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Amulette.

Ein Beitrag zur Galtnrfleschichte uncL Voltsmefiiciii.

Von

Or. IWC. KronfelcL.

V/1KN IS93.

Verlag von Moritz Per los,

Seilergasse 4 (Graben).

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Druckerei der k. "Wiener Zeitung.

Meiner Frau gewidmet,

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Irotz aller Fortschritte der modernen Kinderhaltung und Kinderpflege ragen noch heute, am Ausgange des 19. Jahrhunderts, die wilden Ranken des Volksglaubens in die Kinderstube. Aus meiner, in einer österreichischen Provinzstadt verbrachten Kinder- zeit erinnere ich mich eines bezeichnenden Vorfalles. Ein Kind des Hauses war kränklich ; ärztliche Hilfe schien vergebens. Da rieth irgend eine weise Frau zu einem Mittel : einer lebenden Maus mussten die Augen ausgestochen und dieso dem kranken Kinde an einem Faden um den Hals gehängt werden. Da jagten denn die Gesellen um die "Wette den Mäusen nacb, bis es Einem geläng, ein Thierchen zu erwischen und ihm mit einer dünnen Spitzfeile die Augen auszustechen. Und in der That wurde dem Kinde das in so grausamer Weise gewonnene Amulett umgehängt. Ob es auch genützt hat ? Gerade die Maus spielt nach L a m m e r t als Mittel für kranke Kinder eine grosse Rolle. So hängt man dem Kinde in Franken und anderwärts einen Mauskopf, der dem lebenden Thiere abgebissen (! !) wurde, in einem Säckchen, hoch vor der Taufhandlung, als Zaubermittel um den Hals *). Dasselbe Mittel hilft beim Zabnen, nur müssen Eltern oder nahe Ver- wandte den Köpf d^r Maus abbeissen und in einem leinernen Säckchen, ohne einen Knopf in den Faden zu machen, dem Kinde umhängpn. Aus Deutschösterreich ist mir der nicht minder unappetitliche Brauch bekannt geworden, Säuglingen Stücke des Eingeweides einer Maus in einem Säckchen um den Hals zu hängen. Die Maus kommt auch in einem weit verbreiteten Zaubersprüchlein vor, das auf den kindlichen Zähnwechsel Bezug hat. Der erste ausgefallene Milchzahn wird nach L a m m e r t in Franken mit den Worten :

') Lammert, Volksmedicin in Bayern, Würzburg 1£60, f. 123.

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Mäuslein,

Mäuslein,

Da hast du einen beinernen,

Gib' mir einen steinernen

in ein Mäuseloch geworfen, damit die zweiten Zähne so schön und weiss werden, wie die der Maus. Mich hat man noch als Kind angewiesen, jeden Milchzahn in das flackernde Ofenfeuer zu werfen und dabei dieses Sprüchlein herzusagen, in dem steinern mit „eisern" variirt war. Nach Laube2) hat in der Teplitzer Gegend das Kind den Milchzahn hinter sich über die Schulter wegzuwerfen und dabei zu sagen :

Maus, Maus hast einen beinernen Zahn, "Wachs mir einen eisernen an!

In älteren, namentlich ländlichen Haushaltungen werden die sich in den Familien forterbenden „Zahnperlen" aufbewahrt, denen zugleich Wert und Kraft von Amuletten beigemessen wird. Kleine Kaurimuscheln, Korallen, Glasperlen verschiedener Farbe und Grösse, die sogenannten Paternostererbsen (Samen von Abrus precatorius, die in den letzten Jahren als Wetterpflanze u ausgeschrieen wurde), die reifen Samenkörner der Pfingstrose (Paeonia officinalis), Kügelchen aus wohlriechendem Holz, in Silber gefasste Zähne etc. werden, auf Fäden angereiht, den Säuglingen um den Hals gegeben. Am häufigsten werden Kindern rothe Korallen um den Hals gehängt, und es besteht der Aber- glaube, dass das Verblassen der Kügelchen Krankwerden be- deutet. Wie seltsam sich in den volksthümlichen Vorstellungen Vergangenheit und Gegenwart zusammenfinden, lehrt P 1 i n i u s, der von den Korallen erzählt : „Die Zweige sollen die Kinder vor Unglück schützen, wenn man sie ihnen anbindet !" 3) Und wenn der Polyhistor des ersten nachchristlichen Jahrhunderts beim Capitel Koralle ausdrücklich bemerkt, dass die Wahrsager und Priester Indiens das Tragen der Korallen zum Abwenden von Gefahren für heilig erklären, so ist damit der Hinweis auf „die Wiege der Menschheit" gegeben; der , Aberglaube von heute hat das Alter der Menschheit.

An die Schnüre mit Zahnperlen hängt man gerne auch ein Stück Veilchenwurzel, eine Klapper oder einen Wolfszahn. In den ethnographischen Museen, die uns mit den Utensilien ferner Naturvölker bekannt machen, begegnet man Amulettschnüren, die

2) Laube, J., Volksthümliche Überlieferungen aus Teplitz und Um- gebung, Prag 1896, p. 51.

8) Plinius, Nat. hist. XXX11, Cup. 11.

denen der europäischen Kinderstuben oft überraschend ähnlich sind i). Die starke und stete Furcht vor dem „Verschreien" der Kinder lässt selbst vernünftige Eltern vom Altmutterglauben nicht ab- kommen. In Fig. 1 habe ich das Prachtexemplar eines an einem Bändchen um den Hals zu trägenden Kinderamulettes aus der Znaimer Gegend abgebildet. Es besteht aus einem Haarbüschel aus dem Barte eines schwarzen Bockes, welches durch eine silberne Hülse zusammengehalten wird. An dieser ist ein Ring angebracht, durch den das farbige Halsbändchen gezogen ist. Ohne Zweifel soll, nach der ursprünglichen Vorstellung, das edle Metall des Gefässes die Wirksamkeit des Amulettes erhöhen. In manchen Gegenden wird man noch heute als bestes Mittel gegen Bleichsucht der Mädchen das Umlegen eines Drahtes aus reinem Dukatengolde um den Hals anpreisen hören. Vielerlei Aberglauben geht mit der Frömmigkeit Hand in Hand. Beispielsweise bekommt das Kind gegen Fraisen in manchen Gegenden Niederösterreichs einen sogenannten „Fraissbrief". Es ist das ein mit einem Gebet be- drucktes Papier, das zusammengefaltet und dem Kinde auf die Brust gelegt wird. Im Wiener Museum für österreichische Volks- kunde wird ein Trudenmesser und eine Trudengabel aas Reitdorf im Salzburgischen verwahrt. Die Messerklinge ist mit einem Zauberspruch, mit magischen Zeichen und Kreuzen versehen. Das merkwürdige Besteck wird Kindern bis zu 9 Monaten in die Wiege unter das Kopfende gelegt, um die Kleinen vor Truden, d. i. bösen Geistern, zu beschützen.

Hieronymus Bock, genannt Tragus, einer der ersten deutschen Botaniker, dessen im Jahre 1546 zu Strassburg erschienenes „New Kreuterbuch" wiederholt aufgelegt wurde, sagt von den als Amulette getragenen Kräutern: „Vil Menschen tragen diese Kreutter bei sich für böse Gespenster und Ungewitter und ist der Natur nach zu reden, nit gar erlogen".

4) Selbst die Mütter, die ihren Zola, Ibsen, Sudermann und G-uy de Maupassänt lesen, haben sich von dem Kinderaberglauben nicht freigemacht. Heute freilich muss die Industrie es etwas klüger anfassen, um Abnehmer zu finden. Ohne Elektrizität geht es nicht. So habe ich in einer vorjährigen Nummer der „Fliegenden" rohseidene Elektricitäts-Zahnhals- bändchen angepriesen gesehen. Sie „haben allen anderen Fabrikaten gegen- über den Vorzug, dass sie aus reiner Naturseide und nicht aus schwarz oder bunt gefärbtem Baumwollsammet angefertigt sind, . wodurch häufig, nach Aassage der Herren Aerzte, bei Transpiration,' infolge des giftigen Farbstoffes, Hautausschlag hervorgerufen wird, weshalb solche eher schädlich als nützlich wirken. Mein gesetzlich geschütztes Fabrikat enthält gefederte Seide und einen Streifen Pflanzenfaserstoff, wodurch Elektricität hervorgerufen wird, ein Process, der sehr einfach und ausserordentlich wirkend ist. Preis 1 Mark. Zu beziehen u. s. w." Das Geschäft mit diesen Zahnhalsbändchen, die sogar eine registrirte Schutzmarke haben, muss jedenfalls gut gegangen sein.

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Dies vorausgeschickt, braucht es nicht Wunder zu nehmen, wenn die Heil- und Zauberkraft der Kräuter bis zur Stunde ein wichtiger Factor bei der Kinderpflege geblieben ist, Wider den

Fig. 1.

Kinderamulett aus der Znaimer Gegend. (Schwarzer Bocksbart in Silber-

i'assung. Natürliche Grösse.)

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schlimmen Zauber des „Berufens", „Beschreiens" oder „Ver- schreiens", ebenso gegen den „bösen Blick" werden mehrere Kräuter augewendet, die geradezu Berufs- oder Beschreikräuter heissen. Mit ihnen und den zu demselben Strauss gehörigen Pflanzen, die das Volk wider Zauber aller Art beim Menschen und beim lieben Vieh verwendet, wollen wir uns im Folgenden be- schäftigen 5). Selbstverständlich haben wir nur eine annähernde Ueber- sicht, nicht monographische Vollständigkeit im Plane 6).

Eines der gemeinsamen Momente, die sich bei Betrachtung der Berufs- und Zauberkräuter ergeben, ist ihr ehrwürdiges Alter. Volksglauben ist Altglauben, und Niemand ist, im Grunde genommen, conservativer, als das Volk, über dessen Wetterwendigkeit sich so Mancher zu beklagen Ursache zu haben glaubte. Was soll man zum Beispiel dazu sagen, dass schon Diosco'ri de s, der Linne des 1. nachchristlichen Jahrhundertes, von dem Kräutlein „Alysson" erzählt, es werde Menschen und Vieh umgehangen, um gegen Zauberei zu dienen ! Andererseits spielt der Kräuterzauber noch in das moderne und modernste Denken hinein. In Berlin gab es Mitte Februar 1898 einen seltsamen Rechtsfall. Angeklagt war die Amalie Heidfeld, weil sie dem Dienstmädchen Mauk durch Zauber- wurzeln und ähnlichen Hokuspokus einen beträchtlichen Geldbetrag entlockt hatte, ohne dass die unglücklich Liebende Stefan, den Uhlanen ihres Herzens, wieder gewonnen hat. Die Heidfeld berief sich auf zahlreiche Atteste von „Damen", die ihre Sympathie- mittel mit Erfolg gebraucht hätten. Es half nichts. Die zauberische Amalie wurde zu drei Monaten Gefängnis verurtheilt.

Mit kühlem Achselzucken wird man über das Mädchen der ..unteren CJasse", das auf den Leim gegangen, nicht hinweg-

b) Cf. Unger, Die Pflanze als Zaubermittel. Sitzb. der matheQi.- riaturwissensch. Classe d. Akad. d. "Wissensch. XXXIII. Bd , Nr. 26. Kerner, A. v. Marilaun, Pflanzenleben. 2. Aufl. 2. BJ. (1898) p. 695 ff.

Kronfeld, Bei Mutter Grün. Capitel: Zauberpflanzen. Höfer und Kronfeld, Die Volksramen der niederösterr. Pflarjzen, Wien 1889. Duftschmid, Obderennsische Hausmittel. Oesterr. botan. Zeitschr. 1852, Nr. 50-52. Ca rus Sterne, Sommerblumen. Prag u. Leipzig 1884. Herbst und "Winterblumen. Prag u. Leipzig 1886. Frank, A v. Frank en au, Vollständiges Kräuterlexikon etc. 6. Aufl., Leipzig 1766, S. 195.

H ö 1 z 1, lieber die Heil- und Zauberpflanzen der Ruthenen. Verhandl. d. zool.-botan. Ges. Wien 1861. pag. 149-160. Neidhart, Fr. X., Die Pflanze in religiöser, abergläubischer und volksthümlicher Beziehung. Berichte d. naturhist. Ver. Augsburg 1867. Chevalier, Der deutsche Mythos in der Pflanzenwelt. Jahresber. des Realgymn. in Smichow. Prag 1876.

Reling u. Bohnhorst, Unsere Pflanzen. 2. Aufl., Gotha 1889.

6) Die Kräuter, die zum „Liebeszauber" im schlechten Sinne dienen, habe ich schon in der ,, Wiener Medicinischen Wochenschrift" 18^9, Nr. 41, 45 und 1890, Nr. 7, 8, '9 besprochen.

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kommen. Glaube und Aberglaube umspannt die ganze Menschheit. Die Alraunwurzel, die die fromme Jungfrau von Orleans als untrügliches Amulett bei sich getragen hat und die eine so bedeutungsvolle culturgeschichtliche Rolle seit dem Alterthume spielte, ist noch immer in Ehren. Ich weiss von dem auch für die culturelle Seite der Pflanzen interessierten, im Sommer dieses Jahres jäh dahingeschiedenen Prof. Dr. Anton v. Kern er, dass eine hochgestellte Wiener Dame nicht ruhte, bis sie sich einen „Alraun" verschaffte. Wie viel der Kräuterzauber des vierblätterigen Klees noch am Ausgange des 19. Jahrhundertes bedeutet, ist Jedermann bekannt.

Der leichteren Uebersicht wegen sind die besonders bespro- chenen Pflanzen ihren botanischen (lateinischen) Namen nach in alphabetischer Folge angeführt. Die nur gelegentlich erwähnten Pflanzen und die deutschen Namen sind aus dem am Schlüsse befindlichen Register ersichtlich.

W i un, im Herbste 1898.

Actaea spicata. Christophskraut. In Schwaben als Zauberpflanze gerühmt und beim Christophlsgebet zur Beschwörung geldbewachender Geister („Christofein") verwendet. Sanct Christoph vertritt hier den Thor, der als Schatzgott angerufen wurde. Letzterer trug Loki über das Wasser, wie der Heilige den Herrn (Chevalier, 1. c). Der Standort der Pflanze in düsteren Schluchten mag zu diesem Aberglauben Anlass gegeben haben. In Niederösterreich heisst die Pflanze wegen der Blüthezeit Johannis- und Sonnenwendkraut; sie gilt auch als "Wundmittel.

Allium sativum. Knoblauch. Gehört zweifellos zu den Berufskräutern. Knoblauch und Zwiebel sind dem Volke mehr als blosse Zuspeisen. Mit Knoblauch bannten die Römer ihre bösen Hausgeister, die Lemuren. Denselben tragen noch neu- griechische Schiffer als Amulett in der Mütze. Knoblauchkloben hängen auch die Slaven ihren kranken Kindern um den Hals, und die galizischen Juden haben diesen Brauch übernommen. Aber auch in Gablonz (Deutschböhmen) und in Ostpreussen gilt Knoblauch für zauberscheuchend. Zum Lobe über das blühende Aussehen eines Kindes fügt man in Königsberg die Bemerkung hinzu: „Knoblauch, Hyacinthenzwiebel, drei Mal weisse Bohnen". Und, weit von diesem Kulturkreise, binden die Esthen den Kin- dern bei der Taufe neben Geld und Brot auch Knoblauch in's Wickelband. (Andree, Ethnographische Parallelen, Stuttgart 1878, p, 42.) Bemerkenswerth ist, dass die Gelehrten auch jenes Moly, mit welchem Odysseus den Zauber der Circe unschädlich machte, für eine in Griechenland vorkommende Lauchart (Allium magicum) halten. Daraufhin könnte man für den Wiener Ausdruck „zwifln",

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d. i. zum Gehorsam zwingen7), gleichfalls mythischen Ursprung annehmen, ohschon die Erklärung aus den hervorkommenden Thränen naheliegt. Bemerkenswert!* ist auch die Redensart des Simplicins Simplicissimus : „Ich wuchs auf wie ein Narr im Zwiehelland". Der Abenteurer gebraucht sie, da es ihm fidel geht"). Die Zwiebel als Thräncnquelle kommt bei Shakespeare mehrfach vor. In „Ende gut, Alles gut" (A. 5, Sc. 3) meint Lafen in grosser Rührung : „Meine Augen riechen Zwiebeln, ich muss weinen", und in „Antonius und Cleopatra" (A. 4, Sc. 2) sagt Enobarbus zu Antonius :

.... Herr, was macht Ihr,

Dass Ihr sie so betrübt? Seht, wie sie weinen;

Ich alter Esel auch roch Zwiebeln.

In demselben Drama (A. 1, Sc. 2) heisst es: „die Thräneu, die diesen Kummer bewässern sollen, stecken in einem Zwiebel", und in „Der Widerspänstigen Zähmung" (Vorsp. Sc. 1) lesen wir:

Und hat der Junge nicht die Weibergabe, Gebot'ner Tliränen Schauer zu ergiessen, So kommt ihm eir.c Zwiebel wohl zu Statten, Die, heimlich in ein Taschentuch gewickelt. Pas Aug' unfehlbar anter Wasser setzt.

In den Krümmungen der fädigen Wurzeln einer Zwiebel, die zu Neumond durch neun Tage eingesetzt wrar, suchen die Sieveringer nächst Wien „Nummern" für das Lotto. Auch thut man in der Wiener Gegend vor dem Gange zur Christmesse in zwölf Zwiebelschalen je ein Häufchen Salz ; man sieht dann nach, wo das Salz trocken geblieben und wo es feucht geworden ist, um die Witterung für. die Monate des neuen Jahre3 voraussagen zu können.

Dem Knoblauch wurden vordem ernstlich Heilkräfte zuge- schiieben (Cf. Frank, 1. c. p. 35). Man nannte ihn als be- sonderes Medicament Bauerntheriak. Frank widmet ihm folgendes Tractätlein : „Ist warm und trocken im vierten Grad, verdünnet, dringet durch, öfnet, zertheilet, dienet wider den Gift, die Colic oder Grimmen, so von ßlehungen entstanden, widerstehet den Wurmen im Leibe, giftigen Schwämmen, so man etwa dergleichen

') In Tirol findet sich, nach Schopfs Idiotikon, die gleiche Redens- art für zu Paarnn treiben oder prügeln. Man vgl. auch die Redensart : „Sigst es, da bliad ma da Gnorl", an Jemanden, dem man die Feige zeigt. Während der zweiten Türkenbelagerung (1683) gab es zu Wien einen schwach- sinnigen Menschen, Thanon, den das Volk spottweise mit „Baron Zwif'l" titulirte. Er wurde während eines Auflaufes erschlagen, als er thörichter Weise in einen Brand schoss.

b) G r i m m e 1 s h a u s e n , Siraplicius Simplicissimus, herausgegeben villi Bobcrtag. Bd. I, p. 141.

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gegessen hat, wenn einem ohngefehr eine Eidexe in den Mund gekrochen u. dgl. Die Pest zu verhüten, kann auch der Knoblauch mit Essig vermengt, gebraucht werden. In der Bresslauischen Contagion pflegten die Tod tengi aber täglich was vom Knoblauch zu käuen, und sich wohl darauf zu befinden, wie solches Purmann in seinem Pestbarbier mit vielen Umständen erzehlet. Yon denen Juden wird er täglich genommen, und ein Schluck Brandewein darauf getrunken. Der Saft vom Knoblauch ist auch ein Remedium, die "Würmer zu tödten, dergleichen Exempel Aug. Pfeifer von einem seltsamen Herzenswurm anführet. "Wenn der Saft äusserlich in den Nabel gestrichen wird, curiret er die Krätze, Verstopfung des Urins, den Schlag, und M . . . . beschwerungen ; Andere vermengen ihn mit Schweineschmalz, streichen ihn auf die Fusssohlen und stillen den Husten damit. Wenn man den Knoblauch bey vollen Monden pflanzet und um diese Zeit wieder ausgrabet, soll er süsse schmecken. In denen Apotheken ist das Electuarium de Allio zu finden." Es mag hier bemerkt werden, dass man in Japan Schnupfen und Husten durch Aufhängen von Knoblauch im Hause verscheucht.

Für salonfähig gelten die Laucharten, zumal der Knoblauch, schon lange nicht. In Shakespeare's „Coriolan" (A. IV, Sc. 6) wird verächtlich von „der Knoblauchfresser Athem" gesprochen, und Zettel mahnt im „Sommernachtstraum" (A. IV, Sc. 2) : „Wertheste Actörs, esst keinen Knoblauch, keine Zwiebeln : denn wir sollen süssen Athem von uns geben, und ich zweifle nicht, wir hören sie sagen : es ist eine süsse Komödie" 9). Doch kommt der Lauch (leek) gerade auch bei Shakespeare zu hohen Ehren, was wohl auf die alte Vorstellung zurückgeht, dass die Laucharten erhitzen und muthig machen. Wenn der Spottvers von der Zwiebel als „des Juden Speise" spricht, so denken die Spötter kaum daran, dass in der Edda der Lauch als die erste und vornehmste Pflanze bezeichnet wird. In dem germanischen Schöpfungsgedicht Völuspa heisst es :

Sonne von Süden schien auf die Felsen Und dem Grund entgrünte grüner Lauch.

ö) Man vergl. auch Shakespeare's „Maass für Maass" (A. III, Sc. 2), Lucio vom Herzog : „Er ist jetzt über die Zeit hinaus, und doch sag' ich dir, er würde eine Bettlerin schnäbeln, und wenn sie nach Schwarzbrot und Knoblauch röche", und „Heinrich IV." (T. Th., A. III, Sc. 1) :

. . . Ich lebte Bei Käs' und Knoblauch lieber in der Mühle, Als in dem schönsten Schloss der Christenheit Beim feinsten Festschmaus sein Geschwätz zu hören.

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Und Gudrun klagt:

So war mein Sigord bei Ginkis Söhnen

Wie hoch aus Halmeji edler Lauch sich hebt.

Es kann daher nicht Wunder nehmen, dass die "Walliser, nachdem sie unter König Cadvallo am 1. März 640 über die Sachsen einen grossen Sieg errungen hatten, Lauchsträusschen als Siegeszeichen auf den Hut steckten. Am Davidstage (1. März) trägt noch heute jeder Walliser sein Lauchsträusschen, und man verkauft an diesem Tage künstliche Lauchsträusschen in den Londoner Strassen. In Shakespeare's „Heinrich V." begegnen wir nun dem Lauch als bedeutungsvollem Feldzeichen des Kriegers. Da Pistol Fluellen grollt, sagt er mit Bezug auf den wällischen Kämpen (A. IV, Sc. 1):

So sag ihm doch, ich würde seinen Lauch Ihm um den Kopf am Davidstage schlagen.

In Scene 7 apostrophirt Fluellen den König Heinrich und erinnert ihn an die Herkunft des seltsamen Helmschmuckes : „Wenn Euer Majestät desselbigen erinnerlich sein, die Wälschen thaten fürtrefflichen Dienst in einem Garten, allwo Lauch wachsen that, und steckten Lauch an ihre Monmouther Mützen, welcher . . pis auf diese Stunde ein ehrenvolles Feldzeichen (an honourahle padge of the Service) ist, und ich denke, Eure Majestät halten es nicht unter Eurer Würdigkeit, Lauch zu tragen am Sanct Davids-Tag." A. V, Sc. 1 rächt sich Fluellen an Pistol. Er trägt Lauch an der Mütze, trotzdem Davidstag vorüber ist, und zwingt Pistol, der das Symbol verspottet hat, den Lauch zu essen. Bedenkt man zu alledem, welche Rolle der Knoblauch noch gegenwärtig in Griechenland, Serbien, Italien und Spanien als Volksnahrungsmittel spielt, so ergibt sich aus unserem kleinen Excurse nicht nur eine gewisse Begründung des Ansehens, welches Allium sativum im Volksglauben geniesst, sondern auch die Lehre, dass kein Volk dem anderen seinen Lauch vorzuwerfen hat.

Allium Victoriaiis. Sieglauch, Allermannsharnisch . Die Zwiebel des Sieglauchs war im Mittelalter als Amulett für Kriegsleute im hohen Ansehen, weil sie von Fasern ketten- hemdartig umstrickt ist. Der Siegwurz wurde wohl auch die Gestalt eines Alrauns (cf. Mandragora) gegeben und dieselbe dann um theures Geld verkauft. Zwei solcher unechter Alraune aus der Sammlung Rudolfs II. befanden sich noch vor wenigen Jahren in der Hofbibliothek zu Wien. C 1 u s i u s erwähnt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, dass Allium Victoriaiis

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in unseren Alpen „Lanlauch" genannt und zur Vertreibung der düsteren Bergnebel verwendet wurde. Noch gegenwärtig hört man am Oetscher die Bezeichnung „Lanawurzen". Frank nennt die Siegwurz auch Allermannsharnisch, Oberharnisch, Neunhämmerlein, Siebenhämmerlein, und sagt von ihr recht aufgeweckt: „Sie pfleget angehangen zu werden, und soll Gespenster, Poltergeister und Bergmänner vertreiben, auch die Wanden zusammenheilen, doch hat ein jeder von dergleichen Alfanzereyen Macht zu glauben, was er will." Auf die dem Sieglauch einst zugemutheten Wander- kräfte beziehen sich mancherlei Märchen. Auf dem Harze wollte einst ein böser Geist ein Mädchen entführen. Dieses aber hielt ihm Allermannsharnisch entgegen, worauf der Böse davonfuhr und wüthend schrie :

Allermannsharnisch, du böses Kraut, Hast mir genommen meine junge Braut.

