre oberhalb des Kopfes mit dem Bohrer ein Loch in die Fichte und schlage einen Keil aus Lärchenholz oberhalb des Kopfes ein; es wird vergehen. 36. Wenn die Zähne schmerzen, nehme man aus dem Kopfe eines Pferdes einen Zahn, zerstosse und rauche denselben aus einer neuen Pfeife, dann stelle man Sumach zum Kochen auf und spüle und räuchere die Zähne aus; die Zahnschmerzen werden vergehen. 37. Gegen Dampf bei Pferden. Pechhaltige Spälme gib in einem Topfe zum Kochen und nimm vom Topfe mit einem Löffel den Schaum ab und fülle drei Morgen . . . und der Topf koche, und drei Morgen fülle ihn ; das ist ein Mittel gegen Dampf. 38. Wenn sich am Menschen giftige Wunden wie Blasen bilden und sich öffnen und aus ihnen gelbes Wasser fiiesst, soll der Mensch W eiden verbrennen und daraus eine Lauge machen, sie waschen und abspülen, dann verbrenne er Pferdehaut (Leder) und schütte die Asche dazu; das kann ihm ein Heilmittel sein und der Schmerz ver- gehen. 39. Wenn dieses nichts nützen sollte, verbrenne er Pappelholz und vermenge die Asche mit Honig, welcher noch nicht am Feuer war, und schmiere sich einige Male mit Honig und Pappelholzasche, es kann dies ein Heilmittel sein. 40. Wenn vom Rinde Blut abgeht. . . . 41. Gegen Augenschmerzen. Verbrenne 9 Körner Frühweizen, nimm Schmalz mit der Feuerzange und zerlasse es auf einem Hufeisen, dann nimm das Schmalz und menge es mit Eidotter, träufle es in die Augen und wasche sie mit Contusionsstein aus, in der Früh und Abends durch 6 Tage. 42. Wenn den Menschen etwas am Leibe schmerzt oder er etwas im Leibe hat, nehme er eine Litra Schwefelsäure und presse eine Litra Saft vom Meerrettig und eine Litra Saft vom schwarzen Rettig dazu in eine Flasche und trinke 3 Litren Truhelka. Die Heilkunde nach volkstümlicher Ueberlieferung. 387 davon mit nüchternem Magen; was im Leibe wäre, wird von ihm gehen; dies wäre ihm ein Heilmittel. 43. Gegen brandige Wunden ein Mittel. Zerstosse Menschenknochen fein und mische sie mit Oel und lasse sie über Nacht durch 24 Stunden stehen; dies soll ein Heilmittel sein. 44. Wenn den Menschen die Füsse schmerzen (Gicht), nehme er Salz und Brot und schlage mit dem Fusse dreimal in einen Hagedorn und spreche dabei dreimal: „Bist du die Gicht, so fahre in den Hagedorn, so wahr das Salz und das Brot ist“, und er vergrabe das Salz und das Brot unter den Flagedorn und laufe ohne sich um- zuschauen davon. 45. Gegen Seitenstechen. Brich die Paprika an der Spitze ab und schütte Brannt- wein hinein, welcher am Feuer aufkochen soll, und nimm es; das Seitenstechen ver- schwindet nach drei Paprika voll Branntwein, die du geniessest. 46. Auch dagegen gibt es ein Mittel, wenn Mann und Weib nicht zusammen schlafen können und keine Kinder haben: Man nehme einen schwarzen Hahn, aus dessen Kamme soll der Mann Blut saugen, während aus dem Lappen das Weib Blut saugen mag, und dann lasse man den Hahn aus; man sagt, dass sie dann Kinder haben werden. 47. Gegen Leistenbruch. Man soll in einer Rodung oder auf einem Arbeitsplatz einen Keil suchen, davon ein Feuer anmachen und bei diesem Feuer weisses Brot backen und selbes aufessen; es wird ihm ein Heilmittel gegen Leistenbruch sein.1) 48. Wenn man auf den Ohren nichts hört, gebe man zwei Mäuse in eine Flasche und schütte Lorbeeröl darauf, lasse sie im Oele zerfallen und träufle dann davon ins Ohr; es wird vergehen. 49. Gegen Hautausschlag. Man finde eine rothe Schnecke, verbrenne sie und befeuchte sie mit Wasser, bestreue dann den Hautausschlag mit dieser Asche von der Schnecke und verbinde ihn auf 24 Stunden; der Hautausschlag wird vergehen. 50. Gegen Au gen sch merz. Bestreiche die oberen und unteren Augenwimpern mit Ohrenschmalz, es wird vorübergehen; auch in die Augenmitte soll man schmieren Abends, wenn man sich schlafen legt; der Augenschmerz wird vorübergehen. 51. Wenn der Mund schmerzt, soll er mit Ohrenschmalz verschmiert werden; es wird vorübergehen und wird nicht mehr schmerzen. 52. Heilmittel gegen Blutung bei Rindern. Zerstosse Kupfervitriol und gib es drei Morgen hindurch dem Rinde mit etwas Kleie und Salz gemischt, und die Blutung wird gestillt; gib genug saueres Kupfervitriol. 53. Gegen Gonorrhöe. Den weissen Koth der Taube und drei Bienenköpfe soll der Betreffende im Wasser trinken. 54. Gegen Erbrechen. Frisches Wasser schütte durch eine Kette, trink davon und bringe wieder frisches Wasser, schütte es auf den heissen Plerd, und wenn das Wasser auf dem Herde zischt und schäumt, soll der Betreffende mit einem Löffel den Schaum auffangen und dieses Wasser trinken, das Erbrechen wird auf hören; dreimal. 55. Heilmittel gegen Augenfluss. Durch drei Abende die Augen mit Kupfer- vitriol einschmieren; es wird vorübergehen. 56. Wem es wie ein Schatten vor den Augen liegt, der nehme aus dem Weizen Wicken, zerstosse sie und stäube sich eine Woche damit ein; es wird von den Augen verschwinden und weggezogen. b „Klin“ bedeutet sowohl einen Keil als auch den Leistenbruch. 25* 388 II. Volkskunde. 57. Heilmittel gegen Fieber. Weissen Zucker gebe man auf die Glutli und räuchere sich gut, decke sich mit einem Kleide hübsch lange zu, man muss auch er- brechen; das Fieber wird nachlassen. 58. Auch das ist ein Heilmittel, wenn den Menschen etwas im Leibe plagt. Schneide Summachholz, nimm lauter Mark in einen neuen Topf, koche cs unter dem Deckel, es soll bis zu einer Litra Wasser sieden, und schütte es dann in eine Flasche, gib 50 Dramm Oel hinzu und schüttle es durch und trinke es durch 40 Tage; es wird dem Leibe ein Heilmittel sein, und er wird gesunden. 59. Gegen Husten. In eine Flasche Wasser gebe man gestossenen Weihrauch und bewahre ihn so auf. (Vor dem Gebrauche) schüttle es durch und trinke etwas davon durch 40 Morgen, der Husten hört auf. 60. Ein zweites Mittel gegen Husten. Welcher Mensch viel hustet, der zerstosse Weihrauch und gebe ihn in eine Flasche Wasser und trinke davon durch 40 Morgen; der Husten hört auf ; er wird nicht mehr husten. 61. Gegen Epilepsie. Der Betreffende soll aus einem Busch wilder Rosen zwei Ruthen schneiden, die so lang sind als er selbst, dann soll er sich niederlegen ; die Enden der einen Ruthe gebe er zur rechten Zehe und zum linken Ohre, die der zweiten Ruthe zur linken Zehe und zum rechten Ohre, und wo diese zwei Ruthen sich kreuzen . . . 62. . . . Man stelle sich auf die Kirchenschwelle neben den Thürpfosten; der Pathe bezeichne oberhalb des Kopfes den Pfosten, und die Epilepsie wird aufhören und nicht mehr zurückkehren. 63. Gegen Syphilis. Man schäle von der Erle die Rinde ab und koche sie, dann röste man Kupfervitriol und schütte es in das Erlen wasser, schlürfe davon dreimal und Abends räuchere man sich mit Erlenkätzchen, drei Abende hindurch vor dem Schlafen- gehen; dies kann ein Heilmittel gegen Syphilis sein. 64. Auch das ist ein Mittel: Wenn eine Wunde etwas Giftiges enthält, lege man frischen Käselab durch 24 Stunden auf dieselbe; alles Giftige darin wird in den Käselab übergehen. 65. Auch das ist für eine Sache gut. Wenn der Mensch sein Haus verlassen wollte, soll ihn Jemand dreimal mit drei Flachsbündeln auf den Rücken schlagen, ohne dass er es sieht, und wenn er vom Hause irgendwo hingehen würde, wickle man ein Flachsbündel auf und fange an zu spinnen; wo er auch immer sein möge, er wird ins Haus zurückkehren . . . 66. Wer an Seitenstechen leidet, nehme drei Nadeln, stecke eine in die andere, schütte Wasser hindurch und trinke es; das Seitenstechen wird aufhören. 67. Gegen Hautausschlag. Koche die Wurzel der Brennessel und trinke das Wasser durch 40 Morgen; der Hautausschlag wird schwinden. 68. Wenn Jemand nicht hört, nehme er zwei . . . gebe den hinteren ins Ohr; es wird nachlassen, und er wird hören. 69. Gegen Blutung bei Rindern. Zerstosse den Kopf eines Fuchses und gib davon dreimal des Morgens dem Vieh zu lecken; es wird aufhören. 70. Gegen Augen schmerz. Gib Eidotter, Wachs und Rind schmalz in eine Dzevsa (kleines türkisches Gefäss zum Kaffeekochen), lasse es aufkochen und lege es einige Abende hindurch auf die Augen die Nacht über; es kann ein Mittel für die Augen sein, und sic werden gesunden. Truhelka. Die Heilkunde nacli yolksthümlicher Ueberlieferung. 389 71. Gegen Fieber. Wenn das Brod beim Herausnehmen aus dem Ofen mit Wasser gestrichen wird, trinke und wasche er sich mit diesem Wasser; das Fieber wird ihn verlassen. Seite 12 enthält verschiedene Notizen über angenommenes Geld, weiters: 72. Wenn der Mann und das Weib miteinander schlecht leben, sollen sie den ausgewalkten Teig, wenn Mehlspeise gemacht wird, mit Honig und Rindschmalz versetzen, dann ihn zerschneiden und hindurchschlüpfen, dann sollen sie die Mehl- speise ausbacken und aufessen; sie werden sich liebgewinnen. Seite 13. Verschiedene Notizen über Ausgaben, dann erscheint folgendes Heil- mittel : 73. Gegen den Magen (Appetitlosigkeit). Hasenfett, zu einer nussgrossen Pille geformt, lege man auf den Nabel durch 24 Stunden; der Magen (Appetit) wird zurückkehren. . . . 74. Ein Mittel gegen Glatzen. Tagsüber durch drei Tage den Kopf mit Wasser waschen, ihn dann dreimal mit Dachsfett einschmieren und das durch 24 Stunden belassen, und der Haarwuchs wird sich wieder ein stellen. 75. Gegen Fieber. Bereite eine Kerze und zünde sie an, trage sie dreimal um eine Weide herum und sprich dreimal: „Das Fieber in den Weidenbaum“, dann klebe die Kerze an und laufe nach Hause. 76. Welches Weib keine Kinder gebiert, suche eine Frau, die sich in geseg- neten Umständen befindet, nehme gesäuertes Brot durch einen Zaun aus ihrem Mund in den eigenen Mund, esse es auf, und sie wird ein Kind gebären. 77. Gegen Zauber. Es entlehne Derjenige, der selbst oder dessen Vieh ver- zaubert ist, von Demjenigen, auf den er Verdacht hat, Mehl und lasse es einige Tage bei sich, dann erstatte er ihm das Mehl im selben Gefässe zurück und spreche: „Was du mir geborgt, das habe ich dir auch zurückerstattet“, und der Zauber wird auf das Vieh des Anderen, oder wenn er den Mann bezaubert hat, auf ihn selbst übergehen. 78. Gegen Fieber. Man schlachte ein Huhn, nehme den Magen heraus und brate ihn, zur Hälfte esse man ihn mit Jemandem auf, dann nehme man das Herz des Huhnes und brate es auf einem Bohrer und esse es; der Magen wird gesunden, und er wird das Mittel niemals wieder anzuwenden brauchen. 79. Gegen Schwäche (Ohnmacht). In einem Löffel Rindschmalz und einem Löffel Honig zerstosse zwei Köpfe Knoblauch und brate sie in dem Honig und Rindschmalz, dann iss es, und das Fieber wird verschwinden. 80. Gegen rheumatischen Zahnschmerz. Wenn alle Zähne schmerzen, gebe man 9 Dramm Pfeffer in eine Dzevsa, giesse sie voll Oel, lasse es aufkochen und lege es so heiss, als man es vertragen kann, auf den Scheitel; dies ist ein Mittel. 81. Wenn den Menschen Kreuz und Bauch schmerzen, suche. man eine Stein- platte im Bache, erhitze sie, befeuchte einen Kotzen und lege ihn auf die Platte; man dämpfe sich dreimal und decke sich mit Kleidern zu, es wird ein Heilmittel gegen Kreuzschmerzen sein und nicht mehr wehthun. 82. Mittel gegen Brand. Sammle Haselwurz und zerstosse sie, lege sie durch 24 Stunden darauf, so wird der Brand getödtet und verwächst; dies ist ein Mittel. 83. Gegen Fieber. Nimm von einem Hammel das Herz und trinke aus dem Herzen das Blut; (es wird helfen). Seite 17 folgt die Notiz : „Ich bezog das Haus des Milutin Juricic 1749 . . .“ Dann kommen einige Notizen über Ausgaben. 390 II. Volkskunde. 84. Mittel gegen Geschwülste. Man geniesse clas Fleisch einer heim Brüten ver- endeten Truthenne, die Geschwulst wird fallen ; oder : man zerstosse Winterknohlauch und trinke etwas von dessen Saft durch 40 Morgen, die Geschwulst wird fallen. 85. Wer des Nachts Alpdrücken hat, spreche vor dem Schlafengehen: „Trude, sei von Gott verdammt und vom heil. Johannes gefesselt“ ; sie wird ihn nicht plagen, noch es versuchen. 86. Wenn dem Menschen unter der Zunge Geschwüre entstehen, lege er einen Frosch von aussen unter die Zunge, schlitze ihn auf und lasse ihn 24 Stunden an der Stelle, es wird vergehen. 87. Wenn der Mensch unter der Zunge etwas wie eine Drüse bekommt und es ihn schmerzt, so soll er einen Frosch aufschlitzen, ihn von aussen unter den Kiefer binden und ihn 24 Stunden darauf lassen ; die Drüse, welche unter der Zunge war, wird vergehen. 88. Gegen Keuchhusten. Man ziehe das Kind durch den Kesselreifen, und es wird nicht mehr husten. 89. Gegen Husten. 9 Stück getrocknete Zwetschken und 3 Paprika zerstosse man und vennenge etwas Jungfernhonig damit, drehe daraus Pillen und verschlucke davon Abends 3 Stück, Morgens 2 Stück, so lange der Vorrath reicht; der Husten wird aufhören. 90. Wenn das Knie schmerzt. Nimm Meerrettigblätter, koche sie in Milch und winde sie auf jene Stelle, so heiss als du es vertragen kannst, drei Abende über Nacht; das kann ein Mittel sein. 91. Gelübde1) . . . für das Vieh und das Haus: der 1. Freitag vor den 40 Märtyrern, an welchem Gott Adam und Eva aus dem Paradiese gejagt; der 2. Freitag vor Mariä Verkündigung, an welchem Kain seinen Bruder Abel tödtete; der 3. Freitag vor der Auferstehung, an welchem die Juden Christum gekreuzigt und gemartert haben; der 4. Freitag vor der Himmelfahrt des Herrn, an welchem Gott Sodom und Gomorrha vernichtete; der 5. Freitag vor Erscheinung des heil. Geistes, an welchem das Volk den Kaiser Arkadius und Zweiunddreissig ans Meer führte und welche das Fleisch vom Kameel assen und Ziegenblut tranken; der 6. Freitag vor Johannis Geburt, an welchem Gott den Kaiser Nabuchodonosor (wörtlich „Navuko cara Donosova“) in einen Ochsen verwandelte; der 7. ist vor dem Apostel Petrus, an welchem Gott zehn Strafen auf den König Pharao kommen liess und das ganze Wasser in Blut verwandelte; der 8. Freitag vor Mariä Himmelfahrt, an welchem Gott die gegen Jerusalem ausziehenden Ungläubigen, als sie Sasastida (Palästina?) betraten, vernichtete; der 9. Freitag vor Köpfung des heil. Johannes, an welchem der Kaiser dem Johannes den Kopf abschlagen liess, seiner Schwägerin Herodias zu Liebe . . . und, was gegen die Gebote ist, seine Schwägerin zur Frau nahm; der 10. Freitag vor der Kreuzerhöhung, an welchem Moses mit seinem Scepter das Meer bekreuzte, über das er die unwürdigen Israeliten aus Egypten führte, und an welchem die Egypter sammt Pharao ertranken; der 11. Freitag vor Andreas dem Erstgenannten, an welchem der Prophet Jeremias . . .; der 12. vor Christi Geburt, an welchem Herodes 1000 neu- geborene Kinder umbringen liess, indem er glaubte, dass er Christum darunter tödten würde. 92. Mittel gegen Kropf. Ein Molch wird fein zerhackt und auf den Kropf gewunden und 24 Stunden stehen gelassen; der Kropf wird verschwinden. *) Vermuthlich ein Fastengelübde. Truhelka. Die Heilkunde nach volksthümliclier Ueberlieferung. 391 93. Auch das ist ein Mittel. Wenn den Menschen Geschwüre im Halse befallen und nicht aufbrechen wollen, fange man aus einer Lache eine kleine Kröte, welche gelb ist, schlitze ihr den Bauch auf und lege sie um den Hals ; im Augenblick werden die Geschwüre entweder von innen oder von aussen aufbrechen. 94. Wenn die Ohren schmerzen nehme man Haselwurz, koche sie in Wasser, tauche ein Tuch in das heisse Wasser und dämpfe damit die Ohren; es wird vergehen und nicht schmerzen. 95. Gegen Brand ein Mittel. Um 10 Para (= 2 Kreuzer) Ahornöl, um 10 Para Arsenik, um 10 Para Kupfervitriol, um 10 Para Balsam, um 10 Para Morphium, um 5 Para jenes Oeles, 9 Körner „balukat“ (?) : zerstosse dies Alles und vermenge es in einer Flasche und träufle es dann langsam tropfenweise ein; der Brand wird getödtet. 96. Am rechten Rande des Manuscriptes steht die Notiz: „Den Tag nach St. Tri- fon 11. faste und arbeite nichts am Tage des Märtyrers Blasius, und es wird dich der Wolf nicht überfallen“. 97. Gegen Syphilis. Durch 40 Tage etwas Kupfervitriol in Feigen genossen ist ein Mittel. 98. Wenn man viel Nasenbluten hat, so suche man ein Zigeunerlager auf, reisse einen der Pflöcke aus, woran die Zigeuner ihr Zelt aufspannen, und lasse in dieses Loch Blut träufeln; das Bluten wird aufhören — und treibe den Pflock dann wieder ein. 99. Gegen Räude bei Pferden. Anderthalb Dramm Arsenik, 1 1/2 Dramm Queck- silber, etwas ungelöschter Kalk und 50 Dramm Oel, schmiere sie damit einige Male ein, und die Räude wird vergehen. 100. Gegen Egel wurm ( Distoma ). Man koche die Rinde von der Zitterpappel mit zerstossenem Kupfervitriol, und es wird ein Mittel gegen Egelwurm sein. 101. Gegen Grimmen nehme man einen Fetzen von der Pluderhose und rothen Zucker und Schwefel und räuchere sich drei Abende hindurch, es ist ein Mittel da- gegen. 102. Gegen Taubheit. Sammle eine Litra Wachholderbeeren, gib sie in einen neuen Topf und schütte Milch hinzu, durchlöchere den Deckel in der Mitte, verklebe ihn ringsherum, stopfe das Loch in der Mitte zu und lasse es sodann kochen; wenn es gekocht ist, gib in jenes Loch ein Röhrchen und führe es in das Ohr, lasse es lange ausdampfen, bis du fühlst, dass es heiss ist, sonach wirst du hören. 103. Bei Miserere stelle man den Kranken auf den Kopf und schütte Oel hinein; er wird abführen. 104. Gegen Epilepsie. Tüdte eine Schlange, nimm die Gedärme heraus und iss dieselben mit noch etwas Anderem auf, und der Anfall kommt nie wieder. 105. Gegen Dampf bei Pferden. Tödte einen Maulwurf und stecke ihn dem Pferde in den Schlund, damit es ihn verschluckt, und der Dampf wird aufhören. Skizzen ans der Volksmedicin und dem medicinisehen Aberglauben in Bosnien und der Hercegovina. Von Dr. Leopold Glück, Kreisarzt in Sarajevo. Inhalt: I. Vorbemerkungen. — II. Die einheimischen Aerzte und ihre Patienten. — III. Ueber das Verschreien (Urok). — IV. Ueber das Entsetzen (Strava). ■ — - V. Zur Kenntniss der V olksgeburtshilfe. — VI. Die Amulete. — VII. Die Volksheilmittel aus dem Pflanzenreiche. 1. Vorbemerkungen. Was das Volk über Krankheit und Gesundheit denkt, welchen Ursachen es sein körperliches Leid zuschreibt, welche Mittel es anwendet, um dasselbe zu heilen oder fernzuhalten, das bildet die Summe seiner medicinisehen Kenntnisse, seine Volksmedicin. Sie ist in kein System gefasst, wird nicht zünftig gelehrt und gelernt, lebt auch kaum als ein Ganzes im Bewusstsein des Volkes, und trotzdem ist ihr Einfluss und ihre Macht im Leben des Volkes, das an sie glaubt und ihr vertraut, gewiss nicht geringer als derjenige der wissenschaftlichen Medicin auf unsere gebildeten und skeptischen Zeitgenossen vom Ende des Jahrhunderts. Seit Jahren interessire ich mich für die Heilkunde des Volkes. Was mir davon zu erfahren gelungen ist, bildet den Inhalt der folgenden Skizzen, die keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Eifersüchtig hüten die Volksärzte den Hort ihres geheimen Wissens; mir war es bis jetzt nicht vergönnt, mehr davon zu erwerben. Ueberall, wo körperliches Leid das menschliche Dasein verkümmert, tritt auch das eifrige und unermüdliche Bestreben auf, dasselbe nach Thunlichkeit zu mildern. Die Art und Weise, in welcher dieses Bestreben bethätigt wird, sowie die hiezu ver- wendeten Mittel hängen in erster Linie von den herrschenden Anschauungen über die Ursachen und das Wesen der Krankheit ab. War einmal in einem bestimmten Falle Abhilfe gefunden, so wurde sie selbstverständlich auch weiter verwerthet und bildete so die Basis jenes rohen, empirischen Handelns, das bis auf den heutigen Tag die Volksmedicin aller, selbst der civilisirtesten Nationen beherrscht. Bei allen Völkern findet sich die Ueberzeugung, dass „Krankheit“ die Wirkung einer höheren Macht sei, welche die Menschen für begangene Sünden straft oder sie „prüft“. Nach dem Dafürhalten des Volkes ist die Krankheit etwas Positives, auch ausserhalb des menschlichen Organismus Existirendes. Gott sendet die Krankheit, welche den Menschen zeitweise befällt, sie verlässt ihn dann oder führt ihn zum Tode. Diese schon im Sprachgebrauche zum Ausdrucke gelangende Personification der Krankheit tritt uns überall entgegen. Bei Völkerschaften, die der fatalistischen Welt- Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 393 anschauung huldigen, ist wie alles Andere auch die Krankheit voraus bestimmt. Schon im Momente der Geburt ist es festgesetzt, wann und von welchen Krankheiten der Mensch heimgesucht werden wird, ebenso wie der Zeitpunkt des Todes und die Todesart vorausbestimmt sind. Die Bevölkerung Bosniens und der Hercegovina führt wohl alle Krankheiten auf den Willen Gottes zurück und sagt ergebungsvoll: „so hat es Gott gegeben“; sie ist davon durchdrungen, dass Gott Alles voraus bestimmt hat; doch glaubt sie ausserdem, dass der Böse, eigene Geister und Dämonen, aber auch gewisse Menschen, bestimmt sind, den Willen Gottes auszuführen. Diese Geister und Dämonen können entweder in Gestalt von Menschen oder Thieren erscheinen, oder auch unsichtbar bleiben. Die Menschen, die unter dem Einflüsse der Dämonen stehen, sind entweder schlechte Leute, deren Beruf es ist, ihren Mitmenschen an Leib und Leben, oder auch am Be- sitze Schaden zu verursachen, oder harmlose Sterbliche, die ohne Absicht und un- bewusst den bösen Mächten als Werkzeuge dienen. Diese Unglücklichen schaden, ohne es zu wollen, und haben keine Ahnung davon, was sie durch ihr unheilvolles Dasein verursachen. Als solch unwillkürliches Werkzeug werden vom Bösen übrigens auch Thiere und Pflanzen, ja sogar leblose Gegenstände gebraucht. Zu den auf übernatürliche Weise entstandenen Krankheiten zählen die allge- meinen Neurosen, wie: Epilepsie, Hysterie, Lähmungen nnd periodischer Kopfschmerz, die Wasserscheu (pomama, bjesnilo), der Schlangenbiss, der Typhus (vruca holest, vruc, bolescina, hladnik) und alle jene hitzigen Krankheiten, in denen das Bewusst- sein schwindet und der Kranke hallucinirt, der Rheumatismus, der auf unreine Winde zurückgeführt wird, und die Kinderlosigkeit der Frau, welche dem geschlechtlichen Verkehre mit dem Bösen entstammt. Als natürlichen Ursprung eines grossen Tlieiles der meisten anderen Krankheiten betrachtet das Volk die Erkältung. Der medicinische Glaube des bosnischen Volkes wird von zwei ganz verschie- denen religiösen Elementen belebt. Einerseits hält das Volk fest an der mytholo- gischen Anschauung, welche es aus seiner Heimat mit nach Bosnien gebracht und mit christlichen Principien verquickt hat, andererseits hat das arabisch -osmanische Element, welches auf die Phantasie der orientalischen Volksmassen einen so mäch- tigen Einfluss ausübte, auch in Bosnien tiefe Wurzeln geschlagen. Man kann seine Spuren in vielen Aeusserungen des Volksgktubens, und speciell des medicinischen, bei der ganzen Bevölkerung ohne Unterschied der Confession auffinden. Schon die Personificationen der Krankheiten sind zweierlei Ursprunges. Unzweifelhaft slavisch ist: die „Kuga“, eine Personification der Infectionskrankh eiten mit hoher Sterblich- keit, namentlich der Pest und der Cholera: in Gestalt eines weissgekleideten Weibes schwebt sie Nachts durch die Lüfte mit einem blutgetränkten Tuche in der Hand, und wo sie erscheint, dort folgt ihr Tod und Verderben. Gleichen Ursprunges ist die „Mora“ (das Alpdrücken) : sie erscheint des Nachts nnd zerrt den Schlafenden an seiner linken Zehe, dann legt sie sich wie eine schwere Last auf seine Brust, so dass er weder athmen noch schreien kann. Im Augenblicke, wo er zu ersticken glaubt, stösst er einen Hilferuf aus und erwacht in Schweiss gebadet und an allen Gliedern wie zerschlagen. Im Momente, wo er geschrien hat und erwacht ist, ist auch die Mora verschwunden. Auch die „Prikaze“ (Hallucinationen), „Otrovnica“ (die Blutvergifterin), „Krvopilica“ (die Blutsaugerin), „Cinilica“ (die Melancholie) sind altslavischen Ur- sprunges. Die unter den Namen „Ogramak“ (der Geisterschlag), „Urok“ (das Ver- schreien), „Sihir“ oder „Namet“ (die Verhexung) bekannten Krankheiten sind ohne Zweifel arabisch-osmanischen Ursprunges. 394 II. Volkskunde. Viel schwerer aufzufinden, aber unleugbar vorhanden sind Spuren der antiken Medicin, unzweifelhaft ein Ueberbleibsel des Wissens römischer Ansiedler. Die Spuren mittelalterlicher Medicin, die Avir im Lande vorfinden, müssen wir dem mächtigen Ein- flüsse des Cinquecento zuschreiben, der hier auf vielen Gebieten des öffentlichen und privaten Lebens eingewirkt hat. Aehnlich den Krankheitsursachen im Volksglauben ist auch die Therapie. Auch liier herrscht der Dämonismus vor, auch hier finden wir altslavisch-heidnische, osma- nisch-arabisehe, christliche und, wenn auch nicht oft, antike Elemente in bunter Mischung, ein wunderliches Ganze bildend. Was die eigentlichen Heilmittel betrifft, so wäre man fast versucht, dieselben kurz, wenn auch nicht ganz exact, in die be- kannte Formel der Rosenkreuzer: „In verbis, herbis et lapidibus“ zu fassen. Auf Worten beruht die Heilkraft des Gebetes, des Besprechens und vieler anderer Bann- und Zauberformeln. Die Zahl der heilenden Kräuter ist Legion ; Steine und Metalle werden zum Heile der leidenden Menschen gleichfalls gebraucht; schliesslich wird auch das Thierreich zu meclicinischen ZAvecken herangezogen, denn es werden nicht nur animalische Secrete und Excrete, sondern auch ganze Thiere und Theile derselben als Heilmittel empfohlen und verwendet. II. Die einheimischen Aerzte und ihre Patienten. Die einheimischen Volksärzte, mit denen das Occupationsgebiet nur zu reichlich gesegnet ist, Avollen wir der besseren Uebersicht halber in drei Gruppen sondern. Die spaniolischen Medikaster und die muhammedan ischen Barbiere bilden als erste Gruppe die ärztliche Haute-volee, die „Hekims“ (Aerzte) der Städte. Zur zAveiten Gruppe zählen wir die Geistlichen der im Lande vertretenen Confessionen. Die dritte Gruppe ist die zahlreichste, denn sie recrutirt sich aus allen Schichten der Bevölkerung und um- fasst die eigentlichen Volksärzte (vracari), Volkschirurgen (vidari), zumeist Specialisten für geAvisse Operationen, und das ganze Heer der heilkundigen Weiber, die als Aveise Frauen (vjeste zene) auch das Besprechen (gatanje), Wahrsagen, Zaubern (cini, nameti) und ähnliche Künste als Haupt- und Nebenerwerb betreiben. Von den jetzt prakticirenden spaniolischen „Aerzten“ dienten einige zur Zeit der ottomanischen Herrschaft als Gehilfen oder Laboranten bei Militärapothekern in Bosnien oder sonstAvo im Reiche; der grösste Theil aber hat den ärztlichen Beruf ohne solche Schulung von seinen Vätern ererbt. Wie einst in Aegypten, Indien und Griechenland die Kenntniss der Krankenbehandlung sich in gewissen Familien Adele Generationen hindurch vom Vater auf den Sohn vererbte, ebenso geschieht es auch in Bosnien. Unter zehn Fällen stammt sicherlich neunmal der spaniolische Arzt von Vor- fahren ab, die in demselben Berufe thätig waren. So ein Arzt hält in irgend einem Winkel der Carsija (des Marktplatzes) ein offenes Gewölbe (ducan), in dem einige Flaschen und Schachteln, bunt durcheinandergeworfen, die ganze Einrichtung der Apotheke bilden. Diese Gefässe enthalten eine Reihe oft Jahrzehnte alter Droguen und chemischer Prä- parate. Dort findet man neben Salvia, Sennesblättern und Bittersalz auch spanische Fliegen, Arsenik und Quecksilber. Der Herr Doctor sitzt mit gekreuzten Beinen auf dem Fussboden und erwartet die Kunden. Da kommt ein Bäuerlein und ldagt dem mit stoischer Ruhe bedächtig zuhörenden Ge- sundheitsmanne seine verschiedenen Leiden, die derselbe mit einem schnell gemischten Tränklein um einen oder zAvei Groschen (ein Groschen = 8 kr.) lindert; dort nähert sich dem von seinem Sitze zum Zeichen der Ehrerbietung sich erhebenden Doctor ein etwas Glück. Skizzen caus der Volksrnedicin in Bosnien und der Herc'egovina. 395 ältlicher, vermögender Beg vom Lande, der, nachdem man sich eine ganze Weile über alle möglichen Gegenstände unterhalten, den schwarzen Kaffee geschlürft und die Ciga- rette geraucht hat, vertrauensvoll sein Ungemach in die Brust des Gesundheitspenders ausschüttet. Der Fall ist recht schwierig; der Beg ist nämlich über 50 Jahre alt und hat vor mehreren Wochen ein junges Mädchen heimgeführt. Zu seinem Leidwesen bemerkt er, dass seine geschlechtliche Kraft stark geschwunden sei; da er aber weiss, dass der Jako oder Rafo Effendija (das ist der Herr Doctor) ein sehr gelehrter, ge- schickter und glücklicher Arzt sei, dem schon viele Hunderte ihre Gesundheit verdanken, so bittet er ihn um ein kräftigendes Mittel, welches ihn aus der Verlegenheit ziehen würde. Der Medicinmann zieht die Stirn in Falten, senkt den Kopf wie in tiefem Nachdenken auf die Brust und verharrt so eine Weile schweigend. Endlich hebt er den Kopf, aus seinen Augen leuchtet Hoffnung, und ein zufriedenes Lächeln umspielt seinen Mund. Er hat das Mittel gefunden, wodurch er die Kraft des alternden Mannes wieder zu beleben gedenkt; im Flüstertöne ertheilt er dem gespannt zuhörenden Patienten seine weisen Rathschläge, greift zu einer Schachtel, die das Arcanum, die spanischen Fliegen enthält, wickelt einen Theil davon in Papier und überreicht es mit den besten Wünschen dem Patienten. Das ist kein Groschengeschäft mehr, — da blinken Gold- ducaten dem Jünger des „Lockman hekim“, des orientalischen Aeskulap. Doch nicht immer sucht der Patient selbst den Arzt auf; nicht selten schickt er nur einen Angehörigen oder Nachbarn zu demselben. Der Sendling schildert recht und schlecht die Krankheitserscheinungen und bittet um ein entsprechendes Medicament, welches selbstverständlich verabfolgt wird. Und wozu soll sich denn der Kranke zum Arzte oder der Arzt zum Patienten bemühen? Von einer ärztlichen Untersuchung ist doch in der Regel so wie so keine Rede. Eine Krankheit ist auf Grund der Schilderung der Symptome bald constatirt und das entsprechende Mittel sofort auch gefunden. Vermögende Leute lassen es sich aber in schweren Krankheitsfällen nicht nehmen, den Arzt ins Haus zu berufen. Will sich dieser einen gelehrten Anstrich geben — und welcher will es denn nicht? — so greift er den Puls, lässt sich die Zunge und manchmal auch den Urin zeigen, tröstet den Kranken, ordnet eine oft gar wunderliche Diät an und braut das Medicament. So treibt der Mann sein Geschäft ohne Mühe und Plage von Tag zu Tag, erwirbt sich häufig bei den geringen Bedürfnissen, die er hat, ein kleines Vermögen, das er gegen Wucherzinsen ausleiht und demgemäss vermehrt, und lebt zufrieden als geachtetes Mitglied seiner Gemeinde. Er macht sich keine Sorgen über die Unzulänglichkeit seines Wissens, ihm verursacht kein schwerer Krankheitsfall schlaflose Nächte; denn haben seine Medicamente keine Wirkung und stirbt der Kranke, so hat Gott eben nicht ge- holfen; wirken sie aber und genest der Patient, so ist unser Mann ein sehr gelehrter und geschickter Arzt. Der muhammedanische College des soeben geschilderten Spaniolen, seines Zei- chens ehrsamer Rasierer und manchmal auch ritueller Beschneider, befasst sich mehr mit Chirurgie und ist sehr häufig auch Specialist für Venerologie und Syphilis. Er bereitet verschiedene Salben gegen Wunden, legt bei Knochenbrüchen Verbände an, gibt die „Hape“ (Räucherpillen) gegen Syphilis, schröpft gelegentlich mit einem Horn, macht Aderlässe am Kopfe oder unter der Zunge und setzt Blutegel an der Nase oder um den After. In seinem Gewölbe, wo nicht selten auch schwarzer Kaffee geschenkt wird, ver- sammelt sich die Haute- volee des Ortes zu allerlei Klatsch oder zu einem Spielchen. Der Herr Doctor ist meist sehr aufgeräumt, kennt wie seine wahren Collegen des 396 II. Volkskunde. Abendlandes alle Neuigkeiten der Stadt und ist sowohl in seinem Auftreten als auch in seinen Forderungen nicht selten recht unbescheiden. Der geschulte Arzt, in dem er einen gefährlichen Concurrenten erblickt, ist ihm zwar ein Dorn im Auge — er übt an ihm, wo es nur angeht, strenge Kritik — dennoch lässt er sich hie und da in ver- zweifelten Fällen herbei, den „svabski“ (deutschen) Arzt zum Consilium zu rufen. Anders geartet sind die Aerzte des geistlichen Standes. Sie werden vom Volke aufgesucht, um sich von ihnen, als von gelehrten und erfahrenen Männern, in Krank- heitsfällen entweder Medicamente verabreichen oder Kathschläge ertheilen, oder Messen und Gebete lesen, oder endlich sogenannte Verschreibungen (zapise) und Amulete (amalije) ausfolgen zu lassen. Namentlich waren es seit Jahrhunderten die katholischen Geistlichen, welche manchmal ganze Apotheken in ihren Pfarrwohn ungen besassen. Die anderen, zumal die muhammedanischen Geistlichen und speciell eine gewisse Sorte derselben, arbeiten stark in Talismanen, Sympathie und Wahrsagerei. Wenn nun auch der Arzneischatz des Franziskaners oft Dinge enthält, deren Nennung schon Ekel hervorrufen kann, so darf man doch nicht verkennen, dass bis vor Kurzem der Geistliche draussen im Dorfe der einzige intelligente und gebildete Mensch war, der nicht selten recht gesunden Rath, namentlich mit Rücksicht auf die Krankenpflege, zu geben wusste, und dass ihn bei seinen Ordinationen die beste Absicht, seinen Nächsten zu dienen, leitete. Zur Zeit der ottomanischen Herrschaft waren nicht selten Franziskaner Leibärzte der Machthaber. Einige derselben haben sogar in Italien ausser der Theologie auch die Medicin studirt, und manches Recept dieser Männer wandert noch jetzt von Notizbuch zu Notizbuch der Pfarrer und wird als unfehlbar wirkend gerühmt. Ueber die ärztliche Thätigkeit der bosnischen Franziskaner äussert sich Dr. Gjor- gjevic treffend in folgender Weise: „In Bosnien findet man bei den katholischen Geistlichen, den Fratres, an welche sich die Katholiken in allen Krankheitsfällen und ausser ihnen in grosser Noth auch die Orthodoxen und Türken, wenn ihre Autodidakten mit dem Besprechen und den Amuleten nichts ausgerichtet haben, wenden, geschriebene Doctorbücher, nach denen sie ihren Rath über das Verhalten der Kranken ertheilen, und nach denen sie den Kranken Kräuter verabreichen; dieser Kräuter haben sie immer eine genügende Anzahl in Bereitschaft, denn sie pflanzen und hegen sie in ihren Gärten . . .“ Durch diese Bücher und diese Kräuter wirkt die Vorschrift des Fraters viel häufiger als das Besprechen oder der Muttergottestraum, ein Gebet, das der ortho- doxe Geistliche in schweren Krankheitsfällen für die Genesung des Kranken verrichtet. Doch weder der Franziskaner, noch der orthodoxe Pope verschmäht es, auf Wunsch des Kranken demselben einen „Zapis“ zu verabfolgen; überdies beschäftigen sich beide auch mit Teufelsbannung, die häufig bei Geisteskranken, Epileptikern und hysterischen Frauen versucht wird. Auf die Thätigkeit der Hodzas (muhammedanischen Geistlichen) werden wir bei Gelegenheit der Besprechung der Amulete näher eingelien; hier sei nur bemerkt, dass gerade diejenigen Hodzas, welche sich mit dem Amuletschreiben stark befassen, von keinem reichen Wissensschatze bedrückt werden. Die dritte Gattung von Aerzten sind die Naturärzte, von denen viele eine Specialität beherrschen. Der Eine versteht die verrenkten oder gebrochenen Arme und Beine ein- zurichten oder zu heilen, der Andere kann den Staar stechen, der Dritte ist Stein- schneider, ein Anderer wieder kann Darmbrüche operiren oder die Syphilis behandeln; Der ist im Besitze eines unfehlbaren Specificums gegen Schlangenbiss oder Wuthkrankheit, der Andere kann den „zeludar“ (Verrenkung des Magens, eigentlich Magenkrampf und Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 397 Kolik) oder die „struna“ (Magensenkung) einrichten u. s. w. Man kann nicht leugnen, dass einige dieser namentlich chirurgischen Specialisten, trotz nahezu gänzlicher Un- kenntniss der Anatomie, Physiologie und Pathologie, in ihrem Fache eine gewisse Dex- terität erlangen, die auch der geschulte Arzt nicht immer besitzt. Der Mujo oder Joyo operirt den Staar, schneidet den Stein und herniotomirt, als ob diese Operationen harmlose Kinderspiele wären. Man ist in Verlegenheit, ob man mehr das Vertrauen des Kranken oder den Muth des Operateurs bewundern soll. Die glücklichen Erfolge dieser Operationen, welche die Volksphantasie und das marktschreierische Selbstlob dieser Chirurgen noch verzehnfacht, frappiren selbst den gebildeten Laien und machen ihn in der Beurtheilung des geschulten Arztes, der mit solchen Erfolgen nicht glänzen kann, irre. Bedenkt man aber, dass die nicht selten negativen Erfolge dieser Specialisten nicht an die grosse Glocke gehängt werden, dass diese Specialisten, welche in der Regel nur ein sehr beschränktes Gebiet beherrschen, als Uebungsmateriale den lebenden Menschen benützen, und dass sie, eben wegen ihrer Unwissenheit, auch die Gefahren, die mit manchen Operationen verbunden sind, nicht kennen und daher einen Muth besitzen, der dem gewissenhaften geschulten Arzte unter den gegebenen Verhältnissen oft abgeht, so werden wir zur Ueberzeugung gelangen, dass ihr Wirken keineswegs ein so segensreiches ist, als sie selbst glauben machen wollen. So einen Operateur er- schreckt keine Complication oder Nachkrankheit, er bedarf keiner Antisepsis, die er nicht kennt, ihm ist die Narkose oder Assistenz überflüssig, er fürchtet keine Nach- blutung u. s. w. Er operirt frisch drauf los, und die weitere Sorge überlässt er dem lieben Herrgott und der Constitution des Kranken. Der Misserfolg wird sowohl vom Arzte, wie auch von der Umgebung des Kranken mit jener orientalischen, in der fatalistischen Lebensanschauung begründeten Resignation hingenommen, die sich in der Regel nicht über das „so war es Gottes Wille“ oder „so war es bestimmt“ ver- steigt. Der Erfolg wird aber in einer Weise ausgebeutet, die nur zu sehr an die Zeiten erinnert, in denen der Wunderdoctor auf öffentlichem Platze dem versammelten Volke seine Geschicklichkeit anpries und einen hohen Adel, sowie das P. T. Publicum zur Erprobung derselben ganz unterthänigst einlud. Dieser Vergleich liegt um so näher, als viele dieser Doctoren, namentlich zur Zeit der Jahrmärkte, wirklich von Ort zu Ort ziehen und wenn auch in nicht so lauter Weise, so doch nicht minder eindringlich sich den Kranken empfehlen. Nahezu jeder Bezirk in Bosnien und der Hercegovina hat seine medicinische oder chirurgische Capacität. Hier ist es ein schlichtes Bäuerlein, welches Hunderten durch angeblich wüthende Hunde gebissenen Menschen mit seinem Specificum gegen die Wasserscheu das Leben rettete; dort ist es eine achtbare Städterin in höheren Jahren, die das ehrsame Handwerk der Mageneinrichtung mit glänzendem Erfolge be- treibt; in einem anderen Orte wieder wohnt der berühmte Steinschneider Jovo oder Mujo, der nebst einem verrosteten Messer ein Dutzend Steine, die er damit ausgeschnitten hat, als ebensoviele Beweise seiner Geschicklichkeit auf Verlangen producirt. Wir würden uns einer argen Unterlassung schuldig machen, wenn wir der weib- lich en Volksärzte des Occupationsgebietes nicht noch besonders erwähnen würden. Wie überall, ist auch hier das Weib der erste Kinderarzt. Hat in einem Krankheitsfalle die Mutter ihren Wissensschatz erschöpft und steht sie rathlos an der Wiege des ge- liebten Kleinen da, so wird die Nachbarin zu Rathe gezogen, und ist auch diese mit ihrem Latein zu Ende, so wird die erfahrene und allwissende „Baba“ (das alte Weib) gerufen. Die in höheren Jahren stehende Dame ist kräuterkundig, versteht den Magen einzurichten, kennt viele Besprechungsformeln und ist ihres Zeichens die von Gott 398 II. Volkskunde. erwählte Gynäkologin und Hebamme der Umgehung. Manche dieser Wunderfrauen sind wortkarg und umgehen ihr Thun und Lassen mit dem Schleier des Geheimnissvollen; Andere aher sind sehr gesprächig, kramen gerne ihr Wissen aus, trinken viel schwarzen Kaffee und rauchen Cigaretten oder gar die Pfeife. Nicht selten überschreitet die Dame ihren eigentlichen Wirkungskreis als Frauen- und Kinderarztin und wird Specialistin für innere und chirurgische Krankheiten, in denen es Manche zu einer unleugbaren Fertigkeit gebracht hat. Da sie gewöhnlich in ihren Forderungen bescheidener ist als der Mann, so macht sie demselben häufig auch erfolgreiche Concurrenz. Einen Theil des Berufes der Baba, und zwar den nach ihrer und des Volkes Ueberzeugung wichtig- sten Theil, bildet das Besprechen (bajanje). Dasselbe besteht im Abmurmeln verschiedener Sprüche und Zauberformeln, unter Beachtung gewisser festgesetzter Formalitäten. Die einheimische Bevölkerung Bosniens und der Hercegovina ist zwar nicht ver- weichlicht, aber gegen den Schmerz nicht selten sehr empfindsam. Ein Leiden, das keinen Schmerz verursacht oder keine anderen bedrohlichen Symptome darbietet, wird — besonders bei ungestörtem Appetite — gar nicht als Krankheit betrachtet. Nur wenn sich Schmerz einstellt, wenn Erscheinungen eintreten, die einen gefährlichen Charak- ter zeigen, und namentlich wenn die Esslust ausbleibt, glaubt man, dass es Zeit sei, etwas zu thun, um die Krankheit zu bannen. Zuerst werden alle alten Weiber der Nachbarschaft nach einander um Rath gefragt, und wird auch Alles getreu ausgeführt, was jede einzelne anordnet. Dann beginnt die Thätigkeit der Geistlichen, welche Gebete lesen und Amulete schreiben. Hilft auch das nicht, so geht man in die Stadt zum „cifut“ (Juden) oder „herber“ (Rasierer) oder man wendet sich an einen oft viele Meilen entfernt wohnenden „berühmten“ Specialisten für die betreffende Krankheit. Lässt nun all dieses im Stiche, so versucht man es hie und da mit dem „svabski doktor“. Der Bosnier erwartet von jedem Mittel schnelle Hilfe; tritt sie nicht ein, so wird gleich zu etwas Anderem gegriffen; eine systematische Behandlung ist ihm unbekannt. Abgesehen vom Schröpfkopfe und dem Aderlässe, hegt der Bosnier, namentlich derjenige muhammedanischen Glaubens, einen besonderen Widerwillen gegen jeden operativen Eingriff, bei dem das Messer eine Rolle spielt. Der einheimische Chirurg geht meisten- theils conservativ vor. Complicirte Brüche, bösartige Neubildungen, Hernien, Gelenks- entzündungen (hauptsächlich letztere) kommen nicht selten vor, aber die Furcht vor dem Messer ist so gross, dass man den Kranken lieber zu Grunde gehen, als operiren lässt. Eigenthümlicher Weise ist die Messerscheu dem Blasensteine gegenüber eine verhältnissmässig geringe, indem man denselben gerne operiren lässt. Auch hier versucht man es aber vorerst mit einer ganzen Reihe innerer Mittel, von denen man glaubt, dass sie den Stein zu lösen im Stande seien; erst wenn diese nichts helfen, greift man schliesslich doch zum erlösenden Messer. Die Furcht vor grösseren Kosten und das Misstrauen des Volkes dem Fremden gegenüber sind die Ursachen, dass die österreichisch-ungarischen Aerzte noch nicht in jenem Masse vom Volke in Anspruch genommen werden, als es im Interesse des Letz- teren wünsch enswerth wäre. Nur in Städten, wo schon zur Zeit der ottomanischen Regierung Militärärzte stationirt waren, werden die Aerzte häufiger gerufen. Dort gibt es sogar Familien, die in jedem Krankheitsfalle den „studirten“ Arzt aufsuchen. Er- wähnenswerth erscheint aber, dass selbst in diesen Familien neben den ärztlichen Anordnungen Hausmittel gebraucht, und dass nicht selten hinter dem Rücken des Arztes und trotz der Versicherung, dass man nur von Gott und von ihm Heilung erwarte, der Hodza, der Berber oder der Cifut consultirt werden. Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 399 Ein sehr schwer zugängliches Object für die ärztliche Behandlung ist die Muhamme- danerin. Der gerufene Arzt trifft die Patientin meist ganz angekleidet, behandschuht und dicht verschleiert auf dem „minder“ (Divan) oder dem Lager sitzend. Der Gruss des Arztes wird von der Patientin nicht erwidert. Der anwesende Mann, Bruder oder eine andere Vertrauensperson männlichen Geschlechtes erzählt dem Arzte die Leidens- geschichte so gut oder so schlecht er es kann, wobei die Patientin im Flüstertöne den Vermittler hie und da an vergessene Symptome erinnert. Hat der Arzt Fragen zu stellen, so wendet er sich auch an die Mittelsperson, und kennt er die Gebräuche, so spricht er von der Kranken als von einem abwesenden, ihn gar nicht interessirenden Individuum. Nun kommt aber das Schwierigste. Der Arzt äussert die Nothwendigkeit einer Untersuchung der Kranken. Hier geräth der Vermittler in Verlegenheit; denn er weiss, dass die Kranke nicht so leicht hiezu zu bewegen sein wird. Ist er ein im Koran bewanderter Mann, so citirt er gleich den Satz, wonach das heilige Buch ge- stattet, dass ein Arzt die Frau eines Gläubigen unverschleiert sehen dürfe; ist er aber kein Gelehrter, so beginnt er dem Arzte Rathschläge zu ertlieilen: „Du bist ein gelehrter Mann“, sagt er, „und brauchst ja nur den Puls zu greifen, um zu wissen, was der Kranken fehlt.“ Versichert man ihn aber, dass dem nicht so sei, dass man die Kranke ganz untersuchen müsse, so ist in der Regel seine Weisheit zu Ende, und er überlässt es dem freien Entschlüsse der Kranken, zu thun oder zu lassen, was sie will. Beherrscht der Arzt die Sprache, kennt er die Sitten und Gebräuche des Landes, so wird es ihm, wenn auch unter Schwierigkeiten, gelingen, die Kranke zu untersuchen; ist er aber nicht in der Lage, die Nothwendigkeit der Untersuchung eingehend zu erläutern und hiebei mit türkischen, auf der Gasse und im täglichen Verkehre erlernten Brocken herum- zuwerfen, so wird er häufig unverrichteter Dinge abziehen müssen. Der Vermittler zuckt hierauf bedeutungsvoll die Achseln, als ob er sagen wollte: „Was willst du? Gott wird auch so helfen!“ III. Uebcr das Verschreien (Urolt). Die Ivenntniss von der Macht des Auges gehört der gesammten Menschheit an, es kann daher Niemand Wunder nehmen, wenn der Glaube an das sogenannte „böse Auge“ oder den „bösen Blick“ ein so ausserordentlich verbreiteter ist. Der abergläubische Araber fürchtet das böse Auge nicht mehr und nicht weniger als der aufgeklärte Germane; der wilde Kirgise glaubt ebenso an das Verschreien wie der intelligente Slave. Mit fortschreitender Bildung tritt zwar der Glaube an das Verschreien, das heisst an die Wirkung des bösen Blickes, in den Hintergrund; ganz erloschen ist er aber noch nirgends. Bei uns im Occupationsgebiete steht der Glaube an diese Wirkung noch in voller Blüthe, und es gibt wohl wenige Orte, wo nicht ein verschrieenes Kind, eine ver- schrieene Frau oder wenigstens ein derartiges Hausthier angetroffen wird. Ein wenn auch kurze^, aber intensives Anschauen, „Anstarren“, „Anglotzen“ eines Menschen oder eines Thieres, häufig mit einem Ausrufe der Bewunderung verbunden, in welchem eine Spur von Neid liegt, verursacht gewöhnlich das Verschreien. Nach dem Volksglauben, der namentlich unter den Muhammedanern und den Spaniolen verbreitet ist, kann man aber nicht allein mit dem Auge, sondern auch durch Worte selbst Abwesende und sogar sich selbst verschreien. Jedes grosse Lob eines Individuums wegen seiner persönlichen, körperlichen oder geistigen Eigenschaften, die Auslassung über den guten Zustand irgend eines lebenden oder leblosen Eigenthums ohne Rücksicht darauf, ob das Individuum es hört oder nicht hört, kann die Verschreiung 400 II. Volkskunde. verursachen. Ja, das eigene Gefühl oder das Bewusstsein guter Eigenschaften, des Reichthums etc. kann manchmal ein Selbstverschreien hervorrufen. Verschreien kann zwar jeder Mensch, es gibt aber solche (am häutigsten sind es ältere Weiber, sogenannte verschreiende Weiher, urokljive zene), die entweder unwill- kürlich oder willkürlich Verschreiungen hervorzurufen besonders geeignet sind. Diese Unglückseligen sind mit dem bösen Blicke behaftet. Schielende Menschen mit tiefliegenden Augen und huschigen Augenbrauen werden als Verschreier (urokljivi) besonders gefürchtet. Am häufigsten sind es Kinder, heiratsfähige Mädchen, junge Weiber (bei den Spaniolen namentlich schwangere oder glücklich entbundene) und Hausthiere (vor allen Pferde und Kühe), die der V erschreiung unterliegen. Zwar sind auch die Männer der Verschreiung unterworfen, aber nicht im gleichen Grade wie die Frauen. Die Wirkungen des Verschreiens äussern sich in verschiedenartiger, immer aber ungünstiger Weise. Sie treten entweder als Störungen der Gesundheit oder als Schaden am Eigenthume ein und können sogar den Tod herbeiführen. Wenn ein gesundes lebhaftes Kind auf einmal anfängt bleich zu werden, wenn es die Lust zum Essen und zum Spielen verliert, ohne erkennbaren Grund mürrisch und weinerlich wird, und wenn bei dem Allem keine ausgesprochenen Erscheinungen einer Krankheit auftreten, so nimmt man gemeiniglich an, dass es verschrieen ist. Werden nicht rechtzeitig die entsprechenden Mittel angewendet, so wird das Kind ernstlich krank und kann sogar sterben. Will man wissen, ob ein Kind wirklich verschrieen ist, so ruft man die erste beste Nachbarin und bittet sie, die Probe auf das Verschreien anzustellen. Sie leckt dem Kinde die Haut zwischen den Augen, von der Nasenwurzel gegen die Stirne hinauf, ab, und bleibt ihr ein salziger Geschmack im Munde, so ist das Kind zweifellos ver- schrieen. Bei Erwachsenen äussert sich das Verschrieensein gewöhnlich als Kopfschmerz mit dem Gefühle eines allgemeinen Unbehagens, raschem Wechsel von Hitze und Kälte und vielem Gähnen. Das Unwohlsein tritt mit einem Schlage und ohne bekannte Ursache auf. Vernachlässigt man diese Symptome, so siecht der Verschrieene ohne eigentlich krank zu sein hin und erlischt schliesslich wie eine Lampe, welcher das Oel ausgegangen ist. Von diesem normalen Bilde des Verschreiens gibt es sehr viele Abweichungen, ja geradezu jede Krankheit kann als Folge desselben bei bis dahin glücklichen und gesunden Menschen eintreten. Darum sterben ja so viele Menschen, trotz der besten ärztlichen Behandlung! Man hat keine Ahnung, dass sie verschrieen sind, wendet alle Mittel an, um die gestörte Gesundheit wieder herzustellen, nur nicht die gegen das Verschreien; und so geht der Kranke zu Grunde. Für Schwangere ist das Verschreien sehr gefährlich, denn sie können dadurch abortiren und sogar sterben. Ein verschrieenes Pferd bricht einen Fuss oder wird schäbig, eine verschrieene Kuh verweigert den Frass, verliert die Milch, bleibt gelt oder verwirft das Kalb. Ja, viele der Thiere, die plötzlich verenden, gehen lediglich in Folge Verschreiens zu Grunde. Die Wirkung des Verschreiens äussert sich aber nicht allein als Schaden an der Gesundheit; sie kann auch in Gestalt anderer Folgen auftreten. Der reiche Mann verliert sein Vermögen, die glückliche Mutter die Kinder, das schöne Mädchen wird garstig u. s. w. Die Wirkung hängt in vielen Fällen von der Glück. Skizzen aus der Volksmecticin in Bosnien und der Hercegovina. 401 Art des Verschreiens ab, denn man wird gewöhnlich in der Richtung heimgesucht, in welcher das Verschreien erfolgte. Der reiche Mann wird arm, weil man ihn in seinem Vermögen, das hübsche Mädchen bekommt die Blattern und wird garstig, weil man es in seiner Schönheit verschrieen hat. Der Mensch wäre der Wirkung des Verschreiens widerstandslos ausgeliefert, wenn er kein Mittel hätte, um sich vor diesem verderblichen Einflüsse zu schützen. Nur der böse Mensch hat die Absicht, Jemanden zu verschreien ; viele thun es unabsichtlich und ohne daran zu denken. Daher ist es nothwendig, dass man, sowie man von Jemandem Gutes spricht, ihn lobt oder bewundert oder dergleichen, ohne Rück- sicht darauf, ob er zugegen ist oder nicht, eine kurze Formel hinzufügt, die aus- drücklich den Wunsch enthält, dass keine Verschreiung erfolge. „Ne ureceno ti bilo“ oder „ne ureceno mu bilo“ sagt gewöhnlich der Christ; ^üi (Nazar degmesmi), „Boze sacuvaj“ lautet der Spruch des gewöhnlichen Muhammedaners; AllclJL (Maschallah), „bez uroka“ („unberufen“), sagt der Gebildete und der Gelehrte; „mi ozo non t.e aga danjo“ (mein Auge soll dir nicht schaden), wünscht der Spaniole. Die sehr zahlreichen Schutzmittel, von denen hier nur einige Platz finden sollen, haben in den meisten Fällen den Zweck, die Aufmerksamkeit der Menschen, respective ihre Augen von der Person, dem Thiere oder dem Gegenstände, welcher verschrieen werden könnte, abzulenken. Das Schutzmittel (Apotropaion) muss daher entweder durch seine Form, durch den Ort, an welchem es angebracht ist, durch seine Farbe oder durch seinen besonderen Glanz auffallen. Sehr oft, hauptsächlich bei Kindern, werden die Schutzmittel an der Kopfbedeckung, dem Käppchen oder Fez, und zwar meist vorne befestigt. Da kann man das in rothen Sammt gefasste Schweifende eines Wolfes, Fuchses oder Hasen sehen, den an einer Spindel (vreteno) getrockneten und dann mit Seide und Goldfäden umwundenen After eines Hahnes, eine Goldmünze, kleine Muscheln, eine Kornähre oder eine Silberplatte, welche der Arbeiter (majstor) in der Stille der Nacht („u gluho cloba“) und ganz entkleidet angefertigt hat, und in welche der Name ihres kleinen Trägers eingravirt ist. Am Fez muhammedanischer Kinder sieht man, zumeist bei Knaben, oft ein dreieckiges, aus rothem Tuch oder rother Seide gefertigtes Amulet, welches einige Sätze (aje) oder einen ganzen Abschnitt (sura) aus dem Koran enthält, den ein kundiger Hodza auf Pergament oder Papier niedergeschrieben hat. Am häufigsten werden einige Sätze aus dem Abschnitte „die Familie Anirans“, der als „mala Hatma“ bekannt ist, oder der ganze Abschnitt als Schutzmittel verwendet. Es ist angezeigt, dass der Hodza sich die Tinte aus Rosenwasser, welches mit Safran und Moschus versetzt ist, erzeugt und das Amulet auf aus Ziegenhaut gefertigtem Pergamente niederschreibt. Dieses Amulet soll nicht npr Kinder, sondern auch schwangere Frauen, welche es am Halse tragen, vor dem Verschreien schützen. Zahlen- und Buchstaben-Kabbalistik, die verschiedenen Namen Gottes, die Namen der Engel, der Patriarchen und der Propheten, sowie der Mittelgeister (Djins) spielen in den Amuleten die Hauptrolle. Durch die freundliche Vermittlung eines meiner muhammedanischen Freunde habe ich ein Amulet als Schutzmittel gegen das Verschreien erhalten, welches in Ueber- setzung lautet: „Im Namen des allbarmherzigen Gottes! O mein Gott und Gabriel und Michael und Israfil und Azrail und Ibrahim und Ismail und Isaak und Jakob und du, der du alles Gute sendest, der du gegeben hast die Thora und das Evangelium und die Psalmen und den Koran, ich kann da nichts helfen ausser mit des Band II. grossen 402 II. Volkskunde. Gottes Hilfe. Jemliha, Mehalina, Mislina, Mernosch, Dohernosch, Sarenosch, Kefcf- tatajosch, Kitmir.“1) 168 173 166 167 169 171 172 165 170 In den Bezirken Foca und Cajnica tragen schwangere Frauen, namentlich Christinnen, die Hemden umgekehrt, das heisst die Innenseite nach aussen. Als Amulet wird hei den Muhammedanern auch ein blauer, türkisähnlicher, ovaler Stein, der sogenannte „urocnjak“, verwendet, welcher am Fez befestigt wird. Weniger auffallend, aber nicht minder wirksam soll hei Kindern das umgekehrte Einnähen des linken Hemdärmels (mit der Naht nach aussen) sein. Das Beschmieren der Nasenspitze des Kindes mit Russ soll gleichfalls ganz vorzüglich sein, ebenso wie das Tragen eines Hals- oder Armbandes aus der Frucht der Malve. Den spaniolischen Kindern gibt man als Amulet ein in dreieckiger Form zusammen- genähtes Säckchen aus golddurchwirktem Stoffe oder aus rothem Sainmt oder Seide, welches einen kleinen Zweig der Edelraute (ruta), eine Knoblauchzehe und etwas am zweiten Ostertage im Tempel gesegnetes Salz enthält. Dieses Amulet muss nicht durch- aus an der Kappe befestigt sein; es genügt, wenn man es nur stets hei sich trägt; gewöhnlich wird es in ein Kleidungsstück eingenäht. Schwangere Spaniolinnen tragen entweder dieses Amulet oder nur einen Zweig von der Edelraute oder aber eine Knoblauchzehe hei sich. Junge Mädchen stecken sich gewöhnlich Blumen hinter die Ohren oder kleben sich ein linsengrosses Goldblättchen mit Speichel auf die Mitte der Stirne. Die Braut wird gleichfalls mit absonderlichen und auffälligen Zieraten versehen. In Skoplje werden ihr zwei mit Blumen und Bändern verzierte Holzlöffel aufgesteckt, die wie Hörner über den Kopf emporragen. Dem Fohlen hängt man einen Löffel um den Hals ; das Pferd schützt man durch ein rothes Tuchband, welches gleichfalls den Hals umschlingt, und an welches meistens verschiedene „Zapise“ (Amulete) in dreieckigen Täschchen angenäht sind. An der Vorderseite eines grösseren älteren Hauses in Sarajevo ist als Schutz- mittel ein UsU, li, das ist „ja hafiz“ (0 Beschützer) angebracht. Den gleichen Spruch kann man auch in vielen Häusern der Muhammedaner, speciell in den Empfangszimmern der Vermögenden, in goldenen Lettern auf schwarzem Grunde eingerahmt sehen. Noch eines Schutzmittels gegen das Selbstverschreien, welches aber selten und nur von talmudkundigen Spaniolen angewendet wird, will ich erwähnen. Vergisst man sich so weit, dass man sich über das eigene Wohlbefinden, über den guten Gang der Ge- schäfte, über das Gedeihen der Kinder oder über seinen Erfolg als Gelehrter mit Zu- friedenheit oder gar mit Stolz äussert, so muss man sofort, um nicht verschrieen zu werden, mit dem rechten Auge den rechten Nasenflügel fixiren und an Gott denken. Wiewohl es nun so viele Mittel gegen das böse Auge gibt, kommen doch die Fälle von Verschreien sehr häufig vor. Die Menschen sind eben in manchen Dingen b Letzteres sind die Namen der Siebenschläfer und ihres Hündchens Kitmir. Wir fanden dieselben 1880, offenbar zu ähnlichem Zweck, mit türkischer Schrift, auf eine Steinplatte geschrieben, die an einem Hause eingemauert war. D. Red. Glück. Skizzen ans der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 403 sehr leichtsinnig. Man glaubt an das Verschreien; man weiss, dass viele Schutzmittel dagegen vorhanden sind, aber man wendet sie nicht an, weil man nicht daran denkt. Nach der Anschauung der Bevölkerung ist die Wirkung des Verschreiens in der ersten Zeit eine mehr latente und leichte und wird erst später allgemeiner und intensiver. Will man daher den „urok“ vertreiben, so muss man das rechtzeitig thun, denn wenn derselbe in dem Menschen lebendig wird, was man „ozivili su uroci“ nennt, so hilft dem armen Kranken nichts, und er muss zu Grunde gehen. Vermuthet man, dass das Kind, die Frau etc. verschrieen ist, hat die früher erwähnte Leckprobe durch die Constatirung des Salzgeschmackes die Diagnose „Ver- schrieen“ ergeben, oder hat sie der Hodza auf Grand kabbalistischer Berechnung aus dem Vornamen des angeblich Verschrieenen und dem seiner Mutter herausgefunden,1) so geht man an die Behandlung des Verschreiens. Neben den verschiedenen, weniger gebräuchlichen Behandlungsmethoden, die ich zum Schlüsse kurz berühren will, sind die Behandlung durch das Weglecken und die durch das Kohlenlöschen die zumeist gebrauchten. Beide Methoden, welche ich in meh- reren Ländern unter verschiedenen Volksstämmen zu sehen Gelegenheit hatte, haben im Occupationsgebiete vielfache Varianten, von denen ich mir einige zu beschreiben erlaube. Das Weglecken, also eine Art mechanischer Entfernung, wirkt nur in den leich- teren, frischen Fällen des Verschreiens, wogegen das Kohlenlöschen auch in schweren Fällen ausgezeichnete Erfolge liefert, aber nur so lange das Verschreien nicht lebendig geworden ist. Bei Christen leckt die eigene Mutter, bei den Spaniolen eine fremde Frau das V er- schreien weg. Die Mutter nimmt den Kopf des Kindes zwischen ihre Handflächen, leckt von der Nasenwurzel gegen die Stirne hinauf, spuckt (pljucne) über den Kopf des Kindes hinweg und sagt: „urok sjedi na pragu“ (das Verschreien sitzt auf der Schwelle), dann leckt sie von links nach rechts an der Stirne, spuckt über die rechte Schulter des Kindes und sagt: „urok sjedi pod pragom“ (das Verschreien sitzt unter der Schwelle), schliesslich leckt sie von rechts nach links, spuckt über die linke Achsel des Kindes und sagt: „urok sjedi za pragom“ (das Verschreien sitzt hinter [ausserhalb] der Schwelle) und die Procedur ist beendet. Der Volksglaube personificirt somit auch das Verschreien, wie überhaupt nahezu alle Krankheitsursachen ; die Besprechungsformel hat augenscheinlich die Aufgabe, die Wirkung des Wegleckens zu verstärken und die successive Beseitigung des Uebels darzustellen. Bei den Spaniolen wird selbstverständlich nicht in der Form eines Kreuzes, sondern in der eines Sternes geleckt; nach jedem Lecken wird dreimal ausgespuckt und jedes- mal folgende Formel wiederholt: „Como la vacca alimpia ala vitelica, ansi te alimpio del ozo malo i de todo modo de mal.“ (Wie die Kuh das Kälbchen reinigt, so reinige ich dich vom bösen Auge und von allem möglichen Bösen.) Zum Kolilenlöschen soll nur unangegänztes Wasser (nenaceta voda) verwendet werden. Als „unangegänzt“ wird jenes Wasser bezeichnet, welches bei Sonnenaufgang aus einer Quelle oder aus einem Brunnen geschöpft wurde, dem die ganze Nacht zuvor Niemand Wasser entnommen hat. Die Kohlen müssen glühend sein (ziva vatra, zivo ugljevje). Diese zwei Forderungen werden überall und von Allen gleichmässig gestellt; in Bezug auf die Zahl der zu verwendenden Kohlenstücke, dann auf die während des *) Ergibt die Berechnung die Zahl „2“ als Endresultat, so liegt unzweifelhaft ein Verschreien vor. 26* 404 II. Volkskunde. Löschens zu sprechenden Formeln und die fernere Verwendung der Kohlen oder des Wassers ergehen sich aber mehrfache Differenzen. Die Einen löschen drei Kohlenstücke in unangegänztem Wasser und werfen sie schnell auf einen Kreuzweg. Der Erste, der den Kreuzweg passirt und über die Kohlen schreitet, übernimmt das Leiden des Verschrieenen. Es ist dies eine Art des sogenannten „Unterwerfens“ (podbacivanje), welches im Volke als Ursache vielfacher Leiden, speciell des Nervensystems, betrachtet wird. Weniger egoistisch sind die folgenden Methoden des Kohlenlöschens. In ein mit unangegänztem Wasser gefülltes Gefäss werden drei glühende Kohlen nach einander geworfen. Während man dies thut, betet man den Mariengruss. Hierauf führt man eine Scheere im Wasser herum, macht drei Scheerensehläge in Form eines Kreuzes und wiederholt gleichzeitig die Formel: „Ne razrezujem vode nego urok.“ (Ich zerschneide nicht das Wasser, sondern das Verschreien.) Das Volk glaubt, dass das menschliche Auge dreierlei Farben haben kann, und unterscheidet daher nur schwarze, blaue und grüne Augen. Da man gewöhnlich nicht weiss, von welcher Farbe die Augen waren, welche das Verschreien verursacht haben, so denkt man beim Hineinwerfen der Kohlen, was einzeln oder zu dreien geschieht, an die einzelnen Farben der Augen, oder spricht eine Formel, die auf die einzelnen Augenfarben Bezug hat. Als Zeichen, dass es Augen dieser oder jener Farbe waren, welche das Verschreien verursacht haben, wird gewöhnlich das Untersinken des Kohlenstückes betrachtet. Sinkt die Kohle z. B. bei Erwähnung der schwarzen Augen, so haben es nur Augen dieser Farbe sein können, welche das Ver- schreien herbeigeführt haben. Aus dem bisher Gesagten ergeben sich noch folgende zwei Arten des Kohlenlöschens. In unangegänztes Wasser wird, indem man sich die eine Farbe denkt, eine Kohle geworfen und hiebei die Foi’mel gesprochen: „Urok sjedi na pragu, urocica pod pragom Sta urok uradi, to urocica bira.“ (Der Verschrei sitzt auf der Schwelle, die Verschreiin unter der Schwelle; was der Verschrei verursacht, das sammelt die Verschreiin.) Sinkt die Kohle hiebei auf den Grund des Gefässes, so weiss man nicht nur, dass das Individuum verschrieen ist, sondern auch, welcher Art Augen dies verursacht haben. Mit dem Wasser werden dem Verschrieenen die Augen dreimal ausgewaschen, und die Behandlung ist hiermit beendigt. Versinkt aber die Kohle nicht, so wird das Löschen und die Formel wiederholt, wobei an die zweite Farbe der Augen gedacht wird; nöthigen Falles wird die Procedur zum dritten Male vorgenommen. Eines der drei Kohlenstücke sinkt gewöhnlich zu Boden, geschieht es aber nicht, so liegt kein Verschreien vor. Bei dieser Kohlenlöschung wird eine Formel gesprochen, die das Verschreien nicht nur person ificirt, sondern sogar ; zwei Geschlechter desselben unterscheidet, die, wie aus der zweiten Hälfte der Formel zu entnehmen ist, in einem gewissen Gegensätze zu einander stehen. Die zweite Art des Kohlenlöschens ist insoferne anders, als man jedes Mal drei Kohlenstücke nimmt und sagt: „Ako je urok od crnijeh ociju, pani ugljevje na dno, a j ako nije, vi ostante na vrhu“. (Stammt das Verschreien von schwarzen Augen, so fallet, Kohlen, auf den Grund, wenn nicht, so bleibt oben!) Versinkt eines der Kohlenstücke, so nimmt man es aus dem Wasser heraus und zerstampft es auf der Thürschwelle; man vernichtet somit figürlich das verschreiende Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 405 Auge. Mit dem Wasser wäscht man dem Verschrieenen das Gesicht und gibt ihm davon etwas zu trinken. Versinken die Kohlen nicht zum ersten Male, so wird die Procedur noch einmal und wenn nöthig ein drittes Mal wiederholt, wobei aber die erwähnten Augen von anderer Fai’be sein müssen. Beim Kohlenlöschen repräsentirt die glühende Kohle das böse Auge, das Wasser aber die Kraft, welche die Wirkung des ersteren vernichtet; die Formel (basma) dient einerseits als Unterstützungsmittel und andererseits als materieller Ausdruck der gra- duellen Vernichtung des Verschreiens. Seltener wird bei der Behandlung des Verschreiens das sogenannte „Abzählen“ (odbrojivanje) verwendet, welches bei anderen Anlässen wieder ein häufig gebrauchtes Heilmittel bildet. Gewöhnlich wird das Abzählen mit einer längeren Formel verbunden. Gegen Knochenschmerzen z. B. wird folgendermassen abgezählt: „U ove muke devet oka, jedno potegni ostane osam, jedno potegni ostane sedam, jedno potegni ostane sest, jedno potegni ostane pet, jedno potegni ostane cetiri, jedno potegni ostane tri, jedno potegni ostane dva, jedno potegni ostane jedno, jedno potegni neima nijednog.“ (Dieses Leiden hat neun Augen, zieh’ eins ab, bleiben acht, zieh’ eins ab, bleiben sieben, zieh’ eins ab, bleiben sechs, zieh’ eins ab, bleiben fünf, zieh’ eins ab, bleiben vier, zieh’ eins ab, bleiben drei, zieh’ eins ab, bleiben zwei, zieh’ eins ab, bleibt eins, zieh’ eins ab, bleibt keines.) Hierauf wird mit einem Hammer auf die schmerzende Stelle geschlagen und folgende Formel gesagt: „Pogana poganice, odlazi iz kosti u potok, gdje pijevac ne pjeva, gdje prekljaca ne lupa, da istjeras muku iz kosti u meso, iz mesa u kozu, iz koze na dlaku“. (Böser Knochenschmerz, geh’ aus dem Knochen in den Bach, wo kein Hahn kräht, wo kein Waschschlägel klopft, damit du austreibst das Leiden aus dem Knochen ins Fleisch, aus dem Fleisch in die Plaut, aus der Haut ins Haar.) Jetzt wird die schmerzende Stelle wieder geschlagen und der Kranke drei- mal angehaucht. Gegen das Verschreien wird aber nur die Abzählung allein verwendet, ohne Hinzu- fügung einer Formel. Schliesslich sei noch ein Mittel erwähnt, welches aber nur sehr selten verwendet werden dürfte. In unangegänztes Wasser wird etwas Edelraute gegeben und durch eine Nacht ins Freie gestellt. Zeitlich früh, mit dem ersten Hahnenschrei nimmt der Verschrieene das Gefäss mit dem Wasser und steigt auf eine Leiter. Auf jeder Sprosse nimmt er einen Schluck und wiederholt Das dreimal. Mit dem Reste des Wassers muss sich der Patient abwaschen. IV. Ueber das Entsetzen (Strava). Bekannt ist, dass die heftige und plötzliche Gemüthserschütterung, welche gemein- hin als Erschrecken oder Entsetzen bezeichnet wird, verschiedenartige leichtere und schwerere Nervenstörungen verursachen, ja sogar in seltenen Fällen durch sogenannten Shok, d. li. durch plötzliche Lähmung der Gefässnerven, also vor Allem der des Herzens, den Tod herbeiführen kann. Diese Thatsache, so selten sie nun auch wirk- lich eonstatirt werden kann, ist dennoch der Volksbeobachtung nicht entgangen; nur ist sie im Geiste der Volksmedicin zu einer alltäglichen Erscheinung geworden. Die „Strava“ ist nach dem Volksglauben ähnlich wie das Verschreien und der Geister- schlag Krankheitsursache und Krankheit zugleich. Letztere ist aber, wie alle anderen fictiven Krankheitsbilder der Volksmedicin, in ihren Erscheinungen recht inconstant und variabel. 406 II. Volkskunde. Man stellt sich nämlich vor, dass dem Erkrankten irgend ein Thier oder irgend eine andere Erscheinung plötzlich und blitzartig in drohender Gestalt vor den Augen vorbeifliegt, worüber er sich so entsetzt, dass er erkrankt. Säuglinge und Kinder werden am häufigsten von der Strava heimgesucht, doch sind ihr auch Erwachsene, wenngleich seltener, ausgesetzt. Im Ganzen und Grossen kann man zwei Krankheitsformen der Strava aufstellen, die nervöse und die Darmform. Die Erstere tritt hei Kindern zumeist als die soge- nannten Fraisen1) (djecinjak, trzavica) und als Epilepsie (goropascina), hei Erwachsenen aber als acute Geistesstörung oder als heftiger Kopfschmerz auf. Schwäche in den Gliedern, namentlich Zittern in den Füssen, dunkle Ringe um die Augen und Auf- schrecken aus dem Schlafe sind gleichfalls Erscheinungen des Entsetzens. Die Darm- form trägt an sich das Gepräge des chronischen, zur Entkräftung führenden Durchfalles. Ein von Fraisen heimgesuchtes Kind darf, insolange die Krämpfe anhalten, nicht angerührt oder genährt werden: höchstens darf man ihm einen in Essig getauchten Lappen unter die Nase halten. Sowie die Krämpfe nachlassen, muss man dem Kinde vor Allem den Speichel vom Munde wegwischen und dann in Essig getauchte Lein- wandlappen auf das Haupt und den Nabel legen. Erst wenn die Krämpfe durch längere Zeit aussetzen, darf die Mutter dem Säugling die Brust reichen. Bei der Darmform wird Edelraute vor Sonnenaufgang gesammelt, gestossen, mit etwas Wasser gemischt und dieses durch einen reinen Leinenlappen geseiht. Der Flüssigkeit setzt man hierauf etwas Honig und Zucker zu und stellt sie dann auf 24 Stunden an das Licht und die Luft. Dieses Medicament wird dem kranken Kinde zwei bis drei Tage nach- einander eine Stunde vor Sonnenaufgang eingegeben. Erwachsene bekommen mit Zucker zerstossene Blätter der Raute durch mehrere Tage als Arznei, oder das Wasser, in welchem die Blätter der „stravna trava“ ein- geweicht wurden. Diese Pflanze (eine Schlingpflanzenart) wird überhaupt gegen alle Formen des Entsetzens in verschiedener Zubereitung gegeben. Sic wird auch als pro- phylaktisches Mittel «zur Vorbeugung gegen das Entsetzen Schwangeren, Wöchnerinnen und Säuglingen verabreicht. Nach dem Volksglauben ist der vom Entsetzen heimgesuchte Kranke kürzer ge- worden (skratio je), was durch eine unter entsprechenden Cautelen ausgeführte Messung, die man „urezivanje krajcice“ nennt, constatirt wird. Der Kranke legt sich mit dem Gesicht nach unten auf die Erde, streckt die Füsse und breitet die Arme aus. Der Messende nimmt nun ein Gerstenkorn, theilt es in vier gleiche Theile und legt den einen Theil unter die rechte Hand, den anderen unter den linken Fuss, den dritten unter die linke Hand und den letzten unter den rechten Fuss. Nun wird der am Boden Liegende mit einem Gespinnstfaden auf folgende Art kreuzweise (u nakrst) gemessen. Das eine Fadenende wird an die Spitze des rechten Mittelfingers, das andere an die Spitze der linken grossen Zehe angelegt, wobei der Faden gut gespannt wird, hierauf legt man das Fadenende, welches die Spitze des rechten Mittelfingers berührt hat, an die Spitze des linken Mittelfingers, und das Ende, welches früher mit der Spitze der linken grossen Zehe in Berührung kam, an die Spitze der rechten grossen Zehe und spannt den Faden wieder so an, wie beim Abnehmen des ersten Masses. Zeigt sich nun eine Differenz zwischen dem ersten und dem zweiten Masse, so ist der Gemessene durch das Entsetzen erkrankt, respective er leidet an Entsetzen; sind die Masse gleich, so ist die Krankheit durch eine andere Ursache entstanden. J) Vgl. oben S. 376. Glück. Skizzen aus der Yolksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 407 Ist bei dem Kranken die Strava constatirt, so wird der Faden in neun gleiche Theilc zerschnitten und auf den nächsten Kreuzweg geworfen. Die vier Viertel des Gerstenkornes werden nun in derselben Reihenfolge, wie sie gelegt wurden, mit einem Besen in die vier Weltgegenden weggekehrt und dabei die Formel: „Bjezi strava ubosce te krava“ wiederholt. Ebenso werden vier kleine Ruthen des Besens in alle vier Weltgegenden geworfen. Ist diese Manipulation beendet, so erhebt sich der Ge- messene und geht fort, ohne sich umzuschauen oder auf dem Heimwege mit Jemandem zu sprechen. Die durch Entsetzen Erkrankten wissen in der Regel nicht, wovor sie sich ent- setzt haben, und da die Volkspathologie von dem Grundsätze ausgeht, dass mit dem Erkennen der Krankheitsursache sehr häufig auch die Krankheit selbst behoben wird, so erscheint es selbstverständlich, dass man in jedem Falle den Erreger des Entsetzens zu erforschen trachtet. Dieses Ziel erreicht man durch das sogenannte Bleigiessen (saljevati stravu). Eine bereits ausgeschossene Gewehrkugel wird auf einem Zinnlöffel über Holz- kohlen geschmolzen. Der in der Nähe hockende Kranke wird inzwischen mit einem Leintuch oder einem Mantel überdeckt und vor ihn eine thönernc Schüssel mit „un- angegänztem“ Wasser gestellt. Das flüssige Blei wird nun rasch in das Wasser ge- schüttet. Nachdem die Dämpfe, welche der Kranke einathmen muss, verflogen sind, schaut der Bleigiesser auf den Grund des Gefässes und erkennt aus der Form, welche nun das gestockte Blei angenommen hat, den Erreger des Entsetzens. Glaubt der Volksarzt in der Bleiform z. B. ein Pferd zu erkennen, so lässt er den Kranken entkleiden, reibt ihn mit einem Hafersack ab und wirft denselben auf das Dach des Hauses, wo er bis zum Sonnenaufgänge des nächsten Tages liegen muss. Inzwischen ist der Kranke bereits genesen. In manchen Gegenden wird von dem Bleigiesser während des Ausgiessens des Bleies folgende Formel in einem Athem dreimal wiederholt: „Bjezi stravo! goni te materina para i oceva sila u sivo kljuse, u razevu slamu, u trulu panjinu!“ (Heb’ dich weg, Entsetzen! Es jagt dich der Mutter Hauch und des Vaters Kraft in ein graues Pferd, ins Roggenstroh, in einen vermoderten Stamm !) Der Kopfschmerz infolge der Strava wird durch folgenden „Zapis“, den man als Amajlija dem Kranken in die Kappe einnäht, behoben: „Adama zaboljela glava; Adam predade Evi, Eva predade zmiji, zmija predade jabuci, jabuka predade suncu, sunce predade moru, more predade vjetru a vjetar raznese.“ (Adam hat Kopfweh bekommen, Adam übergab’s der Eva, Eva übergab ’s der Schlange, die Schlange übergab’s dem Apfel, der Apfel übergab’s der Sonne, die Sonne übergab’s dem Meere, das Meer über- gab’s dem Winde, und der Wind trug ’s auseinander.) Gleich günstiger Erfolg wird von den Muhammedanern der folgenden Formel nachgerühmt; jedoch muss sie dreimal wiederholt und der Kranke jedesmal angehaucht werden : Oli udarcu, oh pogancu, Hajd’ otale udarcino, Na najvisu planinu, Na debelu Vlahinju, Gdje vö ne buce, Gdje krava ne rice, Gdje ovea ne bleei, Gdje koza ne dreci, Gdje oroz ne pjeva, Gdje kokos ne kekoce. O du Schlag’, o du Schmerz, Heb’ dich weg, du Schlag, Auf die höchste Alpe, Auf die dicke Serbin, Wo kein Ochse brüllt, Wo keine Kuh brüllt, Wo kein Schaf blökt, Wo keine Ziege meckert, Wo kein Hahn kräht, Wo keine Henne gackert. 408 II. Volkskunde. Ich besitze noch eine höchst originelle Formel aus der Umgehung von Foca, welche die Kraft besitzt, alle Formen der Strava untrüglich zu beheben, eine wahre Panacee; leider kann ich dieselbe aber wegen ihres zu ausgeprägten Naturalismus liier nicht wiedergehen. V. Zur Kenntniss der Yolksgclmrtsliilfc. Bei dem unter den Südslaven im Allgemeinen und speciell in der Bevölkerung Bosniens und der Hercegovina so stark ausgeprägten Familiensinne ist es selbstver- ständlich, dass die Ehelosigkeit recht selten angetroffen wird. Nur von der ersten Jugend auf moralisch oder geistig ganz defecte oder auffallend verkrüppelte Individuen sind (zum Glücke für die Gesundheit der Nachkommenschaft) zu einem unfreiwilligen Cölibate verurtheilt. Der Junggeselle, namentlich der ältere, wird mit einer gewissen Geringschätzung angesehen. Wer sich keinen eigenen Hausstand gründet, ist kein ganzer Mann; und als unglücklich gilt das Mädchen, welches nicht unter die Haube kommt. Hat sich ein Paar zusammengefunden und das Feuer auf dem eigenen Herde ent- zündet, so ist es selbstverständlich, dass es dem Segen Gottes in Form einer recht zahl- reichen Kinderschaar entgegensieht. Der Kindersegen ist hei der einheimischen Bevölkerung zwar nicht der Haupt- zweck der Ehe wie bei den Juden, trotzdem betrachtet man Kinderlosigkeit als ein Unglück, dem man auf jede mögliche Weise abzuhelfen bemüht ist. Die Sterilität der Ehe wird im Occupationsgebiete, wie überall, am häufigsten der Frau zugeschrieben; man sucht aber die Ursachen derselben meist nicht in pathologi- schen Veränderungen der Geschlechtsorgane oder in anderen die Unfruchtbarkeit be- dingenden Krankheiten, sondern in übernatürlichen Einflüssen. Sie ist entweder eine Heimsuchung Gottes oder die Folge einer Verhexung oder endlich das Resultat der Einwirkung böser Dämonen. Die zur Behebung der Unfruchtbarkeit verwendeten Mittel verfolgen daher den Zweck, die angenommene Ursache zu beseitigen. Die Serbinnen pilgern nach Cajnica, wo sich ein Gnadenbild der Muttergottes befindet, um dort die Gebete für den Kindersegen zu verrichten. Die Katholikinnen lassen fleissig Messen lesen; die Muhammedanerinnen lassen sich wahrsagen und ver- schaffen sich Amulete; die Spaniolinnen suchen bei ihren Rabbinern oder bei Hodzas Hilfe; alle zusammen aber wenden ausserdem noch eine ganze Reihe volksmedicinischer, sympathetischer oder anderer Mittel an, von denen sie den heiss ersehnten Erfolg erwarten. Will man erforschen, ob eine Frau überhaupt conceptionsfähig sei, so gebe man ihr, ohne dass sie die Absicht kennt, früh Morgens ein Glas warmes Wasser, in dem etwas Lab (sirisce) vom Hasen aufgeweicht wurde, zu trinken. Verspürt sie darauf Schmerzen ini Unterleibe, so wird sie gebären, wenn aber nicht, so wird sie unfruchtbar bleiben. Als befruchtungsfördernd werden empfohlen: saure Milch, in der Blätter vom Dillenkraut (Kopar, Anaethiun graveolens) eingeweicht wurden, und der Genuss des Dillenkrautcs selbst. Dieses Mittel ist durch mehrere Tage Früh und Abends zu nehmen.1) *) Fructus Anaethi wurde früher in der Medicin als schweiss- und harntreibendes Mittel verwendet. Jetüt ist es ganz obsolet. Die Mittel aus dem Pflanzen- und Thierreiche, sowie die Angaben, wie diese herzustellen und zu gebrauchen sind, wurden mehreren älteren handschriftlichen Receptbüchern entnommen, welche mir meine verehrten Freunde Fra Jerko Barbaric und Fra Mijo Batinic zur Benützung gütigst überliessen. Es sei mir hier gestattet, beiden Herren hiefür meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Glück. Skizzen aus der Volksmediein in Bosnien und der Hercegovina. 409 Vier Tage nach der Menstruation darf kein Beischlaf geübt werden; am Abend des fünften Tages soll die Frau ein kleines Glas voll des aus frischem Königssalbei (Modra Kadulja, Salvia hortensis) gewonnenen Saftes trinken und eine Viertelstunde darauf coitiren. Wiederholt sie dies mehrmals nach einander, so wird sie, wie ver- sichert wird, Kinder haben.1) Kann eine Frau infolge einer Verzauberung nicht concipiren, so soll der Geistliche über Johanneskraut (Gospina trava, Hypericonum) den Segen sprechen. Dieses Kraut ist dann zu kochen und durch einige Tage in der Frühe zu trinken. Ausserdem soll die Frau diese Pflanze bei sich tragen.2) Nächst diesen dem Pflanzenreiche entnommenen Mitteln werden als befruchtungs- fördernd noch empfohlen: Eine Suppe von einem alten Hahn, die getrocknete, gebackene und gepulverte Hoden eines Ebers enthält, oder gewöhnliches Trinkwasser, in dem sich etwas Pulver von der gereinigten und getrockneten Gebärmutter einer Häsin befindet. Beide Mittel sind durch längere Zeit zu gebrauchen.3) Noch eigenthümlicher in der Form, dem Geiste der Volksmediein aber ganz ent- sprechend sind die Mittel, welche die im vorausgehenden Aufsatz (S. 383 ff.) von Dr. Truhelka veröffentlichte handschriftliche Sammlung bosnischer Heilmittel aus dem Jahre 1749 enthält, und die im Volke noch vielfach verwendet werden. Am ersten Sonntag nach dem Neumond (mlada nedelja) soll die unfruchtbare Frau bei Sonnenaufgang auf einen Weidenbaum klettern, drei in einem Fruchtzapfen der Heckenrose gefundene Würmer verschlucken und dreimal hersagen: „Die Sonne wird hinter dem Berge untergehen, und ich werde schwanger werden“ (sunce zadje za brdo a ja zadjo u breme). Im Miste eines unbekannten (?) Hengstes soll die Frau ganze Gerstenkörner aufsuchen, dieselben aussäen und sowie sie aufgehen, drei derselben auf- essen. Die kinderlose Frau soll einer Schwangeren durch einen Zaun aus dem Munde in den Mund gesäuertes Brod geben; so wird sie Kinder bekommen. Ueblichkeiten, Erbrechen und abnorme Gelüste sind die ersten Zeichen, welche auf den Eintritt der Schwangerschaft hindeuten; erhärtet wird diese Annahme noch durch ein bereits von Dr. V. Gjorgjevic in seiner „Narodna medicina u Srba“ ange- führtes Experiment, welches darin besteht, dass die angeblich Schwangere durch drei Abende eine vor die Thür gestellte Hacke nass macht und in der Früh nachschaut, ob an der Hacke sich Rostflecken zeigen. Sind solche da, so unterliegt die Schwanger- schaft keinem Zweifel. Wenn der Mensch überhaupt von einer ganzen Schaar von Feinden seines eigenen Geschlechtes und von bösen Geistern umgeben ist, die ihm das Dasein, Avie und wo sie nur können, verbittern, so vermehrt sich dieselbe noch vielfach einer schwangeren Frau gegenüber. Böse Weiber gönnen ihr nicht das Glück und versuchen sie zu ver- zaubern oder zu verschreien; feindliche Geister, wie die verschiedenen „Vile“ oder „Djin’s“, legen ihr die verschiedensten Hindernisse in den Weg, um ja nur einen b Salvia officinalis war bereits in der Hippokratischen Mediein vielfach verwendet. Sie enthält nach den neueren Untersuchungen einen Gerbstoff, mehrere sauerstoffhaltige ätherische Oele und einen bitteren Extract. Die ätherischen Oele dieser Pflanze wirken psychisch erregend, erhöhen die Pulsfrequenz, rufen das Gefühl der Hitze hervor irnd reizen die Scliweissdriisen zur erhöhten Thätigkeit. Jetzt wird sie in der Mediein noch hie und da zu Mund- und Gurgelwasser mit Alaun etc. gebraucht. 2) Diese Pflanze findet in der wissenschaftlichen Mediein keine Verwendung. 3) Das Vorurtheil, dass der Genuss der Geschlechtsorgane gewisser Thiere die Conceptionsfäliigkeit der Frauen befördert, ist weit über die Grenzen Bosniens und der Hercegovina verbreitet und herrscht selbst unter den aufgeklärtesten Völkern. Augenscheinlich hat das in der Volksmediein seit Jahrhunderten bekannte „similia similibus“ auch hier den Anstoss zur Verwendung dieser Mittel gegeben. 410 II. Volkskunde. Abortus herbeizuführen. Nur der Satan verliert - einer Schwangeren gegenüber seine Macht; denn sie ist durch den Segen Gottes, welchen sic unter dem Herzen trägt, geheiligt. Der ganze Schatz der Schutzmassregeln gegen das Verschreien (uroci), das Ver- j zaubern (cini), den Geisterschlag (ogramak) wird nun in Form der verschiedensten Zierate als Ablenkungsmittel, als Amulete und Talismane aufgewendet, um die Schwangere vor Schaden zu schützen. In der Nacht darf eine Schwangere nie allein das Haus verlassen; 'muss sie es aber doch thun, so darf sie nicht vergessen, ein Stückchen Brot unter der rechten Achsel mitzunehmen, sonst wird sie das Opfer eines bösen Zaubers. Eine zarte Rücksicht für. die schwangere Frau leuchtet aus dem allgemein im Lande verbreiteten Brauche hervor, derselben keinen erfüllbaren Wunsch zu versagen, wenn man sie nicht der Gefahr einer Fehlgeburt und sich der Unannehmlichkeit eines sogenannten Gerstenkornes am Auge (Hordeolum) aussetzen will. Bei den Spaniolen darf man von den Speisen, die man der Schwangeren nicht verschaffen kann, gar nicht reden; lobt man in ihrer Gegenwart eine solche Speise, so findet sich gleich Jemand, der derselben Geschmack und Nahrhaftigkeit abspricht und ihr alle möglichen Kehr- seiten andichtet. Doch nicht nur der eigenen Gesundheit wegen muss sich die Frau mit einem Walle von Schutzmassregeln umgeben, sondern auch mit Rücksicht auf das Kind, das sie unter dem Herzen trägt. Eine Schwangere darf keinen garstigen Menschen, noch absonderliche Thiere anschauen, wenn sie nicht will, dass das Kind ihnen ähnlich sei, sie darf nicht zuschauen, wie man ein Schaf etc. schlachtet, sonst wird das Kind an Athembeschwerden leiden und die Brust nicht nehmen wollen, sie darf aber auch nicht über das Blut eines geschlachteten Thieres schreiten, weil das Kind davon Muttermale am Körper haben würde. Sie darf keinen Hasen, Fuchs oder Bären sehen, denn im ersten Falle würde das Kind keinen Schlaf haben, im zweiten würde es häufig an kaltem Fieber leiden und im letzten Falle würde es schwer gehen lernen. Kehrt sie die Küche aus, so muss sie sich hüten, ein Fünkchen Feuer mit aus- zukehren, weil das Kind sonst an Krämpfen leiden würde. Feuer darf eine Schwan- gere nicht sehen, sonst bekommt das Kind rotlie Muttermale; nach Anderen würde es an „ziva vatra“ (ein acutes Eczem) leiden. Stiehlt eine Schwangere etwas und ver- steckt sie es am Körper, so bekommt das Kind an der entsprechenden Stelle ein Muttermal.1) Eine schwangere Frau soll das nach dem (orientalisch-orthodoxen) Gottesdienste an Sonn- und Feiertagen herumgereichte Kreuz nicht küssen, weil sonst das Kind an Epilepsie leiden würde. Hat die Frau das Glück, schwanger zu werden, so wünscht sie sich einen Knaben; dieser Wunsch, den selbstverständlich die ganze Familie theilt, wird um so sehnlicher, wenn sie bereits ein oder gar mehrere Mädchen geboren hat. Die Weiber glauben nun aus verschiedenen Anzeichen während der Schwangerschaft auf das Geschlecht des erwarteten Kindes scliliessen zu können. So behauptet man, dass das Kind ein Knabe sein werde, wenn die Schwangere die ersten Bewegungen der Frucht (im fünften Schwangerschaftsmonate) rechts verspürt, wenn der Unterleib mehr in der Breite als nach vorne sich vergrössert und wenn die Warzen der Brustdrüsen schwarz werden. Sind alle diese Erscheinungen nicht genügend ausgeprägt und kommt der weibliche ; J) Vgl. Band I, S. 421 f. u. 437. Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 411 Familienrath zu keinem endgültigen Entschlüsse, so überlässt man die Entscheidung dem Zufalle. Ohne Wissen der Schwangeren versteckt man unter den Polstern und an den entgegengesetzten Enden des „Minders“ eine Scheere und ein Beil; setzt sich die Schwangere in der Nähe des Beiles, so bekommt sie einen Knaben, im anderen Falle aber ein Mädchen. Zahlreich sind die Praktiken, welche angewendet werden, um von einer Frau, die schon wiederholt Mädchen geboren hat, fernerhin männliche Nachkommenschaft zu er- halten. Man bettet die Wöchnerin gleich nach der Entbindung auf Heu, man wirft die Nachgeburt (posljedak) in einem Strumpfe des Mannes ins Wasser, oder man zerreisst sie in vier Theile (Travnik), man wickelt das Neugeborene in die Unterhosen des Vaters ein; dem Pathen (Kum) wird nach der Taufe die Kappe gewendet, den Gästen werden die Opanken so umgestellt, dass die rechte für den linken Fuss und die linke für den rechten Fuss vorbereitet ist, oder man wechselt den Pathen (was bei den Orientalisch- Orthodoxen nur selten ohne triftigen Grund geschieht). Ist die erste Arbeit, die die Frau nach dem Wochenbette unternimmt, eine Frauenarbeit, so wird das nachfolgende Kind ein Mädchen sein, ist es aber zufällig eine solche Arbeit, die gewöhnlich nur Männer verrichten, so bekommt sie einen Knaben. Hieher gehört auch der Rath, den der unbekannte Volksarzt, dessen Arzneischatz Dr. Truhelka veröffentlicht hat, der Frau, welche nur Mädchen gebiert, ertheilt: sie solle während der Menstruation aufs Feld gehen, dort einen PÜug, mit dem soeben ge- ackert wurde, aufsuchen, auf die Deichsel steigen, und indem sie gegen die Schare geht, dreimal hinter einander sagen: „Ein Ochs nach dem andern, ein Sohn nach dem anderen“ (vo za volom, sin za sinom“). Wie bereits erwähnt, wird eine frühzeitige Unterbrechung der Schwangerschaft in den meisten Fällen nicht auf ihre natürlichen, in der Constitution der Schwangeren oder in localen Krankheiten liegenden Ursachen, sondern auf die Einwirkung übernatürlicher feindlicher Kräfte zurückgeführt. Selbstverständlich wird ein Abortus als Familienunglück betrachtet und tief be- trauert. Das Unglück ist um so grösser, weil die auch wissenschaftlich festgestellte Thatsache, wonach Frauen, bei denen die erste Schwangerschaft frühzeitig unterbrochen wurde, in vielen Fällen später abortiren oder ganz unfruchtbar bleiben, dem Volke bekannt ist und daher die Furcht naheliegt, dass die Frau keine lebensfähigen oder überhaupt gar keine Kinder mehr zur Welt bringen werde. Geht eine im Mutterleibe abgestorbene Frucht nicht selbst ab, so gibt man der Frau ein Gemenge von Hundemilch mit Honig1) oder einen aus Weisswein und Ca- millen2) ( Matricaria chamomilla) bereiteten Tliee oder schliesslich eine Abkochung, die aus süssem Wein, frischer Butter und Pfeffermünze3) ( Mentlm piperita) besteht, 1) Der Honig wird in der Volksmedicin auch ausserhalb des Occupationsgebietes viel verwendet; die wissenschaftliche Medicin, namentlich die jüngeren Datums, hat seinen Gebrauch sehr beschränkt, und derselbe ist jetzt nur ein Bestandtheil sehr weniger Medicamente. 2) Die Matricaria chamomilla, welche in der alten Schulmedicin sehr viel gebraucht wurde, und von der man glaubte, dass sie die Menstrualblutung befördere, wird jetzt mehr als sogenanntes Hausmittel verwendet. Sie wirkt schweisstreibend und etwas krampfstillend. 3) Mentha piperita ist durch ihren Oelgehalt, sowie durch das Menthol ausgezeichnet; sie wirkt in gewissen Fällen verdauungsfördernd und lindert kolikartige Schmerzen. Als Hausmittel wird die Mentha sehr geschätzt. 412 II. Volkskunde. zu trinken. Diese Mittel sollen den Zweck haben, den Abgang der Frucht zu be- werkstelligen. Hat eine Frau insofern Unglück mit den Kindern, dass diese ihr in der ersten Zeit nach der Geburt sterben und sie dann durch mehrere Jahre nicht schwanger wird, so sucht sie mit der Hebamme, das ist mit jenem Weibe, welches die Nabelschnur ihres letzten Kindes abgeschnitten hat, das Grab des verstorbenen Kindes auf und trinkt durch den Hemdärmel derselben drei Schluck Wasser. Lässt dieses Mittel sie im Stiche, so glaubt man, dass das Verstorbene im Grabe schlecht liege, und trachtet es, nachdem das Grab eröffnet worden, durch Anziehen der unteren Gliedmassen zurecht- zulegen. Stirbt das Erstgeborene, so darf man ihm nichts Neues ins Grab geben, sondern muss es in alte Fetzen einwickeln, sonst würden die nachfolgenden Kinder auch nicht lange leben. Um in einer Familie, der bereits mehrere Kinder gestoi’ben sind, das Neu- geborene zu erhalten, zieht man es dreimal durch das Rauchloch (badza) und legt es dann für einen Moment in den Kessel, welcher über dem offenen Herde an einer Kette hängt, oder man zieht es dreimal durch den abpräparirten Rachen (zijev) eines Wolfes, dem man halblebend die Haut abgezogen hat. Das Abwägen eines Neugeborenen und die Geheimhaltung seines Gewichtes ist gleichfalls ein Mittel, das Kind am Leben zu erhalten. Dieses Mittel wird gewöhn- lich vom Vater des Kindes ohne Vorwissen der anderen Verwandten angewendet. Die Muhammedanerinnen lassen sich, wenn ihnen bereits mehrere Kinder ge- storben sind und wenn sie wieder schwanger werden, von einem Hodza Zauberknoten knüpfen. Man nimmt Seide in sieben verschiedenen Farben, schlichtet sie und macht unter Gebeten mit den auf dem Rücken gehaltenen Händen sieben Knoten,- diese ge- knüpfte Seide muss die Frau bis zur Geburt des Kindes bei sich tragen. Wie glücklich und stolz auch die Frau ist, wenn sie schwanger geworden, so trachtet sie doch ihren Zustand thunlichst lange zu verheimlichen, weil sie, namentlich die zum ersten Male Schwangere, dadurch einerseits den Neckereien ihrer Umgebung so lange als möglich entgeht und andererseits den Neid des bösen Auges und die Zauberei ferne halten will. In manchen Gegenden des Occupationsgebietes haben die Bäuerinnen die Gewohn- heit, gleich nachdem sie die ersten Wehen verspüren, sich in einen Winkel des Hauses zu verkriechen und erst dann wieder zum Vorschein zu kommen, wenn sie entbunden sind und das Kind selbst „abgenabelt“ haben. Das Bestreben, den Geburtsact wenig- stens vor den Männern im Hause geheim zu halten, tritt in Bosnien überall auf dem Lande zu Tage. Sowie die Frau nur die Wehen verspürt, werden die Männer unter allen möglichen Vorwänden aus dem Hause entfernt. Der Mann soll sich überhaupt in diese weibliche Angelegenheit nicht mischen. Die Gebärende macht, so lange es nur möglich ist, Bewegung und sucht bei normalen Geburten, gewöhnlich erst im Momente, wo sie glaubt, dass das Kind zur Welt kommt, das Lager auf, um dort entweder stehend, hockend oder auch knieend zu gebären.1) Liegend gebären meines Wissens in Bosnien und der Hercegovina nur die Spa- niolinnen. Das als Hebamme fungirende Weib hält die Hände hin, um das Kind vor b Auf den ersten Blick erscheinen diese Arten zu gebären auffallend; bedenkt nnan jedoch, dass dabei neben den als Wehen zum Ausdrucke gelangenden Zusanunenzieliungen der Gebärmutter auch die Schwere des Kindes mitwirkt, so kann man vom ärztlichen Standpunkte gegen dieses Herkommen nicht die mindeste Einwendung erheben. Glück. Skizzen ans der Volksmedic.in in Bosnien und der Herceg’ovina. 413 dem Fall zu schützen, und entfernt es gegen vorne von der Mutter: „da mu sreca Lude napriedna.“ Hierauf wird das Kind, nachdem die Nabelschnur mit einem Endchen Seide oder Wolle unterbunden ist, mit einem Messer oder einer Sichel abgeschnitten. Die Scheere ist verpönt, weil sonst die folgenden Kinder Mädchen wären. Die Nachgeburt wird in ein lliessendes Wasser geworfen oder, wo kein solches ist, vergraben. Nun wird der Wöchnerin das Lager auf Heu hergerichtet, das Kind mit warmem Seifenwasser abgewaschen und bekleidet und die Wöchnerin mit Brannt- wein (rakija), bei den Muhammedanern auch mit schwarzem Kaffee, Fleisch und Mehl- speise (pita) gekräftigt.1) Verzögert sich die Geburt aus irgend welchem Grunde, so heizt man vor Allem das Zimmer und befiehlt der Kreisenden, in der Nähe des warmen Ofens, respective des Feuers, Bewegung zu machen. Mit einer Holzhacke in der rechten und einer Spindel in der linken Hand läuft sie auf und ab;2) hilft das nicht, so werden Eier in der Schale gekocht und das Wasser zum Trinken gegeben, oder es wird der Frau un- versehens ein rohes Ei auf den Nacken gelegt, damit es längs des Rückens herabrolle (Gorazda, Cajnica). Zum Trinken bekommt sie entweder Wasser, welches Pulver von gebranntem und gereinigtem Hanf enthält, oder ein Deeoct von Gartenminze mit Honig oder schliesslich ein Gemenge von geschabter Seife und Oel, welches mit einem Eibisch- wurzelabsud verdünnt und theilweise gelöst ist.3) Frische Edelraute auf den Unterleib gelegt, soll gleichfalls ein gutes geburtsbeförderndes Mittel sein. Von sympathetischen Mitteln seien hier noch einige erwähnt. Das Aufreissen des vorderen Hemdeschlitzes, das Lösen aller Knöpfe an den Kleidern und der Haarflechten der Kreisenden, das Bestreichen des Unterleibes mit den Zipfeln der Tücher, welche sich Frauen, die bereits geboren haben, um den Leib gebunden haben (Travnik), ein leichter Schlag mit dem Gürtel eines Mädchens auf das Kreuz der Gebärenden, wobei: „lakse ti bilo nego moj päs“ zu sagen ist, das Lösen der Zöpfe eines Mädchens über der Kreisenden (Foca), das Auflegen eines Kammes auf den Unterleib, ein Schluck Wasser aus der Besekuhung des Mannes, das Lecken der Asche von einer Holzschaufel (Glamoc) und schliesslich das Streuen von Nüssen zwischen die Beine der Gebärenden, wahrscheinlich als Lock- mittel für das Kind, welches sic-h mit denselben spielen soll. Dauert die Geburt schon recht lange und beginnt man an dem glücklichen Ab- lauf derselben Zweifel zu hegen, so wendet man andere Mittel an. Ein Stein wird erwärmt, mit Oel begossen und in die Nähe der Geschlechtstheile gelegt, ein Topf warmen Wassers wird in dieselbe Gegend gestellt,4) man massirt den Unterleib und das Kreuz, um die Wehen anzuregen, man wickelt die Kreisende in eine Decke und schüttelt sie mehrmals nacheinander tüchtig, um das Kind in die richtige Lage zu bringen, man schiesst in ihrer Nähe unverhofft ein Gewehr ab, um durch Schreck das Nervensystem anzuregen. Sieben Körner vom Mutterkorn in schwarzem Kaffee werden *) Dass die einheimischen Frauen in der Regel leicht gebären, ist eine allgemein bekannte That- sache; wenn aber trotzdem die Todesfälle im Wochenbett (n poradjaju) recht häufig sind, so kann man dies zum grossen Theile dem Umstande zuschreiben, dass sich die Wöchnerinnen in diätetischer Beziehung absolut nicht schonen. 2) Diese Massregel, welche ich selbst seinerzeit in Foca gesehen habe, wurde mir dahin gedeutet, dass man das Kind anlocken will. Ist es nämlich ein Knabe, so wird es der Hacke, ist es ein Mädchen, so wird es der Spindel nachlaufen. 8) Dieses Mittel scheint den Zweck zu haben, Uebliehkeiten und Erbrechen zu verursachen und so die Bauchpresse stark anzuspannen. 4) Diese Dunstbäder sind gut gemeint; ein warmes Sitzbad zur richtigen Zeit, vor dem sogenannten Blasensprung, würde schneller wirken. 414 II. Volkskunde. sehr geloht,1) doch recht selten gegeben. Geschabter Meerschaum im Wasser wird bei den Muhammedanern häufig gebraucht.2) Ist die Notb sehr gross, so lässt man bei den Muhammedanern beide Thüren der nächsten Dzamia öffnen, gibt den Armen Almosen und füttert herrenlose Hunde. Von den ausserordentlich vielen Amuleten, die angewendet werden, kenne ich leider nur zwei, die aber sehr wirksam sein sollen, und zwar die ersten vier Sätze der 84. Sure, welche auf den Unterleib gebunden werden, und das folgende Amulet, von welchem der Kreisenden je ein Exemplar in die Hände gegeben wird. 2 7 2 • 8 7 7 2 9 7 Ein Schluck Wassers vom heiligen Brunnen Abu zemzem3) und ein Stückchen angezündeter Kerze vom Grabe Mohammeds sind die ultima refugia in Geburtsnöthen bei Muhammedanerinnen. Bei den Spaniolinnen wird gleich bei dem Eintritte der ersten Wehen ein kleiner Betrag als Almosen gespendet und eine Schale Oel, nachdem sich die Kreisende in demselben wie in einem Spiegel angeschaut hat, in den Tempel geschickt. Zieht sich die Geburt in die Länge und fürchtet man, dass die Gebärende zu Grunde gehen könne, so vergräbt man ihre Kopfbedeckung im Grabe eines verstorbenen Anverwandten, liest vor ihr den Wochenabschnitt aus dem Buche der Propheten, öffnet die Bundeslade im Tempel oder lässt schliesslich über ihrem Bette den sogenannten Schofar blasen.4) Ausser diesen specifisch spaniolischen werden selbstverständlich auch die Mittel, welche bei andersgläubigen Frauen gebraucht werden, angewendet. Ist endlich das Kind geboren, abgenabelt und abgewaschen (bei reicheren Muhammedanern wird das Kind auch mit Bärenfett eingerieben, damit es stark werde) und geht die Nachgeburt nicht gleich ab, so erhält die Wöchnerin eine Schale Oel zu trinken, oder man lässt sie in eine Flasche blasen; hilft das nicht, so wird der Unterleib massirt,5) oder die Gebärende wird gebäht. Dieser Geburtsact macht aber der Bevölkerung nur wenig Sorge, und sie über- lässt die Austreibung der Nachgeburt der Natur, indem sie denkt: ist das Kind heraus, so muss auch die viel kleinere Nachgeburt den Ausgang finden. Die Nachgeburt wird, 1) Das Mutterkorn ( Secale cornutum) ist, bereits im Alterthum als wehenerregendes Mittel bekannt gewesen und wird auch heute in der Geburtshilfe vielfach mit sehr gutem Erfolge angewendet. Dieses heroische Mittel kann aber, unrichtig angewendet, auch sehr gefährlich werden. 2) Wie der Meerschaum wirken soll, ist mir unerklärlich; auf die Wehenthätigkeit. hat er sicher nicht den mindesten Einfluss. 3) Es soll das derselbe Brunnen sein, den ein Engel der vertriebenen Hagar in der Wüste zeigte, als ihr Sohn Ismael dem Verschmachten nahe war. Jeder Mekkapilger bringt bekanntlich wenigstens eine Flasche dieses wunderthätigen Wassers nach Hause, um gegen alle Eventualitäten damit versorgt zu sein. 4) Schofar ist ein entsprechend hergerichtetes Widderhorn, welches am langen Tag geblasen wird; es soll dadurch die Barmherzigkeit Gottes angerufen werden. 5) Durch das Blasen in die Flasche will man die Bauchpresse anspannen, durch das Massiren des Unterleibes, wenn auch unbewusst, aber ganz richtig die Gebärmutter zu weiteren Contractionen anregen. Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 415 wie bereits erwähnt, in ein fliessendes Wasser geworfen oder so begraben, dass kein Thier und namentlich kein Hund oder keine Katze sie berühren kann, weil diess der Mutter oder dem Kinde Unglück bringen würde. Starke Nachwehen will man durch den Genuss eines Stückchens rohen Fleisches lindern. Ein in der Steisslage geborenes Kind bringt Glück; der Montag und Freitag sind für das Kind Glückstage. Wird ein Knabe in der Haube,1) „Kosuljica“, geboren, so schneidet man die Haut desselben unter der Achsel auf und legt die Haube darauf, damit sie anwächst, denn das Kind ist dann vor Verzauberung sicher und kugelfest. Das Wochenbett dauert gewöhnlich 8 Tage. Bei den Muhammedanern muss die Wöchnerin am dritten Tage nach der Niederkunft eine rituelle Waschung des ganzen Körpers vornehmen. Im ganzen Lande und unter allen Schichten der Bevölkerung herrscht der gewiss sehr löbliche Brauch, dass der Mann durch 40 Tage nach der Niederkunft die Frau nicht berühren darf. Wie lieb und theuer dem Bosnier auch die Kinder sind, so ist man doch hie und da, namentlich unter den Städtern, wenn der Kindersegen zu rasch zunimmt, oder wenn man glaubt, schon genug Kinder zu haben, bedacht, dem Zuwachse Einhalt zu thun. Will man daher für eine gewisse Reihe von Jahren keine Kinder haben, so steckt man ein Messer zwischen' zwei Bretter der Zimmerdecke, und zwar in einen Spalt, welcher durch seine Lage zugleich anzeigt, durch wie viele Jahre man keine Kinder haben will. Beabsichtigt z. B. die Frau durch drei Jahre nicht fruchtbar zu werden, so steckt sie das Messer in den dritten Spalt von der Thüre oder vom Fenster gerechnet. Will man überhaupt keine Kinder mehr haben, so verriegelt man die Zimmerthür mit einem Fusse des letztgeborenen Kindes. VI. Die Amulcte. Bei allen Völkern war und wird zum grossen Theile noch jetzt die Volksheilkunde vom Dämonismus beherrscht; alle fassen das Kranksein als Wirkung böser Geister oder als Strafe erzürnter Gottheiten auf, welche durch Culthandlungen umgestimmt oder versöhnt werden müssen. Der Culturzustand eines Volkes und seine religiösen Vorstellungen haben selbst- verständlich einen ebenso entscheidenden Einfluss auf die Auffassung jener Geister und Gottheiten als auf die Form der betreffenden Culthandlungen. So verschieden nun auch die Einen und die Anderen bei den einzelnen Völkern sind, so ähnlich sind sie dennoch in ihrem Wesen. Ueberall werden die Dämonen und die erzürnten Gott- heiten gefürchtet, und überall will man sie gewinnen, beziehungsweise versöhnen. So wie einmal der Mensch zur Ueberzeugung kam, dass er durch gewisse Cult- handlungen ein bestehendes Uebel beseitigen könne, so lag ihm auch die Idee nahe, ähnliche Culthandlungen auszuführen, um ein Uebel von sich fernzuhalten, sich vor demselben zu schützen. Diese gewinnenden und versöhnenden Culthandlungen einerseits, sowie die ab- wehrenden und vorbeugenden andererseits waren und sind noch jetzt zum Theil, wenn- *) Meines Wissens verbindet man auch bei anderen Völkern mit der sogenannten Haube einen gewissen Aberglauben ; bei den Polen z. B. hat der in der Haube Geborene in Allem, was er unternimmt, Glück daher sagt man auch sprichwörtlich von einem Menschen, dem Alles gelingt: „w czepku sie rodzil“, „er ist in der Haube geboren.“ 41 G II. Volkskunde. auch in vielfach veränderter Form, sehr wichtige prophylaktische und therapeutische ! Mittel der Volksheilkunde. So kam es, dass der Priester auch der Arzt des Volkes Averden musste. Ihm 1 fiel die Aufgabe zu, das Volk vor Krankheiten zu schützen und die Erkrankten zu ! heilen. Die Mittel, Avelche er hiebei gebrauchte, waren in erster Linie reine Cultacte, i dann Handlungen, welche mit den Culten im Zusammenhänge standen. Opfer der verschiedensten Art, Segenssprüche, Gebete, Bestreichungen der krau- I ken Glieder, Anblasen derselben, das Aushängen von Talismanen und Amuleten sind die ältesten Schutz- und Heilmittel, welche von Priesterärzten in Anwendung gebracht wurden. Als hierauf die Heilkunde wenigstens zum Theile in die Hände von Laien ' überging, sahen sich die Priester veranlasst, auch die \Ton diesen venvendeten natür- liehen Heilmittel in ihren Arzneischatz aufzunehmen, unterdessen aber hiebei nicht, die wirksameren Mineralien, Pflanzen etc. unter den speciellen Schutz gewisser Gottheiten zu stellen. Die Laienärzte wieder, welche in den meisten Fällen aus dem Priesterstande 1 hervorgegangen Avaren, und denen die Cultheilkunde daher nicht fremd Avar, mussten < selbstverständlich Avieder die übernatürlichen Mittel ihrem Arzneischatze einverleiben. Eines dieser übernatürlichen Mittel, welches die Volksmedicin bis auf den heutigen Tag j beibehalten hat, sind die sogenannten Amulete. Es sind dies (wir sprechen hier nur von den medicinischen Amuleten) Anhängsel aus Papier, Pergament, Stein oder Metall, in welche entweder Zeichen, Gestalten, Worte, Zahlen oder Sätze eingetragen sind, i und die die Kraft besitzen sollen, gewisse Krankheiten fernezuhalten oder zu heilen. Wer die vielfach verschlungenen Irrwege der Mystik nicht betreten hat, dem ! wird der Sinn und die Bedeutung vieler Zeichen, Worte und Zahlen an den Amuleten i unverständlich bleiben ; den Zweck aber, der durch sie erreicht werden soll, kann man durch die Analogie errathen. Die Geschichte der Medicin lehrt uns, Avie sogar Aerzte, die einen nachhaltigen j Einfluss auf die Entwicklung der Wissenschaft geübt haben, neben anderen rationellen Mitteln auch der Amulete bei der Krankenbehandlung sich bedienten. Die kleineren , Geister griffen, wie dies auch auf anderen Gebieten des menschlichen Wissens und Handelns zu geschehen pflegt, selbstverständlich diese Schwächen der Koryphäen auf und nützten sie weidlich aus. Wir wissen, dass Galenus ein ägyptisches Amulet gegen Magenbesehwerden rühmt, dass Serenus Sammonicus das Wechselfieber durch die Formel „Abracadabra“, welche in bestimmter Weise auf ein Stückchen Papier geschrieben und am Halse getragen wurde, behandelte. Der Leibarzt des Kaisers Theodosius, Marcellus von Bordeaux, 1 schrieb gegen Kolik auf ein Goldblatt dreimal L * MORIA. Der berühmte Aetius, welcher im 6. Jahrhunderte zu Constantinopel lebte, hängte bei demselben Leiden den Kranken Amulete aus Wolfskoth um den Hals. Der hervorragendste Arzt desselben Jahrhunderts, Alexander von Tralles (ein Bruder des berühmten' Erbauers der Sophien- kirche in Constantinopel), ein Mann, der seinem Zeitalter um Jahrhunderte vorausgeeilt war, empfiehlt gleichfalls gegen die Kolik einen eisernen Ring mit einer griechischen Inschrift und der Figur o o o Glück. Skizzen aus der Yolksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 417 Roger Baco glaubt, dass Amulete aus Stein oder Metall mit Zeichen und Wör- tern die Kraft besitzen, Krankheiten und Wunden zu heilen. Albert der Grosse empfiehlt den geweihten und mit „Charakteren“ bezeichneten Magnet gegen die Wasser- sucht; unter das Kopfkissen gelegt, reize er Frauen zur Geschlechtslust. Der sogenannte Schwalbenstein heilt, unter die linke Achsel gebunden, den Wahnsinn und die Schlafsucht. Ja selbst die Aerzte des 16. Jahrhunderts griffen noch in vielen Fällen zu den Amuleten als zu wunderthätigen Mitteln. Die Kamen der heiligen drei Könige, auf Papier geschrieben und um den Hals gehängt, waren ein häufig empfohlenes Mittel gegen Fallsucht. Gegen das Wuthgift wurden die Worte „Hax, pax, max, Deus adi- max“ auf einen Apfel geschrieben und dem Kranken zum Essen gegeben; blieb dieses Mittel wirkungslos, so liess man den Gebissenen ein Stückchen Brot verschlingen, auf welchem die Worte „Frioni, Khirioni essera Khader fere“ geschrieben waren. Die Worte „Galbes galbat galdes galdat“, auf Papier geschrieben und umgehängt, heilten den Zahnschmerz, etc.1) Die wissenschaftliche Medicin hat nun zwar seit drei Jahrhunderten diesen Ballast über Bord geworfen; aber die conservativere Volksheilkunde hält fest an dein Glauben von der Wirkung übernatürlicher Heilmittel, zu denen in erster Reihe die Amulete zu zählen sind. Da die Volksheilkunde in Bosnien und der Hercegovina bis in die jüngste Zeit in voller Blüthe stand, so ist es nur natürlich, dass auch hier die Amulete theils als prophylaktische, theils als therapeutische Mittel sehr häufig zur Anwendung gelangen. Es stehen zwar, wie dies einige später anzuführende Beispiele erweisen dürften, weder Katholiken, noch Orientalisch -Orthodoxe, noch Juden dem Amidetwesen feind- lich gegenüber, in erster Linie sind es aber doch die Muhammedaner, welche auf Amulete (zapise, hamajlije) sehr viel halten und dieselben nicht nur zum Schutze gegen Krankheiten und als Heilmittel verwenden, sondern sogar als Talismane gegen die Zufälligkeiten des Lebens überhaupt gebrauchen. Der Kaufmann hat ein Amulet im Gewölbe, welches die Macht haben soll, seine Kundschaft zu vergrössern; der junge Mann trägt eines am Halse, um bei der Braut- werbung Glück zu haben; die schwangere Frau bindet es um den Leib, damit sie ihren Gemahl mit einem Knaben beglücke; ja selbst der Verstorbene bekommt ein Amulet ins Grab, um bei den Seinen im guten Rufe zu bleiben. Bei oberflächlicher Beurtheilung könnte man zur Annahme hinneigen, dass die Osmanlis das Amidetwesen ins Land gebracht haben. Dass dem aber nicht so ist, beweisen viele andere Völkerschaften des Westens, welche ebenso wie die Bosnier und Hercegovcen an die Macht der Amulete und Talismane glauben, trotzdem sie mit den Osmanlis in keinen näheren Contact gerathen sind. Kur die Form, in welcher hier das Amulet am häufigsten auftritt, der „Zapis“, dürfte orientalischen und speciell viel- leicht türkisch-arabischen Ursprunges sein. Der Muhammedaner darf ebenso wie der Jude kein Bildniss bei sich haben, welches ihn wie den Christen vor den Angriffen des Bösen schützen könnte; Auszüge aus den heiligen Büchern vertreten nun die Stelle der Bildnisse von Heiligen oder das Zeichen des Kreuzes. Bei der eigenartigen Ge- staltung der confessionellen Verhältnisse in Bosnien nach dem Verluste der Selbst- ständigkeit, ist es kaum zu verwundern, dass eine Confession von der anderen gewisse Gebräuche übernommen hat, die derselben anderswo fremd sind. Die Gevatterschaft z. B. ist der muhammedanischen Religion ganz fremd und doch ist sie unter den bos- b Die Geschichte der Heilkunst und der Heilschwärmerei, von Dr. Frankenstein. Band II, 27 418 II. Volkskunde. ni sehen Muhammedanern, wenn auch in anderer Form, vorhanden. Der „Zapis“ als solcher ist dem slavischen Christen im Allgemeinen wenig bekannt, in Bosnien aber hat er ihn hei seinem andersgläubigen Nachbar gesehen, hat seine Wirkung rühmen gehört und hat ihn daher auch von seinem Geistlichen gefordert. Der Geistliche wieder war, trotz höherer Bildung, dennoch nur ein Kind des Volkes, dessen Aberglauben er mit der Mutterbrust eingesogen hatte; er glaubte ja selbst an die Wirkung der Amulete, wenn auch in anderer Form. In seinem Bestreben seiner Kirche die grösste Anzahl der Gläubigen zu erhalten, bequemte er sich daher zur Umänderung dieser Form und verabfolgte gleichfalls die geforderten Zapise (Verschreibungen). Da die Amulete überhaupt jeden Unfall ferne zu halten im Stande sind, so gibt es wohl auch keine wirkliche oder eingebildete Krankheit, die sie nicht verhüten könnten. Der Teufel, die Dämonen, Hexen, Zauberer und Neider sind der allgemeinen Ueberzeugung nach die ärgsten Feinde des Menschen, den sie auf Schritt und Tritt verfolgen, und deren Existenzzweck in seiner Schädigung liegt. Da nun aber der Mensch allein zu schwach ist, um sich gegen die ungeahnten und tückischen Angriffe dieser Feinde zu schützen, so muss er sich flehenden Blickes an jenen allmächtigen Bundesgenossen wenden, der ihm in allen Nöthen des Lebens hilfreich zur Seite steht und der die Macht hat, die Angriffe dieser Feinde ferne zu halten. Das Gebet ist somit das erste und wichtigste prophylaktische und therapeutische Mittel gegen Krankheiten und andere böse Zufälle. Die kurzen Stossgebete oder das Zeichen des Kreuzes bei den Christen, die Erwähnung des Namens Gottes bei den Muhammedanern und , Juden bilden die erste Art jener Mittel. Die zweite Art derselben sind die Amulete. Dem Wesen nach soll jedes Amulet je nach der Confession seines Trägers entweder j ein Gebet, einen Satz aus der Bibel, dem Evangelium, dem Koran, oder den Namen i Gottes, das Zeichen des Kreuzes, das Bild eines Heiligen, die Abbildung irgend einer j heiligen Handlung oder Aehnliches enthalten. In manchen Fällen trifft diese Voraus- j setzung auch zu, in vielen ist aber keine Spur von alledem zu finden. Ein von seinem hohen Berufe durchdrungener Geistlicher wird, wenn er schon i aus Utilitätsrücksichten dem im ganzen Volke verbreiteten Aberglauben Rechnung trägt : und die Ausfolgung eines Zapis nicht verweigert, da sich der Bittende sonst an den ' Geistlichen einer anderen Confession oder an einen Amuletschreiber von Profession wenden könnte, den Inhalt des Zapis den Satzungen der Religion entsprechend gestalten. Der Zapis wird dann bei den Katholiken ein Gebet,1) bei den Orientalisch-Orthodoxen einen Satz aus der Liturgie, eine oder mehrere Strophen eines Kirchenliedes und bei Muhammedanern einen oder mehrere Sätze einer Sure des Korans enthalten. Der abergläubische Amuletschreiber aber, dessen Wissen ebenso beschränkt, als; sein Gewissen weit ist, schreibt häufig Zapise, deren Sinn ihm gänzlich dunkel ist. Der Träger des Zapis darf selbstverständlich den Inhalt desselben nicht kennen; dieser würde sonst — wie es bei allen Mysterien geschieht — seine schützende Kraft verlieren. Der Bosnier und der Hercegovce glauben an das Amulet, ohne zu wissen, was es enthält, lediglich in der Voraussetzung, dass es ein Heiligthum sei, und dass es als solches wirken müsse. Als Belege für die sogenannten religiösen Amulete seien hier einige angeführt: Bei einem mit progressiver Gehirnsclerose und Blödsinn behafteten katholischen Bauer fand ich am linken Oberarm in einem dreieckigen Ledertäschchen einen „Zapis“; b Im Februarhefte des „Srce Isusovog1 vom Jahre 1883 bekämpft Se. Hochwürden der General- vicar J Besic die Unsitte der Zapise unter der katholischen Bevölkerung des Occupationsgebietes. Glück. Skizzen ans der Volksmediein in Bosnien und der Hercegovina. 419 (Amulet), welchen ihm der katholische Ortsgeistliche, nachdem er ihn nach Beendigung der Messe mit der Stola berührt, gegeben hatte. Es war dies ein 5 Cm. breites und ebenso langes Blatt Papier, mit einem kleinen Madonnenbilde oben in der Mitte und dem Bilde des heiligen Franciscus von Assisi links unten, auf welchem in recht schlechtem Drucke Folgendes zu lesen war: „Benedizione con cui il Seraiico P. S. Francesco benediva ognuno e benedisse F. Leone suo compagno ti’avagliato dalle tentazione. „II Signore Ti guardi e benedica e volti la sua Santa Faecia verso Te, il Signore a te dia pace il Signore a te dia la Sua S. Benedizione Amen.“ Ein Amulet, das ich bei einem dreimonatlichen Säugling orientalisch-orthodoxer Confession, welcher infolge nicht entsprechender Nahrung an Verdauungsstörungen litt und sehr viel schrie, fand, hatte folgenden (cyrillisch geschriebenen) Text: „Vo imja otca i sina i svjatago duha amin! Da izbaviti gospod Bog raba svojego N. N. od placa. Jakoze utjesil jesi Martu i Mariju placusci se nad Lazarom i ninje utisi plac sego mladenca Tvojego raba stanem dobrije, stanem se strahom — vonmen svjataje voznosenije v mirije prinositi. Amin!“ (Im Namen Glottes des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen! Es wolle der Herr Gott sein Geschöpf N. N. vom Weinen befreien. Wie du getröstet hast die über Lazarus weinende Martha und Maria, so stille auch jetzt das Weinen dieses Kindes, deines Geschöpfes, denn ich stehe da mit frommen Gedanken, ich stehe da mit Ehrfurcht. Gebet acht! Das heilige Opfer wird in Frieden vorgelegt. Amen.) Der erste Tlieil dieses Amuletes dürfte wohl Composition des Schreibers sein, der Schlusssatz aber ist der Liturgie entnommen. Ein zweites orientalisch -orthodoxes Amulet, ein Satz aus einem Kirchenliede, welcher gleichfalls gegen starkes Weinen der Kinder wirksam sein soll, und welches mir ein orientalisch-orthodoxer Priester mitgetheilt hat, lautet transscribirt : „Zjelo rano Mironosici trcahu ko grobu Tvojemu ridajuscija, no predsta k-nim Angjel i rece : ridanja vremja presta, ne placite.“ (Sehr zeitlich früh liefen wehklagend die Trägerinnen der heiligen Myrrhe zu deinem Grabe, da stand vor ihnen ein Engel und sagte: die Zeit des Wehklagens ist vorbei, weinet nicht!) In die Keihe der religiösen Amulete der Orientalisch-Orthodoxen dürfte auch Folgen- des zu zählen sein, welches gegen Krankheiten im Allgemeinen wirksam sein soll : II c n,xc II, K Ka „Vo imja otca i sina i duha svjatago. Amin! Kresta Tvojega gospodi zivotvor- nago imze smert pogibe i mertvi ozivotvoreni bise. Bozestvenim znamenijem i ninje iscjeli boljascago raba Tvojego (N. N.) jakoze pri Jeleni umersuju djevicu.“ (Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen! Bei deinem leben- bringenden Kreuze, Herr, durch welches der Tod vernichtet und Todte wiederbelebt wurden ! Mit dem göttlichen Zeichen heile auch jetzt dein krankes Geschöpf N. N. wie die verstorbene Jungfrau Helena.) So einfach der Vorgang bei der Verabfolgung von Amuleten unter den Christen ist, indem dieselben jederzeit und ohne irgend welche Vorbereitung geschieht, so complicirt ist dieselbe bei den Muhammedanern. Es genügt nicht, zum Hodza zu gehen und einen Zapis zu fordern, um. denselben auch wirklich gleich zu erhalten. 27* 420 II. Volkskunde. Der Muhammedaner hat nämlich ein sehr ausgebildetes System der Astrologie; er nimmt Rücksicht auf den Einfluss der Stellung der Sterne auf die Geschicke des Menschen, er glaubt daran, dass man unter einem glücklichen oder unglücklichen Stern geboren sein könne, sowie an vorausbestimmte Glücks- oder Unglückstage, kurz er ist von dem ganzen chaldäisch-arabischen astrologischen Mysticismus durchdrungen. Kommt man nun zu dem Amuletschreiber um einen Zapis, so fragt er vor Allem, was für einen und zu welchem Zwecke man einen solchen braucht. Soll derselbe lediglich als pro- phylaktisches Mittel dienen, so muss man doch vor Allem wissen, welchen Gefahren und zu welcher Zeit der um den Zapis Bittende ausgesetzt ist, oder kurz gesagt, man muss ihm das Horoskop stellen. Hiezu muss der Hodza den Namen dessen wissen, für den der Zapis bestimmt ist. Diesen Namen schreibt sich der Hodza auf einen Zettel und beginnt die Berechnung. Es ist bekannt, dass ebenso wie bei den Juden auch bei den Muhammedanern jeder Buchstabe des Alphabetes eine Zahl bedeutet, und dass man sich bei den Letzteren ebenso wie bei den Ersteren zweier sogenannter Rechnungsschlüssel bedient. Der kleine Rechnungsschlüssel (Ebdjed sigir) enthält die Buchstaben bis „Re“ des arabisch-türkischen Alphabetes, und diese haben folgende Bedeutung: elif = 1 kaf = 20 he = 2 lam = 30 dj im = 3 mem = 40 dal = 4 nun = 50 c = 5 sin = 60 icaf = 6 ain = 70 se = 7 II 80 ha = 8 sad = 90 ti = 9 kaf — 100 je = 10 re — 1000. Im grossen Rechnungsschlüssel (Ebdjed kebir) haben die Buchstaben bis „Kaf“ dieselbe Bedeutung wie in dem kleinen Schlüssel, da aber in beiden Schlüsseln die Zahl 1000 als höchste Grundzahl gilt und der grosse alle Buchstaben des Alphabetes umfasst, so gilt „Re“ in demselben nicht mehr 1000, sondern nur 200. Die Fortsetzung des grossen Schlüssels lautet demnach: re = 200 zel = 700 schin = 300 dat = 800 te — 400 zi = 900 se — chi = 500 600 gain = 1000. Nachdem der Hodza unter den Buchstaben des ihm angegebenen Namens die entsprechenden Zahlen des einen oder des anderen Schlüssels gestellt und dieselben summirt hat, zieht er von der Summe so viele Male 12 ab, bis ihm entweder die Zahl 12 oder eine kleinere zurückbleibt. Die verbliebene Zahl entspricht dem Zeichen des Wendekreises, unter dem der Zapiswerber geboren ist. Die Hodzas, welche sich mit dem Zapisschreiben im grösseren Massstabe befassen, haben nun entsprechende Hilfs- bücher, aus denen sie das Horoskop herauslesen. So ein Horoskop lässt sich über die physischen und psychischen Temperaments- und Charaktereigenschaften des Individuums aus, welche Jahre des Lebens für dasselbe | kritisch, respective gefährlich sein werden, wie gross die Nachkommenschaft sein werde, Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 421 welche Tage in der Woche und welche Stunden im Tage für dasselbe glücklich, welche wieder unglücklich sein, welche Krankheiten es durchmachen werde, welche Djins demselben feindlich, welche ihm freundlich gesinnt sein, welche Zapise ihm nützen werden, endlich wann und wie sie zu verfertigen seien. Aus dem bisher Gesagten ist nun einerseits zu entnehmen, dass ein wirksamer Zapis nur an gewissen Tagen und zu gewissen Stunden geschrieben werden kann, und andererseits, dass der Zapis nur eine individuelle Wirkung hat. Soll der Zapis wirksam sein, so muss der Schreiber, bevor er sich zum Schreiben hinsetzt, seinen Körper rituell reinigen und ein entsprechendes Gebet verrichten. Der echte und rechte Zapis kann nur einen oder mehrere Sätze einer Sure enthalten. Zu dieser Kategorie der Zapise zählen auch jene, welche in kleinen Vierecken Buch- staben, die einen oder mehrere Namen Gottes oder ein besonders mysteriöses Wort aus dem Koran oder die entsprechenden Zahlen und verschiedene Permutationen und Com- binationen derselben enthalten. Z. B. die Permutationen der Buchstaben C. H. I. A. Z., welche eine Sure des Koran einleiten, auf eine Silberplatte an einem Freitag und bei Vollmond ldein eingravirt, machen den Träger bei Gott und den Menschen gefällig und bringen ihm Glück. Das Amulet hat diese Form: H z C A I A I H C z C z A I H z A I H C I H z C A Ein vor dem Einflüsse böser Geister schützendes Amulet hat folgende Aufschrift: Zwei Namen Gottes Hajun, Kajune. Berechnungen, die mir nicht erklärt werden konnten. M U I K I H- 40 6 10 100 10 8 54 18 11 15 21 55 17 23 47 27 48 22 4 52 37 29 26 25 13 44 19 1 39 58 46 31 49 2 35 16 422 II. Volkskunde. Zur Verhütung des bösen Zaubers trage man folgenden Zapis am Halse: Da sagte Moses: „Wahrlich die Zauberei, welche ihr vornehmet, wird Gott vereiteln, denn Gott lässt das Werk der Frevler nicht glücklich sein“ (aus der Sure „Jonas“1). Es ist bekannt, dass die Muhammedaner unfreiwillige Samenergiessungen auf die Einwirkung des Satans zurückführen, und dass jeder, der das Unglück gehabt hat, von solchen heimgesucht zu werden, gleich darauf die rituelle Reinigung des ganzen Körpers vornehmen muss. Wer sich nun vor einer solchen Heimsuchung schützen will, der muss folgenden Zapis im Gürtel tragen: „Und wenn durch Verführung der Satan dich verleiten will, dann fliehe zu Gott, denn Er höret und weiss Alles“ (aus der Sure „die Zwischenmauer“). Wie bereits früher erwähnt wurde, betrachtet die Bevölkerung Bosniens und der Hercegovina die überwiegende Mehrzahl von Krankheiten als die Wirkung über- natürlicher Agentien, welche sowohl von Geistern als von Menschen ausgehen können. Zu diesen Krankheiten gehören vor Allem alle Leiden des Gesammtnervensystems und einzelner Nerven, wie z. B. der Veitstanz, die Hysterie, die Lähmungen, der Hexenschuss etc. und die Geisteskrankheiten. Diese Krankheitsgruppe wird nuu entweder dem Einflüsse böser Geister oder der Zauberei zugeschrieben. Im ersten Falle glaubt das Volk und namentlich der muhammedanische Theil desselben, dass der Kranke in den Kreis einer Geisterversammlung getreten ist (udarijo na djinsko kolo), und dass ihm dieselben entweder einen Schlag versetzt (Lähmung, Hexenschuss, Nerven- schmerz etc.) oder ihn angehaucht haben (Epilepsie,2) Hysterie etc.). Diese Krankheiten sind durch den sogenannten „Ogramak“ entstanden. Im zweiten Falle ist das Leiden durch „cini“, „namet“, „sihir“, der gewöhnlich von zauberkundigen Weibern herrührt, entstanden. Beruht eine Geisteskrankheit nicht auf Besessensein3) so unterliegt keinem Zweifel, dass dieselbe ihm angezaubert, angethan (ucinjena) wurde. Eine ebenso wichtige Rolle spielt in der Volksätiologie der „nrok“ oder „uroci“ (das böse Auge), wovon oben im III. Abschnitt dieser Studie (Seite 399 — 405) einge- hender gesprochen wurde. Schliesslich muss noch der bösen Winde (pogani vjetar) erwähnt werden, welche namentlich plötzlich auftauchende Krankheiten, wie z. B. die acuten Infectionskrankheiten verursachen sollen. Sowohl bei diesen, als auch bei anderen Krankheiten^ die das Volk sich mehr durch natürliche Stöi'ungen des Organismus im Sinne der Humoralpathologie erklärt, können übrigens auch Geister im Spiele sein. Die pathologischen und ätiologischen Anschauungen des Volkes sind einerseits unklar und verschwommen, andererseits so *) Die Citate aus dem Koran sind der bekannten Uebersetzung von Dr. Uli mann, 8. Auflage, 1881, entnommen. 