Die Romantik von einst hat der Oekonomie von heute Platz gemacht. Wenn die Bauern noch jetzt beim Apotheker oder Drogisten Allermannsharnisch verlangen, so brauchen sie ihn für den Viehstall. Die Heldenwurz, einst so berühmt wie

Die Salbe aus Hexenkraut

Unter Zaubersprüchen gekocht und gebraiit

hat ihre Zauberrolle ausgespielt,

A 1 n u s. Erle. Die Innenrinde, in Wein gekocht, als Heil- mittel gegen Zaubertränke. Die Erle, deren Stümpfe zu den Schauern des Moores gehören, ist der Baum, aus dem nach alt- germanischem Mythos das Weib erschaffen wurde. In den Erlen- zweigen wohnt der gespensterhafte Eibenkönig, von Goethe (nach Herder's Vorgang) „Erlkönig" genannt. Ein alter Spruch besagt :

Erlenholz und rothes Haar Sind auf guiem Grunde rar.

In Niederbayern bei Niederaltaich stand das Bild des heiligen Hirmon auf einem Erlenstumpfe im Walde und kehrte wiederholt dahin zurück, als man versuchte, das Bild in einer Kirche unter- zubringen. Im Jahre 1340 baute man dort eine Wallfahrtskapelle10). Die gänzliche Entsagung von der Verwandtschaft geschah in althochdeutscher Zeit durch Zerbrechen einiger Stücke Erlenholz vor Gericht und auf dem Kopfe. Ein Kreuz aus Erlenholz, das das Wasser aus der Luft begierig anziehen soll, wurde von den mittelalterlichen Quellensuchern benützt.

10) Dr. M. Höfler; Wald- und Baumkult, München 1892, p. 145.

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Antirrhinum maius und Orontium. Löwenmaul. Mit merkwürdiger rachenförmiger Blume. „Dorant" volksthümlich und zauberberühmt. Cf. Origanum vulgare. Schon zeitig hat die Blumenform die Aufmerksamkeit der Mensehen erregt. Theophrast, Dioscorides und Plinius erzählen, dass das Kraut den Träger schön mache und von ihm alles Böse abwende. Im Profil sieht die Blume wie ein verzerrtes Gesicht aus, daher wohl ihr Ruf als starkes Berufskraut. Der alte Matthioli erzählt die rührsame Geschichte eines Kettenhundes, der verzaubert war und erst zu bellen beganu, als man Löwenmaul in seine Hütte legte. Unter dem Namen Dorant spielte die Pflanze im Mittelalter eine grosse Bolle. Mit Dosten (Origanum vulgare), dem zuliebe es alliterirend Dorant getauft wurde, war es das wirksamste Mittel wider Teufelskünste. In einem vogtländisohen Brauermärchen sagt ein Zwerg :

Hättest du Dicht Dorant und Dosten, Wollt ich das Bier dir helfen kosten.

oder nach einer anderen Version :

Hättest net Dorant und Dosten, Solltest's Bierle nicht kosten.

Die Frau, die in den Keller gekommen war, um Bier zu holen, griff, als ihr ein Geist erschien, nach einem in der Nähe liegenden Strauss von Dosten und Dorant und ward so gerettet. Und ein Spuk raunt einer Frau zu :

Heb' auf dein Gewand,

Dass du nicht fallest in Dosten und Dorant.

Allein die Kluge merkte die Absicht, trat auf Dosten und Doiant eigens zu und scheuchte so den Zauber. Trotz dieser Tugenden ist Dorant doch auch eine Irrwurz ; denn es heisst :

Stoss nur nicht an den Dorant,

Sonst kommen wir nimmer in's Vaterland !

Die eigentliche Irrwurz, an die noch heute Jäger glauben, gehört aber zu den Farnkräutern, (cf. Athyrium Filix femina.)

Artemisia Abrotanum. Eberraute. Zaubermittel für Kinder. Diente nach Bock und Tabernaemontanus, unter das Kopf- kissen gelegt, wider böse Anfechtungen, Gespenster, Zauberei und Nestelknüpten. Hiess auch Mugwurz (vom Keltischen, = wärmen) wegen der anregenden Würze, und galt als wirksames Mittel gegen Lungenschwindsucht. Daher der Vers, den eine Meerfee

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sprach, als in Glasgow die Leiche eines jungen, an Tuberculose gestorbenen Mädchens zu Grabe getragen wurde :

Wenn sie Nesselsaft tränken im März Und Mugwurz ässen im Mai, So gierige noch manch' fröhliche Maid Munter am Ufer des Clay.

Dafür genas ein anderes Mädchen, nachdem man der Weisung der Meerfrau gefolgt war :

Ihr lasst sterben das Mädchen in eurer Hand, Und doch blüht die Mugwurz rings im Land.

Interessant ist der österreichische Volksname „Herrgotts- hölz'l" für die vielgepriesene Pflanze, die mit Artemisia Ab- sinthium, Inula Helenium, Eupatorium catinabinum, Valeriana officinalis und Tanacetum vulgare zu den am Mariä-Hiramelfahrts- tage (15. August) gesammelten, in den Rauch- oder Rauhnächten (Thomastag, "Weihnachtstag, Neujahr und drei Königstag) im Vieh- stall gegen Druden und Hexen angezündeten Rauchkräutern

gehörten (Kerne r).

*

Artemisia vulgaris. Beifuss. Wer Beifuss im Hause hat, dem kann der Teufel nichts anhaben. Am Johannistage sind unter der Wurzel Kohlen zu finden, die zu Gold werden, so Einer Glück hat. Aus Beifuss wird der Johannisgürtel ge- flochten, den Leidende in's Johannisfeuer werfen, um ihre Gebreste zu verlieren. In Galizien und Mähren am 24. Juni geweiht und dann als Johannisgürtel um den Leib getragen, damit Kreuzweh, Verhexung u. s. w. gebannt bleiben. Schützt vor dem Müde- werden ; das weiss schon Plinius11): „Artemisiam adligatam qui habet viator, negatur lassitudinem sentire." Schon die deutschen Väter der Botanik wetterten gegen den Aberglauben, der mit Beifuss getrieben wurde. Beispielsweise Brunfels: „Also haben die alten Heyden gegauckelt, so haben wir wie die Affen nach- gefolgt, und ist uff den heutigen tag solcher und dergleichen superstitionen weder mass noch end." Konrad von Megenberg wendet sich besonders gegen die Meinung, dass Beifuss nicht ermüden lasse : „ez sprechent die maister, wer peipoz an diu pain pind, ez benem den wegraisern ir müed. daz versouch, wan ich gelaub sein niht, ez war dann bezaubert." Was die unter der Wurzel gesuchten „Narrenkohlen" oder „Thorellensteine" anlangt, so sind sie nichts anderes als abgefaulte, theilweise schon humisirte Wurzelstücke. Daher die Sagen vom Golde der Schatzgräber, das sich Morgens in schwarze Kohlen verwandelte.

u) 1. c. XXVI. 98. Nr. 119/98. 2

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K. Reiterer theilt in der Grazer „Tagespost" vom 13. Mai 1897 aus einem alten Buche mit: „Nimm den Stengel vom Beifuss, wenn dieser blübt, und schneide den Zweig mög- lichst nahe am Boden ab. Am dritten Tage hefte ihn mit einem Stückchen Stahldraht an den First des Hauses, so dass die Spitzen der Pflanze nach abwärts stehen ; kein Blitzstrahl wird jemals auf dieses niederfahren, keine Seuche ins Haus einkehren".

Athyrium Filix femina. Waldfarn, und andere Farnkiäuter. Das feingegliederte, „im VValdgedränge" hervor- kommende Laub, das braune Pulver an der Wedelunterseite, der eigenartige Wurzelstock, vor Allem aber das Fehlen jeglicher Blüte musste das Farnkraut frühzeitig schon als ein ganz besonderes, ein zauberhaftes erscheinen lassen. Sprechen wir vorerst von den häufigsten Arten, den beiden Schildfarnen, die, als Reminiscenz an die alte Anschauung, noch heutigen Tages als „männlich" und „weiblich" unterschieden werden (Polystichum Filix mas, Athyrium Filix femina), so geht von ihnen die Sage, dass sie nur um Mitternacht blühen, komme man hinzu, so verschwinde die Blüte. In zahlreichen deutschen Sagen wird die Johannisnacht (24. Juni) allein genannt, in der das Farnkraut blühe und Samen erzeuge, seltener die Christnacht. Das Holen des unbezahlbaren Samens ist aber ein gefährliches Be- ginnen ; wer Farnsamen haben will, müsse auf einem Kreuzwege die Mitternacht erwarten, sich nicht rühren (ansonst ihn der Teufel zerreisst), und dann komme der finstere Jäger und gebe ihm eine Düte voll. Wer Furnsamen besitzt, ist- stark iu der Arbeit, glücklich in allen seinen Unternehmungen, ja selbst unsichtbar, so Finer darnach Verlangen trag) ! In Shakespeares „Heinrich IV.", I. Th., A. 2, Sc. 1 sagt Gadshill: „Wir besitzen das Recept zum Farn?amen, womit man unsichtbar umherstreift. " Nach galizischem Glauben öffnet die „Blüte" des Farnkrautes jedes Schloss und hilft Schätze entdecken (Oesterreich-Ungarn in Wort und Bild, Band Galizien, p. 303). Farnsamen, über Schusswunden gestreut, macht „des geschozes ane, daz geschoz vert uzu (fährt heraus!). Man nannte den Samen als Pendant zur Wünschelruthe (cf. Corylus) auch „Wünschelsamen". Die Verwandtschaft mit dem Bösen verräth das Farnlaub durch seine Wirkuug. Bringt man es in ein Haus, so entsteht Gezanke, daher es auch Greinkraut genannt wird. Anderseits hilft es gegen Zauber und Hexerei. Von dem grossen Adlerfarn werden die Blätter als Streu in die Ställe gelegt.

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Fuhrleute im Gebirge haben beim Herabfahren auf steilem Wege Farnbüschel vorne aufgebunden. Schildfarn (noch mehr aber die Mauerraute, Asplenium Ruta muraria) gilt in den Alpen als „Stoanneidkraut", es ist Bestandtheil der täglich dem Vieh gereichten „Maulgabe", die gegen das „Verneiden" schützt. Aus dem Kopfe des Wurzelstockes, der mit «vurmförmigen gekrümmten WedelkLospen versehen ist, wurden ehedem die Johannis- oder Glückshändchen geschnitzt. Die Mondraute (Botrychium Lunaria), die als im Zeichpn das Mondes erwachsenes Farnkraut von den Alchemisten geschätzt wurde, wird in Oberösterreich als milch- befördemdes Mittel angesehen und mit eigenem Spruche gepflückt. Jobanniswurzel heisst noch heute der Tüpfelfarn (Polypodium vulgare), nebstdem wegen der Süsse des Wurzelstockes Engelsüss. Die Apotheken führen den gepulverten Wurzelstock des Schildfarns als gutes Wurmittel. Auch hier mag der erste Hinweis durch das Volk geschehen sein, welches sym- pathetisch die Würmer mit dem wurmartige sprossetreibenden Rhizorn zu vertreiben versuchte. Uebrigens gilt das Farnkraut in Thüringen auch als Irrwurz; wer unversehens darüber schreitet, vergeht sich im Walde. Der Name Irrwurz, den H ö f e r aus Niedei Österreich anführt, gilt vielleicht ebenfalls für diese Pflanze. Bei den Wenden im Spreewald geht folgende Sage: Einem jungen Hirten fiel beim Weiden der Gänse Farnsamen in die Schuhe. Nun verstand er, Wort für Wort, was das Federvieh schnatterte. Er wollte es auch seinem Herrn zeigen und da er Prahlhans war, zog er neue Schuhe an. Da war aber der Zauber weg und er stand blöde da, wie er früher war. Vielerlei sind die Kräfte des Athyrium filix mas, die Frank zu rühmen weiss: „Dieses Kraut ist ein trefflich Medicament in lange anhaltenden Krankheiten, treibet den Urin, curiert Entzündung der Nieren, den Stein, Wurme, Scorbut und die Englische Krankheit. Die Wurzel ist warm im ersten und andern, und trocken im dritten Grad, dienet der Milz, hält gelinde an, eröffnet und wird dieser wegen in Verstopfung derer Eingeweide, der Milz, M . . . , in Seiten- oder Milzwehe und wider die breiten und laugen Wurme im Leibe (Bandwurm) gerühmt."

Alles in Allem waren Farnkräuter der abendländischen Vorstellung besonders kräftige und wirksame Zauberpflanzen, Dass es schon früh an aufgeklärten Geistern nicht gefehlt hat, die dem Aberglauben entgegentraten, mag an dem einen Beispiel des anonymen Autors einer im Jahre 1703 erschienenen Schrift, die uns auch bei Mandragora beschäftigen soll, erwiesen sein. Dieser gute Mann erzählt von einem Officier, der sich im Jahre 1702 veranlasst sah, Farnsamen zu erwerben: „DerSaa.ne

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war ihm mn sehr lieb, und also zweifelte er nicht, dass er damit Universalglück haben würde, trug derohalb solche Blätter lleissig bei sieb, liess sie in die Hose einnähen, nahm allerband Proben damit vor. Allein er hat damit kein Glück bei Frauenzimmern, kein Glückim Spielen gehabt, in summa gar nichts daran mehr befunde n."

Atropa Belladonna. Tollkirsche. Das gefährliche Giftkraut, dessen Saft die italienischen Frauen zum Ver- größern der Augenpupillen oder als Schminke und Haarfärbe- mittel verwendeten 12), wird in Galizien zu Liebestränken, die gewiss nicht gleichgiltig sind, verwendet. In Salzburg ereignete es sich im Jahre 1802, dass ein Händler aus Triest angebliche Klettenwurzeln erhielt, die in Wirklichkeit Tollkirschenwurzeln waren 13). Eine Frau, welche einen Absud davon trank, starb kurz darauf. Infolge dessen verordnete die kurfürstliche Landes- regierung, dass Alle, welche von diesem Händler Klettenwurzeln gekauft haben, dieselben an die Ortsobrigkeit einliefern müssten.

Die Tollkirsche oder die naheverwandte Scopolina atropoides dürfte mit jenem Kraute M a ü 1 d a (von : Mandragora?!) identisch sein, die bei den Litauern noch um das Jahr 1680 eine unheim- liche Rolle spielte : „Sie haben auch ein Kraut, das nennen sie Maulda, wenn sie einen was schuldig, sehen sie, wie sie ihm solches im Trincken beybringen, der das Kraut in's Leib bekommt, muss sterben, dagegen hilfft die gantze Apothecke nicht." (So Pfarrer Prätorius im „Erleuterten Preussen", 1724, abgedruckt bei F. und H. T e t z n e r, Litauische Volksgesänge, Reclam's Universalbibliothek, Nr. 3694, p. 11.)

Betiila alba. Birke. Zauberkräftig. In Niederbayern werden nach K ob eil'1) die Kühe im Frühjahre zu gutem Gedeihen mit Birkenzweigen ausgetrieben. Die Raupen lassen sich vertreiben, wenn man Birkenruthen in den Kohlgarten bringt und dabei ruft:

Raupen packt euch, Der Mond geht weg, Die Sonne kommt.

12) Daher der Name „Belladonna".

,r)) Botan. Zeitg. 1804, p. 60.

u) K o 1) e 1 1, Ueher Pflanzensagen und Pflanzensymbolik, München 1875.

u I

In Birkenhainen fanden sich die germanischen Gaue zusammen. Die aus dem Birkenreis gemachten Hexenbesen wurden gegen Furunculosis geopfert lö). Diente einst zu den Lictorenbündeln („Betula terri- bilis magistratuum virgis", Plinius XVI, 75). Die Birke gibt die Ruthen zum Schlagen der Kinder. Sie erzieht so Generationen. Daher das Lied aus dem 16. Jahrhundert :

Grüss dich, du edles Reise, Dein Frucht ist Goldes wert, Der jungen Kinder Weise, Du machst sie fromm und ge'ehrt, Beugst ihren stolzen wilden Mut. Nicht hesser Holz wird gefunden.

Doch sagt der Herzog in Shakespeare's „Mass für Mass" :

.... zärtliche Väter hinden Zusammen wohl die drohenden Birkenreiser Und stecken sie den Kindern hinter'n Spiegel Zum Schreck, nicht zum Gehrauch : bald wird die Buthe Verhöhnt, nicht mehr gescheut. (A.. 1, Sc. 4.)

Ein anderer Engländer sagt beim Anbohren der Birke, die ihm den Zuckersaft hergeben muss :

Oh birch! thou cruel bloody tree J'eli be at last reveng'd of thee; Oft hast thou drunk the blood of mine; Now par an equal draught of thine.

Birken, mit ihren zitternden Blättern und den duftigen silberschimmernden Stämmen sind im Mondlicht ein entzückender Schmuck der Heimat. Diese Stimmung hat Keiner so schön er- fasst, wie L e n a u in seinem „Postillon" :

Ich sah in bleicher Silbertracht Der Birken Stämme prangen, Als wäre d'ran aus heller Nacht, Das Mondlicht blieben hangen.

Ein culturhistorisch hochinteressantes Document über die Birke als Strafmittel wurde im vorigen Jahre vom russischen „Kijewljanin" veröffentlicht. Es ist eine Resolution der Kiew- schen Gouvernements- Verwaltung vom 8. April 1849 und sie be- trifft folgenden tragikomischen Fall. Die Gouvernements-Verwal- tungen von Taurien und von Chersson hatten sich jene am 5., diese am 25. Februar 1849 an die Kiew'sche Gouverne- ments-Verwaltung mit Gesuchen gewendet, in welchen erklärt wird, dass weder in dem einen, noch im anderen Gouvernement Birken wachsen, so dass es unmöglich sei, Ruthen zur Bestrafung

l5j fler, 1. c. p. 135,

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von Verbrechern zu beschaffen. Infolge dessen wird die Kiew'sche Verwaltung um folgende Auskunft gebeten : ob es möglich sei, im Kiew'schen Gouvernement alljährlich 26.000 (!!!) Bünlel Ruthen anzufertigen, und zwar 6000 für das Gouv. Taurien und 20.000 für das Gouv. Chersson, und ferner: was die Zustellung dieser Bündel nach Ssimferopol, resp. Chersson kosten würde. In- folge dieses Gesuches schrieb die Kiew'sche Gouvernements- Verwaltung allen Polizeibehörden im genannten Gouvernement vor, unter der Hand die nothwendigen Daten zu sammeln und auch den Modus der Anfertigung und Zustellung der Ruthen- bündel auszuarbeiten. Ob die Kiew'sche Gouvernements- Verwaltung den Auftrag der beiden anderen Verwaltungen wirklich aus- geführt bat, darüber liegt k^ine historische Urkunde vor.

Birkenbüschel sind ein wichtiges "Werkzeug für das '„russi- sche" Schwitzbad. Pfarrer Prätorius (bei T e t z n e r 1. c.) erzählt von den Litauern: „Bekommen sie etwa Ungeziefer in die Kleider, so lauften sie in die Badstnbo, und brennen sie mit Hitz heraus. Denn sie haben Badstuben, darin ist anstatt des Ofens von Feldsteinen ein Ofen zusammeugefliehen, den machen sie recht glüend, giesscn "Wasser darauff, dass von dem Fraden oder Dünsten die Badstube so heiss wird, dass einer, der es nicht gewohnt, darin sterben möchte. Wenn sie nun in die heisse Bad- stube kommen, hat ein jeder einen Quast von Birken mit dem Laube, den legen sie auff den Steinhauffen, machen ihn heiss und peitschen sich damit, dann lauffen sie ins kalte Wasser, das ist ihr Bad." Sehr häufig kommt die Birke im litauischen Volks- liede vor. Begnügen wir uns mit einigen Beispielen aus der Tetzner 'sehen Sammlung :

Fröhlich in der vielgeliebten Heimat, Eine rote Preiselbeere, sprosst ich, In der Fremde liebelcerem Lufthauch, Weh, zu welkem Birkenlaube ward ich.

Ich gieng dereinst zum Birkenwald. Kamen drei junge Bursche tr.ld Zogen die Hütchen zierlich und fein : „Guten Morgen Jungfräulein."

u. s. w.

Kam auch die Mutter,

Kam herangegangen,

Brachte dem Manne

Ein Birkenstöckchen.

„Schilt nur, lehr nur,

Du liebes SöhnleiD,

Thu nach deinem Behagen,"

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Botrychium Lunaria. Mondraute. Einst zauber- berühmt. War für die Alchimisten eine Gold- und Silberquelle. „Ankerkraut" und „Beseichkraut" in Oberösterreich. Gibt gute Milch, weswegen es mit dem Spruche :

Grüss dich Gott, Ankerkraut,

Ich brock' dich ab und trag' dich z'Haus,

Wirf bei mein Kühl fingerdick auf !

abgepflückt wird. Dagegen glauben die Salzburger Aelpler, dass Kühe, welche von Botrychium fressen, weniger Milch geben, an der Milch abnehmen, „sich beseichen". In den niederösterreichischen Voralpen heisst die Pflanze Petersschlüssel, der alte Bock ver- zeichnet: St. Walpurgiskraut.

Bryonia dioica und alba. Zaunrübe. Die an Hecken und Zäunen kletternde Giftpflanze hat mächtige Pübenwurzeln, die im Yolksmunde als Körfcheswurz bekannt und wegen ihrer vermeintlichen Zauberkräfte gerühmt waren. Stücke der Wurzel legen die Dorfmädchen in manchen Gegenden noch jetzt, bevor sie zum Tanz gehen, in die Schuhe und sprechen dazu die Formel :

Körfcheswurzel in meinem Schuh',

Ihr Junggesellen, lauft mir zu!

Bei den galizischen Ruthenen : „Perestup." Gilt als Zauber- pflanze, die der Bauer nicht zu berühren wagt, auch wenn sie ihm die Culturen erdrückt. Als der echte Alraun (cf. Mandragora off icinalis) der Mittelmeerländer noch im Schwange war und dessen die Gestalt eines kleinen Männchens bald durch natürlichen Zufall, bald nach Hilfe mit einem Schnitzmesser nachahmenden Wurzeln mit Gold aufgewogen wurden, fälschte man die gleich Heiligthümern gehüteten Alraunlein (auch Heck- und Geldmännchen genannt) mit Figürch en, die man aus den Wurzeln der heimischen Zaun- rübe fertigte.

Caltha palustris. Sumpfdotterblume. Am St. Georgs- tage werden von den galizischen Ruthenen den Kühen Kränze von Caltha um die Hörner gewunden und dann, zerhackt, unter das Futter gemischt. Die Hexen können dann den Thieren im näch- sten Jahre die Milch nicht nehmen.

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Carapanula rotundifolia. Rundblättrige Glocken- blume. „Vaschreikräutl" im niederösterreichischen Viertel unter dem Manbartsberg. Die merkwürdig gestalteten Samenkapseln haben wohl auf die Pflanze die Aufmerksamkeit gelenkt.

Corylus avellana. Haselnusstraucb. Der breitlaubige, für stille Liebe wie geschaffene Strauch, unter dem Alfred Tennyson's herrlicher „Enoch Arden" beginnt:

Dahinter ragt die Düne hoch gen Himmel Mit Hünengräbern : Haselnussgesträuch, Im Herbst durchwogt von Nüssesuchern, grünt In einer Kesselschlucht der grauen Düne . . .

war nach Höfler früher das Zeichen der Mahl- und Gerichts- stätte. Bei einer Hasel stiess Adelgar , der Bayernherzog, seinen Lanzenschaft in die Erde und sagte :

Das lant hän ich gcwunnen

die Beieren ze Gren.

die marke diene in immer mere.

Mit der Haselgerte soll man alles Gewürm tödten. Die am Beichten- oder Johannestage geschnittene Wünschelruthe ist die Haselgerte. Man sagt beim Schneiden im Lechrain :

Ich schneide dich, liehe Rute,

Dass du mir sollst sagen,

Was ich dich will fragen,

Und dich so lang nit rühren,

Bis du die Wahrheit thust spüren.

Felix von T h ü m e n war noch in seiner Kindheit Zeuge eines "Wunschelruthenganges lG): „Es war in einem sächsischen Dorfe, nicht gar zu weit von Dresden entfernt, ein Weingartenhüter das zauber- verständige Medium, der gesuchte Gegenstand jedoch in diesem Falle kein Schatz, sondern der kostbare schwarze Diamant, die Steinkohle. Mit tief gesenktem Kopfe, weit nach vorn gebeugtein Oberkörper, so ging der Mann mit langsam abgemessenem Schritte die Felder auf und ab, in ehrerbietigscheuer Entfernung gefolgt von der andächtig-gläubigen Menge der Dörfler. In der linken Hand (in dieser, als dem Herzen näher liegend, ruht die Zauber-

,0) Schriften des Vereines zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse. Wien 1881, S. 334.

kraft) hielt er eine ziemlich lauge, schwankende Haselgerte wage- recht vor sich hin. Die Ruthe schnellte natürlich, durch das Gehen des Mannes veranlasst, unaufhörlich auf und ab, doch plötz- lich senkte sie sich auffallend gegen den Boden, der Träger blieb stehen und hob sie, scheinbar mit gewaltigster Kraftanstrengung, wieder empor umsonst, es gelang ihm nicht völlig, immer und immer wieder neigte sich die ßuthe; endlich schien das Medium diesen Kampf aufzugeben, schweigend machte es ein Zeichen gegen die abergläubische herandrängende Menge und sofort war ein bereitgehaltener Pfahl an der von der Wunschelruthe bezeichneten Stelle in den Boden getrieben. Hier war ein reiches Kohlenlager verborgen und der Besitzer des Grundstückes schier ausser sich vor Freude ; einen Zweifel auszusprechen, hätte Niemand wagen dürfen, das Niederschlagen der Wunschelruthe war ja das unfehl- barste Zeichen, unbedingter Glauben ward ihm entgegengebracht, wenn auch erprobte Bergleute und Markscheider das Gegentheil behaupteten."

Die Hasel war früher zauberberühmt. Noch lebt sie als „Frau Hasel" im deutschen Volksliede. Man konnte der "Wunschel- ruthe, die gewöhnlich gabelförmig war, durch einen Spruch die Kraft verleihen, Abwesende zu prügeln. Mit dieser „Schlagfertig- keit" mag auch das niederösterreichische Scherzwort „Haselnuss- salbe" für Prügel zusammenhängen, zu welchem noch bemerkens- wert, dass „salb'n" (salben) für prügeln oder schlagen in Wien und Niederösterreich häufig vorkommt. Mit der freundlichen Hasel führt das Volk Zwiesprache :

Guten Tag, guten Tag, liebe Hasel mein, Warum bist dti so grüne ? Hab' Dank, bab' Dank, wack'res Mägdelein, Warum bist du so schöne ?

Kinder soll man mit der Zauberruthe nicht schlagen, so kräftig auch der „Haslinger" wirken mag ; sie werden sonst bucklig. Bemerkenswerth ist die Rolle, die der Hasel bei ver- schiedenen Nationen im Liebesleben zukommt. In der Christmessj gehen Mädchen und Bursche in Niederösterreich zum Gartenzaun, fassen einen haseinen Pfahl und sagen :

Gartenzaun, ich schütt'r dich, Feines Lieb', ich witt'r dich,

worauf die Gestalt der oder des Zukünftigen erscheint. Im bayrischen Volksliede lässt sich der Klausner beim Abschied vernehmen :

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B'faüat dich Gott ! Sehatzerl ; ] nniss a Klausner wer'n ; Hast a letzt Schmatzeil, Haselnusskern ;

"Wer weiss, wir d' Nuss aufbeisst,

Wer weiss, wer

Alle Leute essen gern Schöne ITaselnusskern.

In „Der Widerspenstigen Zähmung" (A. 2, Sc. 1) sagt Petruchio zu Katharina :

Wie fabelt auch die Welt, mein Käthchen hinke? Die böse Welt ! Nein, wie ein Haselzweig Ist Käthe schlank und g'rade, und auch so braun Wie Haselnuss und süsser als ihr Kern.

Und in „Koineo und Julie" (A. 1, Sc. 4) wird von Frau Mab, der gütigen Fee, erzählt :

Die Kutsch' ist eine hohle Haselnuss Vom Tischler Eichhorn oder Meister Wurm Verfertigt, die seit grauer Zeit die Wagner Der Feen sind ....

Ferner heisst es in einem slavischen (mährischen) Volks- liede („Oesterr.-Ungarn in Wort und Büd", Land Mähren, p. 217) :

Hoch dort oben im Gebirg, Wandert' ich alleine, Da fand eine Haselnuss Ich im grünen Haine.

Und die Nuss barg süssen Kern, Ja, vergebens warb ich treu

Voll und unverdorben, Um ein Lieboszeichen,

Ach, vergebens hab' ich treu Nimmer willst den Blumenstiauss

Um mein Lieb geworben. Mir, du Stolze, reichen.

Ei, und hab' ich dir's 'versagt, Noch kann ich's gewähren, Sollst nicht, was dein Herz begehrt, Ewiglich entbehren.

Auch die Medicin von früher hatte allen Respect vor dem Haselstrauch. Frank weiss von ihm viel Heilsames zu berichten. Er preist namentlich die Salbe aus der auf Corylus erwachsenen Mistel, die wider Hexerei und Bezauberung diene.

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Drosera longifolia und rotundifolia, Sonnen- thau. Die Drüsenhaare der auf Mooren wachsenden kleinen In- scctenfresser scheiden in Tropfenform einen klebrigen Saft aus, in dem die Alchemisten den Stoff zur Bereitung der Goldtinctur und des Lebenselixiers gefunden zu haben glaubten. Besonders trug der Chemiker A 1 e a r d u s von Villanova, der gegen Ende des 16. Jahrhunderts als Professor in Barcelona lebte, später aber von der Inquisition wegen seines Bundes mit dem Bösen vertrieben wurde, zum Rufe des Sonnenthau bei. Er floh nach Italien und destillierte hier aus der Drosera sein berühmtes Goldw asser, da^? wider alle Krankbeiten dienlich sein sollte. Als wohlschmecken- der Liqueur wurde bald unter dem Namen „Rosoglio" (ros solis == Sonnenthau) bekannt und ist noch heute in Italien populär. Frank sagt von dem einst gegen Schwindsucht sehr gerühmten Kräutlein: „Man macht verschiedene Amuleta aus dem Kraut, hänget solches in schwerer Geburt auf den Bauch; den Wahnwitz zu vertreiben, hänget man es an den Hals und die Zahnschmerzen zu stillen, hält man es im Munde." Nach dem Glauben der gali- zischen Ruthenen bei Hexereien unentbehrlich.

Erica vulgaris. Das von Droste-Hülshoff und Theodor S t o r m so stimmungsvoll besungene Heidekraut wird in Eberhardt Gockel 's „Tractat von Beschwörungen und Be- zauberungen" als vortreffliches Mittel gegen das Berufen gerühmt. Es soll aus dem Blute erschlagener Helden stammen, die in den Hunnengräbern liegen. Daher die rothe Blumenfarbe, daher ist es auch „Schlangen und Wölfen zuwider" (Chevalier 1. c). Wo Wölfe hausten, band man ein Büschel Heidekraut, der Elster zu Ehren, auf einen hohen Baum, damit sie durch ihr Geschrei das Nahen des Wolfes verkünde. Auch soll das Heidekraut das in Niederösterreich „Heiderich", gleichsam Herr der Heide heisst Eisen aus der Erde anziehen. Hiezu hat das Vorkommen von Raseneisenstein wohl Anlass gegeben. Den Hauch des Märchen- haften, der über Heide und Heidekraut liegt , hat Storm in seinem Gedichte „Abseits" wunderbar wiedergegeben.

Es ist so still, die Heide liegt Im warmen Mittagssonnenstrahle, Ein rosenrother Schimmer fliegt Um ihre alten Gräbermale. Die Kräuter blüh'n ; der Heideduft Steigt in die blaue Sommerluft.

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Laufkäfer hasten durch's Gesträuch In ihrem gold'nen Panzerrückchen, Die Bienen hängen Zweig um Zweig Sich an der Edelheide Glückchen. Die Vögel schwirren aus dem Kraut, Die Luft ist voller Lerchenlaut.

Die weisse oder Moorheide (Erica tetralix) , die von den Mac Donalds als Abzeichen getragen wird, gilt in England als glückbringend und als Symbol des heimatlichen Herdes. In diesem Sinne hat Prinz Friedrich Wilhelm von Preussen, als er im Jahre 1855 um Prinzessin V i c t o r i a von England warb, ihr weisses Heidekraut gereicht. In der alten Medicin hielt man von unserer Erica viel. Man vergl. Fr'ank (a. a. 0. p. 242): „Wie dieses Kraut den Stein zermalme, erzehlet Matthiolus. Es digeriret, dient der M . . . , item wider die Lähmung, Schmerzen und Reissen der Glieder, den Stein, Milz-, Magen- und Rückenbesckwe- rungen, und vermehrt die Milch. Das hieraus verfertigte Oel curirt die alten um sich fressenden Geschwüre, das Wasser und die Schmerzen im Leihe, auch Schmerzen und Röthe der Augen."

Erigeron acre. Berufskraut, Dauron. Hat nach einem alten Pflanzenkenner den Namen daher, „weil die Kinder, so man wegen ihres Abnehmens vor beschrien hält, damit gebadet, wieder besser werden". Etwas von dem Kraute legte man Säuglingen gegen das Berufen auch in die Wiege. Das berichtet u. A. Frank unter „Conyza coerulea", wie unsere Pflanze in den alten Officinen hiess : Die Weiber pflegen dieses Kraut denen Kindern in die Wiege zu legen und wollen sie hiermit vor Zauberey verwahren". Nach Duftschmid dient Dauron dieser Name klingt an Alchemistensprache an ! auch gegen Wetter- schäden und wird gegen das Verhexen oder Beschreien des Viehs an die Stallthüre gesteckt. Ausser diesem eigentlichen „Berufs- kraut" zählt Carus Sterne17) von naheverwandten Korb- blütlern Inula Conyza , Palicaria dysenterica und Palicaria vulgaris zu den Berufskräutern. Alle galten in der Apotheke vordem als „Conyza" und enthalten ein scharfes, ätherisches Oel, welches, durch Räucherung oder Abkochen freiwerdend, Ungeziefer zu tödten vermag. In diesem Sinne ist ein gewisser Wert dieser Gruppe von Berufskräutern nicht abzusprechen. Die vier Compositen haben auch gemeinsam, dass sie auf

n) Herbst- und Winterldumen. 8. 201.

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trockenen Orten wachsen. Bei Erigeron acre , dem eigent- lichen Berufskraut , bildet der Besatz der kleinen Schliess- früchtchen einen kleinen grauen Bart, wie ihn die Phantasie einem winzigen Kobold zuschreiben könnte.

Erythraea ramosissima. Verzweigtes Tausendguldenkraut. „Va- schreikräutl" in Niederösterreich. Das zierliche Pflänzchen fällt durch die fast geometrisch genaue Verzweigung auf. Es ist in Allem zarter als das bekannte officinelle Tausendgulden- kraut, das nebenstehend abgebildet ist.

Galium verum. Labkraut. Zaubermittel für Kinder. Das dut- tende, weiche Kraut hat nach der mittelalterlichen Sage das Stroh ge- liefert, auf welches die Muttergottes das Jesukindlein bettete. Daher die Namen Liebfrauenstrob, Unserer Frauen Bettstroh (Unser Lieben Frau Bett- stroh in Niederösterreich), Mutter- gottesbettstroh, englisch Ladies bed- straw. Raphael hat auf dem Bilde seiner Madonna della Cata alba in Petersburg dieses Stroh abgebildet. In Oesterreichisch-Schlesien, wo man vom Maria-Bettstroh spricht, wird er- zählt, die heilige Jungfrau habe des- halb das Christkind auf Labkraut ge- Tausendguldenkraut (Erythraea). bettet, weil nur dieses vom Esel nicht

berührt wurde!18) Schon auf dem Concile, das am 1. März 743 unter Vorsitz des heiligen Bonifacius abgehalten wurde, wird von dem „Strohbündel" gesprochen, „welches die guten Leute Marien- bündel nennen", und welches sie an ihr Bett hiengen, oder in einem Leinensäckchen an ihrem Körper trugen, um gegen giftige Thiere und andere böse Einflüsse geschützt zu sein. Der Aber- glaube hat sich so fest erhalten, dass die Landleute in der Nürn- berger Gegend noch in der letzten Zeit bei fieberhaften Krank-

Fig. 2.

Höfer und Kronfeld, 1. c. pag. 69.

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heiten ein Büschel Liebfrauenstroh an das Kopfende des Bettes hiengen und da/u vor dem Schlafengehen sprachen :

Heil sei dir du heilig Kraut! Hilf uns zum gesunden, Auf dem Oelberg wurdest du Allererst gefunden.

Du bist gut für manches Weh, Heilest manche Wunden Bei der Jungfrau heil'gem Strauss Lasse uns gesunden !

Verbleitet ist noch der Brauch, Marien- Bettstroh den Säuglingen in die Wiege zu legen, damit sie und ihre Mütter vor Zaubereien gesichert sind. Am Feste der Marien-Kräuterweihe fehlte Labkraut früher in keiner katholischen Kirche.

Geutiaua cruciata. Kreuzenzian. Galt einst für ein sehr kräftiges Kraut. Das Sprüchlein

Modelgeer

Aller Wurzel eer

war viel im Schwange. Für die der Pflanze mit aulfällig eben- massig im Kreuz gestellten Blättern zugemutheten Wunder sprechen die alten Namen bei Frank : Speerenstich, Heil aller Schäden, Engelwurz, Himmelstengel, St. Peterskraut, Sibyllenwurz. In der Kirche zu Werder bei Potsdam befindet sich ein altes Gemälde, auf -welchem Christus als Apotheker dargestellt ist, wie er in einer Hand wage die Sünden der Menschheit durch Kreuz würz in's Gleichgewicht bringt. Wenn der Jäger des Schusses sicher sein wollte, musste er den Flintenstein mit Kreuzwu z „füttern". Noch in der neueren Zeit machte die Kreuzwurz viel von sich reden, da ein ungarischer Schullehrer sie als unfehlbares Mittel gegen Wassersucht anpries. Der deutsche „Vater der Botanik" Hieronymus Bock, der schon darauf aufmerksam macht, das-s der Querschnitt des Wurzelstockes aussieht, als ob er mit einem Speere kreuzweise durchstochen wäre (daher „Speerenstich"), fügt, nach Aufzählung aller Fähigkeiten der Gentiana cruciata, die treu- herzige Bemerkung hinzu: „Es muss aber an allen Orten Zauberei sein, niemand ist, der solches mit Ernst widerfechtet."

Glechoma hederacea. Gundelrebe. Heilkräftig und zauberwidrig. Wer in der Walpurgisnacht (letzte Aprilnacht) einen

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Gundelrebenkranz tiägt, erkennt alle Hexen. Auch melkte man die Kühe, wenn sie im Frühjahr zum ersten Mal ausgetrieben wuiden, durch einen solchen Kranz, um die Milch zu vermehren und die Thiere vor jederlei Schaden zu schützen. Als einst Petrus heftiges Zahnweh hatte, sagte ihm der Heiland:

Nimm drei Gundelreben

Und lass' sie deinen Mund umschweben.

Der Name Gundelrebe (auch Gundermann) wird nach Grimm auf die "Walküre Gundr bezogen, nach Schmeller (Bair. Wörterbuch) hängt er einfach mit Gund (feuchter Ort) zusammen.

H e d e r a h e 1 i x. Epheu (Fig. 3). Schützt gegen Verzaube- rung. Im Mittelalter glaubte man, dass Löffel aus Epheuholz gegen Bräune und Halskrankheiten überhaupt gut seien. In Ostpreussen liält man den Epheu, in den Stuben gepflegt, für einen Zank- erreger. Bemerkenswert ist, dass die Namen von Epheu und Eibe (cf. Taxus) im Angelsächsischen identisch iv lauten. Griechen und Römer verwendeten denselben Epheu, der sich in Festesfreude um ihre Stirne schlang, als Grabespflanze einMemento raori, das beim heitersten Beginnen ernste Gedanken anregen sollte. Unger gedenkt einer zu Athen befindlichen Stele, die zwischen Gatten und Gattin ein kleines Kind zeigt, wie es der allzu früh verblichenen Mutter ein Epheublatt reicht. Darunter liest man :

Nike, Tochter des Dositheus, aus Tliasia, Herztheure und liebend-besorgte, lebe wohl !

Bei H o r a z, Ode 4, heisst es in der Einleitung zu einer Ein- ladung: „Ich habe vom Epheu eine grosse Menge, mit dem Du geschmückt wirst." In der zweiten Epistel wird Bacchus als der „Schlaf- und Epheulaubfrohe" bezeichnet.

Herniaria glabra. Bruchkraut. „Nimm ma nix" (Nimm mir nichts) in Oberösterreich. Die Festigkeit, mit welcher dieses an sandigen Stellen wachsende Kraut seine Stengel mit- telst Würzelchen im Boden befestigt hält, veranlasste den Aber- glauben, dass selbst eine Hexe aus einem Hause, in welchem das- selbe aufbewahrt wird, nichts wegnehmen könne. Unter „Nimm ma nix" werden, wie ich schon gelegentlich der Besprechung der

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volkstümlichen Liebeskräuter erwähnte, auch Alchemilla alpina und das Widerthonmoos (Polytrichum commune) verstanden. „Nimni-ma-nix" ist ein wohl schon uralter imperativischer Kräuter- namen, dessen Name zugleich Zauber- oder Besprechungsformel war. Der schriftdeutsche Name Bruchkraut erinnert an den früheren Gebrauch des jetzt als Herba Herniariae bei Blasenleiden angewendeten Krautes wider Brüche.

Helleborus viridis. Grüne Niesswurz. Die Wurzel wird in der Christnacht in die drei Messen mitgenommen und wenn die Kühe verzaubert sind, gibt man ihnen drei kleine Stücke davon, in den drei höchsten Namen, drei Morgen hinter einander (Schwaben).

Hypericum perforatum. Johanniskraut. Die Blätter sehen infolge lichter Drüsenpunkte wie durchstochen aus. Der aus den gelben Blumenblättern beim Zerquetschen quellende Saft wird an der Luft roth. Diese Umstände haben das um Johannis (24. Juni) erblühende Kraut, das der Teufel vor lauter "Wut durchstochen hat, als wunderthätiges erscheinen lassen. Dient wider verhextes Vieh und wird unter die Schwelle gegraben. Zum Verscheuchen von Gewittern wird Johanniskraut auf den Herd geworfen. In der Havelgegend, wo das der Legende nach aus Johannes des Täufers Blut entsprossene Kraut Hartenaue heisst, hört man bei starken Gewittern den Vers :

Ist denn keine alte Fraue, Die kann pflücken Hartenaue, Dass sich das Gewitter staue?

Teufelsbanner, Jageteufel, Teufelsflucht, Fuga daemonum, Unseres Herrn Gottes Wundkraut so weit verstieg man sich in den Complimenten für das wunderbare Kraut! Mit Dosten (cf. Origanum vulgare) und dem Sumpfporst (Ledum palustre, „weisse Heid") begegnen wir der die fünf Blumenblätter zur Erinnerung an Christi Wunden tragenden Pflanze in dem Vers :

Dosten, Hartan, weisse Heid' Thun dem Teufel alles leid.

Merkwürdig ist die Verwendung des Johanniskrautes in Schlesien zum Liebesorakel (cf. Leucanthemum). Der aus den Stielen der Blüten beim Abreissen hervorquellende rothe Saft bleibt manchmal aus oder ist grau gefärbt. Dies wird nun als günstig oder ungünstig aufgenommen und durch den Spruch angedeutet: 98. Nr. 119/98. 3

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Bist mir gut, Gibst mir Blut, Bist mir gram, Gibst mir Schlamm.

Mit Kränzen aus Johanniskraut schmücken sich die um das Johannisfeuer Tanzenden und werfen , nach dem Erlöschen der

Feuer, die Kränze auf die Dächer der Häuser, damit diese vor Brand- schaden gesichert bleiben. In dem am Mariä-Himmelfahrtstage ge- weihten Buschen, der aus neun Kräutern besteht , darf nach schwäbischer Vorstellung das Jo- hanniskraut nicht fehlen. Ausser ihm zählt Neidhart auf : Thy- mian (Thymus) , Gartenraute (Ruta) , Gundelrebe (Glechoma), Wurzel und Kraut von der Meister - wurz (Imperatoria), vom Teufels- abbiss (Scabiosa), Liebstöckel (Le- visticum), Eberraute (Artemisia abrotanum) und das Kraut der Mauerraute (Aspleniura Ruta mu- raria).

Hex aquifolium. Stech- palme. Mit Mistel (cf. Viscum album) der Zimmerschmuck der englischen Weihnachten (Holly). Der Sage nach jene „Palme", mit der der Heiland bei seinem Einzüge in Jerusalem begrüsst wurde ; sie er- hielt zur Erinnerung an den Ver- rath, der an Christus geübt wurde, Stacheln. Wird in Oesterreich mit „Seg'nbam" (Juniperus Sabina) zu den Palmbuschen des heiligen Palmsonntag verwendet. Volksthümlich „Schradlbaum" genannt. Schradl bedeutet Kobold oder Gespenst. Gerhard Hauptmann hat in diesem Sinne eine „Frau Schratt" in seiner „Versunkenen Glocke" eingeführt. Wenn die Hühner nächtlicherweile grossen Lärm erheben und die Leute sie her- nach zerrupft finden, so heisst es in der Oetschergegend : „Der Schradl hat sie geritten." Schradl seh wein ist ein solches, dem

Fig. 4. Hex aquifolium (Stechpalme).

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die Borsten wirr auf dem Riste aufstreben. Gegen den Schradl werden die Zweige von Hex aquifolium in die Hühnersteige gelegt. Gegenüber dieser seiner dämonischen Seite wird Stechpalmlaub als treues Immergrün gefeiert. So von Scheffel:

Ein immergrünes Stechpalmreis Sei nns'rer Lieb' das Zeichen.

In 0 h n e t's „Steinbruch" kann man von Hex als "Wirts- hausgrün über dem Thor der Schenke lesen. Frank in seinem Kräuterlexikon sagt von der Stechpalme: „Wird in der Colica gerühmet."

Juniperus communis. Wachholder. Zaubermittel. Der Rauch vertreibt Schlangen, Gewürm und Geister. Der Trank aus den Beeren lässt die Zukunft schauen. Ein Sträusschen von

Fig. 5. Wachholder.

Wachholder an dem Hut wird in den österreichischen Alpen als Mittel gegen Ermüdung angesehen. Dieselbe Vorstellung hat Luther geleitet, als er im ersten Buch der Könige ein Wort,

1*

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das eigentlich eine auf dem Horeb wachsende Ginsterart bezeich- nete, mit Wachholder verdeutschte : „Elias setzte sich und schlief unter einem Wachholder". Für die ausserordentliche Achtung, die der Strauch geniesst, spricht der Umstand, dass der Tiroler Bauer vor ihm den Hut zieht. Im Grimmschen Märchen „von dem Machandelboom" wird durch einen Vogel, der sich auf einen be- stimmten Wachholder setzt, ein Mord verrathen :

Mein Mutter, der mich Schlacht,

Mein Vater, der mich ass,

M' in Schwester der Marlenich en

Sucht alle meine Benichen,

Bindt sie in ein seiden Tuch,

Legt's unter den Machandelboom.

Kywitt, kywitt, vat vör'n schöön Vogel bün ik!

Das Bayrisch-Oesterreichische sagt für Wachholder Krona- wett'n (Gronawett'n) , ahd. chranawitu = niederes Kernholz.

Häufig sind daraus gebildete Familien- und Ortsnamen. In Wien gibt es mehrere Kronawetter, einen Kronabethleitner, Krona- better und Kronawittleithner, ferner einen Kranabitter, Kranewitter, Kranawetter. Nach A. Pruckmayr19), der im Wachholder „Frau Wachhilt", eine Minne der deutseben Mythologie erkennt, gibt es in Nieder- und Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Krain und Tirol unter den Ortsnamen: 8 Kranabeth, 2 Kranabethleithen, 2 Kranawetter, 4 Kranawitter, 2 Krana- wittergut, 2 Kronabethmühle, 2 Kronawitten und 2 Kronawitet. Wachholder, der schon bei den heidnischen Brandopfern dienlich war, wird zum Ausräuchern der Krankenstube verwendet.

Ja, als der bayrische Schulmeister Schmeltzl im Jahre 1548 nach Wien kam, sah er gegen die Pest:

in den gassen und ringen Ettlich hundert Fewer prinnen, Von kranwitholz Weyrauch darzu, Damit der lufft sich raynigen thu.

Die würzig- bitteren Beeren gelten für ausnehmend heil- kräftig. Oft wird gesagt:

Iss Kronawett und Pimpanell So stirbst du nicht so schnell!

Und als im Jahre 1832 in Gaaden bei Wien die Cholera wüthete, kam ein Vogel aus dem Walde und rief:

Esst Kranenbeer und Bibernell, So sterbt's ned so schnell!

ie) Med.-chir. Centralbl. XVI (1881), Nr. 52.

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Aehnlich weiss eine Salzburger Sage zu berichten. Als die grosse Pest grimmig in Salzburg wüthete, da hörte eines Tages ein graues Männchen auf einem Baume einen Vogel, der also rief :

Esst's Kranawit und Biberneil Dann sterbt Ihr nicht so schnell.

Der Alte machte es bekannt und die Pest war gebrochen.