2) Die Epilepsie ist auch nach den Anschauungen der einheimischen Bevölkerung eine sehr schwer heilbare Krankheit. Nach muhammedanischer Annahme kann dieses Leiden nur ein sehr gelehrter und gottesfürc.htiger HodZa, der über die „Djins“ Macht hat, curiren. Er muss nämlich, wenn er einen Epi- leptiker heilen will, die zwölf Beherrscher der Djins zu einer Versammlung einberufen (Djinsku dajiru sakupiti) und erforschen, wer von ihnen oder ihren Untergebenen dem Kranken das Leiden zugefügt hat. Hierauf wird der betreffende Dj in aufgefordert, das Heilmittel anzugeben; folgt er dieser Aufforderung und wendet man das von ihm angegebene Mittel an, so genest der Kranke sicher; verweigert er aber den Gehorsam, so wird er auf Befehl des HodZas von dem eigenen Häuptling niedergemacht, und der Kranke bleibt ungeheilt. 3) Der Besessene ist unbändig, schimpft und flucht, will keinen Gottesdienst besuchen, kann kein Gebet mit anhören etc. Maniakische werden in der Regel als Besessene angesehen und darnach durch Austreibung des Teufels behandelt. Am besten soll jetzt ein Franciscaner in Jajce den Teufel auszu- treiben verstehen. Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 423 verwickelt, dass es nahezu unmöglich ist, dieselben in ein einheitliches System zu bringen. Nach den Anschauungen der einheimischen, zumal der muhammedanischen Be- völkerung gibt es fünf Gruppen von Krankheitsursachen, von denen vier übernatürlichen und nur eine Gruppe natürlichen Ursprunges ist. Will man nun wissen, was einem Kranken fehlt, und was zu seiner Heilung noth- wendig ist, so geht man zum Hodza, der, ohne den Kranken gesehen zu haben, in folgender Weise die Diagnose stellt. Er schreibt den Namen des Kranken und dann den der Mutter desselben auf, summirt die Zahlen der einzelnen Buchstaben und zieht hierauf so viele Male fünf ab, bis ihm die Zahl fünf oder eine kleinere zurückbleibt. Bleibt die Zahl 1, so ist der Kranke ärztlich zu behandeln; bleibt die Zahl 2, so ist der Kranke vom bösen Auge getroffen (urecen); die Zahl 3 deutet auf Verzauberung (namet, cini, sihir); ist das Ergebniss die Zahl 4, so liegt ein „Ogramak“ (Geisterschlag) vor, und verbleibt schliesslich 5, so ist der Kranke von einem bösen Winde getroffen. In den Fällen 2 — 5 sind Zapise die wichtigsten Heilmittel; es schliesst dies aber die Wirkung derselben auch dann nicht aus, wenn nur 1 als Resultat geblieben ist. Aus einer Sammlung therapeutischer Zapise seien hier nur einige Beispiele an- geführt. Bei nervösem Kopfschmerz (Haemicrania) soll der Satz: „0 Herr, gewiss, wir zweifeln nicht daran, du wirst einst an einem bestimmten Tage die Menschen ver- sammeln, denn Gott widerruft sein Versprechen nicht“ (Sure „die Familie Amran’s“), auf Papier geschrieben und in die Kopfbedeckung eingenäht, wunderbar wirken. Der Satz : „ . . . und stellt uns Ebenbilder auf und vergisst seine Schöpfung“ (Sure „Jas“), auf ein kleines Stückchen Papier geschrieben und mit einem Bissen Brot verschluckt, stillt momentan den heftigsten Zahnschmerz. Gegen Rückenschmerzen ist folgender Satz aus der Sure „die Aufschliessung“ erprobt: „Haben wir nicht deine Brust aufgeschlossen und dir erleichtert deine Bürde, welche deinen Rücken drückte?“ Bei Augenschmerzen ist von besonderer Wirkung, wenn man den Satz : „Erhebe deine Augen, ob du irgend eine Spalte sehen kannst, erhebe sie noch zweimal, und deine Augen kehren matt und müde zu dir zurück“ (Sure „das Reich“) niederschreibt, den Zapis in ein Glas reinen Wassers taucht und mit diesem Wasser die Augen wäscht. Gegen den „Sihir“ (Zauberei) und auch gegen den „Urok“ (böser Blick) ist folgender Zapis unschätzbar: „Im Namen des allbarmherzigen Gottes. Ich nehme meine Zuflucht zu dem Herrn der Morgenröthe, dass er mich befreie von dem Uebel derer, welche die Zauberknoten anblasen, und vor dem Uebel des Neiders, wenn er beneidet“ (aus der Sure „die Morgenröthe“). Gegen den „Ogramak“ (Geisterschlag) wird der nachfolgende Zapis besonders gerühmt: „Im Namen des allbarmherzigen Gottes. Ich nehme meine Zuflucht zu dem Herrn der Menschen und zu dem Gotte der Menschen, dass er mich befreie von dem Uebel des Einflüsterns, so da entflieht, so da einflüstert böse Neigungen in das Herz der Menschen, und mich befreie von bösen Geistern und Menschen.“ Nicht weniger verehrt und begehrt sind die Zapise, welche mit der Religion nichts gemein haben. Wenn schon bei den bisher angeführten Amuleten in manchen Fällen kaum ein Zusammenhang zwischen der Krankheit und dem Inhalte der Auf- schreibung gefunden werden konnte, so muss bei den jetzt zu betrachtenden Amuleten der Mangel eines Connexes zwischen ihrem Inhalte und dem Leiden, welches sie heilen sollen, als Regel hingestellt werden. 424 II. Volkskunde. Ich habe durch Ausforschung einiger professionellen Amuletschreiber erfahren wollen, ob sie irgendwelche Begriffe von dem, was sie schreiben, haben, muss aber gestehen, dass mein Unternehmen ein vollkommen negatives Resultat ergehen hat. Anfangs glaubte ich, dass sie einfach ihre Geheimnisse nicht preisgehen wollten, schliess- lich gelangte ich zur Ueberzeugung, dass sie nichts zu verheimlichen hatten. „So steht es in den Büchern geschrieben“, war die naive Antwort, die ich von einem Amulet- schreiber erhielt, „und so schreibe ich es ab.“ Dies hinderte ihn jedoch nicht, seinen Beruf in allen Ehren auszuüben und als gelehrter Mann, der Vielen geholfen hat, zu gelten. Dr. Vladan Gjorgjevic theilt in seiner „Narodna Medicina“ einen Zapis gegen Kopfschmerz mit, der auch in Bosnien in Verwendung steht, und der entweder auf die Rinde eines warmen Brotes (somun) oder auf ein Weidenblatt ge- schrieben wird. Im ersteren Falle wird der Zapis gegessen, im letzteren wird derselbe in ein Gefäss mit Wasser gelegt und ausgetrunken. Der Zapis lautet: IR A T 0 P A P E n 0 T E H E T 0 n E P A P 0 T A RI Gjorgjevic meint, dass dies Namen böser Geister seien, die sich im menschlichen Körper aufhalten. Beachtenswerth ist in diesem Zapis die Zusammenstellung der einzelnen „Geister- namen“, die ein recht hübsches Buchstabenräthsel bilden, welches aufgelöst folgende Figuren ergibt: UI A T 0 P T A 0 A 0 E A P E n 0 T T T E H E T E E 0 A E 0 II E p A POT A UI T 0 A Dr. Truhelka hat im vorausgehenden Aufsatz Seite 378 einen ähnlichen Zapis gegen Lyssa veröffentlicht. Herr Pfarrer Jungic hatte die Freundlichkeit, mir folgenden Zapis gegen die Hundswuth, der augenscheinlich ein Rudiment des von Gjorgjevic veröffentlichten Zapises ist, mitzutheilen. UI A T 0 p A P E n A T 0 1 n E P A P 0 T A Dieser Zapis wird ebenso wie die früheren auf Brot geschrieben und verzehrt. Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Herceaovina. 425 Aus der wirklich unzählbaren Menge der hierher gehörenden Zapise bei den Muhammedanern seien nur einige Beispiele angeführt. Einer Schwergebärenden gehe man in jede Hand ein Exemplar des folgenden Zapises, und sie wird sicher eine leichte Geburt durchmachen. Gegen Unvermögen des Mannes wird folgendes Mittel angewendet: Man knüpft in einem Leinenzwirn sieben Knoten und spricht während des Knüpfens siebenmal folgenden Satz aus der Sure „Jas“: „Vor und hinter ihnen haben wir Riegel geschoben und sie mit Finsterniss so bedeckt, dass sie nicht sehen können.“ Den geknoteten Zwirn muss der Mann immer bei sich tragen. Auf sieben Feigen die folgenden Worte, Zahlen und Buchstaben, der Reihe nach geschrieben und aufgegessen, heilen das in Rede stehende Leiden gründlich : „Maria, 2, Eul, 3, Em, Su, Em.“ Ein mir bekannter Hodza versicherte mich, dass er mit folgendem Zapis schon manchen Wechselfieberkranken curirt habe. Auf ein zwei Finger breites längliches Zettelchen schreibt man Freitag abends eine Stunde nach Sonnenuntergang folgende drei Zeilen: „Gott hat geschaffen den Satan, dass ihn Gottesfluch treffe.“ „Gott hat gemacht den Satan, dass ihn Gottesfluch treffe.“ „Gott hat verflucht den Satan, dass ihn Gottesfluch treffe.“ Drei Abende nacheinander muss sich der Kranke über glühende Kohlen, auf die eine Zeile des obigen Zapises geworfen wurde, räuchern, und „wenn Gott gibt, so wird der Kranke gesund“. Gegen den „Ogramak“ (Geisterschlag) soll folgendes Amulet, mit dem Blute eines weissen Hahnes geschrieben, sehr wirksam sein. ch m ch m ch 11 ch cl ch cl ch ch 11 ch cl ch cl m Aus einigen der bisher angeführten Zapise kann entnommen werden, dass das Amulet, respective der Zapis nicht immer auf Papier oder Pergament niedergeschrieben werden soll, dass hiezu nicht immer gewöhnliche Tinte verwendet, und schliesslich, dass die Zapise nicht lediglich in Form von Anhängseln zum Tragen gebraucht werden. Ich habe Zapise auf Gold- und Silberplatten, auf Brotrinde, Eierschalen, ja selbst auf Butter geschrieben gesehen, es gibt ferner Zapise, die unbedingt mit Farbstoffen verschiedener Art, ja selbst mit dem Blute von Opfertliieren, geschrieben sein müssen. 426 II. Volkskunde. Manche Zapise wirken endlich nur dann, wenn sie auf den schmerzenden Körper- theil aufgelegt, oder im Wasser aufgelöst und getrunken, oder wenn sie schliesslich auf etwas Geniesshares geschrieben und verzehrt werden. Das einzelne Amulet hat selbstverständlich nur einen beschränkten Wirkungs- kreis ; es kann z. B. nur gewisse Krankheiten heilen oder gegen ganz specielle Zufälle schützen; gegen andere Krankheiten oder andere Zufälle ist der Mensch, selbst wenn er ein Amulet hei sich hat, nicht gefeit. Will man sich daher mit einem ganz sicheren Schutzvvalle umgeben, so erscheint es nothwendig, eine ganze Sammlung von Zapisen bei sich zu tragen. Ein solches Universalschutzmitte] nennt man gemeiniglich eine „Hamajlija“ (dreieckiges Amulet). Bei den Muhammedanern wird eine Hamajlija auf einen schmalen langen Streifen Papier oder Pergament geschrieben, in der Form eines Dreieckes zusammengefaltet, in Wachspapier eingepackt und schliesslich in ein drei- eckiges Ledertäschchen gesteckt. Das Täschchen wird hierauf vernäht und am Halse oder Oberarme an einem Bande Tag und Nacht getragen. Eine Hamajlija ist somit bei den Muhammedanern eine Sammlung von Amuleten oder die Abschrift einer ganzen Sure aus dem Koran, die, in Form eines Dreieckes zusammengefaltet, getragen wird. Die „Hodzinska hamajlija“ wieder ist ein kleines Büchelchen (im Sedezformate), welches eine Reihe von Zapisen enthält, und welches das Handbuch des Amulete schreibenden Dorfhodzas bildet. Dieses Büchlein, ein Musaf (Koran) und ein Takrim (Kalender) machen gewöhnlich die ganze Bibliothek eines solchen Hodzas, die er stets bei sich zu tragen pflegt, aus. Auch den Katholiken ist die Hamajlija bekannt; nur ist dieselbe in Form und Inhalt verschieden von der muhammedanischen. Gewöhnlich sind es Holz- oder Metall- kapseln, auf die verschiedene Heiligenbilder gravirt sind, und die manchmal entweder irgend eine Reliquie („mosti“ oder, wie das gewöhnliche Volk es nennt, „moci“), eine Erdkrume vom heiligen Grabe, oder ein gedrucktes oder geschriebenes Gebet zu einem Heiligen enthalten. Der heil. Franz von Assisi und der heil. Anton von Padua werden hierzulande von den Katholiken als Schutzpatrone besonders verehrt. Als Hamajlija kann auch der „San presvete Bogoroclice“ (Muttergottestraum) betrachtet werden. Es ist das ein kleines Heftchen, welches mehrere Gebete und zwei Träume der heil. Muttergottes enthält und von den Orientalisch- Orthodoxen : als Schutzmittel gegen jedes Uebel, namentlich gegen Krankheiten, hochgehalten wird. Bemerkenswerth ist in diesem Büchlein die Nachricht über das Geschlecht des Teufels. Laut eigenem Geständnisse, welches der bedrängte Satan dem heil. Sisoja machte, gehören zu seinem Geschlechte folgende böse Geister: die „Mora“ (Personification des Alpdrückens), die „Kuga“ (die Pest), der „Neöisti vjetar“ (der unreine Wind), die | „Vjestica“ (Hexe), die „Pesta“ (die Infection), „Jadilnica“ (die Giftige), „Krvopilnica“ J (die Blutsaugerin) und die „Prozdrljivica“ (die Versclilingerin). Die „Cameen“ der Spaniolen endlich sind zwar kein Landesproduct, da sie ge- wöhnlich aus Jerusalem stammen, wo sie von kabbalakundigen Rabbinern zusammen- gestellt werden. Da sie aber im Lande verwerthet und unter den einheimischen Juden hochgeschätzt werden, so müssen wir derselben wenigstens in Kürze gedenken. Die in so vielen Punkten übereinstimmenden religiösen Anschauungen und Cult- handlungen der Muhammedaner und der Juden haben bei diesen und jenen gleiche Erscheinungen zu Tage gefördert. Die arabisch-jüdische Kabbalistik sucht sowohl bei den Muhammedanern als bei den Juden einen geheimen Sinn in den Worten des Korans, respective der Bibel, und geräth dabei auf dieselben Mittel (Buchstabenzählerei, ; Ersatz der Buchstaben durch Zahlen, etc.). Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 427 Bei den Juden, speciell bei denen, die am Talmud festkalten, ist die Kabbala zwar verpönt; dies hindert aber nicht, dass man in den kabbalistischen, für die Mehr- zahl selbst talmudkundiger Juden unverständlichen Zeichen etwas Geheimnissvolles, ja Uebernatürliches zu sehen glaubt und dieselben daher hochhält. Die spaniolischen Juden gehören gleichfalls zu den Verehrern des Talmud; an die Wirkung der sogenannten Carneen (Amulete), welche, nebenbei bemerkt, recht tkeuer sind, glauben sie aber dennoch. Die Uebersetzung einer solchen Camee, welche mir zu Gesichte kam, lautet: „Wir beten zu dir, Gott, unser Gott und Gott unserer Väter, sei voll Barmherzigkeit für N. N. und sende ihm volle Gesundheit auf alle seine 248 Glieder und 365 Seimen. „Schütze ihn vor allem Bösen, vor Angst und jeder Verwundung, vor bösen Er- scheinungen, unreinen Winden, vor Geistern männlichen und weiblichen Geschlechtes, vor Alpdrücken, vor Epilepsie, vor Gehirnerschütterung und Wahnsinn, vor bösen Augen, vor allerlei Zauberei, vor Verhaftung und vor dem Knüpfen der Zauber- knoten (Impotenz). Er soll in allen seinen Handlungen und Unternehmungen Erfolg haben ! „Segne seine Habe und seiner Hände Arbeit; alle seine Feinde soll er mit Füssen treten, und alle zu seinem Verderben gehegten Pläne möge Gott vereiteln.“ L Ch K N I w R L Ch K N I P I L Ch K N M N I w Ch Iv A K N I w Ch E Ch K N I w Pischon, Gichon, Chidekel, Perat (vier Ströme, die durch das Paradies fliessen). 428 II. Volkskunde. D G Ch R E A M Z W Arri; Afri; Katri, Pacli (Namen von Engeln). VII. Die Volkslieilmittel aus (lein Pflanzenreiche. Unbeschadet des Vertrauens, welches das Volk den übernatürlichen Heilmitteln schenkt, verwendet dasselbe in den meisten Krankheitsfällen auch viele wirkliche Arzneien, welche ihm die Natur in reichlichem Masse bietet. Vor Allem wird die Flora des Landes zu Heilzwecken ausgebeutet. Wenn nun auch in manchen Fällen mythologische Reminiscenzen und Aberglaube oder rohe Analogie den Anstoss zur Verwendung gewisser Pflanzen als Heilmittel gegeben haben, so kann doch nicht ge- leugnet werden, dass vielfach auch nüchterne Beobachtung und Erfahrung die Leit- sterne waren, welche zum Gebrauche pflanzlicher Arzneikörper führten. Die Arzneimittellehre hat in den letzten Jahrzehnten über viele Pflanzen, welche Jahrhunderte lang im Arzneischatze einen wichtigen Platz eingenommen haben, den Stab gebrochen, wodurch die Aerzte der Gegenwart zum grössten Tlieile die Fühlung mit den pflanzlichen Heilmitteln verloren haben. Die Untersuchungen aber, welche Prof. Kobert und seine Schüler in Dorpat in den letzten Jahren ausgeführt haben, zeigten, dass so manche in der wissenschaftlichen Medicin jetzt obsolet gewordene Pflanze, welche nur noch als Volksheilmittel verwendet wird, einen grösseren thera- peutischen Werth besitzt als viele pharmaceutisch- chemische Präparate, die, vielseitig empfohlen und über die Massen gerühmt, nach kurzem Ruhmeslaufe der wohlverdienten Vergessenheit anheimfallen. Beim Studium der pflanzlichen Volksheilmittel verschiedener Völker fallen zwei | Thatsachen auf, und zwar: erstens, dass viele Pflanzen bei fern von einander wohnen- den Völkerschaften zu gleichen Zwecken, wenn auch nicht immer in gleicher Form gebraucht werden, und zweitens, dass nicht wenige der heute vom Volke verwendeten Heilpflanzen bereits vor Jahrtausenden von griechischen und römischen Aerzten bei | denselben Krankheiten empfohlen wurden. Wie lassen sich nun diese Thatsachen erklären ? Die Heilwirkung mancher Pflanzen war zweifellos der Menschheit bereits in ihrem Urzustände bekannt. Wir , schliessen dies nicht allein daraus, dass die Völkerschaften, deren Cultur noch heute eine sehr primitive ist, über einen verhältnissmässig reichen Arzneischatz aus dem Pflanzenreiche verfügen, sondern auch aus der täglich zu machenden Beobachtung, dass sogar manche unserer Hausthiere gewisse Pflanzen als Heil- und Genussmittel aufsuchen, wogegen sie andere verschmähen. Bei manchen Pflanzen war es sicherlich der eigenthümliche Geruch oder Ge- schmack, bei anderen wieder die Farbe der Blumen, die Form der Blätter, die Gestalt der Wurzel, oder endlich irgend eine Cultbedeutung derselben, welche zu ihrer Ver- wendung als Heilmittel Veranlassung gegeben hat. Die Kenntniss der Heilkraft ge- j wisser Pflanzen vererbte sich von Generation auf Generation und erweiterte sich 1 Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 429 nicht allein durch den friedlichen Handelsverkehr der einzelnen Völkerschaften, sondern auch durch die Kriege, welche sie unter einander führten. Sowohl die Asklepiaden, als auch später die Hippokratiker und die römischen Aerzte gründeten ihren Arzneischatz zum grössten Theile auf das medicinische Wissen des Volkes, wobei sie selbstverständlich auch manche eigene Entdeckung ver- wertheten. Die Autorität der Aerzte festigte einerseits das Vertrauen des Volkes in die Wirksamkeit der von ihm verwendeten Heilmittel und trug andererseits dazu bei, dass die von den Aerzten entdeckten Heilpflanzen mit der Zeit zu Volksmitteln wur- den. In solcher Weise schöpfte die wissenschaftliche Medicin einen grossen Theil ihres Wissens aus der Volksheilkunde, wogegen letztere wieder um eine Reihe von Heil- mitteln reicher wurde, welche sie der Wissenschaft verdankte. Die angedeuteten Beziehungen zwischen Volksheilkunde und wissenschaftlicher Medicin bestehen eigentlich noch bis zum heutigen Tage; nur sind dieselben bei dem raschen Fortschritte der Wissenschaft in unserem Jahrhunderte und bei dem Umstande, dass die Volksheilkunde äusserst conservativ und für Neuerungen sehr schwer zu- gänglich ist, mehr gelockert als früher. Neben der Kenntniss der vom Volke zu Heilzwecken gebrauchten Pflanzen ist auch die Art ihrer Anwendung und die Form, in welcher sie verabreicht werden, nicht ohne Interesse. Aeusserlich werden nicht nur die Blätter, Sprossen, Stengel, Bliithen, Früchte oder Wurzeln und der Saft derselben als Umschläge, Einreibungen, Wasch- und Gurgelwasser, als Pflaster oder Salben, sondern auch als Zusätze zu Bä- dern, Fomentationen und als Räucherungen benützt. Innerlich kommen ganze Pflanzen oder einzelne Theile derselben gekocht, geröstet, gestossen, gepulvert, oder nur die Aufgüsse und Abkochungen mit Wein, Wasser oder Honig in Verwendung. Von manchen Pflanzen glaubt man, dass sie nur im frischen Zustande, von anderen, dass sie nur in der Sonne oder aber nur im Schatten getrocknet wirksam sind. Viele dieser Anwendungsarten sind in die wissenschaftliche Medicin übergegangen, andere aber sind bis heute das ausschliessliche Eigenthum des Volkes geblieben. In der Pflanzenheilkunde und in der Art der Anwendung einzelner Pflanzen tritt es klar zu Tage, dass das bosnische Volk sein Wissen aus zahlreichen Quellen ge- schöpft hat. Das zähe Festhalten des Volkes an der Ueberlieferung brachte es mit sich, dass noch heute dieselben Pflanzen in gleicher Weise und bei den gleichen Krankheits- fällen verwendet werden wie vor Jahrhunderten, wiewohl man nicht selten über die Wirkungsweise der einzelnen Pflanzen vollkommen im Unklaren ist. Bei Hundebissen z. B. werden allgemein gespaltene weisse Bohnen auf die frischen Wunden gelegt und so lange liegen gelassen, bis sie abfallen. Ich konnte trotz viel- fachen Nachforschens nicht den Grund erfahren, warum nur auf Wunden von Hunde- bissen gespaltene Bohnen gelegt werden, und warum es gerade weisse Bohnen sein müssen ? Ich bin mir darüber klar, dass die halben Bohnen für so kleine Wunden, wie sie Hundezähne häufig hinterlassen, ein sehr gutes Deckmittel bilden, speciell wenn es nur Bisswunden und keine Risswunden sind; aber warum gerade nur weisse Bohnen wirk- sam sein sollen, weiss ich bis heute nicht. Der pflanzliche Arzneischatz des bosnischen Volkes ist ein so reichhaltiger, dass es langjähriger Studien und des Sammelns Mehrerer bedürfen würde, um denselben erschöpfend darstellen zu können. Die folgende Auslese aus dem grossen Vorratlie der im Occupationsgebiete verwendeten pflanzlichen Heilmittel hat den Zweck, die 430 II. Volkskunde. Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf diesen Gegenstand zu lenken und zu weiteren Stu- dien anzuregen. Ick hoffe, dass mein schwacher Versuch nicht vereinzelt bleiben wird. Neben zahlreichen, auf Grund eigener Beobachtung und vielseitiger Mittheilung seitens einheimischer Aerzte, Aerztinnen und Patienten gesammelten Notizen haben mir als Quellen bei meiner Arbeit gedient: 1. Fünf handschriftliche „Doctorbücher“ aus dem Ende des vorigen und der ersten Hälfte des laufenden Jahrhunderts, die mir von den hochwürdigen Franziskaner- patres Barbarih, Batinic und Dr. Ban freundlickst zur Benützung überlassen wurden.1) Diese Handschriften rühren von bosnischen Franziskanern her, die seinerzeit auch leib- liche Aerzte ihrer Heerde waren. Drei von den in bosnischer. Sprache verfassten Manuscripten und namentlich das von Fra Ckristicevic aus Fojnica im Jahre 1834 geschriebene sind complet und gut erhalten, ein lateinisches und ein italienisch -bos- nisches sind leider nur Bruchstücke, doch immerhin in mancher Beziehung verwerthbar. 2. Das von Dr. Giro Truhelka herausgegebene Manuscript eines Doctorbuches aus dem vorigen Jahrhundert (siehe oben S. 383 ff.). Ferner wurden noch verwendet : 3. HapoßHa Me/tHgHHa v Cp6a, Hanncao ,4p- B^a^aH BopljeBiih. Hobh Ca,a,, 1872. 4. Jugoslavenski imenik bilja, sastavio Dr. Bogoslav Sulek. Zagreb, 1879. 5. Lehrbuch der Pharmakognosie, von Prof. Dr. Albert Wigand. Berlin, 1879. 6. Plandbuch der pharmaceutischen Praxis, von Dr. Herrn. Hager. 2 Bände. 1883. 7. Volksmedicin und medicinischer Aberglaube in Steiermark, von Dr. Victor Fossel. II. Auflage. Graz, 1886. 8. Ueber die in der hippokratischen Schriftensammlung erhaltenen pharmako- logischen Kenntnisse, von Dr. Rudolf v. Grott. (Historische Studien etc., herausgegeben von Prof. Dr. R. Kobert in Dorpat. Heft I. Halle a. d. Saale, 1889.) 9. Russische Volksheilmittel aus dem Pflanzenreiche von Dr. Wassily Demitsch. (Historische Studien, von Prof. Dr. R. Kobert. Heft I. 1889.) 10. Medycyna i przesady lecznicze ludu polskiego, Dr. Marjan Udziela. War- szawa, 1891. (Volksmedicin und medicinischer Aberglaube der Polen.) 1. Achillea mülefolmm L. (Kunica). Die getrocknete und gepulverte Schafgarbe oder die Blätter derselben abgekocht oder mit Eigelb innerlich genommen, beheben die Dysenterie. Der mit etwas Salz und Alaun gemischte Saft der Schafgarbe und des Wegerichs beseitigt, als Augenwasser gebraucht, Hornhautflecke (navlaka); innerlich genommen, stillt er Lungenblutungen. Aeusserlich verwendet, stillt die aufgelegte Pflanze die Blu- tungen aus Wunden; mit Plarz, Salz, Wachs und Fett zu einem Pflaster gemischt, heilt die Schafgarbe frische und alte Wunden. Mit Salz zerriebene frische Blätter lindern, auf die Wange gelegt, den Zahnschmerz. Das Decoct der Pflanze wird bei Lungenemphysemen (zaduha) und Wechselfieber (groznica) empfohlen. Die römischen Aerzte, wie z. B. Dioscorides und Plinius, haben die Schafgarbe äusserlich bei Blutungen und zur Heilung von Wunden gebraucht. x) Den genannten Herren, sowie dem Herrn k. u. k. Militärcaplan Jungic, dem icli wertlivolle Mittheilungen verdanke, sei hiermit für ihre gütige Unterstützung meiner Arbeit bestens gedankt. Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 431 In Polen, Kleinrussland und Russland wird die Schafgarbe ebenso wie in Italien äusserlicb und innerlich bei Blutungen, Wunden, Lungenleiden und Darmkrankbeiten vom Volke viel gebraucht. Nothnagel sagt, dass die Schafgarbe keinen nennenswerthen therapeutischen W erth besitze; doch liegen über das ätherische Oel und den Bitterstoff derselben noch keine genaueren Untersuchungen vor. 2. Allium cejpci L. (Luk crveni). 3. Allium sativum L. (Luk bijeli). Sowohl der Knoblauch als die Zwiebel gehören zu den meist verwendeten Volks- heilmitteln in Bosnien und der Hercegovina. Aeusserlich werden beide, entweder in Form von Umschlägen (mit Raute und Salz gestossen) oder als Salbe (mit Raute und Honig oder Essig gemengt), bei Bissen von wüthenden Hunden verwendet. Mit Wermuth und Fett zu einer Salbe zerriebener Knoblauch wird beim Keuch- husten (rikavac) auf die Fusssohlen gelegt. Eine aus Knoblauchpulver mit saurer Milch oder Seife und Oel bereitete Salbe gebraucht man gegen chronische Eczeme (majasin). Zerstossener Knoblauch wird bei hitzigen Krankheiten als fieberwidrig auf die Fusssohlen gerieben. Mit saurer Milch und Salz vermischte zerriebene Zwiebel wird bei Anschwellungen des Gesichtes verwendet; geröstete Zwiebelschnitte lindern, warm aufgelegt, Ohren- reissen; mit Oel und Salz geröstete Zwiebel ertödten, eingeträufelt, Ohrenwürmer; auf die Kopfhaut eingeriebener Zwiebelsaft befördert den Haarwuchs. Der Knoblauch- und der Zwiebelsaft werden innerlich gegen Wassersucht als harn- treibend empfohlen. Der Knoblauch in Ziegen- oder Eselsmilch mit Honig zu gleichen Tlieilen ge- nommen, löst trockenen Husten; die gleiche Wirkung hat mit Honig geröstete Zwiebel. Der in Honig oder Butter geröstete Knoblauch wird innerlich gegen Wechselfieber, der zerstossene und mit Weinessig gemischte Knoblauch gegen Fieberhitze überhaupt empfohlen. Der Knoblauch und die Zwiebel gehören zu den ältesten Heilmitteln der Mensch- heit. Die Hippokratiker verwendeten sie innerlich als harntreibende und äusserlicb als haarwuchsfördernde Mittel; der Knoblauch speciell wurde auch bei Wechselfieber em- pfohlen. Dioscorides gebrauchte beide überdies bei Bissen von giftigen Thieren. Die Polen und die Russen gebrauchen die Zwiebel und den Knoblauch äusserlicb hei W unden und Ausschlägen verschiedener Art, dann als Kataplasmen bei Abscessen, innerlich zur Vertreibung von Eingeweidewürmern, gegen Husten und Fieberhitze. In Serbien wird der Knoblauch bei Verbrennungen eingerieben; die Zwiebel kommt als Kataplasma bei Zellgewebeentzündungen und besonders bei dem sogenannten Wurm (zlic) zur Verwendung. Als Schutzmittel gegen verschiedene Infectionskrankheiten wird der Knoblauch nicht nur innerlich gebraucht, sondern auch als Amulet getragen. In der modernen Medicin wird keines der beiden Mittel verwendet; doch wäre nach den Erfahrungen Ivruckenberg’s und Kobert’s der Zwiebelsaft mit Zucker als schleimlösendes Mittel bei trockenem Husten gar nicht zu verachten. 4. Althea officinalis L. (Sljez, Sliz, Skliz). Fein geschnittene Eibischblätter mit Gerstenmehl bis zum Dickwerden in Wein gekocht, bringen, als Kataplasmen verwendet, Abscesse zur Reifung und beseitigen den 432 II. Volkskunde. Rothlauf. Der Saft beliebt Ohrenschmerzen. Die mit Eiweiss und Salz gestossene Wurzel wird gegen Carbunkel als Umschlag verwendet. Mit der abgekochten Wurzel und den Blättern, die in Essig geweicht Avurden, reibt man bei Kopfschmerz die Stirne ein. Die mit Menschenharn gekochte Eibischwurzel wird zur Heilung Aron Kopfaus- schlägen gebraucht. Die auf die Fusssohlen gelegte zerstossene Eibischwurzel soll wurmtreibend wirken. Die Blüthenabkochung wird gegen Brustkatarrhe benützt; die Pflanzenabkochung, mit etAvas Seife und Oel gebraucht, behebt die Verstopfung. Die Eibischwurzel Avird in der Medicin Avegen ihres Schleimgehaltes häufig bei Katarrhen der LuftAvege und des Darmtractes verwendet. Nach Nothnagel ist ihr therapeutischer Werth ein sehr geringer. 5. Anagallis arvensis L. (Misjakinja). Das erwärmte Kraut wird’ als Umschlag bei Halsentzündungen und Anschwellungen des Gesichtes gebraucht. Die Hippokratiker heilten damit torpide Wunden; früher wurde es in der Medicin bei Wasserscheu empfohlen; jetzt ist es ausser Gebrauch. G. Anemone nemorosa L. (Breberina, Breberina trava). Die frisch zerstossene Pflanze wird als vesicans verwendet. Das Weidenröschen ist bei den Esten als stark blasenziehendes Mittel bekannt; die Kamtschadalen sollen es zum Vergiften der Pfeile gebrauchen. In Kleinrussland wird diese Anemonenart von den Volksärzten gegen Kopfflechten benützt. Eine der Anemonenarten wurde bereits von den Hippokratikern äusserlich als locales Irritans gebraucht. Das Weidenröschen verdankt seine Wirkung einem scharfen flüchtigen Stoffe, welcher, auf die Haut gebracht, Blasen hervorruft. Die volksthümliche Verwendung dieser Pflanze ist somit vollkommen berechtigt. 7. Anethum foenieulum L. (Komorac). 8. Anethum graveolens L. (Kopar). Da das Fenchelkraut und Dillenkraut soavoIiI in ihrer Zusammensetzung, als auch in ihrer therapeutischen Wirkung sehr ähnlich sind, indem beide die Verdauung fördern und Milch, SchAveiss und Harnsecretion steigern, so wollen wir dieselben, AvieAvohl sie in der Volksmedicin nicht immer bei gleichen Leiden verwendet Averden, dennoch gleichzeitig besprechen . Bei Magenbesch Averden und Blähungen nimmt man durch zwei Wochen in Butter und Honig gekochtes Fenchelkraut auf nüchternen Magen; bei Frauen Avirkt dieses Mittel ebenso Avie eine Dillabkochung (Kopar) milchfördernd. Der mit Kinderharn gemischte Saft des Fenchels heilt Trübungen der Plornhaut (navlaka). Der Saft des Fenchelkrautes coupirt Wechselfieberanfälle. Die Abkochung des Fenchelkrautes dient zur Austreibung der Nachgeburt (posljedak, neoprascina); ein Decoct des Dillenkrautes wird bei Amenorrhoe (potajnica) gebraucht. Die in Milch durch längere Zeit eingeweichten Blätter des Dillenkrautes wirken befruchtend bei sterilen Frauen. 9. Artemisia Ahsinthium L. (Pelen, Pelin). 10. Artemisia vulgaris L. (Metlika). Der auch im Volksliede häufig erwähnte Wermuth spielt in der bosnischen Volks- medicin eine nicht unbedeutende Rolle. Das mit Honig gekochte Kraut wird äusserlich bei Hornhautflecken (biona), Augen- entzündungen, dann als Umschlag auf den Unterleib gegen Dismenorrlioe, mit Knoblauch Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 433 gekocht gegen Würmer und mit Leinsamen in Wein gekocht gegen Fieberhitze bei Kindern gebraucht. Die Abkochung wird innerlich bei Magenschmerzen, Bauchwassersucht und Gelb- sucht empfohlen. Die Hippokratiker benützten den Wermuth, und zwar sowohl das Kraut als die Wurzel innerlich bei Gelbsucht und Menstruationsverhaltung, äusserlich bei Gebär- mutterleiden und Krämpfen. Nach Dioscorides sollte der Wermuth „diuretisch, antifebril und entzündungswidrig wirken, die Menstruation hervorrufen etc.“. Die Ruthenen verwenden das Kraut als Fiebermittel, die Russen gebrauchen es als Magenmittel und überdies gegen Fieber, Eingeweidewürmer, Gicht, Gelbsucht und die Steinkrankheit. In manchen Gegenden wird der Wermuth auch als wehenerregend betrachtet. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Wermuth als Bittermittel bei manchen Magenleiden und gegen Wechselfieber einen gewissen therapeutischen Werth besitzt. Der dem Wermuth botanisch verwandte Beifu'ss, mit welchem die Slovenen manchen Wunderglauben verbinden, wird in Bosnien als Abkochung bei der Amenorrhoe und zur Reinigung der Frauen nach der Geburt gebraucht. Bei den Polen, Ruthenen und Russen wird der Beifuss sowohl innerlich als äusser- lich bei Frauenkrankheiten und namentlich bei Menstruationsstörungen und schweren Geburten, dann auch gegen die Epilepsie als krampfstillend empfohlen. 11. Betonica officinalis L. (Ranjak, Ranjenik). Das Zehrkraut ist eine gefallene therapeutische Grösse, die einst viel gerühmt und gebraucht und trotz eines italienischen Sprichwortes, welches auf die „Tugenden“ desselben hinweist, jetzt gänzlich obsolet geworden ist. Man verwendete die Pflanze einst in der Medicin äusserlich als Wundmittel und innerlich gegen Epilepsie, Schwind- sucht, Kopfschmerz und Gicht, jetzt fristet sie im westlichen Europa ihr kümmerliches Dasein nur noch als Lückenbüsser der weisen Frau und des Kräutermannes. In Bosnien wird das Zehrkraut meist als chirurgisches Mittel verwendet. Eine Salbe aus den Blättern mit Hasenfett bereitet, entfernt Projectile aus den Wunden. Der Saft der Pflanze stillt eingeschlürft Nasenbluten; der Saft innerlich und die ausge- presste Pflanze äusserlich hebt die Wirkung des Schlangengiftes auf. Geschwächte Manneskraft wird durch den Genuss des Zehrkrautsaftes gehoben; doch müssen die Blätter auch local verwendet werden. Die Abkochung der Pflanze ist, in der Zeit des Mondwechsels gegeben, bei Amenorrhoe wirksam. 12. Brassica capitata L. (Kupus). Der Same mit Schnaps wird gegen Würmer, der gekochte Same gegen Kolik empfohlen. Die Blätter oder die gestossene Wurzel mit Eiweiss heilt Brandwunden; gesäuerte Blätter bringen Panaritien (zlic) zur Reifung. Das Kraut hat weder früher noch jetzt in der Medicin Verwendung gefunden; der Kohl wurde von den altgriechischen Aerzten als Laxans empfohlen. Als Wundheilmittel werden die Krautblätter in Polen häufig gebraucht. 13. Bryonia alba L. (Tikvina debela). Die Wunden nach dem Schlangenbisse werden entweder mit dem Kraute der Zaunrübe eingerieben oder mit frischen Wurzelschnitten bedeckt. Die gestossene Wurzel Band II. 28 434 II. Volkskunde. zieht Knochensplitter aus Wunden; in Wein gekochte Wurzeln bringen Abscesse zum Reifen; Umschläge aus frischen, mit Salz bestreuten Wurzelschnitten, auf den Bauch gelegt, beheben die Wassersucht. Der Wurzelsaft wirkt innerlich als Laxans und verkleinert Blasensteine. Die Wurzel der Zaunrübe wurde von den Hippokratikern innerlich als Purgir- mittel und äusserlich als Uterusmittel benützt. Die älteren Aerzte gebrauchten die Zaunrübenwurzel recht häufig gegen die ver- schiedensten Leiden; jetzt wird sie nur hie und da in Frankreich hysterischen Frauen ordinirt. Die drastisch laxirende Wirkung wurde im Jahre 1889 von Mankowsky erprobt; doch ist sie ein recht gefährliches Mittel, bei dessen Verwendung besondere Vorsicht geboten erscheint. 14. Calendula arrensis L. (Neven). Ein Decoct der Blüthen oder der Pflanzensaft wird von den Einen gegen Amenorrhoe, von Anderen hingegen bei Menorrhagien empfohlen. * Dieses Ringelkraut ist in der Medicin nicht zur Verwendung gelangt. 15. Cannabis sativa L. (Konoplja). Gepulverte Hanfsamen in Wein coupiren das Wechselfieber; in einem kalten Auf- gusse treiben sie den Bandwurm ab. Der Saft der Hanfsamen stillt, innerlich genommen, das Seitenstechen (sandjija). Der Hanfsamen und das Hanföl werden seit altersher äusserlich bei Verbrennungen und innerlich als Abortivmittel gerühmt. Das Hanföl kann wie alle Ocle abführend und wurmabtreibend wirken. 16. Caryophyllus aromaticus L. (Karanfil). Gepulverte Nelken werden mit gepulvertem Kupfervitriol (mavi kamen, modri kamen) und unter Zusatz von saurer Milch zu Pillen geformt, welche ein altbewährtes Heilmittel der Franziskaner gegen die Syphilis sind. Nelkenpulver mit Milch heilt den Favus, sowie andere Kopfausschläge (osutke na glavi). Die Nelken werden jetzt in der Medicin nicht venverthet; früher wurden sie nicht selten bei Frauenkrankheiten gebraucht. 17. Ceratonia Siliqua L. (Rogac). In der Hercegovina wird die gepulverte Frucht des Johannisbrotbaumes auf glühende Kohlen gestreut und der aufsteigende Rauch eingeathmet. Hiedurch werden Abscesse im Halse zum Bersten gebracht. Das Johannisbrot war seinerzeit ein Bestandtheil des sogenannten Wiener Brust- thees, jetzt ist es nur eine Näscherei der Kinder. 18. Chelidonium majus L. (Rosopas, Rosopast). Der Wurzelsaft des Schellkrautes wird als Enthaarungsmittel benützt; der Pflan- zensaft mit Kinderharn beseitigt die Trübungen der Hornhaut. Als Bähung wird das Schöllkraut bei Gebärmutterkrämpfen empfohlen. Eine Weintinctur des Krautes wird gegen die Gelbsucht, die Abkochung des Krautes mit der Wurzel als harntreibend gegen die Wassersucht benützt. Dioscorides gebrauchte die Schellkrautwurzel innerlich bei der Epilepsie und der Gelbsucht. Die Wurzel sollte, wie er behauptet, scharfsichtig machen. In Russland behandelt man mit dem Pflanzensafte viele Hautleiden und Hornhaut- flecke; innerlich wird er gegen Gelbsucht und Leberleiden gebraucht. Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 435 Bei der Verwendung des Schellkrautes gegen die Gelbsucht scheint die gelbe Farbe des Saftes die wichtigste Rolle gespielt zu haben. Wirkt der Pflanzensaft schon äusserlich irritirend und ätzend, so muss er innerlich genommen direct als Gift bezeichnet werden, denn er ruft bereits in nicht zu starken Dosen Ueblichkeit, Erbrechen, Koliken und Diarrhoe hervor. Grosse Gaben können sogar tödtlich wirken; daher muss das ScheBkraut mit grosser Vorsicht verwendet werden. 19. Cochlearia armoracia L. (Ren, Morska rotkva). Die geriebene Wurzel wird als hautröthendes Mittel gegen Rheuma, Seitenstechen und Kopfschmerz verwendet. Der Wurzelsaft behebt die Taubheit; mit Honig gemischt wird derselbe gegen Gesichtsanschwellungen empfohlen. Die in Milch gekochten Blätter werden bei chronischen Kniegelenksentzündungen (otok koljena) gebraucht. Die Meerrettigabkocliung mit Wein wirkt harntreibend und lindert die Stein- beschwerden. Die geschabte Wurzel mit Fett wird gegen Husten und Lungenschwind- sucht empfohlen. Mit schwarzem Rettig gekocht, lindert sie innere Schmerzen. Der Samen oder die Wurzel innerlich genommen beheben das Stottern. Der Meerrettig soll bereits von den Aegyptern bei Brustkrankheiten und namentlich bei der Lungenschwindsucht verwendet worden sein. Die Hippokratiker gebrauchten ihn als Brechmittel; Plinius erwähnt seine localreizende Wirkung. In Russland wird der Meerrettig äusserlich als Hautreiz gegen Rheuma, Erkältungsschmerzen, Fieber und Wassersucht und innerlich bei Fieber, Husten, Blutungen und Wassersucht gebraucht. Die äussere Wirkung des Meerrettigs ist zweifellos und beruht auf einem ätheri- schen Oele, welches dem Senföl verwandt ist. 20. Cochlearia officinalis L. (Lazarica). Ein Pulver aus dem Löffelkraut und aus dem Wiesensalbei ( Salvia pratensis) wird bei cariösen Knochen (zivo u kosti) empfohlen. Aus dem Löffelkraut, das seinerzeit in verschiedenen Formen in der Medicin, namentlich zu Mund- und Gurgelwässern, verwendet wurde, hat die Geheimmittel- industrie mehrere sogenannte specifische Pleilmittel bereitet, die aber ebenso wie das Löffelkraut selbst keinen therapeutischen Werth haben. 21. Cornus mascula L. (Drijen). Als sympathetisches Mittel wird der Fruchtsaft der Kornelkirsche bei manchen Frauenkrankheiten und der Holzsaft bei Eczemen der Haut verwendet. Die getrockneten Früchte werden in Wasser gekocht und die Abkochung bei Ruhr getrunken. Die Wurzel soll gegen Vergiftungen wirksam sein. Die Hippokratiker empfahlen die Frucht der Kornelkirsche als stopfende Nahrung. In der Medicin wurde sie früher gegen Ruhr und Durchfall verwendet, jetzt ist sie gänzlich ausser Gebrauch. 22. Cyclamen europaeum L. (Krizalina). Als Umschlag auf den Plals lindert die Pflanze die Halsentzündung. In Dalmatien wird der Pflanzensaft bei veraltetem Kopfschmerz geschnupft. Die Pflanze enthält einen von Saladin dargestellten krystallinischen Giftstoff, das Cyclamin, welcher dem Grade nach ungefähr so heftig sein soll, wie das sogenannte Pfeilgift Curare, und der, nach den Untersuchungen von Tupanow, schon in kleinen Gaben erbrechenerregend wirkt. 436 II. Volkskunde. 23. Cynanchum Vincetoxicum Persoon. (Drinjak). Die in Wein gekochte Wurzel gibt man gegen Bisse giftiger Schlangen. Die Weinabkochung lindert innere Schmerzen und wirkt namentlich als schweiss- treibendes Mittel bei der Wassersucht. Die Schwalbenwurzel war früher viel verwendet als Brech-, Purgir-, Scliweiss- und harntreibendes Mittel; jetzt ist sie gänzlich ausser Gebrauch. 24. Dictamnus albus L. (Jasenjak, Jasenik). Den aus der Pflanze ausgepressten Saft gebraucht man als harntreibend bei der Wassersucht (debela, debela holest). Die Dictamwurzel galt früher als krampfstillendes und harntreibendes Mittel, ist aber schon seit langer Zeit ausser Gebrauch. 25. Dipsacus fullonum L. (Preslinac). Der Pflanzensaft wird äusserlich und innerlich gegen Blutungen empfohlen. Ein Decoct der Pflanze, innerlich genommen, wirkt bei Dysenterie und Darm- brüchen; die mit Wachholderbeeren geröstete Pflanze wird mit Wasser bei Blasensteinen verabreicht. In der wissenschaftlichen Medicin konnte ich keine Spuren über die Verwendung dieser Pflanze finden. 26. Erythrea Centaurium Persoon. (Kitica, Trava od groznice). Die gepulverte Wurzel wird, in Wasser genommen, bei Wechselfieber gerühmt. Der Pflanzensaft oder ein Weinabsud wird gegen Amenorrhoe (potajnica) empfohlen. Das Tausendgüldenkraut gehört zu den magenstärkenden und fieberwidrigen Mitteln, und seine diesbezügliche Verwendung ist stark verbreitet. In Griechenland heisst es ähnlich wie in Bosnien das „Fieberkraut“. In Russland und Polen gehört diese Pflanze zu den beliebtesten Mitteln bei Magen- und Brustleiden, wird jedoch auch sehr oft beim Wechselfieber und gegen Frauen- leiden empfohlen. Die Wirkung des Tausendgüldenkrautes ist auf einen Bitterstoff zurückzuführen, und seine Verwendung ist nicht ohne Nutzen. 27. Euphorbia Lathyris L. (Avdisalatin). Die gepulverten Samenkörner auf ein gekochtes Ei wirken als Brechmittel und als Purgans. Einige Species der Euphorbiaceen wurden bereits von den Hippokratikern als drastische Abführmittel gebraucht; in einzelnen Theilen von Russland und Polen werden sie innerlich zu gleichen Zwecken vom Volke verwendet. Was besonders die in Bosnien verwendete Species anbelangt, so haben Experimente gezeigt, dass 6—12 Samenkörner der Euphorbia Lathyris , innerlich genommen, Erbrechen, Durchfall und sogar nervöse Zufälle hervorrufen können. Das Oel der Samen, bekannt unter der Bezeichnung Oleum Lathyridis (huile d’epurge), wird im Süden hie und da bei Verstopfungen ordinirt. 28. Ficus Carica L. (Smokva). Eine Salbe aus getrockneten Feigen, Eibischblättern, Fichtenharz, Salz, Seife, Eigelb und Milch wird gegen syphilitische Wunden angewendet. Der Saft frischer Feigen lindert die Entzündung und die Schmerzen nach Scorpion- stichen. Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 437 Die Hippokratiker gebrauchten frische und getrocknete Feigen äusserlich als Schönheitsmittel und innerlich als Laxans. Im Oriente sind die Feigen ein beliebtes Hausmittel bei der Dysenterie. Als Hausmittel werden die Feigen noch hie und da innerlich bei Brustkatarrhen und äusserlich zu Gurgelwässern bei Halsentzündungen gebraucht. 29. Fraxinus ornus L. (Jasen). Der beim Verkohlen des Holzes von Fraxinus ornus abfliessende Saft wird zur Vertreibung von Warzen (bradavice) als Einreibung verwendet; der beim Erhitzen der Kolben hervortretende Saft behebt die Schwerhörigkeit. Eschenholzasche mit Seife und Kiefernharz zu einem Pflaster verarbeitet, bringt Carunken (crni prist) zur Reife. Gegen Anschwellung der Füsse, sowie gegen Schmerzen in denselben werden in Wein gekochte Eschenblätter empfohlen. Gepulverte Eschenrinde oder ein Auszug von Eschenwurzel und Enzian in Wein beseitigt das Wechselfieber. Ein kalter Aufguss der Rinde lindert Magenkrämpfe, eine Abkochung derselben treibt den Bandwurm (metilj) ab. Die Samen der Esche wurden von den griechischen Aerzten als harntreibendes Mittel empfohlen. Der an der Luft eingetrocknete Saft der Fraxinus ornus ist in der Meclicin unter dem Namen „Manna“ bekannt und als leichtes Abführmittel nicht selten im Gebrauche. 30. Gentiana lutea L. (Srcanik, Srcenik, Zehicnjak). Die pulverisirte Wurzel in Wasser genommen, wird gegen Wechselfieber und Magenleiden empfohlen. Vor der Einführung der Chinarinde in Europa wurde die Enzian- wurzel von Aerzten und Laien beim Wechselfieber gebraucht, jetzt wird sie zu diesem Zwecke nur noch vom Volke verwendet. Einen unzweifelhaften therapeutischen Werth hat der Enzian bei der sogenannten atonischen Verdauungsschwäche und wird bei die- sem Leiden selbst von den hervorragendsten Aerzten empfohlen. 31. Hedera Helix L. (Brstan, Brsljan). Die Epheublätter werden, in Essig durch 24 Stunden geweicht, bei Contusionen (uboj) und in Essig gekocht gegen vernachlässigte stinkende Wunden verwendet. Die in Wein gekochten Blätter stillen als Umschlag auf die Wangen den Zahnschmerz, doch muss der Absud gleichzeitig im Munde gehalten werden. Innerlich wirkt die Abkochung der Blätter und der jungen Triebe bei Harnbrennen (kada reze mokraca) und Steinbeschwerden schmerzstillend. In Butter geröstete Blätter werden bei Wasser- sucht der Unterschenkel empfohlen. Der Saft der Blätter behebt, als Augenwasser verwendet, die Blindheit. Ein Weindecoct aus den Blüthen vertreibt die Scropheln (gute). Die gepidverte Epheufrucht mit Raute und Salbeiblättern in Honig genossen, behebt die Amenorrhoe (potajnica). „Die Epheublätter galten vor Zeiten als ein Mittel gegen chronischen Katarrh, Abzehrung, Podagra, Rachitis und Scropheln. Die frischen Blätter benützt man äusserlich bei Verbrennungen, zum Verband stinkend eiternder Geschwüre und Wunden, zur Zertheilung kalter lymphathischer Geschwülste.“ (Hager 1. c., Bd. II, S. 73.) Als Deckmittel bei Wunden dürften die Blätter nicht ohne Werth sein. 32. Helleborus odoreus W. 72 (Kukurijek). DieNiesswurz wird hier nur wenig als Volksheilmittel gebraucht, am häufigsten noch in Form von Dunstbädern oder als Kataplasma bei schlecht heilenden Wunden. 438 II. Volkskunde. 33. Holcus Sorghum L. (Sirak, Sirk). Dei’ pulverisirte Same mit Wein stillt alle Ausflüsse cles Körpers. Das Pulver der getrockneten Blütlien wird gegen Menorrhoe verwendet. Die Hippokratiker verwendeten die Sorglisamen als Stopfmittel; jetzt sind sie ganz obsolet. 34. Ilordeum vulgare L. (Jecam). Mit Milch gekochtes Gersten mehl wird als Kataplasma zur Reifung von Carbun- keln gebraucht. Gestossene Körner werden mit Disteln (kopriva) und Hollunderblüthen (cvijet od zovike) zusammen gekocht und als Kataplasma bei Verhärtung der Brüste verwendet. Das Wasser, in welchem zerstossene Gerste abgekocht wurde, wird warm bei veraltetem Husten und abgekühlt statt gewöhnlichem Trinkwasser bei der Ruhr ge- nommen. In den Sechziger- und Siebziger]' ahren unseres Jahrhunderts wurde sogenanntes präparirtes Gerstenmehl als leicht verdauliches Nahrungsmittel für Brustleidende, Schwindsüchtige und Reconvalescenten viel gerühmt; jetzt ist es (vielleicht mit Un- recht) nicht mehr in Verwendung. 35. Hypericum perforatum L. (Ivanova trava). Ein Wein- oder Wasserdecoct des Johanniskrautes mit Tussilago farfara (pod- bio) und Inula Heleniurn (ovnak) wird gegen veralteten Plusten und Lungenemphysem empfohlen. Das zerstossene Kraut oder die zerstossene und mit Oel gekochte Frucht heilt Brandwunden. Die getrockneten Früchte auf eine Schnur aufgezogen und als Amulet getragen schützen vor Verzauberung und Verhexung. Das Johanniskraut spielt im Volksglauben und in der Volksmedicin vieler Na- tionen eine hervorragende Rolle; es wird ihm die Kraft zugeschrieben, vor der Ein- wirkung böser Geister und der Zauberei zu schützen. Die rothe Farbe seines Auf- gusses scheint nicht wenig mit dazu beigetragen zu haben, dass man es seinerzeit bei Blutungen und Brandwunden verwendet hat. In Russland wird das Johanniskraut, ähnlich wie in Bosnien, innerlich bei Augen- krankheiten und äusserlich als schmerzstillendes und heilendes Mittel gegen Wunden gebraucht. 36. Inula Heleniurn L. (Ovnak, Veliko zelje). Der mit Menschenharn gekochte Alant heilt die Krätze (svrab); die pulverisirte Pflanze bringt syphilitische Geschwüre zur Vernarbung. In Wein gekochte Blätter lindern als Umschläge rheumatische Schmerzen. Die in Lauge ausgekochte Wurzel ist äusserlich verwendet bei Halsentzündungen wirksam; zerstossen und in Wein gekocht verkleinert sie Leistenbrüche. Die getrocknete und gepulverte Wurzel wird innerlich bei Lungenschwindsucht, Lungenemphysem und Husten empfohlen. Die Abkochung der Wurzel in Wein oder eine Weintinctur derselben wirkt harntreibend bei der all- gemeinen Wassersucht. Die Abkochung der Wurzel mit Wachholderbeeren und Honig lindert Brustschmerzen. Die Hippokratiker verwendeten den Alant bei Gebärmutterleiden. Dioscorides empfahl ihn bei Brustleiden. Bei den Russen ist die Alantwurzel ein äusserliches Volksmittel gegen Krätze und andere Plautausschläge. Innerlich wird sie gegen Husten und Brustschmerzen, als schweisstreibendes Mittel, dann bei Fieber und rheumatischen Schmerzen gebraucht. Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 439 In cler Ukraine wird die Alantwurzel innerlich und äusserlich gegen Syphilis verwendet. In der Schulmedicin wurde die in Rede stehende Wurzel früher als schleimlösendes und harntreibendes Mittel innerlich und zur Behandlung parasitärer Hautleiden äusser- lich benützt, jetzt ist sie nahezu gänzlich ausser Gebrauch. 37. Iris germanica L. (Ljiljan modri). 38. Lüium candidum L. (Ljiljan bijeli). Die Blüthe der weissen Lilie wird in Bosnien als sympathetisches Mittel häufig verwendet. Mit Honig gemischt soll sie Muskelschnitte heilen, mit Oel gemischt ruft sie äusserlich verwendet die Menstruation hervor. Der gelbe Blüthenstaub mit Wasser, in welchem ein Ducaten durch 12 Stunden gelegen ist, heilt, Abends genommen, die Gelbsucht. Der Saft der Schwertlilienwurzel, mit Eigelb durch 15 Tage gebraucht, behebt die Wassersucht. Die weisse Lilie wird in der Medio» nicht verwendet; die unter dem Namen Veil- chenwurzel bekannte Schwertlilienwurzel wird zu kosmetischen Zwecken häufig gebraucht. 39. Jugulans regia L. (Orah). Der Saft der frischen Wallnusstriebe wird bei Eczemen in die Haut eingerieben; in Essig gekochte Blätter wirken auf Hautentzündungen und scrophulöse Drüsen- anschwellungen zertheilend. Pulverisirte junge Triebe in Wein stillen innerlich genommen übermässige Men- strualblutungen; mit Wasser genommen wirken sie wurmtreibend. Pulverisirte gebrannte Nüsse werden mit Wasser gegen Blähungen, die Nuss- schalen allein gegen Harnverhaltung empfohlen. Nach Hager gilt der Saft der grünen Schalen als magenstärkend, wurmtreibend und blutreinigend; die Blätter im Theeaufguss werden bei Scropheln und Rhachitis innerlich, abgekocht aber äusserlich als Augenwasser gebraucht. In der Medicin ist die Wallnuss ganz obsolet. 40. Juncus conglomeratus L. (Sit, Sita). Die Pflanzenabkochung mit Nüssen soll, durch 40 Tage gebraucht, Blasen- steine lösen. Die diuretische Wirkung der Juncuswurzel ist bekannt, doch wird diese nur äusserst selten verwendet. 41. Juniperus communis L. (Smreka). Die in Wein gekochten zerstossenen Wachholderbeeren werden als Kataplasmen bei Magenkrämpfen (zeludac) und Milzanschwellung (dalak) gebraucht. Der Dunst der in Milch gekochten Beeren wird bei der Taubheit (gluhoca) in die Ohren einge- leitet. Wachholderharz wird auf ein blaues Papier gestrichen und mit geriebenem Meerrettig auf Contusionen (uboj) gelegt. Die Abkochung der Beeren wird innerlich bei Wassersucht, Brustschmerzen und als krampfstillendes Mittel gebraucht. Die griechischen Aerzte verwendeten die Wachholderbeeren bei Gebärmutter- krankheiten und zur Anregung der Milchsecretion ; bei den Polen, Ruthenen und Russen sind sie ein beliebtes Diureticum, überdies werden sie gegen Fieber und Bauch- leiden empfohlen ; ein Oel aus den Beeren wird in Russland bei Rheuma benützt. 440 II. Volkskunde. In Böhmen werden die Wachholderheeren gleichfalls hei der Wassersucht als harntreibend und überdies gegen die Tuberculose verwendet; in Dalmatien werden sie ebenso wie in Russland gebraucht. Die Nadeln mit Seife zu einem Pflaster verrieben werden in Dalmatien gegen den Fingerwurm (zlic) benützt. Die Abkochung der zerstossenen Wachholderbeeren wird in der Medicin als harn- und schweisstreibend bei der Bauchwassersucht empfohlen. 42. Lappa, major Gr. 43. Lappa tomentosa Lam. (Cicak, Repulj). Der Klettensame wird als Pulver im Wasser gegen den Biss eines wuth kranken Thieres innerlich empfohlen. Das Kraut wird als Weindecoct gegen Steinbeschwerden innerlich genommen. Die zerstossene Wurzel, mit Hasenfett zu einer Salbe verrieben, entfernt fremde Körper, wie z. B. Projectile aus Wunden, mit gewöhnlichem Fett ist sie ein erprobtes Mittel bei Eczemen der Kopfhaut (perut, perucac). Die auf den Unterleib gelegte Pflanze soll bei Säuglingen das Weinen stillen. Die physiologische Wirkung dieser Pflanze ist bis jetzt nicht genügend erforscht, wiewohl diese bereits von den römischen Aerzten im Alterthum erwähnt und jetzt bei verschiedenen Völkern äusserlich bei Wunden und Hautkrankheiten und innerlich als Laxans, gegen Rheumatismen und Scropliulose verwendet wird. Die Russen rühmen sie namentlich als Wundheilmittel; in England gebraucht man sie bei der Wassersucht. 44. Lauras nobilis L. (Lavorika). Der aus den Blättern gepresste Saft stillt, im Munde gehalten, den Zahnschmerz. Das Pulver der getrockneten Beeren, mit Honig oder Wein innerlich genommen, ist bei Lungenschwindsucht wirksam. Ein Decoct aus den Beeren, mit einem Decoct aus weissen Lilienblüthen gemischt, behebt innerlich genommen die Amenorrhoe. Die Lorbeerblätter wurden früher recht häufig als Bittermittel gegen Wechsel- fieber und bei Amenorrhoe, sowie zur Beförderung der Wehen gebraucht; jetzt sind sie nur als Gewürze im Gebrauch. 45. Ligusticum Levisticum L. (Miloduli). Das Pulver der Wurzel wirkt äusserlich gebraucht bei Bissen aller Thiere, selbst wüthender Hunde, schmerzstillend und entgiftigend. Die mit Essig und Honig gekochten Blätter als Gurgelwasser heilen die Hals- entzündung. Ein aus dem Badekraute bereitetes Dunstbad befördert die Menstruation und wirkt harntreibend. Die pulverisirte Wurzel innerlich genommen erhitzt den Magen, befördert die Verdauung und wirkt überhaupt schmerzstillend. Ein halbes Dramm (2 Gramm) dieses Pulvers innerlich genommen ruft die Menstruation hervor und treibt den Harn. Ein Decoct von Badeki’aut mit Raute und Feigen lindert Brustschmerzen. Demitsch sagt über die Verwendung dieses Krautes: „Das russische Volk schreibt der Pflanze eine magenstärkende, antifebrile, wurm- und harntreibende Wirkung zu.“ In der Schulmedicin wurde früher die Wurzel des Badekrautes bei Wassersucht und Urethralblenorrhoe, chronischen Herzleiden etc. als harntreibendes Mittel empfohlen; jetzt ist sie ganz obsolet. 46. Linum usitatissimum L. (Lan). Der Leinsamen wird entweder allein oder mit Feigen als erweichender Umschlag zur Reifung von sogenannten Blutgeschwüren (micina), bei Verbrennungen und als schmerzlinderndes Mittel bei Kindern auf den Unterleib gelegt. i t Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 441 Die zerstossenen Samen mit Honig gemischt werden als Saft gegen Wunden und Ausschläge im Munde empfohlen. Der aus den Samen gepresste ölige Saft wird inner- lich bei Lungenentzündung gegeben. Die pulverisirte Pflanze wird auf syphilitische Wunden gestreut; das Pulver der Pflanze wird innerlich und als Räucherung auch äusserlich bei Wehenschwäche empfohlen. Die Hippoki’atiker verwendeten den Leinsamen wegen seines Schleimgehaltes als Mittel gegen Durchfälle und äusserlich als Heilmittel bei vernachlässigten Wunden. In der Medicin wird der zerstossene Leinsamen zu Umschlägen und erweichenden Kataplasmen häufig gebraucht; das Leinöl mit Kalkwasser wird bei Brandwunden und das Oel innerlich hie und da als Laxans empfohlen. 47. Lysimachia Nummularia L. (Metilj, Trava smijac). Diese in der wissenschaftlichen Medicin nicht gebrauchte Pflanze wird in Bos- nien, in Butter geröstet, gegen Eczeme gebraucht. 48. Matricaria chamomilla L. (Zabljak, Rumanj, Kamilica). Die Blüthenabkochung mit Weisswein wird zur Austreibung todter Früchte, dann gegen Amenorrhoe, Harngries und Brustschmerzen benützt. Bei Magenschmerzen, Darmreissen und im Wochenbette wird ein Blüthendecoct in Wasser gerühmt. Die griechischen Aerzte verwendeten die Camillen als Zusatz zu Arzneimitteln. Bei cardialgischen und kolikartigen Beschwerden sind die Camillen zweifellos wirksam; in grossen Mengen genommen wirken sie auch als Brechmittel. 49. Melissa officinalis L. (Ljubica celina). Die Melisse wird äusserlich als Umschlag gegen scrophulöse Drüsenanschwellungen (gute) in der Absicht, dieselben zu verkleinern; mit Camillen abgekocht bei Gebärmutter- vorfällen (kad ispane rodiljka) und Kreuzschmerzen, dann als Mundwasser zur Linderung der Zahnschmerzen verwendet. Innerlich werden die jungen Sprossen, in Wein gekocht, gegen Spinnen- und Scorpionstiche, Hundebisse und Darmschmerzen empfohlen. Ein Wein- oder Wasserdecoct der Melisse wird bei Asthma (zadidia), Epilepsie (goropascina), Herzklopfen (kad srce mlati) und periodischem Kopfschmerz (nastup u glavi) gebraucht. Die Melisse gilt in der wissenschaftlichen Medicin als mildes, aromatisches und magenstärkendes Mittel; das Oel soll krampfstillend wirken. 50. Mentha crispa L. (Metvica pitoma). 51. Mentha peluyium L. (Metvica, Metva). Sowohl der Poley, als die Gartenminze werden innerlich und äusserlich insehr ausgedehntem Masse verwendet. In Wein oder in Ziegenmilch gekocht wirkt die Gartenminze als Brechmittel; die Blätter derselben mehrfach auf die Zunge gerieben beheben das Stottern. Ein Decoct der Gartenminze, in welchem auch Dillenkraut ist, wirkt milcli- fürdernd, wobei die ausgekochten Kräuter wann auf die Brüste zu legen sind. Dieses Kräutergemisch wirkt auch als zertheilendes Mittel bei Entzündung der Brüste. Magen- und Unterleibschmerzen werden durch den innerlichen Gebrauch eines Wasser- oder Weinclecoctes der Gartenminze gemildert; ein kalter Aufguss derselben behebt, als Mundwasser, schlechten Geruch aus dem Munde. Mit frischer Butter und süssem Weine bis zum Dickwerden gekochte Gartenminze dient, innerlich genommen, zur Austreibung todter Früchte (wohl wehenerregend), mit 442 II. Volkskunde. Honig gekocht befördert sie die Wehenthätigkeit während der Gehurt. — Zerstossene Minzenblätter beheben, aufgelegt, rheumatische Schmerzen in den Gliedern, getrocknete und pulverisirte Minze mit weichen Eiern 40 Tage genommen, heilt die Epilepsie. In Essig gekochte Minze, oder der mit Essig gemischte Saft derselben stillt, innerlich ge- nommen, alle Arten von Blutungen aus dem Inneren des Körpers. Dieses Medicament wirkt übrigens auch wurmtüdtend. Der Geruch der Minze kräftigt das Gehirn, schärft das Gedächtniss und erweckt aus Ohnmächten. Der Poley soll, als Umschlag gebraucht, Gebärmutterblutungen stillen und harn- treibend wirken. Die therapeutische Wirkung der besprochenen zwei Pflanzenarten ist auf den Gehalt an Terpenen, ätherischen Oelen und an Menthol zurückzuführen; sie werden daher in Form von Theeaufgüssen bei Magenschmerzen und Darmkoliken, mit meist sehr gutem Erfolge, ärztlich angewendet. Mässig genossen heben sie den Appetit und verbessern die Verdauung. Bekannt ist die Verwendung des Menthols als schmerz- stillendes Mittel bei halbseitigem Kopfschmerze. 52. Milium Panicum Mill. (Proso, Proha). Die erhitzten Körner werden bei der Unterleibskolik als schmerzstillend in einem Leinensäckchen aufgelegt. 53. Narcissus Pseudonarcissus L. (Zelenkada). Die mit den Blättern zerstossene Wurzel wird bei Entzündungen der Brüste, die mit Honig gemischte Wurzel gegen Verbrennungen gebraucht. Die auf Schnittwunden gelegte Wurzel führt rasche Heilung derselben herbei. Der Narciss wird in der Medicin nicht verwendet. 54. Nicotiana tabacum L. (Dulian). In Schnaps macerirte Tabakblätter werden bei Contusionen aufgelegt; mit Honig bestrichene Blätter verwendet man gegen Seitenstechen (sandzije). Das Wasser, in welchem Tabakblätter macerirt wurden, wird als Desinficiens bei vergifteten Wunden und als Heilmittel gegen Krätze gebraucht. Die Tabakblätter werden noch hie und da in der Medicin, im Aufguss, als krampf- stillendes Mittel verwendet. Aeusserlich werden sie nur als Volksheilmittel gegen para- | sitäre Hautkrankheiten der Menschen und Tliiere gebraucht. 55. Paeonia officinalis R. (Bozur). Gebraucht werden die Wurzel und der Samen der Gichtrose. Zerschnittene und durchbohrte Wurzeln werden auf eine Schnur gezogen und als Halskette zur Heilung , der Epilepsie, Geistesstörung, der Heiserkeit und Halsschmerzen getragen. Die pulverisirte Wurzel mit Wasser wirkt bei Dysenterie; in Wein gekocht coupirt sie, als Brechmittel vor dem Anfalle genommen, das Wechselfieber. Die Wurzel- abkochung mit Wein ist ein Heilmittel bei der Epilepsie. Die Samen mit Wasser oder Wein werden bei Nerven- und Geisteskrankheiten, ja selbst bei der Apoplexie gebraucht. Die Hippokratiker verwendeten die Gichtrose nur. als äusseres Mittel bei eiternden, wuchernden und leicht blutenden Geschwüren. Vordem war die Paeonienwurzel als Antiepilepticum und Antispasmodicum viel verwendet; da sie aber vollkommen wirkungslos ist, wird sie gar nicht mehr ordinirt. Glück. Skizzen aus der Volksmediein in Bosnien und der Hercegovina. 443 56. Parietaria officinalis L. (Crkvina7 crkvina trava). Das frische Kraut, zerstossen und aufgelegt, heilt frische Schnittwunden; die Sprossen werden beim Rothlauf (poganac), Verbrennungen (izeg), Abscessen und bei Hautentzündungen überhaupt verwendet. Der Pflanzensaft mit Honig dient zur Pinselung bei Halsentzündungen; die in Wein oder Honigwasser gekochte Pflanze gebraucht man bei veraltetem Husten. Diese Urticacee war in der Medicin wenig angewendet — am meisten noch als Wundmittel — jetzt ist sie gänzlich ausser Gebrauch. 57. Petroselinum sativum L. (Persin, Majdonos). Der Wurzelsaft wird bei Zahnschmerz in die Wange eingerieben; der zerstossen e Same, mit Wasser innerlich genommen, wirkt harntreibend. Die Petersilie wurde bereits von den Hippokratikern den diuretischen Heilmitteln zugezählt. Das ätherische Oel derselben dürfte als Hautreizmittel nicht unwirksam sein. 58. Phaseolus vulgaris L. (Grak). Die Bohnen werden zu volkstherapeutischen Zwecken sowohl roh als gekocht verwendet. Gespaltene weisse Bohnen dienen als Deckmittel bei Hundebissen, gepulverte Bohnen als Schnupfmittel bei Nasenbluten. Gekochte ganze Bohnen werden heiss auf Blutgeschwüre (napon) gelegt, gekochte und zerstossene Bohnen werden als Kataplasmen hei Entzündung der Brüste (otok sisa) gebraucht. Von den griechischen Aerzten wurden die Bohnen als stuhlbeförderndes Mittel empfohlen; jetzt wird nur das Bohnenmehl hie und da als Streupulver beim Rothlauf verwendet. 59. Physalis Alkegengi L. (Poganceva trava). Die gepulverten Beeren werden als Streupulver beim Rothlauf (poganac) benützt. Allem Anscheine nach hat die scharlachrothe Farbe der Beeren auf die Verwendung derselben beim Rothlauf hingeführt. Die getrocknete Pflanze wird nach der Mittheilung des Herrn Dr. Pordes in der Umgebung von Visoko als Räucherungsmittel gegen die Syphilis (pogana holest) benützt. Die Beeren der Judenkirsche haben diuretische Wirkung und wurden daher früher bei Nierenleiden, Wassersucht und Gicht gebraucht; jetzt sind sie obsolet. 60. Plantago major L. (Bokvica muzka). 61. Plantago lanceolata L. (Bokvica zenska). Der Wegerich ist eine in Bosnien viel verwendete Heilpflanze; man gebraucht die Blätter, die Wurzel, den Samen und den Pflanzensaft äusserlich und innerlich. Die Blätter werden äusserlich vielfach als Deckmittel bei verschiedenen Wunden, zur Reifung von Abscessen (napon) und Furunkeln (bijeli prist) und innerlich in Wein oder Wasser gekocht gegen das Wechselfieber (groznica) und Würmer (gujenice) gebraucht. Getrocknete und pulverisirte Blätter sind innerlich bei Verstopfung empfohlen. Die getrocknete und pulverisirte Wurzel mit Brot soll bei Wasserscheu (bjes, bjesnilo) wirksam sein. Pulverisirte Samen werden mit Weisswein getrunken als ein Heilmittel bei der Dysenterie (srdobolja) gerühmt. Der Pflanzensaft wird äusserlich auf die Brüste eingerieben als Milch vertreibendes, in die Ohren eingeträufelt als schmerzstillendes Mittel verwendet; innerlich genommen wirkt er harntreibend bei der Wassersucht (debela nemoc). 444 II. Volkskunde. In Serbien wird die Plantago als Wundheilmittel sehr oft verwendet. In der russischen Volksmedicin spielen beide Plantago -Arten als Wundheilmittel die wichtigste Rolle; überdies werden sie bei inneren Blutungen, Durchfällen und Harnverhaltung angewendet. Hager schreibt über die Verwendung dieser Pflanze in der Medicin Folgendes: „Der Wegerich oder der Saft desselben wurde in alter Zeit innerlich gegen Schwind- sucht, von Themison gegen Unterleibsbesclrwerden, Blutungen, Bluterbrechen, Blut- speien, Dysenterie, von Anderen bei Hämorrhoidalbeschwerden, Gonorrhoe, Fluor albus, Wechselfieber empfohlen. Aeusserlich wandte man ihn bei Geschwüren, Fisteln, Krebs- geschwüren, Quetschungen, Verbrennungen, Entzündungen der Augen, besonders gegen chronische, scrophulöse Augenlid- und Bindehautentzündungen, bei Bildung von Ge- schwüren auf der Cornea etc. an.“ 62. Pimpinella Saxifraga L. (Dinjica). Der Saft der Pflanze soll das Gesicht von Ausschlägen reinigen und Thierbisse heilen. Die Abkochung schützt vor ansteckenden Fiebern. Die Pimperneilwurzel ist nur ein Volksheilmittel, das gegen Heiserkeit und katar- rhalische Zustände gebraucht wird. 63. Pinus silvestris L. (Bor). Die Sprossen der Pinie werden als Abkochung bei Hämorrhoidalblutungen und Dysenterie gebraucht. Früher wurden die Piniensprossen von den Aerzten als harn- treibend und blutreinigend empfohlen; jetzt werden sie nicht mehr verwendet. 64. Polypodium filix mas L. (Paprat, Paprac). 65. Polypodium vulgare L. (Paprat slatka). Die getrockneten Blätter des Farnkrautes werden auf glühende Kohlen gestreut und der aufsteigende Rauch, der die Zahnwürmer (Caries der Zähne) tödtet, einge- athmet. Das zerriebene frische Kraut heilt Schlangenbisse. Die getrocknete und pulverisirte Wurzel in Wein treibt die Bandwürmer ab, in Honigwasser lindei’t sie Bauchschmerzen. Die beiden Farnkrautspecies waren früher als Bandwurmmittel in ausgedehntem Gebrauch; jetzt ist es nur das Filix mas, und zwar meist in Form eines Extractes. 66. Primula suaveolens Ten. (Jagorcina). Der Petrusschlüssel wird innerlich in einer Abkochung bei Lähmungen, nervösem Zittern der Glieder, Nierensteinen, Gelenksschmerzen, ja sogar bei Knochenbrüchen und Verrenkungen empfohlen, äusserlich werden das Kraut und die Blumen als Wund- heilmittel verwendet. Vor Zeiten wurden sowohl die Schlüsselblumen, als auch die Schlüsselblumen wurzel vielfach therapeutisch verwerthet, jetzt werden die Ersteren nur hie und da, wegen ihres angenehmen Geruches, schweisstreibenden Theeaufgüssen zugesetzt (Noth- nagel). Ueber die Verwendung der Blüthen und der Wurzel der in Rede stehenden Primulacee schreibt Hager Folgendes: „Die Schlüsselblumen wurden vor Zeiten viel von Brustkranken im Aufguss gebraucht; später fand Chonel in ihnen ein Mittel gegen Migräne, Schwindel und andere N er venaficctioncn . Die heutigen Aerzte machen keinen Gebrauch davon.“ Glück. Skizzen aus der Yolksmedicin in Bosnien und der Hereegovina. 445 „Die Schlüsselblumenwurzel galt früher für ein angenehmes Expectorans, Ano- dynum und mildes Hypnoticum, auch als besonders wirksam gegen Dicht, Rheuma- tismus, Lähmungen etc. Als Anodynum und Hypnoticum wurde sie von Boerhave und Linne empfohlen.“ 67. Prunus spinosa L. (Crni trn); Die Abkochung der Wurzelrinde wird bei der Gelbsucht (zutica) empfohlen. Soll das Mittel wirksam sein, so muss man einen Ducaten in die kochende Flüssigkeit werfen. Die frischen Blüthen des Schwarzdorne s gebraucht man noch hie und da als mildes Laxans. 68. Quercus ilex L. (Rast, Hrast). Pulverisirte Eicheln (rastovi ziv), in Wein oder Essig gekocht, stillen, äusserlicli verwendet, Blutungen aus Wunden. Ein Theeaufguss aus gepulverten Eicheln heilt die Ruhr und stillt die Gebär- mutterblutungen. Die Abkochung der Rinde wird gegen Blähungen empfohlen. Die Hippokratiker verwendeten die pulverisirte Rinde der Steineiche als zusammen- ziehendes Mittel bei leicht blutenden Wunden. Die zusammenziehende Wirkung der Rinde ist zweifellos festgestellt, und die- selbe wurde früher in der Medicin nicht selten verwerthet. Die Eicheln werden als sogenannter Eichelkaffee noch hie und da als Hausmittel für scrophulöse und rhachitische Kinder benützt. 69. Raphanus sativus L. (Rodakva, Rotkva). Zerstossener Rettig mit Honig gemischt wird äusserlicli gegen Brandwunden und gegen den Ausfall der Haare gebraucht; der Rettigsaft dient zur Einreibung bei Glieder- reissen und zur Reinigung von Wunden. Der zerstossene Same wird mit Sauerteig auf die Fusssohlen als fieberwidrig angewendet. Der zerstossene Same, mit Honig zu Pillen geformt, wirkt als Brechmittel; der Saft des Samens ist ein Wurmmittel. Der Rettigsaft wird innerlich als harntreibendes Mittel bei Blasenleiden und als schmerzstillend bei Magenleiden gegeben. Die griechischen Aerzte haben den Samen, die Blätter und die Wurzel äusserlicli gegen Haarausfall und innerlich gegen Schwindsucht, Gicht etc. empfohlen. Dios- corides gebrauchte ihn als harntreibendes Mittel und zur Unterstützung von Brech- curen. Celsus empfahl den Rettig als Brechmittel. In Russland wird der Rettigsaft beim Husten der Kinder allgemein benützt, über- dies wird er äusserlicli bei eiternden Geschwüren und als Einreibung bei rheumatischen Schmerzen gebraucht. Der Genuss des Rettigs soll die Verdauung befördern. 70. Rhus Coriaria L. (Jelenov rog, Ruj). Der pulverisirte S um ach wird äusserlicli gegen Kopfläuse und das Pulver der getrockneten Blätter gegen Schweissfüsse gebraucht. Das Decoct des Sumach gilt als gutes Mundwasser bei geschwollenem Zahn- fleisch und als Gurgelwasser bei Halsentzündung (kad resica pane). Der Pflanzensaft mit Honig soll harntreibend, das Mark des Holzes schmerz- stillend wirken. Die Hippokratiker verwendeten den Sumach zu Gurgelwässern bei gewöhnlicher Halsentzündung. In der Medicin wird derselbe jetzt nicht verwendet; seinerzeit wurde der Sumach bei Blut- und Schleimflüssen wegen seiner styptischen Wirkung gebraucht. 446 II. Volkskunde. 71. Rosa gallica L., Rosa canina L. (Ruza). Zwanzig bis clreissig Blätter der rothen Rose werden als mildes Laxans gegeben; der Blüthensaft soll gegen die Cholera wirksam sein. Die pulverisirte Wurzel der wilden Rose soll in Wein genommen das Auftreten der Wasserscheu verhüten. Die Hagebutten sollen gegen Bluthusten, Menorrhagien, Dysenterie und chronische Ausflüsse aller Art wirksam sein. Gekochte Hagebutten werden in Mittelbosnien gegen Epilepsie gebraucht. Die griechischen Aerzte verwendeten Rosenblätter als Bähungen bei Wunden und Geschwüren. Früher wurden aus den verschiedenen Rosenspecies mehrere pharmaceutische Präparate bereitet, z. B. : Rosenwasser, Rosensaft, Rosensyrup etc.; doch werden die- selben jetzt nur äusserst selten von Aerzten verwendet. 72. Rosmarinus officinalis L. (Zimorad, Ruzmarin). Eine Weinabkochung der Pflanze wird gegen Appetitlosigkeit, die Blätter äusser- lich gegen Kopfschwindel gebraucht. Der Rosmarin, respective seine Präparate, werden äusserlich als Hautreizmittel verwendet; innerlich soll er auf die Verdauung fördernd einwirken; seine volksthüm- liche Verwendung in Bosnien ist daher nicht ganz unbegründet. 73. Rubia tinctorum L. (Broc). Die Färberröthe gehört zu jenen Pflanzen, welche trotz ihres äusserst geringen therapeutischen Werthes seit altersher bei den verschiedensten Völkern als Heilmittel verwendet werden. Die Hippokratiker empfahlen die Krappwurzcl bei Dysenterie ; v. Grott nimmt an, dass sich hiebei der Glaube an Sympathie geltend gemacht hat. In der Medicin betrachtete man die in Rede stehende Pflanze als stärkendes, milchbeförderndes und harntreibendes Mittel. In Bosnien wird die Wurzel entweder als Pulver oder als Weindecoct und die Pflanze als solche bei Amenorrhoe (potajnica) sehr viel verwendet; ausserdem wird sie als harntreibendes Mittel betrachtet. Dunstbäder aus Blättern werden in der Volksgeburtshilfe nicht allein zur Be- schleunigung von Geburten, sondern auch zur Austreibung abgestorbener Früchte, der Nachgeburt (posljedak, neoprascina) und zur Hervorrufung der Lochien nach der Geburt (ociscenje poslije poroda) verwendet. Ein Decoct der Pflanze mit Honigwasser erhöht als blutbildend die Thätigkeit der inneren Organe. Der Wurzelsaft mit Honig heilt alle mit Röthuug verbundenen Hautkrankheiten . Nach Hager soll die Färberröthe zur Erleichterung der Geburten und gegen Harnverhaltung gebraucht werden. Der rothe Farbstoff der Wurzel, der das Haupt- material der sogenannten Türkisch-Rothfärberei bildet, ist unzweifelhaft der erste An- stoss zur Verwendung dieser Pflanze als Heilmittel geAvesen. Wir schliessen dies dar- aus, dass sie überwiegend bei solchen Leiden gebraucht wird, bei denen man entAveder einen Blutfluss herbeiführen oder einen solchen sistiren will. 74. Rubus fructicosus L. (Ostruga, Ostruzica). Vom Brombeer Strauche werden äusserlich in Aufgüssen und Abkochungen die Stengel, Sprossen und Beeren bei der Mundfäule, bei unreinen Geschwüren und Favus verwendet. In Lauge gekochte Sprossen schwärzen graue Haare. Die Abkochung Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 447 der Stengel wirkt äusserlich und innerlich genommen adstringirend ; das Weindecoct der gepulverten Wurzel treibt Nierensteine ab. Die Blätter des Brombeerstrauches wurden von den Hippokratikern bei stark eiternden Geschwüren oder leicht blutenden wuchernden Granulationen verwendet (v. Grott). Die Blätter und Bltithen sollen äusserlich adstringirend wirken. 75. Rumex acetosa L. (Kiseljaca). 76. Rumex aquaticus L. (Scavlika). Das zerstossene Kraut lindert auf die Fusssohlcn gelegt das Fieber (vatra 1). Die mit Fett zu einer Salbe zerriebenen Blätter bringen Carbunkel zur Reifung und Er- öffnung. Getrockneter, gepulverter und mit Salz gemischter wilder Ampfer heilt Eczeme (majasin). Ein aus Ampfer- und Wegerichsamen bereitetes Pulver wird mit einem Ei innerlich bei Dysenterie genommen. Der wilde Ampfer ist ein tonisch - adstringirendes Mittel, dessen Wirksamkeit wissenschaftlich noch nicht untersucht ist; die oben angeführte Anwendung scheint aber nicht unbegründet zu sein. Die Hippokratiker verwendeten wilden Ampfer zur Heilung pustulöser Haut- ausschläge. 77. Ruta graveolens L. (Ruta). Der Saft der Edel raute wird äusserlich gegen Hautausschläge und mit Zucker gemischt gegen Augenentzündungen benützt. Eine Rautenabkochung wird als Wasch- wasser beim Eczem der Kopfhaut und des Gesichtes der Kinder gebraucht; die ver- kohlte und pulverisirte Pflanze soll Hornliautfleckc beseitigen. Das Pflanzenpulver mit Fleischbrühe genossen heilt das nervöse Zittern der Hände; die Pflanzenabkochung mildert die Leibschmerzen der Schwangeren und soll wurmtreibend wirken. Als Schutzmittel gegen das böse Auge haben Spaniolinnen während der Schwanger- schaft und des Wochenbettes die Raute bei sich. Die Hippokratiker zählten die Raute zu den diätetischen Abführmitteln. Diese Pflanze enthält ein ätherisches Oel, welches heftige Entzündung der Haut und der Schleimhäute hervorrufen kann. In manchen Gegenden Deutschlands wird die Edel- raute als Abortivmittel verwendet. 78. Salix alba L. (Vrba). Die in Wein gekochte Rinde oder die Asche der Rinde mit Essig vertreibt Warzen und Hühneraugen. Die Lauge aus Weidenasche beseitigt Blasenausschläge der Haut. Der Saft der Blätter heilt frische Wunden. Innerlich wird der Saft der Blätter mit Salz bei Wechselfieber gebraucht; zum gleichen Zwecke bereitet man ein Decoct aus der Wurzelrinde oder den Blättern des Weidenbaumes. Die Weinabkochung der Blätter mit etwas Pfeffer wirkt bei Koliken. Das Decoct der Samen und der Blüthen oder der Rinde stillt das Blutspeien. In der Medicin war und ist die Weidenrinde nur äusserst selten gebraucht. Die wirksamen Bestandtheile derselben sind das sogenannte Salicin und Gerbstoff. Mit ersterem habe ich im Jahre 1876 eine Reihe physiologisch-therapeutischer Versuche angestellt, die die Angaben Maklagan’s über die antipyretische und antirheumatische Wirkung des Salicins bestätigten. 1) Die Fusssolilen sind in Bosnien überhaupt eine häufige Applicationsstelle für die Heilmittel, welche bei hitzigen Krankheiten als fieberwidrig empfohlen werden. 448 II. Volkskunde. 79. Salvia officinalis L. (Kadulja, Salvija). Aeusserlich wird der Salbei als Umschlag auf die Stirne bei Nasenbluten und als Verbandmittel gegen frische Wunden gebraucht. Innerlich wird ein Decoct der Wurzel und der Blätter bei Frauenkrankheiten, gegen Fraisen (decinjak) und als Weindecoct gegen Seitenstechen (zandzije) verabreicht. Eine alkoholische Tinctur soll nicht nur magenstärkend sein, sondern auch das Wechselfieber beheben. Der Saft der Blätter mit Honig lindert den Husten und heilt die Lungenschwind- sucht (suha holest, susica). Das Pulver des getrockneten Salbei, mit Fleischbrühe genossen, behebt das nervöse Zittern der Hände und Füsse. Der Salbei wird seit altersher in der Medicin bei Erkältung der Luftwege und Husten innerlich, sowie als Gurgelwasser bei Halsentzündungen empfohlen. 80. Sambucus Ebulus L. (Abdovina, Avdovina). Verwendet werden die Wurzel, die Blätter, die Beeren, und zwar: Eine Wurzelabkochung gegen Wassersucht (debela, debela holest). Das Pulver der getrockneten Wurzel oder Schnitte der frischen Wurzel äusserlich zur Vertreibung von Warzen (bradavice). Die Blätter innerlich als Salat und äusserlich als warme Umschläge bei An- schwellung der Unterschenkel, bei Anschwellungen der Milz (dalak) und der Gelbsucht (zutica). Der aus Blättern gepresste Saft wirkt lösend auf den Darm. Die in Wasser genossenen Beeren werden als Laxans gerühmt und bei Wasser- sucht empfohlen. Der Attich wird in Bosnien somit innerlich als Abführmittel bei der localen und allgemeinen Wassersucht, der Gelbsucht, der Milzanschwellung und äusserlich als warzenvertreibendes Mittel gebraucht. In Serbien wird ein aus den gepressten Beeren zubereiteter Schnaps bei der Ruhr (srdopolja) verwendet. Alexander von Thralles und Dioscorides empfahlen den Saft der Wurzel bei Wasser- sucht, und auch jetzt werden hie und da getrocknete reife Beeren als gelindes Abführ- mittel verwendet. 81. Sambucus nigra L. (Zobovina, Zova, Zovika). Die auf die Brustwarzen gelegten Blätter vermindern die Milchausscheidung, in Butter geröstete Blätter oder mit Weisswein erwärmte trockene Blüthen werden bei der Anschwellung der Unterschenkel (Wassersucht) und bei Gicht gebraucht. Die mit Essig und Oel gestossenen Blätter werden als Umschlag bei Kopfschmerz, und die in Essig gekochten Blüthen als Dunstbad beim Rheumatismus verwendet. Die Abkochung der getrockneten Blüthen wird gegen Husten, das Decoct aus dem Baste gegen Lungenentzündung (sandzije) und die Harnverhaltung empfohlen. Die Hippokratiker benutzten den Hollunder, um abführend und harntreibend zu wirken; derselbe spielte überdies in der Frauenheilkunde eine hervorragende Rolle. In Polen und Russland wird der Hollunder gegen Plusten, Brustschmerz, sowie gegen Wassersucht benützt. Der Rindensaft soll nach Mitlavsky bei der Wasser- sucht zweifellos wirksam sein. Demitsch äussert sich über diese Pflanze in folgender Weise: „In Nordeuropa kam zu den vom Alterthum überkommenen Anwendungen dann noch eine mytho- logische hinzu. Nach A. Treichel (Volksthümliches aus der Pflanzenwelt) gab es bei Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 449 den Preussen, Russen und Letten eine Wald- und Baumgottheit, Puskaitis genannt, welche im Hollunder wohnte. Auch der deutsche Name hat nach einigen Autoren eine mythologische Bedeutung.“ 82. Satureja hortensis L. (Cubar). Aeusserlich wird das Pfefferkraut in heissem Wasser als Fussbad gegen Frost- beulen und mit Schnaps aufgekocht als Umschlag bei Augenschmerzen verwendet; innerlich wird das Decoct derselben bei Harnverhaltung und gegen trockenen Husten empfohlen. Bei den Griechen wurde das Pfefferkraut als schleimlösendes Mittel bei Brust- katarrhen gebraucht. Jetzt wird es in der Medicin nicht verwendet; als Gewürz ist es hie und da im Gebrauch. 83. Scilla maritima L. (Repa morska). Der Saft der Meerzwiebel wird gegen Würmer, die Abkochung gegen Wasser- sucht und Harnbeschwerden verwendet. Die Hippokratiker gebrauchten die Meerzwiebel als Niesmittel. Die Meerzwiebel ist ein gutes harntreibendes Mittel, doch muss bei ihrer Anwendung Vorsicht geübt werden, weil sie in grösseren Gaben giftig wirkt. 84. Scolopendrium officinarum L. (Jelenski jezik). Die gekochte Pflanze soll auf die Schläfen gelegt das Wechselfieber heilen. Ein Weindecoct der Blätter ist ein sicheres Mittel gegen die Blutvergiftung durch Schlangen- biss, gegen Dysenterie und Durchfall. „Früher galt dieses Vegetabil als ein vortreffliches Mittel bei Brustleiden, besonders bei Husten . . .“ (Hager.) In der Bukovina ist es ein beliebtes Volksmittel bei Lungen- krankheiten. 85. Sedum Telephium L. (Bobovac). Die getrocknete Pflanze wird als Räuchermittel bei geschwürigen Processen der Haut und bei Syphilis verwendet. Die hippokratischen Schriftsteller erwähnen die Fetthenne mehrfach und zählen sie zu den scharfen Mitteln. Hager (Bd. II, S. 944) sagt über diese Pflanze Folgendes: „Es ist die Fetthenne nur noch Volksarzneimittel und wird innerlich als kühlendes und fieberwidriges Mittel gebraucht. Der Saft soll äusserlich den Milchschorf, Kopf- grind, Brandwunden heilen, innerlich ein Mittel gegen Epilepsie sein.“ 86. Sempervivum tectorum M. (Cuvakuca, Pazikuca). Die frischen Blätter des Donnerkrautes werden äusserlich beim Rothlauf (poganac) serpiginösen Geschwüren der Haut und Verbrennungen (izeg) empfohlen; der Saft der Blätter soll äusserlich bei Scorpionstichen und innerlich gegen Dysenterie und Durch- fall wirksam sein. Die in Wein gekochten Blätter sollen genossen die Würmer ver- treiben. Die Pflanze wird in der Medicin nicht gebraucht; in der Volksheilkunde wird der Saft äusserlich zum Bestreichen von Hämorrhoidalknoten (majasil), der Ueberbeine (mrtva, kost), der Hühneraugen, bei Bienenstichen und Verbrennungen angewendet. Den Namen „Donnerkraut“, „Dachlauch“ und „cuvakuca“ hat die Pflanze daher, weil sie auch in Bosnien, z. B. in der Umgebung von Sarajevo, als Schutzmittel gegen das Einschlagen des Blitzes betrachtet wird. Die Landleute cultiviren daher in manchen Gegenden das Donnei’kraut auf den Dächern. Band II. 29 450 II. Volkskunde. 87. Sinapis arvensis L. (Gorusica, Hardala). Der mit Katzenkoth und Essig zu einer Salbe vermischte Senfsame heilt die Knochencaries (zivo u kosti). Der zerstossene Same, mit Essig gekocht, soll äusserlich bei Eczem der Kopfhaut (perut, perucac na glavi), dem Kopfgrind (öela, krosta na glavi), dann gegen Kreuz- und Brustschmerzen und schliesslich auch bei leprösen Aus- schlägen (trudovi, guba) wirksam sein. Auf blaues Papier gestrichen, wird die ge- nannte Mischung, d. i. gestossener Senfsame mit Essig, als „hardal jakija“ (scharfes Pflaster) verwendet. In der wissenschaftlichen Medicin wird dermalen nur der sogenannte schwarze Senf (Sinapis nigra) zu äusserlichen Zwecken, und zwar zumeist als Ableitungsmittel zur Reizung der Haut gebraucht. Die Hippokratiker verwendeten sowohl den weissen als den schwarzen Senf als Laxans und bei schwerem Husten als schleimlösendes Mittel. 88. Succisa pratensis Moench. (Piskavica). Der Teufelsabbiss (russisch: certogriz) gehört zu jenen Pflanzen, die von der immer lebendigen Volksphantasie mit verschiedenen Sagen und Märchen umwoben sind. In Russland schreibt man ihm die Macht zu, den Teufel austreiben zu können; die Slo- venen glauben, dass er vor dem Einflüsse des bösen Auges schütze, und überall wird er zu Heilzwecken verwendet. In Bosnien wird die Pflanze als Schutzmittel gegen Infection betrachtet. Die Weinabkochung ist gegen Carbunkel und Gebärmutterleiden wirksam, und da sie blutlösend ist, soll sie sogar gestocktes Blut wieder flüssig machen können. Da sich in der Volksmedicin die Extreme häufig berühren, so wird dieselbe Pflanze auch zur Blutstillung verwendet. 89. Symphitium officinale L. (Gavez). Mit dem Namen „Gavez“ bezeichnet das Volk zwei verschiedene Borragineen, und zwar den Beinwell ( Symphitium officinale) und die gemeine Hundszunge ( Cyno - glossum officinale L.). Ersterer dient mehr chirurgischen Zwecken; denn er wird meist äusserlich gegen Drüsenentzündungen, Rheumatismen, Leistenbruch (daher auch der Name „Klinjak“) und zur Heilung von Knochenbrüchen, beziehungsweise zur Con- solidirung von Knochennarben verwendet. Die Hundszunge hingegen wird meist innerlich als Laxans, bei Gebärmutter- blutungen und gegen Epilepsie empfohlen. Plinius und Dioscorides verwendeten den Beinwell als Heilmittel bei Knochen- brüchen; die Hundszunge wurde von Letzterem gegen Hundebisse, Kahlköpfigkeit und Brandwunden empfohlen. In Russland und Polen wird der Beinwell (zywokosc) bei frischen Knochenhrüchen viel gebraucht; die Hundszunge wird in Russland zur Vertreibung von Mäusen, dann äusserlich gegen Ungeziefer beim Menschen verwendet. Sie soll überdies Knochen- schmerzen lindern, Knochenbrüche heilen und Verdauungsstörungen beheben. Der Glaube an die Kraft des Beinwells, gebrochene Knochen wieder heilen zu können, ist bei nahezu allen Völkern Europas mehr oder minder ausgesprochen. Beide besprochenen Pflanzen waren früher in der Schulmedicin häufig gebraucht, und zwar das Symphitium bei Lungenleiden und Durchfall und das Cynoglossum als krampf- und schmerzstillendes Mittel. 90. Tanacetum balsamita L. (Kaloper). Bei Gebärmutterkrämpfen werden die getrockneten und gepulverten Blätter der Erauenminze in Wasser genommen. Ein Decoct der Pflanze lindert Unterleibsschmerzen. Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 451 Die Frauenminze, mit Beinwell und Salbei zusammen gekocht und genossen, vermindert die Wassersucht und heilt die Gebärmutterleiden. Der mit Frauenmilch gemischte Pflanzensaft heilt, als Umschlag gebraucht, die Augenentzündung; der Saft allein, sowie der Same wirkt innerlich wurmtödtend, magenstärkend und stillt das Er- brechen. Die Frauenminze wurde früher in der Medicin als magenstärkendes und krampf- stillendes Mittel benützt. 91. Taxus baccata L. (Tis, Tisovina). Die Rindenabkochung wird gegen Lungenschwindsucht angewendet; die mit Butter gekochte Rinde, innerlich durch 40 Tage gebraucht, heilt die Epilepsie. Die Eibenbaumrinde wird in der Medicin nicht verwendet; die Blätter enthalten neben einem ätherischen Gele auch ein giftiges Alkaloid. 92. Teucrium Chamaedrys L. (Dupcac). Mit Wein oder Wasser gekocht, wird der edle Gamander gegen Husten und Epilepsie empfohlen. Die in Oel gekochte Pflanze soll als Umschlag Darmbrüche (klina, prijedor) heilen. In alter Zeit wurde der Aufguss des Gamander als Magenmittel und zur soge- nannten Blutreinigung verwendet; jetzt ist er ganz obsolet. 93. Trifolium pratense L. (Djetelina). Diese in den Volksliedern häufig erwähnte Kleeart findet manchmal auch als sym- pathetisches Mittel Verwendung, und zwar wird es bei mit Blutungen oder Röthungen der Haut verbundenen Leiden gebraucht, wobei die purpurfarbenen Blüthenköpfchen genommen werden. Der zerstossene Same soll mit Wein getrunken gegen Harnverhaltung wirksam sein. Ein englischer Arzt Namens Howard Sargen t empfiehlt ein Getränk aus Wiesen- theeblüthen gegen Keuchhusten. Er behauptet, das Leiden in 10 bis 14 Tagen behoben zu haben. 94. Triticum vulgare Veil. (Senica, Pseniea). Das Weizenmehl mit Eiweiss und Salz wird als Pflaster bei Contusionen ange- wendet. Der auf der Oberfläche der erhitzten Körner auftretende Saft wird bei Ec- zemen eingerieben. Die Weinabkochung der Weizenkleie wird beim Husten warm getrunken; der aus den grünen Körnern gepresste Saft wird bei der Lungenschwind- sucht empfohlen. Hippokrates hat einen Weizentrank gegen Fieber empfohlen. Das Weizenmehl wird in der Medicin nur äussei’st selten, und zwar als Binde- mittel oder als Kataplasma bei Drüsen Verhärtungen gebraucht, häufiger wird das Weizen- stärkemehl, und zwar theils zu kosmetischen Zwecken, theils zu Klystiren verwendet. 95. Tussilago farfara L. (Podbio, Kopitnjak). Der Huflattich wird äusserlich bei Kopfschmerzen und Rothlauf, der Pflanzensaft gegen Ohrenschmerzen und die zerstossene Pflanze gegen Knochencaries (zivo u kosti) gebraucht. Innerlich werden entweder die gerösteten Blätter oder die Wein-, respective Wasser- abkochung gegen schweren Husten, Lungenschwindsucht, Lungenemphysem, zur Ab- treibung todter Früchte und als schweisstreibendes Mittel bei hitzigen Krankheiten empfohlen. 29* 452 II. Volkskunde. Die Hippokratiker verwendeten den Huflattich als Lösungsmittel hei Husten; seit- her wurde er vielfach auch in der neueren Zeit von Aerzten zu gleichen Zwecken empfohlen. Nach Dr. v. Grott’s Annahme scheint diese Pflanze einen gegen Husten besonders wirksamen Stoff zu enthalten, denn sie wird von vielen Völkern Europas und des Orients zu diesem Zwecke benützt. 96. Urtica urens L., Urtica divica L. (Kopriva, ^igavica, Zara). Ein aus den Blättern und der Wurzel bereitetes Pulver der Brennessel soll, warm auf die Fusssohlen gelegt, die Würmer vertreiben. Eine aus gepulvertem Samen mit Essig bereitete Tinctur vernichtet, mehrmals eingerieben, die Kopfnisse. Sowohl der Pflanzensaft als Umschlag auf die Stirn, als ein aus der getrockneten Nessel bereitetes Schnupfpulver stillen die Nasenblutungen. Der Wurzelsaft behebt, 2 — -3 Tropfen mehr- mals täglich auf die Zunge geträufelt, das Stottern. Der frische Pflanzensaft heilt als Gurgelwasser die Halsentzündung. Der Saft der Blätter wirkt bei Augenentzündungen als Linderungsmittel. Die auf die Stirne gelegten Blätter beheben den Kopfschmerz; zerstossene und mit Salz gemischte Blätter lindern den Rheumatismus und Glieder- schmerzen. Der Vorfall der Gebärmutter bildet sich zurück, wenn dieselbe mit Brenn- nesseln gepeitscht wird. Der Pflanzensaft oder der Same mit Wein stillt Magenkrämpfe (zeludac), Blut- erbrechen und Gebärmutterblutungen. Ein Wurzeldecoct mit Wasser lindert das Harn- brennen (Blenorrhoe), Hämorrhoidalschmerzen ; ein Wurzeldecoct mit Wasser, Wein und Honig behebt das Astlima (zaduha) und stillt den Husten. Eine aus den Blättern der Nessel bereitete Abkochung lindert die Darmkrämpfe. Mit Essig gekochte Samen sind Gegenmittel bei (Quecksilbervergiftung und gegen Schlangenbisse. Ueber die Verwendung beider Brennesselarten in Russland und Polen lässt sich im Allgemeinen sagen, dass die Volksanzeigen dort noch grössere sind als in Bosnien. Nach Annenkow werden die Urticablätter bei Blutungen aller Art, beginnender Schwindsucht und Durchfällen innerlich gebraucht. In Serbien wird die Nessel vielfach in ähnlicher Weise gebraucht wie in Bosnien. Die altgriechischen Aerzte empfahlen die Urtica innerlich bei Lungenschwindsucht und Blutungen aus inneren Organen, äusserlich gegen den Haarausfall. Ueber die Verwendung der Brennessel in der Medicin sagt Hager (1. c. Bd. II, S. 1215) Folgendes: „Innerlich wird der frisch ausgepresste Saft, öfters am Tage 10 — 15 Gramm, angewendet gegen Hämorrhagien, namentlich Blutspeien, Nasenbluten, Hämorrhoidal- und Menstrualblutungen, auch bei beginnender Lungensucht, Keuchhusten (rikavac, veliki ka^alj), Durchfall, Gicht.“ 97. Usnea L. (Masina). Das Moos wird sehr häufig als Wundheil- und als Blutstillungsmittel entweder im getrockneten oder gepulverten Zustande oder frisch gebraucht; mit Essig erwärmt empfiehlt man es als Umschlag bei Contusionen (uboj) und chronischem Rheumatismus. 98. Vaccinium Myrtillus L. (Vrisinje). Frische oder getrocknete Heidelbeeren werden bei der Dysenterie als Stopfmittel gebraucht. Demitsch glaubt, dass die medicinisclie Verwerthung der Heidelbeeren im Alter- thume unbekannt war. Die stopfende Wirkung dieser Beeren scheint unleugbar zu sein, weil sie überall, wo sie nur Vorkommen, zu diesem Zwecke benützt werden. Glück. Skizzen aus der Volksmedicin in Bosnien und der Hercegovina. 453 99. Valeriana ofßcinalis L. (Odoljen mali). 100. Valeriana Phu L. (Odoljen veliki). Der Saft des grossen Baldrians und die Pflanze selbst heilen Wunden und ent- fernen namentlich aus Kopfwunden fremde Körper; ein Weindecoct der Pflanze erhellt als Augenwasser das Gesicht und heilt Wunden; gepulverte Blätter und Wurzeln lindern innerlich genommen Kopfschmerzen. Ein Wurzeldecoct des kleinen Baldrians gilt als Präservativ gegen Intoxicationen und als Prophylacticum gegen Infectionen; dasselbe heilt Migräne (nastup). Die ge- pulverte Wurzel viermal täglich durch vierzig Tage innerlich gebraucht heilt die Epi- lepsie; mit Wein genommen befördert sie die Menstruation und die Harnausscheidung. Ein Decoct der Pflanze lindert den Krampfhusten. Die Hippokratiker verordneten den Baldrian bei Frauenkrankheiten; die krampf- stillende Wirkung desselben war ihnen nicht bekannt, ln Russland wird diese Pflanze bei Fieber, Magenleiden und Krämpfen empfohlen. In der Schulmedicin wird der Baldrian und namentlich die Wurzel desselben vielfach verwendet. Die gute Wirkung dieses Mittels bei der Epilepsie wird selbst von den skeptischesten Autoren nicht geleugnet; ob er aber auch bei Frauenkrank- heiten irgendwelchen Werth hat, lässt sich nicht entscheiden. Die Verwendung grosser Dosen sollte jedenfalls vermieden werden, weil der Bal- drian auch toxisch wirken kann, und zwar tritt Schwindel, Kopfschmerz und Ver- dunkelung des Gesichtes auf. 101. V erbascum Thapsus L. (Divizma). In Wein macerirte Blätter des Wollkrautes stillen den Bluthusten. Sowohl die Blätter als auch der Saft der Pflanze werden äusserlich bei Contusionen gebraucht. Bei Halsentzündung soll ein Umschlag aus den Blättern und ein Decoct der Pflanze als Gurgelwasser von Nutzen sein. Die gekochte Pflanze heilt äusserlich Knochenbrüche; die in Ziegenmilch ge- kochten Blüthen beheben den weissen Fluss (bijelo pranje) und die Spermatorrhoe (Blenorrhoe?). Bereits Dioscorides empfahl die innere Verwendung einer Wollblumenart bei Husten. In Russland verwendet das Volk das V erbascum Thapsus innerlich gegen Husten, Blutspeien, Schwindsucht (susica, suha holest), Hämorrhoiden, Durchfälle, Blenorrhoe und bei Halskrankheiten. Hager führt an, dass das Wollkraut hie und da zu schleimigen Umschlägen, als Theeaufguss gegen Husten und zu Klystiren gebraucht wird. 101. Verbena ofßcinalis L. (Sporis, Hajducka trava). Das einst heilig gehaltene und daher auch als Univei'salmittel betrachtete Eisen- kraut (Druidenkraut), welchem sogar die Macht zugeschrieben wurde, den Menschen hiebfest machen zu können, wird in den neueren Arzneimittellehren nicht einmal einer Erwähnung gewürdigt; nur in einzelnen Gegenden Deutschlands, in Dalmatien und in Bosnien hat es das Volk in seinem Arzneischatze noch als äusseres und inneres Mittel aufbewahrt. In Bosnien wird das Eisenkraut äusserlich als Wundmittel, gegen Kopfschmerz und gegen Milzanschwellungen benützt; innerlich soll es als Pulver oder in Abkochungen bei Wechselfiebern, Epilepsie und Vergiftungen wirksam sein. 454 II. Volkskunde. 103. Veratrum album L. (Cemerika). Die getrocknete und gepulverte Wurzel des Germer wird, wie viele andere Brech- mittel, innerlich gegen Wechselfieber und äusserlich bei Quetschungen (uboj) und Krätze (svrab, srab) empfohlen. Im Alterthum wurde der Germer (ob es gerade der weisse war, ist unbekannt) als Niess-, Brech- und Abführmittel vielfach gebraucht. In Russland wird das Veratrum album äusserlich, ähnlich wie in Bosnien, bei Hautkrankheiten, namentlich bei parasitären, verwendet; innerlich empfiehlt man es als Brechmittel und als Diureticum. 104. Viburnum lantana L. (Hudika, Kalina, Fudikovina). Gewöhnliche Lauge, in der Blätter und Beeren des Schlingbaumes ausgekocht werden, sistirt den Haarausfall und schwärzt das Haar. Eine aus den Blättern bereitete Wasser- oder Weinabkochung festigt, als Mund- wasser gebraucht, die lockeren Zähne, kräftigt das Zahnfleisch und heilt die Entzündung desselben. Ueber die Verwendung dieser Baumart in der Medicin ist mir nichts bekannt. 105. Vicia Faba L. (Bob). Das in Essig gekochte Mehl der Saubohne wird als Kataplasma zur Reifung von Drüsenabscessen verwendet. Hier wirkt wohl die Wärme mehr als das indifferente Bohnenmehl. 106. Vinca major L. (Zimzelen). Die Sprossen und Früchte in Wein gekocht wirken harn- und menstruations- fördernd, verkleinern Blasensteine, reinigen den Harn, beseitigen die Gelbsucht und lindern den Kopfschmerz. Auch die gepulverte Wurzel mit Wein wird mit den obigen Indicationen empfohlen. Die Slovenen verwenden das Immergrün als Schutzmittel gegen das böse Auge. Das Immergrün enthält ein Glykosid, welches aller Wahrscheinlichkeit nach durch Kräftigung der Herzthätigkeit harntreibend wirken kann. 107. Viscum album L. (Imela). Die gekochten Blätter mit Eiweiss werden innerlich gegen Hämorrhoidalblutungen gegeben. Das Pulver der getrockneten Blätter, mit Wasser genommen, heilt Syphilis und Lungenschwindsucht. Die Mistel gehört zu jenen Pflanzen, die in den Volkssagen eine wichtige Rolle spielen; sie wurde daher bei vielen Völkern als besonders wirksames Mittel gegen Epilepsie und Krämpfe geschätzt. Da ihr wirklicher therapeutischer Werth gleich Null ist, so wird sie in der Medicin jetzt gar nicht mehr beachtet. 108. Vitis vinifera L. (Loza). Die mit Honig bestrichenen Blätter werden als Wundheilmittel empfohlen; der aus den Blättern gepresste Saft, zu gleichen Theilen mit Honig gemischt, heilt Aus- schläge im Munde. Ein Decoct der Wurzel mit Wasser oder Wein wird bei Wassersucht und Wechsel- fieber (groznica) gegeben. Früher wurden die Blätter der Weinrebe in Abkochung bei Frauenleiden und das Extract derselben als magenstärkendes Mittel gebraucht; jetzt ist sie in der Medicin ganz obsolet. Die Tätowirung der Haut bei den Katholiken Bosniens und der Hereegovina. Von Dr. Leopold Glück, Kreisarzt in Sarajevo. (Mit 11 Abbildungen im Texte.) Mischt man sich Sonntags oder an einem anderen Feiertage nach der Messe vor dem Eingang einer katholischen Kirche unter die aus der Umgebung zusammen- strömenden andächtigen Landleute, so wird man die auffallende Beobachtung machen, dass nahezu jedes erwachsene Mädchen und jede Bäuerin an der Brust, den Ober- armen, Vorderarmen, den Händen meist bis zu den Fingergliedern und in seltenen Fällen auch an der Stirne tätowirt ist. (Vergl. die beiden Brustbilder Figur 1 und 2.) Den Grundtypus dieser Tätowirung bildet das von verschiedenen grossen Guir- landen, Zweigen und anderen Zieraten umrahmte Kreuz (Figur 3 und 4). Diese Erscheinung ist um so auffälliger, als man bei den Frauen der anderen Confessionen des Occupationsgebietes viel seltener die gleiche Beobachtung macht. Weder bei den Muliammedanerinnen in Celebic (Bezirk Foca), in manchen Orten des Narentathales und um Kulen-Vakuf, wo sich die islamitischen Frauen nicht ver- schleiern, noch bei Anderen, die man (als Arzt) unverschleiert und mit entblüssten Armen zu sehen Gelegenheit hat, findet man die Tätowirung. Bei den Orientalisch-Orthodoxen tätowiren sich die Frauen unvergleichlich seltener als bei den Katholiken, und das meistens nur in jenen Gegenden, wo sie mit den Letz- teren vermischt wohnen; ihre Tätowirungen sind übrigens nicht so ausgedehnt und bieten auch keine so reichen Verzierungen wie die der katholischen Frauen. Was nun die Männer anbelangt, so tätowiren sich dieselben im Allgemeinen viel seltener als die Frauen; am häufigsten thun es aber wieder die Katholiken. Auch bei diesen sind Oberarm und Vorderarm jene Stellen, die am liebsten hiezu ausgewählt werden. Bei den Männern bildet das Kreuz gleichfalls das wichtigste Zeichen, welches eintätowirt wird; doch wird dasselbe weniger reich mit Verzierungen ausgestattet. (Vergl. Figur 5 — 8.) Unter den Orientalisch -Orthodoxen habe ich Tätowirungen nur bei jüngeren Männern gesehen, welche in der bosnischen Gendarmerie oder als Soldaten gedient haben. Doch spielt bei diesen Tätowirungen nicht mehr das Kreuz die Hauptrolle. Herz und Krone, Anker und die Anfangsbuchstaben des Vor- und Zunamens des Tätowirten, die Jahreszahl, in welcher tätowirt wurde (siehe Figur 9 und 10), ja sogar der doppelköpfige Adler, den ich bei einem gewesenen Trainsoldaten (Figur 11) 456 II. Volkskunde. in sehr reiner Ausführung gesehen habe, werden viel häufiger als das Kreuz auf- tätowirt. Bei den Muhammedanern findet man Tätowirungen überhaupt sehr selten und das nur bei solchen, die im ottomanisehen Heere und ausserhalb ihrer Heimat als reguläre Soldaten gedient haben. Bei solchen Leuten trifft man hie und da am Oberarm einen Krummsäbel oder einen Halbmond mit Stern. Aber dies sind, wie gesagt, nur sehr seltene Erscheinungen. Fig. 1. Katholisches Bauernmädchen aus der Gegend von Zenica. Ueber den Ursprung und den Zweck dieser Tätowirungen in Bosnien und der Hercegovina lassen sich verschiedene Vermuthungen aufstellen, von denen ich jene, welche mir die wahrscheinlichste zu sein dünkt, im Folgenden darlegen will. Das Tätowiren war meines Wissens bei den alten Slaven, wenn auch die Frauen der- selben keine Verächterinnen von Körperzierat gewesen sein dürften, nicht Sitte, und für die Annahme, dass dasselbe ein in seiner Form verändertes Ueberbleibsel aus der vorchristlichen Zeit sei, finden sich weder in den Annalen der slavischen Urgeschichte Glück. Die Tätowirung bei den Katholiken Bosniens und der Hercegovina. 4i)i irgendwelche Anhaltspunkte, noch kann man bei den heutigen Slaven ausserhalb Bosniens und der Hercegovina, seihst unter der Landbevölkerung, das Tätowiren in irgend einem ausgedehnten Masse beobachten. Es dürfte demnach diese Sitte im Occupationsgebiete kaum auf die Zeit vor der ottomanischen Invasion zurückgehen. Da- gegen spricht schon der Umstand, dass das Tätowiren nur bei einem Theile der trotz Fig. 2. Katholische Bäuerin aus der Gegend von Zenica. confessioneller Verschiedenheit in ihren Sitten und Gebräuchen so gleichartigen Be- völkerung geübt wird. Wäre das Tätowiren ein alter Landesbrauch, so hätte es sicher eine eigene Bezeichnung; es heisst aber im Volke lediglich „kriz nabocati“, was wohl schon an und für sich auf einen jüngeren Ursprung der Sitte hindeutet. Wenn nun das Tätowiren weder überhaupt ein altslavischer, noch ein specitisch bosnischer Landesbrauch ist, so trägt sich, wieso und wann derselbe entstanden ist, und warum er gerade nur bei den Katholiken Eingang gefunden hat. 458 II. Volkskunde. In der letzten Zeit des Königreiches war das Patarenerthum zwar scheinbar durch den Katholicismus verdrängt, der letztere aber dem Volke bei Weitem noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen. Jenes Sectenwesen hatte in Bosnien zu lange gewährt, es bildete zu lange das Glaubensbekenntniss der Mächtigen und der Armen, als dass es in einer kurzen Zeitspanne aus dem Gedächtnisse und dem Herzen des Volkes hätte schwinden können. Haben doch Viele den Katholicismus nur äusserlich und wider- strebend angenommen und blieben im Herzen dem alten „bosnischen“ Glauben treu. Fig. 3 — 4. Täto wirte Vorderarme katholischer Mädchen. Als die Osmanen die Balkanhalbinsel überflutbeten, hat die Bevölkerung der nach einander eroberten Staaten nirgends in solchen Massen den muhammedanischen Glauben angenommen als eben in Bosnien. Es ist nun selbstverständlich, dass die katholischen Priester, sobald einmal ein gewisser Stillstand eingetreten war, alle erdenklichen Mittel aufgeboten haben, um die weitere Glaubensabschwörung zu beschränken. Da der Islam das Kreuz als Symbol des Christenthums verpönt, musste es den katholischen Priestern naheliegen, durch Glück. Die Tätowirung bei den Katholiken Bosniens und der Hercegovina. 459 Einprägung des Kreuzes an einer sichtbaren Körperstelle die Annahme des muhamme- danischen Glaubens zu erschweren. Wollte nun ein tätowirter Katholik den Glauben wechseln, so musste er vor Allem das Kreuz von seiner Haut entfernen, was aber eine recht schmerzhafte Procedur war, weil man die Haut bis in die tieferen Schichten des Coriums vernichten musste. Da Fig. 5. Tätowirter Arm eines Katholiken. Fig. 6. Tätowirter Oberarm eines Katholiken. jedoch das Ertragen so grosser Schmerzen nicht Jedermanns Sache ist, so dürfte doch Mancher aus diesem Grunde vor dem entscheidenden Schritte zurückgeschreckt sein. Hätte sich aber dennoch Einer entschlossen, trotzdem den Glauben zu wechseln, so wäre derselbe durch die sichtbaren und recht ausgedehnten Narben, welche nach der Vernichtung der Tätowirung Zurückbleiben mussten, in fataler Weise als Neophyt kenntlich geblieben. Der Brauch, Tätowirungen gewöhnlich an Sonn- und Feiertagen nach der 460 II. Volkskunde. Messe und in der Nähe der Kirche vorzunehmen, dürfte die obige Annahme über den Ursprung des Tätowirens in Bosnien einigermassen unterstützen. Da die hierländische Methode der Tätowirung und die dazu verwendeten Farb- stoffe zumeist von den im übrigen Europa gebrauchten abweichen, so sei es mir ge- stattet, über diesen Gegenstand Einiges zu bemerken. Unter den Matrosen, Soldaten, Arbeitern etc. selbst der eultivirtesten Staaten, herrscht bekanntlich die Unsitte des Tätowirens in recht ausgedehntem Masse. Die „Tinten“ werden aus Lösungen von Carmin, Zinnober, Indigo, Kohlen- oder Sehiess- pulver zubereitet. Die Haut der zu tätowirenden Stelle wird ange- spannt und die gewünschte Zeich- Fig. 8. Tätowirter Oberarm eines Katholiken. Fig. 7. Oberarm eines gewesenen ottomanisehen Soldaten nun0- mit einer feinen Nadel durch (m Albanien tätownt). dichte, nebeneinander angebrachte Stiche „vorgestochen“, hierauf wird die „Tiute“ auf die Stiche eingerieben und schliesslich ein Verband angelegt. In einigen Gegenden taucht man die Nadel in die Tinte und tätowirt so mit der armirten Nadel, was das Verfahren abkürzt. In Bosnien werden die Tinten anders hergestellt, und zwar entweder aus Kienruss, oder aus gewöhnlichem Russ, oder aber, in seltenen Fällen, aus Schiesspulver. Man entzündet einen Kienspahn und sammelt in einem „findzan“ (einer kleinen Kaffeetasse) das abträufelnde Harz, in welches man den gleichfalls während der Ver- brennung des Kienspahns auf einer Blechplatte gesammelten Russ mischt. Diese schwarze Rasta wird nun nach vorheriger Spannung der zu tätowirenden Hautstelle mit einem Glück. Die Tätowirung bei den Katholiken Bosniens lind der Hercegovina. 461 zugespitzten Holzstäbchen auf die Haut in der gewünschten Zeichnung aufgetragen und dann mit einer bis nahe an die Spitze mit einem Faden umwickelten Nadel bis zur Blutung durchstochen. Die Einstiche werden natürlich dicht nebeneinander gemacht. Die tätowirte Stelle wird hierauf verbunden und nach drei Tagen abgewaschen. Die „Tinte“ aus Buss wird in folgender Weise erzeugt. Ueber eine Licht- oder rauchende Petroleumflamme wird ein Blechdeckel gehalten, auf welchem sich der Kuss Fig. 9. Tätowirter Vorderarm eines jungen Orientalisch-Orthodoxen. Fig. 10. Vorderarm eines jungen Orientalisch-Orthodoxen (Militär-Urlaubers) aus der Gegend von Banjaluka. niederschlägt; dieser wird gesammelt, mit etwas Wasser gemischt und in ähnlicher Weise wie die früher erwähnte Pasta verwendet, d. h. es wird „vorgezeichnet“ und dann erst gestochen. Schiesspulver wird im Ganzen nur wenig verwendet. Da in Bosnien nur schwarze Tinten bei der Tätowirung zur Verwendung kommen, so ist es erklärlich, dass dieselbe immer nur einfarbig ist, und zwar blau mit einem Stich ins Grünliche. 462 II. Volkskunde. Als Tätowirer fungiren meistens ältere Frauen (vjeste zene). Häufig leisten sich aber auch Mädchen gegenseitig diesen Liebesdienst, welcher den Zuschauern viel Spass bereitet, namentlich wenn ein wehleidiges Mädchen, das die verschiedensten Gesichter schneidet und auf jeden Stich durch einen Schrei reagirt, tätowirt wird. Fig. 11. Bosnischer Katholik (gewesener Trainsoldat) aus Travnik. Die Gründe, welche zur Einführung des Tätowirens geführt haben, sind zwar geschwunden, aber der dem Menschen innewohnende Trieb der Nachahmung und das Festhalten an dem Hergebrachten dürften hinreichen, um die Verunzierung des Körpers durch das Tätowiren noch lange als Volksbrauch bei den Katholiken Bosniens und der Hercegovina zu erhalten. Bosnische Musik. Von Carl von Sax, k. u. k. Generalconsul. In der bereits ziemlich reichhaltigen Literatur über Bosnien und die Hercegovina ist verhältnissmässig sehr wenig über die Musik dieser Länder zu finden. Und doch hört man in Bosnien so viel singen, dass es beinahe auffallen muss; besonders sanges- lustig sind die Christen beider Confessionen; aber auch der Gesang der Muhammedaner lässt sich häufig genug vernehmen. Allerdings war über dieses Ländergebiet, welches für das Abendland bis vor Kurzem eine Terra incognita war, nach dessen Erschliessung durch die Occupation so viel Wichtiges zu erzählen, dass man die dortige Musik füglich übergehen konnte. Insoweit aber in den betreffenden Werken die bosnische Musik doch kurz erwähnt ist, begegnet sie bisweilen einem sehr strengen Urtheile. So sagt Ad. Strauss in seinem Werke über Bosnien,1) dass er in diesem Lande niemals eine gefällige Melodie gehört habe, und dass dort Jeder durch die Nase singe, so dass man diese Gesänge lieber meiden als ihnen nachgehen möchte. Gar Mancher, der an die abendländische Musik gewöhnt ist, wird ebenso urtheilen und sich mit Recht daran stossen, dass der Gesang der Bosniaken mehr aus dem Halse als aus der Brust zu kommen scheint. Aber es gibt in Bosnien eine sehr mannigfache Musik, worunter sich manches Schöne vorfindet, und welche jedenfalls so viel Charakteristisches an sich hat, dass es sich der Mühe verlohnt, dieselbe näher zu betrachten. Wie Bosnien als eine Brücke zwischen Orient und Occident in so vieler Hinsicht die beiderseitigen Eigenthümlichkeiten in sich vereint und fast noch mehr Orientalisches als Occidentalisches aufzuweisen hat, in vielen Dingen aber auch noch an längst ent- schwundene Zeiten erinnert, so besitzt dieses Land auch eine orientalisch-occidentalische und eine theilweise antike Musik, wobei wir von der neu importirten abendländischen Musik ganz absehen wollen. Die Musik ist in Bosnien eng vermählt mit der Poesie oder steht eigentlich in deren Dienste. Reine instrumentale Musik kommt nur als monotone Schalmei auf der Hirtenpfeife (Svirala) und insbesondere als Tanzmusik vor, und in dieser letzteren Form steht sie in der That auf sehr niedriger Stufe, auf der Stufe des Dudelsackes (der Gaida), und hat keine andere Aufgabe als die, durch einen gewissermassen betäubenden Rhythmus die Tanzlust zu wecken und den Tanzenden den Tact zu geben. Es ist dies der bekannte 2/4tactige Kolo, aber noch nicht so verfeinert wie in den civilisirten Nachbarländern. Ausser dem Dudelsacke, der Hirtenpfeife und der selten gebrauchten Geige hat der Bosniake keine Instrumente, welche Melodien oder Harmonien hervor- *) Bosnien, Land und Leute, S. 299. 464 II. Volkskunde. bringen können. Die weithin bekannte einsaitige Gusle dient nur zur Begleitung. Die Hauptaufgabe der bosnischen Musik ist aber eben die Begleitung des Gesanges. Der Bosniake declamirt niemals ein Gedicht, sondern er recitirt es mit Musik- begleitung, oder er singt es ohne Begleitung. Letzteres Singen ist mehr Sache der Frauen und Mädchen, der Jünglinge und der Kinder, selbst vom zartesten Alter, während jenes halbsingende Recitiren mit der Guslebegleitung ausschliesslich Sache der Männer ist, und zwar der Christen wie der Muhammedaner. Das mit Guslebegleitung vorgetragene Recitativ ist bisweilen lyrisch, gewöhnlich aber episch; es ist dies der bekannte stidslavische Heldengesang, wie er ausser in Bosnien und der Hercegovina auch in Serbien und Montenegro heimisch ist. Auch diese Musikgattung steht auf niedrigster Stufe. Auf die Gefahr hin, nur Solches zu sagen, was den Kennern des serbischen Volksgesanges längst bekannt ist, soll hier doch Einiges über diese Musikgattung bemerkt werden. Es gibt bei diesen epischen Gesängen ebensowenig Melodie als Harmonie. Johann v. Asböth sagt ganz treffend: „Der Vortrag ist ein eintöniges Recitativ, das sich zwischen Declamation und Gesang hält und selbst bei lyrischen Gesängen nur ausnahmsweise zur Melodie erhebt; der Sänger folgt mehr dem Inhalt und den Worten als Noten.“1) Das von Asböth angeführte erste Beispiel lautet wie folgt: ■Gesang. 9-o— Der Rhythmus ist meistens der des Vv oder 4/4-Tactes, aber die Gesangsweise wird nicht strenge eingehalten, und der Improvisation bleibt ein weiter Spielraum offen. Es soll durch diese Gesänge nicht ein nach den Gesetzen der Schönheit in Tönen geschaffenes Kunstwerk der Seele des Zuhörers durch Vermittlung des Gehörsinnes vorgeführt werden; es handelt sich dabei nicht einmal darum, durch eine schöne Auf- einanderfolge oder eine schöne Zusammenstellung von Tönen das Ohr zu ergötzen, sondern in erster Linie wird offenbar bezweckt, die Aufmerksamkeit des Hörers durch den summenden Ton zu fesseln und ihn in die geeignete Stimmung zu versetzen, um dem Epos zu lauschen, ohne seine Aufmerksamkeit auf die Töne selbst abzulenken, und in zweiter Linie soll dann die beschränkte Modulation dieses Tones den Kraftstellen des Gedichtes Nachdruck leihen und dazu beitragen, die Zuhörer zur Begeisterung zu ent- flammen oder zum Mitgefühle für den Helden des Epos zu bewegen. Dieser stidslavische Heldengesang erinnert stark an die im ganzen Oriente übliche Musik mit ihrem Recitativgesange und der monoton-rhythmischen Begleitung; er erinnert aber auch - — sowohl durch seine Modulation als durch seine ganze Tendenz — an die altgriechische Musik, wenigstens an den Charakter, welchen Platon und Aristoteles in derselben suchten. Platon, welcher von wehklagenden, gewaltigen und freimüthigen Tonarten spricht, will in seinem Staate aus ethischen und politischen Gründen nur die beiden letzteren, nämlich die dorische und die plirygische zulassen, die wehklagenden Tonarten aber verwehren; und Aristoteles, der die Tonarten in sittlich bessernde, Thätigkeit *) Bosnien und die Herzegovina von Johann v. Asböth, S. 477. Sax. Bosnische Musik. 465 erweckende und begeisternde eintheilt, mochte nicht einmal die phry gische dulden, weil letztere zu leidenschaftlich erregten Gedichten passt, welche dieser Philosoph für gefähr- lich hält. Platon wollte auch die Flöte und die mit mehreren Saiten bespannten Instru- mente aus dem Staate verbannen und nur die Lyra und die Kithara neben der einfachen Rohrpfeife der Hirten beibehalten. Der Rhythmus durfte nach dem Ideale Platon’s gleich- falls nicht in Buntheit und allen möglichen Tactschritten sich bewegen, sondern sollte „einem ordentlichen tapferen Leben entsprechen“.1) Diesen Recepten entspricht nun beiläufig auch die epische Musik der Südslaven in der Einfachheit sowohl der Tonweisen, als ihrer Instrumente. Vielleicht ist dies eine Hinterlassenschaft der illyrischen Ureinwohner, welche ja wahrscheinlich auch mit den Urbewohnern Griechenlands und der halben europäischen Türkei Eines Stammes waren. Aber die Südslaven haben in ihrer Musik glücklicher Weise doch nicht ganz jene erschreckende Nüchternheit beibehalten, für welche die griechischen Philosophen schwärmten. Schon in der oben besprochenen epischen Musik zeigt sich bisweilen der Drang, auch weichere Gefühle auszudrücken und zu erwecken, obgleich sich diese Gesangsgattung, wie gesagt, noch nicht zur Melodie erhebt. Zum Durchbruche gelangt aber die südslavische Melodie und das musikalische Gefühl in der lyrischen Vocal- musik, in jenem vorhin angedeuteten Gesänge, welcher der Gusle nicht bedarf, und welcher oft auch als Chor, aber meines Wissens nur als einstimmiger, nicht als mehr- stimmiger Chor zu hören ist. Letztere Gesangsart scheint in Bosnien noch nicht ein- gebürgert zu sein. Diese lyrische Musik - — das Strophenlied - — hat einen strengen Tact und eine ziemlich feststehende Melodie. So lautet ein altes bosnisches Lied („Ti momo, ti devojko“): Allegro. ~ , : “■'» -T r Ps-i T «, , 1 1 1 . - ,-~'Üpq4i - 1 'II W t::* V . h •-* i t-rf . i — 1~ *-* *— J ’ — » m • • — Der Refrain eines anderen Liedes lautet: Allegro. Reizend klingt die folgende sehnsüchtig verhallende Strophe, die zwar einem Mendelssohn’schen Thema (aus dem „Sommernachtstraume“) sehr ähnlich klingt,2) die ich aber in viel langsamerem Tempo mehrere Jahre vor der Occupation häufig beim Ein- sieden der Zwetschken in Sarajevo im Chor singen hörte: Moderato. *) Dr. Alois Luber, Musik und Gymnastik als Erziehungsmittel bei Platon und Aristoteles (Salz- burg 1872), S. 17—18, 31—32. 2) Wir halten hier eine Anlehnung, wenn auch nicht gerade an dieses bosnische, so doch an ein verwandtes slavisches Lied für ganz gut möglich, da dieser Vorgang bei den Classikern öfters beobachtet wird: das fremdartige musikalische Idiom interessirte sie, und sie wendeten es in ihren Meisterwerken an (so vorzüglich Josef Haydn etc.). Anm. von C. Hörmann. Band II. 30 466 II. Volkskunde. Ein recht melodiöses Lied ist auch das altbekannte „Sjedi Mara na Cardaku“ mit nacbfolgender Sangweise: Allegretto. i »■ . 0 • =3— 4— i — * • — j— |— o m =P— #- 3 -& — — =F=,t= -8t Dieses Lied könnte auch mit einer ganz hübschen Harmonie begleitet werden. Aus diesen verschiedenen Beispielen wird man die eigentümliche Erscheinung erkennen, dass das Lied nie mit dem Grundtone, in dessen Tonart es sich bewegt, zu schliessen pflegt, das heisst nie mit der Prime oder Octave, sondern mit der Quinte, Secunde oder Septime, dass also der Schluss niemals vollständig lautet und meistens den Hauptaccord der Dominante oder gar den Septimenaccord auf derselben als Be- gleitung erfordern würde, daher immer eine Wiederholung des Liedes verlangt, ohne jemals zu einem musikalisch befriedigenden Abschlüsse zu gelangen. So hätten wir bei dieser lyrischen Musik einen, wenn auch eigenartigen Anklang an die „unendliche Melodie“ Richard Wagner’s, also an die hie und da noch immer sogenannte Zukunfts- musik, wie wir andererseits die epische Musik Bosniens mit der antiken Musik ver- gleichen konnten. Uebrigens vermag ich nicht zu sagen, ob diese sonderbare, mehr orientalisch als abendländisch klingende Schlussform des Liedes eine besondere Eigentümlichkeit der bosnischen Musik ist oder auch in slavisclien Nachbarländern Bosniens vorkommt.1) Jedenfalls aber ist dieser im Ganzen heitere lyrische Gesang der Bosniaken beispiels- weise von dem melodiöseren und dabei viel melancholischeren Gesänge der Russen gänzlich verschieden. Schliesslich sei erwähnt, dass der Gesang in Bosnien selbstverständlich auch beim Gebete angewendet wird, und zwar sowohl von Christen als von Muhammedanern. Beim christlichen Kirchengesange fällt das schnelle Tempo auf, in welchem er sich gewöhnlich bewegt. Der religiöse Gesang der Muhammedaner verschmäht jede In- strumentalbegleitung. Seine bemerkenswerteste Eorm ist jener recitativartige Gesang, der besonders in der Stille des Abends mehr zur Andacht stimmen kann als das Geläute der Glocken, die nicht überall den besten Klang haben. Dieser langgezogene muhamme- danische Gesang, dem ein arabischer Text zu Grunde liegt, ist kein slavischer, sondern ein echt orientalischer und wird in Bosnien nur vielleicht etwas weniger genäselt als im tiefen Orient. Hiemit haben wir die antike, die slavische und die orientalische Grundlage der bosnischen Musik angedeutet, womit dieses Thema gewiss nicht als abgehandelt gelten soll, sondern nur die Anregung zu dessen weiterer Behandlung gegeben werden wollte. J) Die hier besprochene Schlussform des Liedes kommt fast bei allen Südslaven vor und wird am meisten bei Tanzliedern (Liedern zum Kolo) und sonstigen Strophen gesungen. Ein Abschluss des Liedes auf der Tonika oder Terz ist seltener in Croatien, Serbien und Bulgarien; häufiger kommt er in Dalmatien, dem Küstenlande und fast stets in Krain, Untersteiermark und bei den Croaten in Ungarn vor. Anm. von C. Hörmann. Gottesurtheile und Eidhelfer in Bosnien und der Hercegovina. Von Emilian Lilek, Professor am Obergymnasium in Sarajevo. a) Gottesurtheile. Jedes Volk glaubt in seinem Kindesalter, dass bei gerichtlichen. Untersuchungen Gott durch Wunder offenbaren werde, wer schuldig, wer unschuldig sei. Deshalb treffen wir sogenannte Gottesurtheile nicht nur im Mittelalter bei Germanen und Romanen an, sondern auch bei jetzt lebenden Völkern von geringerer Bildung, welche noch nicht wissen, dass sich Naturgesetze nicht zu jeder Zeit nach Belieben des Menschen ändern lassen. Gottesurtheile wurden und werden noch angewendet als Beweismittel bei gericht- licher Untersuchun Ö* Die gewöhnlichsten Arten von Gottesurth eilen, nach denen der Beschuldigte seine Unschuld, der Kläger aber die Wahrheit seiner Aussage beweisen musste, waren im Mittelalter: Zweikampf, Feuerprobe ( iudicium ignis), Wasserprobe ( iudicium aquae), Bahr- oder Blutprobe (iudicium feretri) und die Probe des geweihten Bissens ( iudicium offae). Von diesen Gottesurtheilen sind dem hiesigen Volke folgende bekannt und bei seinen Volksgerichten angewendet: die Feuerprobe, hier das Herausheben des glühenden Stahls (vagjenje mazije), Bahr- oder Blutprobe, die Probe mit dem geweihten Bissen, hier mit dem Zapis (Verschreibung) und die Wasserprobe. Ausserdem halten die hiesigen orientalischen Christen viel auf die sogenannten Amine und auf die Fluch- vigilien (ldetvena denija), die Muhammedaner aber auf das sogenannte Istihara- Gebet. Bekannt ist ferner noch das Uebertragen von „Dorn, Rasen und Stein“ (prenasanje trna, busa i kamena). I. Das Stalil lieb eil (vagjenje mazije). Das Wort „mazija“ bedeutet beim hiesigen Volke „Stahl, Stahlstäbchen“. Nach Miklosich ist das Wort persischen Ursprungs und bedeutet da „Gallapfel“.1) Es dürfte aber höchstwahrscheinlich vom arabischen = „reines Eisen“ herstammen. Ob auch das . Ordal des Mazijahebens aus dem Oriente hieher verpflanzt wurde, vielleicht durch die Türken aus Arabien, wo das Heben des glühenden Stahls noch jetzt ein gesetzlich anerkanntes Ordal bildet,2) darüber lässt sich nichts Bestimmtes sagen. Wann und wie die Mazija gehoben wird, darüber hat mir der Gymnasiast Scepan Grgjic Folgendes aufgezeichnet: *) Siehe Denkschriften der kais. Akademie der Wissenschaften, XXXVI. Bd. 2) Siehe Edw. Tylor, Einleitung in das Studium der Anthropologie und (Zivilisation, S. 514. 468 II. Volkskunde. „Wenn Jemand bezichtigt wird, dass er dies oder jenes getlian habe, aber keine Zeugen vorhanden sind und der Beschuldigte die That nicht eingestehen will, so ver- langt man von ihm, dass er sich durch einen Schwur reinige, oder wenn man sich auf seine Seele und seinen Schwur nicht verlassen kann, dass er eine Mazija hebe. Das letztere wird nur in schweren Fällen verlangt, z. B. wenn Jemand beschuldigt wird, dass ein Mädchen oder eine Witwe von ihm ein Kind geboren habe, oder wenn Jemand einer anderen unehrlichen Handlung beschuldigt wird. Daher das Volkssprichwort: ,Er ist rechtschaffen; ich würde für ihn die Mazija hebend „Wenn ein Mädchen einen Burschen oder einen andern Mann beschuldigt, dass sie von ihm ein Kind geboren, so geben sich ihre Verwandten nicht mit seinem Schwur zufrieden, denn bei solcher Gelegenheit würde so Mancher auch falsch schwören, nur damit er rein dastehe, sondern verlangen, dass er entweder die Mazija hebe oder das Mädchen heimführe. „Das Stahlheben geschieht auf folgende Art und Weise. Auf einem ebenen Platze ausserhalb des Hauses wird ein Kessel voll Wasser auf die Feuergluth gestellt, damit es siedend, und zugleich eine Mazija in die Glut geworfen, damit sie glühend werde. Als Mazija wird zumeist ein Pferdehufeisen oder ein Beil verwendet. Während das Wasser und die Mazija gehitzt werden, wäscht sich der Betreffende, der die Mazija heben will, die Arme bis zu den Ellbogen mit Seife. Sobald das Hufeisen, respective das Beil in der Gluth derart glühend geworden ist, dass es vor Gluthitze weiss wie Milch aussieht, wird es aus dem Feuer genommen und ins siedende Wasser im Kessel geworfen. Jetzt nähert sich derjenige, der es herausheben will, dem Kessel und spricht ins Wasser blickend: ,0 Wasser, steh’ still, wie du früher still gestanden! Ich beschwöre dich bei Gott, der dich erschaffen, bei Himmel und Erde! Bin ich unschuldig, so möge mich Gott reinigen; bin ich aber schuldig, so möge man es an mir kennen! Halte ein, ich bitte dich bei Gott und beim heil. Johann und beim Wasser des Jordan! Hilf mir, du Allmächtiger h und mit blosser Hand hebt er die Mazija aus dem siedenden Wasser. Das Volk glaubt, dass seine Pland, wenn er unschuldig ist, keine Brandmale haben werde; verbrennt er sich aber die Hand und bekommt er Brandwunden, so ist er schuldig. Es wird nun von ihm verlangt, dass er das Mädchen, respective die Witwe heirate. Das Volk legt auch Gewicht auf das erwähnte Händewaschen und meint, dass sich Mancher derart zu waschen verstehe, dass ihm die Hitze nichts anhaben könne. „Als ich in den letzten Schulferien (1891) zu Hause war, habe ich einem solchen Volksgerichte beigewohnt. Eine Witwe hatte ein Kind geboren; sie wälzte die Schuld auf einen verheirateten Bauer. Dieser berief den Popen, einige Dorfälteste und einige angesehene Leute von seiner und der Witwe Seite. Er wollte nun schwören, dass das Kind nicht von ihm sei, aber die Witwe protestirte dagegen mit den Worten: ,Ich gebe es nicht zu, denn er würde falsch schwören. Wie denn auch nicht? Bei Gott, auch ich würde morgen fünfhundert Eide ablegen, wenn sich nicht das Kind bei mir gefunden hätte. Ich nehme seinen Schwur nicht an, ausser es schwört für ihn sein Bruder oder der Knez oder ein anderer rechtschaffener Mensch; ich möge dann die Schande haben, er aber rein und ehrlich dastehen. Wenn aber Niemand für ihn schwören will, dann möge er die Mazija heben und Gott zAvischen uns richten/ Bei dieser Gelegenheit ist es nicht zum Stahlheben gekommen; das Gericht würde dies heute auch nicht erlauben. Dem beschuldigten Manne hat es genützt, dass die Witwe aus keiner starken Bruderschaft (bratstvo) war, und dass die Brüder ihres Mannes (djeveri) sie nicht besonders vertheidigten, im Gegentheil sie sofort aus dem Hause jagten. Das Volksgericht hat damals den Mann blos zur Zahlung von 50 fl. und zur Zahlung des consumirten Getränkes verurtheilt, ob das Kind sein oder nicht sein sei, nur damit Lilek. Gottesurtheile uucl Eidhelfer in Bosnien und der Hercegovina. 469 er sich die Anfechtung vom Halse schaffe. Aber mit diesem Urtheil war weder der Bauer noch die Witwe zufrieden, und sie stritten deshalb auch noch weiter fort. „Zur Zeit der türkischen Herrschaft war das Stahlheben erlaubt. Du brauchtest nur zum Kadi zu gehen und ihn darum zu bitten; natürlich musstest du die Bitte mit etwas Concretem unterstützen, z. B. mit einem Hafen Schmalz oder mit 2 — 3 Kaimess. So oft die Mazija gehoben wurde, fast immer wurde früher der Kadi um die Erlaubniss dazu gebeten.“ Das Stahlheben wurde auch im „Trebevic“ vom Jahre 1892 vom Bruder des oben erwähnten Gymnasialschülers beschrieben. Da heisst es, dass das letzte Stahlheben im Jahre 1860 in Kifino selo auf dem Nevensinjsko polje stattgefunden habe. Mir erzählte voriges Jahr Redzepovic Effendi, gewesener Softa in der hiesigen Scheriatsrichterschule, dass in Bosnisch-Gradiska zwei des Diebstahls Beschuldigte zwi- schen 1882 — 1884 (er konnte sich nicht mehr genau des Jahres erinnern) den Stahl gehoben hätten, und dass sich derjenige, auf dem der grössere Verdacht ruhte, auch stärker verbrannt habe. II. Die Blutprobe. 1. Der des Mordes Beschuldigte wird zur Leiche des Ermordeten geführt (iudicium feretri). Alle jene, die irgendwie an einem bestimmten Morde betheiligt gewesen sein können, zur Leiche des Ermordeten zu führen und denjenigen als Thäter zu betrachten, in dessen Gegenwart aus den Wunden, aus dem Munde oder aus der Nase des Er- mordeten Blut zu rinnen beginnt, ist ein in ganz Bosnien und Hercegovina bekannter Brauch und bekanntes Volksgericht. Der Gymnasiast Safet-Beg Basagic hat mir folgenden Fall notirt: „Um die Herbstzeit des Jahres 1884 fanden die Bauern im Dorfe Dolac in der Nähe der Cengic-Villa bei Sarajevo einen todten Menschen. Sie meldeten dies sofort den Gendarmen, die im betreffenden Orte Wache hielten. Einer von diesen Gendarmen hiess Zulfo Omerbegovic, gebürtig aus der Hercegovina, der andere Nikola Dujic, ge- bürtig aus der Krajina. Die Gendarmen führten jeden Bauer aus der Umgebung und alle verdächtigen Leute, die auf der Strasse nach Sarajevo auf den Markt gingen, zum Todten und nüthigten sie, der Reihe nach ihre Hände auf die Stirn oder auf die Brust des Todten zu legen, denn sie hielten fest an dem Volksglauben: wenn der Mörder zu seinem Opfer komme, so rinne diesem das Blut aus Nase und Mund. In diesem Glauben bestärkten sie noch des Cengic’ Diener. Einer von diesen, mit Namen Tahir Sakovic, erzählte ihnen nämlich, wie er auf diese Weise zur Zeit, als er auf dem Cordon stand, zweimal den Mörder herausgefunden habe. Als die Be- zirkscommission mit dem Arzte ankam, rieth der erwähnte Sakovic dem Richter, er möge die Leiche bis zur Abenddämmerung liegen lassen, denn wenn der Mörder sich derselben nähern sollte, so werde sicherlich Blut aus ihr rinnen.“ Einen ähnlichen Fall erzählte mir mein Dienstbote aus Vijaka. Der Gymnasiast Scepan Grgjic hat mir über dieses Ordal Nachstehendes mitgetheilt: „Als ich mich vorige Ferien in Fojnica bei Kiseljak aufhielt, hatte ich Gelegenheit, mit einem dortigen Bewohner über den Volksaberglauben zu sprechen. Wie viel ich mir auch Mühe gab, ihn von seinem Aberglauben abzubringen, so wollte er doch nicht um Haaresbreite davon ablassen. Unter Anderem behauptete er mir gegenüber, dass aus dem Menschen Blut rinne, wenn sein Mörder zu ihm komme. Da ich dies nicht glauben wollte, so erzählte er mir folgenden Vorfall: ,Es ist nicht lange her, nicht einmal 40 Jahre, dass N. aus Fojnica mit seinem besten Freunde auf die Jagd ging. 470 II. Volkskunde. Sie jagten hin und her, erlegten, schossen fehl, da entgleitet auf einmal dem Freunde der Hahn, und tarn! der Gefährte fällt zu Boden! Tiefhetrübt ruft er zwei bis drei Leute, und sie tragen den Angeschossenen hall) todt, halb lebendig nach Hause. Als er am nächsten Tag seinen Freund N. besucht, siehe, da rinnt diesem das Blut aus den Wunden. Und so geschah es jedesmal, so oft er ihn besuchte. Endlich kamen die Hausgenossen auf die Ursache der Erscheinung, nämlich, dass ihm deshalb das Blut aus den Wunden rinne, weil sein Tödter ihn besuche, und sagten dies dem Kranken. Damit sich dieser die Wundschmerzen erleichtere, sprach er zum Freunde, als dieser wieder zu ihm kam: ,Icli verzeihe dir; meine Wunden sind mein Tod! Ich weiss, dass du mich nicht absichtlich, sondern ganz ohne Absicht tödtlich verwundet hast. Was soll ich? Gott und mein böses Geschick haben es so gewollt. Ich be- schwöre dich bei Gott, komme mir nicht mehr auf Besuch. Ich sehe, dass mir das Blut aus den Wunden rinnt, so oft du zu mir kommst/ Das erzählte mir der Fojnicaner und fügte ' schliesslich noch hinzu, dass der Sohn des Unglücklichen, der später seinen Wunden erlegen sei, noch lebe.“ 2. Der Mörder wird vom Blute des Ermordeten angezogen. Wenn ein Mörder einen Menschen erschlagen hat, so kann er sich vom Ermor- deten nicht entfernen. Es ergreift ihn nämlich solch’ ein Schwindel und solch’ eine Ohnmacht, dass alle Anstrengung zu entfliehen vergeblich ist. Das kann er allenfalls nur dann, wenn er einen ihm gehörigen Gegenstand, eine Flinte, einen Stock oder dergleichen auf den Todten geworfen hat. An die Anziehungskraft des Blutes glaubt das Volk im östlichen Bosnien, wie mil- der Gymnasiast Begovic erzählte, und auch in der Hercegovina. Aus dem letzteren Lande hat mir Hadzic Effendi, Softa an der hiesigen Scheriatsrichterschule, folgenden Fall aufgeschricben: „Einige Jahre vor der Occupation lauerte Ahmed Kapazbasic auf einen gewissen Sahin und schlitzte ihm mit dem Messer den Leib auf. Als Saliin todt zu Boden gestürzt war, wollte Ahmed entfliehen, aber vergebens; er musste sich fortwährend um den Todten herumbewegen. Die Leute behaupten, dass ihn das Blut des Er- mordeten zurückgehalten habe. Und obwohl es Leute gab, die bereit waren, falsch zu schwören, dass sich Öaliin selbst den Leib aufgeschlitzt habe, so wurde Ahmed doch verur- theilt, weil er beim Opfer angetroffen wurde und in der angegebenen Weise verwirrt war.“ 3. Des Vaters Bein saugt des Kindes Blut auf. Ueber dieses Ordal hat mir der oben erwähnte Hadzic Effendi folgende Erzählung auf geschrieben : „Nach dem Tode eines Königs wurde ihm ein Kind geboren. Es war zweifel- haft, ob dies sein rechtmässiges Kind sei oder nicht. Der Mostarer Scheih Jujo, in dieser Angelegenheit um Auskunft gefragt, bedeutete die Frager, man möge ein Bein aus dem Grabe des Königs nehmen, dem Kinde am Leibe einen Schnitt machen und des Kindes Blut , auf des Vaters Bein träufeln. Wenn das Bein das Blut aufsaugen würde, so sei das Kind rechtmässig, wenn nicht, so stamme es von einem Andern. Und wahrhaftig, bei diesem Versuche sog des Vaters Bein das Kindesblut auf, was bei einem andern fremden Beine nicht der Fall war.“ (Scheih Jujo war geboren in Mostar 1061 nach der IJedschra und starb 1119.) 4. Das Legen des Kindes auf die Hausschwelle. Wenn ein Bursch heiratet und seine Frau kommt vor dem Ablauf von neun Monaten nieder, so bezweifelt er, dass das Kind von ihm sei. Da sein Weib behauptet, dass Lilek. Gottesurtlieile und Eidhelfer in Bosnien und der Hercegovina. 471 das Kind sein sei, so legt er es anf die Hausschwelle. Wenn das Kind ins Iiaus fällt, so ist es sicherlich von ihm; fällt es aber vors Haus, so ist es nicht sein eigene sf sondern die Frau hat es ihm „unterm Gürtel“ ins Haus gebracht. — So urtheilt man im Bezirk Rogatica, wie mir dies der aus diesem Bezirk gebürtige Gymnasiast Begovic erzählt hat. III. Das Verschlucken des Zapis. Bei den hiesigen Muhammedanern besteht angeblich der Brauch, jeden einer Schuld Verdächtigen zu zwingen, dass er einen Zapis verschlucke. Wen der Zapis aufbläht, der ist der Schuldige. Bisher habe ich noch keinen be- stimmten Fall hiervon in Erfahrung gebracht. IV. Die Wasserprobe. Die „Bosanska Vila“ vom Jahre 1888 brachte in einem Artikel „Beschreibung Gackos mit seinen Alterthümern und Volksgebräuchen“ S. 184 Folgendes: „Zu Smail- Agas Zeiten herrschte einmal im Winter unter den Kindern grosse Sterblichkeit. Dar- über war im Volke grosse Aufregung gegen die Hexen. Wenigstens 20 Weiber müssten gesteinigt werden. Aber Smail-Aga wusste da ein Auskunftsmittel. Ueber 50 Weiber versammelte er am Dusac (einer Quelle) und begann sie ins Wasser zu Averfen mit den Worten: , Welche nicht untertaucht, das ist die wahre Hexe/ Als sie nun eine Zigeunerin ins Wasser warfen, — welches Wunder! sie konnte nicht untertauchen.“ — Als ich dies gelesen hatte, bat ich den priv. Gymnasiasten Basagic, dem die Verhältnisse im Gackoer Bezirk gut bekannt sind, er möge über diesen Fall nähere Erkundigungen einziehen. Basagic fand zu meiner Freude einen Mann, der ihm über das besagte Wasserwerfen der Hexen genaue Auskunft geben konnte. Er hat mir hierüber Nachstehendes auf- geschrieben: „Husaga Cengic, ein Greis von 70 — 75 Jahren, erzählte mir, dass er sich noch daran erinnere, wie die Pest im Musselimat von Gacko die Kinder gewürgt habe. Damals war Smail-Aga Musselim in Gacko. Er berief sofort alle Agas aus Gacko zu einer Versammlung nach Lipnik und fragte sie, was die Ursache sei, dass die Pest im Musselimat von Gacko derart die Kinder Avürge, und ob es ein Mittel dagegen gebe. Die Agas gaben ihm darauf einstimmig zur Antwort, dass an alledem die Hexen schuld seien, und dass es dagegen ein sehr einfaches Mittel gebe. Da nur alte Weiber Hexen seien, so möge er alle diese an einem bestimmten Tage auf seine Kula rufen, und sie (die Agas) würden dann unter ihnen schon nach altem Brauch die Hexen herausfinden. Am nächsten Tage kamen alte Weiber von allen Seiten des genannten Musselimats nach Lipnik, um zu hören, was ihnen Smail-Aga zu sagen habe. Die Agas haben nun die Sache sofort Avie folgt in Angriff genommen. Jedes von den Weibern führten sie ein- zeln zum Bach Dramesina, banden es da mit einem Strick und warfen es dann ins Wasser. Welches untertauchte, wurde sofort herausgehoben und nach Hause gelassen. Zwei Christinnen und eine Zigeunerin blieben aber auf dem Wasser. ,Das sind die Hexen/ riefen die Agas dem Smail-Aga zu, , diesen müssen wir zAvisclien den Schultern ein Hufeisen einbrennen, und sie werden dann Niemandem mehr schaden können/ Smail-Aga liess dies sofort ausführen, und siehe da, die Pest hörte sofort auf.“ Der Erzähler Husaga Cengic sagte, dass die versammelten Agas die Hexen „nach altem Brauch“ ausfindig machen wollten. Man kann daraus schliessen, dass die Wasserprobe im Gackoer Bezirk ganz gewöhnlich war, und dass sie nicht nur in dem oben erwähnten Falle angewendet wurde. Aus anderen Orten der Hercegovina und aus Bosnien konnte ich bisher nichts von dieser Art Ordal erfahren. 472 II. Volkskunde. Y. Amine, Fluelivigilien und das Istibara-Gebet.1) Amine und Fluchvigilien halten orientalisch-orthodoxe Geistliche zu dem Zwecke ah, damit Gott den Uebelthäter verstöre und verwirre, und damit dieser dann in der Verwirrung seine Schuld bekenne. Wie Amine und Fluch vigilien abgehalten werden, darüber hat schon Luka Grgjic-Bjelokosic in der „Bosanska Vila“ vom Jahre 1891, H. 3, S. 39 und H. 12, S. 373 geschrieben. Ich will hier nur einige Worte über einen ähnlichen muhammedanischen Brauch mittheilen. Wenn z. B. einem Muhammedaner etwas gestohlen wurde, er aber den Dieb nicht ausfindig machen kann, so geht er mit einem Geschenk zu einem frommen Muhamme- daner mit der Bitte, er möge ihm das Istihara-Gebet verrichten. Ist der Fromme bereit, der Bitte zu willfahren, so wird er um Mitternacht seine rituellen Waschungen vor- nehmen, dann die Andachtsübungen verrichten, und Gott vor dem Einschlafen bitten, er möge ihm im Traume ein Zeichen geben, an dem er erkennen könne, wer den gemeldeten Diebstahl begangen. Aus dem Munde eines hiesigen Softa vernahm ich, dass Hadzi Melimed Effendi, Lehrer am hiesigen Gazi-Mekteb, selbst erzählte, wie er einmal das Istihara-Gebet vor- genommen habe, um zu erfahren, wer ihm sein Geld gestohlen habe. Und wirklich, 2 — 3 Tage nachher meldete sich der Dieb bei ihm mit den Worten: „Ich habe dir das Geld gestohlen; da stelle ich dir’s wieder zurück, mit Ausnahme desjenigen, was ich inzwischen verbraucht habe; aber verrathe mich nicht!“ YI. Das Uebertragen von „Dorn, Itascn uncl Stein44. Wenn sich Nachbarsleute wegen der Grenzen ihrer Gründe zerstritten haben und sich nicht anders vergleichen können, so ‘verlangt der Kläger vom Geklagten, dass er „Rasen, Dorn und Stein“ auf jener Linie trage, in welcher nach seiner Meinung die Grenze führe. Das Volk glaubt, dass der Träger in solchem Falle unter der Last von „Dorn, Rasen und Stein“ und unter der seines Gewissens zusam- mensinken werde, sobald er auf falschem Wege gehe. Dieses Ordal ist in der Hercegovina und, wie ich vernommen habe, auch in den gebirgigen Gegenden der Posavina bekannt. Näher hat dasselbe der fleissige Sammler der „Volksgerichte“, Luka Grgjic-Bjelokosi6 im „Trebevic“ vom Jahre 1892, woraus auch ich um seine Existenz erfahren habe, beschrieben. b) Eidhelfer (porotnici, coniuratores). Im Mittelalter war es in Bosnien Brauch, dass der Kläger vom Geklagten ver- langte, er möge seine Aussage mit dem Schwur seiner Verwandten, Stammesgenossen oder Landsleute, gewöhnlich ihrer fünf (in Deutschland sieben) unterstützen. Beim „Stahl- heben“ sprach, wie wir sahen, die Witwe: „Ich nehme seinen Schwur nicht an, ausser es schwört für ihn sein Bruder, oder der Knez oder ein anderer recht- schaffener Mensch.“ Daraus können wir ersehen, dass die Institution der Eidhelfer noch jetzt im Gackoer Bezirk besteht. Wie jetzt daselbst die Eidhelfer heissen, konnte ich nicht erfahren. Bogisic nennt sie „okletvenici“ und bemerkt, dass die Institution der Eidhelfer noch heute in Montenegro, in einigen hercegovinischen Gegenden und in den Bocclic di Cattaro besteht. Im Mittelalter hiessen die Eidhelfer in Bosnien „porotnici“. *) Vom arabischen = Glück suchen. Die Istihara gehört mehr ins Gebiet cler Orakel als in das der Ordale. IR a s c i e n. Von Theodor v. Ippen, k. und k. Consul. I. Zwischen Serbien und Montenegro, im Norden durch Bosnien, im Süden durch Albanien und Macedonien begrenzt, liegt ein schmaler, langgestreckter Streifen Landes, welchem bisher eine allgemein gebrauchte Namensbezeichnung weder von geographischer, noch von politischer Seite zuerkannt wurde. Die gegenwärtig zumeist gewählte Be- zeichnung „Alt -Serbien“ ist keine correcte, aus Gründen, die später auseinandergesetzt werden sollen. Diesem serbisch-politisirenden Namen steht der türkisch-politisirende Name „Ivossovo“ gegenüber, von den Türken deshalb gewählt, weil das oben um- schriebene Gebiet durch die Kossovoschlacht türkische Provinz wurde. Nun besass jedoch dieses Gebiet, bevor die eben erwähnten Bezeichnungen auf- kamen, seinen Namen, welcher zwar immer gekannt, langsam ausser Gebrauch gekommen, aber die passendste Bezeichnung ist und die allgemeine Annahme verdient: Ras eien. So hiess es nach der Stadt Ras, dem heutigen Novibazar, dem einstigen Mittelpunkt jenes kleinen Fürstenthums (zupa), aus welchem sich später das grosse Kaiserreich des Dusan herausbildete. Der Name Rascien ist sohin ein Name von historischem Gewicht, den Geographen geläufig und in der Kirchensprache erhalten, welche eine eparchija rasijska kennt. Von der einstigen Stadt Ras hat nur der Bach, welcher sie durcli- fliesst, seinen Namen „Raska“ bewahrt; beiläufig vier Stunden von Novibazar mündet er bei der serbischen Grenzstadt gleichen Namens in den Ibar. Die Bezeichnung „Alt-Serbien“ wäre ja, wenn sie sich auf das erwähnte Gebiet beschränken würde, insoferne richtig, als hier der Ausgangspunkt des alten serbischen Reiches war, und sohin mit Rascien — dem ersten Namen dieses Reiches — identisch. Was sie unannehmbar macht, ist, dass sie auf Gebiete ausgedehnt wird, welche geographisch und ethnographisch zu Albanien und Macedonien gehören, wie die Bezirke Ipek, Dja- kova, Prisren einerseits und Uesküb andererseits, welche nur einige Zeit lang als er- oberte Provinzen zu dem serbischen Reiche, als dieses in seiner Blüthe stand, gehörten. Der Fachmann muss also vorziehen, die geographisch und ethnographisch begrün- deten Namen Albanien und Macedonien für die bisher darunter begriffenen Gebiete uneingeschränkt beizubehalten und das wirkliche „alte“ Serbien mit seinem legitimen Namen Rascien zu bezeichnen. Nach drei Seiten ist die Ausdehnung Rasciens durch politische Grenzen gegeben: die Landesgrenzen von Bosnien, Montenegro und Serbien; gegen Albanien und Mace- donien hat es folgende geographische Grenze: von der östlichsten Ecke Montenegros, der 474 II. Volkskunde. Mokra planina ab, den ZI j eb und seine Crete, welche die Wasserscheide zwischen Ibar und Drin bildet; dann mit einer Schwenkung nach Süden die Djevic- und Crnoljeva- berge; welche den Westrand des Kossovopolje bilden; dann die Crete der östlichen Hälfte des Sar; ferner, die Lepenacspalte zwischen dem Ljubotrn und dem bulgarischen Karadag (Crna gora) übersetzend, die Crete des letzteren und schliesslich die vom Rujan aus- laufende Kette — Wasserscheide zwischen Vardar und Morava — , welche am Sv. Ilija- berge die südlichste Grenzspitze Serbiens trifft. Rascien begreift die folgenden politischen Bezirke (Kaza): Plevlje (Taslidza), Prjepolje, Kolasin, Bjelopolje (Akova), Sjenica, Nova-Varos, Berana, Rozhaj, Novibazar, Mitrovica, Drenica, Vucitrn, Pristina, Gilan und zum Theil Presevo. Es bildet einen Theil des 1879 neu errichteten Vilajets (Provinz) Kossovo, dessen Hauptstadt Uesküb ist, und welches nebstdem noch albanesische und macedonische Bezirke enthält. Rascien ist in seinem nördlichen Tlieile ein ausgesprochenes Gebirgsland und zeigt eine der bedeutendsten Bodenerhebungen auf der Balkanhalbinsel; im Ganzen und Grossen verläuft die Neigung von Süden nach Norden, und sämmtliche dieses Gebiet durchziehende Gebirgsketten lassen sich auf einen im südlichen Winkel desselben ge- legenen Knotenpunkt, d. i. auf das durch den Zljeb und Ivom und die sie verbindende Kette der albanischen Alpen gebildete Massiv, zurückführen. Zwischen diesen Gebirgs- ketten sehen wir ebensoviele Flüsse, ebenfalls aus diesem Knoten in der Richtung von Süden nach Norden — der allgemeinen Neigung des Landes entsprechend — • ihren Lauf nehmen. Die hauptsächlichsten Gebirgs- und Flusszüge sind: 1. Vom Kom ausgehend zwischen Tara und Lim die Bjelasica-Stozer- planina, Kraljevagora, Ljubicna-planina. Von diesem Ast zweigt ab: a) Zwischen Lim und Cehotina die Mihajlovic-, Babinje- und Pobjenik planina, b) zwischen Cehotina und Veleznica die Korj en-planina. 2. Von der Mokra-planina ausgehend zwischen Lim und Vapa (Uvac) die Smilje- vica-, Krusevica- und Giljena-planina mit den ferneren Abzweigungen der Jadovnik- und Kosarina-planina einerseits und der Zlatar -planina andererseits, zwischen welchen die Miloseva zum Lim Hiesst. 3. Vom Zljeb ausgehend der Hajla, die Jarut- und Stavica-planina mit den Ab- zweigungen Vapa und Raska der Suha-gora und zwischen Raska und Ibar der Rogozno- planina. 4. Endlich die Kette, welche vom Zljeb als rechte Uferbegleitung des Ibar unter verschiedenen Benennungen bis Mitrovica streicht und Rascien vom albanesischen Bezirke Ipek scheidet. Der südliche kleinere Theil Rasciens zeigt eine viel einfachere Gestaltung; er besteht aus der Idochebene des Kossovopolje (Amselfeld) und dem Abfalle der Höhen- züge, welche diese Ebene von allen Seiten einschliessen, und auf deren Crete die Grenzen Rasciens liegen; dies sind im Westen die Djevic- und Crnoljevakette, welche das Kossovopolje von der albanesischen Drinebene, der Metoja, scheiden; im Süden die östliche Hälfte des Sar-dag und der Kara-dag, welche das Kossovopolje von der mace- donischen Ebene scheiden; im Osten die serbischen Grenzgebirge Poljak- und Kopaonik- planina. Auch dieser Theil Rasciens hat vorwiegend eine Neigung von Süden nach Norden, denn sein hauptsächlichster Wasserlauf, die Sitnica, fliesst in dieser Richtung; nur in seinem südlichen Theile ist dies anders, denn da fliesst der Lepenac von Nord nach Süd und die Morava von West nach Ost. Ippen. Rascien. 475 II. Für die Römer war Rascien blos ein Durchzugsland. Der hauptsächlichste Stütz- punkt ihrer Herrschaft in diesem Theile der Balkanhalbinsel war Na'issus (Nis); zur Verbindung ihrer Küstenplätze an der dalmatinischen und illyrischen Küste mit Na'issus unterhielten die Römer Strassenzüge, welche zum Theil durch Rascien führten. Der nördliche Theil desselben gehörte zur Provinz Illyricum, der südliche zu Dardania; doch mag das Abhängigkeitsverhältniss der theils keltischen, theils illyrisch-albanesischen Bevölkerung zur herrschenden Macht ein ziemlich loses gewesen sein und letztere sich beschränkt haben, ihre Militärstrassen und Posten zu behaupten. Von diesen Strassenzügen liegen zwei zum Theile innerhalb Rasciens. Zunächst die Strasse, welche von der Küste bei Narona, das Narentathal hinauf, gegen Sarajevo und von dort nach Südosten zog. Ihre erste Station in Rascien befand sich in der Nähe der heutigen Stadt Plevlje (Taslidza). Beiläufig eine Stunde westlich der heutigen Stadt, am linken Ufer des Baches Veleznica, wenige hundert Schritte oberhalb der Mündung des- selben in die Cehotina, liegen die Trümmerreste einer grösseren Ansiedlung; sie sind so vollständig zerstört und von der Erde begraben, dass es grösserer Arbeiten bedürfte, um eventuell den Plan dieser Anlage festzustellen; erkennbar sind nur 2 — 3 Hausanlagen, sonst findet man nur von Gestrüpp überwachsene Trümmerparcellen; an den gewöhnlichen römischen Flachziegeln ist kein Mangel. Viele behauene Steine, theils mit Inschriften theils mit kunstlosen Sculpturen geschmückt, sind von hier verschleppt worden und finden sich in den Moscheen Plevljes und besonders in der orthodoxen Kirche Sv. Ilija nächst Plevlje eingemauert; bei der letzteren liegen auch einige Grabsteine mit In- schriften und kleine Grabmonumente. Für diese Ansiedlung hat Mommsen den Namen Sapua, Hoernes den Namen Stanecli gefunden. Der weitere Verlauf dieser Strasse bis Novibazar ist nicht festgestellt; man weiss nicht, ob sie der heutigen Communication über Prjepolje und Sjenica folgte, wogegen das Bedenken obwaltet, dass auf dieser Strecke bisher keine römischen Reste gefunden wurden. Dagegen sind circa drei Stunden Limaufwärts von Prjepolje, beim Orte Brda- revo, Reste einer steinernen Ueberbrückung des Lim, und in der Umgebung von Bjelopolje zahlreiche Trümmerstätten vorhanden; letztere sind allerdings bisher nicht durchforscht, so dass man nicht weiss, ob sie der römischen oder der serbischen Zeit angehören. Besonders bedeutend sind die Baureste bei dem Dorfe Korita in Bihor; die Strasse kann daher auch über Brdarevo nach Korita und von dort durch Pester über die alte Stätte Sopocani nach Novibazar geführt haben. Novi-Bazar war jedenfalls wieder eine römische Station; man hat für dasselbe den Namen Asinoe gefunden. Eine kleine Stunde von der Stadt, den Lauf des Raskabaches ab- wärts, ist eine starke, circa 30 Grad heisse Schwefelquelle, welche ein noch aus römischer Zeit stammendes Bassin speist; dieses octogonale Steinbassin ist mit einem geräumigen Kuppelbau, welcher mehrere Nischen hat, überwölbt; ein zweiter solcher Kuppelbau, jetzt jedoch in Ruinen, liegt dicht daneben; dieses Bad wird von den Einheimischen kurzweg banja (Bad) genannt. Am jenseitigen, linken Ufer der Raska ist eine Kirche des heil. Peter (Petrova crkva), welche ursprünglich ein römischer Tempelbau gewesen sein dürfte; es ist ein rechteckiges, massives Gebäude, dessen Einzelheiten unter seiner modernen Ausgestaltung für den flüchtigen Beobachter nicht erkenntlich sind. Ausser diesen beiden Denkmälern aus der Römerzeit sollen um Novi-Bazar herum noch zahlreiche bearbeitete Steine und andere Bautrümmer gefunden werden. 476 II. Volkskunde. Von Novi-Bazar führte die Strasse über Mitrovica zur Station Vicianum auf dem Kosso- vopolje7 d. i. nach dem heutigen Dorf Caglavica, eine Stunde südlich von Pristina; auch hier sind Trümmer und Insclmiftsteine zu finden, von denen mehrere heim Baue der Klosterkirche von Gracanica verwendet wurden. In Vicianum traf auch die römische Strasse ein, welche vom illyrischen Küstenplatze Lissus (heute Alessio) in das Innere der Halbinsel nach Naissus (Nis) führte; der Verlauf dieser Strasse durch Albanien ist bisher ganz unbekannt, doch ist die Hypothese zulässig, dass sie im Grossen und Ganzen dem heutigen Saumwege von Djakova gegen Scutari entsprach; aus der Metojaebene des weissen Drin, von Djakova oder Prisren aus, führte sie dann in das Kossovopolje. Zu bedeutender Wichtigkeit und zu seiner grössten Blüthe gelangte Rascien im Mittelalter, im 12., 13. und 14. Jahrhunderte. In ihm war der Ausgangs- und Kernpunkt des mittelalterlich-serbischen Reiches der Nemanjice, und zahlreich sind die Erinnerungen und Denkmäler aus jener Zeit. Die erste Residenz der Gross-Zupane von Rascicn aus dem Hause Nemanjas war Ras, das heutige Novibazar; die späteren Könige aus diesem Hause verlegten ihre Residenz nach Pristina, offenbar weil dieses der Richtung, in welcher sie die Ausbreitung ihrer Herrschaft anstrebten, besser entsprach. Car Stephan Dusan endlich, welcher die Grenzen des serbischen Reiches weit nach Albanien und Macedonien hinein ausdehnte, wählte als Residenzen Prisren und Skoplje. Später wurden wieder Pristina und schliesslich Krusevac und Semendria in Serbien Sitze der Landes- herren. Ob die heutige, mitten in der Stadt gelegene Citadelle von Novibazar die Reste der einstigen serbischen Fürstenresidenz enthält, ist nicht festgestellt; der äussere Anblick ist ein ganz moderner, und auch die Baulichkeiten im Innern scheinen neuen Datums zu sein. Von der Residenz in Pristina sollen vor Jahren noch die Umfassungs- mauer und kleinere Reste vorhanden gewesen sein; bei dem Neubau des heutigen Kreisregierungsgebäudes, welches auf dieser historischen Stätte steht, verschwanden auch diese. An sonstigen Ruinen von Schlössern und Burgen — Zeugen der selbstständigen Geschichte und Blüthe Rasciens — ist kein Mangel. Das Volk bezeichnet sie jetzt allgemein als „Jerina“, und die Sage behauptet, sie wären zumeist von einer serbischen Fürstin, welche sich vor dem Andringen der Türken allmälig von Kossovo aus zurück- zog, errichtet worden, um jede Spanne Erde ihres Reiches gegen den Feind zu ver- theidigen. Die Burg Zvecan hei Mitrovica ist als zeitweilige Residenz der serbischen Herrscher bekannt. Eine Stunde östlich von Prjepolje, an der von diesem Orte nach Sjenica führenden Strasse, ragt auf einem isolirt aus dem Thale des Milosevabaches sich erhebenden Felskegel eine grosse, noch im zerstörten Zustande feste Burg empor, welche wohl einstens dieses Thal und die durch dasselbe führende Communication sperrte; sie führt jetzt den türkischen Namen Hissardzik (die kleine Veste). Zwei Stunden Limabwärts von Prjepolje, hart am linken Flussufer beim Dorfe Gjurovo, ist die namenlose Ruine einer Burg, die einst hier das Flussthal beherrschte; sie wird Jerina oder Gradina genannt. Bei dem Dorfe Kozica, sechs Stunden südöstlich von Plevlje, auf der Stozer-planina ist gleichfalls eine namenlose Burgruine „Jerina“. Während des Niederganges des Reiches der Nemanjice, nach dem Tode des Caren Stephan Dusan, gelangte der nördliche Theil Rasciens in den Besitz der bosnischen und später der hercegovinischen Fürsten; an jene Epoche erinnert die Burgruine Kukanj, zwei Stunden Cehotina-abwärts von Plevlje, auf einem circa 100 M. steil zum Flusse abfallenden Felskegel; die Bauern der nahen Dörfer bezeichnen diese Ruine als ein- stigen Sitz de^ „lierceg Stjepan“, Ippen. Eascien. 477 Die geistlichen Denkmäler aus cler Blüthezeit Rasciens sind noch viel bedeutender. Das Kloster Sv. Trojica in Plevlje ist die Schöpfung eines Nemanjic; es verwahrt als hochverehrte Reliquie den Bischofstab des heil. Sava; als die Türken den Leichnam dieses Heiligen aus dem Kloster Milosevo nach Belgrad entführten, wusste ein Frommer durch Bestechung sich in den Besitz des beim Leichnam befindlichen Stabes zu setzen, um wenigstens diesen dem Lande zu erhalten. Die Kirche des heiligen Erzengels Michaels — Sv. Archangjel — in der Pobla6a, fünf Stunden nördlich von Plevlje, ist von einem den Nemanjicen durch die weibliche Linie verschwägerten Gründer erbaut worden. Das Kloster Banja bei Priboj ist eine Gründung des Königs Uros I (veliki kralj), das Kloster Milosevo bei Prjepolje eine solche des Königs Wladislav. Nächst Novibazar stellt die jetzt als Fort verwendete Ruine des Klosters Gjurgjevi stupovi. Auf dem Ivossovopolje endlich steht, eine Stunde von Pristina, die von König Milutin erbaute Klosterkirche von Gracanica, der schönste und besterhaltene Kirchenbau in Rascien. Zerstört sind ferner die Klöster Archangjel, Dovolj, Bliökova und Sokolac im Kolasin. Mit der Eroberung durch die Osmanen 1459 — 1463 beginnt für Rascien wieder eine mehrhundertjährige Periode der Bedeutungslosigkeit und Vergessenheit. Es bildete zwei Sandzaks, das von Novibazar und das von Kossovo. Einige rasciscke Bezirke, die von Bjelopolje, Berana, Rozliaj, gehörten jedoch bis zum Jahre 1852 zum Ejalet Scutari. Zu Anfang dieses Jahrhunderts, als die Macht der Feudalherren in den Pro- vinzen ihren Höhepunkt erreichte und sie sogar verführte, gegen den Grossherrn Front zu machen, war es im Sandzak Kossovo Mahmud Pascha Begola aus Ipek und im Sandzak Novibazar Ejub Pascha Ferhatbegovic, die die Führer des Adels und die wahren Herren in diesen Landstrichen waren und denselben wieder selbstständiges Leben einhauchten. III. Ueber die Bevölkerung Rasciens fehlen verlässliche Daten. Wir besitzen nur approximative, auf Grund nicht immer verlässlicher Schätzungen gewonnene Zahlen. Diese weisen für Rascien, d. i. die heutigen Sandzaks Taslidza, Jeni-Bazar und Pristina, nebst den Bezirken Berana und Trgoviste (Rozliaj) 296.805 Seelen Gesammtbevölkerung nach. Was die ethnographische Vertkeilung dieser Bevölkerung betrifft, muss man, ge- rade wie bei der geographischen Beurtheilung des Landes, das nördliche Rascien vom südlichen trennen. Im nördlichen Th eile ist die Bevölkerung mit Ausnahme eines geringen Bruch- theiles homogen slavischen, speciell bosnischen Stammes. Die Bezirke Plevlje, Prjepolje, Kolasin, Bjelopolje, Berana, Nova-Varos sind- ausschliesslich, Sjenica, Novi -Bazar, Mitrovica und Rozliaj zum grössten Theile vom bosnischen Stamme bewohnt. In den letzteren vier Bezirken finden sich daneben auch albanesische Volkselemente. Den Albanesen wohnt nämlich eine sehr starke Expansionskraft inne, und so haben die Stämme Ostalbaniens die Grenzen ihres Gebietes gegen Rascien nach Osten und Norden überschritten. Am stärksten ist das albanesische Element im Bezirke Rozliaj und hier besonders im Thale des Ibar; längs dieses Flusses gelangte es auch in den Bezirk Mitrovica; die Stadt Mitrovica selbst wird von zahlreichen Albanesen bewohnt. An Rozhaj schliesst sich im Norden die Landschaft Pester, welche theils zu dem Bezirke Sjenica, theils zu dem Bezirke Novi-Bazar gehört; auch sie ist von Albanesen bevölkert. Diese Albanesen, deren Gesammtzahl 30.000 Seelen betragen dürfte, sollen durch die Massenauswanderungen der serbisch-christlichen Bevölkerung in den Jahren 1690 und 1737 und durch die so freigewordenen Wohnstätten aus dem Mutterlande herbeigezogen 478 II. Volkskunde. worden sein; sie ragen wie ein Keil tief nordwärts nach Rascien hinein, westlich von den rein slavischen Bezirken Berana und Bjelopolje, östlich von den slavischen Ele- menten von Mitrovica, Novi-Bazar und Sjenica begrenzt und nur an der Basis mit dem Gebiete von Ipek zusammenhängend; aus dieser Verbindung mit dem Mutterlande haben sie auch die Kraft geschöpft, ihr Volksthum rein zu erhalten. Trotzdem sie nicht stammweise bei einander geblieben sind, haben sie alle die Bekanntschaft und den Zusammenhang mit ihrem Fis (Stamme) bewahrt; diese Albanesen gehören zu den Stämmen Klimenti (der Mutterstamm wohnt im Berggebiete von Scutari und im Becken von Gusinje), Kuci (der jetzt in Montenegro sitzende Mutterstamm stammt eigentlich aus dem Berggebiete westlich von Ipek und dem dortigen Stamme Beris), Krasnici und Gasi (beide Stämme bei Djakova), Salja (der Mutterstamm ist in der Provinz Scutari, hat jedoch zahlreiche Angehörige um Djakova) und vereinzelt auch Hoti und Triepsi (beide Stämme bei Scutari). Ausser den hier aufgezählten Gegenden hat das nördliche Rascien keine albanesisclien Bevölkerungen; die in den Städten Novi-Bazar und Berana befindlichen Albanesen sind Leute zumeist aus Ipek und Djakova, welche sich des Handels halber dort aufhalten, aber nicht ständig anwesend sind. Alle diese Albanesen sind Muhammedaner, wenn auch ihr Fis, d. i. ihr Mutter- stamm, katholisch ist, wie die Klimenti, Salja, Floti, Triepsi und zum Theile Beris. Sie sind zumeist auch vollkommen der bosnischen Sprache mächtig, da sie untermischt mit Muhammedanern bosnischen Stammes leben und die in ihren Dörfern ansässigen Christen durchgängig slavischen Stammes sind. Unter einander reden sie nur albanesisch und haben auch ihre angestammten Sitten und Gebräuche bewahrt, ja manche derselben bei ihren Landsleuten bosnischen Stammes eingeführt. Wie schon oben erwähnt, ist mit dieser Ausnahme die Bevölkerung im nördlichen Rascien rein bosnischen Stammes ; wenn sie dennoch in Bosnien als Arnauti und schon ihr Gebiet als Arnautluk bezeichnet wird, so ist das nur ein unkritischer Volksausdruck, welcher daher stammt, dass dem Bosnier viele Einzelheiten der rascischen Bevölkerung, sei es in Kleidung oder in Gebräuchen, arnautisch erscheinen und auch thatsächlich Entlehnungen von diesen ihren Nachbarn sind; das sind jedoch nur einzelne neben- sächliche Details, welche die rascischen Bosnier durchaus nicht zu Arnauten machen können. Vielmehr unterscheidet sich die Bevölkerung Rasciens im Allgemeinen und besonders die städtische in Nichts von jener der Hercegovina. Sie haben dieselbe Tracht, denselben Dialekt, dieselben Sitten, Gebräuche und Anschauungen. Eine durch gewisse Eigentümlichkeiten von der übrigen Bevölkerung verschiedene Individualität, welche einige Worte der Erklärung verdient, besitzt jener bosnische Stamm, welcher den Kolasin genannten District besiedelt hat. Dies ist der District zwischen der montenegrinischen Grenze vom Sisko jezero bis Mojkovac und dem Mittel- läufe der Tara einerseits und dem Mittelläufe des Lim andererseits, welcher Theile der Bezirke Plevlje und Bjelopolje und den Bezirk Unter-Kolasin begreift. Das Gebiet des Oberlaufes der Tara bis Mojkovac gehört geographisch auch zum Kolasin und wird Gornji-Kolasin (Ober-Kolasin) genannt; politisch ist es seit 1878 durch Abtretung an Montenegro abgetrennt; im Gornji-Kolasin liegt die gleichnamige Stadt an der Tara; aus diesem montenegrinischen Kolasin sind die Muhammedaner theils während der zeit- weiligen montenegrinischen Occupation 1859 und gänzlich nach dem Jahre 1878 aus- gewandert. Serbische Geographen und nach ihnen die Karten verzeichnen zwar auch am Oberlaufe des Ibar einen District Stari Ivolasin (Alt-Kolasin), wie weit jedoch diese Benennung begründet ist, und ob sie von der indigenen Bevölkerung gekannt und ge- braucht wird, konnte nicht eruirt werden. Die Individualität des Kolasincenstammes Ippen. Rascien. 479 zeigt sieh in ihrem Charakter und ihrer Denkungsart, ihren Sitten und Gebräuchen, endlich in ihrer Kleidung und anderen Aeusserlichkeiten. Die Kolasincen sind unter allen Bosniern der wildeste Stamm gehliehen. Bei durchaus beschränkten Bedürfnissen genügen ihnen Viehzucht und Ackerbau zum Lehen; Industrie oder Handel, welche in anderen Theilen Bosniens manchmal auf einer hohen Stufe stehen, sind ihnen ganz fremd; sie beschaffen sich die Producte der ersteren in den Bazaren der nächstgelegenen Städte Plevlje und Bjelopolje. Hingegen lieben sie ungemein den Erwerb durch Beutemachen, sobald sich ihnen eine irgendwie passende Gelegenheit hiezu bietet. Die Kolasincen sind fanatische Muhammedaner, doch will es scheinen, dass ihrer Religiosität der tiefere Gehalt fehle; sehr viele von ihnen verschmähen in jüngeren Jahren den Genuss von Branntwein nicht, trinken vielmehr zumeist übermässig den einheimischen Zwetschkenbranntwein (sljiva). Oft kommen Fälle vor, dass der Kolasiner Muhammedaner eine Christin ehelicht, ohne von ihr den Uebertritt zum Islam zu ver- langen. Unter derartigen Verhältnissen entstand das Sprichwort: „Otac. mi klanja, majka mi se krsti, a ja se kamenim.“1) Wenn sie manchmal auch einen ganz treuher- zigen und biedern Eindruck machen, ist doch im Allgemeinen kein Verlass auf sie; denn vermöge ihrer Habsucht lassen sie sich leicht zu Hinterlist und Treubruch verleiten. Dieser Vorwurf wird ihnen zumal von den Albanesen, welche selbst die Bessa — das gegebene Treuwort — so hoch halten, gemacht. — - Die Kolasincen haben keine Bessa. Die Kolasincen sind ungemein rachsüchtig; ein empfundener Schimpf oder ein gegen sie begangenes Unrecht wird stets gerächt; doch wählen sie nicht den offenen Kampf, sondern ziehen es vor, ihre Rache wohlvörbereitet aus dem Hinterhalte zu voll- strecken. Die gewohnheitsrechtlichen Vorschriften und Gebräuche der Blutrache haben sie vollständig von den Albanesen angenommen. Der ganze Stamm der Kolasincen theilt sich in eine grössere Anzahl von Ge- schlechtern (Pleme), gleichwie es bei den albanesischen Stämmen (Fis), in Montenegro und der südlichen Hercegovina der Fall ist. Die bekanntesten sind die Geschlechter Micanovic, Djurdjevic, Hrapovic, Stroka, Kraljic, Musovic, Martinovic, Melde, Kufra, Tutic, Ljuca u. A. In ihrer sonstigen Lebensweise unterscheiden sich die Kolasincen nicht weiter von den muhammedanisclien Hercegovcen oder selbst von den Crnogorcen. Sie reden dasselbe Idiom, nur — wie sie in Allem roher und wilder sind — nimmt es in ihrem Munde einen rauheren, stärker accentuirten Klang an. An ihrer Tracht ist das Charakteristische ein enger, kurzer, vorne offener Kapuzenmantel aus weissgrauem, von ihren Weibern erzeugtem Loden und eine runde, eng am Kopfe sitzende weisse Filzmütze. Die Gesammtzahl der Kolasincen dürfte circa 25.000 betragen. Im südlichen Rascien sind die ethnographischen Verhältnisse wesentlich andere. Seit dem Untergange des alten serbischen Reiches nahmen die expansiven Bestrebungen der albanesischen Bevölkerung Ost-Albaniens Rascien zu ihrem Ziele, und besonders die starken Auswanderungen der christlichen Serben in den Jahren 1690 und 1737 zogen viele albanesische Ansiedler herbei; seit jener Zeit datiren die albanesischen Ansied- lungen im östlichen Theile des Kossovo polje und in den Bezirken Vranja, Leskovac, Nis, Prokoplje und Kursumlje. Durch die Abtretung dieser Bezirke an Serbien im Jahre 1878 wurde deren albanesische Bevölkerung zur Auswanderung getrieben; der -1) „Mein Vater betet zu Allall, meine Mutter bekreuzt sich, und ich werde zu Stein“ (bin voll- kommen indifferent). 480 II. Volkskunde Hauptstrom wendete sich in seiner rückläufigen Bewegung dahin, woher sie gekommen waren, und siedelte sich in Rascien an, so das dortige albanesische Element vermehrend. Man kann annehmen, dass im südlichen Rascien mehr als die Hälfte der Bevöl- kerung (circa 60.000 Seelen) albanesisclien Stammes sind; von den westlichen Bezirken, welche sich an Ost- Albanien anlehnen, haben Drenica und Kacanik beinahe ausschliess- lich albanesische Bevölkerung. Die Albanesen dieser beiden Gegenden sind zudem als ziemlich unruhige Leute bekannt. Von den östlichen Bezirken ist Vucitrn, Pristina und Gilan zur Hälfte von Albanesen bevölkert. Das albanesische Element macht immer grössere Fortschritte, indem der Nachschub aus Ost- Albanien fortdauert und ferner auch die Muhammedaner nichtalbanesischen Stammes sich demselben immer mehr assimiliren. Ja, es ist sogar nichts Seltenes, im Bazar von Pristina christliche Bauernweiber mit den Ladenbesitzern albanisch reden zu hören, obzwar der slavische Theil der Bevölkerung Süd-Rasciens zumeist durch die Christen repräsentirt wird. Die religiösen Unterschiede spielen auf der Balkanhalbinsel ausser bei den Alba- nesen eine grössere Rolle als die nationalen; so ist auch die Vertheilung der Be- völkerung Rasciens nach ihrem religiösen Bekenntnisse ein wichtiges Moment für die Situation dieser Provinz. Früher zählten zu ihr rein christliche Gegenden, welche für die Pfoi’te ein Quell steter Verwicklungen waren; dieselben, wie Piva, Jezero, Sarani sind im Jahre 1878 an Montenegro abgetreten worden, doch verblieben an der mon- tenegrinischen Grenze noch die Dorfgebiete Ogradjenica, Bobovo, Prencanje, sowie das den Bezirk Berana formirende Stammgebiet Dolnji Vassojevic, welche ausschliesslich von serbischen Christen bewohnt sind, unter türkischer Herrschaft. In den Bezirken Plevlje und Prjepolje ist das christliche Element sehr stark, in letzterem überwiegt es, und auch hier ist das grosse Dorfgebiet Babinje, welches ein Karstplateau am linken Limufer abwärts von Prjepolje begreift, ausschliesslich von Christen bewohnt. Der Bezirk Nova-Varos an der Grenze von Serbien hat eine überwiegend christliche Bevölkerung. Dieselbe ist ebenfalls im Bezirke Novi-Bazar sehr stark und z. B. im Dorfgebiete Dezevo an der serbischen Grenze überwiegend, ln den übrigen Bezirken überwiegt die muhammedanische Bevölkerung. Im Ganzen haben in Rascien die Muhammedaner die Majorität; die Schätzungs- ziffern sind 174.000 Muhammedaner gegen 122.000 Christen. Vor dem Jahre 1878 war das Verhältniss für die Muhammedaner ungünstiger; seither haben sie durch die Rückwanderung der mukammedanischen Albanesen aus den an Serbien abgetretenen Districten, durch Ansiedlung zahlreicher muhammedanischer Emigranten, der sogenannten Muhadzir, aus dem an Montenegro cedirten Territorium bedeutend an Zahl gewonnen, während andererseits christliche Familien, allerdings in nicht bedeutender Zahl, aus Rascien nach Montenegro und besonders nach Serbien übergetreten sind. Die Christen sind mit sehr geringen Ausnahmen orthodoxen Glaubens; in den Städten findet man hie und da zugewanderte katholische Albanesen, welche theils als Silberarbeiter, theils als Krämer ihren Erwerb suchen. Einheimische katholische Be- völkerung ist nur in den Bezirken Pristina und Gilan in den Dörfern Janjevo, Androvce, Popas, welche die Pfarrei Janjevo, und den Dörfern Letnica, Stubla, Vernavo Kolo, Vernesa, Binac, welche die Pfarrei Crnagora mit dem Pfarrsitz in Letnica bilden. Diese Katholiken reden sämmtlich serbisch; ihre Zahl dürfte 3000 Seelen erreichen. Ausser- dem gibt es im Gebiete der beiden Pfarreien Janjevo und Crnagora zahlreiche Ivrypto- Katholiken, von der Bevölkerung Laraman genannt, das sind Familien, die sich öffentlich zum Islam bekennen, muhammedanische Namen tragen und die Religionsgebräuche der Muhammedaner mitmachen; im Geheimen feiern sie aber wenigstens das Oster- und Ippen. Rascien. 481 Weil machtsfest, uncl wenn es ihnen möglich ist, auch die anderen Kirchenfeste nach katholischem Ritus; ihre Zahl in diesen beiden Pfarreien dürfte 1500 betragen. Juden (Spaniolen) sind in ganz Rascien nur in Novi-Bazar angesiedelt; in den übrigen Theilen der Provinz haben sie noch keine ihnen zusagenden Lebensverhältnisse gefunden. IY. Seiner historischen Entwicklung entsprechend, hat Rascien nur zwei bedeuten- dere Städte: im nördlichen Theile Novi-Bazar, im südlichen Pristina. Novi-Bazar liegt in einem Kessel, zu welchem sich das Thal des Raskabaches erweitert, und in welchem die Raska den die Abflüsse des nördlichen Abhanges der Rogozno planina in sich vereinigenden Josanicabach aufnimmt; die Stadt liegt zum grossem Theile am linken Ufer der Raska, der kleinere Theil am rechten Ufer im Mündungswinkel der Josanica. Die Anhöhen rings um die Stadt sind mit alten flüchtigen Werken befestigt, die aber dennoch die Angriffe der Serben, welche unter Kara-Gjorgje und ein zweites Mal im Juli 1876 unter dem Obersten Colak Antic vor Novi-Bazar erschienen, zurück- zuweisen im Stande waren. Sowohl wenn man von Sjenica im Raskathale, als auch besonders wenn man von Mitrovica die Abhänge der Rogozno planina heruntersteigend dem Orte näher kommt, macht Novi-Bazar durch seine bedeutende Ausdehnung, durch seine gut gebauten Häuser den Eindruck einer bedeutenden Stadt; auch die weiten Friedhöfe am Ausgange des Ortes sprechen dafür, dass es eine alte volkreiche Stadt gewesen ist. Doch ist dieselbe von ihrer einstigen Bedeutung sehr herabgesunken; gegen das Ende der Sechzigerjahre hörte sie auf, das administrative Centrum des nördlichen Rascien zu sein, indem die Sandzak-Behörden in das strategisch wichtige Sjenica verlegt wurden, und auch ihr früher bedeutender Handel und Verkehr hat sich vermindert. Mitten in der Stadt am rechten Raskaufer liegt die mit einer bastionirten Um- wallung befestigte Citadelle, welche in ihrer heutigen Gestalt im Jahre 1103 der tür- kischen Zeitrechnung (1692) erbaut wurde. Von den zahlreichen Moscheen sind nur die des Muslih-Eddin-Efendi, des ersten Gebetausrufers des Sultans Mehmed Fatih, des Gazi Sinan-beg, Gazi Isa-beg und Ejub Pascha bemerkenswei’th. Das einstige Seraj Ejub Paschas, des früheren Feudalherrn von Novi-Bazar, ein ungemein weitläufiger Bau mit vielen Höfen, ist im Verfall begriffen. Die christliche Gemeinde hat in der Stadt eine hübsche neue Kirche, welche mit russischer Unterstützung reich ausgeschmückt ist. Wenige Minuten ausserhalb der Stadt auf einer Anhöhe am linken Raskaufer liegt eine weitläufige neue Kaserne. Pristina liegt am östlichen Rande des Kossovo polje, an den Abhängen einer vom serbischen Grenzgebirge auslaufenden Hügelkette; die Stadt wird von einem un- bedeutenden Bache, der Pristinska rjeka, durchflossen, welcher D/2 Stunden weiter in die Sitnica mündet. Die Stadt ist ziemlich weitläufig, doch besteht sie aus lauter un- bedeutenden schlechten Häusern und bietet durchaus nicht den guten wohlhabenden Anblick wie Novi-Bazar; in den Jahren 1878 — 1888, solange sie Sitz der Provinz- regierung von Kossovo war, begann sie sich zu entwickeln ; seit der Verlegung des Regierungssitzes nach Usküb ist sie in ihre frühere Unbedeutendheit zurückgesunken. Bemerkenswerth ist das Regierungsgebäude, welches auf dem Platze der früheren Re- sidenz der Nemanjici steht, ferner die Moscheen des Sultans Mehmed Fatih, des Sultans Murad II. und die Jasar Pascha-Moschee, sämmtliche formschöne Kuppelbauten, endlich ausserhalb der Stadt eine grosse Kaserne und eine Dampfmühle. Der Bazar ist unbe- deutend und nur an Markttagen interessant, da er dann ein buntes Gemisch von Band II. 31 482 II. Volkskunde. serbisch-christlichen Bauern, Albanesen -verschiedener Stämme und Tscherkessen, welche in mehreren Dörfern des Kossovo polje angesiedelt sind, sowie von Hercegovinern aus dem montenegrisch gewordenen Niksic, welche ebenfalls auf dem Kossovo polje ange- siedelt worden sind, zeigt. Anderthalb Stunden von der Stadt Pristina liegt das Schlachtfeld von 1389, am linken Ufer des Labflusses; es ist eine ganz flache, circa eine Stunde breite Ebene, an ihrem südlichen Rande ist eine Gedenkmoschee, welche einen Sarkophag für Sultan Murad birgt; derselbe ist insofern ein Kenotaph, als er nur das Herz und die Einge- weide des Sultans enthält, da dessen einbalsamirter Leichnam zur Beisetzung nach Brussa gebracht wurde. Eine halbe Stunde von dieser Grabmoschee gegen die Stadt Pristina zu ist eine zweite, einfachere, welche die Begräbnisstätte des Bannerträgers Sultan Murads, des Gazi Mestan Beg enthält. Während in der römischen Zeit die Strassenzüge, welche Rascien kreuzten, von der dalmatinischen und illyrischen Küste nach Mösien und die der serbischen Zeit ebenfalls vom serbischen Primorje und der Zeta in das heutige Serbien führten, wurde unter der türkischen Herrschaft Rascien das werth volle Verbindungsglied zwischen Ru- melien und Bosnien. Die Wichtigkeit dieser Verbindung fand darin ihren Ausdruck, dass, sobald die Türkei daran ging, Eisenbahnen zu bauen, die zuerst projectirte Linie die von Doberlin — Banjaluka — Sarajevo — Mitrovica — Saloniki war. Von derselben wurden jedoch nur die Theilstrecken Doberlin — Banjaluka und Salonik — Mitrovica gebaut. Die bestehende Bahn tritt von Usküb aus durch das schwierige Defile von Kacanik nach Rascien und durchläuft dessen südlichen Theil, das Kossovo polje, auf einer Strecke von 83 Kilometer mit den Stationen Verissovic, Lipljan, Pristina (die Stadt ist von der Station eine Stunde entfernt), Vucitrn, Mitrovica. Von Mitrovica sollte dieselbe im Thale des Ibar bis Rozhaj gehen, die Wasserscheide zwischen diesem Fluss und dem Lim übersetzen und dann von Berana aus dem Laufe des Lim abwärts folgend, bei Visegrad Bosnien erreichen. Diese projectirte Bahn wird nun durch die Strasse Mitrovica — Novi- Bazar— Sjenica — Prjepolje — Plevlje ersetzt. Trotz der grossen Wichtigkeit ist jedoch diese Communication nicht als Chaussee gebaut und nur mit Schwierigkeiten für Fuhr- werke passirbar, auf dem Stücke Sjenica — Prjepolje für solche sogar unprakticabel. Die Distanz von der Grenze Bosniens bei Svetloborje bis Mitrovica beträgt vier Tagereisen gleich circa 200 Kilometer. Von dieser Hauptverkehrsader Rasciens aus verbinden Saumwege die an derselben liegenden eben genannten Städte mit den nächst der mon- tenegrinischen Grenze befindlichen Orten Bjelopolje, Berana, Rozhaj und den Grenz- stationen gegen Serbien Nova Varos, Javor und Raska. Tafel VI. Hörmann und v. Thallöczy : Geschichte einer merkwürdigen Fälschung. Räthselhafte Bronzegruppe aus der Gegend von Sinj (Dalmatien)-, etwas unter natürl. Grösse. Geschichte einer merkwürdigen Fälschung. Von Constantin Hörmann, bosn.-herceg. Regierungsrath, und Dr. Ludwig v. Thallöczy, k. u. k. Archivdirector.1) (Mit Tafel VI und VII und drei Abbildungen im Texte.) I. Fund zweier rätliselhafter Bronzegruppen aus der Gegend von Sinj (Dalmatien). Von Constantin Hör mann. Wir übergeben hiemit ( Tafel YI) der Oeffentlielikeit die Abbildung einer kleinen Bronzegruppe, von welcher zwei ganz gleiche Exemplare im Jahre 1888 von einem Bauer aus Cacina in der Nähe von Sinj (Dalmatien) angeblich in den Ruinen einer ehe- maligen Befestigung (zuletzt türkischen Karaula) gefunden wurden, und welche das Landesmuseum in Sarajevo für seine Sammlungen erworben hat. Es war bisher nicht möglich, den Fundort selbst einer fachmännischen Besichtigung zu unterziehen und über die Einzelheiten der Auffindung dieser Gruppen an Ort und Stelle eingehendere Erhebungen zu veranstalten. J) Im Nachfolgenden werden zwei Artikel aus dem Jahrgänge 1890 des „Glasnik zemaljskog muzeja“ reproducirt, deren Substrat immerhin interessant genug ist, um auch nach der Auflösung des „Räthsels“, wenn eine solche wirklich in vollem Umfange erfolgt ist, noch zur Kenntniss genommen zu werden. Der erste Aufsatz ist von der Redaction des Glasnik, der zweite von Herrn Archivdirector Re- gierungsrath Dr. L. v. Thallöczy ausgegangen. Der Leser braucht nicht erinnert zu werden, was von jenen hinlänglich skeptischen Ausführungen, die in dem ersten Artikel als Gutachten aufgenommen sind, hinfällig geworden ist, und was etwa davon bestehen bleibt. Die Frage steht nach unserer Meinung über- haupt nicht so, ob diese Arbeit „echt oder falsch“ ist, da ja für dieselbe ein bestimmter Platz in der Kunstgeschichte weder vorhanden, noch überhaupt beansprucht ist. Es ist trotz des Einflusses, dessen Nachweis im zweiten Aufsatz versucht wird, nichts Bestimmtes nachgeahmt. Die „Fälschung“ hat keine andere Tendenz, als eine moderne Arbeit durch den Anschein irgendwelchen höheren Alters leichter und besser verkäuflich zu machen, und es kommt ziemlich auf dasselbe hinaus, ob sie vor drei Jahren oder vor drei Jahrhunderten gemacht ist. So wie so, ist sie von dem Geiste erfüllt, der ihr den Ursprung gegeben, und was sie an archäologischem Interesse etwa verlieren konnte, hat sie an ethnographischem sicher gewonnen. Es ist nur noch zu bemerken, dass dem Redacteur dieser Mittheilungen, wie auch Herrn Dr. Th. Frimmel, als sie ihre untenstehenden Gutachten verfassten (wie übrigens aus diesen selbst hervorgeht), nur die Existenz einer der beiden kleinen Gruppen bekannt war. Es bedarf keiner Erinnerung, dass die Sache wesentlich anders aussieht, wenn man erfährt, dass das seltsame Erzeugniss gleich in duplo auf- getreten ist. Die Redaction. 31* 484 II. Volkskunde. Was die Gruppen selbst betrifft, so sind sie, wie die beigegebene Abbildung zeigt, ihrer ganzen künstlerischen Auffassung und Durchführung nach so eigenartiger Natur, dass sie sieh nach den uns bisher zur Verfügung stehenden Anhaltspunkten keiner der bekannten Stilarten anreihen lassen und sowohl in dieser Hinsicht, als auch bezüglich ihres Alters zunächst nur allgemeine Conjuncturen möglich machen. Wir beschränken uns daher vorläufig darauf, die Gutachten zu reproduciren, welche die Herren Dr. Friedrich Kenner, Director der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, Dr. Moriz Hoernes, Assistent am k. k. naturhistorischen Museum, und Dr. Theodor Fri mm el, Gustos -Adjunct der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, über diese Gruppen uns zukommen zu lassen die Güte hatten. Wir hoffen durch diese Veröffentlichung die Aufmerksamkeit gelehrter Kreise auf diese eigenthümlichen Kunstwerke zu lenken und auf diesem Wege den Anstoss zu einer eingehenderen Besprechung des Fundes von Sinj zu geben, wobei wir uns mit bestem Danke bereit erklären, alle Beiträge, welche zu einer näheren Erklärung des- selben dienen können, in unserem Blatte zu veröffentlichen. Gutachten des Herrn Directors Dr. Friedrich Kenner. „Das in zwei Exemplaren vorliegende bronzene Bildwerk aus Dalmatien steht seinem Charakter nach ausser Zusammenhang mit irgend einer der Stilarten, welche sonst in Dalmatien getroffen zu werden pflegen; es zeigt weder den Einfluss der classischen, noch der byzantinischen, noch der romanischen Kunstübung, noch jenen der Renaissance. Aeusserlichkeiten, wie die Bekränzung der männlichen Figur mit Lorbeer, die an die Antike, oder die Bildung des Thrones, die an romanische Geräthe erinnert, mögen auf Reminiscenzen an ältere Bildwerke zurückgehen, welche der Giesser der vorliegenden Gruppe einmal gesehen hat, sind aber für das innere Wesen seiner Kunst ohne Bedeutung. Dieses steht vielmehr den anderen Stilarten unabhängig gegenüber, es ist durchaus originell und daher sehr wahrscheinlich, dass das Bildwerk südslavischen Ursprunges ist. „Darauf deuten ausser der eben erwähnten kunstgeschichtlichen Stellung im Allge- meinen noch manche besondere Züge hin, die das Letztere darbietet. „So vor Allem die Wahl des crassen Motives, das wohl einem der alten Helden- lieder entnommen ist, die bei den halbwilden Stämmen des gebirgigen Hinterlandes von Dalmatien in unendlicher Ueberlieferung sich erhielten, ferner der stark naturalistische Zug in der Darstellung der Bewegungen, die mit einer gewissen rohen Vorliebe im Einzelnen genau so geschildert werden, wie sie dem peinlichen Vorgänge entsprechen, nur dass das künstlerische Können in der Ausführung der Intention keineswegs nach- zukommen vermag und hinter der Lebendigkeit und AVahrheit der Conception weit zurückbleibt, endlich das Verständniss und die Sorgfalt, mit welcher die nationale Tracht wiedergegeben ist; auch hier zeigt sich die Unzulänglichkeit der Ausbildung, indem der Faltenwurf ebenso roh und unbeholfen behandelt ist wie Auge, Ohr und Mund. „Bildwerke solcher Art sind ihrer Zeit nach kaum zu bestimmen, da sie ausser- halb des Zusammenhanges mit der Kunstentwicklung vorgeschrittener Völker stehen, also die Anhalte zur Vergleichung fehlen. Im vorliegenden Falle gibt allerdings das Materiale, aus dem die Gruppe hergestellt ist, einen Fingerzeig insoferne, als ähnliches lichtes Messing erst verhältnissmässig spät für figurale Darstellungen verwendet worden ist. Die Datirung auf das Ende des 16. oder 17. Jahrhunderts muss als annehmbar bezeichnet werden. Hörmann und Thallöczy. Geschichte einer merkwürdigen Fälschung. 485 „Von beiden Gruppen scheint die etwas kleinere mit dunkler glänzender Patina das Original für die andere gebildet zu haben, die weniger sorgfältig ciselirt ist und sieh durch die Einlage von Silbertausia an dem Gürtel des Mannes kenntlich macht. Letztere, die nachgegossene Gruppe, ist also zwar jünger als die andere, aber der Zeit- unterschied kann kaum ein beträchtlicher sein, da die Patina ziemlich tief in das Materiale eingreift.“ Gutachten der Herren Dr. M. Hoernes und Dr. Th. Erimmel. „Ich beschreibe in diesen Zeilen eine merkwürdige kleine Gruppe, welche angeblich zu Sinj in Dalmatien gefunden wurde und auf der beigefügten Tafel abgebildet ist. Da es sich nur darum handelt, von diesem hochinteressanten Funde rasch Kenntniss zu geben, wobei vielmehr die mitgetheilte Abbildung, als die Bemerkungen, womit dieselben begleitet werden, ins Gewicht fallen, muss ich leider darauf verzichten, nähere Angaben über die Provenienz des Stückes, die vielleicht später eingeholt werden können und möglicherweise werth volle Anhaltspunkte für die Bestimmung des Fundes liefern, schon jetzt zu geben. Auch muss es einer späteren, auf Grund eingehender Vergleichung mit den nächstverwandten Objecten in unserem Denkmälerbesitz anzustellenden Unter- suchung Vorbehalten bleiben, über dieses Werk nach irgend einer Richtung hin Abschliessendes zu sagen. Was hier geboten werden kann, ist ausser der Beschreibung nichts als die Mittheilung einiger Ideen, die bei aufmerksamer Betrachtung des Fundes in demjenigen rege werden, der sich einmal, wenn auch nur vorübergehend, auf dem noch so wenig erforschten Gebiete der südslavischen Archäologie bewegt und ihre Berührung mit dem weitaus besser bekannten und überlieferten Volksthum kennen gelernt hat. „Die lebhaft bewegte Gruppe, welche uns vorliegt, ist im Vollguss aus Messing erzeugt und misst durchschnittlich 11 — 18 Cm. in der Höhe und Breite. (Höhe der sitzenden Figur 11 -3 Cm., der stehenden 13 Cm., grösste Breite der Gruppe 11 ‘6 Cm., Höhe des Stuhles samrnt der Rückenlehne 7‘5 Cm.) Sie ist ganz mit schöner dunkel- grüner Patina überzogen; an einer etwas abgeschabten Stelle am Gürtel der männlichen Figur scheint sich zu zeigen, dass dieses Trachtstück versilbert war. Die beiden Figuren und der Stuhl sind in je einem Stücke separat gegossen und dann zusammen- geschweisst. Ausserdem ist der rechte Arm des Mannes mit dem Schwert eigens gegossen und durch eine (jetzt etwas gelockerte) Niete an der Schulter befestigt. Der rückwärtige Fuss des dreibeinigen Stuhles war durch eine neuere Beschädigung abgebrochen und wurde angesetzt. An den Fusspunkten ist nirgends eine Ansatzstelle (Zapfen o. dgl.) bemerkbar; die Gruppe war also schon von Ursprung an so gearbeitet, dass sie frei aufgestellt werden konnte. „Dargestellt ist mit grosser, beinahe brutaler Energie und Natürlichkeit die mör- derische Gewaltthat eines Mannes an einer sitzenden Frau. Der Angreifer, bartlos, das Haupthaar von einem rückwärts durch eine Schleife zusammengehaltenen Blätterkranz umschlossen, trägt am Oberleib ein enganliegendes Aermelgewand, welches vorne mit einer doppelten Reihe von Knöpfen oder Hafteln, die als Sternchen angegeben sind, verziert oder geschlossen ist. Unter dem breiten glatten Gürtel fällt ein langes faltiges Gewand zu den Füssen herab. An den letzteren trägt die männliche Gestalt, wie auch die zweite Figur, Schuhe, deren Obertheile, wie bei den Opanken der heutigen ländlichen Bevölkerung südslavischer Gebiete, aus einem System sich kreuzender und den Knöchel umspannender Riemen bestehen. Die Details sind an der Fussbekleidung so deutlich ausgedrückt, dass man beispielsweise erkennt, wie die Schuhsohle rückwärts weiter hinaufreicht und die Ferse schützend umgibt. 486 II. Volkskunde. „Mit der linken Hand umspannt der so bekleidete Mann die Kehle des Weibes, welche er zusammendrückt; mit der rechten zückt er weit ausholend ein kurzes Schwert mit breiter Klinge und Parirstange zum Stoss gegen den Busen des Weibes. Der rechte Fuss ist bis zur Mitte des Körpers erhoben und tritt auf den Leib des Opfers. Der Oberschenkel ist dabei so steil emporgerichtet, dass das Knie beinahe den Körper berührt. Unter den groben Falten des Gewandes ist diese Intention des Bildners nicht mit voller Deutlichkeit zum Ausdrucke gelangt. „Die sitzende weibliche Figur trägt das Haar, dessen Grenze über Stirn und Schläfen durch eine scharfe Linie markirt ist, rückwärts über dem Nacken in einer an ganz moderne Damenfrisuren erinnernden Weise zusammengeknotet. Ihre Kleidung besteht in einer am Halse und Brustschlitz gesäumten enganliegenden Aermeljacke, welche am Halse geschlossen ist, aber die Brüste völlig unbedeckt lässt, in einem Gürtel, der etwas schmäler ist als derjenige des Mannes, und in einem langen faltigen, unten zierlich in Blätterform ausgezackten Rocke. Sie sitzt rücklings übergebeugt auf einem Stuhle von seltsamer Bildung und scheint sich mit beiden Händen des Angreifers zu erwehren, indem sie die Rechte zu dessen an ihrer Kehle liegenden Linken erhebt, während sie die Linke zu dem rechten Fusse des Gegners senkt, als ob sie jenen von ihrem Leibe zu entfernen suchte. „Sehr merkwürdig ist, wie erwähnt, die Form des Stuhles. Derselbe zeigt eine kleine quadratische Sitzfläche, von welcher rückwärts drei nach aussen gekrümmte, unten vom Boden mit den Enden wieder nach aufwärts gebogene Stuhlbeine ausgehen. Die nach rückwärts geneigte Lehne ist in phantastischer Weise als fabelhafte Thier- gestalt gebildet. Ein Schlangen- oder Schildkrötenkopf mit geöffnetem Maid und breiter Zunge sitzt auf dem Halse derselben, während die geringelten Arme oder Vorderbeine ebenfalls in Schlangenköpfe endigen. Bei allen drei Thierköpfen sind die Augen rück- wärts angebracht, also der Erde zugekehrt. „Der Eindruck, welchen dieses Bildwerk auf den Beschauer übt, ist ein eigen- thümlicher und widerspruchsvoller. Zunächst sind, ganz abgesehen von der unge- schlachten Derbheit des Inhaltes, die plumpen und rohen Formen der Ausführung hervorzuheben. Von einer feineren Durchbildung der Körpergestalt, der Gesichtszüge, des Faltenwurfs der Gewänder ist keine Spur zu bemerken. Hier ist Alles von äusserster, mehr an die letzten Verfallsstadien einer längst verblühten, als an die ersten Anläufe einer werdenden Kunstepoche erinnernder Roheit und Flüchtigkeit. Wohl die crasseste Einzelheit bietet in dieser Hinsicht die Stellung des rechten Beines der männlichen Figur, welches fast so aussieht, als ob es nur aus einem vom Gürtel des Mannes ausgehenden Unterschenkel bestünde. Bei der Bewegung, deren Darstellung beabsichtigt ist, müsste sich ja das Knie bis zur Brust des Mannes erheben. Der gerade ausgestreckte linke Arm des Mannes misst von der Schulter bis zum Hand- gelenk 3’5 Cm., der im rechten Winkel gebogene rechte dagegen 4’5 Cm. Die Köpfe der beiden Figuren sind unverhältnissmässig gross, sie messen vom Scheitel bis zum Kinn 3 Cm. Länge (die Oberkörper vom Halse bis zum Gürtel nur 3'5 Cm. Länge); an den Köpfen sind wieder die Gesichtspartien kräftig ausgebildet, während die Hinter- liauptstheile fast verschwinden. Die Gesichter, abschreckend plump geformt, zeigen doch alle Einzelheiten, wie Nasenlöcher, Augensterne, Augenbrauen; die Ohrmuscheln sind sogar pedantisch mit kreisrunden Bohrungen versehen, um die Mündung des Gehörorganes auszudrücken. Der Mund der weiblichen Figur ist, der Situation ent- sprechend, etwas weiter geöffnet; sonst sind die Köpfe bis auf die Haartracht einander völlig gleich. Hörmann und Tha’lloczy. Geschichte einer merkwürdigen Fälschung. 487 „Allein bei dieser unförmlichen Ausführung, welche zunächst ins Auge fällt, erkennt man alsbald etwas Anderes, das zwar nicht gefälliger, aber befriedigender wirkt und unser Bildwerk aus der Sphäre eines primitiven Versuches künstlerischer Naturnach- bildung in die Region des. wirklichen, wenn auch in der vorliegenden Tradition wieder entstellten Kunstkönnens erhebt. Das ist die Composition der Gruppe, ihr allgemeiner Umriss, ihre undeutliche Silhouette, wenn man will, zu welcher eine ganz andere Durch- bildung der Einzelform, als wir hier beobachten, mit Nothwendigkeit zu gehören scheint. Mit anderen Worten: die Erfindung der Gruppe steht auf einer viel höheren Stufe als die' Ausführung; sie ist kühn, folgerecht bis auf die unter dem mörderischen Druck auf die Kehle zurückgebogene Kopfstellung des W eibes, und ausser der freilich empörenden Gewaltsamkeit des Inhaltes ist an ihr eigentlich nichts auszusetzen. Daraus ergibt sich doch wohl, dass die Erfindung dieser Gruppe anderen Ursprungs ist als das Werk selbst, welches eine ungeschickte Bildnerhand uns hinterlassen hat. Dieses letztere gibt sich als Replik eines Originales zu erkennen, das uns nicht überliefert ist, dessen Spuren aber vielleicht nachgewiesen werden können. „Da sich die so beschaffene Arbeit trotz aller Sprödigkeit, mit der sie sich einer näheren chronologischen Bestimmung entzieht, doch ziemlich deutlich als ein Nachklang mittelalterlicher Kunstübung erkennen lässt, suchte ich zu dem fachmännischen Urtheile eines auf diesem Gebiete bewanderten Forschers zu gelangen, indem ich Herrn Dr. Theodor Frimmel, Gustos -Adj mieten in der zweiten Gruppe der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, um seine Meinung über dieses Werk befragte. Herr Dr. Frimmel hatte die Freundlichkeit, mir darüber folgende Mittheilung zu machen. „„Die kleine Gruppe, die ich durch die Güte von Herrn Dr. Moriz Hoernes kennen gelernt habe, setzt einer kunstgeschichtlichen Beurtheilung mancherlei Schwierig- keiten entgegen. Die Zeit anzugeben, wann das Werk entstanden ist, wird nur inner- halb sehr weiter Grenzen möglich sein, da sich zunächst kaum eine überzeugende ikonographische Erklärung oder eine sichere Bezeichnung des Stiles wird geben lassen. Einen schwachen Anhaltspunkt gibt uns nur eine gewisse Verwandtschaft der Gruppe mit mitteleuropäischen Bronzewerken des hohen Mittelalters, also jener Zeit, während welcher verkommene classisch-antike und altchristliche Traditionen sich mit allen möglichen Einflüssen barbarischer und halbbarbarischer Elemente auseinanderzu- setzen suchen und auf dem Gebiete der Plastik ebenso wie der Malerei und der Architektur zu Ergebnissen führen, an denen uns meist der gute Wille oder die Anlage des Ganzen für die gefällige Ausführung bis ins Einzelne entschädigen muss. Ein eigentliches Analogon zu unserer Gruppe wüsste ich augenblicklich nicht anzuführen. Sie in die Reihe derjenigen Werke stellen zu wollen, in denen ein Nachklang der Antike zum Ausdruck kommt, wäre vorläufig zu gewagt, obwohl aus allen Perioden des Mittelalters genug Beispiele namhaft zu machen sind, die eine geradezu unvertilg- bare Lebenskraft vieler antiker Kunstelemente beweisen.1) Im Ganzen finde ich mich im Stile der vorliegenden Bronze nur so weit zurecht, dass ich eine Entstehung vor dem 11. Jahrhundert für sehr unwahrscheinlich halte. Unter den folgenden fünf viel- *) „„Ich erinnere hier nur an die vielen Personificationen von Flüssen und Bergen, die sich bis gegen das späte Mittelalter in der christlichen Kunst erhalten haben , an die Bilder zur Achilleis des Statius auf einer gravirten Schüssel des Cabinet des medailles zu Paris, an die Eroten, die als Kinderengel fort- leben, an eine mittelalterliche Nachbildung des Dornausziehers, an Nachbildungen von Sirenen, Kentauren, Pansfiguren u. s. w., ganz zu schweigen von der antikisirenden Tracht, die den christlichen Heiligen bis heute gegeben wird, und von zahlreichen Zierformen, die das Mittelalter der Antike entlehnt hat.““ 488 II. Volkskunde. leicht sechs Jahrhunderten eine Wahl zu treffen, muss ich jenen überlassen, welche das Mass der Verzögerung genau kennen, das die Culturwellen in jenen Gegenden erlitten haben, wo vermuthlich die kleine Gruppe entstanden ist. Neue Stilformen entwickeln sich in ausgesprochener Weise meist zuerst auf einem ziemlich eng umschriebenen Gebiete, von dem aus sie sich nach Art der Ringwellen verbreiten. Das Medium, durch welches die Bewegung fortzuschreiten hat, erlaubt an manchen Stellen eine rasche Fortpflanzung, an anderen macht es ein Weiterschwingen überhaupt unmöglich. Je weiter die Bewegung schon gelaufen ist, desto schwächer wird sie. Vielfach durch- kreuzen sich verschiedene Wellenzüge. So entstehen die mannigfachsten Verhältnisse, die oft so verwickelt sind, dass ihre Analyse heute nicht oder überhaupt nicht zu geben ist. In unserem Falle ist mir weder die Natur der Wellen genau bekannt, noch das Centrum, von dem sie ausgingen, noch die Beschaffenheit des Mediums, durch welche sie liefen. Nur eins lässt sich nach dem vermuthlichen Fundorte (Sinj) und nach der geringen künstlerischen Durchbildung des kleinen Werkes annehmen, dass an eine Entstehung in einem Künste ent rum nicht zu denken ist, sondern an die Anfertigung in einer verhältnissmässig abgelegenen Werkstätte, welche auf dem Wege durch ein zähflüssiges Medium verhältnissmässig spät und entstellt ihre Impulse erhalten hat. Das slavische Costüm der Figuren wird vielleicht weitere Anhaltspunkte dafür geben, die Gruppe einer bestimmten Zeit zuweisen zu können. Vielleicht auch kommen analoge Stücke zu Tage, die leichter zu beurtheilen sind als dieses. Einstweilen kann ich nur in der vorsichtigsten Weise die Meinung äussern, dass man mit dem Versuch einer Datirung nicht allzuweit ins Mittelalter zurückgreifen möge, sondern sich die Möglich- keit einer Entstehung sogar noch innerhalb des 16. und 17. Jahrhunderts offen halte.““ „Ich versuche nun, in einem etwas weiteren Kreise Umschau zu halten, um wenigstens die Richtung zu bezeichnen, nach welcher der Inhalt dieses Bildwerkes gewürdigt werden muss. „Die Ermordung oder gewaltsame Bedrohung von wehrlosen Frauen durch bewaffnete Männer spielt als wirksames Motiv in der griechischen Dichtung, sowie auch in der griechischen Bildkunst, eine nicht unerhebliche Rolle. Wir erinnern nur an die Beliebt- heit einer ganzen Reihe solcher Scenen aus dem troischen Sagenkreise, welche in Vasenbildern, Reliefs u. s. w. häufig genug Vorkommen und fast bis ans Ende des classisclien Alterthums immer wieder dargestellt werden. So die Tödtung der Polyxena durch Neoptolemos, die Bedrohung der Helena durch Menelaos, die Misshandlung der Kassandra durch Ajas, die Ermordung der Klytämnestra durch Orest, die Bedrohung der Kirke durch Odysseus u. dgl. Es ist wohl hauptsächlich der wirksame Contrast zwischen der zarten Schönheit des weiblichen Körpers, weiblicher Zaghaftigkeit und Schwäche einerseits und der wilden Kraft und rohen Energie des waffenschwingenden Mannes andererseits, was in diesen Bildwerken entweder wirklich zum Ausdruck kommt oder wenigstens angedeutet wird. Nebenbei bemerkt, ist das Gefallen an diesem Gegensatz auch mit ein Grund, warum die Sage von kämpfenden Weibern, den Amazonen, von der griechischen Kunst so sehr bevorzugt wurde, und einer eigen- thümlichen Geschmacksrichtung des etruskischen Geistes zufolge, den man als einen Hang zur Sinnlichkeit und Grausamkeit bezeichnet hat, sehen wir die gedachten Ge- waltscenen mit Vorliebe auch auf den von Ed. Gerhard publicirten etruskischen Metallspiegeln, wie in den Aschenkistenreliefs, welche Heinrich Brunn herausgegeben hat, als Schmuck verwendet. Dies leitet uns schon einen Schritt weiter auf der Bahn, die zu unserem Bildwerk hinführt. Zweifellos ist hier ein ähnliches, halb barbarisches Gefallen an der Bethätigung roher physischer Uebermacht, an den weitausholenden Hörmann und Thallöczy. Gescliichte einer merkwürdigen Fälschung'. 489 Bewegungen des zur Blutthat vorwärts stürmenden Mannes, dem als richtiges Gegen- bild ein schwaches, halb ohnmächtig hingesunkenes Weib zum Opfer fällt. Wir möchten nicht so weit gehen, in unserer Gruppe einen bestimmten Nach klang der Antike zu erkennen, aber diese letztere zeigt uns doch, was an allgemein gütigem Gehalt in einer solchen Vorstellung liegt, und in ihrer Uebertragung auf etruskischen Boden verräth sie uns zugleich, was ein minder geläuterter Geschmack an ihr noch besonders anziehend finden mochte. Dieser letztere ist in unserer Gruppe, gewiss einer nationalen Eigenart entsprechend, mit so kräftigen Mitteln betont, dass unsere Empfindung davon verletzt wird. Dass der Mordgeselle, welcher sich hier an einem schwachen Weibe vergreift — mag er auch als Rächer schwarzen Verrathes, wie so häufig in der nationalen Epik, gedacht sein — seinem Opfer den Fuss auf den Leib setzt und es am Halse würgt, sind Züge, deren sich kein antiker Bildner schuldig gemacht haben würde. In der Regel strecken die Frauenmörder in antiken Darstellungen ihre Hand nach dem Haare oder dem Gewände des Opfers, was auch den bildkünstlerischen Gesetzen besser ent- spricht.1) „Wir haben hier das Gebiet der südslavi sehen Epik gestreift, und in der That bietet sich dieselbe ungesucht dar, wenn wir eine Quelle ähnlicher Vorstellungen im gleichen zeitlichen und räumlichen Bezirke finden wollen. Der Fundort unserer Gruppe fällt ja in das Ursprungsgebiet der südslavischen Volksdichtung, und auch die Ent- stehungszeit der letzteren berührt sich theilweise mit derjenigen unserer Gruppe nach den Auseinandersetzungen Frimmel’s. Die Sammlung jener nationalen, vielfach in antiken Traditionen wurzelnden Heldenlieder aus dem Munde der nicht mehr so gar zahlreichen Sänger hat in jüngster Zeit wieder bedeutende Fortschritte gemacht; leider bin ich jedoch ausser Stande, diese Quelle auch nur entfernt vollständig heranzuziehen, und muss mich auf einige nach Uebersetzungen ausgewählte Proben beschränken. Zunächst waltet in diesen Liedern ein ebenso rücksichtsloser, episch jedoch besser gerechtfertigter Naturalismus in der Darstellung von Blutscenen wie in unserer Gruppe. Dann ist man der Schilderung von Gewaltthaten, welche durch Männer an Frauen begangen wurden, auch hier nicht aus dem Wege gegangen, ohne jedoch darin zu schwelgen oder die (allerdings manchmal carikirte) Ausführung allzu breit auszuspinnen. Frauen werden an die Schweife wilder Rosse gebunden wie in der altgermanischen Sage, so beispielsweise die untreue Vidosava in einem historischen Liede bei Karadzic (Nar. sr. pj., II, 25). Höchst grausam ermordet Marko Kraljcvic (ebenda, II, 40) die schöne Rosanda. Mit seinem Handzar haut er ihr den rechten Arm ab und gibt ihr denselben in die Linke, sticht ihr mit dem Messer die Augen aus und wirft sie ihr in den Busen. Demeter Jaksic fasst seine Frau Milica wüthend an der weissen Kehle; „doch wie er sie auch nur leise anfasst, springen aus dem Kopf ihr beide Augen“ (wohl nur ein übertriebener Ausdruck für das Hervorquellen der Augen einer gewürgten Person). Das Schauerlichste, was die südslavische Epik in der Darstellung der Rache eines betrogenen Gatten leistet, ist die Bestrafung der Maximia durch den Haiduken Grujo Novakovic. Er verbrennt sie, halb in die Erde gegraben und mit leicht ent- zündlichen Stoffen umhäuft. Während sie schmerzvoll klagt, sitzt er und trinkt Wein bei dieser furchtbaren Beleuchtung. Erst wie die Flamme die nackten Brüste des Weibes ergreifen, wird er durch das Flehen seines Knäbleins gerührt, löscht die Flammen 0 Wie lange dergleichen Schemata, die in ihrer Ausbildung der Periode höchster Kunstblüthe ange- hören, im Alterthum in Gebrauch gestanden sind und mit ganz unzulänglichen Mitteln doch immer noch treulich wiederholt wurden, lehrt uns z. B. die äusserst rohe kleine Bronzegruppe von Deutz: Herakles und Penthesileia, Jahrb. d. Ver. v. Alterthumsfreunden im ßheinl., Heft. LXX1II, Taf. 4. 490 II. Volkskunde. und bestattet die Gerichtete. Wir erwähnen dieses Motiv, weil die Doppelbedeutung des weiblichen Busens als eines sinnlich reizenden Kürpertheiles und eines ehrfurcht- gebietenden Attributes der Mutter auch sonst in der siidslavisclien Epik hervortritt, und weil dieselbe vielleicht auch in unserem Bildwerk, wo die Brüste der Frau so auffallend entblösst sind, eine Rolle spielt. Eine weitere Umschau in diesem Kreise kann möglicher- weise sogar bis zu einer bestimmten Bezeichnung der in unserer Gruppe einander gegenübergestellten Figuren führen. Denn ich sehe nicht ein, warum der südslavischen Epik nicht ebenfalls bildnerische Darstellungsversuche gefolgt sein sollen, freilich sehr sparsam und in himmelweitem Abstande von der griechischen Kunst in ihrer höchsten Potenz, sogar, wie die Dinge hier nun einmal ganz anders liegen, auch noch entfernt genug von den äusserlich etwa vergleichbaren Darstellungen auf altspartanischen Stelen, archaischen Bronzereliefs aus Olympia und auf dem vielbesprochenen Kypseloskasten. Wesshalb solche Triebe, wenn etwas Aehnliches hier vorliegt, ganz andere Gestalt gewinnen mussten als unter griechischem Himmel, braucht nicht auseinandergesetzt zu werden; das beruht auf kunst- und culturhistorischen Bedingungen, die im Allge- meinen hinlänglich bekannt sind. Im Einzelnen bleibt über die Entstehung unserer Gruppe noch eine Reihe von Fragen offen. Wenn uns die bekannten rohen Basreliefs bosnisch-hercegovinischer Grabsteine, welche sicher dem späten Mittelalter und höchst wahrscheinlich einer zahlreich verbreiteten Gilde einheimischer, wenig geschulter Arbeitskräfte ihre Entstehung verdanken, einmal an die mykenischen Grabstelen er- innerten, so liegt uns hier eine technisch wie künstlerisch weitaus höher stehende Leistung vor, in der wir auch die nationale Eigenart deutlicher wahrzunehmen glauben. Wir können nur wünschen, dass mehr solcher Arbeiten, deren man in osteuropäischen Museen oder bei Ausgrabungen gewiss noch finden wird, bekannt würden, und dass mit der Zeit ein gründlicheres Urtheil über derlei Funde verstattet sei, als man derzeit abgeben kann.“ II. Die falschen Bronzegruppen aus Sinj. Von Dr. Ludwig v. Thallöczy. Nachdem im ersten „Glasnik“-Hefte des Jahres 1890 die beiden „räthselhaften Bronze- gruppen aus der Gegend von Sinj“ veröffentlicht waren, konnte die Redaction der genannten Zeitschrift schon im III. Hefte desselben Jahrganges S. 309 berichten, dass dieselben als Falsificate erkannt Avorden seien. Wir sind für diesen Nachweis in erster Linie dem ausgezeichneten dalmatinischen Archäologen Herrn Dr. Franz Bulic zu Dank verpflichtet. Als er den obigen Artikel las, erinnerte er sich, dass ihm diese Gruppe bereits vorgekommen sei, und wendete sich an einen seiner Freunde in Donji Döc, Herrn Y. Cal es, der in seinem mir gütigst zur Verfügung gestellten Briefe Folgendes berichtet: „Peter Pezelj Uijin, der diese Figurengruppen gegossen hat, wohnt im Dorfe Rozci, im Pfarrsprengel Donji Döc, wo er sich mit Schmiedearbeiten und Metallgiesserei beschäftigt.“ Herr Dr. Bulic kennt ihn seit einigen Jahren als Fälscher alter Gegenstände, obAvohl er ihn persönlich noch nicht zu Gesichte bekam. Die kleinen Statuen und Gruppen aus Bronze und anderem Metall, welche er giesst, versendet er als Antiquitäten in die Welt durch andere Personen, welche gewöhnlich angeben, dass sie dieselben im alten Thurme von Cazin, unweit von Döc, oder in Vojnic- Gardun (Arduba?) gefunden haben. Von ihm gegossene Gegenstände hat Bulic bisher etliche gesehen, z. B. zwei kleine Ochsen aus Bronze, eine Gruppe, welche einen auf dem Throne sitzenden König vorstellt, welchem sich Hö rmann und Thalloczy. Geschichte einer merkwürdigen Fälschung. 491 andere kleinere Könige ehrerbietig nähern, mit der Aufschrift rückwärts: „Neronoin“ und den Marko Kraljevic mit der cyrillischen Aufschrift auf dem Sähel: „Kraljevic Marko“. Die Gruppe, welche im „Glasnik“ mitgetheilt ist, war Herrn Dr. Bulic in den Jahren 1885 oder 1886 zum Kaufe angetragen worden. Es geschah dies durch eine Frau aus Trau, und der angebliche Fund sollte die Ermordung Agrippinas durch Nero darstellen. Als Bulic das Stück für ein Mdsificat erklärte, verlangte die Verkäuferin, hievon überzeugt, 15 fl. und dann noch viel weniger. Bulic, der gelegentlich um einen kleinen Preis auch moderne Falsificate wissenschaftlicher Zwecke halber ankauft, würde für diesen Gegenstand einige Gulden gezahlt haben, wenn die Frau damit zufrieden gewesen wäre. Manchmal kehren derartige Gegenstände als an einem andern Orte gefunden wieder. So war ihm die Gruppe mit der Aufschrift „Neronoin“ im Jahre 1883 als in der Gegend von Sinj gefunden aufgedrungen worden, und ein Jahr später erhielt er sie als von der Insel Hvar stammend zum Kaufe angeboten. Der Ankauf der sonach erwiesenermassen gefälschten Stücke für das bosnisch- hercegovinische Landesmuseum braucht nicht gerechtfertigt zu werden, der Preis war ein äusserst geringer. „Es gibt keine berühmte Sammlung“ — sagt Endel in seinem Werke „Le Truquage“ (Paris 1884) — „in welcher trotz Kenntniss und Vorsicht des Conservators nicht notorische Fälschungen Vorkommen; das , Cabinet des medailles* an der Pariser Nationalbibliothek nicht ausgenommen.“ Ueberall, wo classische Fundorte die Aufmerksamkeit der Sammler, Amateure und Fachkreise auf sich ziehen, stellt sich der mehr oder minder entwickelte Fälscher- trieb ein. Es ist daher ganz natürlich, dass dieser Trieb in Dalmatien, einem der Hauptgebiete römischer und mittelalterlicher Funde, in der Bevölkerung erwachte. Den Besuchern von Salona werden kleine Gegenstände von dem Fundorte zum Kauf angeboten. Dies kann der verdienstvolle Conservator nicht unterdrücken; es ist ohne- dies fast ein Wunder, dass, wie ich mich überzeugte, kaum ein wichtiges Stück seinem Blicke entgeht. Und dies ist eine schwere Sache, da es ja allbekannt ist, dass sämint- liche Nationen der Balkanhalbinsel: Türken wie Zinzaren, Bosniaken wie Dalmatiner, Bulgaren wie Albanesen und Griechen auf alte Münzen und auf alles „Antike“ versessen sind. Zu einer planmässigen Fabrikation kam es aber nicht, was bei dem nicht allzu regen Fremdenverkehr erklärlich ist. Der erste uns bekannte Fall ist der des k. u. k. Directors der zoolog. Abtheilung des naturhistorischen Hofmuseums in Wien Herrn Hof- rathes Dr. Fr. Steindachner, welcher im Jahre 1881 eine Reise in Dalmatien machte. 492 II. Volkskunde. In Sinj wurde er durch den Telegraphenleiter auf einen Bauer aufmerksam gemacht, welcher die Bronzefigur eines Ochsen angeblich in Gardun-Zrilj gefunden hatte und zum Kaufe anbot. Herr Hofrath Steindachner kaufte die Figur um 10 fl. In Spalato sagte ihm Herr Bulic, die Figur sei gefälscht und stamme aus einer venetia- nischen Fabrik. Herr Steindachner übergab uns die Figur, welche wir anbei (Figur 1) in Abbildung reproduciren, und es unterliegt keinem Zweifel, dass wir es hier mit einer Pezelj'schen Fälschung zu thun haben. Der frühere russische Consul in Ragusa — wie Herr Gelcich erzählt — soll die famose Gruppe des Kraljevic Marko gekauft haben. Gelcich behauptet, die Patina wäre mit Schweinsexcrementen erzeugt worden. Ausser diesen zwei Fällen haben aber noch meh- rere Reisende — wie uns berichtet wird — solche Objecte angekauft. Zu Anfang des Jahres 1890 wurde die Samm- lung des Mostarer Ingenieur- Adj uncten Hugo Jed- licka nach Wien gesandt, wobei sich die erste Bronzegruppe befand, welche ob ihrer mehr gro- tesken als archaischen Form hei den Fachmännern allgemeines Aufsehen erregte. Natürlich wurden in Betreff der Provenienz Nachforschungen angestellt; Herr Jedlicka aber, welcher diese Gruppe, wie auch die später nach Wien gesendete ganz gleiche im guten Glauben angekauft hatte, wusste nur so viel, dass dieselbe „von einem Bauer in der Nähe von Sinj gefunden worden sei“. Ohne Zweifel war es der Bauer, welcher auch Herrn Hofrath Steindachner den Bronzestier verkauft hatte. Es stiegen besonders, als die zweite ganz identische Gruppe ankam, auch in Wien Zweifel an der Echtheit auf; die chemische Analyse con- statirte, dass die erste Gruppe älter sei und keine Reliefs an einem Bogen des Campanile Merkmale falscher Patina aufweise, die zweite zu Spalato. schien gefälscht. Die Annahme konnte aber noch immer gelten, dass, wenn auch die zweite Gruppe gefälscht, die erste die Originalgruppe sein könne. Besonders war es die getreue Darstellung des dalmatinischen Costümes, welche, wie sich später erklären wird, mit Recht, die Herren Ho er ne s und Frimmel zu ernster Beurtheilung des Objectes anleitete. Herr Kenner erklärte, nur unter der Voraussetzung, dass die Patina echt sei, die Gruppe für ein Werk des 16. oder 17. Jahrhunderts zu halten. Uebrigens war ja die Fundgeschichte nicht klargelegt. Diesen Mangel ergänzte die werthvolle Mit- theilung des Herrn Bulic. Jeder Archäologe weiss, wie schwer es ist, die Provenienz der Objecte zu constatiren, selbst in Ländern mit gebildeter ländlicher Bevölkerung; wie viel schwerer ist es nun, Recherchen anzustellen in Dalmatien, besonders in der Poljice, deren Gegenden in Betreff der Unwirthlichkeit mit dem Maljsorengehiet wetteifern. Im Laufe dieses Sommers machte ich eine Studienreise nach Dalmatien und nahm mir vor, der Angelegenheit auf den Grund zu kommen. Am 3. Juli langte ich in Spalato Hörmann und v. Thallöczy: Geschichte einer merkwürdigen Fälschung. | Bogenstücke mit Reliefschmuck vom Campanile des Doms zu Spalato. Hörmann und Thallöczy. Geschichte einer merkwürdigen Fälschung. 493 an und nahm sogleich Rücksprache mit meinem geehrten Freunde Dr. Bulic, welcher mir die in seinem an das bosnische Museum geschriebenen Briefe enthaltenen Facta wiederholte. Trotzdem die Fälschung ausser Zweifel stand, musste constatirt werden, welches Motiv der Fälscher vor Augen hatte, denn die Composition der Gruppe und das Costüm dessen es von vorneherein als ausgeschlossen erscheinen, dass man es hier mit einer originellen Schöpfung zu thun habe. Der „Künstler“ muss etwas vor Augen gehabt haben. Nach unserer Besprechung führte mich Herr Bulic zum Dombau, um meinem Wunsche gemäss mir die dalmatinischen Localmotive an den einzelnen Reliefs zu zeigen. Historische Daten beweisen, dass die dalmatinische Kunst auf die bosnische, wie in der Römerzeit und im frühen Mittelalter, so auch im 14. und 15. Jahrhundert stark ein- gewirkt hat. Nach den Funden von Knin und den altdalmatinischen wie bosnischen steckis stelle ich mir die Kette der künstlerischen Entwicklung folgen dermassen vor: Longobardisch Longobardo- dalmatinisch 9. — 10. Jahrh. dalmatinisch J dalmato- 12. — 15. Jahrh. | bosnisch Bogomilisch Auf diese local-slavische künstlerische Entwicklung wies schon C. Schnaase in der „Geschichte der bildenden Künste“ (B. VII, S. 659) hin; die Motive in der Bekleidung, in der localen Auffassungsweise constatirte am Domportale in Trau, in den Basreliefs des Spalatiner Campanile R. Eitelberger (Die mittelalterlichen Kunstdenkmale Dal- matiens, Wien 1884, S. 200, 202, 204, 271). Besonders ein Relief, welches sich auf der Aussenseite des Thurmes befindet, verdient volle Aufmerksamkeit. Ein auf antiken Säulen ruhender Bogen ist es, welcher sich über die ganze Breite der Thurmhalle spannt und zehn verschiedene Vorstellungen enthält, die durch ihre rohe barbarische Darstellungsweise auffallen. Diese Reliefs sind auch nicht in der Ordnung zusammen- gefügt, wie sie den Gegenständen nach zusammengehören; denn offenbar gehört die Vorstellung e über die Vorstellung h und die Vorstellung g über /. Wir führen nun die Reihenfolge der Vorstellungen, wie sie gegenwärtig ist, an: a) Ein bekleideter Mann bläst aus einem Muschelhorne ; vor ihm bewegt sich ein Seedrache ; b) eine rohe bekleidete Figur, von einem Hunde gebissen, hebt die rechte Hand in die Höhe; c) einige Thiere mit 'Bäumen, die wohl einen Wald vorstellen sollen. d) Bär und Wolf; e) wieder ein Bär; f) ein Bogenschütze; g) ein Adler; h) ein auffallend grosser Mann, bekleidet und gegürtet, mit einem Schwerte in der rechten Hand; ober ihm liegt sein Begleiter; i) eine nackte kriechende Figur; k) der Kampf mit einem Löwen. Die letzten Scenen (h bis 7c) sind in dem Holzschnitte (Figur 2), welchen uns die k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale in Wien gütigst zur Verfügung stellte, dargestellt. Tafel VII zeigt die Figuren f — k nach einer Photographie, die ich zur besseren Veranschaulichung des Stiles der Arbeit von den bei der Restaurirung auseinandergenommenen Steinblöcken anfertigen liess. 494 II. Volkskunde. Auf dieses so interessante Relief machte mich Herr Dr. Josef Hampel, Univer- sitäts-Professor in Budapest, als er im Jahre 1889 eine archäologische Studienreise in Bosnien und Dalmatien unternahm, besonders aufmerksam. Er beantragte auch, in seinem diesbezüglichen ausgezeichneten Berichte (ddo. 12. August 1889, 7304/B. H. 1889) auf die Wichtigkeit dieses Reliefs in Betreff der Bogumilenkunst hinweisend, einen Gipsabguss der Figuren verfertigen zu lassen. Nach diesen Informationen nahm ich selbst das Relief in Augenschein. Kein Zweifel blieb mir nun übrig, dass wir es hier mit dem Werke eines einheimischen Künstlers zu thun haben. Für uns ist es aber von besonderem Interesse, dass ich nun an der Hand dieses Reliefs die Motive unserer gefälschten Gruppe herausfand, was Dr. Bulic allsogleich bestätigte. Fig. 3. Eine der falschen Bronzegruppen von Sinj. Der Fälscher Pezelj hat sich dieses Relief einfach zum Muster genommen und die ihm brauchbar scheinenden Figuren modellirt und als Bronzegruppe — nach seiner Zu- sammenstellung — gegossen. Seine Gruppe zeigt uns zwei menschliche Figuren und den Schlangensessel. Der Mann mit dem Schwerte ist in Kampfaction; liiefür verwendete er den sub h erwähnten gut ausgeführten Mann in der Positur der /c-Gruppe, nämlich beim Kampfe mit dem Löwen; die Frau componirte er sammt dem Sessel in der Manier dieser Figuren. Nach dieser Besichtigung wurde mir der Sachverhalt klar, und es erübrigte nur noch eine eingehende Forschung in Betreff der Persönlichkeit des Fälschers. Am 4. Juli begab ich mich nach Sinj, wo Herr Bezirkshauptmann Peter Freiherr von Ljubibrati6 und Forstwart Jelusic sich der Sache mit Eifer annahmen. Die Thatsache ist allgemein bekannt, dass die Bewohner der ehemaligen Poljicaner Republik Hörmann und Thallöczy. Geschichte einer merkwürdigen Fälschung. 495 und besonders die Dolacer, bewährte Urkunden- und Münzenfälscher sind. Pezelj’s Persönlichkeit war ihnen auch nicht unbekannt, und ihren Bemühungen verdanken wir die Constatirung, dass dieser es ist, welcher seit Jahren die archäologischen Fälschungen mit der „Sinjer Serie“ bereichert hat. Dies ist auch durch den Fundort Trilj erklär- lich, welcher die Leute sozusagen von selbst zur Fälschung anleitete. Der Verfertiger der Bronzegruppen, Pezelj, ist, wie ihn seine Freunde schildern, ein aufgeweckter Mann. Er beschäftigt sich mit der Bebauung seiner Grundstücke und Führung seiner Wirthschaft, in den freien Stunden mit Schmiedearbeiten, Ausbesserungen von Feuerwaffen, die er mit Figuren und Arabesken verziert, und mit der Herstellung solcher Schlösser, die nur derjenige öffnen kann, welcher mit gewissen Kunstgriffen vertraut ist. Also ein Tausendkünstler. Vor ungefähr 15 Jahren fing er mit der Antikennachahmung an und verkaufte dieselben, meistens Figuren, in Sinj und Spalato. Er machte sich die Formen selbst und goss auch die verschiedenen Metalle, welche er mit Erde und Chemikalien ober- flächlich bearbeitete. Seine Vorstudien machte er im Museum zu Spalato. Er verfertigte auch allerhand Basreliefs aus Kalkstein: Tliiere (Schlangen, Löwen) und Menschen- figuren, dann Sonne und Mond darstellend, welche er an seinem von ihm erbauten Hause einmauerte. Oberhalb der Eingangsthür steht die Büste eines Ilercegovcen in Naturgrösse. Auf dem einen Dachgiebelende ist ein Frauenkopf, auf dem andern eine Schlange, welche, wie Herr Forstwart Jelus i 6 versichert, einem Bildhauer von Pro- fession keine Schande machen würden. Hierin erblicken wir die Vorstudien zu seiner Bronzegruppe, welche er in seiner Weise zusammenstellte. Er soll seit Jahren keine Falsificate mehr verfertigt haben; wahrscheinlich kommt er nicht auf seine Spesen, obzwar Pezelj nicht so sehr aus Gewinnsucht als aus innerem Antrieb zu solcher Bethätigung diese Objecte gemacht zu haben scheint. Er wäre, gut geschult, vielleicht ein wirklicher Künstler geworden, so aber blieb er ein bäuerliches Fälschertalent. Im Grossen und Ganzen stimmen also meine Erhebungen mit denen des Herrn Bulic überein, mit dem einen wichtigen Unterschiede, dass dieser Pezelj mit jenem in Dolac wohnhaften Pezelj, welcher wegen Falschmünzerei verurtheilt wurde, nichts gemein hat. Nach all dem Gesagten können wir diese Fälschung als die Nachahmung eines Volkskünstlers betrachten, aus welcher hervorgeht, dass diesem Volke eine Begabung innewohnt, welche, gut geleitet, noch Schönes schaffen kann. Das Sarajevoer Museum, wie auch unsere Zeitschrift kann sich damit zufrieden geben, dass es in der präcisesten Weise alle Kriterien zur Beurtheilung dieser — trotz Fälschung — interessanten Objecte der Oeffentlichkeit vorgelegt und die photolithographische Aufnahme in Fachkreisen verbreitet hat. B. Notizen (M it 4 Abbildungen im Texte.) Inhalt: Dr. Franz Miklosieh. Magyarisch in cyrillischem Gewände. — Vid Vuletic-Vukasovie. Rumänische Aufschrift mit cyrillischen Schriftzeichen auf einem altbosnischen Säbel in Ragusa. — Const. Hörmann. Das „Kumstvo“ (die Pathenschaft) bei den Muhammedanern. — Const. Hörmann. Die Falkenbeize in Bosnien und der Hercegovina. (Mit 4 Abbildungen im Texte.) — Dr. Ciro Trühelka. Ausstellung bosnischer Costüme in Wien 1891. Dr. Franz Miklosieh. — Magyarisch in cyrillischem Gewände. — Die Handschrift, welche dem nachfolgenden Texte zu Grunde liegt, befindet sich seit Langem in meinem Besitze. Die- selbe besteht aus acht Blättern, von denen das erste und siebente unbeschrieben sind, das achte auf der Rückseite die letzten acht Zeilen enthält. Das Denkmal stammt wahrscheinlich aus dem Ende des vorigen oder dem Anfänge des jetzigen Jahrhunderts. Dass der Schreiber ein Ruthene war, beweist der Buchstabe /A (ja). Als früherer Besitzer steht auf d 1 Milos Beöeim> angegeben. Die Um- schreibung hat Herr J. Kluch, Amanuensis der k. k. Hofbibliothek, besorgt. Al. w Hcnoß'kAdm'H Ha(hi hciiAAirk Edes fiam, gyond meg AMJHA’k, dMHBdNTv a T£ mind, a mi van a te CMKf|A,(Nrk; ^Ofclv a3 sziveden, hogy az HljJfN'lv H£KHpA£3£ dT£ isten ne kerdeze ate ESN£HA£T; ^dHHTv TSaf/M büneidet, ha en tülem «ATaraAÖA’k; a3 iujkhtSa eltagadod, az istentül hc/VV TaraAX’JTOA'b. \a nem tagadhatod. ha BdAdMHT H4sik>LUarOAKaHrK valamit ifjusägodban bShöcthatv, HlUk CHhtH- bünösztel, es szegyen- A(T£,A,Tv; A\OL|l [akaAHaKTv] leted, most [atyädnak] a aiakh aka^HaK'k /vur- a lelki atyädnak meg- /MOHAAHH. mondani. Ä 2. ^dT T£ H(K(A\ MOlJJTv /MHHA hat te nekem most mind AMIbMOHA, H HUJTv fcÖNA'VMr megmond, e es gyond meg THCTdHTv. tisztän. TaproTa'/k,« oaiv (cta tartotade jöl ezt a EÖT(T, Hill Ti (CT bötet, es ezt d)(TT£T TapTOT a^( a betet tartotade OATv ? MLUTv HAAdAKC»- jöl? es imätko- CTdA£ a3 HlJlfNHlK OATv? ztale az istennek jöl ? HUJTv a C£HT es tudode a szent Hpai|JT WABdlUNH? iräst olvasni ? HUJTv TSA®A£ AVldkdHKOT es tudode miatyänkot Bl. HUJTv (liTv HIJJ£HB(H ? es hiszek egy istenben ? hujtv böhSaia« a3anaACT es böesülede az apädot Notizen 497 HLLl'k a3aHAA0,r ? HLU'k HCCHA es az anyädot ? es ne szid ÖKCT, HLU'k pOCTv COKaT HC COA. öket, es rosz szökat ne szol. HLU'k aonTac Baaaa/iHKcp’k es loptäe valamikor BaaaaiHT asanaATSATi huiTv valamit, az apadtül es a3aHAT8ark HLU’k ßaaaaui az anyatül es valami iUaiirk cO/UCH4,ß8a k ? mäs szomszedbül? HLU'k ACT*. AAOHAC>A\’kJ Y0^'K es az mondom, hogy ßöH§IaI'k a3anaA$T uiuk böcsüd az apädot es a3aHA/k,0T, ßahaH^aT az anyadot, batyaidat HLU'k HHHH^tT HLU'k a C0MCH4,0- es nenidet es a szomszedo- AaT. dat. B 2. HLU'k a3 Hl|J£HH£K'k 0 HA/IAT- es az istennek jö imät- K03oae cipc HLU’k pcreak kozole este es regel HLU’k HALT*. waßajKA'k, es debe, es olvazsd, aALHT’k TÖl^’k. HLU'k Hf a mit tucz. es ne aenÄ LUfJfSH'k LUCALHT’k, lopjä sehun semit, HLU'k arasAaT K§H§A'k es a gazd&t böcsüd ßaaa/MHA asanaA^T hlu b valamind az apadot es asauAA^T, Hiu k hc aonÄ az anyadot, es ne lopja LUC A/LH T aßÖT’kßS, IILU’k semit a botbü, es ßaaaßi'iHEß'k ßaaaMHT'k valakinek valamit, KkiNeafcaa'k. uui'k ki neadjal. es hite- lufu'k A-frh'k ara3A^AHaK sen legy a gazdadnak HLU'k yL'iTßfujfH'k copaa, es hitvesen szögal, r 1. 110134 oposATv a3’k 8 es örözd az ü ößaT"k BaaaMLiHA'k a, v\a- jövät valamind a ma- raAH'i”k. gadit. HLU'k ßaaa^N'k hökataa« es valahun csökotade aiahokat ßaii’k as' aco liänyokat vagy az aszo- HOKAT ? HLU'k MHHa'l’ail nokat ? es csinat&l BCAÖK'k nap43HaujaroT ? velök paraznasägot ? HLU'k HCAL MHNATAU ALaraATv es nem csinatäl magad aaaaaßiaT ALaraA KcscAfA'k? malakiät magad kezedel? ALHKOp’k aCk AßSH'k MULM . mikor az a bün csina- TOA'^ ? ALOLJJ'k CEC BÖTEC tod ? most ebe bötbe ßa'k'k aböt caöt ? vagy a böt elöt? r 2. aSHpii MÖHJlfiM TfUfKCAT k, azer mondom tenekedt, iV\öi i i’k hcm aaAC'3'kYaiL.'k- most nem aldozhacz- ALcr'k, ^ahcal /wacopk. meg, hanem mäszor. A3klp’k HUT*. HCAL BaliOK k BLLT azer en nem vagyok vet- K£LU'k; au'ip'k hhuataa acTa kes, mer csinatad azt a B§H k ? ataraA ßah'k ehtkcui. bün ? magad vagy vetkes. asik B^HH-k Macop-k H£ MHiiaa, az bün maszor ne csinäl, ALCp'k A3 ILL|l£N’k HCAL CCpCTH. mer az isten nem szereti. opc>3Ark a/uaraA T£i|JH THCTa. örözd a magad testi tiszta. Hiu-k a3up k napaHHOAOAA, yc»A es azer parancsolom, hogy EÖTOH HCtißCH'k tia'nOT, bötöj negyven napot, HLU'k ^ANCAL BÖTC^CU,, es hanem bötöhecz, Band II. 32 498 II. Volkskunde. A 1. Tt d^AAlk C(HT El>- hat te adjäl • szent egy- ^43pA HLU'k ACErilNEKNEK, häzra es a szegeneknek, dMHT'h AT^AL^ls.. amit athacz. HHJCHTÖa istentöl felletek, KÖHTOAT». ÖpÖ3KC>1i'kfcETEK'k, büntöl orözkögygyetek, aaaaVat ptTW1"1* öpc>3A, a magat hitedet örözd, BaAaY^HTs. BAivk. valahun vagy. a3 hljkh’k napaHMcaabaT K az isten parancsolatyat /uerTip'K-HaTCK K, actt* megtarcsatok, azt a3 HLJJEN'k n ApANHCnlA, az isten parancsolja, hogy ^aara^KA K ujaTCKTi halgazsdsatok AtiATOKAT HLU’k ANATOKAT, atyatokat es anyätokat, A 2. Hlll'k LOA'k EÖHOA’k §KET, es jöl böcsüd üket, uui'k AiaraA öpörEHT'k k>ak es magad örögeit jöl ^AAraJKA'k, HUJ’k ECHÖA halgazsd, es böesöd SKET'k, HLU'k AftErTi A3- üket, es meg az IH|JCH'k napaNHOAA, \0J{, Ts. isten parancsolja, hogy Nt ÖAT^ NEAOnA LUEA/\HT'k ne öl, ne lopja semit UlE^N'k, NE napa3NAA'k- sehun, ne paraznal- KC'A^aA'k, ^amhui TaNSuia- kodgyal, hamis tanusä- TOT NECOAk aTE 4i*aEKA- got ne szöl a te feleba- pATCAT' EAEN'k; AlALU ^SE- rätod eilen, mäs fe- AEUIHrHT NE KHBANAA'k, leseget ne kivanyad, HLU'k E'kHE'k NlkW8 lOCArAT es egyeb neinü jöszagat HE KHBANAA ATE ^iEAEEApA- ne kivanyad a te felebarä- TOA'k. tod. * !• BNKENJNrBE HLU'k CEpETET- bekesegbe es szeretet- SENTv AEh'k-TEK'k, HLU'k ben legytek, es LUEHKHNEK'k pOCAT NE TO- senkinek roszat ne go- NAÖH; A3T4 AETOB'k A3- ndoj, az legjob az- HLJJEH'k EAOT. BANkl isten elöt KEHEK’k TApiNC. HLU'k ATA- es a ta puiOAdAi, x’,,TKfljrk atlvk, rsodal hitves legy, NETATAAtaTv BAAAAAHT'k, ne tagadel valamit, AKHT 8 NEAAT8NNA, A*Ep'k akit ü nem tunna, mer A3 NLpEN'k NEMAA CEpENHHT az isten nem ad szerencsit KÖ3ETETEKTV. közetetek. HLU'k AVHNAfHTv E&NTÜA'k es minden büntül öpÖSKÖh'k. orözkögy. E 2. [u]1Vk HEAEKEh'k, HLU’k 8ab*' [i]gy cselekegy, es üdvö- 3Örk; HLU’k A3 HlJJEH'k zösz, es az isten MET'k UJETHT k. meg segit. )fABAN 3C>T'k. közöt. Notizen. 499 7. 2. Clinm'K KÖCÖNÖAt'k. HLUTv szepen köszönöm. es kocontvVK ara3/k,Mc’T'K köszöncsd a gazdadot wirk ara34,'kacoHOAdT k. es a gazdaszonodat. HUJ’k avhhhnaatv a3aLa,uh es mi csinäl az atyäd «Wh aHA^'kacÖHk ? Hlilli es anyäd aszon? es frHLUHrK« KAIIAK6 ? egesegbe vanake? Hiirk a3 niptirk TapnaA/vtrh es az isten tarcsa meg IIAfTKf IIUTk fn'lWUrKf. eletbe es egesegbe. Vid Vuletic -Vukasovic. — Rumänische Aufschrift mit cyrillischen Schriftzeichen auf einem altbosnischen Säbel in Ragusa. — Die Klinge dieser Waffe zeigt auf der einen Seite in einer Zeile die Inschrift: l. k. h . . . cvk s'fcv’thwaN — Atac8n3aca3 ncuvtcTmiHTh — 4iave3'^n ’ KCAA6AW — - neca/v\aKAe36A. auf der anderen Seite wieder in einer Zeile die Inschrift: 2. Sh SKk 3SgaSk3S — AiaNMAtaseTeAWio — avGTaracT« : kacza — itiviifKAe- 3ÜAk TCA’ T6’a VGA’fcK. 1. t>. i . . . oöb zjeöjeman — leasuprasaz pometniitb — faßezjepkoalelo — pesamaklezel. 2. Un-ukb zuelukzu — manimazetemeju — aßetajaste : kasben — kjepeklezulub tva’ te’a ßeljek. Auf diesem Säbel hat c die Form Y; p ist LI; z einmal S. Die Anderen haben z für r gelesen, nur nicht im ersten Worte; ja (A) ist auf dem Säbel y . Der erwähnte Säbel ist geschmackvoll damascirt und gegenwärtig Eigenthum des Ritters Niko Bofikovic, Grundbesitzers in Ragusa. Die Länge des Säbels ist 0'85 M., die Breite 0'16 M., die mittlere Dicke 0’04 M. Die Ausstattung ist einfach, wie aus letzterer Zeit. Boäkovic kaufte den Säbel vom Kaufmann Aleksic in Ragusa, der ihn aus Albanien beschafft hat. Der „Slovinac“ schreibt folgendermassen über dieses Stück: „Ausserdem hat Herr Boskovic vom selben Verkäufer einen Säbel von nicht alter Form angeschafft; die Scheide ist von Leder; um den Griff herum befindet sich ein Schild für die Hand und am Schild zwischen Verzierungen ein Kreuz. Die Buchstaben auf der Klinge sind altcyrillisch, die Sprache rumänisch; im Anfang befinden sich fünf ausgewetzte Buch- staben. Die Schrift ist wichtig auch für die Paläographie, besonders aber für die alte Aussprache jenes 4t (je). Dr. F. Miklosich hat im vorstehenden Aufsatz Ungarisches mit cyrillischen Lettern ver- öffentlicht, und nun kann auch die erwähnte rumänische Aufschrift aus dem 16. Jahrhundert als Beweis für die ethnographische Verbreitung der cyrillischen Schrift dienen. Const. Hörmann. — Das „Kumstvo“1) bei den Muhammedanern. — Dem aufmerk- samen Leser der Volkslieder der Muhammedaner in Bosnien und der Hercegovina werden des Oefteren Stellen auffallen, wo des „Kumstvo“ Erwähnung geschieht. Hier mögen nur einige dieser Verse angeführt werden. „Lika2) kumom bio kod djevojke.“ (Lika war der Beistand bei dem Bräutchen), „Eto t’ kuma, bega udbinskoga!“ (Dies dein Pathe, Beg auf Schloss Udbina), „Pa mu sinu kosu kumovao.“ (War beim Haarschnitt seines Sohnes Pathe). Kaum dass durch diese Verse meine Aufmerksamkeit rege geworden war, begann ich im Kreise befreundeter Muhammedaner nach dem „Kumstvo“ zu forschen. Bald erhielt ich die gewünschten Aufschlüsse, die ich hier, so wie sie mir zukamen, zur Darstellung bringen will. 9 Kumstvo = Pathensehaft, Gevatterschaft. 2) Lika, Beiname des berühmten Feudalherrn von Ubdina in der Lika, Mustaj beg. 32* 500 II. Volkskunde. Unsere Muhammedaner kennen drei Arten des „Kumstvo“: 1. das Kumstvo bei Hochzeiten, 2. das Kumstvo beim Haarschnitt (auch das Wasserkumstvo genannt) und 3- das Kumstvo bei der Beschneidung. Die Spuren des Kumstvo der ersten Art (kumstvo svatovsko ili vjenßano) sind schon seit nahezu hundert Jahren fast gänzlich verwischt. Nach der Eroberung Bosniens und der Hereego vina durch die Türken erhielt sich unter den Bosniern, die zum Islam übertraten, unter anderen Gebräuchen auch das Kumstvo bei Hochzeiten. Am längsten blieb es als allgemeiner Gebrauch erhalten in der bosnischen Krajina, in welchem Landestheile bis tief ins 18. Jahrhundert hinein des Oefteren der Muhammedaner eine Christin zur Gattin nahm, ohne von ihr zu fordern, dass sie zum Islam übertrete. Ja es kommt noch heutzutage in der Gegend von Kolasin manchmal vor, dass ein Muhammedaner eine Christin zur Frau nimmt. Die Kinder aus solchen gemischten Ehen werden Muhammedaner, denn so fordern es die Satzungen des Islam. Diesen Ehen verdankt das weit bekannte Sprichwort : „Otac klanja, mati se krsti, a ja se kamenim“ (Der Vater betet zu Allah, die Mutter schlägt das Kreuz, ich aber werde [vor Verwunderung] zu Stein) seine Entstehung. Wenn also das Volkslied bei Begebenheiten verflossener Jahrhunderte davon erwähnt, dass Mustaj beg, Gouverneur der Lika, bei der Verehelichung irgend eines Helden der Pathe (kum) der Braut desselben war, so beweist dies eben nur, dass zu jener Zeit die Muhammedaner an dein Gebrauch festhielten, bei ihren Hochzeiten einen Kum zu bestellen. Die Würde des Kum war besonders an- gesehen, sozusagen eine Auszeichnung, denn es wird immer eine besonders hochstehende Persön- lichkeit zum Kum gewählt. Nach und nach ging dieser aus der christlichen Epoche stammende Gebrauch verloren; an die Stelle des Kum trat der „djever“ (Beistand, Zeuge). Es kommt aber noch jetzt in der bosnischen Krajina vor, dass der „djever“ auch „kum“ genannt wird. Obgleich das Kumstvo beim Haarschnitt, auch Wasserkumstvo genannt (kumstvo sisano ili vodeno), in den verschiedenen Theilen Bosniens dem Namen nach noch immer bekannt ist, so hat es sich als Volksgebrauch bis zum heutigen Tage doch nur bei den Muhammedanern in der Hercegovina erhalten. Dort übernimmt der Muhammedaner die Pathenschaft beim Sohne seines Freundes, um durch diesen Act nicht blos die eigenen Freundschaftsbande fester zu knüpfen, sondern um dieses Band auch den Nachkommen zu überliefern. Das Kumovanje (Pathenschaft leisten) findet sowohl zwischen zwei Muhammedanern, als auch zwischen Muhammedaner und Christ statt. Dieser feierliche Act wird im Hause des Kindes, dem das Kumstvo gilt, auf folgende Art begangen. Wird einem Muhammedaner ein Sohn geboren, so richtet der Vater an seinen' besten Freund entweder persönlich oder durch einen Vermittler die Anfrage, ob derselbe und dessen Familie damit einverstanden sei, dass er dem neugeborenen Knäblein als Pathe beistehe. Sobald die Einwilligung erfolgt (diese wird nie verweigert), bestimmt der Vater des Kindes im Einvernehmen mit dem gewählten Freunde den Tag zur Vornahme der Ceremonie. Das Kumovanje muss noch bevor die Scheere ins Haar des Knäbleins kam und jedenfalls Vormittags, so lange nämlich die Sonne den Zenith nicht erreicht hat, stattfinden.1) Vom Vater ergeht an die Verwandtschaft die Einladung, bei der Ceremonie zu erscheinen; die Eingeladenen versammeln sich früh Morgens, damit sie beim Empfang des Kums, welcher mit viel Feierlichkeit vor sich geht, bereits anwesend sind. Das mit den besten Kleidern geschmückte Knäblein wird vom Kum, sobald die gewöhnlichen Begrüssungen beendet sind, auf den Schooss genommen. Einer von den Verwandten des Kindes nimmt ein mit reinem Wasser gefülltes Gefäss (gewöhnlich ein Glas- oder Porzellangefäss) und hält es dem Kinde unter den Hals. Nun nimmt der Kum eine Scheere zur Hand und schneidet mit derselben dem Knäblein drei Büschchen Haare ab: zuerst oberhalb des rechten Ohres, dann in der Mitte des Scheitels und schliesslich oberhalb des linken Ohres. Das ab- geschnittene Haar fällt in das Wassergefäss. Hierauf wirft der Kum in das Wasser je nach seinem Ver- mögen 5 — 10 Zwanziger, einen Ducaten oder mehr, so viel als er eben kann und mag. Die Anwesenden folgen seinem Beispiel und werfen Geldstücke ins Wasser. Hiermit ist die Ceremonie beendet; das Gefäss wird sammt dem Inhalt weggetragen, und die Dienerschaft des Hauses vertheilt unter sich das gespendete Geld. Der bisherige Hausfreund ist Kum des Kindes geworden, er ist von nun an sein Hüter und Ver- theidiger und wird dem Pathenkinde stets zur Seite stehen, selbst wenn es den Kopf kosten sollte. Die Mutter des Knaben sendet womöglich noch am selben Tage dem Kum und dessen Familien- angehörigen gewebte und gestickte Gegenstände als Gabe, der Vater aber beschenkt den Kum mit einem Gewehr oder Säbel, Öibuk, Pferd oder etwas Aehnlichem. Den Abschluss des Actes bildet ein gemeinsames Mahl, welches alle Anwesenden in der heitersten Stimmung einnehmen. 1) Die Leute sagen: Treba kumovati, dok je dan u napretku, da i dijete bude napreduo (der Act muss bei zunehmendem Tage vorgenommen werden, damit auch das Kind gedeihen könne). Notizen. 501 Das Kumstvo besteht, so lange sich Pathe und Pathenkind am Leben befinden; stirbt ein Theil, so heisst es: „Kumstvo bilo, kumstvo se razvrglo“ (das Kumstvo war, nun ist es aufgelöst). Dieses Sprichwort ähnelt dem schon bekannten : „Umrlo kumce, prestalo kumstvo“ (mit dem Pathenkind stirbt auch die Pathenschaft). Hier mögen einige Fälle dieses Kumstvo Erwähnung finden. Der berühmte Smail-Aga Cengic war Pathe zum Sohne seines treuen Freundes Miko Malovic in Dragaljevo im Drobnjacigebiet (im heutigen Montenegro). Zwischen Ded - Aga Cengic (Sohn des Smail-Aga) und dem montenegrinischen Yojvoden Petar Stevanov (Schwiegervater des Fürsten Nikolaus) bestand gleichfalls das Kumstvo. Im Jahre 1856 hat Ingenieur Luchin i1) aus Dalmatien (aus Padua gebürtig) Pathenschaft bei Ibrahim-Beg Kapetanovic (gegenwärtig Bürgermeister von Mostar), Sohn des Ali-Beg Ivape- tanovic aus Ljubuski geleistet. Mein verehrter Freund Nezir Effendi Skalic, Oberscheriatsrichter in Sarajevo, stand im Jahre 1860 Pathenschaft beim Sohne des aus der Hercegovina nach Rogatica übersiedelten Osman Gegic. Das Kumstvo beim Haarschnitt hat vielfach auf die socialen, ja selbst auf die politischen Ver- hältnisse wohlthuend eingewirkt; sehr oft wurden durch dasselbe jahrelange Blutfehden zwischen Familien friedlich gelöst, denn es wurden vom Tage des Kumstvo die früheren blutigsten Feinde die treuesten und verlässlichsten Freunde. In fast vollkommener Uebereinstimmung mit diesem ist das Kumstvo bei der Beschneidung (Kumstvo kod suneta). Wenn ein Muhammedaner bei seinem Söhnchen die Beschneidung vornehmen lassen will, wird er einen seiner Freunde ersuchen, den Knaben während der Zeit der Operation, die ein Berber (Barbier) ausführt, zu halten. Von dieser Zeit an wird der Freund, der diesen Liebesdienst erwiesen hat, von des Knaben Vater, Mutter, Brüdern und Schwestern, wie auch von den übrigen Verwandten Kum genannt. Ihn betrachten Alle als den besten Freund des Hauses; der Kum kann jederzeit in dasselbe eintreten, vor ihm verhüllen sich die Weiber nicht. Heiratet das Pathenkind, so wird dessen junge Gattin es nicht versäumen, nicht nur den Verwandten, sondern auch dem Kum ihres Gatten Geschenke zu bringen. Aber auch der Kum wird jederzeit und freudigst für sein Pathen- kind sorgen, falls dieses verwaisen sollte. Sobald dasselbe Rath oder Hilfe bedarf, immer wird es sich an seinen Kum wenden, und niemals wird ihm dieser den Beistand und die Hilfe versagen. Alle drei Arten des Kumstvo bestehen nur unter den Muhammedanern in Bosnien und der Hercegovina und sonst nur noch in einigen Gegenden der Balkan-Halbinsel. Den Osmanlis ist das Kumstvo ganz fremd, und vergeblich würde man seine Spuren im Koran und im Scheriat suchen. Const. Hörmann. Die Falkenbeize in Bosnien und der Hercegovina. (Mit 4 Ab- bildungen im Texte.) — Es dürfte manchem Leser unbekannt sein, dass in Bosnien heute noch die Jagd mit Falken geübt wird, welche in Mitteleuropa bis zum Ausgange des vorigen Jahrhunderts in den Kreisen des Adels, namentlich zur Belustigung der Damen von hoher Abkunft, eifrig getrieben wurde. Diese Art zu jagen war auch bei den bosnischen und hercegovinischen Adelsfamilien sehr beliebt und ist von ihnen auf die Geschlechter unserer heutigen Begs übergegangen. Dies beweisen unter Anderem viele Volkslieder, welche in bilderreichen Versen des Falken erwähnen, und zwar nicht blos weil dieser Vogel allgemein, insbesonders aber bei den Südslaven, wegen seines Muthes und seiner Schönheit hoch geschätzt wird, sondern auch weil er zur Jagd auf Wachteln, Tauben und schön ge- fiederte Reiher gern verwendet wurde. Aus den zahlreichen Volksliedern, welche des Jagdfalken Erwähnung thun, möchte ich an dieser Stelle nur Einige von mir in dieser Provinz gesammelte Verse anführen. Eines dieser Lieder singt von der Trauer des Mustaj Beg um seine Verlobte. „Als zur Jagd die Herren ausgezogen, Trug ein Jeder auf der Hand den Falken, Mustaj -Beg nur hielt die Hand am Herzen; Frugen ihn besorgt die treuen Freunde : „Sag1, o Mustaj -Beg, was dir wohl fehlet, Weil den Falken du nicht mitgenommen, Sondern deine Hand am Herzen haltest?“ „Gospoda se u lov podignula, Svaki nosi sokola na ruci Beg Mustaj-beg ruku na srdascu ; Pitali ga njegovi jarani: „Sto je tebi, besSe Mustaj-be2e, Sto ne nosis sokola na ruci Vec ti nosis na srdascu ruku?“ *) Dieser Luch in i erbaute vor circa 45 Jahren einen Canal im Polje von Ljubuski, wodurch dieses trocken gelegt wurde. 502 II. Volkskunde. In einem anderen Liede fragt die treue G ruhenden kranken Gatten : „Wenn du stürbest, Ibrahim-Celiaja, Um was würdest du zumeist wohl trauern? Thät es leid dir um die alte Mutter, Oder um dein Schloss mit seinen Ställen, Um die vielen Dörfer und die Timars, Oder um die nicht gerittnen Hengste Und die Hunde, die zur Jagd geübten, Oder gar um deine grauen Falken, Oder aber um dein treues Weibchen?“ Ein drittes Lied endlich, dessen Gegenstand „Bei einander zwei der Burgen lagen, Hausten drin zwei Brüder, die sich theilten, Hasan-Aga und Muhammed-Aga. Alles konnten friedlich sie vertheilen, Bis auf einen Zagorjaner Oiftluk, Ein gar edles Pferd in ihrem Stalle Und den Falken im Orangenbaume.“ attin des Ibrahim -Cehaja den in ihrem Schoosse 4 „Da ti umres, Ibrahim-Cehaja Sta li tebi najiSalije bilo? Al ti 2alis ostarjele majke, Al ti 2alis dvora i aliara, Al ti Zalis sela i timara, Ali svojih ata nejahatih, Al ti 2alis lirta i zagara Ali svojih sivih sokolova, Ali svoje vijernice ljube?“ in brüderlicher Zwist ist, hebt folgendermassen an : Dv’je su knie uporedo bile, U njima se do dva brata djele — Hasan-aga s bratom Muhamedom. Sve su oni l’jepo pod’jelili, Ne mogose cifluk na Zagorju I debela konja u aharu Ni sokola u üutoj naranci.“ Noch vor etwa 15 — 20 Jahren haben die Begs in der bosnischen Krajina und in der Posavina mit Falken gejagt; gegenwärtig befassen sich mit dieser Jagd — wie meine Nachfragen im Lande ergaben — nur mehr die alten und edlen Ge- schlechter Uzeirbegovic in Maglaj, Sirbe- govic und Smajlbegovic in Tesanj. In wenigen Jahren wird sicherlich auch dieser letzte Rest der Beize verschwunden sein. Diese Erwägung bestimmte mich, den Gegenstand gerade jetzt zu besprechen, wo — wie ich sagen möchte — die Beizjagd in den letzten Zügen liegt. Herr Ewald Arndt, akademischer Maler in Dresden, welcher auf meine Einladung in der Gegend von Maglaj Erkundigungen über die Jagd mit Falken eingezogen hat, veran- schaulicht in den beigegebenen Bildern die hauptsächlichsten Momente der einheimischen Beize. Seine unter Mitwirkung der Herren Bezirks Vorsteher Jordan und Forstverwalter Elleder gesammelten Angaben haben die von mir selbst gemachten Studien nach mancher Richtung ergänzt, beziehungsweise die selbst- ständig gewonnenen Resultate in den wichtig- sten Punkten bestätigt. Die Begs, welche heute noch mit Falken jagen, versichern, dass diese Art der Jagd erst nach Begründung der osmanisclioii Herrschaft über Bosnien und die Hercegovina in diesen Fig. 1. Fang der Jagdfalken. Provinzen heimisch geworden sei, indem sie darauf hinweisen, dass sowohl in der asiati- schen Türkei, als auch in Aegypten die musel- manischen Grossen schon in ferner Vorzeit Falken zur Jagd gezähmt und abgerichtet hätten. Ich neige trotzdem . der Ansicht zu, dass die Beize von den bosnischen Vornehmen schon zur Zeit der eingebornen (angestammten) Könige geübt worden sei. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass infolge der Wechselbeziehungen, welche damals die bosnischen Herrscher einerseits mit den übrigen euro- Notizen. 503 päischen Staaten, andererseits mit dem einheimischen Adel verbanden, die Sitte der Beize aus dem westlichen Europa nach diesen Ländern verpflanzt wurde.1) Von Jahr zu Jahr wurde es indess schwieriger, Falken einzufangen2) und zu Jagdzwecken abzu- richten. Heutzutage vollends gelingt es nur in sehr seltenen Fällen, zur Jagd gezähmte Falken über den Winter am Leben zu erhalten, sei es, dass man die ihnen zusagende Nahrung nicht mehr zu finden weiss, sei es, dass man sie vor schädlichen äusseren Einwirkungen nicht gehörig zu schützen versteht. Früher hat man blos die in der Zoologie unter dem Namen Falco peregrinus bekannte Falkenart, den sogenannten Wanderfalken, zu Jagdzwecken gefangen, während heute fast ohne Ausnahme nur die von den Einheimischen als „atmadza“ bezeiclinete kleinere Abart gesucht wird. Manchmal, jedoch nur im Falle besonderer Nothwendigkeit, begnügt man sich auch mit dem gewöhnlichen Sperber, mit welchem man jedoch nur geringe Erfolge zu erzielen vermochte. Die meisten Falken haben die Be- wohner von Maglaj in der Umgebung von Trbuk gefangen. Seit einiger Zeit indess sind die Falken in diesem Felsengebiete auffallend selten geworden, sei es, dass sie durch das Pusten der Locomotive, welche seit dem Jahre 1879 diese Gegend durchbraust, verscheucht worden sind, sei es, dass sie instinctiv die Gefahr erkannt haben, welcher sie in diesem Gebiete seit Langem von Seite der Menschen ausgesetzt sind. Häufig werden auch in Blizna, einem Theile der Vran planina, welche sich in südöstlicher Richtung von Maglaj erstreckt, junge Falken gefangen. Man pflegt die Falken mit Netzen zu fangen. Zwei Netze von ungefähr zwei Meter Länge und ebensolcher Breite werden unter einem spitzen Winkel nur sehr lose auf dem Erdboden befestigt, wie dies unsere Figur 1 veran- schaulicht. Von aussen werden beide Netze mit kleinen Zweigen und grünen Reisern bedeckt. In der Mitte des Netzes wird eine lebende Dohle angebunden, während sich der Jäger in geschickter Weise hinter einem in der Nähe befindlichen Buschwerke versteckt. Die Dohle schlägt na- türlich mit den Flügeln um sich, krächzt ununterbrochen und macht alle Anstrengungen, sich aus der Gefangenschaft zu befreien. Hiedurch lässt sich der unerfahrene, junge, meist einjährige Falke verleiten, sich mit aller Hast auf die vermeintliche Beute zu stürzen. Die Dohle beginnt nun in der Todesangst einen verzweifelten Kampf mit dem An- greifer, welcher natürlich auch mit clen Flügeln lierumschlägt und sich allmälig so in den Netzen verstrickt, dass der im geeigneten Zeitpunkte rasch herbeieilende Jäger ihn mit Leichtigkeit fassen und nach Hause bringen kann. Zur Jagd bedient man sich lieber des Weibchens als des schwächeren und kleineren Männchens. Nicht jeder Falke lässt sich indess leicht zähmen und zur Jagd abrich- ten. Mit Rücksicht auf die letztere Eigenschaft werden sie Fig. 2. Gezähmter Jagdfalke, auch nach den Nestern unterschieden, in denen sie ausge- brütet worden sind. In einigen Nestern finden sich die besten Falken, welche nicht nur auf Wachteln, sondern auch auf Rebhühner und Wasserschnepfen stossen. Anderwärts wieder sind die Falken schon etwas schwerfällig; sie lassen sich zwar abricliten, sind jedoch nur zur Jagd auf Wachteln verwendbar. Eine dritte Abart endlich ist wegen ihrer Wildheit zur Jagd überhaupt nicht geeignet; der Volksmuud nennt sie die „wilden Falken“ . Die Liebhaber der Beize unterscheiden sehr genau die Horste dieser drei Abarten und wissen die Stellen genau anzugeben, wo die besten Falken Vorkommen. Im Walde Ozren gibt es an ungefähr 20 Stellen Falkenhorste, aber blos an drei derselben kommen brauchbare Jagdfalken vor. *) Einen mittelalterlichen Grabstein aus Crnica bei Gacko, welcher den Verstorbenen mit dem Falken auf der Faust darstellt, haben wir in den Sitzungsberichten der Akademie der Wissensch. (phil.-hist. CI.) XCIX, S. 820 abgebildet. D. Red. 2) Vergl. Bd. I, S. 454. Wacliteljagd mit dem Falken. 504 II. Volkskunde. Notizen. 505 ibv Hat sich nun der junge Falke im Netze gefangen, so beginnt erst die schwere Arbeit. Vor Allem muss der Falke daran gewöhnt werden, den Eiemen an seinem Fusse (vgl. Fig. 2 nach einem im Landesmuseum ausgestellten Exemplar eines Jagdfalken) geduldig zu ertragen. Dann erst beginnt die eigentliche Abrichtung. Der Stand, auf welchen der Falke gesetzt wird, muss sich ununterbrochen bewegen-, auch muss der Falke des Oeftern mit Wässer übergossen werden, damit er nicht einschlafen könne, um sodann vollkommen ermüdet und willenlos zur Jagd abgerichtet werden zu können. Nebst- bei muss er daran gewöhnt werden, ruhig auf der Hand des Jägers zu sitzen, welcher sich gegen die scharfen Krallen des Vogels durch dicke, aus Schafpelz gefertigte Handschuhe schützt. Diese Arbeit wird in 15 — 30 Tagen beendet. Nun begibt sich der Jäger mit dem gezähmten Falken aufs Feld, wo er die Wachteln durch einen geschulten Jagdhund aus dem Getreide und Grase aufscheuchen lässt (vgl. die Abbildung Figur 3). Kaum erhebt sich die Wachtel vor dem verfolgenden Hunde, so lässt der Jäger den Falken in der Eichtung, in welcher die Wachtel aufgeflogen ist, los. Der Falke stürzt sich mit Blitzesschnelle auf seine Beute und fasst sie mit seinen Krallen, aus denen sich jene nicht mehr befreien kann. Ein gut geschulter Falke kann in der Hand eines geübten Jägers täglich 10 — 15 Wachteln fangen. Im Herbste, wenn die Wachteln ihren Zug nach wärmeren Ländern antreten, vermag ein gut eingeführter Falke an einem Tage 60 — 80, ja mitunter 100 Wachteln zu erjagen. Diese Beschreibung der heute in Bosnien üblichen Beize lässt erkennen, dass man gegenwärtig den Falken nicht mehr so geschickt zur Jagd zu verwenden versteht wie ehemals. Die Geschicklichkeit in der Behandlung und Abrichtung der Falken ist im Schwinden begriffen. Um diese Behauptung zu rechtfertigen, muss ich auf die Beizen früherer Zeiten zurückgreifen. Die Jagd mit Falken war schon in ferner Ver- gangenheit bekannt; es ist jedoch nicht gelungen, den Zeitpunkt ihres Entstehens mit völliger Sicherheit zu bestimmen. Zum ersten Male wird der Beize Erwähnung ge- than in einem Werke, welches Julius Maternus Firmicus um das Jahr 345 n. Chr. geschrieben hat. Fast alle Nationen besitzen eine eigene Literatur über die Beize: die Franzosen haben 22, die Engländer 9, die Spanier 4, die Portugiesen 1 und die Holländer 2 bedeutendere einschlägige Werke. Was den Osten betrifft, so haben gleichfalls berufene Fachmänner über die Jagd mit Falken geschrieben: Ha mm er - Purgstall zählt drei solcher bisher ungedruckter Werke auf (eines derselben ist tür- kischer, ein anderes byzantinischer Provenienz.)1) Es kann nicht die Aufgabe dieses Aufsatzes sein, eine genaue Beschreibung der rationellen Beizjagd zu liefern. Wer sich hierüber zu unterrichten wünscht, dem sei das verdienstvolle Werk Ernst v. Dombrowski’s „Allgemeine Geschichte der Beiz- jagd“ bestens empfohlen. An dieser Stelle möchte ich nur bemerken, dass sich die Falkenjagd an den Höfen der Herrscher einst grosser Beliebtheit erfreute. Dem unglücklichen Ungarkönige Ludwig II. wird nachgesagt, dass er für einen Jagdfalken 40.000 Ducaten gegeben habe. Kaiser Friedrich II. bemerkte auf seiner Eeise nach dem Oriente, dass man dem zur Jagd abgerichteten Falken eine Haube über die Augen ziehe, welche erst in dem Moment entfernt werde, in welchem sich der Falke auf die Wachtel oder ein anderes Thier stürzen solle. Für die Zähmung und Abrichtung der Falken gab es besondere Lehrmeister (Falkoniere), welche sich zu ihren Zwecken eines aus den Flügeln einer Taube gefertigten Federspiels (Figur 4) bedienten. Auf diese Weise ward dann der Falke gewöhnt, auf den Vogel zu stossen, sobald ihn der Jäger aus der Hand freigab. Es liegt indess kein sicheres Anzeichen dafür vor, dass man sich auch in Bosnien eines derartigen Federspieles oder der oben erwähnten Haube bediente. Vielleicht trägt jedoch dieser Aufsatz dazu bei, dass einer unserer Mitarbeiter dieser Frage sein Augenmerk zuwendet, um die erwünschte weitere Aufklärung über Einzelheiten der Beizjagd in Bosnien geben zu können. Fig. 4. Federspiel aus TaubentlUgeln. Dr. Ciro Truhelka. Ausstellung bosnischer Costüme in Wien 1891. a) — Am 17. Jänner 1891 wurde im k. k. österreichischen Museum für Kunst und Industrie in Wien eine Specialausstellung J) Imperatoris Caesaris Manuelis Palaeologi Augusti praecepta educationis regiae, Basileae 1578, II. — Rigault, Rei accipitrariae scriptores Lutetiae 1612. — Siebold, Nippon; Siebei, Temmink und Schlegel, Aves Japonicae. 2) Vergl. das Tafelwerk: „Die Costümausstellung im k. k. österr. Museum 1891. Ihre wichtigsten Stücke, ausgewählt und beschrieben von Dr. Karl Masner. Lichtdrucke, herausgegeben von J. Löwy, k. u. k. Hof-Photograph. Wien 1894.