Pimpanell oder Biberneil ist die auch sonst als Magenmittel gepriesene Wurzel einer Dolde (Pimpinella magna). Der Vers wurde in den verschiedensten Gegenden Deutschlands zu schweren Zeiten gehört ; bald war es ein Vogel, der die Botschaft brachte, bald Hess sich eine Stimme vom Himmel, ein Engel, oder ein „Holzfräulein" vernehmen. Nachdem Burg Andechs in Oberbaiern 45 Jahre verwüstet gelegen war (seit 1209), hörte ein blindes Weib von Widdersberg eine Stimme, welche sie hiess, einen Wach- holderstrauch aufsuchen und sich mit der "Wurzel die Augen bestreichen. Sie that es und sah plötzlich. (Dr. Andr. Senestrey, "Wallfahrten nach Andechs.) Nach einer anderen Legende aus dem Salzburgischen wurde ein Bauer durch einen Wachholder aus tödtlicher Krankheit gerettet. (Sage von Unserer Lieben Frau zu Kösslarn.) Wachholder ist eines von „neunerlei Agen- holz", aus dem der zauberkräftige Schemel angefertigt sein muss. „Agenholz" ist dem Wortsinne nach Nadelholz. Ausser Wachholder werden zu dem Schemmel genommen : Fichte, Tanne, Kiefer, Legföhre, Sevenbaum (Juniperus Sabina), Lärche, Zirbe und Eibe (K e r n e r).

Merkwürdig ist der Brauch, Krankheiten auf den Wach- holder zu transplantieren, oder, wie er volksthümlich heisst, zu „wenden" 20). Im oberösterreichischen Hausruck viertel geschieht dies folgendermassen : Man trägt das kranke Kind zu einer Wachholderstaude. Ein altes Weib murmelt einige Gebete, dann schneidet es drei Zweigspitzen vom Strauche ab, die sie unter frommem Gemurmel in das Haus der Eltern trägt und an der Mauerecke, wo das Crucifix seinen Platz hat, aufhängt. Hier müssen sie bis zum nächsten Neumonde unberührt hängen bleiben. Am ersten Morgen des Neumondes nimmt sie die Zweige herab und trägt sie zum Wachholderstrauche zurück, um sie mit drei neuen zu vertauschen. Dasselbe geschieht dann jedesmal zu Beginn des Neumondes bis zum dritten Male, wobei stets das kranke Kind zu- gegen sein muss. Nach solchem dreimaligen „Wenden" ist der kleine Patient von seinem Leiden geheilt. In Deutschland steckten die Eltern, wenn kleine Kinder kränkelten, Wolle und Brot in den Wachholderbusch einer anderen Feldflur und sagten dabei :

20) Pruckmayr, 1. c.

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Ihr Hollen und Hollinnen

Hier bring' ich euch was zu spinnen

Und zu essen.

Ihr sollt spinnen und essen

Und meines Kindes vergessen.

In Oberösterreich apostrophiert man auch den bekannten Wachholderbranntwein :

Kranawit brannte im Haus Treibt Doctor und Bader aus

und fasst den ganzen Respect vor Juniperus, aus dessen Holz man die Gesundheitspfeifen fertigt, in dem Satz zusammen :

Vor Hollerstaud'n21) und Kranawitt'n

Ruck' i mein Huat und noag mi bis halbe Mitt'n.

Nach altdeutschem Brauch wurde die Feststube mit Wach- holder bestreut. „Zierlich mit "Wachholdernadeln überstreut des Saales Boden " , heisst es in F. W. We b e r's Dreizehnlinden " . H ö f 1 e r -2) bemerkt zutreffend, dass beim Wachholder wie beim Holler alter Cultglaube und volksmedicinische Anwendung Hand in Hand gehen. Wenn man vor Sonnenaufgang eine Wachholdergerte (Martins-, d. i. "Wodansgerte) mit den Worten : „Stecken ! Ich thue dich schneiden im Namen der heiligen Dreifaltigkeit" abschneidet, so kann man mit ihm prügeln, ohne dass es der Geschlagene merkt, kann damit Schlangen vertreiben etc. Bei Diebsbesprechungen wird der Strauch vor Sonnenaufgang mit der linken Hand gegen Osten gebogen und dabei gesprochen : „Ich thu dich bücken und drucken, bis der Dieb dem N. N. sein gestohlen Gut wieder bringt." Dann legt man einen Stein auf den Wipfel, unter den Stein einen Verbrecherschädel (Erinnerung an das Menschenopfer!). Hat man das Gestohlene so durch Zauber erzwungen, dann muss man schleunigst den Busch wieder loslassen und den Stein hin- legen, wie man ihn gefunden ; sonst kommt der Besprecher selbst zu Schaden.

Der aus den Beeren gebrannte Wachholderbranntwein ist allgemein bekannt: „Machondel mit 'm Knüppel" ist neben dem Danziger Goldwasser in der dortigen Gegend ein volks- tümliches Getränk. Eigentlich heisst der Schnaps nur Machondel. Verlangt man ihn „mit 'n Knüppel", so heisst das, dass man Zucker dazu haben will. Zum Umrühren in den hohen Gläsern bedient man sich eines hölzernen Löffels aus Wachholderholz, der eben „Knüppel" heisst. (Köln. Volksztg., 24. Jänner 1897.)

n) Sambucus nigra. 8a) 1. c, p. 114.

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Leucanthemum vulgare. Orakelblume. Sie galt schon in den Zeiten ritterlicher Minne als „Blume der Unent- schiedenheit". Durch Goethe's Gretchen wurde sie in die alten Rechte der liebeskündenden Rupfblume 23) wieder eingesetzt. Die Zahl der um die gelbe, aus Röhrenblütchen zusammengesetzten Scheibe herumstehenden weissen Strahlblütchen ist entweder gerade oder ungerade. Im ersteren Falle geht der Herzenswunsch in Er- füllung, im letzteren nicht. „Liebt mich liebt mich nicht" war der früher am häufigsten beim Abrupfen gesprochene Spruch ; jetzt findet man ihn gewöhnlich zu: „Er (Sie) liebt mich vom Herzen mit Schmerzen ein wenig oder gar nicht" erweitert. Aber auch andere grosse Fragen muss die Orakelblume beantworten. Sie entscheidet über den künftigen Beruf mit den Sprüchen: „Edelmann, Bettelmann, Bur (Bauer) . . ." oder „Edelmann, Bettelmann, Major . . ." ; über Heirat und Ledigbleiben: „Ledig si Hochzig ha In's Chlösterli ga. . ." oder „Heiraten ledig bleiben Klosterfrau werden . . ." ; schliesslich gar metaphysisch über das zweite Leben: „Himmel Fegfür Höll' ..." Wie bei den während des Rupfens der Orakelblume gesprochenen Worten, so ist in den kindlichen Zählreimen gerade und ungerade entscheidend. Laube führt zahlreiche solche Spielreime an, aus denen ich auf gut Glück einige herausgreife :

ABC Paerpendickl

Du bist ä schlimmer Nicki !

Mäderle schau, schau, Es kommt der Wauwau, Hots Kanzel am Eucken, Und's Pfeifel in 'u Maul.

Jakob hat kein Brot zu Haus,

Jakob macht sich gar nichts draus,

Jakob hin, Jakob her,

Jakob ist ein Zuttelbär.

Vielleicht besteht nicht blos diese äusserliche Beziehung zwischen den Orakelsprüchen der Grossen und den Zählreimen der Kinder; vielleicht hängen sie auch ursächlich zusammen. Ich spreche biemit eine Muthmassung aus, deren Beurtheilung und

23) „Rupfblumen" (Margueritei)) sind die meisten Korbblütler, deren Blüten in Strahl und Scheibe gesondert ist. Am häufigsten dient aber Leucanthemum zum Liebesorakel. In der altdeutschen „Bedeutung der Blumen" heist es: „Wer Rupfblumen trägt uugerupft, der weiss nichts Be- sonderes an seiner Liebsten; wer sie gerupft trägt bis auf zwei Blätter, der versteht dabei Gerechtigkeit, wem aber ein Blättchen stecken bleibt, so be- deutet es, dass ihm Unglück geschehen sei."

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weitere Verfolgung ich gerne dem berufenen Folkloristen über- lasse. Besonders möchte ich auf die Zählreime die Aufmerksam- keit lenken, die deutlich erotischen Beigeschmack haben ; so aus L a u b e 's Sammlung: „Hopp Mariannel, hopp Mariannel Geh mit mir in 'n Keller Uem ä Bier'l, Um ä Weinl Uem en Muscbketeller".

Walther von der Vogelweide, der schon die echt- deutsche Sitte des „Losens" oderSchicksalsuchens mit ungleich grossen Halmen anwendet, macht hiezu die freundliche Bemerkung: „Da hoeret (gehört) ouch geloube zue". Man muss an die Kraft der „Wunder- blume", — so auszeichnend benennt der Niederösterreicher die Orakelblume ! eben glauben. Der durch unglückliches Lieben tiefverstimmte Hermann G i 1 m, dem wir das einzigschöne Lied : „Stell' auf den Tisch die duftenden Reseden, die letzten rothen Astern trag' herbei ..." verdanken, spottet auch der zwischen den wehenden Grashalmen in heiterer Sommerluft erblühenden Orakelblume :

Gesenkten Hauptes in den Wiesenbeeten,

Als ahne sie der Sense TodesMeb,

Steht silberweiss die Blame des Propheten.

Wahrsagerin, sag' an, hat sie mich lieb?

Und du sagst ja, du lügst, ich will's beweisen :

0 schäme dich ! so jung, so zart, so licht,

Geschaffen, um den Sommertag zu preisen,

Und lügen I denn sie liebt mich nicht 1

Ganz so, wie die Strahlen der Orakelblume habe ich die Fiederblättchen der fälschlich „Akazie" genannten, aus Nord- amerika stammenden Robinia Pseudacacia abrupfen gesehen. Ein merkwürdiges Liebesorakel verzeichnet H o 1 u b y (Oest. botan. Zeitschr. 1878) für die ungarischen Slovaken. Wenn die jungen Hantpflanzen die ersten vier Blätter zeigen, pflegen die heirats- lustigen Mädchen irgendwo am Rande des Feldes zwei solche Pflanzen mit einem farbigen Faden zusammenzubinden, um dann, wenn das Geschlecht der Pflanze bereits zu erkennen ist, nach- zusehen, ob die zusammengebundenen Sämlinge gleiches oder un- gleiches Geschlecht haben; ist die eine Pflanze weiblich, die andere männlich, dann schliesst das Mädchen auf eine baldige Heirat. Um aus der grosssen Zahl der hiehergehörigen Beispiele noch eines anzuführen, gilt im Elsass bei den heiratslustigen Mädchen folgendes Liebesorakel als probat. Haben mehrere Be- werber ihre Augen auf eine Schöne geworfen und begehrt sie zu wissen, welchen davon das Geschick ihr zum Manne bestimmt hat, so pflückt sie das mit ganz besonderen Kräften ausgerüstete Kräutlein Ehrenpreis (Veronica sp.), im Volke auch „Männertreu" genannt, legt davon so viele kleine Zweiglein

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in je ein Stückchen Papier, als es Liebhaber sind, und schreibt auf jedes den Namen eines derselben. Diese Zettelchen gibt sie sodann beim Schlafengehen unter das Kopfkissen. Wenn sie die- selben dann am folgenden Morgen eröffnet, so zeigt das frisch und grün gebliebene Zweiglein den künftigen Gatten an, während die anderen, welche welk geworden sind, die unbeständigen Freier bedeuten. Von dem orakelnden Johanniskraut wurde schon unter Hypericum berichtet.

Linaria alpina. Alpenleinkraut. Wird schon von H a 1 1 e r als Alpenblume besungen. „Beschreikräutl" in den bairischen Alpen. Verwandt mit Antirrhinum, das man vergleichen wolle.

Lithospermum officinale. Steinsame. Die kalk- reichen, mit Säuren aufbrausenden Samen dienen gegen Harngries. Auch werden sie als Zaubermittel verwendet. P 1 i n i u s geräth bei Erwähnung der Pflanze mit den perlenartigen Samen in wahres Entzücken und meint: „Ich habe wirklich unter den Pflanzen nichts gesehen, was so wunderbar wäre . . . die seltsame Erscheinung aus einer Pflanze hervorgewachsener Steine . . . TJebrigens ist es eine ganz ausgemachte Sache, dass eine Drachme dieser Steinchen, in weissem Wein getrunken, Blasensteine zerstört und abtreibt."

Lycium b a r b a r u m. Bocksdorn. Schon bei Dioscori de s (I, 119) als Zaubermittel zum Befestigen an Fenstern und Tbüren empfohlen.

Mandragora officinalis. Alraun. Die berühmteste aller Zauberpflanzen. Ein in den Mittel- meerländern wild vorkommendes Nacht- schattengewächs, treibt es eine rübenförmige Wurzel und eine dem Boden angedrückte Blattrosette, über welcher mehrere grosse Blumen emporragen. Mit etwas Phantasie kann man in der Wurzel die Gestalt eines nackten Menschen erblicken und in den vier Wurzelästen Arme und Beine. Daher die Pflanze bei Pythagoras: na.v^pomo\xorj- fogu die menschenähnliche heisst. Ein in der Erde wachsender kleiner Mensch, ein leibhaftiger Homun- culus musste frühzeitig Sinnen und Denken anregen. Josephus

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Fla v i u s erstattet genauen Bericht über die Art und Weise, wie die von den Griechen als Zauber wurzel der Circe betrachtete Mandragora (wörtlich: „die Herdensammelnde") zu graben sei.

Schon PI in i us (XXV, 94) schreibt vor: „Das Ausgraben geschieht, nachdem man sich überzeugt hat, dass kein entgegen- gehender Wind herrscht, und nachdem man, das Gesicht gegen Westen gerichtet, mit einem Schwerte drei Kreise gezogen." Josephus F 1 a v i u 8 übertrumpft ihn, indem er sagt, man dürfe die Mandragora nicht selbst aus den Boden ziehen, sondern ein schwarzer Hund müsste angetrieben werden, die mit dem oberen Theile an seinen Schweif festgebundene Wurzel auszuraufen, worauf man ein markerschütterndes Geschrei von der Mandragora vernehme und der Hund todt hinstürze. Der Alraungräber müsse sich, wie Odysseus bei den Sirenen, die Ohren mit Wachs verstopfen, um das Geheul der Wurzel zu überleben. Von diesem dem Menschen unerträglichen Mandragorageschrei weiss auch Shake- speare:

Weh', wenn ich da zu früh erwachen sollte, Wenn mich ein ekelhafter Dunst umqualmt, Wenn's kreischt, als grübe man Alräunchen aus, Bei deren Ton der Mensch von Sinnen kommt

klagt Julie (Romeo und Julie, A. 4, Sc. 3), bevor sie den Schlaftrunk nimmt, und Suffolk (Heinrich VI., IL Tb., A. 3, Sc. 2) meint von seinen Hassern:

Was soll ich sie verfluchen? Wenn ein Fluch

Todbringend wäre, wie Alrauncnstöhnen,

Ich fände Worte, so durchbohrend scharf,

So herb, verrucht und greulich anzuhören ....

Laban soll sich seinen Hausgötzen aus dieser Wurzel („Dudaim" der Bibel) geschnitzt und eine alttestamentarische Dame ihr die Erfüllung der heissesten Wünsche zu verdanken haben. Dioscorides weiss im ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung noch nichts von dem zauberischen Graben und den wundersamen Kräften der Alraunwurzel. Um so merkwürdiger ist es, dass in dem berühmten Codex der Wiener Hofbibliothek ein Dioscoridesbild aus dem fünften nachchristlichen Jahrhundert zu finden ist, welches den Meister die ihm von einer allegorischen Figur dargereichte Mandragorawurzel beschreiben und dieselbe zugleich von einem Zeichner skizzieren lässt ; zu Füssen des Dioscorides fällt der eben verendende Hund rücküber. „Sollte", fragt P e rger in seiner Studie über den Alraun (Schriften der zoolog.- botan. Ges., Wien 1856, p. 721) mit Recht, „das eine der ersten Ergänzungen und Vermehrungen sein, die später dem Meister von

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so vielen freigebigen Schriftstellern beigegeben wurden ?" Auf- fällig ist an dem Bilde das in späteren Alraunfiguren nicht wieder- kehrende Detail, dass die Reste der der Wurzel aufsitzenden Blattrosette als eigentlicher „Kopf" des Alraunmännchens styli- siert sind.

Pur den deutschen Vorstellungskreis, dem Alrunen eine Bezeichnung, die offenbar mit Rune, raunen zusammenhängt ur- sprünglich die heiligen, prophetischen Frauen, so die Aurinia, die Velleda und Ganna bedeuten, wuchsen die Fabeleien des Josephus Flavius mit germanischem Mythos und christlichem Mysterium zu- sammen. So sagt die heilige Hildegard von der Alraunwurzel, sie sei, als von menschlicher Gestalt und aus derselben Erde, wie Adam entstanden, der Versuchung des Teufels mehr als alle übrigen Pflanzen ausgesetzt. Kein Nothleidender verschmähe es, solchen Alraun mit frischem Wasser abzuwaschen, in sein Bett zu legen und zu sprechen : „Herr, der du den Menschen aus Lehm ohne Schmerzen gebildet hast, hier lege ich dieselbe Erde, welche jedoch niemals gesündigt hat, zu mir, damit meine sündige Erde jenen Frieden, den dieselbe ursprünglich besass , wieder er- lange." Von den speculativen Verkäufern des Alrauns wurden auch die Schauer des Schindangers benützt, um von dem gläubigen Abnehmer möglichst viel Geld zu erpressen. Der echte Alraun wachse nur unter dem Hochgerichte und gerade an der Stelle, wo ein Junggeselle den Schreckenstod durch den Strang ge- funden. Als seine letzte Lebensäusserung lasse der Gehenkte . . ., doch schweigen wir von der nur für den Gerichtsarzt be- stimmten, nur von ihm bei einer Justificirung zu controlierenden Einzelheit! Thatsache ist es, dass die Alraunwurzel seither in deutschen Länden auch unter dem Namen „Galgenmännlein" volksthümlich war.

Wer nun eine Alraunwurzel beim Theriakkrämer um die für vergangene Jahrhunderte sehr grosse Summe von 50 bis 60 Thalern gekauft hatte, trug sie vorsichtig nach Hause, wusch, sie mit rothem Wein und gab ihr ein Kleid von weisser und rother Seide, dazu wohl auch ein Mäntelchen. In der nachstehen- den Fig. 9 der nackte Alraun zu sehen, welcher zu Anfang des vorigen Jahrhunderts in der Sammlung des Prof. Hermann von der H a r d t (Marienburg) verwahrt und von Samuel S c h m i d in seiner 1739 veröffentlichen Abhandlung über Alraune nach der Natur abgezeichnet wurde. Ganz „Natur" ist die Wurzel freilich nicht. Man merkt ihr an, dass weidlich mit dem Schnitzmesser nachgeholfen wurde, vielleicht, dass selbst die Wurzelfasern, die die „Haare" des langen Gnomenbartes aus- machen, angepappt sind. Ausser diesem frisierten Alraun er-

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blicken wir (Fig. 6, nach H. Wagner) einen, der dem aus der Erde herausgeholten , nach Abschneiden der Blätter ohneweiters gleichen mag. Sein Pendant bildet ein Alraun in vorschrifts- massiger Toilette. Dass Zufälligkeiten, die in früheren Zeiten für geheimnisvolle Absicht angesehen wurden, Naturspiele, nicht nur der Alraunwurzel Menschenähnlichkeit zu er- höhen, sondern selbst ein Stück Baumwurzel in Koboldgestalt verwandeln können, zeigt die Fig. 8. In ihr habe ich eine menschen- förmig gewachsene Baumwurzel aus dem städtischen Museum von Baden bei Wien, stark verkleinert, wiedergegeben. Wer weiss, zu welchen Hexenstücklein einst dieses Holz verwendet wurde, das in seiner Hässlichkeit an Shakespeare's Bezeichnung „Alräunchen"

Fig. 7.

Fig. 8.

Fig. 9.

für den Friedensrichter Schaal (Heinrich IV., 2. TL, A. 3, Sc. 2) erinnert! War eine Alraunwurzel besonders abenteuerlich gewachsen, dann profitierte davon selbstverständlich die Fabelei. In Metz besass ein reicher Jude einen Alraun, der den Menschenkopf auf dem Körper eines Hahnes trug. Das kleine Ungethüm sollte aus einem Hühnerei entstanden sein, dass ein Mann bebrütet hatte ! Im Jahre 1792 machte sich in Wien ein Mann daran, das erste Ei einer schwarzen Henne, durch 31 Tage zu einem Alraun auszubrüten. Er hielt es aber nur 21 Tage aus .... (Grazer Zeitung 1792, Nr. 88).

Was leistete nun ein echter Alraun oder, wie man ihn sonst auch in der guten, alten Zeit nannte: Heckemännchen,

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Galgen-, Erd-, Gold-, Glücksmännlein, den gläubigen Leuten? Der Alraun gab, wenn man seiner artig wartete, Bescheid auf alle Fragen und prophezeite die Zukunft. Er verdoppelte in stiller Nacht neben ihn gelegtes Geld (heckte solches aus, daher „Heckemännchen"!), brachte Glück in Allem, heilte Krankheiten, half den Frauen in der schwersten Stunde, schützte den Wein vor dem Sauerwerden, das Vieh vor dem Behexen etc. etc. Obgleich Petrus de Crescentiis diesem beispiellosen Aber- glauben schon im Jabre 1280 zu begegnen suchte, hatte er um 1575 noch unter den Bürgern gebildeter Städte, wie Leipzig und Riga, seine Anhänger (Henne am Rhyn, Culturgeschichte, Leipzig 1870, I, p. 358). Und bis zur Stunde noch sagt man in Wien, so Einer besonderes Glück im Spiele hat : „Der rauss a Oraunl (Alräunchen) im Sack haben"! Der vorgenannte Schmid verzeichnet diese Redensart aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, wo der Alraun auch rabbinischer Weisheit als etwas ganz Besonderes galt, in der Form „Er hat ein Alrunlein" und „Er hat einen Hecke-Thaler". Diese Beharrlichkeit, ja Unausrottbarkeit bestimmter Vorstellungen im Denken des Volkes ist mit Bezug auf den Alraun um so merkwürdiger, als es verhältnismässig zeitig an aufklärenden Stimmen keineswegs gefehlt hat. Der vergeblichen Abwehr aus dem Ende des 13. Jahrhundertes habe ich schon Erwähnung gethan. P erger (a. a. 0.) führt als wertvolles Zeugnis Anhorn's „Magiologia" (Basel 1674) an; hier heisst es: „Diese Allraun ist nichts Anderes, als eine natürliche Wurzel, in und bei deren der lebendige Teufel selber sich, den Geizigen zu dienen, dar- stellet, damit er von ihnen als ihr Gott und Gutthäter hin- wiederumb geehrt werde und reisset endlich anstatt des Zinses die Seele in den Abgrund der Höllen." Vollends verdient Mar- tin del Rio unsere Sympathie, der in seinen „Disquisitiones magicarum" schon anno 1595 also berichtet: „Als ich anno 1578 das Richterliche Ampt anoch verwaltet, ist mir unter eines beklagten Licentiaten confiscierten Schriften, neben einem mit wunderlichen Charakteren und Zeichen erfüllten Zauberbuch auch ein Lädlein, wie ein Todtensarg formieret, zur Hand gekommen, in welchem ein alt schwarz Alraun-Männlein gelegen, mit sehr langem Haar aber ohne Bart, welches zur Zauberei und Ver- mehrung des Goldes gebraucht worden. Ich habe die Arme von dem Alraun weggerissen. Die, welche das gesehen, haben gesagt, es werde mich zu Hause ein grosses Unglück angehen. Ich hab' aber darüber gelacht und gesagt, wer sich förchte, der könne wohl hinweg gehen. Ich hab' endlich das Buch, Lädlein und Alraun-Männlein in das Feuer geworfen und hievon keinen anderen

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Geruch, als den einer verbrannten Wurzel gerochen." Diese Aufrichtigkeit konnte dem weitverbreiteten Alraunglauben keinen Abbruch thun. Im Jahre 1703 entrüstete sich ein ungenanntes Mitglied des Collegium curiosorum wiederum zu einer Erklärung gegen den Alraun: „Die Historien von solcher Alraunwurzel oder Kobolgen, welche meistens von alten Weibern und einfältigen Leuten geglaubt werden, weil sie wider alle Vernunft, Billigkeit und Ordnung der Natur streiten, halte ich vor unmöglich, aber- gläubisch und blosse Einbildungen. Geschehen sie aber durch Zuthuung des Teufels, so sind sie sündlich und unverantwortlich. Und dieses ist von Mandragora oder Alraunwurzel meine Meinung." (U n g e r, a. a. 0. p. 315.)