“ Querfolio, 50 Tafeln und 6 Hilfstafeln. An bosnischen Figuren und 506 II. Volkskunde. eröffnet, wie sie in Oesterreich-Ungarn bisher noch nicht zu sehen war. Dieselbe enthielt Costümstücke aus allen Erdtheilen in grosser Auswahl-, namentlich aber waren einzelne Länder der Monarchie reich- haltig vertreten. Mit Stolz können wir darauf hinweisen, dass unter letzteren die vom bosnisch-herce- govinisclien Landesmuseum ausgestellte Sammlung einheimischer Costüme den ersten Platz einnahm. Diese Anerkennung wurde ihr im vollsten Masse durch die Presse zu Theil, und auch hervorragende Fachmänner haben sich im gleichen Sinne ausgesprochen. Die bosnischen Costüme, welche im ge- deckten Säulenhofe, dem grössten Raume des österreichischen Museums, aufgestellt waren und denselben vollständig füllten, hatten vor den übrigen Gruppen den Vorzug, dass sie ihr Gebiet bei Weitem voll- ständiger repräsentirten und auf Charakterfiguren angebracht waren, auf welchen sie besser und ein- drucksvoller zur Geltung kamen. Diese Ausstellung bildet im Entwicklungsgänge unseres Landesmuseums eine wichtige Stufe, da dabei eine bedeutende Collection desselben zum ersten Male in einem grossen Mittelpunkte wissen- schaftlicher Bestrebungen zur Ausstellung gelangt und der erzielte Erfolg die Gewähr bietet, dass die Costümsammlung des bosnisch-hercegovinischen Landesmuseums, wenn ihre Entwicklung im gleichen Massstabe wie bisher fortschreitet, in kurzer Zeit den ersten derartigen Sammlungen Europas gleich- stehen wird. Schon jetzt kann mit Genugthuung betont werden, dass nur wenige Museen existiren, welche eine so vollständige Specialsammlung besitzen, und noch weniger, welche es sich zur Aufgabe gestellt hätten, das Land, das sie repräsentiren, in solchem Umfange darzustellen, wie es hei unserem der Fall sein soll. Wie der Specialkatalog der bosnischen Abtheilung, welcher zur Ausstellung veröffentlicht wurde, ausweist, ist das ganze Materiale in drei Gruppen getheilt. Die erste umfasst 37 complete Volks- trachten aus Mittelbosnien, die zweite (110 Nummern) einzelne Costümstücke mit besonderer Berück- sichtigung von Prunkcostiimen und historischen Kleidungsstücken, die dritte (40 Nummern) umfasst einzelne Schmuckstücke und Schmuckensembles. Beim Sammeln der Costüme für die ethnographische Abtheilung des Landesmuseums war die leitende Idee, die einzelnen Formen vollzählig und in typischen Stücken zu veranschaulichen, und als die Einladung zur Betheiligung an der Costümausstellung einlangte, war die Sammelthätigkeit noch auf das mittelbosnische Gebiet beschränkt. Die 37 Costümfiguren stellen innerhalb dieses Gebietes die Trachten der Stadt- und Land- bevölkerung nach den einzelnen Glaubensbekenntnissen dar. Aus Sarajevo wurden Trachten muhammedanischer, spaniolisclier und orientalisch-orthodoxer Städter gewählt, aus Fojnica solche katholischer Bewohner. Von ländlichen Costiimen wurden wieder solche gewählt, welche ein grösseres Verbreitungsgebiet besitzen und innerhalb eines Costümkreises als typisch gelten. So repräsentirt ein Costümpaar aus der Umgebung von Visoko die Bauerntracht der muhamme- danischen Ackerbauer, eines aus Vrhovina (Bezirk Zenica) und Umoljani (Bjelasnica-planina) die der Gebirgsbewohner. Costüme der orientalisch-orthodoxen Bauern repräsentirten Exemplare aus der Umgebung von Sarajevo; es sind das Formen, welche ein grosses Verbreitungsgebiet haben, das nahezu bis an die Drina, den Vrbas und an die Wasserscheide gegen die Hercegovina reicht. Varianten dieses Typus bilden die Costüme aus der Karaula-gora (Varosluk) und aus der Umgebung von Foöa, welche letzteren schon Anklänge an hercegovinische Costüme besitzen. Zwei Frauencostüme aus Podgora (Gerzovo) stehen ausserhalb dieses Rahmens und tragen alle Kennzeichen der Costümtradition in der Krajina. Katholische Costüme wurden aus der Umgebung von Iv re.se vo, Travnik und Jajce (Carevo polje) genommen. Während die ersteren eine Annäherung an die der orthodoxen Bauerntrachten zeigen, repräsentiren die letzteren die eigentlich typische Tracht der bosnischen Katholiken. Zigeunercostiime wurden aus der Umgebung von Sarajevo genommen. Costümen aus der Sammlung' des Landesmuseums enthält dieses seit Kurzem fertig vorliegende Werk: Tafel 9. A, B Zigeunerpaar aus Sarajevo, C Aga aus Sarajevo; Tafel 19. Costümfiguren aus Orasje, Gerzovo, Foca; Tafel 20. Details von südslavischen Gewändern; Tafel 27. Costümstücke mit Goldstickerei; Tafel 28. A, B Beg und Begfrau in Festtracht, C Katholikin aus Fojnica; Tafel 47. JJ, E Bosnische Brustpanzer (Tokes); Tafel 48. Mädchen aus Bihac und muhammedanisclies Paar aus Sarajevo. Eine zusammenfassende Behandlung des Trachtenwesens von Bosnien war in der ersten Lieferung versprochen, unterblieb jedoch, da eine solche ohne ausführliches Eingehen in die Geschichte und die ethnographischen Verhältnisse dieses Landes nicht durchführbar schien. Notizen. 507 Den Anziehungspunkt für alle Besucher der Costümausstellung bildete das Costüm eines vor- nehmen Agas, welches an der markanten Figur im vollsten Waffenprunk ausserordentlich zur Geltung gelangte. Das Costüm ist bereits im Verschwinden und wurde genau nach alten Vorbildern an- gefertigt, so dass es gewissermassen als historisch gelten kann. Es ist reich mit Seide und Gold ausge- stickt, und auch die Waffen gehören zu den schönsten, die je den Stolz eines bosnischen Agas nus- machten. In der Linken hält die Figur ein langes Albanesergewehr, in massivem Silber gefasst (Karamfilka), im Ledergürtel stecken zwei Silberpistolen (Ledenjaöe), ein Handzar mit Silberscheide, ein Pulverhorn aus Silber, zwei Patrontaschen, und um die Schulter hängt ein silbernes Etui mit dem Koran, dem steten Begleiter des alten frommen mohammedanischen Kriegers. Bei dieser Gelegenheit dürfte es am Platze sein, auf jene Merkmale hinzuweisen, welche als charakteristische Eigentümlichkeiten der einzelnen Trachten in dem auf der Ausstellung vertretenen Gebiete gelten können. Bei den Stadtcostümeu gilt auch hier die Thatsache, dass sie einen grösseren Verbreitungskreis haben, aber auch einem rascheren Formen Wechsel unterliegen. Während die Costümformen am Lande das Ergebniss einer mitunter Jahrhunderte alten Tradition sind, wird die Stadttracht schon von der Mode beherrscht, deren wandelliebender Geist in früheren Jahren wohl nur selten zum Ausdruck kam, in neuerer Zeit aber, infolge inniger Berührung mit dem schnelllebigen Occidente, einen Umschwung in der bosnischen Tracht hervorbrachte. Dieser macht sich hauptsächlich darin geltend, dass das Costüm sich vereinfachte, an Stelle der prunkenden Stoffe und Verzierungen einfachere traten ; und das überreiche Prunkcostüm von früher beschränkt sich allmälig auf das Haus und wird nur bei besonderen Festlichkeiten hervorgesucht. Das Strassencostüm, welches in Sarajevo getragen wird, ist im Ganzen auch im übrigen Bosnien zu Hause, und erst in der Ilercegovina kommen andere Formen vor. Bei den männlichen städtischen Costümen verschwinden die durch Religionsverhältnisse bedingten auffallenden Unterschiede allmälig, und Mancher wird den Unterschied zwischen Muhammedaner und Christ nur im Turban und Fez oder in der Art finden, wie er den Gürtel bindet. Von alten charakte- ristischen Costümstücken hielt die Ueberlieferung fest: bei Muhammedanern den Curak (verbrämten Pelz) und die Dolama, bei Spaniolen das D6ube (Kaftan), bei Christen den kurzen verschnürten Rock mit Aermeln (Salta). Die übrigen Kleidungsstücke zeigen nur dem genauen Beobachter deutliche Merkmale. Weit grösser sind die Unterschiede der Stadttracht der Frauen. Vor Allem unterscheidet sich die Mädchen- von der Frauentracht. Erstere ist einfacher, kleidsamer, mehr für die Strasse bestimmt, letz- tere eine durch die Ueberlieferung geheiligte Haustracht. Die wichtigsten Kleidungsstücke der Muhammedanerin sind die weiten, faltenreichen Dimije (Beinkleider), die enge D&icerma, welche die Stelle eines Schnürleibchens einnimmt, darüber als Fest- stück ein langer kostbarer Rock, die Anteria, mit weiten herabfallenden Aermeln, und als Ueberkleid ein kurzer ärmelloser Rock, der Fermen. Alle diese Kleidungsstücke sind reich mit Goldstickereien verziert, und namentlich die aus kost- baren Stoffen, Seide, Sammt oder Brocat angefertigte Anteria soll mehr durch Goldprunk als durch Formenschönheit wirken. Nach den Stoffgattuugen, aus welchen die Anteria besteht, wird sie ver- schieden benannt. Solche aus Sammt mit aufgenähten Goldborten und Goldapplication heissen kurzweg Anteria oder wohl auch Dolama, Anterias aus Seide mit Reliefstickerei Srmadal, aus Atlas mit Tam- bourirstickerei Islema und mit bunter Seiden- und Goldstickerei Tefebas. Womöglich noch reicher als bei der Anteria ist der Goldprunk der Fermen. Unter der über- reichen Application verschwindet die eigentliche Stofffarbe oder kommt blos decorativ zur Geltung. Es sind selbst jetzt, wo der alte Costümprunk bereits im Niedergange begriffen ist, Fcrmens, die keine Meisterwerke wären, selten. Das Costüm der Spaniolenfrau zeigt die grösste Verwandtschaft mit dem mohammedanischen und in Form und Schnitt die gleichen Motive. Die Anteria treffen wir auch bei orthodoxen Frauen, doch ist sie einfacher, in den Farben matter, und die Verzierung beschränkt sich hier blos auf Gold- borten. An Stelle des Fermens kommt ein kurzer verbrämter Pelz mit weiten Halbärmeln (Salta, Curdijica). Charakteristisch ist auch die Kopftracht. Bei den Mädchen aller Confessionen gleich einfach — die Haare in einen über die Schulter hängenden Zopf geflochten, und als Bedeckung der Fess — ist sie bei Frauen ziemlich complicirt. Bei Muhammedanerinnen besteht sie aus einer Kappe mit auf- genähter, reich mit Gold, Perlen oder Filigranarbeit verzierter Scheibe (Tepeluk). Ueber die Kappe hängen lange Seidenfäden, an der Stirnseite eine Reihe von Goldmünzen. Die Zöpfe werden um die Kappe gewunden und darüber ein Tuch. 508 II. Volkskunde. Alle diese Bestandteile finden wir im Kopfputz der Spaniolin wieder; doch sind hier die schwarzen Seidenfransen so lang und dicht, dass sie über die Schultern hängen und in der Ferne dichten Locken ähnlich sind. Von orthodoxen Frauen wird statt des Tepeluk eine runde dicke Goldquaste mit breiten, über den Scheitel hängenden Fransen (sogenannte beßka kita) getragen. Bei Katholikinnen ist der Tepeluk selten zu sehen, und es fehlt auch, wie bei den Orthodoxen, die Stirnschnur mit Münzen. Während sich das Costüm der muhammedanischen Bauersfrau von dem der ärmeren Städterinnen nur wenig unterscheidet, werden bei den Landcostümen der Christen bedeutende Unterschiede merklich. Diese, tlieils durch Religionsverhältnisse, theils durch klimatische Umstände und durch die Tradition bedingt, gestalten sich sehr mannigfaltig, und schon die zur Ausstellung gelangte Sammlung, obwohl sie sich auf ein verhältnissmässig enges Gebiet beschränkt, bietet ein abwechslungsreiches malerisches Bild. Unter den 110 Costümstücken, welche die Vertäfelung zwischen den Arkaden im Vestibül des k. k. österreichischen Museums decorirten, verdient neben den zahlreichen reich mit Gold gestickten Anterias und Fermens eine Serie silberner Brustbeschläge (Toke) besonders hervorgehoben zu werden. Diese Beschläge, welche die ganze Brustseite der Weste überdecken, sind Schmuck und Panzer der bosnischen Bauern. Der Silberaufwand ist namentlich bei älteren Stücken, welche thatsächlich als Wehr bestimmt waren, ein bedeutender. Unter den 30 ausgestellten Stücken befinden sich einzelne von kunstgeschichtlichem Interesse, und wir finden darauf neben dem Namen des Erzeugers auch den des Eigenthümers verewigt. Daneben ist häufig auch die genaue Gewichtsangabe des verbrauchten Silbers verzeichnet. Die Gebiete, welchen diese Stücke entlehnt sind, und wo noch gegenwärtig die Toke häufig benützt werden, sind die Umgebung von Gacko, Foßa, Glasinac, Nevesinje und im nördlichen Bosnien Petrovac. Ein interessantes historisches Costümstiick ist ein Lederwannns mit breiten Messingknöpfen und massivem mit starken Beschlägen verziertem Gürtel. Dieser Wamms (tokanski kaput) war der Waffen- rock der bosnischen Krieger der früheren Jahrhunderte. Zum selben Costüm gehört auch eine an langem Riemen herabhängende Mundschale und eine Bronzetroinmel. Unter den Schmuckstücken verdient besondere Erwähnung ein bei Banjaluka ausgegrabener Kopfschmuck, welcher um 1688 vergraben wurde. Interessant ist dieses einfache Stück als Nachweis, wie zähe an der Costümtradition in Bosnien festgehalten wurde. Daran schliesst sich ein completer her- cegovinischer Schmuck aus dem vorigen Jahrhunderte, ein solcher aus dem Drinagebiete und eine Serie von prachtvollen Einzelstücken, namentlich Gürteln, Schnallen und Waffen. Die meisten darunter sind Kunstwerke und für den Forscher von grossem Interesse, da viele mit Inschriften versehen sind. Auf einer getriebenen mandelförmigen Scliliesse nennt sich als Meister Ivo 1189 (— 17 77). Auf einem reich mit Tula verzierten Gürtel wird als Eigenthümerin Sacina-Kadun 1165 (= 1754) genannt und das Gewicht an Feinsilber mit 171 Drachmen angegeben. Auf einer Handzarscheide von 1260 (= 1797) ist als Eigenthümer Dizdar Arslanaga Sohn Rustemagas genannt, auf einem Handzar von 1207 (= 1795) als Meister Nuhan. III. THEIL. NATl l*\\ I SSFNSCI I A FT. A. Berichte und Abhandlungen Fauna insectorum balcaniea. Beiträge zur KLenntniss der Balkanfauna. von Victor Apfelbeck, Custos- Adjunct am bosn.-herceg. Landesmuseum. Inhalt: I. Neue Grotten- Silphiden aus Südbosnien. — Neue Otiorrhynehus- Arten und Varietäten aus Südbosnien und der Hercegovina. — III. Die bosnisch-hercegovinischen Formen der Tribus Carabini. — IV. Die bosnisch-hercegovinischen Arten der Tribus Pterostichini. — V. Die bisher in Bosnien - Hercego- vina beobachteten Cerambieiden. — VI. Die von 1888 bis 1890 in Bosnien -Hercegovina gesammelten Wasserkäfer (Hydrocolnoptera). I. Neue Grotten-Silphiden aus Südbosnien. 1. Antroherpon1) cylindricolle. Ferrugineus, subtransparens. Caput oblongum basin versus subangustatum sub- tilissime confertim ruguloso - punctatum lineisque duabus antrorsum divergentibus ab antennarum insertiohe ad frontis marginem directis notatum. Thorax cylindricus , latitudine plus duplo longior, capite multo angustior, basin versus paulatim angustatus, non constrictus, obsolete remote punctatus. Elytra oblongo-ovata, convexa, latitudine duplo longiora, confertim evidenter punctata pilisque longis erectis parce vestita, apice conjunctim rotundata. Antennae corpore longiores , articulo tertio secundo fere quater longiore. Long. 5‘5 — 6 mm. Dunkel rostrotli, schwach durchscheinend. Kopf lang', nach rückwärts allmälig verschmälert, mit zwei nach vorne divergirenden, von den Fühlerwurzeln gegen die Stirne verlaufenden, einwärts gekrümmten Längslinien, äusserst fein, dicht runzelig punktirt. Halsschild nicht eingeschnürt, fast cylindrisch, nach vorne schwach, nach rückwärts allmälig stärker verengt, 2y2mal so lang als breit, viel schmäler als der Kopf, sehr zerstreut und verloschen punktirt. Flügeldecken länglich-eiförmig, stark gewölbt, doppelt so lang als breit, ziemlich dicht und kräftig, an der Spitze runzelig punktirt, mit sehr langen, einzeln abstehenden goldgelben Haaren besonders in den hinteren zwei Dritteln der Flügeldecken bekleidet, gemeinsam abgerundet. Fühler länger als x) Antroherpon Keitt. uov. geu. Siebe Deutsche entomologiscbe Zeitschrift 1889, Heft II. 512 III. Naturwissenschaft. der Körper, Glied 3 fast viermal so lang als 2, Glied 10 und 11 fast von gleicher Länge und Stärke. Länge 5-5 Mm. In der Grotte hei Golubovac aufgefunden. 2. Antroherpon pygmaeum. Dilute ferrugineus , transparens. Caput elongatum, retrorsum subangustatum angulis posticis rotundatis , obsolete punctulatum lineisque duabus subrectis antrorsum divergentibus notatum. Thorax vix punctatus, latitudine plus duplo longior, antice convexus, pone medium profunde constrictus. Elytra latitudine dimidio (cT) vel duplo (2) longiora, sat fortiter disperse punctata , pilis erectis plus minusve vestita, apice conjunctim rotundata. Antennae corpore longiores, articulo tertio secundo plus duplo longiore. Long. 4-5 mm. Hell rostroth, durchscheinend. Kopf lang, fast rechteckig mit abgerundeten Hinter- ecken, nach rückwärts allmälig schwach verschmälert, kaum sichtbar punktirt, mit zwei fast geraden, nach vorne divergirenden, von den Fühlerwurzeln zur Stirne verlaufenden Längslinien. Halsschild glatt, kaum punktirt, 21/2mal so lang als seine grösste Breite, die vorderen zwei Drittel gewölbt, dann plötzlich auf die halbe Breite ei n ge schnürt und gegen die Basis allmälig wieder etwas erweitert. Flügeldecken heim cf um die Hälfte, heim 9 doppelt länger als breit, kräftig und ziemlich dicht punktirt, vorne spärlich, von der Mitte an gegen die Spitze zunehmend stärker mit kurzen abstehenden Haaren bekleidet, an der Spitze gemeinsam abgerundet. Fühler länger als der Körper, Glied 3 21/2mal so lang als 2, Glied 11 etwas länger als 10. Länge 4‘5 Mm. Bewohnt die Megara peöina in der Preslica planina. 3. Antroherpon Hoermanni. 9 Ferrugineus, transparens. Caput oblongum subparallelum, evidenter remote punctatum, lineisque duabus parallelis notatum. Thorax latitudine ter longior, con- vexus pone medium subito fortiter constrictus , obsolete subtiliter punctatus et pubescentia brevi vestitus. Elytra convexa , apice conjunctim rotundata, subtiliter pubescentia et evidenter confertim punctata. Antennae longissimae, corpus tertia parte super antes, articulo tertio secundo quater longiore. Pedes longissimi, trochanteribus femoribusque anticis incrassatis, tibiis apice spinulosis. Long. 6 mm. 9 Hell rostroth, durchscheinend. Kopf lang mit fast parallelen Seiten, ziemlich kräftig, aber sehr zerstreut punktirt, beiderseits mit einer von der Fühlerwurzel gegen die Stirne parallel zum Seitenrande des Kopfes allmälig verlaufenden Linie. Halsschild dreimal so lang als seine grösste Breite, die vorderen zwei Drittel hochgewölbt, dann plötzlich auf die Hälfte der Breite eingeschnürt und gegen die Basis allmälig wieder etwas erweitert; äussert fein verloschen punktirt und spärlich kurzbehaart, Flügel- decken gewölbt, doppelt so lang als breit, dicht und gleichmässig mit anliegen- den gelben Haaren bekleidet, gleichmässig ziemlich kräftig und dicht punktirt, an der Spitze gemeinsam abgerundet. Fühler sehr lang, den Körper um ein Drittel der Länge überragend, Glied 3 fast viermal so lang als 2, Glied 11 von der Länge und Stärke des Gliedes 10. Beine auffällig lang, Trochanteren und Schenkel der Vorderbeine verdickt, die' Spitze der Schienen mit einem kleinen Dorne bewehrt. Länge 6 Mm. Nur in einem einzigen 9 Exemplare in der Insurgentenhöhle bei Krbljine auf- gefunden. Apfelbeck. Fauna insectorum balcanica. 513 Ich erlaube mir diese ausgezeichnete Art dem Herrn Regierungsrathe Constantin Hörmann, welcher den Fortgang wissenschaftlicher Forschung hierzulande in hervor- ragendster Weise fördert, dankbarst und ehrfurchtsvollst zu widmen. P. Antroherpon Gcinglbaueri nov. spec. Dilute ferrugineus , transparens. Caput oblongum, subparallelum, basin versus evidenter angustatum. Prothorax latitudine plus duplo longior , subconvexus , basin versus evidenter angustatus et constrictus, obsolete punctatus. Elytra convexa, apice conjunctim rotundata, subtiliter pubescentia et evidenter confertim punctata. Antennae corpore longiores, articulo tertio secundo plus duplo longiore. Lang, 5 mm. Dem A. Hoermanni sehr ähnlich, doch kleiner und schmäler; der Prothorax viel schmäler und schwächer eingeschnürt, zur Basis viel weniger verengt. Kopf weniger viereckig, nach hinten viel mehr verschmälert. Zweites Fühlerglied nur 2yamal so lang als das dritte; Behaarung und Punktirung der Flügeldecken so wie bei A. Hoermanni. Endglied der Maxillartaster bedeutend kürzer als das vor- letzte. Länge 5 Mm. Wurde von mir in der Novakova pecina bei Nevesinje in einigen Exemplaren aufgefunden. Meinem lieben Collegen und Freunde Herrn Gustos L. Ganglbauer declicirt. Die vier Antroherpon- Arten lassen sich wie folgt charakterisiren : 1 Flügeldecken lang abstehend behaart; 2 Halsschild cylindrisch, nicht eingeschnürt; Flügeldecken erloschen punktirt, letztes Glied der Maxillartaster fast so lang als das vorletzte . cylindricollis 2' Halsschild hinten stark eingeschnürt, Flügeldecken stark punktirt; letztes Glied der Taster viel kürzer als das vorletzte pygmaeus V Flügeldecken fein, dicht und anliegend behaart; 3 Drittes Fühlerglied viermal so lang als das zweite; Kopf fast viereckig- oblong, zur Basis kaum verschmälert, Halsschild hinten sehr stark einge- schnürt Hoermanni 3' kleiner; drittes Fühlerglied kaum 21/2mal so lang als das zweite; Kopf zur Basis sehr merklich verschmälert, Halsschild mässig eingeschnürt . Gcinglbaueri. 5. Aplioleuonus1) nudus. Ferrugineus, transparens. Caput et thorax nitidissimum , subtiliter disperseque punctcitum; thorax elytris angustior , longitudine paulo latior in medio latissimus , angulis anticis rotundatis, cingulis posticis fastigatis. Elytra nuda, convexa, oblongo- ovata, apice singulatim rotundata, latitudine tertia parte longiora, in medio multo (9) vel paulo (cf) dilatata confertim evidentiss ime punctata. Antennae corpore paulo (cf) plusve (9) breviores, articulo secundo primo multo longiore, articulo 8 bre- vissimo, articulo 7 apice valde incrassato. Pedes longi tibiis spinulosis , tarsis anticis in cf quinque-, in 9 quadri-articulatis. Long. 7 mm, lat. 3 mm. Dunkel rostroth, durchscheinend. Kopf und Halsschild stark glänzend, fein und zerstreut punktirt, Halsschild schmäler als die Flügeldecken, etwas breiter als lang, in der Mitte am breitesten, nach hinten schwach, nach vorne stärker verengt, mit abge- rundeten Vorder- und spitzen Hinterecken. Flügeldecken unbehaart, gewölbt, länglich-eiförmig, nicht verlängert, daher die Pygidiumspitze unbedeckt lassend, an der b Aplioleuonus Eeitt. nov. gen. Siehe Deutsche entomologisehe Zeitschrift 1889, Heft II. Band II. 33 514 III. Naturwissenschaft. Spitze einzeln abgerundet, um ein Drittel länger als breit, in der Mitte beim 9 stark, beim cf schwächer bauchig erweitert, sehr grob und dicht punktirt. Fühler beim cf wenig, beim 9 bedeutend kürzer als der Körper, Glied 1 kaum hallt so lang als 2, die folgenden, mit Ausnahme des achten, ziemlich von gleicher Länge, dieses sehr klein, von einem Drittel der Länge der einschliessenden Glieder, Glied 7 am Ende sehr stark, die folgenden schwächer verdickt, Glied 11 zugespitzt, die Endglieder stark beborstet. Beine lang und dünn, Schienen fein bedornt, Vorclerfüsse beim 9 vier-, beim cf fünfgliedrig, aber nicht erweitert. Länge 7 Mm., Breite 3 Mm. In der Insurgentenhöhle bei Krbljine von mir entdeckt. Von Hexaurus Merkli Friv. und dessen Varietäten durch seine bedeutende Grösse und breite Form, die kahle Oberseite, die stark punktirten Flügeldecken und die Bildung des Mesosternalkieles sehr verschieden. 0. Protobracharthron1) Meitteri. Dilute ferrugineus, subtr anspar ens, nitidus, convexus, pube brevissima pul- verulenta disperse — in elytris densius — tectus, caput robustum, latitudine dimidio longius, nudum et vix punctatum • prothorax latitudine multo longior, parum convexus, subtiliter disperseque punctatus, lateribus paulo ante medium leviter rotundatus, ante basin subconstrictus ; elytra prothorace multo latiora, convexa, latitudine dimidio fere longiora, confertim et evidenter punctata ; antennae tenues, elongatae, corpus vix superantes, articulo secundo prima plus dimidio longior e, articulo 8 apice vix, articulo 7 et 9 evidenter incrassato, articulis 2, 3, 4, ö, 0, 7 et 9 sicut 8, 10 et 11 longitudine fere aequalibus ; pedes longi et graciles, femoribus tenuibus apicem versus incrassatis, tibiis subspinulosis, in mare quinque-, in 9 quadri-articulatis . Long. 4-5 mm., lat. 2 mm. Hell kastanienbraun, ziemlich glänzend, stark gewölbt, mit äusserst kurzer, fast staubartiger, jedoch abstehender Behaarung spärlich — auf clen Flügeldecken weit dichter — bekleidet; Kopf dick, um die Hälfte länger als breit, vor den Fühlerwurzeln am breitesten, kaum punktirt; Halsschild bedeutend länger als breit, dicht vor der Mitte am breitesten, schwach gewölbt, ziemlich zerstreut und ver- loschen punktirt; Flügeldecken stark gewölbt, viel breiter als der Halsschild, um die Hälfte länger als breit, dicht und stark punktirt. Fühler dünn, den Körper kaum überragend, Glied 1 kaum halb so lang als 2 und bedeutend dicker als dieses, Glied 8 am Ende kaum, hingegen die einschliessenden Glieder stark knötchenartig verdickt, Glied 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 9, sowie 8, 10 und 11 ziemlich von gleicher Länge. Beine lang und dünn, mit gegen die Spitze verdickten Schenkeln und fein bedornten Schienen, Tarsen beim cf fünf, beim 9 viergliedrig. Länge 4\5 Mm., Breite 2 Mm. Dem Hexaurus Merkli Friv. aus dem Kodscba-Balkan verwandt, von demselben jedoch durch den dicken, langen Kopf, schmalen Halsschild, die Kürze des ersten Fühlergliedes und durch die kurze, fast staubartige Behaarung leicht zu unterscheiden. Von mir in einer Grotte des Bezirkes Fojnica unweit Kresevo in einigen Exem- plaren aufgefunden. Es gereicht mir zu besonderem Vergnügen, diese ausgezeichnete Art dem rühm- lichst bekannten Coleopterologen Herrn Edmund Reitter, welcher sich durch seine eingehenden Studien der Grotten-Sylphiden um die Ivenntniss derselben ganz besonders verdient gemacht hat, freunclschaftlichst zu widmen. *) Protobracharthron Reitt. nov. gen. Siehe Deutsche entomologische Zeitschrift 1889, Heft II. Apfel b eck. Fauna insectorum balcanica. 515 II. Neue Otiorrhynchus -Arten und Varietäten aus Südbosnien und der Hercegovina. 1. Otiorrhynchus JEmiliae. Niger, adiposus; oblongo-ovatus ; captot et thorax — lateribus densius — griseo- luteis squamulis tectus, elytrae plus minusve dense squamulis metallicis piliformibus vestitae; rostrum rüde rugoso-punctatum, sulcatum , capite fere duplo longius, thorax rüde granulatus, longitudine latior; elytra in mare latitudine tertia parte longiores, in $ paulo ventricosae, punctato-striatae , in striis punctis tenuibus, interstitiis exasperatis, parvulis planisque granis , in cf sicut in 9 secundo et imprimis tertio aut tertio modo interstitio convexo. Pedes nigri , femoribus muticis valde incrassatis , tibiis apice spinulosis, in mare tibiis anticis in medio dilatatis. Antennae robustae, longi- tudine mediocres , funiculi articulo secundo primo longiore. Long. 9 — 10mm., lat. 4 — 5 mm. Schwarz, fettglänzend; Kopf und Halsschild, letzteres besonders an den Seiten dicht mit gelbgrauen Haaren, die Flügeldecken mehr minder dicht (besonders an den Seiten und gegen die Spitze) mit metallischen haarförmigen Schuppen bekleidet. Rüssel grobrunzelig punktirt, gefurcht, die Furche durch einen Längskiel getheilt, beinahe doppelt so lang als der Kopf, Scheitel ziemlich grob punktirt, Halsschild grob, auf der Scheibe flach gekörnt, im vorderen Drittel am breitesten, nach vorne allmälig, zur Basis plötzlich stark verengt, breiter als lang; Flügeldecken beim cf um ein Drittel länger als breit, beim 9 etwas kürzer als beim cf und etwas bauchig erweitert, punktirt gestreift, die Punkte in den Streifen seicht, die Zwischenräume rauh, mit sehr kleinen, flachen Körnern versehen, in beiden Geschlechtern der zweite und besonders der dritte oder nur der dritte Zwischenraum stärker erhaben, die anderen fast flach. Beine schwarz, Schenkel stark verdickt, alle Schienen an der Spitze mit einem kurzen, kräftigen Dorne versehen. Yorderschienen des cf in der Mitte nach innen verbreitert. Fühler kräftig, mässig lang, Glied 2 der Geissei länger als 1; 3 etwas länger als breit, 4 und 5 so lang als breit, kurz elliptisch und so breit als 3; 6 und 7 kugelig, gleich breit, aber breiter als 5. Länge 9 — 10 Mm., Breite 4 — 5 Mm. In der Umgebung von Sarajevo und bei Vrelo Bosne unter Steinen. Wurde von meiner Gattin, welcher ich diese Art declicire, entdeckt. Diese und die folgenden zwei Arten fallen in die Gruppe des bicostatus Boli. und gemellatus Stierl. (16. Rotte der Stierlin’schen Bestimmungstabellen der europäischen Curculioniden.) Von bicostatus durch die metallische Behaarung der Flügeldecken, die in beiden Geschlecktei’n vor- handenen schwach erhabenen Zwischenräume auf denselben, von gemellatus durch das auf der Scheibe nicht punktirte, sondern gleichmässig gekörnte Halsschild, Behaarung und die Wölbung der Zwischenräume leicht zu unterscheiden. 2. Otiorrhynchus Henschi. Niger, opacus; pube cana pulverulenta brevissima vestitus; rostrum carinatum, capite plus duplo longius, rugosum; thorax plane granulatus, lateribus valde rotun- dato-ampliatus, longitudine latior; elytrae punctato-striatae, in striis punctis pro- f un dis, in 9 subtilioribus , interstitiis densissime et subtilissime punctatis, perspicua grana gerentibus, in cf secundo et tertio interstitio convexo, in 9 Omnibus interstitiis fere aequaliter subconvexis. Pedes nigri, femoribus muticis valde incrassatis (cf), tibiis apice spinulosis, tibiis anticis etiam in cf simplicibus (non dilatatis). Long. 7 '5 — 8 mm., lat. 3-5 — 4 mm. 33* 516 III. Naturwissenschaft. Schwarz, matt; mit weissgrauem, sehr kurzem Haarfilze staubartig mehr minder dicht bekleidet. Rüssel gekielt, 1 1/2 mal so lang als der Kopf, gerunzelt, Scheitel äusserst fein und seicht punktirt, Halsschild flach gekörnt, seitlich stark gerundet erweitert, breiter als lang, ziemlich in der Mitte am breitesten, nach vorne allmälig, zur Basis plötzlich stark verengt, Flügeldecken punktirt gestreift, die Punkte in den Streifen tief, beim $ seichter, Zwischenräume äusserst dicht und fein punktirt, alle Zwischenräume mit sehr deutlichen Körnern versehen, beim cf der zweite und der dritte Zwischenraum etwas stärker, die anderen sehr wenig erhaben, beim $ alle fast gleich schwach gewölbt. Beine und Fühler wie bei der vorigen Art, die Vorderschienen beim cf jedoch normal (das heisst nicht erweitert). Kleiner und schmächtiger als der vorige. Besonders die 2 9 weniger plump. Länge 7 ‘5 — 8 Mm., Breite 3‘5 — 4 Mm. Bei Bilek in der Hercegovina von meinem verehrten Freunde Herrn k. und k. Regimentsarzte Dr. Hon sch entdeckt und in Mehrzahl gesammelt. Diese Art ist mit 0. gemellatus Stierl. und mit der vorigen nahe verwandt, unterscheidet sich jedoch von Ersterem durch das gieiclnnässig gekörnte Halsschild und die flachen Zwischen- räume des 2, sowie durch die auf die ganze Oberseite vertheilte staubartige Behaarung; von 0. Emiliae aber ganz besonders durch die tiefen Punkte in den Streifen der Flügeldecken, durch viel gröbere und dichtere Körner auf den Zwischenräumen und die kleinere, schwächere Gestalt. 3. Otiorrhynclius liopJiloeoides. Niger, splendore carens ; caput et thorax pilis longis haud erectis vestitus ; rostrum cccpite plus duplo longius, planum, carinatum, rüde punctatum, thorax granulatus, lateribus valde rotundato-ampliatus , longitudine latior, elytrae punctato-striatae, ubique (etiam in interstitiis) aequaliter et tenuiter granulatae, pube cupreo-metallica densi aequalique tectae, in cf secundo et tertio interstitio plus, quarto, quinto et septimo minus convexo, in 9 Omnibus interstitiis f er e aequaliter subconvexis ; elytrae in cf oblongo- ooatae , latitudine tertia parte longiores, in 9 breviato-ovatae , valde convexae, lati- tudine paulo longiores. Pedes longi, in cf robustissimi, femoribus valde incrassatis. cf Long. 10 — 11mm., lat. 5 mm. 9 Long. 8-5 — 10 mm., lat. 4'5 — 6 mm. Schwarz, glanzlos. Kopf und Halsschild mit ziemlich langen, anliegenden Haaren bekleidet. Rüssel 1 72 mal so lang als der Kopf, fast eben, deutlich gekielt, grob punktirt, Scheitel mit grossen, aber seichten Punkten, Halsschild gekörnt, an den Seiten sehr stark gerundet erweitert, im vorderen Drittel am breitesten, nach vorne allmälig, zur Basis plötzlich und stärker verengt, bedeutend breiter als lang. Flügeldecken punktirt gestreift, die Punkte in den Streifen tief und mässig gross, beim 2 seichter, Flügeldecken überall (auch in den Streifen) gleichmässig fein gekörnt, mit kupfrig- metallischem (mitunter in den Streifen grün -metallischem) Haarfilze dicht und gleichmässig bedeckt, beim cf der zweite und dritte Zwischenraum stärker, der vierte, fünfte und siebente schwach erhaben, beim 2 alle ziemlich gleich schwach gewölbt. Flügeldecken beim cf länglichoval, um ein Drittel länger als breit, beim 2 kurz ei- förmig, stark gewölbt und nur wenig länger als breit. Beine schwarz, beim cf sehr kräftig, Schenkel stark verdickt, die Fühler wie bei den vorhergehenden zwei Arten gebildet, cf Länge 10 — 11 Mm., Breite 5 Mm. 2 Länge 8\5 — 10 Mm., Breite 4‘5 — 6 Mm. Von Herrn Dr. He lisch in mehreren Exemplaren bei Bilek in der Hercegovina gesammelt. Das 2 dieser Art erinnert durch die breite, kurze und gewölbte Gestalt Apfel b eck. Fauna insectorum balcanica. 517 an den Habitus von Liophloeus. Diese Art gehört ebenfalls in die Gruppe des bico- stciins, ohne jedoch mit ihm nahe verwandt zu sein. Von den vorhergehenden zwei Arten unterscheidet sie sich durch grössere, kräftigere Gestalt, Behaarung und ganz besonders durch die gleich massige, fein körnige Sculptur der Flügeldecken. 4. Otiorrhynchus niveopictus. Niger, cf pubescenfia subtilissißna, elytrarum cingulo humerali et elytrarum apice sguamulis niveis met alles centibus, 9 ubique plus minusve squamulis fusco- metallicis vestitus; rostrum carinatum, dense 'punctatum, capite dimidio longius, antennae graciles, funiculi articulo secundo primo valde longiore, thorax longitudine paulo latior, lateribus valde rotundatus et convexus, fere glo- bosus, dense, aegualiter et subtiliter granulatus, tenuiter earinatus; in cf elytrae oblongo- ovatae, in 9 breviato-ovatae, punctato-striatae , interstitiis subconvexis , et tenuiter granulatis, cf abdomine impresso, segmento anali apice profunde impresso, ciliato; pedes nigri, fortes, tibiis intermediis ante apicevi emarginatis , tibiis posticis ciliatis. cf Lang. 9 — 10' 9 mm., lat. 4 — 4' 5 mm. 9 Lang. 9 — 9'5 mm., lat. 5 — 5'5 mm. Pedibus rufis: ab. saraj evensis. Schwarz, Oberseite beim cf fein pubescent und nur an der Spitze der Flügel- decken mit haarförmigen metallischen Schuppen bestreut; an der Wurzel der Flügeldecken bilden liell-silberweisse Schuppen beiderseits einen scharf be- grenzten, mehr minder ausgedehnten Fleck. Bei dem 9 ist die Beschuppung in Farbe und Ausdehnung sehr variabel, bei frischen 9 Exemplaren die ganze Oberseite mit metallischen haarförmigen Schuppen mehr minder dicht bekleidet. Rüssel gekielt, dicht punktirt, um die Hälfte länger als der Kopf, Fühler schlank, das zweite Geissel- glied bedeutend länger als das erste, Halsschild etwas breiter als lang, seitlich stark gerundet und gewölbt, fast kugelig, dicht und gleichmässig fein gekörnt, fein gekielt; Flügeldecken cf lang oval, 9 kurz eiförmig (viel kürzer, breiter und ge- wölbter als bei cribrosus ), punktirt gestreift, Zwischenräume schwach gewölbt, fein gekörnt, cf Analsegment an der Spitze eingedrückt und lang bewimpert, Beine schwarz, sehr stark entwickelt, cf nur die Mittelschienen vor der Spitze deut- lich ausgerandet, Hinterschienen des cf lang bewimpert, Vorder- und Mittelschienen des cf an der Spitze mit einem deutlichen Haken, Hinterschienen undeutlich bewehrt. Vorderschienen des cf vor der Spitze stark umgebogen, cf Länge 9 — 10'5 Mm., Breite 4 — 4‘5 Mm. 9 Länge 9 — 9-5 Mm., Breite 5 — 5\5 Mm. Beine rothbraun: ab. sarajevensis. Von mir auf dem Igmangebirge bei Ilidze und in den Wäldern der Vucja-luka bei Sarajevo entdeckt. Diese Art lebt in höher gelegenen Wäldern auf Nadelholz und jungen Buchen. Eigenthümlich ist die Art des Vorkommens. Merkwürdigerweise sind die 9 9 dieser Art viel seltener als die cf cf. Unter circa 40 Exemplaren fanden sich nur einige 9 9 . Die Aberration mit rothen Beinen fand ich nur in 9 Exemplaren. Das Thier scheint wenig verbreitet, da ich es sonst an keiner Localität als an obigen zwei beobachtete. Diese Art gehört infolge der gekrümmfen Vorderschienen des cf und ausgerandeten Mittelschienen etc. in die Gruppe des cribrosus (6. Rotte der Stierl in’ sehen Bestimmungs- tabellen), der europäischen Curculioniden). Er steht dem arrogans Friv. am nächsten durch den kugeligen Bau seines Halsschildes, durch die Beschuppung der cf cf, Länge des zweiten Fühlergliedes und Bau der Schienen des cf (nur die Mittelschienen aus- gerandet), unterscheidet sich von demselben aber ganz besonders durch den langen 518 III. Naturwissenschaft. Rüssel und die Sculptur des Halsschildes, welches bei arrogans punktirt, hei der vor- stehenden Art jedoch stets gekörnt ist, ferner durch die Sculptur der Flügeldecken, welche hei arrogans gereiht punktirt sind und punktirte, schwach gerunzelte Zwischenräume haben, während hei niveopictus die Flügeldecken punktirt-gestreift sind und fein gekörnte Zwischenräume aufweisen. Von cribrosus unterscheidet er sich durch die Besch uppung des cf und die breitere, kürzere, gerundete Form des 9, langen Rüssel, Länge des zweiten Geisselgliedes, durch das seitlich stark gerundete, fast kugelige, gekörnte Halsschild und den Bau der Schienen des cf, indem hei niveopictus nur die Mittelschienen, hei cribrosus jedoch alle Schienen (des cf) vor der Spitze ausgerandet sind. 5. Otiorrhynchus (Dodecasticlius) aurosignatus hot. spec. Oblongo-ovatus, niger, capite lato; rostro brevi , capite paulo longiore , apicem versus evidenter aequaliterque angustato, carinato, supra plano; prothorace latitudine breviore confertim granulato, dorso rugoso-granulato vel rugoso-punctato , lateribus modice rotun- dato-ampliato , subconvexo ; elytris lateribus parum dilatatis, subtiliter punctato-striatis, interstitiis inaequaliter haud confertim rugoso-granulatis, maculis aureis vel viridi- aureis confertim vestitis, apice conjunctim rotundatis ; antennis mediocribus, piceis vel rufo-piceis, funiculi articulis externioribus latitudine paulo longioribus; pedibus rufis, genuibus nigris. Long. 8 — 11 mm. cf Segmento anali non impresso, apice ciliato; tarsorum articulo secundo trans- verso (latitudine multo breviore). 9 Elytris latioribus, lateribus fortius rotundato-ampliatis ; rostro breviore ; pro- thorace paulo angustiore. Aberrcitiones et varietates: a) pedibus obscurioribus vel nigris: ab. obscuripes mihi. b) elytris subtilissime vel non punctato-striatis, rugoso-granulatis, granis depla- natis, obsoletis, maculis cupreis valde metallescentibus obsolete vestitis vel fere nudis; antennis brevioribus, funiculi articulis externioribus subglobosis, latitudine non longioribus; prothorace latiore, lateribus fortius rotundato-ampliato : var. vlasul- jensis mihi. In alpibus ad finem Montenegri et Hercegovinae ( Volujak , Vlasulja, Morine planina). Länglich-eiförmig, schwarz, ziemlich glänzend; Kopf breit, Rüssel kurz und breit, wenig oder kaum länger als der Kopf, von diesem nicht abgesetzt, zur Spitze deutlich und gleichmässig verschmälert, gekielt, oben eben (nicht gefurcht); Halsschild breiter als lang, dicht gekörnt, auf der Scheibe, besonders gegen den Vorder- rand zu, runzelig gekörnt oder runzelig punktirt, an den Seiten mässig erweitert, oben wenig gewölbt; Flügeldecken beim cf an den Seiten sehr wenig ausgebaucht, mit feinen Punktstreifen, die Zwischenräume ungleich mässig und wenig dicht runzelig gekörnt, mit hellgrünen oder goldgrünen, stark metallischen Haarflecken dicht bekleidet, an der Spitze gemeinsam abgerundet; Fühler mässig lang, pechbraun oder röthlich, die äusseren Gieisselglieder wenig länger als breit. Länge 8‘0 — ILO Mm. cf Analsegment nicht eingedrückt, an der Spitze mit goldgelben Haarbüscheln, zweites Tarsenglied bedeutend breiter als lang, quer. 9 Flügeldecken breiter, ei- förmig, seitlich stärker ausgebaucht; Rüssel kürzer, Halsschilcl etwas schmäler. In der mittleren Waldregion der südbosnischen Gebirge auf Nadelholz sehr häufig und weit verbreitet. Apfelbeck. Fauna insectorum balcanica. 519 Er variirt: a) Beine dunkler oder ganz schwarz: ah. obscuripes mihi. b) Flügeldecken ohne oder nur mit sehr feinen Punktstreifen, Zwischenräume verloschen runzelig gekörnt, die Körner ganz abgeflacht, meist nur Spuren davon; mit kupfrigen, stark metallischen, sehr zerstreuten Haarflecken oder fast ganz nackt; Fühler viel kürzer und gedrungener, die äusseren Geisselglieder nicht länger als breit, fast kugelig; Halsschild breiter, an den Seiten stärker gerundet erweitert: var. vlasuljensis mihi. Auf der Höhe des Volujak und der Vlasulja an der hercegovinisch-montenegrinischen Grenze unter Steinen. Hochalpine Form. Die alpinen Stücke des aurosignatus von der Visocica planina in Südbosnien ver- mitteln einen Uebergang von der typischen Form zu der Varietät vlasuljensis. Der typische aurosignatus ist dem Dodecastichus contr actus etwas ähnlich, unter- scheidet sich von ihm aber durch die viel unregelmässigere, flachere Sculptur, die hell- grünen, dichten Flecken der Flügeldecken und die breiteren Tarsen, besonders das quere zweite Tarsenglied des cf. Von den geniculatus- Formen sicher specifisch verschieden durch den kürzeren, vom Kopfe nicht abgesetzten, zur Spitze gleichmässig verschmälerten Rüssel, schlankeren Körperbau, breitere Tarsen, queres zweites Tarsenglied des cf und gedrungenere Fühler. Am nächsten verwandt ist er mit dolomitae Iviesenw., von dem er sich nur durch die hellgrünen oder goldgrünen, stark metallischen rundlichen, wenig oder nicht in- einanderfliessenden Haarflecken, längere Fühler und breitere Tarsen (beim cf queres zweites Tarsenglied) unterscheidet. 6. Otiorrhynchus ( Dodecastichus J geniculatus Germ. var. Ganglbaueri. Elytra maculis anreis confertissime vestita ; cf tibiis anticis subtilius denti- culatis. Die goldigen Haarflecken der Flügeldecken sind sehr dicht und fliessen oft so zusammen, dass die ganzen Flügeldecken davon bedeckt erscheinen. Die Vorderschienen des cf viel schwächer gezähnelt als bei der Stammform. Auf blühendem Rhamnus alpinus in der oberen Waldregion der südbosnischen Gebirge. 7. Otiorrhynchus geniculatus Germ. var. Mppelsheimi. Maculis viridi-griseis vel viridi-fuscis s u b rnetallescentibus ; rostro latiore; pedi- bus nigris vel piceis. Die Haarflecken erscheinen graugrün oder bräunlichgrün mit schwacher, erst unter der Lupe wahrnehmbarer Metallescenz; Rüssel breiter, Beine ganz schwarz oder pechbraun. In hochgelegenen Gebüschen und auf Nadelholz bei Sarajevo. 8. Otiorrhynchus geniculatus Germ. var. herbiphagus. Maculis cupreis vel auro-cupreis valde rnetallescentibus. Antennis multo bre- vioribus, funiculi articulis externioribus latitudine in cf paulo , in $ vix longioribus. Pedibus nigris vel piceis. Haarflecken kupferig oder goldig-kupferig, stark metallisch; Fühler viel kürzer als bei der Stammform, mit beim cf wenig, beim $ kaum länger als breiten äusseren 520 III. Naturwissenschaft. G eisselgliedern; Beine schwarz. Alpine Form. In der Treskavica planina hei Sarajevo auf Pflanzen an der Baumgrenze. 9. Otiorrhynchus truncatus var. viridi-limbatiis. Elytrorum thoracisque later ibus viridi-metallicis squamis confertissime vestitus. Vor der Stammform dadurch sehr ausgezeichnet, dass die Seitenränder der Flügel- decken und meist auch die Seiten des Thorax mit hellgrünen, metallischen oder goldigen Schuppen dicht bekleidet sind. Sonst wie die typische Form. Auf den höheren Gebirgen in der Umgehung von Sarajevo auf Nadelholz, ziemlich verbreitet, aber sehr einzeln. Trebevic, Vucja-luka, Igman. Ein Exemplar liegt mir aus Mostar vor (Keller). Es scheint dieses Thier somit innerhalb Bosnien-Hercegovina eine grosse Verbreitung zu haben. Alle mir aus Süd- bosnien vorliegenden Exemplare haben grüne oder goldige Schuppen, welche auch bei abgeriebenen Exemplaren nie ganz verschwinden. Die Stammform sammelte ich nur bei Trebinje in der Bjelagora an der Baumgrenze auf Nadelholz in grösserer Anzahl, hingegen fehlt dort die var. viridi-limbatus. III. Die bosnisch-hercegovmischen Formen der Tribus „Carabini“.1) 1. Genus: Calosoma Weber. 1. Inquisitor L. Aus Nordbosnien (Brod). 2. sycoplianta L. Aus Nordbosnien (Gradacac), häutiger in der Hercegovina (Domano- vic). Scheint in der Hercegovina, wo Eichenwälder sich vorfinden, nicht selten zu sein. Zwei Exemplare fand ich voriges Jahr im August auf der Höhe des Volujak, hochalpin unter Steinen in der Nähe der Schneefelder, in einer Höhe von circa 2200 M. 3. auropunctatum Herbst. Im Sumpfgebiet des Mostarsko-blato bei Mostar. Nach Ganglbauer lebt diese Art auf sandigen Flächen und Feldern; ich habe diese Art bisher nur in Sümpfen gesammelt (und fand sie auch im Sumpfgebiet des Wajakjöjsees bei Burgas in Ostrumelien). 2. Genus: Procerus Dejean. 4. qigas Crtz. = scabrosus Fabr. Im ganzen Gebiete, besonders in Bosnien verbreitet, aber vereinzelt. Bei manchen Exemplaren zeigt sich an den Rändern oder Schultern der Flügeldecken, bisweilen auch des Halsschildes ein schwacher, aber deutlicher blauer Metallschimmer (limbatus Haury). Bei Visegrad im südöstlichen Bosnien, unweit der serbischen Grenze fand der k. und k. Hauptmann Herr Pawelka zwei ganz blaue Procerus gigas. Jene Procerus sowohl, welche Sendtner in seinem Reiseberichte über Bosnien (Ausland, Jalirg. 1848), als auch A. Boue in seinem Werke (La Turquie de l’Europe, Band I) als Procerus scabrosus anführen, sind jedenfalls als scabrosus Fabr. und nicht als scabrosus Olivier, welcher nur in der südöstlichen euro- päischen Türkei vorkommt, aufzufassen. fl Die systematische Stellung’ auf Grund des Werkes: '„Die Käfer von Mitteleuropa“ von L. Gangl- bauer, 1892. Apfelbeck Fauna insectorum balcanica. 521 3. Genus: Carabus L. a) Subgenus: Procrustes Bon. 5. coriaceus L. a) var. rugosus D. = proximus Reitt. In der Hercegovina verbreitet, aber selten. ß) var. subrugosus Kr. und v) var. Hopffgarteni Kr. Im südlichen Bosnien, besonders bei Sarajevo nicht selten und hoch ins Gebirge aufsteigend. Ich fand sowohl in der alpinen Region der Bjelasnica planina bei Sarajevo, als auch am Volujak an der hercegovinisch- montenegrinischen Grenze dieses Thier am Rande der Schneefelder unter Steinen. Die bosnische Hopffgarteni und subrugosus erreichen nie die Grösse der ser- bischen Stücke und sind auch durch stärker ausgeprägte primäre Grübchen abweichend. b) Subgenus: Megodontus Sol. 6. caelatus Fabr. a) var. sarajevensis Apfelb.1) In den Gebirgswäldern um Sarajevo, aber sehr selten. ß) var. procerus Reitt. An der hercegovinisch-montenegrinischen Grenze bei Bilek. y) var. ljubinjensis Haury. Bei Ljubinje. o) var. Volujakianus Apfelb. (nov. var.). Multo minor et brevior, prothorace valde angustate, elytris viridi-metallicis , subtilius sculptis. Long. 26 — 28 mm. Bedeutend kleiner und kürzer als normale caelatus, mit auffallend schmalem Halsschild und feinerer Sculptur der Flügeldecken. Diese grün, ohne Spuren von blauen Schimmer. Alpine Form. Am Volujak in einer Höhe von circa 2200 M. unter Steinen am Rande von Schneefeldern von mir aufgefunden. 7. croaticus Dej. In Bosnien verbreitet und in den meisten Gebirgswäldern nicht selten. Die var. bosnicus Apfelb. höher im Gebirge (Treskavica planina) und viel seltener. Die var. carneolicus Geh. bei Fojnica (Bosnien). Diese Art fehlt in der Hercego- vina, wo sie durch caelatus- Formen ersetzt scheint. 8. violaceus L. a) var. Germari Sturm. Nordwestliches Bosnien. ß) var. azurescens Dej. Verbreitet im centralen und südlichen Bosnien in Ge- birgswäldern. Seltener in der Hercegovina. y) var. vlasuljensis Apfelb.2) (nov. var.). Viel kleiner als normale azurescens , meist auch feiner sculptirt; Färbung der Oberseite meist mit grünem oder Purpur- schimmer; Seiten des Halsschildes und der Flügeldecken meist grün oder purpurroth. Länge: 20 — 23 Mm. Hochalpine Form. Am Rande von Schnee- feldern auf der Vlasulja (Volujak). c) Subgenus: Pachystus Mötsch. 9. cavernosus Friv. In der Cvrsnica planina (Hercegovina) von Sr. Hochwürden Herrn Pater E. Brandis und bei Travnik von Herrn Oberförster Geschwind gesammelt. 9 Major, robustior, fortius sculptus, viridi- vel purpureo-metallescens, prothorace breviore latioreque, elytris latiorihus fortius ampliatis. Siehe: „Glasnik“, Sarajevo 1890, S. 100. 2) var. azurescenti proximus, sed multo minor, subtilius sculptus; elytris viridi- vel purpureo-metallescenti- bus, elytrorum prothoracisque marginibus virulibus vel purpureis. Long. 20 — 23 mm. 522 III. Naturwissenschaft. d) Subgenus: Chaetocarabus Thoms. 10. intricatus L. Im ganzen Gebiete. Die ausgeprägte Form „morden egrinus Krtz.“ fehlt jedoch. e ) Subgenus: Platycarabus Moraw. 11. irregularis Fahr. Häufig in einigen Gebirgswäldern Südbosniens (Igmangebirge). Die Varietäten fehlen hierzulande. In der Hercegovina ist diese Art noch nicht beobachtet. - — Creutzeri Fahr. Fehlt in Süd- und Centralbosnien, dürfte aber jedenfalls in den Kalkgebirgen im nordwestlichen Theile (croatisch-bosnische Grenze) Vorkommen. f) Subgenus: Hygrocarabus Thoms. 12. variolosus Fahr. Mehrere Exemplare aus Süd- und Centralbosnien. Geht auch hoch ins Gebirge (Trebevic bei Sarajevo). g) Subgenus: Carabus s. str. 13. granulatus L. Im ganzen Gebiete, doch nicht häufig. 14. cancellatus Illig. var. nigricornis Dej. und var. emarginatus Duft. Im ganzen Gebiete, aber selten. Die typische Form fehlt. 15. Ulrichi Germ, et var. viridulus Krtz. Selten. Bei Sarajevo, Ivrupa und Uvac (Dr. Hensch) gesammelt. 16. catenatus Panz. Nur wenige Exemplare von der bosnisch -croatischen Grenze (Livno). 17. Parreyssi Pall. var. Gattereri Gehin. Verbreitet in ganz Bosnien; geht hoch ins Gebirge. Die var. Ganglbaueri Apfelb. ist sehr selten und nur in der alpinen Region (Vlasic, Gola Jahorina, Bjelasnica) aufzufinden. Die Art lebt so wie die hier ganz fehlenden Formen des Carabus Hoppei und ist als Vertreter derselben in den bosniscli-croatischen Gebirgen anzusehen. Er geht allerdings tiefer herab, ist jedoch ein echter Hochgebirgsbewohner, speciell der Kalkformation. Ein aus- gesprochener Karstbewohner ist er nicht, da er auch in Gebirgswaldungen heimisch ist. 18. Scheidleri Panz. var. Illigeri Dej. und var. c-urtulus Gglb. Auf den Gebirgen Süd- und Centralbosniens (Vlasic, Trebevic, Semec), aber sehr vereinzelt. Als bisher unbekannt ist zu erwähnen, dass diese beiden Varietäten auch in grüner Färbung (am ähnlichsten der Form aeneipennis Sturm) Vorkommen. Von Illigeri fand ich zwei grüne Stücke in den Gebirgen bei Pakrac (Slavonien); einen grünen curtulus besitze ich vom classischen Fundort (Vlasic bei Travnik). Curtulus ist als die einzige bekannte hochalpine Form des Scheidleri sehr bemerkenswerth. 19. scabriusculus Oliv. Im centralen (Travnik), südlichen (Sarajevo) und südöstlichen Bosnien (Bjelobrdo). 20. montivagus Pall. var. velebiticus Hampe. Sehr verbreitet in den Gebirgen Süd- und Centralbosniens, aber überall sehr einzeln. Auch in der Plercegovina bei Bilek im Gebirge beobachtet. Lebt haupt- sächlich in Gebirgswäldern auf Karstterrain; fehlt der hochalpinen Region. 21. convexus Fahr. var. dilatatus Dej. Nicht selten in den Gebirgen Südbosniens. Auch in der alpinen Region (Volujak) unter Steinen. Apfelbeck. Fauna insectorum balcanica. 523 22. hortensis L. Häufig in den Wäldern Südbosniens, geht auch hoch ins Gebirge. Ich fand mehrere Stücke am Volujak an der Baumgrenze. Die var. Neumayeri Schaum ist in der westlichen Hercegovina verbreitet, aber nicht häufig. 23. carinthiacus Sturm. In einigen südbosnischen Gebirgen alpin unter Steinen; auch subalpin in Wäldern in faulen Baumstrünken (subalpin bei Vares; alpin auf der Zec planina und Vranica). 4. Genus: Cychrus Fahr. 24. semigranosus Pall. In Gebirgswäldern ziemlich verbreitet, aber sehr selten. 25. attenuatus Fahr Bisher nur am Igmangebirge bei Sarajevo (subalpin) wiederholt gefunden. IV. Die bosnisch-hercegovinischen Arten der Tribus „Pterostichini“.1) 1. Genus: Olliplueus Dejean. 1. morio var. Beckianus Gglb. In manchen Gebirgswäldern im südlichen Bosnien und der Hercegovina (Bilek) nicht selten unter Baumrinden. Auch in der alpinen Region mitunter an Schneefeldern unter Steinen (Bjelasnica planina, Visoöica planina, Volujak). 2. Genus: Platynus Bonelli. a) Subgenus: Anchomenus Bon. 2. ruficorius Goeze. Nicht selten bei Sarajevo. b) Subgenus: Platynus Bon. s. str. 3. scrobiculatus F. Nicht selten unter fauler Baumrinde, geht hoch ins Gebirge hinauf. c) Subgenus: Limodromus Mötsch. 4. assimilis Payk. Nicht häufig. In Mehrzahl bei einem kleinen Sumpfe in der Treskavica planina an der Baumgrenze. cl) Subgenus: Agonum Bon. 5. Bogemcinni Gyll. Ein Exemplar von Ivrupa (Bosnien). 6. quadripunctatus Deg. In der Vucjaluka unter Baumrinden; sehr selten. 7. sexpunctatus L. Im ganzen Gebiete. 8. viridi-cupreus Goeze. Bei Sarajevo und Gacko (Hercegovina). Selten. 9. marginatus L. Bei Bilek. 10. Mülleri Herbst, Bedel, F. Im ganzen Gebiete. 11. viduus Panz. Im ganzen Gebiete. Auch am Volujak ober der Baumgrenze (Braj- cindaz) bei einem kleinen Alpensee. var. moestus Duft. Mit Vorigem bei Sarajevo (Vrelo Bosne) und Domanovic. e) Subgenus: Europhilus Chaud. 12. antennarius Duft. Bei Vrelo-Bosne und in der Vucjaluka an feuchten Stellen unter Steinen. 0 Der unter diesem Titel im „Glasnik zemaljskog muzeja u Bosni i Hercogovinu“, Jahrg. 1890, S. 401 — 406 erschienene Aufsatz stand auf Basis des Catalogus Coleopterorum Europae edit. 1883 und erscheint hier nach dem Werke „Die Käfer Mitteleuropas“ von L. Ganglbauer, Wien 1892, von mir umgearbeitet. 524 III. Naturwissenschaft. 13. micans Nik. Bei Reljevo an der Bosna. Selten. 14. fuliginosus Panz. Sarajevo. Selten. f) Subgenus: Clibanarius Gozis. 15. dorsalis Pont. Gemein im ganzen Gebiete. 3. Genus: Olisthopus Dejean. 16. rotundatus Payk. Bei Sarajevo an den Abhängen des Trebevic unter Steinen und Moos. Selten. 17. glabricollis Germ. Nicht selten in der Hercegovina unter Steinen (Mostar, Utovo- blato). 18. fuscatus Dej. Bei Domanovic. Sehr selten. 4. Genus: Calathus Bonelli. 19. glabricollis Dej. Domanovic (ex collect. Hensch). 20. bosnicus Gglb. In den Hochgebirgen Südbosniens und der Hercegovina sehr häufig. Alpin unter Steinen. Auch hochalpin am Rande der Schneefelder. 21. fuscipes Goeze, Bedel, F. Im ganzen Gebiete gemein. Geht auch in die alpine Region. var. punctipennis Germ. In der Hercegovina am Utovo-blato. 22. erratus Sahib. = fulvipes Gyllh. In der Preslica planina. 23. ambiguus Payk. = fuscas F. Häufig bei Mostar. In Bosnien noch nicht beob- achtet. 24. metallicus Dej. Nicht selten in den Hochgebirgswäldern Südbosniens. 25. micropterus Duft. Bei Sarajevo. 26. melanocephalus L. Gemein im ganzen Gebiete; auch in der alpinen Region. 27. mollis Marsh. Nur von Domanovic und Neum am Meere. 5. Genus: Laeinostenus Bonelli. a) Subgenus: Laemostenus s. str. 28. complanatus Dej. Ein Stück von der hercegovinischen Grenze bei Ragusa. b) Subgenus: Pristonychus s. str. Schauf. 29. punctatus Dej. In den Gebirgen bei Sarajevo unter Steinen. Selten. 30. elongatus Dej. Mit Vorigem bei Trebinje; auch in den Höhlen bei Dobricevo, Mosko und Dobrunje. c) Subgenus: Cryptotriehus Schauf. 31. janthinus Duft. Wie punctatus bei Sarajevo. 32. dalmatinus Dej. In der Hercegovina (Ljubinje); in der Bjelagora bei Trebinje nahe der Baumgrenze unter Steinen. d) Subgenus: Antisphodrus Schauf. 33. bosnicus Reitt. .In den Höhlen bei Sarajevo und Kresevo. Sehr selten. 34. Aeacus Mill. In den Höhlen bei Mosko und Dobricevo (Hercegovina). Ein Stück fing ich in der Bjelasnica planina bei Sarajevo an einem Schneefeld im Juli unter einem grossen Steine. 6. Genus: Sphodrus Clairville, Gglb. 35. leucophthalmus L. Aus Kellern bei Sarajevo und bei Ljubinje. Apfelbeck. Fauna insectorum balcanica. 525 7. Genus: Platyderus Seliaum. 36. rufus Duft. Nicht selten hei Sarajevo. 37. dalmatinus Mill. Nur in der Hercegovina beobachtet (Bilek, Trebinje). 8. Genus: Pterosticlius Bonelli. a) Subgenus: Poecilus s. str. Chaud. 38. Koyi Grm. In der Hercegovina verbreitet, auch im Hochgebirge. Bradina (Preslica planina), Domanovic, Bilek, Trebinje (Bjelagora). 39. lepidus Leske. In Südbosnien sehr selten, noch seltener in der Hercegovina. 40. cupreus L. Im ganzen Gebiete. Bemerkenswerth sind die grossen breiten, dunkel- kupferigen Exemplare vom Mostarsko-blato. var. affinis Strm. (mit rothen Beinen) ist sehr selten; nur ein Exemplar von Sarajevo. 41. coerulescens L. Die verbreitetste Art in Südbosnien; auch in den Hochgebirgen der Hercegovina (Brajcin-laz bei Cemerno, Lebrsnik). 42. cursorius Dej. Diese südeuropäische Art ist am Mostarsko-blato und Utovo- blato nicht selten. b) Subgenus: Ancholeus Chaud. 43. puncticollis Dej. In Gesellschaft des Vorigen, aber weit seltener. c) Subgenus: Lagarus Chaud. 44. vernalis Panz. Bei Sarajevo. var. Cursor Dej. Bei Neum (Hercegovina). d) Subgenus: Lyperosomus Mot. 45. elongatus Duft. An den Sümpfen des Mostarsko-blato und bei Metkovic (Dracevo). 46. aterrimus Payk. An den Sümpfen bei Livno (Reiser) und am Utovo-plato bei Dracevo. e) Subgenus: Bothriophorus Chaud. 47. oblongo-punctatus F. Häufig und verbreitet in den Wäldern Südbosniens. f) Subgenus: Platysma Bon., Steph. 48. niger Schall. Igman, Vucj aluka. g) Subgenus: Omasus Dej., Gglb. 49. vulgaris L. Gemein im ganzen Gebiete. h ) Subgenus: Pseudomaseus Chaud. 50. nigritus F. Vrelo-Bosne, Vucjaluka. 51. anthracinus 111. Häufig an den hercegovinischen Sümpfen. In Südbosnien selten (Reljevo). 52. gracilis Dej. Domanovic (Hensch). 53. minor Gyllh. Utovo-blato bei Metkovic. i) Subgenus: Argutor Steph. 54. interstinctus Sturm. Bei Sarajevo. 55. strenuus Panz. Ebenda; Vucjaluka; häufiger wie der Vorige. 56. diligens Sturm. Vucjaluka (ein Exemplar). k) Subgenus: Haptoderus Chaud. 57. brevis Duft. Nicht seiten in den Gebirgswäldern um Sarajevo. I) Subgenus: Pseudorthomus Chaud. 58. unctulatus Duft. Wie der Vorige, aber seltener. 526 III. Naturwissenschaft. m) Subgenus: Steropus Dej. 59. Uligeri Panz. In den Gebirgen im nordwestlichen Bosnien. n) Subgenus: Cophosus Dej. 60. cylindricus Herbst. Ein Exemplar aus Krupa (Bosnien). o) Subgenus: Pterostichus s. str. 61. melas Crtz. Ueberall häufig; auch im Hochgebirge. 62. metallicus F. Gemein in allen Wäldern Südbosniens, auch in der Hercegovina. 63. fcisciato-punctatus Crtz. Selten und örtlich beschränkt; in den Hochgebirgswäldern der Treskavica planina bei Gebirgsbächen. 64. Brucki Schaum. = Meistert Reitt. In den Gebirgswäldern Südbosniens ziemlich verbreitet und nicht selten. Fehlt in der Hercegovina. 65. Reiser i Gglb. Wurde von mir in der Treskavica planina entdeckt, wo sie unter Steinen und unter Laub lebt. Bemerkenswerth ist, dass ich ein cf des Reiseri mit einem 9 des Brucki in copula fand. 66. Jurinei Panz. Ein Exemplar von Fojnica (Bosnien). 67. variolatus Dej. var. carniolicus Gglb. ( Welensi Dej.). In den Wäldern um Sara- jevo, jedoch selten. Geht auch hoch ins Gebirge. Bjelasnica, Kara-Mustafa-cajir. 9. Genus: Tapinopterus Schaum. Subgenus: Speluncarius Reitt. 68. multisetosus Apfelb. nov. spec.1) In einer kleinen Höhle bei Mosko in der Herce- govina von mir entdeckt. 10. Genus: Abax Bonelli. 69. striola Fabr. Hercegovina (Hensch). 70. carincitus Duft. Häutig am Igmangebirge bei Sarajevo, auch in der Hercegovina. var. porcatus Duft. Sehr selten. 71. ovedis Duft. Im ganzen Gebiete (am Igman häufig). 72. pcirallelus Duft. Hercegovina (Hensch). 11. Genus: Myas Dejean. 73. chalybaeus Pall. In der Umgebung von Sarajevo, sehr selten; häufiger vielleicht in der Hercegovina, Domanovic (Hensch). 12. Genus: Molops Bonelli. 74. striolata Fabr. In den Gebirgen des nordwestlichen Bosnien (Reiser). 75. bosnica Gglb. An den Schneefeldern der Bjelasnica planina im Hochsommer 1889 von mir aufgefunden. 76. simplex Chaud. ( croaticus Kr.). Sehr verbreitet im ganzen Gebiete. 77. alpestris Dej. Häufig in den Wäldern Südbosniens; geht auch hoch ins Gebirge. Die ab. rubripes Gglb. (pedibus rubris) mit rothen Beinen ist selten. 78. vlasuljensis Gglb. Im Hochsommer 1890 von mir bei den Schneefeldern der Ylasulja an der montenegrinischen Grenze in mehreren Exemplaren aufgefunden. Diese Art ist in Grösse und Gestalt sehr variabel. 79. Pareyssi Kr. In der Bjelagora bei Trebinje an der Baumgrenze sehr selten. 1) Wiener entomologische Zeitung, 1892, Heft XII. Apfelbeck. Fauna insectorum balcanica. 527 80. ApfelbecJci Gglb. Am Vqjulak am Rande der Schneefelder unter Steinen von mir entdeckt 1890. In Gesellschaft des Stenochoromus var. nivalis m., jedoch höchst selten. 81. obtusangulus Gglh. Wurde von mir in der Bjelagora hei Trebinje an der Wald- grenze entdeckt. Auch bei Bilek. 82. curtula Gglb. Diese neue Art wurde von mir in den Wäldern der Vuöjaluka ent- deckt, wo selbe — - auf einen kleinen Waldtheil beschränkt — in Gesellschaft der Molops austriaca lebt. Die Verbreitung dieser Art scheint sehr gering zu sein, denn ich fand sie bisher sonst nirgends, während die anderen wald- bewohnenden Molops-mke n, wie alpestris, simplex und austriaca , in allen Wäldern Südbosniens und zum Theile auch der Hercegovina häufig Vorkommen. 83. picea Panz. Sehr selten; merkwürdigerweise in Bosnien nur alpin, Bjelasnica planina (Opancak). 84. austriaca Gglb. Sehr häufig und verbreitet in den Wäldern Südbosniens. 85. ovipennis Chaud. Einige Exemplare von der Velez planina bei Nevesinje an der Waldgrenze. Die var. Hopffgarteni Heyden in der Osjecenica planina im Nordwesten Bosniens gesammelt (Reiser). Subgenus: Stenochoromus Mill. 86. montenegrinus Mill. Von dieser im westlichen Montenegro einheimischen Art fand ich eine neue Varietät, welche sich durch viel geringere Grösse, schmälere Gestalt und stets ganz kastanienbraune Färbung auszeichnet, im Hochsommer 1890 bei den Schneefeldern des Volujak und der Vlasulja in grösserer Menge (über 100 Exemplare). Ich mache auf diese interessante hochalpine Form — im Gegensätze zu der typischen, welche in den Wäldern Westmontenegros in morschen Baumstämmen lebt — als: var. nivalis (multo minor , augustior, in totum castaneus) aufmerksam. Die typische Form dürfte in Bosnien und Hercegovina kaum Vorkommen. Die kastanienbraune Färbung ist bei allen Exemplaren gleich und darf durch- aus nicht auf Immaturität zurückgeführt werden, denn ich fand auch einige todte vorjährige Exemplare, welche genau dieselbe Färbung hatten. Es ist dieselbe somit absolut charakteristisch. Die var. Ganglbaueri Apfelb.1) findet sich auf der Bjelagora bei Trebinje an der Baumgrenze unter Steinen. 13. Genus: Stoillis Clairv. 87. pumicatus Panz. Vuöjaluka bei Sarajevo. Selten. x) Niger St. montenegrino similis, sed multo minor et angustior; capite ovali angustioreque post oculos vix constricto; proihora.ee multo angustiore, elongato-subcordato et basin versus minus angustato, haud transversim- ruguloso, basi utrinque profundius foveolato et bistriato, striis interioribus profundioribus longioribusque, striis exterioribus subtilioribus brevioribusque. Schwarz, wenig glänzend, dem St. montenegrinus ähnlich, aber bedeutend kleiner und viel schmäler, mit ovalem und schmälerem, hinter den Augen unmerklich eingeschnürtem Kopfe. Der Prothorax ist um Vieles schmäler und verlängert herzförmig, gegen die Basis weniger verengt, ohne Spur von Querrunzeln, welche bei montenegrinus zwar seicht, aber deutlich wahrnehmbar sind. Die Basaleindrücke in den Ecken ^es Prothorax sind tiefer, die inneren Stricheln in denselben tiefer und länger, die äusseren schwächer und kürzer (bei montehegrinus gerade umgekehrt). 528 III. Naturwissenschaft. V. Die bisher in Bosnien-Hercegovina beobachteten „Cerambiciden“. A. Tribus: Spondylini.1) I. Genus: Spondylis Fabricius. 1. buprestoides L. Konjica (Hercegovina). In Bosnien noch nicht beobachtet. B. Tribus: Prionini. 2. Genus: Prionus Geoffroy. 2. coriarius L. Verbreitet im südlichen Bosnien. 3. Genus: Ergates Serville. 3. fab er L. Bogatica. Die Larve dieser Art fand ich in grösserer Zahl in morschen Stämmen von Pinus silvestris bei Visegrad. Als Imago bei Bjelobrdo und Uvac (Dr. He lisch). 4. Genus: Aegosoma Serville. 4. scabricorne Scop. Ljubinje, DomanoviA 5. Genus: Tragosoma Serville. 5. depsarium L. Diese seltene Art fand ich wiederholt im Larvenzustande am Iginan- gebirge. Als Imago nur ein Exemplar von Livno. C. Tribus: Lepturini. 6. Genus: Rhagium Fabricius. 6. sycophanta Schrak. Im ganzen Gebiete. 7. mordax Deg. Verbreitet in Bosnien; in der Hercegovina noch nicht beobachtet. 8. bifasciatum F. Verbreitet in Bosnien; in der Hercegovina noch nicht beobachtet. 9. Inquisitor L. Verbreitet in Bosnien; in der Hercegovina noch nicht beobachtet. 7. Genus: Rhamnusium Latreille. 10. bicolor Schrak. Krupa (Bosnien), Podorosac (Hercegovina). 8. Genus: Xylosteus Frivaldsky. 11. Spinolae Friv. Von diesem höchst seltenen Tliiere wurde ein Exemplar bei Fojnina (Bosnien) gesammelt; die Beste eines zweiten Exemplares fand ich in der Höhle bei Han Bulog, vermuthlich von einer Fledermaus dorthin verschleppt. Ein drittes Exemplar von Bradina (Hercegovina). 9. Genus: Leptorrhabdium Kraatz. 12. gracile Kr. Dieses bisher nur in wenigen Exemplaren bekannte Thier wurde von Dr. Brancsilc an der hercegovinischen Grenze im Oriengebiete (Krivoscie) in einem Exemplar erbeutet. 10. Genus: Oxymirus Mulsant. 13. Cursor L. Im südlichen Bosnien häufig. II. Genus: Toxotus Serville. 14. meridianus L. Bogatica, Cemerno. l) Die Anordnung ist nach dem „Catalogus Coleopterorum Europae, Caucasi et Armeniae Rossicae auctoribus Dr. L. v. Heyden, E. Reitter et J. Weise, edit. 1891“. Apfelbeck. Fauna insectornm balc.anica. 529 12. Genus: Pachyta Stephens. 15. quadrimaculata L. Sehr verbreitet in Bosnien in Gebirgswäldern auf Doldenblüthen; in der Hercegovina noch nicht beobachtet. 13. Genus: Brachyta Fairmaire. 16. clathrata F. Auf blühendem Rhamnus alpinus (subalpin), Treskavica planina, Bje- lasnica planina, Vucjaluka. Die schwarzbeinigen Exemplare viel seltener als die rothbeinigen. 14. Genus: Acmaeops Leconte. 17. pratensis Laich. Ein Exemplar bei Pale (Sarajevo). 18. collaris L. Häufig in Bosnien, auch in der Hercegovina (Bilek). 15. Genus: Gaurotes Leconte. 19. virginea L. Wie der Vorige. 16. Genus: Cortodera Mulsant. 20. humeralis Schall. Auf blühendem Crataegus bei Cevljanovic und Vuöjaluka. Die var. suturalis Fabr. sehr selten. 17. Genus: Pidonia Mulsant. 21. lurida F. Häufig im südlichen Bosnien auf Doldenblüthen in Wäldern. 18. Genus: Leptura Linne. 22. rufipes Schall. Auf blühendem Crataegus bei Cevljanovic und Podorosac. 23. sexguttata F. Im ganzen Gebiete; einzeln. 24. rufa Brüll. Ein Exemplar von Dobricevo (Hercegovina, Dr. Hensch). Diese Art war bisher nur aus der südlichen Türkei und Griechenland bekannt. 25. livida F. Domanovic, Bilek. 26. fulva Deg. Sarajevo, Travnik. 27. pallens Brüll. Domanovic. War ebenso wie rufa Brüll, nur aus dem südlichen Theile der Balkan-Halbinsel bekannt. 28. maculicornis Deg. Pale, Romanja planina. 29. rubra L. Ueberall in Bosnien. 30. cordigera Füssl. Nur aus der Hercegovina; Domanovic, Bilek. 31. scutellata F. Verbreitet in Bosnien. 32. dubia Scop. Verbreitet in Bosnien auf Doldenblüthen; ebenso die Aberration melanota Faid, und die ganz schwarze Aberration. 33. sanguinolenta L. Pale, Vlahovic. 34. cerambyciformis Schrank. Ein Exemplar aus dem nördlichen Bosnien (Marterer). 35. erratica Dalm. Im ganzen Gebiete, bis hoch ins Gebirge (Brajcindaz). 36. aurulenta F. Trnovo. 37. quadrifasciata L. Häufig bei Pale auf Doldenblüthen. 38. maculata Poda. Gemein im ganzen Gebiete. 39. pubescens F. et (var.) holosericea Muls. Selten; Semec bei Visegrad, Podorosac und Cevljanovic. 40. verticalis Germ. Nur in der Hercegovina (Domanovic). 4L melanura L. Gemein im ganzen Gebiete. 42. bifasciata Müll. Im ganzen Gebiete gemein. 43. septempunctata F. Pale bei Sarajevo, Bilek. Selten. 44. nigra L. Im ganzen Gebiete. Band II. 34 530 III. Naturwissenschaft. 45. attenuata L. Häufig auf Doldenblüthen, subalpin, im südlichen Bosnien. Auch in der Hercegovina häufig im Narentathale bei Rama. 19. Genus: Allosterna Mulsant. 46. tabacicolor Deg. Wie der Vorige. 20. Genus: Grammoptera Serville. 47. ustulata Schall. Auf blühendem Crataegus nicht selten; Ljubinathal bei Sarajevo und Podorosac. 48. ruficornis F. Auf blühendem Crataegus nicht selten; Ljubinathal bei Sarajevo und Podorosac. 49. variegata Germ. Auf blühendem Crataegus sehr selten; Ljubinathal bei Sarajevo und Podorosac. 21. Genus: Necydalis Linne. 50. major L. Domanovii (Collect. Hensch). Ein Stück bei Sarajevo. D. Tribus: Cerainbycini. 22. Genus: Caenoptera Thomson. 51. minor L. Auf blühendem Rhamnus alpinus am Aufstiege auf die Bjelasnica planina bei Pazaric, subalpin; nicht selten. 52. umhellatarum Schreb. Cevljanovic (Bosnien), Domanovic (Hercegovina). 23. Genus: Stenopterus Stephens. 53. flavicornis Küst. Domanovic, Preslica. 54. rufus L. Domanovic, Preslica. 24. Genus: Callimoxys Kraatz. 55. gracilis Brülle. Diese seltene südliche Art sammelte Dr. Hensch bei Dobricevo. (Ich fand selbe vor fünf Jahren zweimal auf blühendem Crataegus im Waras- diner Comitat in Croatien). 25. Genus: Dilus Serville. 56. fugax Oliv. Bilek, Mostar. 26. Genus: Callimus Mulsant. 57. angulatus Schrank. Auf blühendem Crataegus im südlichen Bosnien (Sarajevo, Cevljanovic etc.). Aus der Hercegovina nur von Podorosac und auf der Ivan planina. 27. Genus: Obrium Curtis. 58. hrunneum F. Sarajevo. 28. Genus: Exilia Mulsant. 59. timida Menetr. Nur in der Hercegovina (Ljubinje). 29. Genus: Axinopalpus Bedtenbacher. 60. gracilis Kryn. Domanovib. 30. Genus: Cerambyx Linne. 61. v elutinus Brülle. Domanovic. 62. cerdo L. Im ganzen Gebiete in alten Eichen. 63. miles Bon. Ljubinje, Domanoviö; auch im nördlichen Bosnien (Marterer). 64. Scopolii Füssl. Apfelbeck. Fauna insectorum balcanica. 531 31. Genus: Hesperophanes Mulsant. 65. cinereus Vill. Domanovic, Dobricevo (Hercegovina). 66. griseus F. Domanovic, Dobriöevo (Hercegovina). 67. pallidus Oliv. Ein Exemplar von Domanovic (Collect. Henscli). 32. Genus: Stromatium Serville. 68. fulvum Vill. Ljubinje. 33. Genus: Saphanus Serville. 69. piceus Laich. Sarajevo, Bjelasnica. 70. Ganglbaueri Brancsik.1) Diese bisher nur in einem einzigen Exemplare bekannte, von Dr. Brancsik bei Castelnuovo entdeckte Art sammelte ich bei Avtovac (Hercegovina). 34. Genus: Criocephalus Mulsant. 71. rusticus L. Um Sarajevo. 35. Genus: Asemum Eschscholtz. 72. stviatum L. Cevljanovic, Vucjaluka. 36. Genus: Tetropium Kirby. 73. castaneum L. et varietates. Vucjaluka, Bjelasnica planina. 37. Genus: Anisarthron Redtenbacher. 74. barbipes Schrank. Sarajevo. 38. Genus: Phymatodes Mulsant. 75. Kollari Redt. Ein Exemplar auf blühendem Crataegus bei Podorosac (Hercegovina). 76. linearis Hampe = Henschi Puton. Von Dr. Hensch bei Domanovi6 gesammelt. 77. lividus Rossi. Domanovic. 78. testaceus L., (var.) variabilis L. et (var.) praeustus F. Im ganzen Gebiete. 79. fasciatus Vill. Einmal bei Sarajevo gesammelt. 80. alni L. Im ganzen Gebiete. 81. rufipes F. Auf blühendem Crataegus ; Cevljanovic (Bosnien), Podorosac (Hercegovina). 39. Genus: Pyrrhidium Fairmaire. 82. sanguineum L. Bilek. 40. Genus: Callidium Fabricius. 83. aeneum Deg. Igman. 84. violaceum L. Ueberall im südlichen Bosnien und in der Hercegovina. 41. Genus: Hylotrupes Serville. 85. bajulus L. Im ganzen Gebiete. 42. Genus: Rhopalopus Mulsant. 86. insubricus Germ. Igman, Mii’use (Hercegovina, Hensch) und Dreznica. 87. clavipes F. Im ganzen Gebiete. 88. macropus Germ. Nur aus Bosnien. Ljubinathal. 89. femoratus L. Podorosac (Hercegovina), auf blühendem Crataegus. 43. Genus: Rosalia Serville. 90. alpina L. Ueberall auf Fagus sylvatiea. J) Siehe: „Nyolczadik evfolyam 1885. Evkünyv melyet a Trencsen Megyei etc.“, S. 71. „ Saphanus Ganglbaueri n. sp. Piceus, puhescens, capite dense ac fortius, thorace crebrius punctato; elytris fortiter ac dense punctatis; femoribus mediis et posticis clavatis armatisque. Long. 1'5 cm.“ 34* 532 III. Naturwissenschaft. 44. Genus: Aromia Serville. 91. moschata L. Scheint hierzulande selten. Igman, Kijevo, Sarajevo (Stadtpark). 45. Genus: Purpuricenus Fischer. 92. a) budensis Goeze. In der Hercegovina auf hohen Disteln sehr häufig; b) var. affinis Brüll. In der Hercegovina auf hohen Disteln sehr häufig; c) var. hungaricus Herbst. d) subvar. nov. fündiger mihi.1) Ich sammelte binnen einer halben Stunde circa 300 Exemplare dieser schönen Art in allen Varietäten. Der Percentsatz der Varietäten ist beiläufig folgender: von a) : 30 °/0 ; „ b): 55%; „ c): 10%; , d): 5%. Die Larven dieser Art leben jedenfalls in den Disteln. 93. a) Kochleri L. b) var. cindus Villa. c) var. globulicollis Dej. Ebenda in Gesellschaft der Vorigen, jedoch sehr selten. Unter den 300 bei Dracevo gesammelten Purpuricenus waren nur sechs Kochleri , davon vier var. cindus und zwei var. globulicollis. In Bosnien nur von Iviewo bei Sarajevo. 46. Genus: Plagionotus Mulsant. 94. detritus L. Nördlicheres Bosnien (Marterer). 95. circuatus L. Sarajevo, Neum-kula (Hercegovina). 96. floralis Pall. Mostarsko blato. 47. Genus: Xylotrechus Chevrolat. 97. rusticus L. Um Sarajevo und Cemerno. 98. ibex Gebl. Nördliches Bosnien (Marterer). 99. arvicola Oliv. Bilek, Domanovic. 100. antilope Zett. Bilek. 48. Genus: Clytus Laichart. 101. arietis L. Ueberall in Bosnien und der Hercegovina. 102. lanxa Muls. Sarajevo. 103. rhamni Germ. In der Hercegovina verbreitet. 49. Genus: Clytanthus Thomson. 104. varius F. = ornatus Herbst. Bilek, Domanovic. 105. trifasciatus F. Domanovic. 106. aegyptiacus F. Domanovic. 107. sartor F. Bilek. 108. figuratus Scop. Im ganzen Gebiete. 109. speciosus Schneid. Gradacac, Mosko (Hercegovina). 50. Genus: Anaglyptus Mulsant. 110. a) mysticus L. Auf blühendem Crataegus , die var. seltener. b) var. hieroglyphicus Herbst. Auf blühendem Crataegus, die var. seltener. 9 Der typischen Form ( budensis Goeze) am nächsten, doch statt des grossen rothen Fleckes beider- seits am Prothorax nur je ein kleiner rotlier Punkt, welcher den Höcker nicht erreicht, sondern mehr gegen die Mitte des Prothorax gerückt ist. Apfelbeck. Fauna insectorum balcanica. 533 E. Tribus: Lainiini. 51. Genus: Parmena Serville. 111. bicincta Küst. Bilek. 52. Genus: Dorcadion Dalman. 112. arenarium var. abruptum Germ. Nur in der Hercegovina. 113. pedestre Poda. 53. Genus: Dorcatypus Thomson. 114. tristis F. In der Hercegovina verbreitet. Fehlt noch in Bosnien. 54. Genus: Morimus Serville. 115. funereus Muls. Im ganzen Gebiete. 116. asper Sulz. Nur in der Hercegovina (Grab bei Trebinje etc.) 55. Genus: Lamia Fabricius. 117. textor L. Sarajevo, Avtovac. 56. Genus: Monohammus Stephens. 118. sartor F. Kiewo bei Sarajevo, Vucjaluka, Rogatica. 119. sutor L. Cevljanovic. 57. Genus: Acanthoderes Serville. 120. clavipes Schrank. Krbljina, Konjica, Bradina, Trebevic. 58. Genus: Acanthocinus Stephens. 121. aedilis F. Vucjaluka und Ljubinathal bei Sarajevo. 122. reticulatus Razum. Diese seltene Art sammelte ich zweimal in grösserer Anzahl: das erste Mal anfangs November 1889 am Ozren unter der Rinde von Acer pseudoplatanus eingewintert; das zweite Mal auf einer gefällten alten Edeltanne am Igman-Gebirge bei Sarajevo. 123. griseus F. Selten auf gefällten Kieferstämmen: Romanja planina (Naromanja) und Cevljanovic (bei Sarajevo). 59. Genus: Liopus Serville. 124. nebulosus L. Vucjaluka, Cevljanovic, Pale und Domanovic. 60. Genus: Exocentrus Mulsant. 125. adspersus Muls. Domanovic. 126. lusitanus L. Gradacac. 127. punctipennis Muls. Domanovic. 61. Genus: Pogonochaerus Gemminger. 128. hispidulus Pili. Igmangebirge bei Sarajevo. 129. hispidus L. Vucjaluka und Bjelasnica planina auf blühendem Rhamnus alpinus. 130. fasciculatus Degeer. Vuöjaluka. 62. Genus: Deroplia Rosenhauer. 131. Genei Arag. Domanovic. 132. Troberti Muls. Domanovic. 63. Genus: Haplocnemia Stephens. 133. curculionoides L. Vucjaluka, Mostar. 134. nebulosa F. Vucjaluka, Ljubinathal bei Sarajevo und Preslica planina. 534 III. Naturwissenschaft. 64. Genus: Niphona Mulsant. 135. picticornis Muls. In der Hercegovina einmal auf Paliurus aculeatus 65. Genus: Anaesthetis Mulsant. 136. testacea L. Nicht selten in der Hercegovina. 66. Genus: Agapanthia Serville. 137. asphodeli Latr. Domanovic. 138. Dalili Richter. Domanovic. 139. cynarae Germ. Bilek. 140. villoso-viridescens Deg. Um Sarajevo auf Disteln. 141. cardui L. Dubocani, Mostarsko blato. 142. violacea F. Igman, Bilek. 143. chalybaea Faid. Grab bei Trebinje. 67. Genus: Saperda Fabricius. 144. car charias L. Pale bei Sarajevo. 145. populnea L. Vlahoviii bei Pale (Sarajevo). 146. scalaris L. (Jevljanovie bei Sarajevo. 147. octopunctata Scop. Trebevic bei Sarajevo. 148. punctata L. Domanovic. 68. Genus: Menesia Mulsant. 149. bipunctata Zoubk. Auf blühendem Ehamnus alpinus bei Pazaric. 69. Genus: Tetrops Stephens. 150. a) praeusta L. Umgebung von Sarajevo. h) var. Starcki Chevrl. Neum-kula (Hercegovina). 70. Genus: Stenostola Mulsant. 151. ferrea Schrank. Vucjaluka (Bosnien). 71. Genus: Pilemia Fairmaire. 152. hirsutula Fröl. Trebinje (Hercegovina). 72. Genus: Phytoecia Mulsant. 153. affinis Harr. D omano vi6, Hercegovina (Hensch). 154. a) virgula Charp. Bilek. b) var. cyclops Küst. Bilek. c) var. vulnerata Muls. Bilek. 155. pustulata Schrank. Hercegovina (Hensch). 156. rufimana Schrank. Bilek. 157. ephippium F. Domanovic. 158. cylindrica L. Domanovic, Mostar, Bilek. 159. coerulescens Scop. Ilidze bei Sarajevo, Mostar, Bilek, Konjica. 73. Genus: Oberea Mulsant. 160. oculata L. Domanovic (Hercegovina). 161. linearis L. Pazaric, Bjelasnica planina. 162. erythrocephala Schrank, var. insidiosa Muls. Bilek, Visegrad. Nachtrag. 163. Clytanthus Herbsti Brahm. Bei Pale-Sarajevo auf Doldenblütben. Apfelbeck. Fauna insectorum balcanica. 535 VI. Die von 1888 — 1890 in Bosnien-Hercegovina gesammelten Wasserkäfer (Hydrocoleoptera) (Dytiscidae, Gyrinidae, Hydrophilidae1) et Parnidae). Familie: Dytiscidae“). Tribus: Haliplini. 1. Genus: Brychius Thomson. 1. elevatus Panz. In Tümpeln im Ljubinjethale bei Sarajevo, selten. 2. Genus: Haliplus Latreille. 2. obliquus F. Ebenso wie 1, doch häufig. Auch in der Hercegovina bei Dobricevo und Domanovic. 3. variegatus Sturm. Domanovic (Hensch), Metkovic. 4. fulvus F. Utovo blato bei Dracevo. 5. laminatus Schall. Bei Ilidze und Reljevo in Tümpeln der Zeljeznica und Bosna; bei Bilek (Hensch). 6. Heydeni Wehncke. Häufigste Art bei Ilidze, Utovo blato. Auch in einem kleinen Alpensee bei Brajcin-laz auf dem Lebrsnik. 7. multipunctatus Wehncke. Ein Exemplar von Ilidze. 8. lineatocollis Marsh. Nur aus der Hercegovina (Hensch). Domanovic, Mosko, Bilek. 3. Genus: Cnemidotus Illiger, Erichson. 9. caesus Duft. Domanovic (Hensch); häufig in Utovo blato. Tribus: Dytiscini. 4. Genus: Hyphydrus Illiger. 10. ovatus L. Nördliches Bosnien. Im südlichen Bosnien und in der Hercegovina noch nicht constatirt. 11. variegatus Aube. Ein Exemplar (collect. Hensch), Hercegovina. 5. Genus: Hygrotus Stephens, Thomson. 12. inaequalis F. Utovo blato, Domanovi6 (Hensch). 6. Genus: Coelambus Thomson. 13. conßuens Fahr. Domanovic (Hensch). 7. Genus: Bidessus Sharp. 14. geminus F. Bei Sarajevo. *) Der Collectivname „Wasserkäfer"1 (Hydrocoleoptera) passt uiclit auf die Tribus „Sphaeridiini“ der Hydrophiliden, da sich die Arten dieser Tribus als coprophage Tliiere nie im Wasser aufhalten. Meiner Ansicht nach würde diese gemeinsame Abweichung in der Lebensweise aller Sphäridiiden genügen, selbe wieder aus der Familie der Hydrophiliden als eigene Familie „ Sphaeridiidae“ wie auch früher im „Catalogus Coleopterorum Europae et Caucasi edit. 1883“ — auszuscheiden, umsomehr als der Name „ Hydrophilidae “ mit Rücksicht auf ihre Lebensweise in thierischen Excrementen für sie ganz unpassend ist. Die Spliaeri- diiden sind mit Rücksicht auf diesen Umstand auch nicht in diesen Aufsatz aufgenommen. 2) Die Anordnung ist nach dem „Catalogus Coleopterorum Europae, Caucasi et Armeniae Rossicae auctoribus Dr. L. v. Heyden, E. Reitter et J. Weise edit. 1891,“ 536 III. Naturwissenschaft. 8. Genus: Deronectes Sharp. 15. latus Steph. Nicht selten in Tümpeln im Ljubinjethale bei Sarajevo. 16. platynotus Germ. Ein Exemplar vom Krupathale bei Pazaric (bei Sarajevo). 17. griseostriatus Deg. Domanovic, Mosko (Hensch) (Hereego vina). 18. luctuosus Aube. Hercegovina (collect. Hensch). 19. elegans Sturm. Bilek (Hensch). 9. Genus: Hydroporus Clairville. 20. pictus F. Utovo blato. 21. ßavipes Oliv. ( Montenegrinus Schauf.) Utovo blato. 22. Genei Aube. Utovo blato. 23. lineatus F. Utovo blato, Domanovic (Hensch). 24. halensis Fahr. Hercegovina (collect. Hensch). 25. palustris L. Bei Sarajevo (Vucija luka), Bilek (Hensch), und im Alpensee auf dem Lebrsnik (an der montenegrinischen Grenze). 26. jonicus Mill. Diese griechische Art scheint in der Hercegovina verbreitet. Bilek (Hensch), Utovo blato. 27. pubescens Gyll. Podorosac bei Konjica. 28. tesselatus Drapiez. Grab bei Trebinje in Wasserrieseln; Domanovic (Hensch). 29. nivalis Heer? Mosko (Hensch), ein Exemplar. 30. foveolatus Heer. var. = Apfelbecki Kuw. i. 1. n. sp. Im Alpensee am Lebrsnik. Auch bei Bilek (Hensch). 31. longulus Rey. Grab bei Trebinje. 32. melanarius Sturm. Vuöija luka bei Sarajevo. 10. Genus: Noterus Clairville. 33. sparsus Marsh. Häufig im Utovo blato. Domanovic (Hensch). 11. Genus: Laccophilus Leach. 34. variegatus Sturm. Hercegovina (collect. Hensch). 35. obscurus Panz. Utovo blato. 36. interruptus Panz. et var .pictus Küst. Sarajevo, Trebinje, Utovo blato. 12. Genus: Agabus Leach. 37. didymus Oliv. Hercegovina (collect. Hensch). 38. guttatus Payk. Hercegovina (collect. Hensch). 39. nitidus F. Podorosac bei Konjica. 40. nigricollis Zoubk. Podorosac bei Konjica. 41. bipustulatus L. Visegrad und Hercegovina (Hensch). 42. chalconotus Panz. Hercegovina (collect Hensch). 43. paludosus F. Ljubinjethal bei Sarajevo. 44. Sturmi Gyll. Vucija luka bei Sarajevo. 45. femoralis Payk. Alpensee bei Brajöin laz am Lebrsnik. 46. maculatus L. Häufig in der Umgebung von Sarajevo. 13. Genus: Ilybius Erichson. 47. fuliginosus F. Vucija luka bei Sarajevo und Bilek (Hensch). 14. Genus: Liopterus Aube. 48. ruficollis Schall. Hercegovina (collect. Hensch). Apfelbeck. Fauna insectorum balcanica. 537 15. Genus: Eunectes Erichson. 49. sticticus L. Domanovic (Hensch). 16. Genus: Acilius Leach. 50. sulcatus L. Im Alpensee am Lebrsnik; ein Exemplar aus einer Quelle in der Preslica planina; auch von Domanovic (Hensch). 17. Genus: Dytiscus Linne. 51. marginalis L. et var. 9 conformis Kunze. Sarajevo, Travnik (Geschwind). 18. Genus: Cybister Curtis. 52. laterimarginalis Deg. Im Utovo blato häufig. Einige Exemplare aus den Wassergräben an der Strasse von Metkoviö nach Neum stimmen nicht mit der typischen Art. Die Krallen des 9 sind ab- gestumpft, die Färbung eine dunklere. Die rissigen 9 9 gehören zur var. lepidus, während die stumpfkralligen 9 9 nicht rissig sind. Nach A. Kuwert sind die fraglichen Stücke vielleicht als Jordani Reiche aufzufassen. Doch ist Kuwert auch hierüber nicht ins Klare gekommen, da die Apetz’schen Be- schreibungen auch nicht passen. Ob neue Art, oder ob zu Jordani Reiche oder zu laterimarginalis Deg. als Varietät gehörig, kann nur ein reichliches Material entscheiden. Der typische Cybister laterimarginalis ist im Utovo blato sehr häufig und wird mit Hydrous piceus und mitunter auch einzelnen Exemplaren der Riesen- Wasserwanze ( Belostoma gigantea) oft massenhaft von den Fischern in den Fischnetzen gefangen. Diese drei Insecten können in Fischteichen — wenn sie in Massen auftreten — - der Fischbrut durch ihre Gefrässigkeit äusserst gefährlich werden. Familie: Gyrinidae. 1. Genus: Aulonogyrus Regimb. 1. concinnus Klug. Localität fraglich. 2. Genus: Gyrinus1) Geoffroy. 2. elongatus Aube. Bilek (Hensch). 3. distinctus Aube. Utovo blato. 4. natator Ahr. Bilek, Metkovic. 5. Suffriani Scriba. Utovo blato. 6. urinator Illig. Bilek. 3. Genus: Orectochilus Lacordaire. 7. villosus F. Am Ufer der Trebinjcica bei Trebinje unter einem Steine gesammelt. Familie: Hydrophilidae. Tribus: Hydrophil ini. 1. Genus: Hydrous Leach. 1. piceus L. Travnik (Geschwind), Krupa (Bosnien); Utovo blato. b Diese Käfer leben gesellig in stehenden Gewässern, Tümpeln etc., auf deren Oberfläche sie sich gewöhnlich in grosser Gesellschaft mit unglaublicher Schnelligkeit in Kreisen herumbewegen. Sie werden von den Einheimischen gefangen und dem Hornvieh als Mittel zur Hervorrufung des Begattungstriebes verabreicht. 538 III. Naturwissenschaft. 2. Genus: Hydrophilus Geoffroy ( Hydrous Brülle). 2. caraboides L. Utovo-blato, Sarajevo. 3. Genus: Hydrobius Leacli. 3. fuscipes L. a) var. Rottenbergi Gerh. Sarajevo. b) var. aeneus Sol. Podorosac bei Konjiea. c) var. picicrus Thoms. Sarajevo. 4. Genus: Helochares Mulsant. 4. lividus Forst. Sarajevo, Ilidze. 5. dilutus Er. Ilidze, Domanovic (Hensch). 5. Genus : Philhydrus Solier. 6. grisescens Gyll. Dracevo bei Metkovic. 7. melanocephalus Oliv. var. similis Kuw. Ilidze. 8. affinis Thunbg. = minutus F. Domanovic (Hensch). 6. Genus: Anacaena Thomson. 9. limbata F. Sarajevo. 10. globula Payk. var. nitidior Kuw. Sarajevo; häufig in einem kleinen Seitenbache im Kosevothale. 7. Genus: Laccobius Erichson. 11. gracilis Mötsch, et var. nigritus Rottenbg. Im Schlamme der Zeljeznica bei Ilidze. 12. nigriceps Thoms. In Gesellschaft des Vorigen. Auch bei Konjiea (Podorosac). 13. regulär in Rey. Podorosac. 14. albipes Kuw. Im Schlamme kleiner Wassertümpel an der Drina bei Visegrad. 15. minutus L. Domanovic (Hensch). 8. Genus: Limnebius Leacli. 16. crinifer Rey. Im Schlamme von Wassertümpeln bei Sarajevo. 17. trunccitellus Thunbg. Mit Vorigem. 18. picinus Marsh. Mit Vorigem. 9. Genus: Chaetarthria Stephens. 19. seminulum Payk. Sarajevo. 10. Genus: Acanthoberosus Kuwert. 20. spinosus Stev. Sarajevo. 11. Genus: Berosus Leach. 21. luridios L. Sarajevo. 22. affinis Brüll, et var. pelagicus Friv. Utovo-blato. Tribus: Helopliorini. 12. Genus: Helophorus Fabricius. 23. nubilus F. Bilek (Hensch). 24. brevitarsis Kuw. An den Schneefeldern der Treskavica, planina bei Trnovo. 25. griseus Herbst et var. montenegrinus Kuw. Mit dem Vorigen. Auch bei Visegrad und Sarajevo. 26. aguaticus L. Ueberall im ganzen Gebiete. 27. Milleri Kuw. var. italus Kuw. Domanovic (Hensch). 28. elongatus Mötsch.? Bilek. Apfelbeck. Fauna insectorum balcanica. 539 29. arcuatus Rey. Sarajevo, Bilek. 30. granulär is L. et var. brevicollis Thoms. Sarajevo, Bilek, Mosko (Hensch). 31. guatuorsignatus Bach. Sarajevo. 13. Genus: Hydrochus Leach. 32. elongatus Schall. Dracevo hei Metkovie. 33. fiavipennis et var. ßliformis Kuw. Domanovic (Hensch). 14. Genus: Ochthebius Leach. 34. exculptus Germ. Im Moscanicabache bei Sarajevo. 35. metallescens Rosh. In einem Gebirgsbache bei Sarajevo (Petrovacka surna). 36. opacus Baucli. Im Moscanicabache. 37. marinus Payk. Bei Ilidze in der Zeljeznica. 15. Genus: Hydraena Kugelm. 38. palustris Er. Ein Exemplar von Ilidze. 39. Kiesemvetteri Kuw. Im Moscanicabache. 40. riparia Kugelm. Im Moscanicabache und bei Petrovac (Bezirk Sarajevo). Auch in der Hercegovina, Mosko (Hensch). 41. angustata Sturm. Im Moscanicabache und bei Petrovac (Bezirk Sarajevo). Auch in der Hercegovina (Trebinje). 42. gracilis Germ. Im Moscanicabache und bei Petrovac (Bezirk Sarajevo). 43. atricapilla Waterh. Im Moscanicabache und bei Petrovac (Bezirk Sarajevo). 44. perparvula Kuw. In Gesellschaft des Vorigen, aber sehr selten und nur im Mos- 6anicabache. Familie: Parnidae. Tribus: Eimini. 1. Genus: Limnius Müller. 1. Dargelasi Latr. Ein Exemplar bei Sarajevo (Moscanicabach) gesammelt. 2. Genus: Elmis Latr., Mulsant. 2. Volkmari Panz. In Gebirgsbächen bei Sarajevo und Pazaric. 3. rufiventris Kuw. Im Gebirgsbache bei Petrovac (Bezirk Sarajevo). 4. opacus Müll. Im Moscanicabache. 5. lepidopterus Kuw. In Gesellschaft des rufiventris. 3. Genus: Esolus Mulsant. 6. angustatus Müll. In Gebirgsbächen bei Sarajevo. 7. parallelepipedus Müll. Bei Petrovac in Gesellschaft von Elmis rufiventris und lepidopterus . 4. Genus: Lareynia Duval. 8. longicollis Kuw.1) In den Bosnaquellen bei Sarajevo von mir entdeckt. 9. rioloides Kuw. Bei Sarajevo (Moscanicabach) einmal aufgefunden. 10. aenea Müll, et var. Megerlei Duft. In Gebirgsbächen um Sarajevo und bei Pazaric (Krupathal). !) Die Vaterlandsangabe mit ,.Cro“ (Croatia) im „Catalogus Culeopt. Europae ed. 1891“ ist unrichtig. 540 III. Naturwissenschaft. 5. Genus: Riolus Mulsant. 11. cupreus Müll. In Gebirgsbächen um Sarajevo. 12. Erichsoni Kuw.1) Ebenda in Gesellschaft des Vorigen. 13. a) subviolciceus Müll. Ebenda; in Gesellschaft des Vorigen. b) var. auronitens Kuw. Ebenda, in Gesellschaft des Vorigen. c) var. bosnicus Kuw. Ebenda, in Gesellschaft des Vorigen. 6. Genus: Stenelmis Dufour. 14. Apfelbecki Kuw. Vor zwei Jahren in einem Exemplar im Krupabache bei Pazaric aufgefunden. Trotz wiederholter sorgfältigster Nachsuche gelang es mir nicht wieder, das Thier zu finden. Tribus: Parnini. 7. Genus: Dryops Olivier, Leach. 15. substriatus Müll. Häufig in Gebirgsbächen bei Sarajevo. 8. Genus: Pärnus Fabricius. 16. striatopunctatus Heer. Am Ufer der Miljacka bei Sarajevo. 17. prolifericornis F. Domanovic (Hensch). 18. luridus Er. Domanovic (Hensch) und bei Dracevo (Metkovic). 19. obscurus Duft = viennensis Heer. Bei Visegrad am Ufer der Drina. 20. auriculatus Panz. Bei Sarajevo an der Miljacka und im Kosevothale. Ausser den hier aufgeführten Arten aus der Familie der Dytisciden, Gyriniden, Hydrophiliden und Parniden mögen noch einige Arten aus anderen Familien, welche nur als einzelne Ausnahmen im Wasser leben, angeführt sein. A) Staphylinidae: Geodromicus plagiatus F., Trogophloeus arcuatus Steph. und Ancyrophorus aureus Fauv. im Moose von Steinen, welche vom Wasser überspült werden; im Krupabache bei Pazaric. B) Curculionidae: Hydronomus alismatis Marsh, in faulen, im Wasser liegenden Schilfstengeln in Gesellschaft von Pärnus luridus Er. in den Sümpfen um Draöevo bei Metkovic. Die durch ihre Lebensweise unter Wasser an den Stengeln und Wurzeln von Potamogelon -, Myriophyllum- und Ruppia - Arten sehr interessante und dadurch in der Lebensweise von allen anderen Chrysomeliden abweichende Gattung Haemonia ist in Bosnien und der Hercegovina noch nicht constatirt, doch ist deren Vorkommen in diesem überaus mannigfaltigen Faunengebiete kaum zu bezweifeln. • Als besonders interessant für die geographische Verbreitung seien aus den bisher im Occupationsgebiete constatirten Wasserkäfern zur grösseren Uebersicht recapitulirt: O Scheint selbstständige Species zu sein, nicht var. von cupreus Müll. Apfelbeck. Fauna insectorum balcanica. 541 Vaterlandsangabe Bisher constatirtes Name im Catalogus Coleopte- Vorkommen Anmerkun ff rorum Europae etc. im Occupations- ed. 1891 gebiete Dytiscidae: Haliplus multipunctatus Wehnke . Hercynia Bosnia merid. revid. Kuwert Deronectes platynotus Germ. Germania, Austria n » ,, Ganglbauer „ elegans Sturm Gallia, Germania Hercegovina ?? Kuwert Hydroporus Genei Aube Sardin., Corsica V ;? Ganglbauer „ jonicus Mill. ... Graecia ?? » 11 „ nivalis Heer Alpes Pyrenaei n ?? Kuwert „ foveolatus Heer .... Alpes n Ganglbauer „ melanarius Sturm . Europ. borealis Bosnia merid. ?? „ Ayabus guttatus Payk n ' » Hercegovina ?? ?? Eunectes sticticus L Gyrinidae: „ merid. ?? ?? Gallia, Germania, „ Gyrinus Sujfriani Scriba . j Auch in Dalmatien bei Austria, Turcia occ. Metkovic Hydrophilidae: Hydrobius fuscipes L. var. aeneus Sol Gallia, Russia merid. Hercegovina revid. Kuwert Hydrobius fuscipes L. var. picicrus Thoms Fennia, Suecia Bosnia merid. ?? ?? Philhydrus grisescens Gyllh. . . | Germania, Italia Hercegovina Holland OCC. Auch in Dalmatien hei Metkovic „ melanocephalus Ol. var. J Russia merid., Bosnia merid. revid. Kuwert similis Kuw I Germania, Italia, Anacaena globula Payk. var. nitidior Kuw Alpes Bosn. » ?? Laccobius gracilis Mötsch Europ. merid. v n ?? 11 „ „ „ var. nlgri- tus Rottbg Turcia, Corsica » » 11 11 Laccobius nigriceps Thoms. . j Bosnia merid. Germania, Gallia Hercegovina 11 11 „ „ „ var. ma- j Bosnia merid. culiceps Rey | * ” Hercegovina 11 11 Laccobius regularis Rey Gallia merid., Tirolis n 11 11 Limnebius crinifer Rey Berosus affinis Brüll, var. pelagicus Austria, Bohemia Bosnia merid. ” " Friv Graecia Hercegovina ?? „ Helopliorus griseus Herbst var. monte- negrinus Kuw Cro., Montenegro Bosnia merid. ?? „ Helophorus Milleri Kuw Graecia Hercegovina „ ?? „ „ „ var. italus Kuw Italia, Sicilia 11 „ | Austria, Sab., Tirol Bosnia merid. J-Ielojphorus arcuatus Rey . j Hercegovina 11 » Hydroehns flavipennis Küst. var. fili- formis Kuw Hungaria » „ „ Ochthebius metattescens Rosli. Bavar., Gallia, Bosnia merid. 11 ?? „ opacus Baudi Alpes Ital., Pyrenaei ?! ?? „ „ Ilydraena Eiesenwelteri Kuw. . Toscana ?? ?? 11 11 Elmis Volkmar i Panz. ( Germania, Gallia, ,, opacus Müll. | Austria ?? ?? ** 11 Pärnus striatopunctatus Heer Gallia, Germania ?? ?? ?? 11 542 III. Naturwissenschaft,. Ausschliesslich dem Occupationsgebiete angehörig: Dytiscidae. Hydroporus Apfelbecki Kuw. i. 1. n. sp. ( foveolatus Heer T 7 . 17 . Hydropliilini. Laccobius aibipes Kuw. Helopliorus brevitarsis Kuw. Hydraena perparvula Kuw. . . Parnidae. JtLimis rußventris Kuw.1) Elmis lepidopterus Kuw.2) Lareynia longicollis Kuw.2) Lareynia rioloides Kuw. Riolus subviolaceus Müll. var. bosnicus Kuw.3) Stenehnis Apfelbecki Kuw. X) Die Angabe „Cro. Slav.“ im Catalogus ist falsch. 2) „Cro.“ im Catalogus ist zu streichen. 3) „Slav.“ im Catalogus ist zu streichen. r. nach Ganglhauer). Bericht über die im Jahre 1892 ausgeführte entomologische Expedition nach Bulgarien und Ostrumelien. Von Victor Apfelbeck, Custos-Adjunct am bosn .-hereeg. Landesmuseum. Das Studium der den Balkanländern angekörigen Insectenfauna, das mir zur Aufgabe gestellt ist, erweckte in mir den Wunsch, ausser Bosnien-Hercegovina, Avelche Länder ich seit fünf Jahren durchforsche, 'auch einmal dem Osten des gedachten Ge- bietes einige Monate zu widmen und die noch wenig bekannte Insectenfauna von Bulgarien und Ostrumelien an Ort und Stelle kennen zu lernen. Mein Plan ging dahin, den Monat Mai am Schwarzen Meere hei Burgas und Varna, welche Gregenden entomo- logisch fast ganz unbekannt sind, zu verbringen, im Juni im Mittelgebirge zu sammeln und im Juli die Hochgebirge Bulgariens, namentlich den Kodza-Balkan, das nördliche und westliche Rhodopegebiet und den Rliilo-Dagk zu durchstreifen. Die Ausführung dieses Planes erlitt leider schon vom Anbeginne eine sehr nachtheilige Störung dadurch, dass die für Ende April geplante Abreise nach Bulgarien infolge der nothwendigen, im diplomatischen Wege eingeleiteten Vorkehrungen bis Anfang Juni sich hinausschob, wodurch eine für das Resultat der Reise sehr nachtheilige Verzögerung eintrat. Ich muss dies meinem Berichte vorausschicken, da die günstigste Sammelzeit für Insecten im Süden — der Mai — dadurch verloren ging und das Ergebniss der Reise infolge dessen bei Weitem nicht jenes sein konnte, als wenn die Abreise fünf bis sechs Wochen früher erfolgt wäre. Bekanntlich ist nicht nur der Insectenreichthum in südlichen Gegenden gerade im Frühjahre der grösste, sondern die Insecten concentriren sich zu dieser Zeit zum grossen Theile auf blühenden Bäumen und Gesträuchen — besonders auf Obstbäumen und Crataegus — und sind von denselben mit wenig Mühe und Zeit- aufwand in grossen Mengen durch Abklopfen zu sammeln. Auch der Blumenflor auf den Wiesen und im Walde ist im Mai weitaus am reichsten und ergiebigsten. Hiezu kommt noch der wesentliche Umstand, dass zu Beginn der trockenen und wärmeren Jahreszeit die Arbeit mit dem Insectensieb, welche durch Aussieben von abgefallenem Laub, Moos und dergleichen eine der ergiebigsten Sammelmetlioden bildet, nur noch in Sümpfen oder an sehr nassen Stellen im Walde einigermassen günstige Resultate liefert. Im Folgenden will ich nun einen Ueberblick über die von mir besuchten Locali- täten geben, ohne auf die Ausbeute selbst im Wesentlichen einzugehen, und behalte mir vor, über diese nach erfolgter systematischer Sichtung einen eingehenden wissenschaft- lichen Bericht zu erstatten. Erwähnt sei hier nur, dass die Ausbeute an Insecten, namentlich an Coleopteren, trotz der nachtheiligen Verspätung eine quantitativ und qualitativ wirklich befriedigende war. Die Witterung war, solange wir uns in den 544 III. Naturwissenschaft. Gegenden am Schwarzen Meere aufhielten (Mitte Juni bis Mitte Juli), eine sehr trockene. Hingegen hatten wir fast die ganze zweite Hälfte Juli, besonders als wir hei Kalofer ins Gebirge kamen, andauernden Regen, welcher die Touren in den Kodza-Balkan auf das Ungünstigste beeinflusste. Besser wurde die Witterung, als wir Anfangs August bei Bellova - Saniako v in das westliche Rhodopegebirge aufbrachen. Leider erkrankte schon am Wege nach Samakov der Volontär (Jurcic an Malaria, welche der vier- wöchentliche Aufenthalt in den höchst gesundheitsgefährlichen heissen Sümpfen am Schwarzen Meere uns Allen eingetragen. Wenige Tage später als (Jurcic ereilte auch mich im Rhodopegebirge auf Demir-Kapu, beiläufig eine Stunde von der macedonischen Grenze, in einer Höhe von circa 2300 M. das gleiche Schicksal, weshalb ich mit (Jurcic in elendem Zustande — wir konnten uns kaum im Sattel erhalten — den Rückmarsch nach Samakov antreten musste, schweren Herzens angesichts der vielversprechenden Bergriesen mit ihrer interessanten, noch wenig bekannten Insectenwelt, auf deren Untersuchung ich mich so sehr gefreut hatte, und welcher ich noch mehrere Wochen widmen zu können gehofft hatte. In Samakov wieder angelangt, verbrachten wir eine Reihe von Tagen fieberkrank fast ohne Pflege und traten dann, da die Möglichkeit einer baldigen Ge- nesung ausgeschlossen und an die Fortsetzung der Touren nicht mehr zu denken war, die Rückreise nach Sarajevo an. Bevor ich auf die Schilderung der einzelnen Touren eingehe, will ich noch im grossen Ganzen Einiges über die Art und Weise meines Reisens in Bulgarien erwähnen. Ich reiste ausgestattet mit einer offenen Ordre des hohen bulgarischen Ministeriums des Inneren an alle politischen Behörden, wonach meiner Aufgabe seitens der Behörden jeder Vorschub zu leisten und zu meinen Touren Gendarmeriebedeckung beizustellen war. Ansser dieser Ordre erhielt ich durch die Güte Seiner Excellenz des Ministers für Unterricht Herrn Z i v k o v ein offenes Empfehlungsschreiben an alle Vorstände der bulgarischen Staatsschulen. Die k. und k. österreichisch-ungarischen Consulate waren von meinem Kommen voraus in Kenntniss gesetzt und erleichterten durch Rath und That meine Aufgabe. Ebenso geschah von Seite der politischen Behörden alles Mögliche zur Förderung meiner Zwecke. Die Sicherheitsverhältnisse im Lande selbst sind überall ausgezeichnete, was der Umsicht und Strenge der politischen Behörde, sowie der vor- züglichen Disciplin und Ausdauer der bulgarischen Gendarmerie zu danken ist. Ich gehe nun zu der Schilderung der einzelnen Touren über. Am 7. Juni reiste ich in Begleitung meiner nunmehr verewigten Frau und des Museal- volontärs Vejzil (Jurcic von Sarajevo direct nach Sofia. Dort stattete ich vor Allem dem Herrn Sectionschef Schischmanov, der mich in liebenswürdigster Weise aufnahm, meinen Besuch ab. Seinem Einflüsse und seiner umsichtigen Fürsorge verdankte ich mannigfaltige Erleichterungen und Förderungen meiner Zwecke. Durch eine Audienz bei Seiner Excellenz dem Herrn Minister Z i v k o v, der meiner Aufgabe in zuvorkommendster Weise allen möglichen Vorschub leistete, erlangte ich auch das oben erwähnte Em- pfehlungsschreiben an die Directoren der bulgarischen Staatsschulen. Mein erster Ausflug von Sofia galt dem Iskerflusse, welcher in einer Fahrstunde zu erreichen ist. Die Coleopterenfauna an den Ufern desselben ist ziemlich reichhaltig, doch finden sich meist nur mitteleuropäische Arten, die gewöhnlichen Gebirgsfluss-Bem- bidien und -Staphylinen etc. Omopliron limbatum ist auch im Lande des Isker gemein, hat aber hier meist eine stark rosakupferig schimmernde Oberseite. Das Abklopfen der niedrigen Weidengebüsche ergab an interessanten Arten nur Chlor ojphanus fallax in grösserer Menge. Auf dem Rückwege sammelten wir in den .Gräben längs der Strasse, die infolge mehrtägigen starken Regens voll Wasser waren, Apfelbeck. Entomologiscke Expedition nach Bulgarien und Ostrumelien. 545 eine grosse Anzahl von Helephorinen in mehreren Arten, auf Disteln in der Nähe des Flusses mehrere Arten von Lixus und Cleonus und einige Sitaris. Die nächste Um- gebung Sofias bietet dem Entomologen im Allgemeinen wenig Anziehendes. Der nächste Hochwald ist in der Stara planina, eine ganze Tagereise von Sofia, der nächste Gestrüpp- wald bei Bali Effendi, zwei Stunden von Sofia, am Abhange der 2330 M. hohen Vitos planina. Hier mag es bis Mitte Mai gut zu sammeln sein. — Am 14. Juni brach ich in die Vitos planina auf, um dort zwei Tage zu sammeln. Dieses Gebirge macht bei Weitem nicht den Eindruck seiner wirklichen Höhe, weil der Fuss des beiläufig zwei Stunden entfernten Gebirges allmälig in die Ebene von Sofia verläuft. Die Insecten- fauna dieses Syenitgebirges, welches zwar durch die Ebenen von Samakov und Dubnica vom Rhilo-Dagli geschieden ist, aber doch durch die östlichen Theile der Verila planina noch einen directen Zusammenhang mit demselben besitzt, ist keineswegs alpin, wie die Höhe und der Zusammenhang mit dem Rhilo-Dagh vermuthen Hessen. Wir finden im Vitosgebirge — obwohl in einigen Theilen des Rückens im Juni und Juli noch Schnee liegt — Sträucher und Bäume der Ebene, wie Populus tremula, verschiedene Salix -Arten, besonders Salix caprea , auf dem nassen Boden in dichten üppigen Ge- büschen stellenweise bis fast auf den Rücken des Gebirges in einer auffallenden Höhe. Auf denselben leben fast durchwegs der Ebene angehörige Chaetocnema-, Phyllodecta-, Phyto clecta-, Melasoma- und Lochmaea- Arten. Auf Fichten, welche ebenfalls am Vitos sehr hoch Vorkommen, findet sich ziemlich häufig ein Otiorrhynchus aus der Gruppe der dolomitae Kies., eine zweite Art und ein lebhaft kupferig-metallischer Sciaphilus auf Rothbuchen. Otiorrhynchus bisulcatus ist tiefer unten nicht selten auf Gebüschen. Es dürfte Sofia der östlichste Fundort dieser Art sein; ich habe sie in Bulgarien östlicher nirgends mehr angetroffen. Das Bodenterrain ist für den Coleopterologen auf dem Vitos äusserst ungünstig. Während man in den Kalkalpen — auch in den bosnischen und hercegovinischen — besonders oberhalb der Baumgrenze in gleicher oder relativ minderer Höhe unter Steinen die an Arten und Individuen weitaus reichste Ausbeute an echten Hochgebirgstliieren macht, kann man unter Steinen am Vitos fast gar nichts finden. Dieselben liegen meist hohl, und unterhalb der übereinander gehäuften Steine und Felstrümmer rauschen bald höher, bald tiefer unterirdische Gewässer dahin. Weit ausgedehnte Trümmerfelder erschweren den Aufstieg auf den Rücken, und meist nur sprungweise ist ein Vordringen über die Felsblöcke möglich. Durch dieses Chaos stürzt ein mächtiger Gebirgsbach theils unter den Felsstücken tosend, theils über diese hin- wegschäumend herab. Der ganze obere Vitos besitzt eine unglaubliche Wassermenge bis auf den Rücken hinauf. Entweder fliesst das Wasser oberirdisch oder unterirdisch — wie oben geschildert — thalab, oder es findet sich, wo der Boden undurchlässig ist, aus Sickerquellen und träge fliessenden Wassei’adern sich sammelnd in Gestalt von moorigen, eiskalten Tümpeln. Der Blumenflor auf diesen nassen Stellen ist lieblich und mannigfaltig; besonders reizend nehmen sich die blauen Vergissmeinnicht neben den feuerrothen Bliithen des Geum coccineum aus. An Insecten ist dieser Flor aber äusserst unergiebig. (Der Vitos sendet seine Wassermenge in grösseren und kleineren Läufen theils zum Isker in das Flussgebiet des Schwarzen Meeres, theils durch die Struma in das des ägäischen Meeres.) Das Bodenterrain am Vitos ist also für den Entomologen doppelt ungünstig, einmal dadurch, weil auf trockenem Boden aufliegende Steine fast gar nicht zu finden sind, und zweitens weil der Boden selbst, wo nicht hohl- liegendes Gestein vorherrscht, infolge seiner Versumpfung die Entwicklung von Insecten mit Ausnahme von Wasserthieren ausschliesst. Kleinere Dytisciden und Hydrophiliden waren hier auch ziemlich artenreich vertreten. Am Abstiege gegen Vladaja zu fanden Band II. 35 546 III. Naturwissenschaft. sich unter anderen auf blühenden Geranien eine hellgrüne Gynandrophthalma- Art in Menge, sowie mehrere kleinere Arten aus der Familie der Curculioniden, besonders Centorrhynchcn und eine Mylacus -Art, weiter unten auf Blumen in Menge die südliche Phyllopertha lineolata. Auf der Höhe des Vitos fanden wir unter anderen einen Pterostichus ignitus, auf Salix caprea einige Elater tristis und auf Pflanzen zwei Oreina variabilis , davon die eine var. balcanica Weise. Trotz eifrigen Suchens konnten wir nicht mehr davon finden. Die Oreinen, welche in den westlicheren Kalkalpen arten- reich und meist in grosser Menge vertreten sind, verlieren sich eben gegen Südosten immer mehr und scheinen in den Hochgebirgen Bulgariens und Ostrumeliens nur noch durch die Form balcanica der Oreina variabilis vertreten und äusserst selten zu sein. Die hochalpinen, unter Steinen lebenden Arten fehlen schon den bosnisch-hercegovinischen Ge- birgen ganz, und es finden sich hier die Oreinen nur durch caccdiae-, intricata- (Anderschi), speciosissimci, und hauptsächlich variabilis- Formen vertreten, aber nur subalpin, meist schon am Fusse der Gebirgswälder, niemals oberhalb der Baumgrenze. Von Sofia reisten wir, nachdem wir noch in der Umgebung der Stadt Einiges gesammelt, wovon Athous proximus das Erwähnenswertheste ist, direct nach Burgas am Schwarzen Meere. Diese langwierige Fahrt bietet mit Ausnahme der Gegenden von Banja und Bellova, von wo man einen herrlichen Ausblick auf die nahen schneebedeckten Bergriesen des westlichen und nördlichen Rhodopegebirges geniesst, wenig Anziehendes. In Bui’gas trafen wir am 17. Juni ein. Das neuerbaute „Hotel Commercial“ ist ziemlich gut und rein, doch machen die türkischen Aborte, das Fehlen der nothwendigsten Möbel, z. B. der Kleiderkästen, brauchbarer Tische etc., sowie die griechische Kost und der üble Geruch von Dschirus und anderen getrockneten Fischen den Aufenthalt für längere Zeit unangenehm. Auch leidet man bei Tage viel von der grossen Hitze, die erst gegen Abend durch den von der See kommenden Wind geschwächt wird, und noch mehr bei Nacht von Stechmücken, von deren lange Zeit schmerzenden Stichen der Körper fast bedeckt wird. Das Meer hat bei Burgas flache Ufer, bildet den Salzwasser- see bei Atanaskiöj und mischt sich mit dem Süsswasser des Akrianu- und Vajakiöjsees, deren Ufer grösstentheils in weite Brackwassersümpfe verlaufen und die Gegend von Burgas zur ungesundesten Europas machen. Der Atanassee trocknet im Hochsommer ganz aus. Die Ufer dieses Sees sind von Coleopteren sehr belebt und bieten an diesen reiche Ausbeute, unter anderen zwei Cicindela- Arten: Cicindela dilacerata und Cicin- dela lunulata var. nemoralis Ol., eine Cleonus Art (vermuthlich Emgel), mehrere interessante Arten der Gattungen Heterocerus , Dyschirius und Bleclius. Auffällig war mir hier die Lebensweise der Dyschirius und Bleclius. Auf fein sandig-lehmigen Stellen, avo diese Thiere sonst zu leben pflegen, fand ich zwar eine Unzahl von Auswürfen, aber unter selben stets nur Larven dieser Thiere. Diese selbst gelang es mir nur auf einer örtlich sehr beschränkten, nassen, mit etwas Schilf beAvachsenen Stelle in metertiefem, lettigem, sehr nassem Schlamme durch andauerndes Treten desselben — wobei ich meist sehr tief einsank — in grösserer Zahl herauszutreiben. Ebenso lebt hier auch eine grosse, sehr hell gefärbte Chelidura- Art. An den Ufern des Atanassees lebt auch der seltene, Avenig bekannte Ophonus oblongus Schm., den ich leider nur in einem todten, aber unbeschädigten Exemplare im Schlamme fand. Er ist jedenfalls zeitlicher im Frühjahr zu suchen, so wie der bisher nur in einigen wenigen Exemplaren bekannte grosse, herkulische Tribax torosus Friv., den Avir lebend, trotz des grössten Zeit- und Müheaufwandes, nur noch in wenigen Exemplaren finden konnten. Unter faulenden Pflanzenresten am Ufer des Sees leben hauptsächlich: Tachys scutellaris Genn., Bembidion ephippiurn Marsh., Bembidion minimum var. rivulare Dej. und Bern- Apfelbeck. Entomologische Expedition nach Bulgarien und Ostrumelien. 547 bidion varhim Oliv, in Menge; seltener Pogonus littoralis Duft, und eine zweite mir unbekannte Pogonus- Art. Am Vajakiöjsee, dessen Ufer für den Coleopterologen weit ungünstiger sind, findet sich ausser der auch am Atanassee lebenden Cicindela var. nemoralis auch Cicindela hybrida. Das Vorkommen dieser Art auf Salzboden scheint mir neu. Am Vajakiöjsee, dessen Wasser ebenfalls salzig ist, habe ich die Cicindela dila- cerata nicht beobachtet. Am Vajakiöj- und Akrianusee sammelte ich unter anderen auch Chlaenius aeneocephalus Rossi und Acinopus megacephalus ; auf Sanddünen, bei Tag an Binsengräsern sitzend, Abends schwärmend, in Menge Anoxia sicula, seltener Anoxia orientalis und Anomala solida Er. Die Ufer des Akrianusees besitzen ebenfalls bei Weitem nicht den Insectenreichthum des Atanassees. Die Ufer des ersteren sind meist mit Schilf bewachsen und an wenigen Stellen zugänglich. Am oberen Akrianu, wo das Wasser süss ist, finden sich schlecht bestockte Ulmenwälder. An Insecten war hier wenig zu beobachten, und das Abklopfen der Bäume und Sträucher lieferte infolge der vorgerückten Jahreszeit hauptsächlich nur Buprestiden, und zwar meist Capnodis cariosa und tenebricosa, Aurigena lugubris und eine Chalcophora- Art. An den Ufern des Vajakiöj- und Atanaskiöjsees leben zahlreich die riesigen gefrässigen Grillenarten Dinarchus dasypus Illg. und Callimenus Pancici Br. Diese Thiere scheinen ausschliess- lich carnivor zu sein, denn bei ihrer Menge und Gefrässigkeit müsste die Vegetation Spuren ihres Daseins zeigen, was ganz und gar nicht der Fall ist. Für meine An- nahme spricht auch folgender Fall. Herr Custos Reiser, welcher im Jahre 1891 Bulgarien bereiste, gab einen lebenden Dasypus in Ermanglung einer Sammelflasche in eine Tasche, worin sich ein kleinerer geschossener Vogel befand. In kurzer Zeit war derselbe von dem Dasypus fast ganz aufgefressen! Die Familie der Meloiden ist bei Burgas sehr artenreich vertreten ; unter anderen durch : Lydus tertiomaculatus F., Lydus algeri- cus(2), Zonitis bifasciata und einer Varietät der praeusta F.; Oenas crassicornis F., Alosimus luteus und chalybaeus, ersterer selten, der andere gemein auf Chrysanthemum. Ferner: Stenodera caucasica, Cerocoma Schreberi und Mühlfeldi var. Kunzei; Zonabris decem punctata, ßoralis Pall., quadripunctata var. Husseini Redt., zebraea Marsh. (?) und Fuesslini; Epicauta erythrocephala (in Menge im Grase am Ufer des Akrianusees). Für die Arten der Gattung Melde L. war es natürlich schon viel zu spät. V on Carabus- Arten finden sich bei Burgas ausser torosus Friv.: Carabus Wiedemanni und eine Sculpturvarietät desselben, Carabus convexus var. Procrustes var. carabo'ides Waltl. und Carabus morio in Gestrüppwald und Carabus scabriusculus in Weingärten. Alle diese Arten fingen wir in aufgestellten Fleischköderfallen, häufiger aber nur convexus. Am Meeresstrande bei Burgas leben unter angeschwemmten Algen hauptsächlich: Scarites planus , Pleurophorus caesus Panz., einige Anthiciden in Menge; hie und da auch eine anscheinend neue Phaleria- Art. Auch ein Exemplar des Phyllognathus Silenus fand ich hier unter Algen im Sande. Von den bei Burgas gesammelten Lepidopteren erwähne ich nur: Polyommatus Ochimus Kad. (nach Herrich -Schäffer, Bd. VI, S. 31 in Klein- asien heimisch) und Satyrus Proserpina. Am 30. Juni reisten wir mittelst Lloyddampfers von Burgas nach Varna. Hier lieferten einige Excursionen gegen Sandrovo am Meere, dann nach Gündüz-Cesme und gegen Hadzi Oglu-Bazardzik gute Resultate, besonders an Coleopteren, unter anderen Pimelia subglobosa var. subcostata Friv. Besonders die Disteln waren belebt von einer Menge Cetonia viridis et var., Larinus latus, Purpuricenus budensis-Y ormen, Aga- panthien, Trichodes- Arten, darunter auch quadriguttatus Ad., diversen Meloiden, wie Steno- dera caucasica Pall., Zonitis bifasciata (diese jedoch höchst selten), Lydus tertiomacula- 35* 548 III. Naturwissenschaft. tus F. etc. Auf Chrysanthemum: Anthaxia nitidula var. signaticollis, Cerocoma- und Zonabris- Arten. Auch Cerambyx dux Faid, ist hier auf blühenden Disteln zu finden. Am 5. Juni unternahm ich einen auf zwei Tage berechneten Ausflug zum unteren Karncik- Dere (Peitschenfluss). Dieser Fluss überschwemmt im Frühjahre in seinem unteren Laufe die Gegend auf grosse Strecken. Die Auen, meist aus Ulmen bestehend, sind von angeschwemmtem Holzwerk angefüllt. Der Boden war dürr und sehr vegetationsarm, an Insecten ausser Auchomenus angnsticollis , der unter morscher Rinde häufig ist, und einigen Halticiden wenig zu finden. Am lehmigen Ufer des hier träge fliessenden Flusses fanden sich gewöhnliche Bembidien, einige Philonthen, Tachyusen und eine kleine Hetero- cerus -Art. Am nächsten Tage machten wir einen Ausflug in einen höher gelegenen Eichen- wald, um dort Siebversuche vorzunehmen. Der Boden war aber überall — selbst dort, wo höhere Laubschichten sich vorfanden — vollständig ausgetrocknet. Trotzdem gelang es mit vieler Mühe, einige Exemplare des raren Chaetonyx robustus , die Mehrzahl davon aber bereits todt, ferner eine kleine Laena- Art, einen Melanotus und Helops subrugosus zu erbeuten. Unter dem Moose alter Eichenstämme fanden sich in Ameisencolonien eine Menge von Myrmedonia ruficollis und auch, jedoch seltener, eine zweite kleinere Myrmedonix-Avt. Der Eichenwald war durch eine Unzahl von Bombyx dispar stark beschädigt, und zahllose, meist stark abgeflogene Männchen dieses forstschädlichen Schmetterlings umschwärmten uns. Tags vorher hatten wir in einem Eichenwalde nahe dem Kam6ik-Dere Köderfallen auf Caraben aufgestellt, fanden aber anderen Tags nur einige Sylphiden, Histeriden und Ontophagus furcatus. Jedenfalls war auch schon die Jahreszeit zu vorgeschritten für diese an Carabiden sonst meist ergiebige Sammel- methode. Nach Varna zurückgekehrt, besuchte ich wiederholt die Ufer des Devnosees, fand denselben jedoch an Wassertliieren sehr arm. Versuche mit dem Netze lieferten meist nur eine Unmenge von Blutegeln. Auch die Ufer bieten an Insecten wenig. Nur an verschlammten, mit Schilf bewachsenen, schwer zugänglichen Stellen gelang es mir, bessere Ausbeute an tief im Schlamme lebenden Coleopteren zu machen, darunter auch eine interessante mir unbekannte Staphylinidenart in grösserer Anzahl. Am 10. Juli reisten wir nach Pravadia, einer Station an der Eisenbahnstrecke Varna — Rustschuk. In Pravadia miethete ich einen Leiterwagen, der uns über das Gebirge nach Aitos bringen sollte. Am ersten Tage kamen wir über den Pravadia-Balkan bis Jenikiöj am Akili-Kamcik-Dere. An diesem Flusse sammelten wir Abends noch Einiges von Ufer- thieren (Heteroceren, Bembidien, Dyschirien und Bledien etc.) und in Gärten auf Um- belliferen und Artemisien eine grosse Anzahl von Callimus femoratus, der in Bulgarien und Ostrumelien sehr verbreitet zu sein scheint und stellenweise häufig ist. Auch eine Tricliodes-Avt , dem Trichodes apiarius am nächsten, ist in den Gärten bei Jenikiöj häufig. Der Pravadia-Balkan1) hat den Charakter eines Mittelgebirges und ist bis auf den Rücken mit schlechten, vom Vieh meist verbissenen und daher zum grossen Theil ge- strüppartig und verkrüppelt wachsenden Eichenwäldern bestockt, an schattiger und feuchter gelegenen Abhängen wohl auch mit anderen Holzarten, die ich aus der Ent- fernung nicht genauer erkannte, mit Ausnahme der Silberlinden, die sich schon von Weitem durch ihre silberweissen Blätter vom übrigen Laubwerk abheben. Auch hier sind die Eichen von Bombyx dispar stark beschädigt; es scheint dieser Falter in Bul- x) Unter „Balkan“ verstellt der Bulgare im Allgemeinen ein „Gebirge“, beiläufig das, was man in Bosnien unter „planina“ verstellt. Apfelbeck. Entomologische Expedition nach Bulgarien und Ostrumelien. 549 garien weit häufiger schädlich aufzutreten und das Wachstlium der Eichenwälder weit mehr als im übrigen Europa zu beeinträchtigen. Vermuthlich ist das wärmere Klima der Entwicklung der Disparraupen günstiger. Siebversuche waren hier infolge der Dürre des Bodens resultatlos. Nächsten Tages ging es zum grossen Theile längs des Deli-Kamcikflusses über Tekenlik nach Resiler, zwei armselige Dörfer, wo wir weder etwas zu essen bekamen, noch ein halbwegs anständiges Nachtlager finden konnten. Der Weg ist unbeschreiblich schlecht, geht fortwährend steil bergauf und bergab, mit- unter über sehr gefährliche schmale Stellen an steilen Abhängen. Zwei Stunden vor Resiler in einer Gebirgsschlucht am Lachna-Dere brach uns kurz vor Anbruch der Dunkelheit eine Radachse, deren nothdürftige Reparatur über drei Stunden währte. So lange es das Tageslicht noch gestattete, benützte ich die unfreiwillige Fahrtunterbrechung zum Untersuchen der Steine an dem kleinen Gebirgsbache. An Coleopteren war fast gar nichts zu finden, wohl aber zu meiner grössten Verwunderung unter grösseren Steinen am Bachesrande zwei Stück eines grossen, hellgelb gefärbten Taschenkrebses. Auf der Fahrt von Tekenlik nach Resiler sammelten wir an geeigneten Stellen viele Lepidopteren und Orthopteren. Von Ersteren fiel mir besonders ein Satyrus auf, dem Satyrus Briseis L. in der Färbung am ähnlichsten, jedoch viel grösser und mit helleren, auch auf den Hinter- flügeln sehr breiten Binden. Der dritte Reisetag brachte uns von Resiler über den Aitos-Balkan nach Aitos und von hier nach Burgas. Der Aitos-Balkan bot ebenso wie der Pravadia-Balkan wenig Ausbeute an Coleopteren. Wieder dieselben tristen, dürren Eichenwälder. Im ersten Frühjahre, besonders gegen Ende April, mag es hier gut zu sammeln sein, im Hochsommer jedoch enttäuschen diese Wälder den Entomologen in hohem Grade. Wir mussten uns hauptsächlich auf das Einsammeln von Orthopteren beschränken, deren es auf dürren Grasflächen genug gab. Auch zwischen Aitos und Burgas flogen längs der durch die Felder führenden Strasse, vom Wagen aufgescheucht, Millionen von Heuschrecken auf, meist Arten mit rothen und rosafarbigen Unterflügeln, von denen wir eine Anzahl einfingen. In Burgas wieder angelangt, unternahm ich (13. bis 15. Juli) abermals einige Ex- cursionen zu den Seen und längs des Meeresstrandes gegen Suzopolis. Die Coleopteren- fauna war seit meiner Abreise nach Varna am 30. Juni, also in 14 Tagen, bedeutend zurück gegangen; viele Arten, die ich noch Ende Juni gefunden hatte, waren ganz ver- schwunden, ohne durch andere merklich ersetzt zu sein. Nur an Schlammthieren auf mit Schilf bewachsenen Stellen und an kleinen Wasserkäfern an Tümpeln beim Atanassee, sowie an Orthopteren — besonders auf den Sanddünen zwischen dem Atanas- see und dem Meere — war noch gute Ausbeute zu machen. Ich trachtete nun möglichst rasch ins Hochgebirge zu kommen, und wir reisten daher auf der Bahn zurück nach Philippopel, um von dort bei Kalofer Touren in den Kodza-Balkan zu machen. Am 19. Juli fuhren wir von Philippopel nach Kalofer. Von hier ging es am nächsten Tage mit Wagen zum griechisch-orientalischen Kloster Sv. Bogorodica, welches malerisch von Bergen eingeschlossen in einem kleinen Thah kessel am Ak-Dere liegt und von zwei griechischen Mönchen, die uns freundlichst auf- nahmen, bewohnt ist. Hier sollte mein Hauptquartier für die Touren in den Kodza- Balkan sein, aber leider trat schon am nächsten Tag ein Landregen ein, welcher grössere Touren im Hochgebirge unmöglich machte. Meine Excursionen erstreckten sich nun in den folgenden Tagen — - meist im Regen — den Ak-Dere (weissen Fluss) aufwärts und abwärts. Dieser Fluss entspringt in der Nähe des Mara-Gedück, durch- fliesst in seinem obersten Laufe einen dicht bewaldeten tiefen Hochgebirgskessel und 550 III. Naturwissenschaft,. zwängt sicli dann durch enge Felsschluchten hinab zum Kloster, von wo sein Lauf ein ruhiger wird. Vom Kloster abwärts sind die Ufer des Ak-Dere stellenweise mit Weiden- und Erlengebüsch bewachsen, welches ich wiederholt, aber mit wenig Erfolg nach Insecten absuchte. Unter Steinen am Ufer war fast nichts zu finden; ebenso blieb das Suchen nach Elmiden im Bache selbst resultatlos. An einer Stelle des Baches, im tiefen Schatten dichter Bäume trieben sich auf der Oberfläche des Wassers mehrere Schaaren von Gyrinus herum, wovon wir mit einem einzigen Netzzuge über hundert Exemplare einfiengen. Ich habe Gyrinus- Arten bisher in so kaltem, schnellfliessendem Wasser nicht beobachtet. Nachdem die Witterung durchaus keine baldige Besserung erhoffen liess, beschloss ich am fünften Tage, nach Philippopel zurückzukehren. Ein mit Büffeln bespannter Leiterwagen brachte uns nach Kalofer zurück, wo ich auf den umliegenden Höhen unter anderen die Anthaxia diadema, eine bisher nur aus Südrussland bekannte Art, auf einer hohen blühenden Artemisia- Art in Gesellschaft mit Callymus femoratus in grösserer Anzahl erbeutete. Wieder in Philippopel angelangt (25. Juli), unternahm ich von dort aus mehrere Excursionen an einen Sumpf bei Papasli, der eine sehr arten- reiche Ausbeute an Wasserkäfern und schöne Libellen ergab. Die fürchterliche Sonnen- hitze und die besonders gegen Abend sehr miasmengeschwängerte, stinkende Sumpfluft machten den Aufenthalt in diesem Sumpfe höchst unangenehm und gefährlich. Eine mehrtägige Excursion über Novoselo und Biela-Crkva (kleines griechisch-orientalisches Kloster) in die nördlichen Ausläufer des Rhodopegebirges lieferte mehrere charakteristische Balkanthiere, so unter anderen die seltenen Tapinopterus balcanicus. Von Carabus- Arten fand sich hier Procerus scabrosus, Carabus hortensis (!) und eine Varietät des violaceus (zur Rasse azurescens gehörig), aber alle höchst selten. Auf Föhren sassen Tausende von Anomala aenea, in allen Farbenvarietäten. In Philippopel fand ich auf den Felsen oberhalb der Stadt Abends mehrere Phyllognatus Silenus am Wege kriechend. Am 28. Juli reiste ich nach Sofia, um dort das Nöthige für die beabsichtigte vier- wöchentliche Campagne im westlichen Rhodopegebirge und Rhilo-Dagli zu veranlassen. Hier verliess mich meine selige Frau, meine treue, in aufopferndster Liebe und Hingebung sich selbst vergessende Reisebegleiterin. Sie hatte — jedem Ungemach Trotz bietend und eine heitere Seite abgewinnend — bisher alle Touren mitgemacht und war mir stets freudigst und hilfreich zur Seite gestanden. Auf allgemeines Ab- rathen, und weil eine mehrwöchentliche Campagne in den unwirthlichen Hochgebirgen für sie denn doch zu gewagt schien, trennten wir uns schweren Herzens in Sofia, und sie reiste von hier — anscheinend ganz gesund — nach Budapest ins Elternhaus. Hier erkrankte sie einige Tage nach ihrer Ankunft, während ich ahnungslos mich in den Hochgebirgen bei Samakov befand, an einem perniciösen Fieber (hochgradige Malaria), dessen Keim sie jedenfalls, sowie Curcic und ich, aus den Sümpfen von Burgas schon länger in sich barg, und welcher tückischen Krankheit sie trotz ihrer kräftigen körper- lichen Constitution und der ärztlichen Bemühungen schon am fünften Tage erlag. Von Sofia fuhr ich mit Volontär Curcic nach Samakov, um von dort zunächst in den westlichsten Theil des Rhodopegebirges nach Demir-Kapu an der macedonisehen Grenze zu gelangen. Obwohl Curcic schon am Wege nach Samakov von Malaria befallen wurde, fuhren wir doch am nächsten Tage (1. August) nach Bjeli-Isker, einem kleinen Dorfe am Flusse gleichen Namens. Da hier kein Nachtlager zu finden war, schlugen wir auf einer abgemähten Wiese in der Nähe des Dorfes unser Zelt auf. Am nächsten Tage brachen wir mit Tragthieren und begleitet von einem berittenen Gendarmen nach Demir-Kapu auf. Ein Anfangs guter Reitweg führt fast stets den Gebirgsbach entlang auf- wärts, zunächst ohne besondere Steigungen. Bald ausserhalb des Ortes verengt sich das Apfelbeck. Entomologische Expedition nach Bulgarien und Ostrumelien. 