Bei dem hohen Geldwert, den ein Alraun hatte, dachten die herumziehenden Theriakkrämer zeitig an ein Surrogat. Zuerst griff man nach dem „wilden Alraun", dem auf felsigen Plätzen der Alpen, Sudeten und des Riesengebirges, in der deutschen Heimat also, wild vorkommenden Allermannsharnisch (Allium Victoriaiis, s. d.). An sich zauberberühmt, musste er mit seinem manchmal puppenförmig gerathenden oder leicht zurichtbaren Wurzelstock den echten Alraun ersetzen helfen. So rührten die Alraune Kaiser Rudolfs II., von denen ein Paar, „Männchen und Weibchen", mit sammtenem Gewände angethan, in der Wiener Hofbibliothek verwahrt wird, vom Sieglauch her. Einer dieser kleinen Kerle aus dem „Cimeliarchium physicum" des Alchemisten- kaisers ist in unserer Figur 7 verewigt. Allermannsharnisch statt Alraun konnte man sich noch gefallen lassen. Fälschung und Betrügerei war es aber, wenn aus den Wurzeln der all verbreiteten Zaunrübe (Bryonia, s. d.) Alraune geformt und anstatt echter um schweres Gold verkauft wurden. Die Wurzel wurde entweder zugeschnitzt oder noch jung in eine menschliche Hohlform hinein- gesteckt, die sie bei weiterem Wachsthum annehmen musste. Hieronymus Bock oder, wie er lateinisch hiess : Tragus, schreibt diesbezüglich in seinem „Kreuterbuch" : „Solent namque illi Bryoniae radici effigiem humanam utriusque sexus iDsculpere, postea que in calida arena conservare, in qua ubi, aliquandiu detenta fuerint et imagines intabescunt ac aliam arte faciem induunt, apparentque e terra ita natae. Hoc pacto miseri et imprudentes homines decepti Bryoniam pro Mandragora emunt. " Im Jahre 1534 warnt schon Fuchs vor den Landstreichern: „Dazu liegen (lügen) sie noch viel mehr, das man solche wurtzel muss unter dem Galgen graben mit etlichen ceremouien und teufelsgespenster, das ich hab hie wollen anzeygen darmit sich eyn yeglicher vor solchen hüben wisse zehnten." Im steierischen Landesarchiv zu Graz befindet sich ein den betreffenden Process-

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acten als Corp us delicti beigelegter falscher Alraun, den der Land- profoss Glöckerl im Jahre 1609 zwei Landsknechten zu Kaindorf bei Pöllau abgenommen hat. Beim Verhör wird der schwunghafte Handel mit falschem Alraun einbekannt. Die Gefoppten sind zumeist Bauern. Nach dem Arrest folgt als Strafe für die Alraun- iälschung die Landesverweisung. In Baumbach 's „Truggold" wird von solchem Alraunschwindel erbaulich berichtet.

Merkwürdig ist die Wandlung, die der Mandragoraglauben auf galizischem und Bukowinaer Boden genommen hat. (H ö 1 z 1, a. a. 0.) Wie ich schon in meinen Mittheilungen über die Liebes- kräuter betonte, ist die „Matraguna" der Romanen in der Buko- wina mit Atropa Belladonna (s. d.) und Scopolina atropoides identisch. Aus diesen Kräutern werden Zaubertränke gebraut, die selbst den Tod herbeiführen können, wofür die Leute euphe- mistisch sagen: „Er hat die Matraguna bekommen". Der Trank ist so der wahre Lethetrank, wie er auch von der echten Mandragora bereitet wurde. „Gib mir Mandragora zu trinken", sagt Cleopatra (S h a k e s p e a r e's Antonius und Cleopatra", A. 1, Sc. 5) zu Charmian, „dass ich die Kluft der langen Zeit verschlafe, wo mein Antonius fort ist". Den galizischen Ruthenen ist die „Matryguna" eine geheimnisvolle Pflanze, deren Beschreibung zumeist auf das Bittersüss (Solanum Dulcamara) passt, während die von ihr erzählten Geschichten mutatis mutandis auf den Alraun stimmen. Wer die Matryguna besitzen will, muss nüchtern und andächtig, im Feiertagsgewande um 12 Uhr Mittags zu ihr gehen, ihr Geschenke darbieten, sie mit einem Zauberspruche beschwören und die „Careca" (Kaiserin!) um die Erlaubnis bitten, sie aus der Erde nehmen zu dürfen; dabei stösst sie dann einen Schrei aus u. s. w. u. s. w. Mit Recht weist Hölzl darauf hin, dass „Matraguna" durch eine im Romanischen häufige Vertauschung der Liquida r und n aus „Mandragora" entstanden ist und schliesslich zu einer Collectiv- bezeichnung für Pflanzen verschiedener Art geworden ist. Be- merkenswerterweise handelt es sich aber überall um Solanaceen, die auch der modernen Toxicologie und Pharmacie von hohem Wert sind.

Vom Stechapfel (Datura Stramonium) glaubt man, dass er durch die Zigeuner, die ihn zu ihren Hexenkünsten brauchten, überall hin, wo er jetzt als auffälliges Unkraut vorkommt, aus dem Orient herbeigetragen wurde. Dass die Zigeuner sich auch der Atropa und Scopolina zu ihren Umtrieben bedienten, ist für die Bukowina gewiss. Das altlitauische „Maulda" (cf. Atropa), als Name einer zu argen Listen verwendeten Pflanze, lehnt sich unverkennbar an das Wort Mandragora an. Tollkirsche

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und Scopolina, vereint mit dem Bilsenkraut und der Mandragora haben so sinnverwirrende Kräfte in sich, dass sie gewiss wesentliche Bestandtheile der Hexensalbe waren. Es liegen auch Ori- ginalrecepte für Hexensalben in der Literatur vor, die es begreif- lich erscheinen lassen, dass die damit bestrichene Unglückliche „einen tiefen natürlichen Schlaff und unterschiedliche Phantaseyen (hat), darin der Hexe vor lauter Tanzen, Fressen, Sauffen, Musik u. dgl. träumt, also dass sie vermeynet, sie sei geflogen". Valvasor (in seiner „Ehre des Herzogthumes Crain", Laibach 1689), dem wir diese Aeusserung entnehmen, lässt die Hexensalbe aus dem „Schlaff-Nachtschatten" (Atropa Belladonna), der „Wolffs- wurtz" (Aconitum) und einigen gleichgiltigen Ingredienzien zu- sammengesetzt sein. In keinem der Recepte fehlen giftige Solanaceen, in vielen finden wir auch die narkotische Mohnpflanze, Wolfs- mücharten, Schierling und Taumellolch. Es ist sicher, dass Tausende und Abertausende, die den schrecklichen Tod als Hexen gefunden haben, die für sie so verhängniss volle „Besessenheit" von den gefährlichen Zauberpflanzen hatten. Die Solanaceen zumal, mit der Mandragora an der Spitze, spielen in dieser Hinsicht eine so bedeutende Bolle , dass ihrer keine Culturgeschichte ver- gessen . sollte.

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Medicago arborea. Baumförmiger Schneckenklee. Häufig in den Gärtchen der Arbeiter zu Lilienfeld (N.-Oest.) ge- zogen und als Beschreikraut verwendet. Kinder werden damit

beräuchert 24).

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Melilotus coerulea. Blauer Steinklee. „Neidklee" in Oberösterreich. Man räuchert damit in Ställen, um das be-

schrieene Vieh zu heilen.

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Ononis spinös a. Hauhechel. Amulet, um den Hals zu tragen gegen Hieb und Stich, gegen Räuber und Diebe. Hemmt wegen seiner Dorne die Schnitter bei der Arbeit; daher Symbol der Hindernisse in der Blumensprache. „Hauhechel", er- klärt Fuchs, „dass es so tieff einwurtzelt, das mans mit Haven muss ausreutten", also von hauen, während Kniphof (1733) Heuhechel, „weil das hev bleibt daran hangen," für richtig hält. In Niederösterreich auch „Liabe Frauenschucherl " wegen der zygomorphen Blüte. Doch dabei mit mythischem Be- züge, wie die volksthümliche Bezeichnung „Unser liab'n Frau

M) Kissling in der Oest. Botan. Zeit. 1888, pag. 379.

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Bettstroh" aus "Wiener-Neustadt lehrt. Das spiessige Kraut soll die Leiden Mariens symbolisieren.

Origanum vulgare. Dosten. Soll im Hause als Arcanum gegen Zauberei, Hexerei, Diebstahl etc. sorgfältig ver- wahrt werden. Es ging das Sprüchlein : „Vor Dosten und Dorant (cf. Antirrhinum) fliehen Nixen und "Wichtlein". Der Teufel wollte im Badischen ein Mädchen entführen, aber die Mutter hatte es heimlich mit Zauberkräutern versehen. Der Teufel entfloh mit dem Rufe :

Dosten und Johanniskraut 25) Verführen mir meine junge Braut.

Und als die Hexe von Hildesheim in einen Garten schlich, um Unheil zu stiften, wurde sie durch Dill und Dosten gebannt :

Dillen und Dust

Dat hev ick nich gewusst.

"Wenn die Hexen auf der Folterbank ohnmächtig wurden, beräucherte man sie mit Dosten, um sie vom Teufel los zu kriegen. In einer Brüxer Sage beisst es : „. . . Buben, nun thut euch kein schwarzer Zwerg etwas, denn das Kraut 0 r a n t, welches an den schönen Perlenschnüren hängt, schützt euch, bis der Pfarrer kommt und euch ordentlich tauft."

Erwähnung verdient eine neue hygienische Anwendung des zauberberühmten Dosten. Den zahlreichen, bisher meist mit wenig Ei folg durchgefühlten Versuchen, dem Tabak die giftige "Wirkung des Nicotins zu benehmen, ohne ihm gleichzeitig alle anderen, für den Raucher wertvollen Bestandtheile zu entziehen, hat näm- lich Dr. Gerold (Halle) ein weiteres Verfahren zugesellt. Er behauptet, in dem Safte von Origanum vulgare, bei gleichzeitiger Anwendung von Tannin, ein geeignetes Mittel zur Imprägnirung des Tabaks gefunden zu haben, welcher hiedurch vollkommene Unschädlichkeit erlange, ohne am schönen Aeusseren, an seinem Aroma und Geschmack irgend welche Einbusse zu erleiden.

Paeonia officinalis. Pfingstrose. Die Samen werden zu Zahnperlen für Kinder verwendet. Samen und "Wurzel wider

25) cf. Hypericum. 98. Nr. 119/98.

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die fallende Sucht um den Hals gehängt (F r a n k), Zauberpiianze, die der heilige Specht vor dem Abgepflücktwerden schützt. „Prae- cipiunt cruere noctu, quoniam si picus Martius videat, tuendo in oculos impetum faciat" (P 1 i n i u s XXV, 29).

Petroselinura sativum. Petersilie. Die ruthenische Braut in Westgalizien trägt auf dem Wege zur Kirche Brot und Petersilie, um dadurch die bösen Geister abzuhalten. In Mähren macht dasselbe Kraut, wenn es zwischen dem 24. und 26. Juni gesäet wurde, bei Kühen den Einfluss der Hexen unwirksam. In vielen Gegenden bekommt das Kind am ersten Jahrestage seiner Geburt einen Petersilienkranz aufgesetzt, weil es dann die gefähr- lichste Zeit überstanden hat. Verbreitet ist auch der Aberglaube, dass eine aus der Erde gezogene Petersilienwurzel, in Gedanken an eine bestimmte Person wieder eingepflanzt, dieser den Tod bringe.

Potentilla repens. Kriechendes Fünffingerkraut. Schützt, unter die Schwelle des Stalles vergraben, das Vieh gegeu Verhexung.

Primula minima. Kleinste Schlüsselblume. Wenn ich diese schönblühende, zwergige Alpenblume unter den Zauber- kräutern anführe, so geschieht es, weil ich vermuthe, dass sie mit dem Schwindelkraut identisch ist, dessen sich Seiltänzer von jeher als Arcanum bedienten. Saltarino, dem wir schöne Aufsätze über „fahrendes Volk" verdanken, erzählt von einem Seiltänzer, der anno 1649 kopfüber in die Seine stürzte, als er von dem Thurme von Nesle nach dem Thurme Grand Prevot ging. „Viel- leicht", meint Victor F o u r n e 1, „vergass er vor der Productiou jene "Wurzel zu kauen, welche seine Berufsgeuossen vor Schwindel sicherte. Er hatte aber wenigstens die Vorsicht gebraucht, die ihm nicht leid that, nämlich sein Seil über den Fluss zu spannen." Auch B o n n e t spricht von jenem Wunderkraute uud behauptet sogar, dass die Gemsen und Steinböcke die Blätter desselben kauen, bevor sie die Gipfel der Gebirge erklettern. In C 1 u s i u s' Geschichte der Pflanzen Pannoniens (1583) findet mau bei „Auricula ursi minima", d. i. eben Primula minima: „Alpium incolis Craftkraut et Schwindelkraut ab effectu dicitur" !

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Prunus Padus. Traubenkirsche. Das Holz gilt für zauberkräftig. Die Hexen können es nicht leiden. Wer eine Euthe vom Baume am Charfreitagmorgen ab- geschnitten hat und mit ihr zur Kirche ging, konnte alle Hexen er- kennen. Ein Kreuz vom Holze der Else- oder

Elfenbeere Teufel ferne unsichtbar.

hält den und macht

Fig. 10. Traubenkirsche.

Rosa canina. Hundsrose. Die wilde Heckenrose, die moderne Systematiker in eine Unzahl von Arten zersplittert haben, war schon in germanischer Vorzeit hochgeachtet. Ihr Holz durfte auf dem Scbeiterhaufen, der die Leichen verzehrte, nicht fehlen. In hellen Mondnächten sprechen Zigeunerfrauen ihre Zauberformeln am liebsten im Rosenstrauch. Sind es kinderlose

so viele Kinder als der Strauch Ein Zauberspruch gegen die Macht den die christlichen Zigeuner vor

junge Frauen, so erbitten sie Blumen oder Knospen trägt, der Krankheitsdämonin Lilyi,

Sonnenaufgang bei V 1 i s 1 o c k i :

einem Bösenstrauche sprechen, lautet nach

Unser Herr Jesu ging,

Auf dem Felde müd' er ging,

Beim Bache er sass

Und ihm ein Fischlein sagte :

„0 Herr! Blätter der Rose

Gib mir, o Heri !

"Wärme der Sonne,

Wärme des Feuers

Habe ich niemals!"

Da weinte der Herr und sprach :

Neun böse Kinder (Krankheiten)

Zu den Menschen werden kommen,

Und die Menschen werden sterben.

Wärme der Sonne,

Wärme des Feuers

Immer du habest,

Wenn üas Blatt der Böse

Zu dir kommen wird;

Im Namen Gottes!

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Brach eine Hexe einen Zweig der Hagerose ab, so war sie entlarvt. Wehrwölfe waren machtlos der Heckenrose gegenüber und liefen entzaubert als Menschen davon. Die durch die Rosengall- wespe (Rhodites rosae) hervorgerufenen Moosgallen oder Bedeguare gelten noch heute für zauberkräftig. Die Galle heisst auch Schlafkunz, Schlafkonrad und Nesseln der Frau Holle (s. Hol- lunder, Sambucus nigra). Sie hilft Kindern gegen Behexung und Krämpfe. Erwachsenen bringen die Schlafäpfei prophetische Träume. Odin legte den Schlafapfel unter das Haupt der Brun- hilde. Die Hecken- oder Hundsrose heisst in Oesterreich Hetschepetsch, ihre rothen Früchte nennt man Hetscherln. Die Sage (auch in Wien verbreitet) kennt einen dornenumsprossten Hetscherlberg, auf dessen Gipfel ein Teich mit lauter „verwunschenen" Fischen anzutreffen ist. Im Scherze wünscht man Missliebige auf den Hetscherlberg, wie etwa sonst in das Pfefferland. Mag eine Zu- sammenstellung der Sage vom Hetscherlberg mit „Dornröschen" nicht ganz einwandfrei sein, so ist doch unverkennbar die Be- ziehung dieser Schlafäpfel zum Schlafdorn des nordischen Götter- glaubens. Mit diesem trifft Odin die Walküre Brunhild (Edda, Hrafnagaldr, 22).

])a hellt sich von Osten aus dem Eliwagar Des reilkalten Riesen (Nörwi) dornige Rntho, Mit der er in Schlaf die Völker schlägt, Die Midgard bewohnen, vor Mitternacht.

Die Bedeguare, ihr Pulver oder den weinigen Absud ver- wendete man gegen Durchfall, Nieren- und Steinleiden sowie gegen den Biss toller Hunde. Auch als Zahnmittel wurden sie vom Volke gebraucht. Man nahm eine frische Rosengalle in den Mund und hielt das Gesicht über siedendes Wasser. Es fielen dabei manchmal die kleinen Maden der Gallwespen aus den Bedeguar- stücken in's Wasser und die Leute glaubten, dass es die Würmer aus den Zähnen waren. (P. R. S t o 1 z i s s i, Die Rose, Pharm. Post 1890.) Aehnlich glauben die Leute, die den Samen des Bilsen- krautes (Hyoscyaraus niger) auf heisses Blech werfen und den Dunst gegen Zahnweh aufsaugen an sich eine nicht unver- nünftige Medication dass die aus den zerplatzenden Samen hervortretenden weissen Keime die „Würmer" der bösen Zähne seien.

Frank rühmt von der Heilkraft der Hagebutte: „Die Blätter werden im weissen und rothen F . . . . gebrauchet, heilen die Wunden und Kopfwassersucht. Die Früchte . . . treiben den Stein. Der Schwamm (Bedeguar) curiert den Stein und Nieren- wehe, auch der tollen Hunde Biss, stillet die Steinschmerzen. Die Würmgen, welche darinnen gefunden werden, vertreiben die Wurme im Leibe. Die Wurzel kan man, Splitter auszuziehen,

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applicieren. Man findet von dem wilden Rosenbaum unterschie- dene Präparata als die eingemachte Frucht, den dicken Saft, Spiritum und Wasser aus denen Schwämmen. "Wenn der Spiritus alkalisiret oder öfters überzogen wird, so dienet er wider den Stein."

Von der wilden Weinrose (Rosa rubiginosa) wird nach Laube um Teplitz erzählt, sie rieche darum so gut, weil auf ihr die Mutter Gottes auf der Flucht nach Egypten Windeln ge- trocknet habe ; daher die Bezeichnung „Muttergottesdorn". Seit- dem blühen manche Hagrosen weiss und haben so grosse Kraft, dass sich die Hexen davor fürchten.

Ruta graveolens. Raute. Zauberpflanze, der man namentlich gegen Gifte ausserordentliche Kräfte zumuthete. Sie war ein Hauptbestandtheil des Mithridat und des Theriak. Die salernianische Schule stellte zur Zeit, da mit Giftbechern noch Politik gemacht wurde, den Satz auf :

Salvia cum Ruta Faciunt pocula tuta.

zu deutsch:

Salbei und Raute, vermengt mit Wein, Lässt Dir den Trank nicht schädlich sein.

Aus diesem Grunde fand die Raute, die gegenwärtig noch in Bos- nien als Amulet gegen Verschreien der Kinder angewendet wird, einen Platz in den Hausgärten. Aus Raute wurde mit Hilfe anderer Kräuter der „Vierräuberessig" bereitet, so genannt, weil während der Pest von Marseille vier Räuber, die sich seiner bedienten, ohne Ansteckungs- gefahr die Pestkranken und Todten geplündert haben sollen. Zu diesem Pestessig oder Spitzbubenessig (franz. vinaigre de quatre voleurs) werden ausser Raute Wermuth, Rosmarin und Wachholderbeeren, Lavendel, Kalmus, Knoblauch, Zimmt, Muskat und Gewürznelken genommen. Ein solches Getränk hat jedenfalls „Kraft" in sich. Rue bedeutet im Französischen Raute und Reue. Reue aber ist mit Treue verwandt. Zugleich symbolisiert das haltbare Grün des Krautes, dessen Aroma der Verwesung widersteht, die Erinnerung. Bei dem ländlichen Feste im „Winter- märchen" (A. 4, Sc. 3) sagt Perdita:

. . . Werte Herrn,

Für euch ist Baut und Rosmarin ; sie halten Färb' und Gertich den ganzen Winter lang ; Dank und Erinnerung sei euch beschieden . . .

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Auch Ophelia vertbeilt neben Rosmarin Raute , letztere überaus sinnig an den König. Schuldbeladen, wie er ist, soll er durch die Raute an den Gemordeten erinnert werden. Bei der Aufführung des „Hamlet" im Wiener Burgtheater legte Fräulein Barsescu gerade hierauf verständnisvolles Gewicht, und ein leiser Schauer durchdrang die Zuhörer, wenn sie zum Könige ge- wendet sprach : „Da ist Raute für Euch und hier auch für mich. Wir können sie auch Reu- und Gnadenkraut nennen. ..." In Wahrheit, ein Reukraut dem verbrecherischem Könige, ein Gnaden- kraut dem unglücklich liebenden Mädchen ! Die Raute als Trauer- pflanze begegnet uns ferner in „Richard IL" (A. III, Sc. 5). Der Gärtner pflanzt Raute dort, wo die Königin mit ihren Tbränen den Boden netzte :

Dies Plätzchen nelzten ihre T kränen ; hier Pflanz' ich ein Rautenbeet als traur'ge Zier. Bald mahnen wehmuthsvoll die jungen Sprossen An einer Königin Thräncn, die hier flössen.

Salix. Weide. Ein Zauber- und Unglücksgewächs. Zwei der verbreitetsten Arten sind auf Seite 55 abgebildet. Ophelia muss ihr junges Leben lassen, da der W e i d e n zweig bricht, nach welchem sie in ihrer Angst gegriffen :

Sie stieg hinauf, um ihre wilden Kränze

An den gesenkten Zweigen aufzuhängen ;

Da brach ein falscher Ast, und niedersinken

Die rankenden Trophäen und sie selbst

In's weinende Gewässer . . . (Hamlet, A. 4, Sc. 7.)

Nach germanischem Glauben hielt sich im Weidicht der Todesgott Vidharr auf, und der von der Vehme Verurtheilte wurde mit einer Weidenruthe erdrosselt. In einem lithauischen Volkslied abgedruckt bei Herder, „Stimmen der Völker" klagt ein Mann den „Weidbaum" an, seinem Bruder jähen Untergang bereitet zu haben ; wie Ophelia, hielt sich dieser an der schwanken Gerte fest. Vorzüglich in England ist die Weide das Symbol unglücklicher Liebe geworden. Wer dächte nicht an Desdemona's Lied von der Weide ? Ferner sagt Benedict zu Claudio („Viel Lärm um Nichts", A. 2, Sc. 1) : „Nun, zum nächsten Weidenbaum, in euern eigenen Angelegen- heiten, Graf. Auf welche Art wollt ihr euren Kranz tragen ? . . . Tragen müsst ihr ihn einmal, denn der Fürst hat eure Herrin gekapert." Die unglückliche Dido lässt Shakespeare dem absegelnden Aeneas mit einem Weidenzweig zuwinken („Kauf- mann von Venedig", A. 5, Sc. 1):

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. . In solcher Nacht Stand Dido, in der Hand den "Weidenzweig, Am wilden Seegestad, dem Liebsten winkend Zur Rückkehr nach Carthago . .

Als der Bote Bona der Schwester des französischen Königs, die Meldung bringt, Heinrich habe sich mit Lady Grey vermählt, da ruft sie:

Sag' ihm, ich trüg' in Hoffnung, dass er bald Ein "Witwer werd', um ihn den Weidenkranz.

(Heinrich VI, III. Th . A. 3, Sc. 3.)

Von der so zeitig im Jahre erwachenden Weide werden die heimischen Palmkätzchen genommen, die in der Kirche geweiht, das Haus vor Blitz und Gewitter schützen und bei den ver- schiedensten Krankheiten angewendet werden. Selbst im aufge- klärtesten Hause findet man diesen Rest des Kräuterzaubers.

Fig. 11.

Fig. 12.

Vielfach wird die Weide, wie Juniperus und Sambucus (s. d.), zum Wenden, d. i. Uebertragen (Transplantieren) von Krankheiten genommen. Darüber lässt sich schon Grimm in der deutschen Mythologie aus. Westendorp verzeichnet folgenden nieder- ländischen Gebrauch: Wer vom kalten Fieber genesen will, gehe früh Morgens zu einem alten Weidenbaume; knüpfe 3 Knoten in einen Ast und spreche dazu :

goe morgen, olde, ik geef on de Holde, goe morgen, olde!

Dann kehre er um und laufe, ohne sich umzusehen, eilends fort,

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Bei den Czechen wendet man das Transplantieren folgender- raassen an 26) : "Wer das Fieber hat, soll Abends zn einer alten Weide gehen, die am Wasser steht, und dort so lange bleiben, bis der Fieberanfall vorüber ist. Dann binde er etwas von sich an den Baum, und laufe, so schnell er kann, nach Hause ; wogegen das Fieber an dem Baum hängen bleibt. Er kann aber auch einen hölzernen Keil in den Baum einschlagen und dabei rufen: „Da schlag ich dich ein, dass du nicht mehr auf mich kommst!" So wird er des Fiebers ebenfalls los ; nur darf er beim Nachhause- wehen sich nicht melden, wenn ihn eine Stimme rufen sollte ; und umsehen darf er sich ebenfalls nicht. Gemeinsam ist bei dieser seltsamen Therapie, dass der Patient Bewegung macht, bis er in Schweiss kommt. Das zu erreichen, wird die von P. Baum- garten aus Kremsmünster mitgetheilte Methode zweifellos geeignet sein : Man laufe 72 Mal um den Weidenstamm herum, und sage jedesmal

Wind dich, Widl, wind dich, Fieba sand 72 ; Dös Fioba, dös ib. han, Dös häng ih dran.

Gegen Blutwallungen stelle man sich zu Johannes auf einen

Bretterboden, blicke auf einen grünbelaubten Baum und spreche

folgenden Segen:

Ich steh' auf Holz und seh' auf Holz,

Auf frische grüne Zweig',

Du heiliger Geist, ich bitte dich,

Hilf, dass das Sausen schweige!

Denn Niemand weiss es, was du weisst,

Wie mir zu Muth, o beil'ger Geist !