551 Thal; kleine Föhrenbestände und üppiges Laubholzgebüsch bekleiden die Hänge, Erlen- und Weidengestrüpp säumen den rauschenden Alpenbach. Je höher wir aufsteigen, desto üppiger wird die Vegetation. Hohe Disteln und andere blühende Pflanzen, von Insecten umschwärmt, locken den Forscher und laden zum Aufenthalte. Einzelne Pinus cembra (Zirbelkiefern) verleihen der Landschaft besonderen Reiz; herrliche Quellen sprudeln am Wege hinab zum tosenden Bache. Gegen Mittag kamen wir bereits an die ersten Krummkolz-Colonien. Diese reichen hier verhältnissmässig tief herab und verleihen — als fremde Gäste aus höheren Regionen zwischen den dichten, aus Erlen, Salweiden, Birken und anderen der Ebene ungehörigen Holzarten zusammengesetzten Beständen — ihrer Umgebung besonderen Reiz. Im unteren Thale ist unter Steinen reges Leben; hauptsächlich eine Chrysomela- Art aus der Megerlei- Verwandtschaft und Chrysomela Findeli, dann ein Zabrus, der var. convexus des graecus sehr nahestehend, Ccilatlms metallicus, verschiedene Har- palus-, Amara- und Pterostichus- Arten, aber meist mitteleuropäische Formen, besonders häufig Harpalus aeneus. Auf blühenden Pflanzen: Chrysochus pretiosus in Menge, einige gewöhnliche Leptura- Arten, besonders Leptura armata. Höher oben lebt auf Birken eine auffallend grosse, hellgrüne Pliyllobius- Art, unter Steinen häufig ein Otior- rhynchus aus der denigrator- Gruppe, auf Gesträuch Otiorrhynchus scopularis und auf Disteln und anderen Pflanzen eine Otiorrhynchus -Art aus der (Ares-Gruppe, sowie eine kleine Agapanthia- Art. Von Lepidopteren fliegt hier unter anderen Vanessa cardui , Colias edusa, Parnassius Apollo, sowie einige Lyc.aena- und Argynnis -Arten. Leider konnten wir uns mit dem Einfangen derselben wenig befassen, da wir eilen mussten, um — mit Rücksicht auf den leidenden Zustand des Curcic — je eher die Kula auf Demir-Kapu zu erreichen. Zwei Stunden unterhalb der Kula verschlimmerte sich der Zustand Curcic’ derart, dass er sich nicht mehr im Sattel halten konnte und wir Halt machen mussten. Nachdem Curcic mit schnell zubereitetem heissem Thee und Cognac gelabt worden war und längere Zeit geruht hatte, setzten wir den Aufstieg fort und kamen Abends zur Kula. Diese, ein primitives steinernes Gebäude, worin während der wärmeren Jahreszeit sieben bulgarische Gendarmen als Grenzwache unter- gebracht sind, liegt an der Waldgrenze auf einem kleinen Hochplateau, von welchem man einen herrlichen Ueberblick auf die umliegenden Grate und Kuppen geniesst. Auf einigen Stellen, etwa eine Stunde oberhalb der Kula, lag in tieferen, der Sonne weniger ausgesetzten Mulden noch Schnee. Unter der Kula vorbei rauscht der Bjeli Isker, der weiter oben entspringt und ziemlich reich an Forellen ist. Die Gen- darmen, wilde, wettergebräunte, herkulische Gestalten, nahmen uns freundlich auf und bewirtheten uns mit Forellen und Gemsenwildpret. Demir-Kapu liegt 2789 M. über dem Spiegel des ägäischen Meeres, die Kula circa eine Stunde unterhalb. Unter Steinen findet man hier wenig, meist den schon erwähnten Otiorrhynchus aus der denigrator- Gruppe, eine Alophus -Art, einen Trechus, jedoch äusserst selten, und einige kleinere Curculioniden und Staphyliniden. Auf einer sehr wolligen Verbascum- Art traf ich häufig eine kleinere Cionus- Art. Beim Bache fand ich mit vieler Mühe einige Bem- bidien und eine kleine Form der Nebria Gyllenhali, deren Vorkommen mir so weit im Südosten umso merkwürdiger ist, als diese westliche, den Kalkalpen angeliörige Art schon in den bosnischen Hochgebirgen ganz fehlt. Einige Nebrien der westlichen Kalkalpen scheinen übrigens sprungweise auch weit nach Südosten zu reichen, während sie in den dazwischen liegenden Hochgebirgen fehlen. Wir haben ein eclatantes Beispiel dafür an der Nebria Germari. Während diese Art den croatisclien Hochgebirgen (Velebit) und den westlichen und nördlichen Alpen Bosniens ganz fehlt, finden wir sie • 552 III. Naturwissenschaft. plötzlich im äussersten Süden Bosniens auf dem Yolujak an der montenegrinischen Grenze in Gesellschaft der Nebria Apfelbecki am Rande der Schneefelder in Menge. Die Nebria rhilensis, die an Bachrieseln im Rhilo Dagh leben soll, fand ich auf Demir- Kapu nicht; sie scheint wie manche andere Nebria, z. B. Nebria bosnica und Nebria Speiseri , auf manche Gebirgsstöcke beschränkt. Die an manchen Stellen des Baches sehr üppige Vegetation ist hier oben von Insecten fast ganz unbelebt. Besonders fiel mir der Mangel von Oreinen auf, für deren Vorkommen hier alle Bedingungen vor- handen sind. Im Fichtenwalde an der Baumgrenze ist das Suchen nach Insecten ganz vergeblich, da der Boden, ähnlich wie am Vitos, meist versumpft ist und sich keine Insecten entwickeln können, mit Ausnahme von kleineren Wasserkäfern, welche in grosser Menge die vielen kleinen moorigen Tümpel und Wasserläufe beleben. Das Abklopfen der Fichten lieferte nur einige Anthopliagen und Coccinellen. Auf Birken traf ich zahlreich eine kleine schöne Cicade. Mit meiner Erkrankung an Malaria auf Demir-Kapu am 4. August (an demselben Tage erkrankte meine selige Frau in Budapest an Malaria) und der Rückkehr nach Samakov schlossen meine Touren in Bulgarien. Ich rufe mir hier am Schlüsse nochmals alle Jene ins Gedächtniss, die mit Rath und That mir die Ausführung meiner wissenschaftlichen Aufgabe erleichterten, und bringe ihnen meinen wärmsten und aufrichtigsten Dank hier nochmals zum Ausdrucke. Die bosniseh-hereegovinisehen Borkenkäfer.1) Ein Beitrag1 zur Kenntniss der bosmscb-hercegovmischen Käferfauna. O o Von Johann Knotek, Professor an der technischen Mittelschule in Sarajevo. (Mit Tafel VIII und IX.) A. HylesininL2) 1. Genus: Hylastes Erichson. 1. ater Payk. In Cevljanovic und Vucjaluka bei Sarajevo an Weisskieferstöcken. 2. cunicularius Er. Vucjaluka bei Sarajevo, auf der Bjelasnica- und Igman planina, bei Visegrad und Bezirk Krupa. 3. attenuatus Er. Mit H. ater in Cevljanovic. 4. palliatus Gyll. Igman planina an Fichten, Cevljanovic und Vucjaluka an Weiss- kiefern. 5. trifolii Müll. P. Brandis3) führt ihn als bosnische Art an, jedoch ohne Orts- angabe; er dürfte aus der Gegend von Travnik stammen. 2. Genus: MyelophilllS Eichhoff. 6. piniper da L. Ziemlich verbreitet; gesammelt wurde er theils unter der Borke sowohl liegender, als auch stehender Kiefern, theils in deren Zweigspitzen; in Vucjaluka, Romanja planina, Semec, Bezirk Rogatica (an jungen Kieferstangen unter dünner Rinde), bei Kalinovik. 7. minor Hart. Scheint ziemlich selten zu sein. Die gesammelten Exemplare sind aus Pesurici (Präd. Medena luka), Bezirk Rogatica, an liegenden Schwarzkiefer- stämmen unter Dickborke; in Ruiste bei Mostar (Herceg.) brütet er in den Gipfelpartien der Pinus leucodermis mit Tom. amitinus und quadridens ; Stari- grad bei Sarajevo an Schwarzkiefern. 3. Genus: Polygraplius Erichson. 8. polygraphus L. Die mir bekannten Fundorte sind Vucjaluka und Igman planina bei Sarajevo in Fichtenbeständen; er dürfte aber im ganzen Lande Vorkommen. J) Die hier angeführten Arten wurden grösstentheils auf den Exeürsionen mit den Schülern der Forstabtheilung an der technischen Mittelschule in Sarajevo von mir und Prof. Miklau, andererseits von Custos-Adjunct Apfelbeck vom Jahre 1888 bis jetzt gesammelt. Die Exemplare befinden sich theils in meiner Privatsammlung, theils in denen der technischen Mittelschule und des Landesmuseums. 2) Die Anordnung ist nach Eichhoff: „Die europäischen Borkenkäfer“, Berlin 1881. 8) P. Brandis im „ Glasnik zemaljskog muzeja u Bosni i Hergovini“, Jahrgang 1890, Heft II, S. 177 — 187. „Coleopteri u srednoj Bosni“ führt weiter an: Tom. typogrwplws, Xyl. dryograplvus, Trip, lineatum. 554 III. Naturwissenschaft. 4. Genus: Carphoborus Eichhoff. 9. minimus Fabr. Nur auf der Spitze des Trebevie bei Sarajevo an Pinus montana mit Tom. quadridens und clialcograplius gefunden. 5. Genus: Pliloeosinus Chapuis. 10. Aubei Perris. (Tafel VIII, Figur Sa und b.) Am 15. Mai 1891 fand icb den Käfer kürzlich angeflogen auf einem frisch gefällten Wachholderstamm auf der Dragulja planina (Stari grad) bei Sarajevo, bei einer Meer.eshülie von 1000 M. Die Eier- ablage war schon zum grossen Theil beendet, in einzelnen Eiernischen die jungen Larven schon entwickelt. Aus den eingezwingerten Stücken flog der Käfer von Anfang bis Mitte August, einzelne Larven überwinterten sogar. Am 26. Juni fand ich ein sich eben einbohrendes 9 an Cupressus bei Mostar, am 8. Juli am Trebevie (1629 M.) im Wachholder schon ziemlich ent- wickelte Larven, die überwinterten; anfangs Juni des nächsten Jahres flogen die Käfer aus. Am 8. August d. J. fand ich bei Ustikolina unweit Foca frisch entwickelte Lärvchen, gemeinsam mit denen des Pli. thujae an Wachholder. Die Generation scheint somit in den höheren Lagen nur eine einfache, in den tieferen und südlicheren eine doppelte zu sein. Die Brutgänge sind von jenen des Pli. thujae nur durch die grössere Länge und Breite unterschieden. Der Muttergang ist ein bis 3 Cm. langer, doppelarmiger Längsgang, mit seitlichem Eingangsstiel, der sich zu einer kleinen Kammelkammer erweitert, von welcher die beiden, zumeist zu einander parallel verschobenen Arme ab- gehen. In den meisten Fällen ist aber einer dieser beiden Arme so verkürzt, dass er mit dem Eingangsstiel eine Gabel bildet; in diesem Falle hat er nur einen bis zwei Larvengänge oder aber gar keinen. Der Splint wird nur schwach angegriffen. Die Eiernischen sind sehr gross, weit von einander entfernt und gering an der Zahl. Die Larvengänge gehen zuerst in die Quere, um bald abzubiegen und, sich schwach schlängelnd, die Richtung der Stammachse zu nehmen. Sie verlaufen anfangs nur im Bast, am Splint kaum eine Spur zurück- lassend, später aber zwischen Splint und Bast. Die Puppenwiegen sind an zwei Drittel im Splint eingelassen. 11. thujae Perris. (Tafel VIII, Figur 2.) Dragulja planina unweit des Fundortes von Anbei , Kosevothal bei Sarajevo, Ustikolina bei Foca. Bei Reöica unweit Sarajevo fand ich am 17. Juli 1891 einen Wachholder massenhaft soeben von ihm an- geflogen. Einzelne Käfer waren noch nicht vollkommen ausgedunkelt. Die Generation scheint also wie bei Aubei eine bedingt doppelte zu sein. 6. Genus: Hylesinus Fabricius. 12. crenatus Fabr. Selten. Die technische Mittelschule besitzt nur Frassstücke aus dem Bezirk Cajnica, Igbarthal bei Konjica (Herceg.) und aus den Beständen von Praöa. In Sarajevo steht eine uralte, mehrfach geköpfte Esche, die vor Jahren von ihm bewohnt war. 13. Henscheli n. sp. Oblongo-ovatus, convexus, opaco-nitidus, aurato-crinitus, dilute- piceus, tarsis antennisque brunneo setosis; prothorace longitudine, multo latiore, convexo, apice fortiter et egaliter angustato, angulis posticis rotundatis, den- sissime grosse granulato , lateribus et supra medium discum fortiter, sparsim Knotek: Die bosnisch-hercegovinischen Borkenkäfer. Tafel VIII. 'S:«!® säte , S chler eth. a.3. nat . d.el. Iith._Ari.3t "vr HtB a.m’.-rarih, Vv'it:: lanjb fi^esiiuis ilenschsh lmotek.2 osiraxs frijae peirh;. 3 a -x. oTHlo cos iivr.s A u b c : P §|r.:. r . 4ta.u~b Scolytas acexis Eriotet 5a,"b.tx.c Scölyttrslae'vis Cltap. Knotek. Die bosnisch-herceg'ovinischen Borkenkäfer. 555 tuberculato et setis pubescentibus ; elytris profunde punctato-striatis, interstitiis transversim rugosis, ordinatim grosse nitide granulatis. Long. 3 mm. Patria: Hercegovina. Das Brustschild ist viel breiter als lang, nach vorne gleichmässig und stark verschmälert mit abgerundeten Hinterecken. Die Punktirung ist sehr dicht und grobkörnig und — besonders an den Seiten und am Vorderrande, sowie die vordere Hälfte der Scheibe bis über die Mitte hinaus — mit starken Hückerchen und gelben Haarbörstchen zerstreut besetzt; auf der hinteren Hälfte ist das Halsschild vor dem Hinterrande in der Mitte flach eingedrückt, der letztere beiderseits sehr schwach ausgebuchtet. Stirn schwach gewölbt, dicht und fein punktirt, mit ziemlich tiefer, glatter Längsfurche und goldgelben kurzen Härchen. Die Flügeldecken sind einfärbig, bräunlich -schwarz, sehr tief und regelmässig punktirt gestreift, die Punkte etwas in die Länge gezogen. Die Zwischenräume sind schwach gewölbt, stark runzelig und mit einer regelmässigen Reihe stark erhabener, glänzender Höckerchen besetzt; ausser einzelnen äusserst zarten Härchen am Absturz fast kahl. Die Unterseite ist grob und tief punktirt und — besonders die Bauchringe — mit goldgelben Haaren besetzt. Abgesehen von dem geliöckerten Brustschild, den Höckerreihen auf den Flügeldecken, welche den Hauptcharakter bilden, im Zusammenhalte mit seiner geringen Grösse, steht der Käfer in Hinsicht auf Färbung und Sculptur dem Hylesinus crenatus am nächsten. Das einzige mir vorliegende Exemplar (Tafel VIII, Figur 1 a und b) fand ich am 22. Juni 1891 in Gemeinschaft mit H.fraxini auf einer frisch geschlagenen circa 30jährigen Esche in der Bi sin a unweit der Jovanovic-Karaula bei Nevesinje, frisch angeflogen. Die Brutgänge und das biologische Verhalten sind mir unbekannt. Ich widme diese Art meinem hochverehrten Lehrer Herrn k. k. Forstrath Prof. Gustav Henschel. 14. fraxini Fahr, sowohl in Bosnien als der Hercegovina gemein. Ein selteneres Vor- kommen wäre zu verzeichnen an Syringa , in einem Garten in Sarajevo. 15. vittatus Fahr. Bei Sarajevo in Gemeinschaft mit Xylopertha sinnuata und Igman planina mit Sc. laevis auf Ulmus montana. B. Scolytini. 7. Genus: Scolytus Geoffroy. 16. Geoffroyi Goetze. Bis jetzt fand ich ihn nur auf der Treskavica planina unterhalb des Vratlopasses mit Sc. laevis an Ulmus montana. 17. Ratzeburgi Janson. Selten; die wenigen gesammelten Käfer stammen von Vitez; Frassstücke wurden gefunden im Bezirke Cajnica und unweit Praca. 18. laevis Chapuis. (Tafel VIII, Figur ha — c.) Am 23. Juli fand ich ihn auf der Igman planina mit H. vittatus , und am 4. August mit Sc. Geoffroyi auf Ulmus montana in der Treskavica planina, beidemal mit fast beendeter Eierablage.1) Da meines Wissens die weiblichen Thiere noch nirgends beschrieben wurden, gebe ich folgende Diagnose: Stirne ziemlich stark gewölbt, fast kahl, 1) Ende Juli 1888 fand ich den Sc. laevis an Ulinenscheitholz in der Schwarzau bei Weitra (Nieder- österreich) als flugreife Imagines in den Puppenwiegen. 556 III. Naturwissenschaft. mit einer Längsfurche am Scheitel; die vorderen gelben Haarbörstchen des Männchens fehlen ganz. Alle Bauchringe unbewehrt. Sein Brufbaum ist die Ulme. Der Muttergang ist ein bis über 5 Cm. langer, in den Splint tief ein- greifender, fast gerader Längsgang mit einem schiefgestellten kurzen Eingangs- stiel und einer rammelkammerartigen Erweiterung, wodurch er sich von den anderen Scolytidengängen sofort unterscheidet. Die Larvengänge sind sehr zahlreich und dicht, bewegen sich anfangs nur im Bast und lassen später nur eine Spur auf dem Splint zurück. Die Verpuppung geschieht tief im Holz. Die Larven in den Ende Juli gesammelten Frassstücken überwinterten; die Käfer flogen von Ende März bis Ende April. Die Gieneration ist jedenfalls eine doppelte. 19. carpini Ratz. Aus Weiss- und Rothbuchenbrennliolz aus der Umgebung von Sara- jevo gesammelt. Der Muttergang ist ein nur 1 Cm. langer, schwach gekrümmter, tief in den Splint eingreifender Quergang. Die Larvengänge bewegen sich in der Richtung der Stammachse und sind tief in den Splint eingeschnitten. In Roth- buche bewegen sie sich mehr zwischen Rinde und Splint. 20. pruni Ratz. Häufig. Ich besitze aus einem Apfelstammstück ausgeflogene Exem- plare in allen Farbenabstufungen von Schwarz bis Rothbraun, also typische pruni und castaneus, die zweifelsohne artlich nicht verschieden sind. 21. intricatus Ratz. Das wenige Material stammt aus der Umgebung von Sarajevo und der Kozara planina, wo den Käfer Herr Prof. Miklau in wenigen Exem- plaren sammelte. 22. aceris n. sp. (Tafel I, Figur 4 a und b.) Ater , politus sparse crinitus, elytris saturate fuscis, tarsis antennisque dilute fuscis; prothorace latitudine paulo longiore, lateribus profunde dense punctatis, disco parum et subtiliter punctato; elytris multo longiores, tliorace lateribus fere parallelis, retro paulo angustatis, ab- domen valde dominantes, regulariter, densissime grosse profunde punctatis, inter- stitiis perangustibus levibusque nitidis ; abdominis segmenta inermia , cf, fronte cum peniculo flavo; 9, fere glabra. Long.: 3 — 4'5 mm. Patria: Bosna, Herce- govina; Austria infer. Schwarz, glänzend, schütter behaart, mit schwarzbraunen Flügeldecken und gelblichbraunen Fühlern und Tarsen. Das Brustschild ist nur wenig länger als breit, nach vorne etwas verschmälert, mit, bis übei die Mitte hinaus, fast parallelen Seiten. Diese sind tief und dicht, die Scheibe weitläufig und feiner punktirt, die Punkte schwach in die Länge gezogen. Die Flügeldecken sind viel länger als das Bruststück, regelmässig punktirt-gestreift, die Punkte sehr dicht, grob und tief, die Zwischenräume zwischen den Punktstreifen sind sehr schmal, glatt und glänzend; die Seiten der Flügeldecken fast parallel, nach rückwärts nur wenig verengt, die Hinterleibsspitze stark überragend. Stirne runzelig, nadelrissig und fast kahl; die Bauchringe bei beiden Geschlechtern unbewehrt, einfach, der Hinterleib stark ausgebuchtet. cf Stirne flach mit gelber Plaarbürste, 9 Stirne schwach gewölbt, fast kahl, mit schwacher Längsfurche. Sc. aceris steht dem Sc. intricatus am nächsten, unterscheidet sich jedoch von diesem durch längeres und mehr abgeflachtes Brustschild und durch die nach rückwärts sich nur wenig verengenden, die Hinterleibsspitze ziemlich weit Tafel IX. Knotek: Die bosnisch-hercegovimschen Borkenkäfer. Knotek. Die bosnisch-liercegovinischen Borkenkäfer. 557 überragenden Flügeldecken. Die Punktstreifen auf denselben sind nicht, wie bei Sc. intricatus, durch Kritzeln unterbrochen, die Zwischenräume derselben glatt, die Punktirung selbst ist viel gröber und tiefer und die Behaarung spär- licher, so dass der Käfer im Ganzen glänzender erscheint; der Hinterleib ist stark ausgerandet, und die das cT des Sc. aceris charakterisirende Stirnbürste fehlt bei Sc. intricatus. Was sein Vorkommen anbelangt, so habe ich ihn bis jetzt ausschliesslich auf mehreren Ahornarten ( platanoides , campestre und obtusatum) an verschiedenen Orten Bosniens und der Hercegovina gefunden, und zwar1) an A. campestre bei Jelec, Bezirk Foca, bei Ulog und in der Umgebung von Sarajevo (aus Brennholz- scheitern), an A. platanoides , dann Ruiste bei Mostar an obtusatum am 25. Juni 1891, die 9 gerade im Einbohren begriffen. Aus diesen eingezwingerten Stücken flog ein 9 und ein cf Anfangs September aus, die übrigen Larven überwinterten, und die sich entwickelnden Käfer flogen im nächsten Jahre Ende Juli und Anfangs August. Die Generation scheint, nach den gezogenen Stücken zu ur- theilen, eine nur einfache zu sein. Der Muttergang ist ein l-5 — 5 Cm. langer, über 3 Mm. breiter, tief in den Splint eingreifender, fast gerader Längsgang. Die Larvengänge sind sehr zahl reich (bei einem Brutgang bis zu 110) und dicht, greifen von Anfang an tief in den Splint, berühren oder kreuzen sich nie und stehen, bis auf die äussersten, welche sofort umbiegen und in der Stammrichtung bis zu 12 Cm. Länge ver- laufen, fast senkrecht auf dem Muttergang, um später erst strahlenförmig aus- einanderzugehen. Die Puppenwiegen liegen in der Rinde. Der ganze Brut- gang ist sehr regelmässig, zierlich und charakteristisch und vom Sc. intricatus , der bekanntlich nur kurze Quergänge macht, unterschieden. (Siehe Tafel IX.) 23. rugulosus Ratz. Sowohl in Bosnien als in der Hercegovina gemein. 24. multistriatus Marsh. Meine wenigen Exemplare fand ich bei Recica unweit Sarajevo und mit ihnen ein einziges Exemplar von 25. triornatus Eichh. C. Tomicini. 8. Genus: Crypturgus Erichson. 26. pusülus Gyll. Häufig. Ruiste bei Mostar mit C. cinereus in den Gängen von Tom. amitinus an Pinus leucodermis, Pesurici, Bezirk Rogatica, an Schwarz- kiefern, am Trebevic an Krummholz, Visegrad und Cevljanovic an Kiefer, Vucjaluka an Pichte. 27. cinereus Herbst. Mit C. pusülus aus Ruiste an Pinus leucodermis, bei Mokro an Fichten. 9. Genus: Hypoborus Erichson. 28. ficus Er. In der Umgebung von Mostar in Gemeinschaft mit Synoxylon muricatum an kränkelnden Feigenbäumen. Am 20. Juni zum grossen Theil frisch ausgeschlüpfte Larven; ein Theil dieser Brut flog in der zweiten Hälfte September, der andere überwinterte als Imago in den Puppenwiegen. *) Im Winter 1891 fand ich im Garten der k. k. Hochschule für Bodencultur in Wien an den Aesten eines bereits abgestorbenen Feldahorns eine Anzahl von einem Scolytus herrührender Brutgänge. In zwei derselben befanden sich noch Rudimente abgestorbener Weibchen. Sowohl der Käfer als auch Brutgang stimmen mit aceris vollkommen überein. 558 III. Naturwissenschaft. 10. Genus: Cryplialus Erickson. 29. piceae Ratz. Vucjaluka, Hranisava und Igman planina. 30. fagi Fahr. Ivan und Treskavica planina; Herr Reitter1) sammelte ihn in Nemila. 11. Genus: Pityoplithorus Eichhoff. 31. micrographus Gyll. Ziemlich verbreitet; Seme6 und Pesurici an Schwarzkiefern, Cajnica, Vucjaluka an Fichte, Igman planina an Tanne. 12. Genus: Taplirorychus Eichhoff. 32. bicolor Herbst. Ueberall, wo Buchen Vorkommen. 13. Genus: Tliammirgus Eichhoff. 33. varipes Eichh. Von Herrn Apfelbeck in Reljevo bei Sarajevo an Euphorbia spec.? gesammelt. 34. Euphorbiae Küst. Herr Apfelbeck fand ihn bei Mostar in den Stengeln der Eupliorbia dendroides. 14. Genus: Xylocleptes Ferrari. 35. bispinus Duft. Ich fand ihn in der Nähe von Konjica, Reljevo und Recica bei Sarajevo. 15. Genus: Toillicus Latreille. 36. sexdentatus Boerner. Gemein; Pesurici an Schwarzkiefern, Ruiste an Pinus leuco- dermis, bei Tuzla, Ozren planina, Yucjaluka und Cevljanovic an Kiefer. 37. amitinus Eichh. Pesurici an Schwarzkiefer, Ruiste in Gipfelpartien der Pinus leucodermis. 38. typographus L. Im ganzen Gebiete gemein. In der Vucjaluka ziemlich stark aufgetreten. 39. acuminatus Gyll. Eine häufige Erscheinung. Das gesammelte Material ist von Pesurici, Dubostica, Cajnica, Vares, Yucjaluka, Cevljanovic und einzelne Stücke von Ruiste aus Pinus leucodermis. 40. rectangulus Eichh. Zwei Stücke fand ich mit proximus und laricis in der Vucjaluka. 41. proximus Eichh. und 42. laricis Fahr., Ratz. In Vucj aluka und Cevljanovic gemein. 43. curvidens Germ. Stark verbreitet, wo Tannen sind. Ein Frassstück an Weisskiefer stammt aus Cajnica. Die im Officiers-Casinogarten in Sarajevo angepflanzten kränkelnden Lärchen wurden von ihm vollends zum Absterben gebracht. 44. chalcographus L. An Fichten gemein. An Kiefer in Vucjaluka, an Krummholz am Trebevic, an Picea omorica aus Semec (Medenaluka), an Pinus leucodermis im botanischen Garten in Sarajevo. 45. bidentatus Herbst. In der Vucjaluka mit quadridens an Weisskiefer und auf der Bjelasnica, Hranisava und Treskavica planina an Krummholz. 46. guadridens Hart, und 47. bistridentatus Eichh. In Pesurici gemeinsam an Schwarz- und Weisskiefer, Vucja- luka an Weisskiefer, Ruiste an Pinus leucodermis. x) Deutsche entomologische Zeitung, Bd. XXIX, 1885, Heft 1 : „Coleopt. Ergebnisse einer Excursion nach Bosnien im Mai 1884“ von E. Reitter. Ausser Cr. fagi werden da für Nemila noch angeführt: T. picolor, X. Saxeseni, mono - und dryographus, T. domesticum und Uneatum. Knotek Die bosnisch-hercegovinischen Borkenkäfer. 559 16. Genus: Dryocoetes Eihhoff. 48. autographus Ratz. Bezirk Krupa, Jasenova bei Mokro an einer schwachen, frisch gefällten Fichtenstange. Die Bohrlöcher waren ausschliesslich unter den Ast- eingängen; die Muttergänge sind theils fast gerade Längsgänge, oder sie sind geweihartig verzweigt, ähnlich wie bei laricis. Eiernischen fehlen. 49. coryli Perri. Ende Jänner 1892 fand ich in morschen Zweigen einer Haselnusshecke bei Sarajevo sowohl mature und immature Käfer, als auch entwickelte Larven. Die Muttergänge sind zumeist unregelmässig und verworren, doch ist in den meisten Fällen der sternförmige Charakter mit kleiner Rammelkammer zu erkennen. Sie sind stark im morschen Holz eingeschnitten und zum Theil mit Bohrmehl angeftdlt. Die Larvengänge sind sehr spärlich und verlaufen eben- falls im Splint. 17. Genus: Xyleborus Eichhoff. 50. dispar Fahr. Im heurigen Frühjahr, vernichtete er eine grosse Anzahl von Obst- bäumen in Zenica. Ausserdem wurde er gesammelt in Nemila (Reitter) Reljevo bei Sarajevo, Bradina und Mokro an Erle. Prof. Mi klau fand ihn in der Ivozara planina an circa 10 — 15 jährigen unterdrückten Eichen nahe am Boden eingebohrt. In demselben Jungbestande entwickelte sich in den oberen Partien der mehr freistehenden oder dominirenden Stämmchen der für Bosnien neue Coraebus bifasciatus. 51. eurygraphus Ratz. Ein Männchen und ein Weibchen sammelte Herr Hensch am Bjelo brdo in Schwarzkieferstöcken. 52. Saxeseni Ratz. In der Umgebung von Sarajevo gemein. Nemila (Reitter). 53. dryographus Ratz. Herr Reitter sammelte ihn in Nemila, P. Brandis führt ihn ohne Ortsangabe an. 54. monographus Fabr. Nemila (Reitter), Prof. Miklau fand ihn in der Ivozara. 18. Genus: Trypodendron Stephens. 55. domesticum L. Im ganzen Gebiete gemein. 56. quercus Eichh. Treskavica planina und von Ulok gemeinsam mit domesticum aus Buchen. 57. lineatum Oliv., Hart. Gemein. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hereegovina. Von Otto Ritter von Tomasini, k. u. k. Hauptmann in Görz. Allgemeines Yorkommen. In unseren Ländern fand ich mit Ausnahme von Lacerta vivipara, Ablepharus pannonicus und Vipera aspis alle Reptilienarten der Monarchie. Von unseren vater- ländischen Kriechthieren ist in Bosnien und der Hereegovina zusammengenommen nur das Vorkommen der Vipera aspis und der Dalmatiens kleinen Felseninseln eigenen Varietäten von Lacerten ausgeschlossen. Das Occupationsgebiet gibt uns zu den be- kannten Eidechsen noch eine Form, welche Lacerta oxycephala nahestehen mag, sich aber von ihr in Aussehen und Lebensweise doch recht merklich unterscheidet. Sieht man weiters von der das zerklüftetste oder zerlochteste Gestein des hercegovinisclien Karstes belebenden schwarzen und deshalb auffallenden Varietät der Lacerta oxycephala ab, so bieten bisher Bosnien und die Hereegovina an Reptilienarten und Formen nur noch in Pelias berus eine möglicherweise ständige, neue Form. Eine von Custos Reiser als Kreuzotter gefangene und auch von mir als solche erkannte Schlange wurde von Anderen (Dr. Knauer und Dr. E. v. Mojsisovics) ihrer Subocularen und vielleicht noch anderer den Systematiker leitender Merkmale halber zur Vipera aspis gemacht. Man glaubte daher mehrseitig aspis gehöre zur Fauna unserer Länder, bis die ab- weichend von ihren Schwestern unserer Stammländer gebildete Kreuzotter nun endgiltig, ich glaube durch Hofrath Dr. Steindachner, als Pelias berus agnoscirt wurde. An den von mir in der Hereegovina gesammelten Kreuzottern habe ich die Subocularen nicht näher betrachtet, kann daher nicht sagen, ob die hercegovinischen Pelias der von Reiser in Bosnien entdeckten Form angehören. An Reptilien im Allgemeinen ist das Occupationsgebiet — das strichweise häufigere Auftreten einzelner Arten nicht in Betracht gezogen — nicht reich zu nennen. Ueber das ganze Gebiet gleichmässig und wirklich zahlreich verbreitet ist eigentlich nur Lacerta muralis, dann in ganz Bosnien und in den höheren und hohen Lagen der Hereegovina Vipera ammodytes. Bosnien und die Hereegovina sind in Bezug auf Arten und deren Vorkommen sehr verschiedene Reptilien-Faunagebiete. Während Bosnien entschieden nur die Formen des mitteleuropäischen oder, wenn man genauer sein will, die westpannonischen Formen oder die des Continental -südösterreichischen und ungarischen Gebietes aufweist, er- scheinen in den tieferen Thälern der Hereegovina die Arten der südlicheren Küsten- bezirke unserer Monarchie. Alle Tlieile unserer beiden Länder, welche hydrographisch v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 561 dem pannonischen Gebiete angeboren, also das Klima und den sonstigen Charakter dieses Gebietes tragen, beschränken sich auf diese westpannonisclie Reptilienfauna; sie sind an Artenzahl, wenn auch nicht an Menge, um so ärmer, je höher sie über dem Meere liegen. Die geographische Breite ist natürlich innerhalb Bosniens und der Hercegovina belanglos. Der Süden Bosniens ist, wie ich mich überzeugte, reptilienärmer als dessen Norden. Arten in Bosnien. Nach der Anzahl ihres Vorkommens abfallend aneinander ge- reiht, würden in Bosnien die Reptilien etwa so folgen: Lacerta muralis (Typus) mit schön entwickeltem Blau an den Bauchrändern, die Smaragdeidechse (Lacerta viridis), die Sandotter ( Viper a ammodytes) und die Ringelnatter ( Tropidonotus natrix Typus). Weitaus häufiger als die gemeine natrix findet man die sogenannte Streifenringel- natter ( Tropidonotus murorum Bonap.), und ebenso oft die Würfelnatter (Tropidonotus tesselatus) . Nach der letztangeführten am weitesten verbreitet, jedoch nirgends eigentlich häufig sind: die Aesculapnatter (Callopeltis Aesculapii) , die Zauneidechse (Lacerta agilis) und die Schlingnatter ( Coronella laevis). Die europäische Sumpfschildkröte (Cistudo lutaria) ist da, wo sie vorkommt, sehr häufig, aber nur auf die Gewässer Nordbosniens beschränkt, wenn auch hier fast in jedem Wiesenbache und selbst in Strassengräben in Masse sich vorfindend. Pelias berus kommt wohl vor, aber jedenfalls nicht häufig. Endlich als wirkliche Seltenheit existirt Zamenis trabalis. Ich erhielt von dieser Art nur ein einziges Stück während meines ganzen mehrjährigen Aufenthaltes in Bos- nien, trotz fleissigen Suchens durch mich selbst und durch zahlreiche Andere. Dieses eine Stück erhielt ich in der Umgebung von Banjaluka. Es war einfarbig, bläulicli- ölgrau und um die Mitte der Schuppen lichter, wodurch der ganze Körper der Länge nach undeutlich gestreift erschien. Die Unterseite dieser Natter war lichtbläulichgrau mit dunklerer Wölkung. Andere Reptilien fand ich in Bosnien von der Save bis an den Lim (Prijepolje) nirgends. Es wurde mir auch von Leuten, welche für mich sammelten, kein Stück einer anderen Art eingebracht oder glaubwürdig geschildert. Ablepharus pannonicus, den ich, trotzdem ich nach ihm suchte und suchen Hess, weder in Bosnien noch in der Hercegovina erhalten konnte, vermutke ich doch noch unter den Eingeborenen des ersteren Landes. An Lacerta viripara habe ich während meines Aufenthaltes im Occupationsgebiete nicht gedacht. Ich mag sie, wenngleich sie vorkommt, übersehen haben. Mein Sammel- eifer fesselte mich mehr an die reicheren, wärmeren Gegenden unserer Länder und Hess mich — allerdings saumselig — das kühlere, höher gelegene wahrscheinliche Heim der Bergeidechse übergehen, wenigstens in Bezug auf dieses '1' hi er dien. Arten in der Hercegovina. Die Hercegovina, das heisst deren tiefere Lagen oder jene Theile dieses Landes, ivelche nicht durch bedeutendere Bodenerhebungen von den warmen Gebieten geschieden sind, erscheinen schon bedeutend mannigfaltiger mit Kriech- thieren bedacht. Es finden sich hier in nach der Anzahl ihres Vorkommens gestellter Reihenfolge: Mauereidechse (Lacerta muralis) nebst deren Varietäten, Lacerta cam- pestris und Lacerta olivacea; erstere in den weniger warmen nordischen Klimaten, die beiden letzteren in Strichen dieses Landes mit mehr südländischem Charakter. An diese reiht sich Lacerta viridis, die Smaragdeidechse, Testudo graeca, die griechische Schildkröte, Pseudopus apus, der Scheltopussik; diese beiden Letzteren dürften mit Bezug auf die Häufigkeit mit einander wetteifern. Band II. 36 562 III. Naturwissenschaft. In den Narenta-, Krupa-, Trebizat- und Bregavaniederungen sind wohl die Tropi- donotus -Varietäten massenhaft vorhanden; sonst im Lande aber sind diese Natternarten nicht häufig. Man trifft die Kielrückennattern in den übrigen nicht sumpfigen Gebinden zwar fast allerorts ziemlich oft, doch immer nur einzeln an. In Menge lebt in den vor- erwähnten Gegenden Cistudo lutarici. Ernys casp lea fand ich in der Hercegovina nicht, was nicht ausschliesst, dass sie die Sutorina bewohnt, welche ich nicht besuchte. Ebenso oft, wenn man von den Sumpflandstrichen absieht, als Tropidonotus, er- scheint die Eidechsennatter ( Coelopeltis lacertina, Modrass) in zwei Formen, die weiter unten geschildert werden. An die angeführten Reptilienarten reihen sich die Lacerta oxycephala -Varietäten, die Pfeilnatter ( Zamenis gemonensis) , die gelbe Zamenis Dahlii, Schlanknatter oder Dünnnatter, wie man sie mit einem bezeichnenden deutschen Namen gut nennen könnte, die Katzenschlange (Tarbophis vivcix ), die Streifennatter (Elaphis cervone), die Aesculap- natter ( Callopeltis Aesculapii ) und Coronella laevis, die Schlingnatter. In den höheren Lagen der Hercegovina findet man zwar die letztgenannte öfter als in deren warmen Gegenden die vorhergehenden südländischen Natternarten zusammengenommen, dafür aber ist die Schlingnatter in den warmen hercegovinischen Landestheilen nur wirklich selten. Der Schlingnatter dürfte an Häufigkeit Vipera ammodytes folgen. Wenn ich diese Otter auch in manchen hochliegenden Karstgebieten sehr häufig und als fast aus- schliesslich auftretende Schlange vorfand, so ist sie gewiss im Narentathale, so weit der wilde Granatapfel und, ziemlich gleichweit mit diesem, Coelopeltis lacertina reicht, eine Seltenheit. Ueberhaupt selten ist das Auftreten der schönen Leopardennatter ( Callopeltis leopardinus). Pelias berus, die Kreuzotter, ist ausschliesslich auf das Hochland beschränkt, ebenso die Blindschleiche, welche ich in den tiefen Lagen nur ganz ausnahmsweise antraf. Lacerta vivipara sah ich nicht, erhielt auch durch Andere keine solche aus der Hercegovina. Notopholis nigropunctata dürfte in der südöstlichen Hercegovina, möglicherweise auch weiter, ihre Verbreitung finden, doch in4 diesem Lande den 43. Breitegrad nur um Weniges überschreiten, wenn sie auch in den Küstenländern selbst bis Görz vordringt. Bei Fatnica habe ich ein Stück dieser Art erbeutet. Ausser den hier aufgezählten Rep- tilienarten findet sich noch eine bisher den Forschern verborgen gebliebene Eidechsen- form, welcher ich nach ihrem ersten Auffindungsorte den Namen Lacerta koritana bei- legen will. Für das Vorkommen von Gekoiden habe ich keine Anhaltspunkte, zweifle aber nicht, dass diese Echsen, da wo die Hercegovina ans Meer herantritt, ebenfalls zu finden sind. Andere als die aufgezählten Reptilienarten werden in Bosnien sowohl als auch in der Hercegovina nicht existiren. In Bezug auf Verbreitung der Arten ist die Grenze nicht nur zwischen Bosnien und der Hercegovina eine entschiedene, sondern es theilt sich besonders die Hercegovina, wie wohl jedes Gebirgsland, namentlich wenn mit südländischem Charakter, und be- sonders der Karst, in deutliche Verbreitungszonen oder Schichten. Es finden sich ein- zelne Arten, welche Bosnien im Tieflande bewohnen, in der Hercegovina auf die hohen Lagen beschränkt. Es wird diese Thatsache bei der Beschreibung der Verbreitung und der Lebensweise der einzelnen Arten ersichtlich gemacht werden. v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 563 Testudo graeca (Griechische Landschildkröte). Verbreitung. Testudo graeca fand ich in Thälern und auf Bergen bis 500 M. See- höhe. Höher sah ich sie nicht mehr. Sie bewohnt Kesselthäler von nicht mehr als der genannten absoluten Höhe, ohne auf den Unirandungshöhen oder Terrassen, welche diese Karstkessel von den übrigen Verbreitungsgebieten dieser Schildkröte scheiden, sich jemals zu zeigen. Sie bevölkert also scheinbar gänzlich isolirte Districte, so zum Bei- spiele das Kesselthal von Fatnica. Winterschlaf. Ihren Winterschlaf beendet die griechische Landschildkröte in der Hercegovina, wenn es die Verhältnisse erlauben, ziemlich früh im Jahre. Im Narentathale — von Mostar abwärts — traf ich sie von Mitte März an im Freien, weiter landein- wärts, sowie in höher liegendem Terrain, beginnt sie ihr Sommerleben entsprechend später. Um diese Zeit sucht sie von der Sonne gut beschienene Stellen. Aufenthalt. Ob das Land eben oder bergig, Weide oder Karst, ist unserer Schild- kröte für ihren Aufenthalt ganz gleichgültig, wenn es ihr nur möglich ist, sich in den Boden einzuwühlen oder Verstecke zu finden, welche die Vertheidigungsunfähige gegen die rauhe Jahreszeit und gegen Feinde schützen. Sie humpelt durch den Karst ebenso gerne, als sie durch Gebüsche krabbelt oder — wenn es sein muss — auch ein wenig klettert oder auf ebenem Boden geht oder läuft. Sic läuft, wenn sie es für nothwendig findet, einen wirklichen, wenn auch nicht flüchtigen Trab: ein Männchen, um ein Weibchen einzuholen, ein Weibchen, um einem verfolgenden Männchen sich zu entziehen, selbst um vor einem Menschen oder anderem Feinde in ein allernächstes Versteck zu ent- fliehen. Begattung. Bald nach dem Verlassen des Winterquartier es, sobald es genügend warm geworden ist, das ist wenn die Schattentemperatur 15° R. erreicht, beginnt die Begattung. Man hört hiebei die Männchen piepen, jedoch nicht um die Weibchen zu rufen, denn das Männchen piept immer erst dann, wenn es besser wäre zu schweigen; es ruft erst, wenn es das Weibchen schon unter sich hat. Viele Männchen, welche ein Weibchen zu dem ihrigen machen wollen, tappen um dieses einmal im Kreise herum. Gewöhnlich beisst das Männchen sein Weibchen in einen aus dem Panzer ragenden Vorder- oder Hinterfuss, stösst es dann mit einge- zogenem Kopfe an das Hintertheil oder in die harten Flanken und steigt endlich nach einigen dieser Zärtlichkeiten von hinten dem Weibchen auf den Rücken, macht dabei das Maul auf, lässt die Vorderbeine herabhängen, streckt den Kopf schief nach vorne - so lange der Hals gemacht werden kann — aus dem Panzer und stösst den oben erwähnten piependen Laut, nicht unähnlich dem des Rehblattens, aus. Ein Bild geist- verlorenster Sinnlichkeit! Ist das Weibchen willfährig, so hebt es das Hintertheil. Das Männchen bemüht sich, auf den Hinterbeinen stehend, mit dem Bauchpanzer an den Rücken des Weibchens gelehnt, durch einen Stoss seinen kurzen spitzen Penis in die Vagina des Weibchens zu schieben und piept dabei. Nach jedem solchen Stosse sah ich oft das Weibchen sich einige Schritte davon machen. Das Männchen folgt dann dem Weibchen häufig ohne abzusitzen. Um einen zweiten Stoss zu machen, musste stets das Männchen dem Weibchen wieder nachgehen, sass dann, wenn abgesessen, ohne Umstände wieder auf, um sich mit der Gattin in derselben Weise wieder zu ver- einigen. Manchmal bleibt das Weibchen auch am Fleck und lässt mehrere Stösse des Männchens einander folgen. Die geschlechtliche Vereinigung währt nur für den Moment und muss wieder erneuert werden, wird es auch, manchmal bis zum Abend. Sitzt das Männchen dem Weibchen auf dem Rücken, so hält es seinen Schwanz nach vorne unter 36* 564 III. Naturwissenschaft. den Bauchpanzer des Weibchens gekrümmt. Der rothe krummkegelförmige Penis mit nach hinten zu kragenartig erweiterter blaurother Eichel tritt, durch den darunter befindlichen Schwanz geschützt, aus dem After. Der ganz kurze Stummelschwanz des Weibchens ist, wenn dieses ebenfalls begattungslustig ist, ausgestreckt; in der sonstigen Normallage würde er ein unüberwindliches Hinderniss bilden. Ist das Weibchen nicht willfährig, so läuft es einfach davon und wird dann vom Männchen mit oder ohne Erfolg, aber länger als ich zu beobachten mir Zeit gönnen konnte, verfolgt. Die Be- gattungszeit hat, soviel ich beobachtete, nur durch die Winterruhe ihre Grenzen; sie währt den ganzen Sommer. Ist die Sonne den Schildkröten zu warm, so geschieht die Be- gattung im Schatten dichter Büsche, in welchen man sie manchmal hört, ohne ihnen beikommen zu können. Oft konnte ich gehörte, sich begattende Schildkrötenpaare erst sehen, wenn ich ein solches Gebüsch zerstörte. Begattungslustig sind die Männchen schon, wenn sie kaum ein Drittel ihrer vollen Grösse erreicht haben. Halbwüchsige Weibchen legen schon Eier, die den Taubeneiern sehr ähneln. Ein Grössenverhältniss der Gatten ist liebesbrünstigen Schildkröten bedeutungslose Nebensache. Kaum nach dem Eierlegen sieht man bis spät in den Herbst wieder sich paarende Testudo. Ich hätte das nicht vennuthet, wenn ich es nicht selbst bei so vielen gesehen hätte. Stimme. Das Piepen der Schildkrötenmännchen halte ich für kein Fauchen oder Zischen, sondern für Stimme, wenn ich einer solchen für unsere Schildkröten auch keinen Werth beilegen kann, denn sie wird augenscheinlich in gar keiner Absicht und zu gar keinem Zwecke gebraucht. Wenn einmal das Männchen dem Weibchen auf dem Rücken sitzt, wird selbst ein Schildkrötenweibehen nicht erst durch einen Zuruf über des Männchens Absicht ins Klare gebracht werden müssen; wie gesagt, nur bei dem Stosse, der den Penis in die Vagina bringen soll, auch wenn er daneben fährt, wird geschrieen, nicht früher und nicht später. Ich habe im Freien Hunderte sich begatten gesehen, in meinem Hofe in Mostar und an anderen Orten gewiss fünfzig gleichzeitig gefangen gehalten und stets den gleichen Hergang beobachtet, auch habe ich niemals eine längere als für den Stossmoment dauernde Vereinigung der Geschlechtstheile gesehen. Die Stösse folgten einander in Zeiträumen von beiläufig 2 Secunden, meistens aber nach längeren Pausen. Eierlegen. Zum Eierlegen, das im Juli erfolgt, brauchen unsere Schildkröten jeden- falls keinen Sumpfboden, wie manche Autoren behaupten. Ein solcher Sumpfboden wäre im licrcegovinischen, meilenweit ausgedehnten Karste, den Testudo graeca bevölkert, auch gar nicht zu finden, und doch lassen sich unsere Schildkröten auch hier das Eierlegen durchaus nicht vergällen. In dem meinen Schildkröten in Mostar, also in ihrer Heimat, zum Tummelplatz angewiesenen Hofe legten sie ihre Eier einzeln an irgend einer auf- wühlbaren Stelle, am liebsten unter einem Strauch in eine kleine seichte, selbst aus- gescharrte Grube, welche sie wieder einfach durch die Füsse mit Erde bedeckten. Ebenso oft legten sie die Eier einfach auf der Erdoberfläche unter ein niedriges, sehr dichtes Geäste, hinter einen Stein, unter ein Brett oder in ein anderes dergleichen Ver- steck, sie, des Weiteren unbekümmert, dem Schutze der Vorsehung überlassend. Auch im Freien fand ich an ähnlichen Orten öfter einzelne Schildkröteneier vor. Zweimal fand ich in Weingärten eine aufgescharrte Stelle und zunächst dieser mehrere Schild- kröteneierschalen herumliegen, deren Inhalt wohl einem Igel zum Imbiss wurde. Sumpfig oder moorig waren diese Eifundstellen nie. Sehvermögen. Ein scharfes Auge hat die griechische Schildkröte schwerlich. Alles, was sich bewegt, erkennt sie, wenn es gross ist, als einen Feind und zieht alle Fünfe ein, wenn nicht recht nahe ein Versteck ist, welches sie dann in wirklichem Trab v. Tomasini. Skizzen ans dem Reptilienleben Bosniens und der Herc.egovina. 565 zu ereilen trachtet. Was sich nicht rührt, erkennt diese Schildkröte ebenso wie andere Reptilien, so lange nicht die Nase sie über die Beschaffenheit des Gegenstandes auf- klärt, überhaupt nicht, wenigstens aber nicht als Feind. Ob dies nun auch Dummheit oder schlechtes Auge allein ist, kann ich nicht feststellen; wahrscheinlich aber ist es beides zusammen. Bewegungsart. Laufen gilt bei dieser Schildkrötenart allerdings nicht als Regel, als solche gilt der behäbige Schritt, doch läuft dieses sonst als langsam bekannte Thier aus den weiter oben angeführten Ursachen; ebenso sah ich es laufen, wenn es mehrere andere seiner Art bei einem Schmause versammelt bemerkte. Gehör. Noch stumpfer als die Augen scheinen mir die Ohren. Man muss wohl glauben, die Schildkröten und mit ihnen eigentlich alle Reptilien hören gar nicht, denn Geräusch allein, wenn auch noch so heftig und grell oder noch so verdächtig, stört sie weder in der Begattung noch beim Fressen oder bringt sie überhaupt auch nur im Geringsten aus ihrer stumpfen Ruhe. Geschmack und Nahrung. Ist der Geschmackssinn der Testudo graeca auch nicht hoch entwickelt, so ist er doch eigenthümlich. Diese Schildkröten delectiren sich an faulenden Thier- und Pflanzenstoffen, fressen im Käfig Schlangen- und dergleichen Reptilienexeremente, doch nicht diejenigen der eigenen Art. Im Garten nahmen sie den Hunde- und Hühnerauswurf, faules Obst, verfaulte kleine Thiere, faule Schlangen- oder anderer Thiere Eiei', auch wenn deren Inhalt schon ziemlich eingetrocknet war, nebst frischen unverdorbenen derlei Dingen zu sich. Sie frassen auch allerlei Grünzeug, zogen aber animalische der Pflanzenkost vor und nahmen jene noch an, wenn sie diese schon satt hatten. Oefter sah ich meine griechischen Schildkröten kalkigen, von den Mauern gefallenen Mörtel fressen. Oh der Geschmackssinn unserer Schildkröte fein entwickelt ist, konnten meine Beobachtungen mir nicht darthun; was einmal, wie mir scheint, die Nase für geniessbar erklärt hat, wird gefressen. Geruch. Die Nase halte ich für besser entwickelt, als bisher vielfach geglaubt wird. Ich bin vom Riechvermögen unserer — der griechischen Schildkröte wenigstens — überzeugt. Jeder — • vielleicht vorher durch das Auge — als geniessbar erscheinende Gegenstand wird mit der Nase berührt, diese mehrmals entfernt, wieder näher gebracht und erst dann gefressen oder, wenn hiedurch ungeniessbar erkannt, sein gelassen. War auf einem Platze etwas zu fressen, so wird darnach an mehreren Punkten, wo allenfalls ein Stückchen Fleisch oder Unrath gelegen ist, noch einige Male mit den Nasenlöchern hingetupft. Die Nasenlöcher dieser am Lande lebenden Schildkröte münden wohl des- halb auch an der Schnauzenspitze und nicht wie bei den mit der Zunge untersuchen- den Schlangen und Eidechsen an den Seiten. Wenn Autoren sagen, dass weder Geruchs- noch Geschmackssinn so weit ausgebildet sei, um Wasser von Branntwein oder Milch unterscheiden zu können, so wird wohl Niemand, der dies.e Schildkröte beobachtet hat, für diese Behauptung Bürgschaft übernehmen können. Mittelst irgend eines Sinnes müssen sie aber doch Geniessbares von Ungeniessbarem zu unterscheiden vermögen, um nicht dieses mit jenem zu verwechseln. Mittelst des Tastsinnes geht es wohl der derben Körperbedeckung wegen kaum, die kurze plumpe Zunge kann auch zum Tasten nicht verwendet werden; das ganz seitlich liegende und kaum bewegliche blöde Auge von Testudo graeca wird zum Auffinden von knapp vor der Nase wenigstens befind- licher Nahrung nicht viel nützen, weil es dahin nicht gerichtet werden kann, doch findet unsere Schildkröte ein ganz kleines Stückchen Fleisch oder dergleichen, selbst wenn es ganz in Staub oder Erde eingehüllt und für ein Auge überhaupt unkenntlich ist. Sie nähert die Schnauzenspitze, also die Nase, diesen Gegenständen wiederholt, und III Naturwissenschaft.. 566 wenn sie sich, offenbar nnr durch den Geruch, von deren Geniessbarkeit überzeugt hat, greift sie entschieden zu. Sie beisst oder besser schneidet ein Stück nach dem anderen ab und schiebt jedes mit Hilfe der dicken Zunge in den Hals. Was mich in der Ueberzeugung, dass Testudo graeca riecht, bestärkte, ist die Beobachtung, dass meine Gefangenen von mehreren nebeneinander liegenden Nahrungsstoffen alle mit der Nase berührten und denjenigen wählten, welcher ihnen offenbar angenehmer duftete. Die in Rede stehende Schildkröte verschnappt sich auch, wenn Allerlei absichtlich unterein- ander vor sie hingelegt wird, nicht an Ungeniessbarem. Eine solche Schildkröte, welche einen Nahrungsstoff, scheinbar gesättigt, nicht weiter berührt, greift bei einem anders- artigen ihr gereichten Futter sofort wieder zu, wenn dieses, mit der Nase berührt, dem Thiere zu gefallen scheint, lässt aber das vorher Verschmähte auch jetzt unberührt, wenn man es der Wählerischen abermals vorlegt, nachdem sie auch dieses mit der Nase betupft, also untersucht hat. Der mir zuversichtlich vorhanden und auch gut ent- wickelt scheinende Geruchssinn der Testudo graeca ist doch nicht so Aveit ausgebildet, dass die Schildkröte vermittelst dieses Sinnes, wie überhaupt nicht, Spuren suchen oder besser verfolgen könnte. Sie bedarf dieser Fähigkeit auch nicht, da sie aus dem Be- reiche des Bebenden ihre Nahrung nicht entnimmt und Febloses keine Spuren zieht. Empfinden und Widerstandsfähigkeit gegen äussere Einflüsse. Der Tastsinn ist jeden- falls kein feiner. Die griechische Schildkröte ist auch nicht besonders wehleidig. Wenn es ihr einfällt, zu scharren, setzt sie dies auch fort, wenn sie hiebei einen Nagel sich ausgebrochen hat und ganz beträchtlich blutet. Dass sie arge Verletzungen verträgt, ist bekannt. Ich habe sehr oft von dieser Schildkrötenart Individuen mit nach verschie- denen Richtungen, oft der ganzen Länge und Breite nach vernarbtem Panzer gesehen, Avas jedenfalls von vorhergegangenen Zertrümmerungen herrührte. Fine beim Ausgraben von Baumsetzlingen am Rückenschilde arg angehauene Schildkröte dieser Art liess sich von ihren gewöhnlichen Verrichtungen nicht abbringen. Es Hesse sich über schauder- hafte Verwundungen, die nicht tödtlicli sind, ja nicht einmal die Lebensfunctionen beeinträchtigen, noch Allerlei anführen. Widerstandsfähigkeit gegen Kälte. Gegen Kälte sind diese hercegovinischen Schild- kröten bekanntermassen sehr empfindlich. Im unteren Narentathale vergraben sie sich jedoch im Winter nicht tiefer in den Boden als einen Schuh. Bauern stiessen sie mir im Jänner mit den Füssen aus dem Wiesenboden. Oft wühlt sich zur Winterruhe Testudo graeca nur so unter die Rasenstrecke, dass ihr Lager als kleiner Buckel, allen- falls Avie ein kleiner, mit Rasen schon gut überwachsener Maulwurfhaufen kenntlich ist. Widerstandsfähigkeit gegen Hitze. Hitze an der Sonne behagt dem in Rede stehen- den Thiere ebensoA\'enig wie jedem anderen unserer Reptilien. Im Hochsommer sieht man, sobald die Sonne stechend wird, keine dieser Schildkröten ausserhalb dichter Gebüsche, welche sie an heissen Tagen erst mit Sonnenuntergang verlassen. In meinem Garten vergruben sich Adele während des ganzen heissen Tages in den Boden. Ich habe hunderte im Freien aufgenommen und, wie gelegentlich schon früher gesagt, mehr als fünfzig gleichzeitig gefangen gehalten, von denen niemals eine sich \Ton der Sonne so hätte durchheizen lassen, dass ihre Berührung mit der blossen Hand oder selbst mit der empfindlicheren Gesichtshaut unangenehmes Wärmegefühl erzeugt hätte. Verhalten zum Wasser. Ins Wasser gelegt gehen die hiemit unvertrauten Thiere unter, wenn sie vorher Kopf und Beine eingezogen haben, schwimmen aber etAva wie ein Stück Holz, wenn sie dies vorher nicht thun, weil dann in ihrem Leibe genug Luft Raum findet. Sie durch Ersäufen zu tödten würde, trotzdem das Thier der Kunst des Schwimmens gänzlich unkundig ist, doch sehr viel Geduld erfordern. Sie kriecht v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens nnd der Hercegovina, 567 einfach am Boden bis zur Wasseroberfläche weiter oder überlässt die einzuschlagende Richtung der Strömung des Wassers oder dem Winde. Das Wasser oh unter oder über unserem kaltblütigen Geschöpfe verursacht diesem kaum jemals Scrupel. Schwimmt die griechische Schildkröte auf dessen Oberfläche schon lange genug herum, um einmal einsehen zu können, dass durch Schwimmen das Festland kaum zu erreichen sein wird, so kommt es ihr doch durchaus nicht in den Sinn, es mit dem Tauchen zu versuchen; nähert sich aber in diesem Verhältnisse etwas ihr Verdächtiges, so zieht sie Kopf und Beine ein, sinkt auf den Boden und kommt auf diese Art, natürlich unvermuthet, aber jedenfalls ohne sich zu verwundern oder auch im Geringsten zu freuen, wieder ans Land. Haben die griechischen Schildkröten des Wassers lange entbehrt, so trinken sie, wenn sie dann solches erreichen, davon auf einmal ziemlich viel, gehen dann auch gerne ganz hinein und verweilen darin oft sehr lange. Vorkommen und Lebensweise. Da, wo sich für ihr Fortkommen das Klima eignet, tritt die griechische Schildkröte in der Hercegovina als häutiges Thier auf. Man sieht sie überall, wo sie etwas vorfindet, um sich verbergen zu können, nicht übertrieben gesagt: massenhaft. Im Frühjahre kann auch Derjenige sie in Menge sammeln, der sonst sich aufs Reptiliensuchen nicht versteht. Zur heisseren Sommerszeit aber findet auch dieses Reptil nur mehr der gewiegtere Sammler. Die Schildkröte ist während dieser Zeit tagsüber stets verborgen und im Juli und August überhaupt schwer zu finden, weil sie sich zur Zeit, wo die Dürre die Pflanzen vertrocknet, gerne vergräbt oder in Karstlöcher verkriecht. Der Sonne setzen sich auch die griechischen Schild- kröten in den Hochsommermonaten kaum des Morgens aus. In meinem Garten scheinen sie die Morgensonne übrigens verschlafen zu haben. Testudo graeca zieht buschige Gegenden anderen vor; doch braucht sie solche zu ihrem Aufenthalte durchaus nicht unbedingt. Sie erscheint auf strauchlosen Karstlehnen, Hängen und Flächen ebenfalls nicht selten. Natürlich fehlt sie ganz humuslosen derlei Stellen. Höhlungen und Löcher bergen die Schildkröten ebenso gut als Gebüsche. Da sich das ungewandte Thier, wenn auf den Rücken gerathen, nur durch einen glücklichen Zufall wieder umwenden kann, vermeidet es sorgfältig, irgendwo herunter- zufallen. Man kann sie auf einen Tisch oder ein Fensterbrett etc. setzen und nach mehreren Tagen noch dort herumtrippeln sehen. Zahmwerden. Nach einiger Zeit der Gefangenschaft frisst die in Rede stehende Landschildkröte aus der Hand, schnappt aber nie gierig zu, sondern lässt sich vorher das Gebotene vor die Nase halten und überzeugt sich offenbar vorher durch den Geruch von dessen Werth. Nutzen. Mit Ausnahme des Katholiken, der herausgefunden, dass sie geniessbar ist, kümmert sich der Einheimische um die Landschildkröten nicht; höchstens mutli- willige Buben zertrümmern ihr, wenn sie dieselbe gerade auf der Strasse finden, mit Steinwürfen ihren Panzer. In Bosnien kommt Testudo graeca nirgends vor. Cistudo lutaria (Sumpfschildkröte). Allgemeine Verbreitung. In Bosnien, und zwar auf dessen Nordhälfte beschränkt, hier aber häufig, lebt Cistudo lutaria und ein wenig abweichend von ihr dieselbe Art in der Hercegovina, in letzterem Lande erst einige Kilometer südlich von Mostar, im Jasenicabache beginnend. Die bosnische unterscheidet sich von der hercegovinischen Sumpfschildkröte durch den schlankeren Kopf und meist durch die dunklere Färbung. Der Systematiker könnte, der Kopfform und vielleicht noch anderer Merkmale halber, 568 III. Naturwissenschaft. diese beiden Abarten als Arten von einander vielleicht trennen; für mich, den blossen Liebhaber, bilden sie nur Rassenverschiedenheiten. Wo sie vorkommt, ist sie sehr zahlreich; sie beginnt nicht allmälig, sondern gleich in beträchtlicher Anzahl, bevölkert in Nordbosnien alle Bäche, auch Seen, z. B. den Jezero bei Jajce, wo Gustos Reiser sie fand, selbst kleine Riesel der breiteren Thäler in Menge. Niemals aber fand ich sie in einem Bache mit steinigem Grunde oder solchen Ufern. Südlich von Mostar erscheint sie in der Jasenica, Buna, Bunica und dann wieder in der Thalerweiterung bei Caplina, von hier an in allen Bächen und Wassergräben mit weichem Grunde. Ob deren Ufer bebuscht oder kahl sind, ist ihr ganz gleichgiltig. Das Wasser gewährt ihr Schutz, dessen Bewohner, so weit sie sich dazu hergeben, Nahrung. An den Ufern, bei Tage jedoch stets recht nahe am Wasser, sieht man sie oft in grösseren Gesellschaften versammelt neben- und auch übereinander ruhen. Nachts machen sie wie die Kröten und Frösche Ausflüge über Land. Von ihren Sinnen ist jedenfalls der Gesichtssinn allein für sie und für den, der sie fangen will, von Bedeutung. Die Sumpfschildkröte scheint hauptsächlich auf die Färbung der Beute zu achten, denn sie schnappt nach einem rothen Stücke Tuch oder dem so gefärbten Blatte einer Blume eher als nach einem vom Wasser ausgelaugten und blass gewordenen Stücke Fleisch. Gehör. Ob oder Avas immer für Töne in ihrer Nähe erschallen, ist der Sumpf- schildkröte ganz gleichgiltig, sie fürchtet sich weder vor solchen, noch interessirt sie sich dafür. Diese Eigenschaft ist, so viel ich mich überzeugte, überhaupt Gemeingut der Reptilien, auch derjenigen, denen man Neigung für gewisse Musik andichtet. Ich habe mich häufig genug auch diesen Schildkröten genähert und gar nichts besorgt, wenn meine Begleitung laut wurde. Ich habe mich auch in Kähnen angerudert oder anrudern lassen und dem Fährmann in unmittelbarer Nähe der Schildkröten laut die Fahrrichtung angegeben oder meinem Diener zugerufen, diese oder jene Schildkröte zu ergreifen. Für das Thier sichtbare Bewegungen durfte man nicht machen, da eilten die ziemlich schnellfüssigen Schildechsen stets gleich ins Wasser. Geschmack, Nahrung. Leckermäuler sind die Sumpfschildkröten schwerlich, denn sie zerkleinern ihre Nahrung nicht weiter, als dies zum Verschlucken nothwendig ist. Kleine Fische, Kaulquappen, Würmer, wenn diese nicht zu lang sind, oder dergleichen verschlucken sie ganz. Sie heissen von den Nahrungsbrocken nicht ab, sondern reissen mit Hilfe der Krallen an den Vorderfüssen und in den Kiefern sie festhaltend ver- schluckbare Theile davon ab. Geruch. Die Sumpfschildkröten dürften nicht viel riechen. Sie prüfen nichts vor- her mit der Nase, sondern schnappen, wenn es sich bewegt oder wie rohes Fleisch aussieht, gierig zu. Erst im Maul erkennen sie eine etwaige Täuschung und lassen dann davon ab. Sie schnappen sehr leicht statt in das ihnen vorgehaltene Fleisch in den Finger, den sie dann, veil er auch weich ist, nicht gerne loslassen. Vertraut geworden, gehen sie sofort zu der sich ihnen nähernden Hand und suchen auch, ohne erst auf Geniessbarkeit zu prüfen, einfach darnach zu schnappen. Dass auch die Pfuhl- schildkröte die Nasenlöcher an der Schnauzenspitze hat, findet seinen Grund in ihrer Lebensweise; sie braucht die Nasenmündung offenbar zum Athmen vom Wasser zu- erst frei. Stimme. Eine Stimme habe ich von der Cistuclo lutaria nie gehört, trotzdem ich ihrer Hunderte gesehen und von dieser Art auch genug gefangen gehalten habe, um auch dies beobachten zu können. Wenn beispielsweise Brehm sich von einem eigen- thümlichen Pfeifen, das er als Begattungsruf dieser Thiere auslegte, berichten liess, v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 569 so dürfte dieser Angabe eine Verwechslung mit Testudo graeca zu Grunde liegen; aber auch bei dieser ist, wie die oben angeführten Beobachtungen zeigen, der Laut nicht Ausdruck des Verlangens, sondern eher das Stöhnen infolge körperlicher Anstrengung. Widerstandsfähigkeit. Gegen Kälte sind unsere Wasserschildkröten weitaus unem- pfindlicher als ihre verwandten Landsleute. Vier Stück durch mehr als zwei Wochen durch und durch, wie die Knochen hart, gefrorene Sumpfschildkröten, welche ich nur aufthauen liess, um ihre Leiber aus dem Schilde kratzen zu lassen, lebten, weich ge- worden, wieder auf. Drei von diesen so gefolterten Thieren frassen wieder, und nur eines, das sich dabei doch erkältet haben mag, ging ein. Im Uebrigen ist die Wider- standsfähigkeit ihres Organismus gleich der ihrer vorbeschriebenen Verwandten. Nahrung. Fressen kann unsere im Wasser heimische Schildkröte nur, wenn sie ihren Kopf unter der Oberfläche ihres eigentlichen Bewegungselementes hat. Findet sie etwas Geniessbares auf dem Lande, so trägt sie es ins Wasser, um es in diesem zu verschlucken. Die Zunge ist beim Fressen nicht thätig, sondern ganz unbetheiligt, sie dient vielleicht nur als Geschmackswerkzeug. Es wird ohne Hilfe der Zunge so lange geschnappt, bis der Brocken versorgt ist. Dass sich diese Schildkröte nur an animalische Kost hält, ist bekannt. Begattung. In geschlechtliche Beziehungen treten die Männchen und Weibchen dieser Art zu einander ebenfalls im Wasser, und zwar schwimmend. Das Männchen steigt ohne Umstände auf das Weibchen, hält sich an dessen Rückenschild mit allen Vieren fest, so lange es geht, und fährt mit, wohin auch gerudert werden mag, und — ohne sich um des Weibchens Neigung zu kümmern — trachtet es, diesem beizubringen, dass jetzt die hintere Oeffnung ausserhalb des Panzers zu halten ist. Man weiss, dass die Sumpfschildkröten, sobald sie die vorderen Extremitäten in den Panzer zurück- ziehen, die hinteren Enden etwas hervortreten lassen müssen. Dies weiss offenbar auch das nach diesem Ivörpertheile des Weibchens lüsterne Männchen, und darum versetzt es mit seinem Kopfe rasch nacheinander dem aus dem Schilde ragenden Haupte der erkorenen Gattin rechts und links Hiebe, bis diese, dem Wunsche des Freiers will- fahrend, den Kopf auf Kosten des Hintertheiles versorgt. Sobald sie vergisst, was jetzt von ihr verlangt wird, und ihren Kopf wieder hervorstreckt, wird sie in derselben Art schnell wieder an den Gehorsam gemahnt. Ich sah ein solches Schildkrötenpaar in dieser Verbindung wohl einen Tag lang so reitend schwimmen. Die Begattung geschah bei meinen Sumpfschildkröten im Juni. Die geschlechtliche Vereinigung selbst habe ich nicht gesehen. Färbung. Die hercegovinischen Sumpfschildkröten haben, wie oben erwähnt, meist hellere Farben als die bosnische Cistudo lutaria , und bei ersteren wird das Gelb oder Lichtbraun etc. oft zum bedeutend vorherrschenden Tone. Ich fand sie auch rothbraun und in anderen ähnlichen Färbungen. JEmys caspica . Emys caspica wird wohl in der Sutorina Vorkommen, sonst ist sie in der Hercegovina nirgends heimisch. Ich erhielt sie aus der Ombla bei Gravosa und will sie daher nicht als Landesbürger behandeln. So viel ich beobachtet, gleicht ihr Leben dem der vorigen. Lacerta viridis (Smaragdeidechse). Im ganzen Lande häufig findet man Lacerta viridis , unsere Smaragdeidechse; diese sucht sich die Oertlichkeiten wahrhaftig nicht aus und meidet nur solche, die ihre Verfolgung durch Feinde begünstigen. In der Hercegovina kann man diese 570 III. Naturwissenschaft. Eidechse hei 1500 M. absoluter Höhe noch recht oft antreffen. Bei 800 oder auch 1000 M. selbst ist sie auch in Bosnien noch eine gewöhnliche Erscheinung. Demjenigen, der das Thier von anderswoher kennt, braucht man auch die Smaragdeidechse Bos- niens oder der Hercegovina nicht erst besonders vorzustellen, denn dasselbe ist auch in unseren Ländern von der nordischen Schwester nicht verschieden. Erwähnt sei, dass ich einmal hei Gacko ein schön schwarz gefärbtes viridis -Weibchen erbeutete unter anderen im Rayon der Lctcerta oxycephala. Lacertci agilis (ZauiicHleclise). Ueberall in Bosnien, in der Hercegovina jedoch erst in Gebieten von 600 M. See- höhe als unterer Grenze, fand ich Lcicerta agilis. Sie tritt in der Hercegovina erst da auf, wo das Klima mitteleuropäisch wird, und benimmt sich hier wie anderswo, ist auch im Aussehen der allbekannten nordischen vollkommen gleich. Lacertci muralis (Mauereidechse). Eine merkliche Verschiedenheit in ihrem Vorkommen in Bosnien einerseits und der Hercegovina andererseits zeigt sich bei Lacerta muralis. In Bosnien findet man keine merklichen Unterschiede zwischen den gesammelten Stücken dieser Art, sie sehen dort so aus wie beispielsweise in Südtirol, haben jedoch schöner entwickeltes Blau an den Bauchrändern wie die croatischen. Lacerta campestris und Lacerta olivacea sind in Bosnien nicht verbreitet, treten aber dafür in den warmen Theilen der Hercegovina häufig ganz an die Stelle der typischen muralis. Diese beiden hübschen südländischen Varietäten unserer Mauereidechse be- leben in den hercegovinischen Thälern, so weit diese klimatisch den dalmatinischen Verhältnissen nahestehen, alle Hutweiden und auch Wiesen, rascheln in allen Sträuchern, beklettern die Mauern der Häuser und Gärten; kurz sie finden sich in dem genannten Gebiete überall da, wo man anderen Ortes und in den höheren nordischeren Theilen der Hercegovina die typische Form muralis sieht. Höhenrücken von 1100 M. absoluter Höhe setzen der Verbreitung der beiden grünrückigen muralis- Arten eine feste Grenze; landeinwärts solcher Höhenzüge zeigen sich die beiden kleinen hübschen Eidechsen nicht mehr, selbst dann nicht, wenn der jenseitige Kessel absolut tiefer liegt als die- jenigen Landstriche der anderen Seite, welche den beiden in Rede stehenden Eidechsen- formen klimatisch noch Zusagen. Es sind z. B. Lacerta campestris und Lacerta olivacea im Becken von Korito in einer Höhe von 1000 M. und selbst etwas darüber noch ziemlich häufig, fehlen aber in dem daranstossenden, nur 800 M. hohen Kesselthale von Crnica schon gänzlich, weil dieses von jenem durch die im tiefsten Punkte nicht einmal 1100 M. hohe Kobilaglava getrennt ist. Die Verbreitungsgrenze von campestris und olivacea ist also eine scharf gezogene. Aufenthalt. Findet man bei den Reptilien überhaupt keinen Sinn für mehr oder weniger schönen Aufenthaltsort, so zeigen wohl die Eidechsen im Allgemeinen und somit auch die muralis- Formen unbestreitbar, dass solcher Idealismus für das praktische Leben keinen Werth hat. Dass man muralis einfach überall findet, ist wohl Jedem bekannt, der südlich der Alpen war. Man findet diese Eidechsen auch dort, wo weit und breit — d. h. in Bezug auf Eidechsengrösse wenigstens — kein Stein vorkommt. Auf dürren Wiesen laufen die typischen muralis sowohl, als ihre beiden hübscher gefärbten Verwandten in Menge umher, scheuen aber auch feuchte Wiesen durchaus nicht. Ihren schnellen Füssen bietet sich da wie dort keine Schwierigkeit. Heuschrecken, Fliegen oder dergleichen Nahrung gibt es auch ebenso gut an der einen als an der v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Herceg-ovina. 571 anderen Oertlichkeit nnd somit auch diese gewandten kleinen Reptilien. Wenn auch campestris und olivacea auf Hutweiden, kurz-grasigen Wiesen, in der Nähe von oder in Gebüschen und dergleichen Grün am häufigsten sich finden, so halten sich doch, so viel ich erfahren, diese beiden grünen muralis- Arten nicht immer an grünen Aufenthaltsort und die graue muralis an die grauen Steine oder Mauern, sondern alle drei Eidechsen kommen, wenn nicht eine von ihnen im ganzen Landstriche überhaupt fehlt, unter- einander an demselben Orte vor. Ich verfütterte sehr viele — während eines Sommers täglich mehr als 20 Stück — von jeder dieser Arten an meine eidechsenfressenden Nattern, und mein Diener brachte mir hiezu eine höchst gemischte Gesellschaft von einem und demselben Orte. Lebensweise und Sinne. In ihrer Lebensweise sind Lacerta campestris und olivacea von muralis nicht verschieden. Wie bei den Eidechsen überhaupt kommt hier die Be- deutung der Zunge als Untersuchungsinstrument schon zu ziemlicher Geltung, wenn auch das Auge bei den Eidechsen für das Suchen und Erkennen der Nahrung von viel höherer Bedeutung ist als bei den Schlangen, und wenn auch eine Eidechse ohne Zunge kaum verhungern würde (Chamäleon als nicht hielier gehörig natürlich ausge- nommen). Die Eidechsen untersuchen mit der Zunge nicht stets, ja sogar häufig nicht das, was sie fressen wollen. Bei einer lebenden Fliege oder dergleichen ginge das auch nicht recht. Ein zu grosser und aus dem Maule gelegter Bissen wird vor dem aber- maligen Erfassen allerdings mit der Zunge besclmieckt. Gehör. Wie der Gehörsinn der Eidechsen beschaffen ist, weiss ich nicht; aber dass sich Fähigkeiten dieses Sinnes bei den Eidechsen so wenig als bei anderen unserer Kriechthiere äussern, habe ich beobachtet. Geist und Seelenleben. Geistig wären die Eidechsen etwa mit der Sumpfschild- kröte auf gleiche Stufe zu stellen, doch kommt das geistige und Seelenleben der Eidechsen infolge des behenderen Wesens derselben deutlicher zum Ausdruck als bei der plum- peren Sumpfschildkröte, von der griechischen natürlich nicht zu reden. Die Eidechsen zeigen gegeneinander Hass, vielleicht auch Zorn; die Männchen bekämpfen und verfolgen sich; die verschiedenen Geschlechter lassen für einander während der ganzen Dauer der Begattungszeit Zuneigung erkennen, sie führen, könnte man fast sagen, ein Eheleben. Die Männchen zeigen Eifersucht. Futterneid geben die Eidechsen unverblümt kund. Fortpflanzung. Bald nach dem Erscheinen im Frühjahre fand ich die Weibchen — von aussen schon merkbar — trächtig; im Mai aber begatteten sie sich trotz oder vielleicht sogar wegen ihres schon hoch hoffnungsvollen Zustandes noch recht häufig. Um Mitte Mai legten sie zwei bis vier Eier in der Grösse kleinerer Bohnen. Aus diesen in einer gut geschlossenen Blechbüchse untergebrachten und einfach im Zimmer, aber nicht an der Sonne, ruhig stehen gelassenen Eiern krochen circa vier Wochen später die Jungen. So wie auch bei Schlangen trennen sich auch die Hüllen dieser Eier an einer, meist aber an mehreren Stellen ohne scheinbare Ursache, wie mit einem scharfen Messer aufgeschnitten, um dem jungen Thierclien die künftige Sorge für sich selbst zu ermöglichen. Ich fütterte die Neugeborenen mit Blattläusen. Lacerta oxycepltala. Vorkommen. Da, wo der Karst es ihr gestattet, auf einem grösseren Raume sich zu bewegen, ohne Erde, Gras oder überhaupt etwas Anderes als Stein berühren zu müssen, ist die in ihrem Bewegungselemente sehr behende Lacerta oxycephala zu Hause. Diese auf Grasboden sehr unbeholfene, aber dafür in Gestein um so flüchtigere, 572 III. Naturwissenschaft. zierliche und hübsche Eidechse verbreitet sich in der Hercegovina in zwei ständigen, von einander leicht zu unterscheidenden Varietäten. Die typische, damit meine ich die in allerlei Tönen ihrer Grundfarbe wechselnde, lichte Form steigt nicht in Regionen von mehr als 500, höchstens 600 M. In der oberen Grenze der Stammform mit dieser gemeinsam und von da angefangen nach dem höher gelegenen Innern des Landes zu als Ersatz derselben, findet sich ihre zumeist pechschwarze Schwester in grosser Zahl auf dein erdfreien Karste. Die schwarze Varietät von oxycepliala ist in der Region zwischen 600 und 1000, selbst bis 1100 M. absoluter Höhe am häufigsten. Sie ist so zahlreich zu finden, dass ein halbwegs geschickter Fänger in einer Stunde mindestens ein Dutzend sammelt. Sie fehlt da gewiss nirgends, avo zerlochter oder zerspaltener Stein vorherrscht und nicht das ihre Bewegung hemmende Gras den Boden bedeckt. Die Vegetation hasst unsere Steineidechse durchaus nicht; docli stellt sich ihr in jener, ob die Vegetation nun Gras, Kraut oder Laub ist, ein sehr störendes und ermüdendes Bewegungshinderniss entgegen. Wo Sträuchen von tiefer unten aus den Steinklüften oder Löchern hervor- wachsen, so dass der Stein von ihnen höchstens beschattet wird, doch aber das Be- wegungselement bleibt, fehlt Lcicerta oxycepliala nicht. Da, wo unsere Eidechse häufig ist, besteigt auch sie die Mauern der Häuser und findet sich auch auf Klaubstein- umzäunungen. So flink diese Eidechse über den Stein senkrecht auf- und ab- oder wagrecht darüber hingleitet, und so geschickt dieses hübsche Thierehen über Klüfte, ivenn sie auch fünf eigene Längen, den Schwanz eingerechnet, an Weite überschreiten, im gewandten Sprunge übersetzt, so unbeholfen ist das in seinem sterilen Elemente so pfeilartige Geschöpf im Grase, auf Moos oder sonstigem weichem Boden. Auf einer Wiese, und wenn deren Gras auch nur kurzhalmig ist, kommt oxycepliala kaum fünf Menschenschritte Aveit und bleibt ermüdet liegen oder trachtet, unter dem ihr in die Nähe gestellten Fusse sich zu verbergen. 1300 M. Seehöhe ersteigt diese Eidechse, so viel ich erfahren, nicht, kann daher die bosnische Grenze höchstens nur gegen Livno überschreiten, wo allein auch in Bosnien sie allenfalls Vorkommen dürfte. Ich habe den Livnokessel nicht besucht und kann darüber keine Angaben machen. In der benachbarten Umgebung Banjalukas fehlt sie aber schon entschieden gänzlich. Ich fand diese Eidechse auf den Linien Banjaluka — Sarajevo und Brod — Prjepolje, sowie Sarajevo — Konjica nirgends. Bei Konjica beginnend, ist sie am Karste Narenta-abwärts zu finden. Die schwarze Varietät stellt sich wahrscheinlich mit den montenegrinischen Grenz- begleitungsstrichen der Hercegovina zufrieden, so Aveit dies ihre Verbreitung in unseren Landen betrifft; wie weit sie Montenegro bewohnt, ist mir nicht bekannt. Am rechten Narentaufer fand ich dieses dunkle Farbenspiel nicht, soAvie überhaupt nirgends im eigentlichen Narentathale. Die schwarze Lacerta oxycephala-Y arietät gefällt sich nahe ihrer nördlichen Verbreitungsgrenze in einem Klima, das man füglich eher bärenmässig als südländisch nennen kann. Färbung. Die meisten Stücke dieser schwarzen zierlichen Eidechse sind, wenn nicht die neue Häutung bald bevorsteht, oberseits schön schwarz in beiden Geschlechtern, unten sind die Männchen entweder stahlblau oder auch, namentlich zur Begattungszeit, schön gesättigt berlinerblau, die Unterseite der Weibchen ist gewöhnlich dunkler oder lichter blaugrau. Nicht immer ist das Schwarz der Oberseite intensiv und gleichmässig, man findet auch ziemlich viele Individuen dieser Abart, welche in der schwarzen Grund- farbe ziemlich viele kleine dunkelgraubraune Flecken haben; aber auch diese Stücke sind noch bei Weitem dunkler als die den Avärmeren Landestheilen allein angehörende Stammform, welche eine ziemliche Mannigfaltigkeit in Grundfarbe sowohl als auch in v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 573 Zeichnung zeigt. Der Schwanz ist häufig blau, blaugrün oder grün gebändert. Im Sonnenscheine hat der Rücken der schwarzen Form metallischen Schimmer gleich den bronzefarbenen, grünlichen, gelblichen oder dergleichen mehrfarbigen Schwestern der Stammform, mit der sie auch im Gebühren vollkommen übereinstimmt. Farbenunter- schiede zwischen Männchen nnd Weibchen fand ich, mit Ausnahme der vorerwähnten am Bauche, bei Lacerta oxycephala nicht. Die Geschlechter unterscheiden sich wie bei Eidechsen überhaupt auch bei dieser in der Körperform, aber hier nur in letzterer. Lebensweise. Lacerta oxycephala ist ziemlich zänkischer Natur. Männchen können sich durchaus nicht leiden; kommen sie sich im Freien auch nur auf 1 M. Entfernung nahe, so geht der Zwist los. Schnell wird der Anlauf gemacht, selten aber sofort angegriffen, sondern der Gegner erst in der Nähe besehen. Mit Katzenbuckel und nach abwärts gehaltener Schnauze soll ihm in kurzem Hin- und Herrücken vorher imponirt werden. Mit dem eigentlichen Anpacken zum Kampfe wird gezögert; jedem der beiden Männchen sind die Zähne des anderen doch zu scharf und ihm sein eigener schöner langer Schwanz zu lieb, um ihn den Waffen des Gegners preiszugeben; nach des Gegners Schwanz, diesem die Bewegung fördernden nothwendigen Anhängsel, wird vor Allem getrachtet und dieser auch häufig bei solchen Balgereien eingebüsst. Glaubt einer der Duellanten dem anderen gegenüber in vortheilhafter Stellung zu sein, so packt er an. Die Männchen sind sich nicht nur zur Begattungszeit feind, sondern befehden sich während des ganzen Sommerlebens im Freien sowohl als auch in grossen Käfigen. In engen Räumen verwahrt, gewähren sie dem Pfleger allerdings dieses Schauspiel nicht; da sind sie die friedfertigsten Geschöpfe. Ich sah unter Anderem einen Kampf zwischen zwei oxycephala- Männchen am 31. Juli, also ausserhalb der Begattungszeit. Dem An- gegriffenen war es in diesem Falle gelungen, den Angreifer am Kopfe zu fassen. Um sich aus der Klemme zu befreien, dreht sich der Gepackte — ähnlich wie Blind- schleichen oder unsere Blavore thun, wenn sie einen zu grossen Brocken vor dem V er- schlucken auf diese Art abdrehend zertheilen wollen — seiner Länge nach um sich selbst, der Andere aber mit ihm; endlich reisst sich der so übervortheilte Angreifer los und flieht, der früher Angegi'iffene wird nun zum Verfolger. Lacerta muralis wird von der streitsüchtigen oxycephala nicht in ihrer Nähe geduldet. Jene wird überall, wo sie sich letzterer nähert, verjagt. Fortpflanzung. Ehe noch die Gegend ganz schneefrei geworden ist, erscheint Lacerta oxycephala aus der Winterruhe, doch aber etwas später als die Mauereidechse und wieder früher als campestris und olivacea. Ich fand zu Anfang des Erscheinens unserer Spitzkopfeidechse bei Weitem mehr Männchen als Weibchen. Im April beginnen sich die Geschlechter paarweise zusammen zufinden und bleiben so in Paaren mehr als einen Monat lang. Einzelne Pärchen fand ich sogar noch im Juni in ehelicher Verträglichkeit oder vielleicht noch Liebe zu wiederholten Malen an derselben Stelle sich sonnen oder nahe aneinander am Steine herumkriechen. Zur Begattungszeit führen diese sowie auch die Mauereidechsen ein inniges Eheleben; es hält sich das Männchen an sein Weibchen und hütet es eifersüchtig. Das Weibchen ist zwar um das Männchen nicht peinlich besorgt, aber es verlässt seinen Standort nicht, und so findet man ein Pärchen durch längere Zeit an derselben Stelle immer wieder. Im April fand ich fast alle diese Eidechsen paarweise, allerdings auch — aber nur wenige und dies namentlich Männchen — einzeln. Wenn man im April (in den tieferen Lagen früher) eine unserer Stein- eidechsen sieht, wird man zumeist nicht lange auf dessen Ehehälfte zu warten brauchen. Sah ich um jene Zeit ein Männchen, so wartete ich das Erscheinen des Weibchens ab, das vielleicht gerade in einem benachbarten Steinspalte mit einem 574 III. Natur Wissenschaft. Schmause zu thun hatte, und fing es bei seinem Erscheinen mit der Rosshaarschlinge weg. Das Männchen wurde dann auch sicher mein, denn der treue Gatte entfloh nicht; er sah seiner in der Luft zappelnden Gattin wenn nicht sehnsüchtig, so vielleicht neu- gierig nach. Umgekehrt darf man nicht verfahren, wenn man das ganze Paar haben will. In der zweiten Hälfte des Juni werden die Eier gelegt, welche denen der Mauer- eidechse gleichen. Ausbrüten habe ich solche Eier nicht lassen. Ende Juli und in der ersten Hälfte August sah ich im Freien kleine, etwa 5 Cm. lange junge Thiere dieser Art, welche am Rücken grau gefärbt und mit sehr vielen, meist zusammenhängenden schwarzen Makeln gezeichnet waren und so in der Färbung mehr der oxycepliala- Stamm- form als ihren schwarzen Eltern glichen. Da ich diese Jungen da fand, wo die lichte Stammform nicht vorkommt, so ist es wohl erwiesen, dass auch die schwarzen Thiere in ihrer Jugend licht gefärbt sind. Hoch nicht halbwüchsig aber sind sie schon so schwarz wie die Alten. Im Frühjahre, wo es noch keine heurigen Jungen gibt, sieht man da, wo diese Form allein auftritt, nur schwarze oxycepliala. Die hier in Rede stehende Varietät behält also das Jugendkleid nur für den ersten Sommer. Gemäss meinen Beobachtungen bis 1888 schrieb ich, dass Lacerta oxycepliala , und zwar deren neu aufgefundene schwarze Varietät, die obere Grenze ihrer Verbreitung im Allgemeinen bei 1 100 M. Seehöhe erreicht und 1300 M. nicht überschreitet. Diese Wahr- nehmung habe ich nach meinen Beobachtungen im Jphre 1889 dahin zu ergänzen, dass Lacerta oxycepliala gegen die bosnische Grenze hin die Höhe von 1300 M. absoluter Höhe wirklich nicht erreicht. In der Hercegovina erhielt ich sie auch von 1400 M. Seehöhe und darüber. In solchen Höhen ist sie aber nur mehr vereinzelt, d. h. etwa so zahlreich wie viridis um Wien. Würde der eigentliche erdfreie Karst ununterbrochen aus der Hercegovina nach Bosnien hinüberreichen, so wäre wahrscheinlich auch L,acert.a oxycepliala in Bosnien heimisch. Sie fehlt aus dieser Ursache nicht nur Bosnien — mit wahrscheinlicher Ausnahme des Livnoer Kreises — gänzlich, sondern ist auch in den humusbedeckten Theilen der Hercegovina nicht zu sehen, ' auch dann nicht, wenn in diesen wieder kahler Karst Amrkommt. Sie fehlt beispielsweise dem Nevesinjebecken gänzlich, auch da, wo in diesem Kesseltliale Karstcomplexe liegen. Längs der montene- grinischen Grenze • — von Trebinje bis Plana die lichte Stammform, von hier bis Gacko- Avtovac die schwarze Varietät — fehlt unsere Eidechse der Hercegovina wohl nirgends. Nach Westen hin sind ihr aber sehr bald Grenzen gezogen; sie geht über Gacko so gut wie nicht hinaus. Um Fojnica ist sie auch da, wo wieder ausgedehntere kahle Karstflächen oben auf den Höhen zu Tage treten, nicht mehr zu finden. Auf den Süd- abfäilen der Bjelasnica- und der Baba planina lebt sie ständig noch oberhalb 1400 M. Seehöhe. Um Trebinje geht, sie gewiss mindestens ebenso hoch. Ob in den Hochlagen jener Gegend die schwarze Varietät, welche ich südlich von Plana nicht mehr traf, oder die Stammform heimisch ist, wäre noch festzustellen. Dass Lacerta oxycepliala — zum Mindesten die schwarze — ein gegen niedere Temperatur sehr empfindliches Thier sei, kann ich auf Grund meiner Beobachtungen nicht zugeben. Sie muss in ihrer eigentlichen Heimat (Gackoer Bezirk) schon bei 900 und 1000 M. Seehöhe einen sehr harten und langen Winter über sich ergehen lassen. Oben in der Baba planina, die sie kaum blos als Sommerfrischler aufsucht, hat sie gegen ganz dasselbe Klima wie die koritana oder viosorensis widerstandsfähig zu sein. Sie wird sich gleich diesen und den anderen mit ihr hausenden Eidechsen im Winter entsprechend weit von der Eistemperatur in das Innere der Karsthöhlen zurückziehen, aber doch kaum wärmere Räume als die viosorensis aussuchen können. Lacerta vioso- rensis habe ich in Gefangenschaft nicht überwintert, an der oxycepliala aber erfuhr v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Herceg-ovina. 575 ich, dass sie nicht heiklicher als andere Reptilien ihrer Heimat ist. Das Ueberwintern von mosorensis ist aber nach Dr. Schreiber nicht schwer. Ich sah bei ihm solche, die er zwei Jahre vorher von mir erhalten hatte. Bei meiner Abreise aus dem Gackoer Bezirke nach Ragusa Anfangs Juli 1889 nahm ich nebst den noch trächtigen mosorensis -Weibchen auch etwa 30 Stück Eier der schwarzen oxycephala mit mir, um die neu ausgekrochenen Jungen beider ver- gleichen zu können, da ich bisher die kleinen oxycephala nur im Freien gesehen hatte und so doch nicht sicher wusste, wie sie als Neugeborene aussehen. Im Freien sieht man eben ganz junge zu selten, um sich über das Aussehen ein Urtheil bilden zu können. Einen Vergleich zur selben Zeit konnte ich aber dennoch nicht machen, weil, wie oben gesagt, auch hier oxycephala um drei bis vier Wochen früher das Ei verliess als mosorensis. Eben geborene mosorensis sind einfarbig eisengrau. Ich konnte wegen Mangel an geeignetem Futter nur wenige der Jungen einige Wochen erhalten und sah daher nur, dass meine jungen oxycephala zur Zeit des Auskriechens der mosorensis die Grösse der Neugeborenen der letzteren hatten. Die Eier der oxycephala unterscheiden sich von «rarab's-Eiern an Grösse und Farbe nicht. Sie werden zur selben Zeit gelegt und geben zur selben Zeit wie diese ihren eingeschlossenen Jungen das Freileben. Auch diese Eier öffnen sich scheinbar ohne Ursache durch sehr scharf-schnittartiges Spalten der pergamentartigen Hüllen an mehreren Stellen. Das Junge kriecht durch jenen Spalt hervor, der zunächst seiner Schnauze an der Eihülle entstanden ist. Der Vorgang ist derselbe, wie er bei den Schlangen früher angeführt wurde. Die Neugeborenen sind so scheu wie frisch gefangene Alte. In ihrem Gebahren unterscheiden sie sich von ihren Eltern nicht. Lacerta koritana. Weil zuerst in der Umgebung von Korito in der Hercegovina von mir aufge- funden, soll die bisher, wie mir Dr. Schreiber auf meine Anfrage freundlichst mittheilte, den Forschern noch unbekannt gewesene, vielleicht ausschliesslich hercegovinische Eidechse Lacerta koritana heissen. Das am Fels besonders flinke Thierchen zeigt, von Weitem besehen, im Allgemeinen den Habitus der Lacerta oxycephala , erscheint aber etwas derber. Schon auf fünf Schritte Entfernung aber erkennt ein normales Auge, dass es hier ein anderes Thier vor sich hat. Die Beschuppung des Rückens ist be- deutend derber als jene der Mauereidechse und der Lacerta oxycephala, ebenso sind die Schuppen der Kehle, des Halsbandes, des Brustdreieckes und die Schildchen der Schläfengegend gut merklich grösser als jene der beiden anderen, ihr ziemlich gleich grossen oben genannten Eidechsenarten. Es bilden daher im Ganzen beträchtlich weniger Schuppen die Körperbedeckung der Lacerta koritana. Die Schwanzschilder sind ge- kielt, die Schenkelporen bilden von einem Schenkel zum anderen eine fast ununter- brochene Reihe, ähnlich wie bei Lacerta muralis, und sind nicht wie bei Lacerta oxycephala durch dazwischen eingeschobene Bauchschilder geschieden. Mit Lacerta muralis aber hat der ganze Habitus keine Aehnlichkeit, denn dieser neigt eher zur Gestalt der Lacerta oxycephala. Der Systematiker wird vielleicht noch andere Merk- male, die diese neue Eidechse von anderen unterscheiden, und sie als besondere Art charakterisirt, finden. Für den praktischen Blick der einfachen Beobachtung mögen vorderhand die angeführten genügen. Färbung. In ihrer Färbung zeigt die in Rede stehende hübsche Eidechse sehr viele Verschiedenheit. Ich fand Stücke mit nussbrauner, graubrauner, dunkelgrünlich- graugelber und dergleichen, dann auch ledergelber und nahezu grasgrüner Rücken- 576 III. Naturwissenschaft. grundfarbe. Die Färbung liat stets ein öliges Aussehen. Die Grundfärbung zieren zu- meist ziemlich grobe schwarze querlängliche Flecken von unbestimmter Form und Anordnung. Diese Fleckenzeicbnung am Kücken kann aber auch fehlen und der Rücken dann einfarbig, licht oder dunkler in den oben angeführten Grundfarben erscheinen. Die Bauchseiten sind wie bei muralis blau gefleckt, der Bauch gewöhnlich grünlicli- orangegelb und kann auch röthlichen Anflug haben. Verschiedenheit der Männchen und Weibchen. Die Männchen dieser Art unter- scheiden sich von ihren W eibchen ziemlich merklich in ihrer Körperform, sowie dies auch bei unseren anderen Eidechsen der Fall ist. Die Männchen erscheinen auch hier bedeutend kräftiger gebaut,' haben sehr stark entwickelte Schenkelporen, während diese bei den Weibchen nur so wie bei weiblichen Lacerta muralis sich zeigen. Dass die Schwanzwurzel der Männchen an der unteren Seite augenfällig verdickt ist, weil der Penis in dieser seine Aufnahme findet, die Schwanzwurzel des Weibchens hingegen dünn erscheint und die Afterspalte hiedurch mehr hervortreten lässt, ist eine bekannte und allgemeine Eigenthümlichkeit der Eidechsen. In der Färbung kommen wesentliche Unterschiede, welche das Männchen dem Weibchen gegenüber cliarakterisiren, nicht vor, im Allgemeinen scheinen die Männchen nach den nur einigen 20 Stücken dieser Art, die ich bisher sammeln konnte, etwas greller oder klarer gefärbt zu sein als die Weibchen; auch mag das Blau des unteren Seitenrandes bei jenen schärfer hervortreten als bei diesen. Verbreitung, Fundstellen. Die Verbreitung beschränkt sich vielleicht ausschliesslich auf einige der sterilsten Stellen des hercegovinischen Karstes; doch ist es möglich, dass diese Eidechse weiter verbreitet ist, da die bisher von mir aufgefundenen beiden Oert- lichkeiten ihres Vorkommens D/2 österreichische Postmeilen in directer Luftlinie von einander entfernt liegen. Der eine Fundort, an welchem ich sie zuerst erblickte, zwischen Korito und der montenegrinischen Grenze, liegt in 1100 M. absoluter Höhe und ist eine schiefe, sehr zerspaltene und vielfach badeschwammartig durchlöcherte Karstfläche von kaum 1000 Quadratmetern Flächeninhalt; die andere, davon, wie erwähnt, D/2 Meilen geradlinig entfernte Fundstelle liegt zwischen 1300 und 1400 M. Seehöhe und ist eine Schichtung grober Blöcke mit vielen engen Spalten. Von ersterer Stelle erhielt ich in drei Morgenbesuchen nur sieben Stück, von letzterer, an Avelche ich eines Abends zufällig und gerade noch früh genug kam, um drei Spätlinge unserer Eidechse zu bemerken und zu erkennen, fing ich an diesem Abende ein Stück, durch welches ich mir mit Bestimmtheit die Ueberzeugung verschaffen konnte, dass hier die gewünschte Eidechse zu finden ist. Diese zweite Fundstelle lieferte mir, als ich in der zweiten Hälfte Juni Gelegenheit fand, sie wieder zu besuchen, an einem einzigen Morgen während einer Stunde Sammeldauer gerade ein Dutzend dieser Eidechsen. Der erste Fundort ihres Vorkommens mag auf einen sehr engen Raum beschränkt sein, die Aus- dehnung des zweiten beträgt sicher mehrere Hectare, dehnt sich aber wahrscheinlich noch darüber aus. Dieser Eidechse scheint die Nordgrenze ihrer Verbreitung durch die Gebirgszüge Baba planina und Somina planina gezogen zu sein, denn jenseits dieser Linie konnte ich von ihr trotz fleissigen Nachspürens nichts mehr finden. Ihre West-, Ost- und Südgrenzen kann ich nicht angeben. Aufenthalt. Zu ihrem Aufenthalte dürfte Lacerta koritana jene Oertlichkeiten wählen, die ihrer Beschaffenheit nach auch der Lacerta oxycepliala Zusagen, mit welcher sie in der Körpergestalt auch so ziemlich übereinstimmt; sie ist aber noch scheuer als ihre eben genannte Verwandte und wählt noch ödere und wildere Karstgebiete zu ihrem Aufenthalt als diese. Sie fehlt vielleicht auch deshalb den meisten Orten, die von Lacerta oxycepliala reichlich bevölkert werden. v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 577 Das Verbreitungsverhältniss zwischen Lacerta oxycephala, Lacerta muralis und der in Rede stehenden Eidechse kenne ich noch nicht; die tiefer gelegene Fundstelle bewohnt diese neue hercegovinische Eidechse mit der schwarzen Spitzkopfeidechse gemeinsam, an ihrem höheren Wohnorte habe ich erstere allein und wirklich zahlreich gefunden. Nachdem Lacerta koritana durchaus nicht schwächer, sondern sogar etwas derber gebaut ist als Lacerta oxycephala, so glaube ich nicht, dass erstere durch letztere in ihrer Verbreitung beschränkt wurde. Als ich das erste Stück dieser mir neuen Eidechse gegen Ende April in der Um- gebung von Korito im Freien vor mir sah, hielt ich es aus der Entfernung von noch mehr als zehn Schritten für die lichte typische L,acerta oxycephala. Da es mich sehr interessirte, die wirklichen Grenzen der beiden oxycephala- Formen festzustellen, trachtete ich das Thier auf jeden Fall in meinen Besitz zu bringen, umsomehr als mir die Eidechse aus der Ferne einen fremdartigen Anblick bot. Auf fünf Schritte Entfernung wurde mir die Sache noch unklarer, obwohl ich das Thierchen viel deutlicher sah. Ich sah eben jetzt blaue Flecken an den Bauchrändern und eine gelbe Kehle, was ich bisher bei oxycephala, die ich doch zu Hunderten in den Händen gehabt, noch nie gesehen. Jetzt musste dieses abnorme Farbenspiel mein werden. Es kostete mich zwei Stunden; das Thierchen war sehr scheu, blieb immer halb gedeckt in einem Steinspalt, in den die Sonne hineinschien, und selbst das nicht lange an einer Stelle. Oft verschwand es und zeigte sich wieder an einer anderen, für den Fang auch nicht günstigeren Stelle. Die Rosshaarschlinge war, da auch noch ein leichter Wind bliess, nicht in die Nähe zu bringen. Da ich mir aber vorgenommen hatte, ohne diese mir in der Nähe erst recht fremdartig erscheinende Eidechse heute nicht heimzukehren und ich die Versuche mit der Rosshaarschlinge für diesen Tag dem besonders scheuen Thiere gegenüber für erfolglos hielt, sandte ich meinen Diener um das Jagdgewehr nach Hause. Ich wollte das Thierchen ebenso durch einen Dunstschuss erbeuten, wie ich meine erste lichte oxycephala am Podvelez bei Mostar in meinen Besitz gebracht hatte. Bei der Ankunft des Gewehres aber brachte ich doch die Schlinge der Eidechse über den Kopf und sie selbst in meine Hand. Jetzt zeigte sich mir das eingefangene Thier als eine mir unbekannte neue Eidechse. Durch ihre Gestalt an Lacerta oxycephala, durch die Schenkelporen und andere kleine Merkmale, wie das Blau der Bauchränder, an Lacerta muralis erinnert, war ich anfangs geneigt, diese Eidechse für einen Bastard zwischen Lacerta oxycephala und muralis zu halten, Avenn mir auch bisher ein Verbinden der Geschlechter verschiedener Arten bei Reptilien noch nicht bekannt Avar. Ich konnte für längere Dauer auch eine solche Ursache der Existenz meines Neulings nicht recht gelten lassen und fand meinen Zweifel noch dadurch genährt, dass Lacerta koritana in der Körper- bedeckung mit keiner der beiden ihr wahrscheinlich nahe verwandten Eidechsen übereinstimmt oder ihnen auch nur ähnlich ist. Der Glaube an die Möglichkeit, dass die von mir vorläufig koritana getaufte Unbekannte ein Bastard sei, schAvand völlig, als ich nach dem ersten Funde, der ein Männchen war, einige Ta, ge später am selben Platze auch ein Weibchen fing, und als ich auf diesem Platze nach den ersten zwei Stücken noch fünf andere solche Eidechsen, die den ersten in Gestalt und Körper- bedeckung vollkommen glichen, erbeutete. Da ich mir aber bezüglich meines Neulings selbst noch nicht genügend Rath wusste, Avandte ich mich unter Einsendung meines Erstlings gleich an meinen kundigen Freund Dr. Schreiber. Dieser bestätigte mir meine koritana als eine noch unbekannte Eidechse, liess aber die von mir angeregte Frage, ob etwa unsere Eidechse ein Bastard sei, bis zum Einbringen einer grösseren Anzahl unentschieden. Bis Juni Avar ich aber trotz eifrigsten Suchens in der ganzen Band IX. 37 578 III. Naturwissenschaft. Umgebung von Korito nicht im Stande, zur Klarstellung der Sache durch Beschaffen von Material beizutragen. Da ich mir von vielen anderen Leuten ebenfalls aus der nächsten Umgebung alles an kleinen Eidechsen lebend oder todt Aufbringbare herbei- schaffen liess und nie eine koritana unter den Einlieferungen fand, hielt ich meine Eidechse für ein äusserst vereinzeltes Wesen. Mit der Bastardidee wollte ich mich nicht abfinden, da ich Bastarde und Begattung verschiedener Arten unserer Thierclasse auch in sehr geräumigen Giewahrsamen, in denen die Hochzeiten lebhaft gehalten wurden und gar oft ein erregter Freier ein in die Quere kommendes Weibchen einer anderen Art anrannte, nie beobachtet hatte. Weibchen fänden sich vielleicht, die einer kurzen Verbindung halber die Herkunft des Freiers nicht gründlich prüfen würden, da sie in ihrer natürlichen Stellung eben nicht die wählenden und activen, sondern die gewählten und passiv hinnehmenden sind; die Männchen aber gingen, wenn sie an ein nicht ebenbürtiges Weibchen gerathen waren, nach kurzer Untersuchung ihrer Wege. Wie weiter unten bei den Schlangen gesagt werden soll, geschieht das Untersuchen seitens der Männchen mit der Zunge, und wie die Schlange weiss auch das Eidechsenmännchen nach der Berührung irgend einer Leibesstelle einer anderen Eidechse, ob diese für ihr Vorhaben geeignet ist oder nicht. Die Arten mögen eben verschieden schmecken. Bei den Eid- echsen mag das Erkennungsvermögen der Zungenspitzen in dieser Hinsicht ein noch höheres sein als bei den Schlangen; denn sie unterscheiden auch das Geschlecht und raufen dann miteinander, wenn Männchen an Männchen gerathen, verjagen die andersartige, ob Männchen ob Weibchen, wenn sie kleiner ist, oder eilen, den anderen sein lassend, ihrem Ziele nach. Heute, nachdem ich den oben angeführten zweiten Aufenthaltsort dieser Eidechse weiss, wo sie, wie oben erwähnt, zahlreich und ihre Art allein auftritt, und wo ich über ihre Fortpflanzung auch Erfahrung sammeln konnte, bin ich dessen ziemlich sicher, dass diese Eidechse eine besondere Art oder ständige Abart einer anderen bildet, und dass sie als geschlossenes Volk auftritt. Fortpflanzung. Die Art der Fortpflanzung unserer vorderhand nur als hereego- vinisch bekannten Eidechse ist gleich der ihrer anderen Verwandten. Sie legt Eier. Nachdem sie im Frühjahre aber bedeutend, etwa um drei Wochen später hervorkommt als die anderen Eidechsen, verschiebt sich jedenfalls auch aus dieser Ursache ihr Fort- pflanzungsgeschäft. Ende Juni, also zur Zeit, zu welcher die Lacerta oxycephala- und Lacerta muralis- Weibchen sich ihrer Bürde schon entledigt hatten, fing ich, nachdem mir die seinerzeit erbeuteten abhanden gekommen waren, wieder eine Anzahl Weibchen unserer neuen Art. Diese Weibchen sahen zwar recht wohlbeleibt, doch nicht unbestreitbar schwanger aus. Ich dachte daher, als sich nach etwa zwei Wochen keine merkliche Veränderung ihres Aussehens ergab, sie hätten für ihre Leibesfrucht gleich den anderen Eidechsenweibchen schon gesorgt, und sandte ihrer einige sammt den Männchen an Dr. Schreiber, den Rest behielt ich mir; dieser Rest entwich mir wie seinerzeit die früher eingefangenen. Nach etwa vier Wochen, das war am 30. Juli, fand ich ein ent- wichenes Weibchen mit auffallendem Bauchumfange wieder im Zimmer. Dieses Weibchen legte, in ihren Gewahrsam zurückgebracht, tags darauf vier denjenigen anderer kleiner Eidechsen ähnliche Eier unter einen Stein. Diese Eier waren in der Grösse zwischen denen von muralis und solchen von viridis, also verhältnissmässig gross, und hatten rosa- farbenen Anflug. Ich verwahrte sie wie vorher auch andere Reptilieneier in einer Blech- büchse mit feuchtem Sand und kleineren Steinen über diesem als Unterlage der Eier. Am 16. September entkroch einem dieser Eier ein 6y2 Cm. langes Junges. Zwei der anderen Eier verdarben frühzeitig, weil die Büchse an die Sonne gerieth; das vierte v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptil ienleben Bosniens und der Hercegovina. 579 öffnete ich Ende September und fand darin ein scheinbar vollkommen entwickeltes Junges und noch etwas Dotter vor. Diese Jungen von Lacerta koritana waren einfarbig dunkel graubraun, mit gelbgrauem Bauche. Die Schuppen dieser Jungen sind natürlich klein, weil auch die Thiere nicht gross sind, aber immerhin merklich grösser als die- jenigen gleich grosser Individuen von Lacerta oxycephala oder Lacerta muralis. Die hier mitgetheilte Schilderung der Lacerta koritana habe ich im Winter 1888 gemacht und meinem Freunde, dem Custos der naturwissenschaftlichen Abtheilung des bosnisch-hercegovinischen Landesmuseums, übergeben. Sie erschien im Laufe des fol- genden Jahres im „Glasnik“ des bosnisch-hercegovinischen Landesmuseums. Eine genaue wissenschaftliche Beschreibung des Exterieurs dieser Eidechse ver- öffentlichte Dr. Schreiber in den Verhandlungen der k. k. zoologisch-botanischen Gesell- schaft in Wien, Jahrgang 1891, XLI. Band., II. Quartal, nach den ihm von mir über- sandten Stücken. In biologischer Hinsicht habe ich nach meinen weiteren Beobachtungen noch kurze Ergänzungen beizufügen. Lacerta koritana kommt in ihrem hochgelegenen Verbreitungsgebiete, das ist an den Südabfällen der Baba planina, nicht ausschliesslich allein vor. Ich traf später mit ihr gemeinschaftlich, wenn auch sehr sporadisch, Lacerta oxycephala, Lacerta muralis, Lacerta viridis, Lacerta agilis und Viper a ammodytes. Da es mich nun interessirte, zu erfahren, ob die später im Sommer erfolgende Fortpflanzung durch das Höhenklima veranlasst oder Arteigenthümlichkeit sei, suchte ich mir nebst grösseren Mengen der Lacerta koritana auch oxycephala- und muralis -Weibchen aus jener Höhe zu verschaffen. Die Weibchen der beiden letztgenannten Eidechsen jener Höhe legten aber ihre Eier wie ihre Schwestern bei Gacko oder Ivorito in den letzten Juni- oder ersten Julitagen. Ob die auf der nur 1100 M. absolut hoch gelegenen oben erwähnten Karstplatte bei Ivorito wohnenden koritana- Weibchen früher mit dem Ge- bären fertig sind als die Mütter aus der Baba planina, konnte ich nicht erfahren, weil mir eine Anzahl meiner Häftlinge dieser Art entkam und ich nicht weiss, ob nicht alle drei Weibchen aus Ivorito unter den entwichenen waren. Zur Trächtigkeitszeit erhielt ich aus der montenegrinischen Grenzgegend eben kein Weibchen unserer neuen Eidechse mehr. Ich entsandte im Monate Juni 1889 zweimal je drei Männer io die Baba planina zum Sammeln der koritana. Diese Leute brachten mir jedesmal gegen 100 Stücke koritana und etwa 10 Lacerta oxycephala in der schwarzen Varietät, 2 — 5 muralis, eine agilis und eine viridis. Die Leute hatten beide Male ungünstiges Wetter. Sie versicherten mich, dass sie kaum zwei Stunden während der ihnen gegönnten Sammelzeit von der Sonne begünstigt gewesen seien. Von dieser Sonnengunst wollten aber auch die Eidechsen ausgiebigen Gebrauch machen und wurden deshalb leichter zur Beute als an dauernd schönen Tagen. Es ist an und für sich auffallend, wenn Eidechsen in den höheren Gebirgsgegenden sehr zahlreich Vorkommen, und so befremdet uns z. B. das massenhafte Auftreten der schwarzen Lacerta oxycephala an der montenegrinischen Grenze zwischen Ivorito und Avtovac-Gacko ; aber fast verblüffend ist die Lacerta ko ritan « B e v öl ker un g dort oben an der Baba planina, umsomehr als weiter unten nach Osten (Kljuc) und Süden (Rivca) Eidechsen überhaupt ziemlich spärlich sind. Wäre nach allen Richtungen hin gleiche Bodenbeschaffenheit wie im eigentlichen /cori'tana-Eldorado, so wäre wahrscheinlich auch das Verbreitungsgebiet ein ausgedehnteres und von Ivorito bis in die Baba planina ununterbrochen zusammenhängend. Die im Juni 1889 erhaltenen koritana nahm ich Anfangs Juli mit mir nach Ragusa und behielt sie dort nebst etwa 30 Stück schwarzen oxycephala bis über Mitte 37* 580 III. Naturwissenschaft. August. Ihre Lebensweise war dort nicht verschieden von der in der heimatlichen Region. Die Eier legten die ko ritana -Weibchen wie oben Ende Juli. Die Jungen in den gelegten Eiern haben sich aber zum Theile schneller entwickelt; ich nahm von den Ende Juli geheckten etwa 30 Stück Eiern bei meiner Abreise am 30. August schon einige ausgekrochene Junge mit mir, die Mehrzahl aber kroch erst gegen Mitte Sep- tember aus. Dass sich eine schnellere Entwicklung der Embryos in den Eiern unter dem Einfluss der wenigstens wärmeren Nächte an der Küste nicht ergab, finde ich dadurch begründet, dass im Standorte an der Baba planina und bei Korito die Eier in Felsenspalten gelegt werden dürften, deren Umwandung tagsüber von der Sonne so durchwärmt wird, dass auch Nachts in den kleinen Innenräumen eine höhere als die Aussentemperatur herrscht. Meine Erfahrungen über das Reifen der koritana-FAer basiren nicht auf Beob- achtungen im Freileben, sondern zunächst im Heimatsorte unserer Eidechse, sowie in Ragusa bei deren Verwahrung im Zimmer. Es dürften aber in Bezug auf Temperatur annähernd die gleichen Umstände wie im Freivorkommen bestanden haben, weil den Eiern der oxycephala im Zimmer in derselben Zeit wie im Freien die Jungen ent- schlüpften. Letzteres konnte ich auch im Freileben wahrnehmen, weil ich oxycephala eben buchstäblich in Menge vor der Thüre hatte. Die Trennung des Zusammenhanges der Eihüllen geschieht bei den Eiern dieser und anderer Eidechsen wie es in meiner Dar- stellung von 1888 für Schlangeneier gezeigt ist. Ueber das Freileben der koritana Weiss ich ausser dem oben Angeführten nur, dass sie wie die oxycephala lebt. So wie die oxycephala die muralis vertreibt, wenn sie letztere auf ihren Wegen trifft, so verjagt auch die stärkere koritana die beiden anderen aus ihrer Nähe. Ich erinnere mich nicht, diese Eidechsenart paarweise gesehen zu haben. Es mag mir deren eheliches Zusammenhalten bei der Häufigkeit ihres Auf- tretens entgangen sein, umsomehr als ich mir eben nicht Zeit nahm, die Thierchen im Freileben zu beobachten, sondern trachtete, wenn ich in ihre Nähe kam, ihrer so vieler als möglich habhaft zu werden. Das Thier ist im Freien sehr scheu, noch viel scheuer als oxycephala. Sie ver- trägt zumeist nicht einmal den Anblick der Ruthe, an dem die Rosshaarschlinge be- festigt ist. Um sie zu fangen, musste die Ruthe so weit als möglich von der Schlinge entfernt sein. Ich verband daher, um koritana zu fangen oder fangen zu lassen, die Schlinge durch einen Zwirnfaden mit der Ruthe. Um die scheue Eidechse die Vorsicht gegen den noch nie gesehenen Fangapparat bei Seite setzen zu lassen, befestigte ich besonders für diese Eidechse hinter der Fangschlinge ebenfalls an einem Faden einen weichen Kerf, auf den losgehend die Eidechse beim Passiren der Schlinge leichter zu fangen war. Das Nähere über Fang am Schlüsse meiner Mittheilungen von 1888. Nach meiner Rückkehr aus der Hereego vina erfuhr ich von Hofrath Dr. Stein- dachner, welcher die Freundlichkeit hatte, die neue Dalmatinerin mir zu zeigen, und von Director Dr. Schreiber, dass dieselbe Eidechse von Dr. Kolombatovic schon im Jahre 1886 in Dalmatien entdeckt und unter dem Namen Lacerta mosorensis von ihrem Entdecker beschrieben worden sei. Sowohl diese erste Beschreibung wie die meinige vom Jahre 1888 erschienen in serbo-croatischer Sprache. Hierauf kam die obeitirte Ab- handlung in der „Zeitschr. der k. k. zoolog.-botan. Gtesellsch.“.' Das Verbreitungsgebiet unseres Neulings ist also ein ganz respectables und erstreckt sich wahrscheinlich, wenn vielleicht auch inselartig, über den ganzen südlichen Karst. v. Tomasini. Skizzen ans dem Reptilienleben Bosniens nnd der Hercegoyina. 581 Notopholis nigropunctata. Die seit neuerer Zeit erst für Dalmatien (von Dr. Kolombato vi6) festgestellte Notopholis nigropunctata kommt auch in cler Hercegovina vor, wenn auch wahrscheinlich selten. Ich fand bisher erst ein einziges Stück (Weibchen) dieser Art an der Südlehne des Fatnicakessels Ende Juni 1888 in etwa 500 M. absoluter Höhe; in höher gelegenen Orten findet diese grossschuppige Eidechse sich jedenfalls nicht mehr vor. Das einzige von mir erbeutete Notopholis -Weibchen ging mir bald darauf durch, wurde nach sechs- tägigem Freileben ganz in der Nähe meines Fensters, durch welches es entwichen war, durch mich wieder dingfest gemacht, empfahl sich aber bald darauf wieder, und zwar für immer. Ich konnte, da ich von dieser Art nur das erwähnte einzige Stück in der Hercegovina aufgetrieben und dieses zudem nur kurze Zeit unter meiner Obhut hatte, nicht viel beobachten. Trächtig war dieses Weibchen nicht mehr. Dem Fundorte nach habe ich erfahren, dass sich Notopholis in ihrem Freileben unter Lacerta cam- pestris und Lacerta olivacea mischt, denn ich sah in demselben Gebüsche, aus welchem ich mit der Rosshaarschlinge diese Notopholis hervorzog, auch die beiden anderen Eidechsen. In Lebensweise stimmt die Notopholis , so viel ich sehen konnte, ebenfalls mit den beiden vorgenannten Eidechsen überein. Pseudopus apus (Scheltopusik). Vorkommen. In Bosnien entschieden gar nicht, dafür aber im unteren Narenta- thale und wohl allen anderen Gebieten der Hercegovina bis an 400 M. Seehöhe, aber kaum darüber, ist der Scheltopusik (Pseudopus apus) ein häufiges Reptil, das man, wenn man ein liiefür halbwegs geübtes Auge hat, ebenso oft — und an vielen Orten noch viel öfter — als die griechische Schildkröte sehen kann; jedenfalls aber ist Pseud- opus apus in seinen Verbreitungsgebieten häufiger als alle Nattern zusammen ge- nommen. Ich fand ihn da, wo er vorkommt, einfach überall: mitten in Getreidefeldern, in Weingärten, auf Steinhaufen, in, auf und nächst Gebüschen, im Karst und der- gleichen. Wo es Löcher oder Gebüsche, d. h. Verstecke, gibt, da fehlt gewiss der Scheltopusik, wenn ihm nur das Klima südländisch genug ist, nicht. So viel ich er- fahren, geht dieses Thier nicht einmal so hoch wie der wilde Granatapfel. Wie alle unsere Reptilien findet man auch den Blavor im Frühling, wo er bei Mostar z. B. gegen Ende März erscheint, bis etwa Anfangs Juni am häufigsten. Von da an wird es ihm, so gut wie den anderen Reptilien, bei Tage am Sonnenschein zu warm, und weil er voi* Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang keine besondere Veranlassung hat, ihn bergende Gebüsche zu verlassen, bekommt man ihn bis Mitte September nicht leicht zu sehen. Ich fand im Frühjahre ohne Mühe wenigstens zehn Stück dieser Panzerschleiche in einer Stunde. An trüben, aber niemals an sonnigen Tagen, ja selbst bei leichtem Regen fand ich auch im Hochsommer Sclieltopusike ausserhalb der Verstecke. Fortpflanzung. Nur einmal, und zwar im April, sah ich im Fi’eien ein Pärchen in Begattung; das Männchen hielt das Weibchen hiezu nach Eidechsenart mit dem Maule fest. In meinen Käfigen begatteten sich diese Thiere nicht; Vermehrung erlebte ich unter meiner zahlreichen Gesellschaft dieser Art auch keine. Jedenfalls wäre es aber nicht unmöglich gewesen, hätte ich diesen Thieren nur einigermassen so viel Fürsorge angedeihen lassen wie anderen ihrer Schicksalsgenossen. Nahrung. Im Futter ist der Blavor nicht besonders wählerisch; grosse Heuschrecken hat er besonders gerne; grosse nackte Raupen nahmen meine Sclieltopusike sichtlich als 582 III. Naturwissenschaft. Leckerbissen, selbst wenn sie anderes Futter nicht mehr fressen wollten und ich sie für satt hielt. Mit Mäusen ebensowohl als mit grossen Eidechsen drehen sich unsere schlangenähnlichen Echsen, wenn sie solche Beute in den Kiefern haben, nach Blind- schleichenart äusserst schnell um die eigene Längenachse, um das Opfer so zu tödten oder vielleicht auch auf diese Art zu zerkleinern. Wie ich gesehen habe, gelingt es ihnen auch manchmal, selbst eine Maus so zu zerdrehen. Sinne und Gehör. Die Sinnesfähigkeiten des Pseudopus apus, sowie die der an- deren einheimischen und — meinen Erfahrungen an fremdländischen gemäss — überhaupt der meisten Echsen äussern sich wahrnehmbar nur im Gesichts- und Tastsinn, welcher an der Zungenspitze vielleicht mit etwas Geschmackssinn oder mit diesem überhaupt verquickt sein mag. Zu hören scheint der Blavor und alle verwandten vierfiissigen oder fusslosen Kaltblüter, trotzdem man bei ihnen ein Trommelfell und einen äusseren Gehörgang sieht, doch gar nicht. Ich habe diese Thiere, um meinem Diener oder anderen Leuten, die mir sammeln halfen, zu zeigen, dass sie nur Bewegungen ihres Körpers zu vermeiden hätten — weil nur solche sie den Thieren verrathen — wenn sie unsere Reptilien fangen wollten, aus verschiedenen Entfernungen, auch aus nächster Nähe, anschreien, anpfeifen oder anzischen lassen, ohne hiedurch allein die Thiere zur Flucht zu bewegen. Dass sich diese Echsen etwa, um sich nicht selbst durch eine Bewegung zu verrathen, ruhig verhalten oder sich, wie es bekanntermassen beim Ergriffenwerden die Kiel- rückennattern aus sinnloser Angst thun, todtstellen sollten, oder dass sie gar aus Pfiffig- keit taub erscheinen wollten, glaube ich nicht, denn wenn man vor einem so ange- schrieenen oder angezischten Blavor eine auch nur geringe Bewegung macht, fährt er schnellstens, wenn auch nur auf kurze Entfernung, zurück. Dies thut er natürlich nur, wenn er mit offenen Augen ruhte; hat er die Augen geschlossen, so öffnet er sie des Geräusches allein halber nicht, sondern erst wenn man ihn berührt oder ein auf- fallend bewegter Schatten die Augen trifft. Weit flüchtet unser Blavor überhaupt nie, sondern inacht gewöhnlich einen Ruck von 2 — 3 M., diesen aber schnell. Er unter- scheidet sich hiedurch schon für das Gehör so deutlich von den in ununterbrochenem Kriechen davoneilenden Schlangen, dass ein im Erkennen seines Bewegungsgeräusches gerade nicht geübtes Ohr jenes von dem Geräusch der Bewegung einer Schlange doch bald unterscheiden lernt. Gesicht. Mit dem Sehen steht es offenbar besser als mit dem Hören; Pseudopus apus sieht und erkennt wenigstens, was sich rührt. Eine bisher nicht gesehene Farbe befremdet ihn nicht, vielleicht weil sein Geist sich überhaupt dazu nicht aufschwingt, durch etwas befremdet zu werden. Diese Thiere scheinen mir so wie die anderen Echsen und auch die Schlangen, an denen ich dasselbe beobachtete, farbenblind zu sein oder einen Unterschied zwischen Farben nicht aufzufassen. Sie nehmen z. B. eine weisse Maus, deren Farbe sich ihnen doch nicht als längst bekannte Erscheinung an einer Beute zeigt, so gut wie eine graue, ohne sie vorher mit der Zunge berührt oder etwa durch die Nase wahrgenommen zu haben. Die weisse Maus braucht dem Räuber nur ihre Gestalt durch eine Bewegung zu verrathen oder, wenn sie sich ruhig verhält, sich mit der Zungenspitze berühren zu lassen. Spürsinn. Worüber unseren Thieren kein anderer Sinn Aufklärung verschaffen kann, da setzen die Zungenspitzen sie ins Klare. Mit diesen unterscheiden sie das Geniess- bare von dem Ungeniessbaren sofort und sicher. Es schien mir, als wenn sie mit diesen schmecken würden. Jedenfalls ist das Empfindungsvermögen der Zunge so fein, dass diese Reptilien liiemit die sogenannte Witterung, wie der Waidmann sich aus- v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 583 drückt, verspüren. Eine ganz flüchtige Berührung eines Gegenstandes mit der Zunge genügt, um in diesem etwas Brauchbares oder Nutzloses oder auch einen Feind oder überhaupt etwas Schädliches zu erkennen. Die flüchtige Berührung genügt, um im ersten Falle sofort das Interesse zu wecken, im zweiten Gleichgiltigkeit zu bewahren und im letzteren das Thier zum vorsichtigen Ausweichen zu veranlassen. Diese Zunge wäre ganz besonders bei Schlangen, wo die Empfindlichkeit derselben die Grenze des Glaubwürdigen für denjenigen, der ihre Fähigkeiten nicht selbst beobachtet hat, weit über- schreitet, einer genauen Untersuchung wohl werth. Eidechseneier und Vogeleier z. B. mit solchen recht ähnlichen Steinen gemengt, erkannten meine Sckeltopusike mit der Zungenspitze und vergriffen sich nicht an den Steinen. Es liesse sich da noch eine Menge von Beispielen, die sich mit der Zeit meinen Beobachtungen boten, anführen. Verbreitung, Lebensweise. Ich fand den Pseudopits apus trotz mehrmonatlichen Suchens in keinem der einzelnen von mir betretenen Gebiete Bosniens, auch in den tiefliegenden Theilen Nordbosniens nicht, wo ich ihn auf Grund der Behauptung von Schriftstellern, dass er in Ungaim vorkomme, mit Bestimmtheit vermuthet hatte. Nachdem nun ausser mir wohl auch niemand Anderer den Scheltopusik in den Gebieten der Save finden wird, ist es mir unwahrscheinlich, dass dieses Thier in Ungarn heimisch ist. Dass der Scheltopusik sogar in Niederösterreich, wo ihn Dr. Knauer im Freien gefunden hat, heimisch sein soll, ist auf Grund dieser Erfahrung wohl noch unwahrscheinlicher. Er kann dahin sowie in den Panowitzer Wald bei Görz, wo ihn Graf Carl Coronini fand, nur durch Menschenhand gekommen sein. Eine so ver- einsamte Verbreitungsinsel ist, ohne dass das Thier dahin verschleppt worden wäre, nicht recht denkbar. Der Gewährsmann für das Vorkommen des Pseudopus in Nieder- österreich verweist in diesem Lande den Standort des Scheltopusik auf die Wald- dickichte des Wienerwaldgebirges Troppberg und lässt ihn in andersartigen Oertlich- keiten nicht Vorkommen. Wenn unser südländisches Reptil auf Wald erpicht wäre, müsste es die Hercegovina entschieden meiden. Es meidet aber eher den dichten Wald, weil es dort weniger Nahrung findet, als ihm die waldlosen Strecken seiner Heimat bieten. Auch ist jene Oertlichkeit des Wienerwaldes, in welcher, der obangeführten Be- hauptung nach, Pseudopus apus als einheimisches Thier zu finden sein soll, und über- haupt der Sommer des ganzen Wienerwaldes klimatisch für diese südländische Panzer- schleiche nach meinem Dafürhalten nicht geeignet. In der Hercegovina, d. i. in seiner Heimat selbst, fehlt das Thier schon den ihm weit günstigeren Klimaten als das nieder- österreichische gänzlich. Sein Auftreten in den südrussischen Steppen mit ihren rauhen Wintern steht mit diesen Aufstellungen nach meinem Dafürhalten nicht in Widerspruch. Ins Wasser geht auch dieses Reptil nicht ungern und bleibt oft stundenlang darin, trotzdem man es oft in Karststrichen findet, auf welchen für den Scheltopusik wenigstens das Wasser wohl monatelang unerreichbar erscheint. Feuchte Stellen muss es aber auch für diese Echse geben. Krankheiten. Dass das Thier Feuchtigkeit braucht, lehrt es uns im Käfige, wo es, wenn Feuchtigkeit mangelt, bald der auch bei anderen Reptilien auftretenden Maul- fäule unterliegt. Tritt diese Krankheit, welche sich als schwammige Masse an den Kiefern zeigt, auf, so verhilft Wasser dem Thiere wieder zur Genesung. Behandlung. Ich legte kranke Scheltopusike, sowie übei’haupt von diesem Uebel befallene Reptilien, wenn ich sie heilen wollte, in eine verschlossene Wanne mit soviel Wasser, dass der Körper der Kranken beständig im Bade lag und doch der Kopf zum Athmen leicht über das Wasser gehoben werden konnte. In diesem Bade müssen kranke Reptilien bis zur nächsten Häutung verbleiben. Häutet das Thier, so ist es 584 III. Naturwissenschaft. gesund und wird wieder fressen. Ein solches Spital darf man nicht der warmen Sonne aussetzen, wie überhaupt auch kein gesundes Reptil der heissen Sonne ohne Schutz preisgehen, sonst bringt man es sicher und meist schnell um. Im Wasser vertragen unsere Thiere eine verhältnissmässig hohe Temperatur noch leichter als im Trockenen. Zwischen den Fenstern oder überhaupt hinter Glas der Sonne ausgesetzt, kann man sie recht bald tödten. Bisse der Sand- oder Kreuzotter schaden dem Blavor nicht. Nahrung. Dass er Schlangen frisst, habe ich von Bauern gehört, auch ist es in Büchern zu lesen. Ich glaube, dass weder die Bauern, die es erzählen, noch Diejenigen, die es schreiben, jemals einem Scheltopusik beim Schlangenfressen zugesehen haben. In meinen Käfigen, die gleichzeitig zwanzig und mehr längere Zeit hindurch, nach und nach aber gewiss über hundert Stück beherbergten, frass keiner jemals eine Schlange; sic magerten, wenn sie nichts Anderes erhielten, in solcher Gesellschaft tüchtig ah; die Schlangen aber blieben unversehrt. In Dalmatien sowohl, als auch in der Hercegovina behaupten alle Bauern, dass der Blavor, wie ihn der hercegovinische Landmann, oder Babor, wie ihn in manchen Gegenden der Dalmatiner nennt, den Scharkan oder die Guja, das ist die Sandotter, frisst. Das mag auch die Quelle sein, aus welcher Erber, der lange Zeit in Süddalmatien Reptilien sammelte, diese Meinung schöpfte und weiter- verbreitete. Die Bauern behaupten ja überall gar Manches, was man besser thut, nicht gleich zu glauben. In denselben Ländern sind diese Leute der festen Ueberzeugung, dass die Streifennatter die Kühe melke; das müsste man dann ebenso für bare Münze nehmen, wie die dem Blavor beigelegte gute Eigenschaft. Blindschleichen wie Echsen überhaupt frisst Pseudopus apus sehr gerne. Verbringen des Tages. Pseudopus apus ist ein wirkliches Tagthier, welches in der Dunkelheit niemals thätig ist. Wenn er auch zur heissen Zeit nie an der Sonne erscheint, sondern, wenn keine schattengewährenden Dickichte vorhanden sind, die heissen Tagesstunden in finsteren Winkeln verschläft, so schreitet er mit Einbrechen der weniger warmen Nacht doch nicht zur Thätigkeit, sondern bleibt während dieser verkrochen. Im Hochsommer geht er vor Sonnenaufgang, sobald es hell geworden, an das Tagwerk, um sich sein Frühstück zu beschaffen, das um diese Zeit gewöhnlich in den grossen Heuschrecken besteht, welche, solange die Sonne nicht scheint, sich leicht ergreifen lassen; sobald die Sonne aber lästiger wird, meidet er offene Stellen und labt sich an den von ihr durchwärmten Schatten. Häutung. Die Haut erneuert der Scheltopusik bald nach dem Erwachen im Frühjahre und beiläufig jeden zweiten Monat des Sommers. Die Häutung erfolgt voll- ständig und auf einmal, ähnlich wie bei den Blindschleichen. Es wird die abzu- streifende Haut nicht gewendet wie bei den Schlangen, sondern nach hinten zusammen- geschoben. Das Trommelfell wird nicht gehäutet, obwohl die Haut gelegentlich der allgemeinen Häutung bis tief in den äusseren Gehörgang hinein erneuert wird. Der Augapfel wird selbstverständlich auch nicht gehäutet, sondern bekanntermassen nur die Augenlider. Geschieht die Häutung nicht mit einem Zuge, so hat es dem Thiere an Feuchtigkeit gefehlt; es ist krank. Aussehen Junger. Ganz junge Scheltopusike sind, wie bekannt, auf lichtleder- gelbem oder drapfarbenem Grunde, der in verschiedenen Tönen ins Graue ziehen kann, braun gefleckt. An Gestalt ähneln sie einer halbwüchsigen Blindschleiche viel mehr als ihren Eltern. Sobald die Jungen 30 Cm. Länge erreichen, das ist nach meinen Erfahrungen im dritten Lebensjahre, gleichen sie ihren Erzeugern schon vollkommen in Gestalt sowohl, als auch in Farben. v. Tomasini. Skizzen ans dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 585 Angiiis fragilis (Blindschleiche). Vorkommen. Die Blindschleiche (Anguis fragilis), sozusagen das A des Alphabets der meisten Reptilienliebhabereien, zieht Bosnien den meisten Theilen der Hercegovina vor. In Bosnien ist sie überall zu finden; in der Hercegovina nimmt sie gegen die höher gelegenen Landschaften hin zu. Wie weit hinauf die Blindschleiche in letzterem Lande geht, kann ich genau nicht sagen, aber bei 1300 M. Seehölie (Cemerno) trifft man sie öfter an als in Tiefthälern. Sie verträgt sich nicht mit der trockenen Erdober- fläche und muss daher die warmen Gelände der Hercegovina meiden, in welchen ich sie nur in unmittelbarer Nähe von Bächen und auch da nur sehr selten sah. Das wehr- lose Thier mag auch in den tieferen Landschaften der Hercegovina von der da ziemlich häufigen Eidechsennatter ( Coelopeltis lacertina ) wenn nicht aufgespeist — denn die ver- schont bis ausschliesslich zum Lurch herab kein Wirbelthier, das sich von ihr bezwingen lässt — so vielleicht vertrieben worden sein. Nachdem zu diesem Wütlierich der Rep- tilien noch die Zornnatter ( Zamenis gemonensis) mit ähnlichem Appetit nicht minder zahlreich sich gesellt und viele andere Feinde hier nicht ausbleiben, im Gegentheil durch den Blavor und Andere noch vermehrt werden, so muss die vielbegehrte Blindschleiche auf jene Stellen dieser Landschaften, die ihr auch während des Hochsommers Nahrung bieten würden, so ziemlich ganz verzichten. In ihrer Art zu leben und in ihrer Leibes- beschaffenheit ist auch die bosnisch-hercegovinische Blindschleiche von der altbekannten des Nordens nicht verschieden. Ablephavus pannonicus (Jolianneseelise). Der in Ungarn vorkommende Ablephavus 'pannonicus (Johannisechse) wurde von mir weder in Bosnien noch in der Hercegovina gesehen. Was ihm, wenn ihm Ungarn zusagt, Bosnien für sein Leben ungeeignet erscheinen lässt, kann ich nicht ermessen, zumal Nordbosnien, welches Ungarns südlicher Anschluss und von diesem kaum so verschieden ist, dass die Lebensgewohnheiten und Bedürfnisse dieses Reptils beein- trächtigt würden. In Nordbosnien, wo ich diese kleine, zierliche glatte Echse vermuthete, habe ich nach ihr gefahndet; dass ich sie nicht gefunden, schliesst, trotzdem ich im Reptilien suchen eine mehr als fünfzehnjährige Uebung habe, ihr dortiges Vorkommen noch nicht aus; das kleine Thierchen mag von mir übersehen worden sein, umsomehr als es sich ja meist verborgen hält. Es ist aber doch möglich, dass seiner Verbreitung die beiden grossen und noch andere südliche, aus hohen Thälern der Donau zu- strömende Nebenflüsse Grenzen zogen. Dieser Glaube soll aber nicht zur gleichen Meinung auffordern; denn auch Notopholis fand ich natürlich nur in der Hercegovina erst nach mehreren Jahren. Aber jedenfalls tliut Derjenige, ([er Ablephavus pannonicus fangen und nicht dessen Vorkommen oder Fehlen feststellen will, besser, hiezu nicht das Occupationsgebiet zu wählen. Die Ophidier Bosniens und der Hercegovina. Vorkommen im Allgemeinen. Stärker als bei den Echsen tritt die Verschiedenheit Bosniens und der Hercegovina in der Schlangenwelt dieser Länder hervor. Alle Gebiete der Hercegovina jedoch, welche in Klima und Vegetation bosnischen Charakter haben, begnügen sich auch mit den Bosnien eigenen Schlangenarten. Es sind dies alle über 700 M. hoch liegenden Gebiete der Hercegovina, welche vom dalmatinischen Klima durch bedeu- 58G III. Naturwissenschaft. tendere und zusammenhängende Bodenerhebungen vollkommen geschieden sind und daher von jenem nicht beeinflusst werden können. Leben im Allgemeinen. Die körperlichen und Sinnesfähigkeiten unserer Schlangen könnten hier übergangen werden; denn die Schöpfung gab hierin den Arten der bosiiisch-hercegovinischen Ophidier keine Sonderstellung vor ihren Geschwistern anderer Länder. Ich berühre jedoch auch dieses Gemeingut Aller, da meine besondere Neigung für das Sammeln, die Pflege und Beobachtung dieser Thiere mir Manches zeigte, was ich in Büchern nicht finden konnte, und ich Manches anders fand, als es von Fach- schriftstellern aufgefasst und geschildert wurde. Sinne. Steht das Gehirn der Schlangen in Bezug auf Grösse auch in einem Miss- verhältnis zum Rückenmark, so ist es doch Voreingenommenheit, zu behaupten, die Schlangen hätten infolge dessen durchaus nur stumpfe Sinne. Geruch. Geruchswerkzeuge haben die Forscher bei der Schlange gefunden; diese leisten aber dem Thiere, wie ich oft, mit und ohne Absicht, bei vielen meiner Schlangen beobachtete, nie einen Dienst. Eine Schlange, auch wenn sie athmet, weiss von einem in unmittelbarer Nähe ihrer Nasenlöcher liegenden und schon stark duftenden todten Vogel oder anderen Aesern nichts, solange man dei'lei Dinge nicht bewegt. Erst wenn die Schlange das Bewegte sieht oder besser noch es mit der Zunge erkundet hat, wird es, oh in Federn oder gerupft, als geniessbar erkannt und, wenn Fresslust vor- handen, verspeist. Mit scharfen Düften habe ich die Schlangen nicht quälen wollen, weil man, wenn sie diesen Düften — welche auch die Athmungsorgane schädigen können — auch ausweichen, doch nicht sagen kann, dass dies infolge des ihnen wider- wärtigen Duftes geschieht. Ich glaube kaum, dass eine Schlange, wenn sie aus nächster Nähe den Duft von etwas Geniessbarem verspüren könnte, zumal wenn sie bei Appetit ist, theilnahmslos daneben liegen bleiben würde. Sie reagirt erst dann darauf, wenn die Zungenspitzen den Speisehrocken aus anderer Veranlassung berühren, obgleich sich derselbe selbst einer schlechten Nase schon auf Meterweite verräth. Die Fähigkeit, zu riechen, mag von der Natur auch der Schlangennase beigelegt sein, gerade so gut wie dem Reptilienohre im Allgemeinen die Fähigkeit, zu hören; aber ausgebildet sind diese Fähigkeiten sicherlich gar nicht und kommen auch dem Geiste des Thieres jedenfalls nicht zum Bewusstsein. Spürfähigkeit. Auf Kosten der oben besprochenen Sinne hat die Zungenspürkunst sich entwickelt. Als ich noch nicht der Meinung war, Schlangen röchen nichts, legte ich todte Beutestücke einfach in den Käfig, weil ich wusste, dass meine Pfleglinge solche nehmen. Dieses Futter blieb aber oft lange liegen, trotzdem Schlangen, allerdings ohne mit der Zunge diese Beute berührt zu haben, ganz nahe daran vorüberkrochen oder daneben lagen und dabei auch atlimeten. Da ich aber den nicht haltbaren Bissen verspeist wissen wollte, legte ich ihn der einen oder der anderen Schlange in den Weg. Ich sah nun, dass auch jetzt keine Schlange den Brocken annahm — vorausgesetzt, dass ich ihn ganz ruhig hielt — wenn sie ihn nicht vermittelst der Zunge erkannte. Durch diese Beobachtungen zu Versuchen mit weiteren mehr als fünfzig Schlangen aufgemuntert, kam ich schliesslich zur Ueberzeugung von der Richtigkeit der oben ausgesprochenen Meinung, dass Schlangen nicht riechen oder ihr Geruchsorgan nicht zu verwenden verstehen. Gehör. Fast noch bestimmter als über den Geruch lässt sich über das Gehör der Schlangen urtheilen. Wenn sie nicht ganz taub sein sollten, so geberden sie sich doch so, als ob sie es wären. Dass sie sich taub stellen sollten, ist nicht recht zu glauben, wenigstens würden sie es nicht tliun, wenn ihnen ein Geräusch nahende v. Toraasin i. Skizzen ans dem Reptilienleben Bosniens und der Herceg’ovina. 587 Gefahr verräth und diese Thiere hiedurch zur Flucht veranlassen müsste. Der Gehörsinn der Schlangen ist also unstreitig stumpf, oder es kommt, wie heim Geruchssinn er- wähnt, der Geist nicht zum Bewusstsein vom Besitze eines Gehörs. Wer glaubt, dass er, um Schlangen fangen zu können, kein Geräusch machen dürfe, versteht es überhaupt nicht, diese Ivriechthiere zu erbeuten, das heisst, er ver- räth sich ihnen durch sichtbare Bewegungen und meint, das Geräusch habe die Thiere verscheucht. Durch keinerlei Geräusch verräth sich den Schlangen der Feind, der Mensch natürlich auch mitgerechnet. Quieckt eine Maus, und wäre es auch eine von der Schlange gesuchte, oder singt oder ruft ein Vogel, so erfährt selbst eine hungrige Schlange hiedurch nicht nur deren Aufenthaltsort nicht, sondern überhaupt nichts von der Anwesenheit der so ersehnten Beute; auch dies habe ich im Käfige genügend beobachtet. Nur Zunge und Auge finden Beute und sind hiebei im Einklänge mit- einander thätig. Gar manchmal, wenn eine Schlange beim Fangen im Freien für mich schwer erreichbar war, rief ich meinen Diener laut herbei und ihm zu, sich von einer anderen Seite des Thieres zu bemächtigen. Durch dieses Rufen beunruhigte ich Schlangen nicht. Eine Schlange floh auch dann nie vor Lärm allein, wenn sie einer gesehenen Bewegung halber bereits den Kopf erhob — was namentlich Coelopeltis lacertina gleich thut, um sich ein besseres Aussichtsfeld zu verschaffen, und um besser zu sehen, was vorgeht — doch flohen die Schlangen bei der geringsten weiteren, ihnen sichtbaren Bewegung. Schreien, pfeifen, zischen, fauchen — ja was für Musik man noch machen will — mag man aus Leibeskräften; dadurch bringt man, wie wohl viele Sammler schon erfahren haben, niemals eine Schlange dazu, etwas Anderes zu thun als das, was sie gerade zu thun im Begriff steht. Die Gaukeleien des Inders mit scheinbarer Zu- hilfenahme der Pfeife, auf welche ich gelegentlich noch zurückkommen werde, sind Täuschungen des Züsehers. Keine Schlange würde sich um den, wenn auch noch so herzzerreissend, dudelnden Künstler kümmern, wenn sie des pfiffigen Schwindlers Ge- berden, welche dem begeisterten und bewundernden Zuschauer entgehen, nicht vor sich sehen würde. Gesicht. Das Sehvermögen der Schlangen ist, wie bald Jemand erfahren haben wird, der sich für diese Thiere interessirt, nicht schlecht, wenn auch nicht hoch entwickelt, auch ist es nicht bei allen Arten gleich gut. Diejenigen lebhafteren Arten, deren Jagdweise mehr des Auges bedarf, sehen besser oder vielleicht richtiger gesagt erkennen früher als die anderen, behäbigeren, welchen das Spurensuchen mehr Erfolg gewährt. Wenn man auch einer Schlange ohne gesehen zu werden leichter sich nähern kann als einem Vogel, so heisst es doch recht vorsichtig sein, um durch keine Körper- bewegung ihren Augen sich zu verrathen. Sich nicht bewegende oder selbst sich nicht auffallend bewegende Körper unterscheidet das Schlangenauge nicht. Sitzt eine Maus oder ein Vogel oder ein anderes zur Nahrung der Schlange geeignetes Thier ruhig, so erfährt das geistig tiefstehende Reptil die Anwesenheit dieser nach seiner Meinung — wenn es so wie der Mensch über die Welt denkt — blos für die Schlangen zum Fressen geschaffenen Vögel oder Mäuse erst durch die Zungenspitze. Ob nun eine dunkle Maus auf oder vor einem weissen Stein oder eine weisse Maus auf dunklem Grunde sitzt, ist gleichgiltig. So lange sich derart Auffallendes nicht rührt, weiss die Schlange davon nichts, selbst wenn sie sich auf der Suche nach Beute befindet. An die Farben kehren sich die Schlangen also nicht. Ich habe dies und Aehnliches so oft gesehen, dass sich mir hiedurch das oben Gesagte als Ueberzeugung aufdrängt. Bewegt sich ein für die Schlange als Frass geeignetes Thier, so bemerkt jene es sofort. Sie folgt dem 588 III. Naturwissenschaft. Thierchen, das durch eine solche Unvorsichtigkeit sich ihr verrieth, und behält es, wahrscheinlich seiner Form nach, auch dann weiter im Auge, wenn es sich bald darauf ruhig verhält. Des Weiteren sucht sie sich von dessen Werth durch die Zunge Ueber- zeugung zu verschaffen; das Auge ergründet dies nicht. Tast- und Geschmackssinn. Verliert die Schlange ein von ihr schon bemerktes Opferthier aus den Augen und verräth es sich seinem Verfolger nicht neuerdings durch eine Bewegung, so erhält die Schlange von dem Gesuchten erst wieder Kunde, wenn die Zungentast- und Spürfähigkeit ihr solche verschafft. Dass dies so ist, davon haben mich viele Beobachtungen überzeugt. Beutethiere, die am Boden laufend ihrem Feinde sich entziehen wollen, werden auf ihrer hinterlassenen Spur verfolgt, auch wenn es längs Wänden hinauf oder über nicht überblickbare Hindernisse ginge, und so zumeist gefunden — Alles durch die tastende Zunge. In Löchern entschlüpften Thieren geht die Schlange, mit der Zunge den Boden betastend, langsam und aufmerksam nach, und schliesslich auch in das richtige, welches die Zunge allein ihr zu verrathen vermag, hinein. Nach einer verloren gegangenen oder noch nicht aufgefundenen Spur wird sorgfältigst die ganze nächste Umgebung mit der Zungenspitze abgetastet und die gefundene genau beibelialten. Befinden sich an einer Stelle mehrere Löcher und geräth bei verloren gegangener Spur die Schlange in ein falsches, so steckt sie meist nur den Kopf hinein und lässt gleich wieder davon ab, geht aber bis zur gesuchten Beute, wenn sie das richtige Versteck gefunden hat. Ehe ich mich von dem eben Gesagten untrüglich überzeugte, dachte ich, als ich häufig sah, dass Schlangen eine Beute ver- folgend in Löcher geriethen, in welchen diese ebensowenig als kurz zuvor irgend ein anderes Thier Zuflucht genommen hatte, und den Kopf hier nur flüchtig hineinsteckten, es hätte der Geruch sie auf der Spur erhalten, trotzdem ich an eine so hohe Ausbildung dieses Sinnes nicht glauben wollte. Spätere Beobachtungen zeigten mir aber unzweifel- haft, dass es die Zunge sein müsse, welche als Spürorgan hier die Leitung Lat, und dass es etwas Anderes nicht sein könne. Wenn eine Schlange • einem flüchtigen Opfer in blinder Frassgier jagend nacheilt, kommt das Spurensuchen allerdings nicht zum Aus- druck, wenn aber an einer ruhenden Schlange, deren Fresslust durch kleine Bissen — junge Mäuse, junge Vögel, kleine Eidechsen, Vogeleier u. s. w. — noch nicht, wie es nicht selten geschieht, bis zur Sinnverwirrung gereizt ist, eine Maus vorüberläuft und verschwindet, so kann man das Spursuchen und Festhalten der Spur, welche sie durch die Zunge zu schmecken scheinen, meistens recht deutlich beobachten. In ihrem Käfige nahm eine meiner Elapliis cervone einen Weinrebenknorren, nachdem sie ihn vorher mit der Zunge lange abgetastet, in das Maul und wollte ihn fressen, weil auf ihm eine junge Ratte, welche die Schlange suchte, einige Zeit hindurch gesessen hatte. Erst als die Schlange erkannte, dass der erwähnte, am Boden festgemachte Knorren nicht zu verschlingen sei, liess sie davon ab und suchte, weiter am Boden tastend, die Ratte, die ihr dann zum Opfer wurde. Wenn Riesenschlangen in Menagerien, wie öfter erzählt wird, die Kotzen, welche ihnen zum Lager dienen sollen, verschlangen, so hat es vielleicht auch öfter darin seinen Grund, dass darauf ein Opferthier längere Zeit verweilt hatte und die am Kotzen haftende Spur diesen der Schlange durch die Zungen- spitze als fressbar erscheinen liess. Ein junger Hund frisst auch einen nach Fett duftenden Lappen oder Strick, ohne zu denken, ob das verdaulich ist, und steht geistig höher als die Schlangen. Eine Schlange unterscheidet durch Befühlen mit der Zunge deutlich ein Schildkrötenei oder ein verkümmertes Hühnerei von einem gleich grossen Taubenei auch dann, wenn diese anderen Eier kurz nach einem Taubenei, welches sie zu nehmen schon beabsichtigte, unterschoben werden. Sie sucht, wenn sie einen solchen v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 589 Gegenstand mit der Zunge berührt, diesen sein lassend, gleich in dessen nächster Umgebung weiter nach dem Taubenei. Ich habe mehrmals die angeführte Beobachtung an Schlangen meines Käfiges gemacht. Einen Genuss beim Fressen selbst haben Schlangen wohl kaum; der Genuss, den ihnen ein Bissen verschaffen könnte, muss nur im vorherigen Befühlen mit der Zungen- spitze liegen, sowie der Duft einer Wurst einem Hunde mehr Genuss gewähren mag als das schnelle Verschlucken. Besonders hoch entwickelt ist ohne Zweifel das Em- pfindungsvermögen der Zunge, in welcher, wie meine diesbezüglichen eingehenden und zum Theil hier angeführten Beobachtungen mich belehrten, der mit dem Geschmacks- sinn im Einklang thätige Tastsinn eng verbunden sein muss. Mittelst dieses Empfin- dungsvermögens fasst das kleine Schlangengehirn Dinge richtig auf, deren Erkennung einer sehr bedeutenden Sinnesfähigkeit bedarf. Die Fähigkeit dieses Sinnes lässt sic nicht nur Geniessbares von Ungeniessbarem sicher unterscheiden, sondern sie lässt die Schlange auch die geringere oder höhere Güte verschiedener durcheinander vor ihr liegender Nahrungsstoffe erkennen. Findet die Schlange beim Berühren mit den Zungen- spitzen etwas, was ihr gefährlich sein könnte, so wird sie durch ihr feines Erkennungs- vermögen veranlasst, sich von dem Gegenstände zu entfernen. Die Zungenspitzen haben für die Schlangen denselben Werth, den die Nase fin- den Hund oder die Fühler für die Insecten haben. Ihre Leistungsfähigkeit ist auf Kosten anderer Sinn es Werkzeuge auf das Höchste entwickelt. An einem todt vor ihr liegenden Beutestück sucht die Schlange, um es zu ver- schlingen, wie man weiss, die Schnauze, beziehungsweise den Schnabel, und findet diese Stellen durch die Zunge. An Eiern findet die Schlange durch dieses kleine, hoch empfindliche Instrument einen der Pole und öffnet das Maul selten an den flacheren Wölbungen des Eirumpfes. Dass die Zunge auch im Stande ist, auf eine wenn auch nur geringe Entfernung hin der Schlange von der Anwesenheit eines für sie wichtigen Gegenstandes Kenntniss zu verschaffen, wie Brehm vermuthet, ist gewiss nicht aus- geschlossen, wenn die in der Luft schwebenden, mit der Zunge in Berührung- kommenden Theilchen eines Körpers, welche den Duft bilden, von deren Empfindungs- vermögen erkannt werden könnten. Für eine so hohe Entwicklung des Geschmacks- sinnes habe ich aber keine Anhaltspunkte. Dass das Tasten mit der Zunge aber zugleich ein Schmecken ist, behaupte ich, denn mit der Zunge können Thierspuren nicht anders erkannt werden, und einem anderen Sinne als dem des Geschmackes oder Geruches kann auch das Aeussere eines nach Ratte schmeckenden oder duftenden Holzknorrens nicht für eine Ratte vorgetäuscht werden. Kann von der Nase ein Duft aus der Luft aufgenommen werden, so können die den Duft bildenden Theilchen, so lange sie noch an Körpern haften, auch an eine feuchte Zunge angeheftet werden. Von der Schlangenzunge müssen sie füglich auch direct aufgenommen werden, wie die angeführten wirklichen, oft gemachten Beobachtungen darthun. Um die Provenienz solcher Theilchen nur durch den Tastsinn zu erkennen, bedürfte eine Schlange aber eines, ich möchte fast sagen, mathematischen Tastsinnes. Den muthe aber ich wenigstens selbst der vielbewunderten Schlangen zunge denn doch nicht zu; das wäre fast über- natürlich. Eine Nase, die den Duft einer Spur wahrnimmt, ist nicht übernatürlich, denn es gibt Thiere genug mit solchen Nasen. Die eine Spur bildenden Theilchen selbst mit der Zunge zu schmecken, ist demnach noch weniger übernatürlich, weil diese Theilchen vom Körper, auf dem sie haften und so die Spur bilden, direct abgenommen, in dichterer Menge auf die Zunge übertragen werden als die blos in der Luft zerstreuten auf die innersten Nasenwände. Nachdem nun ein so feiner Tust- 590 III. Naturwissenschaft. sinn doch unwahrscheinlich scheint., ein Riechen mit der Zunge nicht wahrscheinlich ist und doch nur mit der Zunge, wie Beobachtungen und Versuche zeigen, eine Spur gefunden, ein verkümmertes, einem Taubenei gleich grosses Hühnerei von dem Taubenei ebensogut unterschieden wird wie ein beiden frappant ähnliches Schildkrötenei, so kann es nur der Geschmack sein, der hier Aufschluss gibt. Dass eine Elaphis den Knorren einer Weinrebe, auf welchem längere Zeit eine Ratte gesessen, nachdem sie ihn betastet, mit dem Maule fasste, würde eher für einen stumpfen Tastsinn als für einen hochentwickelten sprechen und dann auch anderes Verkennen zulassen, doch kommt dies nicht vor. Den hier erzählten Irrthum verschuldete der Geschmack nach der Ratte, den das Holz durch die auf ihm haftende Rattenspur erhalten hatte, und der durch dieses Erkennen den Tastsinn täuschte oder ganz ausser Function setzte. Ein solcher, schon fast mathematischer Tastsinn, der die Rattenspur am Holze greift und dann nicht fühlt, dass dahinter Holz ist, ist gar nicht denkbar, wohl aber ein trotzdem feiner Geschmackssinn, denn dieser kann durch den Geschmack der Oberfläche getäuscht werden. Wer hiernach an den Geschmackssinn der Schlangen nicht glaubt, der möge nur recht aufmerksam und ohne Abscheu gegen diese Thiere nüchterne genaue Beob- achtungen machen. Schlingnattern frassen bei mir auch rohes Fleisch, das für kleine Testudo graeca in den Käfig gelegt war, nachdem sie es durch zufälliges Berühren und dann Untersuchen mit der Zunge als Nahningsmittel erkannt hatten. Ein solches Er- kennen spricht auch mehr für die Entscheidung durch den Geschmacks- als blos durch den Tastsinn. In den Käfigen, welche ich den Schlangen zum Aufenthalt anwies, war stets genug Wasser vorhanden, sie nahmen auch nur dieses und nie von einer von Zeit zu Zeit zur Probe hineingestellten Milch. Ob das auch auf Rechnung des Geschmacks- sinnes geht, kann ich nicht entscheiden; für den Geschmackssinn der Schlangen aber spricht gewiss, dass Schlangen, wie (nach Brelnn’s „Thierleben“) Effeldt erfuhr, Zuckerwasser und Wein stets verschmähten, auch wenn sie kein Trinkwasser erhielten. Das Tastgefühl des Schlangenkörpers im Allgemeinen ist nicht stumpf, aber auch nicht hoch entwickelt; wa s sie berühren, erkennen sie nicht. Die Schlange fühlt mit dem Leibe, unterscheidet aber nicht genau, was sie fühlt. Ich habe das eben Gesagte an den Schlangen erkannt, wenn sie beutegierig waren. Berührt der Körper einer Schlange jener Arten, welche durch Erdrosseln ihre Opfer zu tödten pflegen, irgend etwas Bewegliches, so wird es durch Entgegenbiegen des berührten Körpertheiles an einen vielleicht in der Nähe befindlichen Gegenstand anzudrücken gesucht. Ob das Angedrückte eine Menschenhand, eine andere Schlange oder ein Beutethier ist, erkennt die Schlange nicht; es wird, wenn es geht, festgehalten, bis es mit der Zunge unter- sucht werden kann. Sollte eine Schlange, die eben einen Gegenstand in der geschilderten Art festhält, gerade mit Fressen oder mit Tödten beschäftigt sein, so trachtet sie ein vermeintliches, so eingezwängtes Opfer so lange festzuhalten, bis der Brocken versorgt ist, um dann nachzuspüren, ob das eingeklemmte Ding einen Werth für sie hat. Wird ein solcher Gegenstand gefunden, dann kommt er auch noch an die Reihe, oder wird aus der Klemme gelassen, wenn die Schlange durch Berühren mit der Zunge erkennt, dass kein Zusammenhang des so festgehaltenen Körpers mit den Bedürfnissen des eigenen Leibes besteht. Nicht nur in dem Streben, etwas zu fressen, drücken diejenigen Schlangen, von denen hier die Rede ist, einen lebend scheinenden Körper an eine Wand oder sonst irgendwo an, sondern es thun dasselbe auch die Männchen dieser Schlangenarten wäh- rend der Begattungszeit, in dem Verlangen, ein vielleicht ihnen zunächst befindliches Weibchen sich nicht entgehen zu lassen. v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 591 Geistesthätigkeit und Seelenleben. Die Schlangen waren unter clen von mir gefangen gehaltenen Thieren stets die bevorzugten. Sie genossen in höherem Masse meine Fürsorge als die anderen Reptilien, deren Schicksal sie in meine Käfige führte. Ich hielt sie lieber für geistreich als für das Gegentheil. Nach und nach überzeugte mich aber ihr Betragen, dass ich besser gethan hätte, sie von Haus aus für fast gänzlich geistlos zu halten, für noch geistesärmer, als Brehm’s „Thierleben“ sie schildert. Ich bin heute der Ueberzeugung: die Geistesthätigkeit der Schlangen erhebt sich nicht über die einer Wespe, eines Raubkäfers oder ähnlicher Insecten, deren Kopf diesen von der Schöpfung kaum gegeben wurde, um damit zu denken. Von dieser Meinung bezüglich des Geistes der Schlangen nunmehr eingenommen, behandle ich dessen Thätigkeit. Von ihrer Ueberlegungsgabe werden sie dem erkennenden Beobachter noch wenig unanfechtbare Beweise gegeben haben; über den Mangel derselben andere Geschöpfe zu täuschen, kommt ihnen gewiss nicht in den Sinn, dazu stehen sie geistig viel zu tief. Die Schlangen sollen eine gewisse List bekunden, um andere Thiere zu ihrem Raube zu machen; ich habe bei den Schlangen hierin nicht mehr List erkannt als bei einer Spinne, welche in ihrer Bodenröhre, scheinbar tückisch, nahender Opfer harrt, oder für denjenigen, der überall das Schlaue sucht, gar so schlau ist, den Fliegen unsichtbare Garne zu weben. Nie sah ich eine Schlange in anderer als in der von Natur ihr eigentümlichen Art ihrer Beute sich versichern. Die Giftschlange hätte genug Muskel- kraft, um ihre Opfer mit Hilfe derselben zu tödten; fehlt ihr aber der Giftzahn, so lernt sie nicht, ihrer Beutethiere, welche lebend sich nicht fressen lassen, in anderer nach der Schlange physischen Fähigkeiten ihr möglichen Art Meister zu werden. Die neu- geborne Schlange ist so klug wie die alte. Wenn man will, kann man für Verstandes- thätigkeit gelten lassen, dass sich die Schlangen, wenn .es nicht nöthig ist, nicht der vollen verfügbaren Mittel bedienen, um ihre Beute zu bezwingen. Gegen todte Bissen gebraucht die Giftschlange nicht ihre Mordwerkzeuge, verwendet sie anderntheils aber wieder selbst während des Verschlingens, wenn hiezu die kleinen Zähne nicht ausreichen. Die erdrosselnde (ungiftige) Schlange bedient sich dieser Fähigkeit nicht, wenn das Tödten der Beute das Drosseln nicht erfordert. Ein Ueberlegen des Handelns konnte ich trotzdem nie erkennen. Ich sehe eben in dem angeführten Verhalten kein Ueber- legen. Es liegt einfach im Wesen der Schlange, nach etwas sich Regendem zu schnappen und es - — wenn die Schlange giftig ist — hiebei zu vergiften, oder das Erfasste, wenn es Gegenwehr äussert, zu drosseln, wenn der Schlange diese Fangart eigen ist. Sich an das Opfer langsam anschleichen, wenn es ruht, ihm pfeilartig nachfahren, wenn es flieht, oder es vom eigenen Ruheplatz aus, wenn es diesem zufällig sich nähert, plötzlich überfallen, erscheint mir nicht als List, sondern nur als dem Wesen überhaupt eigen- thümliclie Art, Beute zu gewinnen; das thun auch räuberische Insecten. Dass sich Schlangen zähmen lassen, will mir auch nicht als Vernunft gelten, mir scheint es blos ein unbewusstes Gewöhnen an die Umstände. Auch mir nahmen Sandottern lebende Beute aus der Hand; ich will aber selbst hierin noch kein höheres Mass von Vernunft dieser Thiere finden als jenes, das man Kerfen zuerkennen mag. Eine kleine Raub- wespe gewöhnte sich daran, Fliegen in nächster Nähe meiner sich bewegenden Hand, während ich ass, neben meinem Teller auf dem Tische zu erdolchen, sie zum Fenster hinauszutragen, dann wiederzukehren, um dasselbe einige Male zu wiederholen. Dabei wurde das Insect so vertraut, dass es aus Versehen von meinem Diener durch einen Teller erdrückt wurde, sonst hätte es noch weitere Beweise seiner Zähmbarkeit geliefert. Aehnlich verhält es sich in dieser Hinsicht mit den Schlangen, nur dass es mit dem Vertrautwerden bei diesen länger dauert, weil auch die Scheu 592 III. Naturwissenschaft. vor clem Menschen oder Feinde überhaupt bei grösseren Wesen eine bedeutendere ist als bei kleinen. Schriftsteller erzählen auch unter anderen dergleichen Anführungen, welche eher vorgefasster Meinung oder Combinationsgabe als objectiver Beobachtung entspringen, dass Schlangen so klug wären, den Ort für den Hinterhalt mit Umsicht zu wählen. Schlangen sollen an solchen Stellen ihren Opfern auflauern, welche sie als von letzteren frequentirt kennen. Eine besonders gefährliche Giftschlange habe als Ueber- fallsplatz die sich berührenden Kronen zweier ä cheval eines Weges stehender Bäume gewählt, den Kopf sammt Vorderleib gegen den Weg zu herabhängen lassen, um so voll schlauer Tücke und Bosheit — von Menschen und Thieren unbemerkt - — ihre Opfer in boshafter Mordgier durch ihr tödtliches Gift zu verderben.. Seit jener des Paradieses hat es gewiss keine zweite Schlange gegeben, von welcher so etwas ge- glaubt werden darf. Wenn eine Schlange fresslustig ist, so wird sie reger und macht häufig auch, aber nicht immer, kleinere Wanderungen. Gleich beim Beginn des Bewegcns züngelt sie tastend oder spürend und setzt dies während der Dauer der Bewegung ununter- brochen fort. Das feine Spürvermögen der Zunge lässt sie, wie früher gesagt, eine getroffene Spur festhalten und trägt ihr Beute ein. Hört die verfolgte Spur auf und kann die Schlange deren Fortsetzung nicht finden, so stellt sie mitunter das Suchen ein und bleibt an dieser Stelle liegen. War diese verfolgte Spurstrecke nun — weid- männisch gesagt — ein Wechsel, so mag sich hier auch ein guter Anstandsposten ergeben haben. Ich konnte derlei Vorgänge im geräumigen Käfige beobachten. Eine allenfalls auf ihrer Spur verfolgte Maus sprang vom Boden ab auf einen höheren Gegenstand und setzte dort ihren Weg fort. Die Schlange berührte diesen höheren Gegenstand in ihrer Ueberlegungsunfähigkeit nicht und suchte nur sehr lange unten die ganze Nachbarschaft ab. Endlich gab sie das Suchen auf und blieb manchmal an dieser Stelle liegen. Zuweilen war dieser Platz ein für die Schlange guter. Auch gerade vor dem Eingänge in den Bau des Opfers mag sich solches ereignen. Es kann auch geschehen, dass das Einkriechen der Schlange nicht geheuer scheint, und dass sie deshalb lieber draussen bleibt und die Jagd aufgibt, oder dass sie den Bau erfolglos durchkrochen, am Ausgang die Spur verloren hat und dort liegen bleibt. Zur Regel gehört dieses Benehmen aber nicht, gewöhnlich geht eine hungrige Schlange nach unauffindbar ver- lorener Spur ihrer sonstigen Wege weiter. Ich glaube, dass Niemand, der vom beab sichtigten Auf lauern seitens der Schlangen erzählt, aus auf wirklich objectiver Beob- achtung fussender Erfahrung spricht, sondern der Schlange das zumuthet, was er an ihrer Stelle, wenn er hungrig, oder boshaft, oder sonst irgend etwas wäre, thun würde. Das Seelenleben der Schlangen scheint mir keinesfalls höher als deren Geistes- thätigkeit beurtheilt werden zu dürfen. Wie weiter unten mitzutheilende Beobachtungen mich schliessen lassen, empfinden Schlangen nur Misstrauen, Schrecken und Angst, Avelclie das Thier in hohe Aufregung versetzen kann, dann Begattungslust und endlich den Drang, ihre Leibesfrucht an sicheren geeigneten Orten zu bergen. Die Schlangen stehen auch in dieser Hinsicht anscheinend hinter den Eidechsen, welche Eifersucht, Neid, vielleicht sogar Freude, Anhänglichkeit an die Ehehälfte für längere Dauer und selbst einige Neugierde bekunden. Die Schlangen haben wohl einiges, aber im Vergleich zu dem anderer, sogar bedeutend tiefer stehender Thiere nur ein sehr beschränktes Orientirungsvermögen ; um vor einem Feinde zu fliehen, trifft sie nicht immer die Richtung der innegehabten Verstecke. Ob sie von weiteren Ausflügen nach ihrem Standorte zurückzukehren v. Tomasini. Skizzen ans dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 593 vermag, habe ich nicht beobachtet. Es ist möglich, ich glaube aber nicht, dass ihr viel, oder überhaupt etwas an dem Auffinden ihres früheren Versteckes gelegen ist. Dass man Schlangen öfters an derselben Oertlichkeit wiederfindet, ist kein stichhältiger Beweis für absichtliches Festhalten einer bestimmten Behausung oder Oertlichkeit. Alles über Böswilligkeit der Schlangen von furchtsamen oder erschreckten Naturen Beigebrachte ist Hirngespinnst oder Fabel. Von bewusster Geistesthätigkeit bemerkte ich so gut wie nichts. Die Schlange äussert nur Triebe und lässt sich durch die Em- pfindung des Tastsinnes, der nach den früheren Ausführungen an der Zunge mit dem Geschmackssinn verschmolzen sein mag, und zum Theil auch durch den Gesichtssinn leiten. Wo das Erkennungsvermögen der Zunge Zweifel lässt, kommt der Verstand nicht zu Hilfe. Ohne Mithilfe des Verstandes unterscheidet die Schlange durch Be- fühlen mit der Zunge, welche ihr, wie schon gesagt, zweifellos so viel gilt als die Nase dem Hunde, Geniessbares vom Ungeniessbaren, Gefährliches vom Gleichgiltigen und die eigene Art von einer fremden etc. Die Thätigkeit des Gehirnes lässt wohl zu, dass die Zunge sie Ihresgleichen von einer andersartigen Schlange sicher unter- scheiden lässt, doch nicht mehr, dass sie zwischen Männchen und Weibchen selbst von derselben Art eine Verschiedenheit erkennt. Sie denkt eben nicht daran, wo sie diesen Unterschied zu suchen hat. Würde den Schlangen hier nur einiger Verstand dienlich sein können, so wäre zweifellos z. B. nach Hundeart auch dies durch die Fähigkeit der Zunge leicht möglich, denn wenn ein Hundeweibchen anders riecht als ein Männchen, dürfte ein Schlangenweibchen auch anders schmecken als ein Männchen. Ein Männchen müsste doch von einem Weibchen nicht schwerer zu unterscheiden sein als eine nahe verwandte Art von der anderen. Niemals versucht ein Männchen der einen Art mit einem Weibchen einer andern Art sich geschlechtlich zu vereinigen, müht sich aber bemitleidenswerth, erbärmlich, natürlich erfolglos, ab, um mit einem andern Männchen derselben Art, offenbar in der Meinung, es sei ein Weibchen — eigentlich in gar keiner Meinung, sondern in unbewusstem Triebe — der Erbsünde zu fröhnen. Bewegung. Die Bewegungen der Schlangen sind je nach der Eigenthümlichkeit der Art verschieden, wenn auch deren Durchführungsart bei allen gleichartig ist. Hätte man von der Geistesthätigkeit der Schlangen eine höhere Meinung, als sie verdienen, so könnte man füglich sagen: in ihren Bewegungen sind sie praktisch, und zwar praktisch in des Wortes nüchternster Bedeutung. Bringt man in ihrer Beurthcilung weniger Gewogenheit für sie zum Ausdruck und nennt sie faul oder träge, so thut man ihnen eigentlich Unrecht und beobachtet sie unrichtig. Sie gönnen sich niemals träge Ruhe auf Kosten des Zuträglichen und Nützlichen. Sie unterlassen es nicht, sich zu Imwegen, wenn sie etwas brauchen, was auf dem Platze, auf dem sie eben weilen, nicht zu haben ist. Sie bewegen sich sogar, um sich zu entleeren. Wenn dies nicht gerade aus dem Gezweige von oben herab geschehen kann, verlassen sie die verunreinigte Stelle. Sie bewegen sich nicht schnell, wenn es langsam genügt. Zum Wasser eilen sie nicht, ausser sie fliehen, denn dieses läuft nicht davon. Das soll aber nicht sagen, dass ihr Verstand ihnen dies lehrt. Sie verwenden die höchste Kraft, wenn es gilt, ein flüchtiges Opfer zu erjagen; sie gehen in den Sonnenschein, wenn sie seiner bedürfen, verlassen ihn, wenn der Aufenthalt im Schatten zuträglicher wird. Wenn sie sich stunden- und manche Art tagelang nicht von der Stelle rühren, dann liegt eben kein Grund vor, die Stelle zu verlassen. Die Bewegung ist für die Schlange Mittel zu irgend einem praktischen Zweck. Ob es wo anders nicht so aussieht als da, wo sie sich befinden, ist ihnen gleichgiltig. Sagt ihnen eine Stelle zu, so sind sie damit zufrieden; ist sie Band II. 38 594 III. Naturwissenschaft. auch nur einigermassen nicht entsprechend, hindert sie die Trägheit durchaus nicht, diese mit einer andern zu vertauschen. Wenn man den Schlangen die Käfige zweck- mässig einrichtet, was nicht mit geschmackvollem Aussehen für das Auge des Beschauers übereinstimmen muss, und von jeder Art ihrer genug in geräumigen Zwingern gefangen hält, wird man, von der einen dies, von der andern jenes bemerkend, auch über diese Eigenschaft bald ins Reine kommen. Die Schlangen bewegen sich, wie ich auf Grund vieljähriger Beobachtung an einer erklecklichen Anzahl recht verschiedener Schlangen behaupte, nur, wenn ein praktischer Zweck zu Grunde liegt. Ich kann daher auch durch- aus nicht glauben, dass eine Schlange — wenn auch Brillenschlange — - welche sich sonst überhaupt an keinerlei Schall kehrt, nach irgend einer Musik zwecklose Bewegungen ausführe, denn weder Tanz an und für sich, noch Musik ist überhaupt etwas Praktisches, am allerwenigsten für eine Schlange. Macht diese auch, wenn der Gaukler sic durch seine von hierin unerfahrenen und bethörten Zusehern nicht beachteten Bewegungen zu Gegenbewegungen herausfordert, allerlei scheinbar zweckloses Zeug, so liegt die Ursache hiezu nicht in der Musik, sondern darin, dass die Schlange dem pfiffigen Schwindler misstraut und in allen seinen Bewegungen begonnene, wenn auch nicht durchgeführte Angriffe vermutlich Auf jeden nun so vermutheten Angriff macht sich die Brillenschlange vertheidigungsbereit, und zwar nach den verschiedenen Richtungen hin, aus denen ihr der Angriff zu kommen scheint. Jeder grosse Gegenstand, der sich bewegt, wird für einen Feind gehalten, er wird im Auge behalten auch dann noch für kurze Zeit, wenn er sich nicht mehr rührt. Die Brillenschlange hat die Eigen- thümlichkeit, Kopf und Hals zu erheben, und verschafft sich hiedurch ein grösseres Gesichtsfeld. Erscheint etwas Verdächtiges, und so ein Gaukler ist gewiss auch für eine Schlange etwas Verdächtiges, plötzlich, so erhebt sie sich ebenfalls plötzlich. Aehnlich macht cs auch die hercegovinische Coelopeltis lacertina, wenn auch flieht so bedeutend. Dieses Kopferheben ist schon die erste Bewegung und Stellung zum so- genannten Tanz. Der schlaue Betrüger lässt das staunende Publicum glauben, seine Musik allein habe das veranlasst. So lange er die Schlange in dieser Stellung zeigen will — zu lange thut sie ihm den Gefallen nicht — thut er nichts als pfeifen; das Pfeifen verursacht eben nichts, und darum macht auch die Schlange nichts Anderes. Eine Bewegung mit der Pfeife, den Fingern, dem Kopfe oder mit der Hand lenkt die Aufmerksamkeit des Arges wähnenden Thieres nun auf diese Dinge, welchen sie dann, je nach der Veranlassung, schneller oder langsamer mit einem kürzeren oder längeren Stück Körper folgt, um auch gegen diese vermutheten Feinde oder wenigstens Misstrauen erweckenden Dinge und Richtungen sich bereit zu halten. Alle diese Bewegungen der Schlange werden um so schneller und umfangreicher, je schneller nach einander und je heftiger sie durch die vom Zuseher nicht bemerkten Gesten des „Zauberers“ hiezu gereizt wird. Musicirt er dazu „schneidiger“ (möchte ich sagen), so ist er dessen, dass jetzt sein Publicum nur an die Wirkung seines musikalischen Jammers glaubt, um so sicherer. Eine so höchst erregt scheinende Schlange wieder zu beruhigen, erfordert die gleiche Kunst Avie das scheinbare Erregen. Er hört einfach mit allen Reizen zu Bewegungen auf, und die zu zwecklosen Bewegungen nie geneigte Schlange ist ruhig. Fasst er sie dann schnell und doch vorsichtig, um sie sich um den Hals oder sonst irgendwohin zu legen, so lässt er ihr nicht Zeit, gegen seine Hand sich zu ver- thoidigen. In den ruhigen Kopf oder Hals des „Bändigers“ beisst die Schlange nicht, weil sie nicht Aveiss, dass das ihres Peinigers wichtigster Bestandtheil ist. Dass Schlangen gegen BeAvegungen derartig, Avie eben gesagt, reagiren können, ist Avohl Jedem ein- leuchtend, der einer Schlange halbwegs ruhig einmal zugesehen hat. Dem Gaukler v. Tomasiui. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 595 sieht man hier nicht auf die Finger, sondern bewundert nur die sich producirende Schlange. Auch kurz vorher heftig sich geberdende Zamenis oder Coelopeltis lacertina lassen sich dem Anscheine nach für den Schlangenunkundigen wunderbar beruhigen, mit dem Rücken nach unten auf die Hand legen u. dgh, und zwar ohne Musik. Wenn ein Pferd unter einem Reiter oder neben einem mit einer Peitsche versehenen Dresseur bei Musikbegleitung allerlei Kunststücke zeigt, entgehen dem Laien ebenfalls die nicht sehr bemerkbaren Veranlassungen hiezu durch die Bewegungen des Menschen. Beim Pferde z. B. ist vorherige Dressur nothwendig, bei der Schlange nicht; denn der Künstler - — diesen Titel kann man ihm gönnen — verlangt von ihr ja keinen Gehorsam, er führt nur einen Scheinangriff aus und reizt sie zu Gegenmassregeln. Wenn er mit der Schlange auch ohne Zuseher exercirt, so ist das Schule für ihn und nicht Dressur für das Thier. Bei der Vorstellung zeigt der pfiffige „Zauberer“ nur seine eigene Fertigkeit und Kunst, die Schlange zu täuschen. Ich habe — natürlich von dem Thiere durch ein Drahtnetz geschieden — mich durch diesbezügliche Versuche mit einer Hutschlange von der Augenscheinlichkeit meiner heutigen Ueberzeugung vergewissert. Wenn ich auch die Schlange nicht zu so auffallenden Bewegungen bringen konnte wie ein geübter „Beschwörer“, so habe ich mich doch überzeugt, dass sie sich an Töne einer Hirtenpfeife, Mundharmonika, Flöte oder dergleichen so wenig wie andere Reptilien kehrte, und dass sie andererseits der Töne gar nicht bedürfe, um auf ihr offenbar verdächtig erscheinende Bewegungen zu reagiren. Aehnliche Kunststücke lassen sich ganz gut mit der Südtiroler Zamenis car- bonarius, mit der hercegovinischen Coelopeltis lacertina und vielleicht auch mit anderen auffuhren. Man lasse nur den Schlangenbeschwörer einmal von der Schlange ungesehen seine Zauberflöte versuchen; dann sitzt er sammt seiner Musik und Dem- jenigen, der glaubt, diese sei die Ursache der Bewegungen, gründlich auf. Durch die singhalesischen Schlangenkünstler, welche ich gesehen habe, bin ich in der ausge- sprochenen Ueberzeugung noch mehr bestärkt worden. Die mögen vielleicht ihr Geschäft nicht recht verstanden haben; diesen Eindruck empfing wenigstens ich. Der Singhalese, der übrigens, um seinen Nimbus zu erhöhen, kundgab, er sei von einer seiner giftigen Schlangen in die Hand gebissen worden, öffnete das Körbchen, musicirte und stiess die Schlange mit den Fingerspitzen, um sie doch, wenn sie schon nicht hört, fühlen zu lassen, dass ein Feind da sei. Alles Andere, was er trieb, stimmt mit dem früher Gesagten so ziemlich überein; hinzufügen will ich, dass, wenn er mit einer Sandotter, die noch nicht so gerne beisst wie eine Kreuzotter, so plump verfahren wäre, sic ihm die Lust, so grob zu sein, auf einige Zeit oder vielleicht auf immer vertrieben haben würde. Für die Bewegung sind die Rippen der Schlange jedenfalls von Wichtigkeit, kommen aber als wirkliches Bewegungswerkzeug nur zur Geltung, wenn sie sich durch einen engen Spalt zu zwängen hat, oder über Flächen, deren Unebenheiten nur ein Anstemmen der Bauchkanten gestatten, kriechen oder klettern will. Bei flüchtigen Be- wegungen wäre die Verwendung derselben zeitraubend, sie haben dann nur die Bestimmung, dem Körper die Form zu erhalten. In gleicher Art, namentlich wo Bodenunebenheiten hiefiir günstig sind, flüchtet auch Pseudopus apus oder Angu-is fragil is wie die Schlange und durchaus nicht langsamer. Vermöge des harten Leibespanzers dieser Echsen, nament- lich der ersteren, können Rippen überhaupt unmöglich, am allerwenigsten, wenn die Bewegung in schneller Flucht erfolgt, fördernd durch die sehnenartig feste Haut wirken. Auch der Aal bewegt sich im Grase o. dgl. recht schnell ganz nach Schlangenart und kann gewiss keine Rippen hiezu verwenden. Das Fördernde ist das in den schnell 596 III. Naturwissenschaft. einander folgenden Körperwindungen sich äussernde Ueherkrümmen von Bodenurieben- heiten und das stete Heranziehen und wieder Weiterüberkrümmen der in einem Zuge fortdauernd gleichmässig folgenden hinteren Körpertheile. Flächen mit Unebenheiten, welche für ihre Rippen schon genügende Stütz- und Anhaltspunkte bieten würden, aber ein Hineinbiegen des Leibes oder Umkrümmen eines Körpertheiles noch nicht, sondern nur das Anstemmen der durch die Rippen gebildeten Bauchkanten ermöglichen, gestatten nur ein sehr langsames und recht kümmerliches Kriechen. Je mannigfaltiger in seiner Gestaltung der Boden ist, desto mehr Stützpunkte für den stets in allen Theilen sich krümmenden Körper bieten sich und desto mehr geht die Bewegung des Kriechens in ein gleichmässiges — wenn die Schlange will — schnelles Dahingleiten über. Würden die Rippen der Schlange die Füsse anderer Geschöpfe zu ersetzen haben und nicht blos den Muskeln als Anheftungspunkte dienen, so würde eine Schlange etwa nach Regenwurmart ohne schlängende Bewegung kriechen können. Beim Blavor und der Blindschleiche können aber, wie schon gesagt, und wie Jeder, der ein solches Thier in der Hand gehabt, zugeben muss, ihrer harten Körperbedeckung halber Rippen überhaupt bei der Bewegung zu gar keiner Thätigkeit gebraucht werden, und doch kriechen auch diese Thiere, gerade so wie die Schlangen, mit seitlichen oder, wenn es das Anschmiegen an die Bodengestaltung gerade erfordert, auch abwechselnd mit senkrechten oder irgendwie unregelmässigen schiefen Windungen. Da der Blavor in seinem die anderthalbfache Körperlänge betragenden Schwänze doch füglich gar keine Rippen hat, diesen aber in ganz derselben Art wie den mit Rippen ausgestatteten Rumpf zur Bewegung verwendet, werden auch Schlangen nicht wie ein Tausendfüssler zappeln, oder wie ein Regenwurm sich zusammenschieben und wieder dehnen müssen, um weiter zu kommen. Eine meiner Schlangen, welche durch Einklemmen unter ein Brett auf einem ganzen Sechstel ihrer Leibeslänge alle Rippen gebrochen hatte, kroch auch mit dieser Körperstelle gerade so gut wie mit allen übrigen. Durch enge Spalten brachte sie diesen beschädigten Theil ihres Rumpfes nicht, wenn nicht jenseits Anhaltspunkte für den hier allerdings mit Hilfe der Rippen durchgezwängten vorderen Leibestheil sich boten. Wird eine mit mehr als der vorderen Körperhälfte ausserhalb eines Loches oder sonstigen Schlupfwinkels liegende Schlange von einem Menschen - überrascht, und ist dieses nicht so eng, dass sie schon, um hervorzukommen, sich durchzwängen musste, so zieht sie sich, rückwärts kriechend, oft so schnell in dieses Loch zurück, dass selbst ein in unmittelbarer Nähe befindlicher gewandter und nicht zögernder Fänger, der gleich, sobald er die Schlange bemerkte, auf den aus dem Loche ragenden Theil sich wirft, mit der Hand nur mehr das Loch deckt, durch welches die Schlange ver- schwand. Die Bauchschilder hindern das Thier in der Rückwärtsbewegung gar nicht; sie werden, wenn ein solcher Rückzug durch einen engen Spalt geschehen muss, so dicht an den Leib geschlossen, dass sie alle eine Fläche bilden, an der gar nichts vorragt. Will man eine Schlange nach rückwärts aus einem Loche ziehen, dann ent- fernt sie auf einige Zeit die hinteren Ränder ihrer Bauchschilder vom Leibe und hält sich so durch diese fest. In der Schnelligkeit ihrer Bewegungen übertreffen sie die äussersten Anstrengungen ihrer Opferthiere. Eine flüchtige Maus oder Eidechse wird leicht ereilt. Schwimmen. Gerade so wie beim Kriechen, z. B. durch hohes Gras, oder Ueber- glcitcn von recht weichem langem Moos, was eben so schnell geschieht wie das Ueber- und Durchschlängeln anderer Oertlichkeiten, und wobei die Rippen doch kaum zum Anstemmen gleichsam als Füsse verwendet werden können, schlängelt oder gleitet eine v. Tomasini. Skizzen aus (lern Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 597 Schlange über, unter oder durch das Wasser. Hier soll nach Brehm und Anderen wieder unzweifelhaft der Schwanz auch für die am Lande lebenden Schlangen das Hauptbeförderungsmittel sein. Die bosnisch-hercegovinischen Schlangen schwimmen ohne Schwanz gerade so gut als mit dem Schwanz, und alle andern, welche ich in und aus verschiedenen Ländern erhielt, bedurften auch nicht des Schwanzes, um schwimmen zu können. Verstümmelte Schlangen erhält der Sammler oft, und so erhielt auch ich genug, denen der Schwanz ganz oder theilweise fehlte; diese Alle schwammen so gut wie unbeschädigte. Es müsste da dem besonders kurzen Schwanz namentlich der weib- lichen Viper beim Bewegen durch das Wasser auch die Hauptaufgabe als Beförderungs- mittel zufallen. Das glaube ich nicht; denn trotz des sehr kurzen Schwanzes schwimmt auch die Viper so gut wie eine langschwänzige Schlange. Muskelkraft. Die Muskelkraft der Schlangen ist bekanntermassen sehr bedeutend. Wenn eine Schlange von einer anderen getödtet werden soll, wird sie mit der grösst- möglichen Kraftäusserung stundenlang gedrosselt. Dass eine einstündige harte Arbeit, um einen grossen Bissen, der nach der Beurtheilung selbst erfahrener Zuseher fast un- bezwinglich scheint, zu verschlingen, den Fresser gar nicht ermüdet, ersah ich daraus, dass nach glücklichem Bewältigen des Brockens eine Schlange gleich wieder weiter frass. Es ist auch nicht Ermüdung, wenn sie einen unbezwingbaren Brocken wieder loslässt, auch dann nimmt sic gleich etwas Anderes, selbst wenn sie stundenlang ihre Kraft an dem un verschluckbar grossen Beutestück vergeudet hatte. Dass die Muskel- und mit dieser auch die Nerventhätigkeit ziemlich lange nach dem Tode noch sich äussert, schliesse ich aus Folgendem. Eine in drei Stücke zerhauene Kreuzotter, deren Mittelstück das längste war, wurde mir eine halbe Stunde nach ihrer Hinrichtung überbracht, eine weitere Viertelstunde später legte ich die Trümmer in Weingeist; hier fing das Mittelstück namentlich stark und ebenfalls, aber weniger heftig, das hintere Endstück zu zappeln an, und dieses krampfhafte AVinden dauerte noch mehrere Minuten. Eine Schlingnatter, welche ich mit zerdrücktem Kopfe und H aistheil, etwa ebensolange, nachdem sie um das Zeitliche gebracht worden war, erhielt, umringelte bei Berührung mit ihrer hinteren Leibeshälfte und mit dem Schwänze den Finger des Siegers noch mehrmals und so fest, wie eine Lebende, und blieb, wenn sie den Finger auch nur mit dem Schwänze fest- hielt, an jenem frei hängen. Bei diesen beiden Schlangen zeigte sich der vordere Leibestheil jedoch als gänzlich leblos. Eine wieder hervorgewürgte Beute nimmt die Schlange nicht mehr an; denn sie ist mit Schleim besudelt. Sie fühlt daran mit der Zungenspitze, betastet den Schleim und nicht das Nahrungsmittel und verlässt den Ort. Wäscht man aber das Beutestück ab, was ich bei von Schlangen wiedergegebenen Thieren öfter gethan habe, und trocknet es, so nimmt auch eine Schlange oder selbst dasselbe Individuum das Gespieene wieder. Dass eine Schlange ein Beutestück nicht vor dem Fressen einspeichelt, wie Unkundige irrig glauben, geht aus dieser häufig gemachten Erfahrung wohl deutlich hervor. Die Geschichte vom Einspeicheln, Geifern etc. ist auch das Product eines Galculs und nicht die Folge objectiver Beobachtung. Die Betreffenden wissen eben, dass, wenn man einen Gegenstand im trockenen Zustande in ein Loch nicht hineinbringt, man ihn ein- schmiert, und meinen dann, auf diesen Einfall kämen auch die Schlangen, ehe sie sich an das Verschlucken grosser Nahrungsstücke machen. Die Schlangen entwickeln während des Fressens den Speichel nicht in anderer Art als Säuge- oder irgendwelche andere Thiere. Widerstandsfähigkeit. Dass Schlangen arge Püffe vertragen, ehe sie an das Sterben gehen, ist Jedermann bekannt, der sie halbwegs kennt. Trotz ein paar Dutzend 598 III. Naturwissenschaft. zerbrochener Rippen bleiben sie doch vollkommen befähigt, ihr Raubgewerbe zu betreiben. Bekommt man aber einmal eine Schlange, welcher ein unverständiger Fänger die Zunge abgeschnitten hat, so geht das Thier, wie man weiss, wahrscheinlich an Hunger und Durst zu Grunde, denn es nimmt nichts mehr zu sich. Wird die Wirbelsäule gebrochen, so ist der ganze Leibestheil hinter dem Bruche wie leblos, schlaff, und dies bis zur Heilung, welche nach meiner Erfahrung nach mehreren Monaten erfolgen kann. Lange Zeit wird der hintere Theil wie ein Strick nachgeschleppt, bis nach und nach die Muskeln wieder in Thätigkeit treten. Natürlich darf ein so verletztes Thier nicht in einem Käfige mit Löchern, oder Steinen und Aesten untergebracht sein. Starke Risse in der Haut beachten Schlangen gar nicht, nicht einmal beim Fressen, wenn eine derai'tige sehr grobe Verletzung am Halse ist. Sie verschlingen ihre grossen Brocken, ohne zu berücksichtigen, dass hiedurch die derbe Wunde bedeutend leidet. Ein Schlag auf den Kopf, der stark genug ist, um sie zu betäuben, ist tödtlich, auch wenn die Schlange einige Zeit darnach wieder zur Besinnung kommt. Schnell gehen Schlangen wie auch Eidechsen zu Grunde, wenn man sie, selbst bei massiger Wärme, hinter Glas, z. B. zwischen den Fenstern, direct der Sonne aussetzt, da leben sie gewiss keine halbe Stunde. Kaum nach wenigen Minuten würgen sie in einem solchen Falle die etwa vor dieser Folterung eingenommene Nahrung wieder hervor und geberden sich wie von heftigen Leibsehmerzen gequält; dann krümmen sie sich in Krämpfen, werden in Krümmungen starr und verenden. Der ganze Vorgang dauert gar nicht lange. Je wärmer die Sonne scheint, desto schneller erfolgt der Tod. Ein stumpfer (flacher) Hieb, namentlich der Länge nach, über den Leib oder ein solcher, der den Körper an mehreren Stellen heftig genug trifft, betäubt oder tödtet eine Schlange, selbst wenn von aussen gar keine Verletzung wahrzunehmen ist. Verbreitung und Aufenthalt. In ihrer Verbreitung hat fast jede Art der behandelten beiden Länder ihre besonderen Grenzen. Ueber den Aufenthalt innerhalb des Ver- breitungsgebietes unserer Schlangen lassen sich Details nicht geben, weil nach den von mir gemachten Erfahrungen keine charakteristischen Details existiren. Diejenigen, welche nicht ihrer Lebensbedürfnisse wegen an die Nähe des Wassers gewiesen sind, befassen sich nicht viel mit der Wahl ihres Aufenthaltsortes. Verstecke vor Allem und Nahrung sind die ganzen Anforderungen, welche eine Schlange an ihren Wohnort stellt. Je günstiger eine Oertlichkeit für Verstecke sich gestaltet, desto eher kann man Schlangen daselbst vermuthen. Mauern und Karststeine und noch besser mit trockenem Mauerwerk verkleidete Terrainstufen oder grosse Steinhaufen sind, wenn sie, oder deren Umgebung wenigstens, nicht ganz kahl sind, ebenso beliebt wie unterhöhlte Gebüsche oder sonstiges Gewurzel. Felsige Gegenden beherbergen gewöhnlich mehr Schlangen als humusreiche, weil der feste Stein sichere Unterkünfte und zahlreichere Schutzplätze gegen alle Unbilden bietet als andere Gelände. Der Stein an und für sich hat aber für die Schlange nicht mehr Bedeutung als irgend ein anderer fester Boden. Die Fähigkeit, Vegetation zu tragen, darf dem Terrain, auf dem Schlangen im Freien ver- kommen sollen, nicht fehlen; denn alle unsere Schlangen brauchen unbedingt aus- nahmslos Feuchtigkeit. Wo keine Vegetation ist, wäre es zu ihrem Gedeihen zu trocken. Wo nichts wächst, würden auch keine Nahrungsthiere für die Schlangen sich vorfinden. Wenn man gerade das eine oder das andere Mal eine Schlange auf ganz kahlen und dürren Stellen antrifft, darf man nicht jenen Engländer nachalimen, welcher sagte: „Die Bewohner dieser Stadt sind hässlich, haben rothe Haare und sind grob.“ Nicht einmal dieses eine Schlangenindividuum wählt sich derartige Oertliehkeiten v. Tomasini. Skizzen aus dem Eeptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 599 zu seinem gewöhnlichen Aufenthalte. Derjenige, der mit jenem Engländer urtheilend sie nach Hause bringt und im Käfige recht trocken hält, das heisst, ihr keinen feuchten Untergrund gibt, würde sich bald von der Irrthümlichkeit seiner Meinung überzeugen; denn bei der nächsten Häutung gäbe es Anstände, wenn diese nicht ganz ausbliebe. Es würde dann eine in schwammigen Absonderungen an den Kiefern, an der Mündung der Kehle und noch an anderen Stellen des Maules sich zeigende todtliegende Krankheit eintreten, wenn man nicht das so erkrankte Thier in Behandlung nimmt. Winterruhe. Winterschlaf halten natürlich im Occupationsgebiet alle Schlangen. In Bosnien und in den hochliegenden Theilen der Hercegovina dauert die Winterruhe längere Zeit, in den wärmeren Verbreitungsgebieten des letzteren Landes kürzere Zeit des Jahres. Man kann im Narentathale Ende November, in günstigen Jahren selbst später, noch immer Schlangen im Freien finden. Im Frühjahre erscheint in den warmen Regionen der Hercegovina ihre Avantgarde mitunter schon im Februar, das Gros aber erst in der zweiten Hälfte März. Beim Wiedererscheinen aus dem Winter- quartiere im Frühjahre sehen die Schlangen, Avie ich an den vielen, die ich in Gefangen- schaft überwinterte, beobachten konnte, gerade so Avohlbeleibt aus als zur Herbstzeit, zu welcher sie sich in die Winterherberge zurückzogen. Wenn sie trotz gutem Nähr- stande im Herbste aus dem Winterschlafe mager erwachen, so ist daran nicht die lange Winterruhepause, sondern Mangel an Feuchtigkeit während jener Zeit Schuld. Im Winterschlafe sind die Schlangen gleich anderen Classenverwandten halb starr und gerade so dumm wie beispielsweise ein der Winterruhe pflegender Hamster. Kurze Zeit vertragen sie auch Null Grad; wenn diese Temperatur aber mehr als einige Stunden dauert, erwachen einige und schliesslich die Mehrzahl nicht mehr. Tag- und Nachtleben. Zwischen Tag- und Nachtthieren lässt sich in dieser Thier- ordnung kein wirklicher Unterschied machen. Ich fand Abends im Freien nicht selten Schlangen verschiedener, darunter auch solcher Arten, welche als eigentliche Tagthiere geschildert werden. Die als echte Naclitthiere geschilderten Giftschlangen zeigen sich da, wo sie Vorkommen, immer auch bei Tage in genügender Anzahl. Meine Erfahrungen lehrten mich Folgendes. So lange es bei Tag noch nicht zu heiss ist und die Morgen und Abende, sowie der Schatten, für die Thätigkeit unserer Thiere noch nicht warm genug sind, hat man sie bei Tag im Sonnenschein zu suchen, im Hochsommer aber, namentlich in der warmen Hercegovina, umgekehrt zu verfahren. Diese an dem Freileben gemachte Erfahrung ergab mir auch die Beobachtung meiner Gefangenen. An denen konnte man übrigens sehen, dass sie sich hierüber gar keine bindenden Regeln vorschreiben Hessen. Hält man beiläufig zwanzig Stück einer Art in einem so geräumigen Käfige, dass niemals eine die andere zu hindern braucht, und wollte man dann Tag- und Nacht- thiere strenge unterscheiden, so müsste man heute dieses Männchen, morgen jenes Weibchen als Tag- oder Nachtthier bezeichnen. Hat eine Schlange Appetit und findet sie etwas, so ist es ihr ganz gleichgiltig, ob Tag oder Nacht ist, sie jagt und frisst. Wenn eine bei Nacht nichts finden konnte, so sucht sie auch bei Tag, oder umgekehrt. Wo Schlangen sind, da dürfen sich je nach deren Geschmack die Mäuse, Vögel oder andere Thiere sowohl auf Tages- als auch auf nächtliche Räubereien durch die Schlangen gefasst machen. Einzelne Arten, clie auch ich, so lange ich nicht genügend ihre indi- viduelle Bekanntschaft gemacht hatte, für eigentliche Naclitthiere hielt, sah ich oft genug bei Tag tliätig, wenn sie auch häufiger des Nachts ihre Verstecke verliessen als manche andere. Dass der runde Augenstern die Einen zu Tag-, der geschlitzte die Anderen zu Nachtthieren stempelt, ist ein Theorieschluss und nicht bindend; auch die Eulen haben runden Augenstern und sind doch zum Theile entschieden Naclitthiere. 600 III. Naturwissenschaft. Besser sagt man jedenfalls: die Schlangen sind, je nachdem es das Wetter erlaubt, Tag- und Nachtthiere zugleich. Wenn ich Zamenis Dalilii, die einzige, welche ich mich nicht erinnere, auch hei Nacht thätig gesehen zu haben, nur bei Tage rege fand, so waren eben sechs Stücke gleichzeitig zur verlässlichen Beobachtung zu wenig, oder ich hätte jede Nacht zum Käfig gehen müssen, um mehr zu sehen. Wasserbedürfniss. Wenn es irgendwo heisst: Schlangen trinken nicht und brauchen kein Wasser, so ist das, so weit es sich auf die hier in Rede stehenden Arten bezieht, jedenfalls, dann in Bezug auf die anderen nach dem, was ich auch da beobachten konnte, wahrscheinlich einfach unrichtig. Unsere, ich meine hiemit wenigstens alle europäischen (Erk c und Typhlops , deren Leben ich noch nicht beobachtete, vielleicht ausgenommen) trinken in vollen Zügen, wie wohl kaum einem Beobachter unbekannt ist, und niemals blos mit der Zunge leckend. Selbst Thautropfen nehmen alle unsere Schlangen nicht mit der Zunge leckend auf, sondern versuchen sie stets unter Kau- bewegungen mit dem Maule einzusaugen. Geht das nicht, dann bleibt der Tropfen ungenossen. Ich habe das häufig genug gesehen, um es bestimmt behaupten zu können. Befühlt wird auch der Tropfen mit der Zunge, aber nicht vermittelst ihrer Hilfe getrunken. Hautwechsel. Die Häutung ist natürlich auch unseren Schlangen eine unerlässliche und äusserst wichtige Function. Eine Schlange, bei der die Häutung stark verzögert wird, erkrankt. Wie das Häuten geschieht, ist eine allbekannte Sache. Die erste Häutung erfolgt auch bei den hiesigen Schlangen wenige Tage nach dem Verlassen des Eies. Nach dem Erwachen im Frühjahre tritt sie zwar nicht bei allen sofort, aber doch sehr bald ein. Von da an wiederholt sie sich beiläufig alle sechs bis sieben Wochen, aber nicht einmal bei allen Schlangen einer Art gleichzeitig. Etwa zehn Tage vor der Häutung trübt sich das Auge mehr und mehr und mit ihm auch die Farbe des ganzen Thieres. Das Auge wird dann ganz bläulichweiss, und die Schlange sieht schlecht. Es frisst auch in dieser Periode nur selten eine Schlange, und die Thiere halten sich wie die Butterkrebse lieber verborgen. Wenige Tage vor der Häutung klärt sich die ganze Haut und mit ihr auch die über den Augen wieder nach und nach vollständig, wonach die Schlange häutet. Sie häutet aber auch die vordere Hälfte des Augapfels vollständig, sowie einen Tlieil der inneren Nasencanäle und der Cloake mit. Reisst vor der Schwanzspitze die abzustreifende Haut ab und bleibt dort die alte Haut als kurzer Ueberzug haften, so verdorrt dieses ganze nicht gehäutete Stück Schwanz und fällt ab. Der Schilderung des Uebels, das sich einstellt, wenn die Häutung nicht oder nicht zur rechten Zeit vor sich geht, räume ich an anderen Stellen ihren Platz ein. Begattung. Die Begattung fällt nicht bei allen Arten in dieselbe Zeit, zumeist dürfte dies kurz nach der zweiten — nicht nach der ersten — Frühjahrshäutung sein. D ie Einen widmen dem anderen Geschlechte länger ihre sinnlichen Neigungen, die Anderen kümmern sich kürzere Zeit um geschlechtliche Gelüste, wie das bei anderen Thieren auch vorkommt. Nicht einmal die Individuen derselben Art sind hierin gleichartig. Die Weibchen sind, wenn sie sich nicht sträuben — denn dann ist jede Bemühung des Männchens vergebens — wie ich gesehen, stets passiv. Sie zucken höchstens vor der geschlechtlichen Vereinigung der Länge nach mit dem ganzen Leibe. Berührt ein Körpertlieil des Männchens des Weibchens jetzt Reiz empfindende Cloake, so öffnet es diese, weiter thut es nichts; es ist auch nicht mehr notliwendig, um dem Naturzwecke und dem Verlangen des Männchens zu genügen. Es kommen auch erwachsene Weibchen v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hereegovina. 601 vor — ich hatte z. B. deren vier unter vierzehn weiblichen Elapliis zugleich und zu verschiedenen Zeiten auch solche Weibchen anderer Schlangenarten im Käfige, — die für eine ganze Saison von Vereinigung mit dem Männchen durchaus nichts wissen wollten und gegen jede Annäherung wie unsinnig sich sträubten. Die begattungs- lustigen Männchen sind wie bei den anderen Tliieren so auch hier unverblümt activ. Sobald ihre Zungenspitze eine Schlange ihrer Art berührt, zuckt des lüsternen Männ- chens ganzer Leib in seiner Längenrichtung, gerade so wie auch der eines solchen Weibchens. Dieses Zucken ist übrigens nicht blos eine Folge von Geschlechtsreiz; denn Schlangen zucken auch manches Mal, wenn sie beutegierig sind, sowie ausserhalb der Begattungszeit mitunter, wenn eine Schlange über die andere hinwegkriecht. Dem Untersuchen mit der Zunge folgt zur Begattung das Anschmiegen des eigenen Leibes an den der anderen Schlange, welche, wenn es ebenfalls ein Männchen ist, einfach davongeht. Bleibt das andere Männchen aber still, was ich bei verschiedenen Arten auch schon gesehen, so knetet der Bewerber durch Bewegen des eigenen Leibes in kurzen, niedrigen, aber kräftigen Wellen den Körper des vermeintlichen Weibchens tüchtig durch und müht sich so, wenn das andere Männchen dieser übel angebrachten Gunstbezeugung sich nicht entzieht, stundenlang vergebens ab. Hat ein so gedanken- loser Liebesbrünstiger glücklich ein Weibchen getroffen, das willfährig ist, so erfolgt nun die Vereinigung. Hiezu trachtet das Männchen, seine eigene Afterspalte — die Bauchseite seines Leibendes nach oben wendend — unter die des Weibchens zu bringen. Bei diesem Vorhaben geht es oft stürmisch zu, zumal wenn das Weibchen in diesem dem Endzweck nahen Momente zu kriechen beginnt. Da haben mir die grösseren manchmal die ganze Käfigeinrichtung, wenn sie nicht recht fest war, durcheinander geworfen. Als ich zum ersten Male im Käfige eine solche Unordnung und zwei geschlechtlich vereinigte Schlangen daselbst sah, dachte ich, es habe ein Mensch aus Neugierde den Käfig für seine Blicke zurecht gerichtet, ohne ihn wieder in Ordnung gebracht zu haben. Bald aber erkannte ich, dass dem Ungestüm, mit welchem da im Verborgenen zarte Bande geschlossen werden sollten, die Festigkeit der die Souterrains des Käfigs abschliessenden Deckplatten nicht gewachsen war. So lebhaft sich betragende Paare erleichterten es mir, die Einzelheiten ihrer innigsten Beziehungen zu beob- achten. Sie machten mir dies übrigens auch noch dadurch bequemer, dass sie hiezu manchmal die in den Höhen ihres Käfigs aus schütteren Stäbeverbindungen hergestellten Klettergerüste benützten. Diese ihre Ungeziertheit mir und überhaupt der Welt gegen- über war mir natürlich ganz willkommen, um die Vorgänge, ohne den Tliieren störend entgegenzutreten, beobachten zu können. Liegt das Weibchen gekrümmt, so verlangt das Männchen nicht, dass es sich entrolle, sondern trachtet seinen Körper in alle Windungen des weiblichen Leibes hineinzulegen, um — sich in allen Theilen des Körpers möglichst innig an den des Weibchens anschmiegend — successive, aber sicher die Gegend der eigenen Ge- schlechtstheile an jene des Weibchens zu bringen. So ist es auch nicht mög- lich, dass ein fremder Körper zwischen die beiden Leiber geräth, der das Auf- finden der weiblichen Gesclilechtstheile durch den Hinterleib des Männchens hindern würde. Ist das Aneinanderliegen der Beiden ein inniges und der ganzen Leibeslänge nach erfolgt und sind die Cloakenöffnungen aneinander gebracht, so stülpen sich die beiden im Schwänze gegen dessen Spitze hin liegenden dütenförmigen Penisschläuche ziemlich schnell in die Afterspalte des Weibchens, mit ihrer mit ordentlichen Knochen- stacheln bewehrten Innenseite nach aussen gekehrt, hinein. Die beiden Penistheile einer U/2 M. langen Elaphis cervone sind zusammen genommen grösser als ein Taubenei; 602 III. Naturwissenschaft. das mit dem Männchen verbnndene Weibchen sieht an der Vereinigungsstelle stark aufgetrieben aus, etwa so, als wenn es gerade im Begriffe stunde, ein Ei zu gebären. Bei der Begattung findet jedenfalls eine reichliche Absonderung von Samenflüssigkeit und Schleim statt, denn wenn sich zwei begattende Schlangen ungezwungen trennen, so findet man am Boden verhältnissmässig gewiss wenigstens das Drei bis Vierfache, als wenn zwei hängende Hunde ihre Bande lösen. Wenn die Schlangen ihre physische Verbindung lösen, so ist dies natürlich so gut wie Ehescheidung. Führt der Zufall sie wieder zusammen, so sind sie, vorausgesetzt, dass beide noch den Liebeserfordernissen sich widmen, einander gerade so gut willkommen, als wenn sie irgend eine andere des entgegengesetzten Geschlechtes begegneten. Auf Gefühlsempfindungen verstehen sich die Schlangen auch in diesem Punkte nicht. Die natürliche, das ist ungezwungene Lösung erfolgt mit dem Wiederzurückstülpen des Penis in den Schwanz. Die beiden Kugeln aber sind noch nicht ganz verschwunden, wenn die Begatteten sich trennen. Die Dehnbarkeit der weiblichen Afterspalte lässt auch eine frühzeitige Trennung zu, ehe der Penis zurücktritt. Man sieht in einem solchen Falle den rosen rothen Penis in Form zweier von einander strebender Kugeln mit trichterartiger Vertiefung an den vorderen Seiten. Diese beiden Peniskugeln sind mit einer Menge zahnartiger und gebogener, krumm kegelförmiger Knochenstacheln besetzt. Die beiden Penistheile sind denen der Eidechsen ähnlich, bilden aber beim Herausstülpen nicht cylindrische, sondern, wie schon gesagt, Kugelformen. Die Vereinigung der beiden Geschlechter währt mindestens einige Stunden. Oefter sah ich sie einen ganzen Tag beisammen und fand sie erst am nächsten Morgen getrennt. Solche, welche sich am Nachmittage vereinigten, trennten sich oft erst am andern Mittag oder noch später. Eierlegen. Das Eierlegen der Schlangen dürfte im ganzen Lande in die Zeit zwischen Mitte und Ende Juli fallen. Die Jungen, welche in meinen Käfigen geboren wurden, erschienen nicht vor Anfangs September. Lebend Gebärende brachten ihre Jungen auch beiläufig um dieselbe Zeit, mn welche diejenigen auskrochen, deren voll- kommene Entwicklung zum Thiere der Mutterleib nicht besorgt. Werth für den Menschen. Von unseren Schlangen kann man weder sagen, dass sie durch ihre Lebensbedürfnisse dem Menschen schaden, noch aber, dass sie für ihn irgendwelchen Werth haben. Nennt man die Eidechsen nützlich, so sind einige Schlangen eher schädlich als nützlich. Nützen die Schlangen durch Mäusevertilgen, so schaden sie wieder durch Vögelfressen, denn keine unserer einheimischen Schlangen, die Mäuse frisst, verschont einen Vogel, wenn sie ihn haben kann. Feinde der Schlangen. Feinde haben die Schlangen genug unter den Thieren, oder, um den Menschen bestimmter unter die Feinde einzurechnen, unter den lebenden Wesen im Allgemeinen, und zudem finden sich unter ihnen selbst Arten, welche die Anderen befehden, d. h. fressen. Junge werden aber von Grossen der eigenen Art nicht gefährdet. Kein Bissen wird peinlich gemessen, dazu hat es Zeit; es wird sich während des Fressens das Volumen desselben schon herausstellen. Eine Schlange, die Familienglieder frisst, zögert nicht, eine gleich grosse Schlange anderer Species an- zufallen. Gefangenschaft. In die Gefangenschaft findet sich keine unserer Schlangen eigentlich schwer, das kann ich aus Erfahrung sagen. Sind sie auch nicht, wie z. B. die Ringelnatter, durch schlechtes, unverständiges Einsperren gar zu schwer umzubringen, so ist es doch durchaus keine Kunst, sie gefangen zu halten. Ich hatte keine Einzige, die Futter versagte, und besass von jeder unserer Arten mindestens vier Stück gleich- v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 603 zeitig in den Käfigen. Das Herbeischaffen von Nahrung macht, wenn man genug Schlangen hält und sie richtig unterbringt, gewiss jedem Sammler mehr zu schaffen als die Sorge, ob die gebotene Nahrung auch angenommen werde. Ob alle Schlangen des behandelten Verbreitungsgebietes gegen den Vipernbiss giftfest sind, weiss ich nicht. Zamenis viridi- flavus, Coelopeltis lacertina, Coronella laevis , Tropidonatus natrix, tesselatus , dann die Giftschlangen selbst ertragen, so viel ich gesehen, den Vipernbiss ganz ohne Schaden. Leben unter einander; psychische Aeusserungen. Ein Streit zwischen Schlangen kommt nie vor. Diejenigen, welche die Anderen nicht fressen wollen oder nicht Ursache haben, vor Anderen sich zu furchten, sind gegeneinander gleichgiltig. Wollen zwei einen einzigen Bissen verzehren, so entsteht auch keine Feindschaft. Es frisst einfach jede weiter, so lange es geht. Jede trachtet den Brocken gegen sich zu ziehen und von dort, wo er hängt, loszumachen. Das geht nun nicht, denn dasselbe Bestreben hat auch die Andere. Eine siegt aber doch, und zwar diejenige, welche sich zufällig durch unzeitgemässes Oeffnen des Maules der Anderen unter den Kiefern und Zähnen der Entgegenfressenden in der Letzteren Maul hinein und so an dem Brocken vorwärts frisst. Die Benachteiligte heisst jetzt nicht mehr in ihre Beute, sondern in den Kopf der anderen Schlange, spürt auch, dass ihr Nahrungsstück ihr aus dem Halse gezogen wird, und lässt bald los. Die Gewinnende frisst unbekümmert um die erhaltenen Zahn- stiche ruhig weiter. Ich habe solchen Scenen recht oft beigewohnt und stets denselben Hergang gesehen, wenn nicht Eine oder gar Beide früher losliessen. Vipern unter- einander entscheiden solche Rechtsstreitigkeiten in der gleichen Art, ohne den geringsten Aerger zu bekunden. Ganz so ging es zu, wenn ein solcher Zufall das Maul einer Viper mit dem einer Schlingnatter oder einer Zornnatter ( Zamenis ) zusammenbrachte. Die- jenige, welche, wie gesagt, ihr Maul in das der Anderen brachte, hatte, ob es jetzt die Giftige oder die Ungiftige war, den Process gewonnen, wenn sie nicht an der Beute eines Schlangenfressers sich vergriff. Es ging auch hier ganz ohne Zornesaus- brüche, wenn auch nicht unblutig ab, denn die langen Gifthaken, die, wenn der Bissen etwas schwer hinab will, geime verwendet werden, machten oft ganz bedeutende Risse in den Kopf der Gewinnenden, ehe die Uebervortheilte einsah, dass hier nichts mehr zu erreichen sei. Gemüthsbeschaffenheit. Sich eine schon erworbene, und dies oft mit Anwendung aller Kraft und Mühe erworbene Beute von einem nicht Furcht einflössenden Räuber vor der Nase wegnehmen oder gar aus dem Maule ziehen lassen, das kann, populär gesagt, der Zehnte nicht vertragen, ohne wenigstens im Verborgenen sich zu ärgern. Da ich aber einer Schlange nicht zumutlie, aus Wohlerzogenheit einen Aerger zu maskiren und sich anders zu zeigen, als der Moment sie macht, so glaube ich wohl mit Recht, dass sie sich eben hier gar nicht ärgert. Da eine Schlange nun in dem erwähnten Falle nicht in Zorn geräth, ebensowenig dann, wenn ihr eine schon erfasste Beute entweder durch erfolgreiche Verth eidigung oder durch sonstige Geschicklichkeit derselben wieder entschlüpft, was andere höher stehende Räuber gewiss in Aerger setzen würde, so möchte ich auch die Ansicht, dass ihre auffallenden Geberden, ihr Zischen oder Fauchen, wenn sie mit grösseren Geschöpfen zusammengeräth, Zornesausbrüche seien, verneinen. Dass sie heisst, ist der Drang, sich gegen den vermeintlichen An- greifer zu vertheidigen, dass sie dabei, soweit sie kann, mit dem Kopfe vorschnellt, ist das Bestreben, den Feind, ehe er angreift, zu schädigen. Das Zischen verursachende heftige Athmen kann auch ebenso gut Schreck und Angst als Zorn sein; denn eine Vipern ammodytes z. B. zischt, indem sie flieht, und heisst, zumeist, ohne zu zischen. Ein Benehmen, das mit Wahrscheinlichkeit auf Zorn schliessen lässt, habe ich nie 604 III. Naturwissenschaft. gesehen. Männchen kommen eines Weibchens halber miteinander nie in Streit, ebenso- wenig Weibchen, um ein Männchen dem andern Weibchen fernezuhalten. Sie ärgern sich also auch in diesem Falle nicht, in welchem wohl die wenigsten höheren Thiere kühl bleiben. Sie sind demnach auch nicht eifersüchtig. Dass in den Käfig gebrachte Giftschlangen dort nach Allem heissen, was sich regt, also auch nach anderen Schlangen, muss durchaus nicht Zorn sein. Für derlei Zorn lässt sicli kein naturgemässer Grund finden. Die Schlange, die in den Käfig gebracht wurde, hat Todesangst ausgestanden; sie wurde von einem Menschen gefangen und hat ihm keine andere Zumuthung gemacht, als dass er sie tüdten wolle. Unter dem Eindrücke dieser Todesangst steht gewiss ihr ganzes Wesen. In Allem, was sich rührt, bildet sie sich die ihr schreckliche Erscheinung eines ihrer Todfeinde ein und vertheidigt sich ohne zu überlegen mit ihren Wehrmitteln. So sinnlose Angst, die gegen Alles sozusagen wüthet, ohne Zorn zum Beweggrund zu haben, findet sich bekannter- massen auch bei höheren Wesen. Die Schlange bleibt, so lange sie im Käfig oder auch blos durch dessen Beschaffenheit sich geängstigt fühlt, in diesem schreckhaften Zu- stande. Ist der Käfig gross und bietet er Verstecke, so hört dieser vermeintliche Zorn bald auf. Die Schlange wird sich vor Allem so tief als möglich zu bergen suchen und, wenn sie endlich freiwillig wieder an den Tag kommt, kaum nach einer Schlange heissen. Die Verstecke müssen für so schreckhafte Naturen den unterirdischen Räumen gleichen, daher weitläufig, ganz finster und feucht sein. Die geschreckte Schlange zieht sich möglicherweise auch trotzdem nicht zurück, so lange der Mensch nahe am Käfig und zudem allenfalls nicht ruhig steht, weil sie sich nicht von der Stelle traut, fühlend, dass sie zur Bewegung ausgestreckt, dem nahen Feinde gegenüber nicht mehr ver- theidigungsbereit sei. Neid bemerkte ich an den Schlangen entschieden bei keiner Gelegenheit. Wenn eine frisst und die zweite hiebei anwesende davon nichts haben kann, geht sie ihrer Wege, um sich etwas Anderes zu suchen. Sind Mehrere fresslustig und fährt Eine früher nach der Beute als die Andere, so ist das kaum Neid, denn es sucht, wenn man einen zweiten Bissen reicht, keine die Anderen zu übervortheilen. Ich merkte in der Sucht, Beute zu gewinnen, keinen Unterschied, ob eine allein da war, oder ob mehrere zugleich anwesend waren. Die Eine oder die Andere, welche früher die Schnellere war, war aber auch dann rasch beim Zug-reifen, wenn sie allein war. Eine solche wurde mein Liebling und liiess dann ein guter Fresser. War so ein guter Fresser satt, nahm er nie aus Neid etwas, ehe das frühere Mahl verdaut war. Niemals jagt Eine die Andere vom Platze, also auch nicht aus Neid; sie legt sich einfach auf die an einer Stelle liegende Genossin, wenn sie deren Platz gut findet. Etwas, was auf andere seelische Zustände schliessen Hesse, bemerkte ich noch weniger; auch die Sorge für die Nachkommen beschränkt sich, wie weiter oben er- wähnt, nur auf das Bergen der eventuellen Eier. Verhalten gegen Menschen. Erzählungen, dass Schlangen Menschen verfolgen, sind Visionen, Hirngespinnste, kurzweg unbewusst oder bewusst gegebene Unrichtig- keiten. Für den ersteren Fall lässt sich bei schreckhaften Naturen, die, wenn sie eine Schlange sehen, in kopfloser Flucht das einzige Beginnen gegen das bedeutungs- lose Geschöpf wissen, immerhin ein Grund - finden. Es ist oft eine Schlange, welche entfernt von jedem Verstecke sich sonnte oder herumtrieb, so schnell sie konnte, gegen mich geeilt, obwohl sie mich gesehen hatte. Das kann einem Anderen auch ge- schehen, der auf oder zunächst der einzigen von der Schlange für möglich gehaltenen v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 605 Rlickzugslinie steht. Die Schlange geht, um zu fliehen, auf ihn zu; er erschrickt, bekommt Angst, und Beide laufen aus Furcht, die Schlange mit Recht, denn sie konnte doch nicht vermuthen, dass der Herr der Schöpfung vor ihr davon läuft, der Andere aus Mangel an Besonnenheit, in derselben Richtung, nämlich auf der Rückzugslinie der Schlange. Auch in einem solchen Falle wird sich die flüchtige Schlange des armen Teufels nicht länger als für wenige Schritte als Vorläufer bedienen; sie findet mittlerweile eine gesicherte Unterkunft und überlässt es dem nun allein weitereilenden Ebenbilde Gottes, sich den schauderhaftesten Drachen hinter sich einzubilden. Durch Tanten, Schwieger-, Grossmütter u. dgln. Naturkundige werden nun solche Schaudergeschichten Kindern, Familien, Völkern und Welten über- bracht, und schliesslich kann kein anderes Wesen als die Schlange es sein, durch die der böse Verführer unser heutiges Dasein und das Verleiten durch die Töchter der Verführten zum Mitgenuss des köstlichen Paradiesapfels verschuldet. Beutegewinnung. Die Art, Beute zu gewinnen, ist nicht bei allen giftlosen Arten unserer Ordnung dieselbe, wenn auch nicht wesentlich verschieden. Mäuse und ihre Verwandten und andere kleine Säuger werden, wenn sie lebend zu bewältigen sind, an irgend einer Stelle mit dem Maule erfasst und gewöhnlich in bekannter Weise durch Einrollen in den Leib erdrosselt. Sind sie todt, so werden sie zuerst aus dem Maule gelassen, mit der Zunge geprüft, die Umschlingung gelüftet, zumeist die Schnauze gesucht und endlich — in der Regel mit dem Kopfe voran — hineingewürgt. Vögel vorher zu erdrosseln, nehmen sich die Würger häufig nicht die Mühe, doch geschieht es, wenn der Vogel gar zu sehr zappelt. Grosse Eidechsen werden immer erdrosselt, kleine Eidechsen von den meisten Schlangen gewöhnlich sofort lebend verschluckt. Dass die Ringelnatter und ihre Verwandten Fische, Frösche und was ihnen sonst noch dergleichen zusagt, stets lebend verschlingen, ist Niemandem neu. Die Arten der Tropidonotus- Gattung werden auch von Schlangenfressern der Ordnung, wie mir scheint, verabscheut. Sie berühren jene wohl mit der Zunge, lassen sie aber sein und nehmen dafür eine ihnen vor das Maul gerathene Callopeltis, Tarbophis, Coronella oder der- gleichen; nicht aber eine, die bei solcher Gefahr durch heftiges Herumschlagen mit dem ganzen Leibe gar zu toll sich geberdet, wie Coelopeltis lacertina. Denjenigen Arten, welche zur Vertheidigung durch Umschlingen den Mörder am Vorhaben hindern wollen, nützt ihre derartige Gegenwehr kaum; diese wurden, trotz ihres ver- zweifeltsten Gegendrosseins, so oft ich solchen Vorgängen anwohnte, verzehrt, wenn die Angegriffene nicht zu gross und kräftig war. Sobald der Räuber den Kopf eines solchen Opfers ganz in sein Maul bekam, war es, wenn auch langsam, so doch sicher, um dieses geschehen. Durch mir oft recht unliebsamen Raub gaben mir solche Schlangenfresser ihre Eigenschaft kund. Die Mehrzahl unserer Schlangen ist in der Wahl der Nahrung ziemlich gleich- artig. Nur einzelne scheinen in dieser Hinsicht sich abzusondern. Zu letzteren zählt Tropidonotus und vielleicht Zamenis Dahlii. Krankheiten. Ich glaube, dass Krankheiten bei Schlangen im Freileben nicht Vor- kommen. Von den weit mehr als zweihundert Stücken, welche ich bisher kurz nach dem Einfangen erhielt oder selbst fing, war niemals eine krank, von Eingeweidewürmern, die keine Krankheit verursachen dürften, abgesehen. An Krankheiten dürfte daher immer unzweckmässige Behandlung in der Gefangenschaft Schuld sein. Ich bemerkte an meinen Pfleglingen dieser Ordnung, sowie namentlich an in Menagerien gehaltenen Riesenschlangen nur eine stets gleichartige Krankheitserscheinung. Dass es verschiedene Krankheiten bei ihnen sein können, die alle in derselben Art sich äussern, mag sein. 606 III. Naturwissenschaft. Ich habe mich darum nicht gekümmert, sondern nur einerlei Krankheit angenommen und jeden Krankheitsfall, gleich dem andern, mit Erfolg behandelt, wenn ein solcher Patient nicht vorher schon zu lange gefastet, somit die Kraft nicht mehr hatte, weiteren Nahrungsmangel auszuhalten oder die kranke Schlange dem Tode schon unausweichlich nahe war. Aus meinen Erfahrungen im Repti lienpflegen lernte ich, dass unsere Rep- tilien — Schildkröten, wie es scheint, ausgenommen — namentlich aber Schlangen gleich- artig krank werden, wenn sie im Winter oder Sommer in ihren unterirdischen Räumen — solche müssen sie füglich haben — längere Zeit hindurch nicht genügend Feuchtigkeit erhalten, wodurch die Häutung erschwert oder unmöglich wird. Wenn ihnen schattige Plätze an sonnigen, sehr warmen Tagen fehlen, unterliegen sie ebenfalls der Krankheit, die in Brehm’s „Thierleben“ Maulfäule genannt ist. Es zeigt sich zu Anfang an den Kiefern, unmittelbar neben den Zähnen, in ganz kleinen Stückchen eine käsige Masse, und die Farbe im Innern des Maules wird blass. Nach und nach nimmt die käsige Masse zu und bedeckt die ganzen Kiefer so, dass die Zähne aus diesen nicht mehr hervorragen. Beim weiteren Fortschreiten des Uebels wächst diese Masse so an, dass das Maul gar nicht mehr geschlossen werden kann. In diesem Stadium der Krank- heit bemerkt man die erwähnte Absonderung schon von Aussen an den Lippenrändern der Schlangen und Echsen. Hie Masse sieht dann an den Aussenseitcn schmutziggelb und krustig aus, im Inneren ist sie gelblichweiss. Jetzt schwillt auch bald der ganze Schnauzen theil bis zu den Augen an, und die Kehle wird häufig aufgebläht. Das ganze Innere des Maules ist mit einem dicken Belage dieses Stoffes bedeckt. Das Athmen durch die Nase wird unmöglich und wird, da auch die Mündung der Kehle in dieser Art verfilzt ist und zerfressen aussieht, selbst durch das Maul nur mühsam bewirkt. Gewöhnlich bilden sich mit diesem Grade der Krankheit gleichzeitig Pusteln und dann Geschwüre am ganzen Leibe, zumeist am Rücken. Bei Männchen erscheinen hiebei häufig äusserlich als knotenartige Ballen bemerkbare Ansammlungen dieses käsigen Gebildes im Innern der hohlen Peniskegeln. Tritt Athemnoth oder bei Männchen die letzt- angeführte Krankheitserscheinung auf, so ist die Schlange ihrem Ende nahe. Im letzteren Falle ist es mir auch nicht mehr gelungen, eine Schlange wieder herzustellen. Einge- weidewürmer kommen bei Schlangen auch vor, ich glaube aber, dass diese Schmarotzer ihrem Ernährer ebensowenig schaden wie die zeckenähnlichen Blutsauger den Eidechsen; die Eingeweideparasiten dürften also eine Krankheit kaum verursachen, sonst fände man fast jede Schlange krank, denn fast jede ist damit behaftet und mitunter sogar mit einer fast unzählbaren Menge solcher Schmarotzer. Behandlung kranker Schlangen. Die erstangeführte Krankheit lässt sich in zwar oft sehr langwieriger, aber recht einfacher Art und meist mit sicherem Erfolge behandeln. Sobald man den Beginn des geschilderten Uebels bemerkt, lege man das erkrankte Thier in eine verschliessbare Wanne, in welcher sich so viel Wasser befinde, dass die Schlange gerade davon bedeckt ist, und lasse sie in diesem Bade ununterbrochen bis zur nächsten Häutung. Sobald die das baldige Häuten verkündende Trübung der Augen, der knapp vor der Häutung eintretenden Klärung wieder gewichen ist, kann man den Reconvalescentcn das Curhaus mit seinem Käfige vertauschen lassen; er ist genesen und wird häuten, wenn der neue Aufenthaltsort nicht wieder zu trocken ist. Der pilzige, filzige, schwam- mige oder käsige Belag des Maules, oder wie man die Absonderung sonst bezeichnen mag, lässt sich zumeist sehr leicht mit einem Stückchen Holz oder Federkiel ablösen und entfernen, wenn man dem kranken Tliiere das Maul öffnet, was auch nicht schwer ist. Auch kann man, um das Maul gründlich zu säubern, es mit einer kleinen Glas- v. Tomasini. Skizzen aus dem Eeptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 607 spritze und reinem Wasser ausspritzen. Ich that dies meist bei den erkrankten giftlosen Schlangen; es scheint aber nicht gerade unerlässlich. Erkrankte Vipern genasen auch ohne diese Operation, blos durch ununterbrochenes Liegen im Bade. Der Belag des Maules verschwindet im Bade von selbst. Hatte ich zu viel Reptilienpatienten überhaupt und zu wenig Zeit, um mich mit jedem so langwierig zu befassen, so wurden sie ein- fach summarisch ins Spital, d. h. in die Wanne mit Wasser gesteckt und je nach der Reconvalescenz eine nach der anderen wieder herausgenommen. Während der Krankheitsdauer fressen die Schlangen nichts, selbst wenn es Monate währen sollte. Ein mehrmonatlicher Aufenthalt im geschilderten Bade schadet den Kranken nicht, aber ein Unterbrechen dieser eigenartigen Cur schadet oder verzögert die Genesung. Oft ist das Uebel sehr hartnäckig. Irgend eine medicamentöse Behandlung scheinen die Schlangen, selbst sehr verdünnt angewendet, nicht zu ertragen. Ehe ich durch Zufälle auf die oben geschilderte Be- handlungsmethode kam, versuchte ich Borax, Carbolsäure und dergleichen Mittel; die damit Gequälten gingen stets zu Grunde. Ein Medicament einzugeben, ist wohl nicht recht thunlich; es in ein Opferthier hineinzustecken, nützt nichts, weil eine kranke Schlange nicht frisst. Ein Opferthier mit einem Medicament zu bestreichen, ginge schon gar nicht, weil die Schlange das Medicament spüren und selbst dann, Avenn sie überhaupt etAvas fressen Avollte, hier unter der Medicamenthülle nichts Geniesbares vermuthen würde. Frisst eine Schlange, namentlich eine südländische, im mitteleuropäischen Klima kurz vor dem Eintritt kalten Wetters in der Sommerzeit, so kann es geschehen, dass die zu niedrige Temperatur die Verdauungsthätigkeit soAveit hemmt, dass die Haare oder Federn der Beute nicht entleert werden, sondern im Magen liegen bleiben. Dieses Uebel ist bald constatirt. Ein aufmerksamer Pfleger wird in einem solchen Falle zumeist bald die Haare oder F cder- theile im Excrement vermissen. Die Beseitigung dieser Krankheitsursache ist einfach und schnell, Avenn man sie zur rechten Zeit erkannt hat. Man nehme die Schlange nahe am Kopfe mit der ganzen Hand fest um den Hals und lege ihren Körper, wenn sie es auf dieses Zusammen drücken nicht schon selbst thut, einige Male um den Arm oder die Hand; sie wird den Arm oder die Hand dann eng umschlingen. Jetzt öfFnc man ihr das Maul und schiebe ein Stück rohes Fleisch, etwa Aron der Grösse ihres Kopfes, hinein. Ist sie nicht schon wirklich krank, so wird sie das Fleisch verschlingen, mit dessen Verdauung die im Magen liegenden Haare oder Federn abschieben und ist gerettet. Ist es schon zu spät, so tritt auch diesmal die früher beschriebene Krank- heitserscheinung auf; in diesem Falle ist aber kaum zu helfen. In der eben beschriebenen Art kann man alle unsere Schlangen mit Ausnahme der Tropidonotus- Arten und der Vipern geAvaltsam mit beliebigem Futter versehen, wenn man gerade ihre gewohnte Beute nicht beschaffen kann. Ringelnattern und dergleichen • aber würden, wenn man sie so füttern wollte, den Brocken wieder hervorwürgen, wahrscheinlich Aveil es gegen ihre Natur ist, mit Druck an den Leibesmuskeln zu fressen; ebenso dürfte es bei Gift- schlangen sein, welche das Wohlwollen des Pflegers, sie so zu füttern, auch übel lohnen könnten. Bei Tropidonotus ist die zAvangsAAreise Fütterung zur Cur glücklicher Weise auch nicht nöthig, Aveil diese Haare oder Federn nicht verschlucken. Am leichtesten geht es bei jenen Schlangen, welche schon beim Beissen nach dem Pfleger gerne in ein Kauen an dem Finger übergehen, als: Coronella, Tarbophis, die Zamenis -Arten und Coelopeltis; schAverer, aber doch auch (wenn man geübter ist, nicht scliAver) bei Callo- peltis Aesculapii, der leopardina und bei Elaphis. Bei den letzteren ist aber oft ziemlich viel Geduld nöthig. Den Vorgang genau genug zu beschreiben, bin ich nicht im Stande, und wäre ich es, so glaube ich doch: AVer kein Geschick dazu hat, träfe 608 V III. Naturwissenschaft. es trotzdem nicht. Das Bad hilft natürlich nichts; die Haare bleiben doch im Magen. Brechmittel habe ich nicht versucht, weil das Stück Fleisch auch nützt und ein Brech- mittel kaum leichter beizubringen wäre. Um mich der Sorge zu begeben, einer Schlange mit Federn den Magen zu verderben, gebrauchte ich seit mehreren solchen Vor- fällen wie der eben angeführte die Vorsicht, den zum Verfüttern bestimmten Vögeln das ganze Gefieder zu stutzen. Sie haben hiedurch weniger unverdauliches Zeug an sich, welches dem Vogel zwar sonst nützt, hier aber dem Zweck undienlich ist. Wer Schlangen und Echsen, die ihm an der oben beschriebenen Maulfäule erkranken, erhalten will, und noch keine bessere Behandlungsmethode als erprobt und wirklich verlässlich kennen gelernt hat, der möge das geschilderte Verfahren versuchen, statt seine Pfleglinge unter einer unsicheren oder gar keiner Behandlung langsam, aber gewiss dahinsiechen zu lassen. Ansteckend ist die Krankheit nach meinen Erfahrungen nicht; aber aus der gleichen Ursache (Feuchtigkeitsmangel) können alle Schlangen eines oder aller Käfige daran leiden und, wenn man sie ihrem Schicksale überlässt oder unzweckmässig verfährt, zu Grunde gehen. Es sind mir durch besagtes Heilverfahren Schlangen noch genesen, welchen schon ein Drittel ihrer Leibesdecke ganz verfault oder vereitert war. Nach mehreren Wochen ging die alte Oberhaut weg, und darnach waren unter den ver- fault erscheinenden Schorfen schöne, aber zarte Narben oder manchmal auch Wunden, diese aber rein, zu sehen, welche sich mit der Zeit meist wieder mit Schuppen über- kleideten. Verdauung. Die Verdauungsthätigkeit der Schlangen ist jedenfalls sehr kräftig. Knochen werden in Brei aufgelöst, auch die sehr harten Knochen der Vögel. Bei warmer Witterung erfolgt innerhalb 24 Stunden nach genommenem Mahle die Ent- leerung. Aus nahezu jedem Entleerungsstoffe kann man wenigstens erkennen, welcher Thierclasse die Schlange ihr Opfer entnahm. Haare werden gar nicht verändert. Bei- spielsweise nach einer weissen Maus findet man wieder weisse Haare im Kothe der Schlange. Die Federn werden wohl ganz zerlegt, doch erkennt man noch deutlich, dass die Bestandtheile von Federn herrühren. Man findet den in lange Splitter zer- legten Schaft und die in kleine Federchen aufgelöste Fahne. Die Schnabelspitze der Vögel findet sich, wenn auch nur im Minimum, so doch unverändert vor. Die hornigen Täfelungen der Vogelbeine widerstehen auch der Zerstörungskraft des Schlangenmagens, ebenso die Klauen der Zehen oder selbst ganze Zehen. Das Uebrige wird Alles zu einem trüben Brei, in welchem teigig festere, weissliche Bestandtheile, wahrscheinlich von den verdauten Knochen herrührend, von der übrigen Kothmasse sich deutlich sondern, und die man, wenn getrocknet, in den Fingern zu Pulver zerdrücken kann. Von gefressenen Reptilien bleiben die Schuppen der zerlegten Haut und die Kopf- täfelung, von Eidechsen zudem die Nägel oder Stücke von Zehen und zuweilen die Schwanzspitze unverändert. Häufig fand ich in den Ausscheidestoffen auch Zähne vor. • Hatte ein gefressener Vogel seinen Kropf oder Magen voll Körner oder eine Eidechse Insectenreste im Leibe, so findet man die für die Schlangen offenbar unverdauliche Substanz auch wieder in deren Kothe ganz in derselben Form, in der es im Opferthiere war. Im Dejecte der Kreuzotter findet man, wenn sie Heuschrecken gefressen hat, die Chitinhüllen wohl deformirt, aber der Substanz nach unverändert. Elaphis cervone (Streifennatter). Grösse. Die stattlichste der Schlangen des Occupationsgebietes sei, was immer sie sonst für einen Rang in einer systematischen Eintheilung finden mag, von mir auch deshalb, weil sie mir schon ihres ruhigen, anscheinend gemessenen Benehmens halber v. Tomasini. Skizzen aus dem Eeptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 609 die liebste war, allen anderen voran obenangestellt. Elaphis cervone, die stramm muskelkräftige Streifennatter, scheint in der Hercegovina mit 1% M. Länge ihr Maximal- durchschnittsmass erreicht zu haben. Von den mehr als 40 Stücken, welche ich von dieser Art besass, mass nur ein Weibcheü 165 Cm. Um zu erfahren, wie gross sie werden, zahlte ich den zum Fangen erbötigen Leuten die eingelieferten Elaphis nach der Länge, konnte aber auch bei dieser Methode keine grösseren erhalten. Die Leute erzählen freilich von entsetzlich langen und ganz schauerlich dicken Ungeheuern. Ob Elaphis an den Küsten der Sutorina grösser wird, ist mir nicht bekannt. Vorkommen, Verbreitung. Im Occupationsgebiete tritt sie nur in der Hercegovina auf; in Bosnien findet man sie nicht, auch kennen dort die Bauern eine ihr ähnliche Schlange nicht. Sie gehört in ihren V erbreitungsgebieten zu den selteneren Schlangen oder wenigstens zu denjenigen, welche man selten zu Gesicht bekommt. Sie hält sich an das südländische Klima, und ihr Vorkommen ist daher auch in der Hercegovina nur ein strichweises. Die Regionen des wilden Granatapfels und der wildwachsenden Feigen scheint sie um Einiges, wenn auch nicht um Vieles zu überschreiten. Von der Höhenregion an, in welcher der Judendorn und die immergrüne Eiche beginnt, erscheint auch die Streifennatter als ständiges Thier. Auf direct zu Tiefthälern ab- fallenden Hängen oder Lehnen geht sie auch höher. Meine höchste Fundstelle einer noch nicht einjährigen und einer etwa halbwüchsigen Elaphis cervone war 800 M. absoluter Höhe am Podvelez bei Mostar. Wenigstens die erstere dieser beiden dürfte dort wohl auch geboren worden sein. Die ganze Umgebung jener Oertlichkeit ist kahler Karst mit nur spärlicher Vegetation ohne höheren Strauch oder Baum. Der Winter in jener Höhe dürfte von dem Wiener Winter kaum mehr verschieden sein. Sie scheint übrigens dort oben gar nicht selten zu sein, da sie öfter von Leuten, die diese Schlangenart wirklich kannten, bemerkt wurde. Die Oertlichkeiten, an welchen ich sie sonst noch traf, waren untereinander sehr verschieden. Hart am Sumpfe fand ich sie gerade so gut als weit im Karste, im Walde wie im Gestrüppe, kurz überall, wo es etwas gab, um sieb zu verstecken. Trotz der mannigfaltigen Fundorte gehört die Elaphis bei uns doch entschieden zu den selteneren Schlangen. Dennoch kommt sie Leuten, die andere Schlangen sonst nicht sehen, manchmal zu Gesicht, weil sie nicht so bald flüchtig wird wie die anderen und auch, wenn nicht gut verborgen, schon ihrer Mächtigkeit halber leichter bemerkt wird. Mir entkam keine Streifennatter, die ich gesehen, auch wenn sie noch weit von mir war. Zur Brutzeit der Enten brachten die Metkovicer Bauern sie mir häufig aus dem Sumpf. Diese Bauern behaupteten, dass der „Grovorzac“ in den Sümpfen Eier und junge Enten fresse. Mit dieser Be- hauptung haben sie jedenfalls mehr recht als mit der, dass diese Schlange Kühe melke und den ihr beigelegten Namen, zu deutsch „Kuhmelker“, verdiene. Die Bauern klügeln eben auch wie mancher „Forscher“; einmal sieht der Bauer eine Schlange im Kuhstalle; in der Besorgniss um seine Habe muthet er der Schlange nur Böses zu, daher Grovorzac. Fände er sie im Weinkeller, hielte er sie — vielleicht ohne selbst ge- trunken zu haben — für betrunken. Aehnlich calculirt der Gebildete, wenn er Bosheit, Tücke, List u. dgl. m, resumirt. Bedürfniss nach Wasser. Das Wasser scheint unsere Schlange sehr gerne aufzu- suchen. In dem in ihrem Käfige hergestellten Teiche verweilten meine Exemplare oft mehrere Stunden unter der Oberfläche des Wassers, und zwar unter Steinen oder Brettern verborgen am Grunde. Meine erste, welche ich eines Nachmittags erhielt, kroch, in den Käfig gegeben, sobald sie das Wassergefäss fand, sofort hinein und ver- weilte daselbst bis zum anderen Vormittag. Als ich sie an demselben Abende hervor- Band II. 39 610 III. Naturwissenschaft. holte, begab sie sich, in den Käfig zurückgebracht, gleich wieder ins Wasser. Sie rollte sich darin zusammen und brachte erst nach wenigstens einer Stunde die Nasenlöcher an die Luft. Das Gefäss war so klein, dass die Schlange nur ganz zusammengerollt darin Platz finden konnte. Später erhielt sie natürlich einen grösseren Wasserbehälter. Nahrung. Die Nahrung der Elapliis cervone besteht nach meiner Erfahrung nur in warmblütigen Thieren. In meinem Käfige frassen sie Ratten und Mäuse, Vögel und deren Eier. Auch im Freien mögen sie sich Hühnereier zu verschaffen wissen; denn ich fand wiederholt in den Excrementen dieser Schlangen, che sie bei mir derartiges Futter erhielten, in Rollen zusammengepresste Schalen solcher Eier. In einer Kiste, in welcher mir einmal vier Stück Elapliis gesandt wurden, fand ich nach Herausnahme der Thiere in dem darin abgesetzten Unrath Ueberreste von zwei Hühnereiern. Von zwei Streifen nattern, die ich ein anderes Mal selbst an einem Orte fing, der beiläufig eine Viertelstunde von jedem Hause entfernt war, hatte die eine Reste von zwei Hühner- eiern in sich. Ich fand beide Schalen dieser Eier ebenfalls in Wurstform zusammen- gerollt in der sonst dünn breiartigen Entleerungsmasse vor. Ihr Appetit war sehr be- deutend und überstieg meine Kräfte, denselben zu stillen. Unter den 22 Stücken dieser Art, welche ich im Sommer 1887 in einem Käfige hielt, gab es trotz der Futter- quantität, welche ich — wie nachfolgend aufgezählt — ihnen reichte, stets immer und nach jeder Fütterung der Fresslustigen mehr als der Gesättigten. Ein Mass für ihren Magen scheinen sie bei der Mahlzeit nicht zu haben. Oft frass eine mehr, als dieser vertrug, dann gab sie gewöhnlich die ganze Mahlzeit von sich und frass erst in einigen Tagen wieder. Die ausgespieene Nahrung liess ich dann durch Waschen vom Schleime reinigen und trocknen und reichte sie den anderen Schlangen, die sie gerne annahmen, wenn sie Fresslust hatten. Ich gab zu wiederholten Malen einer Elapliis zehn Spatzen und Mäuse als ein- malige Fütterung. Sie wurden mir darauf manchmal, wenn sie nicht spieen, krank, wahrscheinlich wegen der zu grossen Menge an Haaren, oder Federn im Magen. Im Freien dürften sie nie so viel auf einmal zu fressen finden. Elapliis oder auch andere Schlangen fressen so lange fort, bis sie ganz voll sind, wenn sie so viel zur Stelle haben; tritt aber eine Pause ein, dann verlieren sie gewöhnlich die Lust, für diesen Tag weiter zu fressen, nehmen dafür aber oft am nächsten Tage schon wieder Nahrung. Unter dieser ging sie am gierigsten an junge Vögel. Auf die Grösse prüften sie solche Lieblingsspeise nicht lange. Berührte die Zungenspitze eine junge Taube, so wurde, ohne erst einen geeigneten Punkt zum Anbeissen zu suchen, nach wenigem, aber recht lebhaftem Züngeln ebenso schnell zugegriffen als nach einem jungen Spatzen oder anderen jungen Vogel einer kleinen Art. Weil aber eine junge Taube, die schon Amselgrösse erreicht hat, von hinten nicht verschluckt werden kann, so wird an derselben, ohne sie aus den Zähnen zu lassen, einfach nach einer Seite weiter, rasch gegen den Hals zu, unter beschleunigten Kieferbewegungen gekaut und dann gierig, wenn auch sehr mühevoll hinuntergeschlungen. Gefangenleben und Nahrung. Um das Leben dieser Natter während eines Sommers zu skizziren, lasse ich die in dieser Zeit gemachten Aufzeichnungen folgen. Von den acht Stücken des Jahres 1888 gelangten nur zwei ins Winterquartier, weil aus dem wäh- rend meiner und meines Dieners mehrstündigen Abwesenheit offen gelassenen Käfige alle entwichen waren und nur mehr zwei, darunter eines mit gebrochener Wirbelsäule, einge- bracht werden konnten. Diese beiden erwachten aus dem Winterschlafe krank und wurden in die vorerwähnte Wanne mit Wasser gesetzt, daher bis auf Weiteres nicht gefüttert. Im März liess ich sie ihr Sommerleben, nachdem ich im Freien schon v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. bll Schlangen gesehen hatte, beginnen. Von dieser Zeit an verblieben sie bis Anfangs Juni, ohne zu häuten und ohne zu fressen, thatsächlich im Wasser liegen. In der zweiten Woche des Juni trübte sich die Haut des Männchens und einige Tage darauf die des Weibchens, welches ausser der sogenannten Maulfäule auch noch den Rückgratbruch hatte. Ich versuchte während der Zeit vom März bis Juni, nachdem die Kräfte der beiden Kranken nicht abgenommen hatten, öfter, ihnen Futter zu reichen, sie nahmen jedoch, obwohl sie im October zum letzten Male gefressen hatten, nichts zu sich. Erst am 16. Juni als die Trübung der Augen, als erstes Zeichen der Genesung, begann, nahm das Männchen drei Stück ihm gereichte Spatzeneier. Am 17. Juni nahm das Weibchen, dessen hintere Leibeshälfte infolge des Bruches noch immer ganz schlaff war, sechs Spatzeneier. Beide hätten diese erste Mahlzeit seit sieben bis acht Monaten jedenfalls ausgiebiger gewünscht. Die ganze Umgebung der Eier wurde gründlich ab- gezüngelt und an dem Flecke, auf welchem die Eier gelegen waren, sogar nochmals mit senkrecht gegen den Boden gestemmter Schnauze das Maul geöffnet, in der Meinung, es sei noch etwas da. Ich wollte meinen Reconvalescenten aber als erste Mahlzeit nicht mehr auf einmal reichen und wartete das Ergebniss der Verdauung ab. Die beiden kranken Schlangen wollte ich aber noch so lange im Wasser lassen, bis die Augen sich wieder zu klären begannen, um die so lange verzögerte Häutung um so sicherer sehen zu können. Diese Absicht verdarb mir aber das Männchen, welches am 30. Juni aus dem schlecht verschlossenen Spitale entwich, den etwa 60 Schritte langen Hof durch- kroch und unter und zwischen Hausthor und Pflaster sich den Weg ins Freie suchte. Kaum zwei Stunden nach ihrem Entweichen wurde sie unter der Dachtraufe meines einstöckigen Mostarer Wohnhauses von Nachbarn bemerkt und durch meinen Diener herabgeholt. Sie benützte die Zeit ihres Freiseins, sich der weiteren Diätcur zu ent- ziehen, und holte sich dort zwei Spatzen aus den Mauerlöchern. Die Wanderung dahin muss sie auch zum Häuten benützt haben, da ihr Aeusseres sehr frische Farben hatte. Sie wurde nach diesem Beweise ihres Wohlbefindens natürlich nicht mehr in der Wanne eingekerkert, sondern ihr der geräumige Käfig zur freien Benützung überlassen. Das- selbe Manöver führte einige Tage vorher eine andere Schlange dieser Art auf, welche ich im Frühjahre erhalten hatte. Diese wurde aber erst zwei Tage nach ihrem Ver- schwinden an derselben Stelle von Nachbarn gesehen und mir gezeigt. Sie hatte, als sie von meinem Diener aus einem Mauerloche hervorgeholt wurde, einen Spatzen im Halse und mindestens vier andere im Leibe. Das kranke Weibchen nahm weitere Spatzeneier erst am 27. desselben Monates, also nach zehn Tagen, und zwar vier Stück, an. Das Männchen erhielt drei Stück Spatzeneier. Jetzt häutete auch das Weibchen und wurde, da im Käfige mit seinen vielen Winkeln und in Gesellschaft der Anderen die Herstellung des Rückgratbruches nicht recht möglich war, in einer oben mit einem Drahtgitter geschlossenen, geräumigen Kiste mit feuchtem Sande und Moos einquartiert. Ihre völlige Genesung konnte ich nicht abwarten, da störender Umstände halber um Mitte August alle bis dahin ge- pflegten Thiere zum Theile entkamen, theils zu Grunde gingen, theils von mir in Freiheit gesetzt oder an Dr. Schreiber, der mich früher mit Allerlei sehr schön bedacht hatte, abgesendet wurden. In den Tagen vom 12. — 24. Juni besass ich nebst den beiden kranken sechs Stück gesunde, circa U/2 M. lange Streifennattern. Diese frassen während der angeführten Periode 50 Spatzeneier, 2 Taubeneier, 1 Maus und 37 Spatzen. Bis Ende Juni stieg die Zahl meiner Schlangen dieser Art auf 18 Stück, unter denen auch nur meterlange und noch kleinere waren. Diese Gesellschaft frass in der letzten Juniwoche 42 Spatzen, 39* 612 III. Naturwissenschaft. 3 Mäuse, 1 Schwalbe, 1 Bachstelze uncl 5 Lerchen. Den Monat Juli hindurch frassen 20 Streifennattern meines Käfiges 124 Spatzen und andere kleine Vögel, 8 Bienen- fresscr, 2 junge Tauben, die aber Amselgrösse schon stark überschritten hatte, 16 Tauben- eier, 48 Mäuse, 1 fast erwachsene Ratte und circa 20 Spatzeneier, welche letztere namentlich dem reconvalescenten Weibchen gegeben wurden. Ziemlich viele der ver- fütterten Vögel wurden, um ausgiebiger zu sein, mit Fleisch tüchtig ausgestopft. Was an Quantität noch mangelte, sollte somit durch Qualität ersetzt werden. Jede von den beiden, welche am 6. Juni die erwähnten Tauben und je ein Taubenei bewältigt hatten, erhielt, weil ich gerade nicht mehr verfügbar hatte, am 15. desselben Monates wieder einen Spatzen. Sie hätten gewiss wieder mehr gefressen, weil sie nach diesem Bissen ihre Nachbarschaft recht rührig absuchten. Erwähnt sei noch, dass eine von diesen beiden am Halse die Haut in einem ziemlich grossen Zwickel verletzt und noch nicht vernarbt hatte, so dass ihre Wunde beim Hinabwürgen des überaus grossen Brockens wieder blutete. Bei dieser Kost zeigten sie unverkennbar das Bedürfniss nach mehr. Unter den Spatzen Avar Avohl beiläufig ein Drittel erst halbwüchsig oder noch nackt. In der ersten Hälfte August, während Avelcher im Verpflegsstand der Elaphis zwei Stück in Zuwachs kamen, mussten sich 22 solcher Mägen mit ähnlicher Futter- menge begnügen, weil ich eine erheblich grössere Beutestückzahl mit Rücksicht auf die anderen für die Elaplüs allein nicht herbeischaffen konnte. Die Spatzen sahen nicht ein, dass sie und ihre Bruten nur für meine Schlangen in die Welt gesetzt seien, und mieden bald die meinem Diener leicht zugänglichen Orte. Ich ging daher um- somehr ans Füllen der Vögel mit rohem und zuweilen selbst mit gesottenem Fleische oder auch mit zerstückelten Eidechsen und dergleichen, was Alles den Consumenten ganz gut bekam. Die Spatzen und Avas sonst zum Verfüttern bestimmt war, mussten so viele Füllung aufnehmen, als ihre Haut fassen konnte; natürlich wurden nur vorher getödtete Thiere in der Art ausgiebiger gemacht. Hühnereier behagten meinen Elaphis nur zu Anfang dieses Sommers, dann nicht mehr. Im Vorjahre nahmen sie die Hühner- eier sehr gerne während der ganzen Frässsaison. Reptilien oder niedrigere Thiere frassen meine Elaphis nie, trotzdem sie deren im Käfige hatten. Auch junge, noch nicht fusslange Exemplare der behandelten Art verschmähten Eidechsen und alles Tiefer- stehende. Da mir aber Andere (z. B. der Reptilienhändler Mulser) sagten, dass sie ihre Elaphis mit Eidechsen fütterten, ist es immerhin möglich, dass diese Nattern auch solche Nahrung nehmen. Die Spatzeneier liessen sie sich wie eine Pille ins Maul legen und förderten sie durch rasches, aber sichtlich vorsichtiges BeAvegen des Unterkiefers in den Schlund. Der Oberkiefer bleibt hiebei nahezu unthätig. Sollten diese Eier vom Boden aufgenommen werden, so hob die Schlange, sobald sie ein solches Ei mit den Kiefern erfasst hatte, gewöhnlich das Maul, um es desto leichter hinabgleiten zu lassen. Reichte ich meinen Streifennattern Taubeneier mit der Hand, so nahmen sie diese in ähnlicher Weise zu sich. Lagen Eier am Boden, so erfassten sie solche an einem Ende, stellten sie mit der Längenachse senkrecht gegen den Boden und schoben so, den Boden als Widerlager benützend, das Maul mit nach unten abgebogenem Hals und senkrecht gehaltenem Kopf über das ganze Ei, dann erhoben sie den Kopf und liessen unter Windungen des Halses das Ei hinabgleiten. Aehnlich Avie mit Taubeneiern verfahren sie mit Hühnereiern. Beim Verschlucken oder jedenfalls beim Erfassen dieser grösseren Eier kommt natürlich das Benützen fester Gegenstände zum Hineinschieben in den Hals mehr zum Ausdruck. Alle Eier wurden ganz verschluckt und nie während des Hineinwürgens zerbrochen, sondern erst unten im Halse durch Zusammenziehen der Leibeswände zerdrückt und dann schnell gegen y. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. G13 den Magen geschoben. Sie stemmten sich, um das Ei zu zerquetschen, niemals gegen einen äusseren Gegenstand, sondern bewirkten diess zumeist mit schräg emporgehobenem Vorderleibe. Einmal bemerkte ich auch, dass ein Taubenei gar nicht zerdrückt, sondern unzerbrochen in den Magen glitt, wo es dann nach etwas mehr als einer Stunde sich von aussen weich anfühlte. Verändert wird während der Verdauung die Masse der Eierschalen nicht, auch die innere Eischalenhaut blieb unverändert. In den Excrementen fand ich alle Eischalen einer Mahlzeit, in kleine Stückchen zerlegt, an dem inneren Häutchen haftend, in eine einzige längliche Wurst zusammengeballt vor. Man konnte sie ganz gut wieder von einander sondern und ganz genau bestimmen, wie viele Eier die Schlange gefressen hat. Im Uebrigen unterscheidet man im Auswurf nach einer Eiermahlzeit deutlich einen dichteren, etwas kürneligen, gelben und einen weissen Brei, beide in einer trüben Flüssigkeit. Art der Beutegewinnung. Beim Fressen lebender Thiere geht unsere Natter je nach Erforderniss zu Werke. Junge Vögel, die, wenn sie von der Schlange erfasst werden, noch nicht heftig zappeln, werden immer ohne Umstände lebend verschluckt. Sie sucht bei solchen Bissen auch nicht lange nach einer geeigneten Stelle zum Be- ginnen. Wird der Vogel von hinten oder von der Seite erfasst, so müssen sich seine widerstrebenden Beine einfach dem Maule der Schlange zurechtbiegen; erwischt sie ihn irgendwo vorne, so kommt es ihr auch gar nicht darauf an, wo der Kopf liegt und ob derselbe beim Verschlingen das Volumen vergrössert oder nicht. Nur schnell vorwärts scheint das Hauptstreben zu sein. Alte Vögel werden häufig, aber nicht immer, wenig- stens nicht, wenn sie sich leidlich ruhig verhielten, erdrosselt. Mäuse erwürgen sie stets vor dem Verschlingen. War eine Streifennatter auf der Suche nach Beute und kam mit einer laufenden Maus oder dergleichen an irgend einer Stelle ihres Leibes in Berührung, und zwar etwa bis zum letzten Körperviertel, so bog sie den berührten Tlieil so rasch als möglich der Maus oder überhaupt einem Dinge, das sie dafür halten mochte, entgegen. War ein harter Gegenstand nahe genug, um das Thier daran mit dem Leibe festzuhalten, so war das Opfer gefangen und kam nicht mehr lebend von dieser Stelle. Sogar eine ziemlich erwachsene Ratte, welche, von einer meiner Streifen- nattern verfolgt, zwischen zwei Holzwänden an der Schlange vorbeischlüpfen wollte, wurde in der Art dingfest und kalt gemacht. Spürt die Schlange, dass ein so einge- klemmtes Wesen sich regt, so geht sie mit ihrem Kopfe nicht in die Nähe, sie unter- sucht, was da festgemacht ist, erst, wenn kein Leben mehr sich äussert. Eine mit den Zähnen gefangene Beute lässt sie während des Drosselns, so lange sich darin Leben regt, nicht aus den Kiefern. Sie lässt auch oft nicht los, um zum Fressen den besten Anfangspunkt zu suchen, sondern kaut sich einfach nach einer Seite hin, oft fast um das ganze Thier herum bis zum Kopfe weiter. Die Verdauungskraft der Schlangenmägen ist jedenfalls eine gute und in Anbe- tracht der zu bewältigenden Nahrungsqualität auch schnelle. Zwei mit je einer stark über amselgrossen jungen Taube und zudem noch mit einem Taubenei gefütterte Nattern der in Rede stehenden Art hatten diesen schier unbezwingbaren Brocken, der ihnen nahezu eine Stunde tüchtige Arbeit kostete, am folgenden Vormittage schon ver- daut und noch ehe 24 Stunden um waren, die unverdaulichen Ueberreste desselben durch den After ausgeschieden. Begattung. Die Begattung beobachtete ich bei Elapliis cervone erst im Juni. Die Männchen zeigten den Geschlechtstrieb etwas früher als die Weibchen, welche, bis zum letzten Drittel dieses Monats, bei jedem Verführungsantrage der Männchen wie besessen mit dem Hinterleibe herumfahrend, Alles vereitelten. Meine Vormerkungen jenes 614 III. Naturwissenschaft. Sommers sagen, dass bis zum 25. Juni nur Begattungsversuche gemacht wurden, aber noch keine geschlechtliche Vereinigung vorgekommen war. An diesem Tage traf ich das erste Pärchen um 1 1 Uhr Mittags in dem unterirdischen Raume ihres Käfigs mit einander verbunden. Abends 7 Uhr trennten sie sich infolge unvorsichtigen Da- zwischenkommens meinerseits. Am 30. Juni, als ich, um meine Pfleglinge gelegentlich zu füttern, die verschiedenen Verstecke öffnete, traf ich auch ein Pärchen in Begattung verkittet. Die beiden Thiere lagen, an den Aftern zusammenhängend, nahe nebenein- ander, aber jedes Thier für sich zusammengerollt; sie hatten offenbar für einander kein Interesse mehr und warteten wahrscheinlich nur mehr auf die Lösung der Verbindung. Das mit dem Männchen zusammenhängende Weibchen nahm in dieser Stellung zwei ihm gereichte Spatzen und verzelrrte sie. Vielleicht hätte sie, wenn ich es ihr hätte geben können, auch mehr in dieser Verfassung gefressen. Dieses Weibchen war meine grösste Elaphis, daher jedenfalls nicht mehr jung. Einige Männchen dieser Art waren es, welche mir zeigten, dass sie zum Auffinden der Weibchen sich der Spurfähigkeit ihrer Zunge nicht zu bedienen verstehen. Die El aph is-Männchen fassten manchmal, wie ich gelegentlich mündlich von Dr. Schreiber erfuhr und selbst zu wiederholten Malen gesehen habe, ein Weibchen, um sich mit ihm geschlechtlich zu vereinigen, mit dem Maule an. Ich habe einen solchen Vorgang nur bei den Echsen, aber nie bei anderen Schlangen gesehen. Es ist' derselbe übrigens auch bei Elaphis eine seltene Ausnahme. In Begattung vereinigte Paare fand ich bis Mitte Juli. Da schon Anfangs Juni die Weibchen so stark trächtig sind, dass man die einzelnen Eier durch Befühlen unter- scheiden kann, so werden die Eier wahrscheinlich erst in einem hohen Entwicklungs- stadium befruchtet, und die Weibchen scheinen mir vor diesem Entwicklungsgrade der Eier eine Begattung nicht zuzulassen. Unter den Elaphis cervone - Weibchen waren auch, wie erwähnt, vier Stücke, welche für diesen Sommer jede Begattung durch die erwähnte Unruhe mit dem Hintertheil vereitelten. Diese waren um jene Zeit nicht trächtig und hatten vielleicht aus dieser Ursache Abneigung gegen eine Verbindung mit Männchen. Warum sie aber nicht trächtig wurden, weiss ich nicht zu sagen. Gerade diese nicht trächtig gewordenen Weibchen hatten den vorhergegangenen Winter nicht in Gefangenschaft verbracht, wesslialb auch Mangel an gewissen Lebensbedingungen nicht zu vermuthen war. Eierlegen. Das Eierlegen folgte bald — oft schon wenige Tage — nach der Be- gattung. Den ersten, etwa ein Dutzend Stück starken Eierhaufen fand ich alljährlich in der zweiten Hälfte Juli. Am 17. Juli 1887 fand ich ein Weibchen, als ich ein Versteck öffnete, über einem Haufen Eier zusammengerollt ruhen; die Eier rührten offenbar von diesem Weibchen her, da dessen Hintertheil, wie es gewöhnlich kimze Zeit nach dem Hecken der Fall ist, noch ganz faltig war. Da ich gerade Spatzen bei mir hatte, reichte ich der Schlange einen, welchen sie sofort frass. Nach diesem gab ich ihr noch zwei, welche sie auch verzehrte. Bewacht oder gar bebrütet hat sie ihren Eierschatz kaum, sonst hätte sie mich wahrscheinlich nicht ruhig herankommen lassen, sondern sie ruhte nur täglich auf dem ganz guten Polster aus. Die gelegten Eier fand ich sonst immer verlassen, oder, wenn sie auf einem den Schlangen gerade zusagenden Platz abgesetzt waren, lagen auch andere, z. B. Männchen oder selbst Schlangen anderer Art auf einem Klumpen Eier. Die Geschichten vom Eierausbrüten der Riesenschlangen in Menagerien und Thiergärten dürften darauf zurückzuführen sein, dass auch diese Schlangen so wie die meinen auf ihren Eiern liegend der Ruhe pflegten, ohne sich darum zu kümmern, ob das den Eiern nütze oder nicht, und ohne sich selbst darum zu kümmern, ob das ihre Eier oder irgendwelche andere Dinge seien, auf denen sie lagen. v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hereego vi na. 615 Dass die Körpertemperatur des zusammengerollten Weibchens höher ist als die des Männchens, wie man als wichtiges Moment in den Thiergärten von Paris und London constatirte (Brehm’s „Thierleben“, S. 327 und 335), scheint mir kein Beweis für ein Brüten. Wenn eine Schlange auf Wärmflaschen zusammengerollt Hegt, ist sie erklär- licher Weise wärmer, als wenn sie herumkriecht, ob sie jetzt Eier unter sich liegen hat oder nicht. Hätte man in den Thiergärten, wo man das Bebrüten nachweisen wollte, die Eier an eine andere Stelle des Käfigs gelegt, unter welcher die Wärmflaschen nicht waren, so wäre die Schlange wahrscheinlich nicht zu den Eiern, sondern an die Stelle, unter der die Wärmeflaschen lagen, gekrochen und hätte dann vielleicht noch höhere Temperaturen gezeigt. In der ersten Woche des August hatten alle meine Elaphls -Weibchen ihrer Eier- bürde sieh entledigt. Die Zeit des Eierlegens währt also in der Gesammtheit ungefähr so lange als die der Begattung. Jede Einzelne ergibt sich jedoch den Gelüsten der Flitterwochen eines Sommers längere Zeit als deren Folgen dauern, denn an ein Männchen schmiegt sich jedes Weibchen, wie ich gesehen habe, sogar mehrere Male; das Gebären thut die Schlange aber mit einem Male ab. Entwicklung der Jungen. Am 24. Juli fand ich in einem Ei, das ich öffnete, einen natürlich noch leblosen, doch aber schon kenntlichen fleischfarbenen, etwa 5 Cm. langen Embryo vor. Im Uebrigen bestand der Eiinhalt in Dotter und Blutadern. Die ersten Jungen krochen um Mitte September aus. Wie lange das Ei zur Entwicklung braucht, kann ich trotzdem nicht angeben, weil ich nicht wusste, ob die Jungen aus den erst gelegten Eiern oder vielleicht aus späteren Gehecken kamen, da alle Eier vereint waren. Die letzten Jungen erschienen in der ersten Octoberwoche. Die Jungen eines Geheckes entschlüpfen nicht alle zu gleicher Zeit ihren Umhüllungen. Am 15. September fand ich neun Stück, die ersten, vor. Am 26. September war noch ein gutes Viertel der Eier gefüllt vorhanden. Ich öffnete an diesem Tage ein an einer Seite verschimmeltes und stark deformirtes Ei, welches ich natürlich verdorben glaubte, und fand darin ein lebendes Junges, welches an die Luft gebracht athmete, jedoch noch nicht kriechen konnte und zu Grunde ging. Es kamen manchen Tag zwei, auch nur eines, manchen Tag oder mehrere Tage nacheinander auch gar kein Junges ans Tageslicht. Die Eierschalen, welche die Jungen verlassen hatten, waren an mehreren, manche auch nur an einer Stelle getrennt, wie mit einem sehr scharfen Messer aufgeschnitten. Diese schnittähnlichen Trennungen waren nicht alle gleich lang und manche nicht lang genug, um dem Neugeborenen den Weg in die Welt zu öffnen. Mitunter waren diese Oeffnungen, die übrigens immer geradlinig sind, alle in einen Punkt zusammenlaufend und machten dann den Eindruck einer sternförmig gesprungenen Fenstertafel. Die ver- lassenen Eierschalen waren nirgends eingedrückt, sondern hatten ihre frühere Form. Nachdem etwa zehn Junge aus den Eiern gekrochen waren, verbrachte ich manche Stunde, um auch den Hergang der Schalenberstung zu beobachten. Die schnittartige Trennung des Zusammenhanges der Eihülle bemerkte ich, ohne zu wissen, wie sie entstanden, wie etwas endlich Gefundenes, lange Gesuchtes und längst Dagewesenes. Sie war an- fangs wohl, selbst für ein gutes Auge, kaum zu bemerken. Bald entquoll ihr ein wenig Feuchtigkeit, und es erschien, wenn sich der Spalt in der Eihülle gerade an der richtigen Stelle gebildet hatte, die Schnauzenspitze des Neugeborenen. War der erste Schalensprung nicht in der Kopfnähe der Jungen, so wartete die junge Schlange ruhig auf einen anderen, der später gewiss unweit des ersten entstand. Oefter bemerkte ich mehrere solche Sprünge zu gleicher Zeit. Es entstand an einem Ei fast nie ein einziger G16 III. Naturwissenschaft. Spalt, sondern immer mehrere, darunter an Stellen, wo sie nicht nüthig waren. Das junge Thier schiebt langsam die Schnauzenspitze durch die Pforte in die W eit, und ehe sie diese gesehen, gleitet die Zunge durch den Bogen des Rostralschildchens. Der kleine angehende Räuber muss offenbar vor Allem wissen, was die Welt für einen Geschmack hat, könnte Einer sagen, der von der Lüsternheit der Schlangen fabelt. Das Junge züngelt wohl wirklich und überzeugt sich hiedurch von der Sicherheit der nächsten Umgebung. Jetzt erscheint der Kopf, und es wird innegehalten — der Aussen- welt kann man nicht sogleich trauen; im Ei war man bisher sicher und fand zu leben, draussen dürfte es vorderhand nur Feinde geben. Bios mit dem Kopfe ausserhalb der Eihülle blieb manche, der Welt misstrauend, mehr als eine Stunde. Ob sie es auch so machen, wenn der Raum aussen finster ist, kann man füglich nicht sagen. Regt sich etwas, so könnte das ein Feind sein, der Kopf verbirgt sich wieder in der Eihülle und kommt erst nach geraumer Zeit wieder zum Vorschein. Ein einziges Mal unter gewiss mehr als zwölf derartigen Beobachtungen nahm ich mir die Zeit, das gänzliche Verlassen des Eies abzuwarten. Es ist übrigens auch nicht schwer, es sich vorzustellen, ohne es gesehen zu haben. In der nunmehr der Vergänglichkeit anheimgestellten Hülle blieb etwas Flüssigkeit zurück. Das Junge fühlte sich trocken, aber sehr zart an. Alle Jungen, ob die Mutter fast schwarz oder recht licht war, hatten lichteisen- oder zinn- graue Färbung oder olivenfarbenen Grundton mit schwarzen Makeln. Die dem Ei eben entschlüpfte Elaphis ist etwa 20 Cm. lang. Gemessen habe ich eine solche nicht, blos geschätzt. Aufziehen konnte ich die Jungen leider auch nicht, Aveil ungünstige Umstände es unmöglich machten, die Nahrung zu beschaffen und ihnen Wohnungen einzurichten. Ich sandte daher einen guten Theil der jungen Brut an Dr. Schreiber mjt der Bitte, ihnen sein Wohlwollen zu widmen. Alle Jungen krochen mir nicht aus, einige wenige' Eier verdarben frühzeitig, und bei anderen schien mir, als Avenn blos die Hülle nicht hätte zur rechten Zeit platzen wollen und so das darin scheinbar A7ollkommen fertig entwickelte Junge, das somit der Luft schon bedurfte, ersticken musste. Häutung. Die Häutung erfolgt ebenfalls in nicht gleichen ZAvischenräumen. Ich fand von 18 Stücken dieser Art in der Zeit von Anfang Juni bis Mitte Juli in un- regelmässigen und kurzen ZAvischenräumen eben abgestreifte Hautschläuche in ihrem Käfige. Jedenfalls hat diejenige, welche ihre günstiger gelegene Winterwohnung früher als eine andere verlassen konnte, ihre erste Häutung auch zeitlicher besorgt und hatte daher die zweite ebenfalls früher als die Anderen erledigt. Betragen. Das Betragen der Streifenschlangen ist ein sehr ruhiges; unnütze Be- wegung meiden sie noch mehr als ihre Classenverwandten. Sie sind nicht sehr lüstern nach den Sonnenstrahlen und bleiben oft tagelang verborgen. Von meinen 22 Streifennattern, Avelclie zugleich einen Käfig bewohnten, der ihnen bei allen Be- dürfnissen und Verrichtungen hinreichenden Raum bot, zeigten sich oft nur drei oder vier. Nicht einmal den Genuss der Morgensonne sich zu \xerschaffen fanden sie der Mühe werth. Lieber erschienen sie an warmen trüben Tagen ausserhalb ihrer finsteren Winkel. Ein sinnloses Herumfahren, wenn sie erschreckt Avurden, sah ich bei Elaphis nie; hiedurch unterscheiden sich die Elaphis in ihrem Wesen auffallend Aron Zamenis, Coelopeltis und Anderen. Erschien ihnen etwas sich Näherndes nicht recht geheuer, so drückten sie sich lieber in die Ecke oder rollten sich, wo sie sich eben befanden, zusammen und fauchten, was ich bei keiner anderen Schlange gesehen habe, mit halbgeöffnetem Maule. Hielt das allein den Annähernden nicht ab, so wurde nach ihm gebissen. Dass die Streifenschlange nicht beisst, wird Niemand sagen, der sie in Käfigen gesehen hat, Avelche ihren Bedürfnissen Rechnung tragen und y. Tomasini. Skizzen aus dem Eeptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 617 so gross sind, dass die Schlangen wie im Freien sich benehmen können. Die Elaphis- Exemplare, welche ich während meines Aufenthaltes in Mostar gefangen hielt, bissen alle auch im Käfige. Es war mir eben nicht darum zu thun, meine Pfleglinge zu zähmen oder abzurichten, sondern sie in ihrem natürlichen Gebühren kennen zu lernen. Nach meinen Erfahrungen verliert eine Schlange, wenn sie zahm wird, auch die Energie des Wesens. Sie geht nicht mehr gerne an Thiere, die sie sonst leicht bewältigt, fasst auch ihre Opfer nicht mit dem ihr sonst eigenen Elan. Diejenigen, welche ich im Freien fing, Hessen sich, meist ohne sich zu regen, ergreifen; erst nachdem ich sie vom Boden aufgenommen und vollkommen im Besitze hatte, schienen sie zu merken, dass jetzt nicht mehr Alles beim Alten sei, öffneten das gegen mich gekehrte Maul und fauchten. Ihr, ich möchte fast sagen phlegmatischer Charakter Hess sie erst nach längerer Zeit erfahren, dass dieses Bangemachen allein nicht gilt, und sie bissen dann, wenn die sich bewegende Hand oder dergleichen in eine ihrem Maul erreichbare Nähe gerieth. Sie Hegen aber nach dem Einfangen fast immer, wenigstens einige Zeit lang, ganz ruhig und machen dann bei jeder ihnen bedrohlich dünkenden Wahrnehmung das Maul ein wenig, etwa halb auf, um wieder zu fauchen. Elapliis klettert geschickt. Eine Mauer mit schlechtem rauhem Anwurf bietet den Schlangen dieser Art Anhaltspunkte genug, um sie zu ersteigen, doch geschieht das Klettern anscheinend bedächtig, niemals übereilt. Den gleichen Eindruck ruft ihr Er- steigen von Geästen hervor. Der Leib wird in alle Spaltenfugen und sonstigen Ver- tiefungen gut hineingepasst. Beim Versuche, sie von einem Gegenstände, an dem sie gleichsam wie ein angewachsener Epheustamm in allen Theilen haftet, wegzunehmen, schmiegt sie sich mit aller Kraft fest an den jeweiligen Aufenthaltsort an. Im Käfige ist ihr Betragen ebenfalls ein äusserst ruhiges. Will die Streifenschlange ihr Versteck verlassen, so steckt sie für geraume Zeit vorerst nur den Kopf heraus wie ein vorsichtig sicherndes Wild, dann erst kommt sie sehr allmälig ganz zum Vorschein. Sonstige Eigentümlichkeiten. Das Bestehen, sich der Gefangenschaft zu entziehen, hat Elapliis cervone unter allen ihren Verwandten vielleicht am wenigsten, wenn der Käfig geräumig ist und Versteckräume bietet. Ich habe ihren Käfig oft lange Zeit an einer oder zwei Seiten ganz offen gelassen, ohne dass eine zu entweichen versucht hätte. Andere Schlangen fanden bald die Oeffnung. Sie entflieht höchstens, wenn ein Gegen- stand wie eine Baumkrone, eine löcherige Mauer oder dergleichen direct vom Käfige aus mit dem Kopfe erreicht werden kann. Keine Deckung gewährende Wegstrecken von wenn auch nur wenigen Klaftern durchschreitet sie bei Tage wenigstens, glaube ich, ungern und hält sich vielleicht überhaupt gerne an einem und demselben ihr zweck- mässig erscheinenden Aufenthaltsort. Als ich einmal den zur Reinigung aller Verstecke entblössten Käfig aus Unachtsamkeit offen stehen Hess und micli auf mehrere Stunden entfernte, fand ich ihn bei meiner Rückkehr auch meiner Schlangen bar. Sie fanden es doch zu unbequem, in der sonst recht behaglichen Wohnung sich heute schutzlos von der Sonne braten zu lassen und wanderten lieber aus. Eine fand ich unter der grossen, zwei Schritte von ihrem Käfige entfernten Wasserwanne, welche den caspi- sclien und gemeinen Sumpfschildkröten zum Teiche diente, eine andere hatte sich in einer Mauerecke unter das Gebüsch gedrückt und war auch nicht weiter als zehn Schritte gewandert, die dritte wurde erst nach mehreren Tagen zum ersten Male im Hofe eines unmittelbaren Nachbars und in den folgenden Tagen wiederholt gesehen, worauf sie dann von meinem Diener endlich, aber mit gebrochenem Rückgrat, abge- holt wurde. Einem Helden der entsetzten Nachbarschaft, der nur mehr mit Steinen G 1 8 III. Naturwissenschaft. bewaffnet sich sicher wähnte, gelang es, die vierte ganz umzubringen, und nur die fünfte mag unter dem Schutze der Nacht sich der ihr feindlichen Umgebung entzogen haben. Nahm ich meine Streifennattern aus dem Käfige und liess sie einen Baum er- steigen, so verweilten sie auf einem bequemen Platze oft mehr als eine Stunde; selbst kaum eingefangene benahmen sich ebenso. Im Freien wurde eine Streifenschlange an mehreren nicht aufeinander folgenden Tagen am selben Orte gesehen, schliesslich ein- gefangen und mir gebracht. Dieser vielleicht geringen Wanderlust mag ich es auch zu danken haben, dass ich wiederholt Exemplare dieser Schlangenart, welche mir infolge von Unachtsamkeit entkommen waren, wieder zurückerlangte. In der Färbung gleicht unsere Streifennatter denen aus anderen Ländern. Erwähnen will ich, dass ich in der Hercegovina ein erwachsenes, fast schwarzes Weibchen, bei welchem. gar keine Zeich- nung zu sehen war, und ein zweites Weibchen fand, welches auf nussbraunem Grunde nicht die gewöhnlichen vier Längsstreifen, sondern Querflecken trug. Auch dieses war erwachsen. Callopeltis leopardina Bp. (Leoparden natter). Allgemeines und Vorkommen. Ueber das Leben der schönsten unserer hierländischen Nattern, Avelche ich der stattlichsten folgen lassen will, habe ich leider nur wenige Er- fahrungen gesammelt, weil ich sie nur selten erhielt und zudem mit ihrer Pflege Un- glück hatte. Gingen diese schön gefärbten Nattern meiner Unachtsamkeit halber nicht durch oder zu Grunde, so wurden mir Callopeltis leopardina , natürlich wieder aus Unachtsamkeit ihres Pflegers, von den Coelopeltis lacertina oder von der ihren Ordnungs- mitgliedern nicht minder gefährlichen Zamenis gemonensis gefressen. Die Leoparden- natter ist selten und in ihrer Verbreitung auf die wirklich südländischen Theile der Hercegovina wahrscheinlich eng beschränkt. Zu Bosniens Fauna gehört sie nicht. Aus den Fundstellen glaube ich scliliessen zu können, dass sie 300 M. absoluter Höhe um nur Weniges übersteigt. Um Mostar fand ich sie nur in und zunächst der Thalsohle, doch auch hier überaus selten. Sonst erhielt ich das schöne Thierehen nur von der zu beiden Ufern der Narenta befindlichen, kaum 200 M. hohen Terrasse. Hiemit ist jedoch die Grenze des Verbreitungsgebietes durchaus nicht festgestellt. Die Leopardennatter erscheint im Frühjahre jedenfalls erst, wenn es dauernd warm und Alles schon vollständig grün geworden ist. Ich fand sie zu der Zeit noch niemals, zu welcher ich schon eine Menge Zamenis gemonensis und Coelopeltis lacertina selbst erbeutet oder von Anderen erhalten hatte. Nachdem es später überhaupt schwerer wird, die Schlangen im Freien zu bemerken, da sie, wie oben gesagt, sich mehr ver- borgen halten, und diese Natter auch der wärmeren Sonne entschieden den dann auch genügend warmen Schatten der Gebüsche oder anderer Deckungen vorzieht, sich also an offenen Stellen nicht zeigt, wird es um so schwerer, sich in ihren Besitz zu setzen. An kahlen Stellen traf ich leopardina nicht. Obgleich ich sie in Freiheit niemals im Gezweige bemerken konnte, muss ich doch glauben, dass sie auch dort zu finden sei. In der Gefangenschaft wählt sie diese Oertlichkeit sehr gerne und klettert, wenn auch nicht schnell, so doch mit sichtlicher Leichtigkeit und Geschicklichkeit. Die von mir gefangen Gehaltenen blieben oft tagelang an einer zumeist verborgenen Stelle im Blatt- werk des Strauches um die Aeste gewickelt. Ich musste oft sorgfältig suchen, um eine zu finden. Der Feuchtigkeit bedarf diese Natter entschieden; denn meine Leoparden- nattern verweilten nicht selten recht lange Zeit an feuchten Orten. Von den blos vier Stücken dieser Art, welche ich zu gleicher Zeit in einem geräumigen Käfige ver- sammeln konnte, suchten nicht alle zur selben Zeit die gleichartige Oertlichkeit auf. v. Tomasini. Skizzen aus dein Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 019 Während man eine oder zwei oben im Busche sah, musste man eine andere unter einer Ziegelplatte am Grunde der gedeckten Hohlräume ihres Käfigs suchen. Die vierte wieder hatte sich zwischen die Zinkauskleidung der Holzwanne, welche den Kellerraum des Käfigs bildete, und diese selbst hineingezwängt. Nahrung. Meine Leopardennattern erhielten als gewöhnliches Futter Mäuse. Junge, namentlich noch nackte solche Thiere und noch unbefiederte Vögel waren ihnen be- deutend lieber als erwachsene. Diese Jungen konnten aber natürlich nicht als gewöhn- liches Futter gereicht werden. Eidechsen nahmen sie, trotzdem in ihrem Käfige ihrer genug in allen möglichen Grössen zur Auswahl vorhanden waren, bei mir nie, weder die eben erwähnten vier Stücke, noch überhaupt irgend eine meines Besitzes. Die Meinung, dass Leopardennattern keine Eidechsen fressen, hatte ich schon seit langer Zeit und brachte daher auch öfter solche Nattern mit Geckos, ohne für die Sicherheit letzterer zu fürchten, in einem Käfige längere Zeit, auch über einen Monat lang, gemeinschaftlich unter. Das eben Gesagte ist nur meine persönlich gemachte Erfahrung. Ich zweifle nicht daran, dass die leopardina trotzdem doch Eidechsen frisst, da mir nicht nur der Bozener Thierhändler Mulser, dessen Angaben gewiss auf eigener Erfahrung beruhen, sondern auch Dr. Schreiber mündlich mittheilte, dass sie ihre jeweiligen Leopardennattern mit Eidechsen gefüttert hätten. Andere Schlangen gefährdet die Leopardennatter nicht. Ich hatte nur dafür zu sorgen, dass leopardina von anderen Schlangen, denen eine meinen schönen Pfleglingen nachtheilige Geschmacksrichtung eigen ist, getrennt blieb. Mit jungen oder erwach- senen Katzenschlangen, Aesculap- oder Streifennattern oder der Dünnnatter ( Zamenis Dahlii), ob jung oder alt, gemeinschaftlich gefangen gehalten, hatte sie niemals etwas zu besorgen; da blieb der Status quo, wenn nicht durch mein Verschulden verändert, stets erhalten. Dass die Tarbopliis vivax und Zamenis Dalilii an den verschiedenen Eidechsen etwas Gutes fanden, liess die Leopardennatter ganz kalt, sie wartete auf die warmblütige Nahrung und wenn es auch lange dauerte. Vogeleier gab ich der Callopeltis leopardina nie. kann daher nicht sagen, wie sie zu diesen sich verhält. Auch im Freien mögen -sie in den Feldern nach Mäusen suchen, denn ich fand einmal eine Abends auf einer Wiese, ein anderes Mal zu gleicher Tageszeit eine andere auf einem Stoppelfelde. Feinde. Von Zamenis gemonensis und dem Südtiroler Carbonarms, welche Nattern als Schlangenfresser bekannt sind, desgleichen von der Schlingnatter ( Coronella laevis), wenn sie halbwegs an Grösse der Leopardina gleichkam, hielt ich die Leopardennatter schon früher getrennt; später zeigte mir Coelopeltis lacertina, dass auch sie diese schöne Natter zum Fressen gern hat. Die Feinde, welche die Leopardennatter in den beiden erstgenannten, energisch zugreifenden Wölfen der Schlangenwelt hat, mögen auch Mit- ursache ihrer Seltenheit sein. Habitus. Der Körper der Leopardennatter macht, in die Hand genommen, den Eindruck von Strammheit und Kraft. Jeder Finger, den sie umkriecht, wird fest umschlossen. Der Leib erscheint hiebei wie ein um die Hand gespannter fleischiger Gummischlauch: fest und doch nicht hart oder steif. Betragen. Die Bewegungen des anmuthigen Thieres machen den Eindruck von Gemessenheit und, will man schmeicheln, von Grandezza. Hastiges Benehmen sah ich an Leopardennattern nie; schnell ist sie, wenn der Moment hiezu gekommen ist, so beim Ergreifen und Abtlmn der Beute. Mit Ruhe aber wird gesucht. Langsam tasten die Zungenspitzen am Boden weiter. Die Maus, welche die Schlange sich nähern sah, macht einen Sprung, die Natter einen schnellen Vorstoss, dreht schnell 02 0 III. Naturwissenschaft. den Kopf mit der durch die Zahnhäkchen in den Kiefern haftenden Maus nach einer Seite oder nach unten im Kreise, und ein Ballen aus Maus und Schlange ist im Augenblick fertig. Man hat, wenn man nicht schon recht oft solchen Vorgängen angewohnt hat, keine Idee, wie es zuging. Callopeltis Aesculapii Aid. (Aesculapnatter). Verbreitung. Die der Leopardennatter in ihrem Gebühren sehr ähnliche Aesculap- natter ist im Occupationsgebiet bedeutend weiter verbreitet als die vorbeschriebene. Sie findet sich in Bosnien so gut wie in der Hercegovina und nimmt fast mit jeder Oertliclikeit Vorlieb, wenn diese ihr nur genug Räumlichkeiten zum Verschliefen gewährt. Man findet diese Natter an Bachufern der tiefen Thäler gerade so oft wie hoch im Gebirge. Auf dem über 1300 M. hohen Grenzsattel Cemerno, zwischen Bosnien und der Hercegovina, ist Coluber oder Callopeltis Aesculapii keine Seltenheit. Sonst fand ich sie in Bosnien in Thälern von 500 — 600 M. Höhe und selbst höher (Cajnica 800 M., Plevlje) als gewöhnliche Erscheinung. Ihr auch anderwärts stellenweise häufiges Auf- treten in der Nähe von schon im Alterthume bekannten Warmbädern lässt sich auch in Bosnien beobachten, was gerade nicht sagen soll, dass sie sich nicht auch dann und wann in grösserer Anzahl an einzelnen Orten, wo alte Bäder nicht sind, seit jeher angesiedelt hat. So häufig, wie z. B. an einer Stelle bei Bruck an der Leitha, wo auf einem kleinen Raume so viele sind, dass mein dahin gesandter Diener von dort binnen kaum einer und einer halben Stunde nach seiner Angabe gewiss zehn gesehen und mir sechs Stück, darunter eine, welche 156 Cm. mass, gebracht hat, fand ich die Aesculap- schlange in unseren Ländern nirgends. Im Occupationsgebiete sammelte ich sie — häufiger als an anderen Stellen — vornehmlich in nächster Nähe der alten Warmbäder Ilidze bei Sarajevo und bei Banjaluka. Da diese Bäder schon den Römern bekannt gewesen sein sollen, wäre das ein Grund mehr für die Meinung, dass unsere heutige Aesculapnatter diejenige Schlange sei, welche, von den Römern dem Gotte Aesculap geweiht, in jenen Bädern angesiedelt wurde, um deren Heilkraft zu erhöhen, und seit jener Zeit von diesen Bädern als ihren Standorten in andere Gelände sich verbreitet habe. Findet sie sich sonst noch zumeist überall da, wo man Spuren römischer Niederlassungen entdeckt, z. B. in der Umgebung von Villach, namentlich nächst dem dortigen Warmbade, so wäre doch die Behauptung, auch die Aesculapschlange sei eine solche Spur einstiger Römer- niederlassung, eine nicht erwiesene Combination. Man muss nicht überall da, wo ein römischer Stein liegt, auch Aesculapnattern oder umgekehrt vermuthtm. In der Hercegovina müssten die Römer mit der Ansiedlung nicht viel Glück gehabt haben. Hier hätten sie der Aesculapnatter vorerst wohl das Feld herrichten und die ihrer Vermehrung jedenfalls gefährliche Zamenis cjemonensis und Coelopeltis lacertina ab- schaffen müssen. Callopeltis Aesculapii kommt in der Hercegovina überall zerstreut, aber nirgends häufig, sondern im Allgemeinen eher selten vor. Körperlänge. Wie gross Callopeltis Aesculapii im Occupationsgebiete wird, weiss ich nicht. Die grössten, mit l]/2 M. Länge, erhielt ich auffallender Weise zunächst der 1300 M. hohen bosnisch hercegovinischen Wasserscheide Cemerno. Ich traf in unseren Ländern keine so grossen wie in Südtirol, woselbst ich das grösste Stück mit 170 Cm. erhielt. Färbung. In Farbe und sonstigem Aussehen fand ich zwischen der Aesculap- natter Bosniens und der Hercegovina und derjenigen anderer Länder unserer Monarchie keinen Unterschied. Ich fand ebensogut lichte wie dunkle, weissgetupfte und ganz einfarbige. Eine einzige Natter dieser Art, die ganz, und zwar tiefschwarz, mit eher y. Tomasini. Skizzen aus dem Eeptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 621 bläulichem als bräunlichem Stich, gefärbt war, ting ich im Mai 1888 am Sumpfrande nächst Metkovic. Die Aesculapnatter liebt Feuchtigkeit und zeigt sich in der Sommerhitze nie an der Sonne. Im Käfige suchte sie, namentlich zur heissen Zeit, vornehmlich die feuchtesten Stellen auf. Begattung. Die Paarung (in der bei Elaphis angeführten Art und Weise) habe ich in der zweiten Hälfte Mai in der Hercegovina beobachtet; sie dürfte Mitte Juni abge- schlossen sein. Am 30. Mai brachte mir einer meiner Bekannten ein Aesculapmännchen, welches vor seinen Augen sich von dem mit ihm geschlechtlich verbundenen Weibchen getrennt hatte. Er hatte das Natternpaar am Ufer des Radobolj ebaches (bei Mostar) ganz knapp am Wasser — ich liess mir gleich darauf die Stelle zeigen — angetroffen und machte sich, in der Meinung, er habe nur ein Stück vor sich, mit der Absicht, sie mir zu bringen, schnell an das Einfangen. Er wunderte sich, dass die Schlange ihn so furchtlos herankommen lasse, und erkannte erst, als er sie vom Boden aufhob, dass an dieser in der Aftergegend noch eine zweite angeheftet war. Diese Zweite war mit dem Vordertheil ihres Leibes verborgen und hielt sich in ihrem Loche natür- lich so fest, dass sich die beiden Nattern beim Aufnehmen der einen trennten. Von Mitte Juni an fuchtelten die Weibchen bei Annäherung eines Artgenossen derart mit dem Hintertheile herum, dass es den allenfalls noch liebeslüsternen Männchen gar nicht anziehend schien, sich mit solchen Xanthippen weiter zu befassen; wie vor- nehm resignirend kehrten die verspäteten Freier den unwirschen Zarten verächtlich den Rücken. Eierlegen. Ihre Eier legten die Weibchen Ende Juli in irgend einem versteckten finsteren, nicht nassen Raume des Käfigs, am liebsten auf einer Ziegelplatte ab. In eine bestimmte Form brachten sie die etwa ein halbes Dutzend Stücke enthaltende Eiermenge eines Geheckes nicht. Wenn der Raum es gestattete, thürmten die Weibchen ihre Eier zu einem Haufen auf. Junge. In der zweiten Septemberhälfte erhielt ich die Jungen. Nicht alle Jungen eines Geheckes verlassen zur selben Zeit ihre Eihüllen. Es verstrichen manchmal acht und selbst mehr Tage vom Auskriechen des einen bis zu dem des nachfolgenden. Bei den Aesculapnattern hatte ich die Eier der einzelnen Gehecke von einander geschieden und konnte deshalb das Auskrieclien der einzelnen Familienzuwächse con- statiren. Die eben ausgekrochenen Jungen waren alle durchaus eisengrau von unreinem Teint und trugen auf der ganzen Oberseite zerstreut kleine dunklere Flecken, ln ihrer Färbung unterscheiden sich die neugeborenen Aesculapnattern von jenen der Elaphis cervone durch ihr dunkleres Colorit und durch die grössere Anzahl der Flecken, welche sich vom Grundtone bei jenen nicht so scharf abheben als bei diesen. Abge- sehen von diesem Merkmale zeigt Elaphis cervone auch neugeboren einen viel robusteren Habitus als Callopeltis Aesculapii. Zu welcher Zeit die Aesculapnatter die sonst an jungen Thieren dieser Art bekannte lebhafte Färbung und Zeichnung annimmt, konnte ich nicht beobachten, da cs mir an Gelegenheit fehlte, die bei mir geborenen Jungen aufzuziehen und so wachsen zu sehen. Die Eischalen, aus welchen die jungen Aesculapnattern kriechen, erhalten, genau so wie jene der Elaphis oder anderer Schlangen und auch jene der Eidechsen, Spalten an den Hüllen, durch welche das Junge das Ei verlässt. Beim Auskriechen zieht die junge Schlange sehr oft noch einen kurzen, die Nabelschnur vertretenden, 622 III. Naturwissenschaft. darmartigen, sein’ dünnen Schlauch mit sich, der etwa an der Bauchmitte angeheftet ist und bald abfällt. Die Länge der jungen Aesculapnattern beträgt beim Verlassen des Eies 12 — 13 Cm. Gleich anderen Geschöpfen, halten sicherlich die neugebornen Nattern alle anderen AVesen für nicht besser, als sie selbst in der Zukunft jenen Schwächeren gegenüber sind, welche sie zu ihrem AVohl erschaffen wähnen. Sic benehmen sich wie bei Elajphis geschildert und heissen, wenn sie das Ei verlassen haben, nach allen grösseren AVesen, welche sich ihnen nähern. Nahrung. AVie diese Kleinen sich durch das fernere Leben bringen, ist mir unbe- kannt. Neugeborene Mäuse dürften ihnen zwar zum Verschlucken nicht zu gross, aber doch zu schwer zu erlangen sein, um ausschliesslich durch solche Nahrung so gross zu werden, dass sie erwachsene Mäuse und Vögel bewältigen können. Ä eiteren Aesculap- schlangen konnte ich nur Frass von warmblütigen Thieren nachweisen. Niedrigere Thiere berührten die von mir Gepflegten nie. Unter den warmblütigen scheint aber Alles herhalten zu müssen, was sich von Schlangen dieser Grösse fressen lässt. Vogel- eier hatte ich nicht genug, um auch meine Aesculapnattern damit zu bedenken, kann daher nicht sagen, ob sie ihnen munden. In den Excrementen Eingebrachter fand ich keine Eierreste. Dafür erhielt ich aber einmal eine Quantität Fledermäuse, welche ich im Käfige der Aesculapnattern, Sandottern und Anderer vorderhand unterzubringen gedachte. Dieser ganzen Gesellschaft waren die neuen geflügelten Schicksalsgenossen sehr willkommen; sie wurden von den Wänden, Steinen, Aesten oder dergleichen her- untergeholt und von den Aesculapschlangen erdrosselt. Mancher Fledermaus musste ich, um der Schlange das Verschlucken dieser erwürgten Beute zu ermöglichen, die widerstrebenden langen Flugarme mit der Scheere abschneiden. Gefressen wurden Alle, die ich nicht rettete. Die oft ganz tüchtigen Bisse, welche die Aesculapnattern durch Hast und Unvorsichtigkeit bei der Jagd öfter von den Vipern erhielten, störten ihren Appetit ebensowenig als ihr Wohlbefinden. Winterschlaf. Die Winterherberge dürfte auch die Aesculapnatter erst verlassen, wenn das Laubdach der Sträucher sie den Blicken ihrer Feinde besser entrückt. Das dürfte in den Hochlagen z. B. beiläufig Anfangs oder Mitte Juni der Fall sein. Um so auffallender ist, dass sie dort grösser als anderswo zu werden scheint. Ich erhielt auch bei Mostar keine vor Ende März. Gebahren. An trüben Sommertagen sah ich die im Allgemeinen ruhige Natter regsamer als an sonnigen. Auf die Jagd gingen meine gefangenen Aesculapnattern, ob es Tag oder Nacht war, sobald sie der Magen hiezu mahnte. Bei Tag hörte man die M aus öfter unterirdisch quietschen oder sah eine in grosser Eile aus einem Loche fahren, der dann bald die jagende Natter folgte. Nachts war die Jagd auf dieses Wild natürlich oberirdisch erfolgreicher. Die Aesculapnatter ist, wenn es sein muss, schnell hinter den Mäusen her. Meine Nattern dieser Art erdrosselten Alles, was sie lebend fingen. Todte Thiere nahmen sie auch. Coronella laevis (Schlingnatter). Vorkommen. Die Schlingnatter ( Coronella laevis, austriaca etc.) trifft man in Bosnien an allen ihr Schutz gewährenden Orten ziemlich oft. Sie bewohnt gewiss alle Höhenlagen dieses Landes bis 1300 M. Seehöhe und geht vielleicht auch höher. In der genannten Höhe fing ich diese mitteleuropäische Natter noch wiederholt. In der Her- cegovina ist sie fast ausschliesslich in den höher gelegenen Gegenden verbreitet. Von y. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 623 Mostar nach Süden hin traf ich sie in der Thalsohle der Narenta und in anderen tieferen Thälern überhaupt gar nicht. Nur einmal während meines zweijährigen Auf- enthaltes daselbst erhielt ich ein Stück etwa zwei Meilen von der hercegovinischen Hauptstadt entfernt, Narenta-aufwärts, an einer Berglehne der Thalhegleitungshöhen, etwa 300 M. über der Thalsohle. Dass sie in den Tiefthälern dieses Gebietes ausser- ordentlich selten und wirklich nur ganz ausnahmsweise vorkommt, nehme ich aus Vorangeführtem und deshalb an, weil sie mir nur ein einziges Mal von jemandem Anderen aus der Umgebung von Mostar verschafft wurde. Die Schlingnatter ist, so viel ich erfahren, eine entschiedene Freundin vom Sonnenschein; dieser ist aber in den warmen Thälern der Hercegovina selbst für Schlangen nur in sehr beschränkten Zeitab- schnitten woldthuend, wesshalb die Schlingnatter diesen Thälern die Hochlagen, wo sie sich dem Genüsse der Sonnenstrahlen nach Belieben überlassen kann, entschieden vor- zieht. Erst im N evesinskopolj e zwischen 800 und 900 und im Gackopolje zwischen 900 und 1000 M. Seehöhe beginnt Coronella laevis in grösserer Zahl aufzutreten. Die unterste Höhengrenze, an der man sie in der Hercegovina noch regelmässig finden wird, sind Thäler von 500 M. Seehöhe. Im tiefer liegenden Terrain der Hercegovina ist sie jedenfalls schon eine Seltenheit. Sie dürfte sich im Allgemeinen mehr an mit Vegetation bedeckte Oertlichkeiten halten; zu diesen sind humusreiche ebenso wie felsige zu zählen. Nahrung. Eidechsen und Blindschleichen mögen eine Lieblingsbeute der Schling- natter sein; doch nimmt die in der Wahl der Nahrungsmittel nicht sehr scrupulöse Natter nach meiner häufig gemachten Beobachtung geradeso gerne wie Eidechsen auch andere über den Amphibien stehende Tlnere, wenn sie sich eben fressen lassen. Eine kaum acht Tage alte Schlingnatter fasste einen Eidechsen schwänz und wickelte sich in der Absicht, ihn zu erdrosseln, fest um ihn herum. Die Mauereidechse hatte nun an ihrem Schwänze noch einen kleinen Knoten zu tragen, der sie aber nicht sonderlich hinderte. Ich war recht froh, dass die in meinem Käfige Geborene auch so unverkennbare Lust zum Fressen zeigte, schnitt den Eidechsenschwanz, um nicht störend zu interveniren, mit der Scheere ab und gab so — der kindischen Einfalt zu Hilfe kommend — dem kleinen Banditen die Möglichkeit, für die nächsten Tage wenigstens sich das Leben zu sichern; dabei schadete dieser Eingriff in den Gang der Schöpfung doch auch der Eidechse wenig. Nachdem aber nicht zu erhoffen war, dass ihre Geschwister so pfiffig sein würden, dieses Beispiel nachzuahmen, ich aber doch auch die Anderen, soweit es ginge, aufziehen wollte, folgte ich dem gegebenen Hinweise auf ihren Geschmack, sperrte das junge Volk in einem kleinen Baume zu- sammen und warf, sobald ich Appetit unter den jungen Schlingnattern wähnte, einige zappelnde Stücke von Eidechsenschwänzen in den Käfig dieser Kleinen. Dieser Ver- such hatte gute Folgen. Sie nahmen die Eidechsenschwänze dann später auch, wenn sie nicht mehr zappelten, und schliesslich gingen sie auch an Fleischstückchen. Es ist also gewiss nicht schwer, junge Schlingnattern durchzubringen. Im Freien werden sie allerdings nicht an Eidechsenschwänzen sich grossfressen, finden dafür aber eben um dieselbe Zeit genug junge Eidechsen. Eine ziemlich erwachsene Schlingnatter frass mir einmal eine wenigstens gleich grosse Aesculapnatter auf. Später hielt ich diesen frechen Räuber natürlich von anderen Reptilien, deren Grösse die der Schlingnatter nicht beruhigend übertraf, getrennt. Sie waren dann gemeinschaftlich mit den Sandottern und einer Kreuzotter verwahrt. Hier kam es nicht zum Schlangenfressen, da die heftigen Vertheidigungsbisse der Gift- schlangen die Schlingnattern doch jedesmal, so oft sie es wiederholten, veranlassten, 624 III. Naturwissenschaft von ihren auf die Giftschlangen gemachten Angriffen wieder abzulassen, ehe sie diese erdrosseln konnten. In der Gesellschaft, welcher ich, wie bei der Aesculapnatter erzählt, eine Anzahl Fledermäuse beigesellte, befanden sich auch einige Schlingnattern, klein genug, um den Aesculapnattern nicht gefährlich werden zu können. Diese trachteten, da auch sic wie überhaupt der grösste Theil der Schlangen dieses Käfigs hungrig war, nun auch an der Fledermausmahlzeit theilzunehmen. Eine machte sich sogar daran, einen Flügel, den ich abgeschnitten hatte, damit eine Aesculapnatter den Körper der Fledermaus fressen könne, zu verspeisen. Von sonstigen Eigenschaften der Schlingnatter bemerkte ich keine, welche nicht schon hinlänglich bekannt und oft genug beschrieben worden wäre. Färbung. Bezüglich ihrer Färbung und Zeichnung sei noch gesagt, dass die hier- ländische Schlingnatter hierin so ziemlich mit der niederösterreichischen und unga- rischen, nicht aber mit der südtirolischen, übereinstimmt, indem bei Letzterer der Nackenfleck nur ausgerandct, niemals aber in zwei Schenkeln sich fortsetzend ver- längert ist. Bei der Schlingnatter Bosniens sowohl als auch bei derjenigen der Herce- govina ist die Nackenzeichnung stets schön entwickelt und in zwei langen Schenkeln nach hinten verlängert, doch nicht so stark wie salzburgische Exemplare, die ich bei Dr. Schreiber sah, es zeigen. Es findet sich die Schlingnatter auch in unseren beiden Ländern in verschiedenen Färbungen. Keine aber fand oder erhielt ich, welche ganz roth war wie ein Männchen dieser Art, das ich bei Kalksburg in Niederösterreich fing. Zamenis gemonensis (Pfeilnatter, Zornnatter). Vorkommen. Unter den nicht an die Nähe der Gewässer gewiesenen Schlangen des Occupationsgebietes oder genauer der Hercegovina ist Zamenis gemonensis jeden- falls die häufigste. Wenn diese lebhafte Natter auch gewisse klimatische Grenzen nicht überschreitet, so behagt ihr doch noch ein Klima, welches dem niederösterreichischen ziemlich gleich sein dürfte oder doch durchaus nicht südländischer ist als dieses. Von den — in Oesterreich wenigstens — die Alpen nach Norden hin nicht überschreitenden Schlangen ist sie nächst den Vipern diejenige, Avelche in der Wahl des Klimas für ihren Aufenthalt sich am wenigsten besorgt zeigt. Zamenis gemonensis ist in den Thälern der Narenta, Trebincica, Bregava, Krupa und in allen anderen Geländen, wo südlichere Reptilienformen auftreten, die häufigste Schlange und geht in ihrer Verbreitung auf direct von den Thälern ansteigenden Höhen bis in eine absolute Höhe von 900 M. (wo ich sie noch oft fing) bestimmt, wenn auch wahrscheinlich nicht viel höher. Zwischen 800 und 900 M. Seehöhe traf ich sie auf directen Thalbegleitungsbergen noch ziemlich häufig. Dem Nevesinjer und Gackoer Bezirk fehlt Zamenis gänzlich. In Bosnien tritt sie vielleicht, doch nicht wahrscheinlich, bei Livno auf; ich habe keine Anhaltspunkte für letzteres Vorkommen. Habitus. Die Form, in welcher die Zornnatter in der Hercegovina auftritt, ist aus- schliesslich die von Schreiber unter dem Namen gemonensis geschilderte Varietät; es kommt bei ihr jedoch öfter vor, dass der Bauch schön rothgelb ist und viele Wolken- flecke zeigt. Gross scheint sie hier nicht zu werden ; ich erhielt kein Stück, das über 120 Cm. gemessen hätte. Sie bleibt also in unserem Lande hinter ihrer schwarzen Schwester, welche dem Südwesten unserer Monarchie angehört, und welche ich besonders in Südtirol bei 500 M. Seehöhe (Valsugana) sehr häufig und selbst bei 800 M. (Val di Non, Fondo) nicht selten fand, an Länge beträchtlich zurück. v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 625 Fortpflanzung. Ueber ihre Fortpflanzung habe ich nur beobachtet, dass die Weibchen im Juli etwa ein Dutzend Eier legen. Im Käfige sah ich keine Begattung. Das Auskriechen der Jungen erzielte ich nicht. Gebahren. In ihrem Benehmen hat sie gar nichts Anmuthiges; sie muss der Conduite nach unter die ungezogenen Bengel ihrer Ordnung als vorletzte einrangirt werden. Bemerkt sie im Freien die Annäherung des Menschen und liegt sie gerade zusammengerollt, so ist das Entrollen und Verschwinden gleichsam nur ein Moment. Wie eine zusammengehaltene und plötzlich auseinanderschnellende Feder streckt sich die Spirale oder der Klumpen und taucht unter die Steine oder in das Gebüsch, gleich- sam wie ein ins Wasser getriebener Pfeil. Fasst man sie beiläufig in der Leibesmitte und hebt sie so auf, so trachtet sie nach einem schnell nach der berührten Stelle hin zuckenden Bisse sich der Hand zu entreissen und schlägt hiebei mit dem ganzen freien Leibestheile unsinnig herum. Nützt das nichts, dann heisst sie einmal, lässt aber nicht gleich wieder los, sondern kaut an der erfassten Hand einige Zeit herum, oft bis man ihr das Maul öffnet, ähnlich wie es dann und wann bekanntlich auch die Schling- natter macht, jedoch lebhafter, kräftiger und andauernder. Fasst man Zamenis gemo- nensis nahe beim Kopf, so rollt sie manchmal den Leib fest um die Hand, sperrt das Maul auf und beisst, wenn sich hiezu Gelegenheit bietet. Zuweilen schüttelt sie auch den hinteren freien Körpertheil aus Leibeskräften in Wellenlinien hin und her. Dieses Betragen behält sie auch im Käfige bei, falls er geräumig und so eingerichtet ist, dass sie bei Annäherung eines Menschen schnell sich bergen kann. Sie flüchtet dann in gleicher Art wie im Freien — mit einem Satz fast — in die andere Ecke, prallt oft blindlings an das entgegengesetzte Gitter und fährt dort so schnell als möglich in ein Loch, wenn sich bis dahin nicht früher schon ein solches bot. Im Käfige flüchtete die Zornnatter in aller Eile auch oft ins Wasser und verbarg sich darin. Sie klettert gerne und schnell, ohne sich jedoch den Zweigen eigentlich anzuschmiegen, sondern mehr wie ein elastisch schwingender Stab. Im Freien fand ich diese Zamenis- Art häufig auf Gebüschen liegend sich sonnen. Die Sonne liebt sie und fühlt sich in deren Strahlen nächst der ihr im Benehmen ähnlichen Coelopeltis lacertina und ihrer Verwandten, der Zamenis Dahlii, am längsten behaglich. Nahrung. Bezüglich der Wahl ihrer Kost macht sich die Zornnatter wenig Sorge; sie frisst viel, aber auch allerlei, will jedoch beim Jagen offenbar nicht viel riskiren und geht daher, wenn nicht der Hunger sie zwingt, nicht an die wehrfähige Smaragd- eidechse. Am liebsten hielten sich die meinigen an Mauereidechsen, deren ein Dutzend in wenigen Minuten von einer einzigen verschluckt werden konnte. Vor ihr ist von Säuge- thieren, Vögeln und Reptilien keines sicher, das dieser heftigen und gefrässigen Natter verschluckbar scheint. Wie mir gelegentlich Dr. Schreiber freundlichst mittheilte, frisst in manchen Gegenden (Istrien) die Zornnatter sogar vornehmlich Heuschrecken; auch sah der genannte Forscher eine Zamenis carhonarius eine Rana temporar ia und einmal einen grossen Schmetterling fressen. Wenn sie Heuschrecken auch in der Hercegovina gerne nimmt, kann sie bei ihrer Häufigkeit nützlich genannt werden. Mir war das unbekannt; daher versuchte ich nachlässiger Weise nicht solches Futter bei ihr anzuwenden. In den Excrementen frisch Eingefängener fand ich nie Chitin- partikel oder so spärlich, dass ich diese von verschluckten Eidechsen herrührend wähnte. Die Art des Bewältigens der Beute richtet die Zornnatter nach der Wehrfähigkeit oder eigentlich nach der Gegenwehr ihrer Opfer. Kleine Eidechsen und Vögel verschluckt sie gleich, ohne sie vorher zu tödten. Verbeisst sich eine erfasste kleine Eidechse an der Schlange, so stört das die Räuberin nicht; sie frisst weiter, und die Eidechse muss Buml 1L. 40 626 III. Naturwissenschaft. endlich loslassen. Grosse Eidechsen, sowie Mäuse u. dgl. werden schnell in die Leibes- schlingen eingerollt und sobald sie regungslos geworden gefressen. Aesculapschlangen, welche durch Umschlingen des sie fassenden Mörders sich zu befreien suchen, habe ich von der Zornnatter auch einmal drosseln und, weil die zum Opfer Erkorene gleich gross wie der Räuber war, wieder auslassen gesehen. Auch in diesem Falle trachtete die ungeberdige Zornnatter federartig schnell sich von der sie nun ängstigenden Um- schlingung der Aesculapnatter frei zu machen und schleunigst wie ein gefährdeter Verbrecher davonzufakren; weil aber die bedächtigere und in ihrem Benehmen nicht so tolle Aesculapnatter nicht ebenso verfuhr, musste sich die Zornnatter diesmal mehr Zeit lassen, als sie gewohnt war. Ich sah aber auch, dass sie Aesculapschlangen nicht erst erdrosselte, sondern heim Kopfe erfasste und mit Schnelligkeit hineinwürgte. In allen ihren Geherden und Beginnen ist die Zornnatter hastig und äusserst schnell. Eine erblickte Eidechse wird gleichsam mit einem einzigen Satz verfolgt und auch eingeholt, selbst wenn sie auf einen Strauch ins Gezweige flüchtet, erfasst und gefressen. Sogar während des Fressens zuckt sie nach einer Anderen, die sich zeigt, wenigstens mit dem Kopfe und bekundet dadurch die Begierde, sogleich wieder hinter einem neuen Opfer herzujagen. Ragt der Schwanz noch ganz aus dem Maule und bietet sich jetzt Gelegenheit, eine andere Beute zu erhaschen, so wird der günstige Augen- blick nicht versäumt. Wenn ich wollte, dass die Zornnatter keine Schlangen fresse, gab ich sie entweder blos unter ihresgleichen oder mit der robusten Eidechsennatter gemeinschaftlich in einen Käfig; da geschah nichts, es herrschte in der Gesellschaft so viel gegenseitiger Respect, dass eine der anderen nicht gefährlich wurde. Sie ruhten wie andere einander gleichgiltige Schlangen überhaupt gemeinschaftlich an einer geeigneten Stelle. Die Ringelnatter und ihre stinkenden Vettern und Basen müssen schlecht schmecken; denn die Zornnattern gingen jedesmal, wenn sie ein Mitglied dieser Familie mit der Zunge berührten, ohne weitere Neigung zu. zeigen, von ihnen weg. Nach einem springenden Frosch wandten sie den Kopf, fuhren, wenn dies allein zum Er- kennen nicht genügte, auch oft nach, benahmen sich aber dann diesem Lurch gegen- über wie gegen die Ringelnatter. Benehmen in Gefangenschaft. Im Käfige, der Coelopeltis und Zamenis enthält, ist meistens reges Treiben, da, wenn ihrer genug vorhanden sind, gewiss auch immer einige darunter sind, die Futter suchen. Führt man Jemanden hinzu, um ihn die Ge- sellschaft sehen zu lassen, so überrascht ihn ein Durcheinanderfahren, und ehe er sich zurechtfindet und erkennt, was er vor sich hat, sieht er nur mehr den Käfig und die Löcher, wohin Alles verschwunden ist. Doch lässt auch die wilde Zamenis, wenn man will, sich recht bald zähmen, lässt sich anstandslos in die Hand nehmen, aus dieser füttern u. dgl. m. Man braucht ihr nur einen Käfig anzuweisen, der ihr nicht gestattet, sich vor dem Herantretenden zu verbergen. Sie wird dann in der ersten Zeit ein wenig herumfahren und zischen, sich aber bald beruhigen und, wie man sagt, vernünftig werden. Mit der Pfeilnatter Hesse sich, wenn man es versteht, auch ein wenig „Schlangen- beschwörung“ treiben; ihr Wesen richtet sich nach den Einflüssen des Augenblickes. Sie lässt sich scheinbar erbosen, richtet sich auch — allerdings nur für einen Augen- blick — um zu beissen hoch auf, und kurz, ja im Augenblick darauf ist sie wieder lammfromm, legt wie mit Wohlbehagen und Zuneigung den Kopf auf den unterlegten Finger, kriecht ruhig an ihm empor und dergleichen mehr. Auch kann man sie, wenn sie auch eben noch so sehr erzürnt scheint, urplötzlich zusammengerollt auf dem Rücken liegend auf der flachen Hand präsentiren. Letzteres geht auch mit der Ringelnatter, v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 627 jedoch sperrt diese dann zumeist in ihrer Angst noch das Maul auf und lässt die Zunge heraushängen. Nimmt man zu dem „Schlangenbändigen“ bei der Zornnatter noch einen Dudelsack, so würden sich genug Gebildete finden, die dieses Benehmen nur für Wir- kung der Töne hielten; doch glaube ich, dass ein „Schlangenbeschwörer“, der eben nur an das Wesen seiner Schlange gewöhnt ist, mit der Pfeilnatter es nicht, weit brächte, so wenig wie ein Schuhkünstler mit ihm ungewohntem Werkzeuge einen Schuh zu Stande bringt. Zamenis trdbalis. Vorkommen in Bosnien. In Bosnien erhielt ich, und zwar blos bei Banjaluka, also in Nordbosnien, von der Gattung Zamenis nur ein einziges Mal während meines ein- jährigen Aufenthaltes in diesem Orte ein Stück. Während meines nahezu zweijährigen Aufenthaltes in Süd- und Mittelbosnien konnte ich nie einer Zamenis habhaft werden, trotzdem ich nach ihr, da mir aus Büchern ihr Vorkommen in Ungarn bekannt war, eifrig suchte und durch Andere suchen liess. Diejenige, welche ich, wie erwähnt, bei Banjaluka erhielt, gehörte, so viel ich mich an ihr Aussehen erinnere, der Form trabalis an. Sie wurde von einem einfältigen Menschen gefangen und mittelst eines hinter der Kehle durch den aufgeschnittenen Hals gezogenen Spagates an einen Stab gebunden mir gebracht. Da sie das erste Stück dieser Art war, welches ich von dort nach schon mehr als dreivierteljährigem Aufenthalte erhielt, wollte ich sie jedenfalls curirt sehen. Ich wusch ihr die verunreinigte Wunde aus und nähte dann den Riss mit Seide zu. Im Uebrigen überliess ich, sie in dem schon früher genannten Spitale unterbringend, den Process der Natur. Nach etwa vier Wochen war der Riss zugewachsen und acht Tage später der undankbare Patient bei günstiger Gelegenheit entwichen; das Spital fand ich leer. Weitere Daten konnte ich über Zamenis trabalis nicht sammeln. Zamenis Dalilii (Schlank- oder Dünimatter). Ziemlich verschieden in ihrem Totale von ihrer nächsten Verwandten, von ihr auch durchaus nicht als Verwandte respectirt, sondern, wenn sie sich in deren Nähe verirrt, ohne Zögern gefressen, ist die zarte und elegante, wenn auch in ihren Be- wegungen nicht sehr einnehmende Zamenis Dalilii , die Schlank- oder Dünnnatter, wie ich sie deutsch allenfalls nennen würde. Vorkommen. Die schöne auffallende livreegelbe Natter mit ihrem graublauen Kopf und Hals und den hübschen Augenflecken an den Halsseiten ist ein eigentlicher Süd- länder. Ihr Vorkommen ist mit dem wärmsten Klima der Hereego vina jedenfalls eng verbunden und davon abhängig. Sie steigt daher nur an Hängen oder Lehnen, welche sich direct von warmen Thälern aus erheben und daher mit dessen Klima im engsten Zusammenhänge stehen, bis nahezu 700 M. absoluter Plöhe. In dieser Höhe fand ich im Hochsommer ein Stück, alle anderen, die ich erhielt, fanden sich aber bedeutend tiefer; auch das erwähnte eine Stück mag möglicherweise sich nur zufällig so hoch verstiegen haben. Aufenthalt. In und nächst der Sohle hercegovinischer Tiefthäler ist die zarte süd- ländische Natter nicht selten. Südlich von Mostar scheint sie sogar ziemlich oft zu er- scheinen. Sie kam dort selbst zwischen die Gebäude des in Gartenanlagen situirten Truppenspitales. Ich erhielt drei Stück, welche innerhalb dieses Spitalrayons gefangen wurden; sie liefen dort einfach über die sandigen Wege und dürften sich jedenfalls wegen der daselbst häufigen grünrückigen Mauereidechsenarten Lacerta campestris und olivacea eingefunden haben. 40* 628 III. Naturwissenschaft. Die Fundstellen dieser hübschen Natter sind gleich denen anderer Schlangen sehr verschieden. Ich traf sie überall, wo es Eidechsen und Zufluchtsstätten gibt, welche gestatten, dass die überaus schlanke Natter ihren langen dünnen Leib rasch verbergen könne. Es waren diese Fundstellen weithin mit Gebüschen bedeckte Karstflächen ebenso gut wie lockere Futtermauern in Weingärten oder auch nahezu kahler Karst. An schroffen Wänden dürfte man die eilfertige Natter nicht leicht sehen, weil sich solche Orte für die schnellen und trotz der Zartheit des Thieres etwas rüden Bewegungen, welche das Benützen der geringen sich daselbst bietenden Anhaltspunkte ausschliessen, nicht eignen würden. Lebensweise, Gebahren. Ins Wasser selbst dürfte Zamenis Dahlii nur selten frei- willig sich begeben, aber sie trinkt natürlich wie überhaupt alle ihre Ordnungsver- wandten und benüthigt — - das erfuhr ich im Käfig - — Feuchtigkeit so gut wie die anderen. Auch der Karst ist nur von aussen trocken, geht man aber dahin, wo die Schlange ihre Ruhelager sucht, wird man gewiss Feuchtigkeit, wenn auch nicht Nässe finden. In geringer Tiefe unter den Steinen ist die Erde selbst im Hochsommer nicht trocken, und dort ruhen die Schlangen. So anziehend, für den Liebhaber wenigstens, das Aeussere und der Körperbau dieser schmucken schlanken Natter sich präsentirt, wenn man sie irgendwo ruhen oder in langsamer Bewegung nach Beute spähen sieht, so empfiehlt sie sich doch durch ihr übriges Benehmen nicht besonders. Wäre sie nicht so überaus zart gebaut, würde ich auch sie unter die Ungeschliffenen ihres Geschlechtes einreihen. Ihre Bewegungen haben nicht das Graziös-Schmiegsame der Leoparden- und Aesculapnatter, auch nicht das der gegen sie gigantischen Streifennatter. Die Bewegungen dieser Zamenis er- scheinen trotz der Feinheit ihres zierlichen Leibes ungeschult oder ungeschlacht. Auch sie schnellt wie eine gewaltsam eingerollte Feder auseinander wie ihre nächste Ver- wandte, die Zamenis gemonensis , und flüchtet in schnellen und dabei groben weitbogigen Serpentinen, was zweifellos nicht so ansprechend ist als die Bewegung in kleineren engen Wellenlinien, die den geschmeidigen Leib jeder kleinen Vertiefung oder Erhöhung gut anzufügen gestatten, wie solche den Elaphis, Tarhopliis, Callopeltis und Coronella eigen sind. Im Käfige fährt das bewegliche Reptil, so lange wenigstens als es mit der Erscheinung des Menschen nicht vertraut gemacht wurde, wie besessen von einer Ecke in die andere, Löcher, die unserer Natter Bergung gewähren können, hiebei, ohne sie zu bemerken, überfliehend. Sie flüchtet, wie ich öfter bemerkte, nur so weit, als der federartige Impuls des ersten Anlaufes, möchte ich sagen, sie trägt, und bleibt, wenn nur der Kopf allein im Finsteren geborgen ist, schon ruhig; sie wähnt sich jetzt schon sicher. Eingefangen heisst diese Natter und kaut auch an dem Erfassten ähnlich ihrer Verwandten; ebenso schüttelt sie auch mit dem Leibe herum, wenn man sie bloss nächst dem Kopfe am Halse festhält, und entleert sich hiebei, ihren einen scharfen, fast stechenden Duft verbreitenden Unrath nach allen Seiten schleudernd. Die flüchtige Natter klettert auch sehr schnell, pfeilartig könnte man es ver- gleichend nennen, und fährt in ihrer Hast über Zweige hinweg, welche ein gutes Drittel ihrer eigenen Länge von einander entfernt sind. W er sich zu dem, was er sieht, nach der Intensität des auf seine Nerven gemachten Eindruckes noch Bilder erdichtet, der wird gewiss darauf schwören, dass die Natter springt. Betragen im Käfige. Im Freien sah ich Zamenis Dahlii nie auf oder in dem Ge- zweige weilen, im Käfige aber benutzte sie diese Orte sehr gerne. Aus den Gezweigen flüchtet sie, wenn aufgeschreckt, wie ein hinabgestossener Stab in die Tiefe. In welcher v. Tomasini. Skizzen ans dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 629 Richtung die Flucht am zweekmässigsten sei, erwägt sie nicht lange, sie sucht ihren Schutz in der Schnelligkeit. Sie verschwindet oft im Käfige unter den Augen eines selbst geübten Pflegers, ohne dass er sehen konnte, wohin. Mir entwischten zwei, als ich, um im Käfige etwas vorzunehmen, einen grossen Gitterrahmen entfernte, über meinen Kopf und neben mir hinweg, ohne dass ich es trotz aller gewohnten und wirklich geübten sonstigen Umsicht und Schnelligkeit verhindern konnte. In den übrigen Fällen gelang es mir allerdings, solche Fluchtversuche im Beginne einzustellen. Die- jenigen aber, denen es gelang, durch das wie verzweifelt ausgeführte Anstürmen gegen mich zwischen den nach ihr haschenden Händen ins Freie zu gelangen, waren, da der Käfig in einem mit Sträuchern bepflanzten und von löcherigen Mauern umgebenen Hofe stand, im Augenblicke spurlos verschwunden. Ihrer Schnelligkeit verdankt es diese schlankste unserer europäischen Nattern jedenfalls auch, dass sie von der schlangenfressenden Coelopeltis lacertina und Zamenis viridißavus weniger als die Leopardennatter, die Aesculapnatter und die Katzenschlange zu leiden hat und infolge dessen auch häufiger als diese drei Arten zu finden ist. Um im Verborgenen zu ruhen, suchten sich meine Zamenis Dahlii gewöhnlich die engsten Räume; sie drückten sich daher in ihrem Käfige in die engen Löcher der Hohlziegel, welche den durch die darüber befindlichen Holztafeln gebildeten unteren Raum in Abtheilungen schieden. Diese Hohlziegel wurden durch den feuchten Sand, auf dem sie lagen, und durch die auf ihnen ruhenden Holztafeln oder Ziegelplatten, welche mit feuchtem Moose bedeckt waren, natürlich feucht gehalten, ohne nass zu sein. Diese Beschaffenheit schien den Schlanknattern gerade so recht zu behagen. Sie pferchten sich in diese engen Löcher oft so fest hinein, dass man Mühe hatte, sie her- vorzuholen. Es ist, um die hier wie eingekeilten Nattern herauszunehmen, einige Vor- sicht geboten, denn die behende Natter platzt dann urplötzlich hervor und stürzt pfeilartig davon. Nahrung. Die Nahrung der von mir gepflegten Zamenis Dalilii bestand blos aus. Eidechsen, und zwar nur solchen, welche die Grösse einer Mauereidechse nicht über- schritten hatten. Diese ereilten sie in voller Flucht und verzehrten sie unter schnell kauenden Kieferbewegungen, ohne sie vorher zu umschlingen, einfach sofort beim Er- fassen lebend. Drei Eidechsen zu einer Mahlzeit war die grösste Zahl, die sie in meiner Gegenwart verspeisten. Winterschlaf. Im Frühjahre traf ich diese Natter nicht früher als die Leoparden- und Streifennatter; ob sie ihr Winterquartier früher verlässt, kann ich nicht sagen, glaube es aber nicht. Von Mitte October an dürfte man sie in der Hercegovina nicht leicht mehr im Freien finden. Wie es mit dem Ueberwintern dieser Natter in der Ge- fangenschaft steht, habe ich nicht erfahren, weil ich zur Zeit der Einwinterung niemals solche Nattern besass. Zamenis Dahlii ist unter den hercegovinischen Schlangen vielleicht das einzige eigentliche Tagthier. Nach Sonnenuntergang ist sie allerdings an warmen Tagen noch rührig und verlässt selbst zur heissen Zeit schützende Deckungen während des Sonnen- scheines höchstens bei Sonnenauf- und -Untergang, ihre Thätigkeit hört aber mit ein- brechender Dunkelheit, soviel ich gesehen habe, auf. Grösse. Das grösste Stück der vorstehend behandelten Art; das ich erhielt und gemessen habe, war 105 Cm. lang. Dies ist wohl die bedeutendste Länge, welche Zamenis Dahlii in der Hercegovina noch erreichen mag. Das durchschnittliche Maximal- mass dürfte 80 Cm. kaum um Vieles überschreiten. Unter den etwa 30 Stücken der Art, welche ich zu verschiedenen Zeiten im Ganzen an lebenden und todten zusammen- 630 III. Naturwissenschaft. genommen sammeln konnte, überstieg nur eine das Mass von 1 M.; die meisten der übrigen blieben unter 80 Cm. und nur wenige erreichten gegen 90 Cm. Länge. Die grösste hatte kaum 1 Cm. Leibesdurchmesser an der dicksten Stelle. Die kleinste, welche ich erhalten konnte, mass nahe an 20 Cm. Sie war lichter als die grossen, sonst aber diesen gleich. Wie ganz junge aussehen, kann ich nicht sagen, weil es mir nicht gelang, über die Vermehrung Beobachtungen zu machen. Widerstandsfähigkeit. Zamenis Dahlii ist unter allen einheimischen Schlangen die empfindlichste und hinfälligste. Ein schwacher Druck auf ihren zarten Leib genügt, um sie zwar langsam, aber ziemlich sicher zu tödten. Von anderen Leuten eingefangene Nattern dieser Art erhielt ich häufig entweder schon todt, oder sie gingen nach nicht langer Zeit zu Grunde. Sie erbrachen oft halbverdaute Eidechsen, welche sie bei ihrer wahrscheinlich für sie zu rüden Gefangennahme im Leibe hatten, wenige Tage, nach- dem sie mir eingebracht worden waren. Ich schreibe dies entschieden dem zu derben Anfassen beim Einfangen und nicht dem Widerwillen gegen die Gefangenschaft zu; denn nicht grob angefasste und nicht gequetschte Schlanknattern gingen stets gleich ans Futter. Coelopeltis lacertina (Eidecliseiiiiatter). Weil der eben beschriebenen nahen Verwandten in Gebahren und Lebensweise ähnlicher als anderen Gliedern der Ordnung, wenn auch ihrer bedeutenderen Grösse Und ihrem viel robusteren Körperbau entsprechend ungleich derber, soll die wilde Coelo- peltis lacertina hier angereiht werden, ob dieser Nachbarplatz auch der wissenschaft- lichen Systematik entspricht oder nicht. Um diese kann es sich bei der mehr das Leben schildernden Anführung der wenigen hier heimischen Arten überhaupt nicht handeln. Zählte ich die Pfeilnatter ihres Gebahrens halber zu den Bengeln der Schlangen- welt, so gehört nach dieser Beurtheilung Coelopeltis lacertina zu den Furien. „Die ist der leibhaftige Teufel“, sagte mein Diener von ihr. Wenn sie grösser würde, wäre sie eine ganz geeignete Grundlage zu schauerlichen Ausmalungen für romantische Naturen. Will man sie zarter und schmeichelnd beurtheilen, kann man sie auch ganz gut einen feurigen Südländer nennen; ich halte aber die erste rückhaltslosere Qualification für die treffendere. Vorkommen. Ein eigentlicher Südländer in Bezug auf unsere Länder ist die Modi’ass wohl wirklich, wenn auch in anderem Sinne. Sie hält sich nämlich knapp an das süd- ländische Klima. Ich fand sie selbst in direct gegen warme Thäler abfallenden Ter- rains, über 500 M. Seehöhe nicht mehr; auch brachte mir, obwohl ich von anderen Leuten ziemlich viele dieser Art erhielt, Niemand eine Coelopeltis , welche aus solcher Höhe stammte. Wo nach aufwärts hin die Sandotter eigentlich beginnt, hört die Eidechsennatter auf oder, auf die andere bezogen, besser umgekehrt. Innerhalb der Grenzen des längsten Sommers ist ihr jeder Platz recht, der so beschaffen ist, dass sie, wenn nöthig, mit einem Satze verschwinden kann. In der Nähe von Ortschaften, d. h. in bebauten Gegenden, fand ich unsere Coelopeltis häufiger; jedenfalls nicht den Menschen zu Liebe, wohl aber weil es dort meist auch mehr oder verschiedenerlei Opferthiere gibt. In Bosnien kommt diese südländische Natter natürlich ebenso wenig vor als die vorherstehende. Sie verbreitet sich auch in der Hereego vina jedenfalls nicht weiter landeinwärts, als die Vegetation des südländischen Küstengebietes reicht. Winterruhe. Die Eidechsennatter ist, von Tropidonotus abgesehen, nächst Zamenis viridißavus die erste mit dem Beginnen des Sommerlebens, mag zuweilen sogar früher v. Tomasini. Skizzen aus clem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 631 als diese ihre Winterschutzhöhlen verlassen. Ich traf sie schon, noch ehe ein grünes Blatt an einem Strauche zu sehen war. Im Herbste ist sie, wenn nicht ganz, so doch so ziemlich die letzte, welche sich zurückzieht. Gelegentlich einer Jagd am 23. No- vember 1875 in der Umgebung Mostars schoss mein Nachbar schütze auf eine Schlange, welche sich in einen Strauch verkrochen hatte. Ich erkannte sie als Coelopeltis lacertina und nahm, sie, weil sie unverletzt geblieben war, mit mir. Jener Tag war noch dazu trüb und infolge dessen als Herbsttag auch nicht warm, die Schlange auch durchaus nicht so schnell und toll als an warmen Tagen, welche ihre Muskeln rührig machen. Nahrung. Zur Nahrung wählt die Eidechsennatter dieselben Thiere wie Zamenis gemonensis, mit wahrscheinlicher Ausnahme der Heuschrecken, welche die vorgenannte wie erwähnt, frisst. Sie geht jedoch ohne Zögern auch an die grössten Smaragd- eidechsen. Ich habe gesehen, dass eine flüchtende, von der Natter dann für einen Moment in einem Winkel blockirte, sehr starke Smaragdeidechse mit offenem Rachen den er- kannten Feind erwartete und sich im Augenblicke des Ergriffen Werdens in den Hals der Natter verbiss. Die Entschiedenheit des Angriffes und die bedeutende Muskel- kraft der Schlange spotteten aber der verzweifelten Gegenwehr der jedenfalls mit aller Kraft ihre Kiefer gebrauchenden Gefangenen. Sie wurde im nächsten Augenblicke ein- gerollt. Noch ehe dies vollendet war, krümmte die Eidechse, um in die sie am Hinter- leibe mit dem Maule fassende Schlange beissen zu können, den Vorderleib nach hinten und biss die Schlange in den Unterkiefer. Die Schlange rollte nun, was zu finden war, zusammen. Der Vorder- und der Hinterleib des Opfers wurden hiedurch aneinander- gedrückt und so mit dessen Leben auch die verzweifelte Gegenwehr um so schneller abgethan. Coelopeltis ist im Erjagen ihrer Beute die ungestümste aller verwandten Arten unserer Länder. Sie ist so gierig, dass sie oft sofort, wenn sie ein Opfer sieht, das Maul öffnet und mit halboffenem Maule, was andere Schlangen nur in seltenen Aus- nahmsfallen thun, hinter ihrer Beute herjagt. Mit der Kraft ihres Opfers wird nicht gerechnet, sie hat das Gefühl, mit Schnelligkeit und Heftigkeit dieses zu vernichten, und erreicht zumeist dieses erstrebte Ziel. Bei erfolgreicher Gegenwehr, d. i. wenn es dem Beutethiere gelingt, die Schlange am Kopfe ordentlich mit den Kiefern zu fassen, entrollt sich Coelopeltis plötzlich wie mit einem Schlage und fährt schleunigst pfeilartig ab. Andere Schlangen haben in unserer Coelopeltis einen gefährlichen Feind. Nur die stinkende Sippe der Tropidonotus hat gar keine Ursache, sich so geängstigt und er- regt zu geberclen, als sie es thut, wenn man sie mit der robusten Eidechsennatter zu- sammensperrt. Letztere behandelt diesen ihr abscheulichen Ausbund ihrer Verwandtschaft ebenso, wie es die Zornnatter thut. Ich sperrte, nachdem ich die schlimme Eigenschaft der Eidechsennatter anderen Schlangen gegenüber zu meinem Leidwesen erfahren hatte, durch mehrere Monate zwei Würfelnattern und drei Ringelnattern in den Käfig, in welchem mehr als 20 Coelopeltis hausten, und liess die Grubennattern (Coelopeltis) ordentlich zu Appetit kommen, ehe ich ihnen anderweitige Nahrung reichte; doch that keine den ihr widerwärtigen Gesellschaftern mehr, als sie mit der Zunge berühren. Die Kielrückennattern legten ihre Scheu gegen ihre, ihnen anfangs höchst unheimlichen Mitbewohner ab und frassen dann ihre Frösche und dergleichen, ohne sich weiter an die Gelüste der anderen Räuber zu kehren. Von der Eidechsennatter erfasste Zorn- nattern reissen sich gleich los, ehe es zum Drosseln kommt. Werden Zamenis gemonensis von Coelopeltis erschnappt, so wird sofort schnell entgegengebissen und zugleich mit dem ganzen Leibe tüchtig herumgeschlagen; Coelopeltis lässt los und gemonensis fährt wie eine losgeschnellte Feder ab. Da Zamenis gemonensis die einzige unserer Schlangen ist, welche sich dank ihrer kräftigen Gegenwehr von der räuberischen Coelopeltis nichts 632 III. Naturwissenschaft. anhaben lässt, ist sie auch häufiger als alle übrigen, denen die Eidechsennatter bei- kann. Vögel werden auch von dieser Natter gewöhnlich nicht erdrosselt, sondern, wenn sich’s trifft, ohne Umstände verschlungen. Ebenso verfährt sie mit den ihr sehr erwünschten kleinen Lacerten. Eine über meterlange Eidechsennatter frisst nahezu 20 solcher Thier- chen zu einer Mahlzeit. Mäuse werden von ihnen gerade so abgethan wie von anderen Nattern, welche diese Nager zum Futter nehmen; jedoch ist ihre Jagdweise auch im Er- beuten dieser Thierart verschieden von derjenigen der Aesculap- und der Leopardennatter, sowie von der der grossen Streifennatter, welche letztgenannten Schlangen meist, wenn auch nicht immer, vorsichtig, den Angriff scheinbar erwägend, oft sogar trotz Hunger zögernd an diese scharfzahnigen Nager heranrücken. Coelopeltis lacertina fährt ge- wöhnlich schnell und meist mit etwas erhobenem Kopfe gerade aus auf dieses wie auf jedes andere Opfer los, und hätte es sich zur verzweifeltsten Gegenwehr entschlossen, in noch so grimmige Kampfposition gestellt - — ein Quietscher, und die diebische Seele gehört den Winden, der Leib des kleinen Haus- oder Feldschmarotzers aber der Schlange. Ueberrascht man diese energische Räuberin während ihres Würgens, so lässt sie nicht, wie die anderen Schlangenarten, blos auf heiles Davonkommen bedacht, zumeist thun, ihre Beute fahren, sondern packt sie, wenn es halbwegs sein kann, zusammen und zieht mit ihr schleunigst an einen anderen Ort. So lange die Eidechsennatter andere Nahrung, namentlich die am bequemsten zu verspeisende kleine Mauereidechse in genügender Menge hat, scheint sie an der etwas zu zähen Schlangenhaut weniger Gefallen zu finden. Sie vergreift sich dann wohl auch, doch nicht regelmässig, an Schlangen; wenn aber das Lieblingsfutter mangelt, ist es um die Ordnungsgenossen, die sich bezwingen lassen, geschehen, sobald das tückische Ge- schick sie in die gefährliche Nähe ihrer raubmörderischen Verwandten führt. Während einer vierzehntägigen Abwesenheit von meinen Schlangenkäfigen liess ich einige Coelo- peltis lacertina aus Unachtsamkeit im Käfige anderer, mit einander gut harmonirender Schlangen zurück und fand bei meiner Rückkunft einen erheblichen Abgang unter denen vor, welche kleiner waren als die zugesellten Räuber. Es wurden von vier oder fünf nicht hungrig, sondern gut gefüttert zurückgelassenen Coelopeltis , welche eben, nachdem sie gefressen hatten, unterdessen zu den anderen Schlangen gesetzt und dort vergessen wurden, also von den wenigen Eidechsennattern, eine pechschwarze und von mir deshalb geschätzte Aesculapnatter, zwei Leopardennattern, vier Katzenschlangen und drei oder vier Schlanknattern (Zamenis Dahlii) gefressen. Entkommen konnten die Fehlenden nicht sein, da nur die Aufgezählten und nicht auch die ganz kleinen Eidechsennattern, welche ich mit den anderen Schlangen in diesem Käfige hielt, abhanden gekommen waren; auch waren die jungen noch gefleckten Blavore (Pseudopus apus ), sowie ganz kleine Exemplare verschiedener Natterarten bei meiner Wiederkehr noch vorhanden. Ein anderes Mal setzte ich eine 35 Cm. lange Coelopeltis lacertina und eine nahezu einen halben Meter lange Tarbophis vivax gemeinschaftlich in eine leere, mit Glas gedeckte Schachtel, um diese beiden daselbst mit kleinen Eidechsen zu füttern, und entfernte mich in dem guten Glauben, dort könne nichts Anderes geschehen, als dass die Eidechsen gefressen würden; es waren ihrer so viele, dass beide Schlangen davon genug erhalten konnten. Bei meiner Rückkehr nach etwa einer Stunde fand ich noch einige Eidechsen am Leben, während die todte Katzenschlange zur Hälfte der kleineren Mörderin aus dem Maule ragte. Zum Verschlucken war die Katzenschlange der Eidechsen- natter, umsomehr als letztere ihrem Magen durch eine oder zwei Eidechsen schon eine zu 633 v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. starke Grundlage gegeben hatte, doch zu gross, und so würgte sie die halbverschluckte Katzenschlange wieder hervor, behielt aber die Eidechsen im Magen. Sonst geschieht das nicht so; wenn Schlangen sich mit Frass überfüllen, speien sie alles in und vor dem Magen Gelegene wieder aus. Dem Scheltopusik scheinen unsere Modrass (lacertina) überhaupt nichts anhaben zu wollen; der hat ihnen offenbar eine gar zu harte Hülle, um zum Verspeisen einzuladen. Bei mir vergriffen sich die Eidechsennattern an dieser Panzerschleiche niemals. Sie zeigten auch gar keine Lust, es zu hindern, wenn ein solcher stiller Genosse ihnen einmal eine Eidechse, welche sie eben fressen wollten, aus dem Maule nahm. Es blieb da schliesslich auch selbst der ungestümen Eidechsennatter nichts übrig, als die Beute loszulassen und sich um etwas Anderes umzusehen, denn was dieser Hartkopf einmal in seinen wie eine Eisenzange sich schliessenden Kiefern hat, kriegt eine Schlange nicht mehr hervor. Sich unter den Kiefern desselben an der Beute vorwärts arbeitend hineinzufressen, was, wie früher gesagt, Schlangen, wenn sie bei solcher Gelegenheit aneinander gerathen, gern tlmn, wäre hier selbst wenn es ginge durchaus nicht rathsam. Will die Schlange nicht loslassen, so dreht sich der Schelto- pusik, wie oben gesagt, seiner Länge nach schnell um sich. Diesen wilden Tanz kann die Schlange doch nicht mitmachen und trachtet davonzukommen. Verhältniss zu Giftschlangen. Wie sich Coelopeltis lacertina der Sandotter oder überhaupt Giftschlangen gegenüber thatsächlich verhält, habe ich nicht gesehen; denn zu jener Zeit, als ich beide gemeinschaftlich in einem Käfige hielt, verschmähten die Eidechsennattern überhaupt jedes Futter, und später, als ich die Eidechsennatter ans Futter brachte, hatte ich keine Vipern, weil ich Giftschlangen meiner schreckhaften Nachbarin halber nicht lebend im Hause halten wollte. Jedenfalls ist es sehr auffallend, dass die Sand- und Kreuzotter da, wo die Eidechsennatter häufig ist, so gut wie gar nicht vorkommt, während sie, wo erster e des Klimas wegen aufliüi't, gleich zahlreich auftritt. Es würde dieses Factum, welches ich aufmerksam verfolgte und überall vor- fand, wohin ich kam, die Vermuthung veranlassen, dass die Eidechsennatter die Sand- otter verdränge. Von der Kreuzotter brauchte diess nicht zu gelten, weil diese Gift- schlange dem Verbreitungsbezirk der Eidechsennatter nirgends sich nähern dürfte. Gebahren und Bewegung. In ihrem Wesen ist unsere Modrass durch ihr Ungestüm und durch ihre Derbheit der Zornnatter ähnlich, übertrifft diese jedoch hierin noch durch ihre Furienhaftigkeit. In ihren Geberden liegt nichts anmuthig schmiegsam Glattes, sie ist ungeschlacht, unpolirt oder, wenn man will, von flammender Lebhaftigkeit, um nach äusserem Scheine poetischer, oberflächlicher ihr Wesen darzustellen. Lebhaft und selbst kokett erscheint unsere allerdings hübsch gestaltete Natter schon in ihrer gewöhnlichen Haltung, durch ihren fast immer erhoben getragenen, hübsch geformten Kopf, mit den infolge ihrer vertieften Stellung in der concaven Zügelgegend unter den aufwärts geschwungenen stark vorspringenden Oberaugenschildern klug und aufmerksam aus- sehenden Augen. Die Augen machen zudem noch durch ihre bedeutende Grösse und schöne Farbe den Eindruck des Feurigen. Das Thier mag hiernach dem nach Ein- drücken auf das seelische Empfinden etwas phantastisch urtheilenden Liebhaber klug, würdevoll und elegant erscheinen. Nach dem, was ich von ihr erfahren habe, hat die Eidechsennatter von diesen schönen scheinbaren Eigenschaften nur die letztere und auch diese nur, wenn sie mit erhobenem, im Nacken schön und zierlich abgebogenem, wagrecht gehaltenem Kopfe ihre Umgebung überblickt, doch nicht mehr wenn sie jagt oder sich sonst schnell bewegt. Die Eidechsennatter ist ihren mächtigeren Feinden gegenüber eine sehr vorsichtige und aufmerksame Schlange; es ist schwerer sich ihr zu nähern, als jeder anderen 634 III. Naturwissenschaft. Schlange. Sohalcl sie etwas Verdächtiges sich regen sieht, erhebt sie schnell, etwa auf ein Sechstel oder selbst Fünftel ihrer Leibeslänge, nach der ihr verdächtigen Richtung den Kopf. Rührt sich jetzt der vermeintliche Feind auch nur im Geringsten in seinen Umrissen, so ist die Schlange zumeist im nächsten Augenblick spurlos verschwunden. Die Art der Bewegung unserer Coelopeltis ist wie bei Zamenis geschildert, er- scheint aber kräftiger, federartig. Beim Einfangen benimmt sie sich ebenso wie Zamenis gemonensis, ihr Beissen ist aber kräftiger, und ihr Körper erscheint von derberer Con- sistenz. Ist sie in einem Strauch verborgen, so zischt sie, wie bekannt und wie sich in Büchern erwähnt findet, äusserst laut und anhaltend, aber — wie ich häutig erfah- ren — meistens nur dann, wenn sich kein Loch zum weiteren Verschwinden findet, oder wenn sie sich in ihrem Verstecke nicht ganz sicher fühlt. Das geängstigte Thier, das sich überhaupt nicht besonnen zeigt, sondern auf Alles los- oder — wenn es gefährlich scheint — blindlings davonstürmt, sieht einfach durch den Strauch hindurch den sich regenden Feind und kennt in seiner hilflosen Angst kein anderes Mittel als zu zischen; hätte es eine Stimme, so würde es, wie unbesonnene Weiber thun, wenn sie in Angst gerathen, schreien ohne zu denken, ob das etwas nütze, oder ob es gar mehr schade als nütze. Im Käfige benimmt sich diese Schlange, so lange sie sich den Umständen nicht angepasst hat, ebenso, weil sie eben auch in der Gefangenschaft meistens keine Zufluchtsorte findet, in denen sie sich sicher fühlt, und wird dann für zornig und bös- artig oder dergleichen erklärt. Die Eidechsennatter zischt in ihrer Angst manchmal auch in einem guten Verstecke noch weiter, wie auch ein erschrecktes Kind im Schoosse der Mutter noch weiter schreit. Der Glaube, dass Schlangen zornig werden können, konnte sich mir, selbst bei dem heftigen, erbost scheinenden Wesen unserer Grubennatter nicht dauernd einleben, da ich sie niemals über eine andere Schlange, über eine Eidechse, eine Maus, über einen Vogel oder über einen Gegner, der ihm die Beute nimmt, in einer Stimmung sah, die man für Zorn halten sollte, selbst dann nicht, Avenn derlei Wesen in frechster Herausforderung das sehnsüchtigste Vorhaben der Schlange vereitelten. Schnelligkeit und Ungestüm oder Derbheit sind noch nicht Zorn; die Natter müsste also gerade nur über im Verhältnisse zu ihr enorm grosse und mächtige Feinde, Avie der Mensch, deren Anblick ihr vor Allem tüchtig Angst einjagt, in Zorn gerathen. Diese Ansicht schien mir doch zu wenig verfechtbar, um unbedingten Glauben zu verdienen; denn ein Geschöpf, das über Ein Wesen in Zorn geräth, ärgert sich nicht ausschliess- lich über das Eine allein, besonders wenn dieses übermächtig, in erschreckender Gestalt und noch dazu vielleicht zum ersten Male im Leben von ihm gesehen Avird. Tag- und Nachtleben. Nach den Sqnnenstrahlen äussert Coelopeltis mehr Bedürfniss als alle ihre Verwandten im Lande. Sie fühlt sich in ihnen so lange behaglich Avie die Eidechsen, welche sonst länger als Schlangen in starkem Sonnenschein verweilen. Sie erträgt die Sonnenhitze sogar länger als die Eidechsen. Wenn wegen zu wannen Sonnenscheines gar kein Reptil mehr ausserhalb des Schattens bleiben Avollte, fand ich oftmals noch mehrere Eidechsennattern an schattenlosen Stellen ruhend oder kriechend. Ins Wasser selbst legte sich dann und wann auch eine meiner Gefangenen dieser Art, doch geschah dies ziemlich selten. Wurde um die Mittagszeit des Hochsommers die Sonne gar zu warm, so krochen sie am liebsten in die Laubkronen des Gebüsches ihres Käfiges. Die unteren Räume suchten sie nur bei der Flucht und während der Nacht auf, während dieser aber nicht regelmässig. Im Frühjahre und Herbste zogen sich meine Coelopeltis gleich den anderen Schlangen bei trüber kühler Witterung in die tiefen, finsteren Bergungen des Käfigs zurück. Im Sommer verbargen sie sich, Avenn v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 635 es trüb wurde, zumeist nicht, sondern lagen entweder ruhig am Tageslicht oder jagten. Nachts ist die Eidechsennatter meistens unthätig, doch, wenn sich Gelegenheit zum Fressen bietet, auch raublustig. Ich fand bei meiner abendlichen Heimkehr manchmal von meinem Diener gesammeltes Futter vor, welches ich, wenn es schon dunkel war, mit der Lampe an den Käfig tretend, den Schlangen reichte. An einem solchen Abend zählte ich etwa einem halben Dutzend fresslustiger Coelopeltis 42 Mauereidechsen vor. Alle erschienen allerdings nicht bei diesem Souper; aber es kamen auch bei Wiederholungen solcher Abendmahle nicht immer dieselben aus ihren Verstecken her- vor. Gab ich Abends Mäuse in den Käfig, den die Grubennattern allein bewohnten, so war des Morgens selten mehr eine da. Trotzdem kann man diese Natter mehr für ein Tagthier halten; denn Nachts pflegt sie gewöhnlich der Ruhe. Fortpflanzung. Von der Fortpflanzung der Coelopeltis lacertina weiss ich aus eigener Beobachtung nur, dass die Weibchen um Mitte Juli mit dem Eierlegen beginnen und in demselben Monate damit endigen. Die Anzahl der Eiergelege ist nach der Grösse der Mutter verschieden; ich fand zwischen 4 und 12 Stück Eier. Im October fand ich im Freien neugeborne, licht graubraune, schön dunkel gefleckte Junge. Ich brachte hindernder Umstände halber die Coelopeltis- Eier nicht zum Auskriechen. Die Begattung sah ich weder in meinem Käfige, noch im Freien. Den Anblick sich in ihrer Freiheit begattender Schlangen zu gemessen, ist über- haupt ein seltener Zufall, der nur bei der Kreuzotter öfters Vorkommen mag; meine Käfige, in denen die Eidechsennattern wohl ungenirt ans Rauben und Fressen gingen, dürften diesen anspruchsvollen Bewohnern zum Paaren doch nicht comfortable genug gewesen sein. Färbung. In der Hercegovina erscheint Coelopeltis in der gefleckten und in der einfärbigen, als Coelopeltis Neumciyeri beschriebenen Varietät. Die einfarbige Abart wird grösser, die gefleckte fand ich nicht über 120 Cm. lang. Diese Letztere ist am Bauche besonders schön marmorartig, weiss, gelb und roth, dann namentlich an der Kehle, mit blau untermischt gefleckt. Die Einfarbige ist in der Kehlgegend ebenfalls lebhaft, aber matter als die Andere gefärbt. Der Kopf der Einfarbigen ist meist gelblich ölgraugrün, häufig in sehr lichtem Tone. An dem Halse, und nicht gerade selten auch an den Leibesseiten, findet sich bei unserer Coelopeltis hie und da ein auf- fallender blutrother Fleck. Ertragen der Gefangenschaft. Dass Coelopeltis lacertina in der Gefangenschaft kein Futter nimmt, niemals vertraut wird und bald zu Grunde geht, habe ich gelesen und in den ersten Jahren, in denen ich dieses Reptil in meinem Käfige hielt, auch selbst bestätigt gefunden; doch liess ich mich’s nicht verdriessen, es abermals zu ver- suchen, das widerspenstige Geschöpf von diesen schlimmen Eigenschaften zu bekehren. Ich brachte zu diesem Zwecke im Sommer 1886, dem ersten, an welchem ich eine bedeutende Zahl Eidechsennattern gleich im Frühjahr sammeln konnte, diese Wild- linge nicht in einem meiner gewöhnlichen Reptilienkäfige unter, deren durchsichtige Gitterwände sie nicht vor den zu häufigen Behelligungen durch sie ängstigende Er- scheinungen bewahrten, sondern nahm eine grosse, tiefe Kiste, bedeckte deren Boden als Unterlage mit feuchtem Sande und füllte die Kiste bis über die halbe Höhe (circa J/2 M.) mit groben Steinen, welche ich mit Moos untermischte und theilweise deckte, um unterirdische finstere und sicher bergende Räume möglichst nachzuahmen. Dieser Steinhaufen wurde in Form eines Hanges von der einen gegen die andere Stirnseite der Kiste abgeböscht und noch eine geräumige tiefe Wasserschüssel zwischen den Steinen in die Kiste gestellt. Diesen Versuchskäfig stellte ich an einem gut besonnten Platze 636 III. Naturwissenschaft. so auf, dass Beunruhigungen durch Menschen ausgeschlossen waren. Das Ergehniss war, dass die Schlangen die ihnen zugesellten Beutethiere sofort verschwinden machten. Jetzt stellte ich die Kiste tiefer, so dass die Thiere, wenn sie sich ausserhalb ihres durchlochten Hügels befanden, Menschen wohl sehen, aber auch, sofort vor diesen flüch- tend, in den finsteren Innenräumen sich geborgen fühlen konnten. Trat man hinzu, so waren im selben Augenblick alle diese scheuen Nattern unter die Steine gleichsam unter- getaucht und dies deshalb besonders schnell, weil sie ihre nie veränderten Löcher gewohn- heitsmässig sofort fanden. Hier hörte man höchst selten eine Modrass zischen, sondern sah sie nur urplötzlich verschwinden. Die Eidechsennattern fühlten sich in diesem Auf- enthaltsorte recht heimisch und behaglich und frassen, wenn sie nichts Verdächtiges wähnten, von nun an regelmässig das gebotene Futter. Die Annäherung von Menschen liess ich nun öfter und öfter zu; die Schlangen gewöhnten sich an die nicht gefährlichen Zuseher und verkrochen sich schliesslich kaum mehr, selbst wenn die Umstehenden sich auffallend bewegten. Sie waren so leidlich gezähmt und für den durchsichtigen Käfig- geschult. Den Käfig richtete ich ihnen aber so ein, dass die den Menschen noch immer nicht für harmlos haltenden Schlangen sich, wenn sie wollten, schnell ins Finstere ver- kriechen konnten. Auch in diesem Käfige frassen sie nun weiter. Im nächsten Frühjahre liess ich die mir wenig zusagende Kiste weg und setzte die Eidechsennattern gleich den Anderen in den ihren Stimmungen und Verlangen Rechnung tragenden Käfig und hatte vollauf zu thun, um halbwegs hinreichend Futter für ihren stets regen Appetit zu beschaffen. Dass die Eidechsennatter der Gefangenschaft halber nicht zum Kost- verächter wird, erfuhr ich auch gelegentlich eines Besuches bei Dr. Schreiber. Tropidonotus natrix (Ringelnatter). Vorkommen. Die Sippe der Tropidonotus ist, Avie überall in unserem Erdtheile, so auch hier eine gemeine und Aveitverbreitete Schlangengattung. In den ausgedehnten Sumpflandschaften der unteren Narenta, Bregava, des Trebizat und anderer Flüsse, sowie an versumpften Flächen der Flussmittel- und Oberläufe ist die Ringelnatter auch im Occupationsgebiete an so vielen Stellen massenhaft, dass deren Aufenthaltsorte nicht auf- gezählt werden können. Tropidonotus natrix und tesselatus finden sich überall gemein- schaftlich vor. Wo es Frösche gibt, trifft man auch diese beiden Nattern. Ihre Lebens- Aveise ist von der sehr bekannten nordischen Schwester nicht \Terschieden. Varietäten. In den warmen Landschaften der Hercegovina sieht man häufig auf- fallende und schöne Formen von natrix. Vielleicht durch Umbildung in diese mehr südlichen Erscheinungen wird das Auftreten der nordischen Stammform mehr ver- drängt. Unter allen besonders häufig ist die von mir in Südtirol noch im über 900 M. hohen Fleimsthale angetroffene pechschAvarze Ringelnatter, welche auch hier nicht selten licht getüpfelt ist. Man sieht sie aber auch dunkel-, eisen- oder schwarzgrau und so in Uebergängen bis zur Färbung der gemeinen Stammform. Auffallend erschien mir die schön braune Abart, welche in der Färbung eigentlich nur mehr am Bauche der gewöhnlichen Ringelnatter oder der TropidonotusSippe über- haupt ähnlich ist. Diese Varietät ist schon in ihrer Leibesgestalt von ihren Geschwistern verschieden; ihr Leib zeigt eine seitlich zusammengedrückte, mehr hohe als runde Form. Der Körper dieser Abart fühlt sich muskelkräftigev und strammer, nicht so schlaff wie der der gewöhnlichen natrix an. Die Unterseite ist unrein heller oder dunkler gelb und mit den auch der Ringel- und Würfelnatter eigenen sclrwarzen Flecken gezeichnet. Hätte das Thier nidht wie eine Ringelnatter gestunken, so würde ich die v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 637 hübsche Natter wegen ihrer sie sonst vor ihren Schwestern auszeichnenden Leibes- bilclung zur Arterhebung empfehlen. Ob die Schuppen und Schilder dieser braunen Kielrückennatter in Gestalt und Stellung zn einander sich von jenen der gemeinen natrix so weit unterscheiden, dass der Systematiker sie von dieser trennen kann wie tesselatus, kann ich nicht sagen; ich fand sie, oberflächlich angesehen, hierin der grauen, schwarzen oder gestreiften Varietät gleichartig. Unter den so vielen Farben Varietäten von natrix ist mir die braune nur ihrer Habitusbeschaffenheit halber mehr aufgefallen, im Uebrigen fand ich deren zn vielerlei, um sie alle zu unterscheiden, oder gar in Varietätennamen hineinzupassen. Man sieht die Ringelnatter in allen Tönen von Grau bis tief Schwarz; es zeigt sich die graue mit und ohne die beiden hellen Längslinien oder schwarze Punktung, sowie mit und ohne Nackenflecken. Die dunkle lässt sich entweder durch weisse, lichtgraue oder sonstwie ähnlich helle Makeln oder auch durch die beiden Längsstreifen recht grell zieren, oder sie erscheint einfarbig, selbst am Bauche, der meist gefleckt oder doch wenigstens licht gerandet ist. Ausser diesen Färbungen, welche hauptsächlich nur die Ringelnattern der hercegovinischen Tiefländer in reich- lichem Masse auszeichnen, kommen andere in verschiedener Verbindung und Mischung, hier, wie auch anderswo, vor, die alle kaum anzuführen wären, denn immer noch brächte wieder Jemand eine Ringelnatter, von der Krupa z. B., die weder in murorum, noch in sparsus oder minax oder natrix oder sonst wo hineinpasst. Man könnte fast sagen, es wählt jede die Gewandfarbe nach Geschmack. Die natrix zeigt, wenigstens da, wo sie häufig auftritt, so viele verschieden gefärbte Individuen, wie in ihren Heimatsbezirken Vipera ammodijt.es. In Bosnien ist nebst der allbekannten natrix und hier häufiger als diese die in zwei Linien gestreifte murorum und allenfalls auch subbilineatus allgemein verbreitet. Die vielen hübschen Varietäten der warmen Hercegovina hat Bosnien nicht. Ob einzelne der hercegovinischen natrix -Varietäten ständige Arten oder Abarten darstellen, wäre durch Aufziehen Junger eines Geheckes oder durch Kreuzungsversuche verschiedener Varietäten unter einander festzustellen. Tropidonotus tesselatus (Würfelnatter). Vorkommen. Tropidonotus tesselatus verbreitet sich über Bosnien und die Herce- govina. Namentlich in letzterem Lande erscheint auch diese Natter auffallender gefärbt. So finden sich sehr oft Stücke mit nahezu zinnoberrothem Bauche, und tesselatus ist hier auch am Rücken häufig mit undeutlich gelblichen Makeln gezeichnet, wodurch das ganze Thier etwas gelblich erscheint. Im Uebrigen ist diese Art von der mittel- europäischen Würfelnatter nicht verschieden. Tropidonotus viperinus konnte ich mir aus der Hercegovina ebensowenig, wie aus Bosnien, verschaffen; ich bin überzeugt, dass sie unseren Ländern fehlt. Tarbophis vivax (Katzenschlange). In ihrer Verbreitung auf die südländischen Klimate der Hercegovina allein ange- wiesen, ist die Katzenschlange (Tarbophis vivax) überdies noch eine ziemlich seltene Erscheinung, trotzdem sie mitunter in unmittelbarer Nähe eines Hauses und inmitten einer ziemlich geschlossen gebauten Stadt unseres Landes gefunden werden kann. Ihre Verbreitungsgrenzen dürften mit denen ihrer Feindin, der Eidechsennatter, zusammen- fallen, wenigstens konnte ich ausserhalb dieser Grenzen über das Vorkommen von 638 III. Naturwissenschaft. Tarbophis vivax keine Anhaltspunkte finden. Fünfhundert Meter Seehöhe überschreitet sie, wenn überhaupt, so gewiss selten und nur um Weniges. Lebensweise, Aufenthalt. Die Katzenschlange ist so gut Nachtthier als Coelopeltis lacertina Tagthier; sie braucht zum Herumtummeln warme Nächte oder besser Abende und Morgen in genügender Zahl, die sie nur im ausgesprocheneren Süden findet. Ich traf diese ruhige Natter in der Abenddämmerung auf ganz abgeweideten deckungslosen Hutweiden oder mitten auf einem breiten Wege zwischen Stoppelfeldern und gelegentlich eines Morgens vor Sonnenaufgang auf einer kahl gemähten Wiese nächst der Strasse, in unmittelbarer Nähe des Stadtrandes von Mostar, zwischen von einander nicht zwei- hundert Schritte entfernten Häusern. Meine grösste, ein nahezu meterlanges Stück, brachte mir mein Diener aus einem im Innern der Stadt gelegenen Hause, dessen Besitzer sie an der lockeren Mauer seines Abortes sah und meinen Diener rief, damit er die Schlange einfange. Bei Tage erhielt ich Tarbophis von den verschiedenartigsten Oertlichkeiten. Ich oder Andere fanden die Katzenschlange in oder auf Gebüschen, Steinhaufen, Felsen, Weingründen, Gärten und anderen Orten, immer aber vereinzelt. An der Sonne hielt sich Tarbophis vivax im Frühjahre, welches sie erst, wenn mildes Wetter wirklich beständig wird, zu geniessen beginnt, auch um Mittag, im Sommer aber nur bis etwa 7 oder 8 Uhr Morgens. Was sie veranlasst, in der Dunkelheit her- umzukriechen, weiss ich nicht, da auch erwachsene Nattern dieser Art bei mir ausser Eidechsen nur ganz junge Vögel oder Mäuse nahmen und diese ganz jungen Vögel und Mäuse aber ein regelmässig nächtliches Jagen nicht lohnen dürften. Nächtlich lebende Eidechsen hingegen gibt es jedenfalls nur an der Küste. Die Geckos aber bei Nacht zu jagen, dürfte den Tarbophis wenig Erfolg bringen, da sie die glatten Wände, an denen diese Echsen dann herumlaufen, nicht ersteigen können. Es bleibt also nur die Vermuthung, dass die in ihrer Bewegung etwas langsame Katzenschlange die flinken Eidechsen lieber in ihren Nachtruhestätten aufsucht üncl hiebei oft grössere Flächen wie Hutweiden, deren Erdspalten den Eidechsen als nächtliche Herberge dienen, durch- schreitet. Im Käfige mag sie manche Eidechse im tiefen Schlafe gemordet haben, da ich manchmal, wenn ich Abends Eidechsen in den Käfig gab, Morgens eine oder die andere Katzenschlange sichtlich gesättigt fand. Gebahren. Das Wesen der Tarbophis vivax ist ein sehr ruhiges, ihr Betragen ein gemessenes. Auch sie sucht, wenn man sie ergreift, sich lieber an Gegenstände anzu- klammern, als schnell zu fliehen. Sie heisst meist nicht gleich, sondern legt sich ähnlich wie die Schlingnatter erst eng um die Finger und beisst dann gelegentlich in die Hand. Selten zischt sie, sondern beträgt sich lieber unauffällig. Eidechsen erdrosselt sie regel- mässig. Die Katzenschlangen wählten oft feuchte Stellen des Käfigs zu Ruheplätzen. Ich konnte über ihr Gefangenleben leider nicht mehr erfahren, als dass sie ein stiller Bürger meines Käfigs war, in welchem sie Eidechsen frass und mit Coelopeltis lacertina, Zamenis gemonensis oder Coronella laevis nicht gemeinschaftlich untergebracht werden durfte, wenn sie erhalten bleiben sollte. Vipera ammodytes (Sandotter). Alle unsere europäischen Giftschlangen zeigen eine schlaffere Körperconstitution als die Schlangen jener Familien, deren Mitglieder durch ihre Leibeskraft sich ihren Raub sichern. Die Giftschlangen ähneln hierin den im Verhältnisse zu den Würgern ebenfalls schlaffen Tropidonotus- Arten. Hebt man die Viper auf einem ihrem Leibe untergeschobenen Stocke vom Boden auf, so lässt sie sich nicht etwa, um zu entfliehen, v. -Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 639 auf die Erde herabfallen, wie es andere Schlangen tliun, sondern bleibt auf dem Stocke ruhig liegen oder wie ein Strick hängen. Vorkommen. Die herrschende Giftschlange Bosniens und der Hercegovina ist Vvpera ammodytes. In Bosnien fehlt die Sandotter kaum irgendwo, wo Reptilien über- haupt Vorkommen. Die Ebene, ob bewaldet, steinig oder sonst irgendwie in genügender Ausgiebigkeit Schlupfwinkel bietend, ist ihr nahezu so lieb wie das Hügelland oder das Gebirge. Ueberall ist sie eine gewöhnliche Erscheinung, die man zumeist viel öfter als andere Schlangen sieht. In der Hercegovina bleibt die Sandotter den Tiefländern fast ausnahmslos ferne. In Sümpfen selbst trifft man diese Otter natürlich ebenso wenig in Bosnien als in der Hercegovina, doch sah ich sie an deren Rändern, sowie an Bach ufern nicht selten, wenn sich dort Verstecke fanden. In das Wasser flüchtet sich die Sandotter nur, wenn es eben sein muss; sie scheut es aber durchaus nicht und gefällt sich auch von Zeit zu Zeit in einem wirklichen Bade. Die Sandotter klettert auch nicht ungern auf Sträucher, trotzdem ihr mehr schlaff sich anfühlender Leib durchaus keine kernigen Muskeln zeigt wie derjenige der eigent- lichen Kletterer; Bäume dürfte sie nie ersteigen. In meinem Käfige war ihrer oft eine Menge in dem daselbst errichteten Ge- zweige ; auch fand ich zuweilen im Freien Sandottern auf Sträuchern liegen. Man kann behaupten, dass im Narentathale um Mostar Vvpera ammodytes nicht vorkommt. Nur ganz ausnahmsweise wird man diese Viper im Narentagebiete in Höhen von nur 200 M. absoluter Höhe sehen. Sie erscheint ständig erst bei 500 M. Seehöhe. Ein einziges Mal erhielt ich nächst Mostar eine Vipera ammodytes kaum 200 M. über der Thalsohle und einmal aus der Thalsohle selbst , aber nicht mehr bei Mostar, sondern wenigstens vier Meilen flussaufwärts. Ein Stück dieser Art wurde, wie ich hörte, auch einmal bei Metkovic an der Strasse gefunden und mir gebracht. Es dürften diese Funde auch Ausnahmen gewesen sein, da dort und überhaupt in jener Um- gebung trotz vielen Suchens durch mich und durch mehrere andere Leute wohl andere Schlangen, aber keine zweite Sandotter mehr gefunden werden konnte. Ich hatte die heutige Ueberzeugung, dass die Sandotter in der Hercegovina die Thäler der Fluss- unterläufe nicht bewohnt, vorher nicht und habe fleissig, aber hier vergeblich, nach dieser Giftschlange gesucht und gefahndet. Von Niemandem konnte ich ausser den beiden erwähnten Fällen trotz aller Bereitwilligkeit jemals eine Giftschlange überhaupt aus den eben bezeichneten Gebieten todt oder lebend erhalten. In einem von Mostar in drei Wegstunden erreichbaren, auch nur 200 M. hohen ausgedehnten Karstkessel (Mostarsko blato), welcher mit dem Narentathale in keiner im Niveau der Kesselthal- sohle liegenden Verbindung steht, sondern in welchen man erst durch Ueberschreiten eines 300 M. hohen Rückens gelangt, findet sich die Sandotter wohl, aber jedenfalls auch sehr sporadisch vor. Ich besuchte diese Gegend öfter und durch stöberte, nachdem ich erfahren hatte, dass daselbst ein Hund von einer Sandotter gebissen worden sei, sehr fleissig dieses Gelände, fand aber keine Sandotter, und auch dortige Bewohner, welche sich erbötig gemacht hatten, mir den „ Sarkan u gegen Bezahlung, wenn nicht lebend, so doch todt von jener Gegend zu beschaffen, brachten mir keine Giftschlange. Ständig findet man sie, wie gesagt, nicht unter 400 M. Der eigentliche Bezirk ihres Unwesens liegt erst von mindestens 700 M. aufwärts. Von dieser unteren Grenze an trifft man sie so ziemlich allerorts. Niemals kann man da zur Sommerszeit seinen Hund zum Hühnersuchen aussenden, ohne fürchten zu müssen, dass er von einer dieser Bestien gebissen werde. Zum Glück schadet es dem Hunde nicht viel, wie später angeführte 640 III. Naturwissenschaft. Beispiele zeigen werden. Bei 900 und 1000 M. ist Vipern nmmodytes sehr häufig und im Karste dieser Höhen überhaupt die vorherrschende Schlange, die man gewiss zehnmal öfter als eine andere sieht. Sie steigt, so viel ich gesehen, bis 1700 M. im Gebirgslande empor und dürfte in dieser Höhe vielleicht neben Pelins berus so ziemlich die einzige Schlangenart sein. Auch die Sandotter nähert sich sehr oft den Häusern, kommt nicht selten in das Innere derselben, kriecht sogar bis in die Zimmer und richtet gelegentlich eines solchen ungebetenen Besuches noch Unheil an. Ein Stück dieser Giftschlangenart wurde unter einem Wasserbottich im Hofe eines mit gut verfugten Mauern umgebenen Werkes bei Mostar gefunden; diese hatte hier allerdings nicht Unfug getrieben, das constatirte ich durch den Fund zweier Mäuse in ihrem Leibe. Zu wiederholten Malen fing und tödtete ich Sandottern in unmittelbarer Nähe von Häusern, auch solcher, die ich bewohnte. So beobachtete ich einige Tage hindurch die Nachbarschaft der Fenster meines Wohn- hauses bei Gacko, um die einzige in der Herzegovina bisher erbeutete Notopholis nigropunctata, welche mir entkommen war, wieder einzufangen, und sah knapp an der Hauswand unterm Fenster eine Sandotter, welche, in der Morgensonne sich gütlich thuend, ihre Maus verdaute; auch ihre Unschuld den menschlichen Hausbewohnern gegenüber wies ich nach, indem ich ihr den Bauch aufschnitt. In meinem Wohnhause nächst Prijepolje am Lim fand sich auch einmal eine Sandotter, nicht eine jener beiden, die mir dort entkommen waren, sondern eine dritte ; die allernächste Umgebung dieses Hans war und ist wahrscheinlich noch ein Hort der Sandotter, wo ein Sammler kaum einmal hingehen würde, ohne ein solches Thier zu treffen. Im Speisegemache der Officiere der Cordonstation Gat (in Gackoer Bezirke) wurde auch eine Sandotter erschlagen. Mehrere Fälle weiss ich, in denen Bauern innerhalb ihrer Wohnräume von Sandottern aufgeschreckt und auch verletzt wurden. Färbung. Die Färbung von Vipern nmmodytes ist, wie auch anderswo, bei fast jedem Stücke eine andere. Ich hielt mehr als vierzig Stücke der Art gleichzeitig lebend in einem Käfige, von denen fast jede anders gefärbt war, so dass jedes einzelne In- dividuum dieser zahlreichen Gesellschaft zum persönlich Bekannten gemacht werden konnte. Die Zeichnung der Sandotter ist auch hier ziemlich constant. Vor den süd- tiroliscken zeichnen sich die bosnisch -hercegovinischen Sandottern durch eine in den allermeisten Fällen, wenigstens bei allen Männchen, sehr deutliche, hübsche Lyrazeichnung auf Hinterhaupt und Nacken aus, welche jenen fehlt. Die Lyra scheint der Sandotter des Ostens unserer Monarchie eigen zu sein und jener des Westens zu fehlen. Der Sandvipern-Osten fängt in Kärnten an. Dauer des Sommerlebens. Ihr Treiben beginnt die Sandotter im Frühjahre auch in hohen Lagen, noch ehe man ein grünes Blatt sieht, sobald nur die Tage leidlich warm sind und der Schnee der Umgebung ihres Aufenthaltes halbwegs verschwunden ist. Mit dem letzten Laube im Herbste verschwinden auch bald die Ottern. Trotzdem sie so viel als möglich von der guten Jahreszeit gemessen wollen, müssen sie doch da, wo sie am häufigsten sind, gut sechs Monate des Jahres aus dem Leben streichen; sie müssen somit, wenn es gut geht, mindestens ihr halbes Leben verschlafen. In Höhen von 1400 M., wo die Sandvipern fast ebenso häufig sind als bei 1000 M., müssen sie jährlich noch wenigstens einen Monat zum Schlaf hinzufügen. Tag- und Nachtleben. Vipern nmmodytes wird in manchen, vielleicht in allen diesbezüglichen Schriften als entschiedenes Nachtthier geschildert, welches den Tag absolut verschläft, ja es wird sogar behauptet, dass sie sich bei Tag gar nicht zeige. Wenn die Sandotter es auch im hercegovinischen Hochlande so machen sollte, könnte v. Tomasini. Skizzen ans dein Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 641 sie sieh kaum vierzehn Male im ganzen Jahre an freier Luft bewegen; denn die kalten Nächte jener Gegenden gestatten wohl zur Nachtzeit selten, dass ein Reptil munter und regsam sei. Schon die gehörige Menge, welche ich in Gacko, also in einer Region zwischen 900 und 1000 M. Höhe, sammelte und gefangen hielt, zeigte sich Abends zumeist nicht mehr ausserhalb der ihnen im Käfige geschaffenen Verstecke. Nur im Hochsommer konnte man an den wärmsten Abenden dieser Gegend einige auf der Bodenoberfläche des Käfigs sehen; dann waren aber gerade so gut auch andere Schlangen, die sonst nicht zu Nachtthieren gestempelt werden, thätig. Ich fing auch diese Viper nur bei Tag und sah sie, wenigstens bis Juli, nur bei Tag fressen oder sonst thätig sein. Mit der Mittheilung dieser Beobachtung soll nicht, allen anderen Erfahrungen und Behauptungen entgegen, der Versuch gemacht werden, die Sandotter als Tagthier zu qualificiren, sondern es soll gesagt sein, dass sich das Betragen unserer Giftschlangen in dieser Hinsicht ganz nach den jeweiligen Umständen und Verhältnissen ihres Aufenthaltes richtet. Entweder kann die Viper auch vornehmlich Tagthier sein, oder sie muss Gegenden, die ihr nächtliches Treiben fast ganz ausschliessen oder nur ausnahmsweise gestatten, ganz meiden. Das Letztere thut sie aber nicht, sondern sie siedelt sich gerade da, wo die nächtlichen Temperaturen ihrem Leibe die zur Regsamkeit erforderliche Geschmeidigkeit nicht mehr gestatten, recht zahlreich an. In den Bozener Thalgründen z. B., wo sie sehr gemein ist, treibt sie zur warmen Jahreszeit jedenfalls vorwiegend nächtlicher Weile ihr Unwesen; dann liegen aber auch andere Schlangen zur Nachtzeit nicht in tiefem Schlafe, sondern erfreuen sich der nächtlichen Wärme, deren sie oberirdisch in höherem Masse als in den Verstecken gemessen; in der Herce- govina aber ist die Sandotter bei Weitem vorwiegend Tagthier. In den tieferen Ge- länden Bosniens hält das Tag- dem Nachtleben das Gleichgewicht, in den hohen Lagen aber muss sie offenbar ihr Treiben, gleich ihren in den höheren Gebirgen der Hercegovina lebenden Artgenossen, grösstentheils auf die Tageszeit beschränken. Sie muss in diesen Gebieten sogar die Zeit des kräftigeren Sonnenscheines abwarten, ehe die Wärmeverhältnisse ihrem Leibe die nothwendige Rührigkeit ermöglichen. An trüben Tagen bleibt die Viper in den Hochlagen in schützenden Schlupfwinkeln. Im Frühjahre suchte ich Vipera ammodytes von der Save bis an den Lim und ebenso in der Hercegovina nur um die Mittagszeit, während sie im Sommer so gut wie andere Schlangen dort, wo die Sonne zu warm wird, in den Mittagsstunden den Schatten aufsucht. Nahrung. Als Nahrung dienen der Sandviper alle warmblütigen Thiere, welche zum Hinabwürgen nicht zu gross sind. Sie frisst sehr gerne auch Eidechsen. Meine gefangenen Sandottern warteten nach dem Giftbisse nicht immer den Tod ihres Opfers ab, sondern frassen namentlich Eidechsen sehr oft noch lebend, wenn auch schon einiger- massen gelähmt. Vögel wurden sehr häufig, so lange sie sich regten und an den Gift- dolchen hängend zappelten, nicht ausgelassen, sondern erst aus dem Maule gelegt, wenn sie ruhig wurden; überhaupt wurden die Vögel gewöhnlich vor dem Verschlingen nur dazu losgelassen, um den zum Anpacken geeigneten Punkt — den Kopf — zu suchen. Mäuse aber, welche, nebenbei bemerkt, beim ersten Bisse gewöhnlich in die Höhe fuhren und quietschten, wurden so kurz als möglich berührt. Diese flüchteten aber oft nach erhaltener Todeswunde ziemlich weit und durcheilten den Käfig in der Verzweiflung manchmal nach allen Richtungen. Die Schlange liess sie umhertanzen und machte sich gewöhnlich erst eine halbe Minute, mitunter aber gleich oder auch nach längerer Dauer ans Aufsuchen. Die Maus hatte mittlerweile auch von anderen Vipern des Käfigs einen Biss erwischt und lag todt in einem Winkel oder Loch. Band II. 41 642 III. Naturwissenschaft. Spiirkunst. Die Schlangen, welche nun clas vergiftete Thierehen suchten, spürten mit der Zunge nach dem Opfer. Ehe die Schlange den Platz, von welchem aus sic der Maus den Garaus gemacht hatte, verliess, bezüngelte sie die ganze Umgehung. Wenn Schlangen — wenigstens die giftigen — kein Spürvermögen besässen, könnten die Vipern ein vergiftetes und nach unbekannter Richtung enteiltes Opfer schwerlich jemals mehr linden. Sie linden aber ihre Beute auch, wenn sie nach dem Bisse einen langen Weg zurückgelegt hat. Da ammodytes nach meinen Versuchen sich gegen Düfte ebenso unempfindlich zeigte, als ich es von anderen Schlangen Eingangs erwähnte, kann das Spürorgan, wie auch hier sich zeigt, nur mehr die Zunge sein, welche eben auch sichtlich verwendet wird. Dass man dieser Zunge bisher kein Geschmacksempfinden zumuthen wollte, mag ihre nadelähnliche Form verschulden. Man mochte nicht auf die Idee verfallen, dass mit Nadeln zu schmecken möglich sein könne o. dgl. Hat die Zunge nun die Spur, welche nach Maus schmeckt, gefunden, so folgt der Kopf dieser Spur, lind endlich kriecht auch die ganze Schlange dieser nach. Die Vipern verfolgten die Spur, wenn sie dahin führte und nicht unterbrochen war, auch in die Etagen des Käfigs etc. Die von Schmerzen und Angst gepeinigte Maus macht aber während ihres Davon- und rathlosen Hin- und Hereilens auch manchmal einen Sprung in die Luft, und hier verliert die Schlange die Spur, sie hält in ihrer Vorwärtsbewegung inne, spürt die nächste Umgebung durch Betasten des Bodens mit der Zunge ab, geräth dabei auch zuweilen an ein Loch, in welches die Maus nicht gekrochen, steckt den Kopf züngelnd hinein, zieht ihn aber, wenn es nicht nach der Maus schmeckt, wieder zurück und sucht weiter, mit der Zunge alle Gegenstände berührend, nach der verlorenen, weil unterbrochenen Spur. Findet sich die Fortsetzung der Spur wieder, so naht die Mahlzeit, ist jedoch längeres Suchen vergebens, so gibt es die Schlange ganz auf und wartet wieder irgendwo ruhend auf andere Beute. Die Eigentümlichkeit aller Raub- geschöpfe, eine Beute nicht aus dem eigenen Wirkungsbereich zu lassen, so lange sie entfliehen kann, können die Vipern den gefangenen Vögeln gegenüber zur Geltung bringen, weil diese eben den Räuber nicht gefährden. Jedenfalls ist es ein günstiges Zusammentreffen, dass der Vogel trotz der Vergiftung doch noch zu weit fliegen könnte und sich deshalb seine Spur nicht leicht verfolgen Hesse, auch den Mörder nicht beisst wie die Maus und so gleich festgehalten werden kann. Schnappt einmal eine Eidechse, wenn sie nach dem Giftbisse nicht mehr ausgelassen wird, nach dem mordenden Räuber, so macht sich dieser zumeist nichts aus so vorübergehendem ungefährlichem Kneifen. Häufig Hessen die Sandottern auch Eidechsen nach dem Bisse los, fanden sie aber, wenn sie weit gegangen waren, viel schwerer als entlaufene Mäuse. Futterbedarf. Auch die Sandotter frisst bei warmer Witterung ziemlich viel, und ihrer vierzig bis fünfzig, welche ich an einem Sommer in der Gegend von Gacko, wo sie sehr häufig ist, sammelte und gefangen hielt, haben unter meiner Zucht von weissen Mäusen, deren Cadre ständig aus etwa hundert Stücken bestand, gegen Ende des Sommers trotz der beträchtlichen Vermehrungslust der Mäuse ganz bedeutend aufge- räumt und zudem noch eine namhafte Menge von Eidechsen, Vögeln und Hausmäusen gefressen. Drei bis vier Mäuse in einer warmen Woche überladen den Magen einer Viper von kaum 1/2 M. Länge durchaus nicht. Gebahren. Ihren Standort dürfte Vipern ammodytes dauernder beibehalten als andere Schlangen; denn eine solche Otter, welche ich an einem Platze bemerkt hatte, aber nicht gleich fangen konnte, fand ich selbst nach einigen Tagen so ziemlich auf demselben, andere in gleichen Fällen sogar genau an demselben Orte wieder vor. Dass dies Orientirungsvermögen sei und auf Geistesthätigkeit schliessen lasse, glaube ich v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 643 deshalb nicht, weil ich dasselbe Thun auch bei ganz jungen Schlangen beobachtete und das Orientirungsvermögen bei alten nicht entwickelter fand. Wenn es geschah, dass ich an Stellen, an welchen ich einmal keine Sandotter gesehen, das andere Mal eine fing, so muss auch diese ihren Platz nicht erst neu gewählt haben, sondern kann zu jener Zeit mit Jagd beschäftigt oder versteckt gewesen sein. Gerade bei dieser Schlange lässt sich dieses Festhalten am Standorte leichter nachweisen, weil man selten zwei trifft, die einander wirklich gleichen. Auffallend zeigten sie diesen conservativen Sinn, als mir am 18. April zwei Stück aus einer im Zimmer aufgestellten, offenen, hoch wand igen Kiste, aus welcher ich ein Entkommen der plumpen Vipern nicht für möglich gehalten hatte, dennoch entwichen. Bei den vielen Löchern, die der von mir bewohnte Prijepoljer Han hatte, vermuthete ich, dass diese beiden das Freie leicht gefunden haben und so im Hause wenigstens nicht mehr auffindbar sein würden, stellte daher bald das Nachsuchen ein. Vier Tage, nachdem die beiden Flüchtlinge sich meiner Fürsorge entzogen hatten, er- krankte ich an Vipernbiss und fand, als wieder vier Tage nach diesem Vorfälle verstrichen waren, durch Zufall beide Schlangen unter dem Kissen des „Minderluk“ (Podium aus Brettern) liegen. Die eine lag unter dem Kopfende, die andere unter der Mitte dieses improvisirten Bettes. Diese Schlangen hatten sich also durch acht Tage oder möglicher Weise nach acht Tagen mein Ruhebett zum Lager gewählt, jedenfalls aber das Haus nicht dauernd verlassen. Widerstandskraft. Jene Sandotter, welche bei ihrer Gefangennahme an mir sich verging, verschuldete an ihren Genossen und noch mehr an sich selbst eine ziemlich lange, unbequeme Einkerkerung. Der Verbrecher — es war ein Männchen — wurde aus dem Säckchen, in welchem er beim Einfangen versorgt worden war, gar nicht mehr herausgenommen, sondern mit dieser Einzelzelle zu den anderen Sandottern in ein enges Kistchen gepackt, dieses zugenagelt, und so mussten alle, da sie mittelst Post an meinen neuen Aufenthaltsort nicht gesendet werden konnten, den Bagagetransport mit- machen. Am 24. April wurden sie eingekistet und erst Anfangs Juni aus ihrer engen Haft befreit, welche sie nun mit einem geräumigen Käfige vertauschten. Diese mehr als einmonatliche Einkerkerung hatte keinem von den gewiss zwanzig Stücken geschadet. Sie können also eine starke Dosis von Misshelligkeiten vertragen. Im folgenden Winter gönnte ich meinen Schlangen nur kurzen Schlaf und weckte sie schon Mitte Jänner zu neuem Leben. Da sie nun im geheizten Zimmer am sonnigen Fenster aufgestellt waren, geberdeten sie sich ganz sommerlich und frassen. Am 20. Jänner reiste ich in die Hercegovina ab und liess, um ihre Verdauung durch einen langen Transport bei Kälte nicht zu stören, eine Sandotter, welche Tags zuvor gefressen hatte, mit dem Aufträge zurück, sie mir nach acht Tagen zuzusenden. Es kam aber das Thier, auf welches ich besonderen Werth legte, da es dasjenige Männchen war, welches damals, als ich es fing, ein Attentat auf mein Leben begangen hatte, toclt in meinen neuerlichen Besitz. Sonach war es dem Missethäter nicht gegönnt, seinen Wohl- oder Uebelthäter wieder zu sehen. Verhalten gegen höhere Wesen. Die Sandotter heisst andere Geschöpfe nur dann, wenn sie sich durch diese unausweichlich gefährdet wähnt oder um andere Thiere zur Beute zu machen, und lässt sich vielleicht infolge dieser Eigenschaft bald zähmen. Gelegentlich einer Suche nach Wachteln bei Nevesinje machte sich der Hund meines Jagdgenossen mit einem kleinen Ding am Boden zu schaffen, welchem er vorher für einen Moment Vorstand. Sein Herr dachte, der Hund habe da wieder, wie schon früher, eine junge Wachtel erwischt, und ging zu seinem Hund, sah aber dort ein todtes Finken- weibchen und eine Schlange. Hinzugerufen erkannte ich in dieser Schlange eine Sand- 41* 644 III. Naturwissenschaft. otter7 welche den Vogel am Flügel gebissen und todt vor dem Maule liegen hatte. Diese Sandotter biss nicht nach dem Hunde, sie biss sogar dann nicht einmal, als ich den Vogel wegschob und die Schlange mit dem Gewehre berührte. Erst als ich sie ganz tüchtig drückte, schien sie sich zu besinnen, dass sie statt ihrer Beute einen Feind vor sich habe. Aehnliche Unerschrockenheit Hunden gegenüber müssen sic öfter be- kunden, denn sonst würden die Hunde noch häufiger gebissen. Dass die Sandviper nicht gleich in eine Angst geräth, welche sie zu sofortiger Gegenwehr veranlasst, zeigte sie unter Anderem auffallend durch Nachstehendes. Ein Sandotterweibchen, das mir gebracht wurde, glich sehr demjenigen, welches mir zwei Tage vorher entkommen und zahm war. Ich nahm dieses Thier, da ich es für das Entkommene hielt, allerdings vorsichtig, doch ohne jede Besorgniss in die Hand und liess es aus der einen in die andere Hand kriechen, ehe ich es in die Kiste brachte. In der Kiste aber zeigte sich die Schlange nicht mehr zahm. Sie hatte nur deshalb vorher nicht in die Hände gebissen, weil diese, da ich keine auffallende Bewegung machte, sie nicht schreckten, sondern von ihr als Gegenstände zum Bekriechen ange- sehen wurden. Noch an demselben Tage fand mein Diener die Entflohene im selben Zimmer unter einer Kiste vor. Vertrautwerden. Meine Gefangenen wurden innerhalb vierzehn Tagen mit Menschen, man kann sagen vollkommen, vertraut. Ihre Vorliebe für die Sonne, so lange sie nicht nachtheilig warm scheint, und ihre Abneigung gegen unbegründete Bewegung sind nicht nur Ursachen, den Standort längere Zeit festzuhalten, sondern auch den Menschen sehr nahe herankommen zu lassen. Diese geringe Bewegungslust vermittelt vielleicht das Vertrautwerden mit der Erscheinung des Menschen. Die Sandotter ist aber, wenn sie erschreckt wird, auch sehr schnell und läuft dann pfeilschnell über eine Böschung hinab. Haben diese Schlangen hiebei eine längere offene Strecke zu durcheilen, so zischen sie aus Leibeskräften. Sie zischen auch, wenn sie an einer zur Flucht nicht geeigneten Stelle sehr geängstigt werden. In diesem Falle heissen sie sinnlos in die Luft, sich die schreckliche Erscheinung ihres Feindes näher vorstellend, als sie ist. Meine Sandottern wurden so zahm, dass sie sich ruhig ergreifen Hessen. Ohne etwas besorgen zu müssen nahm ich die ammodytes in die blossen Hände zum Schauder der Zuseher. Ich gab den Sandottern - — mich ihnen nach und nach nähernd — die Nahrung auch aus der Hand und nahm hiezu todte Thiere, welche sie in der Hand erst gewahrten, als sie, diese mit der Zunge bespürend, nach und nach auf die Maus oder den Vogel geriethen, worauf sie, nachdem sie das Futterthier leblos gefunden, gleich ans Verschlingen des ihnen zurecht hingehaltenen Kopfes gingen. Die Vipern verwendeten beim Verschlingen dieses in so bequemer Art gereichten Futters oft die Giftzähne gar nicht. Meine Sandottern vermieden auch 'ihr kostbares Gift zu vergeuden, wenn sie todte Thiere im Käfige vorfanden. War ihnen aber ein solcher Bissen zu gross, um ihn mit den Gaumenkiefern allein hineinschieben zu können, dann wurden auch, während des Fressens erst, die kräftigen Gifthaken zur Mithilfe herangezogen, die sonst gewöhnlich beim Fressen selbst in ihren Scheiden versorgt gehalten wurden. Es kam sogar mit- unter vor, dass eine Sandotter eine ruhig sitzende Maus, ohne diese zu vergiften, gleich verschlingen wollte und ihr erst den Todesstoss gab, als sie davonzappeln wollte. Später reichte ich meinen Vertrautesten, das heisst denjenigen, die schon am längsten gefangen waren, auch lebende Mäuse aus der Hand, die in meiner Hand vergiftet und aus dieser auch gefressen wurden Bisswirkung. Die Wirkung des Bisses dieser Giftschlange ist selbst unter scheinbar gleichen Verhältnissen eine sehr ungleichartige. Ich habe über viele Bissfolgen an v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercego'vina. G45 Menschen und Thieren Erfahrung gemacht. Vögel starben alle sehr bald nach er- haltenem Bisse. Die von Vipera ammodytes erfassten Vögel schlugen wohl ganz tüchtig um sich, waren aber kaum zehn Secunden nach dem Bisse gewöhnlich schon ruhig und keuchten nur mehr. Eidechsen bogen, wenn sie in den Rücken gebissen wurden, ihren Leib vorne und hinten nach oben, gingen gewöhnlich nicht mehr weit, in vielen Fällen gar nicht von der Stelle und verendeten gewöhnlich binnen einer halben Stunde. Mäuse starben oft gleich, andere liefen noch einige Zeit umher und lebten hin und wieder sogar eine halbe Stunde. Alle diese Verschiedenheiten trafen sich auch an einem und demselben Tage bei einer einzigen Fütterung erwachsener, an Grösse kaum verschiedener Sandottern, und auch in denjenigen Fällen, in welchen diese Thiere von Sandottern gebissen wurden, die ihre Giftzähne ziemlich gleich lange Zeit, und zwar mindestens seit mehreren Tagen nicht gebraucht hatten. Eine Maus, welche bei einer solchen Fütterung von einer Vipera ammodytes gebissen wurde, lief davon. Nach einiger Zeit begann die schon vorher fresslustige Schlange die vergiftete Maus zu suchen, konnte sie aber nicht finden und stellte das Suchen ein: die Maus ver- endete in einem Winkel und wurde von einer anderen Schlange gefressen. Ich Hess eine zweite gesunde Maus in die Nähe der ersterwähnten Schlange in den Käfig. Diese zweite Maus wurde von der nicht mehr fressbereiten, also schon wieder beruhigten Schlange — denn es war seit der ersten Maus schon nahezu eine Viertelstunde ver- strichen — gleich der ersten in den Kopf gebissen, starb aber ohne Aufschrei blitzartig im Moment des Bisses, noch ehe die Otter Zeit hatte, ihr Opfer wieder auszulassen. Die Sandotter Hess die Maus, obwohl letztere verendet war, doch aus den Zähnen, wie diese Schlangen es bei Mäusen immer thun, und hatte sie nun todt vor der Nase Hegen. Verenden Mäuse schnell, so schwellen sie gar nicht an, leben sie noch einige Zeit, so sehen sie wie aufgeblasen aus und können endlich ihren aufgetriebenen Leib nicht mehr von der Stelle bringen. Auch bei anderen Thieren waren die Folgen zu gleichen Zeiten ebenso verschieden und nicht selten der zweite Biss der heftiger wirkende; oft sogar der den kurz vorhergegangenen drei Bissen folgende vierte noch ebenso wirksam als der erste. Dennoch verliert sich aber in der Regel die Gefährlichkeit der Bisse mit ihrer kurz aufeinanderfolgenden Wiederholung. Bisswirkung an Vögeln und Hunden. Dohlen, Elstern und Krähen sah ich inner- halb vier bis neun Minuten, wenn sie von ziemlich erwachsenen ammodytes gebissen wurden, sterben; manches Mal, aber selten, dauerte es auch länger. Meine vierjährige glatthaarige Pointerhündin wurde bei Banjaluka gelegentlich einer Jagd von einer Sand- otter in die Unterlippe gebissen, darauf schwoll ihr nur das Gesicht bis zu den Augen, der Kopf hinter diesen aber gar nicht an. Ich schnitt nur die Bissstelle mit dem Rasir- messer auf, drückte die Wunde aus und säuberte sie mit Carbolwasser. Es traten keine Folgen ein. — - Der glatthaarige Vorstehhund eines meiner Bekannten wurde im August am Mostarskoblato (nächst Mostar) von einer Sandotter nahe der Nase in die Oberlippe gebissen, der Hund klagte. Bald schwollen die Lefzen, das Gesicht und innerhalb einer halben Stunde der ganze Kopf, später auch der Hals. Nach zwei Tagen aber nahm die Geschwulst merklich ab, und während der ganzen Dauer waren keine anderen Ver- giftungserscheinungen zu bemerken. Am zweiten Tage nach dem Bisse frass der Hund wieder und hatte nie übermässigen Durst. Gegenmittel wurden an diesem Hunde gar nicht angewendet. — Ein kleiner Rattler eines andern meiner Bekannten wurde Mitte August an einem sonnigen warmen Nachmittage bei Nevesinje von einer Sandotter in das Kinn gebissen. Die Folgen verliefen wie bei dem eben erwähnten Vorstehhunde. Das kleine Thier sah mit seinem unförmlich dicken Kopf ganz sonderbar aus, blieb 64G III. Naturwissenschaft. aber, trotzdem es nicht sehen konnte, da es seine verscliwollenen Augenlider nicht zu öffnen vermochte, ganz heiter. Der Thierarzt wusch, ohne einzuschneiden, die Bissstelle mit übermangansaurem Kali. Dieser Hund genas wie der vorige. Die eben angeführten Fälle habe ich gesehen und von mehreren anderen gehört, welche ähnlich verliefen. Vom Tode eines Hundes durch Schlangenbiss habe ich ausser durch naturwissenschaft- liche Bücher nichts erfahren. Bisswirkung an Katzen. Katzen, junge und ziemlich erwachsene, liess ich so oft von Vipern heissen, als ich ihrer habhaft wurde. Den Besitzern solcher Katzen brachte ich hiedurch aber gar keinen Schaden, sie konnten höchstens, wenn sie wollten, auf ihre Katzen, die etwas mitgemacht hatten, stolz sein. Die Katzen gingen, wenn eine Ex- tremität gebissen wurde, meist auf drei Läufen, aber immer heil davon. Nicht einmal solche, die noch der Mutter zur Ernährung bedurften, konnte ich auf diese Art um- bringen. Nur eine einzige noch blinde junge Katze wurde durch Sandvipernbiss dem Tode und meinem Uhu als Speise übergeben. Diese war in einen Hinterlauf gebissen, der sich nach und nach dunkel färbte und massig anschwoll. Mehrere Tage nach dem Bisse hatte der hoffnungsvolle Vogeldiebsjunge geendet. Die anderen gebissenen Katzen schwollen entweder gar nicht oder kaum äusserlich kennbar an. Für die Katzen habe ich Tage ausgesucht, von denen ich mir Erfolg versprach, aber ver- gebens, sie nahmen keinen Schaden. Mit der Viper wollten sie weiter nichts zu schaffen haben, sondern zogen mit dem Bisse ab. Die Bisswirkung an Schlangen ist, soweit ich darüber Erfahrung habe , bei den einzelnen Arten erwähnt. Giesehen habe ich verwundende Bisse nur an Tropidonotus, Zamenis gemonensis, Callopeltis Aesculapi! und Coronella laevis. Diesen ungiftigen sowie der eigenen Art und Pelias berus schadet der eingedrungene Giftzahn von Vipera ammodytes nach meiner Beobachtung nicht. An anderen Tliieren als den angeführten habe ich Versuche nicht gemacht. Ob der Igel gegen Vipern giftfest ist, weiss ich aus eigener Erfahrung nicht, weil ich nie sehen konnte, ob dieses Thier, wenn es eine ihm gegebene lebende Giftschlange frass, gebissen wurde, oder ob die Gifthaken nur die Stacheln trafen. Blutende Wunden nach Schlangenbiss habe ich an dem Igel nicht gesehen. Wenn er auf eine Schlange losging, hatte er stets seine verwundbaren Theile geschickt durch eine starke Zahl seiner wirr durcheinander gestellten Dolche geschützt und liess vielleicht durch diese die Bisse auffangen. Ist es auch nicht entschieden, ob der Igel dem Schlangengift widersteht oder nicht, so ist ersteres doch möglich. Sein Blut kann von dem anderer Säuger ebenso ver- schieden sein, wie es unter den Kriechtliieren verschiedenes Blut geben mag. Das Blut einer Eidechse wird durch ammodytes- Gift verändert; die Eidechse stirbt auf den Vipernbiss, die Schlingnatter verträgt ihn ohne Schaden. Bisswirkung an Menschen. An Menschen habe ich über sehr verschiedene Biss- folgen von Glaubwürdigen gehört, solche Folgen gesehen und an mir selbst zweimal erlebt. Nach einer glaubwürdigen Erzählung wurde ein Knabe als Kind von zwei Jahren bei Praca im südlichen Bosnien von einer Sandotter in den Fuss gebissen. Dieser wurde brandig und faulte buchstäblich ab. Nach zwei Jahren hatte das Kind vom Knie abwärts einen vernarbten Stummel. — Ein erwachsener Einheimischer (so erzählte mir dessen Dienstgeber wenige Tage nach dem Geschehnisse) wurde von unserer Otter, zwischen 7 und 8 Uhr eines Julimorgens, ebenfalls in den nackten Fuss gebissen; der Mann starb im Verlaufe des Nachmittags am selben Tage. — Im August 1879 wurde bei Sarajevo einer meiner Bekannten, der mir eine Sandotter brachte, bei deren Einfangen in die Spannhaut zwischen Zeige- und Mittelfinger der v. Tomasini. Skizzen aus flem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 047 rechten Hand gebissen. Er erhielt nur einen Einstich , der zweite Giftzahn traf also nicht. Er tödtete die Schlange, weil es ihm unbequem war, das Thier lebend mit sich zu nehmen. Als er sie mir etwa sechs Tage nach dem erhaltenen Biss brachte, erfuhr er erst durch mich, dass eine Giftschlange — sie war gut Y2 M. lang — ihn verletzt habe. Ueble Folgen hatte dieser Vipernbiss gar nicht. Der Stich verschwand wie ein gewöhnlicher Nadelstich. — Ein anderer Mann wurde beim Einfangen einer gleichen Schlange, welche er mir brachte, an der Streckseite seines rechthandigen Zeigefingers von beiden Giftzähnen verletzt; er blutete an den beiden Stellen wie von leichten Nadelstichen. In der Meinung, dass es nütze, urinirte er auf den Finger. Zu mir gekommen, übergab ich ihn dem Arzte, welcher bei ihm, da schon mehr als eine Stunde seit dem Bisse verstrichen und der getroffene Finger nur ganz wenig ge- schwollen war, ausser einer Bandage am Handgelenke nichts anwendete. Dem Manne schwoll der Zeigefinger langsam weiter und mit diesem nach mehreren Stunden auch etwas die Hand gegen den Daumen hin. Nach zwei Tagen war fast nichts mehr zu bemerken. — Im Jahre 1882 traf ich in Banjaluka einen Mann von nahe an sechzig Jahren, der mir erzählte, dass er den einen ihm fehlenden Fuss durch einen Biss unserer Giftschlange verloren habe. Gebissen wurde er, wie er sagte, als neunjähriger Junge. Der vergiftete Fuss sei immer schlechter geworden und nach mehreren Jahren abgefallen. Der Oberschenkel seines Kniestummels war mager, das Knie klein, erschien verkümmert, und von diesem an verlief ein zugespitzter Stummel. Alkohol als Gegenmittel. Bei der Behandlung Gebissener zeigten meine Versuche mit Branntwein einen auffallenden Erfolg. Ich gab einer im Hochsommer von einer Sandotter gebissenen Dohle vierzehn Kaffeelöffel voll Spiritus, die sie vertrug, worauf sie genas. Um dieses Thier beissen zu lassen, erregte ich die Schlange vorher, ohne ihr jedoch Gelegenheit zum Beissen zu geben. Die Schlange Avar erst wenige Tage in Gefangenschaft und erhielt noch kein Futter. Sie biss die Dohle oberhalb des Sprung- gelenkes in den Unterschenkel. Der Vogel sprang nach erhaltenem Bisse auf den Rand der Kiste, in welcher er der Sandotter beigegeben war, und blieb, Aveil er zahm war, hier sitzen. Nach kaum einer halben Minute schloss er die Augen und Hess sich ermattet mit der Brust auf seinen Sitz nieder, kurz darauf fiel er herab und keuchte. Ich gab der Dohle, um zu sehen, ob das vergiftete Thier durstig sei, mehrere Kaffeelöffel Wasser, Avelche der leidende Vogel begierig nahm, worauf er aber weiter keuchte. Es mochten etAva sechs Minuten vergangen sein, als das Thier dem Ende nahe schien. Jetzt gab ich einen Kaffeelöffel voll Spiritus mit Wasser gemengt. Hierauf öffnete die Dohle die Augen, machte aber sonst keine Bewegung und keuchte Avie zuvor. Ich goss ihr nun drei oder vier Kaffeelöffel voll reinen Brennspiritus in den Schlund. Kurz nach dieser Eingabe erhob sich die Dohle, schloss den Schnabel und ging Avankend umher. Etwa eine Viertelstunde darnach legte sie sich wieder nieder, zappelte mit den Beinen und keuchte Avie früher. Nachdem sie mir so ziemlich ver- loren schien und der Spiritus wenigstens nicht mehr viel schaden konnte, erhielt sie abermals ebenso viel Spiritus, worauf es wie nach der ersten grösseren Gabe zuging; der Vogel ging aber nach dieser zweiten Portion länger umher. Als er mir jedoch Avieder umfiel, griff ich radical ein und gab dem Vogel, da ich gesehen, dass dieser kleine Patient ein tüchtiges Quantum Schnaps vertrüge, jetzt ein halbes Dutzend Kaffee- löffel voll reinen Spiritus. Die Dohle legte sich von nun an nicht mehr nieder und putzte nach etwa einer oder zwei Stunden, nachdem der Rausch ziemlich verraucht war, ihr Gefieder. Sie konnte es wohl für heute nicht glatt kriegen, zeigte sich im Uebrigen aber nicht besonders unwohl. Am nächsten Morgen hörte ich meine Dohle beim 648 III. Naturwissenschaft. Erwachen wie vor diesem Zwischenfalle schon rufen, sie erhielt Futter, frass und war genesen. Nach diesem mir auffallenden Erfolge einer Branntweinbehandlung unterzog ich dieser Tortur und Cur auch andere Vögel dieser Grösse. Sie hatte bei anderen Dohlen, sowie bei Elstern und Krähen, so oft ich es that, das gleiche Ergebniss. Etwa sechs derlei Vögel hatten dieses Abenteuer durchzumachen, welches bei allen ziemlich gleichartig verlief. Wendete ich nichts an, so gingen sie früher oder später zu Grunde. Eine Elster, welche am längsten den Vergiftungsfolgen standhielt, lebte bis zum nächsten Morgen; ob auch bei dieser Branntwein dann noch geholfen hätte, habe ich nicht versucht, sondern habe sie für den Uhu sterben lassen, der sie, sowie ziemlich viele solcher Opfer, ohne Nachtheil verzehrte. Katzen, die mir für solche Versuche zur freien Verfügung standen, musste ich zu diesem Zwecke nach dem Todes- urtheile durch die Schlange erst umbringen lassen, denn dieselben Hessen sich, wie schon früher angedeutet, das Leben durch den Otternbiss allein nicht nehmen. Verlauf von Bissfolgen an mir. In der Ueberzeugung, dass der Branntweingenuss die meiste Hoffnung auf Gegenwirkung verspi’eche, griff ich auch nach diesem Mittel, als ich selbst durch einen Vipernbiss gefährdet wurde. Zudem wurde es mir von dem mich behandelnden Arzt empfohlen und weckte daher noch mehr Vertrauen zum heilsamen Erfolg. Nächst Prjepolje am Lim wurde ich um 1,2 1 2 Uhr Vormittags des ausser- gewöhnlich warmen 22. April 1880 beim Fangen einer Sandotter von dieser in die Streckseite des hinteren Daumengelenkes der linken Hand gebissen, und es waren an dieser Stelle die Giftzähne beider Kiefer eingedrungen. Es quoll nur so viel Blut her- vor, als wären es zwei leichte Nadelstiche. Sofort, nachdem ich die Vipera ammod ytes aus dem Strauch hervorgezogen und mit dem Fuss unterdessen festgemacht hatte, saugte ich an den kleinen Wunden, machte dann aber gleich Einschnitte und saugte weiter. Hierauf versorgte ich den Uebelthäter in einem Säckchen. Eine halbe Stunde später kam ich beim Arzt an. Schon wenige Secunden nach dem Bisse bemerkte man, dass die Umgebung der vergifteten Stelle sehr rasch schwoll. Der Arzt, welcher nun schon eine stark geschwollene Hand vor sich hatte , erweiterte die von mir gemachte Wunde gehörig, brannte an der Bissstelle mit Höllenstein und legte mir eine Bandage um das Handgelenk, eine zweite ober dem Ellbogen und eine dritte unter dem Schulter- gelenk an den Arm. Ehe eine Stunde im Ganzen seit dem Bisse um war, wölbte sich die Geschwulst schon über die Bandage am Handgelenke hinüber, die Finger waren steif geschwollen und sahen etwa wie gesottene Würste aus. Mit Ablauf etwa einer Stunde nach dem Bisse kam ich nach Hause und griff' nun nach der mir Heil verheissenden vollen Literflasche starken Branntweines. Diese leerte ich so ziemlich ohne Unterbrechung. Unter gewöhnlichen Umständen hätte dieses Schnapsquantum allein mir schon den Tod bringen können. Durst hatte ich; Wasser aber oder Wein nahm ich nicht. Ersteres hielt ich für schädlich, letzteren für zu schwach. Als ich etwa eine Viertelstunde nach dem Trinken dieses Liters Branntwein noch nicht die zu gewärtigenden Folgen des Alkoholgenusses verspürte, nahm ich sechsunddreissig Centi- liter Allasch, um ein Fläschchen zu leeren, welches ich zum Herbeischaffen des stärkeren Gin verwertlien wollte. Von letzterem Genussmittel, das man doch sonst nur mit Wasser gemengt geniesst, nahm ich die Hälfte des sechsunddreissig Centiliter fassenden Ge- lasses, hierauf legte ich mich zu Bette, um mich ruhig den weiteren Folgen, die nun begannen, zu überlassen. Um 5 Uhr Nachmittags, als ich — mich nüchtern fühlend — erwachte, nahm mir der Arzt die Einschnürung vom Handgelenk ab. Zusehends verbreitete sich jetzt die Geschwulst, immer mit stufenähnlichem Absatz, wie ein unter y. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. G49 der Haut verschobener Körper fortschreitend bis zum Ellbogen , d. i. bis zur zweiten Bandage, nach kaum zwei Stunden auch diese wieder wie früher die erste überbauend. Ich verspürte, da ich seit dem Morgen nichts gegessen hatte und mich sonst wohl fühlte, Appetit und genoss einen Braten. Nach etwa einer Stunde, also sechs und eine halbe Stunde nach dem Bisse, fühlte ich mich unbehaglich; die Luft schien mir sehr schwül, trotzdem die Fenster und selbst die Thür geöffnet waren. Um 7 Uhr wurde ich auf kurze Zeit ohnmächtig, erholte mich aber hievon mit Hilfe des Arztes sehr bald. Meinem abermaligen Verlangen nach Schnaps, das sich mir in der Meinung, die Ver- giftung komme wieder zur Geltung, aufdrängte, gab der Arzt nicht Folge. Ich erhielt Citronensäure und dergleichen Mittel, später Wein und legte mich nach einem Abend- thee zur Ruhe. Während der Nacht erhielt ich kalte Umschläge um den stark er- wärmten Arm. Der Schlaf wurde nicht gestört. Am nächsten Morgen entfernte der Ai*zt die Bandage vom Ellbogen, worauf die Geschwulst etwas langsamer, aber sonst ziemlich gleichartig, wie am Vortage zum Ellbogen, jetzt zum Schultergelenk, das ist zur letzten Einschnürung, vordrang. Das missfiel dem Doctor. Den ganzen nächsten Tag verbrachte ich mit Eisumschlägen und ohne Zwischenfall. Ich ass und trank wie gewöhnlich. Der Arzt verordnete mir vorsichtshalber leichter verdauliche Stoffe. Den ganzen Tag hindurch verspürte ich ziemlich heftigen Schmerz von der Innenseite des Mittelfingers durch die Hand und den Arm bis zur Achselhöhle. An der Bissstelle verspürte ich jedoch nur die Unannehmlichkeit der vorhergegangenen Opei'ation, keinen auffallenden Schmerz. Am Abend, also am Ende des der Vergiftung folgenden Tages, entfernte der Arzt die letzte Bandage, worauf die Schwellung sich verflachend auf Brust und Rücken weiter vordrang. Arm und Hand sahen noch wie früher aus, das heisst sie waren dick und steif geschwollen. Der kranke Arm war mehr als doppelt so dick als der gesunde. Bis zum nächsten Morgen waren Brust und Rücken bis zur Körpermitte ziemlich stark geschwollen., die Achselhöhle zeigte sich gar nicht mehr als Vertiefung. Hiemit hatte die Geschwulst ihren Höhepunkt erreicht und blieb nun durch volle sechs Tage in diesem Umfange. Trotz der Tag und Nacht hindurch applicirten Eisumschläge blieb der Arm während dieser Zeit sehr warm und stark ge- rötket. Der Puls im Arme war pochend. Erst am siebenten Tage nahm mit dem Pochen im Arme auch die Hitze, nicht aber der Umfang der Anschwellung ab. Dies zu bewirken blieb den vom achten Tage nach dem Bisse an vom Arzte verordneten erregenden Umschlägen Vorbehalten, welche die Geschwulst innerhalb einer weiteren Woche bedeutend verringerten. Die Innenseite des Armes gegen die Achselhöhle hin hatte verschiedene Farben, welche dann allmälig wieder der Naturfarbe wichen. Nach Verlauf von nicht ganz drei Wochen war ich genesen. Im August 1881 biss mich in Gacko eine Vipera ammodytes, welche ich noch nicht lange im Käfige und mit einer anderen, ihr einigermassen ähnlichen, schon ver- trauten ihrer Art verwechselt hatte, auf der Streckseite in das Mittelglied des linken Zeigefingers. Es traten nahezu gar keine für die nächste Zeit beunruhigenden Erschei- nungen ein, vielleicht deshalb, weil der Arzt kurz nach erfolgtem Biss den getroffenen Finger durch Uebergiessen mit concentrirter Carbolsäure tüchtig verbrannt hatte. Eine Schwellung war erst nach etwa einer Stunde einigermassen bemerkbar und be- schränkte sich überhaupt fast allein auf den von der Schlange verletzten Finger. Die übrigen Finger wurden bei dieser Behandlung mit Carbolsäure ebenso tüchtig wie der Zeigefinger mit verbrannt, schwollen nicht an und heilten in etwa zehn Tagen. Der Zeigefinger eiterte an der Bissseite stark und zeigte, nach Ausspruch des Arztes, auch nach vier Wochen bei täglichen Bädern in Carbolwasser durchaus keine Neigung' G50 III. Naturwissenschaft. zum Heilen, so dass nach dieser Zeit schon der Knochen sichtbar wurde. Dabei blieb der Finger fortdauernd entzündet und massig geschwollen. Nachdem dieser Fortgang dem Arzte nicht behagte, verordnete er statt mit Carbolsäure versetztem Wasser Bäder mit Chlorkalk. Acht Tage nach dem Gebrauch dieser Bäder machte der Doctor eine zufriedenere Miene und entliess mich nach Ablauf von im Ganzen sechs Wochen aus seiner Behandlung. Zum Schnaps griff ich diesmal nicht, weil der Arzt mir bei dem Mangel eigentlicher Vergiftungserscheinungen eher eine nachtheilige als gute Wirkung von dem Gebrauch desselben verhiess. Vipeva aspis. Vipera aspis , welche ich in Südtirol in Thälern von mehr als 900 M. Seehöhe gefunden hatte, traf ich in Bosnien oder der Hercegovina nirgends, und konnte diese Viper auch durch Andere aus unseren Ländern nicht erhalten; sie kommt jedenfalls im Occupationsgebiete nicht vor. Pelias her us (Kreuzotter). \ Vorkommen. Mit der Sandotter gemeinschaftlich bewohnt die hohen Regionen der Hercegovina die weit und breit sehr bekannte Kreuzotter. In Bosnien dürfte Pelias berus im Allgemeinen ziemlich selten sein. Ich selbst kam nie an Stellen, wo sich diese Otter findet, und erhielt auch durch Andere nur dreimal eine bosnische Kreuz- otter. Wo sie in Bosnien, wenn auch selten, auftritt, mag sie nicht schlecht gedeihen, denn Gustos Reiser zeigte mir ein Stück aus der Umgebung von Sarajevo, das so ziemlich zu den grössten, welche von dieser Art gefunden werden, gehört. Die erste Kreuzotter, welche ich in der Hercegovina erhielt, brachte mir im August 1881 ein Mann in seinem Tabakbeutel. Ich dachte bis dahin, nachdem ich schon seit mehreren Monaten in der Umgebung von Gacko gesammelt hatte und von keiner Kreuzotter eine Spur finden konnte, überhaupt nicht mehr an deren Vorkommen und bezeichnete Leuten, welche mir beim Sammeln Dienste leisteten, nur diejenigen Schlangen als giftig, welche ein Horn auf der Nase haben, um die gefährlichen auffallend zu brandmarken. Der erwähnte Mann fing darauf hin die Kreuzotter ungescheut als giftlos ein und steckte sie in seinen Tabakbeutel, ' ii; welchem er sie mir brachte, indem er mir erfreut mittheilte, er habe eine ganz neue Schlange erbeutet. Als ich den Tabakbeutel behutsam öffnete, erkannte ich eine ganz gesunde, etwa 40 Cm. lange Kreuzotter. Dass diese sich von dem Unbesonnenen so ohneweiters, ohne sich zur Wehr zu setzen, fangen und in den Tabakbeutel stecken liess, ist jedenfalls ein ganz seltener Aus- nahmsfall; ich kannte Pelias berus von dieser gutmüthigen Seite noch nicht. Im Käfig biss dieses Exemplar nach Allem, was an ihm vorbeikam, frass aber nicht. In anderen Theilen als der fast ganz kahlen, verkarsteten Umgebung von Gacko, wo sie also 1000 M. hoch ihr Heim aufschlägt, fand ich von Pelias berus während des ganzen Sommers 1881 kein Stück. In den beiden Jahren 1885 bis 1887, während welcher ich hauptsächlich im unteren und mittleren Narentathale sammelte und nur selten höhergelegene Terrains dieses Landes besuchte, fand ich von Pelias berus auch keine Spur. Als ich jedoch im Herbste 1887 die Umgebung von Gacko wieder betrat, über- zeugte ich mich bald, dass die Kreuzotter in den hercegovinischen Hochlagen zu den Erbgesessenen gehört. Ich fand die Otter nun auf der Linie Gacko — Avtovac bis Korito so ziemlich überall, eines Morgens sogar zwei Stück (beide Weibchen und trächtig) recht nahe aneinander. Sie ist also durchaus keine Seltenheit. Im Gebirge dürfte sie v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 651 so hoch und vielleicht auch höher als die Sandotter zu finden sein. Das Sammeljahr 1888 zeigte mir unter Anderem auch, dass die hercegovinische Kreuzotter in der Wahl ihrer Aufenthaltsorte sich von ihren mitteleuropäischen und bosnischen Artgenossen gar nicht unterscheidet. Ihr ist jeder Ort recht, an welchem sie den trägen Leih ohne viele Mühe einem Feinde leicht entziehen kann und wo es etwas zu fressen gibt. Nahrung. Ueber das, was fett macht oder nicht, macht sich die Kreuzotter wenig Sorgen. Sie nimmt, nach dem Mageninhalt der von mir geöffneten, mit wahrscheinlicher Ausnahme der Lurche, was sich erwischen lässt, und das sind — namentlich an trüben Tagen — auch die Heuschrecken. Mehrere Kreuzottern, welche ich zur Zeit, wo es viele Heuschrecken gibt, d. i. im Hochsommer, fing, hatten nur solche Kaukerfe und Bestandtlieile dieser im Magen und im Darm. Ich fand nicht eine Spur von anderem Futter bei etwa sechs Kreuzottern, welche ich im Juli tödtete. Nebst den Heuschrecken, welche fast allen dort vorfindlichen Arten angehörten, fand ich bei dem • erwähnten halben Dutzend Kreuzottern nur eine Unmenge von Eingeweidewürmern. Wenn sie nicht giftig wäre, würde es sich sonach fast empfehlen, die Kreuzotter der Heuschrecken halber zu schonen; dass Pelias berus auch andere Insecten frisst, habe ich selbst nicht erfahren. Sammeln und Grefangenhalten. Um die bosnisch-hercegovinischen Reptilien zu sammeln, ist natürlich kein anderer Vorgang und nicht mehr Geschicklichkeit erforderlich, als dies für die Classengenossen anderer Gegenden nothwendig ist. Geschicklichkeit und Gewiegtheit erheischt das Sammeln im Freien, sowie Kenntniss der Bedürfnisse und Verständniss bei der Pflege in der Gefangenschaft jedenfalls, da man sonst einerseits die flüchtigen Tliiere, die bald ein Versteck gefunden haben, nicht leicht erhält, so wie sie andererseits bei ungeeignetem, das ist widernatürlichem Gefangenhalten der Einkerkerung bald erliegen und Beob- achtungen über ihre natürliche Lebensweise vereiteln. Beides kann mit Hilfe an- leitender Winke schneller erreicht oder verbessert werden als allein nach dem Grund- sätze: Erfahrung lehrt und Schaden macht klug. Es Hesse sich ganz gut alles das, was man zu beachten hat, um das Sammeln Erfolg versprechend anzufassen, lesen und sich merken, doch kann eine theoretische Anleitung für eine blos praktisch durchführbare Ausübung nicht genügen, und es muss daher der oben citirte Grundsatz hiernach doch noch in die Rechnung eingestellt werden, doch nicht mehr als Hauptfactor. Aehnlicli gilt dies für das zweckmässige Gefangen halten, wenn auch hiebei die Anleitung in Worten leichter anzuwenden und durchzuführen ist. Mit dem Aufsuchen der Reptilien beginnt man natürlich — wenn es geht — zeitlich im Frühjahre. Es sind zu dieser Jahreszeit, so lange die Tagestemperatur noch nicht hoch ist, die Mittagszeit und die ersten Nachmittagsstunden für den Fang aller unserer Reptilien die allein günstigen. Auch die vielfach als eigentliche Nachtthiere geschilderten Arten, so namentlich die Giftschlangen, muss man, wenn man sie finden will, im zeit- lichen Frühjahre um diese Tageszeit suchen. Späterhin verlängert sich die Fangzeit immer mehr gegen Morgen und Abend, schliesst im sehr warmen Hochsommer die Mittagsstunden ganz aus und beschränkt sich schliesslich nur mehr auf den sehr frühen Morgen und auf den späteren Abend. Die Nacht könnte im Hochsommer allerdings auch zum Schlangenfang verwendet werden, wenn es nicht eben zu schwer wäre, diese Tliiere, deren Auffinden bei Tag schon eines sehr aufmerksamen und im Unterscheiden von einander ähnlichen Erscheinungen geübten Auges bedarf, bei Nacht zu bemerken; und Schlangen mit der Laterne suchen verspricht nach meiner Erfahrung namentlich 652 ni. Naturwissenschaft. im Karst doch zu wenig Beute, um empfohlen zu werden. Sind auch des Nachts die Schlangen weniger scheu als am hellen Tage, so wird sich ein nächtliches Schlangen- suchen doch nur auf flachen und nur schütter oder gar nicht bebuschten Boden be- schränken. Es mag Mancher aus eigener Erfahrung rathen, Giftschlangen Nachts mit Licht zu suchen, das dürfte aber nur für eine bestimmte Localität, also für bestimmte Bodenverhältnisse sich eignen. Besser ist es auch für den Reptiliensammler, Nachts zu schlafen, als Schlangen fangen zu wollen. Dass Schlangen, namentlich Vipern, dann die Katzenschlange und auch noch andere bei Nacht gefangen werden können und auch gefangen werden, ist richtig; so sagte mir der Reptilienhändler Mulser, dem es wohl kaum darum zu thun ist, nur zu erforschen, was die Schlangen des Nachts treiben, dass er die Sandotter bei Tag und Nacht fange. Die Beschaffenheit der Oertlichkeit, welche man mit Aussicht auf Erfolg nach Reptilien durchsuchen kann, ist natürlich sehr verschieden. Sie sind überall da zu ver- muthen, wo sie schnell die Möglichkeit finden können, sich vor Feinden zu bergen, und wo sich nebstdem auch die Wohlthat der Sonne gemessen und der Schutz des Schattens finden lässt. In solchen Landstrichen kann man sie häufiger vermuthen, weil da auch ihrer Vermehrung weniger Gefährdung droht. Stellen, welche sehr häufig durch Men- schen beunruhigt werden, schliessen das Ansicdeln wenigstens grösserer Arten so ziemlich ganz aus. Wenn man Schlangen manchmal in unmittelbarster Nähe menschlicher Woh- nungen findet, so gehört dies zu den Ausnahmen der Regel. Die eine Art erfordert mehr, die andere weniger Umsicht und Gewandtheit, um ihrer habhaft zu werden. Auge und Ohr müssen aufmerksam sein, und letzteres soll geschult werden, in verschiedener Art sich äussernde Geräusche auch zu unterscheiden. Einem aufmerksamen Ohre allein wird man oft Beute verdanken, und durch ein solches sich nicht selten unnütze Mühe und Zeitverlust ersparen. Den nicht wenigen Rathschlägen, welche in diesbezüglichen Schriften und in natur- wissenschaftlichen Büchern über das Suchen, Sammeln und über das Pflegen der Reptilien in der Gefangenschaft, sowie über deren Behandlung beim gelegentlichen Versenden u. dgl. sich finden, sei hier Einiges von dem, was meine Erfahrung mich als nöthig oder zweckmässig beachten lehrte, angefügt. Das Suchen. Man vermeide beim Suchen nach Reptilien jede unnütze sichtbare Bewegung mit dem Körper, um nicht die gesuchten Thiere, noch ehe man sie gesehen, zu verscheuchen. Man bücke sich nicht, ohne vorher alle Stellen, welche man auf- rechtstehend sehen kann, gründlich überblickt zu haben. Man gehe in möglichst kleinen Schritten und natürlich langsam. Wo der Raum es gestattet, überblicke man in lang- samem Vorwärtsschreiten stets einen Raum von etwa fünfzehn oder zwanzig Schritten nach allen möglichen Richtungen, lasse jedoch die unmittelbarste Umgebung deshalb nicht aus den Augen. Oefthet sich z. B. am Gebüschrande, an einer Felswand, einer mit Mauern verkleideten Terrainstufe oder einer anderen Oertlichkeit, tvelche man eben absucht, zur Rechten oder zur Linken ein freier Raum, so thue man, ehe man diesen nicht gründlich längs seiner Umrandung mit den Augen gemustert, keinen Schritt vor- wärts, besonders dann nicht, wenn der eigene Schatten beim Passiren in diesen Seiten- raum fiele. Hält man es für gut, diesen zu betreten, so sehe man zuerst auf der ur- sprünglichen Weglinie am Boden und an den Gebüschen, an der Mauer, oder was es sonst für ein Gegenstand sei, längs welchem man einherschritt, so weit man kann in der früheren Richtung vorwärts und gehe erst, nachdem man sich überzeugt, dass man durch eine weitere Bewegung nichts verscheuche, nach dem Platze, den man jetzt zu durchsuchen beabsichtigt. Findet man es nöthig, einen Blick in eine kleine freie v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 653 Stelle nach seitwärts oder rückwärts zu thun, so bleibe man biezu stehen und setze niemals seine Bewegung in einer Richtung fort, welche man nicht auch vorher sorgfältig gesehen hat. Geräusche beim Suchen. Geräusch darf man machen, wie viel man will; das wusste ich schon als Knabe aus Erfahrung, als ich in der Umgebung Wiens die dort heimischen Reptilien sammelte, und hin heute nach zwanzigjährigem Betreiben dieser Lieb- haberei noch mehr der gleichen Ueberzeugung. Noch nie habe ich mir durch Geräusch, wie Anrufe an den Gehilfen o. dgl., auch wenn es recht laut war, ein Reptil verscheucht. Jenes vorsichtige Verhalten ist hauptsächlich beim Suchen nach Schlangen zu empfehlen. Wenn man es auf Eidechsen allein abgesehen hat, braucht man bekanntlich so ziemlich auf gar nichts zu achten und kann ihrer genug sehen, wenn auch nicht alle fangen. Der Blavor hält hier die Mitte. Annähern an das erblickte Thier. Erblickt man eine ruhende Schlange oder ein anderes schnellläuiiges Reptil, welches man erbeuten will, so rühre man von dem Momente des Erblickens an gar nichts am Leibe, wenn man nicht gegen das erwünschte Thier hin durch Gegenstände gut verdeckt ist. (Den trägen Giftschlangen gegenüber ist diese Vorsicht, wie bekannt, meist nicht nöthig, umsomehr aber bei der Eidechsennatter, bei Zamenis Dahlii und Anderen.) Die Augen allein bewegend überlege man geduldig den Fang und hat auch, wenn man das Thier nicht durch eine vorhergegangene Be- wegung erschreckt hat, Zeit, jetzt über dessen Identität ins Klare zu kommen. Um sich nun dem zur Beute Erkorenen zu nähern, mache man Schritte von kaum der halben eigenen Fusslänge und schreite so mit recht ruhig gehaltenem Oberleib auf das erwünschte Reptil langsam zu. Hat man das Thier auf mehr als etwa dreissig Schritte erblickt, so kann man sich anfangs schon entschiedener nähern; je geringer aber die Entfernung zwischen dem Körper des Fängers und dem Thiere wird, desto grösser muss die Vorsicht werden, mit der er sich diesem naht. Man muss natürlich trachten, womöglich bis auf einen Schritt heranzukommen; am Oberleibe rühre sich nun gar nichts, wenigstens bleibe an dessen Umfängen Alles ruhig. Hindert ein Zweig, und muss dieser durchaus mit Hilfe der Hand bei Seite gebogen werden, so hebe man die Hand hiezu sehr langsam, fast wie einen Uhrzeiger und womöglich innerhalb der Contour des Leibes, recht knapp am Körper. Steht man endlich nahe genug vor dem Thiere, und erlaubt es die Oertlichkeit, so breche man gleichsam urplötzlich über der Beute zu- sammen und decke sie jetzt schnell mit den Händen. Geht es nicht an, sich jählings auf sein Opfer zu werfen, so nähere man sich den vorsichtigeren Arten uhrzeigerartig, möchte ich sagen, so weit, dass ein rascher Griff nicht mehr fehlen kann. Dies gilt namentlich für den Fang der Schlangen, wenn man sich eines Hilfsmittels nicht bedienen kann. Je näher man die Hand ruhig an das Thier bringen kann, desto leichter gelingt natürlich der eigentliche Fanggriff. Dieser muss nicht immer mit Hast gemacht werden, manchesmal kann man ein Reptil ganz ruhig vom Boden wegnehmen. Will man einem behenden Kriechthiere sich nähern, so achte man sehr darauf, dass es hiebei nicht vom Schatten des Fängers berührt werde; dieser schreckt in den meisten Fällen die Thiere sofort auf und treibt sie zur Flucht; der nicht tiefe, sondern löcherige, welcher von einem durch den Wind bewegten, wenn auch buschigen Zweig herrührt, verscheucht ein Reptil natürlich nicht, auch wenn er es wiederholt trifft, denn dieser Schatten zeigt sich aus naheliegenden Gründen nicht verdächtig. Eidechsenfang mit der Schlinge. Eidechsen lehrte mich Dr. Schreiber mit einer Rosshaarschlinge, „in der Art wie der Wasenmeister die Hunde“, fangen. Hiebei will ich bemerken, dass die Mauereidechse und die junge Lac. viridis und Lac. agilis, wenn 654 111. Naturwissenschaft. sie auch schon mit dem Kopfe im Rosshaar hängend in der Luft baumeln, doch leicht wieder aus der Schlinge gleiten; man darf diese kleinen Thiere also nicht lange zappeln lassen, sondern muss sie, wenn sie in der Schlinge hängen, auch baldigst in die Hand nehmen. Man wird dann sehen, dass man die Schlinge gar nicht erst zu lösen braucht, sondern dass sie sich von selbst öffnet. Auch das ganz einfache Einfangen unserer kleinen Eidechsen mit der Schlinge bedarf einiger Fertigkeit, und ich empfehle demjenigen, der mit der Schlinge Eidechsen fangen will, folgenden Vorgang. Die Schlinge bringe man langsam und ohne damit herumzuwackeln vor und um den Kopf des Thierchens und hebe dann ruhig etwas nach hinten, nicht rasch wie beim Fischen, das Fangzeug empor. Sieht man eine unserer Karsteidechsen, welche, wie erwähnt, scheuer als die anderen sind, auf einem Felsblock oder einer Wand, so komme man von hinten oder oben an sie heran und lasse ihr die Schlinge von oben über das Köpfchen, so dass die Eidechse den Fänger nicht sieht. An Wänden, wenn der Fänger unterhalb der Eidechsen sich befindet, lassen sic ihn übrigens näher heran als anderswo. Wendet die Eidechse den Kopf nach dem Knoten der Schlinge und ist es nicht leicht, diese darüber zu bringen, so entferne man die Schlinge und probire von einer anderen Seite. Oft schnappen die Eidechsen nach den Schlingen- knoten, den sie für ein Insect halten, sogar oft anspringen. Diesen Umstand habe ich bei der sehr scheuen koritana , unserem eigentlichen Steinläufer, zu seinem Nachtheile ausgenützt; ich habe, wenn diese Eidechse der blosse Anblick ihres Galgens in die Klüfte trieb, ihn mit einem Köder verlockend gemacht, indem ich an den Stab hinter der Schlinge eine unserer zähen gelben kleinen Pferdefliegen mittelst eines Fadens so anbrachte, dass die Eidechse, um sich aus ihrem Verstecke der Fliege zu nähern, die Schlinge hätte passiren müssen; das letztere aber konnte der kleine Räuber nur zum Theil thun und wurde selbst zum Raube. Läuft die zu fangende Eidechse selbst in die Schlinge, wie beim Fangen mit der Fliege, so ziehe man etwas rascher und senkrecht von der Eidechse nach aufwärts; man kann so auch öfter das Thierchen an den Hüften in der Schlinge haben. Sitzt die Eidechse, dann muss die Schlinge gegen rückwärts hin zusammen gezogen werden, sonst schüttelt das Thierchen den Kopf odef prallt zurück und befreit sich. Man kann, wenn man ruhig verfährt, bequem von einer Stelle mehrere nacheinander wegfangen, ohne die den himmelfahrenden Schwestern und Brüdern Nachguckenden zu verscheuchen. Hilfsmittel zum Eidechsenfang. Das Stäbchen , an welches die Rosshaarschlinge für den Eidechsenfang befestigt werden soll, muss dünn, dabei aber doch steif sein und darf nicht schwingen, weil man sonst keine Sicherheit in der Führung hat und durch den zuckenden Schatten und überhaupt durch die auffallende Bewegung leicht die Thiere verscheucht. Das Rosshaar sei ebenfalls dünn, für kleine Eidechsen je dünner desto besser, da eine solche Schlinge aus einem derben Haare sich nicht leicht schliesst. Das Oelir in der Schlinge, durch welches das andere Ende des Rosshaares durchgesteckt wird, darf nicht weit sein, weil sonst die Schlinge am Leibe einer kleinen Eidechse nicht enge genug zusammengezogen werden kann. Für die Schlingen zum Eidechsen- fang nahm ich das Haar von der Mähne, weil dieses weich und zu diesem Zwecke bei Weitem fest genug ist. Das Haar soll nicht länger sein, als dass die daraus gebildete Schlinge nicht mehr als faustgross werde. Es ist gut, das Rosshaar nicht unmittelbar mit dem Stab zu verbinden, weil sonst entweder der Stab zu nahe an das scheue Thier ( oxijcephala und koritana , auch notopholis ) gebracht werden müsste, oder wenn man das Rosshaar länger lässt, man seiner schwingenden Curven halber damit schlecht hantiren würde. Ich band daher an den Stab einen ziemlich langen Faden, den ich v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegpvina. 655 nach Erforderniss mehr oder weniger am Stabende aufrollte, und an diesen Faden die Rosshaarschlinge. Für den Stab nahm ich am liebsten Eisendraht, den ich je hach Umständen entweder gerade liess, oder, um in einen Spalt zu gelangen, mir zurechtbog. Ich habe mit solchen Rosshaarschlingen auch Vipern gefangen. Schutz der Hand. Sich beim Einfangen von Schlangen eines Tuches als Hand- schutzes zu bedienen, widerrathe ich, weil man durch dieses selten hindurchfühlen wird, ob man die Schlange oder etwas Anderes, etwa auch Weiches festhält. Die Hand soll aber doch geschützt werden, weil es gar oft nothwendig wird, schnell in dichte Dornen zu fahren. Man nehme daher sehr feste, hoch hinaufgehende Hirschlederhandschuhe, welche auch das ganze Handgelenk sicher gegen Dornen schützen. Dort, wo es viele Dornensträucher gibt, wie in der wärmeren Hercegovina, ist es übrigens zweckmässig, seinen Körper so viel als möglich durch Leder zu schützen, um, wenn nöthig, ohne Zögern durch Dorngestrüpp , als wenn es blos Gras wäre, dringen oder auch einen Dornenstrauch schnell auseinandertreten zu können. Geräusche der Reptilien. Man achte natürlich stets auf jedes Geräusch und lerne zwischen den von Schlangen und von Eidechsen verursachten unterscheiden, was gar nicht schwer fällt. Die Eidechsen, ob gross oder klein, lassen sich infolge der trippelnden Bewegung ihrer Füsse durch ein zappelndes Rascheln vernehmen, während Schlangen ihre Bewegung durch in einem Zuge fortgesetztes gleichmässiges Rauschen dem aufmerksamen Ohre verrathen. Die Bewegung der Schlange rauscht meistens wie ein ruhig, geradlinig, wenn auch schnell, in dürres Laub, Reisig oder dergleichen ge- schobener Stab, während jene der befussten Eidechse wie eine mit zitternder Hand in solchen Dingen herumbewegte Gerte raschelt. Es ist gut, diese Unterschiede kennen zu lernen, damit man nicht einer Eidechse nachstöbert und dadurch eine vielleicht zu- nächst befindliche Schlange verscheucht. Vernimmt man ein unbestimmtes Geräusch, so wende man womöglich nur die Augen nach jener Richtung, genügt das nicht, so doch nur den Kopf und prüfe so, was jetzt zu thun ist; jedenfalls 1 »leibe man regungs- los stehen. Hat man einen Gehilfen, so kann man diesen ungenirt laut herbeirufen, zeige ihm jedoch niemals durch Winke mit der Hand, was er zu thun habe, sondern sage ihm dies Alles in Worten. Hat man allenfalls auch seinen Hund bei .sich, so lehre man diesen, sich auf den Befehl sofort niederlegen; geht dies nicht, dann lasse man ihn ganz weg, sonst verscheucht der Köter Alles. Giftschlangenfang. Giftschlangen fing ich bis zum Jahre 1881 mit unbewehrter Hand und mit Zuhilfenahme des Fusses. Waren sie so nicht zu erreichen, so trachtete ich sie vermittelst eines Stockes in der Höhlung oder dem Loche oder wo sie sich sonst befanden niederzudrücken und dann den ersten auf freier Oberfläche sich bieten- den Körpertheil mit der Fusssohle festzuhalten. Den Fuss schob ich dann, ohne die Schlange zu sehr zu drücken, möglichst knapp an den Kopf, so dass dieser allein hervorragte und nicht bewegt werden konnte. Die Spitze des Zeigefingers stellte ich auf die Oberseite des Hinterhauptes der Viper, schob den Daumen unter deren Unter- kiefer, jedoch nicht weit vorne, um den Giftzähnen nicht zu nahe zu kommen, und hatte auf diese Art die Giftschlange widerstandsunfähig gemacht. Ich konnte sie nun, den Kopf zwischen Zeigefinger und Daumen einklemmend und ihr so das lose Maul gründlich schliessend, ohne Besorgniss aufheben. Man darf sich hiebei nicht milde stimmen lassen und sie beim Halten schonen wollen ; sie zeigt sich hiefür nicht erkennt- lich, sondern macht, nachdem sie sich längere Zeit hindurch ganz schlaff hängen gelassen, plötzlich mit dem ganzen Leibe einen tüchtigen Ruck, gleitet aus der Klammer und empfiehlt sich dem ferneren Wohlwollen des milden Sammlers. In der eben beschrie- 656 III. Naturwissenschaft. benen Art erbeutete ich über hundert unserer Giftschlangen, darunter meistens Sand- ottern, und wurde nur ein einziges Mal beim Fangen im Freien gebissen. Ich kann diesen Vorgang Jedem, der zu einer Zeit, zu welcher er kein Hilfsmittel besitzt und ihm eine Giftschlange unterkommt, die er fangen will, als zweckmässig empfehlen. Dass ich beim Fangen im Freien einmal von einer Sandotter gebissen wurde, ver- schuldete nicht die geschilderte Fangart, sondern der Umstand, dass ich hievon ab- weichend eine solche Otter bei der Schwanzspitze, welche allein zu sehen war, aus einem Busche hervorzog. Verkroch sich eine Viper unter einen Stein oder in ein Ver- steck überhaupt, aus dem sie herausgeholt werden sollte, so trachtete ich, nachdem ich ihr schleunigst nachgegraben, ihre Schwanzspitze mit den Fingern zu erfassen, dies aber seit dem Bisse nur, wenn ich den Kopf so verborgen wusste, dass er nicht ver- wendbar war. Sie so hervorziehend, liess ich sie, wie früher gesagt, wieder unter meinen Fuss, um dann, wie beschrieben, ihrer vollends habhaft zu werden. Dieser Vor- gang liefert zwar ganz guten Erfolg, ist aber natürlich doch zu gefährlich, um als Norm für den Giftschlangenfang empfohlen zu werden; er ist, wie gesagt, nur dann auch gut, wenn man über keine Hilfsmittel verfügt. Gestattet es die Oertlichkeit, so nehme man eine am Grifftheile etwa U/2 Schuh lange Flachzange und trachte die Schlange mit dieser zu fassen, oder spiesse sie mit dünnen stählernen Gabeln, wenn man auf die Unverletztheit keinen Werth legt; aber nicht alle Vipern werden sich vorher spiessen und dann mit Erfolg beobachten lassen. Den gespaltenen Stock, der wohl nur für erdigen Boden geeignet sein mag, möchte ich als wenig zuverlässig nicht empfehlen. Sehr zufriedenstellend verwendete ich in letzterer Zeit die Rosshaarschlinge. Man kann, um sicherer zu sein, zwei Rosshaare zusammengedreht zu einer Schlinge verwenden. Hat man die Schlange in der Schlinge dingfest gemacht, so kann man dann nach Belieben mit der Zange verfahren. Es wird sich nach den Umständen richten, ob es besser ist, die Schlinge, die Zange oder die Hand anzuwenden. Ist der Kopf verborgen, dann geht es mit der Schlinge nicht, und kann man andererseits an die Schlange nicht heran, ohne sie zu verscheuchen, dann wird sich wieder die Zange nicht verwenden lassen, sondern nur die weiter vorstreck- bare Schlinge. Schlangenfang im Allgemeinen. Nicht alle Schlangen sind in gleichem Grade auf- merksam, am meisten auf ihrer Hut ist Coelopeltis lacertina. Wer diese fangen gelernt, dem geht nicht bald eine andere durch, die er rechtzeitig bemerkt. Nach Coelopeltis kommen die Zamenis- Arten, und erst nach einigem Abstande kann man die Anderen folgen lassen. Die geringste Bewegung, welche die hurtige Eidechsennatter bemerkt, veranlasst sie, ihren schön geformten, klug oder neugierig aussehenden Kopf auf etwa ein Sechstel oder auch ein Fünftel ihrer Leibeslänge mit senkrecht und schwanartig geschwungenem Halse über den Boden zu erheben. Sobald sie das that, rührte ich, drastisch gesagt, keinen Nasenflügel. Erst wenn sie wieder ihren Kopf abwendete, ging ich daran, mich ihr zu nähern. Das geschah natürlich so unbeweglich als möglich, gleichsam wie auf dem Boden hingeschoben, wie eine Holzfigur. Setzt sich die Schlange aus Langerweile unterdessen in Bewegung, dann erwäge man kurz, ob es das Beste ist, mit einem oder einigen äusserst x’aschen Sprüngen durch Dick und Dünn sie schleunigst zu verfolgen. Fährt die jetzt flüchtige Schlange bei der Verfolgung in Gerolle, lockeres abhebbares Gestein, aufwühlbaren Boden oder unterhöhltes, ausziehbares Strauchgewurzel, so ist sie noch nicht sicher entwischt. Unter dem Schutz der festen Handschuhe vermag die Hand ihr, wenn sie rasch ist, auch dann noch recht oft an den Leib zu rücken; es muss aber schnell zugegriffen werden. Herausgehobene Steine, Wurzeln v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hereegovina. (557 oder dergleichen sind entsprechend wegzuschleudern, dass sie nicht mehr zurückrollen und hindern können. Sobald man das Thier sieht und ihm anders noch nicht beikann, drücke man es mit der Fingerspitze nieder und mache mit der anderen Hand die Umgebung frei. Ist es eine Giftschlange, welche übrigens hierzulande solcher Mühe nicht werth ist, so nehme man einen Stab oder die Zange. Mehr Erfolg im All- gemeinen verspricht die fühlende, biegsame und flinke Hand. Erfasst man eine Schlange beim Schwanz, so ziehe man diesen straff, jedoch nicht zu stark an. Ihr Entgegen- ziehen überwinde man nur durch unnachgiebiges, ruhiges Halten. Lässt die Schlange ein wenig nach, so ziehe man ein Stückchen zurück und fördere sie so allmälig hervor. Schnell lässt sich das nicht thun, weil man das Thier sonst beschädigt. Es ist immer- hin gut, in einem solchen Falle sie fest, aber ruhig am Schwanz zu halten und mit der anderen Hand alle Stützpunkte für die Schlange zu entfernen. Fasst man in der Art ein trächtiges Weibchen, so zieht man es, wenn es sich sehr anstrengte, entweder todt hervor oder es geht bald darnach zu Grunde, daher man bei Weibchen — besonders zur Trächtigkeitszeit — überhaupt besser tliut, sie auszugraben und sie am Schwänze nur zu halten, als sie aus dem Loche zu ziehen. Ist das Ausgraben unmöglich, nun dann wird zumeist jeder das Herausziehen riskiren; lieber todt als gar nicht erbeutet. Rosshaarschlinge für Schlangen. Die Rosshaarschlinge zum Schlangenfang sei im Allgemeinen wie jene für Eidechsen beschaffen. Auch für Schlangen nahm ich als Stab einen Draht; man könnte hier sagen je länger desto besser. Als Verbindung zwischen Rosshaar und Stab eignet sich ein Stück einer dünnen, aber festen Schnur, jedoch nicht eine Darmsaite, diese wäre zu wenig geschmeidig oder müsste feucht gemacht werden. Zur Schlinge selbst empfiehlt es sich, zwei Rosshaare zu vereinen. Diesem Instrument in nicht ungeschickter Hand wird nicht leicht eine Schlange unserer Länder entkommen. Sie wird damit in den allermeisten Fällen auch an solchen Orten dingfest gemacht werden können, an welchen sie sonst unerreichbar wäre. Das genügt. Verwickelt sich die in der Schlinge gefangene Schlange jetzt, wo und wie sie mag und kann, und ist es unthunlich, sie an der Schlinge zu sich zu bringen, so kann man ja jetzt verfahren, wie man will; man hat Zeit, die Schlange kommt nicht los, wenn die Schlinge gut ge- macht ist, man kann sie festbinden und weiter manipuliren. Ob Draht zu diesen Schlingen für Schlangen verwendbar ist, habe ich nicht versucht, da mir das doppelte Rosshaar genügte. Um die Gefangenen nach Hause zu bringen, ist fast jedes Transportmittel gut, jedoch nehme man, wenn die Sonne kräftig scheint, kein Blech- oder Glasgefäss, da die Reptilien hierin leicht verschmachten oder vielleicht Hitzschlag erleiden, kurz, sicher zu Grunde gehen. Das bequemste Transportmittel ist ein je nach dem zu er- wartenden Erfolg entsprechend grosser Sack. Auf Bequemlichkeit beim Transport machen sie gar keinen Anspruch, sie vertragen eine ziemlich enge Unterbringung; nur nehme man auf trächtige Weibchen, dann auf die empfindliche Zamenis Dahin und auf junge Stücke aller Art Rücksicht und setze diese nicht den Pressungen anderer aus. Zartere Eidechsen sind natürlich gesondert unterzubringen und nicht durch gröbere Arten drücken zu lassen. So namentlich die etwas weiche oxycephala und, wo man Geckos findet, in erster Linie diese. Ist man mit Transportmitteln nicht versehen, so stecke man ein nicht zu kleines Reptil in die Hosentasche, aus welcher es, ohne dass man es durch das Gefühl schon merkt, nicht leicht entkommt. Versenden. Ueber die Art, Reptilien zu versenden, habe ich mir bisher so wenig Scrupeln gemacht, dass ich darüber wenig sagen kann. Will man recht vorsichtig sein, so sondere man beim Versenden diejenigen, welche von anderen gefressen werden könnten, Baud II. 40 658 III. Naturwissenschaft. jedenfalls aber die zarten von den derben Arten. Comfortable Versandtgefässe sind nach meiner vielfachen Erfahrung nicht nöthig; es genügt hiezu irgend ein Kistchen, soferne es nicht nach Petroleum, Tabak oder anderen schädlichen Dingen duftet. Luft- löcher bohrte ich niemals in ein solches Gefäss, ohne die Thiere dadurch zu gefährden, trotzdem sie oft Wochen darin zubrachten. Auch war ich in der Grössenwahl der Ver- sandtgefässe nicht kritisch und hielt mich immer an das knappste Mass. Gut ist es freilich, wenn die Thiere halbwegs sich rühren können, aber nicht unbedingt nöthig. Ist überschüssiger Raum im Versandtgefässe, so fülle man diesen ziemlich gut mit Moos, Heu, Stroh, auch Gras oder dergleichen aus, damit die Thiere nicht untereinander purzeln. Versendet man viele in einer Kiste, so empfiehlt es sich, wagrechte Zwischenwände zu geben, um ein allzu starkes Drücken auf die Untersten zu verhüten. Im Uebrigen nagle man die Kiste oder Schachtel zu und überlasse sie des Weiteren ihrem Schicksale. Im Hochsommer, besonders wenn Reptilien zu dieser Zeit eine längere Reise zu machen haben, ist es wohl gut, das Versandtzeug mit mehr Fürsorge zu wählen. Ich nahm, wenn ich alle gesund an den Adressaten bringen wollte, ein stärkeres Kistchen als ge- wöhnlich — je stärker im Holz, desto besser — dieses fütterte ich mit gut durchnässtem Holz, welches ich mehr als einen Tag lang hatte im Wasser liegen lassen, und gab in dieses so feucht gehaltene Gefäss zu den Thieren sehr feuchtes Moos. In dem Kistchen liess ich noch überdies Querstäbe festmachen, damit das Moos sich nicht mit der Zeit zu einem Klumpen balle und die Thiere wieder in einem Klumpen auf jenem liegen müssen, was namentlich zarteren Reptilien und jungen Stücken nachtheilig wird. Die unteren des Klumpens können leicht erdrückt werden. Ein so gefülltes Kistchen muss sehr gut vernagelt werden, damit die Wände sich nicht werfen können; gut ist jedenfalls, es mit Schrauben zu schliessen. Man nehme als Versandtgefäss natürlich niemals einen guten Wärmeleiter. Wollte man Reptilien in einer Blechbüchse ver- packen, so müsste man diese doch in ein Holzkistchen geben. Dass das Kistchen überhaupt der Reise und dem Inhalt an Stärke entsprechen muss, ist natürlich. Luft- löcher mache ich in die Versandtkistchen nie; sie schaden mehr, als sie nützen; denn es trocknet, wenn sie hoher Temperatur ausgesetzt sind, der Inhalt um so früher aus, und die sengende Hitze dürrt dann die Gefangenen aus. Wenn ich Reptilien erhielt, welche mir aus übergrosser Fürsorge in sogenannten Versandtkäfigen, die an einer Wand statt Holz ein Gitter hatten, überschickt wurden, kamen oft genug nur todte zu mir. Im Allgemeinen ist bekannt, dass Reptilien die Wärme über Alles lieben In den hübschen Versandtkäfigen erregen sie natürlich die Aufmerksamkeit und mit- unter auch die Fürsorge einiger Derer, welche mit ihnen während ihres Transportes zu schaffen haben; diese Leute sind nun so wohlwollend, den Thieren die Wohlthat der Mittagssonne so viel als thunlich zuzuwenden, und setzen die armen Thiere einer Höllengluth aus. Die so liebevoll Behandelten erreichen ihr Ziel dann hart gedörrt oder wenigstens verschmachtet. — Sollen Reptilien während einer länger dauernden Sammelexcursion oder aus anderen Ursachen längere Zeit ohne Futter aufbewahrt werden und nicht an Kräftig- keit und Wohlbeleibtheit einbüssen, so darf man sie der Sonne und überhaupt der Wärme nicht aussetzen und muss sie recht feucht halten. Dies gilt namentlich von den weniger widerstandsfähigen Eidechsen, welche, wenn sie nur eine Woche an einem trockenen und warmen Orte verbringen müssen, schon ganz gehörig abmagern und später gar nicht mehr fressen oder das Gefressene nicht mehr verdauen. Ich verwahrte die Reptilien, welche längere Zeit ohne Futter auszuhalten hatten, in einer Blechwanne mit recht feuchtem Moose, oder goss einfach etwas Wasser in die sonst leere Wanne, y. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 659 so dass die Gefangenen unbedingt mit den Bäuchen ins Nasse kommen mussten. In so einer Blechwanne oder wasserhaltenden Schachtel brachte ich je nach Umständen auch manchmal durch Wochen hindurch so viele unter, dass sie nebeneinander nicht mehr Platz fanden, sondern in mehreren Lagen übereinander geschichtet waren. In solcher Herberge hört ohnedem das Füttern auf; da erhält sie die Feuchtigkeit bei Lebenskraft. Angenehm mag das den Thieren nicht sein, schön ist es auch nicht, aber bei eitlem solchen Provisorium kommt nicht das den Gefangenen Angenehme und das Schöne, sondern das Entsprechende und Zweckmässige mehr in Betracht. Dieses Sammel- gefängniss stellte ich dann, so lange die Thiere darin verweilen mussten, an einem möglichst kühlen Orte auf und überliess die Häftlinge sich selbst. Haben sie ihre ge- meinschaftliche Zelle zu stark verunreinigt, so ist es natürlich gut, diese auszuwaschen und darnach in der geschilderten Art weiter zu benützen. Wasser hat für die Reptilien, wenigstens für unsere einheimischen, einen ganz unschätzbaren Werth; dies ergibt sich auch aus der weiter oben beschriebenen Art Kranke zu behandeln. Mit Wasser bringt man schon ganz entkräftete wieder zur Kraft. Erhält man eine durch Wasser- und Futtermangel halb verdorrte Reptilien- sendung, was jedem Sammler, namentlich bei Eidechsen, Unterkommen wird, so stecke er sie einfach in nasses Moos und lasse sie je nach ihrem Zustande einige Tage darin, wenigstens so lange, bis sie Futter genommen und verdaut haben. In dieser Art habe ich ganz elend dürre Eidechsen wieder zu Embonpoint gebracht. Käfige. So wenig ich auf Reisecomfort der Reptilien im Allgemeinen Rücksicht nahm, denn ich pferchte ihrer manchmal eine gehörige Menge in einen verhältniss- mässig schauderhaft engen Raum, umsomehr sorgte ich dafür, dass meine Pfleglinge bei mir ein angenehmes und zweckmässiges, aber auch der Beobachtung vollkommen günstiges Heim erhielten. Nach vielfachem Wechseln und Aendern wählte ich die Käfige in nachstehender Art und behielt diese seit mehreren Jahren als die allen Anforderungen am meisten Rechnung tragende der Grundanlage nach bei. Die Ge- räumigkeit der Käfige bestimmte ich je nach der Grösse und der Menge der unter- zubringenden Thiei’e. Für beispielsweise zwanzig etwa 1/2 M. lange Schlangen ge- nügte mir ein Käfig von etwas mehr als Meterlänge und über 1/2 Meter Höhe und Breite. Glaswände verwendete ich seit ziemlich vielen Jahren nicht mehr, sondern allseitig Drahtgitter, welche alle abnehmbar waren, so dass man an jeder beliebigen Stelle schnell in den Käfig gelangen konnte. Das Holzgestell mit seinen Gitterrahmen ruhte auf einer 20 Cm. tiefen hölzernen Wanne, in welche eine Wanne aus Zinkblech eingelassen war. Mittels dieser Zinkwanne konnte ich den Tiefraum des Käfigs beliebig feucht halten, ohne das Holz zu durch tränken. Aus der Wanne führten zu unterst verschliessbare Abzuglöcher für das Wasser. Die Wanne wurde in den Baderaum und in den Bergungsraum — die Verstecke — geschieden und beide durch mit rauhen krummen Aesten und Rinden überkleideten Holztafeln so bedeckt, dass die Gefangenen vollkommen finstere Räume nebst Aus- und Eingängen zu diesen fanden. Der Boden der Wanne wurde mit einer etwa einen Zoll hohen feuchten Sandschichte belegt, und senkrecht aufgestellte Hohlziegel trennten die Lager unter den deckenden Holztafeln oder auch mit Moos belegten Ziegelplatten. In dieser Art hatte ich den Thieren bequeme unterirdische Räume geschaffen und meiner Inter- vention, ohne die Käfigeinrichtung zu alteriren, alle nöthige Manipulationsfreiheit gewahrt. Für den Hochraum schaffte ich ein schütteres Zweiggeflecht, welches, mehrere Stockwerke bildend, beweglich, d. h. abnehmbar, in wagrechten Lagen, hier angebracht wurde. Sträucher gab ich nur unvertrauten Gefangenen zu Anfang, so namentlich der 42* 660 III. Naturwissenschaft. Coelojpultis lacertina. Auf den Stockwerken brachte ich auch vereinzelt mit Rinden versehene Holztafeln an, um den Thieren die beliebten Halbverstecke zu bieten, als Ersatz für solche, wie sie im Laube der Zweige sich fänden. In diesen Käfigen fühlten sich meine Reptilien wirklich wohl und behaglich; das zeigte ihr Gesundheitszustand. Zum Gefangenhalten von Reptilien genügen übrigens auch mit Drahtnetz gedeckte und sonst mit einer der beschriebenen ähnlichen Innenausstattung versehene Käfige, wenn sich nur der Boden feucht halten lässt, ein hinreichend grosses Wassergefäss sich darin befindet, Verstecke hergestellt werden und den hier untergebrachten Thieren genug Licht und auch Sonne gespendet werden kann. Aufstellungsplatz. Ich stellte meine Reptilienkäfige und die als solche dienenden Kisten nicht im Zimmer, sondern in freier Luft: im Hofe, Garten, auf dem Balkon oder an sonst sich findenden luftigen Orten so auf, dass die Pfleglinge im zeitlichen Frühlinge und im Spätherbste während des ganzen Tages und im Hochsommer Morgens und Abends die Strahlen der Sonne gemessen konnten. Reinhaltung. Die Käfige müssen natürlich vom Unrath gereinigt und das Wasser erneuert werden, weil sie sonst bald abscheulich stinken. Dieses Reinigen kann bei der oben geschilderten Innenbeschaffenheit sehr leicht geschehen, ohne dass irgend etwas aus seiner Ordnuug gebracht werden muss. Ist ein Excrement, eine faulende Maus oder ähnlicher Unrath auf einer Deckplatte, so wird diese abgehoben und abge- spült, liegt derlei in einer unterirdischen Kammer, so wird beim successiven Abheben der Deckplatten der Unrath leicht gefunden und sammt dem darunter befindlichen Sand- tlicil leicht entfernt werden können, ohne dass im Käfige mehr gerührt werden muss. Gefüttert habe ich die Tliiere entweder in ihren Käfigen oder in leeren Kisten, je nachdem es mir gerade zusagte oder dies dem Zustande der Gefangenen entsprach. Unterbringung der Eier. Die Eier der Eidechsen und auch die der Schlangen entnahm ich dem Käfige. Zur weiteren Entwicklung verwahrte ich sie in einer gut verschliessbaren Blechbüchse. Am Boden dieses Brutgefässes war feuchter Sand, auf diesem Sand flache Steine und auf diesen Steinen die der Nachreife bedürftigen Eier. Die Eier lagen bei dieser Unterbringung dauernd in feuchter Luft, ohne mit Feuchtigkeit direct in Berührung zu kommen. Es ist gut, in diese Büchse nicht viele Eierlagen aufeinander zu legen, damit sich nicht ein nasser Niederschlag an den Hüllen bilde, der Fäulniss verursachen würde. Weiter überliess ich der Schattentemperatur des Landes die Sorge für das Auskommen der Jungen. So lange ich den Eiern grössere Sorgfalt zuwendete und sie gekünstelter aufbewahrte, wurde nichts daraus, weil das Verfahren eben nicht das richtige war. Gab ich sie in Holzgefässe, so vertrockneten sie oder ver- faulten, wenn ich sie feucht hielt. In solchen Behältern den richtigen Feuchtegrad, wie er in den unterirdischen Höhlungen, welche die Schlange für ihre Eier wählt, herrscht, gleichmässig zu erhalten ist schwer. Mir wurde ein Blechtopf mit gut schliessendem, eingepasstem Deckel das Liebste, denn mit diesem hatte ich Erfolg, auch dann noch, wenn ich den Eiern meine Fürsorge selbst wochenlang nicht widmen konnte. Sie brauchen eben mehr Ruhe als zu viel Fürsorge. An die Sonne darf man das Ge- fäss mit den Eiern, auch wenn es nicht Blech ist, nicht stellen; da werden sie gleichsam hart gesotten; es gerinnt der Inhalt. 41 Grad Celsius im Schatten, an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen, waren den Eiern südländischer Schlangenarten nicht zu hoch. Bei einer Temperatur von nur 13 Grad Celsius verdarben sie auch noch nicht. Es scheint zwar eine so niedere Wärme, wenn sie andauert, die Weiterentwicklung sehr zu hemmen, hebt sie aber nicht ganz auf. Es kamen bei mir Streifen- und Aesculapnattereier aus, welche vierzehn Tage lang vor dem Auskriechen v. Tomasini. Skizzen aus dem Reptilienleben Bosniens und der Hercegovina. 66 1 der Jungen in keine höhere Temperatur gebracht worden waren. Um die gleich massigen Wärmeverhältnisse braucht man sich also keine besonderen Scrupeln zu machen. Sobald im Herbste die Reptilien einer Art etwa eine Woche lang nicht mehr aus ihren Verstecken hervor wollten, oder wenn schon Fröste drohten, gegen welche den Thieren die Bergungsräume des Käfigs nicht genügend Schutz versprachen, dann richtete ich den Pfleglingen die Winterunterkunft zurecht, in welche zunächst die zuerst ihre Sommerthätigkeit einstellenden Arten einzogen, welchen dann nach und nach die anderen folgten. Eine der letzten war stets Coelopeltis lacertina , Als Winterquartier diente mir entweder der Käfig selbst, der an einem stets über Null temperirten Raume, den die Sonne nicht traf, aufgestellt wurde, oder besser eine mit mässig feuchten Hohlräumen in verschiedenen Tiefen versehene und so das Auswählen des Winterlagers gestattende Kiste. Zu feucht darf es in den Unterräumen einer solchen Winterherberge nicht sein, sonst kommen die Thiere hervor und bleiben selbst bei sein’ niederer Wärme nicht verborgen, sondern trachten, sich etwas Geeigneteres zu suchen. Das Gleiche tliun sie, wenn nicht bequeme und geräumige, tief genug liegende und finstere Höhlungen hergestellt werden. Haben sie beim Einwintern noch unverdaute Nahrung im Magen, so wollen sie auch zumeist nicht in den angewiesenen Bergungen bleiben und kriechen, so lange sie können, an der Oberfläche herum. Reptilien gewaltsam einzuwintern ist nicht zweckmässig. Sie sollen ein Winterquartier finden, in das sie freiwillig gehen. Ist die Winterwohnung von einigen dauernd bezogen, und wollen andere nicht darin bleiben, dann fehlt den Thieren etwas. Haben sie etwa unverdauliche Reste im Magen, so halte man sie im warmen Raume und helfe durch die oben angeführte gewaltsame Fleischfütterung nach, haben sie noch andere Reste im Magen, so lege man sie bis zur erfolgten Entleerung in das eingangs beschriebene Spital. Haben Reptilien noch eine Häutung knapp vor sich, so wollen sie auch vom Winterquartier nichts wissen, da gehören sie bis zur Häutung wieder in das erwähnte Spital, dann werden sie schlafen gehen. Hält man die Winterherberge zu trocken, so erwachen die Thiere im Frühjahre krank, wie gelegentlich weiter oben beschrieben wurde. Im Frühjahre, sobald ich im Freien schon viele Eidechsen — die Erstlinge unter den Erwachenden — sah, stellte ich die Kiste der eingewinterten Schlangen und Gon- sorten an einen sonnigen Platz und liess die Oberfläche theilweise von der Sonne be- scheinen. Es ist nicht gut, die Thiere durch rasches Erwärmen aus der Halbstarre des Winterschlafes zu erwecken. Sie werden dadurch, statt zum neuen Leben erweckt, getödtet, oder können, wenn die Erwärmung dazu doch nicht stark genug war, bald nach dem Erwachen erkranken. Manche der mehr der Frühlingstemperatur als der über- mässigen Sonnenwärme ausgesetzten Kisten, welche die noch ruhenden Reptilien ent- hielt, stand, obwohl die Oberfläche ihres Inhaltes theilweise von der Sonne beschienen wurde, mehrere Tage im Freien, ehe die Thiere im Innern den Frühling verspürten. Was aber jetzt hervorkam, hatte das Sommerleben begonnen. Wer als Reptilienpfleger noch keine bessere Erfahrungen gemacht hat, möge die hierstehenden zum Ausgange nehmen und wird dann mit seinen Pfleglingen weidlich gut fahren, gewiss besser, als wenn er ohne genügende eigene Erfahrung selber erst ans Probiren geht. Dies diene dem Vortheile des Pflegers und dem Wöhle der Ge- pflegten. Materialien zu einer Ornis balcanica. Yon Othmar Reiser, Custos am bosn.-herceg. Laudesmuseum. I. Bosnien und die Hercegovina. Erster Theil. G laucidium passerinum (L.), Athene passerina Linn., Sperlingskauz. Zu den interessantesten Erscheinungen der bosnisch -hercegovinischen Vogelwelt gehört unstreitig der niedliche und überall seltene Sperlingskauz. Der Stubengelehrte möchte denselben wohl schwerlich zu den hierländischen Vögeln rechnen, wenn sein Vorkommen nicht eben durch Belege festgestellt wäre. Es ist ganz zweifellos, dass dieser Eulenzwerg um so seltener wird, je weiter man nach Süden schreitet. Diese Thatsache bildet sich erst neuerdings wieder be- stätigt durch die hochinteressante Abhandlung Dr. A. Koenig’s: „Ornithologisehe For- schungsergebnisse einer Reise nach Madeira“ etc. im „Journal für Ornithologie“ von Cabanis, XXXVIII. Jalirg. (1890), S. 339. Gleich hei meiner Ankunft in Sarajevo (1. Mai 1887) war ich daher ganz ausser- ordentlich überrascht, den Zwergkauz in drei Exemplaren in der allerdings sehr reich- haltigen Sammlung des Gymnasiums zu sehen. Zwei Stücke waren von einem gewissen Joviöic, ehemaligem Schüler der Anstalt und nachherigem Waldhüter im Jahre 1886, und eines von Herrn Karl Baron Schilling eingeliefert worden, und zwar sollen alle drei von dem Waldgebirgsstock des Igman, südwestlich von Sarajevo, stammen. Wie mir Jovicic später auf wiederholtes eindringliches Nachfragen mittheilte, konnte er sich nur auf die Erbeutung eines Exemplares besinnen. Er schoss dasselbe hoch ober der jetzigen Eisenbahnstation Hadzidi, in östlicher Richtung, dort, wo der Nadelwald beginnt. Eines von diesen Exemplaren, sowie jenes, von welchem nach- folgend die Rede sein wird, trat Herr Gymnasial-Professor Seunik in liebenswürdigster Weise dem Landesmuseum ab. In Begleitung des genannten Herrn, sowie des Präparators Zelebor und des Forstwart Wutte trat ich Anfangs Juni des nächsten Jahres (1887) eine mehrtägige Excursiön nach der Bjelasnica und dem Igman an, welche in erster Linie dieser Eule galt. Am Morgen des 6. Juni heiraten wir, von der sogenannten Kara Müstapha-Cair aufbrechend (1700 M. Seehöhe), einen jener echt bosnischen Urwälder, welche sich der Erinnerung des europäischen Culturforstmannes unvergesslich einprägen. Es ist ein R eis er. Materialien zu einer Örnis balcanica. 063 seltenes Bilcl, welches sich hier darbietet., und doch schon oft genug geschildert, — dieses Wirrsal vermodernder Altbestände, mit darauffolgender natürlicher Verjüngerung in allen möglichen Altersstufen. Hier hemmten wir den Schritt, als nach vornehin ein alter Haselhahn aufdonnerte. Wutte als vorzüglicher Locker und Kenner dieses edlen Wildes lud Prof. Seuni k ein, zu versuchen, ob nicht der Hahn zustande. Beide ent- fernten sich, und ich und Zelebor schritten behutsam nach rechts und links. Genau erinnere ich mich noch, wie ich scharf nach einer Stimme forschte, welche mich leb- haft an den Lockruf des Gimpels erinnerte; allein vergeblich strengte sich das Auge an, in dem dicht mit Baumbart verhangenen Gezweig den Urheber dieser Töne zu entdecken. Es dauerte nicht allzu lange, als tief unterhalb unseres Standortes ein Schuss fiel. In der sicheren Voraussetzung, dass der Hahn liege, schritt ich thalwärts, doch wie gross war mein Erstaunen, als mir Prof. Seunik seine Beute, eine allerliebste Zwerg- eule, zeigte! Dieselbe pfiff genau ebenso wie die von mir gehörte (echte Tageule), und erst durch eine kleine Bewegung des Kopfes wurde der eben in nächster Nähe lockende Wutte des Vogels gewahr; er machte Prof. Seunik auf denselben aufmerk- sam, welcher ihn sofort herabschoss. Am 16. Mai 1888 war ich wieder des Morgens mit Wutte auf Kara Mustapha- Cair zur Beobachtung und Erbeutung des Sperlingskauzes ausgegangen; aber wir ver- fehlten die Richtung, kamen nicht in jenen abgelegenen und wilden Waldtheil und trafen auch leider keine Spur des Vogels. Seit jener Zeit durchstreifte ausser mir noch mancher andere gute Freund und Waidgenosse nicht allein den Igman, sondern auch die entlegensten, genau mit jenem Gebiet übereinstimmenden Waldgegenden Bosniens und der Hercegovina zu vielen hunderten Malen. Aug’ und Ohr spürten nach Glaucidium passerinum, aber gänzlich ohne Erfolg! Bisher hat es demnach den Anschein, als bewohne der Sperlingskauz ausschliesslich die höchstgelegenen Nadelholzwaldungen des Igman, am Fasse der eigentlichen kahlen Bjelasnica planina. Nyctala tengmalmi (Gm.), Raiihfusskauz. Fünf Exemplare des Rauhfusskauzes liegen mir vor, und zwar sämmtlich $ (in merkwürdigem Gegensatz zu der Mittheilung von Ant. Kocyan, Ornith. Jahrbuch, herausg. v. Tschusi, II. Jahrg. (1891), S. 251, wornaeh derselbe fast durchgehends nur cf erhalten konnte) : Pale, 10. November 1889 Pale, Ravna planina, 31. März 1890 Pale, Romanja planina, Wald Sipovice, 13. Mai 1890 (Brutexemplar) Sarajevo, Umgebung, 6. Jänner 1892 . . . . Sarajevo, Umgebung, 8. Jänner 1892 . . . . gesammelt von 0. Reiser. „ „ Jasika. „ „ Santarius. angekauft. gesammelt von Herrn Kallus. Das am 13. Mai 1890 im Walde Sipovice aufgefundene 9 wurde aus einer Baum- höhle herausgezogen, in welcher sich drei eben ausgeschlüpfte Junge und ein zum Ausfallen entwickeltes Ei befanden. Das Gefieder der vier letzteren Rauhfusskäuze ist normal, dasjenige des am 10. November 1889 eingebrachten jedoch derartig rahm- gelblich licht, dass die Versuchung nahe liegt, das Exemplar für xantho-chloristiseh zu halten. 66'4 III. Naturwissenschaft. In dem bekannten dunkelbraunen Jugendkleide befand sieb diese Eule nur in einem Exemplar, das ich am 19. Juni 1891 erhielt. Dasselbe wurde von einem Bos- niaken bei Kobilja glava nächst Sarajevo mit einem Stocke von einer Felsspitze herab- geschlagen und mir gebracht. Leider entkam der am Auge stark verletzte V ogel in der zweiten Nacht aus seinem Käfig, flüchtete durch ein offenes Fenster in den Hof des Postgebäudes und wurde vor Tagesanbruch eine Beute der dort massenhaft lungernden Katzen. Im Jahre 1887 besprach Herr Prof. Seunik das Vorkommen des Rauhfusskauzes im Nadelholze des Landes, nachdem er von Herrn Baron Schilling, bosn. -hereeg. Forstmeister i. P., ein Stück aus der Gegend von Kladanj erhalten hatte. Letzterer erzählte mir überdies, dass er einst beim Aufstieg durch die Holzriese von Vrelo Bosne auf den Igman nächst Sarajevo drei Exemplare auf einem Kirschbaume habe sitzen sehen, wovon er eines mit Leichtigkeit erlegt habe. Auf dem Igman scheint dieser echte und wirkliche Gebirgsvogel überhaupt nicht selten zu sein. So hörte ich z. B. am Abende des 24. Juni 1887 beim Rehanstand ganz deutlich das tiefe PIu, Hu, Hu (Triller) des Kauzes. Carine noctua (Scop.), Athene noctua Retz., Steinkauz. Es ist sehr wahrscheinlich, dass E. v. Dombrowski diesen Kauz im Auge hatte, als er mittheilte, dass beim Trappistenkloster von Banjaluka ein Exemplar von Strix passerina gefangen geworden sei, denn der Sperlingskauz ist nur im Gebirge zu Hause. Der Steinkauz wurde schon früher von Herrn Hauptmann C. Bayer in der Heree- go vina beobachtet, wo ihn später auch Kronprinz Rudolf mehrmals in einem Exemplare an derselben Stelle auf grossen Felsblöcken sitzend bei Carina (Bezirk Trebinje) und schliesslich v. Kadich als Brutvogel im ganzen Lande, vorzüglich häufig im Karst- gebiete auffand. Wie aus Nachstehendem hervorgeht, ist er wirklich gei’adezu einer der Charakter- vögel des hereegoviniseken Karstes, in Bosnien dagegen selten. Ausser dem oben erwähnten Falle wahrscheinlichen Vorkommens bei Banjaluka führt ihn Prof. Seunik als Bewohner der Nadelholzwaldungen um Sarajevo an und erhielt auch thatsächlich ein Exemplar von dort im Frühjahre 1890. Ferner finde ich in meinen Tagebüchern, dass ich einen Steinkauz am Abend des 6. September 1889 in den Festungsruinen von Zvornik ganz deutlich gehört habe, als ich mich mit meinem Bruder in später Dämmerung in höchst bedenklicher Situation an den dortigen Felsabstürzen befand. In der Hercegovina fand ich den Steinkauz zum ersten Male am 4. October 1888. Ich bewunderte eben einen auf dem Friedhofe von Tasovcic stehenden riesigen Juniperus oxycedrus, welcher in Brusthöhe 1‘66 M. Stammumfang aufwies, als eben von diesem Prachtwachholderbaum plötzlich die kleine Eule abstob und hinter einem Hügel ver- schwand. Am 15. Mai 1889 erbeutete ich nach längerem Hin- und Herjagen ein Exemplar an dem Gelände oberhalb der Strasse nach Metkovich unweit Dratmvo. Dort ist das Käuzchen überhaupt sehr häufig und als echte Tageule oft zu sehen. Auch am oberen Ende des Utovo blato auf dem Berge Ljutosir traf ich sie am 22. November 1890 am Rande einer kleinen Felsnische im grellsten Sonnenschein. Dieses Stück ist deshalb interessant, weil es sich später bei der Untersuchung als deutlich hermaphroditiscli erwies. Am selben Tage schoss Santarius ein 5 im Weidengestrüpp der Krupa. Dieses letztere Exemplar, sowie ein am selben Tage bei Bilek erlegter Steinkauz zeigen allein Reiser. Materialien zu einer Ornis balcanica 665 die typische Färbung der nördlichen und mitteleuropäischen Form. Alle übrigen neigen dagegen mehr oder minder stark zu der südlichen Form meridionalis Risso hin. Der Steinkauz ist in vielen Gegenden der Hercegovina so häufig, dass ihm die Sylvien etc. wenig oder gar keine Beachtung schenken, weshalb derselbe dort zur Vogeljagd wenig brauchbar erscheint. Die Brutzeit des Steinkäuzchens beginnt verhältnissmässig spät. v. Kadich bekam aus den Ruinen von Gabela ein Dreiergelege vom 12. Mai 1885, und auch einzelne Eier, welche seither bei Neum für das Museum gesammelt wurden, tragen als Datum Ausnehmens die Aufschrift „Mitte Mai“. Folglich dürfte die Brutzeit so ziemlich jener der Zwergohreule zusammenfallen. Es liegen mir 12 Exemplare zur Vergleichung vor: cf, Bilek, 22. Jänner 1888 gesammelt von Herrn G. Schustek f. cf, Gabela, 2. October 1888 77 77 „ St. Zanko. 5, Ljubinje, 4. Februar 1889 . . . . r> 77 „ R. Holley. cf, Krupamündung bei Gabela, 6. April 1889 77 77 A. Pilatic. cf, Dracevo, 15. Mai 1889 77 77 O. Reiser. 9, Berg Ljutosir (Hercegovina) 22. No- vernber 1890 77 77 0. Reiser. 9, Krupa bei Dracevo, 22. November 1890 77 77 Santarius. Bilek, 22. November 1890 .... 77 77 V. Hawelka. cf, Ljubuski, 8. December 1890 77 77 F. Fiala. cf, Bilek, 22. December 1890 .... 77 77 V. Hawelka. cf, Bilek, 11. Februar 1891 . 77 77 V. Hawelka. 9, Mostarsko blato, 30. October 1892 77 77 Santari us. Syrnium aluco (L.), Wahlkauz. Kaum häutiger als die Habichtseule, aber doch im ganzen Gebiet als regelmässiger Standvogel tritt im Occupationsgebiet der Waldkauz auf. In der Krajina hat ihn schon vor Jahren und dann wieder am 8. April 1889 im Gaj bei Bosnisch -Gradiska Herr E. v. Dombrowski gehört. Dr. H. v. Kadich führt den Waldkauz für die Hercegovina als Zugvogel an und erwähnt eines am 21. März 1886 erlegten, auffallend lichten Stückes. Herr Prof. Seunik bekam für die Gymnasialsammlung im November 1886 ein lebendes Exemplar und später noch mehrmals Waldkäuze airs der Umgebung von Sarajevo. Ich selbst habe nur selten Gelegenheit gehabt, diese Eule zu beobachten; so am Abend des 1 . März 1891, wo ich beim Aufstieg von Han Gracaniea nach Dolnji Vast ein Stück aus dem Eichengestrüpp aufscheuchte, und am 4. desselben Monats unterhalb Glavaticevo an der Narenta, wo ich zwei Waldkäuze und eine Stockente wahrscheinlich durch einen Fuchs zerrissen vorfand. Um so häufiger wurde dagegen der Waldkauz in allen möglichen Farbenabstufungen dem Landesmuseum von verschiedenen Oertlichkeiten eingeliefert. In der Sammlung finden sich 16 Stücke vor: 666 III. Naturwissenschaft. $ (lichtbraun), Umgebung von Sarajevo, 2. Jänner 1888 cf (grau), Umgebung von Dolnja-Tuzla, 6. Februar 1888 9 (licbtbraun), Umgebung von Sarajevo, 14. April 1889 pull, d (grau), Bosn.-Raca, 30. April 1889 . 9 (dunkelschwarzbraun), Bosn.-Raca . (Gromzelsumpf), 15. Mai 1889 . pull. 9 (dunkelschwarzbraun), Bosn.-Raca (Gromzelsumpf), 15. Mai 1889 d (grau mittbeilweise braunem Schleier), Ravno bei Sarajevo, 7. Jänner 1890 cf (braun), Umgebung von Sarajevo, 6. Februar 1890 9 (rostroth), Fojnica (Bosnien), 20. Fe- bruar 1890 9 (grau), Sarajevo, 23. Februar 1890 . 9 (braun), Visegrad, 24. Februar 1890 d (braun), Dolnji-Hrasno, 27. Februar 1890 9 (rostroth), Umgebung von Sarajevo, 19. December 1890 9 (braun) Busovaca, 6. März 1891 pull, d und 9 Rakoviea bei Kiseljak, 25. Mai 1892 gesammelt von Zelebor. „ „ Oberförster Rondon eil. „ „ Santarius. „ „ Wachtmeister Dragiüevic. „ „ Wachtmeister Dragicevid. „ „ Wachtmeister Dragißevid. „ „ Santarius. „ „ Zelebor. „ „ Herrn Pauli 6. „ „ Santarius. „ „ Herrn Vilhar. „ „ M. Kuli er. „ „ Oberförster Hillischer. „ „ Her rn Siglhuber. angekauft- An Eiern besitzt das Museum von dieser Art blos ein Gelege von zwei Stück, gefunden bei Gradaöac am 28. April 1888. Die Magen- und Kropfuntersuchungen ergeben auch bei den bosnischen Exemplaren die grosse Nützlichkeit des Kauzes, da nur bei zwei Exemplaren Reste von gekröpften Vögeln, wahrscheinlich vom Buchlink, gefunden werden konnten. Syrnium uralense Pall., Ural-Habichtseule. Zweifelsohne hat sich Herr E. v. Dombrowski nicht geirrt, als er eine im Jänner 1883 in der Krajina am Tage ober einem mit niederem Buschwerk bestandenen Hange revierende Eule für den Habichtskauz ansprach. Seither that nur Herr Prof. Seunik im „ Natui'historiker “ eines auf der Romanja planina erlegten Exemplares kurze Er- wähnung. Dieses sowie zwei weitere befinden sich in der Sammlung des Gymnasiums in Sarajevo. Auch im Gymnasium der Jesuiten in Travnik stehen ein Paar Uraleulen aus der Umgebung. Das Landesmuseum besitzt folgende 11 Stücke, während mindestens ebensoviele im Laufe der Jahre im Tausch abgegeben oder für Privatpersonen ausgearbeitet wurden. 9, Sarajevo, Mai 1886 cf, Visegrad, Anfangs April 1888 . . cf, Vis bei Vitovlje, 18. Juni 1889 . iuv. (schwarzbraun), Umgebung von Travnik, Herbst 1889 . . . . gesammelt von Zelebor. „ „ Herrn Vilhar. „ „ Oberförster A.Geschwindf. „ „ P. E. Brandis. Reiser. Materialien zu einer Ornis balcanica. 667 cf, Umgebung- von Sarajevo, 3. Novem- ber 1890 cf, Sokolic bei Vogosca, 7. Jänner 1891 cf, Trovor (Grme6 plan.), 13. Juli 1891 cf, Jaborina ober Pale, 17. Juli 1891 . 9, Jaborina ober Pale, 17. Juli 1891 . 9, Jahorinagebirge, 26. November 1891 pull. 9, Igmangebirge, 18. Juni 1892 . . angekauft. gesammelt von Hassan Ali 6. „ „ O. Reiser. „ „ Forsthüter Jasika. „ „ Forsthüter' Jasika. ,, „ Forsthüter Jasika. angekauft. Wie schon aus Vorstehendem leicht ersichtlich, ist die Habichtseule eine ebenso häufige als geradezu typische Erscheinung der bosnischen Wälder. Zur Brutzeit und im Hochsommer ist sie fast ausschliesslich im düsteren Hochwald anzutreffen, im Herbste und Winter entfernt sie sich oft weit von dieser ihrer eigentlichen Heimat und wird an verschiedenen, ihrem Naturell durchaus nicht entsprechenden Oertlichkeiten gefunden. So schoss Hilfspräparator Santarius im Jahre 1884 eine solche Eule, die sich lange Zeit in dem Bijelavaviertel von Sarajevo herumgetrieben hatte, inmitten der Häuser von einem Aschitzenbaume ( Sorbits domestica) herab. Als vereinzelte Ausnahme ist es anzusehen, dass ein Paar Uraleulen noch im Jahre 1886 in den oft von Sonntagsjägern belästigten Felsen des Castells von Sarajevo horstete. Im Mai dieses Jahres brachte nämlich Herr Zelebor nach vieler Mühe das Paar zum Herausstreichen aus dem grossen Felsriss knapp unter der weissen Bastion und erlegte das 9 mit grossem Brutfleck, während das cf auf die gegenüberliegende Berglehne entkam. Seit jener Zeit ist dort absolut nichts mehr von Habichtseulen zu bemerken. Auch der aus Visegrad stammende Kauz wurde in der Stadt selbst erlegt. In der Gefiederfärbung sind alle Ural-PIabichtseulen ziemlich constant; nur die Hauptgrundfärbung variirt von weiss bis licht lehmgelb, während bekanntlich der nächste Verwandte, der Waldkauz, ganz ausserordentliche Farbenextreme im Gefieder aufweist. Es ist eine noch unentschiedene Sache, ob das dunkelbraune Gefieder vieler Uralkäuze ein Zeichen ihrer Jugend oder zufälliger Färbung bis ins Alter ist. Doch dürfte an der Hand der diesbezüglichen Literatur, sowie auf Grund eigener Erfahrung anzunehmen sein, dass eine constant bleibende schwarzbraune Färbung alter, brutfähiger Uralkäuze eine ebenso seltene Ausnahme bildet wie beim Waldkauz. Eine Umfärbung vom braunen in das weisse oder besser gesagt graue Kleid zeigt das Exemplar aus Travnik, während allerdings das Nestjunge vom Igman beweist, dass das normale Gefieder dieser Eule auch direct aus dem Dunenkleid hervorgehen kann. Dieses letztgenannte Halbdunen- junge benahm sich im Museum, wohin es von einem Hirten gebracht worden war, so ungestüm und boshaft, dass Alle, die dasselbe zu beobachten Gelegenheit hatten, sofort den Unterschied von den gleichzeitig gehaltenen jungen Waldkäuzen bemerkten. Eine vorzügliche Schilderung des Verhaltens und der Eigentümlichkeiten von Syrnium uralense lieferte Herr Oberförster A. Geschwind im „Waidmannsheil“, Jahr- gang 1889, Nr. 18, S. 231. Herr Geschwind bekam im Frühjahre 1889 zwei noch nicht vollständig flügge Junge mit der schwarzbraunen Färbung, welche später in die kaiserliche Menagerie zu Schönbrunn kamen, aus der Gegend von Zepce. Ueber dieselben schrieb mir Herr Geschwind Folgendes: „Die beiden Jungen haben schöne gelbe Schnäbel, sind braun gefärbt, rufen abends wie eine aufgebäumte Elster ungefähr ,Tschek‘ und zwitschern manchmal wie Hühner vor dem Einschlafen. Am Horste fand man Ueberreste von 668 III. Naturwissenschaft. jungen Auerhülinern ; doch scheinen, nach dem Gewülle zu sehliessen, Mäuse die Haupt- nahrung dieser Vögel zu sein.“ Später, nach dem Ahsenden der Eulen schrieb mir Herr Geschwind noch: „Ich bin neugierig, wie die Eulen in Schönbrunn angekommen sind; es waren schöne und liebe Thiere, gegen mich sehr zahm, gegen Fremde sein* wild.“ Geschwind schloss mit der sicheren Hoffnung, im folgenden Frühjahre mich zum besetzten Horst bei Vitovlje führen zu können. Wirklich traf ich wegen dieser Eule am 23. April 1890 in Han Gostjel (Vlasicgebirge) ein; doch überraschte mich ein nicht endenwollendes Schneewetter, so dass ich nicht das Geringste von einem Uralkauz wahrnehmen konnte und unverrichteter Sache heimkehren musste. Leider ist es mir trotz aller Bemühungen, und obzwar dieser Kauz hier ein so häufiger Standvogel ist, bisher noch nicht gelungen, irgend ein Gelege oder einzelne Eier aus dem Oceupationsgebiete aufzutreiben. Die einsamen, abgelegenen Orte seines Sommeraufenthaltes erschweren die Suche darnach ausserordentlich. Es möge nur einmal der geübteste Eiersucher die dunklen Urwälder der Grmec-, Jahorina-, Igman planina besuchen; seine Virtuosität würde an dem starren, unwirklichen Waldcomplex sicher scheitern, und bei mancher Excursion wäre er froh, überhaupt den Rückweg zu finden. Der Habichtskauz mag das Dämmerlicht der geschlossenen Altbestände als Nacht ansehen, denn er ist daselbst zu jeder Tageszeit freisitzend anzutreffen (so fand ich ihn um die Mittagszeit zweimal am 13. Juli 1891 am Trovor bei Bihac und Vormittags am 11. September 1889 bei Klandanj) und vermag auf weite Entfernung den anschleichenden Schützen zu eräugen. Als ich das Männchen in Grme6 flügelte, tanzte es bei meiner Annäherung tollkühn, unter lächerlichen Sprüngen dem Vorstehhunde entgegen, welcher scheu zurückwich. Jedenfalls ist diese Eule ein gefährlicher Räuber und muss den schädlichen Raubvögeln beigezählt werden. In dem Magen und Kropf einer bei Zenica erlegten Habichtseule fanden sich die Reste eines Rebhuhnes, bei einer anderen von der Jahorina die eines Junghasen. Immerhin ist sie eine imposante und charakteristische Erscheinung des bosnischen Urwaldes. JPishorina scops (L.), Scops aldrovandi Willoughby, Zwergohreule. Bios in dem Buche „Hundert Tage im Hinterland“ vonH. v. K ad ich wird die Zwerg- olireule für das Gebiet aufgeführt, und zwar als „Brutvogel im Hochgebirge: 15. Juli 1885 in Jablaniea zwei flügge Junge aus der Plasa erhalten“. Trotzdem kann ich behaupten, dass dieselbe im Oceupationsgebiete weit verbreitet ist. Zum ersten Male traf ich sie oberhalb Dovlici am Trebevic, wo sie am 15. August 1887 von mir und Präparator Zelebor zur Mittagszeit beim Verfolgen eines Tannen- hehers aufgetreten und von Letzterem herabgeschossen wurde. Ferner trafen sie Forst- wart Wutte und Zelebor häufig auf dem oberhalb Blazuj sich hinziehenden Tlieil des Igmangebirges, wohin dieselben am 4. Mai 1888 aufgebrochen waren, weil daselbst nach der Ansicht des Herrn Oberförsters Geschwind der Sperlingskauz Vorkommen sollte. Obgleich es nun durchaus nicht ausgeschlossen erscheint, dass ab und zu auch dieser dort zu finden ist, so muss doch sein eigentliches Wohngebiet viel höher oben gesucht werden, und thatsächlich fanden die Beiden dort auch blos die Zwergohreule in entsprechender Anzahl vor. Ein am folgenden Tage geschossenes 2 hatte den Eierstock noch gar nicht ent- wickelt. Am 19. desselben Monats war ich selbst zur Stelle. Wutte lockte die Eule Reiser. Materialien zu einer Ornis balcanica. 669 meisterhaft, bekam bald Antwort, und icdi schoss ein cf , nachdem es sich durch eine kleine Bewegung verrathen hatte, aus der Mitte eines verkrüppelten schneeballblättrigen Ahorns herunter. Ihre Stimme wird öfters von anderen Vögeln nachgeahmt. Ich selbst konnte mich davon zweimal überzeugen. Zeitlich in der Früh hörte ich und mein Bruder Ernst am 4. September 1S89 in Bosnisch-Raca, als wir noch im Bette lagen, den Ruf einer solchen Eule deutlich im Zwetschkengarten, und später, als die Sonne schon hoch am Himmel stand, zu unserem Erstaunen abermals. Dann stellte sich aber heraus, dass ein Künstler aus der Mitte einer vor dem Hause aufgebäumten Staarschar die Eule imitirt hatte. Noch merkwürdiger erschien es mir, dass ein Tannenheher, welchen ich am 29. August 1891 bei Vitez (Bezirk Sarajevo) längere Zeit Nachmittags beob- achtete, ganz deutlich und correct, nur etwas gedämpft, den Zwergohreulenruf ertönen liess. Zuletzt beobachtete ich noch am 15. April 1892 eine Zwergohreule, durch ihre Stimme aufmerksam gemacht, am Mostarsko blato, an der neuen Strasse gegen Biskup Han. Bekanntlich brütet sie sehr spät, als letzte von allen europäischen Eulen. So bekam das Museum von dem unermüdlichen Lieferanten M. Bacic in Neum noch am 20. Juni 1889 drei Stück frische Eier und ebenso Anfangs Juni 1890 und 1892 Gelege von sechs und vier Stück. Die Eier des letzteren Geleges haben ganz die Gestalt der rundesten Merops- Eier und sind gegenüber Exemplaren steirischer Herkunft auffallend leicht und klein. Im Museum befinden sich folgende Exemplare: cf, Dovlici bei Sarajevo, 15. August 1887 . . gesammelt von Zelebor. 9, Lukavica bei Sarajevo, 16. September 1887 „ „ Herrn Pillig f. 9, Igmangebirge, 5. Mai 1888 „ „ Alois Wutte. cf, Han Begov, 15. Mai 1888 „ „ Herrn Kr eit ne r. cf, | (im Halbdunenkleide) Crni vrh bei Vogosca, 9, j 17. und 19. Juli 1890 „ „ Santarius. Asio accipitrinus (Pall.), JBrachyotus palustris Förster, Sumpfohreule. Verhältnissmässig selten wird auf ihren Herbstwanderungen, sowie auch im Früh- jahre die Sumpfohreule im Occupationsgebiete angetroffen. Gewöhnlich sind es denn auch blos einzelne Eulen dieser Art, welche eine leichte Beute des nachstellenden Schützen werden. Nur einmal, am 8. September 1889, traf der Werkmeister Koska auf Sturzäckern bei Alilovici nächst Sarajevo neben der Miljacka einen kleinen Schwarm an, aus welchem er in kurzer Zeit drei 9 erlegte, wovon eines in die Sammlung des Museums gelangte. Auch bei den fünf Exemplaren, welche sich im Museum befinden, ist die grosse Verschiedenheit der Färbung der Unterseite zu sehen. Am lichtesten ist das cf gefärbt. In der 1 fereegovina wurde die Sumpfohreule, zuerst von Herrn Hauptmann C. Bayer und später von H. v. Ivadich, mehrfach in den Narenta- und Krupagehölzen vom November bis März beobachtet und in einigen Exemplaren auch erlegt. Als Brut- vogel dürfte sie wohl niemals im Occupationsgebiete gefunden werden. Folgende Exemplare liegen vor: cf, Ogorelica (Bez. Bosnisch-Gradiska) 20. November 1887 gesammelt von Forstwart J. Sperlbauer. 670 III. Naturwissenschaft. 5, Umgebung von Sarajevo, 22. Oc- tober 1888 9, Umgebung von Sarajevo, 19. April 1889 9, Umgebung von Sarajevo, 8. Sep- tember 1889 9, Lusci Palanka (Bez. Sanskimost), 10. Februar 1891 gesammelt von E. B. Freeman, engl. Cons. „ „ Santarius. „ „ Werkmeister Koska. „ „ Forstwart E. v. Roeclern. Asio otus (L.), Otus vulgaris Flemui., Waldohreule. Zuerst beobachtete das Vorkommen der Waldohreule E. v. Dombrowski in der Krajina (veröffentlicht 1884). Dann fand sie H. v. Kadich als Standvogel in der Waldregion der Hereego vina und als Zugvogel während des Winters im Karstgebiete dieses Landes. Seither ist diese Ohreule auch für das Centrum des Occupationsgebietes, und zwar als regelmässiger Standvogel nachgewiesen worden, von welchem folgende Exem- plare in das Landesmuseum gelangten: 9, Kakanj-Doboj (a. d. Bosna), 8. Mai 1888 . cf, Sarajevo (Pasin brdo), 16. October 1889 9, Sarajevo, Umgebung, 24. März 1890 . . cf, Sarajevo, Umgebung, 3. November 1890 cf, Draöevo (Hercegovina), 22. November 1890 9, Vrelo Bosne, 18. Jänner 1891 gesammelt von Herrn Petrasch. O. Reiser. Santarius. Herrn Heiss. M. Sarac. Zelebor. Ferner an Eiern: von demselben 9 . 22. April 1888, Kakanj-Doboj, Gelege 3 Stück, frisch 8. Mai 1888, „ „ 5 „ „ J 21. April 1889, Dabar bei Sanskimost, Gelege 6 Stück, gesammelt von Herrn Holle y. 25. April 1891, Palevo bei Reljevo (Bez. Sarajevo), Gelege 5 Stück. Mir selbst ist die Waldohreule nur ein einziges Mal zu Gesicht gekommen, näm- lich am 16. October 1889, an welchem Tage ich das Birkenwäldchen unterhalb Fort Nr. IV am Pasin brdo durchstreifte, um zu sehen, ob noch keine Waldschnepfen an- gekommen seien. Anstatt einer Schnepfe Avirbelte nun aus dem dichtesten Gestrüpp die Waldohreule empor, und erst als ich sie herabgeschossen hatte, erkannte ich meinen Irrthum. Aehnlich erging es Herrn Marinkovic, welcher im Herbste 1890 am Orlic nächst Sarajevo am Abendanstand auch eine Waldohreule, die er für eine Schnepfe hielt, erlegte. Es dürften demnach viele solche nützliche Eulen ohne üble Absicht auf ähnliche Weise geschossen werden. Bei Kakanj-Doboj wurde am 22. April 1888 von Herrn Stationsleiter Petrasch eine solche Eule in einer Baumhöhle auf drei Eiern brütend angetroffen. Die Eier .wurden mir überschickt. Am 8. Mai wurde die Eule wieder an derselben Stelle auf fünf Eiern brütend gefunden, und zufolge der Geschicklichkeit der einheimischen Be- völkerung im Ergreifen brütender Vögel gelangte das Museum noch an demselben Tage in den Besitz des alten 9 und des zweiten Geleges. Es ist wohl überflüssig, an dieser Stelle auf die ganz ausserordentliche Nützlich- keit dieser und der Sumpfohreule speciell aufmerksam zu machen. Reiser. Materialien zu einer Omis baleanica. 671 Bubo bubo (L.), Bubo maximus Sibb., Uhu. Der Uhu ist unter allen Eulen in Bosnien und der Hercegovina die am häufigsten yorkommende. Wenn man in diesen Ländern von der einheimischen Bevölkerung von einer Eule schlechtweg sprechen hört, so ist darunter unter zehn Fällen neunmal der Uhu gemeint. Ich habe über diese auffallende Häufigkeit schon einmal ganz kurz in der „Monatsschrift des deutschen Vereines zum Schutze der Vogelwelt“, XV. Jahrgang, Nr. 1 berichtet und konnte die Anzahl der durch meine Hände gegangenen Uhus damals mit 71 angeben, seither ist die Zahl auf über 100 angewachsen. Er ist ebenso zahlreich in der Krajina, wo schon bald nach der Occupationscampagne Herr E. v. Dombrowski diese Wahrnehmung machte, wie im Centrum des Landes und in der Hercegovina. Im Jahresberichte der Beobachtungsstationen pro 1887, S. 106 sagt P. Brandis: „Wurde wiederholt in den Felsspalten ganz nahe der Stadt (Travnik) beobachtet.“ Ebenso nennt den Ulm auch Prof. Seunik die häufigste Eule. Dies ergibt sich endlich vor Allem aus folgenden Daten: a) Sarajevo (Stadt). Zu Weihnachten 1887 schiesst Herr Apfelbeck ein Exemplar aus dem Küchen- fenster. Am 30. Jänner wurde ein und am 9. Februar 1888 zwei Exemplare im Mutni potok beobachtet. Am 2. April 1889 wurde das Paar am alten Brutplatz in den Felsen der weissen Bastion beobachtet Am 16. November 1890 wurde ein cf im Garten neben dem Officiers- Casino geschossen. Am 9. October 1891 wurden in der Bistrikschlucht zwei Exemplare von Prof. Knotek angetroffen und angebleit. Am 13. Jänner 1892 um 6 Uhr Früh wurden zwei Stücke über die Häuser des Castellviertels ziehend beobachtet. b) Sarajevsko polje. Am 6. December 1889 wurde ein cf von Zelebor erlegt. (Alte Schusswunde im Fang.) Am 9. December 1889 ein Exemplar an der unteren Zeljeznica. Am 12. November 1891 wurde auf der Schnepfensuche bei Blazuj zweimal ein Stück aufgescheucht. Am 19. December 1891 wurde bei Stup ein cf mit 9 Schüssen erlegt. Am 28. Jänner 1892 wurde von Santarius ein starkes 9 nach zweistündiger Hetze an der Dobrinja erlegt. Am 31. Jänner und 2. Februar 1892 wurde je ein Exemplar von Prof. Knotek bei Kovacic beobachtet. Am 25. März 1892 wurde ein Exemplar am todten Arme der Bosna (Nr. 1) rufend beobachtet. c) In anderen Landestheilen. Am 1. November 1888 wurde bei Nuhic Ahmed unweit Kiseljak ein 9 von Zelebor erlegt. Am 15. Februar 1889 wurde ein Exemplar rings um die Ruine Vienac am Vrbas herumgejagt. 672 III. Naturwissenschaft. Am 31. August 1889 wurde ein Exemplar von Zelebor aus dem Röhricht der Bara bei Dolnji Svilaj aufgescheucht. Am 19. März, 8. April und 1. Mai 1890 wurde ein Paar am Schlafplatz bei Naho- revo bei Sarajevo getroffen. Am 21. und 22. November 1890 und am 18. Jänner 1892 wurde je ein Stück am obersten Ende des Utovo (gornji) blato vergeblich beschossen. Am 3. Juni 1891 und 27. Mai 1892 wurde offenbar derselbe Vogel am Radobolje- Ursprung gefunden. Am 2. August 1891 wurde ein Exemplar unweit der Bahnstation Podlugovi baumend gefunden. Am 27. Juli 1892 ist ein Exemplar neben dem Wasserfall in der Gemeinde Naho- revo aufgetreten. Horstplätze vom Uhu fanden sich: oberhalb der Moscanicaquelle (jetziges Wasser- leitungsreservoir) im Jahre 1887, doch war der Horst im folgenden Jahre schon unbesetzt. Ferner dicht neben dem Dorfe Uracani (Verbindungsgebirgszug der Bjelasnica und Treskavica) am 22. Juni 1891. Es waren dort nach Angabe der Bewohner aus zwei Horsten in den Abstürzen nördlich vom Orte die Jungen schon ausgeflogen und von ihnen nichts zu bemerken. In der Felswand ober dem Ponor des 8 ujica- Ausflusses aus dem Duvno polje bei Zupanjac soll alljährlich ein Uhu horsten. Ein jedes Jahr benützter Horst befindet sich in der malerisch gelegenen und grossen Ruine Sokolac bei Bihac. Von dort erhielt ich am 3. April 1888 zwei Stück Eier. Das Herabholen dieses ganz frischen Geleges soll bedeutende Schwierigkeiten verursacht haben. In drei Horsten bei Dolnji Vast (Bez. Prozor) fand Herr Otto Kaut am 28. April 1889 noch Eier. Mehrere Horste mit Eiern und Jungen fand in den Jahren 1888 und 1889 der Bahnaufseher Herr J. Pammer, sowohl in den Felsen bei Trbuk, als auch in der Ruine Osojnica. Das erste Ei legte das Uhuweibchen dort am 1. April. Mein Freund 0. Kaut fand auch mehrere Horste bei Bradina am Ivan und schoss Ende April 1891 auf das fest brütende 9 derart von oben herab, dass sowohl der Vogel als auch die Eier von den Schroten durchbohrt wurden. Ganz bestimmt brütet schliesslich der Uhu noch immer in den Felsen des Castells von Sarajevo, trotz der vielfachen Beunruhigungen daselbst. Weder die Kanonen- schüsse noch das Flintenfeuer können denselben bewegen, seinen Schlupfwinkel tagüber zu verlassen. Am Abendansitz sind dort schon über zehn alte und besonders viele junge Uhus erlegt worden. Auch die alten, schon von Herrn Hauptmann C. Bayer aufgeführten Brutplätze am Hum bei Mostar und am Buna-Ursprung sind noch immer besetzt, was überdies auch durch Herrn Baron Schilling bekräftigt wird. Auch durch H. v. K ad ich wird der Uhu als Horstvogel für die ganze Herce- govina bezeichnet, und es werden zwei Horste mit je zwei Eiern, gefunden am 22. April 1886 in der Svitava und Kozarica, erwähnt. Von einem eigentlichen „Zuge“ des Uhu kann übrigens wohl nirgends die Rede sein, sondern höchstens von einem localen Verstreichen nahrungsuchender Individuen- Der Schaden, welcher durch diese Eule im Lande angestiftet wird, ist ein sehr bedeutender. Namentlich zur Winterszeit wird das Geflügel von derselben arg heim- gesucht, und sehr viele Uhus wurden mir überbracht, welche sich bei helllichtem Tage in die Hühnerställe gewagt hatten und dort, auf ihren Opfern hockend, ergriffen wurden. Kein Wunder also, wenn in diesem Falle die einheimische Bevölkerung ausnahmsweise Reiser. Materialien zn einer Ornis baleanica. 673 selbst redlich zur Verminderung des Vogels beiträgt, welche denn wirklich auch lang- sam merklich zu werden beginnt. Angeschossene Uhus heilen sich zwar hie und da ganz gut aus, gehen aber später meistens an Bleivergiftung zu Grunde. Sieben Exemplare werden im Museum auf- bewahrt: 9, Umgebung von Sarajevo, 3. Fe- bruar 1889 $, Umgebung von Banjaluka, 15. Fe- bruar 1889 pull. Castell von Sarajevo, Juli 1889. cf, Ivan plan. (Bez. Koniica), 28. Oc- tober 1889 cf, Sarajevo (Stadt), 15. November 1889 9, Utovo blato, 4. Jänner 1890 . iuv. cf, Gornja Vogosca, 28. Juli 1891 . gesammelt von Santa rius. „ Herrn Baron J. Sedlniczky. ,, „ A. Marinkovic. 0. Kaut. n r) V) y> V) „ O. Reiser. M. Sarac. Santarius. Schliesslich erübrigt mir noch auf eine merkwürdige Lücke der Eulencollection des Museums sowohl, als der diesbezüglichen Beobachtungen hinzuweisen. Es kann nicht auffallen, dass in der kurzen Sammelperiode noch keine Schnee- und auch keine Sperbereule für das Gebiet constatirt werden konnte, und wenn ich auf ein eventuelles künftiges Erscheinen dieser beiden Arten überhaupt noch rechne, geschieht das nur im Hinblick auf andere hochnordische Wanderer ( Plectrophanes , Phalaropus etc.), welche unser Land schon nachgewiesenermassen mit ihrem Besuche beehrt haben. Nun ist aber, trotz speciellen Suchens darnach, die in aller Welt vorkommende Schleiereule bisher niemals, weder mir noch einem meiner Freunde und hilfreichen Genossen am Museum jemals zu Gesicht gekommen. Doch hören wir die Vorgänger: v. Dombrowski sagt: „ Strix flammea bewohnt die Dachböden des Castells von Banjaluka.“ v. Kadich: „Im Narentathale bei Metkovich häufig.“ Prof. Seunik: „Strix flammea hat Herr Hursid Eff. lebend gehalten.“ Auf mündliche Anfrage versicherten die Herren Seunik und Hursid, dass durch- aus keine Verwechslung vorliege, und dass die betreffende Schleiereule im Frühjahre 1886 aus der Gegend von Nahorevo bei Sarajevo zugetragen worden, jedoch nach etwa zwei Monaten aus der Gefangenschaft entkommen sei. Ich gebe hier nur noch einige Daten über ihr Vorkommen in den Nachbarländern: Nach mündlicher Mittheilung des Herrn Prof. Brusina kommt sie überall in Croatien vor und ist in genügender Anzahl im Museum zu Agram vorhanden. In Dalmatien ist sie nach Prof. Kolombatovic selten und fehlt bei Spalato, doch sah ich im Museum zu Ragusa ein vor vielen Jahren daselbst erbeutetes Exemplar. Auf Corfu wurde sie von Lord Lilford häufig brütend gefunden, aber weder von demselben, noch von Elwes und Buckley im Binnenlande angetroffen. Circus aeruginosus (L.), ßohrweilie. Diese, sowie die Korn- und Wiesenweihe wird zuerst von Hauptmann C. Bayer, und zwar für die Hercegovina angeführt. Sie ist dort ebenso wie in Bosnien an ge- eigneten Orten ein häufiger Zug- und auch Brutvogel. Obwohl nämlich PI. v. Kadich Band II. 43 674 III. Naturwissenschaft. sie im Blatogebiet blos als Zugvogel beobachtet hat; so fand ich doch am 14. Mai 1889 gerade im Utovo blato einige wenige Paare brütend vor, weitaus mehrere allerdings am 18. November 1890 im Utovo dolnji- und am 21. desselben Monats im Gornji blato auf dem Zuge. Als Brutvogel kommt sie ferner vor im ^dralovac blato (Livanjsko polje), wo ich sie am 26. Mai 1888 zwischen Bastasi und Crnilug mehrfach beobachtete, und auch etwas südlicher im Duvno polje bei Zupanjac, freilich hier am 30. Juni 1892 nur in einem Paare vertreten, schliesslich am häufigsten in der gesammten Saveniederung. Hier traf ich den Vogel zuerst am 8. April 1889 knapp westlich von Bosnisch- Gfradiska in den dortigen Sümpfen. Es war ein altes cf, und anfangs glaubte ich sogar einen Buteo ferox vor mir zu haben. Derselbe Irrthum passirte mir am 13. desselben Monats in Gesellschaft der Brüder v. Dombrowski bei Kornica, unweit §amac. Die Steuerfedern alter Rohrweihen-Männcken erscheinen bei entsprechender Beleuchtung nahezu weiss. Unweit davon, in der sogenannten Ada (Besitzung des Herrn BabitD, fanden wir ein brütendes oder vielmehr zu Neste tragendes Paar und am 14. April deren drei bis vier bei Dolnja Slatina. Diese Oertliclikeiten sind wie geschaffen für die Rohrweihe, und an reichlicher Nahrung fehlt es auch nicht. Schliesslich ist als beliebter Aufenthaltsort dieser Weihe noch der Sumpf Gromzel bei Bosnisch-Raca zu nennen. Dort traf ich sie am 2. und 3. September 1889. An letzterem Tage schoss Präparator Zelebor in meiner Gegenwart einem 9 eine der längsten Schwungfedern in der Mitte derart durch, dass dieselbe im rechten Winkel von den Nachbarfedern abstand. Als ich nun am 4. d. M. vorsichtig den Rand des Sumpfes betrat, bemerkte ich dieselbe Rohrweihe, wie sie eifrig, aber erfolglos bemüht war, die constant wegstehende Feder in Ordnung zu bringen, was ungemein komisch aussah. Auf dem Herbstzuge besucht die Rohrweilie fast alle Landestheile und so auch regelmässig das Sarajevsko polje (die Ebene vor Sarajevo). Oft sah ich sie hier auf angeschossene Enten Jagd machen, und am 6. April 1892 wurde ein Exemplar eben- falls von Präparator Zelebor krank geschossen, als es sich unvorsichtig einer ge- flügelten Becassine genähert batte. Die Schädlichkeit dieser, sowie auch der anderen Weihen ist heutzutage wohl allgemein anerkannt. Das Landesmuseum besitzt folgende Exemplare: ad. cf, Velino selo, 12. Mai 1880. gesammelt von Ed. Hodek sen. ad. 9, (?)„ „ 12. Mai 1880. . . . 77 n 7? 77 n 9, » » 1886 77 n 77 7? 77 9, Utovo blato (Herceg.), 26. Februar 1886 77 n H. v. Kadich. iuv. 9, Bosnisch-Raca, 5. April 1889 77 W achtmeister Dragicevic iuv. 9, Dolnja Slatina, 14. April 1889 . 77 77 O. Reiser. iuv. cf, Dobrinja im Sarajevsko polje, 1 1 . Au- gust 1890 7? 77 Oberlieutenant Seehars. med. cf, Sarajevsko polje, 7. November 1891 n ?7 engl. Consul Freeman. Hiezu wäre zu bemerken: 1. Das von Herrn E. Hodek sen. als 9 bestimmte Exemplar von Velino selo, vom 12. Mai 1880, ist zweifelsohne ein altes cf der Art, denn wenn auch sehr alte 9 Reiser. Materialien zu einer Ornis balcanica. 675 den aschgrauen Anflug der Schwingen angedeutet besitzen, so ist diese Färbung doch nie so ausgeprägt wie hei dem cf und eben dem vorliegenden Stück; auch die kleinen Dimensionen des Stückes deuten auf das männliche Geschlecht. 2. Das am 7. November 1891 im Sarajevsko polje erbeutete Exemplar trägt ein sehr interessantes Uebergangskleid, indem die frisch entwickelten oder vielmehr in der Entwicklung befindlichen Schwungfedern gerade jene an die Schwingenfärbung von Gypaetus barbatus erinnernde Aschenfarbe zeigen. Vier bis fünf Federn des noch eintönig dunkelbraunen Brustgefieders sind blendend weiss. Circus cyaneus (L.), Kornweihe. Die Kornweihe tritt nicht so häufig im Lande auf wie die Rohrweihe ixncl ist auch bisher nirgends als Brutvogel gefunden worden. H. v. Kadicli bemerkt richtig, dass sie im Blatogebiete der Hercegovina häufig von Jänner bis März als Zugvogel vorkommt. Auch ich beobachtete am 18. und 20. November 1890 und am 19. Jänner 1892 je ein Exemplar am Utovo blato, erlegte daselbst am 19. November 1890 ein junges $ und bekam Tags darauf ein dort geschossenes junges cf. Auch am Mostarsko blato traf ich am 17. April 1892 mehrmals zwei umherstreifende Stücke an und sah zwei Tage vorher ein Exemplar vom Eisenbahnzuge aufgescheucht bei Tarcin. Das Sarajevsko polje (Ebene von Sarajevo) besucht die Kornweihe fast jedes Jahr, scheint aber in der Regel etwas später einzutreffen als die übrigen Weihen. Am frühesten wurde eine am 17. August 1891 (um die beste Zeit für die hiesige Wachtel- jagd) bemerkt; am 21. October 1890 wurde ein junges cf unweit des Schwefelbades Ilidze erlegt. Weitere zwei cf wurden in dieser Ebene am 11. Jänner 1891 von San- tarius, dann eines am 7. Februar desselben Jahres (Geschenk des Herrn Major Eckert) und eines am 15. Mai 1892 von Rechnungsrath Pogorelc bei Station Rajlovac geschossen. Sämmtliche beobachteten und die fünf im Museum aufbewahrten Exemplare zeigen das gewöhnliche gestrichelte Jugendkleid, in nur äusserst geringer verschiedener Nuan- cirung der weissgelblichen Grundfarbe. (Ein solcher Vogel findet sich abgebildet in Riesenthal’s bekanntem Werk, auf einem Grenzsteine aufgeblockt.) Eine Kornweihe im ausgefärbten Kleide wurde hierzulande noch nie beobachtet. Circus macrourus Gm., Circus pallidus Sykes., Steppenweilie. Die erste Nachricht über das Vorkommen der Steppenweihe im Occupations- gebiet verdanken wir weiland Sr. k. und k. Hoheit dem Kronprinzen Erzherzog Rudolf, welcher in den „Ornithologischen Notizen aus dem Süden“ (1886) angibt: „Strigiceps pallidus sah ich recht oft in der Hercegovina über niederem Buschwerk und steinreichen Ebenen streichen.“ Seither notirte Prof. Seunik ihr Vorkommen zur Sommerszeit, und ich konnte in Cabanis’ „Journal für Ornithologie“ (1888) über mein erstes Zusammentreffen mit dieser Weihe berichten. Im Museum befinden sich folgende Exemplare: iuv. 9, Vogosca, Anfang September 1887 gesammelt von Feldwebel Pozon. iuv. cf, Sarajevsko polje, 18. September 1887 „ „ Herrn Leufer. iuv. 9, Sarajevsko polje, 1. September 1889 „ „ engl. Consul Herrn Freeman. 43* 676 III. Naturwissenschaft. iuv. 9, Sarajevsko polje, 8. September 1889 gesammelt von Herrn Hur siel Eff. iuv. cf, Sarajevsko polje, 13. Juni 1891 „ „ „ Niemeczek. inecl. 9, Sarajevsko polje (bei Rajlovac), 8. Mai 1892 „ „ 0. Reiser. Am 7. Mai 1889 Nachmittags sah ich bei Mostar (Südlager) eine Schaar von etwa 20 Steppenweihen, welcher später noch einzelne Exemplare folgten, in der Richtung von Südwest nach Nordost ziehen. Sie zogen zum Theile so niedrig, dass ich es wagen konnte, die Weihen dieser Art zuzusprechen. Noch drei Tage später sah ich mehrere auf dem Wege nach Buna. Beide Male war Herr Director Kar am an Zeuge dieses seltenen Massenzuges. Weiters beobachtete ich zu einer Zeit, als die Steppenweihe in vielen Gegenden Mitteleuropas vorkam, nämlich am 23. September 1890, auch hier in Bosnien bei Podlugovi (an der Bosna) ein einzelnes Exemplar. Sehr wahrscheinlich gehören endlich hierher zwei aschgraue Weihen, welche am 16. April 1892 das Mostarsko blato unsicher machten. Als Brutvogel dürfte die Steppenweihe wohl kaum für das Gebiet nachgewiesen werden können, aber als Durchzügler kommt sie gewiss von allen Weihen am häufigsten und zahlreichsten vor. Seltsamer Weise findet sich jenes Kleid, in welchem die Steppenweihe uns am häufigsten besucht, fast nirgends abgebildet. Im Süden und in Oesterreich wenigstens ist es jenes auf der Unterseite einfärbig chamoisfarbige, welches im 13. Band (Nach- träge) von Naumann’s Naturgeschichte auf Tafel 348 dargestellt ist. Viel seltener zeigen die in den angeführten Ländern erlegten Exemplare jenes Kleid des Mittel- stadiums, welches neuerdings besonders schön im XVI. Bande 1891 der „Ornithologisehen Monatsschrift des deutschen Vereines zum Schutze der Vogelwelt“ wiedergegeben ist. Das am 8. Mai 1892 bei Rajlovac erlegte 9 kommt dieser Abbildung am nächsten, während alle übrigen von mir untersuchten Steppenweihen Bosniens und auch Bulgariens das der Wiesenweihe so ähnliche braune Jugendgefieder besassen. Verschiedenheiten in der gelbbraunen Farbe der Unterseite kommen fast gar nicht vor; nur besitzen manche Stücke so gut wie gar keine Schaftstriche, die meisten sehr feine, etwas dunklere und eines schwarzbraune, welche Farbe sich verlöschend über die Mitte von einzelnen oberen Brustfedern verbreitet. Circus pygargus (L.), Circus cineraceus Mont., Wiesen weihe. Leider vermag ich nur sehr Weniges über das Vorkommen der Wiesenweihe im Occupationsgebiete mitzutheilen. In der Hercegovina schon von Hauptmann Bayer sogar als Standvogel angegeben, wurde sie später (1889) noch zweimal, und zwar bei Mostar von Hauptmann Pollatcek und Director Karaman erlegt. Ob sie zu den Besuchern der Ebene von Sarajevo gerechnet werden darf, bleibt vorläufig noch unentschieden, weil je eine, von mir im Februar 1891 und von Prof. Knotek am 1. April 1892 daselbst beobachtete aschgraue Weihe ebensogut die Steppen- ais die Wiesenweihe gewesen sein kann. Mit Sicherheit dagegen kommt sie geradezu häufig und als Brutvogel im mittleren und nördlichen Theile des Livanjsko polje vor. Dort, wo nördlich von Livno, zwischen Prisap und Celebic, die Sümpfe vollständig aufhören und an ihrer Stelle sich sandiges Oedland und weite Wiesenflächen ausdehnen, ist der Sommeraufenthalt der Wiesen- Reiser. Materialien zu einer Ornis balcanica. 677 weihe. Am 26. Mai 1888 sali ich dort die ersten zwei Stücke, später, am 31. des- selben Monats wiederum ein Exemplar, diesmal bei Crni lug und am Rande der grossen Reihercolonie, und schliesslich am 2. Juni viele bei Vrbica. Gewiss ist sie auch Brutvogel in manchen Theilen der Saveniederung. Von dort brachte Herr Ed. Hodek sen. zwei ausgefärbte Männchen, geschossen am 28. Mai 1882 bei Crnjelevo (Bezirk Brcka) und am 18. Mai 1884 bei Bosniscli-Kobas (an der Save), nach Hause und spendete beide später dem Landesmuseum. [Nisaetus fasciatus (Vieill.), Nisaetus Bonellii Teinin., Bonelli-Adler.] In meiner im Mai 1891 erschienenen „Liste der bisher für das Occupationsgebiet nachgewiesenen Vogelarten“ (in „Vogelsammlung“ etc.., II. Ornith.-Congress, Budapest) ist eine einzige Art angeführt, welche ich heute in die Liste der zweifelhaften Arten übersetzen muss, nämlich Nisaetus fasciatus. Die Anzahl der für Bosnien und die Hercegovina nachgewiesenen Raubvögel bleibt aber dieselbe, weil ich in der Lage bin, an Stelle des Bonelli-Adlers den Fischadler auf Grund vielfacher Beobachtungen und eines Belegexemplares einzufügen. Wie an oben citirter Stelle ausdrücklich bemerkt ist, geschah die Aufnahme des Habichtsadlers in die Liste blos auf Gi’und eines Geleges. Trotzdem nun die Auffindung der vieluntersuchten Eier von Herrn Dr. H. v. Kadich ausführlichst beschrieben wird, obwohl an anderer Stelle eben derselbe den Habichtsadler ausdrücklich zu den Horst- vögeln des Blatogebietes und zu den Standvögeln der übrigen Hercegovina rechnet, und obwohl schliesslich ich selbst, wie aus den Ausführungen H. v. Ivadich’s ja er- sichtlich ist, in Uebereinstimmung oder vielmehr auf Grund der Ansicht des unvergess- lichen Dr. Kutter an der Zugehörigkeit der Eier zu diesem Adler nicht mehr zweifeln zu dürfen glaubte — also gleichfalls das Vorkommen des Vogels selbst annahm — so bin ich doch heute der Ueberzeugung, dass es richtiger ist, den Habichtsadler vor- läufig wenigstens zu den zweifelhaften Arten zu stellen und aus der kritischen Liste der Vögel des Occupationsgebietes wegzulassen. Diese Nothwendigkeit ergibt sich aus Folgendem: Vom Jahre 1887 angefangen habe ich in Begleitung von geschulten Leuten all- jährlich die verschiedensten Theile der Hercegovina bereist und vergeblich nach Nisaetus fasciatus gespäht. Speciell im Gebiete des Utovo blato und der hohen £aba war keine Spur von diesem Adler zu finden. Die Exposituren Dolnji Hrasno und Pocitelj lieferten auf mein Bitten sowohl Eier als auch eine ganze Reihe von Adlern und Geiern ein; in erster Linie war es aber das Bezirksamt Stolac, welches meine Nachforschungen auf das Angelegentlichste unterstützte. Nur einmal, im April 1888, wurde ein im Be- zirke Ljubinje gesammeltes Ei eingesendet, welches jenen beiden kritischen Exemplaren in Korn und Form fast vollkommen entsprach. Leider waren an die Einsendung nicht die mindesten, die Bestimmung des Eies erleichternden Daten geknüpft. Wem Andern hätte ich die Beurtheilung dieses, sowie anderer weit leichter zu bestimmender Adlereier anvertrauen können als dem gewiegtesten aller damals leben- den Oologen Deutschlands, Dr. Kutter? In Trebinje (Hercegovina) erreichte mich seine Antwort, die ich hier wörtlich wiedergebe: „Nr. 1 und 2. Die beiden Ihnen von H. v. Kadich zugegangenen und angeblich A. Bonelli zugehörigen Stücke ähneln in jeder Beziehung so auffallend dem von mir mit Nr. 3 (siehe oben) bezeichneten gelblichen Adlerei, dass wohl kaum an deren Zu- 678 III. Naturwissenschaft. gehörigkeit zu einer und derselben Species gezweifelt werden kann. Unter den in meiner Sammlung befindlichen Stücken findet sich eigentlich kein einziges, welches mit diesem näher übereinstimmt; verhältnissmässig am nächsten aber kommt ihnen allerdings ein Stück von A. Bonelli (Krüper, Akarnanien), während einige andere Stücke aus der- selben Quelle, sowie zahlreiche Exemplare aus Spanien, die ich untersuchen konnte, meist in Färbung, Grösse und Gestalt nicht unerheblich abweichen. Allen diesen und den Ihrigen gemeinsam ist aber ein im Verhältniss zu den Dimensionen auffallend ge- ringes Gewicht. Dasselbe schwankte nach meinen Notizen bei zehn Stücken des A. Bonelli, von verschiedener Grösse und Herkunft, zwischen 750 (sehr kleines Stück ex India') und 1050 Cg. (Krüper, Akarnanien); ein ähnliches Missverhältniss zwischen Dimensionen und Gewicht zeigen nach meinen Wahrnehmungen unter den Eiern der europäischen Raubvögel nur etwa noch diejenigen von Circaetus gallicus. Da mir daran lag, betreffs Ihrer Eier auch noch die Meinungsäusserung eines tüchtigen Prak- tikers zu hören, so sandte ich dieselben, ohne weitere Angabe als die des Sammel- gebietes, an Schlüter. Derselbe gab zunächst sein Votum dahin ab, dass — abge- sehen von dem gefleckten Ei, worüber später — Ihre sämmtlichen Adlereier zu Haliaetus albicilla zu gehören scheinen. Ich erwiderte ihm, dass dieses Urtheil mit dem meinigen nur hinsichtlich der von mir mit Nr. 4 und 5 bezeichneten Stücke (weiss und acees- sorisch beschmutzt) übereinstimme, während ich hinsichtlich Nr. 1 — 3 zu einer anderen Auffassung geneigt sei. Zugleich machte ich nunmehr, unter nochmaliger Beifügung der Objecte, auf das auffallend geringe Gewicht von Nr. 3 (Nr. 1 und 2 sind leider nach- weislich nicht rein entleert und können daher hier nicht in Betracht kommen) aufmerksam und bat um erneute Vergleichung mit seinen Vorräthen von Bonelli-lb\ern. In seiner gestern empfangenen Antwort schreibt er mir nun, dass bei den gegenwärtig vorhan- denen 17 Stücken dieser Species (Spanien und Griechenland) das Gewicht zwischen 790 und 1133 Cg. schwankt (ob das Maximalgewicht bei einem ganz rein entleerten Ei??), während das Gewicht von 14 Eiern des Haliaetus albicilla sich zwischen 1090 und 1330 Cg. bewege. (Nach meinen eigenen Untersuchungen : zwischen 1135 — sehr kleines Stück ex Sibiria — und 1570 Cg. — sehr grosses Stück ex Astrachan, — wobei natürlich nur vollständig entleerte Stücke in Betracht gezogen sind.) „Schlüter stimmt hiernach, da selbst sein leichtestes Stück von Haliaetus albicilla Nr. 3 Ihrer Eier an Gewicht überschreitet, meiner Auffassung bei, dass es sich bei Nr. 1 — 3 wohl sicher um A. Bonelli handle, wenn dieser Adler so weit nördlich brüte, was er bisher nicht angenommen habe. Ich füge dem noch hinzu, dass ich daneben die Möglichkeit nicht für ausgeschlossen halte, dass diese Eier auch Circaetus gallicus angehören könnten, wenngleich ich Eier dieser Species, die auch im Uebrigen Ihren fraglichen Stücken nahe kämen, noch nicht gesehen habe. Dies gilt namentlich von der eigenartig gelblichen Färbung, die ja allerdings accessorisch zu sein scheint.“ Soweit die vorzüglichen Ausführungen Dr. Kutter’s. Auf Grund derselben und unter Berücksichtigung der von Dr. Kutter anscheinend nicht beachteten ausserordent- lich frühen Brutzeit — 4. Februar — welche ja eben A. Bonelli eigenthüxnlich ist, zweifelte ich damals nicht länger, früher oder später durch Beobachtung oder noch besser durch Erlegung eines Habichtsadlers Gewissheit in dieser Angelegenheit er- langen zu können. Doch traf gerade das Gegentheil ein. In den betreffenden Gegenden sah ich stets nur Schrei-, Stein- und viele Seeadler, seltener den Schlangenadler, nie eine andere Art. Nun ist speciell der Seeadler entschiedener Frühbrüter, und noch mehr natürlich in einer Gegend, wo im Februar schönster Frühling ist. Thatsäclilich fand Reiser. Materialien zu einer Ornis baleanica. G79 auch Dr. Krüper ein Ei am See von Vrachori am 6. Februar 1874. (Griecli. Jahres- zeiten, S. 168.) Dem in der Hercegovina an vielen Orten so häufigen HaliaUtus albi- cillci muss ich also nunmehr trotz alledem bis auf Weiteres diese drei Eier zusprechen. Astur brevipes (Severz.), Zwerghabicht. Ich kann über sein hiesiges Vorkommen nur das wiederholen, was ich bereits früher im „Ornithologischen Jahrbuch 1890“, herausgegeben von v. Tschusi, hierüber veröffentlicht habe, da seither kein weiteres Exemplar erbeutet werden konnte. Am 8. September 1889 wurde ein Zwerghabicht, dessen Vorkommen wohl zu erwarten war, hier bei Sarajevo zu Stande gebracht, indem der Hilfspräparator des Landesmuseums, Santarius, ein junges 9 bei Kovaöic erlegte. Der Vogel flog dort mit eigenthümlich raschen, taubenartigen Flügelbewegungen auf einen isolirt stehenden Birnbaum, wo er sich vollkommen ruhig verhielt und den Schützen, der sich ohne alle Deckung näherte, auf ganz kurze Entfernung heran- kommen liess. Sowohl diese vom gewöhnlichen Sperber abweichende Zutraulichkeit, als auch die sonstige Beschreibung des Vogels überhaupt, namentlich die richtige Iris- färbung finde ich weitaus am besten von Severzow selbst im „Bulletin de la Soc. Imp. des Naturalistes de Moscou“, 1850, S. 234 — 239 (mit drei Tafeln) angegeben. Die Irisfärbung des jungen Vogels ist nämlich dunkelbraun, nicht blassgelb, wie z. B. Me wes angibt. Die grossen, schuppenförmigen, dunkelbraunen Tropfen auf dem Brust- gefieder des jungen Vogels mit den schwarzen Schaftstrichen erinnern in vieler Hin- sicht an die Färbung von Pernis apivorus und lassen die Verschiedenheit vom ge- wöhnlichen Sperber schon deutlich erkennen. Die Masse des Exemplares sind: Totallänge 41 Cm., Flügellänge 23 Cm., Schwanz- länge 17 Cm. Der Schwanz überragt die Flügel um 7 Cm. Länge des Laufes 5‘5 Cm., Mittelzehe ohne Kralle 3 Cm., Innenzehe ohne Kralle 1'7 Cm., Aussenzelie ohne Kralle 2-1 Cm. Es ist bekannt, dass der Zwerghabicht einmal von Herrn E. Hodek sen. am be- setzten Horste, unweit des Flusses Timok in Serbien, gefunden und auch erlegt wurde. In neuester Zeit (1890) wurde er aber geradezu häufig in Montenegro constatirt, und zwar durch eine vom Museum in Agram entsendete Expedition, welche dort sieben Exemplare sammelte. (Siehe Brusina, Beitrag zur Ornis von Cattaro und Montenegro, Ornith. Jahrbuch 1891, S. 20.) Ich fragte daher bei Herrn Oberlieutenant E. Grossmann, welcher jahrelang in der Umgebung von Trebinje gejagt und gesammelt hatte und ein vorzüglicher Kenner der dortigen Raubvögel ist, an, ob ihm nicht der Zwerghabicht dort untergekommen sei. Hierauf versicherte er mir brieflich, dass er mehrere Exemplare geschossen habe, doch derzeit keines mehr besitze. Astur palumbarius (L.), Habicht. Leider muss derselbe zu den häufigsten Erscheinungen in der Vogelwelt des Gebietes gezählt werden. Alle Welt hört man auch hierzulande über diesen Räuber klagen, und Jedermann weiss von seinen Schandthaten zu erzählen. Gewiss weit über 100 Habichte wurden im Verlaufe der Jahre dem Landesmuseum eingeliefert und gewiss ebensoviele allein in der Umgebung von Sarajevo in dieser Zeit von diversen Jägern erlegt und einfach weggeworfen. 680 III. Naturwissenschaft. Gleichviel ob in der Eibene oder im Hochgebirge, im Karst oder im Bergwald: der Habicht ist überall anzutreffen. In der Hercegovina haben ihn schon Hauptmann Bayer und H. v. Kadich nachgewiesen, Letzterer demselben sogar einige Male Moor- enten und Waldschnepfen abgejagt. Ohne auf die im Landesmuseum aufbewahrten Exemplare im Einzelnen zuriick- zukommen, will ich blos einige Beobachtungsdaten mittheilen, aus denen am besten die Häufigkeit dieses Vogels hervorgeht. Beobachtungen im Sarajevsko polje: 1888: den 3. Februar ein junger Vogel erlegt, am 1. April in der Stadt Sarajevo ein Stück von Krähen arg verfolgt, am 9. April ein alter Vogel bei Ilidze, am 28. April ein alter Vogel, am 13. Mai mehrere im Kosevothal, den 23. Juni ein junger Vogel am Hange des Igman, am 11. November von Präparator Zelebor und Oberlieutenant See- bär s je ein Exemplar erlegt. 1889: am 2. December mehrere Habichte gesehen und am 7. Deeember mehrmals auf solche geschossen. 1890: am 26. Jänner ein Exemplar in der Stadt, am 22. Februar wird von Prä- parator Zelebor ein Habicht im Polje erlegt, welcher sich in einem Baumast fest ver- krallt hatte. Im Monate Februar holt ein Habicht nach und nach 15 Tauben aus dem Hofe der Sarajevoer Tabakfabrik, den 20. April zwei Stücke im Polje, den 20. April mehrere im Kosevothal, am 8. December mehrere im Polje, davon einer eine Elster kröpfend. 1891: am 25. März ein Vogel, am 5. Mai schlägt vor meinen Augen ein Habicht nahe bei der Kirche von Stup eine herabgeschossene Ringeltaube und schleppt sie fort, 1. August von Prof. Knotek ein Stück bei Ilidze angeschossen, am 8. September ein Habicht mit einer Taube in den Fängen streichen gesehen, am 11. September ein alter Vogel von Zelebor erlegt, am 12. September schlägt ein Habicht die einzige von einer Jagdgesellschaft aufgetriebene Waldschnepfe bei Blazuj, am 5. December eine Krickente vom Habicht stark bedrängt, während ein zweiter Habicht eine von mir geschossene Krickente fortträgt; am 19. December 3 — 4 Stücke das Polje durchstreifend, überall liegen Entenfedeim als Spuren ihrer Anwesenheit. 1892: am 2. Februar schiesst Herr L. Schlabitz an der Miljackamündung eine Krickente, welche knapp vor der Nase der heranspringenden Vorstehhündin von einem Habicht weggetragen wird; am 12. Februar zwei Habichte bei Dvor, am 4. März ein Habicht im Centrum des Polje, am 24. April ein Habicht von Herrn Maschinenmeister Bayer erlegt, am 28. October ein alter Habicht bei Osjek, am 22. November zwei Habichte, auf viele Enten Jagd machend, am 23. November ein Exemplar stark ange- schossen, am 28. November viele Habichte im ganzen Polje. Von Beobachtungen im übrigen Lande kann ich in chronologischer Folge anführen: Am 17. Mai 1888 zwei Stücke bei Pazaric (Bezirk Sarajevo). Am 10. Juli 1888 ein sehr alter Vogel bei Galijeva nijeva bei Sarajevo. Am 14. Februar 1889 in der Ortschaft Vitez (Bezirk Travnik) ein Habicht ruhig auf dem Geländer einer Veranda aufgehackt. Am 20. Februar 1889 finde ich in Jajce einen ganz ausserordentlich zahmen Habicht im Besitze des Herrn Bezirks Vorstehers v. Barcsay. Am 23. März 1889 signalisiren bei Pale (Bezirk Sarajevo) die Anwesenheit eines Habichts mehrere sehr erregt ratschende Tannenheher. Den 12. April 1889 finde ich bei Bosnisch-Gradiska in einem Auwäldchen den lieder- lich gebauten Horst mit drei frischen Eiern und schiesse das abstreichende ■ 9 stai’k an. Reiser. Materialien zu einer Omis baleanica. 681 Den 1. September bei Samac ein alter Vogel. Am 3. März 1891 unweit Lisicic einen jungen Habicht beim Kröpfen einer Amsel erlegt. Am 4. März 1891 ein sehr alter Habicht bei Glavaticevo. Am 24. Juni 1891 hoch oben in der Visocica ein Habicht von Krähen verfolgt. Am 12. Juli 1891 spät abends noch ein Habicht am Hrgar bei Bihac streichend. Am 6. December 1891 ein Stück bei der Moscanicaquelle bei Sarajevo von Prof. Knotek erlegt. Am 27. December 1891 ein Stück von demselben bei Blagaj (Mostar) auf der Steinhühnerj agd beobachtet. Am 18. Februar 1892. Prof. Ronge bemerkt einen Habicht am Mostarsko blato. Am 5. October 1892 einen Habicht bei Parizevici (Bezirk Rogatica) gesehen und am folgenden Tage wieder einen daselbst auf Rebhühner lauernd. Am 25. September 1893 ebendaselbst einem jungen Habicht eine Ringeltaube ab- gejagt und am folgenden Tage einen anderen einen Grünspecht verfolgend bemerkt. Ausser von den angeführten Orten besitzt das Landesmuseum noch aus: Bihac, Bosnisch-Dubica, Han Begov, Visegrad, Jajce, Siekovac, Bosniscli-Raca, Livno, Sanski- most und Trnovo an der Sana eingelieferte Hühnerhabichte. Das von Jajce durch Herrn Bezirksvorsteher v. Barcsay dem Museum übersendete Exemplar ist dadurch merkwürdig, dass bei demselben die Iris des rechten Auges nonnal gelb, diejenige des linken Auges dagegen schön carmoisinroth gefärbt war. Genaue Untersuchung ergab, dass am Auge keinerlei Verletzung wahrzunehmen war, welche diese abnorme Färbung erklärlich machen würde. Weiters wäre zu bemerken, dass ein von Herrn Oberlieutenant Seehars am 24. Juli 1890 bei Blazuj erlegter Habicht stark in der Umfärbung vom jugendlichen in das Alterskleid begriffen ist, was sich immer am deutlichsten an der Befiederung des Oberschenkels zeigt, wo die weiss und grau gebänderten Federn stets zuerst auftreten. Der Wechsel am übrigen Körper muss sich offenbar sehr schnell vollziehen, weil sich unter den vielen, zu allen Jahres- zeiten untersuchten Habichten nie ein solcher befand, welcher dies so sehr abweichende Gefieder des Alterskleides etwa schon zur Hälfte aufzuweisen gehabt hätte. Doch will der verewigte Oberförster Geschwind in Travnik einen solchen gescheckten Habicht einst im Spätherbste bei Zupanjac beobachtet haben. Accipiter nisus (L.), Sperber. Weitaus weniger häufig als der Habicht bewohnt der Sperber Bosnien und die Hercegovina. Es scheint, dass ihm die hiesigen Waldungen nicht recht Zusagen wollen, und gewiss war die Mehrzahl der im Lande geschossenen eben auf dem Durchzug begriffen. Uebrigens beweisen vier Gelege und zwei Gehecke Junge, welche dem Museum aus der Umgebung von Sarajevo zugetragen wurden, sein Anrecht als hiesiger Brutvogel. Ausser aus der Umgebung der Landeshauptstadt erhielt das Museum aus Poöitelj, Gabela. Priboj und Bilek Sperber eingesendet, welche sich jedoch in Nichts von Exemplaren aus Mitteleuropa unterscheiden. Meinem Tagebuche entnehme ich folgende Notizen: Am 10. April 1888 auf dem Plateau der Preslica-Alpe zwei Stücke gesehen. Am 13. Mai 1888 viele im Kosevothale bei Sarajevo. Am 15. Jänner 1889 einen Sperber in der Stadt Sarajevo. 682 III. Naturwissenschaft. Am 15. Februar 1889 einen Sperber bei Vienac (Bez. Jajce). Am 17. Februar 1889 ein sehr kleines Exemplar (wahrscheinlich cf) in der Ugar- schlucht bei Jajce beobachtet. Am 26. Februar 1889 in Sarajevsko polje ein Stück ziehend. Am 10. September 1889 nächst Grabovica bei Vlasenica ein Stück ziehend. Am 10. März 1890 in Sirove göre, einem Vorberg des Prenj bei Ostrozac, einen Spei’ber beobachtet. Am 23. October 1890 viele Sperber im Kosevothale bei Sarajevo. Am 1. August 1891 im Sarajevsko polje ein Sperber von Prof. Knotek ange- scliossen. Am 4. September 1891 ein Exemplar aus vielen im Sarajevsko polje anwesenden geschossen. Am 8. November 1891 einen Sperber bei Blazuj beobachtet. Am 19. December 1891 3 — 4 Sperber im Sarajevsko polje. Am 26. December 1891 ein Stück von Prof. Knotek bei Blagaj (Mostar) bemerkt. Am 24. Jänner 1892 von zwei Sperbern einen am Kopfe, jedoch nicht tödtlich, angeschossen. Am 12. Februar 1892 ein Exemplar bei Vogosca getroffen. Am 23. Februar 1892 zwei Sperber neben Rajlovac. Am 4. März 1892 ein Sperber mit einer Feldlerche in den Fängen ziehend. Auf den tüdtliclien Schuss fällt der Sperber herab und die Feldlerche zieht munter weiter. Am 24. October 1892 nächst Lukavica bei Sarajevo beobachtete ich deutlich eine seltene Variation, bei welcher die ganze Brust einfarbig dunkelaschgrau gefärbt war. Am 4. November 1892 beobachtete Präparator Zelebor sieben Sperber auf der Lerchenjagd im Sarajevsko polje, konnte aber blos einen erlegen. Am 23. November 1892 setzt sich vor meinen Augen ein junger Sperber in Ilidze auf das dortige Hoteldach. Das Erscheinen des Sperbers sowohl wie auch des Hühnerhabichts in den Ebenen des Gebietes hängt immer von der Zahl des daselbst anwesenden Zugfederwildes ab. Sobald keine Enten, Wachteln etc. vorhanden sind, sieht man auch jene Räuber nicht. Falco lanarius L., Falco laniavius Pall., Würgfalke. Vom Würgfalken vermag ich auf Grund eigener Beobachtungen gar nichts über sein hierländisches Vorkommen mitzutheilen und muss mich auf die Wiedergabe älterer Nachrichten hierüber beschränken. Ich kann aber meine Ueberzeugung nicht ver- hehlen, dass der Blaufuss im ganzen Süden und Centrum des Occupationsgebietes horstend gar nicht und auch sonst, wenn überhaupt, doch sehr selten vorkommt. Auf seiner Frühjahrsreise im Jahre 1879 beobachtete Herr E. Hodek sen. am 19. Mai in der Prozara planina einen Blaufuss hoch in den Lüften überstreichend, und am 26. desselben Monats fand derselbe bei Dolnja an der Save (östlich von Bosniseh- Gradiska) einen Horst des Falken, bei welchem er beide alte Vögel erlegte und die Jungen im Halbdunenkleide aushob. Dieses schöne Würgfalkenpaar sammt einem Nestjungen spendete Herr Hodek später dem Landesmuseum, und diese drei Exem- plare sind die einzigen, welche die Art dort vertreten. v. Dombrowski beobachtete ein Exemplar des Würgfalken unweit des Dorfes Prieöani und sah ein sehr altes welches am Orlovac bei Banjaluka im August 1882 vom Förster des dortigen Trappistenklosters erlegt worden war. Reiser. Materialien zn einer. Ornis balcanica. 683 Er gibt auch eine cletaillirte Beschreibung des Federnwechsels und der Verfärbung an der Hand dieses Exemplares und bemerkt schliesslich in den später (1885) er- schienenen „Skizzen aus dem bosnischen Vogelleben“, dass der Würgfalke geeignetenorts überall in Bosnien als regelmässige Erscheinung und bei Gornji Ser und Prieöani be- stimmt auch als Horstvogel zu finden sein dürfte. H. v. Kadich bezeichnet Falco laniarius als „Horstvogel in den Waldgebieten und in der Rakita“. Das Letztere muss freilich jedem ornithologischen Besucher der Hercegovina und ihrer Sumpfgebiete unerklärlich Vorkommen. j Falco feldeg gi Schl., Feldegg-Falke. Es stand zu erwarten, dass dieser Edelfalke wenigstens in der Hercegovina zu finden sein würde. Wirklich beobachtete und veröffentlichte Herr Hauptmann C. Bayer sein Vorkommen bei Mostar. Am 27. November 1888 traf mein Freund, Herr Militär- Apotheker M. Miller, von Mostar kommend, ein Paar solcher Falken nächst Uzarici im Mostarsko blato auf einem Weidenbaume neben der Listica aufgehackt. Sie Hessen ihn nahe herankommen, und Miller schoss das cf herab, fehlte aber leider das abstreichende $. Der in liebenswürdiger Weise dem Museum übersendete Vogel trägt das voll- kommen ausgefärbte Alterkleid und ist ein wahres Prachtexemplar. Im Magen und Kropf fanden sich zwei eben gekröpfte Haubenlerchen. Die Masse des Vogels (im Fleische abgenommen) sind: Ganze Länge 44'5 Cm., Flügel 33’5 Cm., Schwanz 19 Cm., Mittelzehe 4 Cm., Aussenzehe 3'3 Cm. Die Unterseite von der Schnabelwurzel bis zur Leibesmitte blendend weiss und, einige feine schwarze Schaftstrichelchen abgerechnet, ungefleckt. Von da zunächst seit- wärts schwarzbraune rundliche und herzförmige Fleckchen und dann nach abwärts vollständige Quersperberung. Die unteren Schwanzdeckfedern stehen hinsichtlich ihrer Zeichnung in der Mitte zwischen jenen des Würg- und des Wanderfalken, indem hier blos Andeutungen von schwarzen Schaftstrichen oder Pfeilfleckchen vor- handen sind, welche beim Würgfalken gänzlich fehlen, beim Wanderfalken bis zur ausgesprochensten Querbänderung ausgebildet erscheinen. Die Unterseite der Steuer- und Schwungfedern ist weisslicli mit durch schimmern- der schwärzlicher regelmässiger Bindenzeichnung. Auf der Oberseite sind Kopf und Nacken durchaus rostroth von der Hauptfarbe des Milvus regalis, doch überall mit grauschwarzen Schaftstrichen durchzogen. Bis etwa zur Mitte des Rückens sind die Federn, ebenso wie die Schwingen und die Binden der Steuerfedern, grauschwarz mit hellaschgrauen Säumen. Weiter nach ab- wärts gewinnt diese aschgraue Farbe immer mehr an Ausdehnung und durchzieht in breiten Bändern das ganze Gefieder und besonders die oberen Schwanzdeckfedern. Hier ist dem Grau schon etwas Rostgelb beigemischt, und das steigert sich fortwährend bei den Schwanzbinden nach abwärts derart, dass die untersten Binden und die Schwanz- spitze einfärbig rostig lehmgelb erscheinen. Der Bartstreif ist blos undeutlich zu erkennen. Die Wachshaut des Schnabels und der Fänge ist schön schwefelgelb; die zweite Schwinge die längste. Der Schwanz überragt die ruhend angeschlossenen Schwingen um 3 Cm. 684 III. Naturwissenschaft. Nachdem sich in den Sammlungen immer noch wenige Exemplare des europäi- schen Feldegg-Falken befinden, glaube ich, dass diese ausführlichere Beschreibung nicht ganz überflüssig erscheinen dürfte. Vor Abschluss dieser Arbeit brachte Hilfspräparator Santarius vom Mostarsko blato die Nachricht, er habe am 7. November 1892 fast auf dem nämlichen Platze, wo das obige alte d geschossen wurde, wieder zwei Feldegg-Falken beobachtet, genau erkannt und durch eine Stunde vergeblich verfolgt. Jeder dieser Falken trug eine eben geschlagene Felsentaube in den Fängen. Falco peregrinus Tunst., Wanderfalke. Durchaus nicht so häufig, als man vermuthen sollte, kommt in Bosnien und der Hercegovina der Wanderfalke vor. Ueberhaupt ist keine Species der Edelfalken zahl- reich vorhanden, und noch viel kleiner ist die Zahl der im Lande brütenden Paare. In der früheren Litteratur tliut zuerst Hauptmann Bayer des Wanderfalken in der Pler- cegovina Erwähnung, v. Dombrowski bezeichnet ihn als regelmässigen Durchzugsvogel der Krajina (Kreis Banjaluka) und beobachtete auf seiner letzten Reise ein in der Nähe von Dervent horstendes Paar, welches am 19. und 20. April 1889 wiederholt in der Stadt auf Moscheetauben Jagd machte. H. v. Kadich fand ihn als seltenen Stand- vogel in der Hercegovina. In der Umgebung von Sarajevo erlegte Dr. Julius Makanec 1886 ein junges, sehr kleines Exemplar und schenkte es dem Museum. Ein zweites Exemplar (altes Männchen) sammelte ebendaselbst Präparator Zelebor am 13. December 1888 (Kosevothal), als es auf verwilderte Haustauben Jagd machte, und ein drittes beim Schlachthaus am 1 1 . November 1890 mittelst Flobertgewehr herabgeholtes junges d wurde von Herrn P. Despic überbracht. Ausser diesen aus Sarajevo stammenden Falken besitzt das Museum derzeit noch ein junges Q, welches in Maglaj an der Bosna zum Abtragen bestimmt war, jedoch sammt einem anderen Vogel aus demselben Horste gleichzeitig mit diesem einging, und schliess- lich ein ebenfalls längere Zeit in Gefangenschaft aufgezogenes $ von der Kozarska stijena, welches zu unser Aller Leidwesen im Museum am 2. August 1892 einer Ver- giftung erlag. Dieser Falke wurde vom Forstwart J. Sperlbauer, welchem eifrigen und erfahrenen Jäger das Museum sehr viele werthvolle Stücke verdankt, von dem oben angeführten Felsen geholt und von Herrn Professor Mi klau dem Museum überbracht. Der Horstplatz selbst ist nach gütiger Mittheilung des Herrn Regier ungsdirectors v. Horo- witz in dortiger Gegend allgemein bekannt und alljährlich besetzt. Weitere Horstplätze befinden sich in den Waldthälern bei Globarica nächst Maglaj an der Bosna. Sonst sind mir Ins jetzt nirgends im Lande solche bekannt geworden. Von Beobachtungen kann ich folgende anführen: Am 16. Jänner 1890 sass unweit der Station Podlugovi ein Wanderfalke auf einer Pappel und liess sich durch den in unmittelbarer Nähe vorbeifahrenden Eisenbahnzug durchaus nicht verscheuchen. Zwischen Petrovac und Vrtoci (Kreis Bihac) scheuchte ich am 19. Juli 1891 einen solchen Falken, der auf einem Zaune dicht neben der Strasse sass, auf. Zu erwähnen wäre, dass diese Gegend ausserordentlich reich ist an Felsentauben, dem Lieblings- nahrungsmittel des Wanderfalken. Alle übrigen Daten beziehen sich auf sein Vor- kommen in der Ebene vor Sarajevo, worüber ich Folgendes berichten kann. Zur Reiser. Materialien zu einer Ornis balcaniea. 685 Sommerszeit lässt er sich hier nicht sehen, wie ans Nachstehendem ersichtlich ist. Nächst der Restauration Da Riva den 3. April 1889 ein cf rüttelnd. Am 23. Jänner 1890 beim alten Steg der Miljacka cT und 9; am 6. Februar 1890 ein Exemplar, mehrmals auf ziehende Stockenten stossend, von Oberlieutenant Seehars beobachtet. Noch am 2. März desselben Jahres sah ich ein Exemplar auf den hohen Pappeln nächst Alilovici aufgebäumt. Hilfspräparator Santarius schoss am 19. Dezember 1891 einen Wanderfalken an der Zeljeznica an, worauf derselbe laut klagend weiterstrich. Am 20. und 21. März wurde wieder einer etwa im Centrum der Ebene gesehen und noch am 21. April desselben Jahres einer durch den Eisenbahnzug nächst dem Pfarrhause in Stup vom Boden auf- gescheucht. Am 9. November 1892 ein 9 über Kobilja glava (hinter Kosevo) hinstreichend. In den letzten Novembertagen 1892 hält ein Wanderfalke Standquartier an der Miljacka- mündung, wohin er alle geschlagenen Enten trägt. Alles, was schon 1879 Herr E. Hodek sen. über die hochinteressante Thatsache des Jagdbetriebes mit abgetragenen Edelfalken durch die Türken mittheilte, fand ich vollkommen bestätigt, und veröffentlichte meine diesbezüglichen Erkundigungen 1888 in den „Mittheilungen des ornithologischen Vereines“ zu Stettin, aus welchen ich sie hier nochmals zum Abdruck bringe. „Auf einer ornithologischen Excursion nach Nordbosnien machte ich in Maglaj an der Bosna Halt, um mich von der Art und Weise der dort allein noch üblichen Falken- beize1) zu überzeugen. In diesem aus der Zeit des Occupationsfeldzuges noch wohl- bekannten Orte befinden sich sehr viele angesehene Türken, und einige Begs sind es, welche sich noch zu ihrem Vergnügen mit der Abrichtung von Raubvögeln zur Jagd befassen. Ich will gleich eingangs erwähnen, dass Herr Forstverwalter Elleder es war, welcher mir mit grösster Liebenswürdigkeit das von den Falkenbesitzern Mitgetheilte verdolmetschte und ausserdem noch viele werthvolle Daten zur Verfügung stellte. „Es lässt sich nicht leugnen, dass die Falkenbeize, welche früher in Bosnien all- gemein gang und gebe gewesen sein soll, auch hier in der Auflösung begriffen ist und nur mehr wenige Begs sich der nicht unbedeutenden Mühe der Abrichtung unterziehen. „Was nun die Art der zur Jagd verwendeten Raubvögel anbelangt, so war von jeher der Wanderfalke am meisten hiezu beliebt. Die Türken nennen ihn schlechtweg „sokol“. Früher waren junge Wanderfalken nicht schwer zu bekommen; denn in den Felsen bei Trbuk, zwischen denen jetzt die Bosnabahn hindurchfährt, sollen mehrere Paare alljährlich gehorstet haben, allein — so behaupteten die Türken — dort seien sie von den weissköpfigen Geiern verdrängt worden, und jetzt sind Wanderfalken nur sehr schwer aus der Umgebung von Maglaj zu erhalten. Gyps fulvus horstet nun wirklich in den genannten Felsen; dass er aber hierdurch dem Falken den Aufenthalt verleidet habe, bleibt nach meiner Ansicht sehr fraglich. Vielleicht haben ihn eher die Strassen- und Bahnbauten am Fusse seiner Horststätte vertrieben. „So kam es, dass durch eine Reihe von Jahren kein Edelfalke in die Hände der Falkenbesitzer gelangte, und erst heuer brachte ein kühner ,Serbe‘ (orient. -orthod. Christ) aus einem Gebirgsdorfe bei Globarica, aus einem Felsenhorste, zu dem er sich abseilen liess, zwei junge Wanderfalken nach Maglaj. Der eine davon starb bald, der zweite bildet noch heute den Stolz des Nuribeg Uzeirbegovic, bei dem ich das schöne Thier sah. Die Türken haben genaue Kenntniss von der Umfärbung des Wanderfalken und warten mit der Abrichtung desselben, bis er ,oben grau wie die Taube ist*, *) Vgl. auch Const. Hörmann’s Mittheilungen in diesem Bande oben S. 501 — 505. .686 III. Naturwissenschaft. weil er dann erst kräftig genug sein soll. Erst dann, so meinten sie in poetischer Hyperbel, zerschnitte er die Taube in der Luft mit seinem Brustbein. Nuribeg verspricht sich von seinem sokol ganz Ausserordentliches und will im künftigen Jahre mit ihm Enten und auch Hasen beizen. Letztere Angabe liess mich schon vermuthen, dass die jetzigen türkischen Falkoniere wohl nicht viel mit dem Wanderfalken zu tliun gehabt hätten, da sie ja sonst hätten wissen müssen, dass er ausschliesslich Geflügel stösst, und es wurde mir dies zur Gewissheit, als Nuribeg die Absicht äusserte, nach Wien zu schreiben, um sich zu erkundigen, wie die Abrichtung am besten vorzunehmen sei. Das Geheimniss der Abrichtung der Edelfalken haben also wohl die alten türkischen Falkner in das Paradies hinübergenommen. „Nichtsdestoweniger wird der gegenwärtig einzige Falke in Maglaj mit grösster Sorgfalt gefüttert, die Wahl des besten Fleisches mit peinlicher Genauigkeit vorgenommen und sogar das zum Schneiden desselben verwendete Messer genau geprüft, da der Glaube besteht, der Falke wäre unbedingt verloren, falls mit dem Messer vorher eine Melone oder eine ähnliche Frucht zerschnitten worden sei. „Als nun, wie ich oben dargethan habe, die Falkner von Maglaj keinen Wander- falken mehr bekommen konnten, mussten sie an einen Ersatz denken und fanden diesen in unserem gewöhnlichen Sperber, Accipiter nisus, stiegen aber dabei freilich von der hohen zur niederen Beize herab. Von diesem Beizvogel allein und dessen Verwendung soll im Nachfolgenden die Bede sein. „In der Reihe der Beizvögel nimmt der Sperber den niedrigsten Rang ein, denn man kann mit ihm ja nur auf ganz schwache Rebhühner, Wachteln und kleine Vögel ausgehen. Welcher Contrast also gegen die stolze Reiherbeize des Mittelalters mit dem kostspieligen nordischen Falken (Falco gyrfalco und islandicus) oder der kirgisischen Beize mit mächtigen Adlern (Aquila fulva und imperialis) auf Rehe ! Und doch ist es bekannt, dass die Muhammedaner früher als alle anderen Völker, und zwar mit dem verschiedenartigsten Material beizten, und vielleicht waren es die Vorfahren unserer heutigen Falkner in Maglaj, von denen Kaiser Friedrich II. auf seinem Kreuzzuge so Manches in der Kunst der Falkenerziehung lernte, und die er so sehr in seinem be- rühmten und allbekannten Werke ,De arte venandi cum avibus* schätzte. „In Nachfolgendem will ich nunmehr einige Ausdrücke der türkischen Falken- besitzer mittheilen: Der Wanderfalke . Der Hühnerhabicht . Der Sperber im 1. Jahr. Der Sperber im 2. Jahr . Der Handschuh Die langen Fesseln . . Die kurzen Fesseln . Der 80 Cm. lange Riemen Die Schellen Auf die Falkenbeize gehen . sokol. koba. citmadja. tulek. rukavica. djondre. . petle. uzunluk, . proporci. ici u lov s atmadjom. „Die grosse Einfachheit der Beschaffung und Abrichtung der Beizvögel, sowie der eigentlichen Durchführung der Beize erklärt die geringe Zahl der technischen Ausdrücke hiefür. Der Sperber ist vor Allem als junger Vogel zum Abrichten geeignet, und der Falkner muss darauf bedacht sein, sich einen solchen alljährlich im Frühjahre zu beschaffen, Reiser. Materialien zu einer Ornis baleanica. 687 da es ihm meistens viel zu kostspielig erscheint, den bereits abgetragenen Vogel nach dem Abzug der Wachteln den ganzen Winter hindurch zu ernähren, bis wieder im Spät- sommer die Zeit der Jagd herannaht. Ueberdies herrscht in der Umgebung von Maglaj an dieser Geissei der kleinen V ogelwelt kein Mangel. So kommt es, dass eines schönen Tages der Sperber die goldene Freiheit wieder erlangt, statt dass diesem nimmersatten Räuber die Gurgel umgedreht würde. Beim Einfangen geht man folgendermassen vor. Auf einem von Raubvögeln gerne besuchten Platze wird ein etwa 2 M. im Gevierte messendes Netz an zwei Stäben schief aufgestellt und unter demselben als Lockvogel eine lebende Dohle an einem in die Erde getriebenen Pflock festgebunden, doch so, dass sich dieselbe ziemlich frei bewegen kann. Die vorderen offenen Seiten des etwas schlaff hängenden Nefzes werden durch Stauden und Astwerk so verstellt, dass der anstürmende Raubvogel genöthigt wird, seinen Angriff durch das Netz hindurch auszuführen. Ist Alles in Ordnung, so lässt der in nächster Nähe versteckte Falkenfänger den Lockton des alten Sperber- weibchens erschallen und rüttelt gleichzeitig an einem an der Dohle befestigten dünnen Bindfaden, um dieselbe zu Bewegungen und Flügelschlägen zu veranlassen. „Ist ein junger Sperber in der Nähe, so wird er durch die Locktöne aufmerksam, erblickt die Dohle, stösst in wildem Ungestüm trotz des Netzes auf dieselbe, verwickelt sich und wird schnell mit einem bereitgehaltenen Tuche bedeckt. „Nachdem er sorgfältig nach Hause gebracht, werden dem ungeberdigen Wildling zunächst die Fesseln angelegt. Dieselben bestehen aus leichtem, aber festem Leder, sind an beiden Ständern befestigt und mit einander in einiger Entfernung verknüpft. An jedem Ständer ist ferner noch eine Schelle befestigt, damit man von der Anwesenheit und den Bewegungen des Vogels stets in Kenntniss gesetzt werde und den etwaigen Ausreisser leichter wieder finden könne. „In völliger Uebereinstimmung mit den Vorschriften der altdeutschen Falknerei beginnt nunmehr die Abrichtung des Sperbers oder das Abträgen. Hunger leiden lassen und schlaflos erhalten, benimmt dem Vogel seine anfängliche Wild- heit. Die Falkenkappe und ihre Anwendung kennen die türkischen Falko- niere nicht. „Der hungernde Sperber ist endlich gezwungen, die verlockenden Fleischbrocken aus der Hand seines Peinigers zu holen, lernt schliesslich vertraut auf dessen Faust aufhacken und dieselbe selbst dann nicht verlassen , wenn die rechte Hand nach ihm greift. Damit ist schon viel gewonnen. Da aber die spitzen Krallen dem Vogel natürlich erhalten bleiben müssen, so schützt sich der Falkener vor Verwundungen durch einen aus derbem Leder gefertigten Stulphandschuh von grobem Schnitt. Mit der Zeit legt der Sperber alle Scheu und Wildheit ab, und inzwischen ist auch schon die Zeit seiner Verwendung auf die Wachteln herangerückt. Nur während der gefähr- lichen Mauserzeit muss die gewöhnliche Nahrung durch Zugabe einiger frisch getödteter kleiner Vögel aufgebessert werden. „Wenn nun der Tag gekommen ist, an dem der Falkner sehen will, ob sein Zögling Talent zeigt, oder ob nicht alle Zeit und Mühe vergeblich war - — denn es kommen Fälle vor, wo der losgelassene Sperber augenblicklich das Weite sucht, und wieder andere, wo er aus Trägheit und Ungeschick zur Jagd unbrauchbar ist — so wird der Vogel zwar nicht gefüttert, wohl aber getränkt. Unterlässt man letzteres, so sucht der freigelassene Sperber sofort irgend ein Wasser auf; man hat Mühe ihn wieder zu bekommen und verliert mindestens viel Zeit damit. „Hat der Träger des Falken oder ein mitgenommener Hund eine Wachtel oder Lerche aufgestöbert, so wirft der Jäger den Falken derselben nach, wobei die 688 III. Naturwissenschaft. Fesseln aber nicht von den Ständern abgenommen werden, sondern im Fliegen weit herabhängen und dasselbe sogar einigermassen erschweren. Macht der Falke seine Sache gut, so stösst er sofort auf den fliegenden Vogel, fällt mit demselben zu Boden und erwartet mit gesträubtem Gefieder seinen rasch herbeieilenden Herrn, der ihm seine Beute gewaltsam aus den Fängen löst und ihn selbst neuerdings auf der Faust befestigt. „Einträglich ist diese Jagd wohl nur selten, wie ja überhaupt die europäische Falkenbeize jederzeit nur als ein Vergnügen der Vornehmen betrachtet wurde; allein sie bietet sehr interessante Momente, und ich möchte liiemit den Wanderer durch das schöne Bosnathal auf dieses Ueberbleibsel aus der Culturgeschichte längst ent- schwundener Zeiten aufmerksam gemacht haben.“ Ich will nur erwähnen, dass die Gepflogenheit der Beizjagd immer mehr ihrem Ende entgegengeht, und dass selbst reorganisatorisclie Bestrebungen einiger Oesterreicher erfolglos blieben. Herr Aurel Sprung interessirte sich z. B. lebhaft für die Beizjagd und brachte es dahin, dass seine Frau im Jahre 1888 in Zepce mit dem Wanderfalken auf Enten beizen konnte; — heute denkt in ganz Zepce Niemand mehr an dies genuss- reiche und ritterliche Vergnügen, obwohl es seinerzeit gerade dort sehr im Schwünge war. B. Notizen Inhalt: Dr. Justin Karlinski. Verzeichnis« der bis zum Jahre 1892 in Bosnien und der Hercegovina gesammelten Myriopoden (Tausendfiissler). — Othmar Reiser. Ueber die Erbeutung eines Flughundes in der Hercegovina. Dr. Justin Karlinskl. Verzeichniss der bis zum Jahre 1 892 in Bosnien und der Hercegovina gesammelten Myriopoden (Tausendfiissler). — Das Materiale zur nachstehenden Publication ist in den Jahren 1887, 1889, 1890 und 1891 — 1892 von mir in Südbosnien und der Her- cegovina, dann von Custos-Adjunct V. Apfelbeck in der südlichen Hercegovina gesammelt worden. Die Bestimmung der aufgefundenen Arten wurde auf Grund der besten Publication über Myriopoden: Latzei, Die Myriopoden der österreichisch-ungarischen Monarchie, Wien 1880, durchgeführt. Herr Gymnasialdirector Dr. Robert Latzei hat die Güte gehabt, einen Theil des Materials selbst zu bestimmen, den übrigen in liebenswürdigster Weise zu controliren. A. Cllilopoda Latreille. 1 . Scutigera Lamarck. 1. Scutigera coleoptrata L. Mostar (A.1). 2. Lithobius Leach. 2. Lithobius grossipes C. Koch var. bosnensis Latzei. Celebic bei Foöa, Foßa, Ejekathal bei Celebic, Konjica, Preslica (A.), Igman (A.). 3. Lithobius validus Mein, var . punctulatus C. Koch. Celebic, Foca, Raikovici, Trebinje (A.). 4. Lithobius leptopus Latzei. Celebic, Foßa, Raikovici, Mosko (A.). 5. Lithobius transsilvanicus Latzei. Vitine im Sandschak Novi-Bazar, Preslica. 6. Lithobius spiniger Latzei. Fo