Auch Blut lässt sich durch Kraut und Beschwörung bannen. So Einer starkes Nasenbluten hat, nehme man eine Wurzel der Kornblume, rieche zu ihr und sage dazu :

Drei Bruunen stehn im Paradies,

Ihr "Wasser ist wie Honig süss,

Der eine fliesst, der andre giesst,

Ein Blümchen aus den dritten spriesst

Steh' still wenn ich will !

Eine starke Blutung stillen die Teplitzer, indem sie einen Lappen mit dem frischen Blute in einen neuen irdenen Topf tbuu und mit „Kupferwasser" begiessen. Um die Wunde zu heilen, muss der Lappen täglich im fliessenden Wasser ausgewaschen

?«) Pruckmayr: Med.-chir. Centralbl. XVI (1881), Nr. 27.

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und in dem Topf mit Eisenvitriol lösung feucht gehalten werden. Nach der Vorstellung derselben Leute wird einem Jäger „der Schuss verkeilt", wenn man einen Lappen von seinen Kleidern mit einem Holzkeil vor Sonnenaufgang in einer hohlen Weide festmacht. So lange der Lappen nicht herunterfällt oder von dem Betreffenden aufgefunden wird, hat er keinen sicheren Schuss.

Nach Duftschmid werden in den oberösterreichischen Alpen die Speikwurzeln zum Transplantiren oder „Wenden" der Krankheiten benützt. Za den Wendwarzeln werden mehrere Kräuter gerechnet : so Achillea Chiavennae, Geum reptans, Nardus stricta, Primula farinosa. H ö f e r in seinem etymologischen Wörter- buch berichtet vom „Schwund wenden" bei Mensch und Vieh Folgendes : Unter Schwund oder Schelm wird jede unbestimmte Krankheit verstanden. Man pflegt mit der Hand, einem Messer- rücken oder Aermel den kranken Körper zu bestreichen, oft wird um ein Glied ein Faden gebunden, oft auch etwas in der Erde begraben. Dazu kommen Sprüche (davon „Ansprechen" der Krank- heit). Das Fieber wird gewendet, indem man Körner säet und dazu spricht :

72 Fieber seint, ey ia !

Das, was ich. hau, bau' ich an,

Nehm's Vater, Nehm's Sohn etc.

Wenn der Same aufgeht, ist das Fieber verschwunden Probatum est ! Verwandt ist im gewissen Sinne die Vorstellung, dass man den Alp beschäftigt, um sich von ihm nicht martern zu lassen. So sagt man in Teplitz (Laube):

Olp!

Bist geboren wie ä Kolb,

Musst sieben Wosser woden,

Musst sieben Beeme blöden (abblüten),

Musst sieben Karchen weichen (weihen),

Musst sieben Barche (Berge) steichen,

Musst sieben Thäler weiten,

Musst sieben Strossen schreiten ;

Derweile werd's Tag!

Auch versprach man dem Alp vor den Schlafengehen ein Stück neugebackenes Brot oder eine neugebackene Semmel. Kam nun jemand zufällig und forderte solches, so hatte er sich als Alpdrücker verrathen. Die zwingende Kraft eines Mittels wird sonst auch gerne durch ein Sprüchlein bestärkt. So hatte (nach der Grazer „Tagespost", 10. März 1897) der Sympathie- doctor Hieronymus Bodenwinkler, Schneider in Donnersbachwald, den Zaubersegen :

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Auf meine Kraft niusst du vertrau'n, Darfst auf eig'ne Kraft nit bau'n, Blitz, Gott, Donner, alle ITeilig'n, Mög'h sich bei moin Werk betheilig'n, Kriz, Kreuz, neVrifttl, Hiaz sei dir jjc'IioI l"n und allen val.

Dabei fuhr der Schneider mit einer „Luchskrall" (Luchszehe) Uber's kranke Vieh, neun Mal hin und neun Mal her.

Von giösstem Interesse ist es, gerade beim Capitel „Wenden", wie an einem classischen Beispiel, die weite Verbreitung eines und desselben Völkerglaubens zu beobachten. Den lehrreichen Hinweisen Andre e's (1. c. p. 81 ff.) zufolge, wurden noch im vorigen Jahrhunderte in England bruchleidende Kinder durch gespaltene Eschen durchgezogen (G r'i m m, Deutsche Mytho- logie). Nach magdeburgischem Glauben wird ein krankes Kind geheilt, wenn es zwei Brüder durch einen von ihnen gespaltenen Kirschbaum durchziehen. In "Wehlau (Provinz Preussen) sucht man, wenn Kranke die „Keile" (H . . . nvergrüsserung) haben, eine armsdicke Eiche im Walde, spaltet den Stamm und zieht das kranke Kind drei Mal durch den Spalt, der dann wieder verkeilt wird. Der Czeche sagt, wenn das Fieber kommt': Raufe dir ein Büschel llaare aus, reisse ein Stückchen vom Kleide ab, stecke die Sachen in das Loch einer weissen Weide und treibe einen Hagedornkeil hinein; so muss das Fieber aufhören. Wenn Krankheit in den Dörfern östlich vom Niassasee herrscht, so kriechen die Neger unter einer gekrümmten Ruthe hindurch, deren beide Enden in die Erde gesteckt sind, waschen sich dort mit Medicin und ver- graben diese sammt dem bösen Einflnss (L i v i n g s t o n e).

Wie noch in unseren Tagen an die besondere Macht der Weide geglaubt und sie geradezu als Wünschelruthe (cf. Corylus Avellana) verwendet wird, geht aus folgendem, vom „Berliner Localanzeiger", 23. Februar 1898, mitgetheilten Falle hervor: „Im Dorfe Dreissigacker bei Meiningen mangelte es schon lange an Wasser. Bereits 1848 legte man einen zweiten Brunnen an ; er genügte aber nicht, und so wurden im Laufe der 80er Jahre neue Bohrungen vorgenommen. Mit der zunehmenden Bevölkerung wuchs der Wassermaugel wieder. Alle Bemühungen sachver- ständiger Geologen, die man zu Rathe zog, waren jetzt erfolglos. Von allen Seiten hiess es: „Hier ist eben absolut kein Wasser zu finden." Da wurde bekannt, dass in Ortschaften an der Rhön, die in Bezug auf das Trinkwasser noch schlimmer daran waren, Quellen mit Hilfe von Weidenruthen gesucht und gefunden worden waren. Erkundigungen bestätigten das Gerücht. Nunmehr machte man auch hier Versuche, und siehe da, die Wunderruthen zeigten, fast an der höchsten Stelle der Flur, zwölf Wasseradern.

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Natürlich begegneten die Dörfler bei ihren Experimenten Stiche- leien und argen Verspottungen. Sie Hessen sich aber nicht irre machen. Und der Zufall sollte ihnen Recht geben! Es wurde mit der Ausschachtung begonnen, und heute herrscht grosse Freude in einer Tiefe von 67a m wurde die erste Ader mit genügen- dem Wasser vorgefunden. In ganz Dreissigacker glaubt man nun steif und fest an die Zauberkraft der Wlinschelruthe."

*

* *

Sambucus nigra. Hollunder. Der schirmende Haus- genosse vor desBauernWohnung. Bei Hans Sachs nennt eine Frau den Mann ihren „lieben Hollerstock" 27). Ein traulicher Strauch, bei dem man von wirklicher Freundschaft, ja Pietät des Menschen für ihn sprechen kann. Ueber den Namen Hollunder, Holler, ahd. holantar, holuntar, holandir, mhd. holunter, holenter, verkürzt holder, holler, sind verschiedene Ansichten geltend gemacht worden. Die Einen versuchen die Herleitung von Holder = Bruchholz und dar = Baum, Grimm lehnt Holunder an hohl an; es ist nämlich eines der besonderen Merkmale des Strauches, dass seine Aeste im Alter mit leichtem Mark angefüllt sind. Gleichsinnig äussert sich P e r g e r : holantar, engl, the hollowtree, der hohle Baum, Hohl ter. Unverwehrt bleibt aber, im Bestimmungsworte den Namen Frau Holla's zu erkennen, welche das Volksdenken mit dem Strauche in deutlichen Zusammenhang bringt. Schon in dem bekannten Kinderreime :

Ringel, Ringel, Reiha,

Sai ma uns'ra dreia,

Setz ma uns am Hollerbusch,

Mach ma alle husch, husch, husch !

zumal in der zweiten Strophe desselben, welche die Kleinen singen:

Sitzt 'ne Frau im Ringelein, Mit sieben kleinen Kinderlein, "Was essens gern? Fischlein. Was trinkens gern? Rothen Wein28).

2') Grimm, Frauenn?men aus Blumen.

28) Man vergleiche auch die Fassung bei J. P. Friedr. Richter, „Flegeljahre" (Stattgart 1804-1805) Sämmtliche Werke, 21. Band. Berlin 1841, p. 245 :

Ringe, ringe, Reihe,

's sind der Kinder dreie,

Sitzen auf dem Holderbusch.

Schreien alle Musch, Musch, Musch!

Setzt euch nieder !

Es sitzt 'ne Frau im Ringelein,

Mit 7 kleineu Kindern.

Was essens gern? Fischelein.

Was trinkens gern? Rothen Wein.

Setzt euch nieder!

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erkennen wir deutlich Frau Holla, die den ihr anvertrauten Menschchen Atzung bietet; diese seilet werden mit Vöglein ver- glichen, welche von Holla's Strauche auffliegen. Die Beziehung wird noch klarer, wenn man erwägt, dass Frau Holla junger Eheleute Sohirmerin war und die Frommen mit K i n d e r s e g e n beschenkte; merkwürdig ist diesbezüglich die Wiener Redensart: „Die Kinder vom Hollerbaum herabbeuteln", von neugeborenen Kindern. „Wenn man sich", meint P e r g e r, „bei vielen Pflanzen nicht erklären kann, wie sie im Volke Bedeutung bekamen, so begreift man dies beim Hollunder wieder sehr leicht, indem der starke Duft seiner Blüten, seine Fülle von Früchten, sein leichtes Mark und seine im Vertrocknen hohl werdenden Zweige . . . mehr als genügend hinreichen, die Aufmerksamkeit zu erregen, abgesehen davon, dass man auch bald seine schweisstreibende Kraft kennen lernte, die sich in so vielen Krankheiten heilsam erwies, dass man ihn schon zur Zeit des Heidenthums als heilig betrachtete."

Robert Bums singt :

0, war' mein Lieb' ein Holderstrauch, Wie der, voll Blumen joder Ast, 0, war' ich selbst ein Vögelein! Auf seinen Zweigen hielt ich Rast.

Wie wollt' ich trauern, sah' ich ihn Entblättern des Novembers Weh'n! Wie singen, sähe bliihn'd und grün, Ich wieder ihn im Lenze steh'n !

Unsere Vorfahren betrachteten den Strauch als die Wohnung des guten Hausgeistes, der Hollerrautter oder Frau Ellhorn. Bei den Dänen schaut sie in der Dämmerung durch die Fenster und sieht, ob Alles im Hause in Ordnung ist. Bei den Letten wohnt der Gott Puschkait unter dem Baume, dem Brot und Bier hin- gestellt werden, und bei den Polen ist es der König der Zwerge Pikulik jetzt heisst so das aus Hollundermark gefertigte Stehmännchen der mit seinen Schaaren unter dem Baume haust. Nach der Vorstellung des galizischen Ruthenen hat dagegen der Gottseibeiuns unter der Wurzel des schwarzen Hollunders seinen gewöhnlichen Wohnort, was schon durch den Namen, Baznik-Biesnik, angedeutet wird. Daher darf man den Strauch nur Vormittags abhauen ; wenn sich die Sonne zum Untergange neigt, ist unter der Wurzel schon Dämmerung eingetreten, während welcher der Teufel die grösste Macht hat. Erwähnens- wert scheint mir, was der . abenteuerliche Simplicissimus erzählt :

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„Zuletzt nahm ich eine Pistol auf den Arm und band das Pferd an einen staiken Holderstrauch " 29).

Für den Landmann ist der Hollunder eine wahre Haus- apotheke. "Wer Zahnweh hatte, begab sich mit einem Messer zum Hollunder und sprach drei Mal:

Liebe Frau Hölter,

Leih mir ein Spalter,

Den bring ich. euch wieder.

Dann löste er ein Stück von der Rinde ab, schnitt sich einen Span aus dem Holze und ging nach Hause. Hier ritzte er mit dem Span das Zahnfleisch, bis derselbe blutig war, worauf er ihn in den Stamm wieder einfügte, um das Weh auf den Hollunder zu übertragen. Auch Fieber und Rothlauf können durch die Formel :

Zweig, ich biege dich, Fieber, nun lass mich ; Hollerast, hebe dich auf, Rothlauf, setz' dich drauf, Ich hab' dich einen Tag Hab's du nun Jahr und Tag.

auf das geduldige Holz übertragen werden30). Nett ist, dass in Shakespeare's „Lustigen Weibern" (A. 2, Sc. 3) der Dr. Cajus als „Hollunderherz" apostrophiert wird.

Ein Verwandter des schwarzen Hollunders ist der Zwerg- hollunder oder Attich, Sambucus Ebulus, der früher als kräftiges Rossmittel galt und daher bei keiner Burg fehlte. Noch heute wächst Attich auf dem Gemäuer der Burgruinen. Zieht der Tiroler Landmann vor „Frau Haspl" den Hut, so ist „Herr Attich" in Hochachtung beim Franzosen. Erkrankt dem Land- manne in der Montagne noire (Südfrankreich) Vieh oder ver- schlimmert sich ein Geschwür, dann sucht er Attich, Sambucus Ebulus, auf dem Felde, dreht ein Büschel davon in der Hand, macht eine Verbeugung und sagt: „Guten Morgen, Herr Attich, wenn du die Würmer nicht da wieder wegnimmst, so schneide ich dir die Füsse ab."

Scabiosa succisa. Teufelsabbiss. Der Wurzelstock sieht unten wie abgebissen aus. Der Teufel biss hinein, da er das Heilkraut dem Menschen nicht gönnte. Schützt gegen Teufel und Hexen. Wie Prätorius in der „Gestriegelten Rockenphilo-

29) Gr i m m el s h au s e n, 1. c. Bd. 1, p. 253.

30) Wegen des Transplantierens der Krankheiten wären auch Juniperus und Salix zu vergleichen.

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sophie" zu erzählen weiss, hat der Teufelsabbiss zu Johannis bis 12 Uhr Nachts ganze Wurzeln; „ergo, so muss der Teufel in dem Moment, da die Mitternacht vorbei ist, gleichsam so schnell als der Blitz in der Erde, als eine Schermaus oder Maulwurf herumreiten und diese Wurzeln abfressen." Ein „sympathetisches Mittel" : „Vom Teufelsabbiss nehme vier bis fünf Wurzeln, zer- schneide sie, hänge die Stücke an einem Faden auf den blossen Hals. Sobald sie eintrocknen, werden die Augen besser. Hernach wirf die Wurzeln in fliessendes Wasser!"

Sempervivum tectorum. Hauswurz. War dem Donar gewidmet („Donnerwurz", „Donnerbart") und wird, in deutlicher Erinnerung daran, noch heutigen Tages überall, wo Deutsche wohnen, auf Dächern gepflanzt. K a r 1 's des Grosseu Capitulare de villis, das dem deutschen Landmann die Gewächse vorschreibt , die wegen ihres Nahrungs- oder Heil wertes zn pflanzen sind, verlangt ausdrücklich, dass jeder Bauer „Jovis barbam" als Mittel gegen den Blitz auf seinem Hause besitze. Französisch heisst das Kraut noch heute : „Barbe de Joves." In Galizien erkennt man die Häuser der deutschen Colonisten schon von weitem an der Hauswurz. Hauswurz legt sich nach Reiterer (1. c.) die steierische Bäuerin auf die Stirne, wenn sie Kopfweh hat. Allgemein bekannt. Speciell nur im Donnersbach- thal traf dieser Gelehrte den Aberglauben : der Saft der Haus- wurz, vermengt mit Gummi, rothem Arsenik und Alrauu, gibt ein Arcanum, das, auf die Hand gestrichen, ermöglicht, glühendes Eisen anzufassen. Nach Neidhart 1. c. gebraucht man den Saft der Hauswurz gegen aufgesprungene Lippen, gegen „Scherzen und Schrunden", daher auch „Scherzenkraut" genannt.

Als „unguentum grecum ad caput" ist in Pfeif f er 's Arzneibuche aus dem 12. Jahrhundert ein interessantes Recept mitgetheilt, in dem „hüswurz" eine wichtige Rolle spielt ; es lautet: „Rute mani palura I, hüswurz m. II, epphes m. V, folia lauri m. V, scozwurze (Artemisia abrotanum !) m. V. Disin allin solt du vil harte nuwen (conterrere) mit dem ezziche joch sih in durch ein tuoch in ein erin vaz. Daz selbe vaz solt du begrabin in der erden niun tage unde solt ez vil vaste obenan betuon (verschliessen). Unde dar nach solt du cz biderbum (benützen). Nim ein cupher vaz oder ein hcriniz vaz uude güz ein mez oles dirzuo, daz andir des handigiu ezzichis dar in unde begrabiz in der erde nun tage, unde dar nach so engrab sie unde biderbe sie ze allen den erzentin, so da gesribin ist in dem arzinbuoche. Och is sin vile gut ze der wundun unde ze der houbitsweren."

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Senecio vulgaris. Kreuzkraut. Diese Composite gilt, wie Erigeron acre (s. d.), als Berufskraut. Auch sie hat Früchtcheu mit weissen Haarschöpfchen, die an den Bart eines winzigen Kobolds erinnern könnten. Daher auch der Name Senecio, d. i. Greisenkraut. Früher wurde es auch „Baldgreis", „Grimmenkraut" (weil es gegen das Grimmen im Leibe diente) und St. Jacobskraut genannt. Frank berichtet von seinen Kräften: „ist kalt, zer- theilet, ziehet die "Wunden zusammen, curiret die Gallenkrankheit, gelbe Sucht, das Brechen und Blutspeyen, Hüften wehe, den

der Weiber und tödtet die Würnoe. Aeusseilich

dient es in Entzündung der Brüste, grindichten Köpfen, Kröpfen, Schmerzen des Magens, verbaltenen U . . ., Gichtschmerzen, Wunden und dergleichen. Man hat hievon ein destillirtes Wasser. Das Kraut hängt man in dreytägigen Fiebern an."

Soldanella alpin a. Alpenglöckchen. „Beschrei- kräutel" in Bayern. Des Teufels Glockenblume heisst des Kräutchen im Salzburgischen; er wollte in ihm die Campanula nachahmen.

Stachys recta. Gerader Ziest. Beschreikraut. Un g e r (1. c. p. 319) macht die flüchtige Bemerkung, dass ihm nicht bekannt sei, wie diese Pflanze ftin's Geschrei kam, gegen das Verschreien wirksam zu sein" und erwähnt, dass das Kraut in manchen Gegenden Deutschlands zu abergläubischen Zwecken unter der Thürschwelle vergraben werde. Dagegen berichtet Carus Sterne (1. c. p. 429): „Der straffe Ziest ist eine berühmte Pflanze geworden, seit Leonhard Fuchs in ihm das erste oder herakleische Eisenkraut (Sideritis) des Dioscorides entdeckt zu haben glaubte, welches alle Eisenwunden schnell heilen, Glieder und Sehnen stärken und alle Gliedschmerzen und Geschwülste schnell veitreiben sollte . . . der straffe Ziest . . . führt noch jetzt in den Apotheken den Namen Herba Sideritidis. Ehemals führten die Soldaten und Gladiatoren das angeblich von Herakles, dem Gotte warmer Heilbäder, entdeckte Wundkraut bei sich. Im Mittelalter rechnete man die plötzlich auftretenden Gliederschmerzen, den sogenannten Fluss (Gicht und Rheumatismus), sowie Lähmungen, andauernde Schwäche u. s. w. zu den Krankheiten, welche dämo- nischer Natur seien und durch den „bösen Blick", Beschreien der Kinder u. s. w. angehext werden könnten, und nannte daher das in Form von Bädern, Waschungen und Bäucherungen zum Vertreiben der un- natürlichen Krankheit gebrauchte Bad- oder Gliedkraut auch Abnehm- kraut, Beruf- oder Beschreikraut. Das abergläubische Volk trug

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den Ziest in der Tasche oder vergiub ihn unter der Thürsch welle, um die bösen Einflüsse vom Hause fernzuhalten. Und wie die Weiber nicht in den Tempel des Herakles eintreten durften, so nützt nach Wiener Glauben sein Kraut dort Rheumatischkraut genannt nur den Männern, die Frauen müssen bei gleichen Leiden Marienbettstroh (Galium) anwenden. Von diesem verbreiteten Gebrauche zu Bädern und Waschungen, namentlich auch bei der sogenannten „englischen Krankheit" der Kinder, rührt wahrschein- lich der Name Ziest her, der aus dem Slavischen zu stammen scheint. Im Böhmischen heisst die Pflanze nämlich cistec, was unmittelbar mit öistiti, reinigen und Cisto, rein, zusammenzu- hängen scheint."

Taxus baccata. Eibe. Galt schon Dioscorides und P 1 i n i u s als unheimlicher Baum. L i n n 6 spottet darüber,

da er auf Gothland die Leute ihre Stuben mit Taxusgrün aus- tapezieren sah. Ein Stückchen Holz, auf blossem Leibe getragen,

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diente wider Zaubereien. Der Eibenzweig bannte und löste den Zauber. Im Märchen von Rolands Schildknappen verwandelt die Alte die übermüthigen Knappen mit der Eibe Hilfe zu Stein, um sie mit derselben wieder zu entzaubern. Die Taxusbogen waren zur Zeit des Pfeil schiessen s die gesuchtesten. Ein Nürnberger Consortium hat im Jahre 1559/60 aus Oberösterreich nicht weniger als 36.650 Eibenbogen bezogen 31). Bei Shakespeare („Richard II." A. 3, Sc. 3) heisst es:

Betbrüder lernen selbst, die Eibenbogen,

Die zwiefach, tödtlichen, auf dich zu spannen.

Ausser der Zähigkeit wirkte also auch der Zauber des Holzes. War Taxus wegen des düsteren Grün schon bei den alten Griechen ein Trauerzeichen, so ist er auch später Friedhofbaum geblieben. In „Romeo und Julie", A. 5, Sc. 3, sagt Paris auf dem Friedhof« zu seinem Pagen :

Dort unter jenen Eiben strecke dich,

Das Ohr am hohlen Boden haltend, nieder.

Vom Todtenbaum zum Unglücksbaum war der Gedanken- gang nicht weit:

Dann, als sie kaum erzählt die Höllenmär, Erklärten sie sogleich, sie wollten hier An einer Unglücks-Eibe Stamm mich binden, Und preis mich geben solchem schnöden Tod.

(Shakespeare's „Tit. Andron." A. 2, Sc. 2.)

Andererseits wurden dem „gottverfluchten Eibenbaum" wieder Heilkräfte zugerühmt. Oslander, in seinem Buche „Die Volks- arzneimittel", welches zu Tübingen im Jahre 1826 erschien, führt zerstossene Taxusblätter, die mit Bier zu nehmen seien, als Mittel gegen Hundswuth, Schlangenbiss und Insectenstich an. Das Medicament sei in Wien unter dem Namen des „schwarzen- bergischen Mittels" bekannt.

Ihrer Verbreitung nach gehört die Eibe zu den ausster- benden Bäume. Conwentz hat seine Untersuchungen in letzter Zeit auch auf Scandinavien ausgedehnt und sich dabei u. A. die prähistorischen Holzgefässe genau angesehen und mikro- skopisch untersucht. Das Eibenholz ist am kleinsten Splitterchen durch die eigenthümlich spiraligen Verdickungen der Holzzellen, die allen anderen einheimischen Nadelhölzern fehlen, mit Sicher- heit zu erkennen. Professor Conwentz hat in den archäologischen Museen von Stockholm, Lund, Christiania und Kopenhagen im

Sl) Conwentz: Die Eibe in Westpreusssn. Abhandlungen zur Landeskunde der Provinz Westpreussen. Hefl III, Danzig 1892. 98. Nr. 119 98. 5

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Ganzen 61 vorgeschichtliche Holzgeräthe untersucht; davon be- standen nicht weniger als 50 aus Eibenholz. Und zwar sind es nach dem Zeugnisse der nordischen Archäologen lauter einheimische, an Ort und Stelle gefertigte Geräthe. Das deutet darauf hin, dass die Eibe auch dort früher viel häufiger war als jetzt. Auch in der Schweiz wurde die Eibe in prähistorischer Zeit vielfach benützt. Die Pfähle der Pfahlbauten bestehen zum Theile aus diesem Material, nach Heer auch Bogen und Messer. Eiben erreichen ein wahres Methusalemalter. Der englische Dichter William Words- roth sagt von alten Eibenbäumen seiner Heimat :

.... finster schauen sie, Dem Uneingeweihten : ein gesäulter Schatten, Auf des grasloseru, rölhlichbraunen Boden, (Ihn färbt der Abfall des verkümmernden Laubwerkes ewig), unter dessen dunkclm, Wie für ein Fest mit freudelosen Beeren Bedecktem Zweigdach um die Mittagsstunde Gespenstische Gestalten -weilen mögen. Schweigen und Vorschau ; Furcht und Hoffnung auch, Die zitternde ; Tod das Skelett, und Zeit Der Schatten dort, gleichwie in einem Tempel, Den die Natur erhob, den moos'ge Steine In wüster Keih', Allären gleich, bedecken Vereinte Feier zu begehen, oder In stummer Kuh' zu liegen, und dem Sturz Der Wasser des Gebirges zu gehorchen, die Aus Glaramanns tiefsten Höhlen murmeln.

Aus dem Holze der uralten Eiben im Berliner H3rrenhaus- garten, unter denen Felix Mendelssohn-Bartholdy, Spohr, Moscheies, Paganini, Heine und Humboldt weilten und unter dem B i s- m a r c k seinen politischen Gedanken nachhing, liess im vorigen Jahre ein Verehrer des Pursten einen Becher fertigen und über- sandte ihn nach Friedrichsruh mit einem Gedichte , in dem es hiess :

Von Eibenholz ein Becher

Sei Dir, o Fürst, geweiht,

Der mahn', ein stummer Sprecher,

Dich an vergang'ne Zeit.

Du selbst, der Eibe gleichend

Scheinst du, so zäh, so fest,

Weit mit den Wurzeln reichend

Und weit mit dem Geäst.

Thalictrum. Wiesenraute. Wurzel und Kraut in das Bett gelegt, hilft gegen das Beschrieensein der Kinder.

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Tilia europaea. Linde. Der freundliche, die Menschen durch Duft und Schatten erfreuende Baum, der in den Volks- liedern und Sagen so oit vorkommt, hat nach der allgemeinen Vorstellung besondere Kräfte. Lindenbast sichert vor Zauber- werken, Lindenasche auf den Aeckern vor Ungeziefer. Behextes Vieh schlägt man mit Lindenruthen, die auch die Hexe treffen. Die Verehrung des Volkes für die Linde spricht sich auch darin aus, dass an seinem Stamme am häufigsten Marienbilder befestigt werden. Der Baum mit allen seinen Theilen ist wie der Hollunder für den Landmann noch heute eine förmliche Apotheke. Wozu Alles die jetzt bis auf die Lindenblüthen wohl ganz obsolete Linde verwendet wurde, mag aus F r a n k's Bemerkungen hervor- gehen : „Die Blüthen sind warm und trocken im ersten Grad, zertheilen, dienen dem Haupt, werden im bösen Wesen, Schwindel und Schlagflüssen gebrauchet. Die Blätter und Rinden sind temperirt im warmen und trocken im ersten ürad, .... dienen äusserlich in Brandschäden, Der Samen ist wider allerhand Flüsse und Verblutungen zuträglich. Die aus dem Feuer gezogenen Lindenen Scheite pflegt man mit Essig zu besprengen, und das geronnene Geblüt zu zertheilen, vorzuschlagen. So tbun auch äusserlich die Blätter in Geschwären des Mundes. bey Kleinen Kindern und Geschwulst der Füsse gut. Der Schleim aus der Rinde heilet Brandschäden und Wunden. Die Feuchtigkeit und das Wasser, welches aus dem Mark der zerschnittenen Linde hervorrinnt, machet die Haare wachsend. Sonst ist auch aus den Lindenblüthen ein destillirtes Wasser zu bekommen."

Trifolium sp. Klee. Unstreitig die populärste, -den „Glücksklee" oder „vierblättrigen Klee" liefernde und so auch die eigentlich salonfähige, selbst unserer aufgeklärten Zeit noch vielsagende Zauberpflanze. Wann und wer zum ersten Male den Glücksklee mit Bewusstsein gepflückt, wird ebenso wenig zu ermitteln sein, wie der Name des Mädchens bekannt ist, die als Erste die Orakelblume (cf. Leucanthemum) aus der wogenden Wiese genommen und die Strahlen zum Liebesorakel abgerupft hat. Carus Sterne verzeichnet als die ältesten ihm bekannt gewordenen Nachrichten über den vierblättrigen Klee diejenigen des abenteuerlichen Dichterritters Cyrano von Bergerac, der im Jahre 1655 starb. Er erzählt vom vierblättrigen Klee, wie er nur unter dem Galgen wachse ein Analogon zur Alraun-Sage ! (siehe Mandragora) aus dem Blute der Gehängten entstehe und am ersten Tage, da der Mond sichtbar sei, um Mitternacht gepflüekt werden

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müsse, um im Spiele Glück zn bringen. Wer ein vierblättrige3 Kleeblatt im Schuh oder sonst irgendwo bei sich trug, sollte die Hexen, Zauberer, wohl auch die Feen erkennen. Indess muss bemerkt werden, dass Petrus Pena und Lobelius schon aus dem Jahre 1570 („Stirpium adversaria", p. 382) einen vierblättrigen Klee (Quadrifolium phyllon fuscum hortorum) beschrieben, der höchst wahrscheinlich mit der noch heute in den Gärten gepflegten Spielart des kriechenden Klees (Trifolium repens, var. foliis fusco-nigris) identisch ist. Zudem gedenkt Shakespeare, der bekanntlich im Jahre 1616 starb, des vierblättrigen Klees in solchem Zusammenhange, dass man von seiner Volkstümlich- keit schon in dieses Dichters Zeit überzeugt sein muss. In den „Lustigen Weibern" (A. 3, Sc. 2) sagt der Wirt: „He speks holyday, he sraells April and May ; he will carry't, he will carry't, tis in his b u 1 1 o n s, he will carry't." Diese Stelle wird sinngemäss übersetzt: „Er spricht lauter Sonntag, er duftet Mai und April; der kriegt sie, der fand das Kleeblatt." Auch iu einem der G r i m m'schen Märchen, das gewiss ein ehr- würdiges Alter hat, kommt der Zauberklee vor. Ein Mädchen findet vierblättrigen Klee und erkennt durch dessen Kraft, dass der schwere Balken, mit dem ein Zauberer den Hahn beladen bat, nur ein Strohhalm ist. Nach der von Laube mitgetheilten Tradition aus Teplitz, die jedenfalls auch ein hohes Alter hat, darf vierblättriger Klee von dem Glückskind, das ihn findet, nicht mit blossen Händen angefasst werden. Wie innig die Vorstellung vom vierblättrigen Klee mit deutscher Denkart verknüpft ist, zeigt Rück er t in seinen Kinder jähren ; er sagt:

Wie viel Zeit ich damals hatte, Als ich stundenlang am See Suchte Dach «lern vierten Blatte An dem dreiblättrigen Kien.

Am Tage vor Bartholomee

Sprach ich: Nun blüht mir nimmer Klee!

Da fand ich an der Statt

Noch ein vierblätt'rig Blatt.

Der Roth- oder Wiesenklee (Trifolium pratense 32), von dem in den meisten Fällen das zauberische Blatt genommen wird.

*2) Rother Klee wird von Hammeln aufgesucht und erfolgreich helegt ; wo viel rother Klee, kommen daher viele Hummeln vor, die in ihren unter- irdischen Nestern viel Honig speichern. Das macht die Feldmäuse gedeihen und in mäusereichen Zeiten vermehren sich die Katzen. So ist die hiologische Kette zwischen zwei im Systeme so weit auseinanderstehenden Lebewesen hergestellt (Darwin). Es ist dem Verfasser gelungen, eine ähnliche Ab- hängigkeit zwischen den Eisenhntarten und der Hummelgattung zu con-

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wurde anfangs der schönen Blumeu wegen in den Garten gehalten, erst in der josephinisehen Zeit erkannte man seinen hohen wirt- schaftlichen Wert. Otto Brunfels erzählt vom Rjthklee, „weliclier auch im Elsass würt genennet Fleischblum, darumb das sein blum rothfärbig gleich dem gereuchten Fleisch, wächst vff den wysen, blüet gemeiynhlich vmb vnseres Herren leichnamstag, wurdt auch zu desselbigen Festes Ceremonien gebrauchet, und vmb die stangen kertzen geflechtet".

Nicht nur das Zusammentreffen der Blütezeit mit einem kirchlichen Feiertage, auch die Blattform des Klees ist in den Dienst christlicher Symbolik gestellt worden. In Irland ist das Kleeblatt das dem heiligen Patrick geweihte Nationalzeichen. Die Legende erzählt, dass der fromme Mann den Iren, die den Begriff der Dreifaltigkeit nicht zu fassen vermochten, ein Kleeblatt gezeigt habe, an dem drei Blättchen aus einem Stiel hervorwuchsen. Zar Erinnerung daran nahm die „grüne Insel" den weissen Wiesen- klee mit der Harfe der alten Barden in ihr Wappen und schmückt sich am St. Patrick-Tage mit Kleesträusschen. Wie auch hier Christenthum über Heidenthum obsiegte, zeigt der Umstand, dass schon den Druiden der Klee eine heilige Pflanze war, die im Zauberkessel nicht fehlen durfte. Vom vierblättrigen Klee meinen die Leute, man müsse ihn an Sonntagen im Gebetbuche in die Kirche mitnehmen, dann wirke er um so kräftiger. Und wenn man an einem Sonntag vor Sonnenaufgang einen vier blättrigen Klee pflückt und im Schuh versteckt, so erkennt man in der Kirche alle Hexen. Vielleicht hängt auch mit der symbolischen Beziehung des Kleeblattes zur christlichen Religion seine Ver- wendung als Motiv in der gothischen Baukunst zusammen. In der Werners-Capelle zu Bacharach bildet ein Kleeblatt den Grund- riss. Das ist wohl ein Ausnahmsfall. Aber die Fensterbogen imitieren vielfach die Gestalt des Kleeblattes, und kleinere durch- brochene Kleeblätter säumen die Fenster ein; ein classisches Beispiel hiefür ist an der Kathedrale zu Carcassonne aus dem

statieren. Hummeln sind in der gegenwärtigen Schöpfung die einzigen Thiere, welche sich den Honig aus den Nectarien der Aconitumarten holen können und mit ihrem zottigei Körper der Blumenform so genau angepa-st sind der Parafhiiausguss der Blume gleicht völlig dem Körper der Hummel! dass nothwendig eine Bestäubung der Blüthennarben mit den von anderen Blüthen mitgebrachten Pollen stattfinden muss. Vergleicht man die Ver- breitungslinie der Aconitumarten mit jener der Gattung Bombus (Hummel), so erkennt man a's Consequenz dieser Symbiose von Eisenhut und Hummel, dass die Blume anf der ganzen Welt nur dort vorkommt, wo die Imme schwärmt. Auch D r u d e, in seinem ausgezeichneten Handbuch der Pilanzen- geographie (Stuttgart 1890, S. 122) weist auf die pflanzengeographische Be- deutung dieses Falles hin.

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14. Jahrhunderte zu sehen. An dem alten Kirchlein von Guten- stein (Niederösterreich), vor dem ich diese Zeilen schreibe, ist das Kleeblattmotiv an jedem Fenster verwendet. Die grossen Spitz- bogenfenster zeigen das Kleeblatt im oberen Ende, das kleine Fenstereben ist ein von einem Kleeblatt ausgefüllter Kreis.

War die Form des Kleeblattes durch Natur und Kunst dem Volke so sehr vertraut, so musste es um so mehr auffallen, wenn es zeitweise statt drei vier Blättchen trug, wie Kinder auf die "Welt kommen, die statt fünf sechs Finger zeigen. Da man die Erscheinung, die als Abzweigung eines überzähligen Blättchens vom normalen Endblättchen oder den Seitenblättchen aufzufassen ist 83), nicht zu deuten wusste, stand man vor dem vierblättrigen Klee wie vor etwas Uebernatürlichem, Wunderbarem. Er hat seiuen Ruf, wie schon eingangs erwähnt, bis heute erhalten. Zufälle, wie sie in diesem Wirrsal der Zufälligkeiten täglich vorkommen können, tragen dazu bei, das Renommee des vierblättrigen Klees selbst in unseren Tagen womöglich noch zu verstärken. So begab es sich vor einigen Jahren, dass ein „Europa-Müder", bevor erzürn Hafen ging, um sich nach der neuen Welt einzuschiffen, noch ein Mal in wehmuthsvoller Abschiedsstimmung den Garten seiner Vater- stadt betrat. Wie er so in Gedanken zwischen den Beeten wandelte, erschaute sein Auge einen vierblättrigen Klee. Ohne des Verbotes zu achten, betrat er den Rasen und pflückte das Glückszeichen, um es mit in's neue Leben hinüberzunehmen. Ein Wächter, der ihn bemerkte, führte ihn zum Aufseher des Gartens. Als die Amts- handlung zu Ende war, dampfte gerade das Amerika-Schiff aus dem Hafen. Aergerlich sah ihm der wider Willen Zurückgebliebene nach. Bald darauf hörte man, dass das Fahrzeug mit Mann und Maus im Sturme verlorengegangen sei.

Die „Glücksklee"-Pflanzen,die, artig mit Bändchen geschmückt, in den Blumenhandlungen verkauft werden, sind keine eigentlichen Klee- (Trifolium-), sondern Sauerklee-(Oxalis-) Arten. Es gibt unter ihnen solche, die constant viertheilige Blätter haben, wie die hienach benannte Oxalis tetrapbylla. Mit dieser Art „Glücksklee" wird ein schwunghafter Handel getrieben, bei dem die Detail-

33) Das abnorme Vorkommen einer vierten Fieder bei fingerförmig zu- sammengesetzten Blättern wird nach Masters (Vegelable Teratology, London 1869, p. 301) als Pleophyllie bezeichnet. leb Labe in den „Studien zur Teratologie der Gewächse". (Verhan'.il. d zoolog.-botan. Ges. 1886, S. 103 bis 122) schon mitgetheilt, dass ich die Vierblättrigkeit unter den Schmetter- lingsblütlern auch bei Trifolium repens, Cytisus alpinus, Cytisus laburnum, Phaseolus multiflorus, aber auch bei Fragaria sp. beobachtet habe. Es kommen ausser der viertheiligen, auch fünftheilige und nach den Autoren auch 6 lOzählige Kleeblätter vor, wodurch jedenfalls schon der Uebergang zum gefiederten Folium compositum gegeben ist.

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geschäfte viel verdienen. C. Platz & Sohn ia Erfurt geben 10 Stück Oxalis tetraphylla um 45 kr. ab. Einzeln bekommt man sie iu Wien kaum billiger als um 15 30 kr.

Yerbascum Thapsus. Königskerze. Zu den prächtigsten Blumen, welche im Hochsommer erscheinen, gehört die Königs- kerze. Schon in ihrem Namen liegt Auszeichnendes. Denn auf öden Plätzen, wo sonst wenig anmutender Flor, ragen kerzen- gerade die mit grossen gelben Blüten versehenen Aehren der majestätischen königlichen Pflanze empor. Da sie geradeaus gegen Himmel weist, eine „Kerze ohne Licht", wie sie der Botaniker Trattinick nannte, heisst sie wohl auch Himmelbrand, im Alt- deutschen himilbrando. Bedeutet doch „Brand", hergenommen von der emporlodernden Flamme, überhaupt etwas Prächtiges. Hilde- brand und Hadubrand leiten sich davon her. Und, merkwürdig genug, spricht der Kärntner die Königskerze als „Hillebrandt" an. Zur Zeit, da man in Jeglichem, das da wächst und blüht, besondere „Kraflt und Würckung" vermuthete, glaubte man den Himmelbrand als treffliches Mittel wider Brandwunden benützen zu können. Und innere Entzündungen sind es, gegen welche der „Wollkrautthee" noch heutigen Tages volksthümliche Anwendung findet. Nach Pfarrer Kneipp ist Königskerze eine wichtige Arznei und wird als Thee oder Tinctur gebraucht. Der Woll- blumenthee gilt als Katarrh- und rheumatisches Mittel. Die in Milch gekochten Blätter werden als Ueberschläge auf schmerzhafte Hämorrhoidalknoten appliciert. Dr. Quinlon in Dublin hat gefunden, dass die Blätter und Blüten oder die ersteren allein, in Milch gekocht, nicht nur den Husten der Schwindsüchtigen er- leichtern, sondern auch die schwächenden Durchfälle mildern. Das Oel aus den Blüten wird in den homöopathischen Apotheken als „Mulle'inOel" geführt. Die Verbascumtinctur dient äusserlich wider Gesichtsneuralgieen, gegen Bettnässen etc.

Kommt man früh Morgens, wenn die Kräuter noch im Thaue baden, zur Stelle, da die Königskerze wächst, so bemerkt man rings um die Blütenähren abgefallene Blumenkronen auf dem Boden. Die Verbascumblüten sind von kurzer Dauer, sie sind ephemer, sagt der grundgelehrte Mann, aber ihn belehrt eines Besseren das Blumenmärchen. Nachts im Mondenschein führen die Elfchen um die hohe Kerze ihren Ringeltanz auf. Nicht anders wie Männlein und Weiblein um den Maienbaum. Unbelauscht wissen die den Blumenkelchen entsprossenen Elfchen gar lustig und fröhlich zu sein. Da stossen sie denn gegen die Königskerze an oder schlagen gar nach derselben mit artigen Stäben. Es fallen

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die gelben Blüten nieder, dann kommt der Doctor Pfiffikus dazu, mit Brille und Notizbuch, und sagt: die Verbascumblüten sind kurzlebig, sie sind ephemer. Das ist der grosse Unterschied zwischen Stubenweisheit und Volksglauben. Und so der Himmel- brand Euch unter dem Namen „Unholdenkerze" vorkommt, werdet Ihr nun wissen, woher diese Ansprache. Denn die holdesten Elfchen sind unverdient „Unholden" geheissen. Unholdes hat aber die Königskerze gar nichts an sich. Sonst trüge sie die Muttes Gottes nicht gleich einem Szepter in den Händen, wovon der alte Segensspruch herrührt :

Unsere liebe Frau geht über Land, Hat den Himmelbrand in der Hand.

Auch in der Fassung :

Unsere liebe Frau gebt drei Mal über das Land, Sie trägt den Himmelbrand in der Hand

kommt der Segensspruch vor. Wenn Einer mit schlimmer Wunde behaftet ist, hat man ihn mit den Blüten des Himmelbrandes zu berühren und drei Mal den Spruch zu sagen. In der Rolle einer hilfreichen Marienblume tritt hier die Königskerze auf. Damit mag zusammenhängen, dass die Mädchen in Ostpreussen die Königskerze zur Orakelblume machm. Die Mädchen hängen einen grünen Himmelbrandstengel über das Bett. Je länger die Pflanze andauert, ohne zu welken, desto länger währt das Leben des betreffenden Mädchens. Auch tragen die Mädchen Himmelbrand oder Königs- kerze zur Weihe in die Kirche. Die schöne Blumenähre nimmt die Mitte ein im Büschel von 77 verschiedenen Kräutern, deren jedes zauberkräftig ist (Chevalier). Einen gar prächtigen Anblick gewährt die blühende Königskerze. Wie gleich Anfangs bemerkt, hat dies Anlass gegeben zu dem auszeichnenden Namen. Daher kommt es aber auch, dass im „Paradiesgärtlein" die Königskerze zum Vergleiche mit „grossen Herren" benützt wird. Die Stelle lautet:

Darum wie dies Kräutlein bringt sein Blum' Auf langen Stengeln schön ringsumb, Also ziert Gott die grossen Herren Und bringet sie zu hohen Ehren.

Verbena officinalis. Eisenkraut. Schon bei den alten Griechen und Römern hatte dieses überall wild vorkommende Unkraut, das eigentlich nur durch die starren Zweige auffällt, ausserordentlichen Ruf. Es hiess nach dem Griechischen Hierobotane, d. i. heiliges Kraut. Verbena wurde als Symbol der heimatlichen Erde fremden Völkern

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entgegengetragen. Wie Plinius berichtet, wurde mit diesem Opfer- kraut der Tisch, des Jupiter abgestäubt. Auch das Mittelalter kam der Verbena, die deutsch „Isenkraut" genannt wurde und den ManD, der sie trug, stich-, hieb- und schussfest machen sollte, mit besonderer Achtung entgegen. Damit Eisenkraut voll seine Wirkung thue, musste es unter Einhaltung bestimmter Vorsichten gegraben werden. Von Pfeiffer 's alten deutschen Arznei- büchern widmet das zweite, aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammend, dem „chrout verbena" ein eigenes Capitel. Dasselbe lautet: »Ein chrout heizet verbena, daz ist für manich dinch nutze unde guot. Von demselben chrüte saget uns M a c e r, der best arcet, der ie wart, daz si habe gröze chraft an ir, swer si neme mit wuiz mit alle unde bedecke si in der cewesen haut unde ge zuo dem siechen, daz er der würz nicht inne werde, unde Sprech zuo im : „wie versihestü dich ze leben unde wie gehabestü dich?"; sprichet der siech danne: „ich gehabe mich wol", zwar, so geniset er wol; sprichet er: „ich gehab mich übel", so enchümt er nimmer ouf; spricht er: „ine mach mich niht baz gehaben" oder: „ich gehabt mich gerne baz, möht ich", so gfniset er wol; er muoz aver michel arbeit liden in dem legere. Der die selben würz graben wil, der sol si umbeiizen mit golde unde mit silber unde Sprech dar obe einen pater noster unde credo in deum unde Sprech : „ich gebiute dir, edeliu würz verbena, in nomine patris et filii et Spiritus sancti unde bi den zwein und sibenzech namen des almehtigen gotes unde bi den vier engelen Michahel, Gabriel, Raphahel, Antoniel, bi den vier evangelisten Johanne, Matheo, Luca, Marco, daz du neheine fügende in dirre erde verläzest, dune sist immer in miner gewalt mit der chreft unde mit den fugenden unde Dich got beschaffen hat unde gezieret. Amen." Mit dieser Beschwörung und dem goldenen oder silbernen Werkzeug ist es noch nicht genug. „Des selben nachtes" so fährt die mehr als sechshundert Jahre alte Handschrift fort, die auch ein bemerkenswertes Sprachdenkmal bildet „solt du lazen ligen bi der würz silber unde golt unz des morgens, e diu sunne ouf ge, so grab die würzen, daz du si mit demisen nime rüerest. So wasch si danne mit wine und wihe si danne an ant Marien tage der ereren unde gehalt si danne mit michelem flize. Diu selbe würz ist guot den frowen, die ze chemenäten gent : habent sie die selben bi in, in gewirret nimmer dahein twalmen unde habent guot rouwe."

Schon in diesem aus Bayern stammenden Arzneibuch wird unter den vielen Wunderwirkungen des Eisenkrautes angeführt : S welchem Kindelin man sie umbe pindet, daz erchiimt (erschreckt) nicht unde hat guot ruowe unde enmach ez nieman versprechen."

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Damit aber seien die Kräfte der Verbena noch nicht erschöpft. „S welch mensch niht slafen mach und in dem slafe unraowe hat, Lät ez verbenam bi im, iz hat als palde guote ruowe. Swer die verbenam bt im hat, swen er da mit riieret, der muoz im holt sin. Swer die verbenam bei im hat, der gedarf nimmer d e h e i n z o u b e r g e f u r t e n. Swer verie riten sol, der binde verbet am unde &rtimesiam (Vgl. Artemisia) dem ross umbe den schopp, zwar, ez erlit nimmer, ez enwirt ouch nimmer ze raeche. Swen der alp tringet, rouchet er sich mit der verbena, ime en wirret als pald niht. Swer die verbenam bi im bat, der enwirt des weges nimmer m'üede unde enwirt nimmer irre. Verbena diu machet den menschen liep unde genneme unde zallen ztten frörn- uot. Macer der wil daz festen im sime buoche, daz verbena als manige tugende hap als manich zw! an ir wahret."

Betreffend die besondere Vorsicht, die beim Graben der Verbena gebraucht werden soll, ist auch an den alten Spruch zu erinnern :

Ve.been hilft dir sehr,

Dass dir die Frawen worden hold,

Doch bianch kein eisen,

Graus mit goldi.

Der Brauch der Verbena ist noch lebendig. Gegen schmerzhaftes Zahnen und gegen das Verschreien wird Kindern Eisenkraut in einem Säckchen um den Hals gehängt. In M o r 1 e y s Werke über die Skrofeln wird empfohlen, die Wurzel der Verbena mit einer Elle weissen Atlasbandes um den Hals zu tragen. Doctor Paris ist in der geschichtlichen Einleitung zu seiner Pharmako- logie eine ausieichende Erklärung für den Verbena-Wunder- glauben geglückt. Hiernach bezeichnete der Ausdruck verbena (gleichsam h e r b e n a) alle Kräuter, welche man ihrer Ver- wendung bei den Opfern wegen für heilig hielt. Da aber vor- züglich ein Kraut lür diese Gebräuche verwendet wurde, so be- zeichnete das Wort verbena nach und nach das eine besondere Kraut, das Eisenkraut, das seinen grossen Ruf bis in unsere aufgeklärten Tage zu erhalten wusste.

Veronica bellidioides. Bellisartiger Ehrenpreis. Beschreikräutl in Nilderösterreich. Wird gegen Verschreien oder Verhexen des Viehes in Anwendung gebracht.

Viscum album. Leimmistel. Die seit Alters zauber- beiühmte Schmarotzerpflanze dient auch wider Kiuderbehexung.

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Mit deutlichem mythischem Bezug ist die Mistel das Grün der englischen Weihnachtsstube. Fernab vom modernen englischen Salon, in "Wales, wird die Mistel am Weihnachtsabend unter das Dach gehängt. Die Bursche führen die Mädchen darunter und wünschen ihnen, gewiss nicht ohne herzhaften Kuss und Um- aimung, glückliche Christnacht und glückliches Neujahr. In Frankreich, das gegenwärtig dem von Misteln fast ganz ent- blössten England zum guten Theil den Weihnachtsvorrath liefert, spielt der merkwürdige Strauch seine Hauptrolle zu Neujahr. Da werden seine Zweige mit dem Rufe : „Au gui (Mistel) l'an neuf" cder „Aguilanneuf" ausgeboten und verkauft. Plinius sagt im 16. Buche seiner Naturgeschichte über die zauberberübmte Mistel : „Die Druiden halten nichts für heiliger als die Mistel und den Baum, auf welchem sie wächst, namentlich wenn es eine Eiche ist. Sie wählen an sich schon die Eichenhaine und ver- richten ohne deren Laub kein Opfer. . . Ja, sie glauben, Alles, was an den Eichen wächst, sei vom Himmel gesandt, und sehen dies als einen Beweis an, dass die Gottheit selbst sich diesen Baum erwählt habe. Die Mistel ist aber nur sehr selten; hat man sie gefunden, so wird mit grosser Feierlichkeit dahin gezogen, und vor Allem am 6. Tage nach dem Neumonde. . . Sie nennen diesen Tag mit einem eigenen Worte den allheilenden, bereiten Opfer und Mahlzeiten unter dem Baume und führen zwei weisse Stiere herbei, deren Hörnerdann zum ersten Male umbunden werden. Der Priester im weissen Kleide besteigt hierauf den Baum und schneidet mit einer goldenen Sichel die Mistel ab, die in einem weissen Tuche aufgefangen wird. Sodann opfern sie Thiere und bitten die Gottheit, sie wolle ihr Geschenk denen, welchen sie es gegeben hat, segnen. Sie glauben, ein von diesem Gewächs bereiteter Trunk mache ein jedes unfruchtbare Thier fruchtbar ; auch sei es ein Hilfsmittel wider alle Gifte. Soviel Verehrung bezeugen oft ganze Völker den gewöhnlichsten Dingen."

Dem germanischen Vorstellungskreise war die Mistel besonders wert. Balder fiel durch einen Mistelzweig, den der tückische Loke durch den blinden Hödur nach ihm werfen Hess. Es ist unter den Gelehrten ein hitziger Kampf darüber geführt worden, ob die Mistel der deutschen Vorzeit mit Viscum album identisch sei. 34) Auf Voluspa XXIX wurde Gewicht gelegt, wo die Mistel dünn und schön (fagr) genannt wird ; das sollte auf

3i) Man vergleiche zur Geschichte dieser nun hoffentlich gegenstanöV losen Streitfrage meinen Autsatz im: Biologischen Centralblatt 1887, mein offenes Schreiben an Professor Kornhuber: „Zur Biologie der Mistel", Wien 1888, ferner meine Mittheilungen in: „Die Natur", 1891, S. 182.

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unsere Mistel nicht passen. Aber von dem lebendigt n Grüu und den brüchigen Zweigen ganz abgesehen, hat das Isländische niisteltheinni, das Angelsächsische raisteltan für die Mistel, und das kommt mit dem Englischen misteltoe überein; es ist ein zusammengesetztes Wort, in dem der zweite Theil „Zweig" bedeutet, Wie S c h o u w („L»ie Erde, die Pflanzen und der Mensch", Aus dem Dänischen, Leipzig 1851, S. 277) betont, hat sich im dänischen teen als Bezeichnung für den schmalen (Eisen-) Stab am Spinnrocken erhalten, und in Westgothland heisst die Mistel vispelten. Von deu grossen Zweiflern ist namentlich einge- wendet worden, dass Viscum album, wie es im Wiener Prater auf Pappeln, sonst auch auf Obstbäumen häulig wächst, überall in grosser Menge anzutreffen ist, dagegen auf der Eiche, wo wieder die europäische Riemenblume (Loranthus europaeus) als naheverwandtes Schmarotzergewächs heimisch ist, zu den grössten Seltenheiten gehört. Indess spricht gerade diese, schon von P 1 i n i u s bemerkte Tliatsache für die ausserordentliche Wert- schätzung und Beachtung, welche die als Rarität auf Eichen vor- kommende Leimmistel seither gefunden hat. Von mancher Seite ist mit apodictischern Eifer gesagt worden, dass Viscum album auf der Eiche überhaupt nicht wachse. Seit aber T u b e u f im Münchner botanischen Vereine (1889) ein unzweifelhaftes Beleg- stück des Viscum album auf der Eiche aus Nordfrankreich vor- weisen konnte, muss die principielle Richtigkeit dieses Vor- kommens zugegeben werden, und es haben die zwar spärlichen, aber von glaubwürdigen Autoren gemachten Angaben über diesen Gegenstand Anspruch auf Vertrauen.

Und die Mistel, die im nordischen Mythos von den Druiden mit Gold von der Eiche geschnitten wird, die ßalder um sein frohes Lehen bringt, kann bei ruhiger Erwägung der ent- scheidenden Momente nur Viscum album, nicht aber Loran- thus europaeus gewesen sein. Erstens kommt Loranthus europaeus nördlich der Alpen nur in Oesterreich, Mähren und Böhmen vor, im nördlichen und nordwestlichen Deutschland fehlt sie. Zweitens ist die Riemenblume oder eigentliche Eichenmistel, wo sie auf der Eiche wächst, keine Seltenheit, und es wäre nicht zu begreifen, wie ihr so ausserordentlicher Rang von altersher hätte zutheil werden sollen. Im 13. Buche seiner Naturgeschichte sagt zudem Plinius: „Alexander Cornelius nennt den Baum, aus welchem das Schiff Argo gemacht sei, Eon; er sei der Eiche, welche die Mistel (Viscum) trägt, ähnlich und könne gleich der Mistel weder durch Wasser noch durch Feuer zerstört werden. So viel ich weiss, kennt ihn Niemand weiter." Aus dieser vagen Stelle ist natürlich nichts über die Natur der Eichenmistel zu

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gewinnen, ebenso wenig aus dem Satze des 11. Capitels im 16. Buche : „Auch soll auf Eichen die Mistel (Viscura) wachsen." Von Wichtigkeit aber ist der Anfang des 93. Capitels im 16. Buche, der also lautet : „Von der Mistel gibt es drei Arten. In Euboea nämlich nennt man die auf der Tanne und Lärche (in abiete ac larice) wachsende Stelis, die in Arkadien wachsende heisst Hyphear. Viscum aber beisst die auf der Eiche, der Stein- eiche, der wilden Pflaume, der Terebinthe, sonst aber auf keinem Baum wachsende Pflanze. Die am häufigsten auf der Eiche vor- kommende heisst Hyphear Dryos." Was das Hyphear Arkadiens sei, lässt sich nicht sagen. Dagegen lassen sich die drei anderen von Plinius genannten Misteln mit botanisch genau unterschiede- nen Arten identificieren, und zwar : Stelis Viscum laxum, Viscum XVI, 93 = Viscum album, Hyphear Dryos = Loranthus europaeus.

Es ist somit unzweifelhaft, dass die Druidenmistel, die all- bekannte Mistel des Vogelleims und der mistletoe der britischen Weihnachtsstube einerlei Art sind. Das germanische Julfest, an dessen Stelle das Christenthum Weihnachten eingesetzt hat, konnte ohne die Mistel nicht gefeiert werden. Festhalle und Festgericht waren mit Mistelzweigen geschmückt. Bedenkt man dies, so dürfen englische Weibnachten „deutscher" genannt werden, als die an die trauliche Tanne sich anschliessenden Bräuche. „Danreiss in die Stuben legen", was noch eher eine Ausschmückung der Feststube mit Tannenreisig als die Aufrichtung des geputzten „Christ- baumes" ist, kommt in einer Predigt des berühmten Geiler von Kaysersberg (für Strassburg) erst im Jahre 1508 vor. Vom wiiklichen, „mit Puppen und Zucker behängten" Tannenbaum er- halten wir durch Dannhauer im Jahre 1654 erste Kunde. Wie ich im ersten Capitel meines Buches „Bei Mutter Grün" näher nachweise, erfolgte die allgemeine Zuziehung der Tanne zum Weihnachtsfeste in Deutschland erst nach den Freiheits- kriegen im zweiten Zehnt unseres Jahrhunderts. Mannigfache Sagen knüpfen sich an unsere Mistel. Durch einen auf einer Hasel erwachsenen Mistelstrauch wurden zwei Männer im preussi- schen Samlande aaf einen Schatz aufmerksam, der unter den Wurzeln begraben war. Sie mussten aber nach einem Jahre, an demselben Tage, da sie das Zaubergold gehoben hatten, sterben. Einmal kam zu armen Hirten, die am krainischen Triglavberge wohnten, ein alter Mann und bat um Zehrung und Obdach. Die Hiiten gaben ihm Beides. Beim Weggehen gestand er, ein ver- fluchter Raubritter zu sein, der nun schon 300 Jahre ruhelos über die Erde wandeln müsse. Er wisse eine Mistel, die auf einer Eiche wachse, und diese Mistel sollten die Leute holen, um

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mit ihr tinm Schatz in der Burg des Ritters zu heben. Sie thaten, wie ihnen befohlen, lioben eine Schatztruhe und wurden von da ab reiche Leute, die vergnügt und glücklich bis an ihr seliges Ende lebten. In diese Sage spielt schon der sympathische Hauch der christlichen Legendenwelt hinein. Die Eiche, auf der die wundertbätige Mistel wuchs, war durch ein Christusbild kenntlich. Lie MisteLweige kreuzen sich an dem lebenden Busche in auflallend regelmässige)' Weise. Diese Eigentümlichkeit trug der Mistel das Epitheton „heiliges Kreuzholz" ein. Damit hängt zusammen, dass nach Marter30) im Wienerwald vordem aus Mistelholz Rosenkränze geschnitzt wurden. Gerade in Oester- reicfa werden der Mistel von der Landbevölkerung noch heute besondere Kräfte zugerühmt. Ein Amulet mit drei Mal geweihtem Mistelblatt hilft den Kiudern wider die Berufung und den bösen Blick. Es muss sechs Mal an jedem Neumonde erneuert werden. Die Zahl sechs und der Neumond kommen mit Bezug auf die Druiden- miste! schon bei Plinius vor. In die Palrnsonntags-Palmbuschen wird gerne auch ein Mistelzweig gethan. Ein Mistelzweig auf der Tbiirschwelle schützt vor der TYud (Alpdrücken). Im Kub- stalle erleichtert Mistelgrün der Kuh das Kalben und bannt die Hexe. Mistelzweige, die in der heiligen Nacht an die Obstbäume gebunden werden, schützen sie vor Raupen-, Hagel- und Blitz- schaden. Es ist klar, dass diese Vorstellung zum Mistelzweig des germanischen Julf'estes hinüberleitet. Eiu Mistelzweig, insgeheim in's Schlafgemach verwahrt, bringt Eheleuten den mit schmerz- licher Sehnsucht erwarteten Kindersegen. Nach W u 1 1 k e ist die Mistel auch dem deutschen Volke noch lange keine entthronte Zauberfee. Die Pflanze muss, wenn sie wirken soll, im Zeichen des Löwen an den beiden Frauentagen gesammelt werden. Eine in Silber gefasste Mistelbeere dient den Kiudern als Amulet.

Es konnte nicht fehlen, dass Viscam albura auch in der volkstümlichen Medicin Anwendung fand und von hier selbst in die alten Officiuen und Droguerien überging. Frank in seinem „Kräuterlexikon" rühmt vom Viscum, dessen weissen Beeren er purgierende Kraft zuschreibt: „Es erweichet, zertheilet, ziehet Splitter aus, erweichet die harten und drüsigten Schwulsten, und heilet alte Geschwäre. Der Eichenmistel und vornehmlich der Haselmistel sind die besten, und pflegen wegen ihrer irdischen Theile die Säure wegzunehmen, die allzustarken Bewegungen des Geblütes zu hemmen, auch in der hinfallenden Krankheit gut zu thun." Achnlich klingt die Anpreisung, die wir schon früher in Durante's „Herbario (Venedig 1636) lesen:

Bd) Verzeichnis der österr. Gewächse. "Wien 1780.

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Discutit, eniollit Viscum, tum eoncoquifc, atque Extrahit, abscessus sanat, vetera ulcera mollit; Scabritias unguis pellit, tenuatque lienem, Huic caedum vertigo simul, niorbusque caducus.

Bemerkenswert ist namentlich der Ruhm, welchen die Mistel als Mittel gegen die Fallsucht (Epilepsie) genoss, einer Krankheit, die in ihrem geheimnisvollen Zusammenhang mit dem Nervensystem Irüherer Zeiten als Ergebnis specificischer Behexung galt. Hoch oben, oft in schwindelnder Höhe aus dem Aste empor- wachsend, sollte die Mistel den „Schwindel" vertreiben. Dieser primitiven Vorstellung verdankt wohl Viscum album seine sym- pathetische Anwendung gegen Fallsucht. Für Volksmedicia und gelahrte Heilkunde vieler Jahrhunderte wirkte eben der Edda (Hawarral, Ed. Simrock, 138) wundersame Mahnung mit, die im Princip mit der Homöopathie übereinstimmt :

Dies ratli ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,

Wohl dir, wenn du sie merkst :

Wo Oel getrunken wird, ruf die Erdkraft an ;

Erde trinkt und wird nicht trunken.

Feuer hebt Krankheit, Eiche Verhärtung,

Aehre Vergiftung,

Der Hausgeist häuslicben Hader,

Mond mindert Tobsucht,

Hundsbiss heilt Hundshaar,

Eune Beredung,

Die Erde nehme Nass auf.

Reg- ister,

Seite

Abies 77

Abnehmkraut 63

Abrus precatorius 6

Achillea Chiavennae 57

Aconitum 48 69

Actaea spicata 11

Adlerfarn 18

Agenbolz, neunerlei 37

Akazie 40

Alchemilla alpina 33

Allermannskanrisch .... 14 46

Alliuni inagicum 11

Allium sativum 11

Allium Victoriaiis .... 14 46

Alnus 15

Alpenglöckchen 63

Alpenleinkraut 41

Alraun .... 10 14 23 41 67

Alraun, wilder . . 46

Alysson 9

Ankorkraut ... . . . 23

Antirrhinum 49

Antirrhinum maius 16

Antirrhinum ürontium .... 16

Artemisia 74

Artemisia Abrotanum 16 34 62

Artemisia Absinthium .... 17

Artemisia vulgaris ... . 17

Asplenium Uiua muraria . . 19 34

Athyrium Filix femina 16 18

Atropa Belladonna .... 20 47

Attick 61

Auricula ursi minima 50

Seite

Baldgreis 63

Barbe de Joves 62

Baumförmiger Sclineckenklee . . 48

Bedeguare 52

Beifuss 17

Bellisartiger Ehrenpreis .... 74

Berufskräuter ... 9 28 63

Bescbreikräuter .... 9 41 63

Beseichkraut 23

Betula alba 20

Biberneil 36

Bilsenkraut 48 52

Büke 20

Bittersüss 47

Blauer Steinklee 48

Bocksdorn 41

Bohne 11

Botrychium Lunaria . . 19 23

Bruchkraut 32

Bryonia 46

Bryonia alba 23

Bryonia dioica 23

C'altha palustris 23

t'ampanula . . 63

Campanula rotundifolia .... 24

Christophskraut 11

cistec 64

Conyza coerulea 28

Corylus avellana ü4 58

Craftkraut .... ... 50

Cytisus alpinus 70

Cytisus Laburnum ... . 70

81 -

Saite

Datura Stranionium 47

Dauron 28

Dillen 49

Donnerbart 62

Donnerwurz 62

Dorant 16 49

Dosten 16 33 49

Drosera longifolia 27

Drosera rotundifolia 27

Dudaim 42

Dust 49

Eberraute 16 34

Ehrenpreis 40

Ehrenpreis, bellisartiger .... 74

Eibe 32 37 64

Eiche 58 75

Eisenhut 68

Eisenkraut 63 72

Elfenbeere 51

Elllioni 60

Elsenbeere 51

Engelsüss 19

Engelwurz 30

Epheu 32

epphes 62

Erdmännlein 45

Eiica tetralix 28

Erica vulgaris 27

Erigeron acre 28 63

Erle 15

Ervthraea ramosissinia .... 29

Esche 58

Eupatoriuru cannabinum ... 17

Europäische Kiemenblume ... 76

Farnkräuter 16 18

Farnsamen 18 19

Fichte 37

Fleischblum 68

Folia lauri 62

Fragaria 70

Fuga daemonum 33

Fünffingerkraut, kriechendes . . 50

Galgenmännlein 43 45

Galium 64

Galium verum 29

Gartenraute 34

Geldmännchen 23

Gentiana craciata 30

Gerader Ziest 63

Geum reptans 57

Gewürznelken 53

98. Nr. 119/98.

Seite

Ginster 36

Glechoma 34

Glechoma hederacea 30

Glückshändchen 19

Glücksklee 67

Glücksmännlein ....... 45

Goldmännlein 45

Greinkraut . 18

Grimmenkraut 63

Grüne Niesswurz 33

Gundelrebe 30 34

Gundermann 32

Hagebutte 52

Hagedorn . 58

Hagerose 52

Hanf 40

Hartan 33

Hartenaue 33

Haselnuss 24

Hauhechel 48

Hauswurz . 62

Heckenrose . 51

Heckmännchen ... . 23 44

Hedera helix 32

Heid, weisse 33

Heidekraut 27

Heiderich 27

Heil aller Schäden 30

Heiliges Kreuzholz 78

Helleborus viridis 33

Herba Sideritidis 63

Herniaria glabra 32

Herrgottshölz'l 17

Hetschepetsch 52

Hetscherln 52

Hexenkraut 15

Hexensalbe 48

Hierobotane 72

Hillebrandt 71

Himilbrando 71

Himmelbrand 71

Himmelstengel 30

Holderbusch 59

Holler 59

Hollerbusch 59

Hollerstaud'n 38

Hollunder 52 59

Holly 34

Hundsrose 51

hüswurz 62

Hyacinthe . . 11

Hyoscyamus niger 52

Hypericum 49

6

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Seite

Hypericum perforatum .... 33

Hyphear 77

Hex aquifolium 34

Imperatoria 34

Inula Conyza 28

Inula Helenium 17

Irrwurz 16 19

Isenkraut 73

Jageteufel 33

Johannishändchen ...... 19

Johanniskraut 11 33 49

Johanniswurzel 19

Jovis barba 62

Juniperus . 55 61

Juniperus communis 35

Juniperus Sabina .... 34 37

Kalmus 53

Kiefer 37

Kirschbaum . 58

Klee, vierblättriger 67

Kleinste Schlüsselblume .... 50

Klettenwurzel 20

Knoblauch .11 53

Königskerze 71

Kornblume 56

Körfcheswurzl 23

Kraftkraut 50

Kreuzenzian 30

Kreuzkraut 63

Kreuzwurz 30

Kriechender Klee Q$

Kriechendes Fiinffingerkraut . . 50

Kronawett'n 36

Iiabkraut 29

Ladies bedstraw 29

Lanawurzen 15

Lanlauch 15

Lärche 37 77

Larix 77

Lauch 13

Lavendel ... . . _ 53

Ledum palustre 33

Legföhre 37

Leimmistel 74

Leucanthemum 67

Leucanthemum vulgare .... 39

Levisticum 34

Liabe Frauen schucherl . . 48

Liebfrauenstroh , 29

Seite

Liebstöckel 34

Linaria alpina 41

Linde 67

Lithospermum officinale .... 41 Loranthus europaeus ... .76

Löwenmaul 16

Lycium barbarum 41

Machandelboom 36

Mandragora . 14 19 20 23 67

Mandragora officinalis .... 41

Maria-Bettstroh 29

Marienbettstroh 64

Marienbündel 29

Martinsgerte 3g

Matraguna 47

Mauerraute 19 34

Maulda 20 47

Medicago arborea 48

Meisterwnrz 34

Melilotus coerulea 48

Mistel 34

misteltan 7g

misteltheinni 76

misteltoe 75

Mithridat 53

Modelgeer 30

Mohnpflanze 43

Moly 11

Mondraute 19 23

Moorheide 28

Moosgallen 52

Mugwurz ig

Mulleinöl 71

Muskat 53

Muttergott esbettstroh 29

Muttergottesdorn 43

Nardus stricta 57

Narrenkohlen 17

Neidklee 48

Nessel 17

Nesseln der Frau Holle .... 52

Neunerlei Agenholz 37

Neunhämmerlein 15

Niesswurz, grüne 33

Nimm-ma-nix 33

Oberharnisch 15

Ononis spinosa 48

Orakelblume 39 67

Orant 49

Origanum vulgare .... 16 49

Oxalis tetraphylla 70

83 -

Seite

Paeonia officinalis 6 49

Palmbuschen 78

Palmkätzchen 55

Pappeln 76

Paternostererbsen 6

Perestup 23

Pestessig 53

Petersilie 50

Petersschlüssel 23

Petroselinum sativum 50

Pfingstrose 6 49

Phaseolus rrmltiflorus 70

Pimpanell 36

Pinipinella magna 37

Polypodium vulgare 19

Polystichuni Filix mas .... 18

Polytrichuni commune . ... 33

Potentilla repens 50

Preiselbeere 22

Primula farinosa 57

Primula minima 50

Prunus Padus 51

Pulicaria dysenterica 28

Pulicaria vulgaris 28

Quadrifolium phyllon fuscum

hortorum 68

Rauchkräuter 17

Eaute 53

Rheumatischkraut 64

Riemenblume, europäische ... 76

Robinia Pseudacacia 40

Rosa canina . . 51

Rosa rubiginosa 53

Rosmarin 53

Rothklee 68

Rue 53

Rundblättrige Glockenblume . . 24

Rupfblume 39

Ruta 34

Ruta graveolens 53

rute 62

Salbei 53

Salix 54 61

Salvia 53

Sambucus Ebulus 61

Sambucus nigra .... 52 55 59

Sanct Jacobskraut 63

San et Peterskraut 30

Sanct "Walpurgiskraut .... 23

Sauerklee 70

Scabiosa 34

Seite

Scabiosa succisa 61

Scherzenkraut 62

Schierling ... 48

Schildfarn 18 19

Schlafäpfel 52

Schlafdorn 52

Schlaff-Nachtschatten 48

Schlafkonrad . , 52

Schlafkunz 52

Schlüsselblume, kleinste ... 50

Schmetterlingsblütler ..... 70

Schneckenklee, baumförmiger . 48

Schradlbaum 34

Schwarzenbergisches Mittel . . 65

Schwindelkraut 50

Scopolina atropoides ... 20 47

seozwurze 62

Sebenbaum 37

Seg'nbam 34

Sempervivum tectorum .... 62

Senecio vulgaris 63

Sibyllenwurz 30

Sideritis 63

Siebenhämmerlein 15

Sieglauch 14

Solanaceen 48

Solanum Dulcamara 47

Soldanella alpina 63

Sonnenthau 27

Sonnenwendkraut 11

Speeren stich 30

Speikwurzeln 57

Spitzbubenessig 53

Stachys reeta 63

Stechapfel 47

Stechpalme 34

Steineiche 77

Steinklee, blauer 48

Steinsame 41

Stelis 77

Stoanneidkraut 19

Sumpfdotterblume 23

Sumpfporst 33

Tabak 49

Tanacetum vulgare 17

Tanne 37 77

Taumellolch 48

Tausendguldenkraut 29

Taxus 32

Taxus baccata 64

Terebinthe 77

Teufelsabbiss 34 61

Teufelsbanner 33

6*

84

Seite

Teufelsflucht 33

Thalictrum 66

Theriak 53

Thorellensteine 17

Thymian 34

Thymus 34

Tilia europaea 67

Tollkirsche 20 47

Traubenkirsche . 51

Trifolium 67

Trifolium pratense 68

Trifolium repens 68 70

Tüpfelfarn 19

Unholdenkerze 72

Unser Lieben Frau Bettstroh . 29

Unserer Frauen Bettstroh . . 29

Unseres Herrn Gottes Wundkraut 33

Valeriana officinalis 17

Veilchenwurzel 6

Verbascum Thapsus 71

Verbeen 74

Verbena officinalis 72

Verschreikräutl 24 29

Voronica 40

Veronica bellidioides 74

Verzweigtes Tausendguldenkraut 29

Vierblättriger Klee .... 10 67

Vierräuberessig 53

Viscum album 34 74

Seite

Viscum laxum 77

vispelten 76

vinaigre de quatre voleurs . . 53

Wachholder , . .~ 35 53

Waldfarn 18

"Weide 54

Weinroser wilde 53

Weisse Heide 28 33

Wendwurzeln 57

Wermuth 53

Wetter pflanze 6

Widerthonmoos ....... 33

Wiesenklee 68

Wiesenraute 66

Wilde Pflaume 77

Wilde Weinrose 53

Wilder Alraun 46

Wolffswurtz 48

Wolfsmilch 48

Wollkraut 71

Wollblumen 71

Wünschelruthe .... 18 24 58

Wünschelsamen 18

Zaunrübe 23 46

Ziest, gerader 63

Zimnit 53

Zirbe 37

Zwerghollunder 61

Zwiebel 11

Verlag von Moritz Perles. Druckerei der k. Wiener Zeituuj

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